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ARCHIV

KEFURMATIONSGESLHICHTE,

TEXTE UND. UNTERSUCHUNGEN.

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Im Auftrag des Vereins für Reformationsgeschichte

herausgegeben vou

Walter Friedensburg und Otto Scheel.

XXXlI. Jahrgang. 1934.

Nachdruck mit Genehmigung vom Verein für Reformationsgeschichte KRAUS REPRINT LTD.

Vaduz 1964

BR 300

AS leg

\934-35

Printed in Germany

Lessingdruckerei Wiesbaden

Inhaltsübersicht.

J. Boehmer, D., Pfarrer i. R. in Kassel, Protestari und protestatio, protestierende Obrigkeiten und protestantische Christen... . oo een. .

(Tschechoslowakei), Die Wiedertäufer in Mähren. HI: 2 2..0u5% ET ee a wa

Bucer, Von der Wiedervereinigung der Kirchen AD en a G. Buchwald, D,, Superintendent in Rochlitz (Sachsen), Kleine Notizen aus Rechnungsbüchern des Thüringischen Staatsarchivs (Weimar). II. H. Stoll, Domvikar in Ratzeburg, Ein kostbares Neues Testament. . 2 m een,

Kronstadt (Rumänien), Bisher nicht veröffent- lichte Bruchstücke eines Melanchthonbriefes . .

Seite

1—22

23—4l

42—60

61-102 103— 120 121 —128 129-132

133136

145—191

192-218

219— 227

228— 238 239— 245

246—261

IV

Belt O. Clemen, D. Dr., Universitätsprofesser, Zwickau, en:

Luther in Schmalkalden 1537 ....... 2... 252—263 K. Wolf, Dr. in Marburg (Hessen), Ein Gutachten

Peucers über die politische Lage der reformierten

Gebiete Deutschlands 1594 ...... 2... ... 204 281 Mitteilungen: Neuerscheinungen und Zeitschriften

137—144, 282—288.

Protestari und protestatio, protestierende Obrigkeiten und protestantische Christen.

Zur Würdigung von Sinn und Auswirkung der Protestation(en) des Speierer Reichstags von 1529.

Von Julius Boohmer.

Das maßgebende Werk zum zweiten Speierer Reichstag war bis vor kurzem: Julius Ney (Pfarrer in Speier), Geschichte des Reichstags zu Speier im Jahre 1529. Mit einem Anhang un- gedruckter Akten und Briefe. Abdruck aus den Mitteilungen des historischen Vereins der Pfalz (Hamburg, 1880. 368 8.). Von ihm urteilt der es überholende, weiter unten zu erwähnende Nachfolger J. Kühn: ‚Die einzige geschlossene, durchweg auf eigenen Studien ruhende Darstellung des Reichstags in neuerer Zeit.“ ‚Obwohl von Haus aus nicht Fachmann in der histori- schen Forschung, hat der Verfasser doch in seiner Arbeit eine tüchtige Leistung dargeboten“ (S. 264).

Ney hat dann ein Vierteljahrhundert nach Erscheinen seines Hauptwerks, dieses in willkommener Weise ergänzt durch Heft 5 der ‚‚Quellenschriften zur Geschichte des Protestantismus‘, be- titelt: „Die Appellation und Protestation der evangelischen Stände auf dem Reichstag zu Speier 1529‘ nebst kritischem Apparat (Halle, 1906, 96 S.). Erst neuestens hat dann Pro- fessor Johannes Kühn (in Leipzig), der im Auftrag der Bayeri- schen Historischen Kommission die Herausgabe des Bandes der deutschen Reichstagsakten betr. den Speierer Reichstag von 1529 vorbereitet, diesem Quellenwerk ‚gewissermaßen das Textbuch‘ (8. 261) vorangeschickt in seiner ‚‚Geschichte des Speierer Reichstags 1529‘ (Leipzig, 1929, 267 8.) = Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte Jahrgang 47, Heft 1, Nr. 146). Gleich darauf hat endlich Hans von Schubert in „Christentum und Wissenschaft“ Juni 1929, 8. 233—240, „Die Protestation von Speyer im Lichte der neuesten For- schung“, einen lehrreichen Überblick zur Sache gegeben. Quellen und Literatur überhaupt hat Kühn a. a. O. S. 261 bis 264 kurz, aber genügend gekennzeichnet.

Gleichwohl und trotz allem scheint noch immer nicht in . jeder Hinsicht gesagt worden zu sein, was gesagt sein sollte

Archiv für Reformationsgeschichte, ZIXI 1/2. ı

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und längst hätte gesagt sein müssen. Denn zwar allbekannt sind die Vorgänge, die auf dem zweiten Reichstag zu Speier 1529 dahin führten, daß die Vertreter der Evangelischen ‚‚pro- testierten‘‘, und daß auf diese Tatsache ihr Name ‚‚die Pro- testanten‘‘ zurückgeht, was man seit geraumer Zeit, namentlich auf katholischer Seite, landläufig dahin versteht, daß es den „Protestanten“ wesentlich und die Hauptsache sei, zu ‚‚pro- testieren‘‘ d. h. Widerspruch zu erheben. Nein zu sagen, zu bestreiten und zu leugnen.

Allein ganz so und ganz so einfach, wie es hiernach scheinen könnte, liegen die Dinge in der Wirklichkeit nicht. Im Gegen- teil, der Name ‚‚Protestanten‘‘ im Sinne von Protestierenden erscheint von Anfang an mit gewissen Schwierigkeiten, Unklar- heiten, Rätseln belastet, auf die es schon lohnt, um der Wichtig- keit des Gegenstandes, um der Ehre der Evangelischen und um der Wahrheit selbst willen (gegenüber Freund und Feind) näher einzugehen.

Zunächst nämlich weisen es sämtliche lateinischen Wörter- bücher aus, daß ursprünglich protestare, dann protestari nichts anderes als ‚öffentlich bezeugen (aussagen, dartun, beweisen)‘, entsprechend protestatio „das Bezeugen“, ‚das Dartun‘ usw. bedeutet. So führt insbesondere Aegid. Forcellini, Totius latinitatis lexicon (Prati 1868) Bd. 4 S. 956f. zu protesto, pro- testor, woher protestans, protestatio abgeleitet, an: 1. testis sum, palam testor (Justinian), 2. profiteor (Quintilian), 3. über- tragen vom Hahnenschrei, den Fortschritt der Nacht pro- testans (Ambrosius), 4. vom Bezeugen durch die Heilige Schrift (Kirchenschriftsteller überhaupt).

Näher geht auf die Sache ein Du Cange. Glossarium mediae et infimae latinitatis (Niort 1886) Bd. 6, 541—42. Er führt an, daß protestari nude pro attestari stehe. So in der Bulla Coelestini III. PP. (im Jahre 1191) inter Instrum. tom. 6 Gall. Christ. novae edit. col. 49, wo es heißt: Quod episcoporum mutationes, utilitatis vel necessitatis causa, possint auctoritate apostolica licite fieri, tam canonum statuta quam antiqus sanctorum patrum exempla manifestius protestantur. Da- neben weiß er dann von einem protestari = contestato denun- ciare oder testificari, wofür Belege: Litterae Bonifacıı VIII. PP. in Chr. Angl. Th. Outterbourne pag. 92: Palam protestatus est quod pro regno ipso tibi fidelitatem praestare seu facere aliquatenus non debeat etc. Ferner Charta anno 1304 in Maceriis Insulae Barbarae tom. 1 pag. 194: Protestantes tamen et dicentes se dictum hommagium facere et reco- gnitionem iuxta formam et conventionem contentam in charta facta manu Raimundi Melini notarii, in qua protestati fue- runt fore salvum ius curiae ct ipsorum. Wir können freilich

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an beiden Stellen dem protestari nur den oben angeführten, allgemeinen Sinn des Bezeugens abgewinnen, müssen aller- mindestens diese Möglichkeit offenlassen. Dabei lassen wir die Deutung von Du Cange Bd. 2, 533, wonach contestata denun- ciatio eine bestrittene Anklage wäre (gemäß litem contestando et negando ligitare, repugnare in einem Instrumentum appellatio- nis anni 1481) auf sich beruhen, weil wir es nur mit protestari zu tun haben; führen die Stelle gleichwohl wegen der contestata denunciatio und des instrumentum appellationis an.

Nicht minder besinnlich stehen wir gegenüber der Behaup- tung, daß protestatio protesta und dieses gleich contestata denunciatio sei, wofür als Beleg angegeben ist Statuta Vercell. lib. 4 fol. 7: quodsi aliquis servitor fecerit aliquam falsam protestam vel aliquod aliud falsum commiserit in suo officio exercendo suspendatur etc. Anders freilich, wenn dann weiter angeführt wird: Statutum Comitis provinciae de officio tabellio- num ann. 1254 ex Cod. MS. D. Brunet fol. 60: De protes- tatione qualibet et qualibet exceptione ponenda in cartulario 1 den. detur. Ebenso wenn Laur. Byzgn. de Bello Hussit. apud Ludewig tom. 6 Reliq. MSS pag. 127 steht: Primum in Praga intimationibus et protestationibus publicis factis etc. Endlich auch Chron. Angl. Th. Outterbourne (s. 0.) pag. 185: Facts prius protestatione, quod ad hoc concedendum regi non continebantur ex stricto iure, sed affectione solummodo

sui Regis.

In den drei letztangeführten Stellen befinden wir uns deutlich auf dem nämlichen Rechtsgebiet, wie bei protestum (vox nego- tiatorum), dem kaufmännischen, wozu noch angegeben wird: Gall. Prot&t (unser ‚„Wechselprotest‘)., Contestata denun- ciatio 8. 0. Beleg Statuta Genuens. lib. 4 cap. 14 pag. 115: Qui voluerit cambia seu tractas sibi factas solvere supra pro- testum etc.!).

Wir haben es demgemäß, soweit protestatio allermeist und protestum gänzlich in Frage kommen, mit einem neuen Sprach- gebrauch zu tun, der den Sinn „öffentliche Bezeugung‘“ einengt und einschränkt auf die Wendung dieses Zeugnisses gegen jemanden oder etwas. Um diesen neuen Sinn handelt es sich laut Du Cange auf dem Speierer Reichstag von 1529: ‚„Prote-

ı) Hiernach ist E. Wasserzieher, Woher ? (Ableitendes Wörterbuch der deutschen Sprache. : Berlin, 1930) 8. 189a, der „Protest m. Einspruch, zunächst kaufmännisch, 18. Jh., vom italienischen pro- testo‘‘. „Protestant m. nach dem Reichstag zu Speier 1529, wo die Evangelischen Einspruch erhoben gegen die Beschlüsse der Mehrheit, zum lateinischen pro vor, testor Zeuge sein, bezeugen‘‘ zu ergänzen und zu berichtigen.

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stantes dicti primum Lutherani, cum anno 1529 in comi- tiis Spirensibus adversus novum decretum in religionis negotio ab iis exhibita est protestatio.“ Der Name wurde später ‚Kalvins Schülern‘ heigelegt, vgl. Sleidani Comment. lib. 6 und Hofmann, Lexikon.

Prüfen wir nun nach, was Sleidanus und Hofmann in Wirk- lichkeit zur Sache bieten, so machen wir da mancherlei über- raschende Entdeckungen.

Zunächst was Sleidanus angeht.

Zieht man hier eine der zahlreichen Ausgaben, =. B. die von 1561 (ohne Ortsangabe) S. 102 (in Buch 6) (Frankfurt 1785) Bd. I 8. 376 oder die neueste Ausgabe von Boehmer und Am Ende zu Rate, so ließ man: Haec est origo nominis protestantium, quod non solum in Germania, sed apud exteras quoque gentes pervulgatum est atque celebre... Post appel- lationis quoque formulam protestantes concipiunt et edunt. - Die Übersetzung von Heinrich Pantaleon (Basel 1556) gibt das 8. CXLIX wieder: ‚Solches ist der Ursprung des Protestieren- den-Namens, welcher nicht allein in Deutschland, sondern auch bei den auswärtigen Völkern ganz gemein und berühmt ist... Nach diesem stellen die Protestierenden auch eine Form der Appellation und lassen sie ausgehen.“

Hier steht jedenfalls nichts davon und auch sonst nirgends bei Sleidanus etwas davon, daß der Name (besser: die Bezeich- nung) Protestant anderen als den Protestierenden selber bei- gelegt; sondern nur daß die Tat des Protestierens im In- und Ausland erzählt und gerühmt worden sei. Von ‚Kalvins Schülern‘ dagegen ist mit keinem Wort die Rede.

Man beachtet dabei noch, daß durchweg in der deutschen Übersetzung von „Protestierenden‘‘ (nie von Protestanten) die Rede ist, das Wort also auf eine einmalige (die bewußte, be- kannte) Handlung, nicht auf einen Dauerzustand blickt.

Ferner zu Hofmanni Lexikon. Gemeint ist hier, was dem geneigten Leser zu erraten überlassen bleibt: Johann Jakob Hofmann, Lexicon universale. Basel, 1677 Bd. 2 S. 215, wo es heißt: ‚Protestantes appellatio est, quae evangelicis tri- buitur, eo quod ab illis, quorum tum antesignani (= Vorkämpfer . hier werden die beteiligten evangelischen Fürsten aufgezählt) auf dem Reichstag zu Speier protestatio adversus novum decretum exhibita est, in religionis negotio am 19. April 1529 petitum, ut superioris conventus sartum tectum conservaretur (daß das vom vorigen Reichstag, dem ersten zu Speier 1526, ausgebesserte Obdach ihnen [den Evangelischen] erhalten bliebe) et sus cuique religio, iuxta tenorem illius, permitteretur usque ad concilium. Huic principum protestationi .. . schlossen sich die Städte Straßburg, Nürnberg, Ulm usw. an. Haec

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origo nominis protestantium est, und er wurde nicht nur in Deutschland, sondern auch bei den auswärtigen Völkern ver- breitet und berühmt.‘‘ Auch hier wird auf Sleidanus, Buch 6, verwiesen. Wie also Du Cange sein Wissen samt dem Hinweis auf Sleidanus schließlich J. J. Hofmann verdankt, so hat dieser das meiste wörtlich aus Sleidanus abgeschrieben!

Soweit der lateinische Sprachgebrauch.

Aber auch was wir über den deutschen Sprachgebrauch von zuständiger Seite hören, befriedigt nicht recht. In Grimms Wörterbuch Bd. 7 (bearbeitet von Matthias v. Lexer, Leipzig 1889) Sp. 2174—76 liest man, daß Protest = Verwahrung, Rechtsverwahrung, ‚‚die erklärte Verweigerung der Annahme oder Zahlung eines Wechsels‘‘, daher ‚Wechselprotest‘‘ sei, ohne zu erfahren, seit wann dieser Sprachgebrauch bestehe. Für ‚Protestanten‘‘ wird auf den Reichstag zu Speier von 1529 verwiesen, sowie für Protestation = Protest auf Luther 1, 339b (ohne nähere Angabe). Endlich zu „protestieren“ d. ı. Protest erheben, einlegen, angeführt aus Matthesius, Luther (1621, 72b): ‚Luther protestierte öffentlich, daß er von seinen Schriften nicht weichen könne‘, wo indes sichtlich nicht Widerspruch erheben, sondern bezeugen gemeint ist.

Und um ein noch neueres, ebenfalls maßgebendes Werk an- zuführen, so erläutert Fr. L. K. Weigand, Deutsches Wörter- buch 5. Aufl. (Gießen 1909) Bd. 2, 482: „Protestant Angehöriger der lutherischen und der reformierten Kirche. Von lateinisch protestari öffentlich bezeugen oder aussagen, (gewiß von einer erfreulichen Unbefangenheit und Deutlichkeit, ob aber auch Vollständigkeit und demgemäß Richtigkeit? Heißt es doch gleich im folgenden: es sei) aufgekommen nach der am 19. April 1529 auf dem Reichstag zu Speier übergebenen aus- drücklichen Verwahrung der der Reformation ergebenen Stände gegen den in den Religionsangelegenheiten gefaßten Mehrheitsbeschluß ihrer katholischen Mitstände“. Eine ge- wisse Unklarheit, eigentlich Widerspruch ist nicht zu ver- kennen. Wir erfahren weiter, daß protestantisch und Pro- testantismus für die Evangelischen erst im 18. Jahrhundert aufgekommen seien. Für ‚‚Protestation‘‘ als Einsprache, Widerrede wird verwiesen auf Liliencron, Die historischen Volkslieder der Deutschen (4 Bände. Leipzig 1865ff.) 2, 195 (aus den Jahren 1486—92); ferner auf Janssen, Frankfurts Reichskorrespondenz (Freiburg, 1863—72) 2, 83. 85 (prote- tacien, Dativ! ao 1445). Endlich zu protestieren = Einspruch erheben, zurückweisen (z. B. einen Wechsel) auf Janssen, ebd. 2, 133 ao. 1456.

Das alles stimmt im ganzen zu dem, was die lateinischen Gewährsmänner bieten. Doch kann die eigentliche Entschei-

dung, nachdem sie mit sprachlichen Mitteln vorbereitet ward, selbstverständlich nur auf sachlichem Boden fallen, den in erster Linie Julius Ney und Johannes Kühn aufs beste bereitet haben.

Wir sehen an dieser Stelle davon ab, zu wiederholen, was diese beiden Gewährsmänner im einzelnen und gründlich, ein jeder in seiner Weise, erörtert haben, und setzen das alles als gegeben und bekannt voraus. Zumal das Gebiet der Politik im allgemeinen, der inneren wie der äußeren, und nun gar die Gegenstände, die mit der Reformation wenig oder nichts zu tun haben (z. B. die Münzfragen, Kühn, 8. 136—139), auch die von hier aus bestimmten Beweggründe der Verhandeinden, alles was politische Intrige und menschliche Mache heißen muß. Wir beschränken uns vielmehr unserer Aufgabe gemäß darauf, alles, was mit protestieren und Protestation zu tun hat und was zum Verständnis dieser Ausdrücke beitragen kann, zusammenzubringen und in das rechte Licht zu stellen. Da- durch dürfte, was in Speier geschah, rein in seinem sachge- mäßen Wert, sowohl nach Seiten der völligen Harmlosigkeit wie einer unvergänglichen Bedeutung, erscheinen. Der Ver- ständlichkeit wegen folgen wir dabei dem Gang der Ereignisse, damit auch der Schein dogmatischer Konstruktion gemieden werde.

Seit dem ersten Reichstag zu Speier 1526, laut dessen Ab- schied vom 27. August in $ 4 jeder Reichsstand in Sachen des Wormser Edikts, bis eine weitere Entscheidung gefallen sei, 80 leben, regieren und es halten sollte, wie er es gegen Gott und Kaiserliche Majestät zu verantworten sich getraue (womit eine gewisse reichsgesetzliche Anerkennung der evangelischen Landeskirche gegeben scheinen konnte), hatte sich die Re- formation gewaltig ausgebreitet, womit zugleich der Wider- stand gegen sie gewachsen war. Schon für den auf das nächste Jahr geplanten Regensburger Reichstag, der zwar nicht zu- stande kam, dessen Zweck aber durchsichtig war, hatte Philipp von Hessen eine Protestation (1527) in die Wege geleitet (Kühn 22). Für 1529 jedenfalls kam auf altgläubiger Seite alles auf die Aufhebung des Speierer Beschlusses von 1526 an, vor allem urteilte der fanatische und herrschsüchtige König Ferdinand so und glaubte auch, angesichts des Fehlens einer ganzen Reihe weltlicher und geistlicher Fürsten einerseits und der bei den Evangelischen vorhandenen Spaltungen (Kühn S. 32 u. 49) andererseits das Heft in der Hand zu haben. Demgegenüber wünschten die in der Verteidigung des Evangeliums einigen Evangelischen, den Abschied von 26 (bis zu einem Konzil) erhalten zu sehen, faßten aber für den Fall des Mißlingens schor. vor Eröffnung des Reichstags

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(15. März) eine Protestation ins Auge. Da machte die ge- fälschte Proposition, angeblich vom Kaiser (der doch mit den Evangelischen aus Gründen der Politik sanft zu fahren wünschte), in Wirklichkeit von Ferdinand verfaßt, auf die Evangelischen einen niederschmetternden Eindruck; doch wagten sie einstweilen nicht, auf die (von ihnen durchschaute) Fälschung hinzuweisen (Kühn 65). Nur die Nürnberger Ju- risten meinten schon am 24. März für den Fall der Aufhebung des Abschieds von 1526, man solle in einem Bericht an den Kaiser dawider protestieren und an Kaiser wie Konzil appellieren. Diese Protestation ging übrigens auch wider die Reichssteuern. Nur verwahrte man sich dagegen, mit der Protestation sich etwa vom Gehorsam gegen Reich und Kirche lossagen zu wollen (Kühn 84)!). Auch Straßburg, das schon vorher die Messe abgeschafft hatte und deswegen übel ange- sehen wurde, gab am 27. März seinen Vertretern in Speier Auf- trag, über eine Protestation mit den evangelischen Fürsten zu verhandeln. Letztere aber bereiteten schon seit mindestens dem 23. März eine Protestation vor. Und Agricola scheint

1) Ein Schreiben des Rats von Nürnberg an Markgraf Georg von Brandenburg vom 27. März, das anregt, „eine stattliche Appellation und Protestation vorzunehmen“ (gedruckt Ney 298f.; ebendort 8. 297f. ein Brief zur Sache von Lazarus Spengler vom 25. März). Hier heißt es, daß, falls in Speier ein „‚beschwerlicher‘‘ Beschluß gefaßt werden sollte, ‚so sollten die vereinigten evangelischen Fürsten und Stände dem ihre Zustimmung verweigern, und von dem Mehrheitsebeschluß protestieren und appellieren an den besser zu informierenden Kaiser, an ein künftiges Konzil‘. Solche Prote- station müsse in die beste Form gebracht und alle Gründe zu der- selben eingehend in ihr dargelegt werden. Da aber Protestationen von Reichstagsbeschlüssen nur selten vorkämen, so möge man sie nur dann vornehmen, wenn Sachsen, Hessen, Brandenburg und „etliche ansehnliche Städte‘ an ihr teilnähmen. Im anderen Fall müsse man sich begnügen, den Abschied nicht mitzubewilligen und nicht zu siegeln (Ney 144). Außerdem wurde hier entgegen dem be- rüchtigten Cuius regio eius religio von den Theologen der Grundsatz der Gewissensfreiheit für Landesherren und deren Untertanen geltend gemacht und biblisch begründet. ‚‚Wer die Christen mit Gewalt zwingt zu tun, was sie für unrecht halten, und sie nicht zuvor mit Gottes Wort unterrichtet, daß es recht sei, wenn es auch an sich selbst nicht unrecht wäre, so zwingt man sie doch zu sündigen, welches unchristlich und erschrecklich zu hören ist.‘‘ ‚‚Also muß man in diesen Sachen, woran vielmehr gelegen ist, niemanden zwingen, sondern ihn mit Gottes Wort lehren und daneben zulassen, daß niemand wider sein Gewissen tue, er täte sonst Sünde und würde verdammt‘‘ (Ney 146).

schon vor dem 22. März den Entwurf zu einer Protestation vorgelegt zu haben, die sich auf die Proposition mit ihrer Aufhebung des Speierer Abschieds von 1526 bezog (Kühn 26). Ja, in den Verhandlungen der evangelischen Städte mit den Räten der Fürsten seit 1. April wurde die Unechtheit der Pro- position mit Nachdruck geltend gemacht und auf die in der Reichstagseinladung und -vollmacht geäußerten Friedens- wünsche des Kaisers hingewiesen: wenn das nicht hülfe, müsse man eine Protestation einreichen und die Gründe aufzählen, warum man beim Adschied von 1526 zu bleiben wünsche, und falls die Gegner nicht nachgäben, sei die Protestation zu ver- öffentlichen (Kühn 87f).

Nachdem vom 24. bis 28. März um der Osterzeit willen der Reichstag nicht zusammengetreten war und vom 29. März (Montag nach Ostern) an die Ausschüsse getagt hatten, fand sich Samstag 3. April der Reichstag wieder zusammen. Hier gab es einen Zusammenstoß zwischen dem bayerischen Ge- sandten Eck und dem Abgeordneten des Herzogs Georg von Sachsen (weil der Bayer den Sachsen nicht über sich sitzen lassen wollte). Die Sachsen protestierten dawider laut ihnen gewordener Weisung, drohten daraufhin nicht in den Abschied willigen zu wollen und zogen sich von den Verhandlungen zurück!). Diese Protestation in einer so nichtigen Sache erregte nicht das geringste Aufsehen. Aber die Protestation der Evangelischen 14 Tage später, die erst erhoben wurde, nachdem sich alle anderen Mittel der Verständigung als ver- geblich erwiesen hatten, verursachte allgemeine Erregung und lebhafteste Empörung (Kühn 100f.).

Noch ehe Dienstag 6. April die Reichstagsverhandlungen fortgesetzt wurden, schon am Tage zuvor erwogen die evan- gelischen Fürsten, die kommen sahen, was kam, etwas wie eine Protestation (106). Am 6. April erfolgte der erste öffentliche Zusammenstoß der Geister (am 12. das Auseinandergehen der Reichsstände, am 19. fand die endgültige, entscheidende Pro- testation statt diese drei Tage gelten als die drei großen Tage von Speier!): Kurfürst Johann trug den übrigen Fürsten seinen Standpunkt vor und erinnerte daran, wie schon Kurfürst Friedrich der Weise gegen das Wormser Edikt protestiert, ebenso auf dem dritten Nürnberger Reichstag 1524 (Kühn 108f.). Am 7. April erklärte in der gemeinsamen Sitzung der Kurfürsten und Fürsten Landgraf Philipp im Namen der evangelischen Fürsten und Grafen: er bezeuge öffentlich (pro-

ı) Man erinnere sich an den ähnlichen Konflikt zwischen dem bayerischen Prinzregenten und den regierenden Fürsten auf dem ersten Reichstag unter Wilhelm II. 1888.

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testaretur!) vor den Ständen, daß man in einen Artikel nicht willigen könne, der die Katholiken auf das Wormser Edikt verpflichte und die Evangelischen zu Sekten stemple; man wünsche beim Speirer Abschied von 1526 zu bleiben (111). Ihm wurde erwidert: esseigegen den Brauch des Reichs, daß eine Minderheit sich der Mehrheit offen entgegenstelle! Am 8. April verhandelte der Landgraf im gleichen Sinn: man wolle beim Speirer Abschied bleiben und sich schlimmstenfalls mit den Städten zur Protestation zusammenschließen (Kühn, 112). Dennoch: kam am 10. April das „Ausschuß- Bedenken“ in der Form an den Reichstag: das Wormser Edikt, das Luther und seine Anhänger ächtete (trotzdem es längst als undurchführbar erwiesen war!) solle bestehen bleiben, und selbst die vorläufig davon befreiten Evangelischen hätten die Messe zu dulden (Kühn 148). Am 12. April wurde es so von den Kurfürsten mit Mehrheit angenommen (153), ebenso von den Fürsten (154). Doch als es jetzt an den König und die Kom- missare gehen sollte, erhob Kursachsen Einspruch. Kanzler Brück verlas ein Tags zuvor aufgesetztes Aktenstück mit fünf Unterschriften (Kurfürst Johann, Markgraf Georg, Land- graf Philipp, Fürst Wolf von Anhalt und der Lüneburger Kanzler Forster), das zu den Reichsakten genommen werden solle. Mit großem Ernst ward hier geltend gemacht, daß das Bedenken nicht dem Frieden diene, indem es auf das Wormser Edikt und die Messe (nämlich die ‚Opfermesse‘‘, nicht die ‚Nachtmahlsmesse‘‘) verpflichte. Das ‚Bedenken‘ hob ja tat- sächlich den Abschied von 1526 auf. Die Bitte wurde ange- schlossen, in dieser Frage nicht auf die Mehrheit zu pochen (155). Zugleich wurde die Echtheit der Proposition in Frage gestellt. Auch wurde betont, daß die Mehrheit der Städte bei dem Abschied von 1526 bleiben wolle (156). Nachträglich indes stellte sich heraus, daß es tatsächlich die Minderheit war (157)! Am 13. April erklärten die evangelischen Fürsten: falls ihrer Erklärung nach ihrer Übergabe an Ferdinand von diesem keine Folge gegeben würde, hätten sie eine weitere Er- klärung abzugeben: ‚‚die erste öffentliche Ankündigung der Protestation‘ (159). Ja mehr als das: es handelte sich um den Entwurf zu einer eigentlichen Protestation, den Kanzler Brück geschaffen hatte!). Er wurde noch mehrfach umgearbeitet, indes ohne sachliche Änderung, nur zur Förde-

der Klarheit. Gerichtet war er an die Mehrheit der Stände (183). Denn es handelte sich darum, daß man pro- testierte gegen den Beschluß der Mehrheit, den einhellig

1) Nach Kühn 183 hat Ney diesen ‚Entwurf‘ irrigerweise als Vor- arbeit zu der zweiten Protestation angesehen.

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beschlossenen Speierschen Abschied von 1526 aufzugeben protestierte um des Gewissens und um des Friedens willen, weil die Mehrheit nimmer dazu verpflichten könne, jenen Abschied zu verlassen. Zuletzt wurde gebeten: falls wider Er- warten das Ausschußbedenken zum Abschied erhoben werden sollte, die Protestation dem Abschied einzuverleiben (184).

Trotz dem allem fand in den nachfolgenden Verhandlungen, in denen auch der erst am 10. April nach Speier gekommene päpstliche Nuntius Graf Mirandula auftrat, keinerlei Eingehen auf den Standpunkt der Evangelischen statt. Von den Städten, die um der Religion willen in zwei einander feindliche Parteien zerrissen waren und vom König wie vom Reichstag recht ver- ächtlich behandelt wurden (174), traten die altgläubigen (!) Städte des Elsaß auf dem Reichstag scharf auf und drohten ihrerseits mit Protestation, Nichtbewilligen des Reichstags- abschieds, Verweigerung der Zahlung (zur Türkenhilfe) (175). Viele von ihnen reisten vor der Zeit ab (176). Selbst von den (14 oberländischen) evangelischen Städten, die mit den Fürsten unterschrieben hatten, waren nur einige auf religiöse Gründe eingestellt, während andere weltlichen Erwägungen und Rück- sichten folgten (179). Die Führung lag bei Nürnberg und Ulm, im Anfang auch bei Augsburg (181). Von den Städten war wohl Nürnberg die einzige, die eine Protestatiou vorbereitete. Sonst wartete man auf eine Protestation der Fürsten.

Eine solche lag ja nun seit dem 13. April tatsächlich bereit. Allein noch am 18. war diese Protestation ohne Unterschriften (184). Denn Markgraf Georg von Brandenburg hatte einen anderen Entwurf bereit, der in milderen Formen, sachlich aber dem sächsischen (vom 12. April) gleich, aufgezogen war (185). Der andere Entwurf stammte von Vogler, dem Kanzler des Markgrafen, und hat beides schön herausgearbeitet: den Rechtsstandpunkt, daß ein einhellig gefaßter Beschluß auch wieder nur einhellig aufgehoben werden könne; den Religions- standpunkt, daß in Sachen von Gottes Ehre und der Seele Heil jeder vor Gott auf sich selber stehe und sich auf keine Mehrheit berufen könne. Voglers Entwurf indes, im letzten Grunde Umarbeitung und Überarbeitung des Brückschen, kam nicht zur Ausführung. Die Brücksche Protestation siegte (187).

Aber alle Verhandlungen waren umsönst. Am Entscheidungs- tage, dem 19. April, wurde lediglich die Auffassung der Mehr- heit wiederholt und mit ausführlicher Begründung vorge- tragen!). Die evangelischen Fürsten verließen darauf die

ı) Die Kommissare erklärten: sie hätten von der Beschwerdeschrift des sächsischen Kurfürsten und der anderen Kenntnis genommen,

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Sitzung. Die Protestation lag ja längst fertig vor: sie ‚war nicht, wie man geglaubt hat, eine Improvisation des Augen- blicks“ (Kühn 182). Nur die Übergabe sollte besprochen werden!). Allein sogleich nach den evangelischen Fürsten ver- ließen auch König und Kommissare das Rathaus?), wo der Reichstag arbeitete, und ließen sich auch durch alle bittenden Bemühungen der Evangelischen nicht zurückhalten noch zu- rückholen, worauf diesen nichts übrig blieb, als ihr ‚‚weltge- schichtliches Dokument“ den Ständen allein vorzutragen (188f.)

War an sich die Protestation einzelner Reichsstände ein herkömmliches Mittel des Reichsrechts, wie dafür im vor- stehenden Beispiele genannt wurden?), so gaben dieser Pro- testation die Wichtigkeit des Gegenstandes und die Gespannt- heit der Lage ihre besondere Bedeutung, ihren unvergleichlichen Wert. Bei der bestehenden engen Verbindung zwischen reli- giösem, politischem und gesellschaftlichem Leben handelte es sich hier tatsächlich um eine Revolution, besser gesagt: um den Kampf für den Bestand der Reformation (‚des Evan- geliums‘“).

Nach Verlesen ihrer Protestation verließen die Evangelischen das Rathaus und kehrten nicht wieder. Ein Teil der ver- sammelten Städte hatte sich auf der Stelle der Protestation der Fürsten angeschlossen. Die Reichstagsmehrheit aber tagte weiter. Sie lehnte die Aufnahme der Protestation in den Reichstagsabschied und ihren Druck ab, nahm sie lediglich zu den Reichstagsakten (Kühn 1%).

Das Schriftstück, in peinlicher Beobachtung aller damals üblichen und umständlichen Höflichkeitsformen abgefaßt, ist von Ney 9. 232—234 genau wiedergegeben. Es beruft sich auf die bereits am 12. April eingegebene Beschwerdeschrift (die vorhin abgewiesen worden war 8. 0.):.... „bedenken wir, daß unsere hohe Notdurft erfordert, wider angezeigtes ... nichtiges und machtloses und für uns, die Unsern und männig- lich unverbindliches Vornehmen öffentlich zu protestieren, wie wir auch hiermit gegenwärtig tun, und daB wir aus vor- gewandten Ursachen darein nicht wissen können noch mögen

und ließen sie ‚‚in der Warte bleiben‘‘ (Ney 288). Weiter: sie hofften, daß die Beschwerdeführer nunmehr dem von der Mehrheit gefaßten und von den Kommissaren genehmigten Abschied beitreten würden.

1) Die Straßburger berichten darüber in einem Brief vom 21. April (Ney 231).

8) „„Rathof“. Nicht: Remtscher (Remter, Refektorium).

s) Erwähnung verdient auch noch die freilich ganz anders geartete Protestation der bayerischen Fürsten in Sachen der Nachfolge in Pommern auf dem Nürnberger Reichstag 1522 (Kühn 227).

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gehelen!), sondern gemeldetes euer Lieb und euer Vorhaben für nichtig und unbindig?) haben, gegen euer Lieb und gegen euch hiermit protestiert haben.“

Die evangelischen Fürsten kündigten zugleich an, daß sie ihren Protest nebst früheren Beschwerden an den Kaiser ge- langen und auch sonst öffentlich verbreiten lassen würden, da- mit jedermann wisse, warum sie dem Reichstagsabschied nicht zugestimmt, sondern gegen denselben protestiert hätten.

Die Verhandlungen waren damit keineswegs abgeschlossen. Die Reichstagsmehrheit beschloß zunächst, König und Kom- missare zu bitten: sie möchten die Evangelischen von ihrer Absicht der Veröffentlichung der Protestation abbringen, weil man von der Veröffentlichung Unruhen im Volk, das der Re- formation mehr anhing als die Obrigkeiten, fürchtete. Der König wies das ab (Kühn 191) und verlangte Gehorsam, ‚‚was ihre Pflicht als Reichsstände ist‘ (192). Die evangelischen Fürsten aber beschlossen noch am Nachmittag des 19. April, den bisher unbenutzten Entwurf Voglers dem Kaiser als Protestation zu überreichen, weil in ihren Augen dieser Entwurf milder und doch dringlicher, weil er sehr ausführlich und zugleich sehr religiös gehalten war (203). Immerhin, ein Kompromiß war und blieb die Arbeit.

Am Nachmittag des 20. April kam es zur Ausführung. Die Räte der fünf evangelischen Fürsten überbrachten das Schrift- stück®) Ferdinand (204). Der aber verlangte die Fürsten selber

1) willigen, zustimmen.

3) unverbindlich.

s) Es trug die Überschrift: „Die Beschwerung und Protestation anderweit zusammengezogen.‘‘ Ihr Wortlaut ist von Ney 8. 240 254 wiedergegeben. Es heißt hier um einige kennzeichnende Wendungen anzuführen: ‚nicht willigen können noch mögen ... Ihr werdet uns darin freundlichst entschuldigt halten, daß wir mit euch in dem nicht einig sind noch in solchem dem Mehreren gehorchen wollen ... Und damit ihr nochmals unsere Beschwerden zu vernehmen habt... Auf dem Reichstag zu Nürnberg (1522) unser aller Beschwerden in 80 Ar- tikeln verzeichnet (243)... Wir wollen uns zu euch versehen, wie wir auch abermals freundlich bitten und gütlich begehren: Ihr werdet und wollet Gelegenheit der Sache nochmals zu Gemüte führen und unsere Beschwerung, auch derselben Grund und Ursache, mit Fleiß betrachten ... Und wo dieses dritte Anzeigen unserer merklichen Be- schwerden bei Euer Königl. Durchlaucht Liebden und Euch den Anderen keine Statt finden noch haben wollte, so protestieren und bezeugen wir hiermit öffentlich vor Gott, unserm einigen Erschaffer, Erhalter, Erlöser und Seligmacher ... auch vor allen Menschen und Kreaturen, daß wir für uns, die Unsern und jedermann in alle Handlung

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zu sehen und wollte die Protestation zurückgeben. Als die Räte sie nicht annahmen, schickte der König sie durch Diener zurück. Sıe befindet sich noch heute im Weimarer Archiv, ist nie auf den Reichstag gekommen, wohl aber von den Evan- gelischen durch den Druck verbreitet worden (206).

In den nachfolgenden Verhandlungen mit dem Reichstag haben die evangelischen Fürsten im wesentlichen ihren Stand- punkt festgehalten trotz allem, was von der Gegenseite geltend gemacht wurde: daß nunmehr, nachdem die Mehrheit den Abschied beschlossen habe, die evangelischen Fürsten, „damit kein Zwiespalt erschölle“, auch ihrerseits annehmen möchten, was die Mehrheit beschlossen habe, zumal es her-

-kömmlich sei, „daß der mindere Teil dem mehreren allewege gefolgt sei‘ (Ney 264). Bisher sei es nicht Brauch gewesen, eine eingereichte Protestation dem Reichstagsabschied ein- zuverleiben. Es hieße einen bedenklichen Präzedenzfall schaffen, wenn man diesmal, falls die evangelischen Fürsten auf ihrer Protestation beharrten, dieselbe ın den Abschied aufnehme. Daher könnte diese Bitte nicht erfüllt werden. Man möge also die Veröffentlichung der Protestation unter- lassen, damit nicht König und Stände zu öffentlicher Er- widerung veranlaßt würden. Dabei wolle man mit den Evan- gelischen Frieden halten bis zu dem bevorstehenden Konzil.

und vermeinten Abschied .. . nicht gehelen noch willigen, sondern ... sie für nichtig und unbündig halten, daß wir auch dawider unsere Notdurft öffentlich ausgehen lassen und der Römischen Kaiserlichen Majestät ... in diesem Handel weiter gründlichen und wahrhaftigen Bericht tun; wie wir uns desselben gestern, nach gegebenem ver- meintem Abschied, alsbald durch unsere in der Eile getane Protestation, die wir auch hiermit wiederholen, öffentlich vernehmen lassen und daneben ‚‚erboten haben, daß wir uns niohtsdestoweniger“‘ ... (253). „Wir behalten uns auch vor, vielberührte unsere Beschwerungen und Protestationen ferner zu extendieren ... und wollen uns auf das alles unzweifenlich versehen und getrösten, die Römische Kaiser- liche Majestät werde sich gegen uns als ein christlicher, Gott über alle Dinge liebender Kaiser und unser allergnädigster Herr, in Ansehen unseres christlichen, ehrbaren, redlichen und unwandelbaren Gemütes und schuldigen Gehorsams, gnädiglich halten und erzeigen ... Speier, 20. April 1529.

Johann, Herzog zu Sachsen, Kurfürst, manu propria.

Georg, Markgraf zu Brandenburg m. p.

Ernst, Herzog zu Lüneburg m. p.

Philipp, Landgraf zu Hessen m. p.

Wolf, Fürst zu Anhalt manu propria‘“ (S. 254).

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Das alles machte auf die Evangelischen keinen Eindruck mehr. Immerhin nahmen sie die Verurteilugg der Zwinglischen Sakramentslehre an (207) und gaben die Straßburger preis, was Melanchthon zu besonderer Genugtuung gereichte (Kühn 209). Doch wurden alle Vermittlungsvorschläge von Ferdinand und dem Reichstag am 21. April rundweg abgelehnt, weil man die Gegensätte für unvereinbar hielt (213). Vor allem fühlte sich Ferdinand verletzt, weil die evangelischen Fürsten jede persönliche Zusammenkunft mit ihm ablehnten, auch wieder als sie vom König für den 22. April aufs Rathaus gebeten wurden. Namentlich Kurfürst Johann, der wiederholt und besonders gebeten wurde, lehnte bestimmt ab. Kühn (214) vermutet: weil er gefürchtet hätte, er solle von Philipp und den anderen Evangelischen getrennt werden. Aber da hätte er sich ja doch wehren und widersetzen können, und überhaupt ist es eine sehr ernst zu nehmende Frage, ob nicht die Evangeli- schen, die wiederholt in der Lage waren, besser getan hätten, Ferdinands Einladung zu folgen und wenigstens noch zu ver- suchen, den letzten Versuch zu machen, mit König und Reichstag zu einem glimpflichen, vielleicht sogar erwünschten Ende zu kommen.

Nachdem die Stände noch weiter eine Veröffentlichung der Protestation zu hindern versucht hatten, weil sie eine Gegen- veröffentlichung zur Folge haben würde und daraus viel Unheil kommen könne, doch vergeblich (215), wurde am 22. April der Reichstagsabschied unterzeichnet (216).

Noch an diesem Tage versuchte man, auf die evangelischen Fürsten, die schon im Aufbruch begriffen waren, einzuwirken, daß sie eine Veröffentlichung der Protestation unterlassen möchten. Ihre schriftliche Antwort wurde am 23. April Ferdi- nand und der Mehrheit überbracht. Sie lautete deutlich und kräftig, wies u. a. auf einen Ausspruch Gersons hin, den er auf dem Konstanzer Konzil getan habe: ‚Ein Laie, der seine Meinung auf die Heilige Schrift gründet, verdient mehr Glauben als ein ganzes Konzil ohne Heilige Schrift‘‘, und beharrte vor allem auf der Veröffentlichung (230). Die kurze Erwiderung der Reichstagsmehrheit vom 24. April wiederholte die Bitte um Nichtveröffentlichung. Man möge sich daran genügen lassen, die Protestation an den Kaiser zu schicken oder sie nach Mainz zu den Reichsakten zu geben. Auch ward die Zusage, daß keine Waffengewalt angewandt werden solle, ge- geben (231). Die Antwort der Evangelischen verharrte auf der Veröffentlichung. Ihnen schien auch ihre Sicherheit trotz aller ‚Zusagen der Katholiken gering (233). Was sich daraus für die Evangelischen ergab, gehört nicht mehr hierher. Am 24. April wurde der Reichstagsabschied ‚‚gesiegelt‘‘, am 25. der Reichs-

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tag geschlossen (229f.); am gleichen Tage ritten alle Fürsten heim (240).

Die letzte Handlung der Evangelischen war: sie appellierten an Kaiser und Konzil. An der Gesandtschaft, die zum Kaiser ging, war weder Sachsen noch Hessen beteiligt (237). Dagegen erfolgte bereits im Mai durch Sachsen und Hessen die erste Veröffentlichung (236), worüber wir genaues Zeugnis haben. Es schreibt nämlich Kurfürst Johann unter dem 18. Mai 1529 an Luther: „Unser [so!] Protestation, so wir auf jetzt gehal- tenem Reichstag zu Speier getan haben“ ist „zu Wittenberg in Druck gekommen‘. Dies war geschehen gemäß einer An- ordnung des Kurfürsten, die am 13. Mai von Weimar erging. Und Herzog Heinrich von Sachsen berichtet dem Kurfürsten aus Freiberg am 25. Mai, er habe den ihm vom Kurfürsten übersandten Druck in Freiberg anzuschlagen erlaubt. Der Kurfürst beauftragt weiter Luther, die Protestation nach Drucklegung an Pommer in Hamburg zu schicken, damit sie auch dort angeschlagen und nachgedruckt werde. Vgl. Enders 7, 9

Im Juli erschien dann das umfangreiche Notariatsinstrument über die Appellation, ein Werk der beiden sächsischen Kanzler, die es im Juni zu Hause abgefaßt hatten, im Druck (238). Beachtenswert bleibt, daß die meisten Evangelischen ihre Pro- testation auf den ‚„Religionsartikel‘‘ beschränkten, dagegen die „Türkenhilfe‘“ gewährten (239).

Beim Rückblick auf den Reichstag und seine Einzelvorgänge wird klar, daß es sich nicht um eine einzige Protestation, sondern um ihrer mehrere (gleichviel wieviele man zählt)!)

1) v. Schubert spricht von einem ‚‚fünfmaligen Neinsagen der Evangelischen‘‘, gerechnet von der Ablehnung der Proposition bis zur Aufstellung des großen Appellationsinstruments (S. 235). Man darf indes auch anders zählen. Und da es überhaupt wichtig ist, seien hier alle Fälle zusammengestellt:

1521 Friedrich der Weise protestiert gegen das Wormser Edikt.

1522 Auf dem Nürnberger Reichstag protestieren die bayerischen Fürsten in Sachen der pommerschen Nachfolge.

1524 Auf dem dritten Nürnberger Reichstag protestiert Friedrich der Weise zum zweiten Mal.

1527 Philipp von Hessen stellt eine Protestation in Aussicht.

1529 Vor dem Reichstagsbeginn (15. März) wird die Möglichkeit einer Protestation ins Auge gefaßt. Vor dem 22. März bereitet (wahrscheinlich) Agricola eine durch die Proposition veranlaßte Protestation vor. Am 23. März wird eine Protestation der Städte in die Wege geleitet.

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handelt. Speier 1529 ist in der Tat vor anderen Reichstagen der Reichstag nicht der Protestation, sondern der Protesta- tionen, die allerdings in der Protestation vom 19. April gipfelten.

Das erwähnte Notariatsinstrument über die Appellation, kurzweg ‚Appellations-Instrument‘‘ genannt, war für die Evangelischen zur Notwendigkeit geworden, nachdem und weil die Aufnahme der Protestation in den Reichstagsabschied verweigert worden war, ja sie hier nicht einmal Erwähnung gefunden hatte. Die evangelischen Fürsten und Stände gaben damit ihrer Protestation Rechtsform, die sie bisher nicht er- langt hatte. Hiermit appellierten die bevollmächtigten Räte der Fürsten nebst den Vertretern der freien Städte von den Verhandlungen des Reichstags und dem Reichstagsabschied an den Kaiser und ein freies christliches Konzil (Ney 278). Dies ‚Appellationsinstrument“, eine 13 Pergamentblätter um- fassende Urkunde, enthält: 1. Die Beschwerde der Fürsten vom 13. April, 2. die kürzere Protestation vom 19. April, 3. die ausführliche vom 20. April, 4. die sich anschließenden Ver-

1529 Am 24. März spricht Nürnberg von einer Protestation (auch wegen der Reichssteuer). Am 27. März handelt Nürnberg von einer Protestation, ebenso Straßburg. Seit 1. April steht die Protestation der Fürsten (unter Hinweis auf die Unechtheit der Proposition) fest. 3. April Protestation der Sachsen (Albertiner) wider die Bayern in der Platzfrage. 6. April Die Protestation wird von den Fürsten erwogen. 8. April Philipp schlägt eine gemeinsame Protestation der Fürsten und der Städte vor. 12. April Brück verliest vor dem Reichstag ein (protestierendes) Aktenstück mit fünf Unterschriften. 13. April Die erste öffentliche Ankündigung einer sächsischen Protestation. Androhung einer Protestation seitens der altgläubigen Städte des Elsaß (Nichtbewilligung des Reichstagsabschieds, Ver- weigerung der Türkenhilfe in Aussicht gestellt) wegen der den Städten überhaupt auf dem Reichstag widerfahrenen verächt- lichen Behandlung. Entwurf der brandenburgischen Protestation. 19. April Endgültige Protestation.

Das sind, alles in allem, 19 Reichstagsprotestationen, von ihnen 15 auf dem Speierer Reichstag geschehene. Hier stehen 13 im Zusammen- hang mit der Sache der Reformation, und nimmt man die 3 von 1529 hinzu, so sind es im ganzen 16 (nachweisbare) Reformationsprote- stationen. |

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handlungen bis zum 24. April, 5. den 1. bis 4. verbindenden Bericht. Am Schluß heißt es: ‚Dem allem nach protestieren, recusieren, provozieren, appellieren, supplizieren und berufen wir... für uns selbst, unsere Untertanen und Verwandten, auch jetzige und künftige Anhänger und Adhärenten!).... von allen Beschwerden dieses Reichstags ... an den Kaiser und das künftige freie christliche allgemeine Konzil und Versamm- lung der heiligen Christenheit!)‘‘ (280).

Es wurde beschlossen, das Appellationsinstrument durch eine besondere Gesandtschaft dem Kaiser zu übermitteln, was auch geschehen ist. Noch vor Empfang aber, anı 12. Juli, forderte der Kaiser von Barcelona aus in der ungnädigsten Weise und unter Androhung von Strafe die Evangelischen zur Annahme des Abschieds auf, und bereitete dementsprechend im September in Piancenza den Abgesandten einen recht schroffen Empfang (281). Gleichwohl bestand nach wie vor bei den Gegnern durchweg die Überzeugung, daß die Pro- testation gar ernst zu nehmen sei, zumal sie die Mehrheits- beschlüsse von Speier recht eigentlich unwirksam gemacht habe.

Ja mehr als das. Wenn auch die Evangelischen keineswegs in Speier gesiegt hatten, so waren sie doch auch nicht als die Besiegten oder Gedemütigten abgezogen wie die Städte, sondern indem sie die ihnen feindliche Reichsgesetzgebung bremsten, hatten sie sich behauptet und eine vorläufige Rechtssicherung für sich erlangt. Für sich, das heißt: die Obrigkeiten für ihre Untertanen. Von Erlangung der ‚‚Gewissensfreiheit‘‘ war keine Rede, an sie hatte auch niemand gedacht. Etwas anderes: die Selbständigkeit des ‚Obrigkeitsstaats‘“ stand auf dem Spiel. Und in ihr das obrigkeitliche Gewissen, welches sich verantwortlich wußte für irregeführte Gewissen der ‚‚Unter- tanen‘‘. In diesem Fall war aber ‚Gewissen‘ nur der General- nenner, um nicht zu sagen: das Aushängeschild, womit das Recht, die kirchlichen (und implizite: religiösen) Verhältnisse des ganzen Landes zu ordnen, verdeckt wurde. Das Gewissen war für Luther und seine Anhänger ‚‚in Gottes Wort gefangen“, man kann auch sagen: gebunden an das Wort Gottes, wie Luther es verstand und deutete?). Dieser Tatbestand ergab

1) Man beachte die Tautologien.

2) Das ist schon und vor allem am Schluß der Wormser Erklärung vom 18. April 1521 deutlich. Wenn Luther dort feststellt, es sei weder sicher noch sittlich berechtigt, ‚‚gegen das Gewissen zu han- deln‘‘, so hat er unmittelbar vorher dies Gewissen als ‚‚mein in den Worten Gottes gefangenes Gewissen‘‘ gekennzeichnet. Hierbei ist das ‚‚mein‘‘ zu unterstreichen. Denn in den zahlreichen Stellen, wo

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zunächst das Aufhören der Kircheneinheit, damit zugleich der dominierenden Stellung der (christlichen) Religion im öffent- lichen Leben überhaupt. Beides war die Voraussetzung für die Forderung der Gewissensfreiheit, die erst Jahrhunderte später erhoben wurde, erhoben werden konnte.

Nur scheinbar widerspricht dieser geistesgeschichtlichen Ge- samtlage das Urteil Luthers zur Sache, das wir aus seinem „Bedenken“ vom 13. Juli 1530 (Erl.? 54, 182) erfahren:

„Vom Abschied, daß man dawider nicht hat stillgeschwiegen.

Traun, ist es jemals Zeit gewesen zu reden, so ist es dazumals Zeit gewesen. Denn wie kann unser Gewissen solchen lügen- haftigen, falschen, listigen Abschied mit Stillschweigen an- nehmen und also lassen, gleich als sei er recht und wahrhaftig ausgegangen und in alle Lande erschollen, als dawider niemand hätte dürfen mucken ?

Es ist meines Erachtens das beste Tätlein unsers Herrn Christi, auf dem Reichstag erzeigt, daß man solche Lüge nicht hat lassen gut und recht sein, sondern mit öffentlicher (so!) Bekenntnis frei vor aller Welt gestraft. Er wird so fortfahren, der soviel bisher getan hat. Des habe ich keinen Zweifel. Amen.“

Wenn Luther hier von ‚unser Gewissen‘ als dem Ausgangs- : punkt der Speierer Protestation redet, so meint er einmal „Gewissen“ in dem vorhin gekennzeichneten Sinn; ferner aber fühlt er sich in „unser“ als auch (geistlichen oder kirchlichen) Vertreter des Obrigkeitsstaats.

Immerhin war schon 1526 angebahnt, sozusagen präformiert worden, was 1529 (wenn auch scheinbar negativ) Wirklichkeit wurde. Was damals für einstweilen galt, sollte jetzt (nach Absicht der Evangelischen) auf die Dauer festgelegt werden. Dem widerstrebten und widersetzten sich die Katholiken mit aller Macht. Von ihrem Standpunkt mit vollem Recht. Sie witterten die Gefahr, die ihnen, dem Katholizismus, dem Papsttum, der Machtstellung ihrer Kirche, ihrer Kultur, d.h. nach ihrem Urteil der Kirche, der Kultur drohte. Die evangelischen Fürsten und Stände aber waren sich bewußt, für Höheres als das alles zu streiten: für Gottes Wort, für das Evangelium, wenn dies auch für den Außenstehenden und

Luther vom Gewissen handelt, ist immer nur vom eigenen Gewissen die Rede, während er auf des anderen Gewissen und seine Berück- sichtigung nicht ein einziges Mal (soweit ich sehe) zu sprechen kommt. Anders gesagt: die Evangelischen betonen ihr Gewissen, reden aber nirgends (explizite) vom Gewissen der Gegner. Vgl. Erl.? 66, 304f., wo auch Stellen für ‚‚Gewissensfreiheit‘‘ angeführt werden (7, 61. 319), die doch damit lediglich nichts zu tun haben.

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Außensehenden verdeckt, überdeckt wurde durch ihre Be- strebungen für ihre obrigkeitliche Stellung, für die (recht ver- standene) Territorialgewalt in Staat und Kirche, in Kirche und Staat. Die Obrigkeiten, in erster Linie die Fürsten, vertraten, ja verkörperten damals unter anderen Kulturgütern auch die Reformation. Luther und die Reformation ohne Kurfürst Friedrich den Weisen wäre seiner Zeit eine Fehlgeburt gewesen. Mag die Reformation eine Volksbewegung gewesen sein, Be- stand hat erst die Obrigkeit ihr verliehen. Einzig der Obrig- keitsstaat hat die Reformation gehegt und erhalten, hegen und erhalten können, solange bis sie nach Jahrhunderten auf eigenen Füßen stehen konnte. Das aber darf und muß als göttliche Providenz erkannt, geehrt und gepriesen werden, daß es seiner Zeit unter den fürstlichen Zeitgenossen Luthers Männer gegeben hat, auf die der Reformator Eindruck gemacht, in denen er eine neue, entscheidende, innerlich-religiöse und religiös-innerliche Bewegung entfachte, derart, daß sie in der schweren Stunde von Speier ihren Mann zu stehen vermochten und gestanden haben. Das haben sie dort getan, fürstliche Be- kenner eines von Luther gereinigten und erneuerten Christen- tums, mit Überzeugtheit, Mut und Festigkeit; als die ersten, die für alle Späteren die Bahn gebrochen und es ihnen leichter gemacht haben als sie es selber hatten. Die Gegner aber, die des alles nicht Hauch noch Schimmer hatten, erkannten in dieser Haltung nichts als, wie es Ferdinand in einem Brief an seine Schwester Maria ausdrückt: mauldite obstinacion d. i. verdammte Widerspenstigkeit, nichts als Eigensinn (Kühn 260).

Von hier aus gesehen ist die Bedeutung des zweiten Speirer Reichstags, der vom 15. März (Montag nach Judika) bis zum 22. April (Donnerstag nach Jubilate) 1529, rund sechs Wochen gedauert hat, nach seiner inneren und bleibenden, welt- und kulturgeschichtlichen, kirchen- und religionsgeschichtlichen Bedeutung gar nicht hoch genug zu veranschlagen. Die Pro- testation ist, so sehr sie zunächst eine Rechtsform bedeutet, dennoch tatsächlich und innerlich, wesentlich ein Zeugnis (ein wirkliches protestari, was den Beteiligten auch gegenwärtig war: „wir protestieren und bezeugen“ s. 0.) der evangelischen Stände. Erst nach Erschöpfung aller anderen in Betracht kommenden Mittel hatten sie sich nur schweren Herzens zu ihrer Protestation gezwungen gesehen. Die Lage war die, daß ihnen der 1526 nach ihrer Ansicht gewonnene Rechtsboden der Reformation durch Mehrheitsbeschluß des Reichstags ent- zogen werden sollte. Dagegen wehrten sie sich in der Über- zeugung und Gewißheit, daß nimmer ein Mehrheitsbeschluß die Gewissen zum Gehorsam gegen Menschen und Ungehorsam

2%

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gegen Gott verpflichten könne!). Von hier aus gesehen be- deutet die Protestation zwar nicht das Zeugnis für Gewissens- freiheit überhaupt, aber doch ein solches zunächst zugunsten der Obrigkeiten, und damit zugleich, wenn auch erst keimhaft, zugunsten der Untertanen. An dieser Stelle gingen Luthers Anhänger Hand in Hand mit denen der schweizerischen Re- formation. Der äußere Rechtsakt war zugleich und vor allem die erste große und großartige Offenbarung und Vertretung des Wesens (Prinzips) dessen, was man dann viel später Pro- testantismus genannt hat. Denn zwar ist von Speier her und bald nach Speier von ‚Protestierenden“ nchmal die Rede (nur sind damit nicht allgemein die Anhänger der Reformation bezeichnet, wie noch Ney 287 angibt, sondern es ist schon in den Akten von Speier ausdrücklich von den ‚‚protestieren- den Ständen‘ gesagt). Erst seit 1540 beginnt man die Anhänger der Reformation überhaupt ‚‚die Protestierenden‘‘ zu nennen. Das ist aber auch auf seiten der Gegner nicht im Sinn von „Empörer gegen Papst und Kaiser“ gemeint, wie man es so oft verstanden hat. Vielmehr nahmen sie wie die Freunde der Reformation das Wort als bedeutsamen Ehrennamen an, was im Blick auf die geschichtliche und grundsätzliche Bedeutung der Vorgänge auf dem Speierer Reichstag wohl begründet und vollauf berechtigt erscheint (288).

Dabei war zu jener Anfangszeit allen, die den Namen pro- testantes = Protestierende gebrauchten, gegenwärtig, daß es sich um einen politischen, nicht religiösen Begriff handle, der übrigens mehr ım Ausland als im Inland angewandt wurde und hier wie dort im ganzen nicht häufig vorkam?). Das einzige Mal, von dem wir wissen, daß der Name bedeutsam hervortrat, war in der 1564 erschienenen Schrift von Georg Cassander: Con- sultatio?) de articulis inter Catholicos et Protestantes®) contro-

ı) „In Sachen von Gottes Ehre und der Seelen Seligkeit muß ein jeglicher für sich selbst vor Gott stehen und Rechenschaft geben‘‘, s. 0.

2) Das „alphabetische Sachregister‘‘ der Erlanger Ausgabe erwähnt, wo es hätte sein müssen (67, 130) die Wörter Protestation, Protestieren u. dgl. überhaupt nicht.

3) Gutachten.

4) Ohne jeden Nebensinn, geschweige Gehässigkeit gesagt: Cassander (1513— 66), der gelehrte Ireniker seines Zeitalters, verfaßte seine um- fängliche Schrift im Dienst der irenischen Bestrebungen von Kaiser Ferdinand und Kaiser Maximilian II. und bot in ihr zumeist eine Behandlung der einzelnen Artikel der Augsburger Konfession nach- einander, vom katholischen Standpunkt aus bald die Evangelischen, bald die Katholiken zurechtweisend, letztlich das Ziel der Zurück- führung der Evangelischen zur Kirche Roms im Auge. Von hier aus

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versis, wo er auch auf den grundsätzlichen Protest wider die katholische Lehrautorität gerichtet erscheint. Hingegen für die Evangelischen hatte der Name von jeher den Klang einer Ehrenbezeichnung für fromme, tapfere Christen.

Nur daran fehlte viel, eigentlich alles, daß protestantes = Protestierende ein geläufiger Name gewesen wäre. Bis er es ward, sind mehr denn 200 Jahre vergangen. Während dieser Zeit sagte man zunächst Evangelici und je nachdem Lutherani, Zwingliani, Calviniani. Bei „Protestierende‘‘ wurde ‚Stände‘ ergänzt, und selbst als politische Bezeichnung war ‚Verwandte der Augsburgischen Konfession“ das übliche. Daneben sprachen die Lutherischen von sich als ‚Reformierte Kirche‘‘ oder auch „Unsere Kirche‘. Erst im Zeitalter der Konkordienformel kam die Selbstbezeichnung ‚‚Lutherische Kirche‘ auf. Noch später, nach 1600 wurde dann, der lutherischen Kirche gegenüber, „reformierte Kirche‘ von den Kalvinisten gesagt. Allen diesen Vorgängen entsprechend hat endlich der Westfälische Friede die Augustanae confessioni addicti den Reformati (,‚Refor- mierte‘‘: diese Benennung ist von Anhalt ausgegangen) gegen- übergestellt.

Es kamen andere Zeiten. Ein Jahrhundert später, im Zeit- alter der Aufklärung, ist der Name Protestant ein Sinnbild persönlicher und selbständiger Glaubensüberzeugung, be- gründeter Gewissensfreiheit, edler Toleranz, überhaupt jedes religiösen Fortschritts geworden. Seitdem meint Protestan- tiamus mehr als bloß (etwas anderes als) die Kirche oder die Kirchen der Reformation. Er meint geradezu eine Kultur- bewegung. Der Name ist vom religiösen Gebiet auf das welt- liche übertragen, oder wenn man so will, dieses in das religiöse mit hineinbezogen worden.

Doch als so der Name Protestantismus, über den geschicht- lichen Anlaß seiner Entstehung 1529 weit hinaus, zu einer neu- artigen grundsätzlichen und wesentlichen Selbstbezeichnung der Reformationskirche geworden war, blieb auch der Wider- spruch nicht aus. Eben im Blick auf die kulturelle Einstellung des Namens, welche die religiöse mehr oder weniger zu ver- schlingen drohte, fanden Pietismus und Romantik,-daß er ‚rein negativ‘ gerichtet sei. Man wünschte protestantisch durch evangelisch ersetzt zu sehen, wie es z. B. in den Kabinetts- ordern Friedrich Wilhelms III. von 1817—22 zum Ausdruck kam. Und bis heute haftet dem Namen Protestant von seinem

gesehen ist geschichtlich wie sachlich die Wahl der Bezeichnung Protestierende vollauf begreiflich. Nicht minder, daß Cassanders sämtliche Schriften, die 1616 in einer nicht vollständigen Ausgabe erschienen, sofort auf den Index gesetzt wurden.

Ursprung im 18. Jahrhundert her Geist oder Geschmack des Liberalismus an, was ihm die ungeteilte und freudige Zustim- mung zu seinem Gebrauch oder gar zu seiner Selbstanwendung versagt hat.

Gleichwohl sind und bleiben die Namen Protestanten und Protestantismus unentbehrlich als zusammenfassende Bezeich- nung sämtlicher Anhänger und Gruppen der aus der Refor- mation hervorgegangenen Kirchen (und Kirchengebilde), die sich in Begründung und Grundsätzen ihrer an Speier orien- tierten Eigenart einig sind. Denn Speier 1529 vertrat implizite, und der Protestantismus vertritt explizite den Widerspruch gegen Bindung und Verstrickung von Religion und Kirche an Hierarchie und hierarchische Anstalten, gegen jede Art von staatlicher Verstrickung und rechtlicher Bindung, gegen Werk- heiligkeit und Sakramentiererei, gegen Naturhaftigkeit von Geist und Gnade in jeder Gestalt, Verfeinerung und Ver- ästelung, kurz gegen alles, was der Kirche Roms, von Luther und der Reformation her gesehen, eigen ist.

Die „Wormser Propheten“, eine vor- lutherische evangelische Propheten- übersetzung aus dem Jahre 1527.

Von 6. Baring.

Das Gedächtnisjahr der ersten Gesamtbibel in Luthers Übersetzung (1534—1934) weckt erneut das Fragen nach Luthers Vorgängern in der Bibelverdeutschung. Zwar wandte schon das Lutherjubiläum vor 50 Jahren das Interesse auf dieses wichtige Gebiet deutscher Geistesgeschichte.. Doch liegt immer noch ein weites Feld unbearbeitet da. Besonders ist die Bedeutung der Wormser Prophetenübersetzung für ihre Zeit noch längst nicht erkannt und gewürdigt, obwohl sie einst in ganz Deutschland gelesen und geschätzt wurde. Ihre weite Verbreitung wird durch die zahlreich erhaltenen Exem- plare bewiesen. Konnten doch vom Verfasser gegen 100 Stück in der folgenden Bibliographie nachgewiesen werden, deren Entstehungszeit in kaum ein Jahrfünft zusammengedrängt ist. Das neuere, geringschätzige Urteil: ‚inmitten der deut- schen Bibelübersetzung neben und nach Luther ... dürfen wir von der Übersetzung der Propheten durch Hätzer und Denck absehen!)“ wird in Zukunft in der Geschichte der Bibelübersetzung nicht beibehalten werden können. Gleich- wohl schießt Wiswedel weit über das Ziel hinaus, wenn er behauptet: ‚‚Sachkenner sind heute allgemein der Auffassung, daß sowohl die Züricher Theologen wie auch Luther die Denck- Hätzersche Prophetenübersetzung bei ihrer Übertragung fleißig (!) benutzt haben‘ das ist eine gänzlich unbewiesene Behauptung?)! Im Zusammenhang meiner Darstellung des Lebens, Lehrens und Wirkens des Hauptübersetzers Johannes

1) RGG® 1. Sp. 1082.

8) W. Wiswedel, Bilder und Führergestalten aus dem Täufertum, Kassel 1928 I, 144. D. E. Stange in den Pastoralbl. 1931, S. 567, über W.: ‚‚Der Verfasser hat nicht das wissenschaftliche Rüstzeug, um in eine höchst schwierige historische Kontroverse einzugreifen. Seine Beweisführung ... ist überaus bedenklich.‘‘

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Dengk wird dieses sein wichtigstes Werk ausführlich gewürdigt werden.

I. Die selbständigen Ausgaben.

1. Druck. Oktav. 13. April 1527.

Alle Prophe- ten / nach Hebrai scher sprach ver- teutscht. ’O Gott erlös die gfangnen. M.D.XXVII. ’[/ = neue Zaile.] Seite (=) 8. cecXXiiij: b: Getruckt Worms bei Peter Schöffern vnd volendet am dreizehenden tag des Aprillen / im jar der geburt Christi vnsers seligmachers. M.D.XXVII. (Druckerzeichen.)

Das Titelblatt schmückt rechts und links je eine Säule mit einer Gestalt dahinter, oben eine männliche (links) und eine weibliche (rechts) Gestalt, aus einem Füllhorn hervorkommend!). Die Rückseite ist leer. 8.aij:a: Ordnung der Propheten. S.aii:b: Hätzers Vorrede, deren buchstäbliche Wiedergabe 8. 39ff. folgt”). In ihr erwähnt Hätzer seine Zusammenarbeit mit „Hans Dengken“. Während er zunächst nur im Singular von seiner früher erschienenen Maleschiübersetzung?) spricht, fährt er im Plural fort, sobald er auf die Gesamtübersetzung zu reden kommt. Sein „ghülffe Hans Dengken‘“ hat durch seine guten Sprachkenntnisse sehr wesentlich zur Fertigstellung der Wormser Propheten mit ihren Anmerkungen beigetragen. 8. av:a: beginnt der Text des Jesaia und die Blattzäh- lung mit 3, dann 4, 7, 8, 9, 10 (im Dresdener Exemplar, andere zeigen andere verkehrte Zahlenfolgen). Auf 8. cceXXiiij: a: Druckfehlerverzeichnis. Hier findet sich nur der Hinweis auf Blatt 146b, wo es statt: ‚in velßen klufft‘‘ heißen soll: ‚‚in den velsen klufften“. Das Fehlen eines Hinweises auf Jes. V ist bedeutungsvoll für die Bestimmung der Reihenfolge der ersten beiden Ausgaben vom gleichen Datum. Am Ende: „GOTT der vatter hab lob danck/deß sei all eer in ewig- keyt / der wölle alle bekümerte hertzö mit seiner war- heyt trösten. / Amen.“

Exemplare: Augsburg. Berlin, St. Bv 1005 „Ludw. Hetzer vnd J. Dengk“. Dresden. (In zeitgenössischem Holzeinband

1) Der gleiche Titelrahmen findet sich schon 1526 bei einem Oktav- druck einer Schrift des Grafen von Eisenburgk o. Ort verwandt (München, St.).

3) Ein kurzes Stück der Vorrede in: G. Baring, die „Wormser Propheten“ im 3. Bericht des Deutschen Bibelarchivr in Hamburg 1933, 8. 7.

s) Ein Exemplar in der Gymnasialbibliothek in Michelstädt. 1526. Basel. Th. Wolf.

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mit alten handschriftlichen Einträgen.) Göttingen (nach Hauptkatalog Berlin). Greifswald. (Das fehlende Titelblatt nach dem Dresdner Exemplar ergänzt, doch nicht ganz genau.) Hamburg. Wernigerode. (Hier fehlt der Prophet Maleachi und damit die Angabe der Druckzeit. Doch ist es offenbar der Druck vom 13. April 1527. Ha 160.) München, St. ‚per Ludovice Hätzer et Joannem Dengken“. (B. G. Prot. 15.) München, Un. Wolfenbüttel).

M. G. W. Panzer, Ausführliche Beschreibung der ältesten Augspurgischen Ausgaben der Bibel, Nürnberg 1780 erwähnt, daß Herr Pastor Göze sagt, in der Oktav-Ausgabe vom 13. April 1527 seien die Fehler der Folioausgabe schon verbessert. Auf Grund dieser Behauptung ist seither von allen die Folioaus- gabe als die erste gezählt. Dies ist aber ein Irrtum. Denn ob- wohl L. Keller u. a.?) nach ihm behauptet haben, die Oktav- ausgabe sei sogar eine Neuredaktion der Folioausgabe, so ist doch genau das Gegenteil leicht zu beweisen. Der Oktavdruck ist sehr sorgfältig gesetzt, daher ist darin mancher Druckfehler gar nicht gewesen, der beim schnellen Satz der Folioausgabe nach dem Oktavdruck entstand und hernach im Druckfehler- verzeichnis verbessert werden mußte. Zum Beispiel: Statt schantz, lies: schwantz, statt: hanhdaben, lies: handhaben usw. Daneben aber bringt das Druckfehlerverzeichnis der Folioausgabe sachliche Verbesserungen, z. B. zu Jes. V: Statt: ‚Was wer doch meinem weingarten weiter zu thun gewesen“ lies: „Wie ich mit meinem weingarten vmgehen söll.““ Oder: Jer. XLIV: ‚‚Wenn wir dann nun der küniginn des himels reuchen vnd tranckopffer schencken wöllen / können wir nit kuchen bachen / zu jrem dienst / vnd tranckopfier schenken on vnsere männer.“ lies: „Wefi wir dad nun der künigifi deß himels gereucht tranckopffer geschenckt / gelt ob wir on vnsere männer kuchen gebachen zu jrö dienst / oder tranck- opfier gschenckt haben ?‘‘ An beiden Stellen bringt die Oktav- ausgabe den gleichen Text, wie er vorn in Folio steht, aber Oktav bringt die Verbesserung nicht im Druckfehlerverzeich- nis. Damit ist erwiesen, daß die bisherige Zählung irrte. Als der Oktavdruck fertig war, wurde ein Foliodruck begonnen.

1) In Darmstadt findet sich nach einer dort erhaltenen Auskunft kein Exemplar, trotz A. Schmidt, Besprechung von F. W. Roth, Die Buchdruckereien zu Worms a. Rhein im XVI. Jahrh. und ihre Erzeugnisse. Vereinsgabe d. Wormser Altertumsvereins. 1892. VIII u. 80 S. im Zentralblatt f. Bibliothekswesen X, 1893, 8. 222ff.

3) Dr. Ludw. Keller, Ein Apostel der Wiedertäufer, 1882, bringt über Johannes Dengk pie über die Wormser Propheten viel Ungenaues und Schiefes.

Während dessen Druck kamen Hätzer und Dengk auf die Ver- besserungen, der Setzer aber setzte einfach nach der Oktav- ausgabe das Datum seiner Vorlage wieder in den zweiten Druckstock für Folio. So erklärt sich die Übereinstimmung der Schlußangabe der beiden Drucke, von denen die Folio- ausgabe die jüngere ist.

2. Druck. Folio. 13. April 1527.

Alle Propheten ’” nach Hebraischer sprach verteutscht. ’O Gott erlöß die gfangnen. ’M.D.XX VII. Auf der Rückseite des letzten Blattes ist der Drucker und der Druckort genannt wie beim 1. Druck: 8. (c)liijj: b: Getruckt Worms bei Peter Schöffern /’vnd volendet am dreizehenden tag des 'Aprillen /im jar nach der geburt ‘Christi vnsers selig- ’machers. ’M.D.XXVII.

Die Worte des Titelblattes sind in langer Frakturschrift gedruckt, von einer zierlichen, in Holz geschnittenen Ein- fass umrahmt. Unten findet sich in dieser ein kleines Medaillon, das ein Brustbild (Hätzers?) zeigt. Auf der Rück- seite des Titelblattes ist die „Ordnung der Propheten“ mit Angabe der Seitenzahlen zu finden. Seite 3 (aij:a:) beginnt die Vorrede L. Hätzers. 8. aiij:a: ‚Das erst capitel Jesaia“, in dem sich bald die bezeichnenden Wendungen dieser Pro- phetenübersetzung finden: „Ich habe süne erzogen vand auffbracht / sie sind aber zu schelmö an mir worden.“

S. clij (das ‚‚c‘‘ ist ausgefallen!) :b: finden sich unter dem Textende des letzten Buches die Worte: ‚GOTT der vatter

N S. ciiij:a: Das Druckfehlerverzeichnis mit der Über- schrift: „Die erst zal gehet auff die bletter / die ander auff die seitten / die dritt auff die zeil.‘“ Unter der Angabe des Druckers und des Druckortes auf 8. cliij: b: findet sich die Druckmarke Peter Schöffers, im Schild drei Rosen und seine Hausmarkel).

Exemplare: Augsburg, Berlin, St. Frankfurt, St. Hamburg, Michelstädt, München, St. (Als ‚Rar. 869 Alle Propheten D. Luth. (!) Worms Schöffern 1527“ fälschlich geführt.) Nürn- berg, St. Wernigerode (Ha 170), Wolfenbüttel. Ein weiteres kennt Roth a.a.O. S. 11 in Worms, St. Paulus?).

1) Abgebildet Nr. 2, S. 4, bei Dr. phil. Adnem. Meiner, Das deutsche Signet, Leipzig 1922. Über P. Schöffer, 8. 3f., 30, 35ff.

2) Das Berliner Exemplar (Bv 1005a) trägt einen handschriftlichen Vermerk: ‚‚Durgh Ludwig Haetzer die verbrant is‘‘, dessen Züge für hohes Alter, ja Gleichzeitigkeit sprechen. Die gleiche Hand hat sämtliche auf 8. cliij : a: angegebenen Druckfehler im Text verbessert, darum dies Druckfehlerverzeichnis durchgestrichen und bemerkt:

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3. Druck. Folio. 22. Juni 1527.

Alle propheten nach Hebraischer sprach verteutschet. ’O Gott erlöß die gefangnen. Gedruckt zu Augspurg durch Siluanum Ottmar im M.D.XXVII.

8. bvi =CLVII:a: End des propheten Maleachi. GOT der vatter ... trösten / Amen. Nach dem Druckfehlerver- zeichnis: „‚Vollendet am XXII Junij / des M.D. vnd XXVII. Jars.“

Das Titelblatt schmückt ein Torbogen, an den Seiten Säulen und die Gestalten des Propheten Jesaia bzw. Jeremia, oben Moses gehörnt mit den Gesetzestafeln, gegenüber eine Volks- gruppe, dazwischen der Torbogen. Unter den Propheten am Postament Rankenschmuck, auf der rechten Seite ein Profil, doch nur halb sichtbar, lorbeer gekrönt. Unten ein kleines Bild der Schöpfung und eins, auf dem Eva zu Adam geführt wird. Auf der Rückseite die ‚Ordnung der Propheten“.

Dieser Druck enthält neben den kurzen Anmerkungen zum Text vor dem Propheten Jesaia die Vorrede Hätzers. G. G. Zeltners alte Angabe!), diese sei nur im Wormser Druck, nicht aber in Augsburg zu finden, ist ein Irrtum. Ebenso behauptet neuerdings das mennonitische Lexikon fälschlich, daß die Vorrede ‚‚nur in der ersten Ausgabe erschienen‘ sei?).

„Haec correcta sunt.‘‘ Auf der ersten Seite findet sich ferner unter der Hätzerschen Losung „OÖ Gott ...“‘ der Eintrag: „Disz buck hatt Herr Wilhelm Erhardt (oder ... di?!) Evangelischer Prediger szü Enngelszdorff verthert vnd geschencket der Gemeinde Augspurgischer Confeszion zu Stolberg Anno 1631 Mense Mrtje. Bekenner Ich Pre- diger gemelter Gemeind M(agister) Luder Helmig .mpp. (manu pro- pria).‘ Im Frankfurter Exemplar wenige handschriftliche Anmer- kungen, zusammengebunden mit ‚‚das ander teyl der Postillen ... D. Martin Luthers‘ von W. Köpfel, Straßburg 1527, alter Holzein- band. In Nürnberg dicker Band der ganzen Bibel, bunt zusammen- gesetzt. Die Schöffersche Folioausgabe der Propheten mit reichver- ziertem Titelblatt, der Rand bunt gemalt, auch die Druckerzeichen mit der Hausmarke rot, golden, grün gefärbt. Lt. Deckeleintrag in Holz gebunden den 8. November 1694 in Nürnberg gekauft. In Wernigerode der irrtümliche Vermerk aus dem 16. Jahrh.: ‚‚Dar- nach als D. Martinus die gantze Bibel verteutscht hatte, bald war da der Wiedertäufer Ludwig Hetzer und wollte ihm nach (!) thun.““ In Wolfenbüttel auf der inneren Seite des vorderen Deckel Wid- mung von 1591.

1) G. G. Zeltner, Kurtzes Sendschreiben von der alten und höchst waren teutschen Wormser Bibel ... Nürnberg 1734.

%) Chr. Hege, Mennonitisches Lexikon 1913/32, Sp. 229.

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Ottmar (22. VI. 27) und Steiner (24. II. 28) drucken sie ab.

Exemplare: Augsburg, St. Berlin, St. Bonn, Un. Dresden, St. Hamburg, Marburg. (Tadelloses Stück!) München, St. München, Un. Stuttgart. Wernigerode (Ha 168 und 169, 2). Wolfenbüttel (Th. 462) und ein zweites Stück, mit dem ‚‚dritt teyl des alten Testament‘‘ von Adam Petri in Basel 1525 zu- sammengebunden. Die irreführende Angabe im gedruckten Katalog von Wolfenbüttel (Bibl. Biblica 1752, 8. 144) ‚Peter Schöffer 1525 übersieht die verschiedene Herkunft der ein- zelnen Teile des Bandes.

4. Druck. Oktav. 7. September 1527.

Alle prophe-’ten /nach Hebrai- ’scher sprach ver- teut- schet. M.D.XXVII. 8. CCCCXXXIX:b: Getruckt zu Worms bei Peter’ Schöffen /am VII. tag deß’ Herbst- monats / Im M.D.VII Jar. |

In der Einrahmung des Titels vier Köpfe, unten ein bärtiger Kopf, der aber nicht mit dem der ersten Folioausgabe identisch ist. Das Druckerzeichen Schöffers findet sich am Ende. Auf der Rückseite des Titelblattes die „Ordnung... .“.

Diese Ausgabe es ist die vierte, nicht wie Panzer!) angibt: die dritte! ist darum besonders wichtig, weil in ihr zum ersten Male auf dem Titelblatt die Losung Hätzers fehlt. Ferner ist die Vorrede weggelassen. Daß es eine Neuausgabe im Sinne einer überarbeiteten Auflage sei, ist nicht nachzu- weisen.

Exemplare: Worms, Bibl. des Altertumsvereines. Inv. 29. Das früher angeblich in Stuttgart vorhandene Stück scheint nach Auskunft verlorengegangen zu sein.

5. Druck. Oktav. 14. Dezember 1527.

Alle Pro- phetenn / nach Hebreischer sprach verdeutscht. ’O Got erlöß die gefangnen. ’M.D.XXVII. 8. siiij = CCCXXIII:a: Getruckt vnnd vollend Augspurg durch Haynrich Stayner / Am’ 14. tagdecembris im. ’M.D.XXvij. Jar.

Das Titelblatt schmücken außer Ranken unten fünf tanzende Engel. Die Rückseite ist leer. 8. Aij:a: bringt die Ordnung der Propheten mit Seitenangabe. S. Aij: b: zeigt einen Holz- schnitt: Ein bärtiger Mann im Gespräch mit einem Hohen- priester. Auf einem Tisch Krone und Stab, im Hintergrund eine Harfe und ein kleines Fenster. Auf 8. Aiij:a: beginnt der Text. Die Anfänge der einzelnen Propheten sind durch

1) M. G. Panzer, Ausführl. Beschreibung der ältesten Augspurgischen Ausgaben der Bibel. Nürnberg 1780. 8. 113.

239.

Bildschmuck der Anfangsinitialen hervorgehoben. Am Ende der alte Lobpreis vor der Druckerangabe.

Exemplare: Dresden, Land. Göttingen, Un. (nach Berliner Hauptkatalog), München, St. München, Un. Nürnberg, Germ. M. Wernigerode (Ha 158 und Ha 161!)).

6. Druck. Folio. 12. Februar. 1528.

Alle Propheten nach Hebraischer sprach verteutscht. Ge- truckt Hagenaw bey Wilhelm Seltz. Anno M.D.XXVIII. ’— 8. Ddv:b:=CLXI:b: Gedruckt Hagenaw bey Wilhelm Seltz /’” vnd volendet am zwölfften tag des Hor- nungs / im jar nach der geburt Chri- sti vnsers seligmachers. 'M.D.XXvij.

Der Schriftzeichensatz des Titels ist deutlich der ersten Folioausgabe von Schöffer nachgebildet und zierlich in Holz geschnitten. Auf der Rückseite des Titelblattes findet sich die unten folgende Widmung ‚Dem Christlichen Leser‘ und die Ordnung der Propheten. Die Vorderseite des letzten Blattes trägt nur die Druckmarke des Seltz, die Rückseite ist leer. Losung und Vorrede der früheren Ausgaben fehlen, die An- merkungen im Text sind beibehalten.

Exemplare: Augsburg, St. 2 Stück, Berlin, St. Dresden, Stuttgart, Ld. Wernigerode (Ha 150, 3), Wolfenbüttel. Straßburg, Un. Tübingen, Un.

„Dem Christlichen leser. // DJeweil yn nichts heylsamers mag gelesen werden / dann die // göttlich schrifft / vnd in den Propheten die güte Gottes vnd // das reich Christi gar herrlich beschriebe ist / So haben mehre // Christen billich v.(er)langen nach solchen. Deren heyligen Gott // seligen begird / hab ich wöllen willfaren / vnnd also die Pro- // pheten sampthafft lassen im truck außgehen / der besten verdolmetschung // so man yetzend hatt / Welche auch von den hochberümpten / beyde in götlicher schrifft vnd Hebreyscher sprachen / gelobt

1) Das Dresdener Exemplar in gleichzeitigem Holzeinband mit Ein- trägen auf dem Vorsatzpapier, die zum Teil (Luthers Sohn Hans be- treffend!) in M. B. Lindau, Lucas Cranach, Dresden 1883 (S. 219) abgedruckt sind. Im Text finden sich Angaben über das Leben der Propheten und kurze Stichworte über den Inhalt der Abschnitte. Im Stück im Germanischen Museum zeitgenössische Einträge. In dem einen Exemplar in Wernigerode (Ha 161) ein handschriftlicher Hinweis auf die beiden ‚‚berüchtigten‘‘ Stellen der Wormser Übersetzung: „Initium Jesaise ita se habet: Ich habe Süne erzogen und aufbracht; sie aber sind zu Schelmen an mir worden“ und Cap. LIIX: ‚‚Schrey, daß Dir der Hals kracht.‘ Kellers Angabe, es fände sich in Wolfen- büttel ein Exemplar, ist nicht richtig.

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ist. Disen meinen dienst // wöllestu Christlicher leser mit danckbarkeyt annemen / vnd inn den heyli- // gen Propheten dich also vben / das du die genad vnsers heylands Christi // Jesu mehr vnd mehr erkennest / vnd inn der liebe von reynem hertzen / // tem gewissen / vnnd vngeferbtem glauben (welche der gantzen göttlichen // schrifft sum vnd endtlich zil ist) täglich zunemest. Des herren geyst bewar // dich.“

7. Druck. Folioprachtausgabe. 24. Februar 1528.

Alle Propheten nach Hebreischer sprach verteutsch. ’O Got erlde die gfangnen. ° M.D.XXVIII. —. S. aVIII —=CLII: a: Getruckt vnd vollendt Augspurg durch Hein- rich Stayner. Am 24. tag. Febru. Im.M.D.XXVIII. Jar.

Die Worte des Titels finden sich in einer buntgemalten Um- fassung mit Engelsgestalten, einem Holzschnitt, den unten ein Crucifixus schmückt. Auf der Rückseite fehlen bei dem Ver- zeichnis der Propheten die Seitenangaben, 8. aij:a: bringt noch einmal die Vorrede Hätzers. In Augsburg war noch möglich, was sich in Worms durch die Entwicklung der Ver- hältnisse schon Monate zuvor verbot. Alle Kapitelanfänge sind mit kleinen Initialbildern geschmückt, die Kleinen Pro- pheten je mit einem größeren.

Exemplare: Augsburg, St. Dresden, Ld. (Alter Holzeinband, Titelblatt fehlt.) Weimar, Ld. Wernigerode (Ha 176). Wolfen- büttel.

8. Druck. Folio. 7. März 1528.

Alle Propheten nach Hebraischer sprach verteutschet.

Getruckt Augspurg / durch Siluanum Ottmar / M.D.- XXVII. |

S.bv. = CLIII: a: Got dem Vatter sey lob Ere vnd danck / in ewigkait / der wöll alle Bekümmerte hertzen mit / seiner warhayt Trösten / Amen. Vollendet am VII Marcij / des M.D. vnd XXVII. Jars ”.

Die Umrahmung des Titels ist die des 3. Druckes vom 22. Juni 1527. Auf der Rückseite die Ordnung der Propheten, hier aber fehlt außer der Losung auch die Vorrede Hätzers, die Text- anmerkungen sind beibehalten. Die Unterschrift am Ende ist etwas anders, als in dem Druck, dem 8. Ottmar früher folgte (vgl. 3. Druck!) Panzer führt diesen Druck merkwürdiger- weise hinter dem vom 25. Juni auf. Auch war L. Hätzer nicht „ungefähr vier Wochen zuvor enthauptet“, dies geschah viel- mehr erst 1529! Andererseits lagen die „von J. Dengk und L. Hätzer angerichteten Unruhen‘ schon länger zurück. Die Nachrichten aus Worms zwingen nun auch in Süddeutschland zur Vorsicht.

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Exemplare: Berlin, St. 2 Stücke. Dresden, Ld. München, St. in B. G. Luth (!!) 35, bezeichnet als „Bibel D. Luthers Augsburg 1528°. Nürnberg, St. Wernigerode (Ha 177). Wolfen- büttel.

9. Druck. Oktav. 19. Juni 1528.

Alle Prophe- ’° ten nach Hebrai- scher sprach ver- teutscht. / M.D.XXVIII. S. 308:a: Getruckt Wormbs bei Peter Schöfern / vnd volendet am neunzehenden tag des Brach monats / im jar der geburt Christi vn- sersseligmachers, / M.D.xxviij.

Wie in seiner vorhergehenden Ausgabe (7. IX. 27) hat P. Schöffer auch in dieser Hätzers Losung und Vorrede weg- gelassen. Auf der Rückseite des Titelblattes, das die Einfassung der Uroktavausgabe zeigt, die Ordnung der Propheten. Die Seiten und Blattbezeichnungen in arabischen Ziffern sind sehr oft falsch. Am Schluß steht der Lobpreis Gottes in der alten Form. Initialen wie in den früheren Ausgaben. Die Vor- derseite des letzten Blattes schmückt P. ‚‚Schöffers‘ Buch- marke mit zwei ‚„Schäfern‘‘ neben dem Schild mit Rosen und Hausmarke. Die Rückseite ist leer.

Exemplare: Berlin, St. Darmstadt, Gr. Hes. Bibl. Dresden, Ld. Frankfurt, St. Göttingen (nach Berliner Hauptkatalog), Un. München, $St. Wolfenbüttel!).

10. Druck. Oktav. 25. Juni 1528.

Alle Pro- phetenn. Nach Hebreischer sprach verdeutscht. ’O Got erlöß die gefangnen. ’° M.D.XXVIII. S.:sixij —= CCXXIIII: a: Getruckt vnnd vollend zu Augspurg durch Haynrich Stayner / am 25 tag Brachmonate. im M.D.XXviij. Jar.

Die Einrahmung des Titels gleicht der des 5. Druckes (14. XII. 27). Die Rückseite ist leer. 8. Ajj: a: findet sich die Ordnung der Propheten mit Seitenangabe. Die Vorrede Hätzers fehlt bei Stayner zum erstenmal. Die Losung auf dem Titel aber wagt der Augsburger noch zu bringen, während auch sie bei dem Wormser P. Schöffer schon längst wegfallen mußte.

Exemplare: Dresden, Ld. Stuttgart. Wernigerode (Ha 175).

1) Im Dresdener Exemplar alter Hinweis auf Luthers Kritik an der Dengk-Hätzerschen Übersetzung. Dem Darmstädter Exemplar ist eine Sonderausgabe der Übersetzung L. Hätzers von Baruch, der Geschichte von Susanna und Daniel und der Geschichte vom Bel zu Babel angebunden. Sehr wichtig ist die Vorrede dazu, auf die an anderem Ort eingegangen werden soll. Als Einzeldruck in München, St.

11. Druck. Oktav. 19. Mai 1530.

AllePro- phetenn. Nach Hebreischer sprach verdeutscht. O Got erlöß dye gefangnen. M.D.XXX. 8.:siiijj: CCCXXIII : a: Getruckt vnnd vollennd Augsburg Durch Haynrich Stainer / Am 19 tag May. im M.D. XXX. Jar.

Die ornamentale Titeleinfassung zeigt wiederum tanzende Engel. Das zweite Blatt bringt die Ordnung der Propheten mit Seitenzahlen. Die Vorrede Hätzers fehlt nun auch bei Stayner, der aber im Unterschied von seinem Augsburger Kollegen 8. Ottmar die von diesem schon im März 1528 weg- gelassene Losung Hätzers noch einmal bringt.

Exemplare: Augsburg, St. Berlin, St. Hamhurg, Stuttgart, München, St. München, Un. Wernigerode (Ha \189)}).

12. Druck. Oktav. 4. November 1531.

Alle Pro- phetö. Nach Hebreischer sprach verteutscht. ’M.D.XX1I. (!) S. CCCXXIIII:a: Getruckt vollendt Augspurg durch Heynrich Steyner /’ Am vierdtö tag Nouem- bris / jm.M.D. ’° XXXI. Jar.

Die Umrahmung des Titels gleicht auch der des 5. Druckes (14. XII. 27 —= 19. V. 30), aber nun fehlt auch bei Stayner die Losung Hätzers ebenso wie dessen Vorrede. Die Jahreszahl auf dem Titel des Wernigeroder Exemplares ist als 1521 falsch gedruckt. Diese Ausgabe ist sehr selten. Daher gehört sie unter die mindestens fünf Drucke, von denen Panzer nur von anderen wußte, ohne sie selbst seiner ‚‚Ausführlichen Beschreibung der ältesten Augspurgischen Ausgaben der Bibel, 1780“ zugrunde legen zukönnen. In unserer Darstellung wurden alle Titel nach den Originalen angeführt. Während der „Preußische Haupt- katalog“ nach Aufrage in Berlin 1927 nur zwölf Stücke kannte, wurden die oben angeführten ca. 80 Stücke fast alle persönlich ausfindig gemacht und eingesehen.

Il. Besondere Bibeldrucke, in denen die Wormser Propheten vorkommen.

l. Gesamtbibel 1530 von Köpfl in Straßburg.

„Die Deutsche Bibel‘ der Weimarer Lutherausgabe bringt?) eine genaue Beschreibung dieser Bibelausgabe; nur in der Überschrift aber wird deutlich, daß es sich in Wahrheit nicht

ı) Nach Lorck II, 370f.: „Aus der Bibl. Kraft in Husum ein Exem- plar in Seeland auf Schloß Lethraburg.“ J. G. Chr. Adler, Biblio- theca ... olim Lorckiana. Altona 1787.

3) In ihrem 2. Band unter !.r. 146, S. 490ff., Weimar 1909.

um eine wirkliche Lutherbibel handelt. Dort heißt es: ‚‚Bibel. (Propheten nur teilweise in Luthers Übersetzung; Apokryphen in der Leo Juds).‘“ Auf S. 494 findet sich dann eine genaue Schilderung des Titelblattes der Propheten, dessen Einfassung ohne Bezug auf den Inhalt, ein echtes Erzeugnis üppiger Re- naissancephantasie sei. Auf die verschiedene Herkunft des Textes wird nicht eingegangen. Charakteristisch aber ist dessen . Mischung:

Vor Jesaija steht Luthers’ Vorrede, der Luthertext folgt, wie er 1528 zuerst herausgegeben war. Die bezeichnende Stelle bei Jona lautet: Der Herr aber verschaffte eyne wilde ruben // die wuchs vber Jona, (4, 6) nach Luthers Auslegung von 1526. Dagegen folgt Haggai (2, 8): Ja alle Völker will ich bewegen, die werden mit köstlichen kleynoten kommen: der Dengk- Hätzerschen Prophetenausgabe. Die Einzelprüfung ergibt: Alles, was von Luther früher erschienen war: Jesaija 1528, Jona 1526, Habacuk 1526, Zacharja 1528 wird in Lu- thers Übersetzung gegeben, die Auslegungen Luthers sind dabei weggelassen. Im übrigen auch für Daniel, den Luther im gleichen Jahr 1530 ausgehen ließ greift man unbedenklich zu Dengk-Hätzer.

Eine merkwürdige Beziehung besteht aber ferner zwischen diesem Bibeldruck und der Wormser Bibel, wevon auch „Weimar“ nichts erwähnt: Dieser Bibeldruck bringt zwei verschiedene Register: Das erste Gesamtregister enthält den Laodizäerbrief und stimmt in der Reihenfolge der Bücher nicht mit Luther, wie Teil VI ihn bringt, überein. Daher muß angenommen werden, daß dies Register für die ganze Bibel nach der Wormser Bibel gesetzt wurde. Aus den Wormser Propheten aber und nicht aus der Wormser Bibel wurden die Propheten ergänzt, das Neue Testament aber (Teil VI!) schließt sich in Text und Register ganz an Luther an (Einrücken und Nichtmitzählen der vier letzten Briefe!). Hier findet sich auch nach Luthers Vorrede das richtige Register, wie es in den Wittenbergischen Ausgaben steht. Doch im Text wird hernach, entsprechend dem Register am Anfang der ganzen Bibel, der Laodicäerbrief!) nach dem Philemonbrief eingeschoben.

Ein Nachdruck dieser Ausgabe der Propheten von 1530 fand wohl nicht statt. Panzer gibt ihn für 1532 zu Straßburg bei Köpfl an, Weimar stellt diese Nachricht?) als Irrtum fest.

Exemplare: Dresden, Ld. (Anfang und Ende unvollständig.) Leipzig, Un. Maihingen, München, St. Stuttgart, Wernigerode

1) Zur Geschichte dieses Briefes vgl. Leipoldt, Geschichte des n. t. Kanons, Leipzig 1907/08, Bd. II, S. 9f., 47, 109, 172.

%) Unter Nr. 162x auf 8. 522.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXI. 1/2. 3

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(Ha 193). Wolfenbüttel, 2 Stück. Der Prophetenteil dieser Bibel einzeln: Berlin, St. Die Einfassung des Titelblattes ist die gleiche wie die der Konkordanz L. Brunners von 1530.

2. Nachdruck der Köpfl-Bibel 1530/32.

Der Nachdruck der Köpfi-Bibel von 1529/30 in den Jahren 1530—1532 ist in der ‚deutschen Bibel‘ gleichfalls ausführlich beschrieben). In den Propheten, die erst 1532 gedruckt wurden, kehrt die Dengk-Hätzersche Übersetzung in Jeremia, Hesekiel, Daniel, Hosea, Joel, Amos, Obadja, Micha, Nahum, Zephanja, Haggai, Maleachi wieder, obwohl die gesamten Propheten in Luthers Übersetzung schon am 17. Mai in Augs- burg von der Wittenberger Urausgabe des gleichen Jahres ab- gedruckt wurden. Exemplare: München, St. Stuttgart. Auch einzeln kommt der Prophetenteil vor: Wolfenbüttel?).

3. Die Bibelausgaben von Köpfl in Straßburg 1535—1536.

Eine sorgfältige Schilderung dieser sehr seltenen Bibeldrucke findet sich in der Deutschen Bibel II, Nr. 190, S. 583ff. In manchen Stücken der Propheten bringen sie (außer vier Blät- tern an Anfang und Ende) den Druck von 1532. Exemplare in Straßburg und Stuttgart. Bald wurde aber Anstoß daran ge- nommen, daß die Bibel von 1535 (mit Luthers Namen!) ge- rade in den Propheten nicht der Lutherbibel von 1534 ent- sprach. Daher wurde der dritte Teil des Alten Testaments mit den Propheten schnell neugedruckt und nun überall Luthers Übersetzung wiedergegeben. So München, St. und in Wer- nigerode.

Merkwürdig und bisher unbeachtet ist aber (im Wernige- roder Exemplar) die Tatsache, daß sich der Text in Jeremia im allgemeinen nach Luther richtet. Kap. 1, 9 taucht dagegen plötzlich Dengk-Hätzer auf, Kap. 2, 13 kehrt der Bibeldruck zu Luther zurück. Nirgends findet sich eine Erklärung für diese Tatsache, die für die Geschichte nicht nur der Dengk-Hätzer- schen Propheten, sondern der Bibeldrucke überhaupt charak- teristisch ist. In Straßburg ließ man praktisch gelten, was seit dem Urteil der Züricher Prädikanten über die Wormser bis in die Gegenwart immer wieder ausgesprochen ist?): Die Dengk-

ı) Weimar, D. Bibel II, Nr. 162, S. 518ff.

2) Panzer kennt „Zusätze“, zu S. 288 Nr. 3 ein Stück von 1581 von A®.

s) Z. B. Zeltner, Sendschreiben v. d. Wormser Bibel, 1734, S. 12: „Ob ich gleich noch zur Zeit nicht (babe) finden können, ob und wo (Dengk-Hätzer) ihrer Irrtün.cr einen, in mehrgedachter, von Luther

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Hätzersche Prophetenübersetzung zeigt keinerlei dogmatische Tendenz. Sie bemüht sich ehrlich um eine wörtliche Wieder- gabe des hebräischen Textes. Darum griff man ohne Bedenken nach ihr, wo man Luther entbehren mußte!

Wie erklärt sich die Eigentümlichkeit des Textes in Jeremia in der Bibel von 1535/36 in Wernigerode ?

Der Tatbestand ist folgender: Auf Blatt 30a unten findet sich der Anfang des Satzes nach Luther: ‚‚Vnd der HErr reckt‘“, 30, b oben schließt sich Dengk an ‚‚seine handt, und tupfst mir... .“. Beide Kolumnen der Seite 30, b bringen weiter Dengk- Hätzer. Die Seite schließt mit den Worten der Wormser, auf der nächsten folgt der. Wortlaut weiter dem gleichen Vor- bild. Der erste Absatz auf Seite 31, a aber bringt wieder Luther.

In der Oktavausgabe der Propheten Luthers von 1532, die H. Lufft in Wittenberg der Urfolioausgabe folgen ließ, endet der Text auf Blatt k 8, b: „Vnd der HErr recket‘, Blatt 11, a: fährt fort: ‚seine hand aus ...““. Der Text bricht hier genau an der Stelle ab und geht auf ein neues Blatt über, wo der Luther- text in der Straßburger Ausgabe abbricht und der Dengk- Hätzersche beginnt. Danach vermute ich, daß in dem Vorlage- exemplar des Setzers das Blatt I, 1 mit den Seiten |, 1,a u. b fehlte. Der Setzer folgte in zwei Kolumnen seiner Folioausgabe Worms, der Seitenschluß und der Übergang auf Seite 31, a ließ ihn am Ende des begonnenen Satzes wieder nach dem Luther-

selbst gerühmten Übersetzung ein- und an-gebracht haben, ... Heberle, J. Dengk u. s. Büchlein vom Gesetz, Th. Stud. u.Krit. 1851 und 1855, S. 835: ‚‚es genüge die Bemerkung, daß die Bearbeiter eine durchaus objektive Haltung beobachten und weder im Text noch in den Anmerkungen ein besonderes dogmatisches Interesse durchblicken lassen‘. Die „Stader Foliantenbibel von 1701/02, herausgegeben von 8. Glaß bei C. Holwein, bringt in der Vorrede des D. J. Dieck- mann eine lange Auseinandersetzung mit einer bei G. Arnold auf- tauchenden Behauptung über die Wormser Bibel. In der „Kirchen- u. Ketzer-Histcrie‘‘ sagt ein Ungenannter (wahrscheinlich Felgen- hauer), daß ‚‚wir schändlich betrogen worden, denn die wahre und rechte Version Lutheri (!!) ist Anno 1529 in Folio zu Worms gedruckt‘. Um diese Behauptung zu widerlegen, führt dann Dieckmann eine Anzahl der Äußerungen Luthers über die Dengk-Hätzersche Arbeit an. Dieckmann merkt aber gar nicht, daß 1529 ja gar nicht Dengk- Hätzer, sondern Zürich in der Wormser Bibel wiedergegeben wurde! So groß ist die Verwirrung und s0 gering die wirkliche Kenntnis der Wormser Propheten und der Wormser Bibel! Nachträglich finde ich einen ausführl. Hinweis auf diese Ausgabe bei J. G. Meusel, Histo- risch-Bibliogr. Magazin, IV. Zürich. 1791. g*

text greifen. Da aber fand sich bei Luther ein Absatz, von dem an er wieder zu Luther überging, während bei Dengk-Hätzer der Absatz erst später: folgt.

Nach all diesen Beobachtungen liegt der Schluß nahe: Die Eigentümlichkeit der Straßburger Bibel von 1535 erklärt sich aus der Unvollständigkeit des dem Druck als Vorlage dienenden Prophetenexemplares in Oktav aus Wittenberg von 1532. Eine Scheu vor der Dengk-Hätzerschen Arbeit kannte man in Straßburg nicht. Beide Männer hatten dort gewirkt, vielleicht ihre Übersetzerarbeit dort begonnen. |

4. Die „Wormser Bibel“ und die ‚„Concordanz“ von 1529 und 1530.

Peter Schöffer, der am 13. April 1527 den Urdruck der Dengk-

Hätzerschen Propheten herausgegeben hatte, ließ diesem im .

Jahr 1529 eine Gesamtbibel in Folio folgen, die sogenannte „Wormser Bibel‘.

BJblia ’” beyder Alt vnd Newen Testamöts ’” Teutsch.

Am Ende des Neues Testaments 8. LXXVI: Getruckt inn der Keyserlichen freistatt ° Wormbs / bei Peter (von hier an deutsche Buchstaben) Schöfern im jar nach der gebürt vn- sers Herren. ’M.D.XXIX. Danach das Schöffersche Drucker- zeichen mit den zwei Schäfern.

Auf dem Titelblatt eine lange Widmung: Zum christlichen Leser, hinten auch die Auslegung auf zwölf nicht gezählten Blättern: ‚„Außlegung etllicher dunckeler schwärer wörter.“

Exemplare: Augsburg, Berlin, St. (Anfang und Ende stark beschädigt), Darmstadt, Dresden, Hamburg, Un.!), München, St. 2 Stück, Nürnberg, Germ. M. Wernigerode (Ha 187), Wiesbaden, Wolfenbüttel?), Worms, St. Paulus.

Diese Bibel ist die erste deutsche Gesamtbibel, die aus pro- testantischem Geist hervorging, als deutsche Gesamtbibel geplant und fünf Jahre vor der Lutherbibel von 1534 vollendet wurde. Daher verdient sie besondere Beachtung. Eingehend hat Panzer in seinem ‚‚Entwurf‘‘ im Abschnitt über die ‚‚con-

!) Nr. 100 aus Goezes Sammlung, nach: D. deutsche Bibel v.

15.— 18. Jahrh. Ausstellg. z. Jubiläum d. Luth. N.T. 1922. W. Luedtke..

2) Nach M. G. W. Panzer, Augsburger Bibeln, S. 145. Er zählt die Wormser Bibel irrtümlich als Nr. 9 unter „Übersetzungen der Wiedertäufer“‘. Seine Titelwiedergabe hat verschiedene Fehler. In dem „Entwurf einer vollständigen Geschichte der deutschen Bibel- übersetzung D. M. Luthers 1517-1581“, 2. A., Nürnberg 1791, S. 281, schreibt er: „Die Seltenheit dieser Bibel ist vorzüglich groß. Die Zahl der noch vorhandenen und bekannten Exemplare nicht gar groß.“

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binierten Bibeln‘ die Fragen dieses Bibeldruckes behandelt. Auf Grund seiner Stellenvergleiche kommt er zu dem Ergebnis: Die Wormser Bibel liefert keine eigene Übersetzung. Sie geht auf die Züricher Sedez-Ausgabe von 1527 zurück, die 1527 bis 1529 erschienen war. In dieser (in Zürich herausgekomme- nen) Bibel ist überall Luthers Übersetzung aufgenommen, soweit sie vorlag (Teil I—III: Moses bis Hohes Lied). Die Vor- reden fehlen, die meisten Randglossen folgen am Schluß jeden Teiles. Es liegt hier noch keine selbständige Übersetzung der Schweizer vor.

Erst im IV. Teil beginnt die Prophetenübersetzung der Züricher Predicanten zunutz der ‚„Einfältigen und Guther- zigen‘‘ und im Gegensatz zu den ‚Wormser Profeten‘‘. Worms folgt in der Bibelausgabe überraschenderweise ganz der Züricher Sedezausgabe, nicht dem eigenen Prophetendruck von Dengk-Hätzer aus dem Jahre 1527!

Der Teil V bringt die Apokryphen, wie der Titel schon sagt: „Durch Leo Jüd verteutscht‘‘, wie sie 1529 bei Froschauer in Sedez erschienen waren. Hätzers Baruch-Übersetzung, die auch bei P. Schöffer in Worms erschienen war, wird in der Wormser Bibel ebensowenig wie seine Prophetenausgabe be- rücksichtigt.

Der letzte Teil der Wormser Bibel bringt im Neuen Teste- ment hinter dem Philemonbrief ‚‚Zun Laediceern, erst ver- deutscht‘. ‚Die Epistel an die Laodiceer / welche inn den seer alten Biblen gefunden / hie nachgedruckt worden ist.‘‘ Panzer geht auf die Frage der Herkunft des Neuen Testament-Textes nicht näher ein, sondern sagt, er entspreche ganz ‚‚der ersten Wittenbergischen, sog. Septemberausgabe!)“. Panzer läßt die Drucker oder Verleger es für ‚notwendig finden‘, ‚‚diesen Brief in diese Sammlung‘‘ aufzunehmen. Denn allein auf den Drucker oder Verleger, nicht, wie es andere tun, auf eine be- stimmte, sonst bekannte Persönlichkeit, sei auch die ganze Ausgabe der Wormser Bibel zurückzuführen.

Eine sorgfältige Prüfung der Panzerschen Ergebnisse auf Grund der verschiedenen nachgewiesenen erhaltenen Exem- plare bestätigt deren Recht, während andere jüngere Schrift- steller falsche Angaben bringen, so Dr. A. Weckerling?), der meint, die Wormser Propheten seien in die Wormser Bibel aufgenommen. Die Sonderfrage. ob Leo Jüd bei seiner ersten

1) S. 269, dies gilt auch für Worms 8. 280.

:®) In Jeonhart Brunner, der erste vom Rat der RStadt Worms angestellte evang. Prediger. Worms 1895. A. K. Bonniger. Vereinr- gabe des Altertumsvereins in Worms. 8. XXIV.

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deutschen Apokryphenausgabe die zuvor in Hätzers Über- setzung erschienenen Teile der Apokryphen übernahm oder be- nutzte, muß hier unbeantwortet bleiben. Wichtig ist aber die Feststellung, daß die auch von Panzer gelegentlich unter die ‚„Wiedertäuferbibeln‘ eingereihte Wormser Bibel mit den Dengk-Hätzerschen Wormser Propheten gar nichts zu tun hat)!

Die Wormser Bibel wurde einmal in Augsburg durch Steyner nachgedruckt: 1534.

Bjblia // beyder Alt vnnd Ne- // wen Testaments // Teutsch. // Getruckt zu Auspurg durch // Heynrich Steyner. // M.D. M.D.XXXIIII.

Exemplare: Wernigerode Ha 212. Braunschweig. Nach Roth, S. 18 in Privatbesitz in Wiesbaden.

In einem besonderen Verhältnis zu den Wormser Propheten steht die im Jahre 1530 bei W. Köpfl in Straß- burg erschienene Concordanz, als deren Verfasser sich M. Lienhart Brunner, ‚verweser des worts Gots zu Wormbs‘“ selbst nennt. Lange nahm man an, er sei der Herausgeber der Wormser Bibel. Ist das möglich? Und wie ist das Ver- hältnis der Concordanz zu Wormser Bibel und Wormser Propheten? Folgt sie, was so naheliegend erscheint, der im selben Jahr bei Köpfl erschienenen ‚‚Mischbibel‘“, deren schon gedacht wurde? Der Titel lautet:

Titelblatt der Concordanz, von 1530:

Concordantz // vnd zeyger der sprüch // vnd historien / aller Biblischen // buecher alts vn news Testa- // ments teütsch registers // weiß verfaßt zu- // samen bracht. // Durch M. Lienhart Brunner // verweser des wort Gots // zu Wormbs. /] Trucket mit Keyserlicher gnad vd // freyheit / Bey Wolff Koepphl // zu Straßburg / Anno // M.D.XXX. //

Exemplar in Dresden, Land (App.-Bibl. 61) und in Michel-

ı) F. W. E. Roth, die Buchdruckereien zu Worms, 1892 behauptet noch einmal, die Wormser Bibel enthalte den Text der beim selben Drucker P. Schöffer erschienenen Propheten! Auch sonst bringt er eher Verwirrung als Klarheit in die verwickelte Sachlage, über die Entstehung weiß er nichts Neues zu sagen. RGG? III Sp. 710f. meint, sie sei ein Werk des Jakob Kautz. Eine Begründung für diese Annahme gibt es nicht. Näher liegt es, den Urheber in dem geschäftstüchtigen P. Schöffer zu suchen, da es sich in der Wormser Bibel nur um einen Nachdruck, nicht um eine auch nur teilweise selbständige Übersetzung handelt. Vgl. auch: C. G. Giese, Histo- rische Nachricht von der Wormser Bibel, Görlitz 1768. Zur Wormser Bibel: Weimar II, ir. 140, S. 174fl.

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städt (D 568). Die Titeleinfassung ist die gleiche, wie bei dem Druck der Profeten in der Köpflschen Bibel von 15301).

Die Ausgabe ist auf besonders schönes Papier, mit tief- schwarzen Lettern gedruckt, die früher beim Druck der Worm- ser Bibel verwandt waren. Die Druckerei des P. Schöffer ist zwischen 1529 und 1530 in den Besitz des W. Köpfl in Straß- burg gekommen?)! So erklärt sich manche frühere irrtümliche Angabe über diese Concordanz. Im Text folgt sie nicht dem Vorbild der Köpflschen Mischbibel von dem gleichen Jahr. Der Verfasser war ja in Worms Prediger! Jona 4 führt er mit „Kikajon‘‘ an, Jes. 52 ‚‚,hey wel hübsch sein des botten füß‘, während die Mischbibel 1530 Köpfl bringt: ‚‚Wie lieb- lich seindt auff den bergen die fuesse der botten!‘“‘ Brunner legt seiner Arbeit aber auch nicht die Wormser Bibel zugrunde. Er zitiert vielmehr alle Prophetenstellen auch die aus den schon in Luthers rsetzung erschienenen Teilen! nach dem Dengk-Hätzerschen Text der Wormser Propheten. In Brunner darf man daher nicht den Herausgeber der Wormser Bibel suchen! Damit ist die Antwort auf die oben gestellten Fragen gefunden und dje Bedeutung der Wormser Pro- pheten für diese erste Concordanz nachgewiesen; wie die Philipp von Hessen gewidmete Vorrede des Buches zeigt, stand der Verfasser aber auch innerlich dem Dengk und Hätzer nahe.

Anlage.

Buchstäbliche Abschrift der Vorrede der Propheten, die in Worms am 13. April 1527 in Oktav erschienen sind, nach dem Dresdener Exemplar unter Biblia 1918.

„Ludwig Haetzer begert allen men- schen ware erkantnuß des vatters durch / Jesum Christum den sun.

WET ists der jhm etwas wolte fürnemen zu thun oder zu lassen, on grosse forcht vnd sondere vnderwerffung seins für- nemens dem goetlichen willenn? Die weil Gott vnser ewig barmhertziger vatter, d. nitt alweg zürnen kan, seine ge- schoepfft so wunderbarlich leyttet, das ja eyn ieder der aus der warheyt geborn were, in jro mitt dem propheten Jeremia sprechen moecht: O HERR, es ist in niemants willen gestellt eygne straß zu gehen, der man hat sein nicht macht, aber du HERR richtest es wie es dich lustet. Also hie mit mir auch

1) Vgl. Weimar 1909, die Deutsche Bibel, II, S. 494ff.

3) Den Beweis liefert ein im Jahr 1529 in Oktav erschienenes Neues Testament, dessen Titel angibt: „Getruckt zu Wormbs bey Peter Schöfern.‘“ Am Ende aber heißt es: „Gedruckt zu Strasburg durch Wolff Kephel. Im Jar als man zalt M.D.XXIX.“

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liebsten brueder im HERRN, Wie wenig hab ich mich ie malen versehen, das mich der vatter zu diser arbeyt brauchen solt, die Gotslerenden propheten helffen zu verteutsche, Aber Jhener, desse gnad vnd barmhertzigkeyt vber alle seine werck ist, braucht die kleynfuegsten auch zu seiner maiestet herlig- keyt, das die hochprachtlichen (sagt Paulus) zu schanden komen.

Es ist wissend wie ich gar hahet bei eym jar den propheten Maleachi verteutscht hab, mitt außlegung Johan. Ecolam- padij, darinn ich meldüg thet, wo Gott hülff bewise, so woelt ich auch Jesaia mit ehegedachts Johan. Ecolampadij auß- legung verdolmetschen, diß hab ich mich nit lang darnach vndernomen zu leysten, vnd aber grosse sorg gehebt, wie ich zum ersten!) den text zum aller besten moechte, nach He- braischer sprach, herfürthun, vnd den eynfeltigen den selbigen anzeygö, Hat es ja Gott aus gnaden (das ich soll bekennen) also verfuegt, mir schwachen solicher muehe vn arbeyt eynen ghülffen gesandt, Hans Dengken, der mir Gots wegen zu willenn ward, mir inn disem zu verhelffen.

Lieben im Herrn, also hab& wir vns, nach vermoegen in Gott, geuebt, vnd den ersten propheten Jesaia verteutscht, sonnder alle außlegung. Do hat es, nit nur vns, sonder vil andre brueder mehr für gut angesehen, das wir gerad also auch mit den andren propheten fort fueren zu handlen, desse haben wir vns ja nit koennen wideren (obs wol der Satan gern gsehen hett) sonder muessen also thun, vnd seltzamlich, gar nahet, on vnnser fürnemen, fortfaren, Dann (Gots sei die eer, vnd die schand alweg vnser) es sich mit gwalt herauß gerissen hat, dz es nit dahinden blibenn ist, wider des Satans anschlaege.

Nun haben wir beyd also vnnsern hoechsten vleiß vnnd verstand, auß gnadenn von Gott durch Christum entpfangenn, nitt gespart, Vnns zu fragen, da wir antwurt verhofiten, nit geschaempt, Keyn lesen vnderlassen, nichts veracht, sonder so vil wir v. moegt trewlich dargespannt, wie vns angesehen hat zum fueglichsten moegen geschehen. Dan es vns nit gar verborgen, wie wol es auffsehens doerffe zu diser argen zeit, inn noch vil malen nachgültigern gschefftö, vor dererley leuten, denen nichts an?) muetig, es schmeck dann nach jrer kuchen, Denen wir inn Gottes namen von hertzen gern jr meynung lassen, vn es dem vatter vbergeben, desse alle macht, des meers vnd des lands ist, der bergö vn d. büheln, des himels vn der hell. Doch wolten wir vmb Gottes will& iederman gebetten haben, sie woellen nit richten, ehe vnd der handel

1) jjb schließt mit: ‚ersten den“, iij a beginnt: „den text‘. 2) Bei ‚„‚an-‘ schließt Blatt iij a unten, ‚‚muetig‘ iij b oben!

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bekant, nit sturmen ehe vn es brenne, dan es ja bald gethon ist, alle ding schelt&, vnnd auffs hoechst verdammen, wo es nit auff alle frag von stund an ja sagt, aber nach thun (lieben brueder) brauchet warlich mehr schnaufens. Haben wirs ge- troffen, so sei die eer des ewigbarmhertzigen vaters, der ordnes zu aller welt schmach vnd seiner glori merung an, Haben wirs nit allenthalben nach eyns ieden verstand troffen, so ge- denck eyn ieder der außteylung der maß Gotts, Dann frei- lich seind Gottes geschenck außgeteylt, dem vil, jhem wenig, nach dem eyn ieder behalten kan.

Das aber bekennen wir frci, das wol etliche ort seind, da vns selbst nit gnug beschehen ist, vnd vns auch niemants die wir darumb gelesen vnd gefragt haben, hat moegen vernuegen, von wegen der verborgen geheymnussen so die propheten etwan verdeckt anzeygen, auch der weilen von wegen der kurtz abgebrochnen art Hebraischer sprach, welche denen be- kant so da mit vmb gehen. Was vns aber müglich ist gewesen, vnd wir haben koennen verstehen zu erkantnuß der warheyt reychen moegen, das haben wir nit gespart, vnnd es gern den bruedern vnd schwestern woellen mitteylen, Hiemit be!)zeugt in Gott, das wirs gern auffs aller treülichst verdolmetscht hetten.

Wer es aber sach (lieben in Gott) das der HERR noch eyn bessers herfür kommö liesse, das baß herbei treffe, so woellen wir auch dasselbig mit danck annemen, vnnd vnsers ligen lassen, Gott darum loben, vnd gar nit zürnd, Dann ie eyn ieder gewalt hat das sein in Gots namen vnder Gottes kirchen herfür zu tragen, kan es reychen zur besserung, so geschehe nach seinem willen.

Hiemit woellen wir vermant, gebetten, vnd im HERRN Jesu Christo bezeugt haben, alle verzeychnete Gottes, das sie mit forcht inn Gottes geschaefften wandlen, vnd nichts bald vnerkants richten, sonder dem richter das vrteyl lassen, der den heyligen mit freud, aber den vnheyligen mit erbidmüg jrer seelen zu ewiger

verdamnuß komen wirt. Gott woell vns bewarn für finsternuß vn vkertem sinn, weltlicher klugheyt, das wir in seinem gsatzt wand len, Amen. Datum Worms am drit- ten tag A-

prilis. M.D.XXVII ı) Hier Übergang auf Blatt ilija!

Neue Beiträge zum Briefwechsel von Melanchthon und Mathesius V.

Von Hans Volz.,

(Schluß.)

Anhang I.

Nr. 1.

Die Promotionsrede von Mathesius, gehalten am 23. Sep- tember 1540 in der Universität Wittenberg!).

Abschrift: Berlin, Bl. 57a—59b (ohne Ebers ‚‚Responsio‘“‘).

Gedruckt: 1. Quaestiones de rebus cognitione dignissimis, explicatae in publicis congressibus in Academia Witebergensi. Item utiles aliquot commonefactiones de disciplina et legum dignitate, recitatae a Rectoribus ante lectionem Statutorum: Scriptae pleraeque a Philippo Melanthone, hrsg. von Paul Eber (Wittenberg 1557), Bl. 39a—41b (über diese Ausgabe vgl. CR Bd. 10, Sp. 687f.); 2. CR Bd. 10, Sp. 729732 Nr. 20 (nach 1).

‘Da dieses Stück bereits zweimal gedruckt ist, begnügen wir uns mit dessen Kommentierung. Die Textvarianten der Hand- schrift mit einer Ausnahme (s. u. 9. 43) sind bedeutungslos.

1) Mathesius promovierte am 23. September 1540 unter 22 Kandi- daten an erster Stelle zum Magister artium unter dem Dekanate Heinrich Schmedstedts (Köstlin, Baccalaurei 1538-1546, S. 12; Loesche Bd. 1, S. 104); über die Rede, die der Dekan bei dieser Ge- legenheit hielt, vgl. O. Clemen, Studien zu Melanchthons Reden und Gedichten, S. 39.

Zu CR Bd. 10, Sp. 729,18 vixi: 1504—1517 in seiner Heimat Rochlitz und 1532—1540 in Joachimsthal; vgl. Loesche Bd. 1, S. 4f., 12f., 81—89.

Zu Sp. 730,17 galena: Bleiglanz.

Zu Sp. 730,17 argentum: Vgl. Plinius, Historia naturalis lib. 33, cap. 31, 95; Georg Agricola, Bermannus sive de re

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' metallica dialogus (Basel 1530), 8. 41f. (G. Agrikola’s Ber- mannus, übers. von F. A. Schmidt [Freiberg 1806], S. 91).

Zu Sp. 730, 38 libro: Hist. nat. lib. 33, cap. 31, 95. Diese Stelle zitiert von Agricola, Bermannus, $. 79 (Schmidt a. a. O., 8. 147f.).

Zu Sp. 730,41 nonnulli: Z. B. Agricola, Bermannus, S. 79—82 (Schmidt a. a. O., S. 148—151).

Zu Sp. 730,49 Plinius: Hist. nat. lib. 33, cap. 31, 97; vgl. auch Handsteine, S. 120, 7—9.

Zu Sp. 731,4f. ubertas: Die Ausbeute in Joachimsthal betrug im Jahre 1539 96999 Taler und im Jahre 1540 124485 Ta- ler; vgl. Chronik, S. 44 und 46.

Zu Sp. 731,11f. Phrygia et Lydia: Vgl. Handsteine, 8. 106, 28 und 107, 11—18. 27—30.

Zu Sp. 731,13 Pactolo: Fluß in Lydien, der Goldsand mit sich führte, weil der Sage nach König Midas sich in dessen Quelle den Goldzauber abgewaschen hatte; vgl. Ovid, Meta- morphos. lib. 11, 88 und 137ff.; Handsteine, 8. 108, 31—109, 4.

Zu Sp. 731,18 Mydae: Vgl. Ovid, Metamorphos. lib. 11 und Handsteine, S. 108, bff.

Zu Sp. 731,18 Croesi: Vgl. Herodot, lib. 1, 28ff.

Zu Sp. 731, 19 Herodotus: Herodot, lib. 7, 27f.; vgl. auch Handsteine, S. 68, 14 und 111, 19—112, 7.

Zu Sp. 731, 36 Mysnicas: Über den Rückgang des meißni- schen Bergbaues vgl. auch Handsteine, S. 71, 16—19.

Zu Sp. 731,48 Plinius: Hist. nat. lib. 21, cap. 109, 185.

Zu Sp. 731,50 ait: Ebd. lıb. 33, cap. 46, 132.

Zu Sp. 732, 5 Schreckenbergensibus: Eine in Schreckenberg, dem späteren Annaberg (im Erzgebirge), ge- prägte Münze; vgl. Handsteine, S. 124, 18—20 und S. 646 zu S. 124, 20; Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Alter- tumskunde Bd. 38 (1917), S. 173. 366—370.

Zu Sp. 732, 9f. Georgius Agricola: Begründer der wissen- schaftlichen Mineralogie (1494—1555); über ihn vgl. Volz, S. 125 Anm. 1 und oben 8. 42f. die Anm. zu Sp. 730, 17. Diese Münzuntersuchungen, auf die Mathesius Bezug nimmt, finden sich in dem Buche Agricolas: „De mensuris et ponderibus“ (Basel 1533), S. 221f.

Zu Sp. 732,13: M. Paulum Eberum: Die Handschrift bietet an dieser Stelle (Bl. 59b) das ursprüngliche: ‚‚Magistrum Vitum Amerbachium‘“‘. Veit Trolmann aus Wemding, genannt Amerbach (1503—1557) war 1540 Physikprofessor in Witten- berg. Er verließ aber infolge eines Zerwürfnisses in der ersten Hälfte des Jahres 1543 Wittenberg und trat bald darauf in Ingolstadt zum Katholizismus über. Seine Wittenberger Physik- professur übernahm 1543 Paul Eber. Mit Rücksicht auf diese

«A

Vorgänge ersetzte Eber bei der Herausgabe der ‚Quaestiones de rebus cognitione dignissimis‘“‘ im Jahre 1557 Amerbachs Namen durch seinen eigenen und fügte noch eine kurze ‚‚Res- ponsio“ hinzu. Amerbachs Rede scheint nicht erhalten zu sein, gedruckt liegt sie wenigstens nicht vor. Über Amerbach vgl. Friedensburg, 8. 225f. und L. Fischer, Veit Trolmann von Wemding, genannt Vitus Amerpachius als Professor in Witten- berg (1530—1543) (Freiburg 1926).

Nr. 2. Wittenberg. 25. März 1554.

Depositionszeugnis Melanchthons.

Abschrift: Berlin, Bl. 54b. Testimonium depositionis!) ®. M.

8. D. Omnibus lecturis has literas. Nazianzenus?) scribit etiam suo tempore morem fuisse Athenis scholasticos tyrones, cum recens eo venissent, singulari spectaculo primum in coetum adducere, ut ibi eruditio eorum exploraretur et ut commonefierent de moribus cultioribus. Huius vetusti moris vestigie reliqua sunt in academiis. Ego igitur in tali specta- culo exploravi studia honesti adolescentis N. N. nati in oppido Francico Curia?) et comperi eum recte didicisse initia doc- trinae Christianae et grammaticen in bene constituta schola Vallis Joachimicae ac inserui eum numero nostrorum audi- torum in academia. Oro autem filium Dei, Domirum nostrum Jesum Christum, qui, cum sit Adyog aeterni Patris, protulit ex arcano consilio divinitatis Evangelium et regit studia, ut et hunc N. gubernet et faciat eum oxevog 2A&ovgt) et organum salutare suae animae et aliis. Bene vale, candide lector. Anno 1554. In Paschate, quod fuit ab exitu Israelitarum ex Aegypto Pasca 3063. | ;

Philippus Melanthon manu propria.

1) Über die Deposition vgl. W.Fabricius, Die akademische Deposition (depositio cornuum) (Frankfurta.M. 1895). Über Melanchthons Stellung zu diesem Brauche vgl. WATR Bd. 3, Nr. 3570; 3874 ; 3900; WA Bd. 48, 8. 709f.; CR Bd. 10, Sp. 97—99 und 529f. Bei seinem Besuche in Joschimsthal hat Melanchthon am 14. März 1552 12 Knaben de- poniert (vgl. ARG Bd. 29, 8. 131 Anm. 3 sowie Volz, 8. 212 und Anm. 8).

3) Gregorius von Nazianz, Oratio 43 in laudem Basilii Magni, cap. 16 (Migne, Patrokgia Graeca Bd. 36, Sp. 516f.).

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5) Aus Hof; es handelt nich wohl entweder um Wolfgang Doben- necker oder Heinrich Planeus, die am 7., bzw. 12. Januar 1554 in Wittenberg immatrikuliert wurden (Album Viteb. Bd. 1, 8. 288).

*) Röm. cap. 9, 38.

Nr. 38. (Wittenberg.) 19. April (1579)}). Johann Major?) zu Melanchthons Todestag.

Abschrift: Berlin, Bl. 1238a—129a. Epigramma?), qua parentant pupilli clarissimi viri Philippi Melanthonis, qui supersumt in schola Witebergensi, patri a0 praeceptori suo carissimo die 19. Aprilis. Incidit in lucem, qua Christus morte revixit, Conscis lux obitus, decte Philippe, tui. Flacius affecit te flagre et crimina finzit, Qui cuculi expressit meribus ausa suis, s Ut patria Turcis‘), sic relligione propinquus Edidit in Christum probra nefanda Deum. Hinc Christi meritum extenuans ÖOsiander avarus, Qui iustos verbo nos habitante refert. (Nempe novi motus-caussam, sed papa fluentes ı0 Ex caussa eflectus iusticiam esse docet.) Ille, inquam, rabida laceravit voce Philippum Voce venenata Balthica stagna replens?). Brentius®) in lucem tulit Eutychis”) impis sensa Et quae de Syria gente Jacobus®) habet, ıs Horum ınonstra pia patrum dum voce refellit, Confixus varia strage Melanthen erat. Nominis errorisque heres subit ecce Jacobus?) Verborum spuma lividus, arte carens Isque aurae popularis amans se ingerit aulis, »” Ut vi conficiat, quod ratione nequit. Scripte virumque una vult condere mole sepulchri, Sed vitam et famam scriptaque virque ferunt Hicque dies!?) omen dat, quod velut obruta nuper Iam repetent lucem scripta, Philippe, tua s Et duce sub Christo solida hec doctrina resurgens Suspenso Judae clara trophea geret. Sed tu®), qui Flacii ac Osiandri5) et denique Brentis®) Unam in congeriem lubrica texta refers, Ex triplici‘forma facis unius ora chimerae!!), » Quam trini reprimet dextera sola Dei. Interea pressa, dum clara voce negatum est, Annua do cineri dona, Philippe, tuo. Johan. Maior D.

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1) Daß dies bisher ungedruckte Gedicht Majors aus dem Jahre 1579 stammt; ergibt sich mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit aus dem Umstand, daß der 19. April, Melanchthons Todestag, in diesem Jahre zum ersten Male seit 1560 auf den Ostersonntag fiel (vgl. 2. 1f. und 23 des Gedichtes).. Von den Jahren 1584 und 15%, in denen Ostern ebenfalls auf den 19. April fiel, scheidet das Jahr 1590 sofort ohne weiteres aus, weil Jakob Andreä (über ihn vgl. unten Anm. 9) bereits am 7. Januar 1590 starb, Major aber in seinem Gedichte ihn als noch lebend erwähnt. Aber auch das Jahr 1584 kommt wohl nicht in Frage; denn der jüngste Brief unserer Handschrift ist schon vom 9. Januar 1578 datiert (Oswald Crell an Martin Oberdörffer; vgl. ARG Bd.29, S. 112), und es ist nicht schr wahrscheinlich, daß nach einem so großen Zwischenraum der Sammlung noch ein Stück einverleibt wurde. Für das Jahr 1579 spricht ferner die Tatsache, daß am 25. Fe- bruar 1579 Major zum ersten Male direkt Andreä angriff, den er auch in unserem Gedichte heftig befehdet (vgl. Zeitschrift für historische Theologie Bd. 6 [Halle 1863], 8. 147— 149).

3) Über ihn vgl. ARG Bd. 30, 8. 47f. Anm. 6. Im Jahre 1557 wurde er in Mainz zum Doktor der Theologie promoviert und am 1. Mai 1560 in die Wittenberger artistische Fakultät aufgenommen. Seit dem Jahre 1561 feierte er zehnmal die Wiederkehr von Melanchthons Todestag in seinen ‚‚Parentalia anniversaria‘‘ (1561— 1569 und 1575). Als Vertreter von Melanchthons Theologie bekämpfte er die Flacianer, Osiandristen und Mitarbeiter an der Konkordienformel sehr heftig. Vgl. Köstlin, Baccalaurei 1548— 1560, S. 29; Friedensburg, S. 288; Zeitschrift für historische Theologie Bd. 6, S. 136 und 140— 142.

3) Darüber steht von Schönbachs Hand: ‚‚Elegia‘‘.

*) Flacius stammte aus Albona in Istrien.

s) Von 1549 bis 1552 war Andreas Osiander Theologieprofessor in Königsberg. Über den von ihm geführten Streit über die Recht- fertigungslehre, in dem er auch Melanchthon scharf angriff, vgl. Schmidt, Melanchthon, S. 555— 562.

°) Unter dem Vorsitze von Johann Brenz bekannte sich die Stutt- garter Synode vom 19. Dezember 1559 zur Ubiquität; darüber kam es zu einem Zerwürfnis zwischen Melanchthon und Brenz; vgl. RE Bd. 3, S. 386; Schmidt, Melanchthon, S. 644; Zeitschrift für historische Theologie Bd. 6, 8. 149. ß

?) Begründer des Monophysitismus; über ihn vgl. RE Bd. 5, S. 635 bis 647.

®) Bischof Jakob von Edessa (633— 708) war ebenfalls Monophysit; über ihn vgl. RE Bd. 8, S. 5ölf.

®) Jakob Andreä (1528— 1590), Kanzler der Universität Tübingen, war seit 1668 eifrig bemüht, die Streitigkeiten in der protestantischen Kirche durch eine Konkordie beizulegen. Zu diesem Zwecke ver- handelte er mit fast allen evangelischen Fürstenhöfen, insbesondere

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verstand er, Herzog Julius von Braunschweig und Kurfürst August I. von Sachsen für seine Pläne zu gewinnen. Das Ergebnis dieser Ver- handlung mit den Fürsten und Theologen war die Konkordienformel (1577), der Major seine Unterschrift verweigerte. Vgl. dazu RE Bd. 1, 501-505; Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, hreg. vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß (Göt- tingen 1930), 8. XXXII— XL; Zeitschrift für historische Theologie Bd. 6, 8. 147ff.

10) Ostersonntag. Vgl. Anm. 1.

11) Konkordienformel.

Anhang II. Mathesiana aus Briefen Kaspar Peucers!) an Kaspar Eberhard. Nr. 1. Leipzig. 15. Oktober (1555)?).

Abschrift: Berlin, Bl. 60a. ... Salutem opto D. Mathesio ...

1) Peucer (über ihn vgl. ARG Bd. 29, S. 181 Anm. 1) lernte Eberhard vermutlich im Jahre 1548 in Wittenberg kennen. Am 18. September promovierte Eberhard zum Magister, im gleichen Jahre trat Peucer in die dortige artistische Fakultät ein; vgl. ARG Bd. 29, S.125 Anm. 1 und Köstlin, Baccalaurei 1548— 1560, 8. 25. Am 2. Dezember (1548 oder 1549) (Bl. 60b) schrieb Peucer an Eberhard: ‚‚Nunc serio peto, ut eius amicitise, quam proxime contraximus, memoriam non solum constanter retineamus et, ubi opus est, cum benevolentia et charitate usurpemus, sed literis ultro citroque frequenter datis acoeptisque alamus, etiam augeamus et confirmemus, idque et te facturum pro tua humanitate confido et me non intermissurum polliceor ac spondeo.‘“

2) Die Jahreszahl ergibt sich aus der brieflichen Erwähnung von Melanchtbons Rückkehr am 13. Oktober (aus Nürnberg; vgl. CR Bd. 8, 8. XIII und Sp. 591) und von Peucers Reise (nach Frankfurt; vgl. ARG Bd. 30, 8. 48 und 49 Anm. 5).

Nr. 2. (Wittenberg.) 4. November (1555)}). Abschrift: Berlin, Bl. 64b—65a. | Doctrina, virtute et pietate praestanti D. Magistro Caspari Eberhardo, pastor (!) ecclesiae Dei in oppido Theodosia?) ad montem Syon, amico suo carissimo.

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... Allatus huo?) rumor est decrevisse Mathesium et te accedere ad nos®), cum de scholae instituto et more veteri ornabuntur aliqui Magisterii titulo®). Id ut faciatis, vehe- menter oro., Erunt circa rd tempus fortasse itinera commodiora et faciliora, utpote gelu durata et instrata atque exaequata nivibus. ... Salutem D. Mathesio opto®) et vos vestrasque familias Deo commendo ...

1) Das Jahresdatum ergibt sich aus der Bezugnahme auf den vorigen Brief. 2) Gottesgab.

3) Nach Wittenberg.

*) Diese Reise kam nicht zur Ausführung.

s) Am 27. Februar 1556 wurden 37 Magister in Wittenberg prormho- viert, unter ihnen der Joachimsthaler Diakon Christoph Friedrich und der junge Dichter Johann Major; vgl. Köstlin, Baccalaurei 1548-1560, 8. 17; ARG Bd. 30, S. 47f. Anm. 6, 8. 48 Anm. 3, 8. 58 und oben 8. 46 Anm. 2. |

°) Am folgenden Tage schrieb Melanchthon an Mathesius: „Meus gener salutem tibi et caeteris amieis optat‘‘ (CR Bd. 8, Sp. 601 und unten 8. 54 Anh. III, Nr. 21).

Nr. 3.

Torgau. 18. Juni (1556)}). Abschrift: Berlin, Bl. 65b.

Doctrina et virtute praestanti D. Mägistro Casparo Eber-

hardo, pastori ecclesiae Dei in oppido Theodosia?), amico

BUO CArissimo.

$. D. Carissime Caspar! Fateor me vobis ad omnia summa studia atque officia humanitate et beneficiis erga me vestris?) devinctum esse. Utinam sit occasio ostendendi, quanti apud me illa fiant et quam sim cupidus benemerendi de vobis vicissim. Interes et literis testabor animum gratum et eo munere, quod mihi gratitudinis lex imponit, defungar qualicum- que missione chartaceorum munusculorum, quae nunc ideo non mitto, quod eo ipso die, quo domum sumus reversif), e vestigio me oportuit Torgam ...°®) excurrere, ubi una ex neptibus soceri®), Sabini Kia?) laethaliter decumbebat. Hunc interea Joachimum pharmacopolam Torgensem®), summum amicum meum, tibi diligenter commendo, cui si quid operae et dili- gentiae vel temporis impenderis, experieris te id apud inte- gerrimum et gratissimum hominem collocasse. Ostendes igitur ei, quae in Vallıbus sunt spectatu et consideratu digna esse censueris. Vale. 18. Junii Torgae.

Caspar Peucerus.

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1) Die Jahreszahl ergibt sich aus der Erwähnung des Apothekers; vgl. Mathesius’ Brief aus dem Juli 1556 (ARG Bd. 30, S. 214 und 215 Anm. 3). 3) Gottesgab.

3) Es handelt sich um den Besuch Melanchthons und Peucers in Joschimsthal und Karlsbad bei Mathesius und Eberhard am 9. und 10. Juli 1556. Vgl. ARG Bd. 30, S. 214f.

4) Am 15. Juni ist Melanchthon (und damit wohl auch der mit ihm reisende Peucer) in Leipzig nachweisbar; vgl. CR Bd. 8, Sp. 781f. Am 30. Juni ist Melanchthon in Leipzig, Peucer anscheinend wieder in Wittenberg; vgl. Bindseil, S. 394.

8) Lücke in der Handschrift.

°) Melanchthons; vgl. ARG Bd. 29, S. 131 Anm. 1.

7) Georg Sabinus (1508— 1560; über ihn vgl. ADB Bd. 30, 8. 107— 111) heiratete am 6. November 1536 die vierzehnjährige Tochter Melanch- thons Anna. Sie starb am 27. Februar 1547. Dieser Ehe entstammen vier Töchter: Anna (* 1537), Katharina (* 1539), Magdalene (* 1541, t bald nach der Geburt), Martha (* 1545); welche von ihnen hier in Frage kommt, läßt sich nicht ermitteln. Vgl. Th. Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation (Er- langen 1866), S. 340. 345. 361. 8) Vgl. oben Anm. 1.

——

Nr. 4. (Wittenberg.) 26. Juni: 1556.

Abschrift: Berlin, Bl. 65a.

Doctissimo viro D. Casparı Eberhardo, doctori Evangelii Christi Theodosiae!), amico suo carissimo.

S. D. Carissime Caspar! Et auctum metallicis opibus et plurimarum rerum, de quibus dubitavi, cognitione instructum et officiis ornatum affectumque beneficiis summis me dinii- sistis?2). De his tantis rebus quas gratias agam vobis, quae rependam beneficia, ut vel minimam partem earum studio saltem bene merendi consequar? Quanta cum delectatione et fructu soepe pulcherrima et insigni varietate distincta metallorum frusta contemplor nec contineor unquam, qui ob- servem et annotem aliquid antea non deprehensum. Colligo Untüuara, quae ad D. Mathesium et te mittam. Alios enim, quos consulem, cum haereo in hac parte philosophiae, non habeo. Nec erudire me et expedire alius certius vobis potest. D. Mathesio sis hortator, ut contiones absolvat et edat?), pro- derit lectio earum plurimis et multa, quae latuerunt hactenus, proferent illae atque explicabunt. Nunc remitto cum pera tua chartas!), quas requisivistis, in promptu alia non erant. Bene et foeliciter vale. 26. Junii°).

Caspar Peucerus. Archir für Beformationsgeschichte. XXI. 1/2. .&

50

ı) in Gottesgab.

2) Bei dem Besuche mit Melanchthon; vgl. ARG Bd.30, 8.215 Anm. 4.

3) Mathesius’ ‚‚Sarepta Oder Bergpostill”’ erschien erst 1562. Vgl. Loesche Bd. 2, 8. 397f. Nr. XVII, 1 und ARG Bd. 30, 8. 65 Anm. 4 sowie H. Weinreich, Wort und Werkzeug in den Predigten des Johann Mathesius (Berlin 1932). Am 29. März und 18. August 1556 sowie am 1. Januar 1557 berichtete Mathesius brieflich an Eber und am 21. Januar und 24. Februar 1657 an Kaspar von Nidbruck (über ihn vgl. ARG Bd. 29, S. 125f. Anm. 5) über die Arbeit an seiner ‚Sarepta‘‘; vgl. Handsteine, 8. 561, 19-23; 565, 16f.; 568, 4-8; -Loesche Bd. 2, S. 327 und 330. *) Vgl. dazu ARG Bd. 30, S. 213 und Anm. 12. 5) Am Rande steht in der Handschrift: ‚‚an. 56.‘

Nr. 5.

(Wittenberg.) 15. Juli (1556)}). Abschrift: Berlin, Bl. 67a.

Doctrina et virtute praestanti D. Caspari Eberhardo, doc-

tori Evangelii Christi in Theodosia?) Iberorum®), amico suo

carissimo.

. Zyiyudrwy magnum numerum mittam ad vos brevi, quae

explioabitis mihi, ut Be non gravatim, et consuletis metalli-

co8 peritos. Caspar Peucerus.

ı) Das Jahresdatum ergibt sich aus der Erwähnung der Zusammen- kunft mit Eberhard (,‚Disoodens petebam abs te‘; vgl. die beiden vorhergehenden Briefe Peucers) und der [ntjuara (vgl. den vorber- gehenden Brief). 3) Gottesgab.

s) Iberi = Bergleute; vgl. dazu ARG Bd. 24 (1927), 8. 309 Anm. 1. Den Brief an Mathesius vom 28. September 1559 adressierte Peuoer: „... Mathesio, pastori ecclesise Dei collectae ex Iberis Vallis Joachi- mitae.‘‘ Das Jahresdatum dieses Briefes ergibt sich aus dem gleich- zeitigen Melanchthonbriefe an Mathbesius vom 25. September 15598 (vgl. ARG Bd. 29, S. 116 Anm. 1).

Anhang III.

Nachträge zu bereits gedruckten Briefen Melanchthons an Mathesius aus der Handschrift Ms. Lat. Quart. 906.

Es kann sich im folgenden aus Gründen der Raumersparnis nur um eine Auswahl von wichtigeren Nachträgen handeln.

bi

Eine vollständige Verzeichnung aller Abweichungen der nach den Originalen angefertigten Abschriften bleibt der Bear- beitung von Melanchthons Briefwechsel in den ‚Supplements Melanchthoniana“ vorbehalten.

1. Bl. 2a: CR Bd. 4, Nr. 2601 (Dezember 1533; vgl. Loesche Bd. 2, S. 229): Adresse: Doctissimo viro D. Joanni Mathesio, docenti bonas literas in Valle Joschimica 1), suo amico.

1) Mathesius war von 1532 bis 1540 Rektor in Joschimsthal.

2. Bl. 1b: CR Bd. 5, Nr. 2683 (14. April!) 1543): am Schluß: Post triduum ingrediar iter profecturus ad Colonien- sem?).

1) Das genaue Datum ergibt sich jetzt aus der Erwähnung der Reise.

3) Am 17. April 1543 brach Melanchthbon auf, um sich nach Bonn zu begeben, wo er den Kölner Erzbischof Hermann von Wied bei der Einführung der Reformation unterstützen solite. Vgl. WA Bd. 54, 8. 5f. und CR Bd. 5, S. VIH.

3. Bl. 11a: CR Bd. 6, Nr. 3383 (13. Februar 1546): Sp. 49, 8: 13. Februarii.

4. Bl. 30a—b: CR Bd. 6, Nr. 3525 (1. August 1552; zum Datum vgl. ARG Bd. 29, S. 132 Anm. 5): Adresse: Reverendo viro eruditione et virtute praestanti Johanni Mathesio, pastori ecclesiae Dei in Sarepta!) Joachimica, fratri suo carissimo. Am Schluß: Exhibebit tibi Mylius?) librum recens hic editum de ecclesiis Megapolitanis®), in quo priores paginas, in quibus doctrina breviter recensetur*), a te inspici volo et significari mihi iudicium tuum. Iterum vale.

Philippus.

ı) Vgl. ARG Bd. 30, S. 54f. Anm. 1.

3) Über ihn vgl. ARG Bd. 29, S. 132 Anm. 5b. Mylius über- brachte auch diesen Brief.

3) Vgl. dazu ARG Bd.29, S. 268f. Anm.1. Es handelt sich hier um die Schrift: ‚‚Kirchenordnung: Wie es mit Christlicher Lere, reichung der Sacrament, Ordination der Diener des Euangelij, ordenlichen Cere- monien, in den Kirchen, Visitation, Consistorio vnd Schulen, lm Hertzogthumb zu Meckelnburg etc. gehalten wird‘‘ (Wittenberg 1552); vgl. CR Bd. 23, Sp. XXIf.; Sehling, Die evangelischen Kirchen- ordnungen Bd. 5, 8. 132f.; H. Schreiber, Johann Albrecht I., Herzog

4:

52

von Mecklenburg (Halle 1899), S. 24. Am 18. Juli 1552 war diese Schrift im Druck beendet; vgl. CR Bd. 7, Sp. 1032; vgl. auch Sp. 993. 1007. 1016. 1033. 1024. 1047 und Handsteine, S. 550, 7f.

4) Sehling a. a. O., 8. 161— 190.

5. Bl. 32a: CR Bd. 6, Nr. 3597 (6. November 1546): Über- schrift: Hanc sequentem observa diligenter. In causa Baoılıxal) 1547 devrega poovrides.

ı) König Ferdinand I.

6. Bl. 20a—b: CR Bd. 6, Nr. 3631 (25. November 1546): Beilage: Adolescens compressit consobrinam suam, postea duxit aliam publicis sponsalibus.. Quaestio, an altera sit libera? BRespondeo: si prius compressa fuit consobrina et postea ducta altera et adolescens post sponsalia non habuit consuetudinem cum priore, dico posteriorem nequaquam esse liberam. Sed adolescens vocandus est, fiat autem inquisitio, an post sponsalia attigerit consobrinam. Sic enim posset petere divortium posterior propter adulterium. Et potest res inquiri clam, si posterior libenter vellet liberari. Hoc processu aliquando usus suın, ut intricatum negocium extricarem. Aliud autemn est loqui de poena stupri et de incesta consuetudine, ut usitate nominatur, etsi iure divino non est incestal).

_— u

ı) In seinem Brief vom 25. November 1546 an Mathesius schreibt Melanchthon: ,Mitto tibi . .. . responsionem de adolescente, qui compressit consobrinam‘‘ (CR Bd. 6, Sp. 295).

7. Bl. 13b: CR Bd. 6, Nr. 3808 (5. April 1547; vgl. auch ARG Bd. 24 [1927], S. 304 Anm. 1). Am Schluß hinter „‚prae- cessisse‘': ‘fe miror tam diu nihil ad me scripsisse, cum nunc quidem literae huc!) perferri possint. Bene et foeliciter vale. Die Aprilis quinta.

Philippus Melanthon manu propria.

1) Melanchthon befand sich damals infolge des Schmalkaldischen Krieges in Zerbst.

8. Bl. 19b: CR Bd. 7, Nr. 4459 (11. Januar: 1549): Sp. 299, 15f.: mutatio. <Placari Imperatorem> <Ac potius mitto> Ac... approbabimus. <Etsi autem consilis prudentum quorum). In... dazu der Vermerk: ita in ipsius abro- yodpwy!) <dele> scripta et deleta erant.

3) Vgl. ARG Bd. 29, S. 108.

68

9. Bl. da—b: GR Bd.7, Nr. 4497 (25. Februar 1549): am Rande zu Sp. 343, 1öff.: Hanc declarationem posui, non ut recites in concione, quia collegam!) irritaret. Sed pro te recen- sul, ut de toto negotio cogites et bene consideres sacramenta in usu esse sacramenta.

1) Vielleicht Bartholomäus Reibolt; vgl. Loesche Bd. 1, S. 178; Bd. 2, S. 269; ARG Bd. 29, S. 270 Anm. 23. Vgl. auch ThStKr Bd. 69 (1896), S. 386.

10. Bl. 17a: CR Bd. 7, Nr. 4651 (Januar 1550): Sp. 532, 14-16: arbitror, <quorum cum sit manifesta impietas) qui ... impia <quid de eis sentiend> non dubito; dazu am Rand: sic in atroypapw!) fuit.

1) Vgl. ARG Bd. 29, S. 106.

11. Bl. 17b: CR Bd.T, Nr. 4723 (21. Mai 1550): Zur Nachschrift am Rand: Schedula addita his literis.

12. Bl. 22a: CR Bd.7, Nr. 4905 (3. Juli 1551): Sp. 795, 18 f.: tertia Julii!).

1) Vgl. ARG Bd. 29, S. 129 und Anm. 2.

13. Bl. 22a: CR Bd. 7, Nr. 4919 (9. Juli 1551): Sp. 806, 2: Macedo, Alexandrı.

14. Bl. 23b: CR Bd. 7, Nr. 4956 (21. September 1551): Überschrift: Sequitur doctissima epistula, quam secum afferebat exul Augustanus!).

ı) Johann Flinder; vgl. Loesche Bd. 2, S. 285 Anm. 1.

15. BI.28a: CR Bd. 7, Nr. 5072 (16. März 1552): Sp. 962, 14: Dei <verum et Samaritanum salutarem), ut qui.

16. Bl. 25b—26a: CR Bd. 7, Nr. 5075 (1552): Überschrift: De veteri nomismate gentis Judeae!). Sp. 965, 24: Quae simul ad summum perferat ipse Patrem.

Reverend. D. Mathesio Philippus.

ı) Vgl. dazu Loesche Bd. 2, 8. 292.

17. Bl. 33a: CR Bd. 7, Nr. 5231 (11. Oktober 1552): am Schluß: Salutem opto Casparo!) et coeteris amicis.

!) Eberhard.

54

18. Bl. 31b: CR Bd. 8, Nr. 5401 (31. Mai 1553): am Schluß: Salutem Casparo!) et vobis omnibus et familiis vestris opto.

ı) Eberhard.

19. Bl. 33b—34a: CR Bd. 8, Nr. 5536 (31. Januar 1554): Überschrift: In cruce domestica D. Mathesiil). Nachschrift: De argenteo monumento tibi gratiam habeo et cogitabo, ut mittam dysidwea.

1) Vgl. ARG Bd. 29, 8. 266 Annı. 2.

20. Bl. 35b: CR Bd. 8, Nr. 5565 (17. März 1554): Nach- schrift: Salutem opto Casparo!) et vobis omnibus.

ı) Eberhard.

21..Bl. 4ib: CR Bd. 8, Nr. 5863 (5. November 1555): Sp. 601,2: caeteris amicis optat.

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Anhang IV.

Die Klitschdorfer Handschrift.

Während des Druckes machte liebenswürdigerweise Herr Professor D. Dr. Clemen-Zwickau mir Kopien f P. Flemmings (aus dem Jahre 1913) von Briefen aus der Reformationszeit zugänglich, die sich abschriftlich in einem Sammelhand in der Bibliothek des Fürsten zu Solms in Klitschdorf bei Bunzlau (früher auf Schloß Wehrau bei Bunzlau) befinden und eine wichtige Ergänzung zu unserer vorliegenden Veröffentlichung bilden. Dieses Manuskript, ein 500 Seiten starker Quartband, stammt aus dem 16. Jahrh. und besteht aus Ogenden drei selbständigen Teilen!):

I. S. 1—62: ‚‚Libellus arcanorum multas res ara eX- plicans quas ®. M. piae memorise priustim declarauit J[ohanni] Ff[erinario], Z{achariae] V[rsino], mihi Al[bra- hamo] B[ucholzero] et aliis.‘“ Dieser Teil findet sich auch auf der Landesbibliothek in Dresden unter der Signatur: B 193 4°, Bl. 1-35; vgl. Katalog der Hand- schriften der Königl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden, bearbeitet von F. Schnorr von Carolsfeld, Bd. 1 (Leip- zig 1882), 8. 141.

ı) Die Beschreibung der Handschrift, die ich nicht selbst einsehen konnte, erfolgt nach den Angrten Flemmings.

66

II. S. 63 —422 (424): Abschriften von annähernd 250 Briefen

aus der Reformationszeit (vgl. unten).

III. S. 425498 (500): Ergänzende und erläuternde Bemer- kungen (laut Vermerk auf 8. 425 vollendet am 22. De- zember 1590) zu S. 1—560 des Buches: ‚‚Liber continens continua serie Epistolas Philippi Melanchthonis scriptas Annis XXXVIII ad Joach. Camerarium“ (Leipzig o. J.); vgl. CR Bd. 1, Sp. XXXVIII.

Der zweite Teil (S. 63—422) der Klitschdorfer Hand- schrift, der allein für uns in Frage kommt, zerfälltinacht Ab- schnitte, deren jeder mit Ausnahme des letzten nur von je einer Hand geschrieben ist. Über die einzelnen Schreiber ließ sich nichts ermitteln. Während die Briefe des ersten und achten Abschnittes Briefe von den verschiedensten Verfassern ent- halten, rühren die Briefe in jedem der übrigen Abschnitte lediglich von einer, höchstens zwei oder drei Personen her.

Übersicht über den Inhalt des zweiten Teiles der Klitschdorfer Handschrift.

1. S. 63—155 (158) (Lage A—F): 63 Briefe von Luther, Melanchthon, Bucer; Brenz, Spalatin, Camerarius, Diet- rich, Cruciger, Johann Aurifaber und anderen an ver- schiedene Empfänger (1531 —1548).

Als Datum des Beginns der Abschrift steht auf S. 63: ‚„‚Vratislauia Anno 1546 die 16 Neuembrig [= Dienstag]“ ; S. 114 ist vermerkt: „Aliquot sequentes epistolas de- scripsi anno 1547“, auf 8. 146: ‚Sequentes epistolas descripsi Vitebergae Anno 1548 et incepi die 24 Maii 2% [= Donnerstag].‘

2. 8. 159—249 (252) (Lage A ff.; anderes Papier): 68 Briefe Viktorin Strigels (und ein anderer fremder) an verschiedene Empfänger (1540 —1569).

3. 8. 253—268: 20 Briefe Melanchthons an verschiedene Empfänger (1540—1548).

4. 8. 269—292: 14 Briefe von Melanchthon (1545 —1559), 4 Briefe von Petrus Victorius (1561 —1568) an verschiedene Empfänger sowie ein undatiertes Schreiben von Christoph Lasius an Melanchthon mit dessen Randbemerkungen.

5. 8. 293—320: 7 Briefe Kaspar Crucigers an Veit Dietrich (1542 1545).

6. S. 321—332: 9 Briefe Melanchthons an verschiedene Emp- fänger (1527 —1546).

7. 8. 334—356: je ein Brief Luthers und Paul Ebers sowie 20 Briefe Melanchthons an Johannes Mathesius sowie 1 Brief Melanchthons an Petrus Widmann und 3 Schreiben Melanchthons an Kaspar Eberhard (1543 —1557).

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8. 8. 357 —422 (424) (von mehreren Händen): 26 Briefe von Luther, Melanchthon, Georg und Johann Major, Osiander, Camerarius, Chyträus und anderen an verschiedene Emp- fänger (1527 —1583).

Unter den Lutherbriefen dieses Abschnittes befindet sich auf S. 357 ein an den Rat zu Crossen gerichtetes Schreiben vom 13. April 1527, das bisher lediglich aus dieser Abschrift bekannt ist (WAB Bd. 4, S. 192—194 Nr. 1095).

Von den Briefen des zweiten Teiles der Klitschdorfer Hand- schrift verdient im Zusammenhange mit den bereits von uns veröffentlichten Briefen an Mathesius der 7. Abschnitt (S. 334 bis 356) besonderes Interesse. Von den dort enthaltenen 26 Briefen sind 4 bereits an anderer Stelle und 20 in unserer vorliegenden Veröffentlichung nach der Berliner Handschrift Ms. Lat. Quart. 905 gedruckt, während 2 Briefe von Melanch- thon an Mathesius aus dem Jahre 1557 (oben Nr. 46a und 46b) nur in der Klitschdorfer Handschrift überliefert sind. Die Abschriften in dieser Sammlung stimmen fast stets mit dem Texte der Berliner Handschrift überein, nur fehlt immer die Adresse sowie die Unterschrift: „Philippus“. Beide Hand- schriften sind jedoch völlig unabhängig voneinander. Im folgenden geben wir ein genaues Verzeichnis über die Briefe des 7. Abschnittes (S. 334 —356) und fügen den Druckort so- wie in Klammern die wichtigsten Lesarten hinzu:

S. 334: Melanchthon an Mathesius (28. Mai 1557): CR Bd. 9, Nr. 6257.

S. 335: Luther an Math. (19. August 1543): Enders Bd. 15, Nr. 3302.

S. 335: Mel. an Math. (10. April 1546): oben Nr. 2.

8. 336: Mel. an Math. (5. April 1547): CR Bd. 6, Nr. 3808; oben Anh. III, Nr. 7.

S. 337: Mel. an Math. (22. August 1550): oben Nr. 5 (Z]. 13: consensum).

S. 337: Mel. an Math. (8. April 1551): oben Nr. 6 (2. 6: possint; Zl. 14: 18. Aprilis).

S. 338: Eber an Math. (30. Januar 1554): oben Nr. 14 (ZI. 10: sua; Zl. 22: gibbosum; Zl. 35: doctoratus).

S. 340: Mel. an Math. (21. März 1555): oben Nr. 21 (Zl. 18: vocem Dei: ‚Dedi).

8. 342: Mel. an Math. (23. Mai 1555): oben Nr. 30 (Z]. 18: dies triumphi] triumphus).

S. 342: Mel. an Math. (21. Mai 1555): oben Nr. 28 (Z]. 10: morbus; Zl. 11: atre).

S. 343: Mel. an Math. (7. August 1554 ?): oben Nr. 17 (Z1. 11:

N. N.). | $. 344: Mel. an Math. (1. August 1555): oben Nr. 32.

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8. 345: Mel. an Math. (6. September 1555): oben Nr. 35 (ZI. 17: proferri).

8. 346: Mel. an Math. (24. August 1555): oben Nr. 34 (Z]. 3: fiant; ZI. 9: spargit).

8. 37: Mel. an Math. (7. August 1555): oben Nr. 33.

8. 347: Mel. an Math. (22. Mai 1555): oben Nr. 29 (Zl. 13: 22. Mart.).

8. 348: Mel. an Math. (1. Januar 1556): oben Nr. 37 (Zl. 10: sunt (2.)] sint).

S. 349: Mel. an Math. (18. Januar 1556): oben Nr. 38 (Z1. 11 fehlt).

8. 349: Mel. an Math. (2. März 1556): oben Nr. 40.

S. 350: Mel. an Math. (3. Oktober 1556): CR Bd. 5, Nr. 2768 (das richtige Datum ergibt sich aus CR Bd.8, Nr. 6081 und 6082).

S. 351: Mel. an Math. (3. Februar 1557): oben Nr. 46b.

89. 351: Mel. an Math. (1. Februar 1557): oben Nr. 46a.

8. 352: Mel. an Widmann (27. März oder 1. August 1552?): oben Nr. 10.

S. 353: Mel. an Eberhard (21. März 1555): oben Nr. 22.

8. 354: Mel. an Eberh. (22. Juli 1552): oben Nr. 11 (Z1. 1—2

. 365: Mel. an Eberh. (23. Mai 1555): oben Nr. 31 (Zl. 13: utilissima;; Zl. 21: Apianus!)).

Berichtigungen und Nachträge. ARQG Bd. 29. S. 100 Anm. 3: Eberhard starb am 21. Oktober 1575; vgl. ARG Bd. 29, S. 197. S. 103 Anm. 1: Vgl. oben S. 102 Anm. 4 (Bl. la). S. 105 Anm.3: Zu Eberhards Briefsammlung vgl. auch J. Haußleiter in: Allgemeine Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung Bd. 45 (1912), Nr. 44, Sp. 1045 und Theologisches Literaturblatt Bd. 39 (1918), 8. 67

1) Gemeint ist der Astronom und Geograph Peter Apian (Bienewitz) aus Leisnig (1495-1552), Professor der Mathematik in Ingolstadt. In seinen letzten Lebensjahren litt er an heftigen Steinbeschwerden und starb am 21. Juli 1552 am Nierenstein (Nephritis). Über ihn vgl. S. Günther, Peter und Philipp Apian (Abhandlungen der mathe- matisch-naturwissenschaftlichen Classe der königl. böhmischen Gesell- schaft der Wissenschaften vom Jahre 1881— 1882. VI. Folge, 11. Bd. Nr. 4, Prag 1882), bes. S. 18 und ADB Bd. 1, S. 505f. Im Jahre 1534 verfaßte Melanchthon ein Vorwort zu dem Werk des Peter Apian und Bartholomäus Amantius: ‚„‚Inscriptiones sacrcesanctae ve- tustatis non illae quidem Romanse, sed totius fere orbis summo studio ac maximis impensis Terre Marique oonquisitse‘‘ (Ingolstadt 1534); vgl. Günther a.a.O., S. 13 und 20f. und CR Bd. 2, Sp. 697f.

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. 106 Ann. 1: Anm. 8 (statt 7). . 113 Anm. 1: Meine Veröffentlichung erscheint erst in Heft 4. . 117 hinter Z. 19 ist einzufügen: Gigas, Johann: 66. . 117 Z1. 28: „40, 43, 46a, 46b, Anh. III, 1— 21.“

. 130f.: Zu dem Brief Nr. 8 vgl. Melanchthons gleichzeitigen Brief an Mathesius vom u nn 1551 (CR Bd. 7, Sp. 807£f.).

S. 266 21. 14: c“ statt „‚hinc“.

S. 272 ZI. 8: En

S. 276 Anm. 7: Zu Margarete von Mochau vgl. auch WAB Bd. 4, S. 37 Anm. 1. Anm. 9: Paul Eber jun. heiratete am 16. Oktober 1564 Marie Major; vgl. ARG Bd. 29, S. 175.

S. 279 ZI. 7: „‚vocem Dei: ‘“; vgl. oben S. 56.

S. 280 21. 13 v. u.: ‚„‚gemitibus‘“.

UN NM

ARG Bd. 30.

S. 38 Anm. 1: Vgl. dazu auch Loesche Bd. 2, S. 12.

S. 43 ZI. 2f.: „‚sentis, utilissimum“. ZI. 11: ‚„‚Apianus“‘; über ihn vgl. oben 8. 57 Anm. 1.

8. 46 Z1. 10 v.u.: ‚„boneste magna difficultate‘“.

S. 48 ZI. 10: „‚versu“. Anm. 3: vgl. auch CR Bd. 8, Sp. 525 (Melanchthon an Hieronymus Weller, 22. August 1555).

S. 53 ZI. 16: „‚leniter“.

Nr. 66 (vor 82a). Joachimsthal.) 1. März 1552.

Mathesius an Johann Gigas. Original!): Wolfenbüttel, Landesbibliothek, Extr.84. 18, Bl.10a.

Venerabili viro eruditione et pietate praestanti D. Magistro Johanni Giganti?), servo fideli ecclesiae Dei apud Frei- stadienses, Domino et amico suo carissimo.

S. Charissime Domine Magister! Conditio medici?) pro- posita est cuidam Vratislaviensi, quem D. Naevius‘) senatui commendavit. Qui si respuerit eam, tum eius absentis ratio habebitur, quem vos proposuistis. Sed de hoc toto negotio plenius et certius te poterit docere tuus socer®) qui interest negotiis publicis. Opto, ut quiescant Dantiscae (?) tempe- states, id quod futurum est, si Filius Dei precibus suorum excitatus fuerit, qui suo tridente concludat Aeolos in Aeoliam®). Ut Roma suis viribus ruit, sic Germania et ecclesia devoratur a suis alumnis. Vae autem illis, qui auto- res sunt scandalorum! Si edetur scriptum Marchionis’?), fac, ut ipsum videamus! Sumus in metu ob bellum Saxonicum®). Quod si audiretur Micha, quiescerent capita. Sed cornutus Zedekias praevalet autoritate®). Igitur veremur, ne disper- dantur, qui bella volunt. Ego doctor pacifici Evangelii

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pacem sectabor, pacem praedicabo, pacem orabo et in pace cum mea ecclesia verum Salomonem confitebor. Nam retinere in publicis turbis pacem conscientiae consultissimum est. Sic non impeditur invocatio et in pace poterimus pie et con- stanter obdormiscere. Sed nunc spernitur Micha et exit orator bonus. Zedekias et horridus miles armatur. Haec est- poena contempti et neglecti Evangelii et dissensionum, quas male conciliati doctores excitant in perniciem sui et vastationem multarum ecclesiarum. Autoritas sancti viri labefit Norinbergae praesente Philippo!°), qui solus moderate facit omnia. fieri potest, libellum Osiandri de novo Adamol!) fac ut accipiam. Bene vale cum vite tua et pal- mitibus! Mea!?) resalutat te, quae mihi peperit Eutichium!?). Datum in Carnisprivio!*), cum apud metallicos de veteribus me- tallicis Philippensibus publice dicerem!$), Calendis Martii 1552. T. Mathesius.

Am Rand: Reverenter ex me salutem nunties D. Puchero,

veteri amico mMeo.

1) Eine Abschrift dieses Briefes verdanke ich Herrn Prof. D. Dr. Clemen-Zwickau.

») Der Humanist und Theologe Johann Gigas (Hüne) aus Nord- hausen (1514—1581) wurde zusammen mit Mathesius am 23. Sep- tember 1540 in Wittenberg zum Magister promoviert (Köstlin, Baccalaurei 1538—1546, 8. 12; oben 8. 42); im gleichen Jahre wurde er nach Joachimsthal als „Schulmeister“ (Rektor) an die Lateinschule als Nachfolger von Kaspar Heydenreich (ARG Bd. 29, 8. 125 Anm. 3; Chronik, S. 46) berufen; 1542 Rektor in Marienberg, 1544 in Schulpforta; 1545—1571 Pfarrer in Freistadt in Schlesien, danach in Leutmannsdorf und bis zu seinem Tode (1581) in Schweid- nitz; über ihn vgl. Loesche Bd. 1, S. 176-178; Jahrbuch Bd. 34 (1913), S. 49f. Anm. 62; AdB Bd. 9, 8. 167; H. E. Schmieder, Er- innerungs-Blätter (Leipzig 1843), S. 1—142. Auch sonst stand Ma- thesius mit Gigas im Briefwechsel; vgl. Loesche Bd. 1, 8. 36f.; Bd. 2, S. 337f.; Jahrbuch Bd. 34 (1913), S. 49 Anm. 61 und 8. 51 [der Brief auf S. 50f. ist vermutlich an Paul Eber gerichtet; vgl. ebd. S. 54]; ARG Bd. 24 (1927), S. 311 Nr. 6 und Anm. 2 [ein Exemplar des Druckes der Schulfest-Predigt vom 19. März 1566 „Von Christlichen Schulmeistern vnd Schülern eine kurtze Predigt Johannis Gigantis‘‘ (Frankfurt a. O. 1566) [abgedr. bei Schmieder a.a. O., S. 86-104; vgl. bes. S. 93) befindet sich in der Zwickauer Ratsschulbibliothek: 20. 7. 11,].

3) Wohl als Nachfolger des 1548 nach Joachimsthal als Stadtarzt berufenen „Illyriere“ Dr. Johann Drachenfuß (Chronik, 8. 53). Wer als Stadtarzt damals nach Joachimsthal berufen wurde, läßt sich jedoch nicht ermitteln.

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4) Johann Neff aus Chemnitz (14991674), 1533— 1544 Stadtarzt in Joachimsthal, später in Dresden; er war mit Mathesius befreun- det; über Neff vgl. Volz, 8. 125 und 253.

s) Wolfgang Wiebel von Höchstädt, dessen Stieftochter Magdalene Pfeil (+ 13. September 1577) Gigas am 29. Juli 1548 in Marienberg heiratete; Wiebel war in Joachimsthal 1539 und 1541 Richter, 1542, 1544, 1547, 1549 und 1553 Bürgermeister, seit 1556 königlicher Amtsverwalter; er starb am 25. Juni 1567. An ihn richtete Luther im Jahre 1533 einen Brief; vgl. Schmieder a. a. O., S. 32f. 36. 67. 110-118; Chronik, 8. 43. 45. 47. 49. 51. 53. 57. 61; Einders Bd. 9, 8. 367. *%) Nach Vergil, Aeneis lib. I, 52ff. ließ Aecolus, der Beherrscher der in einer Höhle in Aeolien (liparische Inseln bei Sizilien) einge- schlossenen Winde, diese frei; Neptun mit seinem Dreizack brachte sie wieder in ihr Gefängnis zurück.

?) Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach ?

. *) Es handelt sich um die bevorstehende Erhebung des rächsischen Kurfürsten Mori®z und der mit ihm verbündeten protestantischen Fürsten gegen Kaiser Karl V.

®) Der Prophet Micha widerriet dem König Ahab von lIarael einen Kriegzug gegen die Syrer, während Zedekia, der sich eiserne Hörner gemacht hatte, sprach: „Hiemit wirst Du die Syrer stoßen, bis Du sie aufräumst.““ Im Kampf gegen die Syrer kam Ahab um; 1. Kön. :cap. 22, 9ff.

10) In Nürnberg weilte Melanchthon vom 22. Januar bis 10. März 1552, um zum Konzil nach Trient weiterzureisen; vgl. ARG Bd. 29, S. 131 Anm. 3 und Schmidt, Melanchthon, 8. 540 544.

11) Eine derartige Schrift Osianders ist nicht zu ermitteln; ob Ma- thesius die Schrift : „Von dem einigen Mittler Vesu Christo und Recht- fertigung des Glaubens Bekenntnis Andreas Osianders“ (8. Sept. 1551) oder: „„De unico medistore“ (24. Oktober 1551) meint? Vgl.W.Möller, Andreas Osiander, Leben und ausgewählte Schriften (Elberfeld 1870), 8. 398— 409.

12) Sibylle Mathesius; vgl. Loesche Bd. 1. S. 113— 120.

13) Mathesius’ Sohn Eutichius wurde am 17. Januar 1552 geboren; vgl. Loesche Bd. 1, 8. 215f. und Bd. 2, S. 290. 14) Fastnacht.

15) Es handelt sich um dieim Jahre 1553 erschienene Predigt: „Von den alten freien vnd Christlichen Bergleuten zu Philippen. Acto. XVI. Zur lere vnd trost der Kirchen Gottes in S. Jochimsthal. Gepredigt durch Johan Mathesium. Wittenberg 1553“. Über diese Predigt, die Mathesius dann später als 16. in seine „Sarepta Oder Bergpostill“ (1562 erschienen; oben S. 50 Annı. 3) aufnahm, vgl. Loesche Bd. 1, 8.519£. und Bd. 2, 8. 380 Nr. III, 1 und 2; CR Bd. 7, Sp. 805f. Vgl. dazu auch Melanohthons damals entstandenes Gedicht ‚‚„De venis me- tallicis‘‘ (CR Bd. 7, Sp. 962 und Bd. 10, Sp. 611f.; Loesche Bd. 1, 8.192; Clemen, Studien zu Melanchthons Reden und Gedichten, 8. 43).

Die Wiedertäufer in Mähren. Von Frantiiek by. (Fortsetzung.)

IH.

Die Wiedertäufer zur Zeit des böhm. Aufstandes. Ihre Verfolgung durch die Kaiserlichen wegen ihrer Sympathien den Aufständischen gegenüber. Die Vernichtung ihrer Haushaben i. J. 1619 u. 1620— 21 nach der Unterdrückung des Aufstandes. Kaiser Ferdinand II. laßt ihre Schätze suchen. Das Auffinden von 30000 Fl. Kaiser Ferdinand und Kardinal Dietrichstein, sein bevollmächtigter Gubernator. Die Verhandlung über die Vertreibung der Wiedertäufer. Patent ddo. 22. IX. 1622. Die Wiedertäufer gehen als erstes Opfer des Religionskrieges schweren Herzens fort und wenden sich nach Ungarn. Der Kampf zwischen den Obrigkeiten und Kardinal Dietrichstein in den J. 1622-1629 wegen der Pardonierung der Wiedertäufer. Ihre endgültige Ausrottung aus Mähren. Verzeichnis der Herrschaften und Dörfer, in welchen i. d. J. 1618—1622 Haushaben waren. Die letzten Nachrichten über die Wiedertäufer in Mähren in der 2. Hälfte des 17. und 1. Hälfte des 18. Jahrh. Nachrichten über ihre Keramik in den Schloß-Inventaren des 18. Jahrh. Das vollständige Ver- schwinden der Wiedertäufer und ihrer Arbeit. Ihre keramische Kunst lebt in den Arbeiten der mährischen und slowakischen Töpfer noch durch das ganze 19. Jahrh. fort. Die wiedertäuferischen Fayence-Produkte des 16. u. 17. Jahrh. in unseren Museen.

Zur Zeit des böhmischen Aufstandes in den Jahren 1618 bis 1620 zeigten die Wiedertäufer, die sonst unbekümmert um politische und öffentliche Angelegenheiten ruhig in ihren Haus- haben lebten, immerhin ihre Gesinnung und ihre Sympathien, und dies insbesondere, als im Monat Mai des Jahres 1619 auch Mähren in die gegen Wien gerichtete Aktion hineingerissen wurde!). So berichteten z. B. die Verwalter der Herrschaft Nikolsburg, welche dem Kardinal Dietrichstein gehörte und auf deren Gebiete die Wiedertäufer zwei eigene Haushaben besaßen, ihrem Herrn von allem Anfange an ungünstig über

ı) A. Gindely, Geschichte des Mjähr. Krieges, Bd. II (Prag 1878), 8. 37.

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sie. Sie beschuldigten die Wiedertäufer beim Kardinal, welcher zu jener Zeit sein mährisches Bistum verlassen und sich nach Wien begeben hatte, daß sie den Revolutionären die Stange hielten und sie offensichtlich unterstützten. Als nun im Juli desselben Jahres der kais. General Gf. Dampierre in Mähren einfiel, und dies zu dem Zwecke, um dieses Land möglichst noch in den ersten Anfängen der Aktion von Böhmen ab und dem Kaiser zuzuwenden, erkannten die Wiedertäufer bereits die Grausamkeit dieses neuen Religionskrieges. Ihr Geschicht- Buch zeigt, daß während dieses Einfalles im Verlaufe von einigen Tagen ungefähr 29 ihrer Haushaben (von 44) ausge- plündert und von diesen 12 vollständig verbrannt wurden, die übrigen waren ‚jämmerlich verderbt‘‘!). Der Einfall des Grafen Dampierre ist zwar zurückgeschlagen worden, denn seine Armee ist am 5. August 1619 bei dem in der Nähe des Dietrichsteinschen Nikolsburg liegenden Orte Unter-Wisternitz geschlagen und auf österreichischen Boden zurückgedrängt worden?); die Wiedertäufer hatten aber auch dann schwere Zeiten durchzumachen. Ihre Siedlungen befanden sich näm- lich zum größten Teile an der mährisch-österreichischen Grenze und waren so den häufigen Einfällen aus Niederösterreich, welches in kaiserlichen Händen geblieben war, preisgegeben.

Wie die feindliche Gesinnung gegen sie z. B. auch im Nikols- burger Schlosse wuchs, obwohl hier der Kardinal bis zum böhmischen Aufruhr ihnen wie schon früher erwähnt worden ist trotz zeitweiliger MiBverständnisse auf seiner Herrschaft eine Zufluchtstätte gönnte und sich ihrer Arbeiten auf ver- schiedenen Gebieten bediente, das zeigen uns die weiteren Briefe der früher erwähnten Schloßverwalter, die sie dem Kardinal nach Wien schickten. Am 30. August schrieb der Schloßverwalter Henry Bruß nach Wien?), er habe mit den Wiedertäufern nur deshalb Geduld, weil sie mit den in der Schlacht bei Unter-Wisternitz verwundeten kaiserlichen Sol- daten und Offizieren gut umgingen und sie ordentlich pflegten®).

1) Wolkan, Geschicht-Buch, S. 543.

2) Über die Schlacht bei Wisternitz siehe A. Gindely, Gesch. d. 30jähr. Krieges, Bd. II, S. 121.

3) Wird auch Brussi oder Bruzzi geschrieben. Das franz. Original ist in Nikolsburg. Hist. Archiv, Akten v. J. 1619.

*) Der Kommandant des dem Kardinal gehörigen Schlosses in Nikolsburg, Johann von Denne, hat dem Kardinal von Dietrich- stein bereits am 7. Aug. 1619 mitgeteilt, daß auch ‚der Fürst von Sachsen“, der „‚durch die Achsel geschossen‘ war, bei den Wieder- täufern liege. Und obwohl er für den Fürsten allsogleich ein Zimmer im Schlosse vorbereiten ließ, sei dieser doch in der Pflege der Wieder-

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Aber schon am 12. September teilte er dem Kardinal mit, daß er ihnen vier Verstecke, in denen sie ihr Getreide ver- borgen hatten, ausgehoben habe, damit dieses Getreide nicht den Feinden zugute komme, und fügte noch hinzu, er würde sie, wenn es nach ihm ginge, am liebsten alle von der Herr- schaft davonjagen. Nach zwei Monaten (am 13. November) konnte er berichten, daß die Wiedertäufer zum größten Teile die Herrschaft des Kardinals selbst verlassen und nichts mit- genommen hätten als bloß ‚Pethgewants und etwas anderer schlechten Sachen“. In ihren Verstecken habe er abermals gegen 20 Mutl Mehl entdeckt, das er, wie er hinzufügte, aufs Schloß bringen ließ, ‚‚weil sie eines falschen Herzens sind und weil ihr ganzes Sinnen gänzlich wider uns Christen zület‘!). So sind bereits im Jahre 1619 die Wiedertäufergemeinden zum ersten Opfer der wachsenden religiösen Leidenschaften ge- worden®). Nach einem gleichzeitigen Briefe des Befehlshabers des Schlosses, Johann von Denn&, an den Kardinal wurde den Wiedertäufern auch die Apotheke beschlagnahmt, und dies in einem Zeitpunkte, da ihr Arzt, offenbar als Gefangener, im Nikolsburger Schlosse gestorben war?).

Aus einigen Papieren des mährischen Revolutionslandes- hauptmanns zur Zeit des Aufstandes, Ladislaus Welens von Zierotin®), ersehen wir, daß die Wiedertäufer dem Auf- stande tatsächlich verschiedene kleinere Dienste, erwiesen haben; so vermittelten sie ihm z. B. seine Korrespondenz mit den österreichischen Ländern und mit dem Auslande®) und erhielten dafür die Erlaubnis, ihre wertvolleren Sachen im Lundenburger Schlosse unterzubringen®). Als der neugewählte böhmische König, Friedrich von der Pfalz, von Böhmen nach Mähren und Schlesien fuhr, um die Huldigung auch dieser Länder entgegenzunehmen, überreichten ihm die Wiedertäufer der Mähr. Kromauer Herrschaft, wie schon früher erwähnt

täufer geblieben, da es ihm dort gut ergehe. (Das deutsche Original erliegt im Schloßarchiv in Nikolsburg, Hist. Archiv, Akten v. J. 1619.)

1) Die Originale beider Schreiben ebendaselbst.

s) Wolkan, Geschicht-Buch, S. 538ff.

8) Brief ddo. 13. XI. 1619. Deutsches Orig. in Nikolsburg, Akten v. J. 1619.

4) Siehe Fr. Hruby, Ladislaus Welen von Zierotin im Kampf um die Heimat und sein Aufenthalt in Elbing 1629/30. Elbinger Jahrbuch, 19289.

s) Wien, Haus-, Hof- u. Staatsarchiv. Österr. Akten, Mähren, Fası. 2.

6, Wolkan, Geschicht-Buch, S. 540.

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wurde, als Ehrengeschenk ein schön gearbeitetes Eisenbett, verschiedene fein gearbeitete Messer, weiters gefütterte Hand- schuhe und ‚viel tönernes Geschirr“ für die Königin. Den jungen König interessierten die Wiedertäufer sichtlich und machten auf ihn einen derartigen Eindruck, daß er, wie er seiner Gemahlin nach Prag schrieb, öfter zu ihnen gefahren wäre, wenn sie näher bei Prag gewesen wären!). Dies und verschiedene andere Indizien genügten, um nach Beendigung des Aufstandes der unbeliebten Sekte den Boden unter den Füßen ganz zu untergraben, ungeachtet dessen, daß besonders die Wiedertäufer im Kriege an ihrem Vermögen einen Schaden von Hunderttausenden erlitten hatten und auch darauf hin- weisen konnten, daß sie von den mährischen Ständen im Jahre 1620, als sich diese in einer großen Geldnot befunden haben, vergeblich um eine Anleihe zur Führung des Krieges angegangen worden waren?). | Die Wiedertäufer hatten sich wirklich auch damals hinter ihr Gewissen und ihren religiösen Standpunkt, wonach sie einen Krieg in keiner Weise unterstützen durften, verschanzt und hatten kein Geld zur Verfügung gestellt. Sie waren daher davon überzeugt, daß ihnen der Kaiser keinen Vorwurf machen könne. Und daher meldeten sie, als das kaiserliche Heer unter Führung des Grafen Bucquoy zu Ende des Jahres 1620 in Mähren zu dem Zwecke einfiel, um auch dieses Land aber- mals zum Gehorsam zu zwingen, den einzelnen Heerführern und den dem Kaiser treu ergebenen und aus der Verbannung ins Land zurückgekehrten Magnaten, daß sie keine Schuld weder an dem bösen Kriege, noch an dem Aufstande treffe. Sie baten, man möge sie „als arme, wehrlose Leut, die gegen Niemand kein feindliche Hand‘ hätten, in Schutz nehmen?). Aber vergebens. Ihr Geschicht-Buch zeigt, welche Schrecken in dieser Zeit alle ihre Haushaben von dem kaiserlichen Heere, in welchem die romanischen Regimenter (Neapolitaner, Spanier und Franzosen) besonders grausam sich gebärdeten, und auch von der polnischen Hilfsarmee zu erleiden hatten®). So sind auch die nördlicher gelegenen Haushaben, welche im Jahre 1619 den Kriegsgreueln entgangen waren, vernichtet worden, und damals erst hat der wirkliche ‚groB Jammer

1) J. Chr. Aretin, Sammlung noch ungedruckter Briefe des Churf. Friedrich V. Beiträge zur Gesch. u. Literatur vorzüglich a. d. Schätzen der pfalzbair. Centralbibl. zu München. München 1805, Bd. VII, Nr. 11. Der Brief ist in Brünn geschrieben und ist datiert vom 26. Jänner/6. Februar 1620.

s) Wolkan, Geschicht-Buch, S. 8573.

3) Wolkan, 8. 554. 4) Ebendaselbst, 8. 554.

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der Gemein‘ begonnen, wie es im Geschicht-Buch verzeichnet steht. Die Wiedertäufer sind schon damals aus einigen voll- kommen verbrannten Haushaben ausgezogen und haben sich auf ungarischem Boden niedergelassen!).

Die kaiserliche Armee ist zwar nach einiger Zeit (im Mai 1621) nach Ungarn gegen Bethlen Gabor, dem letzten Mit- gliede der gegenhabsburgischen böhmischen Koalition, fort- gezogen, doch war das Schicksal der Wiedertäufer schon ent- schieden. Bereits in den ersten Regierungsanträgen im Jänner 1621 (also gleich nachdem Mähren in die Hände des kaiser- lichen Heeres gefallen war), welche sich mit der Frage beschäf- tigten, wie die kaiserliche Regierung in den böhm. Ländern gefestigt werden könnte, lautete der auf die Wiedertäufer be- zügliche Artikel folgendermaßen: ‚‚Anabaptistae exterminentur propter pestilentem doctrinam et quod nullum magistratum agnoscunt et mechanicis nocent‘‘?). Es werden hier abermals die alten Vorwürfe wiederholt, die wir schon aus der Zeit Ferdinands I. und seiner Nachfolger kennen, die aber nach der nunmehrigen Unterdrückung der böhmischen Rebellion für die Wiedertäufer viel gefährlicher waren. Es handelte sich nicht mehr bloß um die Religion der Wiedertäufer, sondern um die akatholische Religion in den böhmischen Ländern überhaupt. Die Vernichtung der Wiedertäufer sollte bloß die Einleitung zu den neuen gegenreformatorischen Plänen Wiens sein.

Interessant ist es, daß man in Wien zuerst das Augenmerk auf die wiedertäuferischen Schätze richtete, über deren Vor- handensein sich ständig Gerüchte erhalten hatten. Kaum war Kardinal Dietrichstein Mitte März des Jahres 1621 nach Mähren (zurückgekehrt aus Rom, wo er aus Anlaß der neuen Papstwahl geweilt hatte) als bevollmächtigter kaiserlicher Gubernator gekommen, erhielt er schon am 22. d. M. vom Kaiser ein eigenhändiges Schreiben, in dem er dem Kardinal bekannt gab, daß er nach Mähren den Oberst Grafen Alexander Cicognia sende, um dem Kardinal einen Plan vorzulegen, aus dessen Durchführung er von Mähren eine große Summe Geldes zu gewinnen hoffe. Und da der Kardinal sehr gut die ‚Art und Eigenschaften‘ jener kenne, bei denen der Graf Geld zu finden hoffe, möge er ihn hiebei, so gut er könne, unter- stützen?).

!) Ebendaselbst, S. 554, 556fl.

2) d’Elvert, Schriften der hist.-stat. Section etc. Bd. XXIJI, Brünn 1875, S. 78.

3) Nikolsburg, Orig. autogr., Akten v. J. 1621.

Archiv far Reformationsgesehichte. ZXXI. 1/2. 5

In dem Briefe ist zwar nicht direkt angeführt, daß es sich um die Wiedertäufer handle, doch geht dies aus den weiteren Verhandlungen deutlich hervor. Leider hat sich die Korre-

ndenz des Kardinals aus dem Beginne seiner Herrschaft als Gubernator in Mähren nur unvollständig erhalten und gerade in dem auf unsere Frage bezüglichen Material finden sich einige Lücken. Den nächsten Beleg für diese Angelegen- heit liefert ein Brief des Kardinals an den Kaiser vom 10. April, in welchem er mitteilte, daß sich der oberste Vorsteher der Wiedertäufer zu jener Zeit nicht in Mähren, sondern in Ungarn, und zwar in der Nähe von Sobotischt oder Senitz aufhielt. Sobald er aber, fuhr der Kardinal fort, wieder mährischen Boden betreten werde, wird der kaiserliche Befehl in aller Stille vollzogen werden. Falls aber seine Rückkehr nach Mähren sich wider Erwarten verzögern sollte, sollte der March- fluß (die seinerzeitige Grenze bei Göding zwischen Ungarn und Mähren) und auch die sonstige Grenze von den kaiserlichen Organen mit der größten Vorsicht bewacht werden!).

Daraus ersehen wir, daß nur die Gelegenheit abgewartet wurde, um den obersten Vorsteher der Wiedertäufer das Amt bekleidete damals der aus der Schweiz gebürtige Ulrich Jaußling sofort verhaften zu können, und dies aus dem Grunde, um ihm die Verstecke der wiedertäuferischen Schätze zu erpressen. Aber der unglückliche J nn gab seinen Widersachern keine Gelegenheit mehr zu einem solchen Prozeß, denn er starb bereits am 8. April auf dem Schlosse Pränitsch in Ungarn?). Es scheint, daß der Kaiser hiervon etwas spät benachrichtigt wurde, denn noch am 20. April schrieb er abermals eigenhändig dem Kardinal, er möge alle notwendigen Vorbereitungen treffen, ‚soviel die angeordnete Assecurirung des obristen Fürstehers der Wiedertäufer betrifft‘; es möge ständig auf ihn acht gegeben werden und der Kardinal selbst Fe es „an guter Fürsehung in dieser Sache nicht erwinden

n3)‘“,

Das wiedertäuferische Geschicht-Buch erzählt uns, wie nach dem Tode Jaußlings die mährischen Gemeinden vier Wochen ohne Vorsteher waren, da die älteren Brüder wegen Kriegsgefahr nicht an einem Orte zusammenkommen konnten. Erst am 9. Mai 1621 wurde zum Ältesten Rudolf Hirzel ge- wählt. Er war ein schon älterer Mann, seines Berufes ein Sattler, der schon im Jahre 1594 zu einem der Brüder ‚im Dienst des Worts‘ ersehen worden war®). Am 24. Mai schrieb

1) Ebendaselbet. s) Wolkan, Geschicht-Buch, 8. 576. 3) Nikolsburg, Orig. Akten v. J. 1621. 4) Wolkan, S. 440.

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der Kaiser in dieser Angelegenheit abermals eigenhändig an den Kardinal und verlangte von ihm, er möge insgeheim Nachforschungen wenigstens nach allen Hauptpersonen der Wiedertäufer anstellen lassen, ob sie etwa in Ungarn weilten oder sonstwo der Kaiser hatte offenbar keine Nachricht von der neuen Wahl —, „damit ich sodann auf E. L. Bericht nach denselben greifen und sie zu Handen bringen lassen möchte“. Da aber nichts in Erfahrung zu bringen war, ver- langte er vom Kardinal ein Gutachten darüber, ‚‚was gestalt er etwan sonsten zu seinem Contento gelangen mechte!)“.

Aus den eingehenderen Berichten des erwähnten Geschicht- Buches ist zu entnehmen, wie sich die Ereignisse daraufhin schnell entwickelten: am 2. Juni wurde plötzlich das wieder- täuferische Haus in Neumühl, wo damals die oberste Ver-

I wiedertäuferischen Gemeinden ihren Sitz hatte, überf Ihr Vorsteher, Rudolf Hirzel, wurde mit zwei seiner Genossen auf das Schloß des Kardinals nach Nikols- burg gebracht, wo er dann nach einer längeren strengen Ge- fängnisstrafe durch Drohungen, Gewalt und List dazu gebracht wurde, daß er dem Kardinal und seinen Helfern, dem Grafen Cicognis sowie Seifried Christoph Breuner, fünf Verstecke des wiedertäuferischen Geldes verriet?).

Daß alle Teilnehmer gar wohl fühlten, wie ihre Handlungs- weise den Wiedertäufern gegenüber nicht gerade ehrenhaft war, das zeigt die Tatsache, daß sich alle gerne der letzten Verantwortung für dieses traurige Schauspiel entledigt hätten. Denn als der Kardinal schließlich die wiedertäuferischen Vor- steher in das Nikolsburger Gefängnis gebracht hatte und hierüber dem Kaiser berichtete, da schlug er zugleich vor, daß er sie direkt nach Wien schicken werde, damit dort der Prozeß mit ihnen fortgesetzt werden könne. Allein der Kaiser ging in seinem Briefe vom 10. Juni also noch vor der Aussage des Hirzel darauf nicht ein und meinte, er werde lieber den Grafen Cicognia neuerdings nach Nikolsburg senden, dem der Kardinal auch andere „taugliche subjecta“ zur Verfügung stellen möge. Und sollte von den Verhafteten nichts gütlich herauszuholen sein, „kann alsdan wol die Scherfe gepracht werden?®)‘‘. Er war also dafür, daß man sie, falls sie freiwillig das Versteck des Geldes nicht verraten wollten, hierzu durch die Tortur zwinge. Inzwischen hatte aber wie bereits er- wähnt wurde Hirzel an demselben Tage ein umfangreiches

1) Kais. Schreiben ddo. 24. V.; das Original ist in Nikolsburg. Akten v. J. 1621.

s) Wolkan, Geschicht-Buch, S. 578, 580.

s) Nikolsburg, Orig. Akten v. J. 1621.

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Geständnis abgelegt, worüber sofort dem Kaiser durch ein Mitglied der Untersuchungskommission, wie es scheint durch Breuner selbst, Bericht erstattet wurde.

Die Angelegenheit der wiedertäuferischen Gelder ruhte hierauf für einige Zeit, da nämlich der Kardinal, wie aus seiner Korrespondenz erhellt, plötzlich aus Nikolsburg nach Brünn, und zwar in dringenden militärischen Angelegenheiten, abberufen worden war. Wie aber dem Kaiser selbst die wiedertäuferischen Gelder am Herzen lagen, davon zeugt sein neues ‚„‚Handbriefl‘, das er dem Kardinal am 17. Juli mit der Mitteilung sandte, daß Herr Breuner abermals nach Nikols- burg mit weiteren mündlichen, die Angelegenheit betreffenden Instruktionen kommen werde!). Wie uns die Chronik be- richtet, bezogen sich diese Instruktionen hauptsächlich auf die Hebung des Schatzes und die Verhaftung weiterer Führer der Wiedertäufer zu dem Zwecke, um noch andere Verstecke zu erfahren. In der Tat wurde schon am 23. Juli, am Tage nach der Ankunft Breuners und des Obersten Cicognia in Nikolsburg, in Priebitz das erste Geld gefunden, am folgenden Tage in Neumühl, am 26. und 27. Juli in Tracht und Gostal und am 30. Juli weitere Gelder in Priebitz?).

Der Kaiser war durch die ersten Nachrichten von dem Erfolge seiner Aktion so erfreut, daß er am 27. Juli, also noch vor dem Abschlusse der Nachforschungen, den Kardinal in einem vertraulichen Schreiben aufforderte, sofort auch die anderen Vorsteher der Wiedertäufer gefangen nehmen zu lassen und sie zum Verrat der Verstecke ihrer Gelder zu zwingen, da er in Erfahrung gebracht habe, daß es in Mähren tatsächlich mehrere solcher Orte gäbe, wo die Wiedertäufer ihr Geld versteckt hätten. Seine Gier nach den ketzerischen Geldern begründete er hierbei damit, daß es „böse Leute“ wären, die ohnedies ihr ganzes Vermögen ‚‚allein zum Abbruch der heil. catholischen Religion anzuwenden pflegen“. Und nach vier Tagen (31. Juli) ordnete er von neuem an, es möge so schnell als möglich nach weiteren Geldern gesucht werden. Ebenso sollten die Verwalter der einzelnen Haushaben, ‚ihre Lehrer, Haushalter und Eiltiste‘“ vorgeladen werden und unter Androhung der neuerlichen Einkerkerung und anderer Mittel zur Preisgabe der Verstecke gezwungen werden. Der Kaiser begründete dieses sein Vorgehen folgendermaßen: ‚Wann dann hierunder unzweiflichen böse intentiones und haimbliche Anschläg bei ihnen Wiedertaufern verborgen sein, auch wohl zu begebender Occasion als ain- verdamte Ketzerei

ı) Nikolsburg, Orig. Ebendaselbet. t) Wolkan, S. 581.

wider uns dieselben gebrauchen oder unsere Feind sich sollicher bemechtiegen mochten, solichen nach kinnen wir keineswegs zugeben, dergleichen bösen kötzerischen gemainen Leuten, bei wellichen sich aller Gefahr und Verräterei allezeit zu be- fahren, wie dan bei fürgangener Rebellion ire geführte Co ndenzen mit unseren Feinden und Rebellen unwider- sprechlich an Tag kommen, iber ir dägliche gnugsame Unter- halt Schätz zu samblen!).“

Wolkans Geschicht-Buch zeigt abermals, wie bereitwillig der Kardinal anfangs August diese neuen Aufträge von Wien erfüllte, doch war jede weitere Anstrengung bereits umsonst. Der Verrat des Ältesten Rudolf Hirzel beunruhigte sehr die wiedertäuferischen Gemeinden. Ihre Chronik berichtet uns, wie die Wiedertäufer ihr erübrigtes Geld an anderen Orten verbargen und wie sich ihre Führer vorsichtig abseits hielten, um nicht gefangen zu werden. Daher schlug der Kaiser auf das Gutachten des Kardinals und auch Breuners hin einen anderen Weg ein. Der Kardinal sollte nämlich die Gefangenen in Freiheit setzen ‚in der Hofnung, durch solches Mit! die entwichne Lehrer und Haushalter, ohne welche ın deme mit inen angefangenen Werk nun weiters nichts zu richten, wiederumben zu iren Häusern und künftig zur Hand zu bringen“. Er sollte sie hierbei insgeheim gut beobachten, damit sie nicht vielleicht das verborgene Geld aus dem Lande führen ‚‚oder dergleichen pesse Practiquen“ anwenden könnten?).

Tatsächlich wurden die Gefangenen (es waren ihrer vier, da zu den ersten dreien einer dazugekommen ist) am 20. Sep- tember freigelassen. Die erbitterten wiedertäuferischen Ge- meinden enthoben die beiden gefangen gewesenen Vorsteher, Hirzel und den Vorsteher des Nikolsburger Hauses Burkhart, ihres Amtes, um sie auf diese Weise für den Verrat zu be- strafen®). Aber auch hiervon erfuhr der Kaiser. Er ordnete abermals in einem eigenhändig geschriebenen Schreiben an, die Gemeinden aufzufordern, die genannten zwei Brüder in ihr Amt sofort wieder einzusetzen und die neuernannten Vorsteher zu entfernen. Aber auch dies verfehlte das Ziel und so war sein Bemühen, weitere wiedertäuferische Schätze zu erlangen, vergebens®).

1) Beide kais. Schreiben (ddo. 27. u. 31. VII.) sind ebenfalls in Nikolsburg, Akten v. J. 1621.

ı) Nikolsburg, Orig. Ebendaselbst.

s) Wolkan, Geschicht-Buch, 8. 587ff.

%) Kais. Schreiben ddo. 28. IX. 1621 in Nikolsburg. Siehe such Wolkan, S. 58788.

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Es ist dies ein interessantes Bild, das sehr gut alle Be- teiligten charakterisiert. Aus den Schreiben des Kaisers ersehen wir, daß die ganze fieberhafte Initiative nur von ihm ausging. Der Kardinal Dietrichstein war eher bloß der Ver- mittler und Vollstrecker. Er hatte in dieser Angelegenheit, keine Initiative, führte aber alles, was von ihm verlangt wurde, ohne jegliches Zögern aus. Er nahm sich der Wiedertäufer nicht im geringsten an, obwohl er am besten wissen mußte, daß alle die schweren Beschuldigungen, die ihnen der Kaiser ständig vorwarf, nicht berechtigt waren. Es ist interessant, daß sich gegen diese Aktion des Kaisers doch ein Protest erhoben hat, und zwar gerade von der katholischen Seite aus. Da nämlich ein Teil der wiedertäuferischen Gelder in Priebitz, das zur Herrschaft des höchsten Landhofmeisters des König- reiches Böhmen, Adam von Waldstein, gehörte, beschlagnahmt worden war, fühlte sich dieser dadurch, daß sein Gut und seine Untertanen in Mitleidenschaft gezogen waren, beleidigt und protestierte dagegen. Dieser Protest hat sich leider nicht erhalten; doch besitzen wir das Konzept jenes Briefes des Kar- dinals, mit dem er diesen schriftlichen Protest einbegleitete, als er ihn am 21. August (1621) an den Kaiser nach Wien sandtel). Dieser interessante Brief lautet folgendermaßen:

„Allerdurchleuchtigister, allergnedigister Herr. E. k. k. Mt. habe ich hiemit gehorsambist beischließen sollen und werden dieselbe aus Original allergnedigist ersehen, was Adam der Elter von Wallstein, Landhofmeister m Böheimb, sich wegen Erhebung des widertauferischen Gelts auf seinem Grund be- schwäret. Auf welches ich zwar ihme widerumb zıgeschriben, daß wir solches mit allergnedigisten Vorwissen und gemessenen Befelch nit allein auf seinen, sondern ebnermaßen auf des Fürsten von Liechtenstain und meinen aignen Gütern durch hierzue verordnete Personen, weil ich selbsten disem nit bei- wohnen künnen, fürgenomben worden, mir disemnach mich deswegen zu widersetzen keineswegs gebühren wolle. Dahero er solches nit also hoch anzuziehen, sondern neben andern auch billich zu übertragen und durch andere Mit! und Weg umb ein Gnad und Ergötzligkeit gehorsambist anzulangen haben werde, mir auch nit lieb zu vernehmen gewesen, daß er in dergleichen E. k. k. Mt. behelligen haben solte. Welches E. k. k. Mt. ich underthenigist nit verhalten und was mich anlangt nit allein in disem, sondern allen andern deroselben allergnedigisten Discretion gehorsambist heimbgestellt und zue dero Füßen mich will underworfen, wie beinebens zue kais. und kgl. Gnaden allerundertenigist befohlen haben.“

nn nn

t) Nikolsburg, Konz. Altın v. J. 1621.

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Wieviel den Wiedertäufern damals im ganzen genommen wurde, ist weder in der zeitgenössischen Korrespondenz des Kardinals, noch in den Chroniken der Wiedertäufer ver- zeichnet. In den letzteren lesen wir nur, daß die ihnen in den fünf erwähnten Verstecken genommenen Gelder ihre „meiste Barschaft‘‘ gebildet haben!). Aus allem geht aber hervor, daß der Kaiser in seiner schweren finanziellen Lage, die selbst auf seinem Hofe herrschte, die ganze Angelegenheit möglichst auch vor seiner engsten Umgebung geheim halten wollte, da er die wiedertäuferischen Gelder ausschließlich für seine privaten Ausgaben zu verwenden gedachte. Daher ge- schah es auch, daß die ganze diesbezügliche Korrespondenz größenteils durch persönliche Befehle, vertrauiiche Briefe oder nur kurze, ganz allgemein gehaltene Erwähnungen in den amtlichen Zuschriften vermittelt wurde; offenbar sollten so die Wiener Behörden, besonders die militärischen Ämter, bei denen die Not am größten war, hiervon keine Kenntnis erlangen.

Daß sich der Kaiser tatsächlich auch sonst einer solchen Art bediente, wenn er für seine persönlichen Bedürfnisse ins- geheim sich Geld verschaffen wollte, davon besitzen wir in der Korrespondenz des Kardinals zahlreiche Beweise. So schrieb er z. B. am 29. Dezember 1621 an den Kardinal ein „Handbriefl“, er möge in Mähren 200 Mark Silber münzen lassen: ‚allein zu meinen Diensten und in der Still‘ und so, daß es ‚ganz unvermerkter beschehen mechte?)‘“‘. Daher er- fahren wir auch von der Fortschaffung der Gelder aus Nikols- burg nach Wien nur aus einem kurzen vertraulichen Briefe des Kaisers, worin er dem Kardinal mitteilt, daß er seinen Kämmerer Nusser, welcher auch schon früher Vermittler ın dieser finanziellen Angelegenheit des Kaisers war, um ‚‚das bewußte zu Niclaspurg ligende Geld‘ schicke. Für die Rück- reise möge dem Nusser ein sicheres und hinreichendes „Confoy‘‘ gegeben werden, damit das Geld nicht verloren gehe. Der Brief ist vom 4. September 1621 datiert?).

Es scheint aber, daß doch nicht das gesamte beschlagnahmte Geld nach Wien gekommen ist. Aus dem eigenhändig ge- schriebenen Briefe des Kaisers an den Kardinal vom 27. Ok- tober erfahren wir, daß der Kaiser von den wiedertäuferischen Geldern den mährischen Ständen ‚20000 ganze Reichstaler“ für ihre unaufschiebbaren und dringenden Bedürfnisse ge-

ı) Wolkan, 8. 581. s) Nikolsburg, Orig. Akten v. J. 1621. ®) Nikolsburg, Orig. Ebendaselbet.

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liehen habe, wofür ihm jedoch die Stände eine Schuldver- schreibung auf 80000 Fl. rhein. ausgestellt hatten!). Die Münze der Wiedertäufer war der alte gute Taler, welcher in diesen ersten Jahren des 30jährigen Krieges, da die kaiser- liche Münze wegen der ungeheuren militärischen Ausgaben stufenweise fiel, einen hohen Kurs hatte; schon im Jahre 1622 wurde sein Wert durch besondere Patente günstig festgelegt, und dies zu dem Zwecke, damit er als eine solide Münze gelten und somit zu Zahlungen ins Ausland gebraucht werden könnte?). Auch der Kaiser ließ sich diese Taler von den mährischen Ständen gut bezahlen. Die mährischen Stände standen in großer Schuld ihrem früheren Heere gegenüber, das sie zur Zeit des Aufstandes gegen den Kaiser gehalten hatten und das sie auf den entschiedenen Druck des Kaisers nach der Schlacht am Weißen Berge entlassen mußten, damit es in Hinkunft nicht abermals gegen den Kaiser auftreten könnte. Die Stände verhandelten daher schon im Feber 1621 mit den einzelnen Regimentern und soweit sie die Forderungen der Soldaten nicht bar bezahlen konnten, gaben sie ihnen kurzfristige Schuldverschreibungen, deren Einlösung größten- teils im Frühjahr, spätestens aber am Wenzelstage (28. Sep- tember) 1621 erfolgte. _Das Heer lag unterdessen in den zu- gewiesenen Quartieren, um schnell auseinanderzugehen, so- bald es die letzte Abschlagszahlung erhalten hätte?).

Im Frühjahr eröffnete in Nordmähren der obengenannte Markgraf Johann Georg von Jägerndorf eine neue Aktion gegen den Kaiser, der sich die mährischen und böhmischen Emigranten angeschlossen hatten, und so bestand die Gefahr, daß sich die nicht befriedigten und daher erbitterten alten Regimenter des Landes der neuen Aktion anschließen würden. Der Kaiser drängte daher von neuem, daB das Heer bezahlt würde, denn die Situation gestaltete sich durch das gleich- zeitige Auftreten des siebenbürgischen Fürsten Bethlen Gabor sehr gefährlich. Die Landesfinanzen waren aber damals in einem solchen Verfall alle Einnahmen waren ohnedies vom Kaiser beschlagnahmt so daß dem Kaiser in dieser Not nichts

1) Nikolsburg, Orig. Ebendaselbst.

s) A. Gindely, Gesch. d. Gegenreformation in Böhmen. Leipzig 1894, 8. 384. . .

8) Über die damalige Situation in Mähren wird man ebenfalls durch die schrift. Akten des Kardinals belehrt. Über die dem Kaiser ausgezahlten 80000 Fl. vergleiche noch die kais. Schreiben vom 8. u. 17. XI. 1621, 24. u. 28. XII. 1621 sowie des Kardinals Brief an den Kaiser vom 11. XI. 1621; alle diese Stücke befinden sich in Nikols- burg in den Akten v. J. 1621.

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anderes übrig blieb, als dem Lande die wiedertäuferischen Gelder anzubieten. In den Akten des Kardinals sind hierüber noch einige Schreiben erhalten, aus denen zu ersehen ist, wie die Bürgen, die im Namen der Stände unterschrieben hatten, später dafür schwer zu büßen hatten. Sie mußten mangels Geldes ihren eigenen Silberschmuck zum Vermünzen hergeben und so dem Kaiser die 80000 Fl. bezahlen, da das Land selbst kein Geld besaß und der Kaiser auf die Bezahlung drängte.

Erst aus den späteren Schreiben des Kaisers an den Kardinal erkennen wir, daß öffentlich die den Wiedertäufern abge- nommenen Gelder auf wenigstens 30000 Fl. beziffert wurden. Als im Jahre 1626 der bereits erwähnte Fürst Karl von Lichten- stein mit dem kaiserlichen Fiskus in Streit geraten war, erhob er Anspruch auf diese Summe, deren Höhe er mit der genannten Ziffer angab, indem er anführte, daß diese Gelder den Wieder- täufern in dem zu seiner Herrschaft gehörigen Orte Neumühl genommen worden sind, somit ihm, als der zuständigen Obrig- keit, zukommen. Es war dies offenbar bloß eine Demonstration, doch ist darüber viel korrespondiert worden!). Der Kaiser sandte in seiner Verlegenheit diese Erklärungen Liechtensteins dem Kardinal, doch auch dieser wollte sich an diese Sache nicht mehr erinnern. Er führte an, daß diese Angelegenleit von den kaiserlichen Vertrauten Freiherrn Seifried Christoph Breuner, Grafen ‚Zigoni“ und dem kaiserlichen Kammer- diener Niklas Nusser geleitet worden war, die somit den Kaiser besser informieren könnten, um wieviel Geld es sich gehandelt hat und wohin es schließlich gekommen ist. Der Kardinal fügte bloß noch hinzu, daß soweit er sich erinnern könne in Neumühl selbst am wenigsten gefunden worden sei; bei weitem mehr sei anderwärts ausgegraben worden, und dies auch auf seinen eigenen Gütern?). Diese Kontroverse zeigt, daß die Aktion in Wien durchaus nicht verheimlicht blieb und daß bestimmte Nachrichten davon in die Öffentlich- keit gedrungen waren.

Die Summe von 30000 Fl. war für die damaligen Verhält- nisse sehr hoch; in normalen Zeiten konnte man dafür ein schönes Rittergut kaufen und in den abnormalen Zeiten um das Jahr 1621, als überall mit merklich entwertetem Gelde gezahlt wurde, stellte der Betrag wie bereits erwähnt wurde, falls er aus guten alten Münzen bestand ein Vielfaches der Summe dar. Diese ganze Angelegenheit zeigt

1) Nikolsburg, Brief ddo. 17. VII. 1626, Orig. Akten v. J. 1626. Vgl. auch d’Elvert, Schriften der hist.-stat. Section etc., Bd. XXII S. 334, 445, 446.

2) Nikolsburg, Konz. ddo. 27. VII. 1621. Akten v. J. 1621.

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aber auch, daß die Wiedertäufer also doch beträchtliche Schätze besaßen und daß die Gerüchte, welche schon zur Zeit Rudolfs II. darüber im Umlauf waren, tatsächlich einen realen Hintergrund hatten. Wenn wir in Betracht ziehen, daß selbst das wiedertäuferische Geschicht-Buch zugab, daß ihnen nach der Beschlagnahme des Geldes (also des Betrages von 30000 Fl.) noch bares Geld geblieben ist, und wenn wir weiters erwägen, daß die Wiedertäufer in den Jahren 1619-1621 ungeheure Verluste erlitten hatten, so daß sie nach dem Be- richte ihrer Chronik für ihre Leute offenbar die Bargelder angreifen mußten, und dies insbesondere im Jahre 1620 als nämlich einige abgebrannte Haushaben nach Ungarn über- siedeln mußten —, da müssen wir zu dem Schlusse gelangen, daß diese Barbestände beträchtlich gewesen sein mußten; man kann sie wohl mit 50--60000 Fl. beziffern, doch war der Betrag wahrscheinlich noch höher.

Allerdings bildete dieses Geld ihr Betriebskapital, da sie ja hauptsächlich Handwerker waren und die zu ihren Arbeiten nötigen Materialien (Leder, Eisen, Wolle, Werkzeuge u. a.) zum größten Teile aus der Fremde für bares Geld beziehen mußten; sie konnten, kurz gesagt, ohne Bargeld nicht leben. Daher haben sie auch so halsstarrig und ausdauernd jedes Einbekenntnis dieser Barschaft abgewiesen, da sie gar wohl wußten, daß, wenn sie einen auch noch so kleinen Betrag einbekannt und abgeführt hätten, sie ihn auch nie wieder rückerhalten hätten die Herrscher waren ja seit jeher die schlechtesten Zahler —, sondern mit weiteren derartigen An- sinnen immer wieder behelligt worden wären. Wenn wir aber erwägen, wieviele einige Tausend Wiedertäufer hier waren, so können wir eine Summe von 50--60000 Fl. nicht als hoch bezeichnen. Und in der Tat bildete sie fast nur die allernotwendigste Reserve für jegliche Zufälle.

Zu derselben Zeit, als zwischen dem Kaiser und dem Kardinal die letzten Briefe über die Wiedertäuferschätze gewechselt wurden, entspann sich in Mähren abermals ein heftiger Kampf um das endgültige Schicksal der böhmischen Krone, welcher einerseits im Namen des verbannten böhmischen Königs Friedrich von der Pfalz vom Heere des geächteten Markgrafen Johann Georg von Jägerndorf und jenem des siebenbürgischen Fürsten Bethlen Gabor, andererseits von der kaiserlichen Armee geführt wurde. Der grausame Krieg, in dem das kaiser- liche Heer arg bedrängt wurde, dauerte bis Anfang 1622').

1) Gindely, Geschichte des 30jähr. Krieges, IV. Bd. (Prag 1880), S. 244.

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Den Freunden Friedrichs von der Pfalz gelang es nicht, die versprochene Hilfe aus Deutschland nach Böhmen zu schicken und daher schloß Bethlen Gabor, als er auch die Aussichts- losigkeit eines Eingreifens der böhmischen Länder durch einen Aufstand erkannt hatte, mit dem Kaiser anfangs 1622 in Nikolsburg Frieden. Derart wurde also diese Aktion, die so verheißend begonnen hatte, beendet. Während dieses neuen Kampfes wurden die Wiedertäufer bis auf die grausame Plünderung durch das kaiserliche Heer nicht behelligt. Noch am 23. April 1622 ließ der Kardinal wiedertäuferische Hand- werker, und zwar Wagner, Schlosser und Riemer, von der Austerlitzer Herrschaft nach Nikolsburg kommen, wo sie für ihn arbeiten sollten. Ja noch am 10. Juni 1622 trug er dem Beamten in Austerlitz auf, es möge der Wagen, den die Auster- lıtzer Wiedertäufer für ihn in Arbeit hatten, schnell nach Nikolsburg gebracht werden, und ebenso beauftragte er ihn am 28. d. M., daß er auch für den schlesischen Herrn Seifried von Promnitz einen Wagen anfertigen lassen solle!). Doch schon am 14. Juni 1622, als sich die Verhältnisse etwas geklärt hatten und das kaiserliche Heer nach Deutschland abgezogen war, verlangte der Kaiser vom Kardinal, er möge sich darüber eingehend äußern, wie man die Wiedertäufer aus dem Lande vertreiben und sich gegebenenfalls auch ihrer restlichen Gelder als auch ‚anderer liegenden und fahrenden Güter‘ bemächtigen könnte?).

In seiner Antwort hegte der Kardinal jedoch Zweifel darüber, ob er des Geldes werde habhaft werden können, da er nämlich fürchtete, daß es wohl schon weggeschafft sein könnte. Doch wollte er eifrig darüber nachdenken, wie man sich der Wieder- täufer entledigen könnte. Mit Nachdruck bemerkte er aber, es sei ‚‚diese abscheuliche Sect und ihre notorische wider Gott und E. kais. Mt. begangene Verbrechen gnugsame be- kannt und am Tag, insonderheit aber, daß sie viel under- schiedliche vermessene Despect E. kais. Mt. erwisen“. Dann erwähnte er, wie die Wiedertäufer ihren Ältesten Hirzel für seinen Verrat trotz allem von ihm ‚ihnen getanen ernstlichen Bevelch von sich ausgestoßen und genzlich abgesetzt, der auch hernach also verächtlich in grossem Elend gestorben®)““. Gleicherweise wollten sie ihren hier bereits früher erwähnten Genossen Burkhardt, der sich ebenfalls dem Kaiser geneigt

1) Prag, Archiv des Min. des Innern. Korresp. des Kard. Dietrich- stein, XX. Reg.

s) Nikolsburg, Orig. Akten v. J. 1622.

s) Nikolsburg, Konz. ddo. 29. VI. 1622. Wolkan, Geschicht- Buch, 8. 588.

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gezeigt hatte, nicht mehr als ihren Lehrer anerkennen; sie hätten ihn vielmehr vom Lehramte enthoben und zum Bar- bier degradiert. ‚‚Trotzdem‘‘, fügt der Kardinal hinzu, ‚‚waren aber auch diese Beiden 80 verstockt in ihrem Irrtum, daß un- angesehen ich zum öfteren ihnen allen Schutz versprochen und auf unser Seiten zu treten ermahnet, sie viel lieber in Halsstarrigkeit verbleiben und solches Jammer ausstehen, als den angebotnen Schutz sich gebrauchen wollen.“ Daraus schloß der Kardinal, daß eine Umkehr der Wiedertäufer nicht zu erwarten sei. Er war daher der Ansicht, der Kaiser möge sie ausrotten ohne Rücksicht auf unterschiedliche ‚‚Fautores und Defensores, die durch Movirung allerlei Difficultet diese Resolution aufzuziehen raten mechten‘“.

Die Wiedertäufer hatten in der Tat immer viele Freunde, und zwar gerade beim vornehmen katholischen Adel, der auch beim kaiserlichen Hofe einen großen Einfluß hatte, wie z. B. die Brüder Fürsten Karl, Maximilian und Gundaker von Liechtenstein, den Grafen Zdenko von Schampach auf Göding oder den Obersten Hofmeister des Königreiches Böhmen Adam von Waldstein, Besitzer der uns bekannten Herrschaft Seelowitz, die er im Jahre 1616 nach dem‘ Tode des Johann Dionys von Zierotin gekauft hatte. Alle Genannten hatten längst auf ihren Gütern Wiedertäufer, die sie zu den ver- schiedensten Diensten verwendeten und deren Fleiß und Ge- schicklichkeit sie gerade in der wirtschaftlichen Zerrüttung, die nach dem mehrjährigen Kriege eingesetzt hatte, um so mehr brauchten. ‚„Deliciae et amores procerum erant, et 'etiam e sinu illorum, qui non modo authoritatem, sed magnam etiam imperii partem in Moravia tenebant. Tuebantur enim illorum domos, administrabant rem familiarem, bona curabant, aflictae valetudini medebantur et ut numero dicam plerosque dominorum in eam adduxerunt opinionem, ut existimarent, sese sine Anabaptistis neque dignitatem suam tueri, neque fortunas suas conservare, neque valetudinem curare posse.‘ So schildert ihre Macht der zeitgenössische, uns schon be- kannte Biograph des Kardinals Dietrichstein, dessen Werk uns bis heute handschriftlich in der vatikanischen Bibliothek in Rom erhalten geblieben ist!). Und dieser Biograph sieht die erfolgreiche Erledigung der Wiedertäuferfrage als das alleinige Verdienst des Kardinals an. Nach seinen Angaben wandte sich ursprünglich der Kaiser mit einer gewissen Ver- legenheit an den Kardinal, indem er befürchtete, daß dieser,

1) Rom, Vatikanische Bibliothek. Bibl. Ottoboniana, Nr. 827. Memoria piarum rerum gestarum . . . in Moravia ab anno Chr. MDCXXI.

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als einer der Betroffenen, nicht mit der völligen Ausweisung übereinstimmen werde. Als der Kaiser aber sah, daß der Kardinal gewonnen sei, war er darüber sehr erfreut. Der Kardinal, wie der Biograph weiter berichtet, legte tatsächlich alsogleich einen ungewöhnlichen Eifer an den Tag und wies die Wiedertäufer schon vorher von seiner Nikolsburger Herr- schaft aus, um so in ihrer Ausrottung als erster voran- zugehen?).

Noch Mitte Juli gab der Kardinal den Befehl, es sollten besonders in Wisternitz und Neumühl, dem Hauptsitze der Gemeinde, Erkundigungen über das Benehmen der Wieder- täufer in der letzten Zeit eingezogen werden. Um auf diese Weise genügend Material gegen sie für die Öffentlichkeit vor- bereiten zu können, ordnete der Kardinal an, besonders zu erforschen zu trachten, ‚welcher Gestaldt mit dem Feind correspondirt, was für Hilf, Befürderung und Beistand sie demselben gethan, auch was hin und her von ihnen geredet und was dessen sonsten mehr anhängig sein möchte ...2)‘“. Aber wie aus allen späteren gegen die Wiedertäufer erlassenen Patenten zu ersehen ist, wurde wahrscheinlich nichts Be- sonderes gefunden, wenigstens wird davon nichts in den Pa- tenten erwähnt. Daher riet auch eines von den ‚‚Gutachten ‘wegen der Rebellen in Mähren‘‘, das bald darauf als Ergebnis der Wiener Beratungen über den Aufstand in Mähren am 12. September 1622 ‚abgelesen und von Ihr Mt. in consilio secreto approbirt‘‘ worden war, es sollte die Ausweisung der Wiedertäufer vorher wenigstens dem Fürsten Karl von Liech- tenstein und dem obersten Hofmeister Adam von Waldstein mitgeteilt werden, um nicht ohne deren Wissen vorgehen zu müssen. Aber wahrscheinlich ist es auch dazu nicht gekommen. Denn schon am 17. September wurde dem Kardinal von Wien der Befehl übermittelt, die Wiedertäufer aus Mähren bedingungslos auszuweisen?).

Und so erschien bereits am 28. September der bekannte Auftrag des Kardinals, der den Wiedertäufern das Verlassen des Landes binnen vier Wochen, d. i. bis zum 28. Oktober anordnete, falls sie nicht zum katholischen Glauben sich be- kehren sollten®). Jedoch bereits nach zwei Tagen berichtete

ı) Wolkan, Geschicht-Buch, S. 567.

s) Prag, Archiv d. Min. des Innern. Korresp. d. Kard. Dietrich- stein, Bd. XX. Konz. ddo. 15. VII. 1622.

3) Prag, Archiv des Min. d. Innern. Korresp. d. Kard. Dietrich- stein, XX. Ebendaselbst: „Ein Gutachten wegen der Rebellen in Mähren“. Kais. Schreiben ddo. 17. IX. 1622. Nikolsburg, Orig.

4 Wolkan, Geschicht-Buch, 8. 560.

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der Kardinal dem Kaiser, daß ‚viele Bewohner‘ ihm mit- geteilt hätten, sie wollen trotz des erlassenen Patentes den Kaiser ersuchen, auch in Hinkunft die Wiedertäufer auf ihren Herrschaften zu belassen, ja noch mehr, sie hätten die von ihm unlängst von der Nikolsburger Herrschaft vertriebenen Brüder auf ihren Herrschaften aufgenommen. Der Kardinal riet jedoch dem Kaiser nicht nachzugeben, sondern ein solches Ansuchen glatt abzuweisen!). Und tatsächlich lautete auch die Antwort des Kaisers in diesem Sinne: er sei mit dem herausgegebenen Patente sowie den weiteren Anträgen voll- kommen einverstanden, der Kardinal möge ihm sofort melden, wer ihn daran zu hindern suche?). Die Wiedertäufer wehrten sich natürlich dagegen und ihre Chronik zeigt uns, wie sie alle Kraft dazu verwendeten, nicht auswandern zu müssen, wenigstens nicht zu einer so ungünstigen Jahreszeit, wo sie nicht so leicht mit ihrer ganzen Habe übersiedeln könnten. Sie wandten sich auch an die Kaiserin, intervenierten oft und oft persönlich beim Kardinal, doch die vierwöchentliche Frist wurde ihnen nicht verlängert?). Und so verließen die ersten Ausgewiesenen vor allem jene vom Fiskus den Rebellen be- schlagnahmten Herrschaften, auf denen der Kardinal als kaiserlicher Gubernator seinen unmittelbaren Einfluß geltend gemacht hatte. Sie verließen ihre Heimat zum größten Teile abermals mit leeren Händen. Auch wenn es ihnen möglich gewesen wäre, etwas mitzunehmen, wurde es ihnen verboten, da ihr ganzes Hab und Gut durch den Kardinal dem Fiskus anheimgefallen war. Sie zogen daher aufs höchste gegen den Kardinal erbittert, fort. So also war der Dank beschaffen, den sie, wie der Chronist berichtet, für ihre langjährigen Dienste, die sie dem Kardinal geleistet hatten, ernteten®). Sie haben im ganzen 24 Haushaben verlassen. Es war dies bereits fast bloß die Hälfte der einstigen Anzahl (44), da der Krieg in den Jahren 1619—1622 die übrigen vernichtet hatte und die Wiedertäufer im Hinblick auf ihre ungewisse Zukunft sie nicht erneuerten, sondern sich teils nach Ungarn wandten, teils in den übriggebliebenen Haushaben Unterkunft suchten und fanden®).

Der Kardinal kannte eben kein Erbarmen, besonders da alle Versuche, die Wiedertäufer zum Katholizismus zu be- kehren, gescheitert waren. Zwar konnte er auf seiner. Nikols- burger Herrschaft einigen Erfolg verzeichnen. Sein Jesuiten-

ı) Nikolsburg, Konz. Akten v. J. 1622.

2) Ebendaselbst, Orig. ddo. 12. X. 1622.

s) Wolkan, Geschicht-Buch, 8. 569. *) Ebendaselbst, 8. 568. 5) Ebendaselbst, S. 570.

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biograph spricht von 300 Bekehrten, sonst war aber im großen und ganzen kein Erfolg aufzuweisen, obwohl in der Lebens- beschreibung auch sonst ‚„‚viele‘‘ andere Bekehrungen erwähnt werden!). Aus Wolkans Geschicht-Buch erkennen wir jedoch, daß die übrigen Herrschaftsbesitzer den Wiedertäufern nichts von ihrer beweglichen Habe genommen hatten, sondern ihnen erlaubten, wegzuführen, was nur möglich war®). Daraus er- sehen wir, daß die Absicht des Kaisers, es solle alles noch den Wiedertäufern verbliebene Hab und Gut dem Fiskus anheimfallen, doch nicht verwirklicht wurde und daß die Obrigkeiten, auf deren Gebieten die Wiedertäufer ansässig waren, dies Recht für sich in Anspruch nahmen. Aber auch so schätzten die Wiedertäufer ihre Verluste nur an Getreide, Wein, Vieh und anderer Habe auf 364000 F1.®).

Wider Erwarten des Kardinals mußten die Wiedertäufer nicht weit ziehen. Der ungarische Adel jenseits des March- flusses nahm sie nicht nur gastfreundlich auf, sondern er zog sie, wie der Kardinal am 8. Oktober nd nach Wien berichtete, an sich heran, so daß sich viele besonders bei Ung. Skalitz, Holitsch ‚bis auf Lewentz‘‘ ansässig machten. Die so nahe und freundschaftliche Aufnahme hatte nach der Meinung des Kardinals zur Folge, daß viele von den Ver- triebenen, denen vor der weiten Verbannung bange war und die deshalb lieber zum katholischen Glauben sich bekehren lassen wollten, dennoch auszuwandern beschlossen und so bei ihrer Irrlehre blieben. Es entstand daraus, wie der Kardinal weiter mit Nachdruck betonte, auch dem Fiskus ein beträcht- licher Schaden. Hatten die Wiedertäufer in der Nähe ein Obdach gefunden, so mußten sie nicht ihre ganze Habe in Mähren zurücklassen, sondern sie hatten die Möglichkeit, doch manches nach und nach fortzuschaffen ‚und zweifelsohne dasselbe (da etwas widerwertiges, wie sie dann mit ihren schädlichen Praktiken gewiß nie fayern werden, so Gott ver- hüte, sich erzaigen solte) wider uns selbst gebrauchen und E. kais. Mt. Feinden voriger Erfahrung und ihrer bössen Aigenschaften nach alle Weg und Steeg und auf alle möglichste Mit! zu schaden sich befleißen wurden®)‘“.

Aus diesen Äußerungen ist zu ersehen, daß der Kardinal die Wiedertäufer bereits nur im schlechtesten Lichte sah. Dieser stolze Fürst faßte ihre Unlust zum Übertritte zum

1) Rom, Vatikanische Bibliothek. Bibl. Ottoboniana, Nr. 827. Vgl. auch Wolkan, Geschicht-Buch, S. 568.

s) Wolkan, Geschicht-Buch, S. 570.

s) Ebendaselbst, S. 570-571.

*%) Nikolsburg, Konz. Akten v. J. 1622.

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Katholizismus gleichsam als eine persönliche Beleidigung auf, die er auch demgemäß rächte. Seine Beschwerden über den ungarischen Adel blieben aber ohne Erfolg, da dieser es ver- stand, seine Unabhängigkeit selbst dem Kaiser gegenüber zu wahren, und dies auch dann, als es sich um die Wiedertäufer handelte. Den unversöhnlichen Haß des Kardinals spiegeln auch seine Befehle wider, wie z. B. der am 12. Oktober an die Beamtenschaft der Seelowitzer Herrschaft ergangene Auftrag, es haben die wiedertäuferischen Müller in Seelowitz und Nußlau seinem früheren Befehle gemäß in ihren Mühlen eine bestimmte Menge Getreides aus dem kaiserlichen Provianthause ohne Widerrede noch vor dem Verlassen des Landes zu vermahlen!).

Es ist natürlich, daß bei dem vielen Herumwandern dennoch einige Wiedertäufer im Lande verblieben, besonders "da die Obrigkeiten selbst keinen allzu großen Eifer zu deren Aus- weisung an den Tag legten. Viele von den Ausgewiesenen schützten teils Krankheit vor, teils wiesen sie auch auf die Wiederwärtigkeiten des Winters hin. Einige versprachen einen eventuellen Übertritt, und so gab der Kardinal am 27. No- vember 1622 einen neuen Ausweisungsbefehl heraus, in dem er den Wiedertäufern, die nicht übertreten wollten, sogar mit dem Tode drohte?). Kurz darauf, am 14. Dezember 1623, sah sich der Kardinal aber trotzdem genötigt, neuerdings in Wien über die sogar „haufenweise‘‘ Rückkehr der Wieder- täufer Klage zu führen. Von Hunger verfolgt kehren sie aus Ungarn zurück und werden unter verschiedenem ‚‚falschen Pretext‘‘, besonders, daß sie zum katholischen Glauben über- treten, von ihren gewesenen Obrigkeiten wieder in Dienst ge- nommen. Diese Klage wiederholte der Kardinal am 3. März 1623, indem er hinzufügte, daß die Versprechungen der Wieder- täufer, zum katholischen Glauben zurückzukehren, nur Aus- reden seien, daß sie weiter starrköpfig in ihrem Irrtume ver- weilen’und, was das Schlechteste sei, daß sie ihre Kinder zur heiligen Taufe nicht tragen wollen. Deshalb stelle er den Antrag, es solle ein neues Ausweisungspatent sowohl für die Obrigkeiten, als auch für die Wiedertäufer unter Androhung schwerer Strafe herausgegeben werden®?). Der Kaiser ge- nchmigte auch diesen Antrag). Er trug dem Kardinal über- dies auf, mit Rücksicht auf den von dem siebenbürgischen

!) Prag, Archiv d. Ministeriums d. Innern. Korresp. des Kard. Dietrichstein, Bd. XX. Reg.

®) Rom, Vatikanische Bibliothek. Bibl. Ottoboniana, Nr. 827 Fol. 57.

®) Nikolsburg, Konz. Akten v. J. 1623.

4) Ebendaselbst.

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Fürsten Bethlen Gabor drohenden neuen Kriegszug, sein be- sonderes Augenmerk auf die etwaige geheime Korrespondenz der Wiedertäufer zu richten. In diesem Sinne war auch das neue, vom Kardinal am 13. April 16231) herausgegebene Patent gehalten, mit dessen Ausführung er selbst aber nichts mehr zu tun hatte, da er nach dem Tode Pauls IV. zur Wahl eines neuen Papstes nach Rom reisen mußte, wo er sich auch längere Zeit aufhielt.

Interessant ıst es, daß viele mährische Herren, besonders die Fürsten von Liechtenstein und Adam von Waldstein, so- fort abermals Wiedertäufer in ihre Dienste aufnahmen, ihnen sogar Religionsfreiheit versprachen, wie es die wiedertäufe- rische Chronik schildert. Diese Wendung soll auch die Land- bevölkerung so gefreut haben, daß sie darin ein Zeichen kom- mender besserer Zeiten erblickte?). Einige minder einflußreiche mährische Herren suchten wenigstens beim Vertreter des Kardinals, Grafen Leo Burian Berka, um amtliche Bewilligung an, wenigstens die durch den Krieg zerstörten Mühlen wieder in richtigen Gang bringen zu dürfen®); aber all dies währte nur kurze Zeit, bis zur Rückkehr des Kardinals aus Rom. Als er die Situation übersah, führte er sofort am 22. Feber 1624 in Wien Klage darüber, daß besonders die Fürsten von Liechtenstein und Graf Waldstein den Mut gefunden hatten, den ihnen zugestellten kaiserlichen Befehl zu ignorierent). Schon nach vier Tagen (28. Feber) war die Antwort des Kaisers eingetroffen: Der Kardinal wurde zum rücksichtslosen Ein- schreiten unter militärischer Exekution ermächtigt, den adeligen Herrschaftsbesitzern das Ultimatum zu übermitteln, daß die Wiedertäufer binnen 12 Tagen auszuweisen seien?). Ein solches Patent ist auch tatsächlich publiziert worden, wie Wolkans Geschicht-Buch berichtet®). In dem am 13. März dem Kaiser vorgelegten Berichte führte der Kardinal auch den Grafen Schampach an, der sich in ähnlicher Weise ver-

1) Brünn, Landesarchiv. Bodek-Sammlung, Nr. 918.

2) Handschrift der Vatikanischen Bibliothek in Rom, Bibl. Otto- bonians, Nr. 827. Vgl. auch Wolkan, 8. 596.

3) Dietrich v. Zierotin an Leo Burian Berka ddo. 2. XII. 1623: es möge ihm bewilligt werden, daß er in die einzige Mühle, die ihm nach dem Abzuge der feindlichen ungarischen Armee verblieben ist, einen wiedertäuferischen Müller samt seinem Gesinde aufnehme, da es an andern Müllern fehle. Schloßarchiv in Krfivoklät (Pürglitz) in Böhmen, Akten des Bur. Berka, Fasc. O. 206.

%) Nikolsburg, Konz. Akten v. J. 1624.

5) Ebendaselbst.

6) Wolkan, Geschicht-Buch, 8. 597.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXXIL 1/2. 6

gangen habe. Da der Kardinal fürchtete, daß dieser ihm den Gehorsam verweigern würde, ersuchte er den Kaiser, er möge ihm seinen diesbezüglichen Befehl direkt zuschicken!). Daß die Arbeit der Wiedertäufer damals tatsächlich in hohem Maße für die Herstellung der verwüsteten Herrschaften wert- voll und notwendig war, beweist der Brief des Fürsten Gundaker von Liechtenstein an den Kardinal, in welchem dieser trotz all der getroffenen Verfügungen ersuchte, es möge ihm gestattet werden, einen wiedertäuferischen Müller wenigstens auf ein Jahr in seine Dienste aufzunehmen. Natür- lich wurde auch diesmal das Ansuchen abgewiesen?).

Trotz aller ergangenen Patente fanden einige Großgrund- besitzer auch noch im Jahre 1625 den Mut, neuerdings Wieder- täufer in ihre Dienste aufzunehmen. Des Kardinals Biograph erwähnt, daß dieses Vorgehen der Herren, insbesondere des Fürsten Karl von Liechtenstein, des Grafen Schampach und auch des bekannten Karl von Zierotin und seines Verwandten Kaspar Melchior von Zierotin, welch beide gleichfalls vor dem Aufstande Wiedertäufer auf ihren Besitzungen in Südmähren beherbergt hatten, dem Kardinal nicht verborgen geblieben ist. Auch hier schritt er sofort ein und alle diese Herren, welche er ‚„plurimi ponderis litteris tamquam fulminibus percussit‘‘ wie sein Biograph mit Stolz erwähnt mußten unverzüglich nachgeben?).

Vom Jahre 1625 an ist in der Korrespondenz des Kardinals längere Zeit hindurch keine Nachricht über die Wiedertäufer zu finden. Erst im Jahre 1628 wird über ihre heimliche, neuerliche Aufnahme seitens einiger Herren Klage geführt. Sie lassen zwar die Wiedertäufer nicht in ihren alten. Häusern wohnen, sondern verwenden sie auf ihren Höfen als Kellner, Ziegler, Gärtner, Müller u. ä. und mit der Zeit er- lauben sie ihnen, dem Gottesdienste in Ungarn beizuwohnen. Der Kardinal hielt dies für so aufreizend und gegen jede katholische Ordnung, so daß er am 26. November den Antrag stellte, es solle ein neues, auf sechs Wochen befristetes Aus- weisungspatent, herausgegeben werden, nach welchem alle Wiedertäufer, die nach dieser Frist aufgegriffen würden, mit dem Tode bestraft werden sollten‘). Diese letzten Worte

ı) Nikolsburg, Konz. Akten v. J. 1624.

8) Kremsier, Archiv des Olmützer Erzbistums; Kard. Dietrich- stein an den Fürsten Gundaker v. Liechtenstein ddo. 6. IX. 1624. Konz. Akten v. J. 1624.

s) Handschrift der Vatikanischen Bibliothek in Rom. Bibl. Otto- boniana, Nr. 827. Vgl. auch Wolkan, S. 598, 601.

*4) Nikolsburg, Konz. Akten v. J. 1628.

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fügte der Kardinal dem Konzepte eigenhändig hinzu. Der Kaiser antwortete bereits am 4. Dezember abermals sehr schnell ganz im Sinne des Antrages des Kardinals, darüber erbost, daß es den Leuten möglich sei, auch „zu Nießung ihres vermeinten Sacraments des Brodtbrechens in Ungarn zu verreisen“. Er dankte freundschaftlich dem Kardinal für seinen Eifer und versprach die sofortige Herausgabe des be-

' antragten Patentes, in dem jenen Obrigkeiten, die auch dann

noch den Mut finden würden, gegen seine Anordnungen zu handeln, mit dem fiskalischen Prozesse gedroht wird. Von der Todesstrafe der Wiedertäufer wird hier keine Erwähnung getan, um dieses also hatte der Kaiser den Antrag des Kardinals abgeändert!).

Das Patent erschien tatsächlich, datiert vom 17. Dezember 1628. Das Konzept hat sich in den Akten des Kardinals im erzbischöflichen Archive zu Kremsier erhalten. Aus einem Auftrage im Konzepte ebendaselbst vom 18. Dezember erkennen wir, daß das Patent nicht an diesem Tage fertig gedruckt war, sondern daß es vorher dem Jesuitenkollegium in Olmütz zur Schlußfassung eingesendet wurde, falls ‚‚etwan contra orthographiam oder sonst gefellt worden“. Den Obrig- keiten wird darin eine sechswöchentliche Frist zur Ausweisung der Wiedertäufer gewährt und im Falle der Nichtbefolgung wird mit einem fiskalischen Prozeß wegen Ungehorsams dem Kaiser gegenüber gedroht?). Trotz der strengen Fassung des Patentes überreichte am 6. März 1629 Graf Zdenko Scham- bach, Herr auf Göding, abermals dem Kaiser eine Bittschrift, es möge ihm gestattet werden, zur Wiederherstellung seiner Mühle Wiedertäufer, wenigstens auf kürzere Zeit und gegen Lohn aufnehmen zu dürfen. Er wolle so erklärt er in der Bittschrift nicht gegen die kaiserlichen Patente handeln, ‘muß jedoch bekennen, daß er in Mähren ‚‚keine andere Werk- leut, so sich auf das Wassergraben, Teicht- und Mühlarbeit verstehen“, finde. Gleichzeitig erlaube er sich, darauf hin- zuweisen, daB in seiner Nachbarschaft jenseits der March in Ungarn eine Überzahl an Wiedertäufern sei, „deren Arbeit viel fürnembe und catholische Herren, ja selbst dero Mt. Herr- schaften gebrauchen“. Der Kaiser wisse ganz gut, wie die Gödinger Herrschaft durch die letzten Kriege bis auf den Grund zerstört sei, so daß er, Schampach, nicht einmal die vorgeschriebene Steuer entrichten könne. Im Falle er in

t) Nikolsburg, Orig. Ebendaselbst.

!) Patent ddo. 17. XII. Archive d. Olmützer Erzbistums in Kremsier. Akten v. J. 1628. Siehe auch Casopis Matice Moravske, 1915, S. 176. Vgl. auch Wolkan, 8. 607.

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seinen Widerwärtigkeiten ohne Hilfe gelassen werde, bliebe ihm dann fast nichts anderes übrig, als die Ödung zu ver- lassen und fortzugehen?). |

Diese gewichtige und aufrichtige Bittschrift sandte der Kaiser dem Kardinal zur Äußerung, welcher sich diesem An- suchen aber mit der größten Heftigkeit wiedersetzte. Die Bittschrift des Grafen müsse als eine ‚res pessimi exempli“ betrachtet werden, die ‚viel schädliche Consequenzen‘ zur Folge haben könnte. Nach so vielen vorangegangenen Man- daten, in denen der Kaiser so „hochheilig und immarces- cirend dero himblischen Cron gefaßten Eifer‘ gezeigt hatte, sei es unmöglich, nachzugeben?). Ob das Gesuch des Grafen Schambach tatsächlich abgewiesen wurde, wissen wir nicht. Gewiß ist bloß, daß am 24. April 1629 der Kardinal neuer- dings gegen ihn Klage führte, daß er trotz aller Verbote auch weiterhin Wiedertäufer in Göding beherberge. Der Kardinal frage daher an, ob der kaiserliche Kammerprokurator im Sinne des ergangenen Dekretes wirklich den Prozeß gegen den Grafen einleiten solle®). Interessant ist die am 26. Mai erfolgte Antwort des Kaisers, in welcher er den Wunsch 'aussprach, daß der Graf jedoch zuerst ermahnt werden solle, die Wieder- täufer freiwillig zu entlassen®.. Am 22. August 1629 sandte der Kaiser bereits abermals dem Kardinal eine neue Supplik Schambachs zur Äußerung. In dieser beschwerte sich der Graf bitter über das ihm zugefügte Unrecht und erinnerte an seine dem Kaiser zur Zeit des böhmischen Aufstandes ge- leisteten Dienste, indem er darauf hinwies, wie durch seine Hilfe die kaiserliche Armee in der Stadt Göding im Jahre 1623 vor Bethlen Gabor gerettet werden konnte. Es sei nur seine Absicht gewesen, die Mühle, die ihm gerade im genannten Jahre durch das kaiserliche Heer zerstört worden war, wieder aufzurichten und zu diesem Zwecke habe er fünf bis sechs Wiedertäufer in Arbeit genommen. Diese übernachteten nie in Göding, sondern gingen über die March nach KatowP). Es geschähe mithin in diesem Falle nichts gegen die kaiser- lichen Mandate. Andere Herren das könne er ruhig sagen, so z. B. Adam von Waldstein auf Seelowitz, hielten ständig auf ihren verschiedenen Höfen Wiedertäufer, ja selbst der Kardinal hätte einige von ihnen in seinen Diensten.

ı) Das Original von Schampachs Supplik ist in Nikolsburg. Akten v. J. 1629. |

°) Nikolsburg, Konz. des Schreibens des Kardinals ddo. 13. III. 1629. ®) Nikolsburg, Konz. Akten v. J. 1629.

*) Nikolsburg, Orig. Ebendaselbet.

°, Nikolsburg, Orig. Ebendaselbet.

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Wider Erwarten und gegen seine Gewohnheit antwortete der Kardinal erst nach einem Monat, d. i. am 26. September: Graf Zdenko Schambach tue ihm vor Gott Unrecht, denn es entspräche nicht der Wahrheit, daB er Wiedertäufer be- herberge. ‚Zwar‘, so fügt er gleich hinzu, „hab ich einen vor etlich Wochen auf sein Anmelden zu einem Kellner an- genomben, welcher aber gleich darauf catholisch worden und sein widertauferische Sect verlassen und davon abgestanden‘“. Die Antwort des Beamten der Waldsteinischen Herrschaft auf die Beschuldigung Schambachs lege er beil). Ansonsten riet der Kardinal auch weiterhin zur Unnachgiebigkeit; allein der Kaiser beantwortete sein Schreiben erst am 4. November 1629: Graf Schambach und der Seelowitzer Beamte sollten auf- gefordert werden, ihre Wiedertäufer zum Übertritte anzu- halten, und zwar binnen drei Wochen, ansonsten habe die Ausweisung der Wiedertäufer zu erfolgen. Erst wenn die Genannten es nicht tun wollten, sollte der kaiserliche Proku- rator gegen sie den Rechtsprozeß einleiten?).

Es kann wohl angenommen werden, daß Graf Schambach schon längst zu dieser Zeit seine Mühle unter Dach und Fach hatte, ebenso wie auch der Kardinal nach so langer Zeit sein Gewissen beruhigt haben konnte, falls der Übertritt seines Kellners allzu schnell stattgefunden haben sollte.

Dies sind unsere letzten Nachrichten aus den Akten des Kardinals Dietrichstein über den 10jährigen Kampf gegen die unglücklichen Wiedertäufer. Wir verweilten zwar ein wenig lange bei der Erzählung ihrer Geschichte, doch sie war dessen wert. Und dies nicht allein als ein Beleg für die hervor- ragenden Arbeiten der Wiedertäufer in Mähren, sondern auch als ein Bild aus der harten Zeit der Gegenreformation, welches, wie selten wohl ein anderes, die erste Hälfte des jährigen Krieges und die an demselben beteiligten Personen charakterisiert. Kardinal Dietrichstein war stolz auf sein Werk und in seiner damaligen Korrespondenz finden wir einen interessanten Beleg dafür. Es ist ein Konzept eines lateinischen Briefes, welchen er an seinen Beichtvater, den Jesuiten P. Dingenauer, am 7. Oktober 1628 gerichtet hat und mit welchem er ihm mitteilt, daß ihn der päpstliche Nuntius, ‚qui reditum in Italiam parat‘, ersucht habe, er möge ihm über die Erfolge der katholischen Reformation in Mähren und über das Wachstum der katholischen Religion seit dem Umsturze im Jahre 1620 berichten. Der Kardinal hat daher Dingenauer aufgetragen, sich unverzüglich ans Werk

1) Nikolsburg, Konz. Ebendaselbst. ı) Nikolsbur;;, Orig. Ebendaselbet.

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zu begeben und ‚‚totius rei seriem‘‘ darzustellen und hierbei insbesondere hervorzuheben ‚quae circa ejectionem ana- baptistarum facta sunt!)“. Die Schilderung der Vertreibung der Wiedertäufer sollte somit den Gipfelpunkt des Berichtes bilden. P. Dingenauer hat sich dieser Aufgabe wirklich gut entledigt, denn das Ergebnis seiner Arbeit ist jene das Wirken des Kardinals in den Jahren 1621—1628 schildernde Hs. der Vatikanischen Bibliothek, welche wir hier einige Male zitiert haben und welche in der Tat den Wiedertäufern in den Be- richten über die Fortschritte der Gegenreformation viel Platz nu und dem Kardinal soviel lobende Anerkennung zollt 2).

Der Abzug der Wiedertäufer aus Mähren hatte in keiner Weise zur Folge gehabt, daß die Akten über die Wiedertäufer ganz abgeschlossen worden wären. Wir hörten, daß ein großer Teil dieser Emigranten sich sofort jenseits der mährischen Grenze auf ungarischem Boden ansässig gemacht hatte, weil die dortigen Stände trotz ihrer Teilnahme an dem böhmischen Aufstande es verstanden hatten, soviel an Religionsfreiheit zu erhalten, daß es da für die Anhänger Luthers und Kalvins auch fernerhin einen gesetzlich geschützten Ort gab. Hier fanden daher auch die Wiedertäufer eine Zufluchtsstätte wie einst in Mähren, als sie Deutschland verlassen hatten. Sobald nun in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts ein wenig Ruhe eingetreten war, unterhielten die Wiedertäufer neuerdings noch durch lange Zeit von hier aus ihre Beziehungen mit dem alten Vaterland, dienten insgeheim auf den Schlössern des Adels und lieferten ihre Erzeugnisse auch weiverhin nach Mähren, wie wir noch weiter hören werden; ja sie wurden sogar des öfteren als Arzte nach Mähren berufen, und dies besonders zu den vornehmen Herren des Landes. In den Kopiarbüchern der Korrespondenz des schon öfters erwähnten Karl von Zierotin, der im Jahre 1629 zufolge der Religions- patente sein Vaterland verlassen und einige Jahre in Breslau gelebt ‚hatte, finden wir hierüber manch interessanten Beleg, so 2. B. zum Jahre 1635, wo er auf einer seiner häufig in das Vaterland unternommenen Reisen auf seinem Schlosse Prerau von einer schweren Krankheit befallen wurde. Da die Kunst der dortigen Ärzte vergebens war, wurden wiedertäuferische Ärzte aus der Slowakei geholt, die ihn auch von seiner Krank- heit heilten.

1) Prag, Archiv des Min. d. Innern. Korresp. d. Kard. Dietrich- stein, Bd. XXI, Konz. 2) Rom, Vatikanische Bibliothek. Bibl. Ottoboniana, Nr. 827.

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Am 3. November 1635 schrieb Zierotin hierüber seinem Freunde, der als Emigrant in eben jenem Dorfe Levär wohnte, wo jene wiedertäuferischen Arzte zu Hause waren, die Zierotin geheilt hatten: ‚Ich zweifle nicht daran, daß Sie davon gehört haben, wie ich mich im vorigen Jahre gesundheitlich sehr unwohl gefühlt habe, bis mich die wiedertäuferischen Barbiere aus Ihrer Gegend von jener gefährlichen und schweren Krank- heit heilten, die Gott damals auf mich geschickt und durch sie wiederum genommen hatte. Da ich nun weiß, daß auch Sie schwer krank seien, wäre es wohl meine Meinung, daß auch Sie sich jener Barbiere bedienen würden, denn es sind unter ihnen ausgezeichnete Meister, besonders die beiden Meister Hans Webel und sein Gehilfe Matthes Gauman, die auch bei mir waren und mich glücklich bedient haben!).‘“ Solche Beispiele könnten wir noch mehrere anführen, kein Wunder also, daß sie der Regierung im Lande nicht verborgen bleiben konnten. Noch im Jahre 1650 stellte die Regierung nachfolgende Forderung in die mährischen Landtagspropo- sitionen: ‚es mögen alle ins Land einschleichenden Wieder- täufer, sie sein gleichwo und bei wem, vertrieben werden?)‘“.

Aber noch aus dem Jahre 1655 besitzen wir in den Akten der Grafen von Kaunitz, denen vom Anfange des 16. Jahr- hunderts die hier oft erwähnte Herrschaft Austerlitz gehörte, einen interessanten Vertrag zwischen dem Grafen Leo Wilhelm von Kaunitz auf Austerlitz und Ung. Brod und den ‚‚eltesten Brüdern, so man die Hutterischen nennt, an derer aller Statt Hanns Schütz Haushaltern zu Sobotischt‘‘ betreffend einen Kellner für das Schloß Austerlitz. Dieser Vertrag ist sehr interessant, denn er sichert u. a. dem Kellner auch seine Religionsfreiheit, und er zeigt uns, in welcher Weise einst die Verträge zwischen den Wiedertäufern und ihrer Obrigkeit ab- geschlossen wurden, so daß wir ihn in den Beilagen in vollem Wortlaut zum Abdruck bringen.

Dies sind jedoch nur noch vereinzelte, spätere Nachklänge einer alten Geschichte. Mit dem Jahre 1629 war die An- gelegenheit des Verbleibens der Wiedertäufer in Mähren im ganzen endgültig erledigt.

Hier ist es wohl gewiß aın Platze, noch einınal zur Topographie der Wiedertäufer, von der schon vorher gesprochen wurde, zurückzukehren. Für die Zeit, wo das Wiedertäufertum in

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ı) Blauda, Schloßarchiv. Zierotinsche Korrespondenz. Kop. Nr. 4136, Fol.145. Heute Depositum des mähr. Landesarchivs inBrünn.

2) Brünn, Landesarchiv; Landtagsverhandlungen a. d. J. 1650. Wolkan, Geschicht-Buch, S. 642.

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Mähren im Abflauen begriffen war, ist es möglich, ein genaues und vollständiges Verzeichnis aller ihrer Haushaben zu ver- fassen, die die Wiedertäufer in Mähren hatten und die sie hier bei der Auswanderung in das Exil im Jahre 1622 zurück- lassen mußten. Bei den früheren Angaben über die wieder- täuferischen Häuser in den Jahren 1589 und 1592 konnten wir auf Grund der Kontributionsakten aus dieser Zeit alle jene Herrschaften anführen, auf deren Grund die Häuser een. sowie ihre Zahl auf jeder einzelnen Herrschaft, keines- wegs aber die Gemeinden, wo die Haushaben standen. Für die Jahre 1619—1622 ist es möglich, durch Kombination der erwähnten Steuerregister mit den Angaben des wiedertäuferi- schen Geschicht-Buches von Wolkan eine genaue Aufstellung zu machen, in welcher alle ihre Häuser, die in der Kriegszeit 1619—1622 ausgeplündert oder aber ganz zerstört worden waren, verzeichnet sind. Nur so können die einzelnen Haus- haben lokalisiert werden, denn ihre in den wiedertäuferischen Quellen angeführten Namen weichen zum großen Teil von den heutigen Bezeichnungen der Gemeinden und Städtchen, in denen ihre Haushaben standen, ab, so daß diese Frage nur durch ein genaues Studium gelöst werden konnte. Erschwerend hierbei war der Umstand, daß wie überall oft viele Gemeinden gleichen Namens auftraten. Es war in der Tat nicht leicht zu entscheiden, um welche Gemeinde es sich hier handle, besonders, wenn dieselben voneinander oft gar nicht weit entfernt lagen.

Welche Schwierigkeiten die Lokalisierung der Orte schon dem Herausgeber des Geschicht-Buches verursachte, ersehen wir aus dem Index dieses Buches. Nicht nur, daß hier einige Haushaben unter zwei Namen, als ob es sich um zwei ganz verschiedene handeln würde, angeführt werden, wie z. B. Klein-Nembschitz bei Auspitz und Nembschitz bei Präles, Schädowitz in Mähren und Schaidowitz (Zadovice) in Mähren, Schäkowitz und Scheikowitz (Cejkowitz), Nickelschitz und Nikolschitz, sondern daß auch einige Gemeinden als außerhalb inihrens gelegen angeführt erscheinen. Es wird z. B. Neudorf nach Niederösterreich verlegt, Gallitz in Mähren wird identifi- ziert mit Gallitz (Skalitz) in Ungarn, abgesehen davon, daß Skalitz in Ungarn auch angeführt ist. Den größten Teil der Haushaben konnte Wolkan überhaupt nicht sicherstellen. Dies wolle ihm jedoch nicht als Fehler vorgehalten werden, denn der größte Teil der Haushaben befand sich in tschechi- schen Gemeinden, dessen slawische Namen die deutschen Wiedertäufer oft bis zur Unkenntlichkeit verändert hatten, wie dies das folgende Verzeichnis zeigen wird. Des besseren Vergleichens wegen wollen wir in dem Verzeichnis die Haus-

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haben nach den Herrschaften anführen, wie wir dies schon früher getan haben (Jahrg. XXX, S. 197 und 198). Hierauf führen wir die Haushaben in alphabetischer Reihenfolge nach der deutschen Bezeichnung an, wie sie die Wiedertäufer ge- brauchten. Hierbei wird die heutige Bezeichnung nebst der be des politischen Bezirkes des betreffenden Ortes an- geführt. Es hat dies auch für das weitere Studium der mähri- schen Wiedertäufer eine gewisse Bedeutung, denn in einem großen Teile dieser Orte findet man noch heute Erinnerungen an die ‚„Habaner‘‘, so ihre Häuser und Begräbnisstätten, und es ist nicht ausgeschlossen, daß bei einem eingehenderen Nachforschen in diesen Orten noch so manches Andenken zutage gefördert werden könnte. In den Jahren 1619—1622 gab es in nachfolgenden Herr- schaften und Orten wiedertäuferische Häuser: 1. Herrschaft Lundenburg-Billowitz: Lundenburg, Alten- markt, Gostal (Ober- und Nieder-Haus), Pillowitz, Ram- persdorf.

2. Herrschaft Seelowitz: Eibes (auch Meubes), Nikolschitz, Nußla, Pausram, Pribitz, Poherlitz.

3. Herrschaft Austerlitz: Austerlitz und Gerspitz.

4. Herrschaft Nikolsburg: Nikolsburg und Tracht.

6. Herrschaft Steinitz: Dämberschitz.

6. Herrschaft Kanitz: Klein-Niemtschitz (Ober- und Unter- haus).

7. Herrschaft Landshut: Landshut.

8. Herrschaft Lettonitz: Lettnitz.

9. Herrschaft Skalitz: Gallitz.

10. Herrschaft Wischenau: Wischnau und Stignitz.

11. Herrschaft Tscheikowitz: Schäkowitz (Schaikowitz) und

Prutschan. . Herrschaft Bochtitz: Pochtitz. . Herrschaft Frischau: Frischau. . Herrschaft Göding: Göding und Koblitz. . Herrschaft Mähr. Kromau: Maskowitz und Oleckowitz. . Herrschaft Milotitz: Wäzenobis. . Herrschaft Uhritz: Urschitz. . Herrschaft Wesseli: Wessela. . Herrschaft Ziadowitz: Schädewitz. . Herrschaft Ungarisch-Ostra: Neudorf. . Herrschaft Eisgrub: Neumühl. . Herrschaft Ober-Tannowitz: Tannewitz. . Herrschaft Tulleschitz: Schermankowitz. . Herrschaft Wostitz: (Wostitz), Weisstätten. . Herrschaft Polehraditz: Pellertitz. . Herrschaft Tawikowitz: Teikowitz.

ERRENF-SEHANSnPHN

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Im ganzen gab es also auf den 26 südmährischen Herr- schaften, die ungefähr in dem zwischen den Städten Brünn— Znaim—Lundenburg—Ung. Hradisch—Austerlitz— Brünn’ ge- zogenen Kreise gelegen sind, in 41 Orten 43 Haushaben. Rechnen wir auch noch Wostitz hinzu, wo die Haushabe in der letzten Zeit verlassen war (im Jahre 1617, siehe Wolkan, S. 527), so waren an 42 Orten 44 Haushaben, welche Anzahl auch J. A. Comenius in seiner „Historia persecutionum“ angegeben hatte. Vergleichen wir nun diese Anzahl von 44 Haushaben mit dem Verzeichnis aus dem Jahre 1589, so können wir feststellen, daß einige Herrschaften, auf denen im 16. Jahrhundert Häuser gebaut worden waren, in unserem Verzeichnis überhaupt fehlen. Dafür werden andere angeführt. Aus den wiedertäuferischen Chroniken der Jahre 16001620 ersehen wir, daß eine Reihe von Haushaben ım Jahre 1605 verschwand. Es war dies das Jahr des Aufstandes in Ungarn gegen die Regierung des Kaisers Rudolf II. und der Einfälle der ungarischen, von Stefan Boczkay geführten Aufständischen in das benachbarte Mähren. Damals wurden einige Sitze der Wiedertäufer vernichtet, und zwar an der ungarischen Grenze, die nicht mehr aufgerichtet wurden. Es waren dies z. B. die Haushaben in Birnbaum (Hrusky), Durdenitz (Tvrdonice), Creutz u. a.!). Andere wieder sind an der Ungunst ihrer Obrigkeiten zugrunde gegangen.

Verzeichnis der Haushaben in alphabetischer Ordnung. Altenmarkt Stara Breclav, heute ein Teil von Bieclav (Lundenburg), pol. Bezirk Hodonin (Göding). 1. Austerlitz Slavkov, pol. Bez. Vyskov (Wischau). 2. Dämberschitz Damborice, pol. Bez. Kyjov (Gaya). 3. Eibes, Meubes Ivan, pol. Bez. Hustopete (Auspitz). 4. Frischau FrySava, pol. Bez. Znojmo (Znaim). 5. Gallitz Skalice, pol. Bez. Krumlov Mor. (Mähr. Kromau). 6. Gerspitz Herspice, pol. Bez. VySkov (Wischau). 7. Göding Hodonin (Göding), pol. Bez. ebenda. 8.—9. Gostal (2) Podivin, pol. Bez. Hodonin (Göding). 10. Koblitz Kobyli, pol. Bez. Hustopece (Auspitz). 11. Landshut Lanzhot, pol. Bez. Hodonfn (Göding). 12. Lettnitz Letonice, pol. Bez. Vyskov (Wischau). 13. Lundenburg Bieclav, pol. Bez. Hodonin (Gödig). 14. Maskowitz Mackovice Moskowitz, pol. Bez. Znojmo (Znaim). | 15. Neudorf Nova Ves Ostrozskä, pol. Bez. Uhersky Ostroh (Ung. Ostra).

1) J. Beck, Die Geschichtsbücher, $. 347.

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16. Neumühl Nove Mlyny, pol. Bez. Hustopece (Auspitz).

17.—18. Nembschitz Klein (2) N&möicky Klein-Niembt- schitz, pol. Bez. Mikulov (Nikolsburg).

19. Nikolspurg Mikulov Nikolsburg, pol. Bez. ebenda.

20. Nikolschitz Nikolöice, pol. Bez. Hustopeöe (Auspitz).

21. Nußla Nosislav, pol. Bez. Hustopede (Auspitz).

22. Oleckowitz Alexovice, pol. Bez. Brno (Brünn).

23. Pausram Pouzdfany, pol. Bez. Mikulov (Nikolsburg).

24. Pellertitz Bolehradice, pol. Bez. Hustopede (Auspitz).

25. Pillowitz Bilovice Velk&, pol. Bez. Hodonin (Göding).

26. Pochtitz Bohutice, pol. Bez. Krumlov Mor. (Mähr. Kromau).

27. Poherlitz Pohofelice, pol. Bez. Mikulov (Nikolsburg).

28. Pribitz Pfibice, pol. Bez. Hustopeöe (Auspitz).

29. Prutschan Prusänky, pol. Bez. Hodonin (Göding).

30. Rampersdorf Lanstorf, pol. Bez. Hodonin (Göding).

31. Schädewitz Zadovice, pol. Bez. Kyjov (Gaya).

32. Schaikowitz Cejkovice, pol. Bez. Hodonin (Göding).

.33. Schermankowitz Cermäkovice, pol. Bez. Mor. Krumlov (Mähr. Kromau).

34. Stignitz Trstönice, pol. Bez. Mor. Krumlov (Mähr. Kromau).

35. Tannewitz Dunajovice Hornf, pol. Bez. /nojmo (Znaim).

36. Teikowitz Tavikovice, pol. Bez. Mor. Krumlov (Mähr. Kromau).

37. Tracht Strachotin, pol. Bez. Hustopece (Auspitz).

38. Urschitz Uhfice, pol. Bez. Kyjov (Gaya).

39. Wostitz Vlasatice, pol. Bez. Mikulov (Nikolsburg).

40. Wäzenobis Vacenovice, pol. Bez. Kyjov (Gaya).

41. Weisstätten Pasohlävky, pol. Bez. Mikulov (Nikolsburg).

42. Wessele Veseli nad Mor., pol. Bez. Uh. Hradist& (Ung. Hradisch).

43. Wischnau Viänove, pol. Bez. Mor. Krumlov (Mähr. Kromau).

Von den oben angeführten 41 Orten, in denen sich Haus- haben befunden haben, sind heute nur 9 deutscher Nationalität, und zwar Frischau, Maskowitz, Neumühl, Klein-Nembschitz, Nikolsburg, Pausram, Tracht, Wostitz und Weisstätten. Die übrigen sind tschechischer Nationalität. Und so war es im Grunde auch zur Zeit vor dem 30jährigen Kriege. Die Wieder- täufer lebten also in der Mehrzahl unter der tschechischen Bevölkerung!).

1) Von allen diesen Häusern bietet gewisse Schwierigkeiten bloß die Lokalisierung von Neudorf. Ein Neudorf liegt auf der Herr-

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Wie bereits bemerkt wurde, erhielt sich in Mähren am längsten die Erinnerung an die wiedertäuferische Keramik, von der wir schon bei der Schilderung des Lebens der Wieder- täufer vor dem 30jährigen Kriege zweimal gesprochen haben. Nach den Unglücksfällen dieses langen und harten Krieges, durch welche vom Jahre 1619 an die Wiedertäufer des öfteren betroffen worden waren, wurde ihre Arbeit in der Fremde ein wenig auf ein kleineres Gebiet eingeschränkt. Die Wieder- täufer kamen in wirtschaftlich ärmere Kreise, deren Kultur- stufe eine niedrigere war; sie selbst sind ja bereits früher um ihr ganzes Betriebskapital gekommen, auch verloren sie jeden Kontakt mit dem Westen, von wo sie ihre Anregungen erhalten

schaft Lundenburg, ein anderes gibt es in dieser Gegend in etwas nördlicher Richtung, südlich von Ung. Hradisch auf der Herrschaft Ung. Ostra. Aus den Erwähnungen im Geschicht-Buch kann nicht sicher festgestellt werden, um welches Neudorf es sich handelt. Beck (Geschichtsbücher, 8. 255) entschied sich für das Neudorf bei Lunden- burg, allein mit Unrecht. Denn aus einigen späteren Quellen ist zu ersehen, daß es Haushaben bloß in Neudorf bei Ung. Hradisch ge- geben habe. Im Jahre 1653 (II. 16.) schrieb Fürst Gundacker von Liechtenstein den Wiedertäufern nach Sabatischt in Ungam, ‘von ihnen gewisse Informationen verlangend: ‚. . . weil wir ver- nehmen, daß die Brüder vormals zu Neudorf in unserem Dorf ge- wohnt und alda schöne Hafner-Arbeit gemacht und daß alda vor- dreflicher Hafner-Letten sein solle, als wollet ihr von denen Hafner, die dessen Wissenschaft haben [nachfragen] und uns berichten, ob dem also und insonderlich, ob so gar vortrefflicher Hafner-Letten alda seye.‘‘ Darauf antwortete der Vorstand der Wiedertäufer: „Bey unsern Hafner habe ich nachgefragt. Wie ich verstehe, seye zu Neudorf, da unsere Leith gewohnet haben, guter Hafner-Letten, aber zum vornehmben Geschier haben die Hafner den weißen Letten anderswo hollen müssen, von Hof Theitsch [bei Göding) und wo sie ihn haben bekommen können“ (Fürst Liechtensteinschee Archiv im Wien, Ms. 279, Fol. 149 und 171. Vgl. die schon erwähnte Arbeit: K. Cernohorsky, Die Anfänge der Habaner Fayence, Troppau 1931, S. 17—18). Daraus ist klar zu ersehen, daß tatsächlich das auf der Herrschaft Ung. Ostra gelegene Neudorf gemeint ist, keines- falls das Neudorf auf der Herrschaft Lundenburg, das zu jener Zeit im Besitze des Fürsten Karl Eusebius von Liechtenstein gewesen war. Beim Studium der Geschichte dieser Orte und Herrschaften, sowie der Besitzer in der älteren Zeit leistet gute Dienste das sechsbändige Werk Gr. Wolny, Die Markgr. Mähren. Topographisch, statistisch und historisch geschildert. Brünn 1835—42. Dieses Werk bildet den besten Versuch, das Land Mähren in topographischer Hinsicht zu erfassen.

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hatten. Auch der früher ständige Zustrom neuer Brüder aus dem Auslande, welcher ihre Arbeiten belebt und den Er- findungsgeist gehoben hatte, hörte nun ganz auf. So geschah es nun, daß sie sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf ungarischem Boden spezialisierten und sich in der Tat allmählich ausschließlich mit der Töpferei und Fayencen- erzeugung befaßten, die weder große Investitions- und Be- triebsauslagen, noch neue fachliche Erfahrung und Schulung erforderte. Daß in dieser Richtung ihre Erzeugnisse dennoch auf der Höhe waren, beweißt die Tatsache, daß wir in Mähren wiederum in allen Haushaltungen des Adels und der Bürger ihre Arbeiten vorfinden, und dies noch bis zur Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zahireiche Beweise hierfür finden wir be- sonders in den Akten des kgl. Tribunals in Mähren, bei dem alle Verlassenschaften der Grundbesitzer abgehandelt wurden. Diese für das wirtschaftliche und kulturelle Leben Mährens im 17. und 18. Jahrhundert interessanten Akten waren bis nun völlig unbekannt und erst in der letzten Zeit gelangten sie in das Landesarchiv in Brünn und wurden so der wissen- schaftlichen Forschung freigegeben. Und wahrlich, da gibt es wohl kein einziges Schloßinventar, in welchem nicht auch folgende Abteilungen zu finden wären: ‚An bruderischen Geschirr‘, ‚Von wiedertäuferischen Geschier‘“, ‚‚Erdenes wiedertauferisches Geschier“ u. ä& Wenn wir nun noch ein- mal in eingehender Weise zu dieser Arbeitstätigkeit unserer Emigranten zurückkehren, hat dies wie noch gezeigt werden wird einen besonderen Grund.

Daß der mährische Adel schon seit den ersten Jahren nach der Vertreibung der Wiedertäufer aus Mähren die wieder- täuferischen Erzeugnisse direkt aus Ungarn bezogen hat, da- von zeugt z. B. die schon einige Male hier zitierte Korrespondenz Karls des Älteren von Zierotin. Wir lesen hier in dem Briefe vom 9. Dezember 1628, daß der Genannte gerade in der Zeit der letzten Kämpfe um die Wiedertäufer seine Leute von Mähren nach Sabatischt in Ungarn um einen bei den dortigen Wiedertäufern bestellten leichten Wagen sowie auch irdenes Geschirr schickte; es kann uns daher nicht wundernehmen, wenn wir in den Inventaren der Verlassenschaften immer wieder Wiedertäufersachen verzeichnet finden. Ihre lang- jährige Praxis in Mähren, über welche wir hier Nachrichten schon aus dem Jahre 1594 angeführt haben, hat ihre Erzeug- nisse zu einer solchen technischen und künstlerischen Voll- kommenheit gebracht, daß ihre Töpferwaren in der Tat eine luxuriöse, representative und auch dekorativ wirkende ‚schöne Hafner-Arbeit‘‘ darstellten, als welche sie noch viele Jahre nach dem Auszuge der Wiedertäufer aus Mähren ein hervorragender

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mährischer katholischer Würdenträger bezeichnet hat!). Es kann nicht wundernehmen, daß die hohen und begüterten Kreise, durch den ee an einem entsprechenden Ersatz gezwungen, sich trotz aller die Wiedertäufer verdammenden Patente auch weiterhin an die in der benachbarten ungarischen Slowakei gelegenen wiedertäuferischen Werkstätten wandten und so ihren Bedarf an diesen Sachen deckten. Als die Wieder- täufer fortzogen, nahmen sie übrigens auch das Geheimnis dieser Fabrikation mit, zu welcher sie in Mähren nicht nur ganz bestimmte Arten von gelber und weißer Erde, die sie oft aus recht entfernten Orten holen mußten, benützt, sondern auch ganz bestimmte Färbemittel und ihre Mischungen zur ornamentalen Ausschmückung der Glasur gebraucht und schließlich auch einen eigenen Vorgang bei der Herstellung selbst beobachtet haben, wobei sie von einem stetig wachsenden Sinn für edle Formen, für lebhafte, doch stets harmonisch abgetönte Farben. die wir noch heute bewundern, geleitet worden sind. Es konnte somit tatsächlich ein gleichwertiger Ersatz für ihre Arbeiten nicht so bald gefunden werden?). In einem der ältesten Inventare, das von Amts wegen in Znaim am 9. Dezember 1649 im Hause des verstorbenen Edel- mannes Ludwig Ellenbogner aufgenommen worden war, finden wir nach den Familien- und sonstigen wertvollen Bildern folgende Erzeugnisse aus der wiedertäuferischen Werkstatt ver- zeichnet: ‚2 ördine durchbrochne brüederische Körb, 1 ördines brüederisch Gießbek und Kandl, 2 ördine brüderische Puetter- schallen, 10 ördine brüderische Blumenkrüeg“. Hierauf folgt erst die Beschreibung des Tafel- und Küchengeschirres: ‚„Zün-Geschüer, Messing-Geschüer, Kupfer-Geschüer, Blechines Geschüer‘‘. Die wiedertäuferischen Erzeugnisse wurden in der Tat zu den seltenen und wertvollen Gegenständen gerechnet?). Als im Jahre 1673 die reiche Verlassenschaft des Primislaus von Zierotin auf Groß-Ullersdorf verzeichnet wurde, standen in den Gemächern des Verstorbenen folgende wiedertäuferische Gegenstände: ‚1 wiedertäuferische Flasche, 36 brüderische Schüssel, 47 brüderische Teller, 3 brüderische Tatzen‘. In den Zimmern seiner Frau standen: ‚‚2 brüderische Griegl mit zünernen Dekeln, 1 brüderisches Supenstüpfl, 1 dergleichen Schallel®)‘“. Ähnliche Erzeugnisse sind zu finden in dem

1) Siehe vorhergehende Anm.

2) K. Cernohorsky, Die Anfänge der Habaner-Fayencen-Pro- duktion. Veröffentlichungen des schlesischen Landesmuseums in Troppau, 1931. Mit 35 Abbildungen auf Lichtdrucktafeln.

®) Brünn, Landesarchiv. Adelige Verlassenschaften, Sign. M 37.

*) Ebendaselbst, Sign. Z 2.

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Nachlaßinventar seines Vetters Karl Heinrich von Zierotin auf Burg Prerau und Eiwanowitz (gest. im Jahre 1688), so in einem Zimmer neben schönen Kristallgläsern und verschiedenen wertvollen, geschliffenen Trinkgläsern auch ‚‚Weiß wieder- taufferisch Credenz- und allerlei Geschier“‘. Auf Burg Prerau befanden sich in einem Gemache neben Flaschen und Tellern aus Serpentin ‚5 große wiedertauferische Schüßl, 2 wieder- tauferische große Krieg und 2 wiedertauferische Tatzen!)‘“. Als nach 7 Jahren auf Schloß Eiwanowitz bei Wischau auch Zierotins Frau, Sylvia Polixena geb. von Waldstein, gestorben war, führt das Inventar folgende Gegenstände an: ‚von wiedertauferischen Geschirr in einer Almer: 44 größere Schissel, 28 kleinere Schissel, 40 dergleichen Thaller, 3 Giesböck, 21 kleine Schallerle, warunter 6 Stuck mit Deckel, 1 Leichter, 1 wiedertauferische Gluetpfannen, 6 dergleichen Raffen, 4 wiedertauferische kleine Pecherle, 9 Kriegel zum Blumen- werk, 38 wiedertauferische Kriegel groß und kleine ohne Deckel, dergleichen Kerbel etec.2)“.

Aus unseren bis zur Hälfte des 18. Jahrhunderts reichenden Inventaren könnten wir eine Reihe ähnlicher Verzeichnisse anführen und so Schüsseln, Teller, verschiedene Schalen, „Credenztatzen, Kandel, Salzfaß, Confectschiessel, Tafelreyfen, Essigkriegel, Reindel, Trunktatzen, Becher‘ u. ä. erwähnen. Möglich, daß viele dieser Arbeiten älteren Ursprunges sind, denn die Mehrzahl der erwähnten Familien überdauerte die Umstürze, die über das Land nach der Niederwerfung des böhmischen Aufstandes hereingebrochen waren. Besonders die zuletzt genannte Gräfin von Waldstein entstammte jener Linie des Waldsteinischen Geschlechtes, das vom Jahre 1616 an das Gut Seelowitz uns wohl bekannt als Hauptsitz der Wiedertäufer vor dem Jahre 1622 besaß. In den In- ventaren sind auch oft verschiedene Stücke als alt bezeichnet, doch die zeitgemäße Bezeichnung einiger dieser Arbeiten (z. B. die wiedertäuferischen Kaffee- und Teeservice) von denen übrigens noch gesprochen wird zeigt ganz deutlich, daß die Ansicht allein, alle diese Erzeugnisse der Wiedertäufer rühren aus der Zeit vor dem Anfange des 30jährigen Krieges, nicht genügen kann.

Einige dieser Verzeichnisse haben noch einen besonderen Wert für das Spezialstudium der wiedertäuferischen Fayence- erzeugung. Es sind dies insbesondere jene Verzeichnisse, welche bei den einzelnen Stücken auch ihre Farbe und ihre Form anführen. Wie es uns bereits bekannt ist, waren die Erzeug-

1) Ebendaselbst, Sign. Z 30. %) Ebendaselbst, Sign. Z 20.

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nisse der wiedertäuferischen Keramik am häufigsten von weißer Farbe und nur ausnahmsweise besonders in der späteren Zeit hatten die wiedertäuferischen Meister auch an anderen Farben Gefallen gefunden. Das Vorherrschen der weißen Farbe ist besonders aus den älteren Inventaren zu ersehen. So befanden sich in dem Nachlasse der Katharina Justina von Wiesenberg aus dem Jahre 1666 ‚‚zwei alte Truhen, in deren einer das weiße wiedertauferische Geschir!)‘‘ war. Das Inventar der im Jahre 1649 verstorbenen Gräfin Klara Rosalıa Schlick führt in der Abteilung des wiedertäuferischen Geschirres nur ‚‚weiß bruderisch Geschir‘‘ an. Ebensolches Geschirr wird auch im Nachlasse der Maximiliana Konstantia von Schaumburg, geb. Fugger (1708) erwähnt: „In einem Verschlag 100 Stück unterschiedliches weißes Geschir“ oder „in einem Vaßl ebendergleichen Geschir 38 Stuck, ferner 1 weiß bruderisch Giespeck sammt Kandel, dergleichen 4 Leichter usf.“. Ähnlich im Inventar der Verlassenschaft des Johann Dietrich Rumerskirchen in Zhof (1707): ‚143 weiße Täller und 40 weiße Schüssel“, und im Nachlasse des Karl Josef Ritter von Schlögern auf Drnowitz (1726): „7 bruderische weiße Schallen mit Deckeln, 12 weiße Schiessel zum Schallen, 17 große weiße Schiessel, erdene weiße Weidlinge usf.?)“. Nur ausnahmsweise werden grüne, braune und blaue Er- zeugnisse angeführt. Grünes Geschirr kommt in der Ver- lassenschaft aus dem Jahre 16% des Franz Adam Chorinsky von Ledske auf Patschlawitz vor®): in der Abteilung „‚Wieder- tauferisches Geschir‘ gibt es ‚24 Stück grüne Schiessel, darzu 24 Täller‘ und gleich darauf auch weiße Stücke. Ebenso im Nachlasse des Karl Ferdinand Schertz von Sponau (1723): ‚6 grüne Bruder Theeschallerl samt denen Tatzen‘‘, darauf wieder Stücke von weißer Farbe®). Auch in der Verlassen- schaft der Polixena Skrbensky geb. Rzikowsky (1727) finden wir neben ausdrücklich als weiß bezeichneten Stücken: ‚11 grüne Schiessel, 1 grüner Teller®).‘“ Eine andere als die grüne Farbe kommt vor im Inventare aus dem Jahre 1730 der Gräfin Anna Salomena de Souches, geb. Gräfin d’Aspremont. Hier ge- schieht auch die interessante Erwähnung von mit. Blumen geschmückten Stücken: „Zwei Teller nebst darzu gehörigen Suppenschalen samt den Teckeln mit rot und blau gefärbten Blumen.‘ Weiter ‚2 blaue große Milichschiessel, 18 dergleichen

1) Ebendaselbet, Sign. W 2.

2) Ebendaselbst, Sign. 8 38, S 47, R 25; dann auch Sign. Tribunal- Civilakten Nr. 1861. ®) Ebendaselbst, Sign. C 12.

4) Ebendaselbst, Sign. S 104.

s) Ebendaselbet, Sign. S 112.

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Täller, 6 dergleichen kleinere, 2 blaue Chocolate Pöcher!l, 2 dergleichen blaue Chocholatatatzen“. Aber auch in diesem Falle wird noch außerdem das weiße Geschirr erwähnt!). Das Inventar des 1750 verstorbenen Leopold von Rottal auf Napagedl führt neben einer großen Anzahl von weißem wieder- täuferischen Geschirr auch ‚‚deto blau und weiß diesem Ge- schier‘ an. Dies dürfte in mehr als 20 Inventaren die einzige Erwähnung des blauen Geschirres sein, das noch viel seltener als das grüne war?).

Rottals Inventar erwähnt auch ausdrücklich jene herrlichen Spezialarbeiten der Wiedertäufer, die wir als durchbrochene Stücke bezeichnen und welche zu den schönsten Erzeugnissen gezählt werden müssen. Es sind dies: ‚5 Stück durchbrochene Confectschallen“. Ahnliche Stücke kommen auch im Inventare der Frau Katharina von Wiesenberg (1666) vor: ‚12 durch- prochene weiße Schallen“, zum Unterschied von ‚5 glatte Schallen‘‘, ferner ‚ein grün durchprochen Kandtel mit einem zinnen Deckel“ u. ä.8). In dem bereits erwähnten Inventar der Frau von Zierotin auf Eiwanowitz gibt es wiederum ‚‚Tatzen, worunter viere mit Zierotinischen Wappen“ oder .‚Flaschen mit Zienernschrauben, worunter eine mit Zierotinischen Wappen“. Es sind dies jene schönen Arbeiten, die mit dem Wappen der Besitzer geziert waren und von denen uns einige Stücke aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts aus den öffentlichen und privaten Sammlungen bekannt sind‘).

Beim aufmerksamen Durchblättern der erwähnten Inven- tare finden wir, daß es notwendig ist, trotz der Aufschrift „Bruderisches Geschier“, vorsichtig vorzugehen, da oft in die Sammlungen der wiedertäuferischen Produkte irgendein frem- des Stück sich einschleichen konnte, das der Verfasser des Inventars dennoch unter die wiedertäuferischen Arbeiten auf- genommen. So gibt es da z. B. verschiedene Stücke ‚von Meolica‘“, also Erzeugnisse ähnlich den wiedertäuferischen, je- doch italienischen Ursprunges, die oft verwechselt wurden. Dies zeigt z. B. die Beschreibung des Inventars der Maximiliana Konstanzia von Schaumburg, geb. Fugger von Kirchberg (1708), wo nachfolgende Stücke erwähnt werden: ‚in einem langlichten Korb 25 Stück unterschiedliches wiedertauferisches und Mayollica Geschier“, ferner ‚in einem dergleichen kleinen Korb 63 Stück unterschiedliche Mayolica und brüderisches

| u nun

I) Ebendaselbst, Sign. S. 124.

2) Ebendaselbst, Sign. R 92. 3) Ebendaselbst, Sign. W 2.

4) Siche die Bilder in der oben zitierten Arbeit „K. Cern ohorsky, Die Anfänge der Habaner-Fayencen-Produktion“. Über diese Arbeit siehe Archiv für Reformationszesch. 1931, S. 285.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXI. 1/2. 7

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Geschir!)‘. Unter dem Titel des wiedertäuferischen Küchen- und Tafelgeschirres finden wir in einem anderen Falle auch ‚„Serpentin-Flaschen, ein Kandl von Serpentin mit einem zinnernen Deckel, 1 Kriegel von Serpentin mit Deckel‘, ver- schiedene ‚‚gläßne Flaschen und Fläschlein, ein klein Höfterle von terra sigillata‘‘, also Sachen, die schon durch ihren Namen größtenteils auf italienische Herkunft hindeuten. Oder aber ‚1 von Alabaster klein Flaschel, Mörser von Serpentin- stein, Wasserkrug von Christal, Schallen von Christal‘, ferner verschiedenes eiserne und hölzerne Geschirr, das wir aber nicht als Wiedertäuferarbeit bezeichnen können, vielleicht nur zum Teile, d. h. soweit die endgültige Gestaltung dieser Gegenstände von den Wiedertäufern selbst vorgenommen worden war, wie z. B. bei geschmiedeten Beschlägen u. ä.?). Aber auch bei dieser Vorsicht, die manches Stück von der Erwägung ausscheiden muß, bleiben dennoch Arbeiten zurück, die zweifellos von den Wiedertäufern herrühren und dies um so mehr, als trotz der allgemeinen Rubrik ‚Wiedertauferisches Geschier‘‘ diese noch besonders als ‚„bruderisch‘“ bezeichnet wurden.

Wir müssen zwar noch hinzufügen, daß vom Ende des 17. Jahrhunderts die Verfertiger jener Keramik, die unter dem Namen ‚‚wiedertäuferische‘‘ erwähnt wird, nicht mehr jene Wiedertäufer waren, die wir aus dem 16. und 17. Jahr- hundert kennengelernt haben. Die Beunruhigung, die in der Zeit von 1619—1623 über die wiedertäuferischen Gemeinden hereingebrochen war, der politische und gegenreformatorische Druck in Ungarn in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, ferner die finanziellen Schwierigkeiten der immer mehr und mehr verarmten Gemeinden, die sich in wirtschaftlich weniger günstigen Gegenden befanden, als damals in Mähren, bewirkten, daß die alte wiedertäuferische Ordnung dem allmählichen Ver- falle entgegenging. In den 80er Jahren des 17. Jahrhunderts beschlossen die Gemeinden, von allen Seiten bedrückt, endlich ihre gemeinschaftliche Lebensweise zu lösen und das Hand- werk individuell zu betreiben. Obwohl also die Produkte schon von verschiedenen Händen herrührten, blieb es dennoch wiedertäuferische Kunstarbeit.

Wie die täuferischen Erzeugnisse sich auch mit der Zeit den Verhältnissen anpaßten, davon geben Kunde die schon zum Teil erwähnten mannigfaltigen Kaffee-, Tee- und Schokolade- service, über die wir seit Beginn des 18. Jahrhunderts immer häufiger unterrichtet werden: z. B. verschiedene Stücke von

I) Brünn, Landesarchiv. Adelige Verlassenschaften, Sign. S 47.

3) Ebendaselbst, Sign. S 9, R 25 u. a.

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‚„Theegeschir, Caffeeschalerl, Chocoladi-Becherl, 6 grüne Bru- der-Theeschaller]l samt denen Tatzen, bruderische große Caffee- tatzen‘‘ oder ‚eine Pixen mit Caf&schalen, deren in allen 9 Stück wiedertauferischer Arbeit‘. Es war dies bereits jene Zeit, da der Ruhm der täuferischen Arbeiten langsam zu erlöschen begann!). Die alten Schloßinventare des Tisch- und Küchen- geschirres aus der Zeit vor dem 30jährigen Kriege machen einen Unterschied nur zwischen silbernem und zinnernem Ge- schirr und wiedertäuferischem Tongeschirr. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist diese Teilung von immer mehr und mehr mannigfacher Art. Im Jahre 1694 gibt es im Nach- lasse der Gräfin Klara Rosalia von Schlick ‚Kupfergeschier, blechenes Geschir, eisernes, zinnernes, Majolica-Geschir, weiß- bruderisch-Geschier, glassirtes-Geschier‘“ und endlich ‚,Ser- pentingeschier und Gläsergeschier“. Im Inventare der Jo- hanna Elisabeth von Wlaschim (1695) befindet sich das „Bruedergeschier‘‘ schon an letzter Stelle, vorher wird das „Porcelan und Porculetgeschier‘‘ angeführt?2).. Die Kon- kurrenz der wiedertäuferischen Arbeiten setzt ein und be- sonders das Eindringen der italienischen Majolika und des neuen Porzellangeschirres ist immer offenkundiger zu beob- achten. Mit der Zeit werden ähnliche Produkte auch von den heimatlichen Unternehmungen, welche von den adeligen Herrschaftsbesitzern unter Mithilfe der wiedertäuferischen Meister aus der Slowakei ins Leben gerufen wurden, erzeugt, nicht minder aber auch von jenen Wiedertäufern oder ihren Nachkommen, welche selbst nach Mähren zurückgekehrt waren und die katholische Religion angenommen hatten?).

1) Ebendaselbst, Sign. W 86 u. a.

2) Ebendaselbst, Sign. S 38, W 18.

s) Im J. 1677 (27. XII.) hat Ant. Graf Collalto auf Pimitz ‚‚dem Efrehem Hueer, wiedertäuferischen Töpfer in Markt Pimitz‘‘ auf- getragen, für die Kapuziner in Iglau folgendes Küchengeschirr an- zufertigen: ‚‚Erstlich 6 größere Schisseln und andere 6 mittlere Schisseln, dazue 18 Taller, welches 11, Tuzet machet, Schallele 12, Kriegl 12, Suppen-Schallel 6, zwei Gießbekl und KandtIn und einen großen Krueg“‘ (Brünn, Landesarchiv. Depositum Collalto- Archiv, Akten Sign. VI, Tom. XLIX. Siehe auch die Zeitschrift „Pamätky archeologick&‘“‘ [Archäologische Denkmäler], Prag 1931, S. 22-23.) In den Collalto-Archivalien finden sich Belege dafür, daß auch in den 80er Jahren und noch zu Anfang des 18. Jahrh. (1717) „wieder- täuferische Töpfer‘ in Pimitz gearbeitet haben, und dies sowohl für die Herrschaftsbesitzer als auch für die Bevölkerung. Im J. 1696 finden wir im Inventare der Maria Max. Gräfin v. Collalto, geb. von Althann auf Eichhorn, folgende Stücke angeführt, die wohl

7®%

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So finden wir im Nachlaßverzeichnisse der Maria Isabella von Werdenberg auf Namiest (1719) neben Porzellan und italienischer Majolika auch Gegenstände ‚‚von weißen Cromauer- geschier“, die gleich nach den wiedertäuferischen Arbeiten aufgezählt werden. Es sind dies wohl Stücke heimischer Her- kunft aus dem benachbarten Mähr. Kromau, die offensichtlich an die wiedertäuferischen Muster erinnern. In einem In- ventar der alten Burg Buchlau bei Ung. Hradisch aus dem Jahre 1768 Nachlaß der Maria Theresia Petrswaldsky von Peterswald sind z. B. schon Erzeugnisse der bekannten slowakischen Fabrik in Holitsch anzutreffen, während Arbeiten der Wiedertäufer hier gänzlich fehlen!),,. Auch dieses Unter- nehmen, das sich die Kenntnisse der Wiedertäufer zu eigen gemacht hatte, begann erfolgreich mit den Erzeugnissen der immer ärmer werdenden kleinen wiedertäuferischen Meister zu konkurrieren. Ihre Arbeiten veralterten offensichtlich und konnten nicht mehr mit den besser geschäftlich organi- sierten und auf einer besseren finanziellen Grundlage stehenden Unternehmungen wetteifern. Hierzu kam auch das Porzellan, das ähnlich auf die Arbeiten der Wiedertäufer wirkte. Im Inventare der Verlassenschaft des Grafen Isidor von Hoditz auf Füllstein in Schlesien (1766) finden wir keine Erwähnung mehr vom wiedertäuferischen Geschirr, dagegen ‚Sächsisches Porcellain, Holländisches Porcellain‘, ferner Holitscher-, Ma- jolika-Geschirr, alles Produkte der Konkurrenten der wieder- täuferischen Arbeit?). So verschwinden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Erzeugnisse der Wiedertäufer gänz- lich aus unseren Schlössern. Es war dies übrigens auch die Zeit, wo bekanntlich die Wiedertäufer auch in der ungarischen Slowakei mit der übrigen Bevölkerung verschmolzen. Und so verlieren sich auch die letzten Spuren der Wiedertäufer in den schriftlichen Aufzeichnungen des Landes.

Als in der Zeit des Romantismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wie überall, so auch in Mähren das Leben des Volkes ein allgemeines Interesse zu erwecken be- gann, Volkslieder gesammelt wurden, die Gebräuche des Volkes,

auch aus der gleichen Quelle stammen mögen: 9 wiedertäuferische Schallen, 19 groß und kleine weiß brüderische Schüsseln, 18 weiß brüderische Taller, 1 weiß brüderische Tätzen, 1 wiedertäuferisches klaines Essigvaßl etc. Brünn, Landesarchiv, Adelige Verlassen- schaften, Sign. S 223.

1) Ebendaselbet, Sign. W 17, P 123. Siehe auch C. Schirek, Die k. k. Majolika-Geschirrfabrik in Holitsch. Brünn 1905, 8. 6.

2) Brünn, Landesarchiv. Adelige Verlassenschaften, Sign. H 169, W 88.

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kurz jeder Ausdruck des Volksgeistes und Arbeit Beachtung fanden, da gedachte man auch der keramischen Erzeugnisse der mährischen und slowakischen Meister aus dem Volke be- sonders ihrer interessanten Teller und Krüge, die in der Volks- sprache, hauptsächlich in Mähren, als ‚„Habaner“-Erzeugnisse oder Arbeiten der ‚Habaner‘‘-Meister bezeichnet wurden. Es war dies jene Zeit, in welche auch die ersten Veröffentlichungen über die Wiedertäufer fallen, und zwar waren dies in erster Linie die Arbeiten des G.-Wolny, d’Elvert u. a., die seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts zu erscheinen begannen. Aus diesen war schon zu erkennen, daß ein offensichtlicher Zu- sammenhang zwischen diesen einstigen Bewohnern Mährens und der erwähnten keramischen Arbeit vorhanden war. Diese Überzeugung wurde stärker besonders durch die Arbeit Becks und die ausführliche Abhandlung Loserths vom Kommunis- mus der Wiedertäufer, die zum erstenmal die gebildete Welt auch von dem Handwerke der Wiedertäufer und auch von ihren keramischen Arbeiten unterrichtete!). Daher weist die mäh- rische Volksliteratur schon seit jener Zeit eine ansehnliche Reihe von Arbeiten auf, die sich mit diesem Probleme befaßten und diese volkstümliche Töpferkunst in Mähren in engen Zu- sammenhang mit den Wiedertäufern zu bringen trachteten. Neue archivalische Funde, die für den von Loserth ein- geschlagenen Weg weitere, bis nun unbekannte Belege für die Keramik der Wiedertäufer brachten, schienen diese Vermu- tungen von neuem zu bestätigen, obzwar die aus dem 16. u. 17. Jahrh. stammenden keramischen Arbeiten selbst noch nicht bekannt waren.

Doch bald kam man bei weiterer Forschung darauf, daß diese volkstümlichen Erzeugnisse des 18. und 19. Jahrhunderts eine gewisse Verwandtschaft mit einer anderen Gruppe ähn- licher Töpferarbeit, und zwar älteren Datums zeigten, die ebenfalls in Mähren, Böhmen und der Slowakei zu finden war und die schon dem Anfange des 17. Jahrhunderts angehörte. Diese keramischen Arbeiten zeichneten sich durch eine größere künstlerische Technik und Vollkommenheit aus, nicht minder durch viele gemeinsame Merkmale, so daß sie offenbar in ein Ganzes sich zusammenschlossen. Es ist dies besonders die weiße Farbe und der satte farbige Blumendekor, die den ein- heitlichen Charakter der Arbeiten bestimmen. Über den Ur- sprung dieser Keramik wußte man bis Anfang des 20. Jahr- hunderts im ganzen nichts Sicheres, denn alle diese Stücke waren sehr verschieden von allen anderen, die aus der zeit- genössischen Produktion in Mähren und den umliegenden

1) Über diese Literatur siehe die Einleitung dieser Arbeit.

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Ländern hervorgingen. Deshalb wollte man lange nicht nn daß diese schönen, alten Arbeiten wirklich mährischen alowakischen Ursprunges sein könnten, besonders als Fran wärtigen Museen dieselben als niederländische oder schweize- rische Stücke betrachteten. Heute ist nach all den erwähnten Studien die Frage der Provenienz zur Gänze gelöst und es besteht kein Zweifel mehr, daß diese schönen alten, glacierten Tonerzeugnisse tatsächlich auch Arbeiten der mährischen Wiedertäufer sind, welche aus der Zeit ihres Aufenthaltes in Mähren bis zum Jahre 1622, später aus der Zeit ihres ersten Verweilens in der benachbarten Slowakei und in Ungarn her- ‚rühren.

Ähnlich besteht auch kein Zweifel mehr, daß auch jene späteren weniger wertvollen, doch ihnen verwandten Er- zeugnisse aus dem 18. und 19. Jahrhundert die Spuren der wiedertäuferischen Arbeit verraten. Viele Wiedertäufer blieben wie wir schon gesehen haben auch weiter in Mähren, traten zum katholischen Glauben über und verbreiteten ihre Erfahrungen i in der Töpferkunst weiterhin im Volke, wie es dann auch in der Slowakei geschah, als daselbst das Wieder- täufertum bereits erloschen war und die dort noch befindlichen wiedertäuferischen kommunistischen Gemeinden mit dem übrigen Volke verschmolzen waren. Eine von den letzten Arbeiten, welche gerade von dieser Töpfer- und Fayencekunst der Habaner handelt, ist die erwähnte Abhandlung des K. Cer- nohorsky Die Anfänge der Habaner-Fayencen aus dem Jahre 19311). Diese Arbeit konnts erfolgreich zusammen- fassen, was bis jetzt über die Sache gesagt worden war und überdies auf die neuen Belege des gefertigten Auturs aus seiner tschechischen Abhandlung über die Arbeiten der Wiedertäufer aus dem Jahre 1928 benützen. Diese unsere gegenwärtige Ab- handlung bringt weitere Belege und zwar nicht nur aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts, sondern auch aus der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts, nicht minder aber auch aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Diese neuen Belege geben ein weiteres interessantes Zeugnis ab von der Blüte dieser Keramik an der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts, wie auch ein neues Bild von ihrem schließlichen Verfalle in der Mitte des 18. Jahrhunderts. (Schluß folgt.)

1) Ein ähnliches wichtiges Bilderwerk ist das auch schon früher sitierte Buch „K. Layer, Oberungarische Habanen-Fayenoen.‘‘ Berlin 1927. Es umfaßt ungefähr 70 Reproduktionen von Habaner Fayencen aus den Sammlungen und Museen in Ungarn.

Das Auftreten Luthers und die Unität der böhmischen Brüder.

Von F. U. Bartei').

Als am 31. Oktober 1517 der junge Martin Luther seine Thesen an die Schloßkirche zu Wittenberg anschlug, dachte er nicht im entferntesten daran, daß diese Tat eine Revolution gegen die Kirche zur Folge haben könnte. Er kündigte eine der üblichen Universitätsdisputationen an, zu der er einlud. Schon lange Zeit, einige Monate hindurch, ja vielleicht ein ganzes Jahr lang hatte er sich vorbereitet, gegen den Ablaßhandel aufzu- treten. Was schließlich die auftauchenden Zweifel und das Zaudern des jungen Theologen überwand und seinen Ent- schluß ermöglichte, scheint der starke Eindruck gewesen zu sein, den die Lektüre einer kleinen Schrift auf ihn gemacht hatte, die ihn gleichzeitig mit Scham und mit Mut erfüllte®). Diese Schrift stammte aus Böhmen, von den tschechischen ketzerischen ‚‚Pikarten‘, wie die Anhänger der Brüderunität genannt wurden.

Seit Jahren beschäftigten sich die Verteidiger des Katholi- zismus mit der Gefahr, die der Kirche von dieser kleinen, aber

.t) Vorstehender Aufsatz ist schon an anderer, dem deutschen Forscher nicht bequem zugänglichen Stelle (nämlich in der Prager Rundschau Jg. II, 1932, S. 407—420), und ohne die Anmerkungen, gedruckt worden. Um die deutsche reformationsgeschichtliche Forschung in den Stand zu setzen, zu den Ergebnissen des Verfassers Stellung zu nehmen, bringen wir ihn hier erneut.

Die Schriftleitung.

2) Die Hauptgründe meiner These, die hier nicht ohne Absicht einseitig, ohne Rücksicht auf andere Motive vorgetragen wird, um eine Diskussion hervorzurufen, stellt der Nachtrag zusammen. Was ich im folgenden nicht belege, verdanke ich vornehmlich dem schönen Vortrage Joh. Fiokers, Luther 1517 (Schr. d. V. f. Ref. Gesch. 130, 1918) 8. 22, 39 und dem Buche H. Böhmers, Der junge Luther 1925.

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ungewöhnlich regen Gesellschaft drohte), die sich, aus dem Hus- sitentum und der Nachfolge Petr Chel&ickys hervorgegangen, seit 1457 als selbständige Kirche mit einer eigenen geistlichen Hierarchie konstituiert hatte und besonders in Mähren immer wieder neue Erfolge errang. Es galt der eifrigen Propaganda entgegenzutreten, welche die Unität, die eben durch den Sieg der Intelligenz mit Bruder Lukä3 und Vavfinec Krasonicky an der Spitze verjüngt worden war, entfaltete, wobei sie die Waffe der Buchdruckerkunst benützte, um die unaufhörlichen Verfolgungen abzuwehren, die letzten Endes gerade durch diese literarische Angriffe angefacht waren. Die Unität ant- wortete nicht darauf, als sie der Inquisitor Heinrich Institoris mit Verleumdungen überschüttete, sie als eine Gesellschaft von Entarteten hinstellte und die unsinnigsten Gerüchte über sie verbreitete. Sie erlebte übrigens die Genugtuung, daß ein Ordensbruder des Institoris, Jakob Lilienstein?), den Brüdern das Zeugnis ausstellte, daß sie ein lauteres und makelloses Leben führen. Aber ob: or noch im Jahre 1508 das blutige Mandat des Königs Vladirlev gegen sie erlassen worden war, entschloß sich Bruder Lukäs ein Verteidigungsschrift gegen den Angriff des Dr. Augustin Käsebrod im Druck erscheinen zu lassen, der eine grausame Persekution ankündigte und vor- bereitete, und im Jahre 1511 gelang es ihm endlich, eine um- fangreiche lateinische Konfession der Brüder in Nürnberg drucken zu lassen. Sie hatte noch nicht die berühmte Druckerei Hölzel verlassen, die dafür dann hart heimgesucht wurde, als der Olmützer Bischof St. Thurzo, der sich eifrig für die Er- lassung des Vladislavschen Mandates einsetzte, den jungen Humanisten Jakob Ziegler für die Abfassung einer neuen Schrift gegen die Unität gewann. Sein Werk®) erschien im Jahre 1512 in Leipzig und konnte gleichzeitig schon die Ant- wort auf die groöe Konfession der Brüder ankündigen, die dann nach nicht geringen Verzögerungen, die wahrscheinlich mit der Suche des Autors nach einem Mäzen zusammenhingen, der für die Kosten aufgekommen wäre, ebenfalls im Jahre

1) Zum folgenden vgl. Jos. Th. Müller, Geschichte der böhm. Brüder I, 1922, Herrmhut, S. 250fl.

s) Über die Person Liliensteins gibt ea sonderbarerweise keine Nachrichten. Vergeblich forschte selbet Martin Grabmann danach, als er seinen Liber de divina sapientia entdeckte (Beiträge zur Gesch. der Renaissance und Reformation, Jos. Schlecht dargebracht, 1917, 8. 124).

3) Über dieses Werk K. Schottenloher, Jak. Ziegler (Reformations- gesch. Studien u. Texte VIII) 1910, S. 23—35.

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1514 in Leipzig erschien. Die Antwort!) verfaßte der Professor der dortigen Universität Dr. Hieronymus Dungersheim von Ochsenfurt und ergänzte sie noch bald durch eine kleinere Arbeit, die die ältere Verteidigungsschrift der Brüder vom Jahre 1508 widerlegte?).

Diese Bücher und insbesondere die Ausgabe der großen Konfession der Brüder in Nürnberg rückten die Unität, die „Pikarten‘“ in den Vordergrund des allgemeinen Interesses. Besonders die Konfession, die gleichsam allen Inquisitoren zum Hohne im regsamsten Zentrum der Buchdruckerkunst im Reiche erschien, wurde zur Sensation des Tages und zu einer eifrig gesuchten und abgeschriebenen Rarität. Eine Ab- schrift davon verschaffte sich aus Nürnberg sogar der Kaiser Maximilian?®), als er vergeblich ein Druckexemplar suchte, und ebenso das Erfurter Augustinerkloster*), aus dem Luther nach Wittenberg gegangen war. Die Unität wurde aber nicht minder durch die beiden großen gegen die Brüder gerichteten. Werke bekannt. Dr. Dungersheim druckte in seiner ‚Con- futatio‘‘ die große Konfession der Brüder fast wörtlich ab und Ziegler nahm den völligen Wortlaut der doppelten kleinen Konfession der Brüder in seine Polemik auf und überdies noch die Antwort der Brüder an Dr. Käsebrod®), die er sich eigens

1) Confutatio apologetici cuiusdam sacre scripture falso inscripti ed ill. principem Georgium Saxonie ducem.

2) Reprobatio orationis excusatorie Picardorum, regie maiestati in Ungariam misse.

s) Vgl. Jos. Wolf in der Prager Musealzeitschrift 1925, S. 273. Details über interessante Schicksale des Werkes kann man noch bei Müller I, 310 ergänzen. Ein Ex. des seltenen Werkes, das ich auf der Prager Univ.-Bibl. festgestellt, während Müller es noch ver- geblich suchte, befindet sich nicht nur in Leipzig und London, sondern auch in Breslau (vgl. Fr. Kropatscheck, Das Schriftprinzip der luther. Kirche I, 1904, S. 99).

4) Der Erfurter Sammelband, heute in Berlin, wo die Abschrift enthalten ist, wurde beschrieben durch A. Freitag in dem Werke Mittelalterliche Handschriften (Festgabe H. Degering 1926) S. 93ff., ohne daß er jedoch erkannt hätte, daß es sich um eine Apologie der Brüder und eine bloße Abschrift handelt, so daß er den Buchdrucker für den Schreiber des Sammelbandes und für einen Erfurter Mönch ansieht.

8) Ich benütze den bequemsten Abdruck aller drei kleinen Schriften bei Balth. Lydius, Waldensia I, 1616, Rotterdam, Beilage S. 1-91. Er geht auf Orthw. Gratius, Fasciculus rerum expetend. et fugiend. 1535 zurück und findet sich auch in der neuen Ausgabe des Fasciculus von Ed. Brown (London 1690) vor. . |

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aus dem tschechischen Original übersetzen ließ. Dies war das Schriftchen, das dem jungen Luther in die Hände kam, als er immer wieder von neuem über den Ablaß und über die Art, wie man die hierdurch verursachten Schäden beseitigen könnte, nachdachte. Es wirkte dazu mit, daß er sich zu entscheidenden Schritten entschloß!). Er nahm es zur Hand daran besteht kaum ein Zweifel um sich darüber Klarheit zu verschaffen, inwiefern er sich durch sein Auftreten gegen den Ablaß den tschechischen ‚‚Pikarten‘‘ nähere und auf welche Angriffe er sich also besonders von Dr. Dungersheim gefaßt machen müsse. Bei diesem mußte er um so eher mit einem Angriffe rechnen, als die Leipziger Universitätsprofessoren in ihren Wittenberger Kollegen natürliche Konkurrenten erblickten. Die neue Uni- versität, an der Luther wirkte, sollte die Gebiete des ernesti- nischen Zweiges des Wettiner Stammes von der bisher einzigen Universität in Sachsen unabhängig machen. Schon längere Zeit quälte es ihn, wie er mit seinem Streben nach religiöser Verinnerlichung, das in ihm den Widerstand gegen die rein äußerliche Religiosität seiner Zeit immer mehr verstärkte, in unangenehme und gefährliche Nähe der Religiosität der tschechischen ‚„Pikarten‘“ geriet. Als er so im Sommer 1516 die Auffassung des Paulus von der Freiheit interpretierte, die von den Geboten des mosaischen Gesetzes befreit, ließ er sich zu sehr unkirchlichen Schlüssen, zur Ablehnung der Feiertage, der Fasttage, der Orgel, der Bilder und jeglicher Ausschmückung der Kirche und des priesterlichen Gewandes hinreißen, kam aber plötzlich zur Besinnung: ‚Sollen wir also die Ketzerei der Pikarten billigen ? Diese haben sich sicher an diesen Grund- satz gehalten. Und werden wir uns also zur Beseitigung aller Kirchen, aller ihrer Ausschmückung, aller Gottesdienste, aller geheiligten Stätten, aller Fasttage, aller Feiertage und schlieB- lich aller Unterschiede zwischen Geistlichen und Bischöfen und Ordensbrüdern bezüglich der Würden, Gewänder und Zere- monien, wie sie sich bisher durch so lange Zeit erhalten haben, sowie zur Beseitigung so vieler Klöster und Stiftungen, Bene- fizien und Präbenden entschließen können? So tun es näm- lich die Pikarten und so fordert es die Freiheit des neuen Testamentes. Davon müssen wir uns bewahren!“ Und der junge Professor sammelt eifrig Gründe, mit denen er so ge- fährliche Schlüsse widerlegen könnte?). Etwas später, als er sich zu einem ähnlichen heftigen Angriff gegen die falsche

1) Vgl. den Nachtrag. Abkürzung W. bezeichnet im folgenden die kritische Ausgabe Luthers Werke von Weimar.

2) Luthers Vorlesung über den Römerbrief 1515-16, hg. von J. Ficker II, 1908, S. 314—15.

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Frömmigkeit der Zeit, gegen ihre Verirrungen und gegen ihren Aberglauben, dabei natürlich auch gegen den Ablaß hinreißen ließ, hielt er plötzlich inne und sagte!): ‚Hier bleib ich stehen, da hier ein Löwe lauert und es ist gleich ein ketzerischer Pikart hier, der von allem, was wir hier sagen, behauptet, daß wir für ihn sprechen. So schwierig und gefährlich ist die heutige Zeit, daß wir uns entweder bei den Ketzern beliebt machen müssen, wenn wir die Christen tadeln, oder daß wir sie vom wahren Glauben abbringen müssen, wenn wir den Ketzern entgegen treten. Möge auch ein ketzerischer Pikart die aber- gläubischen katholischen Zeremonien verlachen; aber er spottet so, um nur in rhebung zu schmähen, keinesfalls um sich barmherzig herab zu neigen (zu den Verirrten). Er flieht vor ihnen und errichtet sich eine eigene Sekte, indem er sie verläßt, statt zu ihnen hinzugehen und den Verirrten die Hand zu reichen und ihnen liebevoll ihre Lasten tragen helfen. So kommt es, daß, wenn wir unsere Zeremonien preisen, um die Pikarten zu widerlegen, die schlichten Katholiken glauben, daß aller Wert des Glaubens auf den Zeremonien beruht, woran sie schon sehr lange glauben, und sie lassen sich nicht davon abbringen. Wenn wir jedoch dies tun, jubelt der Ketzer und der Pikart setzt uns zu, wie wenn er einen Sieg errungen hätte, obzwar seine und unsere Sprache dem Klang nach ähnlich dem Sinne nach ganz verschieden sind (so wie sich der Mensch vom Esel unterscheidet). Und je ähnlicher die Ketzer den wirklichen Katholiken sind, desto verderblicher sind sie in Wirklichkeit, da sie durch ihren Schein trügen.“

So schwankte der junge Augustiner schon im Jahre 1516 zwischen einer Übereinstimmung mit den ‚Pikarten‘ und ihrer Ablehnung; er sträubte sich, ihnen recht zu geben, aber war sich dennoch dessen bewußt, wie nahe er ihnen stand. Dies bewog ihn zum Studium der Kundgebungen der Brüder selbst; besonders jener, die die Lehre der Vergebung betreffen, die so eng mit seiner quälenden Frage des Ablasses verbunden war. Der Eindruck, den er gewann, war mächtig und be- schämend. |

Wie auffallend stimmte sein eigener Standpunkt mit den Anschauungen der teschechischen Ketzer überein! Seine ganze bisherige Tätigkeit an der Universität verfolgte ein einziges Ziel: Erneuerung des Augustinismus gegen die über- wiegende Scholastik, besonders gegen den Thomismus. Gegen

1) Bruchstücke der Psalmenvorlesung in W. 31, 1, 1913, 8. 476. Nach Böhmer, Luthers erste Vorlesung (Berichte über Verhandl. der sächs. Akademie der Wiss. Philol. hist. Kl. 75, 1923) entstanden ungefähr im Herbst 1516.

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die Mehrheit der Universitäten, an denen sich Thomas von Aquinos Einfluß durch den Dominikanerorden geltend machte, sollte Wittenberg den Glanz des großen Kirchenvaters er- neuern, der gleichzeitig Gründer seines Ordens war, und auf den Trümmern des heidnischen Aristotelismus, der von Thomas oberflächlich christlich gefärbt worden war, sollte der größte der Kirchenväter, Augustin, erglänzen. Der Kampf gegen die Scholastik war schon die Devise der älteren Generation, die von Erasmus und Lefövre geführt wurde!). Der junge Luther vertiefte ihn bewußt und programmatisch in dieser Richtung in der Überzeugung, daß Augustinus als einziger das Evangelium wie sein geliebter Apostel Paulus begriffen habe. In der Verteidigungsschrift der Brüder las er nun mit Erstaunen, wie die Brüder sich auf den ‚alten und großen Doktor‘ Augustinus stützten, und dies nicht nur gegen die kirchliche Abendmahlslehre, sondern auch in der für Luther augenblicklich besonders brennenden Frage: Wie sie nämlich die Hauptstütze des Lehrstückes vom Ablaß, was ihn so auf- wühlte, wie sie den Glauben an ein Fegefeuer als späte Theorie ablehnten, als eine Theorie, die in schroffem Gegensatze zur Lehre der Väter, besonders des Augustinus stand. Was Luther besonders überraschte, war jene Stelle, die vom wahren und ‚gewissen Fegefeuer handelt. Dieses besteht, wie die Brüder behaupteten, in der Gnade Gottes und im Verdienste Jesu Christi. Und zur Begründung dieser Ansicht las er u. a. auch die Worte des ihm so teueren Galaterbriefes, ‚seiner eigenen Epistel‘“‘, über die Rechtfertigung durch den Glauben und nicht durch Werke?), also über das, wozu er sich erst kürzlich

ı) Vgl. A. Humbert, Le origines de la thöologie moderne I, 1911, S. 260ff.

s) Excusatio 52ff.: „Duplex est purgatorium . .. Primum habet fidem in scripturis sacris et est certum . . . de quo sunt testiflcati Balvator et apostoli et primitiva ecclesia: et sequaces longo tempore usi sunt. Secundum ... est incertum ... de quo primitiva ecclesia nihil scivit .. . Sed proxime novi quidam non a longo tempore, ut Thomas Aquinas, is locum invenit tertium in inferno. Sed vetus doctor Augustinus aliter sensit . . . Sicque vetus doctor Augustinus cum aliis veteribus doctoribus contradicit Thomae . . . Utque magis intelligatur ille error de purgatorio, ponemus ex veritate fidei de certo purgatorio hic in hoc mundo. Primum in dei gratia et merito J. Christi et emundatione spiritus s. per fidem, amorem, spem preci- pueque pessiones huius mundi; deinde per verbum dei, vera poeni- tentia, operibus misericordiae et servitio dei, sicut in peroeptione sacramenti et perseverantis usque ad mortem. Et hoc testantur sacrae litterae .. . 8. Paulus: ‚. Gratis enim estis salvati per fidem ...

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in schmerzlichen Kämpfen durchgerungen hatte und worin er sich als einsamer Künder einer neuen und doch so alten Religion fühlte. Erstaunen und Überraschung kämpften in Luther mit Reue und Scham. Er hatte gemeint, daß er als erster Paulus entdeckt und begriffen habe. Mit stolzem Selbst- bewußtsein sah er auf die Führer und Bahnbrecher der christ- lichen Renaissance, sogar auf seine eigenen Lehrer Erasmus und Lefövre herab, in der Überzeugung, daß er sie im Ver- ständnis der Evangelien wesentlich übertroffen habe. Er mußte sich jetzt eingestehen, daß die bäuerlichen tschechischen „Pikarten‘ in der Tat nicht weit hinter den gefeierten Er- neuerern des patristischen Studiums zurückstanden. Ja, er konnte daran zweifeln, ob das, was er als eigene Entdeckung ansah, nicht auch ihnen schon bekannt war. Und er schämte sich plötzlich der Kirche, wenn es ihm zum Bewußtsein kam, daß diese Ketzer, wie sie sich mit Recht beklagen, von den Inquisitoren des Predigerordens auf den Scheiterhaufen ge- bracht wurden!),. Er schämte sich nicht nur der Kirche, sondern auch seiner selbst. Wie unendlich überragen die verfolgten „Pikarten‘‘ die allmächtigen Ablaßhändler, wie unendlich hoch stehen diese Bauern über ihm, dem Doktor der Heiligen Schrift, wenn sie, um ihr nur treu zu bleiben, Leben und Gut aufg Spiel setzen, während er stumm dem Treiben der Ablaßhändler und der Befleckung des Christen- tums durch die Hinrichtung der Ketzer zusah.

Dieses Gefühl der Scham und Beschämung war um so bitterer, als er die Überhebung als Doktor und Deutscher über die ungebildeten Bauern aus dem verachteten ketzerischen Böhmen nicht überwinden konnte. Er sah in ihnen bloß Pharisäer, die durch die Lauterkeit ihres Lebens höher als die Katholiken stehen wollten. Wenn er ihnen schon recht geben mußte, so tat es ihm sehr leid?). So bemühte er sich, ihnen nachzuweisen, daß sie Unrecht hätten und beruhigte sich dann erst wieder, wenn ihm dies wenigstens in einem Punkt gelang. Erst dann erholte er sich von der Bestürzung, wenn er Gründe fand, mit denen er die ‚Pikarten‘“ eines Irrtums

Non iustificatur homo ex operibus legis nisi per fidem J. Christi“ (Gal. 2, 16).

1) In den Resolutiones (siehe den Nachtrag) tadelte er die Ketzer- verbrennung, indem er sagte, daß er dies deshalb tue, damit die Pikarten nicht glauben, daß er schweigt und es billigt (W. I, 624— 25). Zur Sache vgl. jetzt Heinr. Hoffmann, Reformation und Gewissens- freiheit (1932) S. dff.

s) So in der Auslegung der Zehngebote v. J. 1518 (W. I, 424—26) und bereits im J. 1515 in der Psalmenvorlesung (W. 3, 292; 4, 361).

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überführen konnte, wean er mit Genugtuung feststellte, daß die Behauptung in der Verteidigungsschrift der Brüder, daß Augustinus das Fegefeuer abgelehnt hätte, falsch sei!), und als er hinsichtlich der kirchlichen Anbetung des Altsakraments zu einer Ansicht?) gelangte, die man gegen Angriffe der Brüder gut verteidigen kann. Er mußte sich jedoch von neuem sagen, daß in vielem die tschechischen Ketzer recht hatten und daß die Ehre der Kirche sowie seine eigene Ehre auf dem Spiele standen, wenn der Ablaßhandel weiter bestehen. blieb. Welchem Ziele eilt die Kirche zu, wenn das geistige Über- gewicht auf der Seite der Ketzer ist und wenn sie gegen ihre Gründe nur bloße Autorität, aber keine Gegengründe stellen kann?

Es scheint, als ob er anfangs an die Herausgabe einer be- sonderen Schrift gegen die ‚„Pikarten‘‘ gedacht hätte, um zu zeigen, wie man mit ihnen polemisieren müsse und um die polemischen Methoden der beiden in Leipzig erschienenen Schriften, die nur Beschimpfungen, Schmähungen und Hetzereien enthielten, zu verwerfen. Vielleicht schwebte ihm das Vorbild Liliensteins vor, bei dessen Lektüre er wahr- scheinlich von dem lauteren Leben der ‚Pikarten‘“ erfuhr?). Er verspricht wenigstens später zweimal eine solche Polemik).

Diese Aufgabe war jedoch äußerst schwer, wie aus den Versuchen hervorgeht, die wir kennengelernt haben. Auch war die Entrüstung über den Ablaß allzu nachdrücklich, als

1) In den Resolutiones (W. I, 55—56) antwortet er den Brüdern mit folgender Auslegung des Fegefeuers: Licet B. Thomas illum (purg.) sub terra esse putet, ego vero interim cum B. Augustino remaneo scil. quod receptacula animarum abdita sint .... Quae ideo dico, ne Pighardus haereticus in me sibi videatur obtinuisse purgatorium non esse, quia opinionem B. Thomae non explodit. Mihi certissimum est purgatorium esse ... . quando B. Augustinus in suarum confessionum ]. IX. pro matre et patre suo orat.... Quod si etiam tempore apostolorum non fuisset purgatorium, ut superbit fastidiosus Pighardus, nunquid ideo credendum est haeretico, vix 50 annos nuper nato, et fidem tot saeculorum falsam fuisse conten- dendum ?

2) Dies betrifft die Erwähnung der Auslegung der Zehngebote (Anm.]).

3) Liliensteins Tractatus contra Waldenses (1505) Bl. G 6. Was hier der Dominikaner über die Brüder sagt, daß alle predigen, darauf bezieht sich wohl Luthers Kritik, wenn er auch allgemein von Ketzern spricht, in der Römerbriefvorlesung (Anm. 2 8. 106) S. 248.

*) Die eben angeführte Stelle endet mit den Worten: Sed de iis suo tempore, si Deus volet. Und gegen Schluß des Absatzes in der Anm. 1 fügt er hinzu: Sed haec suo operi et tempori.

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daß sie ihm bei Verwirklichung jener Absichten Ruhe ge- gönnt hätte.

Nach langem Überlegen fand er doch eine Lösung, die die Vereinigung der Aufgabe eines Verteidigers der Kirche gegen die tschechischen Ketzer mit dem Angriffe gegen den Ablaß gestattete. Ja, gerade in dem Zusammentreffen beider Auf- gaben erschien ihm eine so bewundernswerte Harmonie zu liegen, daß ihn augenblicklich eine tiefe Dankbarkeit gegenüber Gott erfüllte, da er ihm plötzlich aus dem Labyrinth seiner eigenen inneren Verwirrungen einen Ausweg zeigte. Er stellte sich nun auf einen Standpunkt, der ihn gegenüber jene An- griffe sicherte, die er zu gewärtigen hatte: Er fand nämlich einen Standpunkt, der ihm den Feinden gegenüber eine aus- gezeichnete Waffe bot, die Stellung des Verteidigers der Kirche, der eine Revision des bisherigen Kampfes gegen die Ketzer fordert und neue Waffen verlangt, wenn sich die alten als untauglich erwiesen haben. Auf diese Weise gesichert, konnte er nun manches aussprechen, was er sonst zu sagen kaum hätte wagen können und was ihm gerade durch das Studium der Werke der Brüder vollkommen klar geworden war, daß nämlich das Ablaßsystem nur und ausschließlich ein gewinnsüchtiges Unternehmen der päpstlichen Ad- ministrative, ein Werk voll Lug und Trug sei).

Er argumentiert: „Etwas zu behaupten, was man weder durch Vernunftgründe noch durch die Autorität der Heil. Schrift beweisen könne, bedeutet, die Kirche dem Spotte ihrer Feinde und der Ketzer aussetzen. Für den Ablaß ist es jedoch ganz und gar unmöglich, irgendeine Autorität an- zuführen, so daß wir, falls heute die Kirche den Ablaß zu einer Sache des Glaubens machen wollte, dennoch keinen andern Grund dafür anführen könnten als den, daß es so dem Papst und der Kirche gefallen habe. Aber was erreichen wir damit gegen jene, die der römischen Kirche nicht folgen wie die ketzerischen Pikarten? Diese fragen keinesfalls nach dem Willen des Papstes und der römischen Kirche, sondern verlangen entweder Belege aus der Heil. Schrift oder einen ernsthaften Grund.“ Er tritt gegen den Ablaß als Verteidiger der Kirche auf und diese Verteidigung der Kirche gegen die Ketzer erklärt er als Ziel seines gewagten Schrittes?).

1) Zu dieser Überzeugung bekennt er sich gleich zu Beginn des Kampfes um die Ablaßthesen seinem vertrauten Freunde Spalatin gegenüber (Briefwechsel in W. I, 1930, 146; der Brief stammt vom 156. Febr. 1518).

2) In der angeführten Verteidigungsschrift der Ablaßthesen (W. 1, 608) sagt er: Meritum Christi esse thezaurum ecclesiae (vgl. Excusatio

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Dadurch gewann er nicht bloß einen bedeutenden Bundes- genossen, besonders den Vetter des Kurfürsten, den Herzog Georg, an dem ihm besonders gelegen war, da es ein Fürst von großem politischen Einfluß, von hervorragender Bildung und mit theologischen Interessen war. Er gewann ihn nicht nur für den Kampf gegen den Ablaß, gegen welchen der Herzog schon im Frühjahre 1517 eingeschritten war!), sondern auch für den Kampf gegen die „Pikarten‘, der diesem Neffen Georgs von Podebrady schon seit Jahren am Herzen lag. Er war es gewesen, der Dungersheim zu einer Polemik gegen die Brüder aufgefordert und dessen Werk bezahlt hatte. Nachdem Luther sich so gesichert hatte, unternahm er den entscheidenden Schritt. Er war sich dessen bewußt, wie schicksalsschwer dieser Schritt sei, wenn er sich auch bei weitem nicht vorstellen konnte, wie rasch er von dem mäch- tigen Strome, dem er sich anvertraut hatte, fortgerissen werden wird. Er fand einen schönen Ausdruck für seine . mächtige Erregung, als er jene mystisch gefärbten Worte niederschrieb, die in bewundernswürdiger Art die tragische Mission, der er sich treu ergab, schildern: Dies ist, sagt er?),

der Brüder Anm. 2 8. 108) haereticus negat ... Quod sit thezaurus indulgentiarum, nego, donec docear ..... quia nullis scripturis id pro- 'bari nec rationibus ostendi potest ... Dixi autem prius (in These 90, davon im Nachtrag 8. 19) quod in ecclesia aliquid asserere, cuius nulla potest ratio vel auctoritas reddi, est ecclesiam hostibus et haereticis irrisioni exponere .. . Hic autem adeo est nulla auctoritas ut, si hodie determinaret ecclesia Romana partem affırmativam, nihilo- minus maneret idem periculum scil. quia non possumus rationem reddere aliam nisi quis sic papae et Rom. ecclesiae placuit. Sed quid ista ratio faciet, si ab iis urgeremur, qui Rom. ecclesiam non se- quuntur, ut haereticis Pigbardis ? Hi non voluntatem papae et Rom. eoclesiae, sed vel auctoritatem vel rationem quaerent. Et oerte iste ost mihi vel unicus scopus in ista materia tota. Und in den im Feber 1518 an den Bischof Schulz (Briefwechsel 1, 139) gesandten Resolutiones sagt er: Mihi sane id omnium longe absurdissimum videtur aliquid scil. in ecclesia dei praedicari et audiri, quod cum haeretici expostulaverint, unde rstionem reddamus, et nos non possimus, Christum et ecclesiam eius relinguamus illis ridiculum et ludibrium.

1) Und kurz nach Veröffentlichung der Thesen ließ der Herzog neuerdings die armen Leute vor den Ablässen warnen und beantragte, daß die Thesen an vielen Orten angeschlagen werden (F. Geß in Z. f. Kirch.-G. IX, 590).

2) Hec est gloria fidei, nescire scil. quo eas, quid facias, quid patiaris, et captivatis omnibur, sensu et intellectu, virtute et volun-

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der Ruhm des Glaubens, nicht zu wissen, wohin du gehst, was du tust und was du dulden mußt, in Ergebenheit alles aufzugeben, die Sinne und den Verstand, Kraft und Willen, der bloßen Stimme Gottes nachgehen und eher sich führen zu lassen als selbständig zu handeln. Luther ahnte aber nicht, daß er damit einen Weg betrat, auf dem er eigentlich schon die Kirche verließ, einen Weg, der ihn innerhalb zweier Jahre dorthin führen würde, wo die ihm bisher so unsympathischen tschechischen ‚Pikarten“‘ waren. Es ist schwer zu sagen, welchen Plan Luther im Sinne hatte, als er seinen Kampf gegen den Ablaß begann. Hatte er wirklich einen Plant), so war es der, durch eine öffentliche Diskussion eine neue Formu- lierung der Lehre von der Buße zu erzwingen und die bis- herige anstößige Ablaßpraxis zu beseitigen?). Der Verlauf der Diskussion zeigte allerdings gar bald, wie sehr er sich geirrt hatte. Er wurde zwar mit einer gewissen Zustimmung begrüßt, aber zur Verteidigung des bedeutendsten Ablaß- unternehmers Tetzel trat mit dem ganzen Einfluß seiner Macht sein Dominikanerorden auf und im Verein mit dem Mainzer Erzbischof Albrecht von Hohenzollern, der durch das Eingreifen Luthers stark betroffen wurde, erwirkten sie bald eine Vorladung Luthers nach Rom. Hier erkannte man bald die ernste Gefahr, die der Kirche durch das Auftreten Luthers drohte. Die Lehre vom Ablaß war ja in den letzten zwei Jahrhunderten zu einem Glaubensartikel, zu einem fast unantastbaren Dogma geworden, und zwar weil sich die Wirt- schaft des römischen Hofes auf die Erträge aus den Ablässen stützte?). Nach einigen Verzögerungen, die seine Freunde und Gönner durchgesetzt hatten, stellte sich Luther im Ok- tober 1518 in Augsburg dem Richter, der ihm gnadenweise aus Rom bestimmt worden war, dem Kardinal Kajetan de Vio. Gleich die erste Unterredung schuf Klarheit in dem Konflikt. Der Kardinal war nur der Repräsentant und Sprecher eines Systems, das keine Zugeständnisse und kein Feilschen kannte. Er legte einfach Luther die Bulle Klemens VI. vom Jahre 1343 vor, die seine Ansichten verwarf, und verlangte, daß Luther, wie dieser übrigens selbst versprach, widerrufe. Luther

tate, nudam Dei vocem sequi et magis duci et agi quam agere (Vor- lesung über den Hebräerbrief, hg. von Joh. Ficker II, 1929, S. 119).

!) Siehe den eben erwähnten Ausspruch.

2) Urteil Ed. Bratkes, Luthers 95 Thesen (1884) S. 273.

s) Darüber ein klassischer Ausspruch des Erasmus bei P. Kalkoff, Erasmus, Luther und Friedrich der Weise (Schr. des Ver. f. Ref.- Gesch. 132, 1919) S. 24. Zum folgenden vgl. Kalkoff, Luther und die Entscheidungsjahre der Reformation, 1917.

Archiv far Reformationsgeschichte XXI. 1/2. 8

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versuchte zuerst die Bulle zugunsten seiner eigenen Ansichten zu interpretieren, aber da er sah, daß die Verteidigung ver- geblich wäre, verlangte er, in die Enge getrieben, eine Ent- scheidung des Konzils gegen den ha das ja über dem Papst stehe. Der Kardinal an ruhig mit einem Hin- weis auf das vor kurzem erst a ebgehalinc päpstliche Lateran- konzil, das ausdrücklich die Er des Konzils von Basel verwarf, und beendete die Unterredung Luther war sich klar darüber, daß hier seine religiöse zeugung mit einem bloßen Diktat zusammenstieß, dem er nicht gehorchen konnte und durfte. Er lehnte es ab, sich zu. en und legte, wie es üblich war, Berufung beim ° nn bald hernach beim Konzil ein, obgleich er wußte, es nach den letzten päpstlichen Erlässen streng ver- ur und daß er schon dafür den höchsten Kirchen- strafen verfallen war. Er war auf alles vorbereitet, sogar auf die Flucht ins Ausland nach Paris. Aber er war auch zu einem Kampfe auf Leben und Tod entschlossen, zu einem Kampfe, demgegenüber alles Bisherige ein bloßes Spielzeug war!), zu einem direkten Angriff auf das Papsttum, in dem, wie er überzeugt war, der Antichrist zur Herrschaft gelangt war... So sagte er sich binnen eines Jahres vollständig vom Papsttum und der Kirche los. Er entschloß sich, alle Brücken hinter sich abzubrechen und sich auf den Boden des Revo- lutionsprinzipes der tschechischen Reformation?) zu stellen, wie er es bei der Brüderunität kennengelernt hatte. Solange er sich nicht in die Abwehrschriften der Brüder vertieft hatte, überwand er ihre Anschauungen durch die üblichen katholi- schen Begründungen. Während sich die tschechischen Ketzer auf die Schrift beriefen, um die kirchliche Lehre von den Sakramenten und vom Primat des Papstes zu verwerfen, erklärte dies Luther für Übermut und Torheit, mit der sich die Juden an Christus versündigten und die vergißt, daß die Wahrheit nichts Fertiges ist, sondern daß sie sich schrittweise und allmählich offenbert®). Als er sich so in die Kundgebungen

1) Longe meaioras, schreibt er am 11. Dez. 1518, d. h. vor der Ver- öffentlichung der Verhandlungen mit Cajetan, parturit animus (Brief- wechsel I, 270). Zur Lage vgl. E. Kohlmeyer, Die Entstehung der Schrift Luthers ‚‚An den christl. Adel der dt. Nation‘, 1922, S. 64ff.

3) Das Antichristentum des Papstes charakterisiert er im Febr. 1519 (s. Kohlmeyer) mit den Worten: leges condere postposite scrip- tura ex affeotu ambitae Tyrannidis.

8) Dictata super Psalterium (W. 4, 345). Kurz zuvor liest man (S. 344) da: nec ad fidem cogendus est aliquis, wie wörtlich gleich- lautend die Apologie der Brüder (bei Lydius 8. 19) sagt.

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der Brüder eingelesen hatte, schwand bald seine Überhebung und die bäuerlichen Pikarten besiegten den Doktor der Theologie. |

Vielleicht ist es ihm selbst nicht einmal zum Bewußtsein gekommen, wie er unter ihren Einfluß geraten war und was für einen verhängnisvollen Schritt er unternahm, als er sich teilweise hinter den tschechischen Ketzern verbergend bei der Verteidigung der Ablaßthesen die Forderung aufstellte, daß die Kirche, wenn sie nicht wehrlos sein wolle, den Ketzern mit der Heil. Schrift oder mit Gründen entgegentreten müsse. Auch merkte er nicht, daß er sich gänzlich auf ihren revo- lutionären Boden stellte, wenn er den Brüdern zu beweisen suchte, daß sie Unrecht haben, wenn sie behaupten, daß Augustin das Fegefeuer nicht anerkannte, aber wenigstens stillschweigend zugab, daß das Fegefeuer der ursprünglichen Kirche unbekannt gewesen wer. Und er sah nicht, daß er seine frühere Meinung verlassen und die entgegengesetzte An- sicht der Brüder angenommen hatte, wenn er eine Behauptung aufstellte, die er zwar nicht den Kundgebungen der Brüder entnommen hatte, die aber nur eine Konsequenz ihrer Thesen

war. 2

Es ist dies die Behauptung!), daß zur Zeit Gregors des Großen der Primat von der griechischen Kirche nicht an- erkannt worden war. Luther bemerkt dies nur so vorüber- gehend, ohne daraus irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Die Gegner begriffen jedoch gut die Tragweite dieser Behauptung und ihre Verwandtschaft mit den Lehren der tschechischen Ketzer. Mit Freude griff es Dr. Eck auf und, um Luther zur Vollendung des Ausspruches zu provozieren, stellte er die Gegenbehauptung auf, daß der Primat der römischen Kirche schon 400 Jahre vor Gregor dem Großen bestanden habe, vor Papst Silvester (f 335). Dieser Angriff Ecks fällt gerade in den Beginn des Jahres 1519, als die Diplomatie des sächsischen Hofes Luthers Angelegenheit in die Hand nahm und ihm bei der Kurie beinahe die Einstellung des Prozesses erwirkte, wo- bei sie allerdings zugleich Luther zur Mäßigung und zu Kon- zessionen zwang*). Luther, der gedemütigt worden war, be- grüßte daher das Vorgehen Ecks und, um ein für allemal jeden weiteren Rückzug unmöglich zu machen, antwortete er mit der berühmten These XIII. Sie lautete: „Daß die

1) Diese Episode schildert E. Schäfer, Luther als Kirchenhistoriker (1897) 8. 46fl. 3) Dies ist die Zeit der sog. Miltitziade, die von Luther die beinahe

. demütigenden Etlich Artikel und Bittschriften an Erasmus, Reuchlin

und den Papst erzwang. 8*

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römische Kirche über allen übrigen Kirchen steht, pflegt man durch gänzlich vertostete Dekrete der römischen Päpste zu beweisen, die im Laufe der letzten 400 Jahre erschienen sind. Dem stehen jedoch bewährte Historien von 11 Jahrhunderten, der Wortlaut der Heiligen Schrift und das Dekret des Konzils von Nicäsa gegenüber.‘ Die kühne Behauptung sagte, daß das Papsttum nicht, wie die Kirche verkündete, von Christus begründet worden sei, sondern daß es ganz jungen Ursprunges, eine menschliche, keine göttliche Schöpfung sei. D eine reg De Gehorsams, ja eine Kriegser an das Papsttum, früher noch, bevor es den sich auflehnenden Mönch, der von seinem Kurfürsten energisch geschützt ; mit dem Banne belegen konnte. Es war klar, daß ihn der Bann nicht erschrecken werde, und der Widerhall, den Luthers Worte, der sich so furchtlos im Juli 1519 auf der berühmten Disputation mit Eck in Leipzig verteidigte, in ganz Deutsch- land hervorriefen, zeigte, daß die Sache des Wittenberger Augustiners zur Sache des ganzen Volkes wurde, daß im Reiche eine Auflehnung gegen das verhaßte römische Regime ausbrach, die schon längst vorbereitet war, jetzt aber un- abwendbar geworden war, da sie endlich ihren Führer ge- funden hatte. Elementare Kräfte setzten sich in Bewegung, Kräfte, die stärker waren als der einfache Mensch: die eiserne Logik von Prinzipien, die zu immer neuen Schlüssen zwingt, zu immer kühneren Folgerungen. Sobald einmal das Pa gefallen war, begann die freigewordene historische Kritik alles zu beseitigen, was späteren Ursprunges war und keine Be- gründung in der Heil. Schrift oder in der Ordnung der ur- rünglichen Kirche hatte. Der deutsche Aufstand und vor allen Luther gerieten bald auf die gleichen Wege, auf denen vor hundert Jahren die tschechische Reformation gegangen war, und schließlich kamgn sie dort an, wohin ihre entschie- denste Richtung, die Unität, gelangt war.

Auf diesem ganzen Wege begleiteten, wie schon oft ge- schildert worden ist!), und ermutigten Luther das Vorbild und die Erfahrungen der tschechischen Reformation, nicht zuletzt ‚‚das edle christliche Buch‘ des Hus’®), seine Schrift „De ecclesia‘‘, die auf Betreiben Luthers 1520 zum ersten Male im Druck erschien, und zwar sofort zweima) und in großer Auflage. Er gab diesem Einflusse nicht immer ohne Widerstand und ohne Zaudern nach, nur schrittweise, oft wieder zurückweichend, oft aber auch mit Freude und Be-

1) Zuletzt von J. Cihula und nach ihm von W. Koehler; über ihre Arbeiten vgt. den Nachtrag. 3) Von den neuen Eckischen Bullen 1520 (W. 6, 587).

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geisterung. Einige Jahre, die allerdings auch von einer sehr günstigen politischen Situation begleitet waren, genügten, daß er in Sachsen eine Kirche schuf, die der Brüderkirche sehr ähnlich war. Eine Kirche, die allmählich nicht nur alle wesentlichen Punkte des hussitischen Programmes verwirk- lichte: den nationalen Gottesdienst, die Erneuerung des Kelches und die Säkularisation der Kirchengüter, sondern auch das, was in Böhmen erst das Werk der Brüder war, nämlich die konsequente Lostrennung von der römischen Kirche: Die vollkommene Aufgabe des Gedankens der sog. apostolischen Nachfolge und der Institution der Bischofs- würde. Das Luthertum erreichte so alle Erfolge, die auch die tschechische Reformation, allerdings unter viel schwierigeren Verhältnissen, erreicht hatte. Ein zweifacher wesentlicher Unterschied blieb trotzdem zwischen der Kirche Luthers und der Brüderkirche bestehen. Die Brüderunität ist ihrer Ver- fassung nach eine freie, vom Staste unabhängige Kirche, die lutherische Kirche ist eine Staatskirche. Und beide Kirchen sind auch verschieden in der Auffassung des Abendmahles. Die Brüderunität blieb dem großen Lehrer Wiclif treu, während Luthers Lösung die deutlichen Züge des entgegengesetzten philosophischen Standpunktes, des Nominalismus, trägt, der übrigens auch den Hintergrund zu Luthers Standpunkt zum Staate bildet!,,. Dies waren tiefgreifende grundsätzliche Unterschiede: Sie entzweiten Luther mit vielen früheren Bundesgenossen und Mitarbeitern, beginnend mit Karlstadt, und sie sind nicht zuletzt der Grund für die Scheidung der Weltreformation in ein lutherisches und in ein reformiertes Lager. Das gute Verhältnis zwischen Luther und der Brüder- unität wurde jedoch durch die mächtige Spannung nicht ge- trübt. Das Verdienst gebührt nicht nur dem geistigen Führer der damaligen Brüderunität, dem Bischof Jan Augusta, der sich lange und ausdauernd im Geiste Luthers um die Ver- einigung der Brüder mit der maßgebenden hussitischen Rich- tung, den Neu-Utraquisten, bemühte. Es war auch ein Ver- dienst Luthers. Was zwang ihn zu dieser sicherlich auffallenden Achtung, wenn wir sie mit seinem Verhalten z. B. Zwingli gegenüber vergleichen ? Wer diese allerdings komplizierte Frage in einfacher Weise beantworten möchte, darf nicht vergessen. wie Luther mit der Brüderunität ursprünglich bekannt wurde. Trotz der Widersprüche, die das Leben in so reichem Maße mit sich bringt, vergessen wir niemals die, die uns in ent- scheidenden Augenblicken des lebens geholfen haben! So

1) Vgl. R. M. ‚Jones, Geistige Reformatoren des 16. u. 17. Jahrh. (1925) S. 13.

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war'es zweifellos auch bei Luther der Fall. Nach Jahren, als ihm schon der Zusammenhang der Ereignisse am Beginne seines Kampfes nicht mehr ganz klar war, schilderte er den mächtigen Eindruck, den auf ihn in den ersten Jahren seines Ringens die Brüderunität gemacht hatte, als er im Jahre 1538 das neue Bekenntnis der Brüder in einem Begleit- schreiben der Welt empfahl und sich dabei an seine eigenen Anfänge erinnerte, da schrieb er in schöner Erinnerung an die Brüder!): „Unter den Brüdern fand ich endlich die einzig- artige und denkwürdige Erscheinung und das große Wunder, das fast unerhört ist in der Kirche des Papstes, nämlich daß sie, soviel sie können, über das Gesetz des Herren Tag und Nacht nachdenken und daß sie in der Heil. Schrift erfahren und bewandert sind... .‘“ Luther schilderte hier viel von dem Zauber, mit dem ihn die Abwehrschriften der Brüder anzogen und der noch deutlicher daraus hervorging, was wir in seinen eigenen Kundgebungen zu Beginn des großen Ringens fanden, das ihn schließlich so den tschechischen Pikarten näherte.

Nachtrag:

Die Frage, deren Lösung diese Arbeit versucht, existiert in der überaus umfangreichen Literatur, die der Person und besonders den Anfängen Luthers gewidmet ist, eigentlich nicht. Diese Literatur kennt sie höchstens in der Form, soweit und wie der deutsche Re- formator über die Brüder geurteilt hat. Nichtedestoweniger wurden die Grundlagen, suf denen meine Ansichten basieren, schon 1900 von dem heute hervorragendsten Kenner der Reformation, W. Koehler, in seinem Jugendwerke „Luther und die Kirchengeschichte nach seinen Schriften, zunächst bis 1521‘ geschaffen. Mit Hilfe des be- kannten Historikers der Brüderunität Jos. Th. Müller stellte er näm- lich (S. 175/76) beinahe sicher fest, daß Luther im Jahre 1518 die „Excussatio contra binas litteras doctoris Augustini‘“ der Brüder kannte, die im Jahre 1512 im Werke Zieglers enthalten war. Dadurch entstand die Frage, mit der sich aber nicht einmal Koehler befaßte, wann nämlich diese Apologie der Brüder in Luthers Hände gekommen ist und ob und wie sie auf ihn gewirkt hat. Diesen Weg, der leider den beiden Arbeiten des Jos. Cihula ‚‚,M. Luther a Cechov6 podobojf“ (M. Luther und die utraquistischen Tschechen, in ‚‚Cesky Casopis historicky‘‘ 1897) und ‚‚Pom’r Jednoty br. k Lutherovi‘‘ (Das Ver- hältnis der Brüderunität zu Luther“ in Sitzungsberichte der Kgl. Böhm. Gesellschaft der Wissenschaften 1897) unbekannt geblieben ist, schlug meine Forschung ein, deren Ergebnisse ich hier zusammenfasse.

Der Ausgangspunkt meiner Untersuchung ist, wie gesagt, die Feststellung Koehlers und Müllers über Luthers Kenntnis der er-

ı) W. 50, 380.

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wähnten Abwehrschrift der Brüder im Jahre 1518. Sie beweisen es damit, daß Luther von den Pikarten nagt, daß diese die Katholiken mit Beweisen überhäufen, denen zufolge man niemanden anderen als Gott anbeten dürfe, und daß sie sich rühmen, wie sie als einzige gerade Gott verehren und daß Luther behauptet, daß die Pikarten verkündeten, daß es zur Zeit der Apostel noch kein Fegefeuer gab. Beide diese Behauptungen befinden sich eben in der ‚„Excusatio“ (Lydius, Waldensia I, 1616, 52ff.). Die Belege sind teils aus der lateinischen Auslegung der Zehn Gebote, teils aus den ‚„‚Resolutiones disputationum de indulgentiarum virtute‘“ (Resolutiones) geschöpft. Die erstere Schrift erschien am 20. Juli 1518 (W. I, 394). Ein Teil der letzteren, in der jene Erwähnung enthalten ist, erschien im Druck am 10. Juli desselben Jahres. Luther schickt sie aber seinem Bischof gleich Mitte Februar (Briefwechsel I, 138) und in Druck gibt er sie anfangs April; und er hat sie sicherlich teilweise schon vor Veröffent- lichung der Thesen abgefaßt, deren Verteidigungsschrift sie darstellt, elso vor dem 31. Oktober 1517 (O. Clemen in der Einleitung zu Luthers Werken in Auswahl I, 1912, 15), er bietet sie schon zu dieser Zeit dem Mainzer Erzbischofe an (Briefwechsel I, 112).

Daß Luther die Abwehrschrift der Brüder schon vor diesem historischen Tage in Händen hatte, davon bin ich aus folgenden Gründen überzeugt. In dieser Verteidigungsschrift der Ablaßthesen erklärt Luther, daß das einzige Ziel seiner Aktion darin bestehe, von der Kirche Spott und Angriffe abzuwenden, denen sie ausgesetzt sei wegen der Unmöglichkeit den Ablaß durch die Heil. Schrift oder durch einen Vernunftgrund zu stützen (vgl. oben Anm. 2 8. 111). Diese Argumentation steht nun beinahe wörtlich bereits in der These 90 vom 31. Oktober 1517 (Ausgabe Clemens, 8. 9), so daß sicher ist, daß diese Motivierung der Gründe nicht nachträglich ausgedacht, sondern vollkommen wahr ist. Daraus kann man die Schlußfolgerung ziehen, daß der Grund seines Auftretens, den er hier anführt, ein Ergebnis der Lektüre der Schriften der Brüder ist.

Darin bestärkt mich ferner ein wichtiger psychologischer Grund, der aus der Tatsache geschöpft ist, daß sich Luther schon im Herbst 1516 so sehr, ja fast leidenschaftlich, mit der Frage der Pikarten (oben Anm. 2 S. 106 u. 1 S. 107) befaßt. Wenn ihm schon damals die Übereinstimmung seiner eigenen Ansichten mit denen der Pikarten unangenehm war, muß man annehmen, daß er ihre Ansichten über den Ablaß im Detail sogleich kennenlernen wollte, als er gegen den Ablaß auftreten wollte. Es war auch ein dringendes Gebot der Selbst- verteidigung, denn von hier mußte er den ersten Angriff erwarten, wie es auch geschah. Seine Gegner argumentieren mit nichts so eifrig wie mit dem Einwand, daß er Ansichten der Hussiten und Pikarten verteidigt.

Endlich, wenn such nicht an letzter Stelle, beweisen Luthers Vertrautheit mit den Kundgebungen der Brüder vor dem 31. Oktober

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1517 Spuren davon in den Thesen selbst. Wir finden sie such in den lakonischen Sätzen, deren Bündigkeit und Form überhaupt ähnliche Untersuchungen so ungemein erschwert. J. Köstlin, der sie theo- logisch analysiert, findet in ihnen gegenüber früheren Kundgebungen Luthers über den Ablaß, daß er ihm hier zum ersten Male grund- sätzlich die Macht abspricht, den Toten zu helfen (Luthers Theologie in ihrer geschichtlichen Entwicklung, I?, 1901, 164). Wenn wir die bisherigen Gründe, die dafür sprechen, daß sich Luther vor dem Angriffe auf den Ablaß mit den Abwehrschriften der Brüder befaßte, anerkennen, ist die Erklärung leicht: Luther übernahm dann bloß die Anschauung der ‚„‚Excusatio‘‘ der Brüder, mit der er in der Ver- teidigungsschrift der Thesen polemisiert. Die Brüder lehnen in einer Kritik der Lehre von der Vergebung die katholische Auffassung der Sache einige Male ab (oben Anm. 2 S. 108). Und aus dem kleinen Werk der Brüder stammen wahrscheinlich jene stutzig machenden Züge des gegen den Ablaß gerichteten Maueranschlages Luthers, die ein hervorragender Kenner semipelagianisch nennt (dasselbe Werk I!, 1863, 200, ich kenne es nur sus einem Bruchstück bei Ed. Bratke, Luthers 95 Thesen, 1884, 272—73). Er meint damit wohl den Schluß des Maueranschlages, der lautet: „Exhortandi sunt christiani, ut caput suum Christum per penas, mortes infernosque sequi studeant 80 sic magis per multas tribulationes intrare celum quam per securi- tatem pacis oonfidant.‘‘ Dieser ungewohnte Hinweis auf Leben und Werke, den wir hier lesen, erklärt sich eber leicht durch die An- nahme, daß es ein Widerhall des mächtigen Einflusses der Brüder ist, besonders ihrer Definition des wahren Fegefeuers (oben Anm. 2 8. 108), wo neben der Gnade Gottes einen hervorragenden Platz einnimmt „passio huius mundi, vera poenitentia, opera misericordiae, per- severantia usque ad mortem.“

Th. Müntzers deutsche evangelische Messen.

Von E. Jammers.

Bereits Smend schreibt in seinem Werke übe \Jie evan- gelischen deutschen Messen bis zu Luthers Deutscher Messe), daß Müntzers Produkte?) eine ganz eigenartige Stellung in der kultischen Literatur jener Zeit einnähmen, aber noch bisher nirgends gewürdigt seien. In bezug auf die musikalische Arbeit Müntzers hat sich diese Vernachlässigung bisher nicht geändert?2). Begründet dürfte die Unbekanntheit Müntzers wohl darin liegen, daß Luther sich heftig gegen Müntzer ge- wandt hat obwohl seine Stellungnahme eigentlich kaum begreiflich ist sowie daß Luthers Deutsche Messe wie auch andere Ordnungen größeren Erfolg gehabt haben.

Die liturgischen Besonderheiten mögen hier nur kurz er- örtert werden. Müntzer dürfte von allen reformatorischen Liturgikern der konservativste gewesen sein, vor allem was den Umfang dessen betrifft, was er übernimmt wenngleich er Freiheit läßt, daß da ‚mag ein itzlicher zcu legen oder abnemen“. Eine Gegenüberstellung erhellt dies am besten:

Müntzer?): Kath. Messe: Psalm 42%) Judica _ Introibo Beicht (thut der prister) Confiteor (des Priesters, nach- her der Gemeinde) Gott wend dich vgl. Deus tu conversus _ Oremus *Introitus Introitus *Kyrie Kyrie

*Preisz sey Gott [außer dem Gloria [außer der Advents- u. Ampt vom leyden Christi] Passionszeit]

1) Göttingen 1896.

2) Deutsch Evangelisch Messze. Alstedt 1524.

®s) Vgl. jetzt aber: Mahrenholz: Zur musikalischen Gestaltung von Luthers Gottesdienstreform, in: Musik u. Kirche. 1933.

4) [ ] bedeutet, daß dieser Teil nicht in allen Messen vertreten ist; * bedeutet Gesangsvortrag.

5) Daß auch der Psalm 42 (43) zu singen sei, wie Smend annimmt, ist sehr unwahrscheinlich. Bei der reichen Musikausstattung ist das Fehlen der Noten entscheidend. Auch lautet die Anweisung: „wirt gesprochen“. Wie wäre er auch zu singen gewesen ? In der kath. Messe wird er auch nur rezitiert.

1223

(Müntzer:;)

*Der Herr sey mit Euch Collect Geles

* Alleluia

*[Sequenz]

*Der Herr sey mit Euch Evangelion

*Ich gleube

*Offertorium

*Durch alle ewigkeit .... *Warlich es ist billig *Heylger

*Einen Tag zcuvor *Dorumb last uns alle bitten *Vater

*Durch alle Ewigkeit *Der Frid

*O lamp

Collecte

*Communio

*Laßt uns gesegnen.

(Kath. Messe:)

Dominus vobiscum Collecten

Epistel

Graduale [oder Alleluia] Alleluia [oder Tractus] [Sequenz]

Orationen

Dominus vobiscum Evangelium

Credo

Offertorium

Canon

Per omnia saecula . Praefation

Sanctus Benedictus weitere Teile des Canons Pridie

Divina institutione Pater noster

Libera

Per omnia saecula

Pax

Agnus dei

weitere Teile des Canons Collecten

Communio

Schlußgebete Benedicamus oder Ite missa.

Zwei Fragen tuen sich auf: Wie kommt Müntzer zu dieser Auswahl, und was unterscheidet ihn von den anderen Re- formatoren? Daß der Kanon ın Fortfall kommt, charak- terisiert Müntzer wie alle anderen. Er hat in einer evangeli- schen Messe keinen Platz. Dagegen übernimmt Müntzer den Einleitungsteil bis zum Introitus, Ökolampadius hat nur das Confiteor, Kantz evangelische Messe von 1522 hat eine „absolution“ in neuen Formen, Luther einen deutschen Psalmen im primo toto, das Offertorium sowie die Responsionen: Durch alle Ewigkeit usw. während die übrigen Teile wenn auch nicht in solcher Vollständigkeit auch in anderer Ordnung zu finden sind). Mit anderen Worten, er übernimmt alle gesungenen Teile der kath. Messe,

ı) Vgl. auch Theob. Schrems, Die Geschichte des gregor. Gesanges in den protestant. Gottesdiensten.

123

auch dort, wo sie wie das ‚Per omnia saecula‘ ein voran- gehendes Gebet abschließen, also ohne dieses sinnlos sind! Ja, er läßt wie auch Luther die Consecrationsworte, die Worte der Termung, singen (in der „Ordnung“ sagt er: „Die Worte der Termung seint im ersten Anfang der kirchen auch offentlich gehalten ... .‘). Die kath. Kirche ordnet an, daß diese Worte „‚secrete“ zu sprechen seien. Und auch Öko- lampadius und Kantz lassen die Worte sprechen.

So muß also der musikalische Gedanke bei der Zu- sammenstellung der Messen als wesentlich und entscheidend betrachtet werden.

Müntzer hat fünf Messen zusammengestellt: die Gesangs- texte lassen sich mit einer Ausnahme sämtlich im kath. Gradualbuche nachweisen. Nach Smend ist die alte Ordnung nicht gewahrt. Indessen ist die Zusammenstellung nicht völlig frei, die Adventsmesse Müntzers folgt der Ordnung des l. Adventssonntag der kath. Liturgie mit der Ausnahme, daß der Introitus ‚Ad te levavi“ ersetzt wird durch den des 3. Adventssonntag. Grund war wahrscheinlich, daß auch das Offertorium den gleichen Text ‚Ad te levavi‘‘ benutzte, was Müntzer sicher als verbesserungsfähig betrachtete.

Die Weihnachtsmesse entspricht genau der gregorianischen 3. Weihnachtsmesse, die Ostermesse der Messe des Oster- sonntags; die Pfingstmesse ersetzt die Communio des Pfingst- sonntags, dessen Gesänge sonst übernommen werden, durch die des 3. Pfingsttages. Als Grund muß wohl die Länge der Sonntagscommunio betrachtet werden. Die Passionsmesse übernimmt den Introitus des Karmittwochs, das Offertorium des Gründonnerstags, dagegen die Communio des Palmsonn- tags. Diese wurde sicher wieder deswegen gewählt, weil sie die kürzeste Communio der Karwoche ist. Allein das Alleluia der Passionsmesse vermag ich nicht nachzuweisen, wenıgstens nicht unter den heutigen Gesängen des Graduale; ein Alleluia ist ja überhaupt während der Fastenzeit in der katlı. Liturgie verpönt. Textlich freilich entspricht es dem Graduale vom Gründonnerstag, das aber eine ganz andere Melodie besitzt. Auch ist die Melodie keine typische allelujatische Melodie.

So erweist sich Müntzer in der Übernahme der Gesangstexte konservativ da es sich um Gesänge aus der Bibel handelt, bestand ja auch für ihn keine Veranlassung, hier sich anders zu verhalten. Änderungen erfolgen nur, um Textwieder- holungen oder zu große Länge zu vermeiden (aus welchen Grunde auch bei ihm das Graduale gefallen sein Jürfte).

Auffällig ist noch, daß Müntzer in der Adventsmesse das Gloria singen läßt (in der Passionsmesse wird es nicht er- wähnt, woraus aber kein Schluß gezogen werden darf). Die

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kath. Liturgie vermeidet es in Advents- und Fastenzeit. Im Zusammenhang mit dem Alleluia in der Passionsmesse muß man das als beabsichtigte Vereinfachung des MeBaufbaues betrachten.

Die wichtigste Frage aber ist: Wie hat Müntzer sich der Musik seiner Vorlagen gegenüber verhalten ?

Als erstes ist auch hier zu erwidern, im wesentlichen konservativ. Er geht so weit, daß er das Eleison neunmal singen läßt, jedoch in nicht tropierter Form, während sonst meist in der reformatorischen Messe das dreifache Eleison oder aber die Tropen bevorzugt werden. Im übrigen setzt er die von ihm gewählten Kyrie ohne weiteres als bekannt voraus: Er bricht öfters die Melodien ab und fügt ein ‚‚etc.“ hinzu. Es ist ersichtlich, er will die Melodien möglichst unverändert übernehmen.

Bei einem Vergleich der Gesänge Müntzers mit den Melo- dien, wie sie das heutige Graduale Vaticanum verzeichnet, stößt man aber doch auf eine Menge von Unterschieden. Diese lassen sich in vier Gruppen ordnen. Die erste besteht aus Veränderungen melodischer Art: In der diatonischen kleinen Terz ersetzt der höhere Terzton den um eine halbe oder ganze Stufe tiefer liegenden Sekundton. Die dorische Tonart beginnt beispielsweise daca statt daba, oder schließt defedefd statt defedeed, der phrygische Halbschluß lautet statt fe: ff oder vielmehr f. Diese sehr zahlreichen Unter- schiede fallen nicht Müntzer zur Last, sondern besagen nur, daß Müntzer nicht der romanischen, sondern der sog. germani- schen Choraltradition folgte, wie sie damals die meisten deutschen Handschriften aufwiesen, also etwa das Graduale der St. Thomaskirche zu Leipzig, mit dem er oft überein- stimmt. Die zweite Gruppe der Abweichungen ist mehr graphischer (oder auch rhythmischer) Art: Tonwiederholungen werden in der Regel durch einfache Noten wiedergegeben. Nur die Bistropha findet sich häufiger, das Zeichen für die Tonverdoppelung. Ob Müntzer diese Vereinfachung selber vorgenommen hat, ist schwer zu sagen; möglicher ist es, daß er dergleichen Veränderungen schon in der Vorlage vorfand. Jedenfalls aber würde ihn diese Veränderung nicht besonders charakterisieren, da der ganzen Zeit!) das Verständnis für diese Tonwiederholung wie überhaupt den Choralrhythmus ab- gesprochen werden muß. Eine dritte Veränderung besteht in Kürzungen des Gesangstextes. Vor allem beim -Alleluia sind sie festzustellen: Der Jubilus des Alleluias wie

ı) Das Thomanergraduale des 14. Jahrh. weist natürlich diese graphisch-rhythmische Vereirfachung noch nicht auf.

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auch der des Alleluisversus werden gestrichen. Dies dürfte in dieser ausgedehnten Form nicht auf die handschriftlichen Vorlagen zurückzuführen sein, doch darf man nicht übersehen, daß auch hier die allgemeine Tendenz darauf hinausging, über- lange Stellen des alten gregorianischen Chorals zu streichen.

Wenn also diese Abweichungen mehr der Tradition und der Zeit zuzuschreiben sind, in der Müntzer lebte, so ist die vierte Gru um so interessanter, da sie auf die Verdeutschung des lateinischen Textes zurückzuführen ist.

In welcher Weise ist Müntzer bei der Verdeutschung vor- gegangen? Die Frage, ob es überhaupt möglich ist, den gregorianischen Choral zu verdeutschen, wird in der Regel verneint. Auch Luther, der selber ‚zu jedem Cantu gregoriano und dem Choral gute Eust hatte“, gehört zu diesen Gegnern. Er will es zwar geschehen lassen, daß man den lateinischen Text verdolmetscht und lateinischen Ton und Noten behält; „aber es lautet nicht artig noch rechtschaffen. Es muß beides, Text und Noten, Akzent, Weise und Geberde aus rechter Muttersprache und Stimme kommen; sonst ist alles ein Nach- ahmen wie die Affen tun“. Die Übersetzung eines Gesangs- textes ist zwar stets eine gefährliche Angelegenheit, aber daß sie gelingen kann, beweisen Beispiele genug. An sich müßte also auch die Übersetzung aus dem Lateinischen ins Deutsche möglich sein, und es wird keinem, der sich in die Klangwelt des gregorianischen Chorales eingelebt hat, möglich sein, nicht auch bei den Müntzerschen Gesängen tief ergriffen zu werden. Indessen liegen die Verhältnisse beim Choral besonders schwierig. Einesteils ist schon beim einstimmigen Gesang an sich, dann aber oft beim gregorianischen Choral ganz be- sonders die Verflechtung von Weise und Wort sehr viel enger als in mehrstimmiger Musik oder beim begleiteten Lied; und dann entspricht die Melodie des gregorianischen Chorals durchaus nicht der Geberde des schlichten Lateins (sei es des klassischen, sei es des mittelalterlichen), sondern eher eines Lateins, das von Halborientalen gesprochen wurde, wenn ich mich so ausdrücken darf. Mit anderen Worten, der gregoriani- sche Choral enthält zwei Elemente in sich verflochten, die bei einer Übersetzung säuberlich auseinandergetrennt werden müßten. Zu einer säuberlichen Zerlegung ist aber selbst die heutige Wissenschaft noch nicht völlig in der Lage: Es handelt sich um das psalmodische Element, das Akzent und Wort- gliederung weitgehend vernachlässigt, und ein sprach- melodisches. Bei dem sprachmelodischen wäre die ‚‚Gebärde“ des Lateinischen zu ersetzen durch die des Deutschen. Das psalmodische müßte aber unverändert bleiben falls man nicht das ganze Gefüge des Chorals zerstören will.

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Die Hauptprobleme bestehen darin, die Akzente der deut- schen Sprache richtig unterzubringen, andererseits die ver- schiedenen Längen der beiden Texte auszugleichen.

Was nun die Akzentfrage betrifft, so muß natürlich zu- gebilligt werden, daß dort, wo psalmodiert wird, es nicht besonders schlimm ist, wenn der deutsche Akzent anders liegt als der lateinische. Ebenso kann bei einem stark verzierten Gesange eine solche Verschiebung der Akzente nicht be- achtlich sein. Im allgemeinen aber ist es Müntzer gelungen und man kann eine gewisse Absicht nicht verkennen —, die Akzente an einer ihnen zukommenden Stelle unterzubringen. Größere Störungen entstehen eigentlich nur an einer Stelle, wenn am Schlusse (falls er akzentmäßig gebildet wurde) dem. im Lateinischen die Regel bildenden Paroxytonon (der Art: növum) ein endbetontes Wort entspricht (etwa: ein neües Lied) oder zwei Akzente aneinanderstoßen: dem Preis Göttes.

In den übrigen Fällen versteht es Müntzer, einzelne Töne einzuschieben oder zu kürzen oder aber auch im verzierten Gesange, Verzierungen auf mehrere Silben zu verteilen oder auf einer zusammenzuziehen ähnlich wie die gregorianischen Künstler verfuhren, wenn sie neue Texte alten Melodien unterlegten. Im psalmodierenden Gesange bedarf es na- türlich solcher Rücksichten nicht, da hier die feststehenden Melodieteile jeder Silbe zugeteilt werden müssen, unbe- kümmert darum, ob sie akzentuiert sind oder nicht. Freilich, wie es selbstverständlich ist, ein Schwanken zwischen psalmodi- scher und akzentgebunderer Übertragung ist nicht aus- geblieben.

Was nun die verschiedene Länge der Texte betrifit, so hat sich im allgemeinen der deutsche als der kürzere heraus- gestellt (ganz abgesehen davon, daß Müntzer die Texte etwas kürzt). Mehrere Verfahren hat in solchen Fällen Müntzer eingeschlagen, entweder in der Mitte des musikalischen Satzes einige Glieder auszulassen, so daß Anfang und Ende gewahrt bleiben, oder die prägnantesten Melodiewendungen heraus- zugreifen, oder aber den Text so unterzulegen, daß die Kolora- turen aufgeteilt werden, also schließlich auf eine geschlossene Partie des Gesanges verzichtet werden kann.

Gehen wir jetzt noch kurz die einzelnen Gattungen der Gesänge durch: Der Introitus wird am: wenigsten verändert. Er ist zudem melismenreich, so daß erforderlichenfalls Störungen vermieden werden können. Das Alleluia verliert den Jubilus, ebenso wie das Offertorium einzelne musikalische Sätze verliert. Die Communio an sich werden meist kurze Texte gewählt wird bisweilen noch textlich gekürzt. Da sie nicht melismenreich ist, waren hier die Übertragungen

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schwieriger, ohne jedoch mißglückt zu sein. Das Kyrie konnte unverändert übernommen werden, da es nicht tropiert wurde und keine Übersetzung notwendig war. Gloria und Credo sind psalmodisch gebaut. Wiederholte Abweichungen von der lateinischen Vorlage sind festzustellen; aber wie oben er- wähnt, erträglich.

Die Psalmtöne, die im gregorianischen Choral strenge Regeln haben, wann die Akzente beachtet, wann sie nicht beachtet werden sollen, werden hier etwas unregelmäßiger behandelt. (Freilich ist das Material, fünf Introituspsalmen, gering.) Im übrigen hat Müntzer zweifellos vor, die Tradition zu wahren; darauf weist seine Art hin, das ‚Preis sei dem“ (Gloria patri) nur anzudeuten, also als bekannt vorauszu- Betzen.

Die Hymnen und Sequenzen mehr oder minder mittel- alterliche Formen machen die geringsten Schwierigkeiten. Die lateinischen Texte enthalten bei den Hymnen bereits ausgeprägte Akzente, die also vom deutschen Text nur über- nommen zu werden brauchten. Die Sequenzen dagegen legten nur Wert auf die gleiche Silbenzahl, doch waren in der Regel die zusammengehörigen Strophen gleichmäßig ak- zentuiert, zum mindesten am Schluß. Müntzer ist unregel- mäßiger als seine Vorlagen. Es entsprechen sich z. B. in der Pfingstsequenz: (Komm Du Tröster heilger Geist): heilger Geist oder Brünn uns lefist” den Versen: der Weisen oder (die)ser reisen bei gleicher Melodie, so daß also auch die Schlüsse bei ihm difierieren. Da aber der Choral nicht takt- mäßig vorgetragen wurde (zum mindesten nicht mehr zu Müntzers Zeit), so hat man dies nicht als grobe unkünst- lerische Art zu betrachten. Am stärksten wird das Schwanken zwischen psalmodischer und akzentuierter Art bei den Anti- phonen der Metten oder Vespern deutlich (wenniich mein Thema durch Einbeziehen der evangelischen ‚„Ämter‘‘!) Müntzers überschreiten darf).

Fragt man sich, ob Luthers heftige Angriffe gegen Müntzers Versuche gerechtfertigt sind, so muß man mit Smend eigent- lich verneinen.

Müntzer hat in der Auswahl der Gesänge sich nicht von dem entfernt, was auch andere Reformatoren behielten. Im übrigen stellte er Freiheit, wegzulassen, wie es beliebe. Musi- kalisch war er konservativ; auch dies konnte Luther an sich nicht mißfallen.

1) Deutsch kirchenampt. Alstedt [defektes Exemplar der Sächs. Landesbibliothek, beginnend mit dem ‚‚Ammacht von dem leiden ohristi‘“].

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Und doch hat der Erfolg wider Müntzer entschieden. Seine Messen mit der geschlossenen gregorianischen Form boten keine Gelegenheit für das Gemeindelied.. Als Gemeinde- gesang war die kunstreiche Musik der Müntzerschen Messen unmöglich wurde sie aber vom Kirchenchor gesungen, so war einesteils eine Übersetzung ins Deutsche nicht unbedingt erforderlich, dies zeigen uns spätere Kirchenordnungen, die die Wahl freistellen zwischen den lateinischen Gesängen und deutschen Gemeindeliedern, bis schließlich das Interesse an dem lateinischen Choral ganz erlosch und andere, modernere Kunstformen an seine Stelle traten und anderenteils be- stand damals keine Brücke zwischen ihm und diesen Kunst- formen. Und so hat sich Müntzers konservative musikalisch- liturgische Artung, weil zu stark ausgeprägt und weil zu wenig neuschöpferisch, als hemmend erwiesen.

Es genügt hier zum letzten Verständnis ein Blick auf Luther, nicht nur wegen seiner Stellungnahme zum Gemeindelied, sondern vor allem zur Psalmodie: Daß Müntzer die Regeln der alten Psalmodie befolgt wenn auch mit kleinen ge- legentlichen Irrtümern war erwähnt worden. Bezeichnend ist seine Weise zur ‚„‚Termung‘‘ (Consecration). Er folgt genau der Weise der Praefation mit ihren zwei Reperkussionstönen (f und e), den Initial- und Finalformeln (df, cdef; eddee, fäcdfded). Luthers Weise (in der Deutschen Messe) zeigt zwar deutlichen Anklang an die Psalmodie, weicht aber ab durch den Verzicht auf den Formelzwang, insbesondere aber indem er die beiden Reperkussionstöne nicht psalmodisch auf Vorder- und Nachsatz der psalm. Phrase verteilt. sondern auf Evangelistentext und Herrenworte (in der gleichen Weise also, wie er das Evangelium vorgetragen wissen will). Aber auch wo er stärker psalmodiert, sind die Abweichungen deutlich. Er bricht mit dem eigentlichen Prinzip der Psalmodie, daß die meisten Formeln unabhängig vom Wortakzent an- zuwenden sind, und geht sogar auf den Satzakzent zurück. Von diesem Standpunkt aus ist dann auch seine Ablehnung der Choralübersetzung verständlich. Luthers Psalmtöne sind Neuschöpfungen!).

1) Ich befinde mich also in gewissem Gegensatz zu dem, was Mahrenholz ausführt. D. h., im einzelnen wäre M. natürlich meist zuzustimmen, widersprechen aber möchte ich darin, daß Müntzer wider die deutsche Sprache ‚‚gesündigt‘‘ haben solle Was Luther beseitigt hat, waren nicht lateinische Gebärden, sondern psalmodische, d. h. aber musikalische Regeln, oder genauer: Regeln über das Verhältnis von Wort und Weise.

Zur Herkunft des Superintendenten

Justus Menius. Von BR. Jauernig.

Bei Gustav Lebrecht Schmidt!) lesen wir, daß von Menius’ Eltern nichts bekannt sei. Ein wenig lüftet der Reformator Nordwestthüringens, wie wir ihn nur gegen Schmidt bezeichnen können, selbst den Schleier durch ausführliche Angaben. Der Aktenband ‚‚Acta der beeden Pfarrn zu Gotha und Eisenach besoldung und unterhaltung belangend“ (1551ff.)?2) enthält mehr als die Aufschrift vermuten läßt. Zunächst handelt er allerdings von der Besoldung, die Menius als Pfarrer und Superattendent in Eisenach bzw. Gotha er- halten hat. 1529 waren es 80 fl., bei der 2. Visitation (1533) wurde sein Einkommen erhöht auf 100 fl., dazu 4 Erfurter Malter Gerste weniger 1 Eisenacher Viertel®); dazu bewilligte ihm der Kurfürst 1541 ein Gnadengeld von 50 fl., welches er auch noch in Gotha weiter erhielt. Bei der Bewidmung (Winter 1546) wurde dem Pfarrer in Eisenach zugelegt: 1 Erfurter Malter Korn*) und 10 Klafter Holz®). Die 50 fl. Gnadengeld sollten einem Eisenacher Pfarrer stets zu- kommen®). Menius bezog in Gotha insgesamt 150 fl. Be- soldung und Gnadengeld, 6 Erfurter Malter Korn’), 3 Malter Gerste®), 20 Schock Reisigholz und hatte 1, Hufe Landes und einen Acker Wiese zu nutzen. Nach der Veranschlagung

1) Justus Menius, der Reformator Thüringens. 2 Bände. Gotha 1867. Vgl. dazu I, 8. 3.

2) Ob. Kons. Akten Gotha, Loc. 7 Nr. 1 im Thür. Staatsarchiv zu Gotha. (35 Blatt; der Aktenband, stark beschädigt, wurde im J. 1928 zwecks Entleihung erst ausgebessert und geheftet.)

3) Nach Jauernig, Die alten in Thüringen gebräuchlichen Maße und ihre Umwandlung: 2785,262 1 = rund 39 Zentner Gerste.

*) 715,358 | = rund 9,33 Zentner. s\ 23,721 cbm.

©) Schmidt, a. a. O. Bd. II, 292 wird dadurch berichtigt.

?) Rund 64,38 Zentner.

8) Rund 30 Zentner.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXXI. 1/3. 9

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bei der Bewidmung in der Diözese Eisenach ergibt das in Geld umgerechnet: 190 fl.+18fl.+6f.+1f.+214f. + 1f. = 17814 fl. oder nach heutiger Kaufkraft 2811,40 RM.!) bzw. 3570 RM.?). Das war freilich eine recht armselige Be- soldung für den Mann, der zwei weitläufigen Superintendentur- bezirken (Eisenach-Gotha) vorstand, der als Visitator die grundlegenden Arbeiten für den Bau der neuen Kirche tat, in Mühlhausen der Reformation Eingang schaffte, als Apologet der jungen Kirche gegen Schwärmer und Sekten seinen Mann stand und in zahlreichen wissenschaftlichen und volkstüm- lichen Schriften Luthers Reformationswerk ausbreiten und vertiefen half. In drei Schreiben bittet er seine Landesherren, die sächsischen Herzöge Joh. Friedrich den Mittleren, Johann Wilhelm und Johann Friedrich den Jüngeren, um Hilfe. Schon am 11. Januar 1551 deutet er seine Notlage an?). Aus- führlicher wird Menius in seinem Schreiben aus Gotha vom 7. Dezember 1554*), am ausführlichsten am 2. Dezember 1555. Wir fassen den Inhalt dieser drei Schreiben zusammen. Menius berichtet den Herzögen, daß er ein ‚‚armes‘‘ Häus- lein seinem Weibe und ‚‚gar kleinen‘ Kindern erkauft habe, ihn aber eine Schuldenlast von 300 fl. drücke. Dieser Be- trag entsprach also seinem Einkommen in fast 15 Monaten. Dabei, so fährt Menius fort, sei er ‚ein Hausvater, von Gott mit kindern, großen und kleinen, auch kindeskindern ge- segnet‘‘. Ihm sei es so unmöglich, diese binnen Jahresfrist zu tilgende Schuldenlast abzutragen! So erbittet er von seinen Landesherren die erbliche Überläsmng einer Stiftung, deren Zinsabwurf jährlich etwa 50 fl. betrug°®). Das Stiftungs- kapital würde nicht nur seine Entschuldung bewirken, sondern such ihm, ‚einem alten und nuenmehr abgearbeiten diener“ die Sicherstellung seiner Familie nach dem Tode verbürgen. Freilich scheint Menius selbst die Erfüllung seiner Bitte nicht recht erwartet zu haben. Er wußte ja, daß sie den Bestim- mungen der Visitationsordnung zuwider lief. Das merken wir aus dem Schlußabsatz seines Schreibens vom 7. Dezember 1554 und aus der ausführlichen Begründung, die er seiner

ı) Nach Kius, O., Das Finanzwesen des Ernestinischen Hauses Sachsen im 16. Jahrhundert. Weimar 1863. Kius rechnet 1 fl. = 15,75 RM.

2) C. Knabe (Die Torgauer Visitationsordnung von 1529. Torgau 1881) berechnet: 1 fl. = 20 RM.

3) Sonnabend nach Epiphanias.

*) Freitag nach Nicolai.

*) Bei dem üblichen Zinssatz von 5%, beläuft sich das Kapital der erbetenen Stiftung also auf 1000 fi.

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Bitte um die erb- und eigentümliche Überlassung der be- sagten Stiftung anfügt. Diese Ausführungen sind aber für unser Thema die Quelle.

Seine Vorfahren sagt Menius hätten diese Stiftung geschaffen. Im Jahre 1497 ‚‚hat ein thumprobst uffim Stifft!) alhir zu Gota mit namen. Er Heinrich Faust, welcher meiner grosmutter eheleiblicher Bruder gewesen, mit hilf und zuthun ander seiner freunde eine Vicaria oder, wie man’s damals genant, ein Geistlich lehen gestiftet und bewidmet, mit welchem lehen der stifter zum ersten selbst belehnet hatt ern Heinrichen Ranißen, welcher seiner, des Stifters, Schwester, meiner grosmutter Son [Sohn] und meiner lieben mutter seligen bruder gewesen ist. Dieser erste besitzer [= Nutznießer, Inhaber] des newgestiften lehens, er Heinrich Ranis, hat solche lehen dem nach [= nach 1497] bis in das 1542 jare in besitz gehabt und des einkommens gebrauchet.“

Wir leiten aus diesen Angaben ab:

1. Die Mutter des Superintendenten Justus Menius ist die Schwester des Heinrich Ranis, wohl eines Priesters (,,er‘‘). Wir kennen mithin ihren Mädchennamen (Ranis). Da Menius seine Tochter Elisabeth, die später den Superintendenten Sebastian Boethius (zu Mühlhausen, Halle und Mühlhausen) heiratete, nach seiner Mutter nannte?), kennen wir also den vollen Mädchennamen von Menius’ Mutter: Elisabeth Ranis.

2. Deren Mutter, also des Superintendenten Großmutter mütterlicherseits ist die ‚eheleibliche‘‘ Schwester des Dom- propstes Faust gewesen. Sie ist also eine verehelichte Ranis geb. Faust.

In dem ältesten Gothaer Bürgerverzeichnis (Musterungs- rolle, veröffentlicht von Staatsarchivrat Dr. Schmidt-Ewald in Gotha?)) erscheinen zwei wehrhafte Bürger namens Ranis, die in der Salzengasse bzw. Gretengasse wohnen. Im zweit- ältesten Bürgerverzeichnis von 1553 wird Hans Ranis in der Gretengasse wiederum genannt‘).

!) Vgl. dazu Beck, August, Geschichte des gothaischen Landes, Ba. II, Gotha 1870, S. 293ff., Mitteilungen der Vereinigung für Gothaische Geschichte und Altertumsforschung 1905, S. 114ff., Zeitschrift des Vereins f. Thür. Geschichte und Altertumskunde V, 8. 25.

2) Olearii Syntagma rer. Thuring. II S. 178ff. (Frohnii hist. narratio de ortu et progressu Ministerii Evangel. Mülhus.)

3) Mitteilungen des Vereins für Gothaische Geschichte und Alter- tumsforschung 1925.

4) Ebenda.

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3. Schmidt gibt in, seinem Buche über Justus Menius (Bd. I, S. 3) an, daß Menius’ Eltern nicht bemittelt gewesen sein dürften. Diese Vermutung trifft zu. Menius wurde als Student von dem Gothaer Kanoniker Dr. Konrad Muth (Mutien) wiederholt unterstützt. Ihn nennt Menius seinen Onkel!). Ebenso sicher ist aber, daß seine Vorfahren ver- mögend gewesen sind. Der Bruder seiner Großmutter hat mit Hilfe und Zutun ‚‚seiner freunde‘, d. h. unter Beisteuer seiner Blutsverwandten das geistliche Lehen St. Simplicii mit einem Kapital von 1000 fl. gestiftet. Das war in den geldarmen Zeiten des zu Ende gehenden 15. Jahrhunderts ein stattliches Vermögen. So verstehen wir, daß Justus Menius in seiner wirtschaftlichen Notlage nicht nur den Abwurf dieses Lehens, - sondern des Stiftungskapital selbst für sich und die Seinen erbittet, ‚aus deren erbschafft‘‘ es ‚‚gestiftet‘“ worden sei.

Weitere Akten zu unserer Sache befinden sich im Thür. Staatsarchiv Weimar?). Aus ihnen ergibt sich noch, daß bereits 1522 zwischen Menius und den Wittenbergern sowie Kurfürst Friedrich wegen dieses Lehens Verhandlungen ge- schwebt hatten, der Kurfürst dessen erbliche Überlassung aber bereits damals abgelehnt hatte. Seit 1542 aber wurde der Zinsanfall den Söhnen des Justus Menius als Studien- stipendium gewährt.

ı) K. Gillert, Der Briefwechsel des Conrad Mutian, 1890 (Bd. Il, 311). 2) Reg. li 2252, insbes. Bl. 12£.

Drei Briefe des Justus Jonas. Mitgeteilt von Pf. Lic. Dr. Delius.

Der Briefwechsel des Justus Jonas, den Kawerau in den Geschichtsquellen der Provinz Sachsen (1884) herausgegeben hat, ist in der Folgezeit schon mehrfach ergänzt worden. Drei weitere Briefe des halleschen Reformators sollen hier mit- geteilt werden.

Der Brief vom 11. August 1541 an Gregor Brück ist sehr flüchtig geschrieben und nur in seiner ersten Hälfte ver- ständlich. Er bezieht sich auf die Landtagsverhandlungen zu Kalbe. Justus Jonas hat auf den in diesem Schreiben er- wähnten Brief des Fürsten Georg von Anhalt eine Antwort erteilt, die unter Nr. 600 datiert vom 11. August sich bei Kawerau II, S. 46 befindet.

Der zweite Brief an Brück vom 8. Juli 1542 zeigt das Be- streben des Kardinals Albrecht im Erzstift Magdeburg und besonders in Halle seine Stellung wieder zu festigen. Auf der anderen Seite ist der Brief ein weiterer Beweis dafür, wie wenig gefestigt die Reformation in Halle war.

Der dritte Brief vom 10. Januar 1546 an Fürst Georg von Anhalt ist von dem Sohn des Justus Jonas, M. Jonas, ge- schrieben. Er weist ziemlich mangelhaftes Latein auf, so daß sich Unklarheiten im Text ergeben. Wichtig ist er durch den Hinweis auf eine Einladung des Fürsten an Luther, ihn zu besuchen. Luther hat, kurz vor seinem Tode stehend, diese gewünschte Reise nicht mehr unternommen. Im übrigen be- zieht sich der Brief auf den Vermittlungsversuch Butzers (Köstlin, M. Luther, Bd. II, S. 614f.) und auf das Religions- gespräch zu Regensburg (Januar 1546).

I. Justus Jonas an Gregor Brück 1541, August 11. o. O. Gnad und fride Gottes in Christo Jesu. achtbar und hoch- gelarter besonders gunstiger her und gevatter. Es hat gestern umb 7 uhr in eil m. g. furst Georg sein camerdiner Caspar Unreyn bey mir gehapt mitt einem credenz, auch ein credenz an Rath zu Halle gehabt, und uf der credenz an mich hat er geworben, si hett ime befolen mein bedenken erst zu horen,

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ob er die ander credenzschrift an Rath uberantworten und die werbung thun solt. namlich das si begert zween furnemsten des Raths solten geri Dessaw geschickt werden zu, dan uf nechsten montag werde das Capitell bi ander sein zu Magde- burgk, dohin sein gnad auch wirde zihen. doruf ich ime ge- antwortt, nach dem die furnemesten des Raths itzt ufm tage zu Kalb weren, wiste ich nichts zu raten. er mocht das be- denken alles bei sich selb haben. doruf er dem Rath uf sich die credenzschrift uberantwortet.

So ich aber bei mir bedenke dieses muge von doctor mel- chior!) ... .2) der Rat von Halle®) ist itzt aber selb ufn tag zu Kalb, do aber uf die steuer gedrungen, wirds diselben nochmals zugeben.

An dieser Stelle beginnt die Rückseite des Briefes. Hier ist der Text verstümmelt und großenteils unverständlich. Wie es scheint, warnt Jonas den Kanzler vor Umtrieben des Kardinals Albrecht mit Bezug auf die Stadt Halle.

Dat. XI. augusti anno domini 1541. Unterschrift des Jonas.

Praestantissimo ... . d. Gregorio Brück . ... amico et com- patri carıssimo, dem hern doctor Brücken in eigen hand,

Dresden, Hauptstaatsarchiv Loc. 9655 Jacob Wahlen desgl. D. Greg. Brücken . ... 1541—1542 Bl. 19, Ausfertigung.

II. Justus Jonas an Gregor Brück. 1542, Juli 8. Halle.

Gnad und fride Gottes in Christo. achtbarer und hoch- gelarter gunstiger her und gevatter. Es ist nachstem freitag alhir gewesen doctor Melchior, hat zufellig uf der gasse vor doctor Turken, des Canzlers thuer (zu dem er gangen) den secretarius 4*) angesprochen, ime angezeigt, er kome itzund von Aschaff(enburg) vom [»] und nachdem er etliche tage bei dem [-] vorharren, sei er mitt ime zu reden kommen von dem von Halle, und angefangen der religionssache alhir. do hab er (wiewoll er kein befelh gehapt) aus liebe wegen Halle dieser‘ stad im besten mit hohen vleis jegen [-] gedacht.

und gemelter [-] hab entlich inen gar gnediklich ver- trostet: wo di von Halle sich sonst recht hielden, wollte er der religionssachen halben kein ungutes oder ungnediges wider innen uben oder furnemen.

2) Melchior Kling. °) Ein Stück ausgerissen.

°) Im Text Sigle.

4) Jacob Wahl, Vertrauersmann des Kurfürsten Joh. Friedrich von Sachsen in Halle.

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Sonderlich wo d. doctor Martinus sich enthilde wider seine person und die zween stifte Magd(eburg), Halberstadt zu schreiben oder offentlichen druck verbot zu gedenken. Nun muß doctor M.!) ein seer vleissig und frideliebender man sein, das er so uf frid one befelh handelt diser zeit, do inen nimands umb gebeten. Es hat gemelter d. M.!) auch gesagt, er wollt seer gern das er solchs mit dem hern syndicus oder mir als itzigen supperatt(endenten) oder etlichen des rats und ausschusses?) reden mocht, aber aus sein vorigen pacifi- cation, die er auch furgeschlagen, hab ich gemerkt, das ni- mants lust zu seinen unterhandlungen hat. Auch gunstiger herr und gevatter bedenken Z und ich, das diss alles gelien, itziges und das vorige, einer list und viperniae calliditati gleichsiht, zuvorhindern sein. derhalben ob d. M.!) itzund zu Wittenbergk wolt oder wirde mit dem hern syndico dort Chiliano3) oder mit dem regierenden ratsmeister Hans Beier in geheym reden oder mit dem worthalder Treysen und die verstrostung des frids vom [+] (ubi latet anguis in herba) gros ufmutzen diser zeit, so wird man den syndicus wol zuvor warnen wissen, dan es ist doch ein angel dorhinder und der syndicus wird d. M.!) dorinne nit gleuben.

Und die furnemesten des rats und ausschusses) haben zu doctors M.) unterhandlungen kein andacht noch lust. Haec ita et(iam) deliberante mecum 2 s(uprascrip)si sigillo con- fe(ssionis) in secreto significare volui rogoq. in d. v. Ecclesiam et urbem Hallensem in omnibus aliis fideliter in patronis comendatam habeat. Datae H(alae) umb 8 uhr sabb. post visitationis anno d(o)m(ini) MDXLII.

Unterschrift des Jonas.

Dem achtbaren und hochgelerten Hern Gregorio Bruck des Rechts doctor churfurstlichem Rath u. meinem großgunstigen herren und lieben hern zu s. eigen henden.

Dresden Loc. 9655 Jacob Wahlen desgl. Greg. Brücken ... ad 1541—1542 Bl. 2/3.

III. Justus Jonas an Fürst Georg von Anhalt. 1546, Januar 10.

G. et P. R(everen)dissime in domino illustrissime princeps et domine clementissime Deum aeternum patrem domini nostri Jesu Christi, qui sibi mirando foedere copulavit humanuam naturam, ut fieret victima pro nobis: oro, ut hunc annum

1) Melchior Kling. s) So? (Siglen). 3) Kilian Goldstein, Stadtsyndikus von Halle.

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Ecclesiae Dei et eadem hospiciis ac tuse celsitudine ao re- verendiss. d. horis concedeat faustum et tranquillum Re- verendiss. Domine et edditore [ ?] mihi sunt literae cels. tuae, in quibus de itinere domini doctoris Lutheri scribit ac postulat, ut quibus possim rationibu sdomino doctori persuadeam, ut iter ad tuam re(veren)dissimam celsitudinem suscipiat. Egı negocium diligenter, sed obtinere non potui, ut dominus doctor ad tuam reverendam celsitudinem nunc excurreret. Existimo autem brevi dominum doctorem iterum hac transi- turum esse, quod si fiet, quam primum tuae reverendissimae. domini nos[ ?] celerrime significabo.

De colloquio scripsit Crucigerus se ex literis Buceri in- tellexisse, quod Bucerus existimet vix processerum esse. Nam adversarios tantum proloquiis quibusdam ludere, nec eis curae esse, ut aliquid serii agatur inde satis constare adfırma- bat, quod ad collationem ac disputationem rerum gravissi- marum ac difficillimarum controversiarum dividicationem [ ?] delectum [ ?] eeset. Monachi duo, omnium qui vivunt impudi- cissimi et nebulones impurissimi, quorum alter Coloniensis, alter nescio quis Culmariensis additus est addit(ione) Julio Pflug. Qui tamen si Ratisponam venerint, Philippe sine mora eo eundum esse ex D. Pontano auditum referebat. Etsi tuae reverendae celsitudini haec et his plura nota esse non dubito, tamen ad declarandam meam erga celsit. Vestram obedientiam addere volui. In Salinis 10. Jan. 1546.

Gnediger Fürst und herre E. f. g. wollen uns diss eilend schreiben gnedicklich zu gut halden, der bot ist komen als ich heut solt bald predigen. manus filii mei M. Jonas.

[Vestrae reverendissimae et illustrissimae Celsitudinis]

additiss[imus.] | J. Jonas doctor s. Hall. Eccl.

Zerbst. Georg III., Fürst v. Anhalt, Briefwechsel 1544/45.

Mitteilungen. Neuerscheinungen und aus Zeitschriften.

Allgemeimes. R. Cremer, Reformation als politische Macht. Der deutschen Nation ist die Reforınation eine be- ständige Frage und Aufgabe geblieben, die mit jeder Entscheidungs- stunde von neuem auftritt. Sie ist so vollkommen in das Sein der deutschen Geschichte eingegangen, daß die reformatorische Glaubens- beziehung keinen Bestand unseres Lebens unberührt läßt, am aller- wenigsten die politische Ordnung, auf der das irdische Dasein Deutsch- lands beruht. Verf. entwickelt nun die reformatorische Staatalehre, verfolgt ihre Auswirkung durch die Jahrhunderte seit der Reforma- tion, um daraus die Folgerungen für Stast und Kirche in der Gegenwart zu ziehen. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 1933. 40 S. 1,80 M.

Drei Tabellen zum Deutschen Kulturatlas, von H. Volz mit ge- wohnter Sorgfalt bearbeitet, betreffen: die Zisterzienser vor der Reformation (Religionsgesch. 11b Bd. II 39 b, 124b), die Brüder vom gemeinsamen Leben vor der Reformation (Religionsgesch. 15, Bd. II 43, 128) und die Frequenz der deutschen Universitäten in der Reformationszeit (Bildungsgesch. 6a, Bd. III 43a, 223a).

Im zehnten Stück der Berichte und Studien zur Geschichte Karls V. untersucht Ad. Hasenclever ‚‚die Überlieferung der Akten Karls V. in Pariser Archiven und Bibliotheken“ (d. i. Bibliothdque nationale, Archives du ministere des aff. etr., Biblio- thöque de l’Arsenal und Bibliothdque Sainte Genevidve). Es handelt sich im wesentlichen um vereinzelte, aus dem kanzleimäßigen Zu- sammenhang gerissene Briefe oder Denkschriften, die als Ergänzungen zu den Beständen in Wien, Simancas und Brüssel dienen können. H. dehnt daher die Aktenverzeichnung auf alles aus, was irgendwie mit den Ausgängen der Kanzleien der habeburgischen Familien- mitglieder in Verbindung steht; auch gibt er willkommenerweise den Druckort schon gedruckter Stücke an: Nachr. v. d. GdW. zu Göttingen, philol. hist. Klasse, 1933, Heft 4 (II, 17), S. 437—469. Das 11. Heft der nämlichen Veröffentlichung (= Überlieferung der Akten Karls V. im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, 4. Bericht) enthält den Schlußbericht K. Brandis über die Wiener Archivalien zur Korrespondenz Karls V.; er betrifft die Überlieferungen der deutschen Reichskanzlei (III) und der Kanzlei Ferdinands (IV), die in ähnlicher Weise zusammengehören wie die burgundische Kanzlei

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(I) und die Kabinettskanzlei (II). Eine ebenso mühsame wie wichtige Arbeit, für die man Brandi nicht dankbar genug sein kann, kommt damit zum Abschluß. Nachrichten usw. Heft 5 (II, 18), S. 513— 578.

Günther Franz, Der deutsche Bauernkrieg. Mit 29 Abb. und 3 Karten. München u. Berlin, R. Oldenbourg. XIII, 494 8. 17 M., geb. 18,50 M. Eine sich noch alljährlich mehrende Fülle von Vorarbeiten zur Geschichte des Bauernkrieges von 15285 liegt vor; allein eine zusammenfassende wissenschaftliche Darstellung nach den Ansprüchen unserer Zeit fehlte bisher. Jetzt gibt sie uns G. Franz als Ergebnis langjähriger Quellenstudien in den wich- tigsten Archiven Deutschlands, des Elsasses, der Schweiz, Südtirols und Österreichs. Und zwar haben diese Studien auch die dem großen Bauernkrieg scit fast zweihundert Jahren voraufgegangenen agrarischen Unruhen erfaßt, weil sich nur unter Berücksichtigung dieser ein richtiges Bild von der Natur der Aufstände von 1525 und ein richtiges Urteil über den Anteil gewinnen läßt, der der Reforma- tion an den blutigen Vorgängen beizumessen ist. Franz behandelt demgemäß im ersten Drittel des Werkes die ‚Vorläufer‘, in den zwei anderen Dritteln den Bauernkrieg von 1525 nach den einzelnen Schauplätzen der Erhebung; der Schlußabschnitt verbreitet sich über die Ursachen des Zusammenbruchs und dessen Folgen. Bei- gegeben ist eine chronologische Übersicht über die 38 ‚Vorläufer‘ des 15. Jahrh. und die 11 zwischen 1500 und 1524 nebst genauer Chronologie des Verlaufs von 1524/25. Unbeirrt von Tagesfragen und politischer Einstellung richtet Verf. für das Verständnis des Bauernkrieges eine Grundlage auf, die für alle Zukunft ihren Wert behalten wird. Über den Stand der Arbeiten für die beabsichtigte Herausgabe der einschlägigen Akten unterrichtet das Vorwort.

Die 25. Lieferung des Mennonitischen Lexikons, hrg. von Hege und Neff, umfaßt die Artikel Jörg bis Keller (II, S. 433 480). Wir nennen die Täufer David Joris in Holland, Leonhard Kaiser, Hiero. Käls in Kufstein (von J. Loserth), Kaspar in Graz (Loserth), Jak. Kautz in Worms, A. und E. Kampner im Etschland, dazu Andreas Karlstadt; als Gegner Georg Karg und Kaiser Karl V. (Loserth). Dazu die Länder und Städte Italien, Jülich, Kärnten (Loserth), Kaufbeuren; endlich: Katharer, Katholizismus und Täufertum (W. Köhler), Ludw. Keller.

Als zweiter Band der Quellen zur Geschichte der Wieder- täufer sind die des Markgraftum Brandenburg, hrg. von Karl Schornbaum, erschienen. Die Bewegung drängt sich hier auf wenige Jahre zusammen, zwischen 1527 —1531, aber die Dokumente aus diesen kurzen Jahren sind um so bedeutungsvoller, indem sie die Ansichten der Täufer ausführlich kennen lehren, auch unter letzteren eine Anzahl von nicht gewöhnlichen Individualitäten auf- weisen. Die Herausgabe hat in den besten Händen gelegen. Quellen u. Forschungen zur Reformationsgesch., hrg. vom Verein für RQ.

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Bd. XVI = Qu. z. G.d. Wiedertäufer, II. Bd., Markgraftum Branden- burg (Bayern, I. Abt.). Leipzig, M. Heinsius Nachf., 1934. VIII, 375 8. 24 M.

Luther und seime Zeitgenossen. In seiner am 19. Novbr. 1933 an der Berliner Hochschule bei der Gedächtnisfeier zum 450. Geburtstage Luthers gehaltenen, durch Inhalt und Form hervorragenden Rede zeichnet Erich Seeberg Luthers Bild in dreifacher Richtung: die Person, die Leistung und das Werk. Luther gehört der Welt, aber er gehört in erster Linie dem deutschen Volk, das ohne Luther nicht denkbar ist. Seine Erscheinung ist auch nicht ein ‚‚gestorbenes Geschehen“, sondern Luther ist Gegenwart und die Kraft seines Glaubens, die Tiefe seines Denkens und die freie Macht seiner Persönlichkeit werden uns so lange bewegen als der deutsche Geist der Kraft seines eigenen Wesens und der Tiefe seines Christentums fähig bleibt. Zeitschr. f. Kirchengesch., dritte Folge III (Bd. 52, Heft 4) 8. 525—544.

H. Bornkamm, Luther und der deutsche Geist. Einzig im Reformationszeitalter hat der deutsche Geist, durch lange Jahr- hunderte des Mittelalters und der Neuzeit abhängig von fremden Kultureinflüssen, seinerseits auf die Entwicklung der europäischen Kultur schlechthin maßgebend eingewirkt. Insofern. bedeutet die lutherische Reformation einen nie wieder erreichten Höhepunkt deutscher Geschichte. Die starke Wurzel dieser weltumbildenden Kraft liegt allein in dem religiösen Propheten Luther, der seinen Landsleuten ein neues Gottesverhältnis gab. Im weiteren erörtert Verf. von der Warte unserer Zeit aus die Nachwirkungen Luthers im deutschen Staatsgedanken, in der deutschen Stellung zum Kriege, die bis in das natürliche Leben des Volkskörpers reichenden Spuren der Reformation (Fortfall des Zölibats, Forderung der Frühehe) und die Einwirkung Luthers auf die deutsche geistige Kultur. Luther war für sein Volk ein gewaltiger Erzieher zur Wirklichkeit und zu jener Innerlichkeit, dem mehr Sein: als Scheinen wollen, das uns Deutsche vor allen anderen Völkern auszeichnet. Sammlung gemein- verständlicher Vorträge, Heft 170, Tübingen, Mohr, 1934. 20 S. 1,50 M. (Subskription 1,20).

Werner Betcke, Luthers Sozialethik. Ein Beitrag zu Luthers Verhältnis zum Individualismus. W. will zeigen, daß Luther mit Unrecht für den Individualismus in Anspruch genommen wird, daß sich bei ihm vielmehr die reichsten Ansätze einer evangelischen Sozialethik finden, die Verf. nun in ihren verschiedenen Richtungen Staat, Recht, Beruf, Stand, Arbeit, Armut und Liebestätigkeit, Ehe und Familie, Wirtschaft entwickelt; einleitend wird vom Uni- versalismus des Mittelalters und vom Werden des Individualismus gehandelt. Gütersloh, Bertelsmann, 1934. 175 S. 4 M.

Hans Schmidt, Luther und das Buch der Psalmen. Ein Beitrag zur Wertung des Alten Testaments. Verf. verfolgt

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Luthers Beschäftigung mit dem Pealter von seiner ersten Vorlesung (1513) an bis in seine Sterbestunde. Er zeigt, daß schon jene erste Beschäftigung mit den Psalmen Luther geholfen hat, das richtige Verständnis von der Gerechtigkeit Gottes zu finden. Die Über- setzung der 7 Bußpsalmen ins Deutsche von 1517, das früheste von Luther selbst veröffentlichte Buch, ist der erste Schritt zur deutschen Bibel; auch schickt diese Ausgabe dem Thesenanschlag vom 31. Ok- tober seine biblische Begründung vorauf. Weiter zeigt Verf. an der Hand der Akten der Revisionskommission von 1531 das Ringen Luthers mit dem Hebräisch der Psalmen und seine Übersetzungs- kunst und verweist endlich auf den reichen Widerhall, den die Psalmen in Luthers schönsten geistlichen Liedern gefunden haben. Samm- lung gemeinverständlicher Vorträge N. 167. Tübingen, Mohr, 1933. 60 8. 1,50 M. (bzw. 1,20).

E. Vogelsang, Luthers Kampf gegen die Juden. Setzt sich in erster Linie mit dem Rabbiner Dr. Reinhold Lewin ausein- ander, dessen Werk über „‚Lutbers Stellung zu den Juden“ (1911) die Grundlage der bis heute herrschenden bezügl. Ansicht bildet, und zeigt, daß man zu einem Verständnis der Haltung Luthers zu den Juden nur kommt, wenn man im Auge behält, daß diese zuerst und zuletzt von der Christusfrage abhängt. Die Juden sind in erster Linie die Feinde Christi und verharren auch diesem gegenüber in ihrer Selbstgerechtigkeit und Unbußfertigkeit. Für die Judenmission hat Luther nur eine Zeitlang Teilnahme gezeigt, eine Endbekehrung hielt er bei ihnen für ausgeschlossen. Einem aus Überzeugung ge- tauften Juden wendet Luther Liebe und besondere Fürsorge zu, er nimmt ihn als Christen ganz ernst, zählt ihn aber nicht zur deutschen Kirche. Die Judenfrage überhaupt darf nicht individualistisch und im Lichte der Humanität, sondern nur im Blick auf Volk, Staat und Kirche gesehen werden.

In ‚„Koburger Heimat“, 2. Jahrg., Nr. 22, 23, 24 gibt H. Schleder, gestützt auf Rechnungen und Akten der Ernestinischen Archive und das Schrifttum, anschauliche Bilder von dem Aufenthalt Luthers und des kurfürstlichen Hoflagers in Koburg 1530.

Als zweiter und vorläufig letzter Band der Schriftenreihe ‚Aus Leipzigs Vergangenheit‘ liegt vor Ludw. Grote, Georg Lam- berger, 1923 als Hallenser philos. Diss. in Maschinenschrift her- gestellt, jetzt neu bearbeitet. G. Lamberger, Graphiker und Maler, hervorgegangen aus der bayrischen Kunst, ist 1523— 1532 in Leipzig nachweisbar; er schuf sowohl Graphik (Holzschnitte für Bibelwerke katholischer wie auch lutherischer Herkunft) als auch Tafelbilder; ganz neuerdings sind’solche auch im Naumburger Dom aufgefunden worden. Verf. gibt über die Persönlichkeit des Künstlers, sein Leben, seine Stellung in der mitteldeutschen Kunst sorgfältig Aufschluß. Den Schluß machen Literaturnachweis, Archivalisches und eine Aus- wahl Bildbeilagen. 72 S. Leipzig, H. Hassel, 1933. 6,50 M.

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G. Bossert (Horb) teilt in Bl. f. Württemb. KG. 1933, S. 258 bis 261 drei Briefe von Erhard Schnepf aus den Jahren 1534 und 1539 mit, entnommen den Originalen im Marburger Staats- und Straßburger Stadtarchiv.

Hans von Schubert, Lazarus Spengler und die Re- formation in Nürnberg, hrg. und eingeleitet von H. Holborn. Mit zwiefachem Bedauern nimmt man dies Buch zur Hand: weil es posthum erscheint und weil es nur als ein Torso vorgelegt werden konnte! Seit Jahrzehnten hat v. Sch., der Spengler selbst zu seinen Vorfahren zählte und im Besitz seines schriftlichen Nachlasses war, dieses Buch vorbereitet, die stete Ausdehnung seiner Forschungen aber hat den Abschluß immer wieder hinausgeschoben. In zwei Bänden sollte die Darstellung bis zu Spenglers Tode (1531) hinab- geführt werden; nicht einmal der erste ist vollendet worden; er war bestimmt bis zum Nürnberger Reformationsbeschluß von 1525 ge- führt zu werden, geht aber, wie ihn jetzt H. Holborn, ein Schüler des Verf. (der zugleich eine Biographie v. Schuberts und ein chrono- logisches Verzeichnis seiner Schriften hinzugefügt hat) vorlegt, nur bis zum Ende des 3. Nürnberger Reichstages (April 1524). Daß auch in dieser Form die Schrift hochwillkommen ist, braucht kaum gesagt zu werden; in der Grünälichkeit der Forschung wie der Kunst der Darstellung verrät sie den Meister. Wir setzen hier noch die Ein- teilung bei: 1. Nürnberg am Beginn des 16. Jahrh. 2. Spenglers Herkunft und Entwicklung bis zum Eintritt ins öffentliche Leben. 3. Im Dienste der Stadt. 4. Vom Humanismus zum Augustinismus. 5. Der Reformation entgegen. 6. Mit Luther vom Banne bedroht. 7. Worms. 8. Unter den Augen des Reichsregiments. Quellen u. Forschungen zur Reformationsgeschichte, hrg. vom Verein für RG., Bd. XVII, XXXVIII, 449 S. 28 M.

Landschaftliches. Aus Zeitschr. f. Bayr. KG., Jahrg. 8 (1933) Heft 4 vermerken wir: S. 204-206 G. Lenckner, Die Universitäts- bildung der 1528 visitierten Geistlichen des Markgraftums Brandenburg, Nachträge; S. 206f. derselbe, Reformation und gelehrte Bildung in Ans- bach-Bayreuth, Nachtrag zu Jordans Buch von 1917. 8. 207—214 O0. Klemm macht wahrscheinlich, daß Philadelphus Regius, Verf. einer Entgegnung auf eine Schrift des Weihbischofs Facklin von Konstanz über angebliche Wunder, die vor der Lutherei warnen sollen (1523), mit Urbanus Regius identisch sei, und gibt Auszüge aus der Entgegnung sowie den Inhalt des Sammelbandes J 48 II 40 der Stadtbücherei zu Königsberg i. Pr., wo sich letztere findet. Ferner S. 215—230 setzt H. Dannenbaum seine Verzeichnung der Nürnberger Landgeistlichen bis 1560/61 (Rückersdorf bis Walters- brunn und Jungpfälzische Ämter) fort; 8. 230-232 K. Scohorn- baum, Zum Briefwechsel des Blasius Strickel (ehemaligen Karthäuser- priors in Nürnberg), 1536 und 1548; S. 232f. M. Weigel, Schwenk- felder und Wiedertäufer im Herzogtum Pfalz-Neuburg 1538.

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Walter Bogsch bringt einen Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte der Reformationszeit in seiner Studie über den „Marienberger Bergbau (auf Silber, Kupfer und Zinn) in der 1. Hälfte des 16. Jahrh.“. Er untersucht die räumliche Entwicklung und den Abschluß des Marienberger Bergbaureviers und den Aufbau seiner Behörden und geht den Kräften nach, die sich in diesem Bergbau betätigt und aus ihm Nutzen gezogen haben. Auch auf die Herkunft der Siedler usw. fällt Licht. Bilder und Karten sind beigegeben. Die Darstellung gründet sich auf ausgedehnte Archivstudien. Leip- ziger philosophische Dissertation. 155 8. gr. 8% (soll als Buch im Glückauf-Verlag in Schwarzenberg i. Sa. erscheinen).

Von der ‚„Agende der Niederösterreichischen Stände vom Jahre 1571“ gibt H. Krimm nach einem Blick auf ihre Entstehung einen ausführlichen Auszug, würdigt ihre Eigenart und schildert ihre Auf- nahme bei Katholiken und Evangelischen. Sonderdruck 4 des Jahr- buches d. Ges. f. d. G. der Prot. in Österreich. 119 S. Wien-Leipzig, März 1933.

Ansland. R.N.Carew Hunt, Calvin. London, The Centenary Press 1933. 335 8. Titelbild. Geb. 10/6 sh. net. Die Veröffentlichungen zu dem theologischen und politischen Werke Calvins sowie die Ver- suche, es kulturgeschichtlich, historisch, soziologisch zu deuten, haben seit der Feier seines 400. Geburtstages stark zugenommen. Jedoch fehlt merkwürdigerweise und im Gegensatz zur lutheri- schen Literatur in fast allen Abhandlungen dieser letzten 30 Jahre eine umfassende und auf sämtliche erreichbaren Belege 'quellenmäßig gegründete Darstellung des Calvinischen Lebens. Diese Tatsache gilt auch merkwürdigerweise in noch stärkerem Maße als für uns für die englische Welt, die seit dem Erscheinen des Walkerschen Werkes (1906) keine neue und das in den Archiven erschlossene Material verwertende biographische Überschau kennt. Die Arbeit Carew Hunts füllt nicht nur diese bisher bestehende und sehr oft als mißlich empfundene Lücke innerhalb der Gesamtgeschichte des Calvinischen Wirkens und der Entstehungsjahre der Reformierten Kirche aus, sondern sie gibt durch die Art ihrer Darstellung, die keine Geschichte des Calvinismus, sondern die des Calvin sein will, die Mittel zum menschlichen Verstehen und zum seelischen Erfassen und Ergründen der für spätere Zeiten politisch so gestaltungskräftig werdenden Lehren, die von Genf und Calvin ausgehend einen großen Teil der alten und der neuen Welt geistig und wirtschaftlich völlig umgestalteten.

Hunt weist, durch seine Aktenkenntnis unterstützt, die mannig- fachen alten und neuen, französischen, deutschen, ' katholischen, Calvins Privatleben verdächtigenden Anwürfe als unhaltber zurück (Bolsec, Desmay, J. B. G. und J. A. Galiffe, Kampschulte u. a.). Er versteht es, trotz den nüchternen aktenmäßigen Belegen, in einer manchmal erstaunlich dramatisch zugespitzten Form, die den

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historischen Bericht in erzählender Art hält, das politische Leben des mittelalterlichen Genfs gegenständlich werden zu lassen und jene entscheidenden Vorgänge zu zeigen, die unter Calvin, dem 1508 zu Noyon in der Picardie geborenen Jean Cauvain, Genf aus einer deutschen Stadt endgültig zu einer französischen werden lassen.

Die in Genf geschehende Entwicklung der religiös-reformatorischen Ansichten erweist sich als engstens zusammengehörig mit der von Genf erstrebten Entwicklung und Lösung diplomatisch-politischer, durch die Geschlechterherrschaft bedingter Bindungen an Bern, Savoyen, Frankreich. Diese Versuche, politische Freiheit zu er- langen, sind verbunden mit der Forderung nach kirchlicher Un- . &bhängigkeit und Selbständigkeit. Von diesem historischen Ansatz aus erhält das Wirken Calvins in Genf, seine Vertreibung und end- gültige Rückkehr, die ihr entsprechende Umrahmung, und hierdurch wird Calvin in die Grenzen seines politisch-kirchlichen Menschentums gestellt. Nur sehr langsam entwickelt er sich, in seinen Absichten oftmals durch die politischen Parteien Genfs mißbraucht, vom kirch- lichen Erneuerer über den Reformator zum geistlichen Diktator und unbestrittenen Cäsaropapisten. Zu den beiden letzten Stufen kommt Calvin nicht durch festes Wollen in vorausschauender Absicht, nicht in voller Erkenntnis der Bedeutung und der politischen Möglichkeiten seiner weltgestaltenden Lehre, sondern getrieben, gestoßen von mannigfachen, zufälligen Umständen.

Die Bedeutung Calvins zu seiner eigenen Zeit, für deren viel- gestaltige Richtungen Erasmus, Loyola, Rabelais sprechen, liegt nicht so sehr, wie bei Luther, in einer zur katholischen Lehre gegen- sätzlichen Religionsauffassung als in seinem politisch-religiösen, allein vom Alten Testament bestimmten Wollen. Seine unmittelbare Wirkung liegt sowohl in der Kraft seiner Reden, der Unbeugsamkeit seines Willens, der härtesten Konsequenz seiner Forderungen, wie auch in der Tatsache, daß er sich als erster seiner Zeit zur Erörterung abstrakter Gedanken der (französischen) Muttersprache bediente. Damit gewannen seine Schriften, besonders die Institutiones, die aufrüttelnde und tiefgehende Wirkung der 200 Jahre später er- scheinenden Lettres Provengales Pascals.

Calvin fehlt, besonders gegen Ende seines Lebens, im Verkehr mit den rebellischen Genfer Geschlechtern und den zahlreichen theologischen Widersachern die Biegsamkeit des Diplomaten, die ihm nie gelegen hatte. Bei der Verbrennung des Michael Servet, der auch Carew Hunt keine restlose Aufklärung zu geben vermag, er- scheint Calvin als ein vom Geiste des Alten Testaments getriebener eifernder Verfolger. Es kehrt hier, wie übrigens auch bei einigen anderen Vorfällen seines Lebens ohne daß es Carew Hunt in dieser offenen Form ausspräche das im tiefsten Sinne, fast peycho- psthisch zu nennende Dämonische und Leidenschaftliche, Ge- fühlsbare hervor, das Streitsüchtige, Haß- und Einflußgierige, ver-

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bunden mit der rechtfertigenden Überzeugung, Werkzeug und Ge- sandter im Sinne der Erfüllung eines höchsten göttlichen Auftrages zu sein. Wenn auch bei Calvin nicht wie bei Luther von vorge- fallenen Sinnestäuschungen berichtet wird, die einen psychologischen Rückschluß erlauben würden, so liegen doch, und gerade für das höhere Alter, Anzeichen genug dafür vor, daß Calvin als Autokrat in einer mystisch zurechtgebildeten Welt lebte und sie mit einem göttlich-schulmeisterlichen Auftrag tyrannisierte. Calvin gehört zu den psychisch stark depressiv veranlagten Menschen. Echte Lebens- freude hat er, ganz anders als Luther, nie gekannt. Die ganze Strenge alttestamentlicher Moral lastet auf ihm und den von ihm Geleiteten. Calvin blieb ein Misanthrop, unter dessen tyrannischer Herrschaft in Genf jegliche unterhaltende Form gesellschaftlichen Lebens den geistlichen Erbauungen, Andachten, Beichten rücksichtselos weichen mußte. Jedoch die menschliche Neigung, nach der Calvin so ver- haßten Lust dieser Erde zu greifen, blieb trotz allen Verfolgungen, Ausweisungen, Gefängnis- und Todesurteilen so stark, daß Calvin gegen Ende seines Lebens diesen Teil seiner Genfer Erziehungsauf- - gabe so gescheitert ansehen ımußte wie alle Versuche, Genf zu einem theologisch-sündenfreien, gottzukunftsgerichteten und dogmatisch- moralisch höchst vollkommenen Gottesstaate alttestamentlichen Cha- rakters umzuschaffen, einem Staate, in der die Kirche und ihre Leiter bedingungslos dem Staste und seinen Vertretern übergeordnet sind.

Carew Hunt streift nur die theologisch-gelehrten Kontroversen der Reformationszeit, in die Calvin verwickelt wurde, da sie ihrem Inhalte und ihrer Themenstellung nach zu fern ab von unseren heutigen theologischen Diskussionen stehm. Es wäre jedoch sehr . erwünscht gewesen, wenn Hunt im Zusammenhang der biographischen Darstellung auf die kulturgeschichtlichen und theologischen Ver- bindungen zwischen Calvin, Luther, Zwingli, den übrigen Reforma- toren und den Humanisten eingegangen wäre. Hier hätten die bei Carew Hunt richtig dargestellten nach allen Seiten hin erhebenden logischen Unmöglichkeiten in der Deduktion des Prädestinations- pfinzips ausgebaut werden müssen, um der Darstellung, die sich zu sehr an den lebensmäßigen Bericht Calvins hält, noch größeren Wert zu geben. Ein selbständiger Abschnitt dagegen gibt in Umrissen die Calvinische Theologie und Ethik, die sein politisches Schaffen in Genf erst verständlich machen. In der Ausdeutung jedoch kommt Carew Hunt zu keinem anderen oder gar neuen Ergebnis als es schon bei Wernle, Loofs, Seeberg und Troeltsch enthalten ist, wie überhaupt bei ihm die Systematik der schwächste Teil ist. Er laßt Calvin, Weber-Troeltscch folgend, als Begründer des abendländischen Kapitalismus gelten (132), verneint aber die Auffassung, daß der völlig aristokratisch gerichtete Calvin einer der großen Begründer demokratischer Staatsauffassung in Europa sei (139, 151).

| Dr. Helmut Minkowski, Oxford.

° Draok von Ü. Schulse 4 Oo., G.m.b. H., Gräfenhainichen.

Martin Bucer, Von der Wiedervereinigung der Kirchen (1542). M

Mitgeteilt von Walter Friedensburg.

Jedermann weiß, daß unter den Theologen des Reforma- tionszeitalters kaum ein anderer so lange und so eifrig an dem Gedanken der Wiederherstellung der Einigkeit zwischen den Alt- und Neugläubigen in Deutschland festgehalten hat wie Martin Bucer in Straßburg. Unter entschiedenster Abwen- dung von Rom, von Papst und Kurie, sollten durch ge- wisse, das Wesentliche nicht berührende Einräumungen die Gutwilligen der Gegenseite für die Reform gewonnen und auf diesem Wege die Grundlagen einer deutschen National- kirche geschaffen werden.

Bucers Zeit schien gekommen, als Ende der dreißiger Jahre von verschiedenen Seiten Einigungspläne entworfen wurden und im Reich Kongresse zusammentraten, um eine Ver- gleichung ber die vorhandenen Streitpunkte vorzubereiten, und endlich kein geringerer als das Reichsoberhaupt selbst, Kaiser Karl V., diese Angelegenheit als die vornehmste auf die Tagesordnung der Reichsversammlung setzte, die er, nach langjähriger Abwesenheit in ‘das deutsche Reich zurück- gekehrt, für den Sommer 1541 nach Regensburg einberief. Das Ergebnis der dortigen Verhandlungen entsprach freilich den hochgespannten Erwartungen der Freunde einer inneren Einigung keineswegs. Schon in dem neben dem Reichstage hergehenden Religionsgespräch zwischen einzelnen Vertretern der beiden Glaubensparteien kam eine Verständigung nur über einen Teil der vorgelegten Artikel zustande; aber auch nur diese verglichenen Punkte zum Reichsbeschluß zu erheben, erwies sich infolge des Widerstandes, den die Fürstenkurie des Reichstags mit ihrer Überzahl geistlicher Mitglieder leistete, als undurchführbar.

Bucer hatte nicht nur an den Einigungsverhandlungen auf protestantischer Seite teilgenommen, sondern auch seine Feder in den Dienst des Einigungswerkes gestellt. Auch noch unmittelbar nach dem Abschluß in Regensburg gab er eine

Arehiv für Relormationusgeschichte. XXI. S/t. 10

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Sammlung der Akten des Religionsgesprächs heraus!), die er durch eine weitere Schrift eine explicatio controversiarum, wie er sie bezeichnete zu erläutern gedachte. Er begann auch die Arbeit darah, erkannte jedoch bald, daß die Zeit nicht ausreichen werde, um die zweite Schrift gleichzeitig mit den Acta colloquii, wie er geplant hatte, zu veröffentlichen. Auch andere Hemmnisse traten dazwischen; so brach in Straßburg eine ansteckende Seuche aus (die auch das Haus des eifrigen Gottesmannes verödete); ferner mußte letzterer eine wichtige Reise unternehmen?); dazu kam die laufende Arbeit in Kirche und Schule, die nach dem im Oktober d. J. erfolgten Tode Capitos vermehrte Mühe für Bucer mit sich brachte. Doch gab letzterer seinen Plan nicht auf, sondern. widmete alle Mußestunden, die ihm blieben, der neuen Schrift, die er denn auch im Sommer des folgenden Jahres abschließen und unter dem Titel De vera ecclesiarum in doctrina, cere- moniis et disciplina reconciliatione et compositione heraus- geben konnte?). Bucer bespricht hier in Kürze die unter den Kolloquenten verglichenen vier Artikel de homine ante lapsum, de libero arbitrio, de causa peccati und de peccato originali (Bl. 33—45); den weitaus größten Teil der Schrift (Bl. 46-216) aber nimmt eine Auseinandersetzung mit

I) Der Titel lautete: Acta colloquii in comitiis imperii Ratisponae habiti, hoc est articuli de religione conciliati et non conciliatiomnes... Consuflta et deliberata de his actis impetatoris, singulorum ordinum imperii et legati Romani . . . per Martinum Bucerum, Argentorati mense septembri MDXLI. 114 Bl. 8°. Auch deutsch: Alle Handlungen und Schriften zur Vergleichung der Religion ... . zu Regenspurg ver- handlet und einbracht ..... beschrieben .... durch Martinum Bucerum usw. Vgl. J. W. Baum, Capito und Butzer (Elberfeld 1860) S. 602 Nrr. 48; 48, und (Menz und Erichsen) Zur 400jährigen Geburtes- feier Martin Butzers (Straßb. 1891) S. 131f. Nrr. 49, 49a, 49b, 49c. Die deutsche Ausgabe ist auch bei Hortleder I, Buch 4, Kap. 37, S. 302—562 und Walch XIII, S. 695—1005 gedruckt.

2) Vgl. unten 8. 151 Anm.

®) Vollständiger Titel: De vera compositione. Hic cognosces veros ortus et progressus dissidiorum in religione verasque vias illa tollendi et christianam consensionem restituendi. Responsio ad calumnias Alberti Pighii Campensis contra confessionem et &po- logiam Protestantium nuper vulgatas et refutatio sugilationis Eccianse contra acta Ralisponensis. Per Martinum Bucerum. Ohne Ort und Jahr (Druckerzeichen Wendelin Rihels in Straßburg), 216 Bl., 4°, Der Druck ist beschrieben in der Festschrift von 1891, 8. 133f. (Nr. 51); vgl. Baum a. a. Q., S. 603, Nr. 64.

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gegnerischen Schriften des Albert Pighius und Johann Ecks!), besonders den ‚Controversiae‘‘ des ersteren über die Erbsünde ein.

Eröffnet wird die Schrift durch Erörterungen Bucers all- gemeinerer Art über die Ziele seiner Kirchenpolitik: und die Mittel, durch die er sie zu erreichen hofft, und diese Abschnitte sind, wenn ich nicht irre, zumal für Bucer selbst von nicht geringem Interesse. Wir teilen daher diese bis Blatt 32 reichen- den einleitenden Abschnitte, nach ıhrem ganzen Inhalt, nur unter Kürzung einiger Längen nachfolgend mit. Die ganze Schrift ist nach dem Originaldruck nicht wieder gedruckt noch auch unseres Wissens irgendwo näher behandelt worden. Unsere Vorlage bildet das Exemplar des Originaldrucks, das die Fürstlich Stolbergische Bibliothek in Wernigerode unter der Signatur In 118, 1 (Miscellanea) bewahrt.

„De vera ... compositione‘‘ beginnt mit einer Vorrede an den christlichen Leser. Sie unterrichtet über den Ursprung der Schrift und ihren Zweck. Der Verfasser will hier seine und seiner Glaubensgenossen Absicht erörtern, die Kirche auf Grund der heiligen Schrift in ihrer alten apostolischen Reinheit herzustellen und dadurch dem Brande des Religions- haders, der das Vaterland je länger desto mehr zu verzehren droht, entgegenzuwirken. An derselben Stelle verantwortet sich Bucer dann gegen die Vorwürfe, die ihm aus seiner Teil- nahme an dem Regensburger Vermittlungsversuch erwachsen sind: einerseits, daß er Kaiser und Reich habe der Ketzerei zuführen, anderseits, daß er aus Liebe zur Eintracht nicht ' zu rechtfertigende Zugeständnisse habe machen wollen. Ferner wird er die Verleumdungen des Pighius und Ecks gegen seine Acta colloquii usw. widerlegen, zuvor jedoch und ehe er zur Besprechung der Kontroversen selbst übergeht, sich über den Ursprung und die Fortschritte der in die Kirche eingedrungenen Mißstände verbreiten und den richtigen und einzigen Weg zu ihrer Beseitigung und der Herstellung der Eintracht andeuten. Darauf wird er zeigen, worin die Kontro-. versen eigentlich bestehen und die Punkte hervorheben, über die man sich in Regensburg verglichen hat, um dann

1) Vgl. H. Jedin, Studien über die Schriftstellertätigkeit Albert Pigges (Münster 1931; Heft 55 der Reformationsgeschichtlichen Studien und Texte herg. von A. Ehrhard) S. 34—40, Nr. 13 und S. 43f., Nr. 15. (Ebendort 8. 45, Nr. 16 über die unvollendet geblie- bene Gegenschrift des Pighius wider Bucers De vera ecclesiarum ... compositione, betitelt Apologia adversus M. Buceri calumnias ... 1543). Zu Eck und Bucer s. Th. Wiedemann, Dr. Jobann Eck (Regensb. 1863), S. 639ff.

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festzustellen, was demgegenüber die Argumente der Gegner wert sind. So wird sich herausstellen, daß wir (die Neugläy- bigen) durchaus die Sache der ursprünglichen Kirche vertreten, die Gegner aber von dieser in einem schimpflichen Leben, in offenkundiger Simonie und der Vernichtung der kirchlichen Zucht, wie nicht minder in ihrer Doktrin und der Verwaltung der Sakramente durchaus abgewichen sind. Es folgt daraus, daß der Zorn Gottes von Kirche und Vaterland nur abgewendet werden kann, wenn Kaiser und Reich dem unverschämten

Gaukelspiel des Papstes mit dem Generalkonzil gänzlich ab- _

sagen und die in Regensburg begonnene innerdeutsche Ver- ständigung mittels Berufung eines Konzils zu Ende führen. Das wird nicht mehr schwer sein, nachdem in Regensburg der Kaiser, die Kurfürsten und die Mehrheit der Fürsten (zu denen freilich die kleinen Äbte und Äbtissinnen nicht ge- hören, sondern nur solche, die ein Land regieren) über Erb- sünde, Gottesverehrung, Sakramente und Zucht der Geistlich- keit und des Volkes sich verständigt haben.

Hier schiebt Bucer eine kurze Übersicht des Inhalts der ganzen Schrift ein, woran sich endlich der Text selbst anschließt. Er ist zugeschrieben dem kaiserlichen Oberkämmerer Louis de Praet, der im Auftrage Karls an den Regensburger Ver- handlungen teilgenommen hatte.

Der Zwiespalt in der Kirche, erörtert Bucer, dreht sich um die beiden Fragen: wie kann der Mensch Sündenvergebung erlangen, und welche seiner Werke sind Gott wohlgefällig ? Er schildert nun, wie die Christenheit von der alten Art, sich mit Gott zu versöhnen, sich abgewandt hat und ein falscher Kultus aufgekommen ist, der in weitem Ausmaß zur Sittenlosigkeit und zum Abfall von Gott geführt hat, wobei das Papsttum zum schlimmsten Feinde der wahren Religion geworden ist. Alles geht darauf zurück, daß die Lehre von der Sündenvergebung in Abnahme gekommen und aus- geschaltet worden ist. Gegen das eingerissene Unwesen sind neulich Zeugen der Wahrheit aufgetreten, doch sind die frühesten nicht durchgedrungen. Dann ist Erasmus erstanden und hat uns zu den heiligen Vätern und der Bibel zurück- geführt. Ihm ist Luther gefolgt, der zuerst nur den Ablaß bekämpft, dann aber, ungehört verdammt, das -Kernstück der Rechtfertigung und Sündenvergebung angegriffen hat. Auch andere Streitpunkte sind im Zusammenhang mit dem Auftreten Luthers (dem seine Schüler an die Seite getreten sind) aufgerührt worden und so geht nun seit 20 Jahren zwischen den Päpstlichen oder Katholischen und uns, die wir Lutheraner oder ‚Protestanten genannt werden, der Streit um die beiden Hauptartikel vom Glauben und von den guten Werken.

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Die Gegner zerfallen in zwei Klassen: die das Neue grund- sätzlich ablehnen und die, welche sich selbst durch den Kampf einen Namen machen wollen. Daran schließen sich die ‚Epiku- reer‘‘ ah und solche, die durch die Art unseres Auftretens abgestoßen werden. Letztere nun mögen, soweit sie des Herrn sind, ihre Vorurteile ablegen und sich vor Augen halten, daß wir nichts für uns selbst wollen, sondern für Christus streiten. Hier verbreitet sich Bucer nun näher über das, was viele sonst Verständige von Luther und den Seinen abschreckt. Voll- kommen ist auch Luther nicht, vielmehr dem Irrtum unter- worfen, was er übrigens selbst zugibt. Bucer erörtert be- sonders Luthers Heftigkeit, die er aus den Verhältnissen, zumal den Anfeindungen, die jener erfahren hat, erklätt. Berechtigtere Vorwürfe, meint er, lassen sich gegen die Lutherschüler erheben. Er schildert in diesem Zusammen- hang, auf welche Weise er selbst Prediger des Gotteswortes geworden ist. Nun aber wendet er sich gegen die falsche Auslegung, die den neuen Lehren zu Teil geworden ist, u. a. von den Schwärmern, die von guten Werken überhaupt nichts wissen wollen, was dann ihnen, den Evangelischen, allgemein in die Schuhe geschoben wird. In Wahrheit sind am Tiefstand des religiösen Lebens vor allem die Geistlichen des alten Glaubens schuld, die alles anwenden, um wider sie, die Lutherischen, Stimmung zu machen. So kommt bei gegenseitiger Verketzerung die Religion immer mehr herunter, die Zucht löst sich, die Heilmittel der Kirche werden miß- braucht usw.

Hat der Verfasser somit gezeigt, wodurch die Spaltung entstanden, vermehrt und bis heute erhalten worden ist, so will er nunmehr zeigen, wie die Einheit der Kirche wieder- hergestellt werden möge.

Von vornherein sind die „Söhne des Teufels“, auch wenn sie die höchsten Ämter bekleiden, abzustoßen. Dagegen sind diejenigen Fürsten und Bischöfe, die Gott mit der Erkenntnis seiner begnadigt hat, eifrigst heranzuziehen. Der Weg aber, auf dem diese beiden Richtungen, die Evangelischen und die Gutwilligen der Gegenseite, zusammenkommen und sich ver- ständigen, ist das Nationalkonzil, dessen Beratungen sich auf die Schrift und, ergänzend, die heiligen Väter zu gründen haben. Hier wendet sich der Verfasser gegen diejenigen, die behaupten, daß die Aussprüche der Bibel nicht hinreichend eindeutig seien (also einer berufenen Auslegung bedürfen); zumal aber widerlegt er die Meinung, daß zur Abhaltung eines Konzils die Zustimmüng des Papstes erforderlich sei, auch daß ein Konzil international sein müsse. Das Gegenteil beweist Bucer ausführlich aus dem Kirchenrecht und der

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Geschichte. Wenn aber manche Wohlgesinnte der Berufung eines Konzils überhaupt widerstreben, indem sie sagen, Gott werde schon einen Weg finden und erfahrungsgemäß hätten Konzilien oft schädliche Folge gehabt, so wendet Bucer ein, daß letzteres seinen Grund nicht in der Sache, sondern in der Schwäche der Menschen habe. Auch im bürgerlichen und politischen Leben treten zur Beilegung von Zerwürfnissen ausgezeichnete Männer zur Beratung zusammen. Auch Bücher können mündliche Besprechung nicht ersetzen.

Endlich setzt sich Bucer mit dem Einwand auseinander, . daß Kompromisse in Religionssachen schädlich seien. Wohl werde, meint er, die erstrebte Religionsvergleichung schwer und nicht ohne Gefahr zu erreichen sein; gleichwohl dürfe man nichts unversucht lassen, was sie fördern könne. Und wenn auch die Gemüter durch die Umtriebe und Verfol- gungen der Gegner gegeneinander verhetzt seien, so fehle es doch auch nicht an Verbindendem unter den Bessergesinnten, unter denen z. B. über das, was zum Heil nötig ist, keine verschiedene Auffassung bestehen könne. Wo jedoch Miß- verständnisse aufgekommen sind, da können sie nirgends anders besser geklärt und beseitigt werden, als auf einem Konzil. Dann wird auch Gott seinen Segen nicht verweigern und Christus wird in einem solchen Konzil den Vorsitz führen und die Schlichen des Satans zunichte machen.

Christiano lectori gratiam et pacem a Christa domino.

Evulgavi statim a comitiis Ratisponensibus quae illic de concilianda religione acta fuerunt, idque bona fide et syncero piae consensionis studio in ecclesiis restituendae, de quo appello judicium Domini. quia vero non dubitabam varie de his actis a me aeditis judicatum iri, etiam ab eis qui Christi regnum quaerunt, coeperam adjicere explicationem contro- versiarum: cum earum quae in colloquio in comitiis illıs habito conciliatae sunt, tum earum quae conciliari in eo colloquio nondum potuerunt. sed tempore, ne ad eundem mercatum, quo acta, ea explicatio aederetur, excludebar. postea visum Domino est nostram ecclesiam flagello corripere pestilentiae, quae res coögit vacare confirmandis eo flagello correptis et corripi in horas expectantibus!). successit deinde pere-

I) Über die Pest, die Straßburg im Herbste 1541 heimsuchte, und Bucers Haltung dabei, s. Baum, Capito und Butzer, S. 528ff. Capito wurde ein Opfer dieser Pest, ebenso die Gattin Bucers nebst drecien von ihren sechs Kind'rn.

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grinatio quaedam!) et alia ecclesiae negotia, quibus occupatus Instituto operi incumbere non potui; ad quod nec deinde jJustum tempus contigit, indies se magis magisque accumulan- tibus curis et laboribus, quos a me et ecclesia et schola nostra flagitat. tamen coeptum opus in manus resumpsi et prose- quendo ei aedendoque impendi quantum temporis cottidiano meo ministerio subducere licuit.

Eo vero me hae causae perpulerunt: primum ex multis colloquiis, quae de religione habui cum non paucis hominibus et nostratibus et peregrinis, Italıs, Gallis, Hispanis et Anglis, tum etiam ex multorum scriptis animadverti ac certo comperi in controversiis religionis, quae hoc nostro tempore existunt, haerere minime paucos, quos videas tamen vero Dei timore certoque Christi studio teneri, tantum eo quod nec veterem ecclesise doctrinam, quae extat in libris sanctorum patrum, nec nostram recte intelligunt; ita enim et novae illi religionem tradendi administrandique rationi, quae postremis et corruptis ecclesiae temporibus introducta est, a ratione quam tradunt divae scripturae et secuti patres sunt plane aliena adsueverunt, et sophistarum, quos pater mendacii contra Christi doctri- nam nungquam non excitat et suis artibus instruit, paralogismis et calumniis perturbantur, ut in scriptis tum patrum tum nostrorum hominum, quanquam clare in illis et perspicue omnis explanentur, minime pauca propter scriptionis et formu- larum loquendi insolentiam haud quicquam suo sensu, quo scripta sunt, percipiant, indeque multa in nostra doctrina et disciplina cum traditione veteris ecclesiae et iis religionis principüs, quae illi ex doctrina Christi vera tenent, plane pugnare existiment, quae tamen eis prorsus Consentanea sunt, et contra multa in recepta vulgo religionis administratione his arbitrentur consentanea, quae ab eis penitus dissident.

His itaque timentibus Deum et quaerentibus synceriter Christum hominibus navare hanc operam institui, ut expli- cando, quoad Dominus daret, nostra et cum insolentiae re- moras ab his submovendo, tum sophistarum cavillationes re- pellendo ostenderem quam nos profitemur doctrinae Christi repurgationem et disciplinae correctionem molimur, sicut cum scripturis Dei, ita etiam cum veteri vere apostolica ecclesia et consensu filiorum Dei perpetuo omnino congruere, itaque viam his ipsis munirem et curam acuerem ad reparandam inter nos, quos Deus in filio suo conjunxit et membra sua fecit, plenam et firmam totius religionis consensionem. nam si Christi sumus et ejus spiritu agimur, nihil profecto in hac 1) Bucer spielt wohl auf seine Berufung nach Bonn durch Erz- bischof Hermann von Köln im November 1541 an. Baum, 8. 532.

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vita magis nobis dolere potest quam exitiosum hoc religionis schisma, nec aliud esse majori curae et solicitudini quam ut omni schismate et cuncta dissensione sublata vere rursus in universa doctrina et disciplina Christi consentiamus, con- spiremus et solide unum simus . . .. non potest quidem ulla nobis cum iis qui Christi non sunt, qui non ex ovibus ejus, quanquam adhuc aberrantibus, sunt, in religione concordia constitui, sicut nec Christo et Belial quicquam commune esse. at quis dubitet innumeram sane filiorum Dei superesse multitudinem inter eos, apud quos religionis administratio gravissime adhuc vitiata est, quorum salus, si in Christo vivimus et cum co quaerere studemus quicquid perüt, negligi a nobis non potest. tametsi non paucos ex his, si non omnes, a veritate Christi penitus percipienda et sectanda non parum etiam remoretur amor opum et carnalıs tranquillitatis fugaque crucis, quae syncerae Christi con- fessioni in hoc saeculo nunqum deest. verum quo hac parte infirmiores illi sunt, hoc majore eis cura caetera submovere offendicula oportet. quo itaque his ipsis filiis Dei nobiscum in Domino restitutione syncera doctrinae et disciplinae Christi vere solideque uniendis officium meum qualecumque praesta- rem et, quod meae parvitatis esse potuit, incendio isti patriae nostrae, quo, nisi mature restinguatur, indubie tota con- flagrabit, dissidio in religione reprinnendo occurrerem, istam controversiarum de religione explanationem suscepi.

Deinde dedit Dominus me quoque actionibus illis, quae sunt de reconciliandis ecclesiis per imperatorem Carolum V institutae, adhiberi, in quibus quam mihi ista pernitiosa reli- gionis dissensio et ecclesiarum distractio merito doleat et quam cupiam oves Christi depulsis lupis in ovile Christi recte _congregari et pasci salutariter, haud obscure prae me tulo. inde vero factum est ut Antichristi aliquot me in- simularint simonii doli, qui imperatorem et status imperil praetextu et illecebra concordiae ecclesiasticae pellicere conatus sim in nostras haereses; aliis vero nonnullis in suspitionem venerim, quasi nimio concordiae studio concedere quaedam voluerim, quae sine jactura veritatis concedi non queant. quo ergo omnes videant quid vel doli struxerim vel conceden- dum existimem, eo quoque magis placuit de singulis contro- versiis religionis quid sentiam et in quo christianam ecclesiarum restitui concordıam debere judicem, palam testari et quae me vel Ratisponae vel alıbi dixisse in aurem nonnulli suspi- cantur, nunc praedicare de tectis. versatus sum hactenus in luce nec nunc tenebras quaeram causam lucis agens. nılil quidem magis expeto quam ecclesias Christi rursus conjungi, sed nonnisi in Domino, in quo et. consociabuntur eo plenius

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et cohaerebunt firmius, quo doctrinam ejus fuerint en amplexae et se ejus disciplinae simplicius submiserint .

Et hac igitur de causa esse officii mei judicavi, quod coeperam opus prosequi, eoque priusquam ad excutiendas ipsas Con- troversias descenderem, volui ostendere veram originem et progressionem cum vitiorum, quae in religionem nostram invaserunt, tum dissidiorum, quae ob tentatam a nostris homini- bus horum vitiorum correctionem oborta sunt, tum quae vera et unica ratio sit et corruptelas illas religionis emen- dandi et ecclesias in piıam rursus concordiam reducendi. deinde controversias aggressus explicare institui primum in quibus illae maxime haereant et quae in verbis tantum, quae etiam in rebus consistant, tum quid in unaquaque Ratisponae com- positum sit, quid minus; postremo quid contra haec valeant argumenta adversariorum . . . his planum faciam non per divinas modo scripturas, sed etiam scripta sanctorum patrum nos in nulla haerere haeresi et vere catholicum ecclesiae con- sensum in omnibus studiose sequi, adversarios autem nostros cum eo consensu sicut flagitiosa vita, manifesta simonia et conculcatione totius disciplinae ecclesiasticae, ita etiam per- verss doctrina et sacramentorum admınistratione penitus pugnare. indeque et illud certo cognoscetur ecclesiae et patriae Incensam iram Dei averti alia via non posse quam ut imperator et imperii status impiis et impudentissimis pontificis ludi- ficationibus de concilio generali longum valedicant (quid enim Tridenti unquam parare cogitavit?)!) et coeptam Ra- tisponae conciliationem pio Germaniae concilio coacto ad optatum finem perducant.

Quod sane difficile non erit, cum imperatori, concilio electorum longeque majori parti reliquorum principum et statuum (cum enim principes et status imiperii dico, eo8 numero quibus Dominus aliquem populun credidit, non quoslibet abbates et abbatissas, qui sibi principum et sta- tuum imperii titulos vendicant) conciliatio in colloquio Ra- tisponensi constituta de vitiato hominis ingenio et perditione, de justificatione et regeneratione, de vero Dei cultu, de usu sacramentorum, de disciplina cleri et populi comprobata sit.

Qua« res profecto, nisi nobis mature perire libeat, modis omnibus acceleranda erit. videmus enim ut ab eo quo nobis illuxit tempı.s visitationis nostrae, qua nos Deus tam paterne tanque instanter ad se revocat, dum contemnere oblatam Dei UL pergimus, indies omnia publica et privata

1) Nach Trient wurde ein Universalkonzil zuerst durch Kon- sistorialbeschlußB vom 21. Mai 1542, und zwar zum 1. Novenber des gleichen Jahres, einberufen.

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deterius haberi coeperunt .. num dissecti et dissipati magis magisque sumus in rebus omnibus? in comitiis Ratisponensi- bus quis rursus regnum Christi a paucis quidem illıs, sed quibus reliqui infoeliciter concesserunt, obstinate rejectum est, quantas interim respublica Germaniae calamitates per- pessa est! nova mox in illis ipsis comitiis et pernitiosa inter status imperii excitata schismata sunt!); praeclarus statim exercitus ad Budam misere et foede caesus est?), frustra dila- pidata non contemnenda pecunia, quia mitti subsidia in Hun- gariam debebant, quam consentienter copiae, quae nunc in Hungaria sunt, Spirae decretae et quam prompte postea missae sunt?). quantum vero irae divinae in nos inflammatae argu- mentum bellum tam cruentum et immane inter imperatorem et regem Gallorum subito exortum®), quos duos monarchas christiana respublica solos habet reliquos, per quos et ecclesia commode reformari et Turci a cervicibus populi christiani depelli possent. mitto pestilentiam totque alios exitiales morbos nunc quadriennio passim per Germaniam grassantes... Dominum itaque oremus ut et sentire nos iram suam et ei -digna poenitentia occurrere faciat et regnum suum in nobis mature restituat et conservet in aeternum. amen.

Index praecipuorum locorum, qui hoc opere explicati sunt. Vulgatae religionis corruptelas falsa placatione Dei et adulterino cultu contineri. Quae et unde invaserunt vitia religionis nostri temporis. A quibus, per quos et quo ordine vitia religionis nostro tempore reprehensa sint. Quales adversarıı contra Lutherum exorti. Unde calumniae contra Lutherum.

1) Bucer hat hier wohl die wachsende Feindschaft zwischen den Schmalkaldenern und Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig- Wolfenbüttel im Sinne, die dann noch im Jahre 1542 zum Kriege und zur Eroberung des Herzogtums durch die Schmalkaldener führte.

*) Im August 1541 wurde das Heer König Ferdinands unter Wil- helm von Roggendorf vor Buda von den Türken vernichtet.

°) Der Anfang 1542 in Speyer tagende Reichstag bewilligte für Ungarn die stattliche Hilfe von 40000 Mann zu Fuß und 8000 Mann zu Pferde. Etwa zwei Drittel dieser Bestände wurden auch aufge- bracht und Kurfürst Joachim von Brandenburg als Reichsfeldherr rückte im Sommer mit diesen Truppen in Ungarn ein. Über den Verlauf der Unternehmung, die im Herbst vor Buda völlig scheiterte, zeigt sich Bucer noch nicht unterrichtet. Es ergibt sich daraus (ver- glichen mit Anm. 4) als Zeit für die Abfassung seiner Schrift der Hochsommer 4542.

*) Frankreichs Kriegserklärung an den Kaiser erfolgte im Juli 1542.

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Quales discipuli Lutheri.

Causae haeresum et novorum initiorum in religione.

Quae impellere debeant ad quaerendam concordiam eccle- siarum.

Quibus rationibus et cum quibus hominibus religionis con- cordia quaerenda.

De facultate et ratione concilii nationalis celebrandi .. .

Generoso ac illustri viro D. Ludovico de Flandria domino Prati, imperatoriae ınajestatis supremo cubiculario, domino ac patrono suo cum primis colendo!)

Martinus Bucerus s. d. a Christo.

Östensurus, princeps illustris et religiose, quae religionis controversiae Reginospurgi juvante Christo domino compositae sint, plurimae sane et inter eas quae existebant maximae, quae etiam ad aliam tractationem rejecta sint, quae et numero paucae et non adco ınagni momenti sunt, visum est praemittere quibus capitibus quaecunque extiterint de religione dissen- siones et existent, contineantur, unde primum ortae quibusque de causis auctae et ad hoc usque tempus perductae sint, tum quibus rationibus universae tandem tolli et plena ac solida pax inter ecclesias constitui puraque doctrina et certa atque firma disciplina ubique in ecclesiis restitui possit et debeat. his enim rite consyderatis et perspectis poterit quisque cum facılius cognoscere quantum id Domini beneficium fuerit, quod in hac causa per imperatoreın aliosque pios et principes viros, qui illi ad restituendam ecclesiarum concordiam operam suam fideliter navarunt, in comitiis illis praestitit, tum etiam pro se commodius adjuvare, ut hoc praeclarum et necessarium beneficium Domini ad quam plurimos perveniat. ut itaque prımum de capitibus et summis generibus harum de religione controversiarum dicam, sic res habet.

(Juicquid inter eos, qui religionis formam, quae vulgo pridem obtinuit, retinent ac tuentur et sub ea christianum nomen sibi vendicant, et eos qui in societate Protestantium ecclesiam in antiquum et puriorem statunı adeoque ad aposto- licum ordinem restituere cupiunt, de religione Christi jam supra viginti annos controversum est et etiamnum contro-

t) Louis de Praet, Oberstkämmerer des Kaisers, war in dessen Auftrag in Regensburg an den Religionsverhandlungen beteiligt ge- wesen. Vgl. M. Lenz, Briefwechsel Landgraf Philipps mit Bucer II 28; III 17, 73ff. Der Nuntius beim Kaiser, Giovanni Poggio, bezeichnet Praet in einem Berichte vom 17. November 1540 als homo da bene, integro, prudente und persons che vale. Nußtiaturberichte aus Deutschland. 1. Abt., Bd. 6, S. 165, Anm. 2.

156 vertitur, id düobus maxime capıtibus contineri certo certius

es. Peso. tum omnes ex nobis ipeis obnoxii Dei judicio et sub damnatione mortis aeternae simus: quibus rebus nobis paretur et constet remissio peccatorum, hoc est: qua re con- ciliemur Deo, ut in gratiam recepti beneficientiam quoque ejus erga nos sentiamus; deinde quis sit legitimus Dei cultus et quae sint vera officia, quibus pios homines Dei se approbare convenist, hoc est: quibus rationibus et avertere a nobis iram Dei, ut nobis propitius sit ac benevolus et bona cum praesentis, tum futurae vitae ab eo impetrare possimus; deinde quae sint probata et grata Deo opera. in quibus exerceri pios convenist, qui hac Dei benevolentia ac benignitate ni- tuntur. de his enim duobus capitibus quandocunque vitista religio est, perversae opiniones grassantur et quaerunt ho- mines Deum aliis sibi viis quam fieri possit placare, aliisque quam probet operibus demereri.

Descripserat Dominus populo veteri rationem secum in

gratiam redeundi, ut, quoties in se ejus iram peccando con- citasset, gratuitam ipsius misericordiam per futuram Christi satisfactionem ex vera peccatorum poenitentisa certaque impetrandi fide imploraret. ita quae sibi grata acceptaque essent, officia, clare praeceperat, facere scilicet judicium et justiciam, hoc est ad regulam boni et aequi cuncta et in- stituere et agere, ut ita in veris charitatis officiis suum cuigue tribuepndo se excerceret. unde sequebatur totam externam corporis disciplinam eo conferendam esse ut corpore et animo se ad confitendam et praedicandam majestatem Dei tum ad benignitatem beneficentianıque erga homines exercendam com : At populus simulatque suis se pravis desyderiis permisit et oblivisci Dei factoris et redemptoris sui coepit, hoc est religionem veram abjecit, externis modo functionibus sacri- ficiorum absque ulla corruptae ac damnatae vitae poenitentia nulla in misericordiam Dei et meritum Christi fiducia expiare peccata et gratiam Dei eblandiri conabatur, et quanquam praevalente in animis illorum luce judicii divini convinceren- tur in suis ipsorum animis atque hoc sensu identidem pun- gerentur sine vera poenitentis et fide nullum esse placationis genus, nullum pisculare sacrum, quo rite Deo litetur: tamen ut’ legitirlis sacrificiis, quae in expiationis testimonium illis docta erant, adhiberent poenitentiam et fidem devincti cupi- ditatibus suis adduci nullo modo poterant, sed suis stultis et impiis cogitationibus evanescentes novas et exoticas ex- piationum formas partim: ipei comminiscebantur, partim ab ethnicis mutuabantur.

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Quibus tam aberat ut Deum propicium sibi redderent, ut nulla eum re gravius quam his ipsis placaminibus contra se irritarent. ad nihil enim aliud eae religiones valebant quam ut placatione Dei falso promissa securos homines redderent ac obstinatiores in cuncta sus impietate et illa in qua de- mersi erant vitse impuritate. inde vero est quod prophetae hasce ceremonias, ut res Deo maxime abominandas et exe- crandas, tantopere ubique detestentur, neque id de iis modo ceremoniis, quae praeter verbum Dei institutae erant, phetae confirmant, sed de iis quoque, quas Deus ipse in lege sus comınendaverat. „neque posthac, inquit per Jesaiam!), offeratis mihi libamentum falso, sufimentum hoc abominatio mihi est. neomenias, sabbata omnemque coetum indictionum non fero, pravitas est, etiam indictae abstinentiae, novilunis vestra et solennitates vestras odivit anıma mea, sunt mihi oneri, laboro ea sustinens“. eadem Dominus in omnibus pro- phetis testatur de ceremoniis, etiam a se institutis, dum sine poenitentia et fide celebrantur.

Eo siquidem institutae erant a Domino ceremoniae et omne genus sacrificia,ut sacramenta modo et arcanae quaedam attestationes essent unicae illius satisfactionis,. quam suo sacrificio peracturus erat Christus, ut genus humanum Deo reconciliaret, non autem ut peccatorum expistiones per se aut irae Dei depulsiones haberentur. et quanquam vinı fruc- tumque mortis Christi exhibebant iis qui vera cordis fiducia oblatam illic sibi gratiam amplecterentur, non tamen retinere ideo in se homines debebant, sed ad Christum dirigere potius« et quasi manuducere.

Quemadmodum vero hi non veri leraelitae religione pro- lapsa symbola suse cum Deo reconciliationis, quae non Opor- tuerat quasi gratum Deo cultum offerre, unde petenda pecca- torum expiatio non erat, sed in quibus oblatam modo Dei misericordiam et Christi meritum puro corde amplecti de- cuerat, tanquam res per se Deum placantes absque pecca- torum agnitione et odio, absque fideli gratise Dei in Christo apprehensione et complexu usurpabant, tanquam demerente Deum cultu defuncti non in ipsa clementia Dei et satisfactione Christi, sed illis ipeis ceremoniarum operibus et externo apparatu acquiescebant: ita abjecto charitatis studio se quisque amare, sibi studere nec modo nullis officiis juvare proximos, sed vel fraude circumvenire vel opprimere violentia, per fas et nephas ad se trahere quod ipsius foret, omni denique injuriarum genere ipsos affıcere pergebant, corpus suum nec ita castigabant vel assuefaciebant ad obsequium spiritus, ut

1) Jessias 1 v. 13—14.

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essent ad serviendum Deo et hominibus aptiores et alacriores; sed cuncta vitae officia et bona opera in falsis et impiis ceremoniis et ambitiosis oblationibus externisque corporis purgationibus atque insanis carnis afflictionibus ponebant....

Hanc officiorum perversitatem, ut quisque prophetarum in populo sui temporis, ita et Christus dominus in Pharisaeis‘ deplorat; nam ut prophetae universo populo, ita Dominus Pharisaeis objecit quod in templo et sacrificio oblationibus, decimis, jejunio, tum purgationibus corporis totoque illo apparatu externae religionis et sanctimoniae ad superstitionem usque occupati interim inanes essent judicio, misericordia et fide refertique intus fastu, avaritia, rapina, immunditia, hypocrisi et cuncta iniquitate, quod si quas preces et cleemo- synas facerent, eas quoque ad ostentationem esse compositas ...

Ad eundem modum (est enim ut pietas, ita et impietas omnibus temporibus sui similis) diu jam res habet in christiano populo, dum ecclesia Christi per eos administrari desiit quibus se ipsa commiserat, hoc est cum vere episcopali cura et syncera evangelii doctrina destituta est. ita enim instituti vulgo ho- mines sunt ut perpaucos invenias qui ad impetrandam pecca- torum remissionem et consequendam beneficentiam Dei non externis sacramentorum actionibus aliisque ceremoniis potius quam ea, quae sacramentis exhibetur et ceremoniis aliis com- mendatur, gratia et communicatione servatoris confidant, qui non citius ad merita et intercessionem respiciant divorum quam mediatoris Christi, quem nobis unum pater coelestis proposuit, qui non veniis ponteficiis et sacerdotum monacho- rumque suflragis amplius se quam Christi propitiatione erigant, qui denique non bonam etiam partem salutis suis preculis, jejuniis et oblationibus adtribuant. nam plurimos eorum, qui his rebus audiendis et emendis missis, colendis et invocandis divis horumque ossibus et statuis venerandis et ornandis, redimendis veniis pontificiis, sacerdotalibusque et monachalibus suflragationibus praecipue student, videas interim in gravissimis sceleribus et flagitiis, in manifesto contemptu Dei perseverare et minas atque promissiones, indignationem et gratiam ejus perinde facere. quam nihil igitur bi Christo domino credant ac fidant, ex vita eorum aperte conspicitur ....

Iam vero ut his malis demersus et utinam non sepultus sit ubique vulgus hominum, nemo non videt. omnes certe qui studium aliquod Christi habent, gravissime conqueruntur. non de plebe tantum loquor, sed de ipsis quoque primoribus et iis qui religionis antistites et ecclesiae praesules haberi volunt. ut enim ipsi pontifices, cardinales, episcopi ac reliqui omnium graduum clerici, tum principes et caeteri gquorumlibet

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ordinum homines vivant, satis pro indignitate explicari non potest ac ne cogitari quidem sine gemitu. manifestum itaque est hos omnes, quicquid sive verbis sive factis in ceremoniis atque religionibus prae se ferant, non tamen Christum ex animo respicere ac querere nec eum vera fide amplecti, prop- terea quod nemo ab hoc remissionem peccatorum petere ex animo vel accipere possit, qui non sibi ipsi in vitiis displiceat ac vero justitiae amore ac desiderio tangatur, a quo longe abest quisquis non vitam suam ad proferendos poenitentiae dignos fructus composuerit . .

Sic vero perversa fiducia salutia inebriati, officiis quoque religiosae vitae veris praetermissis, falsis tantum occupantur et acquiescunt . .. . pro fructibus autem liberalitatis, quam conferre in eos debuerant quibus benefieri Christus jubet, bis insanas largitiones faciunt in templa, in instruments, ornamenta atque ministros templorum praeterito Christo in suis minimis interim esuriente, sitiente, nudo et hospitüi egente, infirmo et vincto. imo viduae et pupillae cunctique pauperes ab his maxime opprimuntur, et rapit quisque ad se quantum modo per mundi leges potest, idque deinde per nequitiam vel ambitionem turpissime et pernitiosissime pro- fundit. quantulum enim ex tam immensis opibus ecclesiarum, quae omnes tantum in eos qui vel sacra ecclesiae ministeria jam rite obeunt, vel ad obeunda ipsa educantur, tum in pau- peres Christi insumi debebant, his usibus superest ? quod non pridem sub titulis episcopatuum abbatiaruım aliarumque sacrarum functionum, denique per dispensationes, uniones, commendas et ejusmodi impudentissimas sacrorum canonum fraudes . . absorbeatur et dissipetur .

Ubi autem eo impietatis ac caecitatis prolapsi sunt miseri homines, exemplo veteris populi in majorem subinde furorem ac turpitudinem eruperunt. novis enim Ignoratisque supersti- tionibus sese dediderunt, quas indies quoque adcumularunt.... pro vivisetmortuis. quae omnia pontifices suis approbationibus, commendationibus et indulgentiis confirmarunt et ut passim obtinerent effecerunt: quibus studiis sicut in plebe omnis ex- tincta pietas est, sanctimonia eversa et profligata justicia, ita pontificum, qui se ita prostituerant, eo evasit impietas, vitae impuritas et flagitiosa ad omne genus nequitiae libido, ut jam diu non sint atrociores hostes verae religionis, frugalıtatis, modestiae, pudoris, innocentiae quam hi ipsi, quos tamen ista aliis et doctrina et vitae exemplo praecipere et commendare decuerat. ut enim totam ecclesiastici ministerii vim ac digni- tatem in tyrannicam dominationem, et quae ad sustinenda sacra ministeria et alendos pauperes ecclesiis donatae sunt opes et copias, ad communiendam et ornandam hanc, quam

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contra jus et fas occuparunt, potentiam convertissent, adeo partim praetextu religionis, partim opum ecclesissticarum praesidio, quas indies et arte et vi auxerunt, supra omnem mundi potentiam sese extulerunt, ut non solum summis regibus et principibus formidabiles sint, sed habeant etiam cunctas potestates in sus manu et ditione, quas amplificare et circum- scribere, instituere et destituere, erigere et disjicere, turbare ac pacificare pro sua libidine possunt ...

Inde videmus nullam uspiam gentium dominationem ex- titisse, quae in eos, qui sus notare vitis ausi fuissent, et magis enxia solicitudine inquisierit et immaniore animadverterit crudelitate. nam simulatque aliquem mussitasse audiunt contra suas illas tam licentiosas atque effrenas libidines, protinus ad judicium tanquam haereseos reum atque inde ad ignem abripiunt et tunc se divinae majestatis ultores praedicant ... indies itaque corroborata omnis illa religionis oppressio et impietatis communitio et defensio ad summum certe pervenit.

Atqui horum omnium malorum fons unus extitit: quod primum obscurata, deinde et de medio sublate es doctrina fuit quae docet unde et qua ratione petenda sit peccatorum condonatio, placatio et benevolentia Dei, tum quae sint grata a nobis Deo officia, qui cultus accepti. nam statim ut pro- piciationem et beneficentiam Dei non per unum dominum nostrum Jesum Christum viva fide quaerere homines coeperint, ita fit ut nec a vero Deo possint utranvis petere, qui ut cognosci nisi per unum filium non potest, ita nennisi in eo solo invocari. vere itaque illi, ut novas placandi colendique Dei rationes, ita etiam, quod prophetae, sane proprie loquentes, populo veteri semper objecerunt, novos recentesque deos, quos nec ipsi nec patres eorum cognoverant, quia- nulla scriptura docente re- ceptos, adoraverunt.

Ad hunc modum orbe fascinato, cum diabolus captos ipsos teneret omniaque in eis, ut dv volg volg dnuıdlag facere solet, pro libidine efficeret, quid aliud consequi potuit quam ut silente evangelii doctrina, tandem etiam maxima ex parte oppressa, una cum vera fide omne etiam pietatis studium in populo obsolesceret, subiret autem ejus loco omnis impietas, nequitia et quodvis injustitise genus; ipsi vero duces et ante- signani se contra Dei verbum et Christi spiritum, cujus officium est mundum peccati admonere et redarguere, quibus poterant praesidiis armarent. hoc igitur fecerunt atque ut ad hanc pugnam essent instructi, ministeri dignitatem, ecclesise potestatem ac opes, quae pietatis instrumenta esse debuerant, huc converterunt. interea vero complures, ut jam dixi, excite- vit Deus, qui veritati testimonium ferrent; sed quia nondum tempus miserendi et Sion aedifioandi venerat, inter primos

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conatus, velut in ipsis carceribus, eos successus destituit, ut videri possint in hoc excitati, quo temporum miseriam deflerent potius quam remedium adferrent.

At cum dominus ecclesiae suae misertus tantae ejus ac tam <alamitosae oppressioni subvenire aliquando vellet, Erasmum Roterodamum primum in medium produxit, qui magno acu- mine vivisque argumentis et qua pollebat eloquentia ac dexteri- tate commonere coepit salutem nostram non posse nec reparari nec conservari ceremoniis, sed fiducia vera in Christum, nec probari Deo posse opera, quae non juxta ejus preceptum eo spectent et valeant ut proximo ad bene pieque vivendum commodetur. ac quo ista salutaris doctrina solida et penitus restitui posset, author studiosis sacrarum rerum fuit, hucque efficacissima persuasione permovit ut missis commentis scho- lasticis, quae corruptiore illo seculo obtinuerant, scripts sanc- torum patrum, inprimis autem divinas literas summo studio legerent et pertractarent.

Successit statim huic Lutherus, cujus tenuia primum initia fuerunt. nihil enim quam portentosam illam in praedicandis pontificiis veniis impudentiam redarguebat easque absurditates notabat, quae tam crassae erant ut manibus fere palpari possent. at cum pontificiae potestatis eversores potius quam defensores nullam quamlibet moderatam receptarum abomi- nationum redargutionem ferrent et sua, cum recepti erToris irreligiosa defensione, tum falsa et rabiosa viri criminatione effecissent ut inauditum, nedum legitimo judicio condem- natum pontifex Romanae ecclesiae consortio ejiceret Satanae traditum: hac ille et excitatus occasione et necessitate officii impulsus, ne scilicet susceptam semel veritatis defensionem abjiceret, coepit, quae pie de indulgentiis disputarat totamque deinde doctrinam de poenitentia et impii justificatione re- purgare et explicare, hoc est summum illud caput doctrinae christianae, unde et quanam ratione petenda nobis sit remissio peccatorum et benevolentia Dei. et quia nihil hujus humanis viribus aut operibus effici potest, inciderunt juxta disputationes quaenam sit in homine facultas ad parandam Dei gratiam, quid ex se valeat hominis natura, quis status sit et quae con- ditio hominis renati; tum consequenter de peccato originali, quatenus ablutum sit vel non ablutum, hoc est quatenus nihil condemnationis afferat nec hominem impellat ad pec- candum vi insuperabili, vel quatenus hominem adhuc ob- strictum teneat sub condemnatione et ad peccandum violenter rapiat. sequutae sunt deinde et aliae quaestiones cum illis conjunctae de fide et fidei cum causis tum eflectis, hoc est gratuita operatione spiritus sancti in electis, tum ad illumi- nandas eorum mentes, ut Christi justicam appraehendant,

Archiv für Reformatiousgeschichte,. XXXI. 3/4. 11

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tum ad ipsos in novam vitam regenerandos et coıda ceorum in obedientiam Dei formanda; item de bonis operibus quoque precio haec sint apud Deum et quam mercedem habeant.

Inde quia sacramentis remissio peccatorum et communicatio Christi ad salutem et vitae aeternae participatum offertur et exhibetur, cum ipsa doctrinae salvificae consequentia, tum etiam adversariorum in tuendis manifestis erroribus importu- nitas virum et ad sacramentorum rationem explicandam pertraxit. nam, ut dixi, vulgo sic homines edocti et assuefacti erant ut magis externis elementis et actionibus sacramentorum confiderent quam ut fide vera Christi in illis beneficium agnoscerent et amplecti studerent. sic ventum est et ad'missam. nec enim quicquam in ecclesia publice geritur, in quo homines praeposteram salutis fiduciam magis defixam habeant. cum ea publica ut sacramenti corporis et sanguiuis domini, ita etiam precum, hymnorum et oblationum cum doctrina evangelii praedicatione esse debeat administratio et dispensatio, eo instituta et exhibenda, ut homines magis magisque vivant in Christo et viventem illum in se potentius sentiant et fruantur plenius.

Ad horum itaque omnium tractationem et illustrationem virum suscepta semel repurgatio atque explicatio loci illius, a quo et qua via percipienda sit peccatorum venia et cum Deo reconciliatio, hominem perduxit et cum ab adversariis im- peteretur, necessaria veritatis defensio compulit.

Jam vero fides solida sine bonorum operum studio esse non potest. spiritus enim Christi, qui animis sanctorum persuadet eos esse filios et haeredes Dei, idem vera sanctitat« eos imbuit et ad eorum operum studium quibus rite colitur Deus, hoc est quae ad salutem et utilitatem hominum conferant, excitat, anımat et promovet: itaque et alter princeps doctrinae christianae locus repurgandus et explicandus sese obtulit, quid jam reconciliatis cum Deo atque ita regenitis faciendum, quibus- nam incumbendum actionibus sit aut quae grata Deo pracstare officia possint et debeant.

Ista occasione examinandae venerunt traditiones humanae. nam sicut vera et unica ratione placandi Deum obliterata et obscurata plurimae falsae excogitatae sunt, ita neglecta et ignorata pura et sancta obedientia, vero demum et unico cultu Dei homines omissis vere bonis operibus, quae Deus mandavit lege sua et adprobavit, infinita prope genera commen- titiorum cultuum excogitata et invecta totaque ratio serviendi Deo a mandatis et doctrinis hominum, et iis quidem a quibus cavendum Christus et apostoli monent, petita est.

. Quae cum plaeraque sic essent ut per se defendi ne ab iis quidem possent, qui quidvis receptum semel vulgo pertinaciter

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tuendum sibi putant, objici coepit taxanti ea Luthero obe- dientia ecclesiae et potestas praefectorum ecclesise. hoc vero pecto ad hujus quoque loci tractationem pertractus est quae traditiones patrum observandae sint, quae repudiandae, quarum necessaria et quarum voluntaria esset observatio et quanta in his Christianis spiritus Christi libertatem adferat, denique quae in his pastorum ecclesise functio et potestas.

His autem commemoratis locis continetur quicquid de religione in controversiam hisce viginti annis venit inter eos qui Romani pontificis judicio Catholici censentur, et inter nos, qui Lutherani vocamur vel Protestantes. ex quo intelligi potest, de quibuscunque inter nos aliquid vel fuit vel adhuc superest certaminis, ea universa istis omnino duobus locis comprae- bendi: qua nobis ratione sit cum Deo redeundum in gratiam ejusque beneficentia impetranda et. percipienda, et quae in- vicem Deo a nobis probentur officia sintque ut ipsi grata, ita etiam vere bona opera.

Nam de aliis christianae doctrinae dogmatis, quales sunt: de mysterio trinitatis, de incarnatione verbi, de duabus in Christo naturis, de personae unitate, de providentia Dei, qua mundus gubernatur, de extremo judicio vivorum et mortuorum; item de natura, ministeriis ac lapsu angelorum, de rerum om- nium conditione nihil motum est, nisi quod multae curiosae et frivolae circa haec mysteria disputationes in scholis, dum jaceret doctrina fidei et operum, exortae per se obsoleverunt, ubi quae de his scripturae tradunt, simpliciter ex ipso fonte et religiosius tradi coepta sunt, ad eum scilicet modum ut inde et fiducia in Christum et studium verae pietatis accende- retur et aleretur. itaque summam omnium certaminum, quae Lutherum a principio exercuerunt et nos hodie exercent, ad illa duo, quae recensui, capita pertinere clarum est.

Interim vero, dum in acie stat Lutherus, alios veluti subsi- diarios, qui in partem oneris subirent, Deus excitavit. is igitur armis instructi quae ille nobis ministraverat (reque enim fateri pudet, quod res est, nos fuisse omnes ejus discipulos ejusque magisterio ac ductu ad lucem veritatis pervenisse), in arenam descendimus. nam cum videremus omnes, qui eum hinc inde impetebant, ad opprimendam Dei veritatem con- spirasse, erat certe officii nostri illam salutis doctrinam, cujus revelatione nos dignatus erat Christus, testimonio nostro non destituere et, si nihil aliud, capita nostra saltem objicere pro ejus defensione potius quam ut tacendo essemus ejus proditores.

Hic vero magis ac magis flagrare coepit et hostium furor et zelus eorum qui recepta magis quam explorata consectari solent. illi quicquid a nobis profectum erat, continuo exagitare

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clamoribus, convitäs-vexare, calumniando detorquere et trahere optima quaeque in pesstmam partem; hi fidem illis omnem ac- commodare, nobis derogare, illos ut veteris et probatae religionis adsertores complecti et suspicere, nos tanquam novarum et damnatarum haereson (so!) inventores et propugnatores execrari et saeve admodum insectari. nam duo fuerunt eorum genera qui nos oppugnarunt: alii inconsyderato zelo doctrinam nostram adhuc incognitam, tantum quia nova videbatur, hostiliter aggressi sunt; alii aut ventris tantum studio aut nominis sibi parandi cupiditate nos sibi oppugnandos putarunt. neque spes eos in totum fefellit, siquidem eorum plaerique hac ocasione ad magnam dignitatem emersere et honoratiore loco haberi coepti sunt, tum etiam opulentis sacerdotiis aucti, quorum alioqui parva fuisset habita ratio. sed in his impleri oportuit illud Erasmi: pauper Lutherus multos divites reddit.

Quemadmodum vero illorum qui nostra hostiliter oppu- gnanda sibi duxerunt, ita et eorum qui hos secuti nostra, sine hostili tamen acerbitate ac publica insectatione, improbarunt hactenus et adhuc a nobis dissentiunt, duplex est genus. alii enim vel Epicurei sunt et flagitiosa vitae turpitudine demersi, qui, quoniam verbum Domini suis libidinibus adversari audiunt, ejus odio in rabiem exardescunt, vel receptis superstitionibus adeo ebrii et fascinati sunt, ut communi praejudicio contenti nostra omnia, tantum quia a consuetarum superstitionum praesidibus damnari ea audiunt, abjiciant et condemnent tanquam nulla consyderatione aut dijudicatione digna. alü vero partim antiquitatis reverentia et timore novitatis, partim amore ac studio ejus doctrinae et disciplinae in qua educati sunt et ita profecerunt ut aliquem locum teneant, partim etiam quod nostra agendi ratio videtur insolentior, societatem nostram fugiunt ...

Hos itaque et quicunque palam ventri suo et nomini operam suam in oppugnandis nobis navant, in hac inquisitione pii consensus missos faciam, nec ullam cum hujusmodi dispu- tationem in hac tractatione sanctorum conciliationi dicata et instituta ingrediar, nisi quantum alicubi necessaria veritatis defensio requiret. habebunt enim satis eorum qui eis secun- dum stultitiam suam respondeant, ne sapere sibi videantur, in eosque solos respiciam et ad eorum ingenium et rationem, quoad licebit, cuncta in hoc tempore attemperabo quos, ut nobis adversentur, partim commovet universae ecclesiae authoritas et majorum reverentia, denique innatus bonis et modestis ingeniis amor receptorum, praesertim de religione; partim offendit tantarum apud nos rerum intrepida novatio, deinde etiam orationis, qua plaerique nostrum utuntur, in- solentia (ut ipsi quidem judicant) et acerbitas. in Domino

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enim convenire non possunt nisi qui sunt Domini et ejus spiritu aguntur eaque re omnem iniquitateın detestantur et omni veritati congaudent. nullum enim esse potest justiciae cum iniquitate commerciunı, nuila luci communio cum tenebris, nulla Christo cum Belial consensio. quocirca cum instituerim ostendere quousque jam convenerit et convenire possit de universa religione, ad eos tantum respiciendum mihi est qui Christi spiritu praediti de hisce rebus judicare et statuere valent. animalis siquidem homo ista tam non potest capere ut pro stultitia ducat.

Hos ergo, qui vere Domini sunt et tamen nostra pleraque non probant, per dominum nostrum Jesum Christum, qui omnino contemnitur et abjicitur, si ullum ejus membrum et organum contemnitur et abjicitur, oro et obsecro ne cum vel de Luthero vel de nobis, qui nos Lutheri discipulos pro- fitemur et vere praestare studemus, judicant, aliud sentiant aut persuaderi sibi sinant, qualescunque vel simus vel esse multis videamur, quam nos regnum Dei quaerere, nec alio spectare nostra consilia quam ut hoc Dei regnum ubique erigatur. deinde sicubi offenduntur, ne illic aut Jam concepto praejudicio aut criminationibus vulgo nobis objectis nimium immorentur, sed integrum ac sincerum judicium, probe cog- nitis et excussis, quae non pro nobis, sed pro Christi causa afferimus, faciant.

Hoc profecto coram Domino testimonium dare Lutlıero, nisi Christum negare velimus, oportet, quibuscunque mores et studia ejus perspecta sunt, nihil eum in omni ista sua tanta contentione spectasse a principio ant molitum esse quam ut duo illa capita doctrinae christianae pura et solida in ecclesiis extarent: per unum dominum nostrum Jesum Christum et sola patris coelestis gratia omnem constare nobis justitiam et salutem solaque Christi pro nostris peccatis satisfactione fiduciam salutis niti oportere, tum iis incumbendum esse officiis quae Dominus ipse injunxerit, quae nimirun! sola Deo grata et hominibus utilia sunt, non quae citra verbum Domini humana excogitaverit curiositas, quae nec probari Deo nec commodare hominibus possunt. veneratur, non con- temnit veterem ecclesiam et quicunque in ea fideliter mini- strarunt, ac proinde omnem non necessariam novationem authoritatisque legitimae contemptum odit, tranguillitatis et pacis publicae obedientiaeque et reverentiae erga rTeges, principes adsertor est et propugnator strenuus, nec miinus acer omnis seditionis contemptusque legitimi imperii vindex et oppugnator. ita innocentiae vereque bonorum operum, si quisquam alius, hic certe praedicator et adhortator est arden- tissimus et impurae irreligiosaeque vitae censor et castigator

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severissimus, frugalitalis quoque, moderationis et temper- antiae magnus amator et persuasor est, hostis verus cunctae nequitise, intemperantiae vitaeque dissolutionis, animo de- nique in omnes, qui Christo modo suam gloriam salvam volunt, quamlibet sint imbecilli ac etiam vitiosi, levissimo et qui compsti et indulgere multum possit.

At quod contra plurimi, etiam qui nolunt videri dona Christi in quoquam parvifacere, de hoc viro iniquius judicant suique judicii causas ex scriptis ejus habere existimant, id ex his om- nino causis venit: primum hi fere omnes ad judicandum de hoc organo Domini accedunt animis antea oflensis partim detestatione novitatis violentus enim est amor consuetorum partim metu perturbandi praesentis status —, nam est carni non incommodus. deinde Lutherus acer ac vehemens est et in quamcumque rem fertur, in eam fertur maximo spiritu et incumbit totus. cum itaque videret sc in optima et sanc- tissima causs adeoque Dei ipsius humana tantum, ut majorum publici consensus et praejudicii regum et principum, authoritate ab adversariis premi et divinam ab illis parvifieri, sicque plurimum impediri cursum doctrinae Christi, de qua sibi satis conscius erat in adserenda et extollenda authoritate verbi Dei, recte judicavit se nimium esse non posse. cum autem, ‚ut necesse in hac causa erat, authoritatem divinam humanae tanto intervallo anteferendam doceret quanto sunt infra Deum homines, idque congruentibus suae vehementiae hyper- bolis faceret, visus multis est omnem prorsus ecclesise et s. patrum existimationem, deinde etiam regum atque prin- cipum majestatem non solum nihili facere, sed etiam seditiose convellere, cum utranque tamen nemo colat, sed suo loco et numero, religiosius,.

Ad eundem modum, cum meritis Christi nostra ipsorum et divinis mandatis hominum traditiones non aequari modo, sed praeferri etiam a plerisque animadverteret, ut nulla est horum inter se comparatio, ita ipse incomparabiliter his illa antetulit: haec causa extitit, cur licentiae carnalis patronus et austerioris vitae nimis remissus praedicator haberi coeperit.

Huc.accessit quod est veritatis studiosissimus et hyprocrisis omnisque fuci osor maximus. hinc enim factum est, cum tantam in conficto illo coelibatu et simulatis lenociniis tur- pitudinem et vanitatem cerneret, tum etiam plurimas conscien- tias ex votis et praeceptis de his rebus misere excarnificari, alias vero non paucas pernitiosa earum rerum quoque fiducis infları perspiceret, ut imitatus prophetas et apostolos atque adeo Dominum ipsum, qui in nullum vitiosorum hominum genus acrıus quam Pharisaeos et reliquos similes hypocritas invectus est, admodum rcveriter et ipse cunı inexorabilem

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illum et prorsus tyrannicum rigorem im his corporis exercitiia exigendis, tum in observatione hypocrisim et impiam fiduciam exagitarit satiusque duxerit, ut est, equidem in ista tanta sanctimonise remissione et verae piseque castigationis COrporis ignoratione homines revocare ad perpetuam frugalitatem et moderationem quam praeceptis multis jejuniis et abstinentiis vel depellere in hypocrisim aut certe manifestum ecclesiae contemptum vel inflare falsa abstinentiae fiducia. ita, dum peucissimos videmus quibus datum sit divinitus ut se castrent propter regnum coelorum, maluit cum D. Paulo, Cypriano aliisque veris pudicitise amatoribus juniores, ut viduas, ita et puellas, adolescentes et viros ac mulieres simpliciter ad sanctam matrimonii castitatem invitare quam in tantorum, quae passim extant, dedecorum tantaeque turpitudinis, qua adeo foede deformata et contaminata ecclesia est, relinquere discrimine.

Hinc vero factum est ut multi, utinam tam casti quam coeli- batus severi exactores, hunc virum insimulaverint omnis dis- ciplinae corporalis, jejuniorum et sanctae abstinentiae laudatique tantopere, etiam ab ipso apostolo, coelibatus contemptorem authoremque et patronum licentiae carnalis, incontinentiae et libidinum. sed vita utrinque probat utrobi verum mo- -derationis et humiliandae carnis conservandaeque pudicitae studium vigeat.

Sic postremo, cum eos, qui recepta in religione vitia quam- libet manifesta defendere et clarıssimam lucem doctrinae Christi profligare conarentur, excoepit tractavitque asperius, ut nulla profecto tanto scelere digna verborum acerbitas adhiberi potest, audire coepit amarulentus, saevus, rabidus, furens, cum revera ingenio sit humanissimo et mitissimo in omnes eos quos non judicat deliberata malitia gloriam Christi impetere ac tentare salutem ccclesiae. at ubi hostem sentit regni Christi, insurgit animosius et invehitur spiritu prorsus heroico, tonat et fulminat nihilque mediocre adhibet. sed si ex animo ante omnia petimus sanctificarı nomen Dei et advenire regnum ejus, qua tandem re miagis commoveri nos et incitari oportet, quam cum sentimus dehonestari nomen patris coelestis, averti impedirive adventum regnum ejus?

Haec vero omnia, quae de hoc viro testificor, indubie vera agnoscet quicunque non vacuus Christi studio, vacuus autem studio sui et earum rerum quae gratiores carni quam religioni commodiores sunt, doctrinam et vitam ejus rite ac penitus cognoverit. non tamen eo ista commemoro ut illum omni peccato in tanta tamque multiplici et diuturna contentione eximere laborem, aut diffitear non abusus in plerisque rebus sic ab eo reprehensos ut occasionem inde multi arripuerint

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es quoque rejiciendi &a:contemnendi quae vera, quae sancta et salutaria sunt. sed nec ipse agnoscit hanc laudem vel postu- lat ut nusquam lapsum eum, ut omnia recte et ordine ad- ministrasse dicamus: fatemur haud illibenter se modunı nonnunquam excessisse nec ea qua oportuit cautione semper omnia tractavisse. novit hominem esse se, quamobrem nihil humani a se aliessum ducit!).

Attamen qui scripta viri simplici et nihil quam Christunr quaerente et spectante animo, rejecta omni ante concept& offensione, legerit probeque consyderaverit quo spectet et referat omnia, is haud diffitebitur, etiamsi ei vitam illius propius contemplari non contigerit, nihill eum contendere aliud quam ut homines discant a solo Christo et ea ratione, quam ipse praescribit, per solidam fidem salutem petere et iis incumbere officiis quae requirit Deus ipse. in quibus tota scilicet continetur pietas, frugalitas et justicia, nec facıle quenquam existere hodie dicet, qui majore spiritu et foeliciore successu fiduciam veram in Christum, ex qua sola omnium virtutum officia ducuntur ac fluunt, tum etiam quicquid ad solidam sanctimoniam, quicquid ad perfectam pertinet in omnes beneficentiam doceat, praedicet et persuadeat.

Non dubito autem quin hoc de Luthero testimonio offen- surus sim nonnullos, quibus nec ego verum Christi studium adimo; existimabunt enim me id et locupletius multo quam par sit et magis etiam partis studio vel hominum gratiae quam veritati praebere; nam libertate, vehementia et asperitate viri, qua legunt illum et res et homines ecclesiasticos incessere convellere, exagitare, sic plerique, alioqui boni, offenduntur, ut eum irreligiose audacem, temerarium, petulantem, omnis admonitionis impatientem, saevum, amarulentum et scurri- liter quoque dicacem judicent. his autem et omnibus filiis Dei ego per dominum nostrum Jesum Christum, scrutatorem cordium et judicem, juro me quicquid de hoc viro testatus sum, id me coram ipso agnoscere cum verum esse, tum me testari debere, nec spectare, hoc ipsum testando, aliud quam ut fili Dei, cum dona Christi in hoc ejus organo ecclesiae suae collata cognoscant eisque salutem suam perfruantur, tum conciliationi et reformationi ecclesiarum inde certius et utilius consulant ... .

Si orationis tantopere displicet acerbitas, cogitent pro qua causa et quibus cum hominibus illi certamen fuerit, utque lenissimi spiritus, prophetae, apostoli, Christus ipse in eos invecti sint qui sumpta procuratione religionis religionem

1) Anspielung auf die bekannte Stelle im Heautontimorumenos des Terenz.

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vitaeque sanctimoniam maxime omnium everterrunt et profligarunt...... tot sunt hodie myriades non animarum tantum, sed ecclesiarum, quae omnes Lutheri doctrinam sequuntur: has nemo, qui non secundum carnem, sed ex spiritu veri- tatis judicium fecerit, alienas a Christo judicaverit .. .

At major apud multos de nobis, Lutheri discipulis, quaerela est, nec forsan ab re: ut enim de fucis, qui in nullo hominum ordine desunt, falsisque Lutheri sectatoribus taceam, per- peuci discipuli virtutem magistri sui adsequuntur. per- fectus siquidem est qui sit ut magister ejus, nonnulli etiam vitia praeceptorum pro virtutibus imitantur. haud mirum igitur, si ille alicubi, nos in multis lapsi simus. juvenes enim imperitique prope omnes ad hanc tantam causam pertracti sumus. jam ut hi reputent quantum sit et quam arduum quantumque omnem humanam industriam superet hoc mini- sterium, rursum quam pauci tot jam seculis extiterint ejus idonei magistri; is profecto facilem veniam nobis daturus sit, etiamsi, quae humana fragilitas est, in functione tam difficili, sed eadem summe necessaria, quaedam peccavimus primaque sequentes in secundis tertiisve constitimus .. .

Nam ut de me nuno solo loquar (nolo enim cuiquam nec tribuere quod non habet, nec adimere quod habet): ut primum ex libris Erasmi, deinde Lutheri, tum utriusque monitu et ex scriptis sanctorum patrum, maxime vero ex divinis lıteris, quae vera esset religio et quae ad eam pertinerent, cognovi, ita confiteri ea et dato docendi publice loco docere ac profiteri palam mihi necesse fuit. sunt enim ista de eorum genere quae, cum sunt audita in tenebris, efierri statim in lucem, et cum dicta in aurem sunt, praedicari in tectis oportet!). cumque evangelium omni creaturae in toto orbe praedicandum sit: vae mihi si, quantulumcunque de eo Dominus quoque mihi tempore revelaverat, id non quibus licebat praedicassem. hac enim functio commissa mihi erat. eadem conditione fuerunt complures alii.

Dum autem nos propter imperitiam in confutandis inolitis erroribus ac corrigendis malis ritibus eam quam oportuit cautionem et moderationem adhibere non ubique potuimus, huc alterum, sed non a nobis neque ex vitio nostro, incom- modum?) accessit, quod pravi et sinistri ingenii homines falsa et praepostera interpretatione quae bene a nobis tradita erant, corruperunt. ut nullo non tempore ingens eorum turba

1) Vgl. Matth. 10 v. 27: „Was ich Euch sage in Finsternis, das redet im Licht und was Jhr höret in das Ohr, das predigt auf den Dächern.“

2) Vorlage incommodo.

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est, qui non secus atque aranei ex optimis floribus tamen venenum sugunt, ita ipei ex quamlibet piis sanctisque doc- trinis et institutis tamen occasionem impietati et nequitise suae arripiunt. malum adeo seculis omnibus commune, ut ne Paulus quidem effugere illud potuerit!

Tum qui primi remergenti Christi doctrinae manum prae- bere et adesse, imo praeesse nobis in corrigendis ecclesiarum vitiis debuerant, pontifices, episcopi reliquique cleri et monachi damnare tantum, execrari et extinguere totos jam viginti annos conati sunt.

Ad haec Dominus ad probandam suorum fidem, ut facere solitus est, quandocumque doctrinam suam clarius et potentius praedicari fecit, Satanae nunc quoque permisit ut transformatus ipse in angelum lucis suos in apostolos Christi transmutaret perque eos omnem sanam doctrinam stupendis modis corrum- peret, insanas denique contra opiniones conatusque in hominibus excitaret, ita ut apostolorum et martyrum temporibus factum legimus, quibus nimirum constat extitisse portentosissima illa deliria et exitiosas factiones, quarum Paulus ipse!), deinde Tertullianus et Irenaeus aliigue patres meminerunt.

Hisce certe de causis nemo profecto -mirari poterit, qui de hisce modo rebus judicare potest et id facere non maligne volet, si quae nos pia ac syncera praedicavimus, a multis male depravata sint et ab unoquoque ad suas cupiditates detorta; quod etiam plurimae contra fanaticae doctrinae et exitiosae haereses excitatae sınt, cum ın lis nıhil novum, nihil insolens acciderit, nihil denique quod non cum ipsis quoque apostolis nobis commune sit: ut, si quid hic nobis vitio ver- titur, ab illorum accusatione incipere oporteat, nec aliter possit hac parte causa nostra praegravari quin eorum Causa hoc veluti praejudicio damnetur. quare mirandum sane, etiam eruditos quosdam ex eo quod doctrinam nostram istius- modi incommoda, sicut accessum solıs tot insecta et venenata animalia, insecuta sint, concludi volunt non esse eam evangeli- cam, cum contrarium potius hinc inferri debeat, nisi non verum evangelium praedicaverint apostoli et martyres, quo- rum siquidem temporibus multo portentiosiora quam un- quam alias deliria et nocentiores haereses extiterunt inter eos qui Christi se nomine Jactabant, cujus rei Ireneus et Ter- tullianus?) locupletes testes sunt.

Non igitur nobis, sed Satanae et ejus ministris eorumque perversitati, qui abjecta dilectione veritatis meruerunt im- mitti sıbi eflicaces errores, adscribendum est quod, dum nos

ı) Vgl. z. B. 2. Kor. 11 v. 13ff.

2) Nämlich in ihrer Bekämpfung der Gnosis.

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exorto adversus eos certamine qui Dei authoritati suam aliorumque hominum anteponerent, strenue et clara voce, ut nostri officii erat, docuimus verbum legesque Dei uni- versae humanae sapientiae profectisque ab ea constitutionibus, authoritatemque Christi omni reverentise, quam ejus sibi ministri vendicare queant, imperium denique ejus cunctae mortalium potestati tanto anteferri oportere quanto est Deus major hominibus, et sive legum sanctitas, sive prae- sulum authoritas, sive principum majestas contra jussa Dei objiciatur, dici debere cum apostolis: magis Deo quam homini- bus obediendum esse!), continuo plurimi accepta hinc occa- sione quaesitoque praetextu eruperunt, qui?) non solum eas humanas traditiones eaque praelatorum ecclesiae praecepta, ea denique jussa principum, quae pugnant cum mandatis Dei, sed ea quoque quae cum mandatis Dei consentiunt illisque conservandis inserviunt, contemnere, .abjicere ac proterere etiam inciperent eoque denique furoris evaderent ut cunctis et ecclesiarum et politiarum gubernatoribus contemptis a nemine se doceri, regi aut coerceri sustinerent cunctaque pro suo furore et libidine auderent et conarentur, &v$ovosaouovg et coelestium commertis jactitantes.

Ita nec illud prudentibus harum rerum aut inexpectatum evenisse aut nobis attribuendum videri potest, cum nos meriti Christi contra hominum merita dignitatem et precium extu- limus nostrorumque bonorum operum imperfectionem et quae illis perpetuo adhaerent sordes diligenter exposuimus, extitisse complures, qui ita se niti Christi meritis jaotitarent ut interim nulla propria quaererent sicque dignitatem bonorum operum negligerent ut nullis omnino faciendis studerent.

Nec minus et proclive fuit et non nostrae culpae, cum nos in sacris Ceremoniis, in precibus, jejuniis aliisgue externis poenitentise et castigationis carnis exercitiis, in omni disci- plina ecclesiastica, in distribuendis demque et usurpandis dignitatibus et opibus ecclesiae hypocrisim modo, pericula conscientiarum, falsam externorum operum fiduciam, tyran- nidem, simoniam et sacrilegia oppugnavimus sublataque vo- luimus, nec quenquam hominum nisi qui Christi regnum aut proderet aut infestaret, negligendun, nedum insectandum unguam putavimus, ut homines carnales et mancipia Satanae vera religionis opera rejicerent disciplinamque Christi omnem dissolverent, eosque, qui suae non faverent licentiae et dis- tractioni, odissent verbisque et factis qua possent injuria affıcerent.

1) Apostelgesch. 5 v. 29. 2) Nämlich die Schwärmer und Wiedertäufer.

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Multa sunt ejus generis, quae enumerare necesse non est, in quibus conatus est Sathan obliquis artibus doctrinam nostram infestam principibus, bonis omnibus suspectam, toti mundo infamem et exosam reddere. quid igitur? an ac- cepta haec nobis ferentur omnia? et tota culpa in caput nostrum congeretur ? atqui nos Dominus ipse sua voce liberat, cum denotat id fore perpetuum ut seminato evangelio diabolus ad illud vel suffurandum vel corrumpendum zizania simul sparsurus sit.

Nostri tamen adversarii, quae ipeorum est aequitas, nihil horum non impingunt nobis, nec argumentum habent magis plausibile, quo nos ac causanmı nostram in odium trahant, cum tamen nemo haec omnia quae commemoravi mala et scandala acrius cum sacris concionibus tum ecriptis dete- stetur et oppugnet, dum ipsi ex alto securi et ociosi nostros labores velut suave aliquod spectaculum contuentur. at qui nostram doctrinam plane cognoverit judicareque de his rebus integer velit et possit, is nunquam negaverit ex ea nihil aliud quam veram poenitentiam, solidam in Christum fidem totiusque pietatis temperantiaeque et justiciae certum stu- dium disci posse. interim vero ii qui omnem ecclesiae dissi- pationem nobis solis tribuunt, non consyderant ut pura evan- gelii doctrina pridem in multis provinciis plane consiluerit et hodie adeo consilescat ut evangelium Christi, imo tantum precationem dominicam habere lingua vernacula capitale sit quasi lutheranum, ut nusquam non humanis commentis pernitiose fermentatum sit quicquid poPulo nomine religionis Christi traditur, ut catechismi ubique non usus modo, sed et nomen penitus interciderit, postremo ut praeter haec ıim- pudentissima sacrilegia, atrocissima scelera et flagitia in or- dinem eorum qui sal terrae et lux mundi esse debebant!), adeo importune invaserint et quodammodo exundarint, ut in nullum aliunı ordinem hominum importunius. quid autem sali sic infatuato evenire potait quam ut, sicut praedixit Dominus, projiceretur foras et conculcaretur ab hominibus?) ? factum est igitur ut non ipsi modo ecclesiarum praelati tam vitiosi et perditi contemptui omnibus et odio habeantur, sed propter eos, quaecunque etiam in ecclesia administrant, nihili fiant, abjiciantur et conculcentur. jam cum omnes Do- minus ad resipiscendum tam clara voce et protentis manibus, idque tam diu, vocat: quis eum exaudit? quis suscipit? tantum hoc boni isti praesules, qui soli sibi clavem regni Dei sumunt et ecclesiae gubernacula tenere volunt, hoc, inquam, tantum cogitant, consultant, moliuntur quomodo nos opprinant.

ı) Matth. 5 v. 13 und 14. 2) Ebenda (v. 13).

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hinc eruditorum et disertorum hominum linguas et stylos redimunt et in nos acuunt, hinc regum ac principum iras in nos inflammant.

At dum hi nos ut haereticos et schisimaticos insectantur, nos eos ut antichristos fugiendos docemus, et prope nihil est quod non alteri in alteris damnemus. plurima certe eorum multitudo est, quiin eo, quod invicem nos criminamur, sic credant utrisque ut in iis, quae recte utrinque traduntur, neutris ullam fidem accommodent. id vero quantum eo conferat ut religio indies magis evanescat sensimque plane extinguatur, non est opus explicare verbis. videmus omnes quo prolabatur omnis in vulgo cura Dei, quanque pauci ubique supersint, quos ullus teneat divini judicii metus.

Dedit Dominus nostris ecclesiis ipsi sit gloria! doctrinam synceram, quod ipse bonis omnibus tandem comprobabit; dedit quotidianum usum catechismi, verum usum sacramentorum et minime paucos, qui his recte et salutariter utantur; at de disciplina adhuc non parum laboramus, et eo difficilius quod, qui & disciplina abhorrent, ab hoc religionis dissidio maximae suae licentiae praesidium accipiunt. sunt enim et apud nos plures vocati quam electi, multoque major eorum turba qui velint jugum hominum abjicere quam qui suave illud Christi jugum in se recipere. quid autem nobis de sinceritate doctrinae ad posteros polliceamur, si non constitutam quoque illis relin- quamus et confirmatam disciplinam ?

Apud vos videtur nonnihil alicubi superesse disciplinae; at si non vigeat simul simplex puraque Christi doctrinae, quid ejus non sit coactum, servile, fucatum, inane? confitentur quidem adhuc homines peccata sua sacerdotibus certis tempori- bus; at quam multi id faciunt ex vera peccatorum poenitentia, vero veniae a Christo petendae studio? conveniunt subinde ad sacra religionisque curam singularem nonnunguam, maxime consecratis ei rei diebus, prae se ferunt; at quotusquisque hisce exercitiis studet id ad quod ea instituta sunt, ‚ut fide in Christum fiat auctior et charitate in proximos inflammatior ? immo quam non pauci sunt quos nullum harum rerum tenet desyderium, quique aliud in sacris ceremoniis non quaerunt quam ut liceat eis diu ex sui sententia vivere et rebus praesen- tibus pro suis cupiditatibus adfluere, hoc est diu offendere Deum et molesti!) esse hominibus? nam nusquam non occur- runt, ut et antea memoravi, qui, cum istas disciplinae reliquias, ne dicam umbras, et inania simulacra quam studiosissime colant, tamen nihil in omni vita sua demonstrent solidae ac efficacis in Christum fiduciae, nihil certae et officiosae in proximos

ı) Vorlage molestis.

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charitatis, nihil denique verae ac studiosse morum sancti- moniae, adeo sese in res et voluptates vitae praesentis ingurgi- tant et ad fraudes dolosque et plus quam pecuinam nequitiam abjiciunt.

His vero quid conferat quicquid disciplinae reliquum ob- servant, quam ut Dei in se iram;-sicut securius, ita et gravius irritent, iis ipsis Deum rebus, ut superius dictum, extrema contumelia adficientes, qua colere se cum maxime simulant. sic enim cultum sui externum sine fide vera et potentia exhibi- tum habet, ut in prophetis ubique ipse testatur.

At si vel umbra disciplinae, inquies, homines contineantur, ex illusoribus Dei facile veri cultores, ex simulantibus poeniten- tiam quos ex animo peccatorum poeniteat effici possunt. verum id quidem est, sed si accedat et doctrinae synceritas et admini- strandi hanc per idoneos ministros sedulitas, pro quibus nos rebus contendimus. quin nec illud inficior esse etiam in ista doctrinae oppressione et ministerii perversione, qui patrem Deum syncero pectore invocant nec in sacris ceremoniis om- nique ecclesiae disciplina aliud quam peccatorum remissionem et spiritum pie recteque vivendi quaerunt, et haec a sola Dei patris misericordia et gratuita benevolentia Christique serva- toris merito. sed quam exiguus est horum ubique numerus!

Moveat ergo tandem nos tanta ecclesise Christi calamitas, tanta ovium Christi dissipatio salutisque proprise jactura! nec simus ex eorum numero de quibus Dominus queritur: occupatos praesentis saeculi opibus et deliciis non dolere, non lugere confractionem Joseph!), propterea nec irae suae emen- datione malorum occurrere. sentimus et fatemur pridem omnes incumbere iram Dei in nos gravissimam, querimur dissidio hoc religionis cum religione everti rempublicam, interire et eripi nobis expetenda omnia. jam causas hujus certissimi exitii nostri non ignoramus has ipsas esse quas Commemoravi, quod vocan- tem nos ad poenitentiam Deum, patrem indulgentissimum, vocantemque tam diu tamque instanter non exaudimus; sed alii?), quantis possunt viribus, omnem poenitentiae praedicationem et hujus administros oppugnant, alii impia socordia negligunt, iique qui Christi tamen aliquo studio tenentur, se in Christo non agnoscunt, non conjungunt et quisque in altero id magis quod est humani vitii, quod infirmitatis, quam quod est doni Christi, quod est spiritus Dei consyderat offensionisqye et alie- nationis a fratre causam sibi sumit.

Accusant nos qui in vestra parte timere et quaerere dominum videntur, nos multa in ecclesia commovisse quae praestiterat ne

1) Amos 6 v. 1—6; Jesaias Kap. 59. 2) So? Vorlage alii sed.

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attingere quidem, eaque audacia solvisse populum a disciplina et sacrorum reverentia. jam ut in hoc crimine nos aliqua ex parte haereamus, quid prosit tamen, si boni et ecclesise bene cupientes id, in quo nos deliquimus, amaris tantum crimins- tionibus perpetuo exagitent, iisdemque etiam ea quae Domini in nobis sunt obscurent, suspecta et invisa reddant, interim vero strenue dissimulent apud suos nullam penitus partem sacri ministerii synceram superesse, doctrinam Christi cum disci-, plina, praeter umbram illam quae in populo utcunque retinetur, prorsus jacere et contra tam horrendas superstitiones et ido- latrias foveri, sacrilegia nutriri totiusque religionis perversio- nem defendi et propagari ?

Ego ingenue coram Christo et ecclesia ejus fateor me, cum ad hoc ministerium pertraherer, communionis sanctorum et disciplinae Christi nec justam scientiam nec dignam curam habuisse, eoque in retinendis hujus communionis et disciplinae vinculis non eam quam oportebat et prudentiam adhibuisse et operam ecclesiae Christi navasse, quanquam id quoque roram eodem domino Jesu et ecclesia ejus confiteri ausim et debeam me nihil ungquam, dum hoc ministerio functus sum, aliud instituisse et animo proposuisse quam homines ad veram et synceram Christi religionem revocare, et repudiatis iis quae cum Christi doctrina et institutis pugnant, ea restituere quae a Christo domino tradita et commendata sunt. jam ubi ego impegi, ibi et complures symmistas meos impegisse non nego, postquam in tanta ignoratione rerum sacrarum omnium, in his densissimis tenebris, quibus tota ecclesiae disciplina sepulta erat, ad hanc evangelii administrandi functionem pertracti omnes sumus.

At nos, quicquid ad instaurandam verissimam sanctorum communionem, ad perfectissimam ecclesiae disciplinam facere ullo modo possit, id non amplecti modo parati sumus et promovere, sed ut haec cognoscantur ab omnibus et reci- piantur, pridem summa cura et fideli opera elaboramus. quin adjuvant igitur nos hic sudantes, qui Christi esse vestra in parte volunt, utque et apud vos cum doctrinae synceritate ceremoniarumque religione pia et vera disciplina cum in clero, tum in populo restituatur, cum ipsi per se digno conatu stu- dent, tum nos socios eaque quae nobis ad hanc rem Dominus contulit, non aspernentur! Dominus enim negligitur et reji- citur, cum ejus membra et dona vel omnium infirmissima et minima negliguntur et rejiciuntur, nec potest corpus Domini, quod est ecclesia, instaurari et sarciri nisi per omnem junc- turam et opus cujuslibet membri subministratio adhibeatur. quod quia jam inde ab excitato Luthero non fit, districti manent sancti et proditur ecclesia antichristis, causaque et

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facultas praebetur filiis diaboli, ut filios Dei dispersos et magis inter se distrahant et undique etiam opprimant et impediant. cogitemus haec tandem et ad animum revocemus, quicquid in Christo non unum est, id nec Christi esse adeoque in sua dissi- patione perire. at qui Christi spiritu praediti sunt, ut ipse fecit, in eo toti sunt eaque de caüsa missos se divinitus agnoscunt, ut quaerant summo studio quod periit et servent, hoc est reliquo domini gregi adducant et conjungant.

Extremum orabat dominus patrem et tam obnixe, ut daret discipulis ejus et omnibus sibi horum ministerio credituris, ut unum cum ipsis essent, sicut ipse et pater unum sunt. cum itaque tam multi utrinque existant qui Christi frugi servi esse cupiunt, nec dubitari fas sit utrinque esse etiam plurimas oviculas, etsi dispersas adhuc, quae tamen ad Christi ovile pertineant, profecto magnopere et mirandum et magis etiam- num dolendum et deplorandum est, tam non multos esse, etiam ex iiß qui in corpore Christi cum primoribus membris numerandi sunt, quos satis commoveri videas tam exitioso, in quo sumus, schismate dignoque flagrare zelo restituendae inter eos, qui tamen Domini sunt, verae unionis et Consensionis.

Excitemus igitur nos et naturam corporis Christi, quod est ecclesia, diligentius intueamur consyderemusque paulo reli- giosius quam cum vera in Christum fide dissentiat, quam cum germana Christi charitate pugnet, quam adversetur toti pro- fessioni nominis christiani de religione, de doctrina Christi, de vita aeterna non solum non convenire cum iis quos esse Christi negare non possumus, sed nec valde solicitos esse ut cum his aliquando consentiamus et coalescamus. de spiritu et sensu domini nobis nonnihil omnes pollicemur, sed quando, ut ipse, visis turbis misericordia commovemur, quod sint sicut oves dispersae et dissipatae, quae pastorem non habeant, quando nonaginta novem in deserto relictis unam centesimam errantem e0 quo ipse animo, studio, labore, periculo quaerendam insti- tuimus; quando tale aliquid in nobis sentimus, quale in se sensit Paulus, cum scriberet: si qua!) igitur est exhortatio in Christo, si qua consolatio dilectionis, si qua communio spiritus, si quae Justa affectio et miserationes: implete gaudium meum, ut idem sentiatis eandem habentes dilectionem, sitisque unanimes unumque sentientes, nihil per contentionem aut inanem gloriam gerentes!

Excutiamus ergo nos ipsos, si in fide Christi simus, probemus nos, si in nobis sit Jesus Christus. si enim est, quia semper et in omnibus sui similis est, nihil profecto in tota vita prius fa- ciendum putabimus, nihil majore solicitudine, nihil ardentiore

1) Phil. 1 v. 1-3.

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conatu studebimus quam quaerere quod periit et salvum facere, hoc est dispersas oviculas Christi caulisque dominicis adhuc aberrantes ad ipsum colligere collectasque in una ipsius fide et charitate recte consociare et unitas pura et consentiente et doctrina et disciplina in ejus pascuis, hoc est in illa unitate fidei, conservare.

Huic sane curae, huic operi totum sacrum ecclesiae ministeri- um institutum et destinatum est. nam quos Dominus ecclesiae suae dat apostolos, prophetas, evangelistas, pastores et doc- tores, hos dat, quemadmodum D. Paulus docet, ut opere sancti ministerii sibi inserviant ad coaptandum sanctos, ad aedifican- dum semper et instaurandum corpus suum, donec occurramus omnes in unitatem fidei et agnitionem filii Dei, et pruuciamus in virum perfectum aetatis Christi plene adultae nec volvamur et circumagamur omni vento doctrinae zro05 xaraprıaudy ray Gyiwv, inquit apostolus!), hoc est ad sanctorum in corpore domini legitimam ac concinnam compositionem et coagments- tionem. nam sicut medicis, definiente Galeno, xarmgrıouös reductio est ossium ex non naturali in naturalem locum, ite in ecclesia, quae corpus est Christi, apostolo teste electorum, hoc est membrorum Domini, ex disjunctione ceu luxatione quadam in suum locum et ordinem repositio et reconcinnatio. in hoc enim omnis sancti ministerii opera ponenda est, tota cura fide- lium ministrorum consumenda: quo nisi totos nos, quicunque ad hoc ministerium vocati sumus, impenderimus, rationem impositi muneris Christo domino nunquam approbabimus,.

Ex his itaque cognoscere licebet quibus ex causis dis- sıdium hoc religionis et ortum primum est et auc- tum deinceps perductumque adhuc et retentum sit. nunc et de eo dicendum quonam pacto dissidium hoc tolli et vera ecclesiarum concordia restitui queat.

Certum itaque cum sit peccata nostra, sicut inter Deum et nos, ita et inter nos ipsos distractionem facere, et videamus omnes quantopere quamque diu jam pater coelestis nos ad veram poenitentiam invitet, solicitet, urgeat: excitemur tandem demusque hanc ei gloriam ut agnoscamus ex omni parte quic- quid peccavimus, emendareque id, non extenuare studeamus; deinde quicquid uspiam Domini est, id abolita omnium prio- rum temporum offensione contemptoque crucis scandalo synce- riter cognoscamus et cupide amplectamur, quamlibet id humile et damnatum mundo habeatur; quicquid vero Domini non est, quamlibet id splendidum et excelsum mundo existime- tur, huic vale longum dicamus.

1) Ephes. 4 v. 11—13. Archiv far Reformationsgeschichte. ZXXI. 3/4. 12

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Nec enim nisi inter filios Dei et in iis quae vere a Domino tradıta sunt, non excogitata a superba mente carnis nostrae, Christi consensio constitui potest. quocirca id semel, siquidem veram et stabilem ectlesiarem concordiam et synceram ac soli- dam religionis instaurationem quaerimus, omni rejecta dubi- tatione statuendum est nobis, ut cum iis qui non sunt nati ex Deo, quos non agit spiritus Christi, sed spiritus diaboli, ex quo nati sunt cujusque opera faciunt, nobis, qui Christi esse volumus, nihil posse esse in rebus ecclesiae commune, sicut nec Christo cum Belial; sed sicut Christo cum Belial perpetuum xai donövdıoy bellum geritur, ita nobis quoque cum filiis Belial irreconciliabile et irremissibile bellum geren- dum esse.

Quemadmodum igitur pii olim reges verique prophetae de restituenda religione nihil prorsus cum sacerdotibus sui tem- poris impiis, quamlibet illı indubitata sacerdotii successione et amplissima illa supremi judicii illis a Deo concessi praero- gativa pollerent, constituere potuerunt, sed coacti sunt eccle- siam Dei cogere et instaurare omniaque cum iis tractare et constituere quos ad id animaverat et excitaverat Deus, quam- cunque externam personam gererent, sicut Joannem et Chri- stum et apostolos oportuit ecclesiam sanctorum colligere in- vitis et contra extremo conatu pugnantibus qui tunc sacer- dotii honorem tenebant; uti denique tempore persecutionis, quam ecclesiae perpessae sunt ab haereticis, orthodoxos tum ex clero tum ex plebe velut conspiratione contra impios et haeresi infectos episcopos facta ad sanam Christi doctrinam et sanctam in ea communionem per se congregari et: de religione constituere necesse fuit, ita neque hodie quicquam du- bitandum est piis, oportere nos, invitis licet ac reclamantibus summis sacerdotibus, scribis et legis doctoribus et senioribus populi, hoc est omnibus qui religionis sibi primam et judi- cationem et gubernationem vendicant, veritatem Dei ab illis suppressam amplecti, excitare ac vindicare excitatamque et vindicatam amplecti et consecrare !) ac nihil morari, quas sibi, qui pontifices et episcopi hodie vocantur, vel successiones vel firmatas diuturna piorum tolerentia dominstiones sumant aut potestates jactent; sed sequentes vocem Domini principis pastorum, cujus solius oves propriae sunt, ejusque brachio fretos dare operam et eniti ut ipsi sub hoc ipso solo bono pastore primum veris animis jungamur penitusque uniamur, indeque, quascunque ejus oviculas per errorum diverticula fusas ac palantes adhuc videmus, in caulas ejus, hoc est purae doctrinae et syncerae diciplinase vinculo consociatas ecclesias

ı) So? Vorlage consecrat*;.

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'cogamus, contempto omni furore et potentis eorum qui in ovile Christi non per Christum, sed aliunde ingressi sunt.

Nec enim ad aliud hi veniunt aut comparati sunt quam ut gregem Domini diripiant et mactent. non faciunt cum Domino, quod totus orbis videt et deplorat, igitur nisi falsum dixit veritas ipsa, contra Dominum faciunt; non colligunt cum Christo, igitur dispergunt cum Satana. quocirca citius a spinis ficos et a sentibus uvas colligemus!), quam ut horum consensu et ope ecclesiarum reformationem veram constituamus ... si nati sunt ex diabolo quicumque faciunt opera diaboli, nec potest qui non est ex Deo, sed ex diabolo natus, non persequi et perdere, quoad ejus fuerit, filios Dei. quid mortalium miser- rimi Germani Romam, quid ad omnes eos respicimus quos videmus tam obstinate operari opera diaboli, quos agit et fert spiritus Christo adversarius, dissipator et destructor gregis Christi, quorum omnia consilia, cunctae molitiones, vita tota tam contradicit et pugnat cum omnibus dictis et factis domini nostri Jesu Christi!

In manibus nostris nostram salutem posuit Deus, con- ciliationem doctrinse suae et constitutionem disciplinae, utque hanc complectamur, nullo non modo et ratione, nullis non invitamentis et incitabulis vocat, excitat, impellit totos jam viginti annos; et scilicet hac omissa, imo objecta prorsus divina occasione expectabimus, dum Romani purpurati et aliı sub titulis episcoporum manifesti ecclesiarum devastatores nobis de instaurandis ecclesiis consulant et praescribant ?

Qui in cathedra non illudentium Deo et hominibus?), sed Mosi et apostolorum sederint, hoc est doctrinam Mose et apostolorum tradiderint, hog libenter audiemus quicquid vivant; atqui aliud quam hi ipsi prophetae et apostoli evange- lıum afferunt, vel qui, ut id quod illi nobis attulerunt, etiam quam primum extinguatur, nihil prorsus relinquunt inten- tatum, qui denique si cum Caipha prophetent, eam prophetiam sic cum eodem vate cum intelligunt, tum explicant et adhibent, ut morti dedant Christum, anathema nobis habendi et ut lupi rapaces cavendi, ut antichristi fugiendi sunt.

Eapropter, si qui sunt principum, praesulum, doctorum, privatorum, ut non pauci sunt, quos Dominus sui cognitione donavit, his, nisi scientes et prudentes sempiternum sibi suisque exitium accersere velint, videndum, annitendum et summis viribus elaborandum est ut ipsi sese jungere studeant et restitutionem ecclesiarum moliantur neglectis et repu- diatis omnibus, quicquid nominis, dignitatis, opum in ecclesia

ı) Ev. Luc. 6 v. 44. 2) Anspielung auf Psalm ] v. 1.

12*

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sibi vendicent, quicquid externae umbrae aut forımae pietatis prae se ferant, cum virtutem pietatis minime praestent, qui se Christi adversarios: verbis atque factis declarant, qui quae carnis, non quae spiritus sunt sectantur, qui denique sua, non quae Jesu Christi et ecclesiae ejus sunt quaerunt. manifesta sunt opera carnis nec obscuri fructus spiritus: a fruc- tibus igitur doctrinae eorum, deinde etiam vitae, discernatur quae sit a patre coelesti, quae a malo sata arbor, qui veri, qui prophetae falsi. qui enim in vestra, generose domine, parte Christi spiritu praediti sunt, non dubitabunt. se apud nos ingentem habere fratrum copiam, quibus adhaerere ut-membris . debeant. agnoscent enim in his facile quo ipsi vivunt spiritu, nec enim poterunt non sentire membra Christi eam quae inter ipsa est cognationem et juncturam sub communi capite Christo. enascitur quidem et in nostro agro plurimum zizaniorum, ut | et supra confessi sumus, nec paucos putres pisces nostrum quoque evangelii rete attrahit, nec desunt in nostro grege foetidi hirci: at gratia Christi minime contemnendus et eorum numerus est qui Christo vere regeniti et insiti regnum ejus syncero pectore quaerunt idque tota vita ipsi de se testantur, ut cognoscere eos sanctis difficile non sit. qui itaque utrinque hujusmodi sunt, hi sese iuvicem studiose inquirant, diligenter cognoscant, amice complectantur summaque cura jungant et consocient penitusque uniant. id ergo post veranı peccatorum poenitentiam proximum est, in quo si veram ecclesiarum et conciliationem et reformationem quaerimus, nobis elaboran- dum est, ut scilicet quicunque Christi esse volumus, ipsi nos inguiramus, agnoscamus, complectamur, omnesque non filios Dei caveamus, fugiamus mundoque toti nos et illum nobis crucifixum reputemus, nullius uspiam personae respectu impediti.

Tertium autem, quod ad hanc rem necessarium erit, est ut in nomine Christi qui hoc spiritu praediti atque hac voluntate in ecclesiam Dei animati sunt, et vel docendi vel gubernandi munere, eoque sive civili sive ecclesiastico funguntur, conveni- ant et hoc ipso magistro coelesti in medio ipsorum praesidente mentesque ipsorum ut et scripturas et quaecunque ad salutem pertinent ecclesiae recte intelligant et consyderent aperiente sanctam synodum celebrent ipsasque scripturas in manus sumant ac bona fide et religione summa scrutentur. tam enim idoneae illae sunt et ad docendum quae vera sunt et ad confu- tandum quae falsa, ut homo Dei undique absolutus et ad omne opus bonum instructus reddatur ... .

Nec vero scripturis tantum hic juvamur, tametsi solae ad plenam perfectamque religionis restitutionem abunde sufficiant, ita clare, simpliciter, certo atque copiose docent quae ad salutem pertinent omnia; sed accedit alterum quoque non contemnen-

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dum subsidium. nam quid veteres ecclesiae crediderint, quid observarint, quid denique in omni vita sectatae sint, id quogue in scriptis sanctorum patrum indubitata luce et consensione extat. accedant modo animi, qui cupiant facere voluntatem Domini, qui non ut ipsi, sed ut Christus regnet, ex animo quaerant: hi enim soli de doctrina Christi ipso testante cognos- cere et judicare possunt.

Ut autem audiendi non sunt qui a scripturis ad hominum responsa, hoc est a sole luceque vitae sempiternae et beatae in perpetuas Gehennae tenebras seducere nos conantur ac illam omnium execratione dignam blasphemiam evomunt, nihil ex scripturis certum, nihil simplex proferri ac statui posse, quasi vero homines simplicen et unius certique sensus doctrinam adferre possint, spiritus sanctus, omnis rectae mentis et ser- monis unius author et largitor, non possit: ita et illi refutandi sunt qui mentiuntur non licere nobis concilium sine pontificis Romani assensu cogere aut quicquam de religione, quod non ipse cum aliis nationibus simul approbet statuere. certe quod cum scriptura Dei non convenit, quod non est traditum initio et observatum bonis ecclesiae temporibus, id ulla aetate ad- mittere, etsi universi et angeli et homines assentiantur, nec jus nec fas est; contra quod docuit et instituit Christus, cum per se tum per apostolos suos, quod religiose coluit pia anti- quitas, id amplecti ac consectari necesse est, quicumque Christi esse volunt, et quicquid ab eo dissentaneum est, rejicere et fugere, etiamsi reclament universi simul superi et inferi.

Atqui quae sunt commendata et instituta a Domino, quae secus, ea non poterunt ne Germanos quidem, quamlibet tardos et a malis Romanensibus bestias cognominatos, latere, siquidem ea invocato spiritu Christi in scripturis et sanctorum patrum monumentis syncero studio inquirant. nemini enim petenti fide non datur bonus spiritus a patre coelesti, et inveniri se sapientia Dei patitur ab omnibus ipsam pie quaerentibus, imo his ultro ipse sese ingerit et oflert, nec quisquam prece et vero faciendae voluntatis Dei studio adyta ista mysteriorum Christi pulsaverit, cui non ea confestim recludantur.

Et quae aut unde illa Romani pontificis potestas in ecclesia Dei, ubi nulla nisi pro veritate et ad aedificationem esse potest ? unde, inquam, infinitum istud imperium, ut nobis celebrare concilia prohibeat ad inquirendum de praeceptis domini et servatoris nostri Jesu Christi deque ratione huc perveniendi, ut illis quoque universi vivamus? in confictis illis decretalibus epistolis, quas Gratianus adducit!), disti. 17 inter alia apo-

I) Decretum Gratiani (c. 1140), Grundlage des miittelalterlichen Kirchenrechts, in Straßburg schon 1471 gedruckt.

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crypha hoc quoque legitur: multis nos apostolicis et canonicis regulis instrui non debere absque sententia Romani pontificis concilia celebrari. at ubi extant hae regulae? quibus constat eas conciliis definitas esse? aut a quibus apostolis profectae sunt ?

Inter canones, qui indubitatae fidei sunt vereque apostolici habentur, praeceptum est ut quotannis in qualibet provincia binae synodi habeantur et in qualibet natione, quoties gcelesiae id necessitas postularit. id gravibus poenis sancitum et melio- ribus ecclesiae temporibus religiose semper observatum est. cumque observari negligentius inciperet, reprehenderunt hoc veri Romani pontifices et pii imperatores ut certam desolationis ecclesiarum causam. tam abest ut ullam nationem vel provin- ciam a synodis celebrandis absterrendam existimarint.

Ad generales quidem synodos episcopi Romani, dum veros haec ecclesia habebat, semper vocati sunt, sicut primi inter patriarchas habebantur. at non licuisse nisı Romani pontificis accedente authoritate etiam generales synodos indicere et cele- brare, nedum nationales et provinciales, vanissimum esse nemo ignorat, qui tenet historias ecclesiasticas et in veterum scriptis mediocriter est versatus.

Quam multa enim concilia im diversis nationibus celebrata narrat Eusebius!) et author tripartitae historiae ecclesiasticae?), et pleraque eorum admodum frequentia et in quibus gravissimae fidei controversiae decisae sunt, quae pontifices ne celebrata quidem norant ante quam sancti patres, qui in illis convenerant, quae statuissent ipsi ut ad alios primores episcopos, ita etiam ad Romanos perscripsissent. idem episcopos Aphricae obser- vasse D. Cyprianus?) et Acta conciliorum Aphricanorumu quoties commemorant ?

Procuratio enim et jurisdictio episcoporum habet, ut Cy- prianus ad Cornelium Romanum pontificem*) eam descripsit, cum quidam in Aphricanis conciliis condemnati ad Romanae ecclesiae judicium confugissent: cum statutum sit, inquit, omnibus nobis et aequum sit pariter ac justum, ut uniuscujusque causa illic audiatur, ubi et crimen admissum et singulis pastori- bus portio gregis sit adscripta, quam regat unusquisque et gubernet rationem sui actus Domino redditurus, oportet utique

1) Eusebius von Caesarea (f gegen 340), Historia ecclesiastica.

2) D. i. Cassiodor (Marcus Amelius C. senator), t nach 563, Historia ecclesiastica tripartita ex tribus grecis scriptoribus Sozomeno, Socrate ac Theodoreto . . . 304—441, das kirchengeschichtliche Handbuch des Mittelalters.

3) Caecilius Cyprianus, Bischof von Karthago 248—258.

%) Papst 251 —259.

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eos, quibus praesumus, non circumcursare nec episcoporum concordiam cohaerentem sus subdola et fallaci tementate collidere, sed agere illic causam suam, ubi et accusatores habere et testes sui criminis possint, nisi paucis desperatis et perditis minor videtur esse authoritas episcoporum in Aphrica consti- tutorum, qui jam de illis judicaverunt et eorum conscientiam multis delictorum laqueis vinctam judicii sui nuper gravitate damnarunt.

Haec ille, quae et Cornelius Romanus episcopus ita niti jure ecclesiarum noverat, ut causam istorum, qui ab Aphricanis conciliis damnati Romam venerant, admittere cum clero et plebe sus noluisset, antequam Cypriani de ea re epistolam accepisset.

Hinc itaque clare intelligitur quarumlibet nationum epis- copos, si quid existit erroris aut vitii inter ipsos aut in ecclesiis eorum fidei creditis, debere ipsos per se concilia statim cogere et, quod Dominus dederit, pro veritate contra mendacium, pro synceritate disciplinae contra omnem dissolutionem morum decernere et statuere. quod etiam tam firmum et ratum haberi debet, ut nec per Romanum pontificem rescindi possit id quod sanctissimus martyr!) in- eadem epistola certissimis et neces- sariis argumentis probat.

Ex eodem igitur ecclesiarum jure postea in conciliis Aphri- canis decretum est eum excommunicandum esse, qui a suae nationis conciliis Romam provocasset. nam in Niceno et aliis conciliis constitutum fuit, eos qui se sententia concilii alicujus inique premi putarent, non ad unum aliquem episcopum, sed

majus frequentiusque concilium appellare debere?). ex his quis non videt quam vanum illud sit nulla debere celebrari concilia sine assensu Romani pontificis ?

Haec vero omnia eo nituntur quod non est in ecclesia po- testas nisi ad aedificationem; quare et moderari omnem in ecclesia et distribui potestatem oportet, prout illud ad pietatem ubique retinendam, restaurandam et provehendam facere queat. cum itaque dubitari non possit spiritum sanctum singulis quoque ecclesiarum moderatoribus invocatum benigne adesse, nec minus facile mentem suam inspirare multis atque uni Ro- mano pontifici, ut vere et pie patres Aphricani Romano ponti- fici Celestino®) objiciebant, et quique suarum ecclesiarum

1) Cyprian flel 258 der Christenverfolgung des Kaisers Valerianus (253—260) zum Opfer als erster Märtyrerbischof der afrikanischen Kirche.

2) Vorlage deberet.

3) Coelestin I., Papst 422—432, versuchte vergeblich die Juris- diktion des römischen Bischofs in Afrika zur Geltung zu bringen.

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incommoda propius sentiant et certius cognoscant, ut recte a sangtis patribus constitutum et observatum est, ut singulae per se et ecclesiae et provinciae et nationes quae religionis Christi sunt procurent, quae contra vitia irrepserint, corrigent et ad regulam Christi cuncta conforment, ad quam ab omnibus aliis et ecclesiis et episcopis, et hoc ab unoquoque studiosius adjuvari debeant, quo ampliorem quisque in ecclesia pote- statem accepit, impediri vero a nemine. Paulus enim et Cephas ipsee, Paulo teste, ecclesiarum sunt, non ecclesiae horum aut ullius creaturae, sed Christi...

Sed victus vi veritatis Gratianus et sentiens quam manifesta sit earum quas adduxisset decretalium vanitas, subjecit initio statim sequentis distin.: episcoporum concilia licet non ad definiendum et constituendum, tamen valida esse ad corrigen- dum, ad exigendum atque indicandum quod statutum est. quanquam autem id falsum scribat Gratianus, quod nonethorum conciliorum sit definire et statuere quae ad Christi religionem pertineant, ut jam ostendi, tamen vel id permittant nobis Ro- manenses quod Gratianus concedit; nam nos nihil amplius petimus quam ut, quod statutum et definitum est a Christo ipso ac sanctis patribus, revocetur et valeat. siquidem igitur oves Christi sumus, non pontificem Romanum prohibentem, sed Christum praecipientem habere concilia audiamus et in ejus nomine convenire festinemus, pie inquisitum quae illi in nobis probentur, quae secus, nihil addubitantes eum in medio nostri non modo adfuturum, sed etiam per eum, quaecungue salutis nostrae intersunt, nos, cum pro his in nomine ejus consentienter rogaverimus, impetraturos.

Sunt vero et alii, et quidem ex eorum numero qui religioni quam optime consultum cupiunt, qui tamen a synodis abhor- rent, existimantes piis modo concionibus instandum esse, Dominum facile viam iuventurum, ut eos inter se tandem, quos suos novit, ipse conjungat religionemque suam restituat. vias ejus non sunt ut sunt viae hominum, Deum cum in omnibus, tum maxime in rebus ecclesiasticis praeter ac saepe contra rationem nostram agere, a synodis etiam sanctorum patrum temporibus plus fere mali quam boni ecclesiis allatum esse. proque confirmatione sententiae suae adducunt sententiam Gregorii Nazanzeni!), scribentis ad Procopium, se nullius synodi bonum finem vidisse nec synodos fuisse ullas quae non malorum potius incrementa quam solutionem attulissent. postremo dicunt doctrinam Christi nunc libris tam copiose et

I) Gregor von Nazianz, } gegen 390, präsidierte 381 dem zweiten Ökumenischen Konzil, legte aber, durch die Umtriebe der Mitbischöfe geärgert, den Vorsitz nieder und zog sich zurück (vgl. unten $. 43).

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luculenter explicatam, ut qui horum lectione accedere veritati nolit, eum nec accessurum, si multae synodi celebrentur.

Hos vero rogatos velim ut invicem haec quoque consyderent: primum praedicatione evangelii religionis totam ut institutio- nem, ita et restitutionem niti; fides enim ex auditu praedics- tionis evangelicae; at Dommum hunc tamen ordinem in reps- ratione religionis tenere, ut initium quidem a concionibus faciat, ad quam suos praeter omnem rationem hujus seculi vocare et ezcitare solet, ita uti Mosen aliosque prophetas, deinde apo- stolos et aliis temporibus alios vocavit et excitavit. sed quando per conciones aliquousque progressa est veritas ac collectus est Christo aliquis populus, consuevisse semper ut, qui electos suos instar membrorum in se connexos et cohaerentes habeat, id quoque dare ut corpus hoc sanctorum ex ipso coaptatum et compactum ipsum sui incrementum et aedificationem sui faceret per subministrationem cujusque juncturae et se- cundum operationem cuique membrorum pro fidei modo ad- mensam!). nullum enim potest in corpore Christi membrunı esse ociosum, quodve non habeat peculiare aliquid, quod pro suse fidei portione ad communem totius corporis utilitatemn conferat. -

Hinc Mosi statim concilium adjunctum est seniorum et sacris praefecta est ingens multitudo Levitarum et selectorum ex his sacerdotum. hosque pii semper reges in conservandis et repa- randis religionibus religiose consuluerunt. nec enim David sacras ceremonias tam magnifice instituit, nec Ezechias et Josias restituerunt absque sacra synodo seniorum, sacerdotum, prophetarum et Levitarum. ita et apostoli quicquid incideret magni, mox cum senioribus convenerunt totamque saepe eccle- siam adhibuerunt. expendantur quae divus Lucas scripsit de electione Mathiae?), septem diaconorum®), de discussione quaestionis illius an necessariae essent ceremoniae Mosi, deque Pauli ad ecclesiam Hyerosolymitanam purgatione. erst d. Paulus spiritu Christi omnium maxime instructus, nec deerant Romanis, Thessalonicensibus aliisque ecclesiis suae conciones: tamen hic tantus apostolus cum propter suam ipsius, tum illorum fidem confirmandam tantopere convenire cum eis sanctamque synodum celebrare expetebat.

Est quidem haec via et ratio naturae quoque consentanea, ut, dum aliquid in republica turbatur cumque existit inter cives dissensio, ut aliquot prudentes bonique viri conveniant et componendi quod turbatum est et redigendi in concordiam

ı) Vgl. Epheser 4 v. 16. 2) Luc. 5 v. 27 (vgl. Matth. 9 v. 9). 3) Act. c. 6.

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cives dissidentes consilium captent. sed hoc ipsum beneficium et opus est spiritus divini. nec enim ideo ecclesiam aliquid non decet ant non suscipitur ex spiritu Domini, quia congruit cum natura et hac duce usurpatur etiam a viris politicis. nam et in naturae ratione spiritus Dei Jumen suum elucere aliquousque facit, utque contra vitiatam naturam semper et praeter hoc, quod in hominibus religuum mansit, judicium saepe, non tamen contra eas rationes agit, quas animis hominum ipse indidit. fatalla miraque sunt opera Domini, at non monstrosa, non sine ratione. non igitur moretur nos quod et natura duce homines perturbatis et afflictis rebus civitatum conveniunt et in commune quaerunt atque deliberant, quomodo morbis rei- publicae remedium adhibeant, cum idem facere et in scriptura spiritus doceat.

Nec ab eo absterreat quod et ecclesiastici conventus saepe non optimum finem sortiuntur. ita enim est rerum humanarum conditio ut, quo per se quidlibet magis necessarium et utile est, hoc plus ab eo incommodi percipiatur, si quando corrumpi id contingat vel perverti. quid magis salvificum et hominibus seque necessarıum atque doctrina religionis et sacrae cere- moniae? at quae rebus humanis exitialior adveniat pestis et praesentior inferatur pernicies, quam si doctrina administretur insyncera et ceremoniae vitientur? si quid mali extitit a con- ventibus ecclesiasticis, id certe non extitit vitio conventuum, sed hominum non in nomine Christi convenientium. si mali homines singuli et sejuncti multum incommodant, quid mirum, si magnas turbas cieant, cum se plures junxerint? interim tamen manet firma promissio, si vel duo de re aliqua super terram consenserint, pro qua rogent, eam a patre coelesti impe- traturos et medium fore Christum, ubicunque vel duo aut tres tantum in ejus nomine convenerint. non pendet quidem doctrina veritatis et conscientiarum pacificatio nec a multi- tudine nec a conventu hominum, sed a solo spiritu Christi. at hic sese juxta promissionem suam tum maxime exercere et vim suam explicare solet, cum secuti promissionem Domini nos ut membra Christi maxime jungimus et ad ministrandum nobis invicem pro modo fidei et doni cuique impartiti nosmet stu- diose coaptamus.

Erant tempora Nazanzeni admodum turbulenta propter Valentii, qui cum Arıanis faciebat!), imperium, multumque grassabatur in sacerdotum ordine malum contentionis et ambi- tionis. quamobrem non bene terminari synodos mirum non fuit. tamen optimus certe finis fuit synodi Constantinopoli- tanae, quae auspiciis Theodosii celebrata hunc ipsum Gregorium

1) Valens, Kaiser des Ostens 364—378.

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ei ecclesiae episcopum praefecit!). sic etiam Nicenae et mul- tarım aliarum synodorum optimus finis extitit magnaque in illis vis malorum sublata et multa facta bonis est accessio. quocirca dictum illud Gregorii, quod vir pius excessu quodam indignationis (ob eam, quae tum inter sacerdotes invaluerat, gılovarxiay xal Qılapylay, ut queritur ad amicum) epistola privata scripsit, non est ut universalis de synodis sententia dum.

Sunt igitur synodi atque ecclesiis conferunt, prout ü fuerint qui synodis convenerint. si plane mali, hoc certe plus damni ecclesiis dabitur, quo plures et majore consensione quod pravum est statuerint; si vero non quidem omnino mali, tamen sui amantes et proprise tenuitatis ignari, qui docere quam discere, dare leges quam accipere, praeesse quam subesse malint, faci- lius quoque excitatis contentionibus turbas ciebunt et mala ecclesiae reddent acerbiora, quam ut excitatas perturbationes sedare morbisque ecclesiae remedia invenire queant. at si vere pi et timentes Deum in nomine Christi, non suo suique ipsorum studio et cura rejecta congregati fuerint, certe quo fidelius hi se in Domino conjunxerint, hoc magis spiritu suo praesentem sentient, quoque singuli se ipsi capiti suo ut membra in salutem totius corporis dirigendos accommodaverint, hoc plura etiam per eos in aedificationem ecclesiae ipse perficiet. quae itaque nostra vitisa sunt, ne synodis adscribemus, sed his correctis in nomine Christi pure convenire et quae illius sunt, non quae nostra in conventibus quaerere studeamus, et eam sentiemus Domini praesentiam spiritusque ejus efficaciam experiemur, qua plurima, quae sejuncti nunquam possemus, et mala ab ecclesiis depellemus et bona ac salutaria constituemus. Deus consen- sionis et unionis vult et sacris synodis suam gratiam et authori- tatem constare, utque suos Cconjunctionis in se studio magis inflammet, non parva subinde dona conjunctis largitur quae negat sejunctis.

Est denique et illud inconsyderate dictum: extare libros, quibus cuncta religionis mysteria abundeexplicata sint, adhorum lectionem esse invitandos eos quibus nostra nondum satisfa- ciunt: non frustra tot subeundos labores conveniendo tantasque faciendas impensas; nec enim conventibus doceri posse qui libris non potuerint. quam vero non digna sit ista prudentibus rerum Christi oratio, inde satis cognosci potest, quod cottidie experimur omnes, quam multorum conscientiae viva voce

1) Im Jahre 381; Theodosius I. der Große, zunächst Kaiser des Ostens, regierte von 379—-395, von 392 an beherrschte er auch den Westen. Die Synode, eigentlich nur ein Konzil des Ostens, galt hernach doch als (2.) Ökumenisches Konzil.

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foeliciter expediuntur et ad salutem erudiuntur, quae nullis scriptis expediri recteque institui potuerant. utque multa est omnium in cognoscendis Christi mysteriis imbellicitas, si desit qui scripts explicet, quam proclive est, quamlibet dilucide et cautim composita sint, ut in pravum sensum detorqueantur. etsi scriptis satis doceri homines possent, id certe divinis potius quam nostris libris effectum pridem videremus.

Iam non est in sacris conventibus vivae tantum vocis bene- ficium, quae ad docendum homines scriptis semper est efficacior. adsunt ibi quoque multi quorum singuli suis donis pollent, singuli suam habent in commune commodandı facultatem. magnum est etiam, cum praesente Domino, quae universae ecclesiae ejus conducant, quaeruntur, et quaeruntur a multis, quorum neminem dominus dovußoAoy!) esse sinit: quo recte fit ut saepe, unde minime expectabatur, consilium et ratio adfertur, cujus latissima utilitas patet.

Verum adhuc unus superest scrupulus: religionem negant rem esse, de qua liceat pacisci. ajunt nefas esse ut veritas obscuretur et involvatur conventibus ac transactionibus homi- num, quod quidem in his conventibus, qui ad conciliandas ecclesias instituti sunt, fieri soleat. nam qui in errore et vitio sunt, nihil de errore suo cedere aut vitiosis ritibus, nisi eis invicem etiam de veris dogmatis et probis ritibus aliquid remit- tatur. est quidem haec ingenii humani labes, ut agnoscere errorem suum aegre sustineat. quare quae homines diu in dogmatis et ritibus religiose sectati sunt et coluerunt, ut ea simpliciter abjiciant se haud ita facile persuaderi patiuntur; quaerunt itaque quae possunt vias et colores, ut quam mini- ımum concessisse videantur.

Nos autem antea diximus: non cum iis esse vel conveniendum vel tractandum de religione, qui nobis agnosci non possunt filii Dei et Christi spiritu praediti. est quidem omni poscenti ejus quae in nobis est spei reddenda ratio; at de sanandis morbis ecclesiae deque explicanda doctrina et instauranda disciplina Domini deliberandum cum eis tantum est in quibus apparet esse sensum Domini, esse studium restituendi ecclesiam ejus. tamen quia charitas non patitur nimium acre de iis qui se Christi esse profitentur, judicium facere, sed quenque ex dictis suis, nisi facta aperte reclament, et justificat et condemnat et mira artifex est ad simulandam pietatem hypocrisis: hoc diligentius anımus in agendo advertendus et religiosius omnia consyderanda et excutienda sunt, tempus quoque justum sumendum, nemo sanctorum non consulendus et audiendus, denique assidue pro doctrina et ductu spiritus sancti orandum

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est, ne quid veritati, ne quid glorise Christi decidatur. nam ut Christi nomen quam augustissime sanctificetur et regnum ejus quam amplissime restituatur, id quod non obscuranda aut implicanda, sed et illustranda et explicanda Christi doctrina fieri potest, unice spectandum in sacris conventibus et religione summa quaerendum est. si ulla igitur in re, tum est maxime, cum de religione agitur et statuitur, ceu scopulus fugiendum omne verbum ambiguum, omnis oratio multiplex, omnis de- finitio non clarissima.

At vero non ideo, quia difficilis et periculosa est religionis conciliatio, omitti quicquam debet aut intentatum relinqui, quod ad inveniendam et perficiendam eam momentum aliıquod conferat, nedum id sine quo illa reperiri atque confici haud unquam poterit, uti est convenire in Domino et rationes viasque ejus communicatis consiliis inquirere. est per se imbecilla ad- modum mens nostra ad recte intelligenda et infans lingua ad explicanda quae Dei sunt: tum factum est contentione tot annorum, cui accessit immanis illa crudelitas, qua in nostros tanquam mortalium omnium maxime impios et noxios supra- modum desaevitum est, ut animi ultro citroque exacerbati minus libenter se accommodent ad faciendam pacem et con- cordiam. et sicut tam diu jam tamque obstinate alteri de alteris non optime judicarunt, ita non semper in meliorem partem scrip- ta et dicta utrinque accipere proclive est. quo plurimum con- tulit indefatigabilis illa carpendi, mordendi, calumniandi libido, qua ii qui, ut reformationem effugiant consceleratae et flagitiosae vitae, bellum pise sanctaeque doctrinae indixerunt, in omnibus nostrorum scriptis, dictis et factis nihil non alıo quam scriptum, dictum et factum est, detorquent et pervertunt.

Hinc cum in omni, tum vero potissimum in sacrorum dog- matum explicatione deflexus in utramque partem sint, nec

it media veritas ita diserte exponi quin animus insyncerus vel charitate infirmior suspicionem facile admittat declinationis in alterum extremum, fit profecto (ut homines utrinque sumus) ut non pauci loci in controversia adhuc haereant ob hasce tan- tum iniquas et suspiciones et interpretationes, de quibus re ipsa utrinque idem boni duntaxat et Christi vere studiosi sen- tiunt, utcunque non idem utrinque loqui videantur. exempli gratia locus de reliquiis peccati originalis in renatis duo habet praecipitia: alterum si ita illae exaggerentur ut et natura opus Dei bonum damnetur et gratia baptismatis, quae noxam earum sustulit, elevetur; alterum si sic extenuentur ut non appareat quanto adhuc morbo detineamus et quam necessaria curatio sit Christi quotidiana et perpetua .

Idem usu venit in omnibus locis, de quibus adhuc controver- siae reliquae sunt vel esse videntur. nam de necessariis ad

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salutem non potest esse re ipsa dissensio inter eos qui aliquo cum fructu de religionis consensione consultare et deliberare simul possunt, quod scilicet nonnisi vere credentes Christo et praediti spiritu Christi possunt. attamen sic saepe non satis- faciunt alteris quibus alteri utuntur loquendi de rebus sacris formae et rationes in mysteriis Christi explicandis, ut, nisi inter se conveniant seseque placide invicem audiant et doceant, non sit speranda solida inter eos, utcumque utrinque Domini sint, concordia.

Potest quidem illos Dominus et aliis viis consentientes reddere; nobis tamen hoc iis viis quaerendum est quas osten- dunt promissa Domini quasque aperuerunt spiritu Domini instincti patres, prophetae, apostoli. fides ex auditu .gignitur nec aliter perficitur, aut, cum languida est, recreatur, cum insyncera, purgatur, dum pusilla, augescit; nec alio vera erga fratres vel roboratur, cum infirma est, vel, si quando sopita fuerit, excitatur et quasi reaccenditur charitas. et quo auditus hic fuerit familiarior, hoc ad utrumque solet esse efficacior. huic autem auditui non est locus commodior, non opportunitas fructuosior quam in sancte religioseque coactis synodis. ad conciones non omnes veniunt nec in quibusque concionibus omnia, de quibus boni adhuc ambigunt, tractantur, nec quae est et a nature vitiata et a diu nimis agitata et exasperata dis- cordis, etiam in sanctis, imbellicitas, simpliciter et recte, quae in concionibus probe tractantur, omnia intelliguntur. idem usu venit Scriptis.

itaque colligi oves Christi, quaecunque adhuc

aberrant, ai collectas et doctrina pura et disciplina bene ordinata pasci optamus, danda profecto opera est ut pii bonique modere- tores et doctores utrinque conveniant, et conveniant in nomine Christi positis cunctis offensionibus, remotis suspicionibus, ablegato omni rei privatae studio, prostrato fastu omni et ingenii confidentia conculcata, flagrante vero studio illustrandae gloriae Christi, amplificandi regni ejus, quaerendae salutis hu- mani generis; audiantque se invicem et doceant non secus a6 coram Domino inter ipsos praesente et praesidente, eoque cum timore et tremore, hoc est religione summa, humanitate et charitate effusa, candore purissimo, simplicitate rectissima.

Istuc si studebimus, ut vere in nomine Christi et conveniamus veroque Christi studio consensum in ipso quaeramus, ipse veras indubitato et salutares concordiae rationes patefaciet, ostendet et exhibebit, videbimusque in iis, in quibus consistit religio et quae ad salutem sunt creditu necessaria, nullum esse inter nos nisi de modo et ratione ea mysteria Domini tractandi et explicandi dissidium. praeterea non ita magno negotio dis- cutiemus quo etiam loco habenda sint quae videntur aliquibus

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ad salutem necessaria, cum non sint, aut cum necessarlis Con- gruere, cum non congruant, aut commodare illis, cum incommo- dent. dabitque Dominus eam statuere concordiam quae puram synceramque doctrinam Christi et rectam salutaremque disci- plinam illustret et confirmet, non obscuret aut debilitet, quae mendacis et hypocrisin antichristi detegat et profligat, non pingat et stabiliat, quae denique ecclesias ubique in Domino vere uniat et instauret, non distrabat et dissipet. haec promisit Dominus in suo nomine convenientibus et ea vera spiritus con- sensione quaerentibus. hujus igitur tam praeclarum et infalli- bile promissum longe plus nos debet invitare et animare ad conveniendum cum iis qui Christum nobiscum invocant et invocare ex animo merito judicantur (nam peccatoribus in concilio justorum locus patere non debet), cumque iisdem sancta synodo congregatis ecclesiarum conciliationem pio studio quaerendam, quam remorari et deterrere vel antichristorum tyrannis et malitia vel hypocritarum doli et fuci, vel denique sive propria sive aliorum imbecillitas et contra vim et artes Satanae mens imparatior animusve instructus debilius. Cavendus quidem ubique est et observandus hic hostis, qui se filiis Dei nunquam non studiosissime, dum de religione agi- tur, immiscet; sed ita cavendus observandusque est ut contra insultus ejus religioss cautione advigilemus et eum pia prece repellamus, non ut propterea inertes ab officio cessemus et cum nostra ipsorum, tum fratrum nostrorum salutem permanente isthoc tam exitioso dissidio negligamus. praesens enim et praesidens in tali synodo Christus Satanam facile pedibus no- stris subjiciet dabitque suam causam agentibus os et sapientiam, cui resistere Nemo Omnino queat, et instruet lis armis spirituali- bus perque Deum potentibus, quibus cunctas dejiciemus muni- tiones et cogitationes omnemque celsitudinem, quae se adversus cognitionem Dei attulerit!) et captivum ducemus omnem intelli- gentiam in obsequium Christi, eorum scilicet qui ad vitam sempiternam deputati sunt; reliqui, quoniam quicquid pater coelestis non plantavit, eradicari oportet, mittendi sunt, caeci nimirum duces caecorum?). Haec ergo, ut in pie synodo piam de doctrina et disciplina i consensionem summo studio quaeramus et nulla alıa, quam nos quidem inire deceat, via et ratio est, qua erroribus et superstitionibus depulsis vera et salutifera de religione con- sensio, pia et justa ecclesiarum reformatio et patrise quoque pax solida et tranquillitas certa constitui et conservari possit...

ı) 2. Kor. 10 v. 4 u. 5. s) Ev. Matth. 15 v. 13 u. 14.

Kleine Notizen aus Rechnungsbüchern des Thüringischen Staatsarchivs (Weimar).

Gesammelt von Gcorg Buchwald. (Fortsetzung.)

Hunt, Burkhart.

1521. Coburg. Sonnab. n. Mis. Do. (20. April).

viij gr. vj 9 losung Burckart Hundt Nemlich iijj Nacht jde v pferde und j Nacht ij pferde. 5197, 154b.

1521. Coburg. Sonnab. n. Cantate (4. Mai).

xvgr vj 9 losung Burckart Hundt Nemlich ij pferde xiiij tag und ij pferde j nacht. 197».

Hängen diese Besuche mit Luthers Gefangennahme zu- sammen ?

1522. Weimar. Mo. n. Valent. (17. Februar).

ij gr. nachbotlon Michel Kraussen mit m g h briff von gotha gein altenstein zu Burgkart Hundt. 5203, 184»

Hunt, Hans.

Vgl. NASG. 4, 39.

1496. (16. Oktober.)

v Blvij gr. an xvij gulden für j Centner ij wachs gein torgaw gesant uf Er Hannsen Hunds hochzeit Galli. 4147, 432e,

1504. Mo. n. Marg. (15. Juli).

ij fl xx gr. den pristern und Choerschulern zcu presentz im Stifft zcu wittenb. uf Er Hanßen Huntz Seligen zcu begenknus montag nach margreth. 4185, 40*.

| Hügel, Anton. 1544. Weimar. Sb. n. Invok. (8. März). j gulden iij gr. zur gefatterschaft Meiner gnedigsten Frauen Anthoni Hugell des Jungen herren Baccalaurien. 5321, 354*.

Jessen, Fritz von. 1540. Torgau. Sg. n. Martini (14. Nov.). ii) gulden viij gr. von wegen fritz von Jessens seligen nach seinem absterben zu weimaı haußzins, fur ertznej in die apo-

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teck, armen leuten, wartgelt in seiner kranckheit, besoldung seiner knechte und anders aufgegeben und wiewol sich die auf- gabe auff xxxv gulden xviij gr. vj 9, erstrecken thut, Bo ist doch daran xx gülden von Jeorgen weissen fur j pfert und xiij gulden quatembergelt Crucis anno dominj xvxxxix ein- genommen worden. 5302, 142®.

Fritz von Jessen war der natürliche Sohn Friedrichs des Weisen vgl. Müller, Bewegung S. 404. Weim. Ausg. Tischr. 4, 322. Ihm hatte Plossig und Hohndorf gehört (2275, 5*).

Die Witwe heiratete Hans von Reysen zu Hemsendorf. 2276, 65; 2277, 19%.

Jessen, Sebastian von.

Vgl. Müller, Bewegung $S. 389.

1516. Leipzig. Ostermarkt.

Von Wolf Fechter gekauft.

xij fl für j gulden Kettleyn dem Bastleyn!) Itzo bej magistro Spalendino. 4262, 34.

Wir erwähnen noch die Notiz:

1519. Weimar. Sonnab. n. Allerh. (6. November).

xv gr. viij 9% außlosung und zcerung in der herbergk dem bastel und Magister veit warbeck bey Simon Trometer ge- legen. 5184, 135».

Jonas, Justus.

1530. Torgau. 10. Oktober.

Wie Luther, Melanchthon?) und Spalatin?), so erhielt auch Jonas 20 Gulden Trankgeld:

xx gulden Tranggelt dem probst Justus Jonast).

1537. 8. Februar.

Wittenberger Amtsrechnung:

j sch. 11, mbhas uff iii) Rehenpf. haben Doctor Jonas kranck von thorgaw bracht, Dornstags nach Purif. Mar.°).

Schon im November war Jonas an Steinleiden erkrankt (Kawerau, Jonas 1, 249). Vgl. Enders 11, 197, 27ff.

1) Bastlein war erst bei der Volkamerin zu Nürnberg. 1513 wird er von Pfeffinger mit nach Sachsen genommen. 4227, 176. Mo. n, Okuli (28. Februar) 1513 zieht er von Weimar nach Witten- berg. 19b.

2) ZKCG. 19, 102.

s) Vgl. unten unter Spalatin.

4) 5570, 5758.

s) 2813, 138a.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXI. 3/4. 13

194

1537. Wittenberg. Donnerst. n. Lucä (25. Oktober).

Heut ist MGH!) zum Sacrament gegangen und hat mit seiner genaden gessen Landtvogt, Probst, her Georg?) Capplan. 5290, 248,

1538. 20. März.

Wittenberger Amtsrechnung®):

ij gr. einem boten, welcher von Doctor Brucken einen brief dem hern Probst Doctor Jonas nachgetragen biß gegen Koß- wigk, das er widerumb gekeret und auf Meins gnst. h. zukunft wartten und mith nach Braunschwigk zuraisen 2c. act. Mit- wochs nach Reminiscere.

Am 19. März war Jonas in Dessau gewesen (Kawerau, Justus Jonas 2, 279f... Zu der weiteren Reise teilen wir folgende Notizen mit:

1538. Belzig Do. n. Rem. (21. März).

v gr. tranckgelt aus doctor Jhonas, doctor Mathias‘) und doctor Zochen Herberg. 5587, 262b.

An diesem Tage kam der Kurfürst von Wittenberg nach Belzig.

1538. Brandenburg. Freit. n. Rem. (22. März).

xiil, gr. tranckgelt ... (wie oben). 263®.

1538. Rotenaw. Sb. n. Reminisc. (23. März).

xul, gr. tranckgelt in doctor Jonas, doctor Zochen und doctor Mathias herberge. 5587, 264®.

1538. Stendal. Sg. Oculi (24. März) (wie oben). 266°.

1538. Salzwedel. Di. n. Oculi, (26. März).

j gulden iiij gr. tranckgelt in der gelerten herberge. 268°.

Do. in Giffhorn Freit. Ankunft in Braunschweig.

1538. Braunschweig. Di. n. Palm. (16. April).

ij gulden xix gr. haben doctor Jonas, doctor Zoch und doctor Mathias Ratzenberg in der herberg alhier vortzert. 5587, 317®.

An diesem Tage erfolgte die Abreise.

1538. Zerbst. Freit. n. Palm. (20. April).

ij gulden Furlon auff iiij pf. furen Doctor Jonas nach witten- berg und Doctor Mathias Ratzenberg. 5587, 335®.

Sonnabend ist der Kurfürst in Zerbst und reist nach Witten- berg (vgl. ARG. XXV, 82).

Zwischen Dienstag und Freitag nach Nat. Mar. (10. und 13. September).

Wittenberger Amtsrechnung?):

il, gr. Hansen Mathes von Doctorj Jone probst und doctori Bleickhart als commissarien in sachen, den pfarher, cappellan

1) Johann Ernst. 2) Rörer. 8) 2815, 68a. %) Ratzeberger s) 2818, 88a.

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und schulmeister zu Niemeck, und dem Rath doselbst briefe bracht, auf sonnabent nach exaltationis erucis!) fur sie zu- erscheinen.

Am 14. September war der Niemecker Schulmeister in Wittenberg gewesen und von Luther und Melanchthon zur Rede gestellt worden (Tischr. 4 Nr. 4010). Die Tischrede 4 Nr. 4312 (21. September) bezieht sich vielleicht auf den Streit jener Leute. Am 29. September 1538 wurde von Luther ordiniert: Balthassar Mentz, von Herfforde in Westvalen, Schulmeister zu Niemigk, beruffen gein Eckmestorfi?) zum Pfarrambt (Ordiniertenbuch Nr. 24).

1539. 5. Februar.

Wittenberger Amtsrechnung:

xviij gr. Valten Forster, hat von den herrn des consistori, als von Doctorj Jona Probst, Doctorj Kilian goltstein ein be- richt in sachen des pfarhers zum Judenbergk®) im ampt Heinnichen M gndst. h. gegen Weimar bracht, Actum mit- wochen nach purificationis Marie®).

1539. 10. Februar.

Wittenberger Amtsrechnung:

vj gr. Wentzel forster, vom Doctorji Jona und Doctorj Kilian goltstein in einer ehesachen briefe gegen eylenburk ge- tragen, Act. Montags nach Dorotheae°).

1539. 2. März.

Colditz. Stadtarchiv III/VII A. 1. 1539.

vj gr. viij 9% dem Doctor Jonas, so in der fasten eine nacht hie gelegen.

Vgl. Kawerau, J. J. 1S. 313: Dominica Reminiscere peregre abfui Torgae et Colditz.

1540. Zwischen 15. und 21. Februar.

Wittenberger Amtsrechnung:

ij ß xxiiij gr. auff bevelch des herrn landvogts und der Herren Doctores alhier, Justj Jona probst, pomeranj und philippj Melanchtonj von dem vorhangenen grosen ampts- wagen widerumb zuzurichten, darauff sie hinaus zu M. gnedig- sten h. gegen weinmar, von do dannen gegen Schmalkallen gefahren in der religion sachen act. die woche Invocavit®).

Die Abreise der oben Genannten erfolgte ungefähr am 18. Februar (Enders 13, 4).

1) 2]. September. 2) Eckmannsdorf. 8) Jüdenberg bei Gräfenhainichen. ‘) 2818, 93a. s) 2818, 93b.

*) 2821, 56a. Zur Decke brauchte man 14 Ellen schwarz Leip- ziger Tuch, die Elle zu 8 Gr.

18*

196

Das Reisebuch Trinit. 1540 bis Trinit. 1541!) enthält folgende Notizen zum Briefwechsel des Justus Jonas mit dem Kurfürsten im Mai 1541.

1540. Schneeberg. 9. Mai (Mont. n. Jubilate).

i) gulden xii) gr. Zerung Doctor Jonas Diner von Halle aus ins buchholtz mit briven zu M g h, sodannen anher und widder anheim?).

1540. Eibenstock. 19. Mai (Donnerst. n. Cantate).

ii] gr. auflosung und zerung in der herbergen auff j pf. Doctor Jonas Diner M g h brive von Halle bracht?).

1540. Schneeberg. 23. Mai (Mont. n. Voc. Joc.).

xix gr. hat Dector Jonas diner welcher M g h brive zum andern mahl von Halle bracht auff ıij Nacht alhier in der her- berge vertzert*).

1540. Zwickau. 28. Mai (Sonnab. n. Voc. Joc.).

ij gulden ix gr. hat Heinrich Milde mit einem pf. auff vj tage alhier vortzert in der herberge, hat m g h brive vom Doctor Jonas von Halle bracht zum andern mahl.

ij gulden zerung dem selben anher und widder anheim?).

Keiner dieser Briefe ist erhalten.

1541. Torgau. Freit. n. Ps. (10. Juni).

xj gr. j X} Auslosung in der herberge Doctor Milen sohn von Halle hat Meinem gnedigsten herren brive von Doctor Jonas bracht. 5304 219.

Nicht erhalten.

1542. 25. Mai.

Wittenberger Amtsrechnung:

viij) gr. Simon Mottigk von den hern Doctore Brucken einen Brieff gegen Hall zu dem Doctor Jonas probst getragen. Actum Darnstags nach Exaudıi.

Fehlender Brief.

1544. Torgau. Di. n. Mart. (11. oder 18. November).

ij] gulden x gr. auflosung und zerung in der herberge uff v pf. ii nacht Doctor Jonas bey lenhart Koppe. 5326, 215*.

Vgl. Kawerau, Briefw. des J. J. 2, 135ff.

1545. Torgau. Sg. n. Erhardi (18. Januar).

il) gr. 11] 9% -- ist mit M gnst. h brive zu Halle bei Doctor Jonas gewest. 5327, 79%.

Nicht erhalten.

Jonas, Justus (der Sohn).

1547. vor Trinit. (vor 5. Juni). xxi) gulden xviij gr. Doctor Jonas sohne zu einer voreherung von wegen eins psalms. 4599, 10*.

1) 5590. 2) Bl.317a. ?) Bl. 34a. *) Bl. 347b. ®) Bl. 354.

197

Kitscher, Friedrich von. 1508. (nach 2. April) Wittenberg. ' xij gr. gen wymar als man m gst. h herzcog Johansen das der probst gestorben geschrieben post letare. 2750, 708. Vgl. Müller, Bewegung S. 316.

Koppe, Leonhard.

Vgl. Luthers Briefwechsel (Weim. Ausg.) 3, 54.

1512. Leipzig. Michaelismarkt.

xxv\4, fl für vj centner iii) stein geschmelczte behmisch putter durch den schosser Leonhart Koppen zu torgau erkaufft —. 4216, 32®.

1526. Torgau. Mo. n. Exaudi (14. Mai).

] hirsch lenhart Koppen zu seiner dochter wirtschaft. 5228, 180b,

1526. Torgau. Do. n. Exaudi (17. Mai).

Johan von Kollen erhält zu seiner Wirtschaft 2 Kälber, 3 Schöpse, 75 & Rindfl., ?/, Rind.

1526. Torgau. Sonnab. n. Exaudi (19. Mai).

1 Hirschkeule, 40 & Karpf, 1 Faß Torgauer Bir, 2 Eimer Speisewein. 5228, 184b, 188*, 188®.

Hiernach ist zu vermuten, daß Koppes Tochter den Or- ganisten Johann von Köln heiratete.

1542. Torgau. YVoc. Joc. (21. Mai).

ij gulden ıj gr. zulone Margareta Koppin auff xj wochen jde woche iii) gr. des Jüngsten herlein hoffmeisterin und der Schanwitzin in irer Krankheit gewart. 5309, 152*.

Ob eine Tochter Leonhard Koppes oder Koppes Witwe?

Mis. Dom. (1. Mai) 1541 wird in einer Aufzählung der Tor- gauer Herbergen „die Koppin‘ genannt. Leonhard K. muß also gestorben sein.

Krebs, Conrad.

1539. Torgau. Mittw. nach Peter Pauli (2. Juli).

ix gulden xj gr. an iiij dupelten schawgr. aus gnaden Tho- masen Doring?), welcher Cuntz baumeisters tochter genomnien, zu seinem ehelichen beilager. 5589, 67°.

1541. Wittenberg (zwischen 5. August und 21. Sep- tember).

vi] B vij 9 Baumeister meister Cuntzen Krebs, dem got gnade, welcher bevelh gehabt, des hausmanns Torm uffn Schloß, das er forder one fhar des windes stehen möge, helffen

!) Ob ein Sohn des Christian Döring?

198

zu lassen mit spies Beumen und sonsten widder fassen, auch iii ercker darvon abetragen und widder latten und decken lassen begonnen Freit. n. Vinc. Petri, beendet Mittw. n. Crucis. 2823, 69%.

Kronberg, Hartmut von. 1522. Weimar. Sonnab. n. Quasim. (3. Mai). xvj gr. mitlon von j pf. uff viij tag hat Hartman von Krone-

bergs diener welcher brieffe an mein gnedigsten hern den Churfürsten gehabt, geritten. 5204, 154b.

Krüginger, Johannes.

Vgl. Holstein, Die Ref. in Spiegelb. der dran. Lit. S. 136.

1544. Speier. Mo. n. Mis. D. (28. April).

xj gulden vj patzen vj 9 an x gulden gr. im Kloster alhier seinen gesellen und Knaben, haben für M gst. h. die Comedia vom verstorbenen Lazaro agirt. 5595, 206*.

1544. Speier. Sg. Jubil. (4. Mai),

xj gulden vj patzen vj 9, an x gulden gr. zu einer vor- ehrunge dem deutzschen schulmeister alhir, hat durch etzliche Knaben Eine deutzsche Komedia vom armen Lazaro agiren lassen. 5595, 216®.

Lang, Johann.

1522. Weimar. Dienst. Agnetis (21. Januar). xix gr. v) 9 außlosung zcerung in der herberg Doctor Langius und zweyen Magistern von Erffurt. 5203, 89*.

Langmantel, Christoph.

1519. Zeitz. Sb. n. Ostern (30. April).

ii) gulden iil/, gr. auslosung auf Graf Hoyern von Mansfelt und Ein Cristof langemantl und ire diner auf ain nacht. 6552, 38,

Lindenau, Wolf von.

1521. Coburg. Mi. n. Kilian (10. Juli).

ii] B xxx gr. zu abfertigung zweyer meynes g. hern Knaben, dem Kaspar von Uchtenhausen und Wolff von lindenau idem v gulden. 5201, 170.

1521. Coburg. Donn. n. St. Marg. (18. Juli).

ih Bxvjgr. vj 9 für ein pferd zu abfertigung m. g. h. Knaben wolff von lindenau. 198®,

199

Link, Wenceslaus.

1522. Weimar. Di. n. Pe. Pauli (1. Juli).

ii) gr. iii) 4 botenlon Hans hele ist mit m g h briffe zur Neustadt ee Doctor Wentzeslao gewest. 5205, 46®.

1523. Altenburg. Sonnab. Tinothei (24. Januar).

v) gulden v gr. auß gnaden Doctor wentzel dem prediger alhir!) 5562, 91b.

1524. Altenburg. 15. Dezember.

vj schefiel korns geben Doctorj Wentzeßlao uff Churfl. be- velh Dornstags nach Lucie. 338, 66®.

1544. Leipzig. Michaelismarkt.

xxij gulden 18 gr. Doctor Wentzel lincken, als er meinen gnedigsten herrn ein buch zugeschrieben. 4575, 28%.

Vgl. Wein. Ausg. 54, 1f.

Kaiser, Johann. 1540. Torgau. Mo. Nicol. (6. Dezember). x gulden aus gnaden dem pfarrer zur Lochaw Ein Johan Kaiser zu seiner Tochter Ehelichem beilager. 5302, 201.

Lochau.

In der Lochauer Anıtsrechnung Walb. 1532 bis Walb. 1533 (1815, 109ff.) findet sich ein ‚Inventarium paw Bethmeisters über die gemach ufen schloß Lochaw 1533“. Wir entnehmen ihm die Notizen über die dort aufbewahrten Gemälde.

In m g h gemach: Ein Margen Bild aufi ein Tuch mit einem forhenglein Unsers herrn leiden uff ein tuch mit einem furhang Sanct Johannes Baptist auf ein tuch mit eim fuhrhang Sanct Jacob und sanct Jorg auf ein tuch m. e. f£. Das Kindlein Jesu CR N R Sanct Hieronimus a auf ein hultzerne tafel Die Dreyfaltigkeit aufl ein teflein Ein Margen Bld » 109° In m g h. kammer vii) gemelh auff papier Ein gemalte Lucretia aufl ein tuch Herodes tochter auff ein Tuch Ein nacket frawen Bild auff ein tuchlein gemalt 110° In das Kemerlein am Pfeifferstul vj gemalte tucher der seind fünff eingefast xij gemalte Tafel klain und groß.

1) Auf Befehl des Herzogs Johann Friedrich.

200

112® In der Kirchen uff der obersten Corkirchen ii] gemalte Tafel ui gemalte Tafel ‚„ clein und groß Me Bildt geschnitzt, dreyfaltigkeit, sanct Johannes und Katharina.

Löser, Tham. Vgl. Friedensburg, a. a. O. S. 158; Müller, Bewegung $. 156.

1496. Wittenberg.

liijj gr. iij 9 j h losung Ern Simonem?) Doctor tham loßer und dem meister czu lichtenberg?) alß sie die thumhern und vicarien yrer gebrechen halben vorhort haben post michaelis. 2735, 54.

1496. Wittenberg. Sonnab. n. Francisci. (21. Mai).

j virtil wyn von torgo komen do von hat man ouch vorthon alz der lantfoit, der meister von lichtenberg, der techant von nawenburg doctor tham loßer hie gewest. 57°.

1498. Wittenberg.

vij gr. iij 9 mit des lantfoits briffen czu er tham loßer ken meissen post Francisci. 2737, 66®.

1503/4. Torgau.

ii gr. vin 9 uff ü mal gein leipenitz nach den zinsen als er Tham loßer verstorben was. 2398, 43*.

Löser, Margarethe. 1546. Ostermarkt. 285 fl 15 gr. Jost Kamen, welcher Margarethen loserin aus meins gnedigsten hern frawenzimmer geehlicht, zur ehesteuer geben und also abgefertigt. 4609, 25*.

Lufit, Hans. 1532. Wittenberg. Walb. 1532 bis 1533 Walb. Liij scheffel Malz Hansen lufft Buchdrucker gegeben vhor

sein erlidenen schaden, den er mith den Buechern genomen, die er ins Landt Gulch gefhuert hat. 2799, 119%.

Magdeburg, Liborius. 1516. Mittweida. Stadtrechnung. Unter „Allerheiligen Kapelle‘: „1 B. 46 gr. Magister Engel von wegen des neuen altaristen Liborius magsenuig von Freiberg.“

Er Funk. 2) Wolfgang Rrißenbusch.

301

Johannes Engel de Friberga in Leipzig imm. 88. 1500 bacc. WS. 1501 mag. WS. 1509.

1520. Mittweida. Stadtrechnung. „1 8. 46 Liborius Magdeburg.“

1511—1533. Mittweida. Kapellenrechnung (auf dem Titel).

„Zugedengken, das Liborius Magdeburg als besitzer des lehens in der Kapellen bewilliget hat vor dem burgermeister Hans Friederich und Niclas Pauersang Cammermeister etwas von dem zins ader Absentz, so Er bey seiner zeit zu holen, zu dem weyn und brot der messen jerlichen darzu zu geben be- willigt, und von seinen zinsen abgezogen werden sall.

1522. Mittweida. Kapellenrechnung.

Unter Einnahme: „1 fl. von dem hern licenciaten Magde- burg, so seyn wirde zu dem Messe gewande gegeben 10 gr. auch von ym vor weyn und broth. Mich. im 222 und Walp. im 22ten jare.‘

Unter Ausgabe: „45 gr. dem herrn licenciaten dy zeit zu absentz gegeben 121/, gr. dem herrn licenciaten das halbe jar zu absentz gegeben.‘

Magenbuch, Johann.

1543. 2. Januar.

j © xiiij gulden vj gr. an j © gulden gr. Doctor Mattesen Ratzenberg dem leibartzt zugestelt, die hat ehr forder Doctor Magenbauch von Nüremberg zu einer vorehrung zur Lochaw überantwort Dinstaggs nach Circumcisionis zugerechent. 4517, 14*.

Mantel, Johann.

1541. Wittenberg. Di. n. Val. (15. Februar).

ii) gulden aus gnaden unb gottes willen einem armen prister Johan Mantell genandt. 5590, 283».

Vgl. Buchwald, Wittenb. 8. 157.

Margarita, Antonius.

1534. Leipzig. Ostermarkt.

ij gulden aus gnaden Anthonius Margarita weibe, der ein ebreischer lector und ıtzt zu wien sein soll, welchem hievor zu Augspurg als der Churfürst zu Sachsen hochloblicher gedechtnus des ortes gewest, ein kint aus der thauff gehoben worden, und solch sein weib itzt mit cleinen kindern zu leipzigk in armut gelassen. 4377, 28*.

Vgl. W. A. 53, 413. SS. 1531 in Leipzig als linguae Hebr. prof. immatrikuliert.

202

Medler, Nicolaus.

1545. Torgau. Sb. n. Mis. D. (25. April).

ii] stubichen speisewein in die stadt Doctor Meddeler. 6328, 195®.

1545. Torgau. Jubil. (26. April).

xvi) gr. auslosunge und zerunge in der herberge uf iij pfg j Mittag Doctor Maideler prediger von der Naumburg bei anders Krausen. 202%.

Vgl. RE® 12, 496, 20f.

Mellerstadt, Martin. 1487. Wittenberg. (Hofgewandregister.) Doctor Mellerstat v ellen an j firtel lindisch tuch, 1!/, ellen mechlisch zu hoßen. 5909, 18».

1503. Wittenberg. (nach 8. September.)

vij B vj gr. vij 9 ] h. auff Entphel m gst h doctor meller- stadt, das im seyn doctorat gestanden post nativitatis marie virginis. 2742, Bl®.

Vgl. Förstemann, Lib. dec. S. 2 (wohl die Kosten für das prandium).

Menius, Justus.

1540. Reise von Hersfeld nach Weimar und zurück nach Eisenach 21. bis 25. Juni.

Am 21. Juni reist Menius von Hersfeld ab und trifft am 22. Juni in Weimar ein laut des Postens der Hofrechnung Weimar):

Dienstag den achten Viti (22. Juni).

xij gr. hat Justus Menius ein nacht unterwegens mit dem furman anher vortzert.

Er blieb in Weimar bis zum 24. Juni und traf am folgenden Tage wieder in Eisenach ein:

Johannis Baptistä (24. Juni).

ij gulden vj gr. furlon auff ij pf. iiij tage sanıpt der zerung, füret Justum Menium hiedan nach Eisenach und der furman widder anher viij gr. Idem zu zerung Justo Menio und seinen knaben auff eine nacht?).

1551. vor Trin. (24. Maı).

vi) gulden xx gr. Zerung Ern Justi Menii von Gotha nach Weimar, als man des predigers halb, so etzlicher Irrungen bezichtiget, gehandelt. 4599, 48».

1) 5301, 90b. 2) A. a. O. Bl. Yıb.

203

1552. vor Trin. (12. Juni).

xili) gulden vj gr. hat er Justus Menius zu dreien malen zu zerunge und furlon ausgeben, als er in des Osiandri Ketzers sachen gein Weimar erfordert worden. 4599, 62*.

1555. vor Trin. (9. Juni).

vj gulden xviij gr. dem Buchdrucker zu Erffurt für den unchosten, So auff des Justi Menii buch zum drucken gegangen, welchs die hern zu sich genomen und umb allerlei ursach willen nit haben wollen ausgehen lassen. 4599, 103».

Vgl. Schmidt, Justus Menius 2, 193.

Metzsch, Hans von. 1533. Wittenberg. Sg. Invocavit (2. März).

xvij gr. Ilgen Sommert Botenlohn nach Weimar Wolffen Stahl hat m g h von des hauptmans brauth einen Krantz mith Bernlen umbgunden, auch deß registers waß zw Aus- richtung gedachts hauptmans Hansen Metschen ehelichen beylagers an gelth und vorrath vorgestreckt worden, bericht zugetragen. 2799, 64®.

Als am 24. Februar 1533 der Hauptmann Hans Metschı heiratete!), hatte man ihm Räume im Schloß zu Wittenberg hergerichtet. Auch Cranach war an den Arbeiten beteiligt, wie der Posten besagt: „ij B 11/, gr. Lucas Malern von der Stubendecke und von den wenden oben bey den fenstern zumalen und von einem hirschgewey in der stuben hangend?).‘

Metzsch, Margarethe. 1513. o. OÖ. 31. Januar. xvj gulden der margreten Metzschin zu thorgaw uff die hochzceidt geschenckt, zcehen gulden von wegen meins gst. hern und sechs gulden von wegen meyner genedigen jungen hern von Lüneburgk, uff montag nach der bekerung Bant pauls. 4222, 11®

Metzsch, Conrad.

1519. Weimar. Di. n. Mauric. (27. Septeniber).

xxj gr. Zcerung er Cunraten Metzsche weybe wieder anheynı. 6184, 8b

Mila, Bernhard von.

1544. Torgau. Freit. n. Nat. M. (12. September).

Der Kurfürst schickt Bier und Wein Bernhart von Milen?) zu seinem ehelichen Beilager nach Magdeburg. 5325, 337®.

ı) CR 2, 635. 2) 2799, 5On. ®) Vgl. Enders 12, 274f.

204

Miltitz, Karl von.

1519. Weimar. Freit. n. Voc. Joc. (3. Juni).

xxxj gr. iij 9 auslosung und zerung in der herberg uff ix pferdt ijj nacht babstlicher hayligkeit botschafft Karlh von Miltitz. 5182, 244®.

Mistelbach, Sebastian von. Vgl. Müller, Witt. Bew. S. 367.

1493. Torgau. Sonnt. Blasii (3. Februar).

xl guldin marsteller von nurmberg vor ein Spann haben beyde mein gnedigen hern mistelbachs brawdt geschangkt an der hochzceit. 4146, 92.

Monner, Basilius.

1541. Torgau. Di. Kath. Petri (22. Februar).

xxiij gulden xvij gr. an xx gulden gr. aus gnaden Meines gnedigen Jungen herlein preceptor Doctor basilien monner von wegen beider Meiner gnedigsten und gnedigen herren zu seinem ehelichen beilager. 5303, 175*.

1544. Weimar. Sb. n. Jubil. (10. Mai).

Steht die Kurfürstin bei einem Kinde Pate. 5324, 235b.

1546. Torgau. Sg. n. Fab. Seb. (24. Januar).

Steht Herzog Hans Wilhelm bei einem Kinde Pate. 5331, 1395.

Musa, Antonius..

1537. Torgau. 25. Dezember.

iJ gr. 1) 9% mit M g h brive zu Jhena bey dem Musa ge- west, die antwort hiedann gegen der lochau zu M g h getragen. 5292, 24®,

1542. Lochau. Mo. n. Ursula (23. Oktober).

iJ) gulden aus gnaden zur zerung dem pfarrer von rochlitz musa genant. 5591, 293*.

1544. Weimar. Sg. n. Purif. M. (3. Februar).

x) gr. botenlon hansen Jhan mit doctor Teuteleuben briffen zu Leyptzig bey anthonio musen gewest. 5321, 225».

Mutschideler, Georg.

1540. Torgau. Sg. n. Galli (17. Oktober).

x gulden aus gnaden zuvorehrung Jeorgen Mutschideler buchsmeister zu wittenbergk darumb das ehr die vier bucher Sextj Julii Frontinj des consularischen Mannes von guten reten und Ritterlichen anschlegen der guten hauptleute!) in

!) Sextus Julius Frontinus, ° rataremata.

305

reimen vorfast und M g Jungen herrn hertzog Hanns ernsten :c. zu geschrieben. 5302, 57.

Mykonius, Friedrich.

1525. Gotha. Sonnt. Oculi (19. März).

ij gulden auß gnaden Fridrich Mecum dem prediger alhır. 6564, 93».

1534. Zelle. Freit. n. Elis. bis Mi. (20. bis 25. Nov).

ı) gulden viij gr. auß gnaden dem prediger von gotha, ehr Fridrich Mecum vor v virtel roth lundisch tuch zu einem Jecklein ıj Ellen grun tuch zu Kappen und hentschue vj gr. fur ein huth und iij gr. macherlon alhier machen lassen. 5582, 228

1534. Braunschweig. Do. Kath. (25. Nov.?).

ij gulden xvj gr. vj 9 außB gnaden für j peltz und j par streiffling ehr Fridrich Mecum von gotha. 233®.

1536. Gotha. Di. n. Weihn. (? 26. Dezember).

ill) gr. Zulohne einem boten hat brive von ehr Fridrich Mecum nehst Doctor Brucken gegen Eisenach getragen. 5585, 206».

Zur Reise des Mykonfus nach Braunschweig und nach Eng- land 1538 (vgl. Scherffig, Mykonius 8. 115f.):

Der Braunschweiger Konvent fand vom 30. März bis zum 16. April statt (Enders 11, 341).

Wir verzeichnen folgende Notizen:

1538. Braunschweig. Sb. n. Lät. (6. April).

jJ gulden iij gr. losung auff ij pf. viij nacht ehr Fridrich Mecum von gotha. 5587, 289*.

1538. Braunschweig. Sb. n. Judica (13. April).

j gulden losung auff ij pf. ehr Fridrich Mecum. 5587, 304®.

1538. Braunschweig. Di. n. Palm. (16. April).

xi) gr. losung auff ij pf. ehr Fridrich Mecum. 315*.

An diesem Tage reist der Kurfürst ab.

Mykonius reist weiter mit. Freit. n. Palm. (19. April) in Zerbst 334®.

1538. Wittenberg. Sb.n. Palm. Mo. (20. bis 22. April).

viij gr. hat ehr Fridrich Mecum zu Zerbst und alhier in der herberge ausgeben. 5587, 339».

Von Wittenberg muß sich Mykonius sofort nach Gotha be- geben haben, wohin der Kurfürst bereits am 26. April einen Eilboten sendet;

j gulden ij gr. botenlon Andres Wendel mit M g h brive eilents gein gotha zu ehr Fridrich Mecum!).

1) 5293, 128b.

206

1538. Torgau. Donnerstag nach Mis. Dom. (9. Mai).

vj gulden x gr. hatt herr Friederich Mecum mitt j pf. von Gothaw anher verzcertt, Nemlich x gr. ein nacht zcu Erffurtt, v gr. j Mittag zcu Ettersbergk, vij gr. j nacht zcur Naumburgk, ji] gr. j mittag zcu Weissenfels, ix gr. zeu Leipzcigk ein nachtt, j gr. tranckgelt j bothen, So ihm den weg geweist, iij gr. zcu eilenberg, xx gr. alhie bej Görge loser vorzcertt und j gulden iij gr. zculon einem bothen, Szo mit ihm von Gotha anher gangen Incl. 4, thaler tranckgelt Zeiliax fleischaur von MolB- leben, welcher mitt ihm von Gothaw nach ir egal ge- ritten und sein pferdtt gewarttett und 1, thaler tranckgelt dem Spittelmeister von Gotha, hatt ihm ein pfertt 5%, wochen, welchs er gein braunschweig geritten, ohne mittgelt geliegen.

Da er das in Gotha geliehene Pferd bis zum 9. Mai fünfund- einehalbe Woche benutzt und es auch nach Braunschweig geritten hat, muß er etwa am 1. April nach Braunschweig gekommen sein!). Die Abreise von Gotha nach Wittenberg erfolgte am 6. Mai, die Abreise von Wittenberg nach England nicht vor dem 12. Mai?). Am 9. Mai war nachweislich My- konius an Luthers Tische?). Ob der famüulus Doctoris Joannis Thixtolli*#) Burkard und Mykonius begleitete ?

1538. Lochau. Mi. n. Sim. u. Jud. (30. Oktober).

j gr. losung auff ij pf. ehr Fridrich Mecum.

vi) gulden xvij gr. Idem zerung Inclusis iii) gulden dem furman zulohne auff ix tage welcher inen furet. 5588*, 227°.

1539. Spangenberg. Sb. n. Doroth. (8. Februar).

vj gr. tranckgelt in des hoffpredigers, leibartzts und Fridrich Mecums herberge. 5588*, 309*.

1539. Leisnig. (8. Mai).

xxxiij gr. Anthoni Bolden dem hofman im forberge zw Dranitz, welcher auff befehl M gnedigsten herrn 2c. Ern Fri- drichen Mecum von Leisnig gegen Pegaw mit dreien pferden gefurth, dieser furman ist alßo auff befehl des herrn Amptmans zu Colditz gedingt eben des tages, do hochgedachter M gne- digster herre alhier benechtiget, Actum Dornstags nach Cantate. 1605, 59».

Zur Reise nach Weimar 1540 (vgl. Scherffig, S. 111).

1540. Weimar. Di. n. Conv. P. (26. Januar). ij gr. botenlon hans hugel mit M get. h brive zu gota bey ehr Fridrich Mecum gewest. 5299, 102®,

') Jonas ist am 8. April in Braunschweig, Enders 11, 344.

®) Enders 11, 361f.

2) Tischr. 3 Nr. 3867.

*) A. a. O. Nr. 3873.

307

1540. Weimar. Freit. n. Bonif. (11. Juni). xj gr. iiij 9 botenlon Hans Hugel mit M g h. briven gein gotha zu ehr Fridrich Mecum und sodannen gein hirßfeldt zu Jobst vom Hain!)

Mykonius Antwort vom 13. Juni CR 3, 1039f. ging eilend an den Kurfürsten nach Weimar zurück, der noch denselben Tag einen Boten mit dem Antwortschreiben abschickte (a. a. O.)

1540. Weimar. Sonnt. n. Medardi (13. Juni).

vj gr. botenlon Pauel Cletwig mit M g h briven gein Wassenburg zum amptman, do dannen gein gotha zum super- attendenten und schosser?).

1540. Weimar. Freit. n. Viti (17. Juni).

viij gr. Hensel Zick hat ein nacht zu gota vorzert, Mit M g h brive zu ehr Fridrich Mecum geschickt worden?).

Dieser Bote kam also am 17. Juni in Gotha an und ritt am folgenden Tag nach Weimar zurück. Am 17. Juni machte sich auch Mykonius auf und blieb bis zum 24. Juni in Weimar.

1540. Weimar. Joh. Bapt. (24. Juni).

xviij gr. Mitlon auff ein pf. viij tage, Bo ehr Fridrich Mecum von gota anher geritten.

j gulden demselben auff ij mittag zerung zu Erffurt in anher und widder anheim reiten auff ij pf.*).

1540. Torgau. Sb. n. Franc. (22. Mai).

vj gr. einem boten von weimar Mit Meins gst. h. briven von dannen gein gotha zu ehr Fridrich Mecum. 5302, 32®,

Naogeorg, Thomas.

1539. Zwickau. Do. n. Mich. (2. Oktober).

j gr. iiij 9 botenlon Nickel von Eilenberg ist vom Schnee- berg anher nach der tragedien vom bapst geschickt worden. 5689, 209%.

viij gr. fur ij buchlein die tragedia vom bapst hat mein gnedigster herr vom Schneberg holen lassen. 5589, 2108».

1543. Truckenborn. So. n. Luciä (16. Dezember).

ij gulden vj gr. zuvorehrung dem pfarrer zu Kahle thoma Naogeorgio hat alhier gepredigt. 5593, 260®.

Reehnungsposten Palz und Proles btr. Vgl. Kolde, Die deutsche Augustinerkongregation $. 142f.

1491. Wittenberg. 13. März. Do. letare j waynknecht mit ij pf. von torgo j nacht furte Doctor paltz her. 2730, 20%.

1) 5301, 61b. *) 5301, 66a. *) 5301, 77a. 4) 5301, 95a,

208

1491. Wittenberg. Do. Judica (20. März).

Doctor paltz selb ijt. 2730, 21®.

ii) gr. j waynk. czu Torgo czugebust, als er den Doctor swarczes ordens do hin furte und j nacht do bleip post Judica. 2730, 63%. =

1491. Leipzig. Herbstmarkt.

xii guldin fur xij ellen Swartz welisch tuch Doctor paltz zw einer Kappen iiij guldin j ort fur j weyß Eystetter tuch ouch dem Doctor. 4144, 21°.

1494. Wittenberg. Do. Reminiscere (23. Februar).

Doctor paltz selb iijt* mit ij pf. vj tage. 2732, 49».

1494. Torgau. Ostersonntag bis Dienstag (30., 31. März, l. April).

v gr. losunge meiner gnedigen Frawen von bairen wagen- knecht hat Doctor valtz alher gefurht. 5130, 198$.

1495. Torgau. Do. n. Valent. (19. Februar).

iij gr. botlon gen hertzberg zw Doctor Proles mit meiner gnedigsten hern briven. 5131, 81®.

Pflug, Julius. 1544. Weimar. Freit. n. Joh. Bapt. (27. Juni). xj gulden ix gr. key. Mat Ernholden Hans Michel Corragin genant zuverehrung, hat M gnst. herren ein Mandat von Irer key. Mat. bracht ehr Julium pflug und andere belangende. 6325, 770. Vgl. Realenc. ? 15, 262, 10f.

Planitz, Heinrich von der.

1541. Torgau. Estomihi (27. Februar).

) gulden viij gr. mit einer vorgulten scheuren welche mein gnedigister herre Ern Heinrichen Edlen von der plaunitz zu seinem ehelichen beilager geschenckt gegen Altensaltz und widder anher vertzertt. 5303, 191®.

Pommern, Barnim von. 1518. Wittenberg. 7. September. lx scheffel (Hafer) m g h hertzoge Bernewyn von pommern zcuvorehrung geschenkt, als sein f g dinstags am abend Nativ. marie alhir einkhomen. 2771, 65*.

Ponikau, Hans von. 1540. Weimar. Sg. n. Luciä (19. Dezember). seint auffs nachtmal die geste auff Hansen von Ponickaw Cammerers und Heinrich von Schonbergs ehelich beilager ein- kommen. 5299, 1*.

209

Preuß, Jakob, Landzeugmeister!).

1535. 6. Dezember.

xv gr. Philip Kamßdorff hat vom: Landvogt einen brieff gegen Weimar zw Fürst Wolffen von Anhalt getragen belangende des Preußen landtzeugkmeisters gemachte deutzsche Carmina anhero drucken zulassen, dem Lucas Maler zugeschickt am thage Nicolai?).

Preußen, Albrecht Herzog von.

1537. Zeitz. Mo. n. Palm. (26. März).

viij gulden vij gr. auslosung und zerung in der herberge auff ij) pf. xij nacht Cristoff von krentzingen des hertzogen von preussen geschickter. 5585, 356*.

Ratzeberger, Matihaeus. 1545. 1M gulden Doctor Matthias Ratzenberger, meins gnedigsten herren, des Churfürsten zu Sachsen leipartzt, aus gnaden zu ergetzlickeit seiner dinste die er seinen Churf. g. ein zeitlang gethan und hinfurder getrewlich thun soll und will. 4584, 10®.

Reich, Stephan.

1542. Hummelshain. Mi.?) Cruc. Exalt. (14. September ?).

xj gulden ix gr. an x gulden gr. zuverehrung Magister Steflan Reichen diacon zu Salvelt von wegen etzlichen bucher, die ehr Meinem gnedigisten herren alhier uberantwort. 5591, 224®.

1555. vor Trin, (vor 9. Juni). |

xj gulden ix gr. Magister Steffan Reichen, hat Mein gnedigen fursten den propheten Abdias zugeschrieben. 4599, 948.

1556. vor Trin. (vor 31. Mai).

xj fl ix gr. dem pfarher zu Khala Magister Steffan zuvor- ehrung von dem propheten Micha zuvordeutschen hat jedem fürsten einen eingebundenen uberschickt. 4599, 108®.

Reinlender, Johann. 1487. Er Johann Reinlender capplan zu Colditz. 4137, 18°.

Rhau, Georg.

(Vgl. auch unter: Heinz von Wolfenbüttel.)

1538. Torgau. Sonnab. n. Mis. D. (11. Mai).

x gulden iij gr. ij 9 dem gleitsman zu Wittenberg, welche ehr Jeorgen Rauhen dem buchdrucker von zweien ausschreiben 1) Jacob Preußen, Zeugmeister 2923, 148a (1536/37).

8) BI. 2810, 69a. 8) Wogl Schreibfehler für Donnerstag oder ‘vor’ oder ‘nach’ Cruc. Ex. Archiv für Reformationsgeschichte. ZXXI. 3/4. 14

210

zu drucken aufgeben, freitags nach Laurenti das erste und Dinstags nach estomihi das ander. 5293, 116*.

1538. Wittenberg. Di. n. Mar. (10. Dezember).

ij gulden vj gr. Jeörgen Rauhen dem buchdrucker alhier vor j exemplar Lateinisch das Kaiserlich Cammergericht be- langend. 5588*, 283®.

1539. Weimar. Sg. n. Conv. Pauli (26. Januar).

iiij gulden xiij gr. viijj 9 dem buchdrucker Jeorge rauhen zu wittenberg von dem ausschreiben die buchssen belangende zu drucken Inclusis xx gr. dem boten so es anher getragen iij gr. tranckgelt den druckersgesellen. 5296, 110b.

1539. Sonnb. n. Estomihi (22. Februar).

iij gulden xiiij gr. Georg rauen zu wittenberg von etzlichen auschreiben, so mein gnedister here hat drucken lassen In- clusis v gr. den gesellen. 177%.

1539. Torgau. Mi. n. Pe. Pau. (2. Juli).

iij gulden 11, gr. Jeorgen Rauhen dem buchdrucker zu wittenberg von iiij(lxxxij exemplare die freien francken und der Juden Paspart belangende zudrucken. 5589, 66b.

1539. Weimar. Sg. Innocentum (28. Dezember).

ij gulden iij gr. ix 9 Jeorgen Rauhen dem buchdrucker zu ‚wittenberg von vjClxvij Exemplare die Krigsrustung be- langende zu drucken. 5299, 34b.

1540. Torgau. 29. Mai.

x gulden x gr. Jeorg Rawhen dem buchdrucker zu Witten- berg von j“lxv ausschreiben M g. h. und des Lantgraven zcu hessen widder herczog Heinrichen von braunschweig und viij Citacion auch widder herczog Heinrichen zu drucken. 5301, 17®.

1540. Weimar. Dienst. den 8. Viti (22. Juni).

ij gulden viij gr. dem buchbinder alhier von iiij buchern Meins gnedigisten und des lantgraven ausschreiben zu binden, der seint ij mit golt ufis leder und schnit vorgult, von jdem xviij gr. und die andern ij auffs ledder vorgult gebunden, von jdem vij gr. 5301, 90*.

1540. Torgau. Sg. n. Barthol. (29. August).

vj gulden 141% gr. Druckerlon von 515° Ausschreiben die Mortbrenner belangent, Hans Maier Cantzleischreiber zu wittenberg drucken lassen Inclusis xij gr. furlon usw. 5301, 274b,

1540. Torgau. Di. n. Omn. Sanct. (2. November).

ii) gulden j gr. Jeorgen Raw zu Wittenberg von den aus- schreiben, das man kein getreidich aus dem landt furen soll 5302, 105b.

1541. Wittenberg. Di. n. Valent. (15. Februar).

xix gr. Truckerlon von exemplar Keiserlicher Maiestet

all

gleit belangendt, Rawen dem buchdrucker alhier Incl. iij gr. tranckgelt den gesellen. 5590, 283*.

1541. Torgau. Sb. n. Jud. (9. April).

v gulden ix gr. viijj 9 Jeorgen Rauhen dem buchdrucker zu wittenberg von offenen ausschreiben in beider hern Nahmen, das man keinen frembden betler leiden sol und j°l derselben ausschreiben in die thur und xcviij Missiven an die graven, herren und die vom Adel Inclusis v gr. tranckgelt den gesellen und j gulden v gr. vj 9 für ein RießB pappir zu decken in die cantzlej. 5304, 68*.

1541. Wittenberg. Mi. n. Palm. (13. April).

xlij gulden 191, gr. Jeorgen Rauhen dem buchdrucker alhier vor Exemplar des dritten ausschreibens M g h widder hertzog heinrichen von braunschweig machen 211, Rieß vor jedes ij fl.

iiij gulden Idem Jeorgen Rauhen zu steuer, das ime in eilenden drucken disses ausschreibens vj Riß verderbet worden und das ehr seinen setzern und druckern duppel besoldung zu geben vertrostung gethan, domit der druck dester ehr gefertigt wurd.

vj gulden seinen gesellen zu tranckgelt. 5590, 295 ® b,

1541. Torgau. Sb. n. Asc. (28. Mai).

vij gulden ix gr. iij 9% Jorgen Rauhen zu wittenberg von ijj“ exemplar widder die morttbrenner gedruckt, machen lxxv buch von jedem bogen j 9. 5304, 189.

1541. Torgau. Mi. n. Dion. (12. Oktober).

xxij gulden 91% gr. Hansen Maier Cantzleischreiber zuge- stelt, welche er den buchdruckern zu wittenberg vor ij aus- schreiben der muntz und des turcken halben zu drucken aus- geben, nemlich vijC ofiene mandat der muntz vij© missiven den turcken belangende und vij“ beimissiven auff das muntz- mandat Inclusis xix gr. von den muntzmandaten zusammen zu cleistern j gulden den druckergesellen zuvortrincken xviij gr. für ein Rieß pappir zu decken und xv gr. für xxv exemplar hertzog heinrichs von braunschweig entschuldigung des mort- brennens, hat ehr meinem gnedigsten herren gegen der lochaw geschickt. 5306, 48°.

1541. Torgau. Sb. Elisab. (19. November).

ij gulden iij gr. Jorg Rauhen dem buchdrucker zu witten- bergk von ij ofnen ausschreiben und 1)“ xii) Missiven die straffen der zunft und handtwergk belangende zu drucken. 5306, 141®.

1542. Torgau. Sb. n. Erhardi (14. Januar).

xij gr. für mandat die muntz belangende Hans Meier zu wittenbergk trucken lassen. 5308, 55®.

14*

212

1542. Torgau. Sb. n. Invok. (4. März).

xx gulden j 9 Jorge rauen dem buchdrucker zw witten- bergk von v“ ofnen briefen, als ij° in Meines gnedigsten h. des churfursten und iij © ins jungen. herrn Namen, die los- zelung der lender unterthanen, trancken, duringen, Meissen und voitlandt, vijC exemplarn der bewilligten anlage halbe und von Missiven und Zetteln der anlage und loszelung halb, darneben etlichen sonderlichen zeteln zur ermanung des gebets, Inclusis iii) gr. ii) 9 für etzlich dialogus M. gst. h. durch Johann Meiern übersendt und xx gr. den drucker- geselln zu tranckgelde. 5308, 176°.

1542. Torgau. Mi. n. Rem. (8. März).

ij gulden xviij gr. Jeorgen Rauhen dem buchdrucker zu wittenbergk für ij exemplar M gnedigisten herren ausschrei- bens die turckensteuer belangende. 5309, 7*.

1542. Torgau. Sb. n. Trin. (10. Juni).

xxj gulden iij gr. Jörg Rawen dem buchdrucker zcu wittem- perg von viijC offnen außschreibens in buchlens weis belangende etzliche nottige artickel zcu fodderung der Justicien und vjClij Missiven an die Graven, herrn, die vom adel, ampt- leutte, Stadt und Closter. 5910, 14®.

1542. Wittenberg. (6. Juli).

j gr. Einem Botten Hansen Muller, hat Brief von Georgen Rauen der Druckerej und pressen halben an Johann Meyer gegen Torgau tragen sollen. Actum Donnerstags nach visi- tationis Marie. 2825, 44®.

1542. (19. November).

x gulden j gr. Jeorgen Rauhen dem buchdrucker zu Wittem- berg von den auffmanungsbriven eilende zu drucken inclusis vi) gr. botenlon von wittenberg anher entpfangen zu torgaw Sonntag Elisabet. 4517, 13*.

1543. Torgau. Sg. Invok. (11. Februar).

ii) gulden xx gr. vij 9 Jeorgen Rauhen dem buchdrucker zu wittenberg von vj“ offenen ausschreiben und Ix Missiven, das sich Niemandts widder zu Roß noch fus in keins herren dienst begeben sol. 5314, 123*.

1543. Torgau. Mo. n. Oculi (26. Februar).

J gulden xvj gr. Jeorge Rauhen dem 'buchdrucker zu witten- berg von iij® viij ofinen ausschreiben die wiltfure der welde und heiden Lochaw, torgaw, Seidaw und leuchtenburgk belangende. 5315, 20%.

1543. Torgau. Sb. n. Exaud. (12. Mai).

xı) gulden j 9} Jeorge Rauhen dem buchdrucker zue witten- berg von xiiij° offenen ausschreiben vij ° beimissiven und

213

noch exemplar das sich niemants auswertig landes zu dinst begeben sol, und das mandat widder die Juden. 5315, 181®.

1543. Torgau. (28. Juni).

xiiij gulden iiij gr. xj 9 Jeorgen Rauhen dem buchdrucker zu wittenberg von viij® offenen ausschreiben und j°xl Missiven etzliche verbottene thaler und drei pfennig groschlein be- langende zahlt zu .Reinhartsbrun den Donnerstags nach Johannis baptiste. 4541, 12*.

1543. Torgau. Di. n. Franc. (9. Oktober).

v gulden 21, gr. dem buchdrucker zw wittemberg von viijC Missiven zur auffmanung widder den turcken, Machen 29 buch, jedes für 31, gr. zu drucken Inclusis vj gr. den ge- sellen tranckgelt. 5593. 189».

Ob=W. A. 51, 577?

1544. Weimar. Sg. fab. Seb. (20. Januar).

v gulden xix gr. vij 9} Jeorgen Rauhen dem buchdrucker zu wittenberg von viijC offenen ausschreiben und Ixxiij Mis- siven belangente furst wolffen von anhalt, welcher die zeit Mein gnedigster herre zu speier ist, alhier stathalter sein sol, Inclusis j gulden iij gr. boten und tragerlon, damit von witten- berg anher. 5321. 155b.

1544. Wittenberg. Do. n. Jacobi (31. Juli).

xiij gulden iij gr. Jeorgen Rauhen dem buchdrucker alhier von ijj° buchlein widder Julium pflugk zu drucken, helt jglichs büchlein 104, bogen, thun j°xxvj buch, das buch vor ij gr. gerechnet, Inclusis j gulden gr. den gesellen zu tranck- gelt. 5602, 1008.

1544. Torgau. Sb. n. Nicol. (13. Dezember).

vj gulden xviij gr. Jeorgen Rauhen dem buchdrucker zu wittenberg von iijC ausschreiben den zehen pfennig belangende zu drucken, helt ides drej bogen Inclusis xij gr. einem buch- binder, do von zusammen zu cleistern und vij gr. boten und tragerlon von wittenberg domit anher. 532b, 304*.

1545. Torgau. Sb. n. Oculi (14. März).

vj gulden 472 gr. Gorge Rawen dem buchdrucker zu wittem- pergk von vijC außschreiben und xcvj Missiven, darinnen mit Eingedruckt Keiserlich Mandath, damit sich Niemandt ausser- halben des Reichs zum Kriege begeben sol. 5328, 47®

1545. Torgau. Di. n. Matth. Ap. (3. März).

xviij gulden xiiij gr. vj 9 zulon George Rauh buchdrucker zu wittenbergk von etzlichen ausschreyben und Missiven, Nemlich

u) gulden j gr. von ij® offenen auschreiben Key. Maj. be- angende den Churfürsten zu sachsen und andere hern des

214

wolffenpeuttellischen Kriges halben, macht viij buch, das buch vor iii) gr.

1j° offene ausgeschriben Key. Maj. an hertzogk heinrich von Braunschweigk, machen auch viij buch, ides zu iiij gr.

vii) gulden viij gr. vj 5} abermals die wochen bartolomei gedruckt iijC offene aufschreiben Churf. gnaden ıc. belangende die verordnung der stipendiathen der schull wittenbergk hadtj ij bogen undt machen xxiiij buch zu ilij gr. ides buch.

vl derselbigen stipendiaten hab ich in buchlin weise ge- druckt, helt j ij bogen und machen xxx buch, daß buch zu ij gr., 1 missiven an die amptleuthe, machen j buch, thut ill] gr.

lx missiven an die Stedt, machen 4%, gr., Ist j buch undt v bogen, Inclusis xij gr. dem buchbinder von den offenen briven zusammen zu kleistern vij gulden v gr. idem auffs New ge- druckt ijC offene auschreyben des Churf. zu sachsen :c. welche belangen die verordnung der stipendiaten, hadt j ij bogen und machen xvj buch, das buch zu iiij gr., viij gr. dem buchbinder zusammen zu kleistern.

verordnung der stipendiaten in buchlinß weiß ij bogen Machen xl buch, das buch zu ij gr. 5330, 8*.

1546. Torgau. Sg. Valent. (14. Februar).

vj gulden 131, gr. Jeorgen Rauhen dem buchdrucker zu Wittenberg von vijC Offenen ausschreiben und xcvj Missiven, das sich niemants ausserhalb landes zu dinst begeben oder sunst bestellen lassen sol, zu drucken. 5331, 218®.

Rebhun, Paul. Vgl. Holstein, Die Ref. im Spiegelb. der dram. Lit. S. 132. 1539. Pirna. Mo. Di. n. Udalr. (7. 8. Juli). vij gulden iij gr. an vj gulden gr. tranckgelt denjhenigen, welche die tragediam von der hochzceit in Cana galilei reci- tiret und gespilet. 5589, 72b.

Ritesel, Johann.

1527. Torgau. Sonntag n. Als. Mar. (18. August).

j gulden hat M gst. h gestern Sambstags als sein churf g. Johan ritteseln seinen Jungen Bun aus der tauff gehaben, der wehemutter geben lassen. 5231, 135*.

Rörer, Georg. 1544. xxx gulden Magister Georg Rorer walpurgis, hievor aus dem closter buch gereicht wordın. 4564, 7°.

215

1544. Leisnig. Walb. 1545. Walb.

x B xxx gr. Magistro Jeorgen Rorern zu Wittemberg caplan auf den termin michaelis geben und sol ime biß auff weitter vorordenunge auff walpurgis auch Boviel entricht werden. 1611, 74*.,

1544. Leisnig. Walb. Elis.

xxi B Magister Jorgen Rorern. 1612, 28%.

Rothart, Johann. 1517. Kahla. Freit. n. Franc. (22. Mai).

xij gr. zw furlon eym karner hadt Er Johan rothart von weymar anher gefurt. 5169, 4%.

Regius, Urban. 1540. Weimar. Do. Joh. Bapt. (24. Juni). xv gr. botenlon mit Meins gnedigsten herren brive gein hirschfelt zu Doctor Urbano Regio. 5301, 94®.

Schade, Sebastian. (Vgl. ARG. 25, 2.)

1514. Weimar. (19. Februar.)

Sontag nach $S. valentini ist Sebastian kammerschreiber auf sein wirtschafft zu Sechs tischen außrichtung gescheen. 5148, 162®.,

1544. Weimar. Di. n. Cantate (13. Mai).

vj gulden xviij gr. an vj gulden gr. Meiner gnedigsten frauen und iij Jungen hern zum geschencke uff Bastian schaden altten” Cammerschreibers tochter wirthschafit. 5324, 247°.

Scheide, Matthes. 1543. Roda. So. n. Egid. (2. September). j gulden Ehrn Mattesen scheide dem Caplan alhier zu

steuer eines grauen Rockes seines weibes mutter, die alte Meilerin genant. 5593, 122%.

Schenk, Jakob und Michaeı.

1588. Weimar. Sb. am 8. P. u. Pauli (29. Juni).

iij gulden xx gr. x 9 auslosung und zerung in der herberge Doctor Jacob schencken bej dem neuen wirt alhier. 5588*, 458,

1588. Weimar. Do.n. Kilian (11. Juli).

ix gr. iiij 9% botenlon Fritzhammer mit Doctor Jacob schencken brive gein freiberg zu michel schencken gelauffen. 56®.

216

1538. Gotha. Sg. n. Marg. (14. Juli).

v gr. 1ii) % botenlon caspar hessen ist von schneberg aus zu Doctor Jacob schencken gein Freiberg geschickt worden. 69».

1538. Torgau. Sg. n. Vinc. Petri (4. August).

i) gr. losung einem furman von Freibergk Doctor Jacob schenk hofiprediger sein gerettich anher gefurt. 5294, 122».

1540. Torgau. Di. n. Pfingsten (18. Mai). 111, gr. j nacht zerung remsen furt Doctor Jacob nach Wittenbergk. 5300, 210®.

1540. Wittenberg. 24. 25. Mai.

xxvi) gr. Otto Schutz fhurman alhie zu außlosung und mit- lohn uff iij pferde, hat meines gnedigsten hern prediger Jacof Schencken (laut Churf. Bevelh) von hiraus noch Torgau ge- fhurt. Montags und Dienstags n. Trinitatis. 2823, 43*,

1540. Eisenach. Donn. n. Marg. (15. Juli). Doctor Jacoff den prediger anhergefürtt. 5590, 50°.

1540. Torgau. Sb. n. Elisab. (22. November).

xxxviij gulden Mitlon aus iij herbergen Doctor Jacofs brudern her micheln genant, Nemlich xxiiij gulden ıj Jar bey Hansen Kuntzel zu Torgaw, ij gulden bey hansen topfer zu weymar x wochen und xij gulden j Jahr bey Cuntz Kuch zu weymar. 5302, 161°.

1541. Torgau. 6. Januar.

v gulden haußzins doctor Jacoff dem hoffprediger und seinem bruder auff xxiij wochen bej Johann Feihel. 5303, 508».

1541. Torgau. Mo. n. Invok. (7. März).

x1) gr. hat doctor Jacofi den prediger nach grimme gefürt. 5303, 2112.

1541. Torgau. Sb. n. Pe. u. Pau. (2. Juli).

xili) gulden Costgelt den predigern aufi xiiij wochen, das

sie noch abreisen doctor Jacobs des hoffpredigers auffm schloß geprediget. 5305, 50».

Schertzer, Veit.

Vgl. Merseb. Matr. S. 3 (als Leipziger Franziskaner am 13. April 1471 in Merseburg zum Priester geweiht). Im SS. 1468 in Leipzig immatrikuliert.

1508.

xij) gulden yiij gr. ij uf schrift meins gnedigen hern hertzog hansen seiner gnaden beichtvater Er veiten schertzer ın der Cristwochen. 4198, 1698.

217

Johann von Schleinitz, Bischof von Meißen.

1521. Grimma. (Walb.) 1522 (Walb.).

v gr. botenlohn uf bevelh Johann Veylh mit m g herrn briven an her hans von Mingkwitz gein Turgaw do Er mit dem Bischoff von Meyssen umbgezogen und geprediget hat.

1400, 92,

Schurlf, Augustin.

1521. (31. Oktober,)

am abende omnium sanctorum x fl. doctor augustin zur hochzeit. 5559. 12®.

Vgl. Müller, Bewegung S. 332.

1536. Wittenberg. (19. Dezember).

vj gr. viij n\y Nick. Pfeiffer, hat einen brieff Dinstags nach Lucie in der nacht vom lantvogt zw Doctor Augustin schurfi gegen Torgaw brocht eilentz in der grossen Kelde abgefertigt, das er alsbalde herab zw Doct: Mar: Lu: welcher die zeit sehr schwach gewesen, kommen solte, ist Ime von der Meile xvj n% vom Lantvogt vorsprochen!).

Vgl. TR. III Nr. 3512; V. Nr. 6079. Bereits erwähnt bei Müller, Bewegung S. 330.

Schurft, Hieronymus.

1546. Wittenberg. (? 15. Februar).

v gr. Hieronymus Greissen, Ist mit des haubtmans brive gegen Torgau zu meinem gnedigsten hern gelauffen, betrefiende, das Doctor Hieronymus Schurff bey ime gesucht, ine uf seins Sohns hochzeitt ufm Schlosse zu tantzen lassen. Actum montagk Valentini. 2832, 85%.

Der Sohn hieß Hieronymus. Vgl. Muther, Aus dem Uni- versitäts- u. Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation. Erl. 1866. S. 218.

Senfit, Eberhard.

1499. Wittenberg. (17. März).

xij gr. losunge Er Eberhartt der königlichen maiesteit Cappelan post palmarum. 2737, 54°?).

1516. Leipzig. Neujahrsmarkt Leipzig.

xxv fl. hern Eberharden senfit Key. Mt caplan fur ein claidt Inclusis v fl. seinem diner stefian gnaden. 4258, 31®.

1) 2813, 70b. 2) 5132, 94a in demselben Jahre in Torgau.

218

1518. Weimar. Mo. Augustin!) (28. August?).

j B xiv gr. zaumgelt Kayßerlich Majestet 2c. Caplan er eberharts diener von eynem pferd, Szo er m g Jungen herrn anher bracht. 5180, 75*.

Vgl. Mitteilungen der Geschichts- und Altertumsforschen- den Gesellschaft des Osterlandes. 2. Bd. 2. Heft S. 385, wo unter den Domherren des St. Georgenstifts in Altenburg aufgezählt wird: Eberhard Senff (Senfft), Capellanus Im- peratoris Maximiliani, um 1511. Er wird bereits 1497 im Hofgewandregister erwähnt (5910, 11®).

Sieberger, Wolt.

1537. Di. Galli (16. Oktober). 121, gr. an eim halben gulden gr. tranckgelt Doctor Mar- tinus Diener, Meim gnedigsten herrn j Krancz bracht. 5587. 143°.

t) Wohl Schreibfehler für nach A. (30. August).

Ein kostbares Neues Testament. Von Heinrich Stell.

Es handelt sich um ‚Das newe Testament, auffs new zu- gericht. Doct. Mart: Luth: Viteberg Gedruckt durch Hans Lufft. 1546“ (vgl. WA, Abt. Deutsche Bibel VI, Tfl. 2), das schon dadurch seinen hohen Wert besitzt, daß es, wie doch wohl nun endlich allgemein anerkannt ist, die letzten Arbeiten des Reformators an der Verbesserung seiner Bibelübersetzung enthält.

Aber hier soll von einem besonders kostbaren Exemplar dieser Ausgabe die Rede sein, das sich unter der Signatur Fb 1092 auf der Universitäts-Bibliothek zu Rostock befindet. Die Erhaltung ist durchgehends als sehr gut zu bezeichnen, doch wurde es im vorigen Jahrhundert neu gebunden, wobei aber der alte keine besonderen Kennzeichen tragende Holz- ledereinband erhalten geblieben ist. Hinzugekommen ist damals lediglich ein Lederrücken und Vorsatzblätter. Seine Bedeutung erhält dieses Neue Testament einmal dadurch, daß in ihm drei bisher unbekannte Autographa enthalten sind, von Bugenhagen, Cruciger, Melanchthon, und zum zweiten durch seine Geschichte.

1

Wir teilen zunächst den Text buchstabengetreu mit; Er- gänzungen, die teilweise wegen leichter Beschädigungen des Papiers nötig waren, machen wir durch eckige Klammern kenntlich.

a)

An den Rändern stark beschädigtes Oktavblatt, das auf die

Innenseite des Vorderdeckels geklebt ist (gestempelt). Still-

schweigend ergänzen wir hier die von Bugenhagen öfters fortgelassenen J-Punkte, ebenso unter c).

Jere. xxx]. Sihe, Es kompt die zeit, spricht der HERR, da wil Ich mit

220

dem haus Israel vnd mit dem haus Jüda einen Newen Bünd machen « lies vortan

Der Newe Bünd ist das Newe Te- stament, Durchs Alte Testamet (das sind die zehen Gebot.)

ums Got di[e] leüte zwingen,

als die vngehorsam knechte. Pau- lus saget, Das Gesetz ist erkötnis vnser Sünden, Item, Das Gesetz wirckt Gots zorn bei vns. Solchs Gesetz war von Gott In die stei- nern Taffeln geschrieben. Aber durch das Newe!) Testament (.spricht ?

der HERR.) wil Ich Mein Gesetz In ire hertz geben =

Johannes Bugenhagen Pomer. D. Mdxlvj 4. octobr.

1) Ursprünglich ‚‚Newen“, n durchstrichen. 3) Hier offene Klammer durchstrichen.

b)

Vor dem Titelblatt sind zwei beschriebene Blätter im Format des Buches eingezogen, das erste (b) Pergament, das andere (c) Papier. Beide gestempelt, leicht fleckig.

Jesaia xlvii spricht Gott. Horet Mir zu, die jr von mir im Leibe getragen werdet, vnd Mir in der Mutter ligt Ja, Ich wil euch tragen, bis ins Alter, vnd bis jr graw werdet. Ich wil es thuen, Ich wil heben vnd tragen, vnd erretten.

Dieses sind seer liebliche vnd trostliche wort, darin von der christlichen Kirchen erstlich gesagt wird, das sie sey ein solch heufflin, das Gott one menschlichen schutz vnd rat, allein durch seine wun- derbarliche regirung vnd hülffe alle zeit

221

in der Wellt, schutzet, bewaret vnd erhellt, also, das sie nichts anders hat daran sie hanget vnd dadurch sie befstehet] denn allein das Wort des Euangelij darin sich Gott oflenbaret vnd seine Verheissung gegeben, Gleich wie

das Volck Israäl am Roten Meer,

on alle menschliche hulffe, allein an Gottis wort, das sie von Mose höreten, hangen musste, vnd darin gleich als

in mutter Leibe, getragen, geschutzt

vnd erhalten ward. Zum andern verheisset Gott alhie dem selben heuflin seiner Kirchen, er wolle sich jr so hertz- lich annemen, als eine Mutter irs

Kinds, das da gantz schwach, sich selbs wider heben noch tragen, versorgen noch bewaren!), vnd on seine mutter gar nichts thuen kan, Wie sich ein frome mutter solches irs Kindlins vfis aller hertzlichst annimpt, dafur sorget wie es ernehret, bewaret vnd geschutzt werde, vnd ir leib vnd leben in des Kindes

not zusetzet Also wil Gott auch

seiner Kirchen in jrer großen schwacheit vnd wenn sie vom Teufel geplagt, von Tyrannen verfolget wird, treulich pflegen huten vnd sie schutzen vnd retten, auch bis ın allter, das ist, bis an die letzte

Zeit vnd ende der wellt. =

Caspar Creutziger

1546. 1) „‚kan‘‘ durchstrichen. c) Johannis 14 spricht der son gottis.

Wer mich liebet, der wirt meine rede behalden, vnd mein vater wirt yhn lieben. vnd wir werden zu yhm khomen, vnd wohnung bey yhm machen.

Disen gnedigen reichen trost, sollen alle menschen in yhre hertze schreiben,

222

vnd offt: betrachten, sich damit

trosten, "des sie gewiß sind, das

gott bey yhnen wohnen, sie

erhören vnd yhnen helffen wolle,

vnd das sie gewislich gliedmaß

der rechten Kirchen sind, °

Denn hie spricht der son

gottes vnser heiland, das

gewislich, dise, gottes wohnung

vnd tempel sind, die das

heilig Euangeliü hören, lernen

vnd mit rechtem glawben

annemen, Darumb soll aller

menschen furnemiste sorg sein,

dise lahr von gott gegeben durch

die propheten christu vnd durch

die Apostel vleißig vnd recht

zu lernen, vnd!) ihre an[rujffung

zu Gott darnach richten. Philippus Mel 1546).

1) „‚so“ durchstrichen.

3) Die Rostocker Universitätsbibliothek besitzt noch ein anderes Buch mit Randnoten Melanchthons. Es handelt sich um „Jo Reuchlin de Rudimentis hebraicis Phorese 1506, welch librum rarissimum nach einer Notiz darin Olaf Gerhard Tychsen 1776 ex auctione Meyeriana Altonae . . pretio VII Joachimorum et 35 solidorum“ kaufte. Die Notizen Melanchthons sind unbedeutend und beschränken sich zumeist auf eine hebräische Vokabel mit ihrer Übersetzung ins Lateinische.

Wir verzichten darauf, diese reformatorischen Autographa theologisch zu würdigen; das mag jeder Leser selbst tun. Nur ein paar Worte seien gesagt über die Lage, in der die Schreiber waren, die, wie aus Bugenhagens Eintragung hervor- geht, um den 4. Oktober 1546 herum schrieben. Die dunklen Schatten des Schmalkaldischen Krieges liegen schon über ihrem Leben am 20. Juli wurde die Acht gegen Johann Friedrich erklärt; zwei Wochen, nachdem er hier geschrieben hatte, wurde Cruciger Rektor in Wittenberg; wieder 14 Tage später floh Melanchthon schon nach Magdeburg. Der längste und auch wertvollste Eintrag ist von Crucigers Hand was für eine Farbigkeit gewinnen seine Worte, wenn man sich den düsteren Hintergrund der kirchlichen und politischen Lage vorstellt!

223

2

Im Anschluß an die Wiedergabe der Texte sei eine Frage gestellt, die allgemeiner Aufmerksamkeit wert ist, die Frage nach der Geschichte dieses Neuen Testaments. Wir glauben eine befriedigende Antwort geben zu können.

Das Buch befindet sich, wie eingangs gesagt wurde, auf der Rostocker Universitätsbibliothek, in die es unter Olaf Gerhard Tychsen überging als eine Schenkung des damaligen Herzogs, späteren Großherzogs Friedrich Franz I. (1785 bis 1837)1). Es ist damit nahegelegt, zu vermuten, daß dieses Neue Testament sich vorher im Besitz der herzoglichen Fa- milie befunden hat. Und es gelingt denn auch, es in den hand- schriftlichen Katalogen der fürstlichen Bibliotheken durch die Jahrhunderte zurück zu verfolgen.

1770. In diesem Jahre fand der schon erwähnte bekannte Orientalist Tychsen, damals Professor an der 1760 durch Auswanderung der herzoglichen Professoren aus Rostock ent- standenen Universität Bützow, ebendort in furchtbarem Zu- stand die alte fürstliche Bibliothek: „repositoria vetustate collapsa erant, librique hinc inde confuseque dispersi iace- bant.‘“ Er berichtet darüber in dem Titel seines „Catalogus BJBliothecae Ducum Mecklenburgicorum Johannis Alberti et Christianı Ludovici I. in aedificio veteris cancellariae ıustitiae, inde abannoMDCCXlasservatae, etusque ad annum MDCCLXX oblivioni et putredini traditae, confectus ab Olao Gerhardo Tychsen, LL. OO. in Academia Butzoviensi PP. O. mense Julio MDCCLXX.“ (Universitätsbibliothek Rostock, Mscr. Meckl. S. 63.)

In diesem Kataloge finden wir unter Nummer 665: „Das newe Testament d. M. Luther. Witeberg 1546. Lud. b. verg. NB: voran haben sich eingeschrieben: Joh. Bugenhagen d. 9. Oct. 1546. Philip Melanchton 1546. und Caspar Creutziger 1546. letzterer auf einem Pergamentbladt.“

1667. Schon Tychsen erwähnte, daß der Bestand seines Bücherfundes auch auf die Bibliothek Herzog Christian Lud- wigs zurückging. Gemeint ist Christian Ludwig I. (1658 bis 1692), der 1667 seine Bücher katalogisieren ließ. Das Er- gebnis war (Universitätsbibliothek Rostock, Mscer. Meckl. 8. 62): „‚Suerinensis Bibliothecae Ducalis, quam Illustrissimus ac Celsissimus Princepe ac Dominus, Dominus JOHANNES ALBERTVS .... anno Christi MDLIII circiter atque Sere- nissimus ac Celsissimus Princeps ac Dominus, Dom: CHRISTI-

1) Hier wie in der Folge gaben die Zahlen nicht das Leben, sondern die Regierungszeit des betreffenden Fürsten.

224

ANVS LVDOVICVS Dominus noster clementissimus revideri Anno Christi: MDCLXVII mandaverunt CATALOGVS.“

Auch ın diesem Katalog finden wir: „Neu Testament, Deutsch, M. Lutheri. Witeb. 1546.‘

1658. Daß Christian Ludwig dieses Buch besonders in Ehren gehalten oder eifrig benützt habe, erfahren wir nicht, erwarten es aber auch gar nicht zu hören, da er nicht nur zumeist in Paris lebend mit Erfolg bemüht war, den Sonnen- könig nachzuahmen, sondern auch zur Entrüstung des ganzen Landes, die sich zur Anfechtung seiner Regierung steigerte, im Jahre 1663 zum Katholizismus konvertierte.

Im größten Gegensatz zu ihm steht sein Vorgänger, Herzog Adolf Friedrich I. (1608—1658), der in den Kämpfen gegen den eindringenden Calvinismus mannhaft sein Luther- tum bewährte. Bei seinem Tode stellte man verschiedene Kataloge auf, darunter den ‚Catalogus Librorum, welche in in des Gottseel. Herrn Schreibstube vorhanden gewesen“. (Universitätsbibliothek Rostock Mskr. Meckl. S. 642.) Unter diesen Büchern, die ihm also ständig zur Hand waren, finden wir unter den „Libri ın 4to‘ an fünfter Stelle „Das New Testament d. Mart. Lutheri. 1546“.

1599. Adolf Friedrich war der Enkel Johann Albrechts des Großen (1547—1576). 23 Jahre nach dessen Tode schrieb Georgius Fues Suerinensis den „Catalogus sive Index uni- versalium omnium librorum, tam manuscriptorum, quam typis editorum, qui in Illustrissimi ‚Principis, ac Domini, Domini Ioannis Alberti, Ducis Megalburgensis etc. biblio- theca Suerinensi habentur, et exstant, Secundum seriem Alphabeticam digestus“. (Universitätsbibliothek Rostock, Mskr. Meckl. 8. 61.)

Natürlich begegnen wir auch hier wieder unserm Buche: „Idem [sc. Novum Testamentuın] Germanice. Wittenberg 1546 in 4to. Vnd breterbraun. sub G 54.“

Damit haben wir dieses Neue Testament bis ins Refor- mationsjahrhundert verfolgt, wobei uns die Jahreszahl des Katalogus nicht irre machen darf. Denn nicht erst 1599 kann es seinen Weg nach Mecklenburg gefunden haben. Der ter- minus ante quem ist ja immer 1576, das Todesjahr Johann Albrechts.

Diesen Weg haben wir damit beendet, daß wir das Buch auf Johann Albrecht zurückführten. Nun schlagen wir einen andern ein, der umgekehrt von dem Druckjahr, ja sogar von dein Drucker Hans Lufft selbst, seinen Ausgang nimmt.

Wer den Streit um die Bedeutung der Bibelausgaben von 1546 verfolgt hat, erinnert sich, daß von Otto Albrecht mit Recht ein Brief als Argument für die Authentizität der Ände-

225

rungen im Bibeltext genannt wurde, den Hans Lufft am 7. Oktober, wie er schreibt ‚Donnerstags nach Francisci im Funfzehnhundersten und Sechs und viertzigsten Jhare‘“ an Herzog Albrecht von Preußen schrieb. Den Brief finden wir in modernisierter Orthographie in der Weimarana, Abt. Deutsche Bibel VI, p. LVI, buchstabengetreu dagegen bei Joh. Voigt, „Des Markgrafen Albrecht von Brandenburg Brief- wechsel mit den beiden Malern Lucas Cranach und dem Buch- drucker Hans Lufft“ in ‚Beiträge zur Kunde Preußens, 3. Band, Königsberg 1820, p. 242 ss, auf Seite 252ss. Er- wähnt finden wir den Brief auch bei Tschackert, Urkundenbuch zur Reformationsgeschichte des Herzogthums Preußen 3. Band (Publicationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven XLV), Leipzig 1890, und zwar unter Nr. 1915 auf S. 136.

Für unser Anliegen ist nur die Nachschrift von Wichtigkeit. Lufft schreibt von dem Neuen Testament, das er dem Herzog senden will: „damitt auch E.F.G. dieses angefangenen wergks und volendung guthen bericht haben mögen, So habe ich ettliche herrn von den Theologis vermocht, E.F.G. zu Ehre Ihre gewönliche trostsprüche und christliche erinnerungen mitt Ihrer aigenen henden zuschreiben, die werden sonder Zweiftell E.F.G. auch gnediglichen gefallen.‘

Diese Eintragungen entsprechen der Gewohnheit der Zeit und geben uns noch nicht sonderlich zu denken. Wohl aber, wenn wir in der Weimarana a. a. O. lesen: „Das köstbare Exemplar ist verschollen. Tschackert hat es noch gesehen; er nennt 8.2.0. als Einzeichner: Bugenhagen, Melanchthon und Cruciger.“

Das sind gerade die Männer, deren Einträge wir auch in unserm Neuen Testamente finden, so daß sich die Frage erhebt, ob nicht unser Exemplar mit dem „verschollenen“ identisch ist. Aber dem ersten Augenschein nach kann das nicht der Fall sein, da das letztere angeblich von Tschackert noch ge- sehen wurde und sich damals also noch in einem ostpreußischen Archiv befunden haben müßte. Denn wenn es auch da in- zwischen verschwunden wäre, könnte es doch in der Zwischen- zeit unmöglich nach Mecklenburg gekommen sein, da wir es da schon bis ins 16. Jahrhundert verfolgt haben. Aber wäre es nicht doch möglich? Damit erhebt sich für uns die Frage, ob Tschackert denn wirklich gerade dieses von Lufft an Herzog Albrecht geschickte Exemplar ge- sehen hat? Und bei genauerer Betrachtung dessen, was er ım Urkundenbuch ausführt, erhellt, daßer es nicht gesehen hat! Denn er schreibt ‚Der Bibeldruck ist auf der Kgl. Biblio- thek in Königsberg vorhanden“ (a. a. O. S. 137). Wohlgemerkt, dieser Bibeldruck, nicht gerade dieses Exemplar, von dem

Archiv für Reformationsgeschichte. XXXI. 3/4 ı5

226

er gesprochen hat! Dieser Bibeldruck aber befindet sich auch noch heute in Königsberg, vgl. die Bibliographie WA DB II, 686 unter *81 bei Nr. 4.

Man könnte dem entgegenhalten: woher weiß denn aber Tschackert, daß gerade Bugenhagen, Melanchthon und Cru- ciger ‚„Trostsprüche‘ in dieses Neue Testament eingeschrieben haben (a. a. O. 8. 136)? Aus eben dem Buche, das er benützte und im Zusammenhang zitiert hat, aus den Beiträgen zur Kunde Preußens! Da finden wir nämlich ein paar Seiten nach dem Lufftbriefe die Antwort des Herzogs (a. a. S. 266): „Nun thun wir uns derselben übersendung in sondern en bedancken ... das auch die hochgelerthen menner, her Pome- ranus, Philipus und Crutzinger!) uns solch buch mit Iren handschrieften und dorein geschriebenen trostsprüchen geziret, daran ist uns in sonderheit zu gefallen geschehen, und möget gewislich gleuben, das solche also durch Ire hende in unser Hertz geschrieben sollen werden.“

Wenn nun aber so feststeht, daß Tschackert die Einträge nicht selbst gesehen hat, dann steht der Behauptung nichts mehr im Wege, daß unser Exemplar identisch sei mit dem von Lufft an Herzog Albrecht gesandten, daß also das „kostbare Exemplar‘ nicht verschollen, sondern, durch die Jahrhunderte im Mecklenburgischen Fürstenhause bewahrt, durch eine Schenkung in den Besitz der Rostocker Universitätsbibliothek gelangt sei. Denn wir können nicht an- nehmen, daß gerade dieselben Männer in zwei Exemplare des- selben Neuen Testaments im selben Jahre sollten geschrieben haben, wenngleich wir sie noch zweimal zusammen antreffen (vgl. CR V, 454 mit Luther; VI, 72; VI, 5 Bugenhagen und Melanchthon; V, 278 Cruciger und Melanchthon). Obendrein stimmen ja die Daten in frappierender Weise überein. Am 7. Oktober schrieb Lufft an den Herzog, es sei ihm gelungen, einige der Wittenberger Theologen zu Trostsprüchen zu be- wegen, und drei Tage vorher hat der erste der Einzeichner, Bugenhagen seine Eintragung datiert!

Zweifeln wir nun nicht mehr an der Identität beider Exem- plare, so bleibt doch noch eine letzte Frage zu lösen: wie ist . das Buch aus dem Besitze Herzog Albrechts von Preußen in die Bibliothek Herzog Johann Albrechts von Mecklenburg, also aus dem äußersten Osten in den Westen gekommen ? Albrecht von Preußen und Johann Albrecht von Mecklenburg bei denen enden die beiden Wege, die wir eingeschlagen hatten. Wo ist nun aber das fehlende Zwischenglied, das die beiden Fürsten verbindet? Ganz einfach: es ist Anna Sophie,

1) Sperrung von uns.

237

die 1527 geborene Tochter Albrechts, die im Jahre 1555 Johann Albrechts Gattin wurde!

Wann nun allerdings genau das Buch in Johann Albrechts Besitz überging, wissen wir natürlich nicht, da diesbezügliche Vermerke nicht existieren, vermutlich aber doch erst nach dem Tode Herzog Albrechts (20. März 1568). Wir wissen, daß Johann Albrecht damals durch die Machenschaften des polni- schen Königs und des polnischen Kardinals Hosius um die preußische Erbschaft betrogen wurde. Es scheint, als sei dieses Buch das einzige Stück, das er aus dem Besitze seines Schwiegervaters erhalten hat. Und niemand wohl zweifelt an dem hohen Werte dieses Neuen Testaments, das es nicht nur durch die Großen erhält, die es besessen und benützt haben, sondern noch mehr dadurch, daß es das Werk des größten Deutschen ist, der je gelebt hat und daß es Autographa birgt von den drei Männern, die nach des Propheten Heimgang die Führer in Wittenberg und damit im lutherischen Deutschland waren.

15*®

Eberlin von Günzburg. Kleine Beiträge aus dem Wertheimer Archiv.

Von Otte Langguth.

Anläßlich seines 400jährigen Todestages ziemt es sich wohl, dieses großen deutschen Mannes wieder einmal zu gedenken. Außerdem hat uns ein glücklicher Fund in genanntem Archiv mit Eberlins Arbeit ‚Von Unterweisung der Kinder!)‘ be- kannt gemacht, auf deren Titel Wilhelm Schum-Halle im Jahre 1877 aufmerksam machen konnte. Schum veröffentlichte da- mals fünf Briefe Eberlins in der Zeitschrift Alemannia-Bonn, die er gleichzeitig eingehend besprach.

Bei näherer Vergleichung der Originalbriefe mit der Ver- öffentlichung stellen sich nun viele Lesefehler heraus, die es wünschenswert erscheinen lassen, die Briefe neu und richtig abzudrucken; nur wo die Fehler zu falscher Auslegung führten, ist es notwendig, im einzelnen näher darauf einzugehen.

Das kann am besten geschehen, wenn wir Schums Auslegung Schritt für Schritt folgen.

Von einer aus älterer Registrierung angeblich herrührenden Ordnung der Briefe ist auf den Originalen keine Spur zu ent- decken, ja es erhebt sich die Frage, ob Schum die Original- briefe bei seiner Veröffentlichung überhaupt zur Hand hatte. Man gewinnt vielmehr die rzeugung, daß er sie bei seinem Besuch in Wertheim wohl gesehen, später aber nach einer Ab- schrift bearbeitet hat.

Meiner Überzeugung nach tut Schum recht daran, keine chronologische Folge festlegen zu wollen; es mag genügen, daB sie während Eberlins Anwesenheit in Wertheim geschrieben wurden und alle an seinen Herrn, den Grafen Georg II. v. Wert- heim, gerichtet sind. Schum wußte noch nicht, daß Eberlin fast unmittelbar nach dem Tode des Grafen Georg von Wert- heim sein Amt verlassen mußte und in Treuchtlingen beim Markgrafen von Ansbach eine Zuflucht fand.

In dem Brief Nr. 2 sind zwei Hauptfehler. unterlaufen: Schum liest statt „Exemplum“ ein sonst nicht übliches Wort

1) Fürst]. Löwensteinsches Gemeinschaftliches Archiv: Schul. sachen fasz. 34.

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„ehemeln‘ und legt es wie Radlkofer!) im Sinne von „ehemals‘‘ aus. Und aus diesem einen Fehler ıst vielleicht der zweite entsprungen, nämlich die Anschrift falsch zu lesen mit M.G.F. = Meiner gnädigen Frau, statt richtig M.G.H. = Meinem gnädigen Herrn! Eberlin schreibt ungeheuer flüchtig; so kam es ihm hier gar nicht darauf an, ein deutsches H zu den sonst lateinischen zwei andern großen Buchstaben hin- zuwerfen. Wie Eberlin aber ein F schreibt, geht aus dem Brief 4 einwandfrei hervor.

So ist Schums Auslegung, der Brief sei an die Witwe des Grafen gerichtet gewesen, unbedingt falsch, und er übersieht die große Bedeutung des wirklichen Inhalts, die darin zu suchen ıst, daß wir hier ein einwandfreies Dokument darüber besitzen, welche Beweggründe den Grafen Georg zur Teilnahme an dem Bauernkrieg veranlaßt haben.

Ohne Zweifel ergeben alle fünf Briefe ein sehr vertrautes Verhältnis zwischen den gleichgestimmten Männern, denen die Reformation in der Hauptsache eine religiöse Angelegenheit war. Zu Unrecht ist dem Grafen seine Teilnahme am Bauern- krieg schon oft als Versuch ausgelegt worden, seine Macht auf Kosten des benachbarten Bischofs von Würzburg zu ver- größern. Hier aus diesem Brief 2 geht klar und einwandfrei hervor, daß der Graf kein anderes Streben verfolgte, als den Aufruhr zu stillen. Er wagte Leib und Leben daran, auch viele Arbeit, um dieses Ziel zu erreichen, und man dankte es ihm, wie Eberlin schreibt, mit dem Teufel. Die Machtmittel des Grafen waren ja auch viel zu gering, um den vielen Tausenden wildgewordener Bauern bewaffneten Widerstand entgegen- setzen zu können. Götz von Berlichingen?) gehörte zu des Grafen Lehensleuten und ging lange auf der Burg Wertheim aus und ein, bevor der Aufruhr aufgelodert war. Auch von letzterem ist bekannt, daß er sich den Bauern in der Hoffnung anschloß, Zucht und Ordnung in den Haufen zu bringen.

Jedenfalls hat Graf Georg vor der Festung Würzburg eine Verständigung fast erreicht?) durch große gfarlichkeit und arbait —; hätten die Bauern auf ihn gehört, so hätte der Krieg vielleicht einen ganz anderen Verlauf genommen. Zu beachten ist weiter, daß sowohl Graf Georg wie Götz von Berlichingen sich unmittelbar nach dem Scheitern der geführten Verhand- lungen von den Bauern abwenden und sich später beide

1) Radikofer, Max: Joh. Eberlin v. Günzburg. Nördlingen 1887. Seite 568.

2) Aschbach Dr. Joseph: Geschichte der Grafen v. Wertheim. Fit. 1843. I. Seite 300ff.

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vor Kaiser und Reich verantworten mußten. Dazu sagt hier Eberlin: „So danckt mans euch mit dem teuffel“

Der Brief 2 hat aber noch eine andere Bedeutung für uns; es wäre endlich an der Zeit, in den Würzburger Archiven eine Forschung darüber anzustellen, welche Gegenmaßnahmen der Bischof von Würzburg gegen die Einführung der Reformation in der Grafschaft Wertheim ergriff oder zu ergreifen plante. Dort liegen vermutlich heute noch die Antworten des Grafen Georg betr. der hier erwähnten „gfarlichen, bissigen Sachen“. Das Wörtlein ‚zereissen‘‘ als Überschrift läßt vermuten, daß manches vertrauliche Schreiben damals kurzerhand zerrissen wurde, daß aber dem Bischof doch manches zu Ohren kam, was nicht für ihn bestimmt war.

Daß der Brief noch an den Grafen Georg bei Lebzeiten ge- richtet ist, geht insbesondere aus dem Schluß hervor. Eberlin erinnert den Grafen an seine vielen Feinde! Davon ist nicht das geringste bekannt, daß des Grafen Vater viele Feinde gehabt habe, oder daß er gar so zart besaitet gewesen Bei, wie Eberlin von seinem Sohn zu rühmen weiß. Graf Michael war damals ein 80jähriger Greis, der meist auf seiner Burg Breu- berg im Odenwald der guten, alten Zeiten dachte und sich nicht viel mehr nach Welthändeln sehnte. Auf diesen alten Mann konnten weder Eberlin noch sonst ‚‚vil lewt‘“ bauen.

Eberlins Warnung und Befürchtung ‚solt der teuffel E. g. in klammen bringen, wurde nit alain ewer und mein hauss clagen, sondern vil gutter anfang wurde underlassen mit sige der bösen“ kann fast schon als eine Vorahnung des rätselhaften Todes des erst 43jährigen Grafen aufgefaßt werden, der am 13. März 1530 seinen Untertanen in Wertheim noch eindring- lich ing Gewissen redete und schon einen Monat darauf, am 17. April, aus dem Leben scheiden mußte?).

Es fehlt also jeder Zusammenhang mit dem Grafen Michael II. oder einer eingesetzten Vormundschaft.

Radlkofer hat im übrigen schon darauf hingewiesen, daß sich die Fragen um die Erziehung des Erbgrafen auf einen Sohn aus erster Ehe des Grafen Georg bezogen?).

Schums Ausführungen zu Brief 5 sind von bleibendem Wert, auch wenn der Inhalt von Eberlins seither nur dem Titel nach bekannter Arbeit sich als eine große Überraschung herausstellt. Eberlin tritt uns hier als ein Volkserzieher großen Formats entgegen. Er will nicht nurdie kleinen Kinder erziehen, sondern auch die größeren und die ganz großen. Für die er- wachsene Jugend hält er Leibesübungen aller Art für geboten.

1) Langguth, Otto: Ev. Sonntagsblatt aus Bayern, Rothenburg 1933. Nr. 16. 2) Radikofer a. a. O. Seite 561.

2331

Die Erwachsenen will er aber auch unter seine Zucht nehmen; er schlägt vor, sie nach Stadtvierteln an gewissen Feiertagen zusammenzuberufen und ihnen das ‚Bürgerliche Recht vorlesen zu lassen. Einerseits könnte so den entbehrlich gewordenen katholischen Feiertagen ein neuer, wichtiger Inhalt gegeben werden, andererseits sei den Bürgern ja noch viel zu wenig bekannt, wie nutzlich und lustlich bürgerliches Wesen zu führen sei. Einem Tänzlein in Ehren als Beschluß ist er nicht ab- geneigt.

Eberlin erwähnt hier, daß die noch vorhandenen ‚„‚papisten“ ihre Feiertage „auch“ nicht mehr halten und damit der Feinde Zorn gegen den evangelischen Grafen reizen. Es ist also mit keinem Wort davon die Rede, daß ‚‚die papisten‘‘ zu der neuen Lehre gezwungen werden sollten.

Sehr auffallend ist die Tatsache, daß sich die vorliegende „Unterweisung der Kinder‘ mit dem Unterricht in Lesen und Schreiben überhaupt nicht befaßt. Wir suchen auch vergeb- lich eine Stelle, die des Grafen Frage kurz und bündig beant- wortet; die verschiedenen Hinweise auf die alten Klassiker usw. können schwerlich damit gemeint sein. Vielleicht geht des- halb Eberlin in seinem Briefe gleich weiter auf die Frage ein und gibt hier eine Antwort ganz im Sinne der Beispiele des Briefes Nr. 1. Damit wird die unnötige Sorge oder Frage „holdsalig‘‘ und doch „under ougen kurtz (den Frager) an- zapffend‘‘ beantwortet. Daß schon eine alte Lateinschule vorhanden war, ıst bekannt. Und von einem ‚„schulmeister‘“ spricht der Brief 4. Das Wertheimer Bürgerbuch erwähnt schon 1509 einen Schulmeister Joh. Riß, der vielleicht der Vater des Altdorfer Professors Henricus Risius war. (Geb. 1531 in Wertheim.) Jener Joh. Ries ist wohl identisch mit dem Wertheimer Studenten gleichen Namens, der 1500 in Ingolstadt immatrikuliert wurde!). Demnach war also eine richtige Schule schon vorhanden; sicher war die lateinische Schule mit der Volksschule unter einem Dach, wie sonst auch. Aus dem Schluß der Arbeit geht hervor, daß Eberlin die Strafe der aufrührerischen Bauern für eine gerechte Sache ansieht. Auch darin dürfen wir einen Beweis dafür erblicken, daß der Graf Georg diese Ansicht teilte. Seither unbekannt war die Tatsache, daß unter den Wertheimischen Dörfern auch ein Ort treu der Herrschaft ergeben blieb und dafür eine merkwürdige Belohnung erhielt: Lengfurt a. Main?). Graf Georgs Vater

1) Rommel, Gustav: Aus alten Univ.-Matrikeln. Jahrbuch 1931. des Hist. V. Alt-Wertheim.

2) Langguth, Otto: Beiträge zur Heimatkunde. S. 107. Wertheim, Heimatverlag.

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Michael, für den Graf Georg bekanntlich regierte, stellte dem Ort 1526 einen Freiungsbrief aus, der ihm ein eigenes Siegel mit der Umschrift „Die Frommen von Lengfurt‘‘ und ‚1525‘ verlieh, weiter die hohe Jagd, Freiheit von Frohnlasten usw., alles, „weil sich unsere getreue Untertanen zu Lengfurt in nächstverschiener Uffruhr mit allem Gehorsam treulich und redlich erzeigt und gehalten haben.“

Dieses Beispiel der Anerkennung treuer Untertanenpflicht steht im ganzen Bauernkrieg vielleicht einzig da, und ist eben- falls geeignet, uns den Grafen Georg als einen Christen im Sinne Eberlins erscheinen zu lassen. Nur auf eine solche Per- sönlichkeit konnte Eberlins Ausspruch gemünzt sein: ‚Ach, ir seid zu frum und getrew an dißem Ort und schament euch, deß ander lewt nit achten oder verachten.“

Wer den Grafen Michel kennt, der weiß, daß dieser aus anderem Holz geschnitzt war. Die Zimmersche Chronik (Neue Ausgabe Bd. II, 287ff.) gibt davon eine mehr als plastische Vorstellung. Zufällig fällt das dort geschilderte Abenteuer auf dem Reichstag zu Augsburg in die Zeit, die uns hier beschäftigt: man mag es in der Z. Chr. nachlesen.

Was Schum als das wesentlichste seiner Forschung ansah, nämlich die Fortdauer des Eberlinschen Einflusses auf die vor- mundschaftliche Regierung in Wertheim, ist bedauerlicher- weise eine unhaltbare Kombination. Davon bleibt überhaupt nichts übrig.

Zwei Punkte harren noch der Erklärung. In Brief 2 kommt das Wort ‚‚sal‘‘ vor, das Schum ‚säl‘ schreibt und mit ‚,‚sell selbiges“ erklärt. Es will aber durchaus nicht in diesen Zusammenhang hineinpassen. Und im Brief 5 ist die Rede von einem „buchlin‘, das die Unterweisung der Kinder ent- halten soll. Was im Wertheimer Archiv unter den Schulakten des M7. Jahrhunderts zutage kam, sind vier Folioseiten, aber kein „buchlin“. Dieser Umstand erweckt die Hoffnung, daß wir eines Tages vielleicht auch noch das ‚„‚buchlin‘ finden, in welchem dann vermutlich auch über das ABC des Unterrichts etwas gesagt ist, wie es unserm Eberlin vorschwebte.

Seit 1904 ist durch Pfarrer Dr. Schornbaum bekannt, daß Eberlin am 18. Oktober 1530 müde und krank das Pfarramt in Leutershausen bei Ansbach angetreten hat und dort im Oktober 1533 aus dem Leben schied!).

Vergegenwärtigt man sich den vertraulichen Verkehr mit seinem hochgesinnten Wertheimer Herrn, so kann man es schon glauben, daß Eberlin tief gebeugt den Schauplatz seiner

1) Kobe, F.: Die Reformation in der Grafschaft Wertheim. Selbst- verlag 1924. S. 32.

2333

seitherigen Wirksamkeit verließ; allein der so ganz uner- wartete Tod seines Grafen mußte ihn besonders schmerzlich treffen. Sicher hat er aber in den kurzen Jahren seiner Wert- heimer Wirksamkeit von 1525/1530 hier die Erfüllung vieler früherer Wünsche gefunden und viele glückliche Tage verlebt. So ist es auch nicht verwunderlich, daß die in Wert- heim geborenen Kinder aus seiner Ehe nach des Vaters Tod sich in Wertheim zu Hause fühlen. Eberlins hoffnungsvoller Sohn ließ sich 1544 in Wittenberg als Wertheimer immatriku- lieren, fand leider dort 1550 einen allzufrühen Tod), und die Tochter Maria vermählte sich in Wertheim 1557 am 1. Juni dem Clemens Leußer, dem bekannten früheren Abt des Klosters Bronnbach. Im selben Jahr, nämlich am 10. November, fand auch sie einen vorzeitigen Tod?).

Herrn Universitäts-Professor Dr. W. Köhler-Heidelberg bin ich zu besonderem Dank dafür verpflichtet, daß er sich die Mühe nahm, meine Entzifferung der Eberlinschen Hiero- glyphen zu überprüfen und verschiedene Lücken noch auszu- füllen, weiter auch für seine Ermutigung, diese kleinen Nach- träge an dieser Stelle zu veröffentlichen.

Schums Arbeit ist trotz aller Mängel, die zu berichtigen waren, immer noch in vielen Punkten wertvoll, so besonders in den Quellenangaben zu den einzelnen Briefen, die fast un- verändert übernommen wurden.

Fünf Briefe Johann Eberlins von Günzburg?).

1) M.g.H. (außen als Adresse)

Quintilianus im 6. teil des buchs von underweisung eins redners*®) sagt also von zuchtigen schimpfworten) ains redners:

1) Leichenprogramm in den Scripta publica der Universität.

2) Vgl. Kaufmann, Dr. Alex: Nachgel. Schriften Eberlins im Archiv des Hist. Vereins für Unterfranken XX, Heft 1, Seite 31, ferner Dr. Wecken: Leußers Lebensbeschreibung im Archiv für Reformationsgeschichte Leipzig VIII, Jahrg. 1911, Heft 3, Nr. 31: ‚1557 26. Mai Weinkauf getrunken mit meiner ersten Hausfrau Maria und am 1. Juni Hochzeit gehalten. Sie war Dr. Johann Eberlins Tochter, der ein Pfarrherr hie zu Wertheim gewest. Ihre Mutter war Martha, eine geb. von Aurach, des alten, edlen Geschlechts in der Markgrafschaft Brandenburg. Usw.‘

3) Fürst. Löwenstein-Wertheimsches Gemeinschaftliches Archiv Wertheim F. 34 L. XV.

*) Quintilian. Inst. orat. VI 3. 93 Jucundissima sunt autem ex his omnibus lenia et ut sic dixerim boni stomachi, quae Önayoyds vocant; est gratus iocus qui minus ex probat quam potest. Interim

234

Solliche schimpf seind auch holdsalig, welche under ougen kurtz einen anzapffend!).

Ein kriegsknecht bat etwas vom Augusto unfugklich und underdem kam auch Martianus, von welchem der Augustus vermuttet, er wurde auch dergleichen thon. Sagt er. AIß wenig thon wil, was Martianus bitten wurdt, so wenig wil ich thon, was du gebetten hast.

Einer wurde fur ainen grossen narren gehalten, weil er arm was. Bald fiel ihm ain erb an. Sagt der ander: du hasts gut geerbet von deinem freind, wer wurt aber sein weysheit erben ?

Als Cicero handlet wider (= wiederum) in des Verres sache und nach aim zeugen fragt, sagt zu ihm Hortensius: Jch ver- stand dise rättersche?). Sagt Cicero: du soltests doch wol ver- stohn, dweil du ain sphynx dahaim hast, dan Verres hat dem Hortensio ain erin sphynx geschenckt, der vil gelts werd was. Sphynx was ein seltzam thier, das rätterschen pflegt furzu- geben?).

Ain romischer reitter tranck im ring oder schawstatt. Schickt der Augustus zu ihm, liess im also sagen: Wan ich essen will, 80 ghe ich haim. Antwurt der reitter: Du darfst nit forchten, das dir ain ander die stat ainnehme.

Ainer bat den Galba umb ein Mantel. Antwurt Galba: Es regnet ietz nit, darumb darfistu sein nit, wan es aber regnen wurt, so darf ıch sein selbs.

Marcus Celius kunde bass schmaliche wort furtragen in den klagen, dan die furgetragenen beschirmen. Von dem sagt Cicero: Er hatte ain gutte rechte hand, aber ain bose lingke.

(Rückseite)

Augustus warff aim romischen reitter fur, er hatte sein vatterlich erb verthon. Antwurt der reitter: Jch hielts dafur, es were mein.

Die Tarraconenser vermainten ain gutte botschaft zu bringen dem Augusto, sagten: Es were ain palm gewachsen auf seim altar. Sagt Augustus: Dabey kan man mercken, wie oft ir fewr darauf machet.

M. Cicero sagt, man sol nit schertzen mit der oberkeit noch mit lewten, die in ainer gmein lieb und werd gehalten seind,

de se dicere ridiculum est et quod in alium absentem dicere urbanum non erat, quoniam ipsi palam exprobantur, movet risum.

5) Spaß-, Scherzreden.

!) anzapfen = einem das Blut ablassen = ursprünglich mit einem sog. Laßinstrument richtig treffen.

2) Rätselrede.

2) Randbemerkung.

235

noch mit arbaitsaligen?) lewten, sy wollens dan nit selbe er- kennen, sonder mehr darin sich riemen. Man soll auch keinem etwas furwerfien, das ihm schmalich ist horen.

2) M.g.h. zereissen (Außen als Adresse)

G.H. ich hab E. g. gschrift verlesen und darauf her und dar mein gutgedüncken anzaichnet, auf E.g. verbesserung.

Jch rat E. g. als meinem Hertzen, das E. g. keinen schreiber sollichs lassen aufzaichnen, kan doch E. g. selbs wol schreiben.

"So kan ich E. g. geschrift wol lesen. Sal?) hab ich nit fernn zu E. g. mund und selbs bericht, ich wolt ungern meinem weib darvon sagen in myndern gschäften. Auch wolte ich lieber, das ander lewt solliche gfarliche bissige sachen hand- leten, dan E. g. Ursach: gerat es wol (welchs doch schwerlich sein wurt), 80 hat iederman teil daran, on graf Jorg exemplum in der aufrur, so sy gestillet ist durch E. g. große gfarlicheit und arbait, so danckt mans euch mit dem teuffel.

Wurt es aber nit bald glucklich geendet, wurt euch iederman lassen stecken, und wurd darnach E. g. die new burdin zu schwer zu dem alten Zanck mit bischoffen, das ir euch miesst ergeben. Jch wolt gegenwertig mehr davon sagen. E. g. nehme es in gnaden von mir an.

E. g. pfarher.

G. h. ich erken wol, das mein gluck an euch stäht, aber das ist noch mehr, das Christi sach durch euch gäht, und vil lewt auf euch bauent (Zeichen) (Fortsetzung Rückseite:) (Zeichen) und solt der teuffel E. g. in klammen bringen, wurde nit alain ewer und mein hauss clagen, sondern vil gutter anfang wurde underlassen mit sige der bösen. Auch gedencke E. g., das kainer mit euch ietz wurd handlen, der nit vor wenig zaiten ewer grosser veind ist gwesen. Ach, ir seid zu frum und getrew an dißem ort und schament euch, deß ander lewt nit achten oder verachten. E. g. verachte mein warnung nit.

3) M.g.H. (und von alter Kanzlistenhand: Vom Pfarrer zu Eichel, dem er die Pfarrecht verbotten. Johan Eberlin.) G.H. Der pfarher von Aichel louft mich hewt an umb ursach, warumb ich im die pfarrecht verbotten; hab ich ordenlich geantwurt vor dem pfarhern Vtingen, es hab mich also fur güt angesehen, das sey mein ursach. Er hat nit ferner gfragt, warumb ichs fur güt angesehen, so darff ich im auch nit ferner antwurten noch zur zeit. Fragt er aber

1) ärmlich, mühselig, leidend, viel Arbeit habend. 3) Siehe Text Seite 232— 88.

236

ferner, will ich gern antwurten. Auch hat er selbs die sach hinder mein!) gezogen auf E. g., und da er vermanet ist worden mich anzüsüchen, hat er sich gewegert mit mir zu handlen. Jch sorg, es steck nit alain ain thor, sonder ein büb hinder seinen oren, und das er ein winckel sey zu stincken von viler mutwilliger lewt unflat, den man in in schüttet. E. g. versteht es wol. Er wurt mich nit nach seiner ratlewt mainung uber- eylen, ich will ordenlich handlen auf frag und frag; ubereilen thüt nit güt. E. g. underthan. pfarher.

4) M.g.H. (außen als Adresse) Zeichen des Kreuzes.

G.H. Dieweil mir sollichs widerfaren ist mit dem schül-

meister, so wil ich furohin kainem fur sold schreiben, an M. g. F. vor dem halbteil seines diensts im vierteljahr, auch nit zum halben teil, sonder darnach. Nun werden vileycht etliche E. g. loüffen, das soll ich leiden, dan das gelt ist. E. g. Es hilfft nit, wie ichs mach, so maynen sy, ich hindere sy mehr, dan das ich sy furdere. Seind sy nun nit beniegig an mir, so louffen sy zu E. g., sy selbs horen. Im namen gottis. Jch wil aber mich niemants lassen bereden, das ich e. g. etwas in zeitlichen dingen eintrag oder hindere am nutz; wer nit dran züfriden ist, der klag oder flüch oder loüff an die gross glock (Am Rande:) Jch vexier E. g. sonst mehr, dan etwan träglich oder not ist. (Fortsetzung:) Also wurde ich auch die leyen abweisen, die E. g. oder M. g. F. in der nähin haben mogen, und selbs süchen. disem schreiben hab ich hevor zwü ursach gehabt, die ich in kürtze nit kan schreiben. Doch wil ich hiemit sollichs fur- nehmen E. g. anzaigt haben, das E. g. nit ubereylet werde. E. g. underthan pfarher.

5) M.g.h. (außen als Adresse)

G.h. E.g. schicke mehr ungebunden buchlin. Auch wisse E. g., das die ılij psalmen an die k.(onigin) von Hungern?) haben ain sollich zaichen vornen: ij. .

Auch lese E. g. fleissig das buchlin Melanch.(thonis) von widerteuffer®). Es ist vil burgerlichs grunds darin in disem buch, das ıch ietz schick mit dem zeichen 29.

1) Hinter meiner Person, hinter meinem Rücken.

2) M. Luther: ‚‚Vier trostliche psalmen an die Königin zu Hungern ausgelegt durch Martinum Luther“. Erschienen 1526 u. 1527.

3) Unterricht Phil. Mel. Wider die Lere der Widerteuffer aus dem latin verdeudschet durch Just. Jonas. Wittemberg 1528.

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Auch hat mich E. g. nechst gefragt, wie man ain kind machte kech zu reden. Findt E. g. in dem buchlin, das ich gschriben hab von kinder underweisung. Wiewol ich sagen mocht, wie Themistocles der Athenienser Furst, da in ainer wolt leren ein kunst gutter gedechtniss, sagt er: Wan du mich leretest vergessen, was ich wolt, dan ich fragte nit nach behalten. Also wan man ain kind lerete scham, die kechait kompt selbs zu vil. Scham ist aller alter zierd. E. g. undthan pfarher.

Von Underweysung der Kinder.

(Aufschrift außen von fremder, alter Hand: Disciplin-Ord- nung)?).

Christus befilhet uns ernstlich die kinderzucht und sagt, was man an sie lege, wolle er aufnehmen als ihm geschehen. Und ir ergernuß ist hoch zu forchten auss grosse der strafl, wie Matth. 8, auch Paulus zum Ephesern 6 cap.

Auch so die haiden auss der natur ihr kinder aufs hochst sich geflissen wol zu ziehen, wurde got billich unser schand mehr anzaigen, gewisen auf die haiden, wie oft in profeten gemeldet. Der Juden fleiss auf die kinder hat man im Mose, im Salomon, ihm Ecclesiaste, im Tobias etc. Wie grossen fleyss die alten lieben vatter auf die kinder gelegt undern Christen, ist offenbar nit alain auss retlichen gschriften, sonder auch auss vilen spruchen im decret decretal anzaigt.

Dweil aber durch unfleiss der fliegenden landtfarenden prediger das volk dahin gebracht ist, wie man sicht, und alle verstandigen menschen ermessen mogen wohin sichs ziehen mag und waserlay end volgen sollichs versamniss der jugendt, ists grosse zeit, das man zur sache thu.

Solle der schuldhaiss ernstlich beharrig ordnen, das man alweg in aim monat 1 mal alle kinder under XX jharen magdlin besonders und knablin beruff und darzu derschul- dhaiss selbs oder III, IIII oder V tapfere gerichtsmanner komme; zu den Magdlin aber auch etlicher gerichtsmanner weiber, sampt den Mannern erschyne, und der pfarher ver- schafte ain stund oder halbe ein ernstliche vermanüng nit alain zum Christentumb, sonder auch gutten sitten, ge- berden etc., das also die jugent auss hilff angebornen funcklin der erberkeit (so noch unverderbt) und auss furhaltung der exempel, lere etc. andern synn schopfte und bessere may- nungen im thon und lassen, dan die gmain welt furnimpt, darzu auch Plato und Aristoteles und alle gsatzgeber geraten.

ı) Fürstl. gem. Arch. Wertheim, Fasz. 34: Schulsachen.

*

238

Seite II.

Es ist ein grosser mütwill in lewten der feyrtag halb, das auch papisten (undern evangelischen herrn) derselbigen nit achten, und raitzen also der vaind zorn on sach wider unss; darnach stonden sy auf ir seyten. So doch der schuldhaiss solt die feyrtag handhalten der leib und fug der lere.

Was under xx jare were knablin kame bey ainer straff auf disen feyrtag zammen mit aufsehern, wie oben, zu horen lere der zucht und Christentumbs, wie es ihnen begreiflich were. Auf ainen andern feyrtag die magdlin, wie oben. Was grossers alters were, lernete springen, schiessen, louffen, schwimmen, rennen, ringen, sturmen, und was anderss burgerlicher übung sein mocht.

An etlichen feyrtagen berufte man ein gantz viertail zu- sammen, an anderen feirtagen jhens viertail & liesse gmeine gsatz lesen, und sy vermanen auss grund der natur zu burger- lichem synn und ordnung. Wan (= denn) burgerliches wesen ist noch der welt uber bekant, wie es nutzlich und lustlich zu füren sey. Ob man nach sollichem ernst ein offentlichen tantz vor vesper oder nach Abentessen gehalten wurd (mit gsatz verfasst der zeyt und zucht halb), were auch nit unburgerlich. Also wurden die Sontage und etliche feste Marie oder Christi und der Apostel Johan baptiste, Laurentii etc. on schaden der Christenheit und zu nutz der burger und friden diser zeit gehalten gar fein.

Seite III.

Auch mochten die Christen gar fein gebrauchen solliche feste vom schuldhaissen geordnet (auch zu ihrem gottisdienst morgens und abents) und were den Christen on not sondere feyrtag zu ordnen.

Ich bekenne: es ist schwere, soll man pfarherrn und caplon damit beschweren, auch schuldhaisshen, richter, ihre weiber, aber, lieber got, will man nichts thon, dan was leicht ist, so seind wir auch nit haiden, welche zur tugend vermanen und sagen, sy stand hoch, man müss durch arbait darzu kommen. Dweil noch ein wenig christlicher ernst in pfarherrn und schul- dhaisshen ist, solte mans anfahen und got bitten umb furderung, so langs ihm gfiele.

Auch mochte man den pfarherrn und caplonen ihre solde also machen (so man ernst an ihnen merkt), das sy wol sich, weib und kinder davon erhalten, auch burgerlich narung haben zu aim zimlichen vorrat, ihren kindern zu lassen; welche dan gar der ubermass strebten, solte man sie bald, bald lassen louffen, dan sy warlich wolff seind, nit hirten. Es ist auch got noch nach (= nahe) bey unss, er wurt sein schaflin nit so bald

2339

verlassen, sondern ferch (= Pferch?) geben, die auss gottis lieb oder auss scham noch miessen recht thon.

Also miesste der lere (= Lehrer) zu seiner stund herfur suchen, was Aristoteles, Plato, Andere, auch historienschreyber, fabeln, menschlich recht sagten, zu unterrichten die Kinder, wie auch Melanchthon ietz den Aristotelem von sitten!) liset, und M. Luther spricht, ihm sey laid, das er nit mehr historien und poeten gelesen hab. Niemant kan glouben, das sollichs so vil nutz brachte in der jugend. Man muss gar ain ander maynüng schopfen, dan der bofel gefasst hat durch landfarende prediger des vermainten Evangelii, das unss got nit straff, :wie die aufrürischen verfurten pawern mit schand und scham.

Seite IV.

Auff disen ratschlag lese E. g. bald das buchlin M. Luth(ers) an die ratsherrn von schülen?), wurt E. g. mercken ding, die ey bisshar nit gemerckt hat. Auch kan man kein ordnung erstlich vollkommen machen; der gebrauch ihm furfaren leret vil.

1) Ethik des Aristoteles. ®) M. Luther: An die Ratsherrn aller Städte deutschen Lands, daß sie christl. Schulen aufrichten u. halten sollen. 1524.

Mag. Thomas Spies. Von BR. Jauernig!).

In seinem Briefe an Spalatin am 31. Maı 1527 (Enders VI 1170) schreibt Luther: Nihil praeterea novi, quam quod M. Thomas Spies redimendus et dimittendus esse dicitur. Diesen Satz erläutert Enders unter Bezugnahme auf Weim. Archiv Reg. Kk. 204 Bl. 14 (Enders VI 1358) dahin, daß Spies (Spieß) damals (Prediger) zu Cronschwitz gewesen sei. Während Spies aber nach oben angeführtem Satze freigegeben und entlassen worden sein soll, hat er sich nach VI 1358 selbst „dadannen gewandt‘. So ist diese Bezugnahme schon rein logisch unhaltbar.

Der Satz in VI 1170 erhält vielmehr seine Erläuterung durch das eigenhändige Schreiben des Mag. Thomas Spies?), das er als „Prediger und Superattendent‘‘ zu Schleiz am 13. Januar 1544?) an Kurfürst Johann Friedrich richtet. Er, „über 75 Jahr betaget‘‘ bittet um Verleihung der Predigerstelle im Nonnen- kloster Conschwitz, „eyn bequem dinstlen“, da er die Schleizer doppelte Amtslast nicht mehr tragen könne. Er wolle die Verkündigung des lauteren Evangeliums „piß in meyne grube vorfuren, unangesehen dy grosse vorfolgung, dy ich von den teufelsknechten, den pischoffen, hab erliden. EB schigkt mich Doctor Martin vor 20 jarn gen Jutterpock und der pischoff zcu Hal nam mich selbst an, hildt mir aber nicht seyn zcu- sagung. Do ich 11% jar geprediget hatte, nam er mich gefengk- lich an mit grossem unwillen deß volgks, hilth mich als eyn

!) Schon in meiner Schrift „Die Einführung der Reformation in den Reußischen Landen“ (Bd. II der ‚‚Beiträge zur Thür. Kirchen- geschichte‘‘) habe ich kurz auf die Lebensschicksale des Mag. Spies hingewiesen. Diese Abhandlung soll sie ausführlicher darstellen und in mancher Beziehung ergänzen und berichtigen. Insbesondere ist dort 8. 60f. zu berichtigen, daß die Cronschwitzer Amtstätigkeit nach der Jüterboger liegt, ebenso sind S. 370 die Jahreszahlen richtig- zustellen (statt: etwa 26/27: 24/26, und statt: etwa 28: etwa 26/27).

2) Er schreibt sich Spis, Spies und Spieß, meistens Spies.

?) Sonntag nach dem HI. Dreikönigentage.

241

ketzer eyn gantz jar gefengklich ane schulth und ane ursach mit keyner beweysung der schrift!).‘“

In seinem eigenhändigen Schreiben vom 18. Januar 15442) unterstützt Spalatin die Bitte des ‚„alden verlebten erlichen getrewen Gottesprediger, magister Thomas Spies ader Pent- zoldt, von Weydaw burtig, von der ersten Visitation an zu Schlaitz im [15]33. jar zu Schlaitz pfarrer und Superattendent. Denn er ist der allerersten euangelischen prediger eyner, hat daruber auch im Bistumb Magdeburg vil geliten.‘‘ Der Kurfürst lehnt die Bitte des Spies am 26. Januar 1544 mit der Begründung ab, daß das nur noch wenige Nonnen be- herbergende Cronschwitzer Kloster keinen besonderen Geist- lichen mehr erhalten solle, will aber bei Gelegenheit den ver- dienten Bittsteller anderweitig unterbringen?).

Spiesens und Spalatins Schreiben enthalten wertvolle An- gaben, nicht nur zur Erläuterung von Enders VI 1170 (se. o.), die um so wertvoller sind, als in Jüterbog selbst von Spiesens Amtstätigkeit nichts bekannt zu sein scheint; die oben wieder- gegebenen Briefe geben uns auch den Schlüssel zu weiteren Quellen in die Hand.

Als sein eigentlicher Familienname ergibt sich aus unserer Quelle Pentzoldt, sein Geburtsort ist Weida (Thüringen), das Geburtsjahr 1468. Die Leipziger Universitätsmatrikel®) gibt uns nun weiter an: Immatrikuliert W. S. 1490: „Thomas Pentzelt de Weyda“, ‚„dedit totum VIg“ (1, 381); Baccal. 13. 9. 1494: „Thomas Penczolt de Weyda“ (2, 343); Magister 28. 12. 1503 ‚Thomas Penczolt de Weyda‘“ (2, 399). In den Jahren 1507 und 1508 (2, 429, 433, 437, 441) finden wir ihn an der Leipziger Universität als Dozenten und zum erstenmal unter dem Namen Spieß (2, 441 aber: Spyeß): Lectores per facul- tates theologie et artium deputati . .. . ad lectionem veteris artis deputatus Mag. Thomas Spieß.

er seine späteren Jahre (seit 1509) wissen wir nichts.

Erst am 3. August 1518 erscheint er wiederum in der Leipziger Universitätsmatrikel (2, 24): assumptus ad legendum cursum in sacra theologia ;enerabilis dns [dominus] mgr. Thomas Pentzeldt ex Weyda, presentatus per dominum doctorem Matheum Haynensem et solvit pro fisco tres flores. Wie lange Spiesens theologische Dozententätigkeit in Leipzig währte und wann er sich der Reformation anschloß, ist zunächst nicht feststellbar.

1) Weimarisches Archiv Reg. Ii 1803.

2) A. a. O. (Freitags Prisce). 3) A. a. 0.

4) Erler, Gg., Die Matrikel der Universität Leipzig, 3 Bde., 1895, 1897, 1902 Cod. dipl. Sax. reg. XVI, XVII, XVIII.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXI. 8/4. 16

23423

1524 begab sich Spies, wie er in seineın Briefe an den Kur- fürsten (s. 0.) Kerichtet, auf Luthers Wunsch nach Jüterbog, wo er vom Erzbischof von Magdeburg, Albrecht (Sohn des Brandenburger Kurfürsten Johann Cicero), persönlich ange- nommen wurde!). Albrecht residierte zumeist in Halle daher: Bischof zu Halle. Nach 11,jähriger Amtstätigkeit wird Spies gefangengenommen. Wir haben keinen Grund, anzunehmen, daß schon der 19. Juli 1525 (Dessauer Bund) seiner Predigttätigkeit ein gewaltsames, mit einjähriger Ge- fängnishaft verknüpftes Ende bereitete. Denn erst am 3. Fe- bruar 1526 erließ Albrecht an seine Untertanen ein Mandat, bei der alten Kirchenlehre zu bleiben?). Erst der Widerstand gegen dasselbe durch die Gemeinde in Jüterbog, dessen Seele wohl auch Spies war, wird zu dessen Gefangennahme geführt haben; wir werden diese also für März bis Maı 1526 anzusetzen haben. Dazu würde dann stimmen, daß Luther am 31. Mai 1527 also nach Ablauf der von Spies berichteten einjährigen Gefangenschaft von der angeblichen Freilassung des Spies berichtet.

Noch eine Frage läßt sich in diesem Zusammenhange klären. Enders (V 1094) gibt einen Brief Luthers an Spalatin wieder, in welchem berichtet wird: Joachim I. von Brandenburg [der Bruder des Erzbischofs Albrecht] hat mit 40 Reitern zu Jüterbog die [evang.] Prediger mit List aus der Stadt ge- lockt, festgenommen und gefangengesetzt, unde ingens eo loco plebis contra Magistratum et periculosus tumultus est, denique coacti Senatores ire et repetere concionatores; incertum, quid futurum.

Vergleichen wir diesen Lutherbrief mit Spicsens Bericht in seinem obigen Brief an den Kurfürsten, dann ergibt sich, daß es sich um denselben Vorfall handelt, daß also unter den gefangengesetzten „concionatores“ sich auch Spies befand. Demnach ist die Erläuterung Enders, daß die Vertreibung der Jüterbogschen Prediger nicht im Jahre 1528 stattfand und auch nicht mit der Flucht der Kurfürstin zusammenhing (V 1094 Anm. 3), richtig. Mir scheint aber die Datierung dieses Lutherbriefes (Ende August 1526) früher anzusetzen zu sein, vielleicht auf Mai 1526, wofür die obigen Ausführungen über Spies’ Gefangennahme zu sprechen scheinen. Enders

1) Demnach ist Luthers Angabe (Enders V 1094), daß einer der Prediger, Thomas Schneidewin, unter dem Ansehen (auctoritate) des Magdeburger Bischof lehrte, nicht ganz richtig.

2) Jakob May, DerKurfürst, Kardinal und Erzbischof Albrecht II. von Mainz und Magdeburg, 2 Bände, München 1865/75, vgl. Prot. Real-Enzykl., 3. Aufl. Bd. 1, S. 310ff.

243

hat seine Datierung wohl auf die seiner Ansicht nach nicht einmal gleichzeitige Aufschrift Spalatins auf das Original... redeunti ex Comitiis Spirensibus 1526 und die darunter mi anderer Tinte geschriebene Notiz: Martburgi reddita Do- minica p. Egidii [2. Sept.] gestützt. Einer früheren Datierung scheint also nichts im Wege zu stehen, vielmehr würde eine solche der oben wiedergegebene Brief des M. Thomas Spies geradezu fordern, vorausgesetzt, daß Luthers Mitteilung von der angeblichen Entlassung des genannten am 31. Mai 1527 nicht nur Gerücht war oder der Tatsache vorauseilte.

Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft (etwa Mai 1526) wendete sich Spies von Jüterbog wohl nach Weida, in seine Heimatstadt. In diese Zeit fällt sicherlich seine Ver- ehelichung mit Walpurgis; sie ist „eine vom Adel, etwo eyn Nonne zu Weyda‘, wie Spalatin am :18. Januar 1544 dem Kurfürsten berichtete!).

In Cronschwitz war nach Michaelis 1527?) die Predigerstelle am Nonnenkloster frei geworden. Laurentius Fabri (Schmidt Lorenz) hatte bald nach dem 2. Mai 1526 sein Amt daselbst angetreten®). Trotz der ernstlichen Vorstellungen der evan- gelisch gesinnten Nonner beim Kurfürsten am 28. September 1527 *) geht Fabri als Pfarrer und Superintendent nach Weida®), nachdem er zuvor die Pfarrstelle in Neustadt a. d. Orla aus- geschlagen hatte®).

Wegen der Besetzung der Predigerstelle im Cronschwitzer Nonnenkloster schweben längere Verhandlungen, die aber zu- nächst längere Zeit ergebnislos bleiben, zumal da M. Johann Wolkenstein trotz des dahin gehenden Wunsches des Kur-

ı) Weim. Archiv Reg. Ii 1803.

®) Wenn die Datierung in Suppl. Mel. 600 richtig ist, dann erst Ende Dez. 1527. Enders VI 1358, Fußnote 1 ist dem Folgenden ent- sprechend zu berichtigen.

3) Enders V 1066. Die Bemerkung betr. seiner Amtedauer in Cronschwitz ist abzuändern. Ab August 1526 wird er wiederholt als Cronschwitzer Nonnenprediger bezeugt.

4) Weim. Archiv Reg. Kk 204 Bl. 10 u. 13.

5) Ebenda Reg. Ii 218 und Reg. Kk 204 Bl. 15.

°) Suppl. Mel. 587, 588. In Weida blieb er bis 1538 und wurde aus diesem arbeitsreichen Amte auf Antrag des Rates der Stadt durch Spalatins Schreiben vom 5. März 1538 „wegen Alters und Schwachheit‘‘ wieder nach Cronschwitz versetzt, dessen Prediger Wolfgang Mostel nun Fabris Amt in Weida übernahm (Reg. Li 1108). So kommt Fabri abermals nach Cronschwitz, wo er vor dem 13. Januar 1544 (Reg. Ii 1803) bzw. Ende 1543 (Reg. Ii 1397 Bl. 10) stirbt.

16*

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fürsten dieses Amt nicht erhält oder nicht annimmt!). In dieser Zeit übernimmt Spies vorsichtig gesagt die Amts- arbeit in Cronschwitz. Er ist jedenfalls nicht vom Kurfürsten oder seinen Räten eingesetzt; das ergibt sich aus dem Schreiben des Kurfürsten vom 26. Februar 1528, daß ihm jetzt bezichtet werde, daß Spies den Nonnen aufgedrungen worden sei, den er aber deshalb für ungeeignet halte, da die altgläubigen Nonnen ihn gerne hörten?). Auch in seinem Schreiben vom 17. Juli 1528 sagt der Kurfürst nicht, daB er Spies „hievor zu einem prediger der enden [= Cronschwitz] vorordenth‘“?). Da weder Spies noch Spalatin in ihren zum Eingang wieder- gegebenen Briefen auch nur ein Wort davon sagen, daß Spies bereits einmal die 1544 erbetene Cronschwitzer Stelle inne- gehabt habe, was doch nahegelegen hätte, da endlich auch kaum anzunehmen ist, daß Spies ein ihm ordnungsgemäß übertragenes Amt aufgegeben und wie der Kurfürst am 17. Juli 1528 schreibt?) sich ohne sein Wissen und seine Erlaubnis ‚„dadannen gewandt‘ hat, können wir nur annehmen, daß Spies auf Bitten des Laurentius Fabri oder Spalatins die Amtstätigkeit zu Cronschwitz aufgenommen hat, als Fabri wegen der großen Schwierigkeiten mit den feindlich sich gegenüberstehenden Nonnen‘) das Kloster nicht mehr betreuen wollte oder konnte. Das war ja Spies, dessen Aufenthaltsort damals wohl seine Heimatstadt Weida war, gut möglich. Am 17. Juli 1528 ist seine Tätigkeit in Cronschwitz aber bereits beendet gewesen?).

Für Juli 1528 bis Juni 1529 kennen wir Spiesens Aufent- haltsort und Tätigkeit nicht. Am 7. Juni 1529 wird der ehe- malige Leipziger Universitätsprofessor als Student in Wittenberg immatrikuliert®). 1533 wird er bei der ersten Visitation der Reußischen Lande als Pfarrer und Superintendent in Schleiz eingeführt. Über seine Tätigkeit und seine Kämpfe daselbst ‚habe ich an anderer Stelle®) ausführlich berichtet. 1543 fühlt sich der 75jährige Mann körperlich seinem Doppelamte nicht mehr gewachsen und kann darum an der Visitation des Amtes Lobenstein nicht mehr teilnehmen. Am 13. Januar 1544

1) Suppl. Mel. 641.

2) Suppl. Mel. 641 und 649.

3) Reg. Kk 204 Bl. 14 = Enders VI 13858.

4) Vgl. z. B. Reg. Kk 204 Bl. 15. Dazu Bd. II der Beiträge zur Tbüring. Kirchengeschichte 8. 61.

5) Foerstemann, Album Academiae Vitebergensis 1502 —1560, Leipzig 1841, Bd. 1, S. 136a.

°) Bd. II der Beiträge zur Thüring. Kirchengeschichte S. 167ff., 171f£., 187, 190 u. a.

245

bittet er den Kurfürsten wie Eingangs gesagt vergeblich um die Verleihung der Cronschwitzer Stelle!) oder möchte gegen eine Rente von jährlich 30 fl. von seinem Amte zurück- treten?).

In den Sielen ist er aber in Schleiz gestorben und am 12. April 1544®) mit einer Leichenrede des Schleizer Diakonus Johann Gruner oder Grundler ‚‚zur Erden bestattet‘‘ worden*). Seine Frau Walpurgis überlebt ihn; am 20. Mai 1544 klagt sie, daß die schon a Zeit rückständige Besoldung ihres Gatten vom Deutschen Haus noch immer ausstehe und verlangt diese dringend, da sie von Schleiz fortziehen wolle®). In Schleiz hatte Spieß sein großes Vermögen verzehren müssen, da die Besoldungsverhältnisse infolge der Widerstände des deutschen Ordens mehr als dürftig waren und Visitatoren und Exe- kutoren weder dagegen noch gegen den bis zu seinem Tode katholisch gebliebenen Heinrich (XIV.), Herrn zu Gera-Schleiz und Lobenstein etwas ausrichten konnten®). Spies starb kinderlos?).

1) Reg. Ii 1803.

2) Reg. li 1871 BI. 3ff.

3) Reg. Ii 1801. ö

4) Fürstl. Hausarchiv Schleiz, Kirchen- u. Schulwesen, A. Schrank 17 Fach 1: ‚Protokoll . .. . die geistl. Jurisdiktion betr. 1603‘.

5) Staatsarchiv Greiz, Rep. Gera, Kons. Akten 20 Nr. 2E.

e) Vgl. z. B. Reg. 1801 und Bd. II der oft genannten Beiträge. 8. 145ff.

?) Reg. Ii 1801.

Bisher nicht veröffentlichte Bruchstücke

eines Melanchthonbriefes. Von Oskar Netoliexska (Kronstadt-Siebenbürgen).

Wir verdanken ihre Kenntnis einem Schreiben des Oswald Myconius an Heinrich Bullinger vom 20. Januar 1548.

Das Original ist erhalten im Zürcher Staatsarchiv (Band E II 336, Blatt 282), eine Kopie in der Simlerischen Handschriften- sammlung der dortigen Zentralbibliothek (Band 66, 24).

Was nun die hier von mir mitgeteilten, bisher noch nicht veröffentlichten Bruchstücke eines Melanchthonbriefes an- langt, die sich aus dem erwähnten Schreiben des Myconius herausschälen lassen, so entnehmen wir diesem zunächst folgende Sätze, die er wörtlich aus dem von Melanchthon er- haltenen Schreiben anführt:

Civitates Sazonicae et Pomeranicı duces nondum pacem impetrarunt ac multae coniecturae sunt vicinos princıipes bellum eis tllaturos esse. Quod si fiat, in nova exılia distrahemur.

Indem Myconius so dem Zürcher Amtsbruder mitteilt, was er über die Zeitereignisse in Erfahrung gebracht hat, nennt er seine Quelle mit den Worten: De novo bello Saxonico scribit D. Philippus his verbis und leitet dann zu einem um- fänglicheren Bruchstück aus Melanchthon über wie folgt:

. Seribit et quae sequuntur, apud me valde iucunda, quod attinet ad Sylvanorum parrhisiam.

In ea, inquit, Pannoniae parte, quam Transylvaniam vocant, in qua Coronae primum ecclesia instauralta est et postea Honters diligentia literarum studia institula sunt, nunc Dei beneficio tranquillitas est: nam etsi parent regı Ferdinando, tamen Turcıco tyranno tributum pendunt, ne ipsis bellum inferat!). Florent

1) Über die für die siebenbürgische Reformation günstige Zeitlage beim Wettstreit der Ansprüche zwischen Ferdinand und den von den Türken geschützten Angehörigen des Hauses Zapolya vgl. G. D. Teutsch, Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk. Band I (4. Auflage. Hermannstadt 19265), S. 236. F. Teutsch, Geschichte der evang. Kirc).- in Siebenbürgen, Band I (Hermann-

en

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syitur ıbi studia Iiterarum, et ecclesiae recte docenlur el episcopus constilulus est communi ecclesiarum consensu, et consiiulum ei honestum stipendium necessarıum ad inspectionem ecclesiarum. Id postquam rescwuü rex Ferdinandus, misit eo legatos, qui mandarunt, ul autorilalem ıllı episcopo attributam rursum adi- mant. Responderunt cwilates: prius regem debere alias locu- pletissimas dio[ejeeses, Strigoniensem, Quinqueecclesiensem, Albensem et Colossensem recuperare, quas nunc lenent Turcae magno regni et muliarum animarum detrimenio. Hunc vero episcopum, cur ipst commendarınt inspeclionem ecclesiarum, nec regs adversarı, nec regno, nec animarum saluti nocere etc.

Es muß dahingestellt bleiben, ob die hieran sich schließende Betrachtung ebenfalls noch zum Melanchthonbriefe oder zum eigentlichen Schreiben des Myconius an Bullinger gehört:

Videmus quid Dominus agat in medio Turcarum, quid item Ferdinandus rer Christianus scilicet. Quid putas is si fieret Papa!

Sicher stammt, was jetzt folgt, nicht von Melanchthon, sondern von einem Zeugen der Vorgänge auf dem am 1. Sep- tember 1547 in Augsburg eröffneten, dem sogenannten „ge- harnischten‘‘ Reichstag. Myconius zitiert nämlich in einem nächsten Absatz seines Schreibens die für die Datierung des Melanchthonbriefes belangvolle Mitteilung eines nicht genannten Berichterstatters!):

Praeterea venit scheda ex Augusta in literas ad nos iniecta, quae sic habet: Crede mihi, sic obscure, tecte et incerto geruntur hic omnia, ul si de vita perichitandum sit, nescio prorsus, quid ista comilia parturiani, quemque rerum finem constituant. Adhuc expectatur evayyekıov Romanum per Emioxortov TgLOO- dovorov, qui nondum Romal[m] rediit. Interea ministri verbi, ıd quod in die Thomae proxime praeterito factum est, ex ducaltu Ottonis Henrici profligantur et papatus restituitur. Boni viri huc ad nos venerunt heri consternati et deiecti. Utinam scirent omnes dyyekınüs dıakalroaı. 27. Decembris.

Die Frage, vor die Melanchthon den siebenbürgischen Re- formationshistoriker stellt, ist die: was er wohl mit dem

——

stadt 1921), S. 254. Über Melanchthons Stellung zur Türkenherr- schaft in Ungarn vgl. Loesche, Luther, Melanthon und Calvin in Österreich-Ungarn (Tübingen 1909), S. 173.

ı) Nach dem im Bande 232 der Simlersammlung enthaltenen Regest zu Band 66, 24 wäre dieser Gewährsmann Bucer gewesen: Quae Melanthon de novo bello Saxonico, incremento Euangelicae doctrinae in Transsylvania et Coronae per Honterum et Bucerus de comitiis Augustanis et eiectione ministrorun ex ducatu Ottonis Hen- rici ad Myconium (circa finem anni 1547) scripserunt, exponit.

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„Bischof‘‘ gemeint hat, den die dortigen Ecclesien, das soll doch heißen die führenden städtischen Kirchengemeinden des Sachsenlandes, sich gegeben haben sollen und an dessen Ein- setzung König Ferdinand Anstoß genommen hätte.

Von einem Konflikte dieser Art zwischen dem Habsburger und der sächsischen Nationsuniversität denn diese ist unter den civitates zu verstehen, ist nichts bekannt —, ebenso wenig von einem Bischof, den die Sachsen gehabt haben sollen, so lange Honterus noch am Leben war.

Denn das ist ja eben die Frage, zu deren Erörterung der von der Forschung bisher nicht beachtete Melanchthonbrief Anlaß gibt: warum wurde nicht Honterus der erste Sachsenbischof?

Gewiß ist er in Wahrheit das erste kirchliche Oberhaupt seiner Landsleute gewesen!), aber zur Einsetzung eines eigent- lichen Bischofs ist es ja erst 1553 (vier Jahre nach dem Tode des Honterus!) gekommen, als Paul Wiener aus Laibach der erste von der Synode gewählte Bischof der evangelischen Sachsen wurde.

So könnte denn unter dem ‚„Bischof‘‘ Melanchthons, wenn dieser wirklich an Honterus gedacht hat, der sächsische Re- formator nur in seiner Eigenschaft als Stadtpfarrer von Kronstadt verstanden werden, eine Würde, die er seit dem 22. April 1544 tatsächlich bekleidet hat und die mit dem Ausdruck „Bischof“ am Ende in gleichem Sinne bezeichnet werden konnte, in dem Myconius seinen Brief an Bullinger mit „Ligurinorum episcopo‘‘ adressiert.

Oder sollte nicht vielmehr der Brief Melanchthons, der ja mit Kronstadt und den Siebenbürgern seit 1542 die durch Valentin Wagner vermittelten Beziehungen pflegte, ein Stütz- punkt für die Annahme sein, daß schon 1547 wirklich ein Zusammenschluß der evangelisch gewordenen Sachsen unter einem kirchlichen Oberhaupt es wäre ja das Jahr der „Kirchenordnung aller Deutschen in Siebenbürgen‘ ernst- lich ins Auge gefaßt, aber dann wohl aus politischen Gründen vor der Hand aufgegeben wurde?

Ein hervorragender Kenner der siebenbürgischen Geschichte, Herr DDr. G. Adolf Schuller (Hermannstadt), dem ich von meinem Funde Mitteilung machte, bringt in einem Privat- briefe an mich in schöpferischer Schau mit der sondierenden Entsendung des Hermannstädter Ratsschreibers Christian

1) „Solange Honterus lebte, verkörperte er die Einheit der neuen Kirche .. . ohne den förmlichen Ruf zum Bischof war er es im besten Sinn gewesen‘ (F. Teutsch, Geschichte der evang. Kirche in Siebenbürgen I, S. 257).

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Pomarius!) nach Kronstadt eine ablehnende Haltung des Honterus gegenüber dem Gedanken der schon damals er- wogenen Errichtung eines kirchlichen Oberaufseherpostens in Zusemmenhang und läßt damit neues Licht fallen auf die Beschlüsse der sächsischen Nationsuniversität aus dem Jahre 15462) und das Schreiben Honters an den Hermannstädter Bürgermeister Martin Weyß vom 25. Februar 1547°). Der Tod des Hermannstädter Stadtpfarrers Matthias Ramser (17. Oktober 1546) hätte darnach den Anlaß gegeben, mit seiner Nachfolge die Errichtung eines kirchlichen Aufsichts- amtes in Erwägung zu ziehen. Honterus aber nahm weder an der Versammlung der ‚.gelehiteren Geistlichen‘ in Hermannstadt teil noch hielt er, offenbar im Hinblick auf die politische Lage, die Schaffung des Bischofsamtes für jetzt an der Zeit.

Allerdings ist wie gesagt, von einer Einmischung Ferdinands in die innerkirchliche Organisation des Sachsenlandes in Siebenbürgen so wenig etwas wie von einer der Türken be- kannt*); wohl aber erinnert bei Melanchthon die Rechtfertigung des Bischofsamtes vor Ferdinand an die 1543 vor Isabella und Martinuzzi angeschlagenen Töne der von Honterus für den Landtag in Weißenburg’verfaßten Apologie seines Reformatinns- werkes (nec regi adversari, ncc regno, nec animarum saluti nocere)®).

Das Rahmenschreiben des Myconius selbst aber wir teilen dessen ersten Absatz bis zur oben wiedergegebenen Stelle (De novo bello Saxonico) und den hinter 27. Decembris folgenden Schluß anmerkungsweise noch mit®) gewinnt seine 1) Vgl. Höchsmann, Johannes Honter (Wien 1896), S. 108ff. Dazu Richard Schuller, Christian Pomarius: im Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. N. F. Band 39, S. 225.

8) G. D. Teutsch, Urkundenbuch der evangelischen Landeskirche A. B. in Siebenbürgen. 1. Teil (Hermannstadt 1862), S. 4f.

3) Johannes Honterus’ ausgewählte Schriften ed. Oskar Netoliczka (Wien und Hermannstadt 1898), S. 211f.

4) F. Teutsch, Geschichte der evang. Kirche in Siebenbürgen. Band I, 8. 254.

8) Vgl. bei Netoliczka a. a. O. S. 29-46.

°) S[alutem]. Nihil respondisti hactenus ad proximas meas, quas reddidisse puto Joannem Wedenschwiler nautam. Miror, cum anxie desyderem, praesertim de Quinquelpagicis). Scribitur ex Italia, pontificem Romanum in procinctu iam esse cum illustri exercitu, ut recuperet Placentian. ZEiecisse ex sua, quantacungque est, ditione Hispanus omnes et duos cardinales Hispanos nunc ad iter, ipsius iussu, accingi. C'aesarem quoque in hoc esse, ut fillum suum, quem

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Bedeutung für die Geschichte der Reformation in Siebenbürgen als sprechender Beweis des regen Anteils, den man in der Honterusstadt Basel!) noch so lange Zeit nach der Rückkehr des Kronstädter Reformators in die Heimat (1533) an seinem Werke genommen hat. Was Melanchthon dem Myconius schreibt, ist für diesen deshalb so besonders erfreulich (apud me valde iucunda), weil es die ssapenola, den Freimut, der fernen protestantischen Brüder beweist, und daß der Basler Antistes gerade diesen Abschnitt des Melanchthonbriefes wort- wörtlich nach Zürich weitergibt, zeigt zugleich das lebendige Interesse, das er hier bei Bullinger für Honterus und die Sachsen noch fünf Jahre nach der Abfassung seines Schreibens an diesen voraussetzen kann?).

Man mag die Mitteilung Melanchthons, die zweifellos auf Nachrichten aus Siebenbürgen zurückgeht, aber, wie man sieht, offenbar bloß Beabsichtigtes schon als Geschehenes betrachtet und daran Kombinationen über die mutmaßliche politische Auswirkung anschließt, als Dichtung und Wahrheit bezeichnen. Gleichwohl bleibt es von Wert, aus den Phanta- sien, wenn man so will, des hier aus seinem Versteck hervor- geholten Briefes zu entnehmen, wie man sich die sieben- bürgischen Verhältnisse um 1547 in Wittenberg ausmalte.

So überlasse ich denn meinen Fund der weiteren wissenschaft- lichen Diskussion. Als ich bei meinen reformationsgeschicht- lichen Studien im genannten Zürcher Archiv auf die Spuren des hier veröffentlichten Briefes gestoßen war, benachrichtigte ich hiervon den besten Kenner des Bullingerbriefwechsels,

dux de Alba Genuae sit excepturus, creet regem Insubrium. Tentat magna Caesar, ut facile videamus, quo tendat in animo eius illud: Plus ultra. Si quid habes, dicito, ri liceat per ocium. (De novo bello) ... (27. Decembris). Vides mi Bullingere, quid agat Hispanicum ingenium. Concilium continust, facit libertatem dicendi quibuscungue accessuris ad concilium, imo et redeundi domum et nunc ita permittit. Aperiat oculos nobis Dominus, ut astu viri dolisque intellectis caveamus nobis per ipsum in tempore. Vale in Christo cum Gualthero et reliquis fratribus. Basileae 20. Januarii anni 1548. T[uus] O[fswaldus] M[yconius).

ı) Vgl. Netoliczka, Die Basler Beziehungen des Johannes Hon- terus (Beiträge zur Geschichte des Johannes Honterus und seiner Schriften. Kronstadt 1930, Verlag des evang. Presbyteriums A. B.) Ss. 11ff.

2) Vgl. Netoliczka, Der Bullingerbrief an Honterus: Festschrift für Bischof DDr. Friedrich Teutsch (Honterus-Buchdruckerei und Verlagsanstalt der evang. Landeskirche A. B. in Rumänien 1931) Ss. 1798.

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Herrn D. theol. Traugott Schieß in St. Gallen. Ihm war das Schreiben des Myconius natürlich keine Neuheit, und er war so freundlich, mir eine Abschrift des Originals zu überlassen, deren Lesungen ich mich vielfach anschließen durfte, wofür auch an dieser Stelle bestens gedankt sei.

Die Erörterung von Fragen der Textkritik lag nicht im Rahmen dieser Veröffentlichung, was besonders von den hier unverändert wiedergegebenen griechischen Worten gilt. Daß die Bezeichnung zg:00dovorog (8. 247, Absatz 5) die päpst- liche Tiara meint, sei nur beiläufig bemerkt.

Luther in Schmalkalden 1537.

Von Otto Clemen.

Im Jahre 1617 erschien „bey Nicol vnd Christofi Nerlich“ in Leipzig ein „Kurtzer Bericht, Wie der heilige Mann Gottes D. Martinus Lutherus in seiner Krankheit zu Schmalkalden Anno 1537 sich habe erzeiget vnd verhalten. Allen Christ- lichen Patienten, insonderheit aber denen, so am Stein dar- niederliegen, zum tröstlichen Exempel in Druck gegeben durch M. Jacobum Andream Graulium Lips., SS. Theol. Baccal.“ Über den Herausgeber war nur zu ermitteln, daß er aus Borna gebürtig war, im Winter 1600 in Leipzig immatrikuliert, am 28. 10. 1604 ebd. zum baccalaureus artium, am 29. 1. 1607 zum Magister, am 17. 6. 1613 zum baccalaureus theologiae promoviert wurde und 1618—33 die Professur der hebräischen Sprache verwaltete (Otto Kirn, Die Leipziger theologische Fakultät in fünf Jahrhunderten 1909, S. 133). Sein Interesse an der Reformationsgeschichte hat er noch dadurch betätigt, daß er 1618 die Predigt, die Luther am Sonnabend vor Pfingsten (= 24. Mai) 1539 in der Hofkapelle des Schlosses Pleißenburg in Leipzig gehalten hat, herausgab (W. A. 47, XXIII). Von diesem seltenen Druck ist ein Exemplar in der Zwickauer Ratsschulbibliothek (12. 8. 6,) vorhanden. Noch seltener ist der „Kurze Bericht‘. Ein Exemplar besitzt die Leipziger Universitätsbibliothek (V. E. S. 472,). Das Büchlein war schon 1764 ‚überaus rar‘, ‚und hat allem Anschein nach keiner von den Schriftstellern Lutheri dasselbe gesehen und sich darauf bezogen“. Friedrich Siegemund Keil fügte es daher dem 3. Teile seines Werkes ‚Des seligen Zeugen Gottes, D. Martin Luthers, merkwürdige Lebensumstände“ S. 88—104 in voll- ständigem Neudruck ein.

Graul erwähnt in seiner Widmungsvorrede an Johann Schwenkendörfer, Bürger und vornehmen Handelsmann in Leipzig, vom 28. Dezember 1617, daß „dies Tractätlein sonst nicht in Luthers Schriften gefunden‘ werde, aber nichts über seine Vorlage. Ich glaube sie gefunden zu haben. In der Wolfen- bütteler Hs. 76 Helmst., fol. 156°—171* stehen, von Johann Aurifaber geschrieben, Reden; Luthers und verschiedene Briefe

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aus der Zeit vom 19. Februar bis 13. März 1537, die der Krank- heitsgeschichte Luthers eingeordnet sind. Die Reden Luthers sind aus der Tischredenüberlieferung bekannt, jedoch lassen sich die Texte nach unserer Hs. an so vielen Stellen verbessern, daß ein vollständiger Abdruck der Abschnitte, die hier in besserem Texte erscheinen, gerechtfertigt ist. Ein paar Stücke und auch einige Briefe sind neu.

De morbo D. Martini Lutheri sub conventu Schmalkaldiano anno domini 1537.

Verba Lutheri!) in sua gravissima aegritudine, cum ex calculi doloribus decumberet Schmal- kaldiae 2. feria post Invocavit [19. Febr.).

Domine, ego morior?) inimicus tuis amicis et in excommuni- catione hostis et adversarii tui, papae, ita ut ille rursus mo- riatur in excommunicatione tua, et uterque a te iudicabitur, ille ut hostis et adversarius in destructionem et interitum, ego ut misera creatura et tamen ut confessor nominis et veritatis tuae ad salutem.

Item cum valde doleret, quod in loco tam incommodo, an- gusto et remoto a domo sua Schmalkaldiae sibi putabat mori- endum, tandem hanc tentationem pervicit inquiens: Commendo me tibi, Domine Deus, ut hora, loco et modo, qui tibi placeat, moriar.

Cumque illustrissimus princepse loannes Fridericus, dux Saxoniae elector, ad Lutherum venisset, ut aegrotantem visi- taret, excepit principem reverenter. Princeps autem Lu- therum consolabatur dicens: Unser lieber Herr Gott wird umb seines Worts und Namens willen uns gnädig sein und ihm, dem Herrn Doctor, das Leben fristen.

Ibi Lutherus iussit nos omnes astantes, qui eramus Philippus Melanchthon, Spalatinus, ego Fridericus Myconius?) et Herr Hans von Dolzig, daß wir ja fleißig beten wollten wider den großen Fürsten der Welt, den Teufel, do wäre kein Gewalt, Macht noch Kraft so stark wider, als das herzlich Gebet. Und sprach ferner: Wohlan, sterbe ich, so wird sich die Bestia, des Papsts Legat*), und die Bischofe meines Todes sehr erfreuen,

1) Das Folgende ist W. A. Tischr. 3, Nr. 3543 B, S. 391, 2. 27 S. 393, Z. 25.

8) Vgl. auch W. A. Tischr. 6, Nr. 6974.

3) Hier der klare Beweis, daß unser Bericht auf Myconius zurüok- geht. Die Stelle, die Kroker dafür anführt (S. 394, Z. 12—14), ist nicht zwingend.

4) Peter van der Vorst.

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aber sie sollen sich uber der Freude weidlich bescheißen, denn sie werden ihren Furbitter verlieren, der sie bisher fur Gott und der Welt fleißig vorbeten hat. Das wird dann aus sein und mit ihnen uber und uber gehen.

Ja ist das der Apfel Adae, der mi kann ihnen nicht verzehren? Doch Christus verzehret.

Egit deinde iterum principi gratias de tam igna visi- tatione et quod tam multa cum eo passus esset propter euan- gelium, quod ei etiam commendarit.

Princeps dixit: Ich besorge mich, lieber Herr Doctor, wenn Euch Gott hinwegnehıine, er wurde sein liebes Wort auch hin- wegnehmen. Ad haec Lutherus respondit: Ach, mein gnädig- ster Herr, es sind so viel gelahrter, getreuer Leute, die es herzlich meinen und wohl verstehen, und hoffe, Gott werde geben, daß sie daruber halten und es behalten. Das gebe der allmächtige Gott, dixit complicatis manibus.

Princeps deinde ad astantes concionatores conversus dixit: Lieben Herrn, sehet zu, daß Ihr uber dem reinen Wort Gottes haltet, daß wir mogen bei unserm lieben Herrngott bleiben. Deinde requisivit, an omnes unanimiter articulis subecrip- sissemus. Ibi respondit dominus Philippus Melanchthon, quod confessioni Augustanae et articulo de concordia in re Sacra- menti omnes subscripsissent, etiam Plaurerum!).

Priusquam abiret princeps elector, consolabatur Lutherum. Tandem adiecit: Wo es je Gottes Wille wäre, daß er ihnen hinwegnehmen wollte (das er doch nicht verhoffte), sollt er fur seın Weib und Kind nicht sorgen. Denn Euer Weib soll mein Weib, und Euer Kinder sollen meine Kinder sein.

Post abitionem principis dixit Lutherus: daß ich so krank bin, hab ich gemeinet, es sei der Luft Schuld, so ist es des Teufels Schuld, der nimpt, was er finden kann, und zuplaget mich domit. Stephanum lapidibus lapidavit. Ego etiam calculo lapidor.

Orantibus nobis et lugentibus dixit: Ach du lieber himmlischer Vater, dein Wille ist doch ja der beste und nützlichste Wille ım Himmel und auf Erden. Will mich Gott haben, so will ich gerne leben und noch tun, was ich vermag. Will er’s aber anders haben, so geschehe auch sein Wille, und ergebe mich gar in seine Gnade.

Tantum hortabatur amicos quosdam, ut suo nomine com- mendarent principi uxorem et liberos suos contra tyrannidem

im Leibe stickt, und ihnen mein Herr

1) Ambrosius Blaurer. Vgl. aber Köstlin-Kawerau, Martin Luther 2, 394 u. Schieß, Blaurer-Briefwechsel 1, 843.

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et odium Hansen Metzsch!). Der wurde sich unterstehen, den Haß und Neid, den er zu ihm getragen hätte, an dem un- schuldigen Weib und Kind zu beweisen. Haec Doctori Pon- tano?) dixit.

Ego morior in odio des Bosewichts, qui extulit se supra Deum et omne, quod colitur aut dicitur Deus, contra Christum salvatorem mundi 2).

Gratias ago tibi, Domine Deus meus, quod custodisti me ab infinitis erroribus papae et Schwermeriorum. Cumque esset in gravissimis cruciatibus calculi, dixit: heißt das stimulus carnis, der Pfahl im Fleisch®), des Teufels Keul, do er mich also durch die Spieße jaget und mein Fleisch zumartert ?

Dum metueret sibi, ne vehementia morbi etiam officium sensuum, memoriae et usum rationis corrumperet, consolabatur seipsum: Wohlan, wenn ich schon toll und töricht werde, so bleibet doch Gott klug und Christus, mein Herr, meine Weis- heit fur Gott.

Dum audisset ecclesiam pro salute sua crebris orationibus et precationibus apud Deum instare, dixit ad nos: Es ist Gott gnug gebeten, angelaufen und angeschreiet. Will er hören, so kann er’s tun, ja er wird’s tun und machen, wie es fur ihme gut ıst. Hilft es nicht mich, so hilft es doch Euch. Es wird mich aber auch helfen zu seinen Ehren.

Es’ist der calculus der Teufel, und wenn mich Gott ihme gleich furwirft und läßt mich ihnen zureißen, so wird ihnen Gott wieder zureißen, und soll mich mein Herr Christus wohl an ihme rächnen.

Folgt: Melanchthon an Georg Sturz, 20. Februar, CR 3, 269.

Georgii Spalatini literae ad Sturtiadem.

Dei gratiam et pacem in Christo! Quamvis trister merito ob eum aegrotum, humanissime Domine Doctor, cuius nomine huc Schmalkaldiam vocatus es, tamen hoc me exhilarat, quod

inter alios quoque medicinae doctores etiam tu admotus es homini digno multorum saeculorum vita. Iampridem igitur celebratione summorum virorum, praesertim regis nostri, Eobani Hessi, et optimi cuiusque motus unus rogo vehementer, ut me tuorum albo inscribas, certus me et tibi et tuis ex anime favere, tam erudito, tam pio, tam sincero amico, tam summis etiam et optimis quibusque charo. Bene vale cum tuis omnibus et literas meas his adiunctas oro ne graveris nactus fidelem

1) Über Luthers Zusammenstöße mit dem kurfürstlichen Haupt- mann u. Landvogt zu Wittenberg Hans Metzsch vgl. Köstlin-Kawerau 2, 158. 438f.

3) Dem Kanzler Brück. ?°) 2. Thess. 2, 4. +*) 2. Kor. 12, 7.

66 nuntium mittere Erfordiam. -raptim Cathedra Petri [22. Febr.] anno 1537. Georgius Spalatinus.

Dominica Reminiscere [25. Febr.]1), dum Philippus aspiciens Lutherum in lachrimas solveretur, dixit Lutherus: Hans Löser?) sie solet dicere: non esse artis bibere bonam'cerevisiam, sed malam bibere posse, hoc esse artis. Ita nunc de me cogites, discere me, ut exerceam hanc artem, ut possim etiam\in ista vitae desperatione et in istis doloribus animo esse aequo. Si bona suscepimus de manu domini, mala autem quare \non sustineamus? Dominus dedit, Dominus abstulit, sit nomen Domini benedictum®). Satis diu hunc ludum lusi contra pa- pam et Sathanam, et mirabiliter me servavit et confortavit Dominus. Cur non aequo animo autem ferrem, quod mecum pro sua voluntate agit? Tamen mors nostra nihil est ad mortem filii Dei. Deinde tot summi viri atque sanctissimi ante nos sepulti sunt, quorum consortio non sumus digni; sed si cu- pimus cum ipsis esse, sicut profecto SUPLAUM, oportebit et nos mori. Est equidem magna mecum facta mutatio, quod heri eram satis praesenti animo et satis firmus corpore, hodie, ut videtis, vires meae mirabiliter fractae sunt. Quantum mutatus ab illo*) sum, qui heri eram! Ich wäre gestern ohne alle Beschwerung uber alle Berge dahingeruscht. Sed o bone Deus, quam sumus nihil, nos et omnia nostra, etiam tunc, cum sumus omnia! Ich hätte es unserm Herrngott gerne ab- gebeten oder abgemurret, ut liceret mihi mori in terra principis mei. Sed si id non fit, quacunque hora et loco illi placet, tantum me vocet, et paratus ero, ut moriar inimicus inirıicorum Do- mini mei Christi. Etsi moriar in excommunicatione papae, papa etiam morietur in excommunicatione Christi Jhesu Do- mini mei.

Secunda feria post Reminiscere [26. Febr.]°), priusquam altera die abiremus, dixit Doctor Lutherus: Ach mein aller- liebster himmlischer Vater, du hast gesagt®): Cum clamaverit ad me, exaudiam cum. Cum ipso sum in tribulatione. Eripiam eum et glorificabo eum. Erhore doch mein Seufzen und Schreien und hilf mir!

Eodem die bekümmerte er sich heftig und hernach auch zum Tambach und zu Gotha über die arme Christenheit, daß ihr Gott ja das liebe, edele Wort des Euangelii nicht wieder nehme.

1) Das Folgende ist W. A. Tischr. 3, S. 391, Z. 4—26.

3) Vgl. über ihn W. A. Briefw. 3, 119.

?) Hiob 2, 10. 1, 21. 4) Verg. Aen. 2, 275.

s) Das Folgende ist W. A. Tischr. 3, S. 393, Z. 26 S. 394, Z. 7. e) Ps. 90, 15 vg.

. 267

Item dixit: Nonne in templis, in missis, in horis canonicis legimus, murmuravimus, cecinimus, damnavimus!) biblis ? Sed quid intelleximus? Wenn es wieder also werden soll, ach welch ein Jammer würde werden! Ich hoff aber, der jungste Tag soll darein kommen. Haec omnia plenissimis affectibus dicebat. Ach, quales erunt opiniones et contentiones, ac quisque volet elevare et tueri suam opinionem!

Tamen Romse iam est ridiculum credere animam esse immortalem. Et dixit historiam?) de duobus hano propositio- nem disputantibus, ubi papa Clemens dixit theologo: Tu quidem habes fortia et firma argumenta, sed huius philosophi sententia mihi placet, quia facit mihi bonum vultum, dum liberat me a cura futurorum. Also wird’s gehen.

Inter gravissimum vomitum Schmalkaldisae dixit: Ach du bester himmlischer Vater, wie herzlich gerne wollt ich dir auch das arme Seelchen in deine Hände aufblasen, wenn es deine Zeit und Wille wäre! Ach nimm es doch hin!

Tertia feria post Reminiscere [27. Febr.]?), Lutherus Tam- bschium venit in finibus silvae Thuringiacae positum, ubi pernoctavit. Ibi iussit Fridericum Myconium sibi legere 25. psalmum: „Dominus regit me, et nihil mihi deerit.‘“ Ibi Lutherus explicavit istum pealmum de pastore, qui habet peram cum modico pane, unde se alat, cum baculo, unde se sustentet, et clava, qua abigat lupos etc., praesente Doctore Pomerano et me Friderico Myconio®).

Narratio alia de infirmitate Schmalkaldensi ab ipso viro Dei anno 1540 recitata®).

Anno 1537 ego Lutherus Schmalkaldiae laborabam ex cal- culo cum maximo vitae periculo. Aderant multi medici et chirurgi. Ex quibus ducis Wirtembergensis chirurgus dixit: Herr Doctor Luthere, Ihr habt wohl zuzusetzen (meinete: weil ich ein großer, starker Mann wäre), man muß Euch stark an- greifen. Quare dederunt mihi allium et stercus equinum ad potandum. Ibi dixerat Lutherus: Kompt nicht wieder! Ich will lieber sterben. Medici omnino desperabant de mea vita.

Principes et status visendi et valedicendi causs me ae-

tum adeunt. Ego vero nihil aliud cupiebam quam ut ex antro diaboli educerer. Et id quoque decretum erat. Sed‘ Philippus Melanchthon®) mit seiner heillosen und schwärmeri-

1) clamavimus ?

2) Vgl. W. A. Tischr. 2, Nr. 1327. 2213. 3, Nr. 3574®.

3) Das folgende Stück ist neu. %) S. S. 253 Anm. 3. 8) Das Folgende ist W. A. 5, Nr. 5368.

°) Vgl. auch W. A. Tischr. 4, Nr. 5147.

Archiv für Reformationsgeschichte. ZXXL B/t. 17

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schen astrologia hielt mich noch einen Tag auf, denn es war novilunium. Wie er auch einmal von Prato!) nicht herein- fahren wollte über die Elbe in novilunio. Ich wollte aber nicht länger bleiben, quia nos sumus domini stellarum.

Cum igitur vectus curru iter ingressus essem versus Gotham die Lunge mane?), legatus pontificis?) putavit me mortuum esse, et eius ministri volebant me videre.. Sed Schlaginhaufen, pastor Koethensis*), qui cum principe Wolffgango Anhaltino in conventu Schmalkaldensi erat, dixit: Tu non videbis Lutherum in aeternum.

Princeps autem pro me sollicitus misit curfum plenum car- bonum et instrumentorum, ut, si opus esset in itinere, me calefacerent. In via saepe volui mingere, sed non potui ad octiduum, quia calculi obduruerant. Sed cum diverti ad pagum Tambach, edidi complures calculos, et statim per vo- mitum aliquos eieci, idque saepius feci. Sub noctem aliquoties tentavi, ut mingerem, sed nihil effeci. Tandem sentio me iterum urgeri, sed de spe tota decidi, quia toties antea frustratus eram. Admoveo igitur matulam, iterum admoveo et sentio humorem. Quare aliquot guttas mingo, et statim, Deo gratias, aliquot cantharos mingo.

Hic cum quidam in mensa Lutheri quaereret, quo medi- camine convaluisset, respondit Lutherus: Oratione, nam in omnibus ecclesiis ardentissime pro me orabant. Darumb soll man stets beten, nam Omnia consequemur oratione.

Statim emissa urina scribo ad Philippum®) et Schlagin- haufen una mitto. Is mane praeteriit aedes cardinalis et clamavit: ‚„Vivit Lutherus!“ et attulit electori laetum nuntium. Is pro euangelio ei dedit decem numismata insignita imagine electoris (Schaugroschen)®).

In itinere autem saepe optavi?), ut adesset Turca aliquis, qui me mactaret. Incolumis et robusto corpore paene in urina mea periissem, et non libenter mortuus essem praesente cardinale, ne dicerent me metu expirasse.

Haec narravit Lutherus domi suse in vigilia assumptionis Mariae [14. Aug.] anno 1540.

Folgt: Luther an Melanchthon 27. Febr., Enders 11, 205, Melanchthon an Luther [28. Febr.], Enders 11, 211.

!) Pratau.

2) 26. Febr.

2) S. S. 253 Anm. 4.

4) Vgl. über ihn Enders, Luthers Briefwechsel 6, 207%. 5) Enders 11, 206.

*) Vgl. den bei Enders 11, 207° angeführten Rechnungsposten. ?) Vgl. W. A. Tischr. 5, Nr. 5605.

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Cum Lutherus Gotham venisset!) et in cena de episcopis nostri temporis incidisset mentio, dixit Lutherus: Quid, si

iquis quaerat, cum Carolus primus sive magnus, deinde

tones et Heinricus, qui in Germania episcopatus funda- v t, in eum finem instituerint episcopos, ut essent pastores, doctores et praedicatores euangelii et doctrinae Christi, deinde, ut scholas promoverent, tum, ut pauperes alerentur et essent patres parochorum, ipsi autem haec omnia invertunt et oppri- munt doctrinam, pastores, doctores, pauperes et tamen interim utuntur titulis et officiis, hic quaeritur itaque, an sint possessores bonae fidei et iniuria illis fiat, si deponantur ab officiis et bona ecclesiae liberentur a talibus possessoribus, et an prin- cipes, in quorum ditionibus haec bona sint, hoc facere debeant, cum papa dolo irrepserit in feudum bonorum illorum.

Gothae 4. feria post Reminiscere [28. Febr.]?) iterum Lu- therus confessus est peccata sua Doctori Pomerano et accepit absolutionem. Et mane dixit: Ich legte mich nächten?) nieder der Meinung, ich sollte heute ein funus sein. So ist es noch nicht Gottes Wille. Wohlan, Vater, dein Wille geschehe!

Folgt: Melanchthon an Bugenhagen, CR 3, 290, als an My- conius; Kurfürst Johann Friedrich an Georg Sturz, 28. Febr., Keil S. 100 und 6224), Melanchthon an Johann Lang, CR 3, 325, Keil S. 103 und 627.

Gothae Lutherus in gravissimum morbum rursus incidit.

Qumta igitur et sexta feria [29. und 30. Febr.]°) egit Lu- therus cum Friderico Miconio de sua sepultura Gothae, et gratias egit Deo, quod ıbi deberet mori et sepeliri. Sed ego respondi me meliora sperare, tamen etiam si moreretur, velle se curare(!), ut Wittenbergae in ecclesia, ex qua fons verbi divini profluxisset in orbem terrarum, sepeliretur.

Folgt: Luther an Käte 27. Febr. als aus Tambach, Enders 11, 207.

Legatus pontificis®) non est admissus neque in conspectum electoris neque Doctoris Martini Lutheri. Sed acriter illum

1) Das Folgende ist W. A. Tischr. 3, S. 394, 2. 22—31.

2) Das Folgende ist ebd. 2. 8—11. 3) gestern abend.

4) Tags zuvor hatte der Kurfürst an Bugenhagen, Sturz, Spalatin u. Myconius einen Kollektivbrief gesandt: Kolde, Analecta Lutherana S. 289.

$) Das Folgende ist W. A. Tischr. 3, S. 394, Z. 12—15. Vgl. Luther an Myconius 27. Juli. Enders 11, 251, 14f.

©) Das Folgende ist W. A. Tischr. 3, Nr. 3545. Das Stück wird aber erst jetzt recht verständlich, wo als Subjekt zu corripuerunt, contempserunt u. confutarunt die kurfürstlichen Räte erscheinen.

17*

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consiliarii electoris corripuerunt, qua autoritate ipse Erfordiae in fundo electoris ausus fuisset confirmare pueros; sed cum suam legationem proposuisset: primo papam esse caput orbis totius iure omnino asseruit, secundo, quod iure divino utrum- que gladium gestaret, tertio, quod necessarium esset ad salu- tem haec credere, illum plane contempserunt nihil illi respon- dentes, sed illos tres articulos confutarunt.

Folgt: Luthers I. Testament mit Bugenhagens Aufschrift, Enders 11, 208.

D. Martinus Luther sagete hernacher anno 1546 zu Eisleben!), eher dann er starb: Ich bin in meinem Leben des Papsts Friede- schild noch gewesen. Aber nach mir wird einer komınen, der wird den papistischen Pfaffen seine Platte mit einer stumpfen Sichel?) scheren, daß das Blut wird hernacher gehen.

Acta inter reverendum patrem nostrum Doctorem Martinum Lutherum ac Martinum Bucerum Argen- tinensem et Lycosthenem Augustinensem in causa eucharistise feria 5 post Reminiscere [l. März] 1537 in sedibus lIoannis Oswaldi, quaestoris Gothanae(!) = W. A. Tischr. 3, Nr. 3544®).

Ad haec Bucerus respondit: De candore et animo Lutheri se nihil unquam dubitasse, et iam neminem apud suos et Helvetios, maxime qui sunt paulo prudentiores et cordatiores, dubitare. Se explicuisse, quod non intellexerit, ut sic res sibi olim obecura fuerit clarior. et hoc debere se uni Luthero. Se revocasse verbo, scripto et voce, ubi errarit, sicut vere erravit in quibusdam, neque se hoc urgere apud quenquam, quod Lutherus se suosque non intellexerit aut quod iam ipsorum sententiam concesserint nostri. Nihil dubitaret de simplici probitate suorum hominum. Se, quantum fieri possit, daturos

Vgl. Vizekanzler Franz Burkhardt an Spalatin, Schmalkalden, 3. März, Kolde, 8. 300f.: De Pontificio nuncio coram. Erst autem tam placidus quam ovis, cum responsum nostrum, in quo graviter recusatur pon- tifex Romanus, acciperet. Ac statuit hodie hinc Gotham et postes inde ad ducem Georgium proficisci.

1) Dieses Stück ist neu.

®) Vgl. das 20. Bild in dem von Hans Guldenmund in Nürnberg gedruckten Werkchen ‚‚Eyn wunderliche Weyssagung von dem Babstumb, wie es yhm biß an das endt der welt gehen sol, ... . (Ztschr. f. Kirchengesch. 48, 378f.)

®) Vgl. Köstlin-Kawerau 2, 351f. Das Folgende ist neu. Ich habe offenbare Fehler in Aurifabers Abschrift stillschweigend ver- bessert.

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operam, ut certissime et explicatissime dicant. Debuisse tantum crassos illos vulgi intellectus et abusus papisticos de transsubstantiatione deque crassa et experimentali praesentia Christi reprobare et explicare etc. Sperare se, quod utrimque ad plenam concordiam essemus perventuri. lam se suosque ecclesias illas habere commendatas. Rogabat, ut, si quando convalesceret, scriberet!). Iam enim, quicquid Lutherus scri- beret, studiosissime apud suos legeretur, et eum tanquam patrem et apostolum, per quem Deus dedisset, revererentur et observarent.

Lutherus pollicebatur, si convalesceret, se scripto inservi- turum Helvetiis et superioris Germaniae ecclesiae. Laudavit, quod Wittenbergae pure de hac sententia de sacramento praedicasset et satisfecisset ecclesiae?).

Post hacc datis dextris discessun. Et Lutherus facta super eos cruce benedixit illis.

Deinde invitati ad cenam nobiscun hilariter cenarunt et lussi sunt salutare fratres.

Feria sexta post Reminiscere [2. März] reverendus pater noster D. Martinus Lutherus Bucerum et Lycosthenem abi- turos benedicens rogavit,-ut Christum fideliter sequerentur. Ita dimisit Schmalkaldianı reversuros.

Haec praesente Friderico Myconio et Bonifacio Lycosthene Augustano peracta sunt.

Literae Martini Buceri ad Georgium Spalatinum.

S. P. Mandatunı habeo, vir observandissıme, ecclesiarum ducatus Bipontini, comitatus Wilhelmi a Fürstenberg, oppi- dorunı Ulmae, Memmingae, Isnae, Bibraci, Campoduni?) in Suevis, apud nos Gengenbachi, Weissenburgi, Landaviae, item 21 parochiarunı in C'hrechau®), item in Helvetiis Bernensium, Tigurinorun, qui ambo amplissimas Jditiones habent, Basilien- sim, Schaffhusianorum, Sanctgalliensium, Mulhusianorunı, qui et ipsi suas ditiones habent, etsi non tanı amplas ut Bernenses et Tigurini. Optime vale et saluta meis verbis nostros.

Precor Domino Doctori Luthero, patri nostro, valetudinem melioren.. Incumbam etiam vero zelo Christi in hoc, ut quam phırimos domino Christo adducanıus. Positi in hoc sumus. ut

1) Luther schrieb erst am 1. Dez. (Enders 11, 173°. 2951).

2) Ist Bucer in Wittenberg gewesen, nachdem Luther nach Schmal- kalden abgereist war? Etwa zusammen mit dem Straßburger und dem Baseler Boten, der das Schreiben der Schweizer Geistlichen vom 12. Jan. überbrachte (Enders 11. 1731)?

*t) Kempten.

I Kreiehzan.

262 uam plurimum fructus Christo adferamus, qui permaneant!). Schmalkaldiae sabbato post Invocavit [24. Febr.] anno 1537.

Martinus Bucerus.

. Folgt: Kurfürst an Sturz, 2. März, Keil S. 102 und 625. Epistola Iusti Ionae Doctoris ad Fridericum Mi- conium.

Dei gratiam et pacem per Christum! Deo sit gratia et laus, charissime Domine Friderice! Reverendus et charissimus pater noster D. Martinus Lutherus in dies et horas melius habet. Suaviter etiam proxima nocte dormivit, incolumis et sanus, nisi quod calculo adhuc premitur. Hac ut spero hora aut ad duodecimam meridianam una cum ipso Vinariam pro- ficiscimur hoc cupiente et volente. Hoc domino vicecancellario?) et reliquis dicas et tuae etiam ante omnia dulcissimae coniugi. Bene vale et pro nobis ora! Cursim inter prandium mensis nondum sublatis Erfordiae feria 3 post Oculi [6. März].

Justus Ionas D. Ioannes Langus Erfordiensis te salutat. Georgius Spalatimus pro notario subscripsit, quia per alios exclusus.

Ex Vinaria Lutherus una cum Doctore Pomerano, D. Tusto Iona et Georgio Spalatino Wittenbergam versus profectus est et per Altenburgum iter fecit. Et ex conventu Schmalkaldensi reversus in aedes Georgii Spalatini statim hoc epigramma scripeit cum creta ad parietem:

Christus in infirmo venit hic, Spalatine, Luthero .. . . (= W. A. 35, 602). Cumque D. M. Lutherus ab Aldenburgo Grimmam veheretur paulatimque vires colligeret?), in curru complexus est tetrasticho summam 23. psalmi:

Ipse Deus pastor meus est, nil deficiet me... (= W. A. ebd... BRecte meditatus est hunc psalmum piissimus pater. Nam Grimmae satis commode dormivit et cibos minus fasti- divit. Vide autem, quam apte hoc epigrammate quamquam brevi summam psalmi complexus sit.

T.utherus de lectisterniis Hessiacis:

Hospes ab Hessiacis, quantum potes, aufuge lectis (= Enders 11, 206).

Epigramma Philippi Melanchtonis, ex conventu Schmal- kaldensi revertentis, ad Georgium Spalatinum, cum in itinere comitem haberet virginem Magdalenam, neptem D. Lutheri

!) Vgl. Joh. 6, 27. 2) Franz Burkhard. >) Vgl. Melanchthon an Lang, Grinma 13. März, CR 3, 326.

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ex sorore!), quam in curru reliquit conscensa rheda, ut Lu- therum et reliquos praeverteret, quos hospitio erat excepturus:

Qualis luce nova cum primum cornua complet ... (=COR 10, 549). Dominica Iudica [13. März] D. Martinus Lutherus mentionem fecit in cena superbissimi fastus legati papae ... (= W. A. Tischr. 3, Nr. 3546).

Was man mit dem päpstlichen Orator, dem Bi- schof Aquensi?), zu Gotha hat handeln sollen, an die Räte zu Gotha des Kurfürsten zu Sachsen Schreiben.

Von Gottes Gnaden Johanns Friedrich, Herzog zu Sachsen und Kurfürst.

Hochgelahrte lieben Räte und Getreuen! Wir sind bericht worden, wie daß der päpstlich Nuntius jüngsten, als er zu Erfort gewesen, Firmung und allerlei wider Gottes Wort zu üben sich unterstanden haben soll. Und nachdem aber ge- dachter Nuntius heute von hinnen seinen Weg nach Gotha und Erfort zu ziehen genommen und vielleicht zu Gotha benachten wird, so ist von uns und unsers freundlichen lieben Bruders Herzog Johann Ernsten wegen unser Begehren, Ihr wollet ge- dachtem päpstlichen Nuntio von unsertwegen anzeigen, wo er unser Geleit durch unser und gedachts unsers lieben Bruders Fürstentumb und Lande zu haben gedenkt, daß er sich des Firmens, Predigens und anders, das unser christlichen Lehr und Konfession zuwider, darinnen enthalten solle. Dann wo er sich solches uber diese unser Vorwarnung unterstehen wurde, wären wir nit bedacht, ihnen in unsern Landen und Furstentumen zu vergeleiten lassen, und mochte daruber seine Ebenteuer bestehen. Das wollten wir Euch nicht vorhalten, und tut daran unser Meinung. Datum Schmalkaldt Sonn- abends nach Reminiscere [3. März] anno 1537.

Den hochgelahrten unsern Räten und lieben Getreuen itzo zu Gotha. Cito.

1) Lene Kaufmann. 8) Peter van der Vorst war Bischof von Acqui.

Ein Gutachten Dr. Caspar Peucers über die politische Lage der reformierten Ge- biete Deutschlands im Jahre 1594.

Mitgeteilt durch Karl Wolf.

Aus den beiden letzten Lebensjahrzehnten Caspar Peucers sind wenig Nachrichten auf uns gekommen. Es wird von seinem friedlichen Leben am anhaltischen Hofe zu Dessau, in Kassel und Heidelberg berichtet, als ob der aus seiner Haft befreite ehemalige vertraute Ratgeber des Kurfürsten August von Sachsen, der maßgebenden Einfluß auf die kirchenpoli- tische Gesinnung seines Fürsten ausübte, sich jeder Tätigkeit auf dem schwierigen Felde der Politik, für die Ausbreitung seiner religiösen Überzeugungen enthalten, als ob er sich nur der Ausübung seiner ärztlicheu Kunst gewidmet habe. Da ihm aber infolge seines Umgangs mit den führenden Männern der Reformation, deren Ansichten in wichtigen kirchlichen Fragen ihm bekannt geworden waren, ‚‚dieweil er bei seinem Schwager Melanchthon auch Luthero selbst und andern ge- lehrten leuten viel dinge erfahren, die etwa andere, die sich hoch ausgeben, etwa nicht gesehen haben‘, da ihn seine Stellung am kursächsischen Hofe eine entscheidende Stellung in der Politik der nachreformatorischen Zeit zugebracht hatte, so konnte es nicht ausbleiben, daß seine Hilfe noch einmal angerufen wurde, als es galt, in kritischer Zeit den Bestand der reformierten Kirche in Deutschland gegen die Angriffe von lutherischer und katholischer Seite durch den Beweis über die Zugehörigkeit der reformierten Reichsstände zu denen der Augsburger Konfession und damit über die Rechtmäßigkeit ihres Anspruchs, der Vorteile des Religions- friedens teilhaftig zu sein, zu sichern.

Eine solche Krisis war i. J. 1592 eingetreten, als durch den Tod des Kurfürsten Christian von Sachsen im September 1591 und den bald darauf folgenden des Pfalzgrafen Johann Casimir, des Administrators der Kurpfalz, die verheißungs- voll begonnenen Unionsverhandlungen zu Torgau aufgegeben werden mußten und sich !m Gegensatz zu ihnen infolge des

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mit erneutem Eifer aufgenommenen Kampfes der lutherischen Heißsporne gegen die ‚„Sakramentierer‘‘ das Ende des Cal- vinismus in der Kurpfalz und damit in allen andern Terri- torien besiegelt zu sein schien. Die beiden Leiter der kur- pfälzischen Politik während der ersten Regierungsjahre des jungen Friedrich IV., der Großhofmeister Ludwig von Witgen- stein und sein Berater, der Graf Johann der Ältere von Nassau- Dillenburg, denen zum größten Teil die Rettung der Pfälzer reformierten Kirche zuzuschreiben ist, wollten den am Hofe des Landgrafen Wilhelm von Hessen als Leibarzt tätigen Dr. Peucer mit der Abfassung einer auf den Akten beruhenden Schrift über die Entwicklung des Abendmahlsstreites von der Auseinandersetzung Luthers mit Karlstadt an beauftragen, wozu aber Landgraf Wilhelm von Hessen die Genehmigung verweigerte. Ihm war alles Theologengezänk zuwider, und der nach Frieden und Ruhe sich sehnende Fürst befürchtete, daß die Verteidigungsschrift eine Flut von gegnerischen Schriften herauslocken würde. Er gab aber dem Gelehrten Urlaub, als der Großhofmeister ihn sich erbat, angeblich, um mit ihm Angelegenheiten der Heidelberger Universität zu besprechen. Bei dem Aufenthalt in der Neckarstadt erbot sich Peucer, die gewünschte Schrift zu verfassen, gegebenen- falls an die Universität als Dozent überzusiedeln.

Dieser Auftrag für Peucer war ein Glied in der Kette von Maßnahmen, die notwendig erschienen waren, um der Kur- pfalz die reformierte Lehre zu sichern, seitdem Graf Ludwig unter Hintanstellung seiner eigenen Interessen an die Spitze der Regierung getreten war, und die in der Abweisung der Ansprüche des lutherischen Pfalzgrafen Reichard, der die Administration auf sieben Jahre begehrte, in der zeitweiligen militärischen Besetzung der Rheinpfalz durch nassauische Truppen, in wiederholten Versuchen, die Unionspolitik Johann Casımirs wieder zu betreiben, sowie in der Verheiratung des Kurfürsten mit einer Prinzessin, die sich zur ‚wahren, allein auf Gottes Wort begründeten Religion‘ bekannte, bestanden.

Veranlaßt war der Plan, eine solche ausführliche Beweis- schrift herauszugeben, durch das Erscheinen, von ‚Pam- phleten‘‘ auf der Fastenmesse zu Frankfurt ı. J. 1592, in denen neben Schmähungen gegen die Reformierten die Be- hauptung zu beweisen versucht wurde, daß die Reformierten nicht der Vorteile des Augsburger Religionsfriedens teilhaftig seien. Seit zehn Jahren versuchten die beiden befreundeten und verwandten Grafen, durch kriegerische Mittel wie im Kölner Krieg des Erzbischofs Gebhardt, oder durch per- sönliche Beeinflussung ihr weitgestecktes Ziel zu erreichen, ein einheitliches Gebiet reformierter Staaten von den Grenzen

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der Niederlande bis an die Schweiz auf deutschem Boden herzustellen und durch die Verbindung mit den angrenzenden ausländischen Mächten die Vorherrschaft ihres Glaubens in Europa zu erreichen, mindestens der katholischen Liga eine ebenbürtige Macht gegenüberzustellen.

Von allen Seiten bedrängt, da der Kaiser mit der Belehnung des jungen Kurfürsten zögerte, die Umtriebe der mächtigen lutherischen Fürsten abgewehrt werden mußten, hatten die Lenker der pfälzischen Politik zwei Jahre hindurch nach dem Tode des sehr aktiven Pfalzgrafen Johann Casimir eine zuwartende Haltung einnehmen müssen. Nur die in der Ge- schichte der Reformation öfters als erwünschtes Rettungs- mittel bedeutsam gewordene Türkengefahr ließ die Hoffnung im Heidelberger Oberrat nicht schwinden, daß der Kaiser doch endlich die Belehnung gewähren müsse. Finanzielle Sorgen veranlaßten diesen i. J. 1593, seine Scheu vor direkten Verhandlungen mit den Reichsfürsten auf einem Reichstage zu überwinden und eine Reichsversammlung für das nächste Jahr zusammenzuberufen, damit ihm eine ausreichende Türkenhilfe gewährt werden würde. Wenn sein Werben Erfolg haben sollte, so mußte der Kaiser zunächst dem pfälzischen Thronfolger die Regalien verleihen.

Um auf alle Fälle gut vorbereitet zu sein, hatte dessen Oberrat den Grafen Johann von Nassau und Dr. Peucer mit der Ausarbeitung je eines Gutachtens über die politische Lage beauftragt und diesen besonders angewiesen, die recht- liche Lage der Reformierten im Reich darzulegen. War es Peucer bisher nicht gelungen, da er das notwendige Akten- material nicht erhalten konnte, eine Geschichte des Abend- mahlstreites ab ovo zu verfassen und so die Nichtigkeit der lutherischen Behauptungen zu erweisen, so zeigte er in dem Gutachten, daß die Besorgnisse der kurfürstlichen Regierung wegen der Zugehörigkeit der Reformierten zu den durch den Religionsfrieden geduldeten Evangelischen unnötig seien, in- dem er neben einem Überblick über die ihnen günstige poli- tische Lage ın Europa eine Schilderung der Ereignisse des Reichstages vom Jahre 1566 gab, auf dem dem Kurfürsten Friedrich dem Frommen der Schutz des Augsburger Religions- friedens von Kaiser und Fürsten infolge der unerwarteten Unterstützung seines Standpunktes durch den Kurfürsten August von Sachsen zugesprochen worden war. Peucers Gutachten ist deshalb von Interesse, weil es wohl die rechte Deutung für diesen in seinen Motiven bisher nicht verstandenen Stellungswechsel des Gegners der Reformierten vermittelt.

Die Sinnesänderung des Kurfürsten ist nach den in der Denkschrift niedergelegten Ausführungen auf eine Einwirkung

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Peucers selbst zurückzuführen. Wenn sein Name auch nicht genannt wird, so erhellt diese Tatsache doch aus dem Inhalt der Darstellung. Von alter Hand, wohl von einem hessen- kasselschen Rate, dem das Schreiben i. J. 1592 vorgelegen hat, ist an der Stelle, an der von der Einwirkung auf den Kurfürsten die Rede ist, der Name Peucers an den Rand geschrieben.

Die Denkschrift befindet sich in Abschrift bei den Akten des Reichstags vom Jahre 1594 im Staatsarchiv Marburg. Der Verfassername ist nicht unterzeichnet, doch ist die Herkunft der Denkschrift aus Peucers Feder außer durch den Inhalt, durch die über den Verfasser zwischen Graf Johann von Nassau, Graf Ludwig von Witgenstein und der kurpfälzischen Regierung geführten Korrespondenz zu erweisen!). |

Durchleuchtigster Hochgeborener Churfürst! E. Churf. Gn. sein mein underthenigste schuldige und willige dinste zuforn. Gnedigster Churfürst u. her, wiewol ich gern vorlengst emp- fangenen gnedigsten bevehlich nach meine gering fügig be- dencken, wie denjenigen, so unsere wahre in Gottes wort gegründete glaubensbekantnus von der Augspurgischen Con- fession abzusondern u.-die bekenner derselben aus dem Reli- gionsfriede zuschließen understehen möchten, zu begegnen, uffs papir gebracht u. E. churf. Gn. unterthenigst uberschickt ' hette, so hat es mir doch an den darzu gehörigen Reichs- Religions Acten u. handelungen, die vorher u. gleich nach Anno 30 zu Augspurg uberreichter Confession vorgangen sein, gemangelt. Dan will man den Evangelischen, so uns zuwieder u. sich selbst Lutherisch nennen, auch den Papisten, die sich : mit den Lutherischen wieder uns dieses orts wie Herodes und Pilatus über Christum vergleichen, das maull recht stopfen, muß man sie hinter sich in die zeit führen, da durch gnedige schickung des Allmechtigen die päpstischen greuel u. ab- göttereien in Deutzschlandt entdeckt u. durch Lutherum u. andere die warheit göttliches worts wieder ans licht gebracht worden, ja man muß mit allem vleis herfürsuchen, was dazu- mahl von den Evangelischen gelehrt, worauf sie ihr Lehr gegründet, woher der Sacramentstreit erstlich entstanden, warumb der 10. Articull in der Confessio Augustana ao. 30 uff so gar gut päpstisch gesetzt u. wie derselbe hernacher von den Auctoren selbst erclert, der entstandene Sacramentstreit vergleichendt u. hernacher wiederumb verwürt worden. Dan

ı) Vgl. Wolf, Die Sicherung des reformierten Bekenntnisses in der Kurpfalz i. J. 1592 in Zeitschr. f. d. Geschichte des Oberrheins 1934, 3. Heft.

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wan das geschieht, wirt menniglich aus den vorgangenen handlungen selbst sehen u. greifen, das zum theil von wegen dazumahl noch vorhandenen papistischen werks von der wesentlichen verwandlung der brote in den leib Christi oder dessen verbergung under der gestalt des brots, zum theil auß furcht u. kleinmütigkeit die Aug. Conf. im zehenden articul also gestellt, damit so viel als immer müglich, der Kay. Maytt. u. den Papisten, denen es fürnehmblich umb das Messopfer zu thun gewesen, offension u. verbitterung verhutet u. die dazumal besorgte höchste gefahr abgewendet wurde, ja man wirt auch befinden, daß auß mißverstandt, da einer des andern meinung nicht recht eingenommen, der Sacrament streit entstanden, aber hernach durch zwischen den Evange- lischen beiderseits ervolgte erclerung wieder uffgehoben. Obwol dieselbe hernacher auß haß u. neidt erneuert worden, das doch die sächsischen Theologen nicht alle damit zufrieden, ja Luthero selbst letzlich leidt gewesen sey, wie man dan darauf in rechtem verstande der lehre fast einig u. aber von wegen underschiedlicher art zu reden, mehr in den worten als in der sacher selbst streitig geblieben biß zu unsern zeiten die Übiquitisten mit ihrem abscheulichen Gottes wort u. den uhralten symbolis auch der A. C. selbst ganz zuwieder, allenthalbenheit des leibes Christi herfürkommen u. in der- selbigen das fundament der kegenwart Christi in heiligen abentmahl gesetzt haben. Nun mangelt es auch noch an solchen acten u. handlungen. Darumb ich auch in diesem geschefite eine solche schrift, wie ich mir vorgenommen hatte, nicht zu fertigen weiß.

Ich halte auch genzlichen darfür, das E.ch. gn. bey dem negst vorstehenden Reichstage sieh keines streits oder be- schwerung der Religion halben zu befahren habe, dan es sein itziger zeit, wie ich genzlich dafür halte, keine evgelische chur oder fürsten, die solche sache gegen E. ch. gn. erregen werden, und da schon einer oder mehr vorhanden, der einen oder der andern Religion zugethan u. verwandt, die sich eines solchen gelusten lassen wurden, so werde doch die zeit, ohne deren zustimmung alle anschläge vergeblich sein, mit ihren gedanken nicht übereinstimmen oder übereinschlagen. Es seindt diejenigen fürsten, die solche handlung, so wieder E. ch. gn. geliebten hern altvater....... . a0 66 zu Augsburg fürgenommen worden, angestiftet haben oder darzu sich mißbrauchen lassen, lange darmit schwanger gangen, wie solches uff den ao 6l zu Neuburg gehaltenen tage tı. gleich hernacher je lenger je mehr vermerkt worden, auch E. ch. gn. hern altvatter unverborgen gewesen. Darumb S. ch. gn. vor angeregten reichstag durch schiekung u. schreibung dieselben

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erinnert u. vermahnt, uff bevorstehender reichsversamblung sich für allen trennungen zu hüten, wieder den papistischen haufen für einen man zu stehen u. der ungleichen verstandt in wenig Religionspuncten davon nicht abhalten zu lassen, wie solches die bey E. ch. gn. canzley vorhandene acta auß- weisten u. dieselben fürsten zu solcher handlung bewegte, stelle ich an seinen ort. Soviel aber ist mir bewust, das weilandt Landtgraf Wilhelm, herzog Christoff zu Wirttenberg von solchem beginnen abgemahnt, doch letzlich gebeten, da E. ch. gn. her altvatter der Religion halben entsetzt werden sollte, das doch dieselbe E. eh. gn. her vatter möchte verbleiben u. keinem dritten möchte zu theil werden.

Nun seindt itzt, Gott lob, meines verhoffens, keine chur- oder fürsten, vor denen E. ch. gn. sich eines solchen haben zu befahren. Die benachbarte sein anders gesinnet, als sie dazumal waren. So bedarf das chur u. fürstliche hauß Branden- burg E. ch. gn. favor, hilf u. beistandts u. erfordert nicht allein aller Evangelischen churfürsten u. stende, sondern auch in sinderheit des haußes Brandenburg notturft, das bey vorseiendem Reichstag unter den Evangelischen ale trennung verhutet und so viel immer müglich der ein man gegen den päpstischen haufen gemacht u. gehalten werde, also daß auch die zeit mit solchen practiken, da schon einer vorhanden sein sollte, der zu E. ch. gn. lust hette, mit einschlagen oder mit dergleichen practiken übereinstimmen thut u. solches umb so viel desto weniger, dieweil die kays. Maytt. u. die papistischen izt viel einen andern scopum haben, als sie ao 66 gehabt. Dan dazumall sein sie damit umbgangen, wie sie in E. ch. gn. hern altvatters persohn die französische, niederländische u. alle andere außBländische kirchen verdammen, dem könig zu Frankreich u. Spanien wieder ihre underthanen gleichsamb publici imperii decreto armiren u. nach under- drückung E. ch. gn. hern altvatters den auslendischen kirchen nicht alleine alle hulf u. beistandt auß Deutschlandt ab- stricken, sondern auch die andern evangelischen chur u. fürsten zu derselben verfolgung u. unterdruckung uffbringen möchten.

Zu welchem ende denn die condemnatio E. ch. gn. hern Altvatters von dem Nuncio pontificio, legato gallico et hispa- nico mit allem ernst uff mehrbesagtem Reichstag regiert u. getrieben worden, itzt aber dieweil‘Papst, Spanien u. der ganze päpstliche hauf sehen, daß sie durch den krieg der Niederlandt, die am allermeisten die vortsetzung ihrer an- u. ratschläge verhindern, nicht mechtig werden können, auch in Frankreich nicht also gehen will, wie es die ubel genante sancta liga in ihrem blutdurstigen rath beschloßen hatte

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u. gern sdhen wolte, so wollen sie die löwenhaut mit einem fuchspelz, wie (sie) solches meisterlich können, uff eine zeit- lang bedecken u. was sie durch den krieg bey den Niederlanden nicht haben können erhalten, durch einen frieden, den doch der Papst jederzeit, wenng ihm geliebt, wie man in Frankreich zu mehrmalen erfahren, wieder uffheben kan, zu wege bringen. Solches aber würde ihnen ganz u. gar feilen, wan sie E. ch. gn. itzt der Religion halber sollten zusetzen. Dan wie kunten sie die Niederlender bereden, daß sie der Religion halben, ohne deren freylassung u. versicherung sie nimmermehr friede machen werden, gesichert sein sollen, wenn sie hören wurden, das eben von wegen der Religion, darzu auch sie sich bekennen, man churfürsten des reichs auß dem religionsfrieden zu schließen sich understunden. Derwegen ich nicht glauben kan, das E. ch. gn. bey negst vorseiendem reichstage sich der Religion halben ichtes zu befahren habe, in welchen ge- dancken mich auch sterken thut, das in kayserlichem auß- schreiben zum reichstag die Religion mit’ keinem wort gedacht ist, wie hierbevoren ao. 66 geschehen ist. Ich halte aber vor gewiß, wenn die gelegenheit den Papisten an die handt gehen wirt u. die zeit u. andere umbstende mit ihren practiken ein- ‚schlagen, sie werdens mit E. ch. gn. anfangen, da sie es mit dem hern altvatter gelaßen. Wer daran zweiffelt, der weiß nichts von den sachen, die nach dem durch Gottes gnedigen segen wiederumb bey unsern zeiten herfürgebrachtem lichte des evangeliums furgangen. Er kent den teuffel u. stadthalter zu Rohm auch nicht. Dan die haben ihnen sampt ihrem

furgenommen, die Religion in Deutschland under- zutrucken, es koste, was es wolle, wan [alles] auch darüber zu trummern gehen solte. Sie können auch als feinde u. mörder Christi u. seiner glieder nicht anders thun, u. man siehet es doch augenscheinlich an demjenigen, was in Frankreich nun- mehr in die 33 u. in Niederlande in die 28 jahr vorgangen- ist, auch wan man weiter hinter sich gehen u. aff unsere eigene sachen kommen will, auß dem religionskriege, der in Deutsch- land ao 46 von Carolo V. gefuhrt worden, welchen krieg Carolus gleichwohl sicher angefangen hätte, wan die zeit u. gelegenheit solches hette leiden wollen. Dann nachdem er ao 25 (!) den Papst zu Rohm gefangen u. die Franzosen zu Neapolis ab- ziehen mußen u. darauf mit den Franzosen u. dem. Papst friedt gemacht, hat er sich mit ihnen zu Barcelona ao. 30 den 28. Juni verglichen, die Lutherischen, wan sie von der lehr nicht in der gute wolten abstehen, mit dem schwerte zu bekämpfen. Der meinung ist auch J. kays. Maytt. auß Hispanien gen Deutzschland kommen u. zu dem ende den Reichstag ao. 30 gein Augspurg ausgeschrieben, uff welchem

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die Lutherischen solten vermahnet werden, von ihrer lehre abzustehen, oder da sie solches nicht thun wolten, der krieg wieder sie geschloßen werden. Das erste ist mit allem ernst u. offentlicher bedrewung u. thätligkeit geschehen, wie Augu- stanae confessionis historia Chytraei außweißet. Das andere ist wegen des Turcken einbrechen in das königreich Hungern u. dan auch darum verblieben, dieweil dazumahl die geist- lichen chur u. fürsten u. andere papistische Stende nicht so heftige feinde der warheit gewesen, als sie seithero durch der Jesuiter vorlügens (?) worden sein, u. ist solch vornehmen auß mangel rechter u. bequemer gelegenheit biß auf das 46. jahr, da der papistische theil auch etliche auß den Evan- gelischen uff seine seiten gebracht, anstehen ließen. Ob nun wol der außgang desselben kriegs sehr beschwerlich gewesen u. die Papisten durch das vermaledeyte ao. 48 im reich publi- cirte Interim die reine lehr des Evangelii zu dempfen verhoffet, so hat es doch Gott der allmechtige anders geschickt u. die lehre des Evangelii wunderbarlich erhalten, welches nicht der feinde gutigkeit u. milde, sondern Gottes gnedigem segen zuzuschreiben ist. Es ist auch seither durch allerhand practiken versucht worden, wie man Deutzschland zukommen u. die Religion dempfen möchte, damit man auch noch den heutigen tag umbgehet u. an den vielfeltigen unleidenlichen verfol- gungen der armen evangelischen underthanen, die under den papistischen stenden sitzen, auch der geringen evangelischen stenden greifflich abzunehmen hat, damit meines erachtens die päpstlichen genugsamb zu erkennen geben, wan sie nur gelegenheit hetten, auch gegen die hohen stende dergleichen furzunehmen, das sie nicht wurden underlassen. Dan der teufiel, Papst u. ihr anhang laßen von art nicht, weichen von ihrem intent u. scopo nicht, sondern wenn es auf einem weg nicht gehen will, versuchen sie es auf nem andern, und dieweil sie wißen, das es ihnen unmuglich, wan die evange- lische deutzsche chur u. fürsten einig sein, befleißen sie sich trennungen under denselben anzurichten, oder da sie sich selbst trennen, solche trennung mit sonderm vleiß nach des Gravellani Carolo V.. gegebenen rath zu foviren, welches man gleich bey dem ao 30 zu Augspurg furgewesenen reichstag, inmaßen obgemeldete Chytraei historia zu erkennen gibt, zu thun angefangen, da man die protestirende fursten gegen die vier stätten, diweil sie im articulo des heiligen abentmahls des hern der sache nicht mit den fursten eins waren, zu ver- hetzen, auch ihre hulf zu unterdruckung derselben zu wege zu bringen understanden hat, inmaßen solthes obberuhrte historia u. dazumal gemachte u. publicirte Reichsabschiede außweißen thut. Man hat es auch hernacher mit sonderm

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vleiß practicirt, wie die uffwickelung u. verhetzung herzogs Moritzen zu Sachsen gegen den frommen churfursten Johann Friedrich, ohn das es Carolo V. schwer gefallen sein. S. ch. gn. mechtig zu werden, genugsam zu erkennen gibt. So ist es auch uff beider furtreffenlicher fursten hochgedachtes herzog Moritzen und marggraven Albrechts zue Brandenburg ver- hetzung gegen einander zu sehen, da Carolus V. diesen u. sein bruder Ferdinandus jenen unterm schein, als wan sie die ge- brudere mit einander nicht einig, gesterket haben, damit sie beide einander uffrieben u. ihnen den gebrudern, die dan dies orts heimblich mit einander einig wehren, nicht mehr schaden könten.

Auß ebenmäßigem grundt ist auch die handlung, so gegen E. ch. gn. hern Altvater ao 66 fürgenommen, hergefloßen. Dan diweil der Papst, Spanien u. Frankreich gewust, das die Evangelische in Frankreich, England, Niederland u. Schweiz u. andern frembden nationen ihrer ch. gnaden Religion zu- gethan wehren, u. sie sich verglichen hetten, erstlich in Frank- reich und Niederlandt dieselbe zu dempfen, das tridentische gottloß concilium erstlich in beruhrtem königreich u. den niederburgundischen landen zu exequiren u. hernacher men- niglich denselben concilio in religionssachen gemeß sich zu verhalten, zu zwingen u. dan ihnen die rechnung gemacht, das solchs gar leichtlich zu thun sein wurde, wie es auch ge- wesen wehre, wann sie die evangelische chur u. fürsten in Deutzschland in solchem ihrem furnehmen auch zur assistenz haben oder zum wenigsten so weit von den außlendischen evangelischen kirchen absondern könten, daß dieselb sich bey ihnen keiner hulf, rettung oder beystandts hetten zu getrösten, haben sie es darfür gehalten, durch keinen bequemer weg solches zu wege zu bringen wehre, den da sie mit hulf der andern evangelischen chur fürsten u. stende mehr höchst gedachten ch. gn. hern altvattern der Religion halben auß dem religionsfrieden außzuschließen u. also in desselben persohn alle auslendische kirchen verdambte und beide könige, Frankreich und Spanien, publico imperii decreto wieder ihre unterthanen armirte, wie sie dan verhofft, zu solcher condemnation umb so viel desto eher zu gelangen, dieweil sie gewußt, das die beiden frommen fursten, herzog Wolfgang, pfalzgrave, u. herzog Christoff von Wirttenberg vor andern über ihre Religion eiferten u. deswegen mehr als andere I. Ch. gn. hern altvatters Religion feindt wehren u. ohne allen zweifel neben andern fursten u. stenden der Religion halben vor sich selbst gegen I. ch. gn. etwas furnehmen wurden, wan ihnen nur darzu anlaß gegeben wurde. Dieweil nun Pabst und Frankreich u. Spanien solchen anschlag fur gar gewiß ge-

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halten haben, sie den fromben keyßer Maximilianum durch ihre nuntios u. oratores dahin bewegt, das I. Maytt. einen reichstag nach Augspurgas 66 außgeschrieben u. in solchem außschreiben neben anderm auch diesen punct zu berath- schlagen bestimmet, wie die Religion in eine richtigkeit zu bringen u. die ergerliche seiten abzuschaffen. Darauf auch ervolgt, das von etzlichen, die I. ch. gn. hern altvatter, wahren christlichen Religion am allermeisten zu entgegen, eine solche confession im artickul von dem nachtmahl des hern angestellt u. uff dem reichstage zu Augspurg den andern evangelischen stenden ad subscribendum furgebracht worden, die I. ch. gn. hern altvatter nunmehr mit gutem gewißen hetten unter- schreiben können u. sich understanden, es dahin zu bringen, wofern I. ch. gn. solche Religion neben u. mit den andern evangelischen religionsstenden nicht unterschrieben, das I. ch. gn. von allen religionsversamblungen u. also furters auch von der gemeinschaft A. C. abgesondert u. auß dem religions- frieden entschloßen werden, in welchem die auctorcs solcher confession fast bey allen andern evangelischen stenden außer- halb des churfürsten von Sachsen beyfall gefunden. Dan als I. ch. gn. deren dazumahl mit sich gehabten auctoren eine solche confession umbs sein bedencken zugestellet u. was dem- selben bericht worden, das die rechte grundsuppe des papstumbs bey dem articul vom nachtmahl des hern in solcher confession verborgen, hat er sie verworfen, dardurch sie denn auch gar stecken blieben. Außerhalb dessen wehre es sehr sorgfeltig gestanden. Als nun solche mittel nicht haben angehen wollen, haben Kay. Maytt. auß antrieb papstlichen nuntii, franzö- sischen u. spanischen oratoris nicht desto weniger zu erlapngung ihres intents beiderseits religionsverwandte stende sembtlichen, alleine E. ch. gn. hern altvatter auszgeschlossen, zusammen erfordert u. ihnen vorgehalten, demnach I. ch. gn. her altvatter in ihrer ch. gn. landen u. gebiet eine Religion lehren u. predigen ließen, die der A. C. zuwieder, im religionsfrieden nicht be- griffen u. derowegen im reich deutzscher nation micht zu dulden, so wehre I. kays. Maytt. gnedig begehren, die stende wollen I. kays. Maytt. ihr underthenigst gutachten erofinen, was gegen I. ch. gn. vorzunehmen. Darauf zwar scharfe vota gefallen, auch geschloßen worden, I. M. solten E. ch. gn. hern altvatter erfordern, das I. ch. gn. irrigen calvinischen opinionem u. lehr beschweren u. darvon abzutreten ermahnen u. da I. ch. gn. daßelbige nicht thun, dan ihres kayserlichen ambts gebrauchen, wie dan solch decret im beysein I. Maytt. u. aller anwesenden chur- u. fursten den 14. May 66. I. ch. gn. mit ganz beschwerlicher außführung durch D. Casimirum vice- canzlern ist vorgehalten, ernstlich ufierlegt u. bevohlen worden, Archiv für Relormationsgeschichte. ZXXI. 3/4. 18

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von der calvinischen lehr, wie sie es genandt, abzustehen u. dieselbe wiederum auß kirchen u. schulen abzuschaffen, mit dieser angehengten comination, wofern I. ch. gn. solchem also nicht wurde nachkommen, das. I. kays. Maytt. tragenden kayserlichen amtbs halben nicht lenger wurde umbgehen können, zu handthabung des religionsfriedens u. I. Maytt. bevehlichs dagegen ernstlich einsehens zu haben u. es weiter u. lenger nicht zu gedulden.

Wiewohl nun E. ch. gn. her altvatter sich incontinenti un- erschrocken in der persohn ganz christlich tapfer u. manlich, auch hernacher in schriften, wie in den beyliegenden schreiben weiter deducirt wirt u. erzehlt worden, außfürlich verant- wortet u. solche antwort also beschaffen, das man I. ch. gn. billich darbey bleiben lassen soll, so hette doch besorglich solch alles auch bey den andern evangelischen stenden von wegen gefaßter erbitterung wenig vorfangen, wenn nicht der all- mechtige Gott bey dem churfursten zu Sachsen einen man erweckt, der bey 8. ch. gn. solchen beschluß impugnirt u. S. ch. gn. denselben damit verleidet, das es sich nicht gebüren wolle, der Kays. Maytt. u. den päpstischen stenden als feinden der Religion die cognition, wer der A. C. verwandt u. zuge- than sey, einzureumen. Solche cognitio solten die stende der A. C. bey u. unter sich allein behalten u. solchen beschwer- lichen eingang ihnen selbst zum nachtheil nicht machen. Darauf auch erfolgt, das die stende der A. C. ihre vorige be- dencken geändert u. sich erclärt, wie im beyliegenden scripto zu sehen, welche historiam u. geschicht auch umb des willen kürzlich anhero zusammenfaßen wollen, diewril auß der- selben die arglistigen practiken der papisten u. tröstliche un- ersehende beystand des allmechtigen augenscheinlich zu er- sehen u. zu erclären u. derowegen danckens wol wert ist; u. auch darumb, damit E. ch. gn., wenn derselben künftig auch dergleichen begegnen solte, vivum et domesticum exemplum haben, deme sie volgen. Was dann uff denselben fall E. ch. gn. ebendessen sich zu helfen, damit sich derselben her alt- vatter gewehrt u. E. ch. gn. gruben eingangen ist, nemlich das sie sich für allen dingen beystands, hulf u. rettung des allmechtigen getrösten, gewiße hoffnung haben, das gleich- wohl hern altvatters von Gott wunderbarlich bey I. ch. gn. bestendigen erkentnuß erhalten worden, das seine göttliche allmacht auch E. ch. gn., wan sie nur die warheit mit gleich- meßigem eifer u. ernst, wie derselben geliebter her altvatter gethan, bekennen, erhalten u. vor der feinde practiken bewaren werden u. haben sich E. ch. gn. uff denselben fall, den Gott

der allmechtige lang verhuten wolle, (gemeß nachfolgender schließrede) zu behelfen:

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erstlich das E. ch. gn. sich zu der heiligen prophetischen, apostolischen schrift alten u. neuen testaments, den drey heubtsymbolis u. den vier aprobirten conciliis bekennen u. wißen, das derselben lehre der heiligen schrift u. berurten symbolis gemeß sei, welches zu erweißen, erbottig. Dieweil nundieevangelischenchur-, fursten u. stendeauchihre theologen, Lutherus, Philippus u. alle ihre mitverwandten theologen gegen die papisten je u. alle wege allein uff die berurte symbola, heilige schrift u. concilis sich bezogen u. darauf bleiben zu lassen gebeten, darbeneben das Gottes wort wißen zu laßen, auch da sie auß demselben eines irrttumbs uberwiesen werden sollen, davon abzustehen sich erboten u. man, da von dem gegentheil solch christlich erbieten nicht hat wollen ange- nommen werden, sich dessen, wie ob mehr berurte historia Augustana an mehr örtern außweißet, zum höchsten, wie billich sich beschwert, so sey auch billich, das E. ch. gn. bey solchem überflußigen erbieten gelassen werde, quod enim quisque juris in alium statuit, eo quoque ipse utatur.

Zum andern können E. ch. gn. sich, inmaßen deroselben her altvatter auch gethan, uff die A. C. in ihrem schriftmeßigen verstand u. soweit sie mit Gottes wort übereinstimmet, in specie in dem verstande, wie sie bey der wittenbergischen mit den oberlendischen stetten ao 30 getroffenen concordi ist er- cleret u. von den vorgemeldten stetten angenommen, auch her- nacher a0 40 u. 41 uff den beiden colloquiis zu Wormbs u. Regenspurg u. furters ao 57 u. 58 zu Frankfurt u. ao 61 zu Naumburg wiederholet u. von neuem subscribiert u. kayser Ferdinando löbseligster gedechtnuß uberschicket worden. Dieweil nun alle A. C. verwandten stende sich ihr u. allewege dahin erclert, das sie sich zur A. C. umb des willen allein be- kennen, dieweil sie der biblischen schrift gemeß u. das sie solche confession, wie die theologen mit ihrem bedencken zu Frankfurt ao 57 ubergeben, sich rund erclert, der heiligen schrift nicht gleich halten oder von gleicher wurden achteten u. also mehr berurte confession der heiligen schrift weichen u. nach derselben als ihrem rechten fundament außgelegt u. erclert werden muß, u. dan E. ch. gn. sich nicht weniger dan andere so weit zu mer besagter confession bekenne, als sie Gottes wort gemeß ist, so solle man billich E. ch. gn. u. E. ch. gn. andere mit Religions verwandte dabey bleiben lassen.

Zum 3. hetten sich die stende der A. C. u. ihre theologen zu einer den papisten bey dem colloquio zu Wormbs ao 40 uberreichten schrift dahin einhelliglich erclert, das sie bey dem articul von des hern abentmahl also von dem einhelligen con- :gens der waren catholischen kirche nicht abweichen, sondern sie darauf berufen u. bezogen haben wollen, wie sie auch zu-

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gleich ettliche zeugnuße der alten lehrer angezogen, so hetten doch die evangelischen sambt ihren mit Religions verwandten sich auch uff den catholischen consensum der alten lehrer zu referiren u. anzuzeigen, das sie ihre lehre solchem consens gemeß wußten, wie in dem buch orthodoxus consensus ge- nandt, welches bis dahero unwiederlegt verblieben, auch hin- furter wol bleiben wurd, weitleufig u. gründtlich deduciret u. ausgefuhrt worden.

Zum vierten so ließen die Evangelischen eben die lehr in ihren Landen, kirchen u. schulen lehren u. predigen, darzu sich hierbevor die oberlendischen stette bekant hetten, wie daraus den folgt, man wolte derselben mit Evangelischen u. derselben Religions verwandten ein anderes anfangen, das man E. ch. gn. u. dieselben auch dafur halten muß, ubi enim eadem ratio, ibi idenı statuatur jus necesse est.

Zum fünften gesetzt, das E. ch. gn. in dem articul vom nachtmahl des hern anders solten lehren lassen (dessen sie doch nicht gestendig sein konten) denn die A. C., wie die hernacher uff oben angeregtem tage erclert worden, leiden u. haben wolten, so wurde doch darauß nicht folgen, das von wegen des mißverstandnuß, so zwischen den Evangelischen u. andern stenden eines articuls halben were, E. ch. gn. von der A. C. genzlichen solten abgesondert u. auß dem Religionsfrieden ge- schloßen werden a potiori enim parte fieri debet denominatio, wie dan in beiden ao 57 u. 58 zu Frankfurt aufgerichteten abschieden, auch ao 66 die evangelischen stende solch argument selbst leztlich gefuhret u. ao 66 E. ch. gn. hern altvatter sachen daraus geschloßen haben, das S. ch. gn. der A. C. ver- wandt u. derwegen auß dem Religionsfrieden nicht außge- schlossen seye, welches praejudicii E. ch. gn. sich stattlich haben zu behelfen, wie dan nicht weniger u.

zum sechsten auch dessen, das E. ch. gn. her Altvatter, auch vatter u. vormund, herzog Johann Casimir pfaltzgraf u. andere stende mehr, die sich zu ebenmeßiger Religion bekant haben, von weiland herzog Ferdinando u. Maximiliano be- lehnt u. vor stende A.C. u. des Religionsfriedens vehig ge- halten worden.

Denn allerhochstmechtiger kaiser Maximilianus, als I. Maytt. von dero hern vatter der Religion halben haben wollen be- schwert werden, haben E. ch. gn. hern altvatter vor andern evangelischen chur u. fursten umb die herberg angesucht, auch also I. Maytt. im abziehen vom reichstag zu Speier ao 70 von 8. ch. gn. den abschied zu Wißloch genommen, unter anderm S. ch. gn. vermeldt, das I. Maytt. I. ch. gn. vor einen lieben churfursten u. stand der A.C. verwandt u. zugethan hielten. Wie nun E. ch. gn. u. oben höchst gedachter

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E. ch. gn. vatter u. vormund, auch andere ebenmeßiger Religion zugethane stende mehr uff reich, deputations, visi- tations u. andern tägen nicht weniger als andere evang. chur- fursten u. stende sein beschrieben worden u. ihre gebuhrliche session u. stimme auf denselben ohne einigs wiederrsprechen gehabt, denselben man E. ch. gn. billich werde bleiben lassen.

Zum siebenten kan angezeigt werden, das die andere evang. stende auch under ihnen nicht einig, doch zu allen theilen sich uff die A. C. ziehen u. ihre meinung derselben gemeß ge- achtet u. gehalten haben wollen. Nun sey es unmoglich, das zwo wiederwertige menschen zugleich u. beide der A. C. gewiß sein können, sondern es muß notwendig derselben einer, wie auch der heiligen schrift, da die A.C. uff dieselbe gegrundt, ungewiß sein. Den eins theils im nachtmahl des hern die leibliche kegenwart Christi uff die allgemeine u. general ubi- quitet oder allenthalbenheit des leibes christi setzen, andere aber dieselbe verwerfen u. die allenthalbenheit uff ein special allenthalbenheit gründen, einstheils das concordibuch unter- schreiben u. fur recht halten, andere aber dasselbe verwerfen.

Zum achten sein E. ch. gn. in keine, wie solches auß dem 1.), 2.), 3. u. 4.) uhrsach zu sezen, sondern die ubiquitisten in zwei vornehmen heubtpuncten von der A.C., ja von der heiligen schrift, dem allgemeinen consens der catholischen kirche abweichen, indem sie lehren, das Christus auch nach seiner menschheit allenthalben sey, welche lehre der heiligen schrift u. dem consens der alten lehrer, ja unserm allgemeinen articuln A.C. zuwieder ist, wie solches von andern Evangel. auch päpstlichen scribenten in unterschiedlichen schriften grundtlich ausgefuhrt u. darauf kurtzlich gezogen.

Zum neunten u. letzten können die Evang. mit bestandt sagen, wan man in der lehr vom nachtmahl des hern bey den buchstaben der ersten zu Augspurg ao 30 uberreichten con- fessıon bleiben will, so wirt man nicht allein die erclerung der A.C., die ao 40 uff dem colloquio der zu Wormbs u. hernacher in den jahren 57 u. 58 zu Frankfurt u. 61 zu Naumburg not- wendig beschehen, mit emander wieder verwerfen u. die lehre, so dazumahl gefuhrt worden u. alle derselben bekenner, so solche abscheide unterschrieben, verdammen, sondern auch mit den Papisten entweder diese abgöttische transsubstantiation u. verwandlung des wesens, des brotes in das wesen des leibes Christi oder aber in eine localische, reumliche einschließung in der ostien oder in dem blut u. also eine kleine phantastische in solchen kleinen ostien oder kleinen stückchen brot verborgenen leib wieder die warheit der menschheit Christi glauben u. imaginiren müßen. Den die wort derselben A.C. können keinen andern dan diese beide intellectus leiden, was dan die

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Papisten in dem ersten verstand solche confession auch uff u. angenohmen u. diesen articul vor richtig u. ihrer aller gemeß gehalten haben, inmaßen solches mehr angeregte historia Chytraei clerlich außweißet u. im beyliegendem scripto weiter ausgefuhrt ist, so ist der andere verstand auch Gottes wort u. dem alten consens der kirchen zuwieder, u. nicht weniger als der erste abgöttisch, darumb notwendig die obangeregte erclerung ervolgt sey u. ist hochlich zu verwundern, das der mehren theil der itzigen theologen in Deutschland, ehe wieder- umb hinter sich gleichsamb ins Papsttumb zu dem ägyptischen haufen sich begeben, dan der warheit weichen u. mit dem rechten Gotteswort gemesser lehr vergleichen wollen.

Dieser u. dergleichen anderer schutzreden u. alles desjenigen, das sich die Evangel. A. C. ao 66 gebraucht u. in dem neben- scripto in specie gesezt, wirt E. ch. gn. sich uff den fall auch behelfen. Ich wolte aber E. ch. gn. unterthenigst raten, die- selben solten darbeneben mit allem fleis u. dahin bedacht sein, wie sie solche hatz ganz u. gar verhuten u. abwenden mögen. Nun ist es gewiß, das die Papisten immer werden darzu anlaß geben oder ihres theils sich dessen unterstehen, es sey dan sache, das sie auch zum wenigsten ettliche Evangelische wieder E. ch. gn. uff ihre seiten bringen, wie sie ao 66 wieder E. ch. gn. hern altvatter zu haben vermeint u. also mittel u. gelegenheit haben, was wieder E. ch. gn. möchte statuirt werden, dasselbe auch zu exequiren. Darumb E. ch. gn. u. allen ihren mit Religions verwandten sicherung negst“ Gottes beystand, der auch zur rettung der seinigen mittel zu gebrauchen pflegt, fur- nehmlich in dem bestehet, das E. ch. gn. ihnen die hoffnung der execution benehmen, welches dan durch nachfolgende wege geschehen kan.

Erstens das E. ch. gn. in einer guten verstandtnuß stehen mit der königin von England, mit den staden u. mit den Schweizern u. das solches also angestellet werde, das menniglich wiße, das E. ch. gn. uff den fall, das sie angefochten werden solten, von solchen orten hulf, rettung u. beystands sich habe zu getrösten, wie es dan auch dahin zu richten, das E. ch. gn. dessen gewiß sein können, welches in sonderheit bey England, inmaßen sich dan dieselbe königin deswegen höchlich gegen E. ch. gn., wie ich berichtet erboten haben solle u. den Staden, die sich darzu gutwillig werden finden lassen, richtig zu machen. Zum andern wirt zur verhinderung u. benehmung aller hoffnung der execution sehr dienlich u. ein furnehmst fundament E. ch. gn. sicherung sein, das sie mit den benachbarten in eine solche verein u. verstandtnuß kommen, das einer den andern treulich retten helfe, keineswegs aber sich wieder einander uff zu ver- wickeln oder verhitzen lassen. Drittens das neben solcher

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nachbarlicher verein E. ch. gn. auch mit dero Religions ver- wandten stenden, die sich Gott lob auch im reich deutzscher nation mehren, sich dahin vergleichen werden, das sie neben E. ch. gn. sich dessen annehmen, mit derselben vor einen man stunden, und dan leztlich, das E. ch. gn. neben andern stenden uff mittel u. wege gedacht hetten, wie doch dermaleins die zwischen den evangel. stenden eingerißene, uberauß nach- theilige u. den lauff des heiligen evangelii so gar verhinder- lichen, der Papisten aber so gar untreglichen spaltungen auß dem grundt hin u. beygelegt, irrige u. falsche lehre abgeschafft u. Gottes wort gemeß einigkeit in der lehre zu wege gebracht u. also bestetigt werde, das den nachkommenden eine gewiß- heit in religionssachen in Deutschland konnte hinterlaßen werden, auch kein theologus sich unterstehen durfte, wie sie es bißher ohne scheu gethan haben, dargegen etwas furzu- bringen. Dan wan man dasjenige, was ao 30 in Religions- sachen uff reichs u. religionstägen, auch in einem jeden evang. fürstentume, graf, herrschaft oder stadt furgangen, betrachtet, findet man, das sie die religion alle wege mit der zeit u. per- sonen, nach dem einer vor den andern groß u. angesehen sein wolle, u. also auß lauterer ambition u. hoffart, die von Gott dem allmechtigen nachgehends alle zeit mit blintheit gestraft wirt, hergefloßen, wie auch Lutherum auß keiner andern uhr- sache den sacramentstreit erstlich ao 24 mit dem Carlstadio angefangen u. hernacher ao 44 wieder die gemachte u. so hoch beteuerte concordiam mit unsaglichem schaden u. nachtheil der kirchen wieder erneuert hat, solches aber zu wege zu bringen, wirt zwar bey diesen vielfeltigen u. großen spaltungen, . die in Religionssachen eingerißen sein u. leider allzu viel be- kanter halsstarrigkeit derjenigen, die neue u. falsche lehre wieder Gottes wort u. die A.C. eingeführt haben, gar schwer fallen, nicht desto weniger aber sollens christliche obrigkeiten versuchen u. wußte ich darzu kein bequemeren weg, dan das alle handlungen, die zwischen den papistischen u. evangel. stenden u. kirchendienern von der zeit an, da Lutherus erstlich angefangen das Papsttumb zu entdecken, furgangen u. was die Evang. gegen die Papistischen ihrer lehr halben fur ein fundament gelegt, auch von der zeit an gelehrt u. wie, uff u. durch wehn, auß was uhrsachen u. mit was grunde die lehr u. bekantnuß geoffenbart, vor die handt genohmen u. durch friedfertige, darzu verordnete politische räthe u. kirchendiener mit fleiß ersehen u. vor möglich ersehung solches alles sich einer einhelligen lehr in den streitigen puncten vergleichen solche in richtige, clar u. deutliche articul gebracht, auch sich der phrasium u. art zu reden verglichen u. den evangel. stenden in einer versamblung den ganzen verlauf, wie sie alles vom

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anfang befunden, referirt u. die gründe der gestalten friedens- articul in der lehr angezeigt u. außfuhrlich furgebracht hetten, solch räthe u. kirchendiener auch hetten nicht, sie wehren dan mit solchen articuln fertig, von einander gelassen werden. Ob der allmechtige Gott vielleicht einmal gnade verleihen wolte, das darauf chur, fursten u. stende zu einem einhelligen beschluß möchten gelangen u. kommen, darum dan seine gött- liche allmacht vleißig anzurufen u. zu bitten. Dieweil es auch von nöten, das E. ch. gn. uff dasjenige, so vom kegentheil wieder E. ch. gn. Religion furgebracht werden möchte, mit einer antwort gefaßt sein möchte u. dan fur anderthalb jahr unter ettlicher fursten A. C. theologen nahmen, ein gedruckter bericht wieder Dr Urbanum Regium außgangen, darin sie er- wiesen zu haben vermeinen, das die Zwingilsche u. Calvinische lehre, wie sie solche lehr nennen, von den protestirenden chur- fursten u. stenden ao 30 an, uber die funfzig jahr lang, als eine irtige u. verwerfliche lehre außgesezt u. nicht, wie sie reden, unter die A. C. seyen untergeschleift worden, so habe ich solche bericht fur mich genohmen u. meines erachtens dermaßen ab- gelehnt u. wiederlegt, das E. ch. gn. u. menniglich, der eines gegen das andere halten wirt, den ungrund solchen berichts leichtlich kan befinden. Es sein auch ettliche so unverschembt, das sie die abschiede der reichstage von ao 29. 30. 55 u. 66 uffgerichtet, wieder unsere ware Religion, als wan dieselbe in solchen abschieden wehre verworfen u. verdambt worden, an- ziehen dörfen, da sie doch wohl wißen, das sie in den beiden ersten abschieden der andern A. C. verwandten stende Religion ebenso wohl als der Schweizer u. oberlendischen stette con- fession verworfen worden, wie ihnen dan auch unverborgen, das solche condemnatio allein von den papistischen stenden hergefloßen, den selben das uhrtheil wieder evangel. lehre, dieweil sie in einer wiederigen confession als selbstpart u. richter sein wurden, nicht kan vertrauet werden, welches die stende A.C. in ihrer letzten resolution, sie in E. ch. gn. hern altvatter sache ao 66 zu Augspurg der kays. Maytt. uff beider theile verhor der außschlag in religionssachen hat sollen heimbgestellt werden, solches anderer gestalt nicht einzu- willigen geraten. Dan wofern I. kays. Maytt. nicht wieder Gottes wort u. die helle schrift sprechen wurde, dan man könne den kaiser nicht uber Gott setzen u. sein urtheil wieder Gottes wort annehmen.

Was aber den ao 66 uffgerichten religionsfrieden u. abschied - anlangen thut, könne dieselbe gegen E. ch. gn. u. ihre mit Religion verwandten auch nicht angezogen werden, dieweil die allein auß dem religionsfrieden außgeschloßen werden, die weder der papistischen Religion noch der A. C. anhängig seindt.

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Nun ist aber oben genugsamb angezeigt u. in beyliegender schrift weitleufig außgefuhrt, das E. ch. gn. Religion der A. C. in ihrem waren schriftmeßigen verstand, wie sie hernacher ist von den stenden u. ihren theologen zu mehrmalen erclert worden, gemeß ist u. E. ch. gn. in demselben verstande der A.C. an- hengig seindt, so wurde auch E. ch. gn. der altvatter, wan S. ch. gn. u. dero Religion mit der disposition deßelben ab- schieds gemeint, denselben mit 8. ch. gn. angehengten insigel nicht bestetigt haben, werden also verhoffentlich E. ch. gn., da es ja zu oben angeregten fall kommen solte, genugsam ge- faßt sein können u. zur andern zeit, wan die dazu gehorigen acta zusammengebracht, weitleuftiger außgefuhrt werden, wie ich dan ettlicher in diesem schreiben u. beyliegender schrift bestimten punckten halben mit ihm ezlicher bey E. ch. gn. canzley vorhandenen acten zu ersehendt habe, derwegen ich in wenig tagen, weil nun mehr lenger nicht eingestellt werden kan, mich hinunter zu begeben entschloßen bin. Inmittelst wollen E. ch. gn. diese meine arbeit, darumb ich dan under- thenigst bitten thue, gnedigst befallen laßen......... datum 8. 3. 94.

Mitteilungen.

Neuerscheinungen.

Von dem vom Kaiser-Wilhelm-Institut für deutsche Geschichte herausgegebenen historisch-statistischen Handbuche der Germania sacra (vgl. Archiv Bd. 27, 8. 286) ist nunmehr der von G. Wentz wieder vorbildlich bearbeitete 2. Band erschienen, der das gesamte Bistum Havelberg umfaßt. Außer dem Havelberger Hochstift und Domkapitel erfahren hier sämtliche im Gebiete des Bistums gelegenen 19 brandenburgischen und mecklenburgischen Stifter, Klöster, Kom- tureien und Mönchshöfe des Mittelalters nach den verschiedensten Richtungen eine erschöpfende und übersichtliche Darstellung. Ein- gehend ist die meist in der Reformationszeit erfolgte Auflösung jedes geistlichen Institutes behandelt, so daß dieses Werk in Verbindung mit den ebenfalls von Wentz bearbeiteten ausgezeichneten Kirchen- karten der Provinz Brandenburg (Archiv Bd. 27, S. 287 und Bd. 29, S. 287f.) ein wichtiges Quellenwerk für die Reformationsgeschichte der Mark Brandenburg bildet, deren aktenmäßige Bearbeitung Ref. vorbereitet. Besonders hingewiesen sei noch auf die Zusammen- stellung der Pfarrkirchen in der Diözese Havelberg um 1540 mit Angabe der Pafrone und des Filiationsverhältnisses (S. 399-419). Ein ausführliches Personen- und Sachregister erleichtert die Benutzung dieses hervorragenden Nachschlagewerkes. Germania sacra. Hrsg. vom Kaiser-Wilhelm-Institut für deutsche Geschichte. I. Abt.: Die Bistümer der Kirchenprovinz Magdeburg. II. Band: Das Bistum Havelberg. Bearb. von G. Wentz, Berlin, W. de Gruyter & Co. 1933. XII u. 464 S. Gr. 8%. Geh. 30 M. H. Volz.

In Erinnerung an das erste Ausgehen der vollständigen Bibel- übersetzung Luthers im Jahre 1534 gibt Friedrich Schulze, „Deutsche Bibeln vom ältesten Bibeldruck bis zur Lutherbibel‘‘ einen knappen, aber das wesentliche erfassenden Überblick über Bibelver- deutschung und Bibeldruck von der Bibel des Johannes Mentelin (vor 1466), der ersten überhaupt in einer modernen Sprache er- schienenen Bibel, bis auf Luther. Die Beschreibungen erläutert eine Auswahl von Bildern und Textproben. Auf engstem Raume und zu niedrigstem Preise wird hier Vortreffliches geboten. Leipzig, Bibliogr. Institut 1934, 46 S. Kl. 8%. Pappbd. 90 Pfennig.

Einen wertvollen Beitrag zu der besonders in ihrer Frühzeit noch kaum erforschten Geschichte der Publizistik gibt Peter Diedrichs,

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Kaiser Maximilian I.als politischer Publizist. An der Hand von 91 am Ende der Abhandlung zusammengestellten, den Archiven von Wien, Innsbruck, München, Stuttgart, Augsburg, Frankfurt und Köln entnommenen Drucken untersucht Verf. die innerpolitische Werbetätigkeit Maximilians nach der Seite der Technik wie auch inhaltlich und liefert dadurch beachtenswerte Beiträge sowohl zur Geschichte des werdenden modernen Staates wie auch zur Charakte- ristik Maximilians. Jena, E. Diederichs. 115 S.

W. Köhler, ‚Luther und das Lutbertum in ihrer weltgeschichtlichen Auswirkung‘ verfolgt in den drei ersten Kapiteln die Entwicklung von der Klosterzelle (1505) bis zum Religionsfrieden (1555), im weitern behandelt er das außerdeutsche Luthertum und führt uns dann die politische Karte des Luthertums um 1560 vor, „insgesamt ein ge- waltiges Gebiet, das mit breiter, die Ost- und Nordsee umfassender Front nach unten sich verjüngend sich in den europäischen Kontinent einsenkte‘. Die Frage der ‚‚Weltwirkung‘‘ des Luthertums hebt jedoch erst mit dem Untergang der alten Welt des nämlichen an, die gleichsam den Auftakt dazu bildet, indem ihr Werdegang die Kräfte enthüllt, mit denen das Luthertum überhaupt fähig wurde in der Welt zu arbeiten. Das führt zum letzten und ausführlichsten Kapitel hinüber, über „die Bedeutung des Luthertums für die Entstehung der mo- deren Welt: ‚‚des Luthertums Weltwirkung‘, das die Auseinander- setzung des Luthertums mit den großen geistesgeschichtlichen Strömungen und ihren Trägern behandelt. Schriften des Vereins für Reformationsgesch. Nr. 155 (Jahrg. 51, 1). Leipzig, M. Heinsius Nachf. 1933. 134 8.

Das Thema von Hans Preuß, ‚Martin Luther der Deutsche“ ist zwar schon mehrfach, und zwar z. T. vorzüglich, behandelt worden; gleichwohl weiß Preuß es eigenartig zu gestalten. Besonders sei auf das erste Kapitel (Deutsche Art) und das eigentliche Kernstück, Kapitel 3 (Luthers deutsche Art) verwiesen. Außerdem werden be- handelt: Abstammung; Deutsche Sprache; Luther über Deutschland und die deutsche Vaterlandsliebe (u. a. Interesse an der deutschen Geschichte) ; Zorn gegen Rom; Urteile über andere Völker; der deutsche Prophet; ferner: Luther als Deutscher im Urteil der Zeiten und in der Auffassung der Gegenwart, außerdeutsche Beurteilung seines Deutschtums. Luther, so schließt der Verf., verkündete nicht ein deutsches Evangelium, aber das Evangelium nach deutscher Art. Gütersloh, Bertelsmann, 1934. IX, 139 S. M. 4,50; geb. M. 6.

Die von W. Köhler zuerst 1902 herausgegebenen ‚Dokumente zum Ablaßstreit von 1517‘ liegen in 2. verbesserter Auflage vor. Eine völlige Neubearbeitung schlossen die Zeitumstände aus; doch sind die Texte nochmals genau durchgesehen, kleineVersehen berichtigt, einzelne Texte auch neugestaltet, das Schrifttum ist ergänzt worden. Die Nützlichkeit der Sammlung, die 36, von dem ersten bekannten Ablaß Papst Urbans II. von 1091 bis zur Dekretale Leos X. über

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den Ablaß von 1518 reichende Dokumente umfaßt, als Veranschau- lichung des Werdens und Wesens der Ablaßinstitution hat sich längst herausgestellt. Krüger, ‚Sammlung ausgew. kirchen- und dogmen- geschichtl. Quellenschriften. 2. Reihe. Heft 3. Tübingen, Mohr, 1934. VIII, 160 8. M. 2,50:

Auch des Nämlichen, ‚Wie Luther den Deutschen das Leben Jesu erzählt hat“, zuerst im Lutherjahr 1917 in den „Schriften“ des Vereins für Reformationsgeschichte (Nr. 127/28) erschienen, seit längerer Zeit vergriffen, geht in 2. Auflage aus; die Texte sind an Hand der inzwischen erschienenen Bände der WA, durchgesehen und Ungenauigkeiten der Erlanger Ausgabe tunlichst wusgemärzt; völlige Neugestaltung nach der WA. wer aus technischen Gründen unmöglich. Aber warum ist die Einleitung der ersten Auflage fort- gefallen? Verf. sagt: um ganz den Charakter eines volkstümlichen Buches zu wahren. Aber wen störte sie?! Leipzig, M. Heinsius Nachf.- 154 8., Einzelpreis M. 2 (bei Mehrabnahme Verbilligung).

H. H. Dietze, Johann Oldendorp als Rechtsphilosoph und Protestant. Verf. stellt in Oldendorp, dem Schüler Melan- chthons und Vorläufer von Althusius und Hugo Grotius, einen Mann dar, in dessen Leben und Lehre die wirkenden Geisteskräfte seiner Zeit, der Epoche des Humanismus und der Reformation, die auch dem naturrechtlichen Denken neue Wege eröffnete, vollendet zum Ausdruck kamen. Er behandelt zuerst die ‚„‚Gestalt‘‘ (Zeit- und Ideen- umwelt, Leben und Wesen O.s); zweitens (als Hauptteil) das ‚Werk‘, auf Grund eindringenden Studiums der einschlägigen Schriften, systematisch und in den praktischen Folgerungen; endlich das „‚Bild‘“, nämlich die Auffassung O.s bei den Nachlebenden und seine Bedeutung für unsere Zeit, in der es gilt, ‚‚ein vernünftiges Weiterleben des Ver- gangenen im Gegenwärtigen zu bewirken.‘ Beigegeben ist ein Bild O.s, ein Verzeichnis seiner Werke und ein Literaturverzeichnis. Den Schluß bilden Thesen aus O.s Schriften. E. Wolgast, Öffentlich- rechtliche Vorträge und Schriften, Heft 16. Königsberg, Gräfe und Unzer. 178 8. M. BB.

In der Bibliothek des Literarischen Vereins zu Stuttgart, Publika- tion Nr. 280, bietet Joh. Bolte eine erläuterte Neuausgabe von drei historischen Dramen der ersten Hälfte 17. Jahrh., nämlich des Colignius von Theodor Bhodius, des Gustavus saucius (1627) von Johannes Norssius und des Fritlandus von Nicolaus Verulanus. Die Dramen, in denen die betr. Personen teilweis zum erstenmal auf der Bühne erscheinen, sind in der Pathetik der antiken Tragödie, besonders Senecas, und in lateinischer Sprache abgefaßt, spiegeln gleichwohl die Auffassung der Zeit wieder und sind nicht ohne histo- rischen Wert; so verrät der Verf. des Gustavus Saucius gute Kenntnis von den Geschehnissen und Personen seines Dramas. Leipzig, Hierse- mann, 1933. XXII, 173 8. M. 9.

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Walter Bogsch bringt einen Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte der Reformationszeit in seiner Studie über den „Marienberger Bergbau“ (auf Silber, Kupfer und Zinn) in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Er untersucht die räumliche Entwicklung und den Abschluß des Marienberger Bergbaureviers und den Aufbau seiner Behörden und geht den Kräften nach, die sich in diesem Berg- bau betätigt und aus ihm Nutzen gezogen haben. Auch auf die Hoer- kunft der Siedler usw. fällt Licht. Bilder und Karten sind beigegeben. Die Darstellung gründet sich auf ausgedehnte Archivstudien. Leip- ziger philosophische Dissertation. 155 S., gr. 8 (soll als Buch im Glückauf-Verlag in Schwarzenberg i. Sa. erscheinen).

Als Bd. XVIIIder Qu. F. z. RG. des VRG. erschien: W. Bellardi, Die Gesch. der Christlichen Gemeinschaft in Straßburg (1546/60), d. i. der der Forschung bisher fast unbekannt gebliebene (8. jedoch G. Anrich, Ein Bericht Bucers über die Errichtung von „Christlichen Gemeinschaften“, im v. Schubertheft des ‚‚Archivs“, 1929) Versuch Bucers zu einer ‚zweiten Reformation‘, der des Lebens nach der der Lehre, d. i. Einrichtung besonderer Gemeinschaften mit der Verpflichtung auf strenge Zuchtübung. Ausgehend von der Veröffentlichung einer bezügl. Schrift Bucers seitens der Pietisten von 1691 behandelt Verf. auf Grund von Straßburger Archivalien die Entwicklung der Kirchenzucht in Str. bis 1547 und die Geschichte der Christlichen Gemeinschaft, die, durch Bucers Fortgang tödlich getroffen, Anfang 1550 den Zeitverhältnissen erliegt. Ein Schluß- kapitel würdigt die Bedeutung dieser Bewegung innerhalb der Ge- schichte des Protestantismus. Es folgt ein Abdruck von zwei wich- tigen Dokumenten. Leipzig, M. Heinsius Nachf., 1934. XVI, 217 S.

Ferd. Doelle, ‚‚Reformationsgeschichtliches aus Kursachsen. Vertreibung der Franziskaner aus Altenburg und Zwickau‘, stellt den Hergang quellenmäßig, aber stark parteiisch für die Mönche der und untersucht anschließend, vielfach über den Rahmen des Themas hinausgreifend, die Stellung des meist vom Stadtrat ein- gesetzten und aus dem Ratskollegium entnommenen Prokurators oder Klostervorstehers, ferner die Klosterbibliotheken und endlich, was man freilich hier wohl nicht erwartet, das Bierbrauen der Mönche. Den Schluß machen 42 briefliche Beilagen. Franziekanische Studien, Beiheft 15. Münster, Aschendorf. XXII, 300 S. M. 14,30, geb. M. 16,30.

Außerdeutsches. Studien zurBReformationsgeschichte Oberösterreichs, hrg. von K. Eder (Linz). Bd. I: Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung. Die kirchlichen, religiösen und politischen Verhältnisse in Österreich ob der Enns 1490 bis 1525. Das Buch ist aus der Einleitung zu dem eigent- lichen Thema des Verfassers: „‚Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns, 1525—1602° hervorgegangen. Es zer- fällt in die 5 Hauptabschnitte: der äußere kirchliche Rahmen, das

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religiöse und kirchliche Leben; Zustände im vorreformatorischen Klerus; die politische Lage; Anfänge des Luthertums 1518— 15285. In dieser Einteilung gibt Verf. ein aus mühseligen, emdringenden Archivstudien gewonnenes, bis ins einzelne und einzelste ausge- führtes Bild des vorreformatorischen Kirchenwesens in Oberösterreich, besonders in Abschnitt II und Ill ein wahres Repertorium des Wissens über alles, was irgendwie zum Thema gezogen werden kann. Wie sich versteht, begrenzt sich die Bedeutung des Dargebotenen nicht auf Oberösterreich, sondern läßt vergleichende Blicke auf andere Länder an der Schwelle der Reformation zu. Durchweg bemüht sich - der kath. Verf., die Tatsachen selbet reden zu lassen; vielleicht er- scheint gleichwohl, obechon die Schattenseiten nicht verschwiegen werden, manches in zu hellem Lichte, angesichts der so schnellen und gründlichen Abwendung des Landes vom Katholizismus. Übrigens ist der 2. Teil, der diese Umwandlung im einzelnen schildern soll (1525—1602), im Manuskript schon fertiggestellt; hoffentlich wird er uns bald zugänglich. Linz a. d. D. 1933, Verlag Franz Winkler. XXIV, 4983 8. 18 M. (mit 16 Tafeln).

Aus Zeitschriften.

In E. Linderholms Kyrkohistorisk Ärsskrift 1933 S.1— 104 behandelt Gösta Kellerman ausführlich die Übergangszeit vom Mittelalter zur Ref. (‚‚Frän medeltid till reformation. Kyrkliga förhällanden under den utgäende medeltiden‘“); das beigegebene Schrifttums- verzeichnis enthält zu reichlich 9 Zehnteln deutsche Werke! Eben- dort S. 1056-122 trägt E. Linderholm über „Religion och kultur i Luthers reformation‘ vor.

Karte 412b des deutschen Kulturatlas (Religionsgeschichte 41b, Bd. V 35b) verzeichnet die (stark eingeschränkte) Verbreitung der Dominikaner, Zisterzienser und Augustinereremiten in Deutschland nach der Reformation, bearbeitet und erläutert von H. Volz.

Th. Sommerlad, Martin Luther und der deutsche Sozialis- mus hebt die Seite im Wesen des Reformators hervor, die diesen noch über das Greb hinaus zum Führer und Schutzpatron seines Volkes machte, so zwar, daß selbst diejenigen Deutschen, die Luther als Reformator ablehnen, wie sich J. v. Döllinger einmal ausdrückt, mit seinen Worten reden und mit seinen Gedanken denken müssen. Thür. Sächs. Z. XXU, 1/2 S. 1—38. :

In Luther, Vierteljahrsschrift der Luthergesellschaft, Heft 4 des 15. Jahrgangs (1933) druckt Th. Knolle die ersten Fastenpredigten Luthers von 1534 ab (S. 96-111). A. Walther veröffentlicht die von ihm auf der Hamburger staatlichen Lutherfeier am 19. Nov. 1933 gehaltene Rede über „Luther und Luthertum“‘ (S. 111—116), daren schließt sich Knolles Lübecker Festrede „Luther und die

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deutsche Gegenwart‘ (8. 116-127). München, Chr. Kaiser (S. 97 bis 132). Ebendort Jahrgang 16 (1934) Heft 1/2 bringt die Würdi- gung von Luthers Fastenpredigten von 1534 durch Th. Knolle. Das Heft 3/4 ist ganz dem Bibeljubiläum gewidmet. Joh. Eger handelt S. 49— 58 über ‚„„M. L., Die heilige Sohrift deutsch‘ (aus dessen Auswahl von Luther-Worten ‚‚Luther und seine Bibel“. Texthefte der L. G. 3); O. Thulin schildert S. 68—70 die „Gestalt der Luther- bibel in Druck und Bild‘ (Jubiläumsausstellung der Lutherhalle); es folgen Aussprüche von Deutschen verschiedener Zeiten über Luther, besonders über die Bibelübersetzung (8. 10- 81); weiter erörtert E. Zimmermann die Verbreitung der Lutherbibel zur Reformations- zeit; ihm zufolge sind bis 1546 rund 430 Gesamt- oder Teilausgaben der Lutherbibel ausgegangen (S. 81-87); den Schluß macht Th. Knolle mit reichhaltiger Bücherschau zum Bibeljubiläum (S. 88— 122).

Im Luther-Jahrbuch XVI (1934) S. 103—161 gibt Joh. Ficker auf Grund der Lutherbildausstellung in Halle 1931— 34 ein Verzeichnis aller bisher festgestellten Bildnisse Luthers aus der Zeit seines Lebens; es sind nicht weniger als 447 Nrn.; dazu kommen 40 Bildnisse der Familie (Eltern, Frau, Kinder. Ein Anhang behandelt moderne Schöpfungen; die Handschrift Luthers 1509-46; die Totenmaske und ihre Rekonstruktion. Im übrigen bietet das Jahrbuch: P. Alt- haus, Der Geist der Lutberbibel (S. 1— 26); H. Vollmer, Die deutsche Bibel (S. 27—50), würdigt unter Mitteilung von drei, sechs und dreißig Texte vergleichenden Tabellen über einzelne Bibelstellen aus dem Material des deutschen Bibel-Archivs die vorlutherischen Bemühungen, zu einem möglichst einwandfreien deutschen (bzw. englischen) Bibeltext zu kommen. Ferner (S. 51—82): G. Merz, „Gesetz Gottes und Volksnomos bei Luther (Luther und das Gesetz Moses’); 8. 83—102: E. Vogelsang, Das Deutsche in Luthers Christentum (erweist die Notwendigkeit, die „‚Eindeutschung des Christentums“ zu erforschen). Auch auf H. Seesemanns Luther- bibliographie für 1932 am Schluß des Bandes (8. 162— 169, 107 Nrr.) sei aufmerksam gemacht.

Ergänzungen zu dem Werke von L. Grote über den Maler und Graphiker Georg Lemberger (angezeigt im vorigen Hefte 8. 140 mit dem bedauerlichen Druckfehler: Lamberger) gibt A. Giesecke in Thür. Sächs. Zeitschr. XXII, 1/2 S, 39— 46.

Die Blätter für Württemb. KG. 38 (1934), Heft 1/2 enthalten: K. Bauer, Die Stellung Württembergs in der Gesch. der Ref. F. Fritz, Ulmische K@. 1548— 1612. G. Hoffmann, Ref. im Be- sirk Besigheim. G. Bossert, Die Ref. im heutigen Dekanats- bezirk Sulz a. N.: Drei Briefe von E. Sohnepf.

Die kirchlichen Verhältnisse der Pfarrei Burglengenfeld im Jahre 1593 stellt M. Weigel auf Grund der im Amberger Staatsarchiv vorliegenden Visitationsberichte in ZBayr. KG. IX. Jahrg. (1934), 1

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S. 32— 35 dar. Ebendort S. 40— 51 setzt H. Dannenbauer das Verzeich- nis der Nürnberger Landgeistlichen weiter fort, und bespricht 8. 52f. M. Weigel die Errichtung der Superintendentur Sulzbach 1566. In der nämlichen Zeitschrift 1934, Heft 2, S. 107f. stellt F. J. Brendel nach dem Liber collationum die letzten katholischen Geistlichen in Rotenburg o. T. zusammen.

Zu Zittaus Reformationsgeschichte. Das Lutherjahr 1933 hat über die ersten Jahrzehnte auch der Zittauer evangelischen Gemeinde wertvolle Nachrichten gebracht. Nachdem E. A. Seeliger bereite im Jahre vorher in den ‚‚Zittauer Geschichtsblättern‘‘ den Stadtschreiber O. Pergener und seinen Kreis in ihren Beziehungen zu dem Züroher Reformator Bullinger und zu böhmischen Brüdern vorgeführt hatte, bot er ebenda eine eingehende Darstellung von Lorenz Heydenreich mit seinem klaren Bilde, dem reformatorischen Wirken, dem schicksalsreichen Leben, der zahlreichen Familie. Als ergiebige Quellen erwiesen sich zwei Rechnungsbücher der Johannis- kirche mit Taufregister und Glöcknerbuch. Auf Grund ihrer Einträge konnten zahlreiche Beziehungen festgestellt, unsichere Daten ver- bessert, falsche Annahmen berichtigt werden. Überraschend wirkt die Antwort auf die Frage: Welche Zittauer haben Luther gekannt? Aufgegeben wird die persönliche Bekanntschaft L. Heydenreichs mit dem Reformator. Dagegen werden 34 Männer aufgezählt, die in Wittenberg studierten, während Luther dort lehrte und predigte; davon waren 22 geborene Zittauer, 23 wohnten später dort. Auch die Reformationsgeschichte der benachbarten Gebiete wird durch wichtige Züge bereichert.

Solch erfreuliches Ergebnis wirkt besonders ermutigend, wenn im Hinblick auf das Jubiläumsjahr 1939 des albertinischen Sachsens das Studium der heimatlichen Nachrichten in Kirchen-, Schul- und Gemeindearchiven zur Bearbeitung der Reformationsgeschichte der einzelnen Orte jetzt angeregt wird. Prof. D. G. Müller (Leipzig).

Einen bisher unbekannten Lutherbrief, vom 19. März (1530) en den Superintendenten Johann Weber in Neustadt a. O. betr. eine Ehescheidungssache, veröffentlicht aus Privatbesitz E. Wollesen in ZVKG. Prov. Sachsen 29 S. 1f. (Luther gestattet dem Empfänger, eine Scheidung vorzunehmen). Ebendort S. 95— 104 veröffentlicht W.Friedensburg die Aufzeichnungen des Pfarrers Christian Voccius in Niederklobikau (Bistum Merseburg, Küchenamt) von 1607 über seine Amtsvorgänger dort seit Einführung der Reformation.

Berichtigung. Der Verf. des im „Archiv“ 121/22 S. 137 2.1 angezeigten Werkes „Reformation als politische Macht‘‘ (Verlag Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht) heißt nicht Cremer, sondern Craemer.

Druck von 0, Bcehulse 4 Oo, G.m.b. H., Gräfenhainichen.

ARCHIV

RBRÜRMALIUNSGBSCHICHTE,

TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.

———6ö6ö ee

Im Auftrag des Vereins für Reformationsgeschichte

herausgegebeu von

Walter Friedensburg und Otto Scheel.

XXXlIl. Jahrgang. 1935.

Nachdruck mit Genehmigung vom Verein für Reformationsgeschichte KRAUS REPRINT LTD. Vaduz 1964

Printed in Germany |

Lessing-Druckerei Wiesbaden _ |

Inhaltsübersicht.

Fr. Hruby, Professor Dr., Archivdirektor in Brünn (Tschechoslowakei), Die Wiedertäufer in Mähren. IV... SCHIUB) ae a H. Gerber, Dr., Archivar am Stadtarchiv in Frank- furt a. M., Die Kriegsrechnungen des Schmal- kaldischen Bundes über den Krieg im Oberland

Seite

des Jahres 1546. 1. II. ................ 41—93; 218—247

Wolfgang Gerlach, Das Iter Bavaricum des Caspar Brusch nassen Hermann Barge, Dr., Oberstudiendirektor in Leip- zig, Die gedruckten Schriften des evangelischen

94—99

Pfarrers Jakob Strauß. I. II. ........ 100—121, 248252

Hans Volz, Dr. phil. in Berlin, Zwei unbekannte Eheentscheidungen Luthers .................... G. Buchwald, D. Dr., Superintendent i. R. in Rochlitz, Ein Brief Sigismund Pämingers an Paul ’Eber 2... H. Nebelsieck, D. Dr., Superintendent i. R. in Wildungen, Elf Briefe und Aktenstücke über das Religionsgespräch in Regensburg von 1546.

125 126

1: IR. 2 ii 127—136; 259—283

Helene Levinger, in Berlin (Südafrika), Die Bühne des Naogeorg ..........222eeecsenseersenn nenn ne

K. Bauer, D., Universitätsprofessor in Münster, Luthers Aufruf an den Adel, die Kirche zu reformioren. un

Mitteilungen: Neuerscheinungen und Zeitschriften 137—144, 284288.

Die Wiedertäufer in Mähren.

Von Frantiiek Hrabf. (Schluß.)

IV.

Zum Abschluß meiner Arbeit möchte ich noch einige Proben der wichtigsten Korrespondenzen und Akten anführen, die entweder von den Wiedertäufern selbst herrühren, oder aber von diesen handeln. Die Aktenstücke sind so ausgesucht, daß einerseits ih: Inhalt eine Ergänzung dessen bildet, was im Texte dieser Arbeit bereits erwähnt erscheint, anderseits aber um wörtlich einige interessante Schriften und Akten wiederzugeben, die in der Arbeit nur zum Teile benutzt worden sind, die aber dennoch wegen ihres Inhaltes und ihrer Stilisierung, wie nicht minder wegen der Charakteristik der beteiligten Personen im vollen Wortlaute abgedruckt zu werden verdienen.

Von der Korrespondenz der Wiedertäufer mit ihrer Grundobrig- keit ist eigentlich sehr wenig auf uns gekommen, daher dürften wohl unsere Proben um so willkommener sein. Ihr voller Wortlaut zeigt uns noch mehr, welche hervorragende Stellung die Wiedertäufer tat- sächlich in den Kreisen der mährischen Herren eingenommen haben; der Brief des Sebastian Dietrich an Ladislaus Welen von Zierotin aus d. J. 1619 ist hier besonders aufschlußreich. Aber auch die Korre- spondenz, die über die Wiedertäufer innerhalb des mährischen Adels, und hier wiederum z. B. die Korrespondenz des Kardinals Dietrich- stein vor dem J. 1620, bestätigen das Vorgesagte in hohem Maße.

Aus dem Schriftenwechsel und den Akten über die Wiedertäufer aus der Zeit nach 1620 hielt ich für besonders wichtig die wörtliche Veröffentlichung der sechs von Kaiser Ferdinand II. an Kardinal Dietrichstein im J. 1621 gerichteten Briefe über die Besitzergreifung der Schätze der Wiedertäufer; zur Charakteristik der öffentlichen Ver- hältnisse zu Beginn des 30jährigen Krieges sind sie ungemein ge- eignet. Die Proben aus der Korrespondenz zwischen dem Kaiser und dem Kardinal Dietrichstein a. d. J. 1624/25 werden hier ange- führt, weil in ihnen auch die Frage der Wiedertäufer in Österreich behandelt wird, auf die in der Arbeit selbst wegen ihrer Beschränkung auf Mähren nicht Rücksicht genommen werden konnte. Die Stücke aus den Jahren 1628/29 wurden aufgenommen als letzte Belege über die Wiedertäufer und ihre schließliche Austreibung aus dem Lande.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXXII 1/3. 1

Die Detailverzeichnisse über die Keramik der Wiedertäufer aus den adeligen Verlassenschaftsinventaren des 17. und 18. Jahrh. sind dann deshalb bemerkenswert, weil sie zum ersten Male aus solchen Archivalien zum Abdruck gelangen, die bis nun völlig unbekannt waren. Es wurden jene Inventare herausgesucht, von denen in der vorliegenden Arbeit sehr wenig oder gar nicht gesprochen worden ist. Es ist kein Zweifel, daß ähnliche Verzeichnisse noch oft zum Ausgangspunkte weiterer Spezialarbeiten über Keramik der Wieder- täufer dienen werden, obwohl vielleicht die Frage in der Hauptsache durch die hier veröffentlichte Behandlung erledigt erscheint.

1. Albrecht von Boskowitz an den Bruder Bastl: er über- sendet 2 Stück Barchent zum Auslegen des Wagens, welchen die Wiedertäufer für ıhn anfertigen; gerne würde er ihnen auch die Einführung der Wasserleitung in seinem Brünner Hause anvertrauen. Er fragt, ob die Wiedertäufer in Niemt- schitz das bestellte Tintenfaß schon angefertigt haben. 1569. Pürschitz.

Hausarchiv der reg. Fürsten von Liechtenstein in Wien. MS. 118, Fol. 141.

Brueder Bastl!), gueter Freind! Eur Gesund erfire ich gerne. Hiemit schick ich euch zway Stueck oschenfarwen Barchent, zu Unterfietrung meines Wagens gehörig, und be- gere, ir wollet denselben eurn Brüedern, die solchen Wagen solen machen, uberantworten, damit sie denselben ufs ehest als müglich / wollet sie ermanen / vorfortigen, auch wanern von dem Barchent etwas überblib, denselben mir widerumbt zu schicken.

Demnach tue ıch auch zu wissen, das ıch ın mein Haus zu Brin Wasser durch die Ror wil firen, auch ein Kasten darzue machen lassen. Wollet ir euch solchs Arbeit annemen, ist mein Beger, wollet euch zu mir derowegen zu Unterredung verfügen.

Nachdem mir auch die Brueder zu Niembschicz ein Chalamer machen sollen, ob es fertig ist, ermant sie, damit sie mir solches unvorziglich uberraichen. Datum Prschicz 1569 Jar.

2. Der Vorsteher der Wiedertäufer-Gemeinde in Austerlitz teilt dem Gutsverwalter von Morschitz, Georg Zilinsky von

1) Es war dies gewiß der Vorstand der neuen Haushabe, die von den Wiedertäufern mit Bewilligung des H. Albrecht v. B. im J. 1567 auf seiner Herrschaft Wostitz en wurde Vgl. Wolkan, 8. 352.

3

Zilin mit, wann der von ihm bestellte Wagen fertig sein wird und was er kosten wird. 1588 Januar 18 Austerlitz.

Landesarchiv in Brünn. Orig.; auf der Rückseite ein kleines Siegel, das in seinem Wappen einen Schlüssel führt. Depositum des Deutschen Vereines für die Gesch. Mähr. u. Schles. in Brünn.

Glückliche Wolfart sambt allem Gueten wünsche ich euch zuevoran, freindlicher, lieber Herr Pfleger!

Eur Schreiben hab ich empfangen und verstanden, darauf ich euch zue wissen tue, daß wir eur Begeren geren erstatten wolten, den Wagen fertig zue machen und fält auch an unserer Arbeit nit. Allein der Satler wirt mit den Mossen-Negeln gesaumbt und hat ir noch nit genueg, deswegen wissen wir euch nit zue vertrösten, als auf vorbemelten nägstkünftigen Freitag nach dem Wagen zue schicken. Weiter lassen wir euch auch wissen, daB diser Wagen kosten wirt von dem Satler 53 Thaler und dem Schlosser 22 Thaler, dem Schmid 12 Thaler und dem Wagner 19 Thaler, dem Schneider 11/, Tha- ler. Also haben wirs auf das treulichest überschlagen, so die SOMMA.:0:- 0. ne er u er ne 1071/, Taler. Darneben wist ir zumf gueten Teil, lieber Herr Pfleger, die- weil ir mer Wägen bei uns habt lassen machen und auch aus- gezahlt, daß wir die Wägen nit leicht hinaus lassen, es sei dan die ganze Somma des Gelts erlegt und bitten derhalben, ir wolt uns soliches nit vor unguet haben und uns der Müeh ersparen und das ausstandig Gelt mit den Rossen herschicken, dan 60 Thaler hat der Herr zuevor auf den Wagen geben, darnach wist euch zue richten, Rest 47!/, Thaler zue bezalen hiemit, wie es euch lieb und dienstlich ıst. Datum Austerlitz den 18. Januari 1588 Jar.

Von uns Brüdern und Wagenmachern daselbst.

3. Johann Dionys von Zierotin an Claus Braitl, Brueder- Eltisten: er ermahnt Braitl von dem Herrn von Kaunitz keine Erhöhung der Bezüge für seine Leute zu verlangen und dies wegen Erhaltung des guten Einvernehmens der Wieder- täufer mit den akatholischen Herten, die ihrer Dienste bedürfen. Er weist auch hin auf die für die Wiedertäufer unangenehmen Verhandlungen auf dem letzten Landtage. 1609 September 5 Seelowitz.

Landesarchiv in Brünn; Abschrift im Kopierbuche der deutschen

Korresp. des Joh. D. v. Z.a.d. J. 1608— 1614, Fol. 38— 39. Depositum der Familie Zierotin.

Lieber Claus! Von Gott. etc. Kan euch nit verhalten, das mir mein sonders lieber Herr Oheimb, Herr Woldrzich von 1*

&

Kaunicz!) etc. diese Tag durch sein Schreiben zu wissen ge- tan, wie das ihr als unter euch Eltisten etliche Personen zue dem Herrn abgefertigt und wie durch Schreiben, also auch

mündlichen den Dienst, welchen euer Gesind in des Herrn.

Höfen haben, ohne alle rechtmessige Ursachen aufgesagt, mit Vermelden, wofern ihnen auf St. Wenceslai die Dienst nit erhöhet werden, das ir sie aus den Höfen aufheben und nehmen wollet. Weilen dan der Herr von Kaunicz, als wie ich aus seinem Schreiben vernimb, mit euch wegen des Diensts niemal gedinget, auch nichts destwegen bei dem Herrn für- gangen, zue dem so sein auch die Zetteln, welche mit den eltisten Brüdern auf die Dienst gemacht sind, nicht von diesem Herrn, sondern von seinen Vorfahren als Anherrn und Uran- herrn schon von 60 Jahren hero aufgericht. Nach welchen aufgerichten Zetteln die ganze Zeit hero ohne Klag das Gesind jeder Zeit in dem Dienst verblieben ist. Und welches aber eG Herrn von Kaunicz aniezo sehr wunderlich und wider- wertig gegen euch fürkombt, das ir solche Sach ohne rechte Ursachen anhebet und den Dienst aufsagen. Derentwegen hat er mich dies Schreiben an euch abgehen zue lassen gebeten.

Weilen es dan in dieser Sach mich sowol, als gedachten Herrn von Kaunicz, wie auch andere Herrn und Landsessen antrifft, welche euch und euer Gesind auf unsern Gründen und Höfen haben, wil mir keinesweges gebühren, darzu still zu schweigen, damit mirs nit vileicht ebnermaßen von euch beschehe. Derentwegen tue ich euch mit diesem Schreiben erindern mit Begehren, ihr wollet von eurem solchen Vorsacz, welchen ir gegen dem Herrn von Kaunicz etc. vorgenomben, ablassen, bei den alten mit euch vorhin aufgerichten Zetteln verbleiben und nichts Ungebrauchiges, nıt Gebührendes für euch nehmen, als das Gesind, aus den Dienst aufzuheben.

Vileicht aber wisset ihr davon nit, was bei dem nechst ver- schienen allgemeinen Landtag von den Herrn und Stenden dieses Morggraftumb Mähren im Landtag wegen euer Brüder samentlich ist geredet worden und anwe es verblieben, aber in dem Landtag solches nit eingezeichnet ist worden?). Ich aber gar wol drumb weiß, solt mir dergleichen etwas von euch begegnen / dessen ich mich aber nit versehe / , wissete ich wol, wie zu dieser Sach zu greifen.

Wil euch aber hierin noch gewarnet und ermahnet haben, das ir von dem, was ir albereit angefangen, ablasset und wie dem Herrn von Kaunicz also auch uns andern Herrn und Landsessen ingleichem ausUnverstand Ursach nit geben werdet.

1) Auf Austerlitz. 2) Vgl. Wolkan, Geschichtbuch, S. 514.

Bin hierauf von euch einer endlichen Antwort, darnach ich mich zu richten haben möge, gewertig, damit wan etwas hierin zuwider, das ich solches bei jetzt künftigen Brünnerischen Lendrecht, welches jetzt gehalten werden wird, den Herrn Lendrichtern fürtragen könne. Welches ich euch hiemit nit verhalten wollen.

Gott mit uns allen. Datum Selowicz, den 5. Septembris, Anno 1609.

4. Andreas Rey von Naglowitz an Philipp du Plessis-Mornay: er ist auf seiner Rückreise in seine (polnische) Heimat in Mähren eingetroffen und schildert die religiösen Verhältnisse in diesem Lande der großen Religionsfreiheit. Er berichtet auch darüber, was er über die Wiedertäufer erfahren hat}). 1612 Januar 15 Olmültsz.

Bibliothek an der Sorbonne in Paris. Hs. Nr. 369, Fol. 16. Gleich- zeitige Abschrift.

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Illustris domine, 4 Calen. Januarii postremas ad te, quae Venetos spectant. De Bohemia, Moravia inprimis iuvat aliquod verbum ex observatis meis. Libertas religionis cuique datur religion. Communis confessio in Bohemia tantum est facta, legibus, privilegiis fundata imperatoris?). Sed con- fusio inde non minor disciplinae ecclesiasticae, solutio peri- culoss, ab odiis, exacerbationibus nihil remissum®). In Mo- ravia iste consensus non est, sed quisque pro arbitrio vivit,

1) Diesen Brief babe ich in meiner tschechischen Arbeit, welche über die Beziehungen des Philipp du P.-M. zu Karl dem Älteren von Zierotin handelt (veröffentlicht im Gedenkbuche, welches zum 60. Ge- burtstage des Prof. J. Pekar in Prag 1930 erschienen ist), abgedruckt. De aber seine Schilderung sowohl der Religionsverhältnisse in Mähren, als auch des Lebens der Wiedertäufer sehr gut in den Rahmen der vorliegenden Arbeit fällt, bringe ich ihn hier in verkürster Form. (Ausgelassen sind diejenigen Teile, die die politischen Verhältnisse in Mähren schildern.) Andreas Rey war in Mähren Gast Karls von Zierotin, woraus geschlossen werden kann, daß die ihm über die mährischen Zustände gegebenen Informationen direkt von diesem seinem Gastgeber stammen. Rey war ein Enkel des berühmten polnischen Schriftstellers Nikolaus Rey von Naglowitz.

3) Gemeint ist der bekannte Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. über die Religionsfreiheit in Böhmen.

3) Der Autor denkt hiebei an die Uneinheitlichkeit derer, die sich den Majestätsbrief errungen haben; es ist bekannt, daß sich unter dem Majestätsbrief nicht nur die Evangelischen (verschiedener Rich- tungen), sondern auch die böhm. Brüder deckten.

dominus quisque quam vult religionem fovet, tolerat, mutat. Sunt tamen praecipui et primi lutherani et fratres bo- hemicae confessionis, quae eadem est cum vestra, quin antiquior longe, ut mihi monstrarunt ex fide librorum impresso- rum quinquaginta ante Calvinum annis. Caeremoniis tantum paucis discrepant, quod ex altari capiuntur ostise, populo in genua per ordines flexo in os ingerendae a ministro. Templa non habent imaginem ullam, non candelas, non alias nugas, reliqua prorsus ut ecclesiae vestrae. Est quoque cuique coetui cum ministro senatus, qui curam habet disciplinae et ordinis, qui inter eos magnus, cum modestia, sanctimonia mira coniunc- tus. Praecipuus est inter eos dominus promarchio Zeroti- nius tuus!), comes ab Hodicz, vir magni animi, prudentise rarae, sed valetudinis parum firmae. Baro item a Rupa, a Caunitis?) et multi alii sive ex prooeribus, sive ex nobili- tate, ex plebe primi. Plebs licet potior sit lutherana. Ministri hi fratres vitae sunt peroptimae, doctiores quoque nonnulli, ob defectum scholarum et sumptuum non cuncti. Scholam non habent ullam, nisi pro pueris unam et alteram idque misellam. Pastoribus alimenta tantum conceduntur agri, non aut paucissimi nummi. Tenetur tamen quisquis illorum alere et educare & puero, qui ipsi datur futurus minister. Multi sunt, qui multos alunt secundum agros et alimenta, quibus utuntur. In universum ducenti sunt ministri tales in Moravia, Bohemia et partibus Polonise, Silesiae vicinis. Seniores ha- bent quatuor, qui et visitant cuntoß et cunctorum labores, scholas in suis aedibus habent. Singuli plures iuvenes alunt,

instruunt ad recte obeundum ministerium. Vivunt tanquam .

in monasteriis antiquis stricte in summa modestia ac pietate. Sed magna ex parte non possunt familiam tantam iuvenum sustentare ac propter diei aliquam partem oportet, ut consumant ad lucrandum aliquid manu laborando, alii in telis texendis, alii in libris ligandis, cultellis adaptandis, et si quae alia no- runt. Minima tamen pars est diei, quae otio datur, reliquum in studia elocatur. Stupebam, extra me eram hic totus, non ob id tantum, quod vita talis possit ab iis tolerari, juventus paupertate non deterreri a ministerii munere et onere, sed maxime, quod isti barones, quibus pinguiores nullibi (multi sunt, qui 40, 50, 60 ad centum usque millia coronatorum reditus annui habent), non maiorem caritatem habeant, aliter non prospiciant ecclesiae, cuius membra se profitentur esse.

ı) D. i. Karl v. Zierotin, mähr. Landeshauptmann.

2) Georg v. Hoditz, intimer politischer Freund Karls v. Z. und Angehöriger der böhm. Brüder: ähnlicherweise auch Wilhelm v. Ruppe auf der Znaimer Burg und Lirich v. Kaunitz auf Austerlitz.

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Unus est saltem ex domo Zerotinorum, promarchio noster, et comes, quem dixi, qui faciunt soli plurs, quam caeteri omnes, quorum singuli sunt iis ditiores. Addam id adhuc de senioribus atque ministris, utut sint tam tenues, suis tamen sumptibus eunt et redeunt ad omnes synodos, visitant aegrotos, saepe remotos, nonnunguam cum icatura rerum suarum ut et sedem mutare, cum synodus iubet, quod inter eos f Et haec est ratio regiminis et conditionis ecclesiae Mora- vianse. Bohemicae minus sunt, parum egense, quoniam nn aliquibus gaudent, ministri non sunt tam multi. Bed ue ut et in Moravis pauperes mendici multi atque ob id = ectae quoque perpaucae, quarum pars insumitur ad sustinen- dam typographiam et imprimendos libros, qui nisi in summa necessitate scribuntur ex communi consensu, communi exa- mine prius praemisso vulgantur.

Est quoque novum quoddam in Moravia et Bohemia erro- neum calvinistarum genus, qui propter caeremonias Cae- nae domini, receptas ut in Palatinatu, sic vocitari gaudent, cuın et revera doctrina est ipsis prorsus eadem!), sed amor christi- anus et charitas atque Ördo longe diversus. Nam sese eximi ab omni disciplina ecclesiastica volunt, certam ipsius formam nullam inter se habent, alios tanquam ordinis observatores nimios et pietatis cultores contemnunt. Hinc quandam rup- turam fecerunt ecclesiae, iam cum fratribus, iam cum luthe- ranis se iungunt, saltem ut ministri plerique et qui illos se- quuntur ingenio et moribus, vagi res suas faciant et neutrisque sordescant. Cum praecipuis saepe mihi sermo fuit, saepe cum illis audacter de nostra polonica unione et de austriacis quibusdam orthodoxis, qui caeremonias lutheranas amplec- tuntur, cum iis communicant, modo ne scandalo aliis fiant, separent ecclesiae patientis a pontificiis et aliis hostibus corpus. Sed frustra. Volunt enim et nolunt idem, prout est, cum quo loquuntur, vovent unionem, suspirant et tamen ab ea rece- dunt, vellent, ut ab ordine antiquo ad confusionem illorum vitae reliqui accedant.

Iam vero, quod ad alias sectas spectat. Tolerantur et istae ab istis baronibus, nummis obaesis, modo ab iis lucrum veniat, credunt, quidcunque exerceant, suas haereses permittunt. Absoluti sunt enim. Rex nihil gubernat, illi seipsos et sub- ditos illorum ab antiquo tempore consuetudine longa. Bed non sunt nisianabaptistarum genera quaedam ab arianismo parum remota, quorum plerique communitates faciunt, ex communibus facultatibus coemunt domos, quas conglobant in unam, ut una vivere possint. Agros quogue, ex quibus

ı) D. h. mit den böhm. Brüdern.

victitant et artificiis manualibus atque opificiis, quae inprimis exercent et ob quae retinentur ab illorum patronis. Vivunt sordide, quod illi interpretantur ad pietatem conforme. Li- beri ipsorum“ab. matribus accipiuntur a tertio anno, ut uns educentur cum reliquis, matres ne impediantur a laboribus et neque pater. Viri cum viris et qui adolescentes iam ad labores apti, una cibum capiunt omines, foeminae seorsum. Quae vero in matrimonium dantur, noh nubunt, quibus vo-

vult et quas saepe vidit nunquam, ex quibus ekgit unam, quae ipsi placet. Neminem ad mortem puniunt, nemini verberanti resistunt; dicunt se credere symbolum apostolo et illorum fidei regulam esse. Nos quoque non male credere\ assentiunt, si modo vitam duceremus iis similem prorsus eandem, extra quam dicunt mundum esse corruptissimum et filios mundi. Libros alios praeter biblia ab ecclesiis helveticis in germani- cam linguam translata non admittunt nec legunt. Alias vitae innocentis quoad exteriora, utut turgentis superbientis in eo, quod despiciant cunctos, aestiment quasi pro infidelibus non christianis. Sed de ecclesia satis. Concludo ergo voto et suspiriis, ut, quemadmodum deus hic ecclesiam suam ab antiquis temporibus fundavit, nunc ad eum statum reduxit plerisque ut iam innotuerit, Christus, .. ita inguam eandem ecclesiam suam protegat, uniat, pacem concessam conservet. Idem et tu, illustris domine, pro iis haec a nobis perscripta in meliorem ut consuevisti capies partem. Olomuntii, quae est provinciae urbs capitalis, 15. Januarii anno 1612.

Illustri tuo nomini devotus Andreas Rey de Naglovicz.

De Anababtistis Moravise id mihi inter scribendum ex- ciderat. Habitant gregatim in diversis circiter in viginti locis, in universum sunt sexus utriusque millie 60. Semel et iterum celebrant nuptias in anno in certo aliquo loco, quem jubent accedere publicando ex suggestu quicunque nubere velint sive masculos, sive foeminas. Hi sese postea eligunt invicem ex primo conspectu interveniente ministro, ex tribus unam, quae nolit velit nubat ipsi opportet. Saepe etiam ex tribus juvenis vetulam ipsum volentem capiat necesse. Ex propositis vero pars alterutra si nullum aut nullam velit, per sex menses opportet ut patiatur moram. Post copulantur, cibum capiunt viri cum viris, foeminae cum foeminis, deinde quisque abducit suam. Unus in quaque domo sive grege gubernat, cui caeteri sunt obsequentissimi. Foeminae cuique seniori dantur in- fantes 12, qui ab iis nutriuntur in loco communi, saepe ducenti,

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trecenti in magno foetore squalore, sic ut pars magna illorum saepe decedat. In Coena domini pane integro utuntur, ex quo quisque particulam rumpit et dat sequenti, idem vasculum aliquod vini. Sedes habent in locis tantum fertilissimis, extra Moraviam non alibi reperiuntur ad vitae istae normam. Pro magistratu precantur, sed eum non suum esse agnoscunt. Deus inquiunt unus est magistratus. Reges sunt datiinira dei. Ad bellım nemo illorum contribuit unguam, ne, dicunt, causae simus sanguinis effusi, quod si cogantur, permittunt, ut ipsis vi adimatur. Utut sint inter eos opifices praestantes, nihil tamen faciunt, quod aut ad bellum esset aptum, ad se defen- dendum vel oppugnandos hostes. Item in quo minima est species luxus aut superfluitatis.

b. Johann Dionys von Zierotin an den obersten Vorsteher der Wiedertäufer in Neumühl Bastl Dietrich: Dr. Johannes Jenelius hat sich darüber beschwert, daß er auf der Reise von Wien ein Felleisen mit Geld und Briefen verloren habe und daß es der wiedertäuferische Fuhrmann Hans von Pausram gefunden haben soll. Zierotin ersucht den Bastl, er möge den Fuhrmann sowie einige andere Wiedertäufer in dieser Sache verhören und das Verhör ıhm einsenden. 1612 Mai 21 Seelowitz.

Landesarchiv in Brünn; Abschrift im Kopiarbuche der deutschen Korresp. des Joh. D. v. Zierotin a.d. J. 1608— 1614, Fol. 128v. bis 129. Depositum der Familie Zierotin.

Lieber Bastl! Von Gott wunsche ich euch alles guets. Kan euch nicht verhalten, daß mir Herr Doctor Johannes Jenellius etc. vor diesem zu mir komen, anzeigende, welcher Gestalt er ein Falleıs, darinnen Geld, Brief und andere Sachen waren, auf dem Weg von Wien herein verloren und solches ein Fuhr- man, namens Hanns von Pausram, gefunden haben sol. Und obwoln ich schon zum zweitenmal gedachten Fuhrman vor mir gehabt und ihne bespracht, tuet er aber solches ver- neinen. Weilen aber er Herr Doctor daran nit vergnueget und solches m’t Zeugen dartuen wil, daß er solches Falleis gefunden, hat er sich bei dem Herrn Landshauptman!) an- gemeldt, welcher mir, wie ihr hiebeiliegend ein glaubwürdige Abschrift zue finden, daß ich ihme Doctor zu seiner Sach ver- hilflich sein sol, zue schreiben tuet. Und wan ich aber von gedachtem Fuhrman keine richtige Verantwortung nit haben kan, also habe ich mit Fleis euch hiemit zueschreiben wollen, begerende, ihr wollet oftgedachten Fuhrman für euch fordern

1) Karl v. Zierotin.

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und ihne nach Notdurft, wie ich dan auch heut mit denen zweien Bruedern, als Christofen Hirzl und Michaeln Großman!), derentwegen geredet, examinieren und wol ausfragen und dan seine Bekantnus mir zue schicken und zue wissen zue tuen, damit ich also, wan ich dessen bei euch verstendigt werde, dem Herrn Landshauptman, welcher hernach wol werde wissen, wie ihme hierin zue tun, wiederumb berichten und zue schrei- ben möge. Verhoffe also, ihr werdet hierin der Billigkeit nach handeln und solches tuen. Gott hiemit befolhen. Selowicz den 21. May Anno 1612.

P.S. Der Fuhrman beruefet sich auf den Siechlschmid zue Pausram, Seklern zu Klein Niemtschicz und einen Fuhrman daselbsten, namens Hanßen Maczkowsky, so auch darbei ge- wesen, könnet sie auch zuegleich beschicken und verhören?).

6. Johann Dionys von Zierotin an Bastl Dietrich, Brueder- Eltisten zu Neumühl: da Jonathan Wendl, der bei Z. als Balbier diente, zum Badmeister ernannt wurde und sehr be- schäftigt sein wird, bittet Z., es möge der in seiner Bedienung schon bewanderte Wolf Hadler, Bader zu Waczenowicz, dem Genannten als Geselle zugeteilt werden, damit dieser ihn auch fernerhin bedienen könne. 1613 Juni 30 Seelowitz.

Landesarchiv in Brünn; Abschrift im Kopiarbuche der deutschen Korresp. des J. D. v. Zierotin a. d. J. 1608— 1614, Fol. 232. Depositum der Familie Zierotin.

Lieber Sebastian Dietrich! Von Gott wünsche ich euch alles Guets. Nachdem ich verstanden, daß ihr den Maister Wendel von hier genomen und anstat seiner seinen Sohn Jonathan, so mich zu balbieren hat gepflogen, vor einen Maister in das Bad beschieden, und aber anieczo ich ihne ferner wegen seiner allerorten habenden Patienten nit allzeit gebrauchen werde können, und ich aber auch schon des Wolfen Hadlers,

1) Über Beide siehe Wolkan an verschiedenen Orten.

2) Im erwähnten Kopiar ist auch folgender „Zeugnus-Brief, den Brüdern von Pribitz gegeben‘‘ (dt. 18. Novemb. 1613, Fol. 265 v. bis 266), in dem Joh. D. v. Z. bezeugt, daß die stattgefundene Unter- suchung über die Sache Dr. Jenellio nicht recht gab. „Derentwegen gelanget fährt Herr Zierotin in seinem Zeugnis fort an alle und jede ... mein freundlich Ansinnen und Begehren, wofern irgend obgemelter Herr Doctor Jenelli die Brüder, meine Undertanen, solchen Falleis beschuldigen möcht, sie wollen ihme keinen Glauben setzen, sondern dies mein Zeignus ihnen geniesen lassen.‘‘ Die Wieder- täufer erbaten sich dieses Zeugnis, damit auf ihnen dieser Makel nicht bleiben sollte.

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Badern zu Waczinobicz, so vor diesem bei mir gedienet und meinen Gebrauch weiß, gewohnet bin, also ist an euch mein freund]. Ansinnen, ihr wollet mit euern Mitbruedern zuegleich die Sachen bei gedachts Wolfen, Maistern zue Schakhowicz, dahin richten, daß er dem Meister Jonathan alhier vor einen Gesellen zuegeben werde, damit, wan ich ihne zu balbieren bedürftig, haben möge. Versichr mich, ihr werdet, weiln ich nichts unbillichs begehre, solches tuen. Gott hiemit neben Erwartung einer Antwort bevolhen. Datum Selowicz den 30. Juni anno 1613.

7. Johann Dionys von Zierotin an Franz Walter, Bruder- Eltisten zu Pribitz: er ersucht neuerdings, F. W. möge ihn beim obersten Vorsteher der Wiedertäufer darin unterstützen, daß ihm dieser einen Müller samt Gesinde für die neue Mühle auf der Namiester Herrschaft schicken möge. Wenn auch die Mühle einsam gelegen sei, mögen die Brüder doch nicht be- fürchten, daß sie dort nicht sicher wären. 1614 Mai 2 Seelowitz.

Landesarchiv in Brünn; Abschrift im Kopiarbuche der deutschen Korreap. des Joh. D. v. Zierotin a. d. J. 1608-1614, Fol. 300 v. bis 301. Depositum der Familie Zierotin.

Lieber Franz! Von Gott wünsche ich euch alles guets. Ich hette mich dessen gegen euch nicht versehen, daß ihr indeme, wie ich euch wegen meiner Mühl, so ich auch meiner Herr- schaft Namischt bei Mohelln!) erbauen und zurichten habe lassen, mich aus euern Leuten mit einem verstendigen Mülner und seinem Gesindl zue befördern, daß ihr mir darzue verhilf- lichen sein wollet, ersucht, ihr auch solches zue tuen, was euch möglichen sein wird, bei dem Bastl Dietrich, Brüder Eltisten, und Waldhausern Scheibl, vorgestelten Mülner zu sollicitieren und anzuhalten euch erkleret, damit ich in meinen Begehren zuefrieden sein möge. So verstehe ich aber und mueß vernemben, daß ihr unangesehen, ich aus euern Leuten viel in meinen Diensten wie auf Mühlen, also andern meinen Höfen habe und dem Bastl davon wol bewust, hierinen sehr nachlessig seid. Doch habe ich mir sagen lassen, wie daß euere Mitbrueder nit zuwider weren, auch keines Wegs sich weigerten, einen Mülner und Gesind auf gedachte Mühl zu verschaffen, ohne allein, weilen solche Mühl dem Marckt etwas entlegen und sie inkünftig etwan durch böse Leut wegen der Wohnung, so allerdings nach ihrem Willen nit versorgt, angefochten und nicht alsbald geschützt werden möchten, ein Bedencken nehmen

1) Mohelno, ein Städtchen sw. von Brünn.

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und ihnen nit getrauen, tue ich euch nit verhalten, daß nie gehöret worden, daß es umb dieselbe Gegend herumb unsicher (so ich ohne das zue leiden nit gesinnet) sein soll. Muß also solche Entschuldigung vor nichts und nur vor eine lehre Aus- red halten.

Derentwegen wil ich euch nochmaln hiemit ermahnet haben, ihr wollet, wie ich vor diesem an euch einist begehret, bei dem Bastl (welchem ich auch destwegen hiemit zu schreiben und solches Schreiben ihme zuestellen solt) anhalten, damit mir ein Mülner begehrter Maßen auf gedachte Mühl mit seinen Gehilfen und Leut gegeben werde. Was dan vor ihre Müh, Arbeit und habenden Fleis gebühren wird, wil ich derjenige sein und mich hernacher mit euch Eltisten und andern der Billigkeit nach vergleichen und Zedeln aufrichten lassen, daB ihr und er Mülner zuefrieden und mit mir benügt sein sollen und auch bei meinem Pfleger und andern meinen Angesezten, aldort die Anordnung zue tuen, daß sie, wan irgend sie ein Notfall anstößt, gleichmeßig wie andern meinen Undertanen beschiecht, geschüzt und gehandhabt werden sollen.

Wil also der Hoffnung leben, ihr und euere Brueder werden diejenigen sein und mich in solcher billigen Sach, so ich nit gern wolte herumber fuhren, dan solt solches geschehen, müste ich mir die Gedanken machen, daß ihr mich zu Zorn reizen und Ursach etwas zu tentieren, so villeicht euch inkünftig nit ersprießlichen sein möcht, mir geben wolt. Versiehe mich aber, weiln ihr Brueder verstendige Leut sein wollet, ihr werdet es zue dem Ennde nit komen noch gereichen lassen. Wil also von euch einer Antwort, worauf ich mich genzlichen zue ver- lassen, gewertig sein. Datum Selowiz, den 2. May Anno 1614.

8. Johann Dionys von Zierotin befreit den obersten Vor- gesetzten der Wiedertäufer Sebastian Dietrich, von der Maut- abgabe auf allen seinen Herrschaften, und dies so oft, als er sie bereisen würde, um die Wiedertäuferhöfe zu besichtigen. 1614 August 9 Seelowitz.

Landesarchiv in Brünn; Abschrift im Kopiarbuche der deutschen Korresp. des Joh. D. v. Zierotin a.d. J. 1608— 1614. Fol. 321 v. bis 322. Depositum der Familie Zierotin.

Ich Johann Dionys Herr von Zierotin etc. tue mit diesem meinem offenem Brief zu wissen, daß Sebastian Dietrich, Bruedereltister zur Neumühl, vor mich komen, anzeigende, welchergestalt er auf meinen Gründen und Boden mit Be- suchung der Bruederhöffe zue tun und hin und her raisen mueß, aber wegen der Mauthalben angefochten wird. Damit er aber dessen enthebt und verschent werde, bate er mich,

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ihne solchen Mautgebens zue befreien. Und weilen ich dan weiß, daß er nit allein wegen der Bruederhöf, sondern auch zue Zeiten wegen meiner selbst Notdurft oft raisen mueß, also habe ich ihne hiemit solchen Mautgebens entlassen haben wollen und befelhe derentwegen allen meinen Meutnern, so auf meinen Gründen die Maut einnehmen, hiemit ernstlich, daß, wen gedachter Sebastian Dietrich auf solche Meuten komt, einige Maut wie von ihme, als auch von Kutschiwagen und Rossen nit nehmet noch andern solches zue tun gestottet, sondern uberall frei und ungehindert fortfahren und passieren lasset. Zuer Glaubenwürdigkeit dessen habe ich mein Insigl wissentlich hiefür truecken lassen und mit eigener Hand unter- schrieben. So geschehen Selowiz den 9. Augusti 1614.

9. Kardinal Dietrichstein an den Beamten seiner bischöf- lichen Herrschaft Saar: er wird demnächst 2 wiedertäuferische Zimmerleute hinschicken, damit unter ihrer Aufsicht 500 Bäu- me in den dortigen Wäldern gefällt werden. Er soll ihm taug- liche Leute zur Verfügung stellen und ihnen die passendsten Stellen ım Walde anweisen, damit sie die besten Stämme aussuchen und sie nach Brünn befördern lassen können. 1614 Oktober 12 Nikolsburg.

Archiv des Olmützer Bistums in Kremsier. Freie Akten des Kard. v. Dietrichstein a. d. J. 1614. Konz.

Frantz etc. Unser Gunst und alles Guets, ehrnfester, treuer, lieber! Es wird in 14 Tagen swen bruederische Zimmerlait aldahın auf unsere Herrschaft Sahr ankommen, die wir dan der 500 Stammen Holtz halber, wie dir bewust, hinordnen, wirst derowegen sie öberall in den Wälden herumbfüehren, und wo solches Holz, inmassen ietzige Zeit am bequembsten und besten solches zue fälen sein solle, ihnen, wo es am wenigi- sten dem Bistum schedlich sein mag, zaigen lassen, als auch genuegsame Zimerlait zue geben, damit es gefälet, der Gebüer ausgehauet und also hernacher bei kunftigem guetem Schlitten- weg möge bis auf Prin von denen Undertanen gebracht werden. So wir dir zue gehorsamster Nachrichtung nit bergen wolten. Datum auf u[nserem] E{rbschloß] Nfikolsburg] den 12. Oc- tobris a. 1614.

10. Kardinal Dietrichstein an Erasmus von Landau: er nimmt mit Dank zur Kenntnis, daß E. v. L. Rücksicht nehmen will auf seine Fürsprache wegen Freilassung zweier Wiedertäufer, trotzdem die Nikolsburger Wiedertäufer dagegen Verschiedenes einzuwenden haheı.. Damit die Angelegenheit bald erledigt

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werde, schicke er zu ihm 3 seiner Wiedertäufer!). 1618 . Januar 5 Nikolsburg.

Archiv des Olmützer Bistums in Kremsier. Freie Akten des Kard. v. Dietrichstein a. d. J. 1618. Konzept vom Kardinal eigen- händig berichtigt.

Unsern freundlichen Grueß und alles Guets. Wolgeborner Freiherr, besonders freundlich lieber Herr und Vetter!

Was uns der Herr auf unser an ihme von wegen zwen Wider- taufer, nemblichen Davidt Wälischen, seines gewesten Kellners und seines Weibes und Kinder, dan auch Hansen Cräimers, ermelten Kelnersgehilfen, abgangenes Intercession-Schreiben in Antwort zugeschrieben, das haben wir neben denen uns öber- schickten Einschließen mit mehrern vernomen. Und tuen uns forderist gegen den Herrn seiner beschehener Anerbietung und das er unsertwegen dies Orts wurklichen etwas tuen wolte, freundlich bedanken neben Anerbietung, solches dem Herrn Vettern zu jederzait mit freundlicher Guetwilligkeit zu wider-

n.

Ist wol selezam, das benanten Kelners Unfleis und Liderlig- keit ihme alsolange solte zugesehen und nit in der Zeit diesem Unrat durch des Herrn Beambte billich vorkommen sein worden, zudeme auch geben seine Eltesten fur, daß, wan ihre Vorgestelten dieselben hinwegzunehmen begehrt haben, es ihnen nit bewilliget, dieses auch hierbei bedenkend, das in der jungsten gefärtigten Spanzeteln die Clausuln von wegen der Schäden / wan solcher durch sein Verwahrlassung be- schicht / nicht einverleibt. Diesem sei nuen, wie es wölle, damit dieser Sachen desto leichter abgeholfen und die ver- arestirende Personen möchten entlediget und wiederumben freien FueßB gestellt werden, haben wir zu dem Herrn dise unsere aigne Leut, als Christofen Hirczeln, der zu jederzeit sich in unsern Diensten willigist gebrauchet, dan auch Ul- richen Josten, unsern Kellermeistern und Hansen Klägern, alhiesigen Haushaltern, damit si bei dem Herrn von der ver- hoften Personen wegen gehorsambist reden und tractiren möchten, hiemit abgefertigtt. Dem Herrn Vettern, wie zu- vor, also auch anjezt ganz freundlich ersuchend, der Gefangnen dieser unser wie auch der vorigen in Genaden wohlmeinende erteilter Intercession, soviel miglich, fruchtbarlich genießen lassen.

Dies wöllen wir zu jeder Zeit mit allen Gueten willig erkennen und verschulden, uns hiemit göttlicher Bewahrung empfelend.

1) Über den Streitfall des Erasmus von Landau mit den Wieder- täufern siehe Wolkan, S. 532/33.

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Datum auf unsern Erbschloß Nyklspurg den 5. Januarii a. 1618. :

11. Kardinal Dietrichstein an Erasmus von Landau: er be- dauert, daß die verhafteten Wiedertäufer noch nicht freige- lassen worden sind. Er bittet abermals für die armen Ge- fangenen, da ihre Ältesten bereit seien den Schuldigen selbst zu bestrafen, falls er wirklich als schuldig befunden werden sollte. 1618 Januar 9 Nikolsburg.

Archiv des Olmützer Bistums in Kremsier. Freie Akten des Kard. von Dietrichstein a. d. J. 1618. Konzept vom Kardinal eigen- händig berichtigt.

Unsern freundlichen Grueß und alles Guets. Wolgeborner Freiherr, besonders freundlich lieber Herr und Vetter!

Und können dem Herrn nicht pergen, wie daß wir diese Tag von wegen der verhaften Widertaufer abermals ein Inter- cession-Schreiben an den Herrn Vettern abgehen lassen, wie auch unsere aigne Leut neben demselben zu ihme abgefärtiget, wie dan der Herr aus beigelegten damals ausgefärtigten Inter- cession-Schreiben den Inhalt mit mehrern vernehmen werde. Daß aber der Herr nunmehr nicht bei Haus anzutreffen ge- wesen, ist uns solches laid gewesen, haben demnach tails dieselben gar auf Wien zu dem Herrn Vettern abgefärtiget mit freundl. Bitten, er wölle doch die arme, verhafte Leut, wie auch Weib und Kinder der schwären und langwurdigen Gefängnus einestmals bemußigen, auf freien Fueß stellen und abziehen lassen und in Fal, ja nicht möglich, si alle des Arests freizulassen, zu wenigisten aber Weib und Kinder, also auch des Kellners Gehilfen, weilen dieselben in wenigisten Schuld daran haben. Es sein der Bruder vorgestellte Eltisten och bietig, dem Kellner, da er im wenigisten Unrecht befunden und daran Schuld haben solte, ihm zu strafen. Was nun dies Orts der Herr auf unsere wohlmeinende Intercessiones gegen denen verhaften Personen tuen werde, solches wöllen wir gegen den Herrn Vettern in allen fürfalenden Occasionibus mit allem Gueten zu jederzait willig verschulden. Uns hiemit göttlicher Protection empfehlend. Datum auf unserm Erb- schloß Nyklspurg den 9. Januarii a. 1618.

12. Kard. Dietrichstein an Erasmus von Landau: damit endlich die Angelegenheit der verhafteten Wiedertäufer er- ledigt werde, übersendet er dem E. v. L. drei bedeutende Mitglieder der Wiedertäufergemeinde in Nikolsburg, mit denen dieser hierüber verhandeln möge. Er bittet, daß die Ver-

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handlung beschleunigt werde, weil er die Dienste der ent- sandten Personen oft benötige. 1618 Februar 33 Nikolsburg.

Archiv des Olmütser Bistums in Kremsier. Freie Akten des

Kard. v. D. a. d. J. 1618. Konzept vom Kard. eigenhändig

berichtigt.

Unsern freundlichen Gruß und alles Guets bevor. Wol- geborner Freiherr, besonders freundlicher lieber Herr Vetter! Des Herrn an uns abgegangenes Schreiben, die Widertaufer betreffend, haben wir schon lengist empfangen, auch ihnen solches der Notturft nach furhalten lassen. Was nun uns hierauf fur ein schriftlicher Bericht von ihnen eingehändigt worden, das wird der Herr Vetter aus beigelegtem Einschlueß mit mehrern zu vernehmen haben. Wann wir dan selbsten gar gerne sehen wolten, damit diese Sachen einesmals zu einem End und Abkurzung derselben Strittigkeit möchten gebracht werden, als haben wir diese gegenwärtige unsere Undertonen, nemblichen Franczen Walter, den alhiesigen Bruder Lehrern, welcher der vornehmste under ihnen, dan auch Belthausern Kholert, bruderischen Haupt-Arzten alhir / unangesehen, daß wir semer Person in unser jezt wehrender Leibesschwachheit selbsten anheimb vonnöten gehabt hetten /, zu dem Herrn Vettern hiemit abgefertiget. Mit freundlichen Bitten dieselben in dero An- und Furbringen nicht allein williglich zu vernehmen, sondern auch ihnen unsertwegen alle und geneigten gueten Willen zu erweisen, damit also durch unsere Vorbitt die Sachen möchten zu einem gueten End gebracht werden. Wir sein ‚kein anderer Hoffnung, das gewißlichen, im Fall sie welche

Schuld der ihrigen im Werk befinden, sie sich auch terzue bekennen wern und dieselben nach ihrer Erledigung selbst darumben strafen. Getrösten uns demnach, diese wie auch andere albereit fur dieselben beschehene und ihnen in Gnaden erteilte Intercessiones werden ohne sonderliche Frucht nicht atlaufen. Welches wir dan umb dem Herrn Vettern in allen abgebenden Occasionibus mit gueter angenehmer Freundschaft zu jederzeit willig und gerne beschulden wöllen. Uns hiemit göttlicher Bewahrung empfehlend.

Datum auf unserm Schloß Nyklspurg, den 23. Februarii Anno 1618. |

13. Sebastian Dietrich, Bruder-Ältester in Neumühl, an Ladis- laus Welen von Zierotin: er stellt den lateinischen, über Kriegs- angelegenheiten handelnden Brief insgeheim zurück, den ihm der Herr zur Durchsicht eingeschickt hat, und legt als Ge- schenk ein Paar Handschuhe bei. Über den Austausch des wiedertäuferischen Verwalters des Hofes in Bilowitz. Wenn

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er gewußt hätte, daß er den Herrn angetroffen hätte, wäre er selbst ins Soldatenlager gekommen. Er bittet, Zierotin möge dem Boten vertrauen und ihm wenigstens andeuten, wie die Kriegssituation beschaffen ist und wie sich die Wiedertäufer in den drohenden Gefahren verhalten sollen. 1619 Februar 7 Neumühl.

Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Österr. Akten, Mähren, F. 2.

Von Gott dem Allmechtigen wünsche ich dem Herren Obristleutenampt!) neben Erbüetung meiner allezeit willigen Diensten vil gsunder Zeit und alle glückselige guete Wolfart zuvor.

Des Herren überschickte lateinische Schreiben hab ich wol entpfangen und dasselbe auch mit allem Fleiß überlesen und bedank mich erstlich gegen dem Herren seiner Dienst- und Vertreuligkeit gegen mir. In aller Undertenigkeit übersende auch dem Herren hiemit solches Schreiben eingeschloßner bei eim vertrauten Boten wider der Hoffnung, daß es dem Herren also unverlezt, wie ichs entpfangen, zu seinen Handen ge- antwortet werden solle. Ich wunschet von Herzen, das es Gott der Allmechtig bald wider zu eim gueten Friden in diesem Land schickete.

Und zu noch merer Danksagung des obgemelten lateinischen Schreibens und auch zu einem gueten nunmehr schon werenden gluckseligen neuen Jar überschick ich dem Herren hiemit auch ein Par Handschuh, bitt, solche in Liebe und Guetem von mir anzunemen.

Beineben kan ich dem Herren auch urdertenig nit bergen, das mir die Goßtaller Brüeder?) schon zu etlich underschid- lichen Maln fürgebracht, wie sie vil und große Ursach haben, den Mayr in des Herren Mayrhof zu Pillowicz?) zu wexlen und ein Änderung mit im zu machen, dieweiln es mit seiner Wirt-

1) Ladislaus Welen v. Zierotin war zu jener Zeit Oberstlieutenant im berittenen Regimente der mähr. Stände, welches Peter Sedlnitzky von Choltitz befehligte. Damals stand Mähren noch nicht an der Seite der Böhmen gegen den Kaiser, sondern es befand sich in einer bewaffneten Neutralität. Erst am 1. Mai 1619 ist auch hier ein re- volutionärer Umsturz herbeigeführt worden, um den sich haupt- sächlich Zierotin verdient gemacht hat.

2) D. i. von Podivin-Kostel (Gostal) auf der Herrschaft Lunden- burg des Herrn v. Zierotin.

s) Bilowitz (Pillowitz), Gemeinde auf der Zierotinischen Herrschaft Lundenburg.

Archiv far Befiormationsgeschiehte. ZZXII. 1/2. 9

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schaft nit guet tuen will, auf welches ich mıch dan mit Fleiß / das mag mir der Herr glauben / nach einem andern tauglichen Mayr gen Pilowitz umhgsehen und endlich den Haushalter von Wotkaw!), zwar mit etwas Unwillen des Herren Zdenek von Roppaw, ledig gemacht, welcher Haushalter auch schon etliche Wochen zu Goßtal auf Bschaid gwartet, dann ich immer von einer Zeit auf die ander, des Herren Hieherkunft / nach seinem Erbüeten, daß er zu mir kommen wölle / ver- hoffet, da ich alsdann vermaint, des gemelten Mayrwexls halber mündlich mit dem Herren ze reden. Weiln sich aber des Herren Rais hieher / wider mein Verhoffen / also lang verzeucht und die Ursach des Wexls sovil wichtig ist, hab ich mich gleich understanden, doch mit Anmeldung bei des Herren Ambt- leuten solchen Wexl anzustellen, in dem Vertrauen, das mich der Herr wol sovil erkennet, das ich nit seinen Schaden, son- dern vilmer seinen Frommen und Nuzen zu suchen begere und hats der Herr bei deme abzunemen, das ich den jezt gewesnen Mayr zu Pillowiz wol so hoch nit brauchen kan, als diser, der an sein statt gen Pillowiz kombt, schon gebraucht worden ist. Wanns Gott schickt, daß der Herr einmal hieher gelangt / wie ich ine dann gern alhie sehen wollte / will ich den Herren / wills Gott / wol weiters berichten, das ich hoff, der Herr mein Wolmainen draus versteen und derowegen mit mir zufriden sein werde.

Ich bin bericht worden, das der Herr jezt in Kürze nit in sein Quartier zu Hosterliz?) zu finder, hab derowegen dises sambt beiligendem lateinischen Schreiben dem eltisten Brue- dern gen Stigniz?) zuegeschickt, das ers selbsten dem Herren fleißig antworten solle. Wann ich gwißt hette, das der Herr dismals aigentlich im Quartier anzutreffen, wer ich nit ungern selbsten nur auf ein kleine Weil beim Herrn gwesen. Ich bitt aber den Herren ganz undertenig und dienstlich, mich un- beschwärd durch gedachten eltisten Bruedern von Stigniz, deme der Herr gar wol vertrauen darf, schriftlich oder münd- lich zu berichten, was etwa mir, so wol denen Bruedern des Herren Undertanen jezt oder künftiger Gfar halber zu wissen vonnöten sein möchte. Wo ichs in meiner Klainheit widerumb den Herren wißte zu verdienen, wolte ichs auch mit höchstem Fleiß tuen.

Hab ich dem Herren undertenig und dienstlich gueter treu- herziger Mainung zu schreiben nit underlassen sollen und in

!) Budkau (bei Znaim), Herrschaft des Zdenko v. Ruppe. %) Hosterlitz, ein Städtchen bei Znaim. ?) Stignitz (Trstenice), pol. Bez. Mähr. Kroman.

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daneben göttlicher Bewahrung, Schuz und Schirm bevölhen wöllen. Datum Neumül, den 7. Februari ao. etc. 1619.

Des Herren Obr.-Leut. undertenig dienstwilliger Sebastian Dieterich Brueder Eiltister.

P. 8. Mein Herr, damit ich das lateinische Schreiben desto besser verstehn können, hab ich mirs gleich ainen vertrauten Bruedern lassen verteutschen.

14. Kaiser Ferdinand II. sendet zum Kard. von Dietrich- stein den Obersten Alex. Cicognia, der ihm mitteilen soll, auf welche Weise man von den Wiedertäufern eine hohe Geldsumme erhalten könnte. Der Kardinal möge dem Obersten. an die Hand gehen!). 16231 März 22 Wien.

Dietrichsteinsches Schloßarchiv in Nikolsburg. Hist. Ai, Akten aus dem J. 1621. Orig.-Autograph.

Hochwirdiger Füerst, besonders lieber Freund! Zeigern dis den Collonello Alessandro Cicognia habe ich zue E. L. dar- umben abfertigen wöllen, damit er E. L. einen Vorschlag tun solle, durch wellichen er verhofft, in Meherern.zue einer große Summa mir zue Nutz zue komen. Weilen dan E. L. derselben Leute, bei welchen er vermaint, solliches Geld zu finden, Art und Aigenschaft wol bekant, also wöllen sie ime nit allein anhören, sondern in weme sie mein Dienst durch ime befördern könen, allen gueten Intrizzo und Assistenz geben und laisten, wie mein guetes Vertrauen zue E. L. gestellt ist, dero ich mit

Affection jederzeit beigetan verbleibe. Wien, den 22. Martii anno 1621.

E.L.

guetwilliger Freund Ferdinandt.

15. Ferdinand II. an den Kardinal: da die beiden Wieder- täufer, an denen am meisten gelegen war, nach Ungarn ge- flohen sind, möge der Kardinal wenigstens in aller Stille nach- forschen lassen, wo sie sich aufhalten, damit man sich ihrer bemächtigen könne. Wenn dies nicht gelingen sollte, möge der Kardinal wenigstens raten, auf welche sonstige Weise der

1) Über die nachfolgenden sechs Schreiben des Kais. Ferdinand | vgl. IH. Kap. dieser Arbeit. 9%

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Kaiser zu den Schätzen der Wiedertäufer gelangen könnte. 1621 Mai 34 Wien.

Dietrichsteinsches Schloßarchiv in Nikolsburg. Hist. Archiv, Akten a. d. J. 1621! :Orig.-Autograph.

Hochwürdiger Fürst, besonderes lieber Freund!

E. L. wird ohne Zweifel unentfallen sein, was der Cigognia vor disem wegen dem Widertaufer bei mir underthenigist angebracht. Weil ich aber von E. L. bericht worden, daß die zwo vornembsten Personen entloffen und sich nach Ungern reteriert haben sollen, so habe ıch E. L. hiemit ersuechen wollen, in der Still fleißige Nachfrag zu haben, wo sich dieselbige jezund aufhalten, damit ich sodan auf E. L. Bericht, nach denselben greifen und sie zu Handen bringen lassen mechte. So aber wider Verhoffen je dieselbe nicht erfragt werden kun- dten, so will ich E. L. wolmeinende Erinnerung erwarten, wasgestalt ich etwan sonsten zu meinem Contento gelangen mechte, von welchem auch mit dem Seifridt Breiner con- ferieren wollen.

Verbleibe E. L. danebens mit Freundschaft und allem ge- naigten gueten Willen forderist wolgewogen. Datum Wien den 24. May 1621. |

E. L. gutwilliger Ferdinandt.

16. Ferdinand II. an den Kardinal von Dietrichstein: er halte es nicht für ratsam die gefangenen Wiedertäufer nach Wien abzutreten. Oberst Cicognia möge sie selbst verhören und sie gegebenenfalls auch mit Anwendung von Foltern da- zu bringen, daß sie das Versteck ihrer Schätze verraten. 1621 Juni 10 Wien.

Dietrichsteinsches Schloßarchiv in Nikolsburg. Hist. Archiv, Akten a. d. J. 1621. Orig.-Autograph.

Hochwirdiger Fürst, besonders lieber Freund! E.L. Bericht- schreiben die Widerteufer betreffend, habe ich durch den Herren zurecht empfangen, dasjenige aber den Senat betrefend, ist nit beigeschlossen gewesen. Sovil nun die gefangne Wider- teufer belangt, befinde ich keineswegs ratsamb zue sein, daß soliche hieher gelüfert werden sollen, sondern ich habe vor guet gehalten, dem Colonellon Cicognia wilerumben zue E.L. abzueordnen, deme künten E. L. andere taugliche Subiecta zue der Examination zue geben und soliche förderlichen füer- nemen lassen. Und da mit der Güete von inen nichts heraus kon gepraht, kon alsdan woll die Scherfe gepraht werden. Ob- genenter Cicognia wird E. L. noch mehrere seiner Gedanken

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eröfnen. Darauf ich mich hiemit referiere und verpleibe nur allezeit E.L. guetwilliger Freund Ferdinandt.

Wien in festo Sanctissimi Corporis Christi anno 1621.

17. Ferdinand II. an den Kardinal v. Dietrichstein: er hat erfahren, daß die Wiedertäufer neben den von ihnen bereits bezeichneten, noch andere Verstecke für ihre Schätze haben. Der Kardinal möge ihre Vorsteher gefangen nehmen und sie zum Geständnis zwingen. 1621 Juli 27 Wien.

Dietrichsteinsches Schloßarchiv in Nikoleburg. Hist. Archiv, Akten a. d. J. 1621. Orig. („Handbriefl‘‘) vom Kaiser eigenhändig unterschrieben.

Hochwürdiger, besonders lieber Herr Cardinal! Ich werde berichtet, daß über die 5 Ort, so der Wiederteufer Rudolf angezaigt, noch mehr sollen in Mäerhen dergleichen Ort, da sie ihr Parschaft vergraben haben, zu finden sein; und wird mir geraten, daß ich die Meisten von den Eltisten Widerteufern alle solle lassen einziechen und zuer Aussag der Warheit an- halten, auch in diesen Werch schleinig procedirn. Wan nun diese arge Leut all ihr Vermögen allein zu Fortpflanzung ihrer Gotslesterung und Abbruch der h. catholischen Religion an- zuwenden pflegen, dahero ihnen den billich solche Mitel zu entziehen sein. Derowegen ist hiemit mein freundliches Er- suchen, E. L. wollen die Elteren dieser Sect unverzogenlich einziehen, sie zu Bekennung der Warheit anhalten und mit Eröfnung der Orten, da dergleichen Parschaft zu sein angezeigt wird, aufs schleinigst als müglich fortfaren lassen und mich des Verlaufs ehist erindern. Und bleib ich E. L. mit Freind- schaft und geneigten Willen forderist wol beigetan. Wien den 27. Julii anno 1621.

E.L. guetwilliger Ferdinandt.

18. Kaiser Ferdinand Il. an den Kardinal: die 4 verhafteten Wiedertäufer sollen freigelassen werden, wenn man dadurch eher der gefangenen wiedertäuferischen Lehrer und Haushalter habhaft werde. Alle sollen aber insgeheim unausgesetzt beob- achtet werden. 1621 Septemker 13 Wien.

Dietrichsteinsches Schloßarchiv in Nikoleburg. Hist. Archiv, Akten a. d. J. 1621. Orig. mit eigenhänd. Unterschrift Ferdinands.

Auf der Rückseite die aus der Kanzlei des Kard. stammende An- merkung: Kais. Handbriefl vom 13. Sept. 1621.

Hochwürdiger Fürst, besonders lieber Freund!

Weiln ich mich über E. L. und des Breiners, durch meinen Camerdiener den Nußer mundlich beschehenes rätliche Gut- achten genedigist resolviert, die vier zur Niclspurg verhafte Widertaufer irer Gefenknus zu entlassen, in der Hofnung, durch solches Mitl die entwichene Lehrer und Haushalter, ohne welche in deme mit inen angefangenen Werk nun weiters nichts zu richten, widerumben zu iren Häusern und künftig zue Hand zu bringen. So wollen E. L. die Verordnung tuen, das si auf freien Fues und nach Haus gelassen, aber in allweg kan underdessen auf sie, forderist den Burchart, in der Still guete Achtung gegeben werden, damit durch denselben und andere Brieder nicht etwan Geld außer Lands gefüert oder dergleichen pesse Practigen gespilt werden mügen. Und ich verbleibe danebens E. L. mit kais. und königl. Gnaden for- derist wolbeigetan und gewogen. Wien den 13. Septembris

1621. E. L. guetwilliger Ferdinandt.

19. Ferdinand II. an Kard. von Dietrichstein: da der Ter- min, bis zu welchem er den mähr. Ständen 20000 Reichstaler wiedertäuferischen Geldes geliehen hat, bereits abgelaufen ist, ersucht er, daß sie ihm rückgestellt werden mögen, u. zw. in dem ihm zugeschriebenen Betrage von 80000 Fl. 1621 Oktober 27 Wien.

Dietrichsteinsches Schloßarchiv in Nikolsburg. Hist. Archiv, Akten a. d. J. 1621. Orig. mit eigenhänd. Unterschrift Ferdinands. Auf der Rückseite die aus der Kanzlei des Kard. stammende An- merkung: Kais. Handbriefl vom 27. Okt. 1621.

20. Kardinal Dietrichstein an den Kaiser: in der letzten Zeit sind viele Wiedertäufer nach Mähren unter dem Vor- wande, daß sie zur katholischen Religion übertreten wollen, zurückgekehrt; auch diejenigen, die im Lande geblieben waren, verharren halsstarrig in ihrem Irrtume. Er glaubt daher, daß nicht nur die alten Patente erneuert werden sollten, sondern daß auch ein neues Patent herausgegeben werden sollte und legt zugleich den Entwurf eines solchen Patentes zur Genehmi- gung vor. [1623 März 3 Nikolsburg.]

Dietrichsteinsches Schloßarchiv in Nikolsburg. Hist. Archiv, Akten a. d. J. 1623. Konz.

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Allerdurchleuchtigister, Allergnedigister Herr! E. röm. kais. Mt. wird allergnedigist unentfallen sein, was underschied- liche Patenten in deroselben Namen zue Ausrottung der in diesem Marggraftumb Mähren eingerissnen widertauferischen Sect ich alberait vor diesem ausgehen und publiciren lassen. Ob nun zwar denselben von alhieigen Inwohnern mit schuldi- gisten Gehorsamb nachgelebt und alle diejenige, 8o von ihrem Irrtumb nit abstehen wollen, ausgeschafft worden, so will ich doch anietzo im Werk erzaigen, daß nit allein viel under dem Praetext, als wolten sie zue uns treten, sich widerumb ein- schleichen, sondern auch die zuvor Verbliebne fast maisten- tails bishero von ihrer Sect nit abgestanden, halstärrig darinen verharren und, welches das Argiste, ihre Kinder zue der hl. Tauf nit bringen wollen. Dahero ich abermals ain hohe Not- turft erachtet, insonderhait weiln etliche Inwohner dergleichen ausgeschafften Widertaufer in ihren Gründen widerumb auf- nehmen und mit Diensten befördern, nit allein die vorige Patenten in allen Articuln, Puncten und Clausuln allerdings zu widerholen und renoviren, sondern noch darüber dise noch- mälige / wie E. kais. Mt. aus beiligender Notul allergnedigist zu ersehen /!) verfassen zu lassen. Deroselben allergnedigisten Willkur gehorsambist anhaimbstellend, ob E. kais. Mt. solche zu revidiren und alsdann durch mich alhie im Land zu publi- ciren mir allergnedigist anzubefehlen geruhen wollen. Deme ich alsobald gehorsambist nachlebe und inmittlst zue dero beharrlicher kais. und kgl. Gnaden...

21. Patent des Kardinals Dietrichstein über die neuerliche Ausweisung der Wiedertäufer unter Androhung scharfer Strafen. 1623 April 13 Nikolsburg.

Landesarchiv in Brünn; Boczek-Sammlung Nr. 918. Zeitgemäßer Druck (1 Blatt) mit der eigenhändigen Unterschrift des Kardinals und seinem aufgedruckten Siegel.

Wir Franz von Gottes Gnaden der heiligen römischen Kirchen des Tituls S. Sylvestri Cardinal von Dietrichstein, Bischof zu Olmütz, Fürst, der kön. böhaimbischen Capellen Graf, röm. kais. Mt. geheimber Rat und deroselben König- reiche und Erbländer Protector, wie auch des Marggraftumbs Mähren vollmächtiger Gubernator und Commissarius generalis. Entbieten denen hoch- und wohlgebornen Herrn, hoch- und ehrwürdigen, edlen gestrengen, auch ehrsamben, weisen N.N.N.N., allen vier Ständen dieses Marggraftumbs Mähren, auch sonst allen und jeden, denen dieses unser ofnes Patent

ı) Siehe die folgende Nummer.

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zu lesen oder zu vernehmen fürkombt, was Würden, Stands oder Wesens die seind, unser freundliche Dienst, Gruß, Freund- schaft, Gunst und alles Guets und geben denselben hiemit zu vernehmen.

Demnach unlängst verwichner Zeit, wie Meniglichen wol bewust, auf der röm. kais. auch zu Hungarn und Böhaimb königl. Mt. unsers allergnädigisten Herrn etc. gantz gemessnen Befelch aus sonderbar hocherheblichen Ursachen die abscheu- liche und im gantzen h. römischen Reich bandisirte wider- tauferische Sekt aus diesem Marggraftumb Mähren ausgerottet worden und sich aber anjetzo im Werk erzeiget, das sich nicht allein viel derselben widerumb zurück allhero ins Land be- geben, sondern under dem Praetext, als wolten sie von ihrem Irrtumb abstehen, sich für Undertanen niderlassen und unser Religion annehmen, hin und wider aufhalten. Dieweilen aber aus vielen Anzeigungen, insonderheit aber indeme sie ein-als andern Weg in solcher verdambter Sekt hallstarrig verharren und ihre Kinder mit dem h. Sacrament der christlichen Tauf nicht versehen lassen, genugsamb abzunehmen, das diese allein zu Bemantlung ihrer Bosheit angesehen, auch hieraus, wohin ihr Intent ziele, klar zu verspieren, uns aber dergleichen keineswegs zu verstatten, sondern ob denen vor diesem wider obgedachte widertauferische Sectisten publicirten Patenten festiglich und allerdings Hand zu haben, obligen wil.

Also wollen wir dieselbe hiemit ın allen Artikeln, Puncten und Clausuln nicht allein gäntzlich widerholt und. renoviert, sondern abermals in Namen und anstatt höchstgedachter Ihrer kais. Mt. unsers allergnädigisten Herrns etc. gantz ernstlich und gemessen anbefohlen haben, das alle und jede, sowol im Land vor diesem verbliebene, als widerumb zuruck ankommene Widertaufer, so Manns als Weibs Personen, wel- che in diesem Marggraftumb Mähren sich bis dato aufhalten, in Diensten verbleiben, oder sonsten ihre Handier- und Nah- rung treiben, zu Bezeigung, das sie allbereit entweder von ihrem hochverbotnen Irrtumb abgestanden und zu unsern Glauben getreten, oder aber denselben noch anzunehmen recht eifrig Intentionirt und gewillet nach Vernehmung dieses unsers off- nen Patents ohne allen längern Aufschub alle und jede ıhre bishero noch ungetaufte Kinder zu der h. Tauf bringen und halten sollen. Zu welchen End und damit hierin kein Betrug gebraucht, sondern diesem alles gehorsambisten Fleißes nach- gelebt werde. Wir gleichfals in höchstgedachter Ihrer Mt. Namen allen hohen und nidrigen deroselben Stadthaltern und Oficiern, solches hiemit dienst-und freundlich insinuiert, denen aber aus obbesagten allen vier löblichen Ständen dieses Marg- graftumbs Mähren abermals gantz ernstlich und gemessen

anbefohlen haben wollen, das keiner, sei was Stands er wolle, dergleichen eingeschlichne Widertaufer, so von ihrem Irrtumb nicht ab-und zu unstreten wolten, bei Vermeidung hoher Straf und Ungnad auf ihren Gründ-und Boden keineswegs gedulden, noch aufhalten und befurdern, diejenige aber, so allbereit ihren Irrtumb erkent und zu uns sich bekehrt oder noch zu bekehren willens, alles ernstlichen Fleißes dahin halten und gutes Aufmerken brauchen, damit sie obverstandner Maßen alle ihre Kinder, ohne einiche ferere Dilation zu der h. Tauf bringen und taufen lassen.

Da nun aber einer oder der ander diesen nicht nachkommen und man dergleichen von ihme erfahren wurde, der-oder dieselbe werden ihnen die hieraus entstehende Straf und Un- gnad selbsten zuzumessen haben. Diejenige Widertaufer aber, so über so vielfeltiges Verbot sich widerspenstig erzeigten und diesem gehorsambist nicht nachlebten, am Leib unnach- läßlich abgestraft werden, wie dann dis Orts alles fleißiges Aufsehen und Nachforschung angewendet werden solle. Dar- nach sich nun ein Jeder zu richten und vor Ungelegenheit zu hüten}).

Geben auf unserm Erb-Schloß Nicolspurg, den 13. April Anno 1623.

22. Kardinal Dietrichstein an den Kaiser: unter vielen an- deren Unzukömmlichkeiten, die er nach seiner Rückkehr aus Rom in Mähren vorgefunden hat, muß er zu seinem großen Leidwesen sehen, daß die Wiedertäufer in großer Anzahl zu- rückgekehrt sind, indem sie hierin von den Brüdern Fürsten von Liechtenstein und dem Herrn von Waldstein unterstützt wurden, die vorgaben, daß es der Kaiser bewilligt hätte. Er ersucht, daß ihm selbst deswegen ein strenger Verweis mit der bestimmten Erklärung übermittelt werden möge, daß der Kaiser dies auf keinen Fall zu dulden gedenke; auch den ge- nannten Herren möge in diesem Sinne geschrieben werden. 1624 Februar 22 Nikolsburg.

Dietrichsteinsches Schloßarchiv in Nikolsburg. Hist. Archiv, Akten v. J. 1624. Konz.

Allerdurchleuchtigister, Allergnedigister Herr! Under an- dern unzehligen dises höchst bedrangten Lands Anligen und Beschwärnussen habe ich meiner vorgestert widerumb erfolgter

1) Über dieses Patent ist in dem Geschicht-Buch Wolkans keine Erwähnung, obwohl andere Patente über die Wiedertäufer in dem- selben ausführlich wiedergegeben werden. Daher wird das Patent im vollen Wortlaute hier angeführt.

Alherkunft mit höchster Beschmertzung vernehmen müessen, daß laider zue nit schlechter Verschimpf- und Hindansetzung meiner vor disem in E. kais. Mt. Namen alhie im Land publi- cirter und hernach widerholter Patenten, die höchstschädliche widertauferische Brüeder ungescheucht und haufenweis in dises Marggraftumb Mährern sich widerumb einschleichen. Sintemaln dieselbe sowol in disem Land von E. kais. Mt. gehaimben Rat und vollmechtigen Statthalter dero Erb- Künigreichs Böhaimb Fürsten Carl von Liechtenstein und gemeltes Künigreichs obristen Landhofmaistern Adam dem Eltern von Wallstain, etc., also auch in Österreich / obzwar dises nit under mein Guberno gehörig und zu melden nit ge- buhrten will /, von E. kais. Mt. Kriegsrat, Camerer, General uber die Artiglieria und bestellten Obristen, Fürsten Max. von Liechtenstein etc., ihrer vorigen Wohnungen widerumb er- setzt, auch in ihren Gründen angenomben und zue Diensten gebraucht werden. Und solches zwar under folgenden Prae- text / welchem ich jedoch keineswegs Glauben geben kann /, daß sie von E. kais. Mt. hierzue dero allergnedigiste Verwilli- gung und Erlaubnus erlangt hetten. Wann dann mir wol- bewußt, mit was Eifer und Ernst die Ausrottung diser ver- dambten Sect vor disem von E. kais. Mt. allergenedigst an- befohlen worden, auch leichtlich abzunehmen, da3 solche durch Stillschweigen je lenger, je mehr im Land einwurzeln möchte, und mir sowol Gewissens als vor E. kais. Mt. tragender Autho- ritet und ambtswegen solchem Übel nachzusehen gar nit ver- antwortlich fallen will.

Als langt an E. kais. Mt. mein gehorsambistes Bitten, sie geruhen zue zeitlicher Verhüetung dessen an mich ainen ernstlichen Befelch mit schorfen Verweiß, als hette ich solches bishero dissimulirt, ohne gehorsambistes Maßgeben eheisten ausfertigen und mir auferlegen zu lassen, daß gemelte höchst- schädliche Secta alhie in dero Erb-Marggraftumb keineswegs una ninderstwo ferer geduldet, sondern obangeregten, vor disem in E. kais. Mt. Namen publicirten Patenten, allerdings gehorsambist nachgestzt und mit der Exekution darüber festig- lich handgehabet werde. Zue welchem End, ohne undertenigi- stes Maßgeben, notwendig und verhilflich sein wurde, daß E. kais. Mt. obbesagten beeden Fürsten, sambt gemelten von Waldstain durch ebenmesigen ganz ernstlichen Befelch sich von dergleichen Auf- und Wiederannehmung in ihren Grunden hinfüran gentzlich zu enthalten und unfehlbar abzuschaffen, allergnedigist aufzuerlegen geruheten.

Hierauf ich dann an meinem schuldigisten Eifer und Zuetun gewiß nichts will erwinden lassen und tue hirmit E. kais. Mt. zur dero kais. und königl. Gnaden....

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28. Ferdinand II. an den Kardinal Dietrichstein: da ihm berichtet worden ist, daß die vertriebenen Wiedertäufer aber- mals nach Mähren zurückkehren, hier ihre schlechte Lehre unter dem Volke verbreiten und schließlich auch gefährliche und verräterische Praktiken üben, soll der Kardinal ihr Tun aufmerksam verfolgen und derart gegen sie auftreten, daß sie fürderhin den kaiserlichen Ländern gerne ausweichen würden. 1624 Februar 28 Wien.

Dietrichsteinsches Schloßarchiv in Nikolsburg. Hist. Archiv, Akten v. J. 1624. Orig. mit der eigenhändigen Unterschrift des Kaisers Ferd. II. aus der kgl. böhm. Hofkanzlei.

Ferdinand der Ander, von Gottes Gnaden erwelter römi- scher Kaiser, auch zue Hungern und Behemb König, etc.

Hochwürdiger Fürst, lieber Freund! Demnach uns gewisser Bericht fürkombt, wasmaßen die für diesen aus unserm Marg- graftumb Marhern und andern unsern Königreich und Landen aus hochbeweglichen E. L. bewusten Ursachen ausgeschaffte Widertaufer oder huetterische Brueder, wie sie sich nennen, an unterschiedlichen Orten gedachtes unsers Marggraftumbs Märhern widerumb einschleichen, ihren Underhalt und Ge- legenheit suechen, auch nicht underlassen, ihre verdambte gotteslesterliche Irrtumb, wie vorhin geschehen, under dem einfeltigen, unwissenden Volk nach und nach auszubraiten und daselbte an sich zu ziehen, auch sonsten zue unserm und unserer getreuen Königreich und Landen höchsten Nachtail viel schädliche Praktiken, Correspondenzen und anders Un- hailanzuespinnen, so uns aber also zue gestatten nicht gebühret, wie es auch gegen der göttlichen Majestät in unsern Gewissen nicht verantworten können.

Als wollen E. L. hierauf für allen Dingen ein wachendes Aug haben und fleißig aufmerken lassen, wo und welcher Enden angezogene bandisirte und verbotene Sect zue finden und ihre Aufenthaltung und Underschleiff suechet, alsdann nach deren Betrettung gegen ihnen mit billichmaßiger wol- verdienter Bestraffung also verfahren lassen, das sich andere daran zue spiegeln und unsere Königreich und Lande zue meiden Ursach haben, maßen E. L. der Sachen bestes wol zu tuen und ob denen in unserm Namen dessentwegen publi- cirten mandatis Hand zue halten, auch daran unsern gnedig- sten endlichen Willen und Mainung zue volbringen wissen werden, dero wir mit kais. und königl. Affection jederzeit sonders wol zugetan verbleiben. Geben in unserer Statt Wien den achtundzwainzigisten Monatstag Februarii im sechzehen- hundertvierundzwainzigisten, unserer Reiche, des römischen

ım fünften, des hungerischen im sechsten und des böhmischen im siebenden Jahr.

24. Kaiser Ferdinand II. an den Kardinal Dietrichstein: es ist ihm berichtet worden, daß einige Herren in Österreich, welche Güter an der mährischen Grenze besitzen, insgeheim die Wiedertäufer und andere aus religiösen Gründen aus- gewiesene Personen aufnehmen; der Kardinal möge sich er- kundigen und dann die Schuldigen nennen. 1625 Oktober 16 Oedenburg.

Dietrichsteinsches Schloßarchiv in Nikolsburg. Hist. Archiv, Akten v. J. 1625. Orig. mit eigenhänd. Unterschrift Ferdinands aus der österr. Hofkanzlei.

Hochwürdiger, hochgeborner, lieber Ohaim und Fürst! Wir werden glaubwürdig berichtet, wie daß unsere österreichische Landständ, so Landgüeter gegen Mährern haben, denen da- selbst aus Mährern ausgeschaften Wiedertaufern haufenweis in disem unserm Erzherzogtumb Österreich auf iren Güetern ungescheucht und ganz uneracht unserer destwegen jüngst- lich ausgangnen ernstlichen Inhibitionsmandaten Unter- schlaiff machen, wie nit weniger diejenigen Personen, welche sich aus denen Stätten in Österreich und Mährern wegen Re- formierung der R:ligion hinweg begeben, zu iren Untertanen an- und aufnemen sollen.

Wann wir dann aber weder aines, noch das andere kaines- wegs zu verstatten gedenken, es auch gedachten unsern Land- ständen nit gebüren, weniger gegen uns verantwortlich sein will, dergleichen ausgeschaffte Wiedertaufer wider obbemelte unsere gemessne Generalia zu halten, auch andern unter sich ziehenden unkatholischen Personen Unterschlaiff zu geben, dardurch dann die Provinzen und Länder von denen Secten und Kezereien nicht liberiert, noch die katholische Religion gepflanzt, sondern vilmehr dergleichen böse schädliche Leut von ainem zu dem andern Ort tranferiert und fomentieret werden. Disemnach und damit wir diejenigen Landleut, so obberürte Secten und unkatholische Personen an- und auf- nemen, aigentlich wissen mügen, als gesinnen wir an E. L. hiemit freund- und gnedigelich begerend, si wollen hierüber durch gewisse Erkundigung fürderliche Inquisition einziehen lassen und uns die detentores, bei denen sich obberürte schäd- liche Leut befunden, namhaft machen, benebens auch dahin ernstlich vermahnen, daß si dieselben bei Vermeidung unserer höchsten Ungnad und Straf alsobalden widerumb hinwek- schaffen und hinfüro weiters kainen mehr aufnehmen sollen. Sonsten und im widrigen wir ander ernstliche Demonstrationes

gegen inen fürzunemen nit underlassen wurden und wie nun hierdurch die katholische Religion merklich vermehrt, ent- gegen aber die Secten und Kezereien aus denen Ländern aus- gerottet und die fridliebende Ainigkait im Glauben, denselben widerumb gebracht würdet. |

Also erzaigen uns auch E. L. an Befürderung diser Sachen ein sonder angenemes gnediges Gefallen, dero wir benebens mit Freundschaft, auch allen kaiser- und königl. Gnaden jederzeit vorders wol beigetan und gewogen verbleiben. Geben in unserer Statt Ödenburg, den sechzehenden octobris ao. etc. im sechzehenhundertfünfundzwainzigisten, unserer Reiche des römischen im sibenden, des hungerischen im achten und des

behaimischen im neunten!).

25. Ferdinand II. an den Kardinal Dietrichstein: er be- stätigt die Nachricht des Kardinals, daß trotz aller Patente viele Wiedertäufer neuerdings in Mähren zu verschiedenen Dienstleistungen aufgenommen werden, ja daß sie sogar heim- lich nach Ungarn zur Abhaltung ihres Gottesdienstes verreisen; er befiehlt dem Kardinal die Herausgabe eines neuen Patentes, in welchem jedem, der die Wiedertäufer binnen 6 Wochen nicht entlassen würde, mit der tatsächlichen kaiserlichen fiskalischen Bestrafung gedroht wird. 1628 Dezember 4 Wien.

Dietrichsteinschee Schloßarchiv in Nikolsburg. Hist. Archiv, Akten v. J. 1828. Orig. aus der kgl. böhm: Hofkanzlei mit eigen- händ. Unterschrift Ferdinands.

Hochwürdiger, hochgeborner, lieber Ohaimb und Fürst! Was uns E. L. wegen der Widertaufer oder Hutterischen aus unserm Marggraftumb Mähren durch unterschiedliche publicirte Pa- tenta hinweg geschafften und bandisirten Brüder und das dieselben dessen unerachtet sich noch hin und wider an unter- schiedenen Orten daselbst nicht allein in Diensten befinden und aufhalten, sondern auch nach widerumb hereinschleichen und fur allerlei Officianten in Würtschaften gebrauchen lassen, auch zu gewissen Zeiten zu Nießung ihres vermeinten Sacra- ments des Brodbrechens, in Ungern verreisen sollen, zu dero gehorsamben Bericht eingeschickt, und was sie derentwegen benebenst erinnern tuen, solches alles ist uns umbständlich referirt und vorbracht worden.

Wie wir uns nun solch E. L. disfalls gehabte Wachtsamkeit und getanes ratsambes Guetachten in kais. königl. Gnaden sonders wolgefallen lassen, also werden auch dieselbe, wie

ı) Vgl. Wolkan, Geschicht-Buch, S. 601.

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hiemit unser gnedigster. Befelch ist, zu entlicher Hinweg- schaff- und Bandisirung gedachter Widertaufer nachmals ernst- liche Ambts-Patenta mit diesem gemessenem Anhang aus- fertigen und publicirn lassen, das wer solche Widertaufer, er sei nun gleich geist- oder weltlichen Standes, niemand hiervon ausgenommen, unter was Diensten oder Praetext es auch immer sein mag, nicht innerhalb sechs Wochen von dato des Patents ohne allen Verzug abschaffen und weiters uber kurz oder lang aufhalten, annehmen oder Unterschleuff geben würde /es were dann, daß sie sich zu unserer heiligen, allein seligmachenden, katholischen Religion bekeren wolten /, der- selbe soll nit allein in unsre höchste Ungnad und würkliche Straf geraten, sondern auch von unserm königlichen Kamer- fiscaln daselbst als ein Ungehorsamer angeklagt und wider ihne der Gebür nach verfahren werden.

Damit auch nachmaln solch auf unserm Befelch publicirte Patenta ın schuldigen Respect und Obacht genomen und den- selben von jedermänniglich festiglich nachgelebt werde, so befehlen wir E. L. hiemit gleichergestalt, das sie tragenden Ambts halber ihr es angelegen sein und auf die Verbrecher guete Achtung geben, auch wer diejenigen, bei denen sich mehrbesagte Widertaufer aufhalten, fleißig inquiriren und Nachfrag halten lassen und nachmals uns solches mit dem Fordersamisten zuhanden unserer königlichen behaimischen

Hofkanzlei berichten, maßen E. L. den Sachen recht wol zu tun und daran unsern gnedigsten Willen und Meinung :

zubanden wissen werden. Dero wir im Übrigen mit kaiser- und königlicher Affection sonders wol beigetan ver- bleiben. _

Geben in unser Stadt Wien den vierten Tag des Monats Decembris im sechzehenhundertachtundzwainzigsten, unserer Reiche des römischen im zehenden, des hungerischen im ailften und des behemischen im zwöften Jahr!).

26. Kardinal Dietrichstein an den Kaiser: er hat das Ansuchen des Grafen Zampach auf Göding um die Bewilligung zur Auf- nahme der Wiedertäufer, die er zum Baue seiner Mühle be- nötige, gelesen und obwohl er dem Gfen das Allerbeste zur Hebung seiner verwüsteten Güter wünsche, müsse er nicht nur auf die bisherigen Wiedertäufer-Patente, sondern auch auf sein Gewissen und die bösen Folgen einer solchen Be- willigung hinweisen. Da es sonst nie zu einer Ausrottung

dieser Ketzerei kommen könnte, schlägt er vor, daß dem

ı) Vgl. Wolkan, Geschicht-Buch, S. 607.

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Zampach unter Androhung strenger Strafen au werde, fe, alle Wiedertäufer sofort zu entlassen. 1629 März 13 Nikolsburg.

Dietrichsteinsches Schloßarchiv in Nikolsburg. Hist. Archiv, Akten v. J. 1629. Konz.

Allergnedigister, etc. Welcher Gestalt bei E. röm. kais. Mt. Rat und Kamrer Sdenco Graf von Sambach auf Göding umb gnedigiste Verwilligung, damit er zu Widererhebung seiner Güeter in andern Weg ermanglender und sich aufs Wassergebäu nit verstandiger Werkleut halber, die vor disem ausgeschafte Widertaufer darzu gebrauchen dörfte, allerundertenigst supplicando einkomben, hab aus dero an mich vom 6. dis umb meinen Bericht und Gutachten ab- gangenen allergnedigisten Schreiben ich gehorsamist ver- nomben.

Obwol nun ich obgemelten Supplicanten sein beste Wol- fahrt und eheiste Restaurirung seiner vorgebenden ruinirten Güetern herzlich gerne gonnen wolte, so ist jedoch E. kais. Mt. ganz unverborgen, sonsten aber menniglich welt- und land- kundig und unzweifentlich noch in allerhöchster Gedechtnus, mit was hochheiligen und zu immarcescirenden dero himb- lischen Kron gefasten Eifer, si dis Widertauferische ärgerliche Sect aus disem dero Erbmarggraftumb Mährern zum öftern- mal ganz ernstlich ausgeschaft und bandisirt, daß, wenn sonst ainiche andere vernunftige Ursachen, deren ich doch um ge- liebter Kürze halber hiervon weitlaufig kein Meldung tuen sollen, nit obhanden, ich aus Religiongewissen und bloß der ublen Consequenz und Nachred halber, deren weder wenig, noch vil auf ein Zeitlang oder sonst gar zu verbleiben oder wider hereinzulassen raten oder befunden kan, zu geschweigen, wie ich und andere in disem E. kais. Mt. Erbmarggraftumb Mährern anwesende Inwohner und Undertanen, so gleich- meßig auf allen unsern Güetern funditus ruinirt und verderbt, tuen und unsre öde Mühlen und habende Teucht repariren lassen müessen und bishero, wie noch darumb so tags, so nachts bemüehet und dan noch keinen Widertaufer gebraucht, bei solcher Beschatfenheit auch, daß keine solche Widertaufer, welche es bishero aufgehalten, hinwegschaffen wird, bestetigt werden.

Bin derohalben der undertenigsten unmaßgebigen Meinung, weil dises sein Sambachs Begern res pessimi exempli und vil schädliche Consequenzen und UÜberlaufens auf sich hat, auch wie E. röm. kais. Mt. selbst hocherlauchst zu ermessen, vil- mehr alle neue Widereinfuhr- und Versamblung der ver- dambten Kezereien leichtlich einreißen und geschehen wird,

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dardurch nimmermehr deren Ausrottung zu hoffen, sondern besser gewest sein wurde, wann niemals dergleichen Patenten / da man darob nit steifhalten wollen / weren publicirt worden. E. kais. Mt. ihn, mehrangeregten Sambach, nit allein davon genzlich ab- und zuruekweisen, sondern auch alles Ernsts anbefehlen zu lassen geruehen kuäten, daß wofer er nit also- bald und ohne allen Verzug alle und jede Widertaufer, es sein gleich deren wenig oder vil, von allen seinen Güetern, Mühlen, Slossern, Dörfern und Mairhofen, oder wie daß Namen haben, oder under was Dienst, Schein oder Praetext es immer sein möcht, abschaffen und weiters über kurz oder lang keinen aufnehmen, behalten oder Underschleif geben wurde, E. kais. Mt. durch dero alhieigen Camer-Procuratoren wider ihn kraft dero publicirten Patenten als wider einen Ungehorsamen de facto procediren lassen wollen. Uber welches ich mich zu meiner gehorsamisten Verhaltung beschaiden zu lassen under- tenigst bitten und darnebens zu beharrlichen kais. und königl. Gnaden empfehlen tue.

27. Kardinal Dietrichstein an den Kaiser: er verwahrt sich gegen die Beschuldigung des Gfen Zampach, daß er in seinen Diensten Wiedertäufer halte, und bittet neuerdings, daß der Graf mit seinem Ansuchen abgewiesen werden möge, da es sonst nie zu einem Ende der bösen Ketzerei im Lande kommen könnte. 1629 September 26 Nikolsburg. i

Dietrichsteinsches Schloßarchiv in Nikolsburg. Hist. Archiv,

Akten v. J. 1629. Konz.

Allergnedigister Herr! Welcher Gestalt bei E. röm. kais. Mt. dero Rat und Camrer Sdenco Graf von Schambach suppli- cando einkomben und nit allein der auf seinen Guetern noch dato aufhaltender Widertaufer halber mit Furgebung ich und E. röm. kais. Mt. gehaimber Rat, Camrer und königl. Burg- graf in dero Erbkönigreich Böhaimb Adam von Wallstein gleichfalls noch Widertaufer halten sollen, sich zu entschuldigen vermeint, sondern auch gebeten, damit von E. röm. kais. Mt. ihme dieselbe bis zu endlicher Restaurirung seiner öden Wirt- schaften gnedigist verwilligt werden möchten, hab aus dero- selben an mich vom 22. Augusti nechsthin umb berichtliches Guetachten zugesandten allergnedigisten Schreiben ich ge- horsamist vernomben.

Hierauf E. röm. kais. Mt. zu meiner Gegenverantwortung

getrungener nicht verhalten kann, daß mir gedachter Graf

Sambach vor Gott und aller Welt Unrecht tuet, dann ich mit guetem meinen Gewissen und bestendiger Wahrheit sagen

und beteuren kan, daß ich ainichen Widertaufer nit, der sich nit lengist zu unser allein seligmachenden heiligen katholischen Religion eifrig bekert und sie angenomben, will geschweigen mehrer, in meinen Diensten auf allen meinen Guetern auf- gehalten. Zwar hab ich Einen vor etlich wenig Wochen auf sein Anmelden zu einem Keller angenomben, welcher aber gleich darauf katholisch worden und sein widertauferische Sect verlassen und davon abgestanden. Belangent dero konigl. Burggrafen Adam von Wallstein, was mich sein Pfleger zu Selowiz Johann Tanfalt von Tanfalt auf Berichts- abforderung beantwort, geruehen E. röm. kais. Mt. ihro aus dem Einschluß hiebei mit mehrerem allergehorsamist referiren zu lassen.

Dieweil aber Graf Sambachens alter Brauch, daß so oft E. röm. kais. Mt. ernstlich und gemeßne Befelch ihme insinu- irt werden, er alzeit auf andere sich referiren und sein aigenen Ungehorsamb damit bemantlen will, nit weniger E. röm. kais. Mt. selbst hocherleuchtigist zu ermessen, da man nur etliche Widertaufer soll ihme zulassen, alsdann nach und nach das ganze Land vol widerumb damit anlaufen und ärgere Kezereien als vor niemals abgeben würd, zu geschweigen, daß alle andere hernacher eben ihme Schambach nachfolgen und nit weniger sein wollen. Als were ich der gehorsamisten unmaßgebigen Mainung E. röm. kais. Mt. vilgedachten Sam- bach umb seines so ungrundlichen Repliciren und alzeit herfur- suchenden Entschuldigungen, nur damit er dero Befelch nit volziehe, nit allein ein ernstliches Verweiß geben, sondern auch bei hoher Straf ernstlich auferlegen lassen solten, daß er hindangesezt alles seines weitern nichtigen Einstreuens die Widertaufer, so nit katholisch beraits seien oder gewißlich werden wollen, sie seien nun gleich hauslich nidergelassene oder ledige Personen, alsbald ganzlich abschaffen und nimmer- mehr in einen oder andern Dienst bei Vermeidung in E. röm. kais. Mt. Patenten ausgesezter Straf gebrauchen solle. Tue mich damit zu beharrlichen kaiser- und königl. Gnaden unter- tenigst bevohlen.

28. Ferdinand II. an den Kardinal Dietrichstein: er nimmt des Kardinals Rechtfertigung in Angelegenheit dessen Be- schuldigung durch den Gfen Zampach in Gnaden entgegen; da er aber wünscht, daß endlich alle Wiedertäufer aus dem Lande entfernt werden, soll dem Gfen Zampach und dem Be- amten in Seelowitz strengstens aufgetragen werden, längstens innerhalb 3 Wochen ihre Wiedertäufer zum katholischen Glauben zu bringen oder sie auszuweisen. Sollten sie aber auch jetzt nicht gehorchen, dann soll ihnen ohne Verzug durch die

Archiv für Reformationsgeschiehte. ZXXIL 1/82. 8

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kais. Kammerprokuratur der Prozeß gemacht werden. 1629 November 4 Wien.

Dietrichsteinsches_Schloßarchiv in Nikolsburg. Hist. Archiv, Akten v. J. 1629. Orig. mit eigenhänd. Unterschrift Ferdinands aus der kgl. böhm. Hofkanglei,

Hochwürdiger, hochgeborner, lieber Ohaimb und Fürst! Was an uns E. L. auf des hoch- und wolgebornen unsers lieben getreuen Sdeneko, Grafen von Schambach, auf Göding und Milotiz, unsers Rats und Cammerers, etc. derselben gnedigist zugeschicktes Supplieirn, wegen der auf dessen Gütern noch verbleibenden Widertaufer unter dato den Sschöundewainsig sten Septembris jungsthin zu dero gehorsamben Bericht und Entschuldigung in Untertenigkeit eingeschikt, das ist uns ge- horsamist vorbracht worden. nu

Gleichwie wir nun mit solch E. L. gehorsamber Purgation gnedigst wol zufrieden, also weiln wir alle und jede dergleichen Personen, wie gehört, so auf ihrem widertauferischen Irrtumb beharrend, sich zu unserer heiligen allein seligmachenden katholischen Religion nicht bekehren wollen, allenthalben aus dem Land und hinweg geschaffet entlich und gewiß wissen wollen.

So befehlen wir E. L. endlich hiemit gnedigst und wollen, daß sie mehrgedachten von Schambach, als auch den Pfleger oder Regenten zu Selowitz, alle und jede, der widertauferischen Sect noch anhangende Personen, so sich auf ihren Gütern oder in Diensten bei ihnen aufhalten, entweder zur Bekehrung innerhalb zwo oder zum längsten drei Wochen zu erwehnter unserer katholischen Religion zu bringen oder gänzlich ab- und wegzuschaffen alles Ernstes ermahnen und auferlegen, auch im widrigen Fall, und da solche E. L. Vermahnung bei einem oder den andern nicht verfangen noch stattfinden würde, alsdann ohne weitere Aufschueb dieselben durch unsern Cammer-Procuratorn daselbsten vornehmen und anklagen lassen, daran erstatten E. L. unsern gnedigsten Willen und Meinung, dero wir im ubrigen mit kaiser- und königlicher Affection jederzeit wol beigetan verbleiben.

Geben in unser Stadt Wien den vierten Tag des Monats Novembris im sechzehenhundertneunundzwainzigsten, unserer Reiche des römischen im eilften, des hungerischen im zwölften und des behemischen im dreizehenden Jahr.

29. Graf Leo Wilhelm von Kaunitz auf Austerlitz nimmt einen wiedertäuferischen Kellner in seine Dienste auf und schließt einen entsprechenden Vertrag mit dem Ältesten der

Wiedertäufergemeinde in Sobotischt in Ungarn. .1655 Juni 24 Ungarisch Brod.

Landesarchiv in Brünn. Jurmeritzer Schloßarchiv, Sign. 8. 65/61. Orig. pep. Siegel und eigenhändige Unterschrift des Grafen v. Kaunitz.

An heut zu End gesezten dato ist zwischen ihr hochgraf- lichen Gnaden, deın hoch und wolgebornen Grafen und Herrn, Herrn Leo Wilhelm Grafen von Kauniz, Erbherrn auf Auster- liz, Ungerschen Brod, Mährischen Pruß und Groß Ofzechau, röm. kais. Mt. Rat, würklichen Cammerern und königl. ob- risten Landrichtern im Marg. Mahren, etc., an einem, und der eltesten Brüdern, so man die huttrischen nent, an derer aller Statt Hanns Schütz, Haushaltern zu Sobotisch, am andern, re Schluß gemacht, getroffen und abgehandelt worden.

Erstlich sollen die Brüder ihr hochgraflichen Gnaden einen Kelner in das Schlos Austerliz stellen und übergeben, welcher die Wein, Essig und Bier, so viel ihme zu getreuen Handen übrgeben und anvertrauet wird, mit aller gebührlicher Pfleg und Wortung versehen und versorgen solle, nemblich von Sanct Joannis des Taufers Anno 1655 bis wider dahin Anno 1656. Wan des Volwercken und Binden der Vaß vonnöten, soll der Kelner jederzeit dem dazu verordneten Hofbinder verrichten lassen, zu welchem die Raifen allweg unseimblich sollen zur Hand gestellt werden. Uber diesen Dienst der Kel- nerei soll der Kelner mehrers zu verrichten nicht angemutet werden. Er selbst soll sich auch weiters nicht untrstehen, sondern den Wein, darzu er bestelt, fleisig abworten und dar- über erbare und gebreuchige Raitung führen, damit an den- selben kein Schaden oder Abgang beschehe. Was seinem Glau- ben zuwider, dessen soll er befreiet und überhoben sein. Und demnach die Brüder für gedachten Kelner so wol für sich und ihr ganze Gemeind dieses ausgenomben haben, da über allen angewendten Fleiß des Kelners an den Wein ein Schaden geschehe, sowol auch außer der Wochenzettel, so er wochent- lich, dann die Raitung halbjahrig, als zu St Georgii und 8. Mi- chaeli, dem Hauptman überreichen solle, aller anderer oder weiterer Raitung befreitet, an alle Gefohr, Schuld, Schaden und Endgeldnus solle gehalten werden. Es solle auch über die Kelner, da etwas fürkömbe, unverherter Sachen kein Klag aufgenommen werden, sondern ihm zu gebührlicher Ver- antwortung kommen lassen und da sich etwas sträfliches an ihm erfünde, solches den Brüdern umb ihr Straf vertrauen und heimbstellen und da sie billiche Ursachen und Mengl . wider dem Kelner hetten, daß er etwa seinem Dienst weiter nicht vorstehen künte oder wie das sein möchte, erbieten

5*

sich die Brüder kraft dies mit Abwechslung gegen einer andern tauglichen Person solches zu vermitteln. Was zu solcher Kel- nerei vonnöten 'sein wird, von Zeug, Geschier, Eisen, Reifen, Brenholz, Kerzen, allerlei Spezereien zu den Kreutel-Weinen, Einschlagen und. Leinwat zum Faß-Putzen, soll alles zu rechter Zeit dargeraicht, auch dem Kelner ein verschlossen Zimmer, Stueben und Camer eingegeben und Schuz übr ihn gehalten werden, damit er von niemand geumbillet, sondern mit den Seinigen sicher und ungeiret seinen Dienst friedlich verrichten möge.

Für solchen seinen Dienst, Sarg und Fleiß soll ihme alle Jahr zur Besoldung und Deputat gegeben werden:

Am paarem Geld... .. 2.222200. 24 Fl KOPL. vo ne enge ee aan ne ee 16 Mezen WAIZEN: u .%: 30. 6 1a sa ea ee de ee are ı (gen Zue Muß: -..3: 5:3 Sur a ea een 4 Fleisch... 4. 0 8 As a ae ee une 200 Pfund Wein taglıch . . 2.22 2 2 Em 2 a 1 Maß Bier taglich: 7.5 ca we a area 1 Karpfen... #4 2 u-2.8. 2.5 m wa newer 50 Pfund, Schmale: ::... z.... 8. serie u wc ee a een 10 Maß Ban 0 ee aaa de Et Se far Be a 20 Pfund Kraut... 2 2 en 1 Emmer Sale: >: 0. ee ee lee ee Alten Ay ae ie 2 Kuffel

Er mag auch von dem Seinigem ihme etliche Hiener halten. Da man Wein verkaufet und verehret, soll dem Kelner von jedem Vaß achzehen Kreuzer Kellerrecht oder Trankgeld gegeben werden. .

Das Weinleger von dem ulseserenen und ausgespeisten Weinen soll dem Kelner halben Teil verbleiben, welches er mag zu seiner Notdurft zum Brandwein brennen, doch nicht auf der Herrschaft, wol aber außer derselben ver- kaufen.

So ferner über kurz oder lang ihr hochgrafl. Gnaden nicht beliebete, den Kelner länger in Diensten zu haben oder sonsten der Kelner aus erheblichen Ursachen nicht verbleiben künte, solle jeder Teil dem andern solches zeutlich anzeugen, als dann solle der Kelner nicht aufgehalten, sondern mit den Seinigen friedlich und unverhindert wiederumben: zu den Brüdern auf Sobotisch, oder wie es die Gelegenheit geben wird, geführt werden. Zu Urkund und mehrer Sicherheit dessen allen, sein zwei gleichlautende Spanzetl aufgerichtet, mit ihr hochgrafl. Gnaden eigener Handschrift verfertigt und bekräftiget, dar- von ein Teil in das Rendtambt zu Austrliz und der ander denen Brüdern zugestellt worden.

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So beschehen Ungerischen Brod am Tage des heiligen Jo- annıs Taufers im sechzehen Hundert fünf und funfzigsten Jahres.

L. 8. L. W. Graf von Kaunitz m. p.

80. Wiedertäufer-Geschirr.

1. Aus dem Verlassenschafts-Inventare nach Katharina Justine von Wiesenberg, geb. Grenczerin, bezüglich ihres Hauses in Brünn. 1666 September 20. Brünn.

Mähr. Landesarchiv in Brünn. Abteil. Adelige Verlassenschaften, Sign. W. 2. p. Depositum des Oberlandesgerichtes in Brünn.

An bruederischen Geschier: Vier und vierzig Teller. Item zwölf kleine Schalen. Mehr zwölf durchprochne weise Schalen. Fünf andere glatte Schalen. Vier große dergleichen Schussel. Sechs Gießbeek mit einer Aufgießkandiel darzu. Ein bruderisch Körbel. Ein grüne durchprochne Kandtel mit einem zinnen Deckel. Ein Krug mit einem Deckel. Vier weise Leichter. Item solche Flaschen mit zinnen Schrauben. Ein Flasch ohne Schraub. Ein großer bruederischer Krug mit einem Teckl. Zwei große Salzfaß von dergleichen Materi. Ein hohe Schal. Item ein kleines weiß Krugel mit einem zinnen Teckel. Ein blaues Schale. Item zwei alte bruderische Schalen. Sieben kleine solche Schüssel. Mehr von dergleichen Zeug vier und zwanzig große und mitere Schüssel.

2. Aus dem Verlassenschafts-Inventare nach Matthias Grafen von Berchtold, Freiherrn von Ungarschütz, Herrn zu Pollitz, Budkau und Mladonowitz. November 4.

Ebendaselbst, Sign, B. 4. p.

Im Schloß zu Pollitz: In der Tafelstuben: 1 Besteck von 12 Paar und 1 Paar Trentschierwiedertauferische Messer mit schwarzen Schalen.

In einem anderen Zimmer: 2 Besteck wiedertauferische Messer mit Perlmutter-Schalen.

In einem anderen Gewölb befindet sich:

l ganze Credenz von weißen bruederischen Geschir, als

nemblich:

84 Schüsseln. 46 Teller.

4 Täzen.

7 durchbrochene Schalen.

1 Butterschalen oder Bichsen mit einem Deckel. 8 Leichter.

4 Flaschen mit zinneren Schraufen.

7 Trinkbecher.

3 Salzvässer.

2 kleine Heferl mit Deckeln.

1 Gießbeck sambt der Kandl.

1 großer Krueg.

8 tiefere Teller.

Im Schloß zu Budkau:

In der Tafelstuben: 1 bruderischer weißer Leichter. 1 weißbruderische Suppenschalen.

3. Aus dem Verlassenschafts-Inventare nach Johanna Elise- beth von Vladim, geb. Freiin von Scherfenberg, bezüglich ihres Hauses in Znaim. 1696 Mai Znaim.

Ebendaselbst, Sign. W. 18.

Brueder-Geschirr:

Fünf Stuck widertauferische weiße Weidling.

Zwai große weiße Schiesseln.

Zehen dergleichen mittere

Fünf Stuck widertauferische kleinere Schiesseln.

Vier Stuck dergleichen gar kleine Schälerle sambt zwai Becher und einer Buttertesen.

Sechs Stuck dergleichen Kriegl

Fünf Stuck derlei Töpf.

Ein weiße bruederische Kandl mit einem zinnernen Deckl

Ein dergleichen großer weißer Tegl.

Siben dergleichen weiße Täller.

Acht dergleichen gruene Täller.

Ein dergleichen gruener Tegl.

Ein dergleichen brauner Weidling.

Drei erdene Flaschen mit zinnernen Schraufen.

Zwai widertauferische Suppenschiessel sambt denen Deckeln.

Ein erdener Krueg mit einem Deckl.

Zwai erdene Flaschen mit erdenen Schraufen.

Ein widertauferisches Körbl. Mehr ein dergleichen Körbl mit unterschiedlichen Modeln.

4. Aus dem Verlassenschafts-Inventare nach Anna Salome Freiin de Souches, geb. Gräfin von Aspermont, bezüglich ihres Hauses in Znaim. 1780 Januar 25 Znaim.

Ebendaselbst, Sign. S. 124 p.

Von brüderischen Geschier:

Zwei Teller nebst zwei darzu gehörigen Suppenschalen sambt den Tekeln, mit rot und blau gefärbten Blumen : St.

Blaue große Milichschiesel. . .. . 2 2 2220. - Dergleichen Tall . ... 2... 22 2 2 2 200. 18 s5 Kleinere dergleichen. . . . . 2 2: 2 222000. 6, Deto noch kleinere Täller . . . . . 2 2 2 2 2 02. 6, Große weise Schiessel . -. -. - - : 2 2 2 2 2 2 2a. 2.5; Item eine kleinere . . . 2 2 2 2 re 2 re. L.; Ein dergleichen großer Täler... .. 2.2.2.2... L°;; Ord. weiße Täller. . . 2 2 2 2 rn er er re. 4 Blaue Chocolata Pöcherl. . . . - . 2 2 2 2 20. 2 Dergleichen blaue Chocolatatatzen . . . ...... 2 Sauerbrunnflaschen mit Ziennern Schraufen. .... 6,

5. Aus dem Verlassenschafts-Inventare nach Leopold Grafen von Rottal in Napagedi. 1750 Oktober 3 Napagedi.

Ebendaselbst, Sign. R. 92. p. An brüderischen Geschier:

Langlichte Schissin mit Dekeln .......... 20 St. Runde mittere Schissin . . » 2: 2 2 2 2 2 2 ne. 6, Täller dergleichen . . . .. 22 22200000. 55 Von dergleichen Geschier weiße große Poten mit Dekeln nebst 6 St. Untersatzle-Schisseln . . . . . BER Item kleinere runde Potin mit DekIn . ...... 10 Suppenschalen mit Dekln . .... 2.2222... 2 , Weiße kleine Supenschisserln mit Dekln ...... 3:5; Mittere Schisserln . . . . 2 2 2 2 2 2 2 2 en. 6 ,‚, Kleine deto . 2: 2: 2 2 m m ren. 6, Deto Supenschalen ohne Dekln .......... 2 Durchgebrochene Confectschalen . . . . ...... 5, Oehl- und Essig-Kandln, Pfeffer- und Zuckerbichsen, ZUSATMEN.n: u. us. u an ae ar re Ds Deto blau und weiß von diesem Geschier Giestbökn sambt Kandl. . . . .. 2 2 2 2 2 0. 145; Dergleichen Aufsatzl . . ... 2.22 22200. L.;;

Dergleichen Blumenkrügln. . . . 2.222.222 0. AR

40

Dergleichen Theekandl . ..... 2.222220. 18t. Dergleichen Millichtöpfin . .. .. 22 2220. 5 ,„ Chocolata-Bocherl . . » 2 2:2 m m m u nr re. L:;; Saltzvassin . . Nyon 2 Brüderische' große Caffeetatzen. . . . . 22 .2.2.. 1:5; Unterschiedlich ekete Sultzenschalerle. . . . ... . 12 Dergleichen schlechte runde Schalere ....... 21 Chocolata-Krügln mit Dekl . .... 2.2.2 22.0. 2 Krumpe kleine Löfterln . ... 2... 222200. 2 Weiße Supenschalerle mit DekIn ohne Hänkln . . . 14 Postamenten zu denen Carafinen. . ... N...

Butterschallerl mit Dekl . . . . . 2 2 202. ne...

Die Kriegsrechnungen des Schmalkaldischen Bundes über den Krieg im Oberland des Jahres 1546.

. Von Harry Gerber.

1 Einteilung. Verzeichnis der benutzten Literatur . . . . . 2... er. 4 Einleitung: ‚ru; 2: A wo a Me. era. er en ie 42 I. Straßburgs Krüngskosten i im Schmalkaldischen Kriege. . 49 II. Rechnung der Kammerräte . . .. 2.22 220... 65 III. Rechnung der Pfennigmeister . . -. . » 2 2 2 222. 77

IV. Die Partikularrechnungen des oberländischen Kreises . . 90 &) „Uszug der particularrechnungen der stend und atet, uf gehaltenem tag zu Eßlingen a. 5l eingebracht.“ . . 9% b) Kriegskostenrechnungen von Ulm . . ... 2... c) Kriegskostenrechnungen von Frankfurt am Main V. Hessische Kriegsrechnung . . . » 2 2 2 220 00. VI. Kursächsische Kriegsrechnung . . . . » 2 2 2 2 2.0. VII. Zahlungen der Städte des sächsischen Kreises zum Krieg im Oberland: 4 zu. 02. ee Rogner. 0-5 200. 0 ee ee a eh

Verzeichnis der benutzten Literatur.

Collischonn, Paul, Frankfurt am Main im Schmalkaldischen Kriege. Straßburg 1890.

Druffel, August von, Des Viglius van Zwichem Tagebuch des Schmalkaldischen Donaukrieges. München 1877.

Handschriftenproben des 16. Jahrhunderts nach Straßburger Originalen, hrag. von Johannes Ficker und Otto Winckelmann. 2 Bände. Straßburg 1902 und 19085.

Heide, Gustav, Beiträge zur Geschichte Nürnbergs in der Refor- mationszeit. Leipzig 1892 (= Raumers Historisches Taschenbuch, 6. Folge, 11. Jahrgang, S. 163— 238).

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Hortleder, Friedrich, ... Handlungen und Ausschreiben, Send- briefe ... von den Ursachen des Teutschen Kriegs Kaiser Karls des Fünften wider die Schmalkaldische Bundts Oberste Chur- und Fürsten, Sachsen und Hessen ... Anno 1546 und 47... Frankfurt am Main 1617 (= Hortleder I).

Kirch, Hermann Joseph, Die Fugger und der Schmalkaldische Krieg. Leipzig 1915 (= Studien zur Fuggergeschichte, Heft 5).

Kius, Otto, Das Finanzwesen des Ernestinischen Hauses Sachsen im 16. Jahrhundert. Weimar 1863.

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Wolfart, Karl, Geschichte der Stadt Lindau, Band II. Lindau 1909.

Einleitung.

Der Plan, die Rechnungen über die Kosten des Schmal- kaldischen Krieges im Oberland zu veröffentlichen, entstand im Zusammenhang mit der Herausgabe des IV. Bandes der Politischen Korrespondenz der Stadt Straßburg im Zeitalter der Reformation (1546 bis 1549), zu dessen Briefen und Akten- stücken für die Jahre 1546 und 1547 diese Rechnungen eine wertvolle Quelle von Erläuterungen und Ergänzungen bilden. Ebenso zieht sich die Abrechnung über die Kriegskosten und die Frage der Kriegsschuldentilgung wie ein roter Faden durch die Beratungen der oberländischen Stände in den Jahren

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1547 bis 1551. Aber die vielfachen Anläufe, die man zu Ulm im Juli 1547, gelegentlich des Augsburger Reichstages von 1547 bis 1548, auf besonderen Rechnungstagen zu Ulm im Februar 1549 und zu Reutlingen im März und April 1549 sowie schließlich auf dem Augsburger Reichstag von 1550 sur Erledigung dieser Angelegenheit unternahm, führten nicht zum Ziele. Erst auf vier Rechnungstagen, die im Jahre 1551 zu Augsburg und Eßlingen abgehalten wurden, konnte ein gewisser Abschluß erzielt werden!).

Von den vorgelegten Stücken tragen nicht alle amtlichen Charakter. Streng genommen gilt das überhaupt nur für die Rechnungen der Kammerräte und der Pfennigmeister, die auf dem zweiten Eßlinger Rechnungstage vom 11. August 1551 geprüft, für richtig befunden und ordnungsmäßig ver- abschiedet wurden. Die Kammerräte bildeten die oberste Finanzbehörde für den oberländischen Kreis des Schmal- kaldischen Bundes. Sie führten Buch über die Einnahınen aus den Beiträgen der Bundesglieder sowie aus den Schatzungen und Anleihen. Der weitaus größte Teil der von ihnen verbuch- ten Ausgaben betrifft die nes zur Besoldung des Kriegsvolks, die sie an die hessischen, kursächsischen und oberländischen Pfennigmeister vornahmen. Während die hessi- schen und kursächsischen Pfennigmeister Berufsbeamte ihrer Fürsten waren, wurden die oberländischen Kammerräte und Pfennigmeister zu Kriegsbeginn ad hoc erwählt; ihr Amt ist in den Bundesordnungen von 1531 und 1536 sowie in dem Ab- schied des Schmalkaldischen Bundestages zu Koburg vom 22. August 1537?) nicht vorgesehen. Die Einnahmen der Pfennigmeister beschränken sich im wesentlichen auf die Über- weisungen der Kammerräte, ihre Ausgaben auf die Besoldung der Truppen des oberländischen Kreises. Doch haben sie, wenn auch äußerst widerstrebend, in einigen Fällen Auszah- lungen an die kursächsischen und hessischen Pfennigmeister vornehinen müssen.

Die Besoldung des oberländischen Heeres geschah nicht . ausschließlich durch die oberländischen Pfennigmeister. An- sehnliche Beträge wurden dafür auch von den Kammerräten

1) Vgl. über die erwähnten Tagungen die Akten in Pol. Korr. IV sowie die Übersicht über die Versuche von 1550 und 1551, die a. a. O. 8. 1191, Anm. 25 gegeben ist. Dort sind auch die in Pol. Korr. V abgedruckten einschlägigen Aktenstücke nachgewiesen.

3) Die beiden ersteren sind gedruckt bei Hortleder I, Buch 8, Kap. 8 und 10. Einen ausreichenden Auszug aus dom Koburger Abschied von 1537 gibt Rommel, Gesch. von Hessen IV, S. 175— 179 der Anmerkungen.

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unmittelbar entrichtet; ferner steckt ein sehr erheblicher Teil der Soldzahlungen in den Partikularrechnungen der einzelnen oberländischen Bundesglieder. Diese sind in doppelter Form überliefert: als Einzelrechnungen, welche für die EBlinger Rechnungstage von 1551 aufgestellt wurden, und als „uszug““, der bei der Prüfung dieser Rechnungen auf dem zweiten und dritten Rechnungstag zu Eßlingen im August und November 1551 entstand. Die Partikularrechnungen zeigen, daß die Aufwendungen mancher oberländischer Bundesstände (wie Württemberg, Augsburg und Straßburg) das Pflichtmaß be- deutend überschritten haben. Die Mehrzahl, besonders die kleineren Städte, waren jedoch mit der Zahlung der ausge- schriebenen 18 Doppelmonate erheblich im Rückstand geblie- ben. Eine amtliche Genehmigung der Partikularrechnungen konnte auf den Eßlinger Rechnungstagen von 1551 und auch später nicht mehr erzielt werden. Zudem unterließen es so bedeutende Bundesglieder wie Ulm und Frankfurt am Main, ihre Rechnungen einzureichen. In den Abschnitten IV b und IV c dieser Veröffentlichung ist versucht worden, aus anderen Unterlagen die Kriegsaufwendungen beider Städte zusammen- zustellen. Daraus ergibt sich, daß Ulm wie Frankfurt mit ihren Leistungen über die Grenze des Schuldigen weit hinaus- gegangen sind.

Die Anlage der Kammerräte- und Pfennigmeisterrechnung ist ebenso wie diejenige der amtlich eingereichten Partikular- rechnungen sorgfältig und für ihre ‘Zeit sehr übersichtlich. Das gleiche gilt für die Kriegsrechnung des hessischen Kammer- meisters. Sie trägt durchaus amtlichen Charakter, wenngleich sie auf den Rechnungstagen niemals eingereicht und daher von den oberländischen Kammerräten auch niemals geprüft worden ist. Auf einzelne, verhältnismäßig geringfügige Wider- sprüche gegenüber den Rechnungen der Kammerräte und der Pfennigmeister ist in den Anmerkungen hingewiesen.

„Die bisher besprochenen Rechnungen schließen mit Ende November bzw. Jahresende 1546 ab, d. h. mit der Auflösung der oberländischen und hessischen Truppenteile. Anders steht es mit der kursächsischen Kriegsrechnung. Von ihr ist niemals eine ordentliche Reinschrift nach Abschluß des Krieges an- gelegt worden. Das erklärt sich wohl daraus, daß der kursächsi- sche Pfennigmeister Heinrich Mönch in der Schlacht bei Mühl- berg gefangen wurde, wobei alle Rechnungen, Quittungen mitsamt den Geldwagen verloren gingen!). Die Veröffent-

1) Vgl. hierzu Abschnitt VI, Zur Finanzverwaltung Kursachsens überhaupt s. die Ausführungen bei Mentz, Johann Friedrich I, 3, 8. 185ff.

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lichung der kursächsischen Kriegsrechnungen stellt daher einen Versuch dar, der auf Vollständigkeit keinen Anspruch . erheben darf. Um das bruchstückhafte Gepräge der Rech- nungen nicht noch zu verschärfen, wurden auch die Teile mit veröffentlicht, welche noch bis ins Frühjahr 1547 reichen. Über die letzten beiden Monate des kursächsischen Krieges sind ohnehin geordnete Unterlagen nicht mehr zu ermitteln. Vermutlich hängt das mit der vorerwähnten Gefangennahme des kursächsischen Pfennigmeisters zusammen.

Der Kurfürst und der Landgraf hatten pflichtmäßig, gleich den anderen Bundesständen, 18 Doppelmonate aufzubringen, was für jeden (bei einer Anlage von 28000 Gulden je Doppel- monat) rund eine halbe Million Gulden ausmachte. Aus der sorgfältig geführten hessischen Kriegsrechnung ergibt sich mit voller Klarheit, daß der Landgraf diese Summe aus Eige- nem nicht aufgebracht hat, wenn man die Zuschüsse, die er von den Kammerräten und Pfennigmeistern, dazu durch die unmittelbaren Zahlungen Straßburgs und vor allem Frankfurts sowie der Städte des sächsischen Kreises erhielt und welche 300000 Gulden weit übersteigen, von der Einnahmenseite seiner Rechnung abzieht. Damit erklärt sich wohl auch die Weigerung der hessischen Statthalter und Räte, an den Abrechnungsverhandlungen der Jahre 1547 bis 1551 teil- zunehınen.

Die Zuschüsse der Kammerräte, Pfennigmeister, Frank- furts und der Städte des sächsischen Kreises an den Kur- fürsten von Sachsen sind gleichfalls mit rund 300000 Gulden anzusetzen. Schon der lückenhafte Zustand der kursächsischen Rechnung läßt den Schluß zu, daß die tatsächlichen Auf- wendungen des Kurfürsten aus eigener Tasche in einem ähn- lichen Verhältnis zu den Ausgaben stehen, wie das beim Land- grafen nachzuweisen ist. Es ist auch noch Zu berücksichtigen, daß der Landgraf bei Ende der Kriegshandlung gegenüber seinen Regimentern noch mit über 150000 Gulden in Schuld stand, der Kurfürst mit rund 35000 Gulden?).

Daß das offenkundige Mißverhältnis zwischen den geldlichen Leistungen der »eiden Oberhauptleute und der oberländischen Stände bei den letzteren, besonders bei Württemberg, Unzu- friedenheit erregte und gegen Ende der oberländischen Kriegs- handlung auch deutlich zur Sprache kam, ist durchaus begreif- lich. Sehr stark und berechtigt waren auch die Klagen über die mangelhaften Zahlungen der Städte des sächsischen Kreises. Letztere ergeben sich aus den Aufstellungen im Abschnitt VII.

1) Vgl. hierüber Abschnitt V bzw. VI.

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Überblickt man die Rechnungen im ganzen, so erhält man den Eindruck, daß wohl der Versuch gemacht wurde, spar- sam zu wirtschaften, soweit das bei dem weitläufigen und kost- spieligen Aufbau eines Soldheeres möglich war. Von besonders großen Ansprüchen der beiden Fürsten für ihre persönlichen Bedürfnisse ist aus den Rechnungen nichts zu entnehınen. Immerhin waren die Beträge, welche in $ 38 und 39 der Bundes- ordnung von 1536 bzw. im Koburger Abschied von 1537 (s. 8. 43, Anm. 2) für ihren ‚stat‘‘ als oberste Feldhauptleute sowie für denjenigen der Feldmarschälle, Obersten, Hauptleute, der sonstigen höheren Chargen und der ihnen im Range gleich- stehenden Beamten des Bundes festgesetzt waren, sehr beträcht- lich, und man rang sich, wenn auch erst sehr spät, zu der Er- kenntnis durch, daß am ‚‚stat‘‘ gespart werden könne und müsse!). Bemerkenswert ist dabei übrigens, daß für die Kam- merräte und die Stimmräte keinerlei Monatssolde in den Rech- nungen nachweisbar sind, sondern nur für die Kriegsräte und die Pfennigmeister. Die Stimmräte forderten allerdings, den ersteren in ihren Bezügen gleichgestellt zu werden (s. Pol. Korr. IV, Nr. 427); jedoch scheint diesem Verlangen nicht stattgegeben worden zu sein.

Die finanzielle Last des Krieges lag ganz wesentlich auf den oberländischen Bundesmitgliedern. Darüber lassen die Kriegs- rechnungen keinen Zweifel. Es wurde bereits oben darauf hingewiesen, daß weder Kurfürst noch Landgraf ihren Beitrag zu den Kriegskosten in Höhe von 18 Doppelmonaten aus eigenen Mitteln auch nur entfernt beigesteuert haben. Durch mehr oder minder freiwillige Darlehen von Ständen und Persönlich- keiten, die außerhalb des Bundes standen, kamen noch keine 80000 Gulden zusammen. Was an Brandschatzungen und dergleichen während des Kriegsverlaufes erhoben wurde, war ganz unbedeutend. Zu der von den beiden Fürsten eifrig ge- wünschten Schatzung der geistlichen Gebiete, besonders der Main-Bistümer, die von den oberländischen Bundesgliedern aus guten politischen und allgemein menschlichen Gründen bekämpft wurde, ist es erst nach dem Abzug der Fürsten aus dem Oberland gekommen. Ihre Erträge, soweit sie nicht über- haupt dem Feind in die Hände fielen (s. Pol. Korr. IV, Nr. 517, Anm. 3) kamen also der Allgemeinheit gar nicht mehr zugute.

Die Kosten für den Unterhalt des gesamten Heeres im Ober- land beliefen sich nach der Berechnung der Kammerräte schon im August 1546 auf monatlich 400000 Gulden (s. a. a. O., Nr. 300). Man darf diese Summe wohl als etwas übertrieben

1) Vgl. Pol. Korr. IV, Nr. 456, Anm. 3 (Ulmer Ausschußbedenken vom 20. November 1548).

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ansehen, zumal die Kammerräte damit die Notwendigkeit umgehender neuer Geldsendungen dartun wollten. Immerhin gewinnt, unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, der französi- sche Anleiheplan eine große Bedeutung für die Fortführung des Krieges im Oberland. Handelte es sich dabei doch um 540000 Kronen, also um über 800000 Gulden. Damit wären die Mittel zur Kriegführung für reichlich zwei bis drei Monate sichergestellt gewesen. Mindestens stimmungsmäßig wäre also ein rechtzeitiger glücklicher Abschluß des Anleiheplanes für die Schmalkaldener ungemein wertvoll geworden. Es bleibt allerdings zweifelhaft, ob damit das Kriegsglück sich endgültig an die Fahnen des Bundesheeres hätte heften lassen, da die Gelegenheit zu einem entscheidenden Waffengang immer wieder ungenutzt blieb. Und gerade für eine Kriegführung auf lange Sicht standen dem Kaiser doch ganz andere geldliche Hilfsquellen zur Verfügung als den Schmalkaldenern. Auf jeden Fall aber wäre die Geldlage der Oberländer beim Abzug der beiden Fürsten Ende November 1546 eine viel gesichertere gewesen. Eine Fortsetzung des bewaffneten Widerstandes gegen den Kaiser, etwa in der Form eines Winterlagers, wie es ın den Verhandlungen im Feldlager zu Giengen und zu Ulm noch im November vorgeschlagen worden war, hätte dann durchaus im Bereich der Möglichkeit gelegen. Zu dem schmäh- lichen Zusammenbruch der oberländischen Front vor dem anrückenden kaiserlichen Heere hätte es nicht zu kommen brauchen. Auch auf die weiteren Operationen des Landgrafen in den ersten Monaten des Jahres 1547 wäre zweifellos ein Zustrom französischen Geldes von bedeutendem Einfluß ge- wesen. Denn als die französische Anleihe im Frühjahr 1547 schließlich doch noch in Höhe von 200000 Kronen (300000 Gul- den) zustande kam, war das Oberland gänzlich in der Hand des Kaisers, und der Betrag, der je zur Hälfte dem Kurfürsten und dem Landgrafen zufloß, wurde nutzlos verzettelt und kam praktisch für die weitere Kriegführung überhaupt nicht mehr in Betracht.

Zum Schluß noch ein Wort über die Art der Veröffentlichung der Kriegsrechnungen. Es wurde von einer tabellarischen Verarbeitung!) abgesehen, sondern ein auszugsweiser Ab- druck des Ganzen vorgezogen, um nach Möglichkeit den Ein- druck der ursprünglichen Fassung nicht zu verwischen und damit auch der weiteren Forschung besser zu dienen. In den Anmerkungen wurden die gegenseitigen Beziehungen in den

ı) Wie sie z. B. von Kirch, Die Fugger und der Schmalk. Krieg, 8. 53, Anm. 2, S. 58— 59, Anm. 2 für die Einnahmeseite der Kammer- räterechnung gewählt wurde.

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Rechnungen festgestellt, zugleich sachliche Erläuterungen ge- geben; soweit möglich, unter Verweisung auf Pol. Korr. IV), Die Namen aller wichtigeren Persönlichkeiten wurden in den Auszügen aufgeführt, diejenigen der Hauptleute allerdings in der Regel nur dann, wenn sie auch in Pol. Korr. IV vorkommen. Die Stärke der Regimenter und der anderen Formationen ist, sofern sie sich einwandfrei ermitteln ließ, angegeben worden. Diese Zahlen sollen eine Ergänzung zu den durch v. Druffel und Schüz errechneten Zahlen bilden?). Von den zahlreichen Münzrelationen konnten nur wenige Proben mitgeteilt werden. Sie bieten ein dankbares Feld für münzgeschichtliche For- schungen, auf das hier nur hingewiesen werden kann.

Die Kriegsrechnungen nebst den zur Erläuterung heran- gezogenen verwandten Aktenstücken beruhen in den Archiven von Frankfurt am Main, Lindau, Marburg, Stuttgart, Ulm und Weimar. Den Verwaltungen dieser Archive sei verbind- lichst für ihr Entgegenkommen gedankt!

Von den hier veröffentlichten Stücken sind die Abschnitte I, III, IV (mit Ausnahme der Lindauer Partikularrechnung, die Wolfart abgedruckt hat) und VII in der Literatur noch unver- wertet. Die Rechnung der Kammerräte (II) haben Kirch und Wolfart, die hessische Kammermeisterrechnung (V) Paetel und Schaafhausen, die kursächsische (VI) Mentz für ihre For- schungen stellenweise verwertet. Im großen und ganzen gilt in dieser Beziehung aber auch für die Abschnitte II, V und VI das gleiche wie für die übrigen Abschnitte. So reichen die aus der Literatur bisher bekannt gewordenen Nachrichten über die Finanzierung des oberländischen Krieges durch die Schmalkaldischen Bundesstände zu einer klaren Übersicht über deren tatsächliche Aufwendungen keineswegs aus. Es steht daher zu hoffen, daß mit der Veröffentlichung der Kriegs- rechnungen im Zusammenhang ein brauchbarer Baustein zur weiteren Erforschung der Geschichte des Schmalkaldischen Krieges im Oberland und zur Kulturgeschichte des Krieges im allgemeinen geliefert werden konnte.

ı) Das entspricht dem ursprünglichen Plan der Veröffentlichung; s. den Anfang der Einleitung. Aus diesem Grunde wurde auch die Straßburger Partikularrechnung an die Spitze der Texte gestellt. Die Nachweise aus Pol. Korr. IV geschehen in den Anmerkungen ohne Bandangabe bloß nach der Stücknummer; die Verweise mit römischen Ziffern beziehen sich auf die betrefienden Abschnitte unseres Textes.

®) A. von Druffel, Des Viglius van Zwichem Tagebuch ..., 8. 271 bis 272, und A. Schüz, Der Donaufeldzug Karls V. im Jahre 1546, 8. 92-94.

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Nach Abdruck der Kriegsrechnungen werde ich an geeigneter Stelle eine Abhandlung über die Finanzierung des Schmal- kaldischen Krieges durch die Bundesstände erscheinen lassen.

I. Straßburgs Kriegskosten im Schmalkaldischen Kriege. |

Lindau, Arch., Fach 63, 16t).

Rechnung, was ain statt Straßburg von gemeiner gewesener sinungsverwanten stend wegen ausgeben und ir noch unbezalt und unverglichen ussteet.

Erstlich in vergangnem krieg:

Item auf ansuchen gemeiner stand uber die erlegten acht- zehen doppelmonath und noch ains doppelmonathz?) vor dem abzug dargelühen laut der chammerräth obligation

30000 fl.3).

Item der bottschaft, so in Frankreich und Engelland zu schicken zu Ulm erkannt ward, zur zerung dargelühen laut derselben bekenntnuß 1000 fi.®).

1) Dieselbe Rechnung befindet sich in Ulm, Arch., Reform.-Akt. XLI, Nr. 3371 unter den auf dem 2. Rechnungstage zu EBßlingen im August 1551 eingereichten Partikularrechnungen (vgl. Nr. 890, Anm. 25). Sie ist mit Randbemerkungen des Prüfungssusschusses (vgl. über ihn Pol. Korr. V, 8. 198) versehen, die in den Anm. 10, 11, 13—16, 18, 19, 22, 32 und 33 angegeben sind. Außerdem wurde zur leichteren Übersicht auf dem genannten Eßlinger Rechnungstag ein Auszug aus allen Partikularrechnungen hergestellt (in Lindau, e. a. O. und in Ulm, a. a. O., Nr. 3354; erw. in Pol. Korr. V, S. 198, Anm. 1 und 229, Anm. 1), auf dessen Abweichungen in den Anm. 13, 21, 31 und 35— 39 hingewiesen wird. Zu den Partikularrechnungen vgl. im übrigen Abschnitt IV.

8) Da Straßburgs Doppelmonat 10000 Gulden betrug (vgl. Ab- schnitt II, Anm. 5), so machten die 19 Doppelmonate 190000 Gulden aus. Der besonders genannte Doppelmonat ist der am 16. November 1546 im Feldlager zu Giengen bewilligte (vgl. Nr. 456 und 461), den sich Straßburg von Herzog Ulrich leihen wollte (vgl. Nr. 464, 470, 473 und 479).

3) Vgl. über dieses Darlehen Nr. 431, 437, Anm. 4 und 440, Anm. 3. In seiner Aufzeichnung vom 17. Dezember 1548 über die Ausgaben Straßburgs (Nr. 842) hat Jakob Sturm auch diese 30000 Gulden als drei Doppelmonate angerechnet und kommt dadurch auf eine Gesamt- summe von 22 Doppelmonaten.

*) Vgl. hierzu Nr. 466 und 472.

Archiv für Beformstionsgeschichte. XXXII 1/2. 4

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Hat Frankfurt auch 1000 guldin dargelühen!). Item hat doctor Ulrich Geiger verzert, als er auf bevelch des landgraven von gemeiner stend wegen in Frankreich geschickt worden,

27 fl. 22 kr.®). (Summa 31027 guldin 22 kr.)

Item geben herr Wolff Dieterichen von Pfirt und seinen hauptleuten in anfang des kriegs auf schreiben des chur- fürsten zu laufgelt 550 guldin®).

Item etlichen aidtgenossen, so dem churfürsten und land- graven in das leger geschickt [worden], zu laufgelt geben*)

115 fl. 18 kr.

Item so ist in zerung, furlon und andern uncosten auf- geloffen die viermal, darin das gelt gelüvert worden®),

602 fl. 9!/, kr.

1) Vgl. das Anleihegesuch Frankfurts vom 4. Dezember 1546 in Nr. 472, Anm. 1. Frankfurt zahlte diese Summe am 4. Juli 1547 zurück (s. Nr. 489, Anm. 2); sie ist daher in die Gesamtsumme der Straßburger Auslagen nicht eingerechnet.

°) Wenn nicht Geigers Gesandtschaftereise im Herbst 1545 ge- meint ist (vgl. die Nachweise in Pol. Korr. III, Register, S. 743, 1. Sp. sowie Pol. Korr. IV, Nr. 3 und 6), so kommt vielleicht eine Reise um die Jahreswende 1545/46 in Frage, die zwar von den Bundes- gesandten auf dem Frankfurter Tage abgelehnt worden war (vgl. Nr. 6), die aber durch Geigers Mitteilung an Bernhard Meyer vom 23. Februar 1546 wahrscheinlich wird, daß er lange nicht an ihn geschrieben habe, weil er verreist gewesen sei (Nr. 32, Anfang). Wir erfahren sonst aber nirgends etwas über diese Reise. Mözlich ist auch, daß es im September 1546 zu einer Reise Geigers nach Frankreich gekommen ist, obwohl Jakob Sturm am 6. September auf den von Johann Sturm geäußerten Wunsch hin, Geiger möge baldigst nach Frankreich kommen, mitteilte, Geiger sei gefährlich am Fieber er- „krankt (vgl. Nr. 343 [S. 364] und 349). Auch in diesem Falle wissen wir nicht, ob aus der Reise etwas geworden ist. Eine dritte Möglich- keit besteht darin daß Geiger unter der vertrauten Person verstanden sein könnte, durch welche Landgraf und Kurfürst am 3. November 1546 wichtige Briefe an den französischen König zu übersenden wünschten (vgl. Nr. 436). Es ist aber in den Akten nicht weiter davon die Rede..

3) Vgl. hierüber Nr. 211, Anm. 1.

%) Es handelt sich wohl um die Schweizer Knechte, von deren Ankunft in Straßburg der Rat an Basel am 14. August 1546 (Nr. 292) schreibt.

6) Zur ersten Geldsendung (Anfang Juli 1546 nach Frankfurt) vgl. Nr. 178 und 180, zur zweiten am 12. Juli nach Ulm vgl. Nr. 203, Anm. 2, zur dritten ebendah'ı: Anfang August vgl. Nr. 253, Anm. 1,

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Item so ist an kleppern, so uf der fürsten schreiben auf der post und zu den ritten in Frankreich gebraucht worden und zum teil nit wider bracht, zum teil wider verkauft, verloren und nachzogen worden!) 184 fl. 24 kr.

Item ist der buchsenmaister weiber, so auf schreiben des landgraven geschickt worden, yeder wochentlich an irer mann besoldung geben worden 1 guldin, thut?) 86 fl. 6 kr.

(Summa 1437 fl. 57!/, kr.)

Item hat Wolf Beckhlin für Johann Sturmium bezallt zu Ulm, als er in das leger geritten?), 3 fl. 45 kr.

Item für denselben einem würt zu Rachstett*) bezallt; hat ain klepper, so zu reh®) worden, bey ime verzertt 3fl. 52 kr.

Item haben die, so auf den posten gelegen, laut der zedel verzert®) 671 fl. 13 batz. 3 kr.

Item hat unser stattschreiber ausgeben in bottenlon und zerung, als der krieg angangen, von dem 20. Junii anno 46 unz den 27. Decembris desselben jars, wie sollichs von item zu item verrechnet’), 308 fl. 8 batz.

(Summa 888 fl. 4 kr.)

262, Anm. 1, 268, 275, 300, 306, 308 und 351, Anm. 1, zur vierten ebendahin im Anfang Oktober vgl. Nr. 381, 390 und 398, Anm. 3.

1) Im Ulmer Stück der Straßburger Partikularrechnung (s. Anm. 1) ist zu diesem Posten am Rand vermerkt: „Söllen rechnungen dorumben furlegen.‘“

2) Vgl. hierüber Nr. 200 und 215. Auch zu diesem Posten ist in dem Ulmer Stück am Rand bemerkt: „Rechnung thun“.

%) Es handelt sich hier vermutlich um die Rückkehr Johann Sturms nach seiner ersten Sendung an den französischen Hof, bei welcher er auf dem Weg zum Feldlager vor Donauwörth bestimmt am 5. August 1546 über Ulm ritt (vgl. Nr. 263, Anm..1), während das bei seiner Rückkehr von der zweiten Sendung Ende September 1546 zweifelhaft (s. Nr. 378), bei derjenigen von der dritten Sendung am 6. November 1546 ausgeschlossen ist (vgl. Nr. 444, Anm. 1).

*) Im Ulmer Stück der Straßburger Partikularrechnung ist der Ort „Reichstett‘‘ geschrieben, in dem Auszug aus der Partikular- rechnung (in Ulm a. a. O., Nr. 3354; vgl. Anm. 1) heißt er „Rasteet‘“. Bei welcher Gesandtschaftsreise Johann Sturms nach Frankreich diese Summe erlegt worden ist, läßt sich nicht ermitteln.

5) Im Ulmer Stück steht: „rech‘‘ = unrecht, unbrauchbar.

: %) Im Ulmer Stück steht am Rande: ‚„Sollens selbst zalen.‘ Zu den Postreitern und Postlinien, die Straßburg während des Krieges unterhielt, vgl. Nr. 168, Anm. 4, 178, Anm. 3, 190, 235 und 330, . Anm. 8 sowie das Register S. 1464, 1. Sp.

”) Im Ulmer Stück steht hierzu am Rande: „Soll gfragt werden, ob allain fur sich selbet oder aus bevelch gethan.“

Item als unser[m] kriegsrat sein besoldung nit gar bezallt, sonder auf uns angewiesen worden, wir aber unser doppel- monat, darzu die letsten 30000 guldin anleihens gelüfert und sein usstende besoldung nit inbehalten hatten, haben wir ine für sein person des ausstands nit bezalt!), aber den knechten und furmann, so ir sonder besoldung gehapt, auf ir ansuchen und nachlaufen als armen gesellen, die sein nottürftig waren, geben für den fünften und letsten monat 106 fi.

(Summa per se)

Summarum obgesetzter posten st 33459 fl. 231/, kr.

Weiter hat ain ersamer rat der statt Straßburg aufgewendt und ausgeben uf zwey fendlin knecht fünf monat lang, darauf ist gangen?) 28 957 fl.

Item etlichen ungemusterten fendlin knechten zu wartgelt- _ geben 13 wochen?) 12180 fi.

Item mer etlichen knechten geben zu wartgelt 3 monat lang‘) 1236 Sl.

(Summa 42373 fl.)

Solliche somma ist an rechnung nit eingebracht dem, das ain ersamer rat der statt Straßburg nit anders bericht [ist], dann das ain jeder stand dasjenig, so er zu bewarung und beschützung seines lands, statt oder der seinen auf- wenden thu, das er es an ime selbs haben und tragen soll®).

1) Über Ulman Böcklins Besoldung vgl. Nr. 345, Anm. 3, 372, Anm. 6 und 9, 396, Anm. 2 und 415, Anm. 3, ferner den ihn betreffenden Posten in der hessischen Kriegsrechnung (Abschnitt V).

°) Im Ulmer Stück steht zu diesem Posten am Rande: „Fragen, wie es ain gstalt darumb hab, wo sie gelegen.‘‘ Über diese beiden Fähnlein, welche unter dem Befehl der Hauptleute Wendling Scheck (s. über ihn auch Nr. 61, Anm. 2) und Daniel Suter, gen. Silberkremer (s. über ihn auch Nr. 121, Anm. 4), in Straßburg als Besatzung lagen, vgl. Nr. 164, 172, 197, 299, Anm. 2, 338, Anm. 3, 339, Anm. 4 und 453.

?) Im Ulmer Stück steht hierzu am Rande: „Dergleichen (s. Anm. 2).‘‘ Es scheint sich um die Schweizer Fähnlein zu handeln, zu deren Anwerbung der Straßburger Ratsschreiber Heinrich Walther Ende August 1546 nach Basel entsandt worden war; vgl. seine Schlußbericht in Nr. 347.

*) Hierunter sind die Straßburger Handwerksgesellen verstanden, die der Rat durch Beschluß vom 23. Juni 1546 in Wartgeld nahm; vgl. Nr. 121, Anm. 6, 172, 299, Anm. 2 und 339, Anm. 4,

6) Deshalb ist dieser Posten auch nicht in den Auszug aus den Partikularrechnungen (s. S. 49, Anm. 1) aufgenommen. Die Summe der Aufwendungen für Kriegsknechte zum eigenen Schutze Straßburgs

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wa aber das nit [ist], will ain ersamer rat sollichs wie nn hiemit auch eingeben, angezeigt und vorbehalten

aben

Ferners haben wir ausgeben von gemeiner stend wegen und dargelühen zu costen auf die bottschaft, so in Engelland und Frankreich zu schicken anno etc. 45 erkannt worden, frid zwischen baiden königen zu machen, wie volgt!): Item den 22. Junii Wilhelm Helden zu herr Jacob Sturmen gen Wormbs der englischen handlung halben?) 1 lb. 10 ß.

Item den 13. Augusti doctor Ulrichen Geigern zu dem herren landgraven des fridens halben zwischen Frankreich und Engel- land?) 7b. 12.

Item als zu Wormbs auf dem tag der verainigten stend, anno etc. 45*) gehalten, verabschiedet [worden], das Sachsen, Hessen, Wirtemberg, Straßburg, Augspurg und Ulm den costen darleihen und von andern stenden wider entpfahen sollten, haben wir für unsern tail dargelühen 722 fl. 21 kr.

Und steet doctor Hansen von Ulm?) sein zerung, so er aus seinem seckel dargelühen (summa 739 fl. 27 kr.)®) noch unbe- zalt, aus der ursachen das der churfürst sein antail der 722 fl. 21 kr., so er vermög obgemelten abschids gen Frankfurt er- legt sollt haben, nit erlegt [hat]”). derhalben er uns, als die ine aus bevelch gemainer stend vermöcht und abgevertigt [hetten], nachlauft und die bezalung an uns ervordert.

Item Andres Weber, dem laufersbotten, etlich brief, so die gesanten von Cales dem herren landgraven Ba gen Darmstett zu tragen), TB.

stimmt mit der von Jakob Sturm aufgestellten Berechnung (s. S. 49, Anm. 3) ziemlich genau überein.

1) Im Ulmer Stück steht hierzu als Randbemerkung: „Dienet nit zu diser sach.‘

8) Vgl. hierüber Pol. Korr. III, Nr. 576, S. 606-607.

3) Vgl. a. a. O., Nr. 592, S. 624— 626.

%) Es handelt sich aber in Wirklichkeit um den Bundestag zu Worms im April 1546; zu dem Beschluß über die Teilung der Zehr- kosten s. Pol. Korr. IV, Nr. 63, Anm. 42 und 54.

8) Wohl verschrieben für ‚Metz‘; denn Ulm hatte sein Sechstel an den Zehrkosten bereits am 19. August 1546 bezahlt; vgl. Nr. 132, Anm. 1.

°) Der Gesamtbetrag seiner damaligen Zehrkosten war 949 Gulden 8 Kreuzer; vgl. die Nachweise über die Kostenrechnung in Nr. 63. Anm. 42.

?) Vgl. hierzu Nr. 132, Anm. I und 726, Anm. 7.

°) Im September bis November 1545.

54

Item doctor Ulrjeh_Geigern mit briefen der gesanten von

Cales gen Fra 2 1b. (Summa 5 guldin 42 kr.)?) . (Summarum 745 guldin 9 kr.)

Item weiters haben wir sonst auf bottenlon und kundschaften auch im fünfundvierzigsten und im anfang des sechsund- vierzigsten jars, zuvor und ee der krieg angegangen, ausgeben von gemeiner stend wegen laut unsers& stattschreibers rech-

nung?) 67 guldin 5 batz. 1 kr. | (Summa per se). Weiters haben wir des colloquii halben zu nspurg ge-

halten, darzu herr Martin Butzer von gemeiner stend wegen verordnet worden, wie hernachvolgt, ausgeben*):

Item hat herr Martin Butzer mit seinen zugehörigen®) ver- zert, wie man das laut seiner rechnung partenweis darthun ken, 318 fl. 44 kr.

Item 23. Februarii [1546] Bastian Wagner, dem botten, bracht brief von herr Martin Butzern von Regenspurg des colloquii halben®), 08.

Item 25. eiusdem Stofel Waitgaw gen Ulm, dem Base brief gen Regenspurg zu bringen’), 11b. 38.

ı) Wahrscheinlich ist damit der Brief von Johann Sturm an Jakob Sturm vom 23. Oktober 1545 gemeint (Pol. Korr. III, Nr. 622, S. 660

bis 661), wie sich aus der Bemerkung in dem Schreiben Johanns an Jakob Sturm vom 13. November (a. a. O., Nr. 637, S. 672, oben) ergibt. Allerdings ist in dem Auszug aus dem Tagebuch Jakob Sturms ‚über den Frankfurter Bundestag vom Dezember 1545 bis Februar 1546 (a. a. O., Nr. 651, S. 697— 712) nichts über die Anwesenheit Geigers in Frankfurt zu finden.

3) Die Gesamtsumme von 5 Gulden 42 Kreuzer läßt darauf schließen, daß die beiden letzten Beträge mit 17 B und 2 1b. falsch angegeben sein müssen und daß die entsprechenden im Rechnungsauszug (s. S. 49, Anm. 1) dafür eingesetzten mit 1 Gulden 42 Kreuzer bzw. 4 Gulden die richtigen sind.

3) Im Ulmer Stück steht hier am Rand: „Waißt nit, warumb.“

*) Desgl. hier am Rand: „Dienet nit zu diser handlung.“

s) Nämlich Cornelius Fabri oder Faber (vgl. über ihn Handschriften- proben II, Tafel 68) und vielleicht auch der Ulmer Prediger Martin Frecht, den Bucer als seinen Adjunkten in Vorschlag gebracht hatte (vgl. Pol. Korr. III, Nr. 628, S. 665—666 und S. 666, Anm.; vgl. über Frecht auch Pol. Korr. IV, Nr. 42, Anm. 12).

°) Es wird sich um den verlorenen Brief Bucers vom 12. Februar 1546 (Nr. 26) handeln. Der Rechnungsauszug (s. Anm. 2) gibt den Betrag richtiger mit 1 Gulden an.

7) Diese Briefe sind nicht mehr erhalten. Der Rechnungsauszug {s. Anm. 2) hat hier 2 Gulden 18 Kreuzer eingesetzt.

Item 21. Martii [1546] Veit Reichart zu herr Martin Butzern

gen Regenspurg geben?) 2 Ib. 111/, B. (Summa 327 g. 11 kr.)

Item 8. Maii Wolf Jecken, dem soldner, mit der geschrift der entschuldigung der auditorn und colloquenten gegen kay. Mt. und den stenden des hailigen reichs zum herrn land- graven?) 3 1b. 17 8.

(Summa per se). Summarum des, so auf das colloquium ußgeben 334 guld. 54 kr.?)

II. Rechnung der Kammerräte.

Stuttgart, Arch., Büschel 107. Ausf.*) mit der Aufschrift: Register samt urkunden®) uber alles einnemen und ausgeben gmeiner stend christenlicher verainigung verordneten camerräth in gewesener defension und kriegsempörung wider die ro. kai. Mt. a. 1546 und der eigenhändigen Unterschrift der Kammerräte Balthasar Moser, Michel Han, Dr. Konrad Hei und Eitel Eber- hard Besserer®). Ben. von Kirch, D. Fugger u. d. Schm. Kr., S. 46, Anm. 3, 53, Anm. 2 und 58—59, Anm. 3°).

1) Auch dieser Brief ist verloren; vermutlich enthielt er das gleiche, was in der Straßburger Instruktion für den Bundestag zu Worms über das Kolloquium bemerkt ist (s. Nr. 49, S. 62-63)... Der Reoh- nungsauszug weist hierfür 5 Gulden 9 Kreuzer aus.

2) Vgl. hierzu Nr. 67, Anm. 2. Im Rechnungsauszug (s. 8. 49, Anm. 1) sind 7 Gulden 42 Kreuzer vermerkt.

3) Im Rechnungsauszug (s. Anm. 2) folgt noch: „Summa summarum * alles der statt Straßburg anlehen uber die 18 doppelmonat 34.606 fl. 47!/, kr.“ Doch vgl. dazu 8. 52, Anm. 5. N

*) Eine kürzere Fassung in Ulm, Arch., Reform.-Akt. XLI, Nr. 3352 (ben. in Pol. Korr. V, S. 197, Anm. 2), in Lindau, Arch., Fach 63, 16 (ben. von Wolfart, Gesch. d. St. Lindau II, S. 316— 317, der sie in tabellarischer Form bearbeitet hat) und z. B. in Frankfurt, Arch., Reichssachen II, Nr. 1020. 5) Diese fehlen.

°) Die beiden Kammerräte für Sachsen und Hessen (Erasmus von Könritz und Johann Meckbach; vgl. Nr. 269, Anm. 2), waren an der Aufstellung der Rechnung, ebenso wie an den verschiedenen Be- ratungen über deren Bereinigung (seit Ende Juni 1547 in Ulm; vgl. Nr. 638, Anm. 6) nicht beteiligt.

?) Kirch hat daraus Tabellen über die von Städten usw., von Privat- leuten, von Bundesständen gemachten Darlehen, von den Kloster- schatzungen sowie von den Leistungen der einzelnen oberländischen Bundesstände angefertigt. Bei der letztgenannten Tabelle (S. 53, Anm. 2) hat er die Gesamtsumme der 18 Doppelmonate Württembergs mit 360000 Gulden zu hoch angegeben; vgl. dazu die folgende Anm.

Einan.

Volgt erstlich, was die stend und stött der christenlichen verainigung des oberlendischen kraiss an irer gepür der auf- erlegten achtzehen doppelmonat!) zu handen der verordneten camerräth gegen Ulm nach und nach an barem gelt erlegt haben, darbei auch zu befinden, was von jedem stand oder statt fur rechnungen eingepracht, desgleichen was ain jeder an sollichen 18 doppelmonaten noch zu verrechnen und zu bezaln schuldig.

Würtenberg

Der durchleuchtig ... herzog Ulrich zu Würtenberg etc. hat an ir fl. G. gebür der 18 doppelmonat alher in die camer erlegen lassen 299080 gl. und dann an eingelegter rechnung 68256 gl. 42 kr.

Straßburg Ein e[rbarer] rath der statt Straßburg hat an obberuerten irn 18 doppelmonaten an barem gelt zu der raitcamer lifern lassen 152202 gl. 44 kr.?).

ı) Sie betrug für die in der Rechnung der Kammerräte nach- stehend genannten Stände auf Grund eines Verzeichnisses in Mar- burg, Arch., Nr. 848, f. 261— 263 (die Beträge für die 18 Doppelmonate sind in Klammern daneben gesetzt):

Württemberg 18180 (327 240)

Straßburg 10000 (180000) Augsburg 10000 (180000) Ulm 10000 (180000) Frankfurt 6000 (108000) Konstanz 2600 (46800) Memmingen 2900 (52200) EBlingen 2500 (45000) Reutlingen 1800 (32400) Schwäbisch Hall 2400 (43200) Heilbronn 2000 (36000) Biberach 2200 (39600) Kempten 1400 (25200) Isny 1200 (21600) Lindau 1800 (32400)

Dazu kommt noch das am 22. April 1546 auf dem Frankfurter Bundes- tag in den Schmalkaldischen Bund aufgenommene (s. Nr. 63, Anm. 56) Ravensburg mit 800 (14400) Gulden. In dem Marburger Verzeichnis finden sich noch der Landgraf von Hessen mit 28000 und der Graf von Tecklenburg mit 800 Gulden. Zur hessischen Kriegsrechnung s. Ab- schnitt V; über die Zahlungen des Grafen von Tecklenburg liegt nichts vor. Zu dem genannten Verzeichnis vgl. auch Nr. 63, Anm. 51 unter i.

2) In vier verschiedenen Zahlungen; s. Abschnitt I, 8. 50, Anm. 5.

67

Item mer haben sie an barem gelt meim gn. herrn dem land-

graven etc. erlegt 20000 gl.}). Und dann an eingelegter rechnung 7797 gl. 16 kr.?). Damit wern ire 18 doppelmonat bezalt.

Augspurg Die statt Augspurg haben an barem gelt zu der camer geantwurt 115832 gl. 4 kr. 1 h. Und dann an rechnungen 64167 gl. 55 kr. 6 h. Damit seind ire 18 doppelmonat gar bezalt. Ulm

Es hat ain erb[arer] rath der statt Ulm an irn 18 doppel- monaten nach und nach an barem gelt in die camer lifern

lassen 139914 gl. 2 kr. 2 h. Item an rechnungen: 40085 gl. 57 kr. 5 h. Darmit wern ire 18 doppelmonat gar bezalt.

Frankfurt

Die statt Frankfurt hat weder an barem gelt noch rechnung nichtzit alher in die camer geantwurt?).

Costantz Es hat die statt Costantz uf die raitcamer an barem gelt anher antwurten lassen: 12830 gl. 29 kr. Und an ubergebner rechnung: 9069 gl. 31 kr.

Bliben also noch zu erfollung der 12 doppelmonat schuldig, darumb sie auch noch kain rechnung gethon: 9300 gl. Und dann auch die driten 6 dopelmonat gar, namlich:

15600 gl. Memingen Ein e[rbarer] rath der statt Memingen hat auch an barem gelt erlegen lassen: 8700 gl. Item an rechnung: 15423 gl. 5 h.

Also bliben sie noch an irn ersten 12 doppelmonaten zu verrechnen und zu bezaln per resto schuldig: 10676 gl. 59 kr. 2 h. und dann auch die driten 6 dopelmonat: 17400 gl.

| Eßlingen Die statt Eßlingen hat in die camer an barem gelt ant- wurten lassen 26747 gl. 38 kr. Item an rechnungen: 3472 gl. 50 kr. 1h.

ı) Vgl. die erste Zahlung a. a. O.

?) Zur Verrechnung dieser Summe s. Nr. 245.

%) Über Frankfurts Zahlungen s. die besondere Aufstellung in Ab- schnitt IV, c.

58

Also bliben sie noch an irn 18 dopelmonaten hinderstellig schuldig: 14779 gl. 31 kr. 6 h. Darmit wern ire 18 dopelmonat auch bezalt.

Reutlingen

Die statt Reutlingen hat alher gen Ulm zu handen der hern camerräth an barem gelt geantwurt 15242 gl. 58 kr. Item an ubergebnen rechnungen: 1978 gl. 39 kr. Also bliben sie noch an den 12 ersten dopelmonaten schuldig: 4378 gl. 23 kr. Und dann auch die driten 6 dopelmonat, namlich 10800 gl.

Hall Ein efrbarer] rath der statt Schwäbischen Hall hat an irn 18 dopelmonaten alher in die camer an barem gelt geantwurt:

26132 gl. 8 kr.

Item an rechnungen: 2727 gl. 52 kr. Bliben also sie von Hall noch an den 18 dopelmonaten hinder-

stellig schuldig: 14340 gl.

Hailpronn Es hat ain e[rbarer] rath der statt Hailpronn an barem gelt alher in die camer nach und nach geantwurt: 31479 gl. 22 kr. 5 h.

Item an rechnungen: 4520 gl. 37 kr. 5 h. Darmit heten sie also ire 18 dopelmonat gar bezalt. Bibrach Die statt Bibrach hat alher zu der camer an barem gelt erlegt: 23214 gl. 37 kr. Item an rechnungen: 4668 gl. 33 kr. 1h. Also bliben sie’ noch schuldig zu erstattung irer 18 dopel- monat: 11716 gl. 49 kr. 6 h. Kempten

Nie von Kempten haben an barem gelt geantwurt 2495 gl. 331/, kr.

Item an rechnungen: 14304 gl. 261/, kr. Also bliben sie von Kempten die driten und letsten 6 dopel- monat noch schuldig, namlich: 8400 gl. Eysnı Die statt Eisni hat an barem gelt erlegen lassen alher in die camer: 7300 gl. Und an ubergebner rechnung: 4600 gl.

Bleiben also sie von Eysni an irn ersten 12 dopelmonaten uoch zu verrechnen und zu erlegen hinderstellig: 2500 gl. Desgleichen auch die driten 6 dopelmonat gar, namlich: 7200 gl.

69

Lindau Es hat ain e[rbarer] rath der statt Lindau an barem gelt erlegen lassen: 6703 gl. 56 kr. Item mer haben sie zu Nuernberg erlegt, so aber die herrn camerräth noch nit empfangen: 7980 gl.). Und dann an rechnung: 4096 gl. 4 kr. Nach abzug dises alles bliben sie noch per resto schuldig an den 12 ersten dopelmonaten: 2820 gl. Dergleichen auch die driten 6 dopelmonat gar, namlich: 10800 gl. Ravenspurg

Die statt Ravenspurg hat an barem gelt geantwurt:

3937 gl. 21 kr. Und dann an ubergebnen rechnungen: 10462 gl. 39 kr. Damit heten sie ire 18 dopelmonat auch gar entricht.

Suma sumarum alles, was hieobvermelte stend und stött im Oberland an den angeregten 18 dopelmonaten an barem gelt zu handen derherrn camerräth anher gen Ulm [haben] lifern lassen: 871812 gl. 53 kr. 4!/, h.

Was aber die eingebrachten obgemelter stend und stött rechnungen belangt, dieselben seind von den camerräthen bis auf gmainer stend approbation von inen angenomen; und machen dieselben an ainer suma: 245632 gl. 4 kr. 21/, h®).

1) Auf einem angehefteten Zettel steht die Abrechnung über diese Summe von 7980 Gulden: ‚„Nota: die von Ulm haben von Lindau wegen empfangen: item Jorgen Weickman 600 fl., Michel Hitzlern sein beoldung 30 fl., uncosten zu Nuernberg 3 fl. 12 kr.‘‘; vgl. zu dieser Abrechnung auch Wolfart a. a. O. S. 315. Die 800 Gulden erhielt Georg Weickmann als Zehrkosten für seine Reise nach Lyon (vgl. Nr. 297, Anm. 1 und 341, Anm. 1 sowie weiter oben im Text S. 71— 72 unter Ausgaben für die Reise nach Lyon). Michel Hitzler von Nürn- berg lieh den Bundesständen 4200 Gulden (s. im folgenden den Text 8. 62) und erhielt die 30 Gulden als „Verehrung“.

2) Zum Vergleich mit diesen beiden Zahlen sei die Abrechnung der Kammerräte vom 9. November 1546 (in Stuttgart a. a. O., 18, Nr. 94) herangezogen. Sie gibt nur die Zahlungen der oberländischen Städte (also ohne Württemberg) wieder und schließt mit folgender Bemerkung: „... Doch ist hiebei zu gedenken, das under obgemelten rechnungen, so von dem merernteil der stött dargelegt [worden seind], etliche seind, die weitere erclerung und leuterung bedörfen, do auch in vilen posten oder itemen von nöten sein will, gemeiner stend oder irer gsandten bechaids darunder zu gewarten. derhalben die camerräth solliche rechnungen nit alle endlich angenomen, sondern gmeinen stenden in dem ir recht vorbehalten, vermög der ... quitungen ...,

60

Item so thut der ausstand, so etliche stött des oberlendischen krais noch zu verrechnen und an den 18 dopelmonaten zu erfollen und zu bezaln schuldig [seind]:

256201 gl. 44 kr.!).

Volgt, was nachermelte stend und stett gmeinen stenden der christenlichen verainigung zu gutem ain zeitlang als uf 2 oder drei monat etc. gutwillig furgsetzt und dargelihen, welchs auch zu bezalung des kriegsvolks ins leger verschickt worden:

Würtenberg

... Herzog Ulrich zu Wurtenberg etc. hat disen stenden obgehörter gstalt dargelihen und alher in die camer ant- wurten lassen 50000 gl.?).

so sie den gemelten stöten gegeben. und sähe auch sie, die camerräth, fur nutz, notwendig und gut an, das solliche rechnungen von gmeinen stenden oder ainem darzu verordneten usschuß furderlich under hand genomen, von posten zu posten ersehen und uf ain jede erkanntnus und beschaid gethon und gegeben werden solten, damit man darnach das rest bei ainer jeden stat desto fuglicher fordern und einpringen könte. also haben obgemelte stöt in gemein zu handen der camerräth und aus irem bevelch an barem gelt erlegt 557249 fl. 49 kr. 4% h. Und dann haben sie an andere ort ausgeben und in rechnungen ... dargelegt ... 196753 fl. 4 kr. 41% h. Desgleichen bleiben sie alle... an den 18 dopelmonaten gemeinen stenden schuldig ... 282797 fl. 6 kr. 2 h. Wann nun obsteende drei suma ... zusamengetragen werden, machen sie sumarie 1036800 fl., welches sich also mit der suma irer angebur der 18 dopelmonat juste vergleicht. actum den 9. November a. 1546. nota: nach beschluß dises auszugs haben nachermelte stött an obsteendem irem usstand weiter an barem gelt erlegt: Hailpronn: an barem gelt zu zwain maln nach ainander 9884 fl. 25 kr., Eisni: an barem gelt erlegt 700 gl.‘ Zählt man zur Bareumme von insgesamt 567834 Gulden 14 Kreuzer 1, Heller die Barsumme Württembergs mit 299080 Gulden hinzu, so ergibt sich für den 9. November 1546 eine Gesamtbarzahlung von 886914 Gul- den 14 Kreuzer %, Heller. Es ist also nach dem genannten Tage nur noch wenig Bargeld eingegangen. Bei den durch Rechnungen nachgewiesenen Beträgen steht es etwas anders. Hier ergibt die Summe von 196753 Gulden 4 Kreuzer 41, Heller und die der württem- bergischen Rechnung von 58256 Gulden 42 Kreuzern den Gesamt- betrag von 255009 Gulden 46 Kreuzer 41% Hellern, ist daher höher als die von den Kammerräten in ihrer endgültigen Rechnung oben im Text angegebene. Einzelne Städte haben sich demnach zu einem Abstrich an ihren eingereichten Rechnungen bequemt.,

1) Darin sind natürlich die 18 Doppelmonate Frankfurts in Höhe von 108000 Gulden enthalten.

8) Vgl. hierüber Nr. 431, Anm. 3.

61

Straßburg Es hat die statt Straßburg gleichwol auch 30000 gl. dar- gelihen; sie seind doch aber nit alher in die camer, sonder meim gn. f. und h., dem landgraven etc., ins leger geantwurt worden!). Augspurg Ein e[rbarer] rath der statt Augspurg hat gleichfalls gehörter maßen disen stenden furgstreckt, so alher in die camer geant- wurt worden, zu zwaien maln nach ainander 80000 gl.?).

Ulm

Gleichergstalt hat ain e[rbarer] rat der statt Ulm in die camer anlehens weis, wie obsteet, an barem gelt geantwurt

30000 gl.?). Suma der dreier obgemelter stend anlehen, so in die camer gelifert worden, thut 160000 gl.

Hernachvolgende sondere personen haben gmeinen stenden der christenlichen verainigung gelt umb interesse dargelihen, namlich 10 per cento uf ain Jar lang, wie volgt:‘

Franz Schleicher von Nürnberg Er hat geliehen 5200 Gulden. Dafür erhielt er eine Verschreibung mit den Siegeln von Württemberg, Augsburg und Ulm über 5720 Gulden, weil „das interesse 1 jar lang darauf gschlagen‘‘ war, vom 1. August 1546.

„Hans Krafft, richter und des raths zu Ulm ...Hater...dargelihen 5000 gl. Geet dis zil an uf 7. Augusti a. etc. 46.

Mer hat er erlegt montags den 30. Augusti a. etc. 46 5700 gl.“ Er erhielt dafür 2 Verschreibungen, mit Siegeln von Württem- berg, Augsburg und Ulm, die letzte vom 1. September 1546. Sie lauten, unter Hinzurechnung der Zinsen für 1 Jahr, auf 5500 und 6270 Gulden.

Hans Furtenbach von Nürnberg

Er hat geliehen 20000 Gulden und erhält dafür Verschreibung von Württemberg, Augs- burg und Ulm vom 1. August 1546 über 22000 Gulden.

1) Vgl. dazu Abschnitt I, S. 49, Anm. 3 und die hessische Rechnung in Abschnitt V.

2) Das Nähere hierüber s. in Abschnitt IV a, S. 92, Anm. 4. °) Vgl. hierzu die Partikularrechnung im Abschnitt IV b.

Dietrich Laupin von Memmingen

Er hat geliehen 1100 Gulden und erhielt darüber eine Verschreibung der Kammerräte vom 13. August 1546 über 1210 Gulden.

Michel Hitzler von Nürnberg?)

Er läßt am 13. August 1546 erlegen 4200 Gulden und erhält darüber eine Verschreibung von Württemberg, Augsburg und Ulm über 4620 Gulden unter dem Datum des 1. August 1546.

„Sumarum obsteender sondern personen anlehens one das interesse thut 41200 gl.

Item es haben hienachgeschribne sonderbare stend und stött gmeinen stenden der christenlichen verainigung zwai jar lang one interesse dargelihen .. .?):

Wangen

Sampstags nach Bartholomei [August 28] a. etc. 46 hat ain rath der statt Wangen vermög ainer schlechten?) recogni- tion, in der herrn camerräth namen usgangen, das es inen in zwaien jarn widerumb soll bezalt werden, erlegen lassen

1000 gl.“ Leutkirch

Hat ebenso erlegen lassen 1500 Gulden und erhält dafür ein Bekenntnis im Namen der Kammerräte vom 29. August 1546%).

Giengen

Hat dargeliehen 3000 Gulden gegen Bekenntnis vom 26. September 1546.

Dinkelsbühl Hat geliehen 6000 Gulden gegen Bekenntnis vom 5. September 1546.

„Gmind?)

Die statt Gmind hat zu zwain malen nach ainander anlehens-

weis, wie obsteet, furgesetzt in suma 8000 gl.‘

1) Vgl. über ihn auch $S. 59, Anm. ].

2) Vgl. hierzu die Instruktion für die Geldaufnahmen der Kammer- räte vom 13. August 1546 in Nr. 269, Anm. 3; s. auch die Vorschläge der Stimmräte dazu in Nr. 257. Voranschläge für die von den einzelnen Ständen anzufordernden Summen liegen in Stuttgart a. a. O., Nr. 850. Sie beweisen, daß man den Erfolg der Geldaufnahme bedeutend über- schätzt hat. |

3) Dieses Wort ist dann wieder gestrichen.

4) Vgl. hierüber auch Nr. 860, Anm. 3.

5) Über diese Anleihe vgl. Nr. 507, Nachschrift sowie Wagner, Schwäbisch Gmünd 1546— 1548, S. 1 und 5 oben.

Schweinfurt Hat geliehen 1000 Gulden gegen Bekenntnis der Kammerräte vom 9. September 1546. Bopfingen Hat erlegen lassen 1000 Gulden gegen Verpflichtungsschein vom 9. September 1546. | Aalen Hat in 2 Malen erlegt 3000 Gulden gegen Bekenntnis vom 16. September 1546. Weißenburg am Nordgau

Hat vorgestreckt 2000 Gulden gegen Verschreibung vom 23. August 1546. Ä Wimpfen Hat geliehen 2000 Gulden

gegen Bekenntnis vom 25. September 1546. Stift Wiesensteig!) Hat geliehen 400 Gulden gegen Bekenntnis vom 27. September 1546. Frauenkloster Gotteszell

Hat dargestreckt 100 Gulden?) gegen Verschreibung vom 9. Oktober 1546. Gengenbach Hat geliehen 1000 Gulden

gegen Verpflichtungsschein vom®) September 1546. „Sumarum hieobgeschribens etlicher sondern stend und stött anlehens uf zwai jar lang one interesse thut 30900 gl.

Volgt hernach, was von etlichen apten und clöstern fur bar gelt und silbergschirr uf die raitcamer geantwurtet worden‘).

1) Bei Geislingen in Württemberg.

2) Vgl. hierüber Nr. 890, Anm. 8. Über das Kloster s. auch Wagner, a.a.0. 8. 11—12 und Anm. 48. Es muß sich aber um 1000 Gulden handeln; sonst stimmt die weiter unten im Text angegebene Gesamt- summe von 30900 Gulden nicht.

®) Der Tag ist in der Hs. nicht ausgefüllt; es war wahrscheinlich der 27. September 1546; die Zahlung ging über Straßburg; vgl. Nr. 381.

%) Zur Tätigkeit der vier sog. Klosterkommissarien vgl. Nr. 257, Anm. 4, 269, Anm. 3, Schluß und 318, Anm. 16. Wieviel man sich von dieser Schätzung erhofft hatte, geht aus dem Bericht hervor, den zwei der Kommissarien, Georg Österreicher und Martin Weick- mann, darüber dem Kurfürsten und Landgrafen Anfang August 1546 erstatteten (in Stuttgart a. a. O., 28, Nr. 111; s. dazu auch Nr. 267,

64

Wiblingen Der apt zu Wiblingen ist geschetzt worden umb 4000 gl.; die hat er erlegt, wie hernach volgt: Item an barem gelt zu

zwaien malen nach ainander 2760 gl. Item an verguldtem und unverguldtem silbergeschirr 124 mark, das mark umb 10 fi., thut 1240 Al.

Nota: von diesem und anderm silbergschirr meer, wie es damit gschaffen und wo es hinkomen, wiert zu end dieser rechnung weiterer bericht bschehen!).

Höckbach Die closterfrauen zu Höckbach haben an irn bewilligten 600 fl. schatzgelt zwaimal nach ainander alher in die camer

lifern lassen 400 gl. Gutenzell Das closter Gutenzell hat an barem gelt an irn bewilligten 500 fl. zu der camer geantwurt 200 gl. Weingarten

Ein e[rbarer] rath der statt Ravenspurg hat von wegen des closters Weingarten an irem uferlegten schatzgelt alher zu der camer antwurten lassen uf sampstags den 6. Novembris a. 46 an barem gelt 1200 gl.

Item mer an verguldtem silbergeschirr 63 mark 13 lott. Und dann an weißem unverguldtem silber 34 mark 2 lott.

Lebental Lebental das frauencloster hat dutch ain e[rbarn] rath der statt Ravenspurg auch an irer schatzung an barem gelt zu der camer antwurten lassen 150 gl.

Buxa Von wegen des closters Buxa ist in die camer alher geant- wurt worden an irem uferlegten schatzgelt, namlich an ver- guldtem allerlai silbergschirr 34 mark 13 lott.

Anm. 4. Die Lage der oben im Text genannten Klöster ist bei Kirch, a. a. O., S. 59 nachgewiesen; das Frauenkloster Löwenthal lag ver- mutlich im heutigen württembergischen Oberamt Tettnang.

1) Diese „‚nota‘‘ ist nachgetragen. Der darin angezogene Bericht am Ende der Kammerräterechnung lautet folgendermaßen: „Note: was dann uber hieobgeschribne verenderung des angezognen silber- gschirrs, so allenthalben von clöstern und herrn Bastin Besserern etc. zu der camer geantwurt worden, belangt und desselben noch vorhanden gwest, das haben die herrn camerräth in ain eisine truchen mit dreuen schlossen verwart gelegt und hinder ain e[rbarn] rath der statt Ulm ligen lassen. wo dasselbig hinkomen und wie es damit gstalt [ist], darumb werden sie von Ulr: gute anzaig zu thun wissen.“

65

Und dann an weißem unverguldtem silber 45 mark 10 lot

2 quintlin. Ain mark in das ander umb 10 fl. angeschlagen mach zusamen 805 fl.

Tillingen

Zinstags den 7. Decembrisa. etc. 46 hat her Sebastion Besserer, pfenningmeister etc., in die camer geantwurt an allerlai altem silbergschirr, so zu Tillingen funden worden etc., 26 mark 8 lot.

Sumarum des baren gelts, so obsteende clöster in die camer geantwurt, thut 4710 gl.“

„Gmaine einam“

Es handelt sich hier um die Rückzahlung von Resten aus Be- trägen, die zur Verrechnung auf Soldzahlungen und dgl. von den Kammerräten hingegeben worden waren, außerfolgenden Posten:

„Item empfangen aus der truchen, so der adel zu Weißen- horn etc. steen gehapt und darein sie irn gemeinen pfening gesamelt, 8311 gl.!).“

Ferner die am 12. Oktober 1546 über Straßburg erfolgte Zahlung von 4000 Gulden durch den Pfalzgrafen Wolfgang von Zweibrücken?).

„Item aus verkauftem silbergeschirr erlöst 457 gl.

Sumarum gmeiner einam 13567 gl. 38 kr.

Suma sumarum aller und jeder hievorgeschribner der herrn camerräth einnemen des baren gelts thut: 11221% gl. 31 kr. 41/, heller.

Ausgab Dem sächsischen pfeningmeister:

Item der sächsisch pfeningmeister Heinrich Minch®) hat empfangen ... von den 163700 gl., so die herrn cammerräth uf zinstag den 24. Augusti a. etc. 46 ins leger geschickt,

38458 gl. 45 kr. Mer hat er empfangen, alles vermög gegebner bekanntnus [vom 12. Oktober 46], 33000 gl.

Item mer hat er eingenomen von dem tuch und baren gelt, so uf suntag den 7. Novembris a. etc. 46 von den hern camer- räthen ins leger verordnet worden‘), 44428 gl. 34 kr.

Weiter so hat er... eingenomen 48000 gl.®).

1) Vgl. hierüber Nr. 224.

8) Der Wortlaut ist bereits in Nr. 370, Anm. 4 abgedruckt. s) Heinrich Mönch, Hofmarschall und Rentmeister des Kurfürsten

Johann Friedrich von Sachsen. &) 8. darüber Nr. 431, Anm. 3. Über die Buchung dieser Summe

in der hessischen Kriegsrechnung vgl. Abschnitt V. %) In der kursächsischen Rechnung ist dieser Posten unter dem

20. November verbucht; vgl. Abschnitt VI. Archiv für Beformationsgeschichte. XXXI. 1/2. 5

Item so würdet ime auch zugeschriben, so der herr von Konritz,..... des chuff[ursten] zu Sachsen etc. kuchinschreiber!), alhie darmit einzukaufen fürgstreckt und ime us der cassa widerumb bezalt worden und welches gelt er, der kuchin- schreiber, den hern pfenningmeistern geben haben sollt,

93 gl. 26 kr.

Sumarum, was obgemelter sächsischer pfenningmeister von der herrn camerräth wegen empfangen ..., thut:

163980 gl. 45 kr. Dem hessischen camermeister:

Item es hat... . des landgraven zu Hessen etc. camermeister, Wolf Heßberg genannt, inhalt gegebner quitung etc. emp- fangen, so die herrn camerräth uf... des landgraven begern ins leger verordnet, 30000 gl.

Item so hat der camermeister Jost von Weiters laut seiner quitung von der herrn camerrath wegen empfangen

38453 gl. 45 kr.?).

Item mer hat er, Jost von Weiters, eingezogen von den 83000 fl., so die herrn camerräth uf den 12. Octobrfis] a. etc. 46. ins leger gschickt, 33000 gl.

Weiter hat er empfangen vom tuch und baren gelt, so ins leger gsandt worden uf suntag den 7. Novembris?),

33918 gl. 34 kr.

Item mer [hat] er, Jost von Weiters, eingenomen von den 68000 fl., so die herrn camerräth uf freitag den 19. Novembris a. etc. 46 ins leger verordnet, 10000 gl.

Meer hat er, Jost von Weiters, eingenomen, so die statt Gingenbach) disen stenden zwai jar lang one irnveresse dar- gelihen .. ., 1000 gl.

Item meer wirt ime zugeschriben, so die herrn camerräth.

etc. herrn Johann Meckbachen, gwesnem mitcamerrath, zu

wegvertigung etlichs weins und anders, so... dem land-

gr{aven] gekauft worden etc., laut quitung uberantwurt: 1739 gl. 48 kr.

Item weiter so haben die herrn camerräth.... des land- gr[aven] alhie gehapten räthen und gsandten®)... uf zerung dargelihen 300 gl.

1) Es ist nicht ersichtlich, ob er mit dem kursächsischen Kammerrat Erasmus von Könritz (Könneritz) gleichzusetzen ist.

?) Aus der hessischen Rechnung (Abschnitt V) ergibt sich als Zehlung für die 1. Summe der 19., für die 2. Summe der 30. August 1546.

3) Vgl. S. 65 Anm. 4.

*) Vgl. S. 63 Anm. 3,

®) Tilemann Günderrode ınd Sebastian Aitinger.

67

Item so hat er, Jost von Weiters, wechselsweis eingenomen von herrn Ulman Becklin, straßburgischem kriegsrath, so die herrn camerräth alhie widerumb bezalt [haben]!), 308 gl.

Sumarum, was der hessisch camermeister von den herrn camerräthen fur gelt eingenomen und inen sunst zugeschriben worden, thut: 148725 gl. 7 kr.

Ausgab Sachsen und Hessen pfening- und camermeister'‘ samptlichen: . Erstlich von den 80000 fl., so uf zinstag den 5. Octobris a. etc. 46 bei Hansen Fingerlin ins leger geschickt worden, haben sie empfangen... 40000 gl. Item meer haben sie samptlich mit ainander empfangen von Hansen Fingerlin von den hundert tausent gl., so die herrn camerräth uf SOTMBE den 16. September a. etc. 46 ins leger gfuert, 80000 gl. Sumarum, was die sächsischen und hessischen pfening- und camermeister samptlich mit ainander fur gelt empfangen: 120000 gl. Suma sumarum, was Sachsen und Hessen pfening- und camermeister samptlich und sonderlich empfangen und welchs die herrn camerräth, wie obsteet, mit barem gelt bezalt haben, thut: 432705 gl. 52 kr.

Den oberlendischen pfeningmeistern: Zinstags den 20. Julii a. ete. 46 den oberlendischen pfening- meistern Balthasarn von Gültlingen und Sebastian Bessern

ete. laut irer quitung etc. uberantwurt 20000 gl. Item mer mitwochs den 21. dito inen uberantwurt... 20000 gl. Item den 27. Julii a. ete. 46 inen abermaln ins leger..... zu- gsandt 70000 gl. Item meer haben sie empfangen 33000 gl. Weiter ist inen bei Hansen Fingerlin ins leger zugschickt worden zinstags den 24. Augusti... 86782 gl. 30 kr. Mer ist inen zinstag den letsten Augusti a. etc. 46 bei Michel Reicharten ... gelifert 100000 gl.

Item sie haben weiter empfangen in namen der herrn camer- räth von aim c[rbarn] rath der statt Augspurg an irn 18 dopel- monaten laut ircs sondern schreibens 32954 gl.

Item mer haben si empfangen von Hansen Fingerlin.... a di 16. Sept[embris] 20000 gl.

Mer haben sie von Hansen Fingerlin eingenomen ...adi 5. Octobrlis] 40000 gl.

_

!) Zur Besoldung Ulman Böcklins vgl. Abschnitt I, S. 52, Anm. I sowie die hessische Kriegsrechnung (Abschnitt V). 5%

Item inen abermaln ins leger gschickt uf den 2 ge a. eto. 46 Item mer so ist inen von den 83000 fl., so die ee a räth den 12. Octobrfis] a. etc. 46 ins leger verordnet [haben], laut gegebner bekanntnus zugestanden 17000 gl. Meer haben sie an tuch und barem gelt von Hansen Fingerlin empfangen, welches uf suntag den 7. Novembris a. etc. 46 ins leger gschickt worden... .!) 20529 gl. 30 kr. Item meer haben sie empfangen, so inen zinstags, den 9. Novembris a. etc. 46, zugevertigt worden... 24000 gl. Item meer haben sie von der herrn cammerräth wegen laut aines sondern schreibens empfangen 668 gl. Weiter haben sie eingezogen von... marggraf Bernharten von Baden etc., so ime...herzog Ulrich... furgestreckt und an seiner fl. G. dopelmonaten abgezogen, 800 gl. Item inen weiter an barem gelt uberantwurt.... .. 1000 gl. Mer inen zugstelt... . suntags, den 5. Decembris a. etc. 46, %00 gl. Sumarum, wfa]z die oberlendischen pfenningmeister in namen der hern camerräth fur par gelt empfangen, thut: 569634 gl.

Ausgab oberlendischen pfenningmeistern an wechsel: Hernach volgt, was die herrn pfennigmeister fur wechsel-

gelt ufgenomen und inhalt irer sonderbaren bekanntnussen von den herrn camerräthen alhie widerumb bezalt worden

[ist].“ Darunter sind die Posten: „Wolfgang Becklin wechsel bezalt 92 gl. Jörgen Kugelbachen von Straßburg?) 61 gl. 40 kr. Herrn Ulman Bocklin von Straßb[urg] 37 gl.

Sumarum aller hie obstender wechsel, so die oberlendischen pfennigmeister ufgenommen und die herrn camerräth alhie wıderumb bezalt haben, thut: 36353 fl. 9 kr. 3 h.

Hernach volgt, was die herrn camerräth uf das kriegsvolk, welches ain zeitlang zu Memingen, Kempten, Fueßen und doselbst umb im Algeu, in gmeiner stend costen gelegen, us- geben [haben]; desgleichen was uf etlicher hauptleut bsol- dungen, vereerungen und abzüg, auch die reuter, so ain weil her zu vergleitung der prophiand etc. hieher verordnet gwesen, geloffen und gangen ist“:

1) Vgl. S. 65 Anm. 4. ?) In Nr. 231, Anm. 1 heißt er „Barthlome Kügelbach‘“.

69

Die Zahlungen beginnen mit folgender Eintragung: „Erstlich ausgeben mitwochs, den 11. Augusti a. etc. 46, so Hans Fingerlin etc. vermög seiner rechnung uf das ober- lendisch kriegsvolk etc. usgeben 14739 gl. ... Den 8. Octobris a. etc. 46 her Martin Weickman zu- gestelt, so er zu bezalung des oberlendischen kriegsvolks im Algeu etc. vermög seiner rechnung ausgewendt 5000 gl. Item zu bezalung der funf!) fendlen Schweitzer, welche volgends alher [d. h. nach Ulm] in die besatzung komen, durch Christoff Giengern inhaltseinerrechnungmit Busgeben 3000gl. ... Nachvolgenden Schweitzer hauptleuten ist durch die herren camerräth uf ire fendlen knecht bezalt worden mit- wochs und donderstags, den 20. und 21. Octobris a. etc. 46,.. .“: Es werden 8 Schweizer Fähnlein und 3 deutsche Landsknechts- fähnlein aufgezählt, die Mitte Oktober nach Ulm in Garnison verlegt wurden?); unter den letzteren befand sich auch das Fähnlein des Straßburger Komturs Sigmund von Eptingen?). Die 8 Schweizer Fähnlein erhielten bei einer Stärke von 2805 Mann für einen Monatssold zusammen 17 100 Gulden 40 Kreuzer; am 4. November wurden 5 beurlaubt unJ erhielten für den Abzug 500 Sonnenkronen zu 23 Batzen (766 Gulden 40 Kreuzer); der Rest wurde am 15. November mit 303 Gulden 20 Kreuzer Abzugsgeld beurlaubt. Die 3 deutschen Landsknechtsfähnlein (1260 Mann stark) blieben 2 Monate (bis Mitte Dezember) zu Ulm in Garnison und wurden dann entlassen. Sie erhielten für diese Zeit an Sold 14570 Gulden 50 Kreuzer. Zuden vorgenannten Zahlungen gehören noch folgende Posten: „„. « » Christoff Giengern geben, so er vermög seiner uber- gebnen rechnung mit B uber die hievor empfangnen 3000 fl. uf die Schweitzer, welche volgends alher in die bsatzung komen, zu Wiblingen usgewendet, 165 gl. 4 kr. Item mer bezalt Christoffen Giengern, so er uf empfangnen bevelch inhalt seiner rechnung mit C alhie zu Ulm uf das kriegs- volk usgeben, 445 gl. 8 kr.“ Verbucht werdenaußerdem Zahlungen füreinen Monatssold an 2 Schweizer Fähnlein *), deren Monat am 19. bzw. am 23. August begann, in Höhe von insgesamt 3440 Gulden, für ein deutsches Fähnlein vom 28. August ab mit 1695 Gulden. Besgleichen sind

ı) Es handelt sich aber um acht Schweizer Fähnlein, wie die im Text folgenden Ausführungen ergeben.

2) Vgl. darüber Nr. 414, Anm. 1 (8. 438).

®) Er gehörte zuerst zum hessischen Regiment Reckenroths; vgl. Anm. 2 sowie die hessische Kriegsrechnung (Abschnitt V).

*) Vgl. über sie auch die Rechnung der Pfennigmeister (Abschnitt III, S. 87, Anm. 3).

70

anderthalb Monate Sold für ein deutsches Fähnlein mit 3615 Gul- den eingestellt, das zu Dillingen in Besatzung lag. An 3 Fähn- lein, welche den vier Klosterkommissaren vorübergehend zur Verfügung gestellt wurden!), wurden ‚zu erfollung irer andern monatsbezalungen‘‘ insgesamt 2041 Gulden bezahlt. Zwei dieesr Fähnlein unterstanden Philipp Knobloch und Erhard Frosch, welche Straßburg für Ulm angeworben hatte?).

Die übrigen Buchungen beziehen sich auf Abschlagszahlungen an einzelne Hauptleute, auf Verehrungen sowie die Kosten der Vergleitung von Proviant- und anderen Zügen.

„Sumarum, was auf das hieobstend kriegsvolk und die profiandreuter durch die herrn camerräth usgeben worden, thutt 71061 gl. 41 kı.“

„Ausgab auf die alhie angenomnen und gemusterten wagen- pferd.“

Es sind Zahlungen verbucht für die Zeit vom 25. Juli bis zum 18. November 1546.

„Sumarum, was auf obermelte furleut und wagenpferd aus- geben worden, thut: 11018 gl. 12 kr.“

„Ausgab auf der alhie gwesenen hern räth?) und gsandten bevelch :““

Wartgeld von einem halben Monat für drei genannte Haupt- leute 95 Gulden. „Sampstags den 7. Augusti a. etc. 46 uf schriftlichen gehais ... herzog Ulrichs...... seiner fl. G. obervogt zu Sultz, Hansen Hertern von Hertneck, uf den ritt gen Baden) zu zerung geben 50 taler; hat aber vermög seiner rechnung... . verzert, so ime die hern camerräth bezalt [haben], 70 gl. 9 kr. Montags den 9. Angusti a. etc. 46 bezalt inhalt ains under- schribnen zedtels vom hern von Haydeck und kriegräthen in die canzlei alhie zu Ulm fur ir gehapte mueh und arbait, so sie domoln anfang des kriegs gehapt, 115 gl. Item vermög ains underschribnen der stend bevelchs be- zalt Hansen Varnier, dem buchtrucker, fur etliche exemplaria, so er gmeinen stenden etc. getruckt®), 10 gl. ... Item abermoln auf bevelch etc. Hansen Varnier, dem buchtrucker, fur etliche exemplaria etc... . bezalt®) 34 gl. 2 kr. 1h.

ı) Vgl. S. 63, Anm. 4 sowie Nr. 318, Anm. 16 (S. 335).

3) S. dazu Nr. 245. 2) D. h. Stimmräte.

4) Vgl. hierzu Nr. 250, Anm. 3 und 280.

$) Es wird sich um die in Nr. 230, 318, Anm. 13, 319, Anm. 3 und 4, 336, Anm. 6, 360, Anm. 5 und 392, Anm. 3 erwähnten Druckschriften

hande!n.

71

... Abermaln uf underschribnen bevelch etc. ... herrn Ulman Becklin bezalt, so er uf zwaien riten gen Augspurg verzert, auch fur sein bsoldung!) 249 gl. 18 kr.

Item auch uf bevelch... dem rentmeister von Neuburg bezalt, so er uf kuntschaft usgewendt 48 gl. 40 kr.

Item vor abraisen der herrn räth und gsandten etc. uf im bevelch.... widermaln in die canzlei alhie von wegen irer vilgehapten mueh und arbait, so sie in gmeiner stend sachen gehapt, vereert 124 gl. 40 kr.

Mer vermög angeregts der stend bevelchs usgeben, so dem ainungschreiber, desgleichen Martin Kurtzen und dem funfer- knecht [von Ulm] zu vereerungen verordnet worden etc.,

34 gl.“

Außerdem sind noch einige Beträge für Botenlohn vermerkt.

„Sumarum, was uf der hern räth und gsandten bevelch usgeben worden, thutt 871 gl. 12 kr. Ih.

Ausgab, was uber die zwen abgevertigten zu Lyon, auch sunst uf die posten, so hin und wider zu inen geritten, gangen ist:

Erstlich hat Veit Schäler, so anfangs uf der post mit briefen zum herrn Cleberger, so seiderher tods abgangen, geritten in sachen gelt ufzupringen belangend, verzertt 24gl 48 kr.®)

Item Jörgen Weickman, als aim gsanten, uf zerung gen Lion obbemelter sachen?) geben 60 sonencronen zu 93 kr., thut 93 gl.*).

Adi den 10. Septembfris] a. etc. 46 von etlichen’ briefen, so gemelter Jorg Weickman von Lion gen Costantz gschickt®), aim boten von Costantz geben 1 fl. 16 kr.

Weiter so hat Veit Scheler zum andern mal, als er uf der post hinein gen Lion versandt worden®), verzert 45 gl.

1) Es scheint eine Verwechslung mit Wolff Böcklin, dem Straß- burger Stimmrat, vorzuliegen. Die Gesandtschaftsreise nach Augs- burg fand Mitte September 1546 statt; vgl. Nr. 362, Anm. 7. Von einer zweiten Gesandtechaftereise Wolff Böcklins nach Augsburg ist nichts bekannt, wahrscheinlich liegt eine Verwechslung mit seiner Reise nach Nürnberg Anfang August 1546 vor; vgl. darüber Nr. 264 und 310. Über Wolff Böcklins Besoldung vgl. Nr. 167, 427 und 446 sowie Abschnitt III, S. 80, Anm. 2.

3) Vgl. Nr. 283, Anm. 2.

3) Vgl. Nr. 297, Anm. 1 und 341, Anm. 1.

4) Am Rande steht: „Nota: hat 600 gl. von deren von Lindau gelt zu Nürnberg auch empfangen‘; vgl. dazu S. 59, Anm. 1.

5) S. Nr. 343, Anm. 12.

°) Vgl. a. a. O.

72

Item den herin Peter Strozı, welcher von obsteender sach wegen alhie uber nacht gelegen und volgends in Frankreich postiert [hat]?), us der herberg gelöst, fur ine bezalt 3 gl. 40 kr.

Item meer bezalt ainem boten, so brief von ime, Weickman, an die hern camerräth von Basel aus zu roß hierher gefuert, geben 11 gl. 20 kr.®).

Mer bezahlt ainem boten von Bern, so auch brief heraus von ime, Weickman, gebracht, fur sein botenlon und stilligen

4 gl. 30 kr.®).

Adi den 5. Novembfris] abermaln aim boten, so one das gen Lion reiten wöllen, von briefen dohin zu fuern fur trink- gelt zugstelt 20 kr.t).

Meer ausgeben aim boten von Sant Gallen, so gen Lion geriten und etlicher brief halben alhie ufgehalten worden, vereert 12 kr.5).

Item den 22. Novembfris] a. etc. 46 herrn Michel Hanen bezalt inhalt seiner ubergebnen verzaichnus...., so er von wegen des herrn Strozi fur ain roß und so seine diener alhie

verzert [haben], usgeben, 27 gl. 24 kr.®). Item usgeben fur ain roß, darauf Veit Scheler zum Weick- man und Meuting gen Lion postiert, 15 gl.?).

Item bezalt aim e[rbarn] rath der statt Straßburg vermög irer eingebrachten rechnung, welche bei andern der stend raitungen zu befinden [ist] etc., so sie auf die post: und pot- schaften, welche gen Lion von inen in gmeiner stend sachen verschickt worden, laut derselben rechnungetc., 703 gl. 23 kr.®).

Veiten Schelen abermaln uf zerung gen Lyon zum Weick- man geben 40 gl. 15 kr.®).

Item so ist Bernharten Meuting, welcher dem Weickman zugeordnet!°), uf zerung geben worden 106 gl. 10 kr.

Sumarum, was auf die posten und zerungen in obgemelter sachen gen Lyon gewendet und durch die herrn camerräth bezalt worden, thutt: 1076 gl. 18 kr.

1) Zu dieser Reise Peter Strozzis, vgl. Nr. 344, Anm. 2, 350, 374, Anm. 2, Schluß, 378, 386, 394, Anm. 1 und 444, Anfang.

2) Vgl. Nr. 34], Anm. 3 und 374, Anm. 1 und 2.

3) Vgl. Nr. 408, Anm. 1 und 454, Anm. 4.

*) Vgl. Nr. 436, Anm. 2. 5) Vgl. Nr. 459, Anm. 4.

°) Vgl. hierüber Nr. 421, 3. Zettel.

”) Vgl. Nr. 408, Anm. 1.

®) Vgl. hierüber die Nachweisungen im Register von Pol. Korr. IV,

?) Vgl. Nr. 459, Anm. 4. 10) Auf den brieflichen Vorschlag Georg Weickmanns vom 18. Sep- tember 1546; vgl. Nr. 374, Anm. 2.

73

Ausgab, was die herrn camerräth die zeit, sie alhie gelegen, verzert haben:

Erstlich dem herrn von Konritz und Johann Meckbachen, sächsischen und hessischen camerräthen, bezalt, so sie in irer herberg vom 10. tag Augusti an bis uf 7. Septemb{ris] mit 7 pferden und irn dienern verzert: 141 gl. 35 kr.

Item so hat her doctor Cunrat Heel vom 19. Julii bis uf 12. Augusti in seiner herberg verzert, so ime bezalt [worden ist]: 54 gl. 47 kr.

Item weiter bezalt ime, doctor Cunraden Heelen, so er sampt zwaien pferden abermaln in seiner herberg verzert, namlich in 24 tagen, uf ain pferd des tags 10 batzen, thut

32 gl.

Und seind obgemelte 3 herrn irer zerung bezalt bis uf 9. Sep- tembfris).

Item mer bezalt hern Balthasarn Mosern, so er auch in seiner herberg vom 10. tag Julii an bis uf den 4. Septembf[ris] a. etc. 46 mit zwaien rossen, uf jedes 1 tag 10 batzen, ver- zert hat, 86 gl. 28 kr.

Darunder hat er auch etliche göst gehapt.

Suntags den 10. Octob[ris] a. etc. 46 dem hern von Könritz und Meckbach widerumb bezalt, so sie vom 7. Septemb[ris] an bis uf den 5. Octobfris], das ist 28 tag, sampt irn 7 pferden verzert, uf ain pferd des tags 10 batzen,... 142gl. 52 kr.

A di dito dem herrn Moser geben, so er auch vom 4. Sep- temb[ris] an bis uf 9. Octob[ris] in seinr herberg sampt seinen zwaien pferden verzert, des tags uf 1 pferd 10 batzen, thut:

46 gl. 40 kr.

Item herrn doctor Cunrad Heelen fur 31 tag, namlich vom 9. Septemb[ris] exclusive an bis uf den 10. Octobfris] inclu- sive, 80 er sampt seinen zwaien pferden in der herberg ver- zert, uf ains des tags 10 batzen, thut 41 gl. 20 kr.

Item abermaln bezalt dem herrn Moser vom 10. Octob[ris] inclusive an bis uf 7. Novembfris] exclusive 37 gl. 20 kr.“

Für dieselbe Zeit an Dr. Hel bezahlt 37 gl. 20 kr.

„Freitags den 12. Novembf[ris] a. etc. 46 herrn Michael Hanen bezalt, als er erstlich uf empfangnen bevelch in ufpringung gelts ete. 37 tag hin und wider mit 4 pferden geriten!), und dann das er alhie zu Ulm gelegen, namlich 86 tag mit 5 pferden, uf ain pferd des tags, wie hievor steet, 10 batzen, thut alles zusammen: 385 gl. 20 kr.

Ist also zalt bis uf den 7. Novembfris).

1) Vgl. hierüber die Instruktion für Han in Nr. 269, Anm. 3 und 271 sowie seinen Bericht in Nr. 318.

74

Weiter bezalt, so der herr Könritz und Meckbach seider der nähern bezalung bis uf 24. Novemb[ris] mit 7 pferden abermaln verzert [haben]: 262 gl. 26 kr.

Desgleichen weiter bezalt, so herr Michel Han von der nech- sten abzalung an bis uf sein abraisen!) in der herberg weiter verzert [hat]: 84 gl. 40 kr.

Item dem herrn Moser vor seinem abraisen abermaln be- zalt, welchs er in der herberg seider der nehern bezalung?) mit zwaien pferden verzert, 56 gl. 40 kr.

Ist bezalt bis uf 11. Decembf{ris] und darmit abgeriten.

Und dann so ist hern doctor Cunrad Heelen auch weiter bezalt worden, wie dem herrn Moser hieobvermelt etc., fur zerung 56 gl. 40 kr.

Sumarum der herrn camerräth etc. thutt 1466 gl. 8 kr.

Ausgab in gemein.

... Adi den 30. Julii a. etc. 46 herrn Martin Frechten li- centiaten etc., so gen Tillingen gschickt worden, doselbst zu prediciern etc., uf zerung geben | 34 gl.®).

... Adi dito [d. h. August 2] herrn Michael Hanen bezalt, so er und Martin Weickman, als sie das gelt zu Weißenhorn erhöpt [haben]*), usgeben und verzert laut seinr rechnung .. .,

| 33 gl. 16 kr.

... Adi den 13. Augusti den verordneten hern, so in die clöster herumb zu reiten verordnet worden, uf zerung und rechnung geben 400 gl.5).

... Donderstags den 26. Augusti a. etc. 46 bezalt doctor Cunrat Helen, so er dreien boten nach ainander eilends gen Augspurg zu reiten und zu laufen gegeben in sachen, als zwai fendlen knecht von dannen eilends gen Gopingen gefordert worden, 3 gl. 52 kr.®).

Item so hat er, herr doctor Cunrad Heel, und Eiteleberhard B:sserer, als sie von...Sachsen und Hessen ins leger ge- fordert worden, verzert | 15 gl. 50 kr.

Item Cunrad Aitinger, alter statschreiber alhie, hat ver- zert, als er zu etlichen sondern stenden und stötten umb an- lehen verschickt worden ...?), 33 gl. 56 kr. 2 h.

1) Am 24. November; Nr. 470, Anm. ]l.,

2) Es folgt gestrichen: „uf 35 tag“.

®) Vgl. hierzu Rommel, D. Reichsstadt Ulm, S. 33.

%) Vgl. darüber Nr. 224.

s) Vgl. S. 63 Anm. 4.

*) Vgl. hierüber Rommel a. a. O. S. 41.

7) Vgl. S. 62 Anm. 2.

T6

Item so ist ime vereert worden fur sein gehapte mueh etc. 22 gl. 40 kr. Item so hat doctor Christoff Röser verzert... ., als er auch obgehörter gstalt umb anlehen usgschickt worden, 40 gl. Und dann seind ime fur sein mueh und arbait vereert 20 gl. ... Item herr doctor Cunrad Heel hat verzert, als er von den andern herrn mitverordneten cammerräthen ins leger (etlicher sondern sachen halben) gschiekt worden, 25 gl. 56 kr. ...Item als...die camerräth zu denen von der riter- schaft und dem adel gen Weißenhorn geriten uf montag, den 13. Septembfris] a. etc. 461), haben sie verzert: 3 gl. 10 kr. ... Item es hat der herr von Könritz verzert, als er zu den chur- und fursten ins leger geriten, 18 gl. 12 kr. ... Item die zwen verordneten, so die underthonen der marggrafschaft Burgau in huldigung genomen?), haben ver- zert 2 gl. 24 kr. Item von den 20000 gl., so von Furtenbach zu Nüernberg disen stenden gelihen worden, gen Wörd zu lifern fur furlon, zerung und den reutern, so es vergleit [haben], usgeben 23 gl. 46 kr. 1h. Item ausgeben hern Martin Weickman, als er zu aim com- missarien ins Allgeu zum kriegsvolk daselbst verordnet wor- den?), uf rechnung 200 gl. ... Adı den 13. Octobf[ris] a. etc. 46 der hern von Straß- burg dienern, so das gelt irer driten dopelmonat hieher begleit [haben]*), zu verehrung geben 15 gl. 52 kr. ... Item ainem predicanten, maister Lienharten von Über- chingen, welcher etw[a]z bei ailf wochen zu Tillingen gelegen und doselbst gepredigt, vereert 12 taler; und dann dem reisigen knecht, so solliche zeit uf herrn Martin Frechten und ine ge- wartet, geben 8 fl., tut zusamen 21 gl. 36 kr. ... Item bezalt hern doctor Claudio Pio Peutinger uber die 140 sonnencronen, so er von hern Martin Weickman emp- fangen, inhalt seiner rechnung ... ., weiter bezalt 5 gl. 16 kr. Herrn Martin Frechten, licentiaten und predicanten alhie, fur sein gehapte muelı und vleiß, als er us beveich gmeiner stend zu ainem predicanten ain zeitlang gen Tillingen verord- net worden, verehrt 22 gl. 40 kr.“ Es sind außerdem eine Reihe von Beträgen vermerkt, hauptsächlich für Botenlohn und Geldtransporte.

1) Zu Verhandlungen über Anleihen; vgl. auch S. 62, Anm. 2.

2) Vgl. hierzu Nr. 318, Anm. 4.

®) Als sog. Klosterkommissar; vgl. S. 63, Anm. 4.

*) Es ist die vierte Geldsendung Straßburgs; vgl. Abschnitt I, S. 50, Anm. 5 und Nr. 398, Anm. 3.

16

„Hernach volgt, was... die camerräth den nachbemelten personen [vereert], welche sie in irer verwaltung und gmeiner stend sachen vil und oft hin und wider gebraucht etc.:

Erstlich Christoffen Giengern etc., welcher sich, wie obsteet, zu mermaln als ain pfennigmeister zu bezalung der knecht im Algeut), alhie und anderstwo gebrauchen lassen, vereert ain zwifach vergült silbergschirr, wigt 4 mark 41/, lot, an- gschlagen umb 43 gl.

Item Hansen Fingerlin, welcher auch, wie obsteet, oftmals mit dem gelt ins leger hin und wider verschickt und sunst mit einzelung des gelts jedesmals vil mue und arbait gehapt, vereert ain hohen silbern becher von 4 marken und 11 loten, angschlagen fur 40 gl.

Item so ist auch Michel Reicharten, welcher gleichfalls wie er, Fingerlin, gepraucht [worden], ain sollicher becher gleicher größin und schwerin vereert worden, thut 40 gl.

Item Hansen Maiern, dem underkouffel, der auch etliche mal gelts halben gebraucht worden, geben 8 gl.

Item dem weiblin, so die zeit, als die herrn camerräth zu Ulm gelegen, uf die camer gewart, 20 gl.

Item Michel Hitzlern zu Nüernberg, so vil mueh mit hin- und widerverschickung des gelts etc. gehapt?), vereert 30 gl.

Item den dreien camerknechten 9 gl.

Item Lienharten Braitingern 30 gl.

Hauptman Micheln von Nellingen, welcher in musterung der wagenpferd, so alhie angenomen worden; vil muehgehapt 10gl.

... Item dem predicanten, maister Lienharten von Über- chingen, weiter verert von wegen, das er so lang zu Tillingen gelegen und gepredigt, 4 gl. 32 kr.“

Ferner sind noch eine Reihe von Beträgen für ‚„‚Verehrungen“ an geringeres Hülfspersonal vermerkt.

„Sumarum gmeiner ausgab thutt 1757 gl. 28 kr. 2 h.

Suma sumarum aller und jeder hievorgeschribnen parti- cular ausgaben inhalt und vermög dises registers, auch ge- gebner quitungen und belech etc., thund zusamen:

1125944 gl. 6 heller.

So nun einam gegen der ausgab verglichen und ufgehaben [wirt], befindet sich, das mehr usgeben dann eingenomen

3753 gl. 29 kr. 1!/, heller.

Nach beschlußdiser rechnunghaben dieherrncamerräth weiter ausgeben, so sie fur sich selbs In die canzlei alhie von wegen irer mueh und arbeit, so sie in irn gscheften gehapt, verehrt, 50 gl.

I) Gemeint sind die drei Fähnlein der Klosterkommisarien; vgl. S. 63, Anm. 4 und S. 70, 1. 2) Vgl. S. 59, Anm. 1.

77

Mer dem schreiber, so inen die zeit irer verwaltung mit schreiben gedient, vereert 30 goldgl., thut mintz 36 gl.

Also bleipt endlich das rest, so weiter ausgeben dann ein- genomen: 3839 gl. 29 kr. 11/, heller!).“

III. Rechnung der Pfennigmeister.

Stuttgart, Arch., Büschel 108%). Reinschr. mit der Aufschrift: „Rechnungsbuch a. etc. 1546. unserer, Baltasar von Gült- lingen und Sebastian Bösserers, rechnung auf das oberlendisch kriegsvolk. a. etc. 46. Dfavid] Hfoffherr] scripsit?).‘“

„Einnemen.

Was wir von herren camerräthen fur bargelt empfangen und sie uns in das leger zugeschickt haben: Erstlich so ist uns alhie zu Ulm uf zinstag, den 20. Julii,

a. etc. 46 an barem gelt zugestelt worden 20000 fl. Item mer uf 21. dito uns uberantwurt 20000 fi. Mitwochs den 27. dito uns abermalen in das leger durch

Hansen Fingerlin geantwurt 70000 Al. Item den 2. Augusti uns wider zugeschickt bi Michel

Reicharten 33000 fl.

Mer uns bi Hansen Fingerlin antwurten lassen) 86782 fi. 30 kr

Item durch Michel Reicharten®) 100000 A. Item so haben wir weiter von der stat Augspurg in namen der herren camerräth empfangen 32 954 fl.

Mer durch Hansen Fingerlin zugeschickt®) 20000 fi.

1) Es folgt zum Schluß noch die auf S. 64, Anm. 1 abgedruckte „nota‘‘ und eine weitere „‚nota‘‘, in welcher auseinandergesetzt wird, daß von den Beträgen, welche die Pfennigmeister durch die Kammer- räte empfangen hatten, im ganzen 29831 Gulden 50 Kreuzer 2 Heller von letzteren durch Abzüge an Besoldungen von Hauptleuten usw. wieder vereinnahmt und in ihrer Pfennigmeisterrechnung als Ein- nahme auch verbucht seien.

2) Auch in Ulm, Arch., Reform.-Akt. XLI, Nr. 3353 (erw. in Pol. Korr. V, 8. 197, Anm. 2) und in kürzerer Fassung mit etwas ver- änderten Zahlen auch z. B. in Frankfurt, Arch., Reichssachen II, Nr. 1020.

3) Von Hoffherr stammt aber.nur die Aufschrift, der Text stammt von Joß Tob; über beide vgl. auch Abschnitt IV b.

“4) Am 24. August; vgl. Rechnung der Kammerräte (Abschnitt II, S. 67 unter Ausgaben an die oberländischen Pfennigmeister).

s) Am 31. August; vgl. a. a. O.

°) Am 16. September; vgl. a. a. O.

78 Item uns abermalen durch Hansen Vingerlin antwurten

lassen!) 40000 Al. "Desgleichen uns uf 8. October... mer bi Michl Reicharten

zugsandt 82000 fi. Item so haben wir weiter empfangen, alles laut der quit-

tungen?), 17000 Ai. Mer an tuch und barem gelt?) 20529 fl. 30 kr.

Mer an barem gelt haben wir eingenomen*) 24000 fi.

Item so haben wir auch an uberwechsel enpfangen 5) 668 fi.

Mer haben wir... marggraf Bernharten zu Baden 200 und Sambson von Uttenhaim 600 fl. abzogen, so... herzog Ul- rich... hochgedachtem fursten von Baden furgesetzt hat,

thut ... 800 fi. Item so haben wir weıter alhie zu Ulm uf 29. November und 5. December zu zwai malen enpfangen 1900 Al.

Summarum, was uns in namen der hern camerräth fur bar- gelt zugeschickt... ., ouch also under sollichem tittel uf uns eingeschriben worden: 569634 fi.

Verer haben wir von sondern stenden und steten zu der lesten bezalung eingenomen:

Item uf 19. November ... von wegen der statUlm.... 10000.

Item uf 26. dito...in namen... herzog Ulrichs .. . enp- fangen 18000 Al. mer eeodem[!Jdiee[!] ist uns von Geißlingen us geantwurt: namblichen in namen der stat Ulm 10000 fl. und dan von wegen der stat Augspurg 4000 fl., thut alles 14000 fl.

Summarum... 42000 fi.

Volgt hernach, was wir fur wechsel uf genomen und von den hern camerräthen zu Ulm wider bezalt worden [ist]®): ... Summarum 36353 fl. 9 kr. 3 h.

Was wir etlichen ainzechtigen hauptleuten und andern an iren besoldungen abzogen, welches inen zum tail von den herren caınerräthen laut irer particularrechnung mit barem gelt be- zalt oder sonst von etlichen stenden in rechnung eingebracht worden und wir gemainen stenden fur enpfahen verrechnen sollen... .?).

I) Am 5. Oktober; vgl. a. a. O.

3) Am 12. Oktober; vgl. a. a. O.

®) Am 7. November; vgl. a. a. OÖ.

4) Am 9. Novenber; vgl. a. a. O.

6) Am Rande ist vermerkt: „Augspurg“.

6) Vgl. Abschnitt II (Rechnung der Kammerräte), 8. 68 unter: „Ausgab oberlendischen piennigmeistern an wechsel.“

?) Vgl. hierzu Abschnitt 11, S. 77, Anm. ].

79

Summarum des hievorgemelten abzugs... 29831 fl. 50 kr. 2 h. Item so haben die stat Augspurg dem wirtenbergischen reuter- hauptman Wilhalmen von Widstat dargeliben, die haben wir in der bezalung den wirtenbergischen reutern abzogen 200 fl. So haben wir von sondern personen uf rechnung enpfangen . 2430 fl. 36 kr.

Von zufallenden sachen, als zu Dillingen gefunden und sonst judengelt enpfangen: Item uf 25. Juli zu Dillingen!) in der hushaltung erstlich 460 fl. und dan 83 fl. 54 kr., thut alles: 543 fl. 54 kr. Item uf den andern Augusti von den ottingischen juden 1

000 Al. Mer uf 12. dito 300 fi. Summarum von zufallenden sachen 1843 fl. 54.

Suma sumarum alles unsers einnemens zesamen getragen thut: 682293 fl. 29 kr. 5 h.

So volgt hernach unser usgeben: Erstlich uf die ämpter bezalt.

Her Hansen von Haidegk als obersten uber ain regi- ment fußvolk. erster monat ist sein G. angangen uf primo Juli und endet sich uf 30. dito. namblich uf seiner G. leib 500 fl., uf 16 raisige pferd, uf jedes 12 fl., macht 192 fl. item 8 drabanten, jedem 2 ubersöld, thut 64 fl., ainem jungen ain sold 4 fl., ainem schreiber 12 fl., ainem wundarzet 8 fl., ainem koch 8 fl., uf ain spil 24 fl., ainem einkouffer 8 fl., uf 3 wägen 72 fl.; thut alles laut der quittung. 892 fl.“

Das gleiche die folgenden Monate bis zum 5. einschließlich, der am 27. November 1546 endigte.

‚„Sumarum her Hansen von Haidegk als obersten bezalt

4460 fl.

Her Bastion Schertlin als obersten uber ain regiment fußvolk sein andern monat?), so uf 28. Juli angangen und sich uf 26. Augusti endet. item uf sein leib mit den 100 fl. vererung 400 fl., uf 12 pferd 144 fl., uf 12 drabanten 96 fl., ainem jungen 4 fl., ainem schriber 12 fl., ainem wundarzet 30 fl., ainem koch 18 fl., uf ain spil 24 fl., ainem einkoufier 8 gl. und uf 3 wägen 72 fl.; thut alles 798 fl.; mer uf seinen leitinant 228 fl., uf den schulthais 94 fl., uf den wachtmeister 126 fl., uf die veldwaibel 84 fl., uf die provandmaister 48 fl., uf den provosen 198 fl., uf den

1) Bei der Einnahme von Dillingen ; vgl. Nr.240(S.262, letzter Absatz). 2) Den ersten Monat hatte Augsburg bezahlt; vgl. Roth, Augs- burgs Reform.-Gesch III, S. 370, Anm. 53.

80

quattiermaister 50 fl., hurenwaibel 12 fl., uf 4 hauptleut 160 fi., alles vermög seins staats und quittung...thut 1798 fl.“ Das gleiche bis zum 5. Monat [24. November 1546]. ‚„Summarum.... 7112 fl. Herr Völckern von Knöringen über sechs vendlin“ für die Zeit von 2!/, Monaten [16. Juli bis 28. September 1546]: für ihn selbst 200 Gulden, für seinen Leutnant 50, für das ‚‚spil‘ 16, für 2 Trabanten 8, zusammen 274 Gulden. „Sumarum 685 fi. Obersten leitinant: Hansen Öcklin!), meins gn. herrn von Haidegks leitinant‘“ [vom 1. Juli bis zum 28. September 1546]: für ihn 100 Gulden, für einen Jungen 4, 2 Trabanten 8, einen Schreiber 12, 2 Pferde 24, einen Koch 4, einen Einkäufer 4, 2 Wagen 48, zusammen 204 Gulden. ‚‚Jorgen Knöringer: als Hans Ecklin krankhait halben abgestanden, hat er das leitinampt [!] bis uf 28. October versehen, ime darauf vermög der quittung verert.. ., thut 50 fl.“ Auch für die folgenden beiden halben Monate erhält er je 50 Gulden. „Sumarum Hansen Öcklin und seinem nachkomen obersten leitinant bezalt 762 fi. Muster hern: Joß Munch von Rosenberg“ [für die Zeit vom 1. Juli bis zum 27. November 1546]: für ihn 100 Gulden, für 2 Trabanten 8 Gulden.

‚„Sumarum... 564 fi. Hans Harder von Gertringen‘“: ebenfalls zusammen für die gleiche Zeit 564 Gulden.

„Wolff Bögklin?): item uf 22. September ime, umb dfa]z er ain monat und etliche mal das oberlendische kriegsvolk helfen mustern mit wissen der kriegsrät, fur dis sein getragen ampt verert inhalt der quittung ..., thut 100 fi.

Mathis Langenmantel:... item ime als kriegsrat uf seinen leib 100 fl., mer uf 9 geruste pferd 108 fl., mer uf ain drosser 12 fl. und uf ain wagen 24 fl. inhalt seiner quittung ... 244 fl.“ Vom 2. Monat ab zahlt man ihm außerdem noch ‚als ainem musterhern 100 fl., uf 4 drabanten 16 fl., uf ain koch & fl... ., mer ainem einkouffer 4 fl.‘“; also monatlich 368 Gulden. Ge- samtsumme für die Zeit vom 1. Juli bis zum 27. November 1546: 1716 Gulden.

1) Vgl. über ihn Nr. 883, Anm. 3.

2) Wolff Böcklin war vom Straßburger Rat am 30. Juni 1546 zum Kriegsrat bestellt worden; er sollte dieses Amt aber nur so lange ver- schen, bis sein Bruder Ulman, der als Straßburger Kriegsrat zum Landgrafen befohlen war, mit letzterem im Oberland eintraf; vgl. Nr. 167, 228, 246 und 296. Daher war Wolfis Bestallung nur für einen Monat vorgesehen; nachher wurde er Stimmrat; vgl. Nr. 261 und Abschnitt O, S. 71, Arn.. 1.

8l

Musterschreiber: Kilian Feßler, württembergischer Mu- sterschreiber (für die Zeit vom 1. Juli bis zum 27. November 1546); er erhält im Monat 40 Gulden, für die 5 Monate 200 Gulden. Bernhard Glatz, augsburgischer Musterschreiber (für die Zeit vom 28. Juni bis zum 24. November 1546); er erhält ım Monat ebenfalls 40, für die 5 Monate zusammen 200 Gulden.

v

„Kriegsrät, pfenningmaister, secritari und andere ämpter“:

Wilhelm von Massenbach, württembergischer Kriegsrat (für die Zeit vom 1. Juli bis zum 27. November 1546). Er erhält für den ersten Monat als Kriegsrat 100 Gulden, ‚uf 7 geruste pferd 84 fl., uf ain trosser 12 fl., uf ain wagen 24 fl.““, zusammen 220 Gulden; die gleiche Summe auch für den zweiten Monat. Vom 3. Monat an außerdem noch für ‚2 drabanten, so im mein gn. her von Hessen, als er angezeigt, zugelassen, 8 fl.‘“.

Zusammen 1128 Gulden.

„Mir, Balthus von Gultlingen‘“ [für die Zeit vom 16. Juli bis zum 27. November 1546]: „Item uf den ersten halben monat uf mein pfennigmaister ampt 50 fl., uf 2 schriber 12 fi., uf vier drabanten 8 fl., uf ain koch 3 fl., uf 9 geruste pferd 54 fl., mer uf 1 trosser 6 fl. und uf ain raiswagen 12 fl.; alles inhalt meins stauts und gegebner quittung ... thut 145fl.“

Für den 2. Monat erhält er alles doppelt (nur statt für 9 Pferde und einen Trosser: „uf 12 geruste pferd 144 fl., uf 2 troßjungen 24 fl.‘‘), also insgesamt 338 Gulden; bei diesem Monatsbetrag bleibt es dann. Gesamtsumme: 1497 Gulden.

„Mir Basti Besserer‘ [für den ersten Monat vom 1. Juli bis zum 30. Juli 1546]: ‚‚Item uf mein leib als kriegsrat 100 fl., uf 5 pferd, so ich den halben monat gehapt, 30 fl.; so hat mir der schreiber zu Goppingen verzert 2 fl. 55 kr. 3 h.; so’ hab ich den andern halben monat gehapt 9 pferd, dafur 54 fl., mer fur ain wagen, den halben monat 12 fl., und uf ain troßpferd 6 fl.; so ist mein erster halber monat mir uf mein pfenning- maisterampt angangen uf 16. Julii...; von desselben ampts wegen uf mein leib bezalt 50 fl., uf zwen schriber 12 fl., uf 4 drabanten uf jeden !/, ubersold, uf ain koch 2 fl. uf ain ein- kouffer 2 fl.; thut also alles inhalt meins ubergebnen stauts.... 278 fl. 55 kr. 3h.“ Für den zweiten Monat: ‚Mir als kriegs- rat 100 fl., mer als pfenningmaister 100 fl., uf 2 schriber 24 fl., uf 4 drabanten 16 fl., uf ain koch 4 fl., uf 10 geruste pferd 120 fl., uf ain troß 12 fl., uf ain raiswagen 24 fl., uf ein ein- koufer 4 fl., thut alles... 404 fl.‘“ So bleibt es bis zum 5. Mo- nat (27. November 1546 einschließlich). ‚Item so hab ich, Bastion Besserer, uber den funften monat ein tag gedient, uf wölchen ich anhaims komen und volgends gleichwol etliche

Archiv für Beformationsgeschichte. ZXXII. 1/2. 6

pferd ob mir ain zeitlang und sonderlich die schriber uf ain monat lang bi mir behalten. nicht weniger setz ich nit mer dafur und fur mein abzug, wolches ich doch mer uncosten gelitten, dann 112 fl. Sumarum mir, Basti Besserer, ulmischen kriegsrat und ober- lendischen pfeningmaister, bezalt 2006 fl. 55 kr. 3 h. Secritari: Item Franz Kurtzen, so man als ein canzlei- verwalter gebraucht‘, für die Zeit vom 16. Juli bis zum 27. No- vember 1546, jeden Monat 60 Gulden. ‚Mer uf der herren kriegsräth underschribnen .... bevelch fur etlich zeit, so ime nit völlig bezalt worden... ., 33 fl. 32 kr. Sumarum 8303 fl. 32 kr. Provandmaister: Hans Wörlin von Stutgart‘‘; erhält im Monat 50 Gulden und 16 Gulden für 2 Trabanten; drei Monate lang, macht zusammen 198 Gulden. „Hans Herter von Hertnegk ist an Hansen Wörlins stat zu ainem provandtmaister angenomen und ime sein erster halber monat uf 3. September angangen ...; geburt ime uf sein leib 25 fl., uf 2 drabanten 4 fl., uf ain wagen 12 fl.; uf Ludwigen Hafenbergern 12 fl. und Onimus von Laichingen 6 fl., seine underprovandtmaister, uf ain schriber 6 fl. und uf ain reitenden botten ouch 6 fl., thut alles vermög seiner

quittung.... 1.“ So bleibt es bis zum 16. November 1546. „Sumarum 355 Al.

Provandmaister Veit Wittich von. Augspurg“ [für die Zeit vom 27. Juli bis zum 23. November 1546] ‚‚uf sein leib 50 fi., uf 4 gerüste pferd 48 fl., uf ain schriber 12 fl., uf 2 :enner jedem 2 raißig sold 48 fl., uf 4 drabanten jedem 2 sold, thut 32 fi., und uf ain wagen 24 fl.““; macht zusammen im 1. Monat

214 Gulden.

In den folgenden Monaten erhalten die Trabanten nur einen Sold; der Monatsbetrag ist dann also 198 Gulden. Gesamt- summe 808 Gulden.

„Basti Gretzing von Reutlingen, underprovandmaister.... uf sein leib 24 fl., uf 2 drabanten 8 fl.“; erhält also im Monat 32 Gulden; dient vom 26. August bis zum 23. November 1546. Gesamtsumme 96 Gulden.

Es folgen die Ausgaben für die Gehälter ‚uf die vier hohe ämpter‘ desHeideckschen Regiments (Schultheiß, Wachtmeister, Profos, Quartiermeister), ferner für den „hurnwaibl‘; alle für die Zeit vom 1. Juli bis zum 27. November 1546; ferner für einen Arzt und 2 weitere Wundärzte (für die Zeit vom 16. Juli bis zum 29. August) und für einen Prädikanten (vom 30. August bis 28. September). Für vorstehend genannte Personen und ihr Gefolge wurden insgesamı 2583 Gulden aufgewendet.

„uf re und sonder personen, so im staut underhalten werden sollen:

[Abgesehen von 3 unbedeutenden Zahlungen von insgesamt % Gulden]: Jörgen Hertzbach von Straßburg): ist etlich tag im ersten monat dem haufen nachgezogen, hat sich be- velchs versaumpt, derhalben im uf bevelch und quittung... verert, thut 12 fl.“ Vom 2. bis zum 5. Monat (31. Juli bis 27. November 1546) erhält er je 28 Gulden. Gesamtsumme:

124 Gulden.

.. Meins gn. hern grauf Wilhalms von Furstenbergs hoffgesind 2) hat ain zeitlang ungemustert und unbezalt ge- dient inhalt und vermög ains underschribnen zedels und ge- gebner quittung, ... thut 26 fl. 30 kr.

Meinem gn. h[ern] marggraff Bernharten von Baden?) ist seiner fl. G. erster monat uf 14. Augusti angangen und endet sich uf 12. September; nämblich uf seiner fl. G. leib 300 fi., uf 16 raissige bferd 192 fl., uf 6 drabanten 24 fl., uf er wägen 72 fl. 8 fl.“

So geht es bis zum 11. November 1546.

„Sumarum 1764 fi.

Unserm gn. fursten und herrn Jorgen grafen zu Wirttenberg etc.*); ist seiner fl. G. staut angangen uf den ersten September.

. darauf und nämblich uf seiner fl. G. staut 300 fl., uf 25 raissige Den 300 fl., uf 4 troß 48 fl., uf 5 wägen 120 fl.; bezalt vermög der quittung . mer 6 drabanten 24 fl., thut 7921.

Item seiner fl. G. hofgesind, so ain zeitlang ungemustert und unbezalt gedient, vermög bevelchs, musterzedels und ge- gebner quittung ..... bezalt 77 8.“

Die Zahlungen erfolgen noch für 2 weitere Monate (bis zum 30. November 1846).

„Sumarum 2453 fl.

Uf die raissigen bezalt:

Item graf Bastin und graf Ulrichen, beden von Helfenstain>), uf 8 pferde und ain halben wagen, vermög bevelchs und ge- gebner quittung...... uf den ersten monat bezalt, thut 108 fl.

Cristoffeln graven und herrn zu Hennenberg, als obersten uber unsers gn. f[ursten] und h[ern] zu Wirtenberg pferd, dero erster monat uf 12. Julii angangen und sich uf 10. Augusti

ı) Vgl. über ihn Nr. 174.

2) Über die Beteiligung des Grafen Wilhelm von Fürstenberg am Kriege vgl. Nr. 139, 210, 357, Anm. 1 sowie Nr. 359, 372 und 380.

3) Vgl. über ihn Nr. 229 und 23].

*) Vgl. über ihn Nr. 506, Anm. 2 und 549.

s) Vgl. über ihn Nr. 549, 586, Anm. 6 und 593.

84

enden ist. darauf uber das, so im hochgedachter furst daran bezalt, vermög des ubergebnen musterregisters!) und ne

so hinden daran gehenkt ist, bezalt mit 6809 fl. 30 kr Uf den andern monat“ [11. August bis 9. September] 10408 Gulden.

„Item mer Wolff Phillipsen von Hirnhaim, wirtenbergischen marschalk und hauptman uber den rennfanen, under gut gsellen uszetailen ..., 50 fi.

Uf den driten ersten halben monat [10. bis 24. September]

5528 fl. 30 kr.

Uf den dritten andern halben monat [25. September- bis 9. Oktober] 5184 fl. 16 kr.

Uf den vierten ersten halben monat [10. bis 24. Oktober] 4944 fl.

Uf den andern vierten halben monat [25. Oktober bis 8. No- vember] 4914 fl. 30 kr.

Sumarum uf die wirtenbergischen pferd bezalt

36838 fl. 46 kr.

Hainrichen Ridesel, pfälzischen hauptman?): item uf 54 pferd, so ain zeitlang zu Neuburg gelegen und nämblich von 22. bis uf 25. Augusti..., dafur damit sie den andern nach- volgenden seinen pferden in der bezalung gleichkomen, ver- mög... quittung... ., thut 79 fl. 12 kr.

So ist ime von uns ain halber monat, wölcher uf 25. Augusti an und 8. September sich wider enden ist, uf sich, alle seine pferd, wägen, troß und trabanten inhalt der musterregister und gegebner quittung ... bezalt, thut 2852 fl. 30 kr.

Uf sein andern ersten halben monat [9. bis 23. September]

2849 fl. 30 kr.

Uf sein andern lesten halben monat [24. September bis 8. Oktober] 2825 fl. 30 kr. Uf sein dritten ersten halben monat [9. bis 23. Oktober]

2849 fl. 30 kr. Uf sein dritten andern halben monat [24. Oktober bis 7. November] 2921 fl. 30 kr.

Item so hat er von 7. [statt 8.] November bis 17. dito, d[a]z ist 9 tag, mit seinen reutern gedient, thund 1433 gl. 6 kr.; mer furn abzug ain halbe monatsbesoldung 23881/, fi. und dan dem schutzenhauptmann zu ainer-vererung 50 fi.; alles vermög ... .quittung..... thut 3871 A. 36 kr.

ı) Ein Musterregister über die württembergischen Reisigen ist er- halten in Stuttgart a. a. O., 21, Nr. 146; es umfaßt 596 Reisige.

2) Über die kurpfälzischen Reiter vgl. Nr. 330, Anm. 5 und 4857, Anm. 6.

85

Item m[einem] gn. h[ern] graf Antoni von Eisenburg!) be- zalt, so er lenger gedient und zu erstattung voriger en vermög... quittung . .. thut

Item dergleichen graf Friderichen von Cassel 8) bezalt auch zu erstattung voriger bezalung inhalt... quittung... thut

16 fl. 48 kr.

Sumarum uf die pfälzischen pferd bezalt 18389 fl. 6 kr.

Hansen Loeb von Augspurg, ainspenigen, wölcher uf unsern gn. h[ern] den landgraven gewart, fur 2 monatsbesoldungen uf in und sein pferd inhalt... quittung.... . 24 fl.“ für die Zeit vom 17. Juli bis zum 17. September; ferner nochmals 2 Mo- nate (18. September bis 16. November) 24 Gulden, zusammen

48 Gulden.

„Zu- und abreitgeld:

Item den wirtenbergischen reuter[n] fur ir anreitgelt, wie das ainem jeden underschidlich verzaichnet worden, vermög des registers und angehengter quittung . ... bezalt, thut 2673 . 6 kr.“ Es folgen noch 3 nebensächliche Posten.

‚Sumarum zu- und abreitgelt bezalt 2745 fl. 54 kr.

Pferdschäden...sumarum...bezalt 1185 fl. 24 kr. Uf die fuoßknecht zalt:

Erstlich so sein die wirtenbergischen vendlin oder knecht uf ain halben monat bezalt, der ist inen uf 16. Julii angangen und endet sich uf 30. dito.“ Es werden 22 Fähn- lein aufgezählt, darunter diejenigen von Jörg Knöringer, Ulrich von Rechberg?), Graf Ulrich von Helfenstein, Degen- hard Wieland®), Jakob von Windeck®) und Hans Eglin®. Sie haben eine Gesamtstärke von 7051 Mann. ‚„Sumarum uf den ersten andern halben monat das wirtenbergisch fuoß- volk bezalt 20574 fl. 30 kr. die ander bezalung volgt hernach; und ist uf ain jedes vendlin ain ganzer monat bezalt erstlich die wirttenbergischen, ulmische und andere knecht, so ir anderer monat uf 31. Julii angangen und sich uf 29. Augusti endet.‘ Es werden zuerst 21 württembergische Fähnlein auf- gezählt (Gesamtbestand 7068 Mann, an die 43910 Gulden 652 Kreuzer Sold entrichtet werden). ‚„Nachvolgenden haupt-

1) Er gehörte zum hessischen Regiment Friedrich von Reifenbergs; vgl. Abechnitt V (Die hessische Kriegsrechnung). Wegen seiner rest- lichen Soldansprüche wurde er an Frankfurt verwiesen; vgl. a. a. O.

2) Wohl verschrieben für Castell; vgl. Nr. 549.

?) Vgl. über ihn Nr. 168, Anm. 6.

*%) Vgl. über ihn Nr. 148, Anm. 3.

s) Vgl. über ihn Nr. 875, Anm. 3, Schluß.

®) Vgl. 8. 80 Anm. 1.

86

leuten get ir monat wie den wirttenbergischen an und us, darauf sie ouch also bezalt [seind].‘“ Es werden 16 Fähnlein auf- gezählt, darunter diejenigen von Martin Braun!), Wolf Ho- mut!); Marcell Dietrich von Schankwitz?®), Philipp Knobloch!) und Erhard Frosch!). Der Gesamtbestand ist 6533 Mann, der Sold beträgt 44593 Gulden 38 Kreuzer.

„So ist nachvolgender hauptleut?) anderer monat angangen uf 28. Julii und endet sich uf 26. Augusti, darauf sie... be- zalt [seind].‘‘ Es handelt sich um 9 Fähnlein mit 3404 Mann; sie erhalten insgesamt 21924 Gulden an Sold.

„Nachvolgend hauptleut sein in an- und usgeen irer monat ungleich, darumb zu ainem jeden sein zeit, wie sein monat an- und usgangen, gesetzt ist. uf irenandern monat [bezalt]*).“ Es folgen 4 Fähnlein mit 1381 Mann und 8127 Gulden Sold.

‚„Sumarum alles oberlendischen fuoßvolk[s] uf den andern ganzen monat bezalt 118555 fl. 30 kr.

Das fuoßvolk uf den dritten ersten halben monat bezalt, wirtenbergisch[en] und andern.“ Es werden 45 Fähnlein auf- geführt mit insgesamt 16919 Mann. Außer den schon vorher genannten Hauptleuten tritt jetzt auch Hans Böcklin von

Böcklinsau®) im Schertlinschen Regiment auf. ‚„Sumarum allem oberlendischen fuoßvolk uf den dritten ersten halben monat zalt 58237 fl. 32 kr.“

Für den dritten anderen halben Monat, ebenfalls 45 Fähn- lein mit 17153 Mann: ‚„Sumarum dem oberlendischen fuoß- volk dritten andern halben monat bezalt 54393 fl. 20 kr.

Uf die fußknecht bezalt den vierten ersten halben monat, namblich uf wirttenbergisch, ulmisch und ander nachvolgende vendlin‘“, für 44 Fähnlein mit 16947 Mann: ‚„Sumarum dem oberlendischen fuoßvolk den vierten ersten halben monat bezalt: 53085 fl. 50 kr.

Uf die fuoßknecht den vierten andern halben monat bezalt ...“: Für 40 Fähnlein mit insgesamt 15222 Mann: ‚„Suma- rum den vierten andern halben monat dem oberlendischen kriegsvolk bezalt: 51487 fl. 30 kr.

1) Vgl. über sie besonders Nr. 245, Anm. 14.

2) Er war zugleich Leutnant des Regiments von Schertlin. Zwar ist er in dessen Stab (vgl. oben im Text S. 79) nicht namentlich auf- geführt;- doch ergibt sich seine Dienststellung aus dem Verzeichnis „schwebischer stend staut‘‘ (in Ulm, a. a. O., XXXVlI, Nr. 1732).

?) Den ersten Monat hatte ihnen Augsburg bezahlt; vgl. auch S. 79, Anm. 2.

4) Der erste Monat war ihnen ebenfalls von Augsburg bezahlt worden; s. vor. Anm.; die Zeit des zweiten Monats liegt zwischen dem 29. Juli und 12. September 15«v. *) Vgl. über ihn Nr. 330, Anm. 6.

87

Uf den funften ersten halben monat die fuoßknecht uf die alte register... . bezalt‘‘ für 40 Fähnlein mit insgesamt 15222 Mann; darunter befindet sich jetzt auch ein Fähnlein unter dem Befehl des Markgrafen Bernhard von Baden!), eines der beiden bisherigen Fähnlein des Samson von Uttenheim. „Su- marum uf den funften ersten halben monat dem oberlendischen fuoßvolk bezalt: 50269 fl. 30 kr.

Uf den funften andern halben monat die fuoßknecht, wöl- cher uf 12. November angangen und sich uf 27. dito endet, [bezalt]‘‘ für 40 Fähnlein mit insgesamt 13496 Mann: ‚‚Suma- rum uf den funften andern halben monat dem oberlendischen fuoßvolk bezalt: 45130 fl. 10 kr.“

Krank knecht, so in sonderhait an der musterung ufge- zaichnet, bezalt: . 4 fl.

Uf der fußknecht. schutzenvendlin bezalt:

„Item Gallin von Pfullendorf, hauptman uber das schutzend- vendlin, ist on bevelch ain halben monat, wölcher im uf 31. Julii angangen und sich uf 14. Augusti geendet, beim haufen ge- wesen; fur denselben zu besoldung 16 fl. und wie er volgends in sein hauptmanschaft getretten, ist ime der ander halb mo- nat seiner hauptmanschaft uf 15. Augusti angangen und sich widerumb uf 29. dito geendet. also [ist] im uf d[a]z erst blat zu dritter erster halber monatsbesoldung bezalt 101 fl. ver- mög bevelchs und quittung... thut: 117 2.“

Ferner erhält er für 3 Monate (vom 30. August bis zum 27. No- vember 1546) je 202 Gulden.

‚„Sumarum uf der fuoßknecht schutzenvendlin bezalt:

123 fl.

Auf die Aidgnossen bezalt: uf den andern monat?), wölcher uf 10. Augusti angangen und sich uf 8. September enden ist.‘“ Es werden 8 Fähnlein aufgezählt mit zusammen 2767 Mann. ‚So haben wir den Aidgnosen ouch ires dritten ersten halben monats, welcher uf 9. September angangen und sich uf 23. desselben enden ist, entricht, so sie aber fur kain bezalung, sonder allain fur ain anlehen annemen wöllen; dergestalt ist inen ouch solher halber monat zugestelt.“ Es wurden an sie insgesamt bezahlt 36374 Gulden 52 Kreuzer. Ferner wurden noch an 2 weitere Schweizer Fähnlein?) für

1) Vgl. über ihn 8. 83, Anm. 3.

2) Der erste Monat war von Lindau bezahlt worden; vgl. Wolfart, Gesch. d. St. Lindau II, S. 314: „An Memmingen geschickt für 8 Fähn- lein, die dort gemustert wurden, 12817 Gulden.“

?) Sie wurden im übrigen von den Kammerräten bezahlt; vgl. Abschnitt II, S. 69, Anm. 4; die beiden Fähnlein zählten zusammen 666 Mann.

einen Monat (9.. September ‘bis 8. Oktober 1546) bezahlt 5683 Gulden. ‚Sumarum, was wir zu zwaimalen uf die Aid- gnosen bezalt [haben]: 42057 fl. 52 kr.

Zeugmaister, zeugwart und andern zu der artlerei usgeben:

Wierttemberg: item dem wirttenbergischen zeugmaister Wil- halm von Januwitz uf sich,"seine zugeordnete, wägen und per- sonen“ für die Zeit vom 28. Juli-bis zum 24. November 1546: „Sumarum uf den wiertenbergischen zeugmaister und des- selben artlerei bezalt 10040 fl. 30 kr.

Augspurg: Jörg Vetter, augsburgischen zeugmaister‘‘ für die Zeit vom 4. August bis 17. Dezember!), für seiie Wagen usw. nur vom 19. August bis 2. September 1546: ‚‚Sumarum uf den augspurgischen zeugmaister und desselben[!] zu der artlerei bezalt: 9549 fl. 47 kr. 3 h.“

. Sumarum uf alle wagenroß, so die herren camerräth zu Ulm uns sonst zu der provand und anderm angenomen haben?), bezalt 25971 fl. 6 kr.

Zeugwart Melchior Ehinger uber die ledigen wagenpferd bezalt“; für die Zeit vom 16. Juli bis zum 28. September erhält er im Monat 32 Gulden ‚uf sein leib 16 fl., uf sein pferd 12 fl. und ain jungen 4 fl.‘“ —; für die Zeit vom 29. Sep- tember bis zum 27. November erhält er im Monat 24 Gulden „auf sein leib 12 fl., dieweil sich die roß gemindert‘. Zu- sammen mit einigen nebensächlichen Ausgaben ‚„sumarum Melchior Ehinger als zeugwarten uber der herren camerräth und zu Ulın angenom{n]e roß bezalt 178 fl. 36 kr. 6 h.

Bixenmaister zalt: Es stehen in der Zeit vom 21. Juli bis zum 31. August 8 Büchsenmeister im Sold, ferner vom 31. Juli bis zum 13. September weitere 13 Büchsenmeister; vom 14. September bis zum 27. November sind es nur noch 43), vom 28. November bis zum 12. Dezember 1546 nur noch 2 Büchsenmeister.

‚„Sumarum den bixenmaistern bezalt 406 fl. 10 kr.

1) Offenbar verschrieben für 1. Dezember.

2) Vgl. dazu auch die Ausgaben über die Wagenpferde in der Rechnung der Kammerräte S. 70. Es handelt sich um 592 Wagenrosse mit ihren Wagen und „speckknechten‘‘ vom 21. Juli bis zum 18. Sep- tember, um 396 Wagenrosse mit 96 Fuhrknechten und 50 ,speck- knechten‘‘ vom 18. September bis 17. November, um 300 Wagen- rosse vom 10. August bis zum 8. September, um 153 \Vagenrosse, 38 Fuhrknechte und 191/, „speckknecht‘‘ vom 9. September bis 22. November 1546.

?) Die Verminderung hängt mit dem Abbruch der Unternehmung gegen Ingolstadt zusammen.

Uf post bezalt‘ vom 28. Juli bis zum 29. November, „als wir alle abgezogen...

Sumarum uf die post bezalt 297 fl. 48 kr. Umb kouft floeß und den floßleuten usgeben ... Sumarum.... 418 fl. 15 kr.

Zu handen chur- und fursten geben:

Item uf 15. September meins gn. fursten und herren von Hessen camerer uf seiner fl. G. begern vermög der bekantnus hieneben .. ., thut 30000 fi.

Item uf 11. November meiner gnedigsten und gn. herren den saxischen und hessischen pfennigmaistern jedem 8000 fi. vermög irer derhalben bekantnusen ..., thut 16000 Ai.

Sumarum zu handen chur- und fursten geantwurt

46000 fl.

Us bevelch meiner gnedigsten und gn. hern chur- und fur- sten, auch der kriegsrät usgeben, so wider einzubringen und darumb zum tail rechnung ze thon ist:

Item uf bevelch meins gn. hern von Haidegk als obersten und der kriegsrät, dozemal zu Ulm bi ainander versamblet, usgelihen stathalter und-regenten zu Neuburg vermög der obligation .. ., thut 2000 fl.

Item auf 12. Augusti den provandmaistern zugestelt, wie es bi chur- und fursten, ouch den kriegsrätten beratschlagt [worden], damit proviand einzekoufen ..., 3000 fl.

Item so hab ich dem rentmaister zu Neuburg uf 27. Augusti und primo September 200 fl., damit die post zu Neuburg zu underhalten und ander notwendig usgaben von diser stend wegen ze thon, uf rechnung zugestelt inhalt ains zedels.. .; diewil wir aber diser weil dhainer rechnung von im bekomen mögen, setzen wir hieher fur usgab 200 fl.}).

Sumarum us bevelch usgeben 5200 fl.

Uf kundtschaft usgeben...sumarum 216 fl. 50 kr.

Gmainer uncost“: Es handelt sich nur um nebensäch- liche Ausgaben. j

‚„Sumarum in der gemain usgeben: 437 fl. 28 kr.

Suma sumarum alles usgebens zusamen getragen thut 682337 fl. 22 kr. 5 h.

Also einnemen und usgeben gegen ainander vergleicht, so ist mer usgeben dann eingenomen 43 fl. 53 kr.

Zu dem uberantwurten wir noch verer:

Item an barem gelt, doch ist davon usgeben, wie sich in rechnung befinden wird, 85 fl. 38 kr.

1) Vgl. dazu auch die Rechnung der Kammerräte 8. 71 unter „Ausgab auf der... räth und gsandten bevelch‘“,

90

Mer an schulden: [7 Posten betr. Landsknechthauptleute] ... sumarum der schulden 102 fl. 18 kr.

So haben wir in etlichen secken mer und minder funden, wie der uszug hieneben vermag, die uns och solten gut gemacht werden, 31 fl. 18 kr.

Also uberantwurten wir 263 fl. 7 kr. mer, dann wir bi rechnung schuldig werden. woher d[a]z raicht, konden wir nit wissen, dann dfa]z der zugang bi dem zugeschickten gelt und us den secken, wo wir nit rechtvertigen mogen, ervolg.“

IV. Die Partikularrechnungen des oberländischen Kreises.

&) „Uszug der particularrechnungen!) der stend und stet uf gehaltenem tag zu EBlingen a. bl eingebracht“.

Ulm, Arch., Reform.-Akt. XLI, Nr. 3354. Abschr.

‚Was auf 8. Augusti a. etc. 5l von gemeinen stenden und stötten gewesner verain der particular rechnungen halben zu EBlingen gehandlet.

Württemberg particularraitung?)

Einnemen [18] Doppelmonat 327240 fl. | Usgeben

Den hern cammerräthen 299080 fl. Pfenningmeistern 18000 il.

Mer 10000 fl.?)

An rechnung zum abzug den cammer-

räthen 58256 fl. 42 kr*)

1) Es wurden außerdem von allen im „uszug‘‘ aufgeführten Ständen und Städten besondere Partikularrechnungen eingereicht, außer von Hall, Memmingen und Kempten, die keine Rechnung an Eßlingen übersandt hatten (vgl. Pol. Korr. V, 8. 229, Anm. 1). Ebensowenig hatten Ulm und Frankfurt Abrechnungen eingereicht; vgl. für diese beiden Städte Abschnitt IV b und c. Zu den besonderen Partikular- rechnungen Württembergs und der anderen Städte vgl. man auch die Angaben in den nachfolgenden Anmerkungen.

2) Nach den hier angegebenen Zahlen ist Heyd, Herzog Ulrich III, S. 492-493 zu berichtigen.

3) Diese Summe ist in der Pfennigmeisterrechnung (Abschnitt III) unter den Einnahmen nicht nachweisbar. Nach der Partikular- rechnung Württembergs (in Ulm a. a. O., Nr. 3370; erw. in Pol. Korr. V, S. 234, Anm. 1) war der Betrag den Pfennigmeistern ‚im abzug ... zu abvörtigung des kriegsvolks‘‘ ausgehändigt worden.

4) Am Rande ist von Sebastian Besserer vermerkt: „Ist ain sondere rechnung darumb da; haben die stend nit annemen wollen.“

9 Vendlin knecht vom pfalzgraven komen

und dann laut der register!) 21946 fl. 30 kr. Abreit gelt den reisigen?) 2411 fl. 31/, kr. Der gmein landschaft zuzug uf ansuchen

der obern hauptleut?) 144605 fl. 39 kr. Suma: alle usgaben thund 554299. 541/, kr.) Doppelmonat abzogen, so bleibt man

schuldig 227[0)59 fl. 54!/, kr.*) Mer gelühen®) 50000 ll. Umb früchten®) 4066 fl. 30 kr. Ganze suma thut?) (so man Wirtem- www

berg schuldig wirt): 281126 fl. 241/,kr.*)

Würtembergischen zeigen an, so man bedenken habe, wöllen sie urkund fürlegen.“ Hierauf folgt die Straßburger Partikularrechnung?®).

Nach der württembergischen Partikularrechnung (s. vorige Anm.) handelt es sich um Beträge, ‚so sie [ir fl. G.] im eingang [des] kriegs zu aufbringung der geraisigen und fußvolks, auch bezalung des ersten halben monatsolds und in ander weg deshalben ausgeben lassen‘. Vgl. über diese Ausgaben für den ersten halben Monatssold auch die Pfennigmeisterrechnung (Abschnitt III S. 83—84 [für die Reisigen] und 8. 85-86 [für das Fußvolk]).

1) In der Partikularrechnung heißt es hierüber: „So ist auch ferer uf die fendlin knecht, so vom pfaltzgraven churfursten kommen, auch die andern, so ain zeitlang oben im land gelegen, hin und wider von und zum leger gezogen, und in alle andere weg von stund an in weren- dem krieg bis zum abzug und ehe sie geurlaupt worden, aufgangen.“

2) A. a. O. steht genauer: „Auf besoldungen und abreitgelt etlicher vom adel und geraisigen, auch andern zerungen und allerlai gmainen ausgaben deshalben ufgewent.‘“

®) Über den „Zuzug‘‘ vgl. Nr. 400 und 419, Anm. 1; in der württem- bergischen Partikularrechnung ist das Aufgebot der württembergischen Landschaft mit12041 Personen zu Fuß und 60 zu Pferd angegeben; dazu kommt ‚sonst, wasufdisartellerei, geschütz, wägen und andern uncosten 2 monat 2tag ufgeloffen, nach laut ains kriegsgepreuchigen uberschlags‘‘.

*) In der Hs. steht irrtümlich „524, bzw. bei der Gesamtsumme „2212“; es wurde im Text der richtige Betrag von 544, bzw. 24% Kreuzern eingesetzt.

s) S. die Rechnung der Kammerräte (Abschnitt II, S. 60).

°) In der württembergischen Partikularrechnung steht hierüber: „Item mer für und umb etlich früchten, so ir fl. G. gen Ulm füern und antwurten lassen, vermög ainer sondern obligation‘‘; vgl. dazu auch die Ulmer Rechnung im Abschnitt IV b.

?) Sebastian Besserer hat am Rand zugesetzt: „So man Wirtemberg schuldig wirt.“ *) Sie ist bereits im Abschnitt I wiedergegeben.

„Augspurg Usgeben!) Doctor Peutinger verehrt 50 taler?) 56 fl. 40 kr. Botschaften in Engelland und Frank- reich?) 722 fl. 31 kr. Camerräth gelühen 50000 fi. Mer 30000 f.*) Funf vendlen, so us dem leger ge- schickt) 17430 fl. 31 kr. Specialrechnung: gestraift, botenlon 4587 fl. 5 kr

Herr camerrath d{octor] Hel*®)

1) In der Augsburger Partikularrechnung (in Ulm a. a. O., Nr. 3372) ist ausdrücklich hervorgehoben, daß es sich bei der nachfolgenden Aufstellung um Ausgaben handelt, die über die erlegten 18 Doppel- monate hinausgehen.

2) Nach der Augsburger Partikularrechnung am 6. Mai 1546 „von gemeiner stend wegen‘‘ verehrt; am Rand steht hier vermerkt: „Fragen, in was sach.‘ Wie aus einer undatierten Bittschrift von Dr. Claudius Pius Peutinger (in Ulm a. a. O., Nr. 3432) hervorgeht, handelt es sich um die Gesandtschaftsreise, welche die hessischen und kursächsischen Räte, Peutinger (für die schwäbischen) und Marx Hag (für die rheinischen Städte) an den kaiserlichen Hof im Juli 1544 wegen der Sequestration Braunschweigs machten (vgl. Pol. Korr. III, 8. 525ff.).. Nach Peutingers Behauptung war dafür jedem Gesandten eine Verehrung von 50 Gulden bestimmt worden.

3) Vgl. darüber Abschnitt I, S. 53, Anm. 4.

*) V-". zu den beiden Posten die Rechnung der Kammerräte (Ab- schnitt II, 8. 61, Anm. 2); aus der Partikularrechnung Augsburgs ergibt sich darüber folgendes: „A di 3. Novembris, soll die verstentnus [1!]} uf derselben streng anhalten, hat ain er[barer] rath bewilligt inen 50000 gl. zu leihen, welche neben den dreien doppelmonaten an gold- guiden zu 74 kr. gen Ulm geschickt sind (vgl. Nr. 431, Anm. 3]; darumb ein obligation ververtigt worden, solchs vom franzosischen gelt wider zu bezaln; wa es aber nit keme, so sollen sies durch andere weg in 3 monaten on lengern verzug erlegen und bezaln [s. Nr. 437, Anm. 4]. thut münz 50000 fi.

A di 20. Novembris hat man drei doppelmonat erlegt, wie Ulm und Straßburg auch erlegt haben; und die stend sollich begeren ver- andert und in 3 monaten mit obsteenden zu bezalen für ain anlehen angenomen haben; thut münz 30000 fl.“

8) Nach der Partikularrechnung geschah das am 20. November 1546. Vgl. auch Nr. 461, Anm. 3.

*) Die Summe ist nicht eingesetzt; nach der Partikularrechnung handelt es sich um 4000 Gulden; in der Gesamtsumme ist dieser

93 Den Crafitern zalt botenlon zu

Welschland!) 74 fl. Rappenbader für beschedigt landsknecht 18 fl. 8 kr. Furtenbach fur zerung?) 200 fl. Gen Gennau brief?) 27 fl.

Zerung Sachsen und Hessen ervordet) 1065 fl. 4 kr. Her Langenmantl zerung gen Mülhausen

in Thüringen) 138 fl. 59 kr. Langenmantl fur ain roß 80 fl. Mer fur sein rüstung 46 fl. 46 kr. Seitzen 80 fl. 29 kr. Langenmantl und Seitzen den letsten

zug wider Brunschweig 350 fl. 5 kr. Mer den reitern irn sold 64 fl.®) Sumarum 107981 fl. 18 kr.”)

(wirdt man Augspurg schuldig).

Betrag enthalten. Dr. Hel erlegte sie in Ulm im Auftrag Augsburgs an die Pfennigmeister (s. Abschnitt III, S. 78 unter den Einnahmen von „sondern stenden und stetten zu der lesten bezahlung‘‘).

ı) Nach der Partikularrechnung am 5. Februar 1547 an die Ge- brüder Alexander, Jakob und Christof Kraffter für Kundschaften ge- zahlt, die sie in Italien 1546 gemacht hatten.

3) Am 13. Februar 1548 gemäß dem Augsburger Rechnungs- abschied vom 4. d. M. nach der Partikularrechnung bezahlt. Furten- bach hatte dem Bunde 20000 Gulden geliehen (s. Rechnung der Kammerräte, Abschnitt II unter Einnahmen S. 61).

%) Nach der Partikularrechnung 1542 am Samstag nach Bartholo- maei (August 26) abgesandt. Näheres ist nicht feststellbar.

*) In der Augsburger Partikularrechnung steht hierüber: ‚Mer sollen sie von wegen doctor Claudius Pius Peutinger, so er, als in des 43. jare Sachsen und Hessen ervordert, ufgewent und verzert‘‘; zur Sache vgl. Roth, Augsburgs Reform.-Gesch. III, S. 79.

6) Über diesen Tag am Anfang Oktober 1545 vgl. Pol. Korr. IV, Nr. 2. °) Nach der Partikularrechnung Augsburgs handelt es sich bei diesen letzten fünf Posten um den Feldzug wider Herzog Heinrich von Braunschweig, der mit dessen Gefangennahme am 21. Oktober 1545 endete; vgl. Pol. Korr. III, Nr. 624, S. 662— 664. Unter „Seitz“ ist der Augsburger Ratsherr Sebastian Seitz verstanden.

?) Sebastian Besserer hat die Bemerkung darunter gesetzt: „Wirdt man Augspurg schuldig.‘

(Fortsetzung folgt.)

Das „Iter Bavaricum“ des Caspar Brusch, 558). Von Welfgang Gerlach. 1.

Im Jahre 1559 fiel durch Meuchelmord eine der interessante- sten Persönlichkeiten des 16. Jahrh., in ihrer Vielseitigkeit und Eigenart eher den Männern der Renaissance als denen der Reformationszeit verwandt: Caspar Brusch aus Schlaggen- wald bei Eger. Dichter und Geschichtsschreiber, Gelehrter und Vagant, lag er einem ruhelosen Wanderleben ob, das ihn durch Deutschland, Österreich, die Schweiz und Italien führte und nirgends auf die Dauer seßhaft werden ließ.

Brusch besuchte die Schulen zu Eger und Hof (unter Niko- laus Medler) und ging dann nach Tübingen. Die Jahre 1538 bis 1541 sehen ihn auf der Wanderschaft durch Bayern; einen Aufenthalt in Kursachsen 1540 beweist eine Notiz im Thü- ringischen Staatsarchiv zu Weimar (5301, 13a) unter Torgau, ein Legat vom Freitag nach Trinitatis (28. Mai) 1540 betreffend: 4 fl. XVI gr. einem studenten Caspar Prusch von Schlacken- walde‘‘1),. 1542 feiert er in Regensburg den größten Triumph seines Lebens: er wird von Karl V. zum poeta laureatus ge- krönt?). Nach Aufenthalt in Leipzig und Thüringen finden wir ihn 1543 als Schulmeister in Lindau und auf dem Interims- reichstage zu Augsburg. Nach einer Wanderung durch Grau- bünden hält er sich 1549 in Nürnberg auf, 1550 durchzieht er Franken und Schwaben. Die folgenden Jahre zeigen ein ruhige- res Gesicht: nach einem Aufenthalt am Hofe des Passauer Bischofs, Wolfgangs von Salm, 1552, weilt er 1553 bei Opo- rinus in Basel; schließlich hat er 1555 die Pfarrerstelle von Pettendorf bei Regensburg inne. Schon vier Jahre später ereilt ihn das Schicksal: er wird am 15. XI. 1559 im Walde zwischen Rothenburg und Windsheim in Franken erschossen,

1) Buchwald, Archiv f. Reformationsgesch. Nr. 117/18 8. 94. 2) Vgl. It. Bav. 323— 26: „Hac dedit urbe novos olim mihi Caesar honores, Daphnea cingens tempora fronde mihi: Quattuor ad numerum lustrorum ubi tertius annus Venerat in vitae tempora fixa meae.‘

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ohne daß es gelingt, die unbekannten Mörder zur Verant- | wortung zu ziehen!). 2.

Eigenartig und zerrissen wie das äußere Leben dieses Mannes war auch sein theologisches Interesse, dessen wechselndes Auf und Ab am besten aus den theologischen Schriften zu ersehen ist. Wie sehr er an den Bewegungen der Reformation teilnahm, zeigt sich schon darin, daß er als Katholik in Witten- berg zu Melanchthons Schülern zählte und im ‚„Iter Bavari- cum‘ ausdrücklich auf diese Wittenberger Zeit hinweist?).

Einer Schrift, wie sie die „Salomonis proverbiorum capita duo priora, versu reddita Elegiaco ac Periphrastico‘ dar- stellen, ist keine andere Bedeutung beizulegen als die, daß der Dichter seine meisterhafte Beherrschung der lateinischen Sprache auch auf religiösem Gebiete beweist. Wichtiger als dieser dichterische Versuch sind die beiden großen Werke, mit denen Brusch den Plan einer umfassenden deutschen Kirchengeschichte verwirklichen wollte: die ‚‚Chronologia Mo- nasteriorrum Germanise praecipuorum‘“ und das ‚Magnum opus de omnibus Germaniae episcopatibus‘, Nürnberg 1549; letzteres behandelt trotz des vielversprechenden Titels doch nur die Erzbistümer Mainz und Bamberg. .

Mit welchem Interesse Brusch auf der anderen Seite die Reformation verfolgte, zeigt außer dem Wittenberger Stu- dienaufenthalt neben den „Epitaphia Lutheri Gassari“ die bleibende Anteilnahme am Werke seines Lehrers, der wir die Übersetzung der ‚„Catechesis puerilis‘‘ Melanchthons, er- schienen 1544 zu Leipzig, und die der „Postille“ (,,D. Philippi Melanchthonis tota Postilla, ex latino in Germanicum versa a Bruschio‘‘) verdanken. Dieser innere Zwiespalt wird noch

1) Über das Leben des C. Brusch vgl. den Abriß von Horawitz in der Allgem. deutsch. Biogr. (Bd. II), der auf dessen Abhandlung über Brusch (hreg. v. Verein f. Gesch. d. Deutschen i. Böhmen, 1874) zurückgeht. Für das „Iter Bav.‘‘ habe ich mich lediglich auf das Exemplar von 1553 beschränkt, dem als Randnotiz zu Vers 1 das Datum 12. Nov. 1551 beigedruckt ist. Die noch erhaltenen Werke Bruschs zählen zu den größten Seltenheiten; die Sächsische Landes- bibliothek zu Dresden besitzt u. a. das „Iter Bavaricum‘‘ (Basel 1553), die „„Narratio calamitatis quam perpessa est urbe Slaccenvaldensis‘“ (Wittenberg 1543), die Übersetzung der „Catechesis puerilis‘‘ (Leipzig 1544) und [liber rarissimus!] die Erstausgabe des geographisch- historischen Werkes „des Vichtelbergs ... gründliche Beschreibung“ (Wittenberg 1542).

2) Vgl. die seinem Freunde Hektor Hegner gewidmeten Verse 39—44 und bes. V. 42: „Praeceptor nobis quando Melanthon erat.‘“

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ergänzt durch einige äußere Tatsachen seines Lebens: Feind der Jesuiten (vgl. das zu Regensburg 1555 erschienene Gedicht „Picturae cuiusdam‘‘) und ohne Scheu vor scharfen Angriffen gegen den Papst, erhält er doch die höchste Gunst Karls V. und steht in lebhaftem Verkehr mit allen Kirchenfürsten, denen er seine beachtlichen Einkünfte, meist aus den von ihm beschriebenen und verherrlichten Klöstern!), ebenso verdankt wie den mit Stolz getragenen Titel eines Comes Palatinus.

3.

Wenden wir uns nun dem ‚‚Iter Bavarıcum‘“ selbst zu. Vom 12.—20. November 1551 reiste Brusch zu Pferde von seinem damaligen Aufenthaltsort Wunsiedel nach Regensburg; die Reise berührte die Orte und Klöster Neustädtlein, Spans- hart, Altenweiher, Vilseck, Sulzbach, Kastl, Kallmunz, Pullen- hofen und Pettendorf.

Soweit der einfache äußere Hergang der Reise. Das Werk selbst, eine elegische Darstellung der Erlebnisse dieser neun Tage in 360 Versen, erschien 1553, während des Aufenthaltes in Basel bei Oporinus; es bildet den Anhang zu einer von Brusch besorgten Ausgabe der Schrift Engelberts von Ad- mont „De ortu et fine Romani imperii“ und ist „ad clarissi- mum virum D. Joannem Delicasium Posoniensem, Panno- nium; Episcopi Ratisbonensis Officialem‘“ gerichtet. Von vornherein scheint der Dichter eine poetische Abfassung dieser kleinen Reise geplant zu haben. Schen auf dem Wege setzte die Niederschrift ein; und wie Brusch selbst über die Ent- stehung dachte, erfahren wir aus der Einleitung zum oben- genannten Werke?).

Das Gedicht zeigt eine meisterhafte Beherrschung der la- teinischen Sprache. Äußerlich schließt es sich an die antiken Vorbilder des Lucilius (,,‚Iter Siculum‘“), Horaz (,‚Iter Brundi- sinum‘‘) und an das Reısegedicht ‚De reditu suo“ des letzten römischen Elegikers Claudius Rutilius Namatianus (417) an. Groß ist die Ausbeute an geographischen und historischen Ergebnissen nicht; in ziemlich nüchternem Tone plaudert der Dichter von unbedeutenden Reiseerlebnissen, ab und zu

ı) Vgl. z. B. den eigenen Hinweis Bruschs auf seine Verherrlichung des Klosters Kastl, It. Bav. 91—93: [aedes monachorum = Kloster Kastl]:

„Annales dudum quam cecinere mei: Annales patriae qui templa monastica cantant Instaurant priscis et monumenta viris.‘“

s) Vgl. Praef. S. 6: „[Hodoeporicum meum Bavaricum] quod inter

peregrinandum effudi verius c.ı:ım scripei.‘

97

mit einem gesunden Humor, der aber bald wieder der ein- förmigen Darstellung weicht. Es liegt somit der Verdacht nahe, daß der Stoff des Gedichtes von Anfang an nur die Ein- leitung, nur den äußeren Rahmen zur Darstellung eines Ge- bietes liefern sollte, das dem Dichter besonders am Herzen lag: der Eschatologie seiner Zeit. Dazu konnte er keinen besse- ren Anknüpfungspunkt finden, als das von ihm aufgesuchte Kloster Kastl, das damit den Angelpunkt des ganzen Werkes bildet. 4.

Die Beschreibung des Aufenthaltes in Kastl und die davon ausgehende eschatologische Darstellung nimmt die Verse 89 bis 268 und damit die Hälfte des ‚‚Iter Bavaricum‘ ein. Da- mit erweist sich, daß die Eschatologie, und nicht die jedem anderen an sich gleichgültigen Erlebnisse der Reise das Haupt- thema bildet. Es ist nur noch die Frage, ob der Dichter damit auch ein aktuelles Gebiet betrat oder nicht. In der Tat konnten eschatologische Betrachtungen jeder Art in jenen Tagen das Interesse der Leser voraussetzen. Die Wirren der Reformation und Gegenreformation, die dauernden Anstürme der Türken- heere und der beginnende Zerfall des römischen Reiches deut- scher Nation ließen die Erinnerungen an die Berechnungen des Weltunterganges, der allgemein auf 1588 angesetzt wurde, aufleben, und unter ihnen war es besonders die Prophezeiung des Johannes von Regensburg, ‚celeberrimi superiorum tempo- rum Mathematici‘‘!), an die man anknüpfte; Brusch fand sie bei seinem Aufenthalt im Kloster Kastl, einem großen Gemälde, das Planetensystem, weltgeschichtliche Ereignisse ‚et quic- quid triste est visus habere polus‘‘ (V. 152) darstellend, als Erklärung beigeschrieben; von ihr ausgehend baut er seine Eschatologie auf.

Wir haben zunächst in den Versen 147—68 die Beschrei- bung des großen Wandgemäldes und eine Übersetzung des in deutscher Sprache abgefaßten Spruches. Daran anschließend (Vs. 169—78) gibt der Dichter kurz seine eigene Meinung, die die „mundi praesentem extremam senectutem‘ bejaht und die Rückkehr ins alte Chaos prophezeit. Als Beweis haben wir zunächst die dem Talmud entnommene 6000-Jahr-Lehre des Helias aus Thesbä (Vs. 179—214), mit einer Teilung des Weltgeschehens in 3x 2000 Jahre (vgl. die Verse 18386:

1) Praef. 8. 6; ihr Wortlaut: „Tausent fünffhundert achtzigk acht / Das ist das iar / das ich betracht: Ghet inn dem die welt nicht vnder / So gschicht doch sunst groß mercklich wunder.“

Archiv für Beformationsgeschichte. XXXII. 1/8. 7

98

‚„Millia prima duo vacua et sine lege futura; Altera sed leges stnt habitura duo.

Tertia vero duo nascenti millia Christo Attribut —“),

die auf Grund der mittelalterlichen Zeitrechnung gegen Ende des 16. Jahrh. abgelaufen sein und dem Ausspruch des Regens- burgers Gewicht geben mußten.

Zur Erhärtung dieser Tatsache folgt nun in den Versen 215—268 eine dreifache Kette von Beweisen, nämlich die Welt- schöpfung in sechs Tagen (217—28), die sechs Patriarchen (2293—34) und schließlich die Reihe der deutschen Kaiser (235—64). Die ersten beiden Reihen sind einfach in ihren Schlüssen: je einem Tag der Schöpfung entspricht ein Jahr- tausend, so daß dem siebenten, dem Ruhetage, die Auflösung des Weltalls in das alte Chaos und damit in die ewige Ruhe- lage entspricht; und wie die ersten sechs Patriarchen dem Tode verfielen und nur der siebente, Enoch, lebend ins Gottes- reich einging!), mußten die Menschen der ersten sechstausend Jahre sterben, während denen des siebenten Jahrtausends der Übergang ins Himmelreich ohne Tod beschieden sein wird.

Schwieriger als die Durchführung dieser beiden Beweis- ketten wird dem Dichter die dritte. Er beginnt mit Kaiser Sigismund (1410-37), dem Albrecht II. (1438—39, von Brusch hier mit ‚Albertus‘“ bezeichnet), Friedrich III. (1441—93) und Maximilian (1493—1519) folgen. Eine weitere konsequente Durchführung war von hier an nicht‘möglich; um die Sieben- zahl zu erreichen, greift Brusch zu einem Kunstmittel: dem folgenden Karl V. werden zwei Epochen, die fünft. und sechste zugeteilt und damit die Schwierigkeit behoben. So kann dann der Schlußstein dieser dritten Beweiskette gesetzt werden: nach Karl V. kommt kein anderer als Christus, „septimus a primo Sismundo“ (V. 261) und mit ihm das ewige, unveränder- liche Reich, dessen tatsächliche Nähe damit wieder voll be- wiesen erscheint.

b. j

Betrachtet man diesen merkwürdigen Abschluß mit seiner kunstvollen, ja gekünstelten Komposition, so befriedigt die Erklärung des „Iter Bavaricum‘“‘ als einer rein eschatologischen Schrift nicht voll, sondern verlangt nach einer Ergänzung, die keine großen Schwierigkeiten bereitet und in der Person Karls V. gefunden wird. Sind seinen Vorgängern Sigismund,

1) Vgl. Vs. 231/32:

„Septimus a letho non est percussus amaro, Sed vivens potu’ı regna subire Dei.‘

99

Albrecht, Friedrich und Maximilian nur je zwei (dem letzten vier) Verse gewidmet, so gelten Karl die Verse 24958, die sich ausführlicher mit seinen Taten befassen und auf ein gegen- wärtiges Zeitgeschehen zurückgreifen!). Umfaßt ferner, wie oben gesagt, die Zeit jedes seiner Vorgänger nur eine Epoche, 8o gilt die Zeit Karls für zwei?); und diese an sich schon außer- ordentliche Hervorhebung wird noch vergrößert durch die Tatsache, daß er der letzte irdische Herrscher, der Vorgänger Christi und damit gleichsam der Wegbahner des ewigen Reiches ist und die Jahre seiner Regierung gleichsam die höchste Stufe der monarchischen Vollkommenheit, die Zeit der Er- füllung, eine Art goldenes Zeitalter darstellen.

Der Grund dieser außergewöhnlichen Schmeichelei ist aus den Verhältnissen des Dichters zu erklären: die Dankbarkeit gegen den Kaiser, der ihn in Regensburg zum poeta laureatus krönte, findet hier ihren höchsten Ausdruck, nachdem bereits vor seiner Krönung eine Sammlung von Epigrammen zum Lobe Karls erschienen war?) und den Anstoß zu dieser Aus- zeichnung gegeben hatte. So bedeutet die dritte, die deutschen Kaiser umfassende und mit Karl V. ausklingende Beweis- kette, nur gewaltsam der eschatologischen Darstellung ein- geordnet, einen Gipfelpunkt höfischer Schmeichelei.

Wesentlich angenehmer berührt der Ausklang des Gedichtes. Die Erwähnung der Krönung führt zu einem Lobe Regensburgs (Vs. 311—26). Ganz unvermerkt leitet die Bewunderung der Donaubrücke zur Person des Bischofs Georg von Pappenheim, dem Gönner des Dichters, über und zur bischöflichen Resi- denz, der alten domus Caladınia, benannt nach Heinrich von Pappenheim und Kalden, der Otto von Wittelsbach im März 1209 tötete und damit dessen Mord an Philipp, dem Sohne Barbarossas (21. Juni 1208), rächte. So bleibt für Brusch nur noch übrig, in den Schlußversen seines direkten Gönners und Freundes, Johannes Delicasius, zu gedenken; mit dem Aufenthalt in dessen Regensburger Hause findet das Gedicht einen passenden, dem Rahmen des Ganzen entsprechenden Schluß.

1) Vgl. den Hinweis auf den Krieg gegen Frankreich, Vs. 250: „In Gallos qui nunc fulminis instar abit.“

2) Vgl. die Verse 249 (quintus in hac serie fatali est Carolus ille) und 255 (sextus erit dubio procul is mihi Carolus olim).

3) Vgl. Engelbert, De ortu S. 155: „Epigrammata in D. Caroli V. Rom. Imperatoris laudem decantata, quibus Anno aetatis suae vice- simo tertio Lauream ab Imperatore meruit. (Vgl. damit die Verse 323—26 des It. Bav., Anm. 2!)

7%

Die gedruckten Schriften des evangelischen Predigers Jakob Strauß.

Von Hormann Barge.

Unsere Kenntnis der näheren Lebensumstände und der Wirksamkeit des evangelischen Predigers Jakob Strauß be- schränkt sich auf die kurze Zeitspanne von 1521 bis 1527, In diesen Zeitraum fallen auch seine sämtlichen Schriften hinein. Ihre Zahl ist beträchtlich. 18 verschiedene Veröffent- lichungen hat Strauß ausgehen lassen. Einschließlich der Nachdrucke beträgt die Gesamtzahl der von mir nachge- wiesenen Strauß-Drucke 43.

Über die vor dem Jahre 1521 liegenden Lebensverhältnisse Straußens sind wir nur notdürftig unterrichtet. Er ist in Basel geboren schätzungsweise zwischen 1480 und 1485 und wirkte als Prediger seit 1506. 1515 erfolgte seine Imma- trikulation an der Universität Freiburg ı. B., wo er im fol- genden Jahre baccalaureus artium wurde, und darnach ist er bis zur Würde eines Doktors der Theologie emporgestiegen. Dann taucht er im Jahre 1521 als Verkündiger der neuen Lehre zu Hall in Tirol auf, und von nun an können wir für die folgenden sechs Jahre seine Schicksale genau verfolgen. Aus Hall vertrieben wirkt Strauß nach vorübergehendem Aufenthalt in Kursachsen und Wertheim a. M. vom 1. Januar 1523 bis Herbst 1525 als Prediger in Eisenach und seit Ende 1525 als Stiftsprediger in Baden-Baden. Seit dem Jahre 1527 vernehmen wir nichts mehr von ihm, außer daß er im Jahre 1532 nicht mehr unter den Lebenden weilt.

Unter den Theologen des Reformationszeitalters nimmt Strauß eine besondere Stellung ein. Ohne in radıkale Ge- dankengänge zu verfallen und die Basis des evangelischen Heilserlebnisses je preiszugeben, hat er doch auf Grund der inneren Erfahrungen, die dieses ihm brachte, selbständig und folgerichtig wichtige Probleme durchdacht. Die bisherigen Darstellungen, die das Leben und Wirken Straußens behandeln, können als ausreichend nicht bezeichnet werden!).

!) Vgl. G. Th. Strobel, Miscellaneen literarischen Inhalts Bd. 3 (1780) S. 1—44. Daselbst S. 28ff. auch ein (unvollständiges) Ver- zeichnis von Straußens Schriften. G. L. Schmidt im Programm

101

Wir beschränken uns an dieser Stelle auf Angaben, die in Beziehung zur Bibliographie der Straußschen Schriften stehen. Der Verfasser hofft, daß das Erscheinen einer ausführlichen Biographie Straußens, die er abgeschlossen hat, sich ermöglichen lassen werde.

Die erste der Schriften, die Jakob Strauß hat ausgehen lassen, ist der erweiterte Abdruck einer von ihm in Hall ge- haltenen Predigt „Eyn verstendig trostlich leer vber das wort Sanct Paulus. Der mensch sol sich selbs probieren etc.“, Verzeichnis Nr. 1a (1). Die Vorrede ist vom 4. August 1522, am Ende steht das Datum 6. August. Diese Angaben lassen erkennen, daß Strauß das Manuskript seiner Schrift vom 4. bis 6. August 1522, also in zwei Tagen niedergeschrieben hat. Daß dies in dem 12 km von Wittenberg entfernten Städtchen Kemberg geschehen ist, ergibt der Vermerk am Ende, Bl. 16r. Hierhin hatte Strauß seine Zuflucht genommen, nachdem er aus Tirol vertrieben worden war. Von Kemberg aus hat Strauß persönliche Beziehungen mit Luther und anderen Wittenberger Theologen gewonnen. Auch wurde er im SS. 1522 an der Wittenberger Universität immatrikuliert (Album acad. Vitebergensis p. 111). Diese Umstände machen es zur Ge- wißheit, daß der bei Nickel Schirlentz in Wittenberg heraus- gekommene Druck Verz. Nr. 1a (1) zugleich der Originaldruck der Straußschen Predigt ist. Dabei ist bemerkenswert, daß außer dem Originaldruck dieser ersten Schrift Straußens keine andere von ihm im Original oder Nachdruck in Wittenberg erschienen ist.

Ein bez. der Zeitangabe in unserer Schrift untergelaufener Druckfehler hat schwere Verwirrung angerichtet. Auf Bl. 2v des Originaldrucks wird als Datum, an dem die Predigt zu Hall gehalten worden ist, „am hohen pfingstag‘‘ 1522 (das wäre der 8. Juni) angegeben. Diese Angabe wird im Druck- fehlerverzeichnis auf Bl. 16r in „pfintztag‘‘ statt „‚pfingstag“ berichtigt. „Pfinztag‘ war eine für ‚Donnerstag‘ in Süd- deutschland übliche Bezichnung. Der ‚hohe Pfinztag‘“ ist der Gründonnerstag, der im Jahre 1522 auf den 17. April fiel. Einige Nachdrucke berücksichtigten die Richtigstellung so geben die Drucke Verz. Nr. 1b (2) und 1f (6) Grün- donnerstag als Datum der Predigt an —; andere, so die Drucke Verz. Nr. lc (3) und le (5) ließen ‚am hohen pfingstag“ stehen. Die Irrung setzte sich weiter fort. G. L. Schmidt

des Realgymnasiums zu Eisenach 1863, und nochmals mit gering- fügigen Zusätzen in desselben Justus Menius I (1867), S. 105 bis 131. G. Bossert in Prot. R.E.? Bd. 19, 8. 92ff.

102

gab (Eisenacher Programm 1863, 8. 6) an, Strauß habe die Predigt am „Pfingsttage 1522‘ gehalten. G. Bossert übersah obwohl inzwischen E. Fischer, Zur Geschichte der evan- gelischen Beichte Bd. 1 (1902), 8. 79 den richtigen Sachverhalt festgestellt hatte ‚bleichfalls die Verbesserung des Druck- fehlers. Er wußte aber, daß Strauß am Pfingsttage (8. Juni) 1522 die Predigt in Hall nicht hat halten können, weil dieser die Stadt bereits früher verlassen hatte!), Darum nahm Bossert an, die Predigt sei schon ein Jahr früher gehalten worden, Pfingsten, d. i. 19. Mai 1521 (so in Prot. R. E?, Bd. 19, 1906, 8. 93). Das wirkliche Datum der Predigt ist also der 17. April 1522.

Die zweite Schrift Straußens enthält als Orts- und Zeit- vermerk am Ende „haßlach am xvj May im xxii“. Doch steht diese Angabe nur im Druck- Verz. Nr. 2a (8), nicht in 2b (9), weshalb 2a der Originaldruck ist. Unter.den ver- schiedenen Ortschaften, die die Bezeichnung Haslach führen, kommt für unsern Druck, wie man mit ziemlicher Sicherheit annehmen darf, das Dorf Haslach ım Zillertal in Betracht: hierhin hatte sich offenbar Strauß nach seinem unfreiwilligen Weggange von Hall zunächst geflüchtet, wahrscheinlich zu Glaubensverwandten, und von hier aus schrieb er seinen Sendbrief über die Bruderschaften an seine ehemalige Ge- meinde zu Hall, die er sechs Tage vorher hatte verlassen müssen. Gedruckt wurde die Schrift natürlich erst später und zwar ebenso wie Nr. 3 (10) und Nr. 4a (11) bei Wolfgang Stürmer in Erfurt. Die Drucklegung erfolgte nach der von Nr. la (1), also nach dem 6. August 1522. Denn daß Nr. la die frühste der Straußschen Schriften ist, ergibt die Bemerkung, die in ihrer Vorrede Bl. A ij steht: „‚Vnd wie wol mir schreyben bißher frembd vnd nicht gepreuchlich ist, hab ich doch ... die nach volgent predig . . . allen geengstigeten ge- wissen tzu dienst, yn geschrift eroffnet.“ Darnach ist Strobel zu berichtigen, der die Schrift Nr. 2a als erste vor Nr. la ansetzt.

Die Veröffentlichung der dritten Schrift hatte eine eigen- artige Vorgeschichte?). Wolfgang Stein, der Hofprediger

ı) Daß dies am 10. Mai 1522 geschehen war, ergibt ein in das Raitbuch (= Rechnungsbuch\) von Hall eingetragener Bericht: „Auf das ist benannter Doctor am Samstag Morgens am 10. Tag des Monats Mai abgeschieden‘. 8. Rufim Archiv für Geschichte und Alter- thumskunde Tirols II (1865) 8. 71.

2) Vgl. darüber O. Clemen in Z. f. Kirchengeschichte Bd. 45 (1927), S. 557f.

103

des in Weimar residierenden Herzogs Johann, hatte mit den dortigen Franziskanern einen Streit über den Opfer- charakter der Messe in einer Disputation ausgefochten. Ob- wohl nun der Herzog angeordnet hatte, es solle nichts über den Disput gedruckt werden, wünschte Stein doch, daß die Öffentlichkeit von den auf beiden Seiten vorgebrachten Ar- gumenten unterrichtet würde, aus Unwillen darüber, daß die Franziskaner mit einem Siege, den sie errungen hätten, geprahlt hatten. Darum schickte er eine Eingabe der Franzis- kaner an den Herzog, die ihm dieser hatte zugehen lassen, und seine eigne Replik darauf dem ihm befreundeten Jakob Strauß zu, der inzwischen Prediger an der St. Georgskirche in Eisenach geworden war. Strauß gab beide Stücke heraus mit einer sie begleitenden Vorrede vom 20. Januar 1523. Obschon diese den Eindruck erwecken sollte, als ob die Veröffentlichung seiner eignen Initiative entsprungen wäre, stand es doch wohl so, „daß Strauß damit nur einen Wunsch Steins erfüllte, der seine Streitschrift auf diese Weise, ohne offen dem herzog- lichen Gebot zuwider zu handeln, in die Öffentlichkeit lan- cieren wollte‘‘ (O. Clemen).

Bei der reichen literarischen Produktivität, die Strauß seit Beginn des Jahres 1523 entfaltete, mußte ihm daran liegen, mit Druckern in Verbindung zu treten, die seine Schriften zu veröffentlichen gewillt waren. Es traf sich günstig, daß es ihm gelang, Beziehungen mit Erfurter Druckern anzu- knüpfen. War doch Erfurt Zentrale des Buchverlags für Thüringen und die umliegenden Gebiete, und außerdem räumlich nicht weit von Eisenach, der Stätte seines Wirkens, entfernt. Sämtliche Originaldrucke der von Strauß in Eisenach verfaßten Schriften sind aus Erfurter Druckereien hervor- gegangen. Es sind dies die Originalausgaben der Schriften Nr. 3—14 unseres Verzeichnisses. Zunächst druckte Wolfgang Stürmer für Strauß außer Nr. 2a (8) noch Nr. 3 (10) und Nr. 4a (11). Dann erschien vereinzelt Nr. 5 (18) bei Michel Buchfürer. Darnach tritt Ludwig Trutebul!) als Drucker der Schriften Straußens ganz in den Vordergrund. Seiner Druckerei entstammen Nr. 6a (19), 7 (24), 8a (25), 9 (28), 10 (29), 13a (33) und 14a (37). Doch hielt Strauß auch noch die Beziehungen zu Wolfgang Stürmer aufrecht. Wahrscheinlich war die Presse Trutebuls durch den Druck der ihm von Strauß über- gebenen Schriften, deren Manuskripte in rascher Folge fertig- gestellt wurden, zeitweilig überlastet. Alsdann sprang Stürmer ein. So druckte er Verz. Nr. 1la (30) und 12 (32). Außerdem

1) Bez. nach der Annahme Joh. Luthers Johann Loersfeld.

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stammt aus seiner Offizin noch der Nachdruck Nr. 13b (34). Mathes Maler hielt sich im Vergleich zu Trutebul und Stürmer zurück. Es ist nur ein Straußdruck als von ihm herrührend nachzuweisen, Nr. 1b (2), ein Nachdruck der ersten Schrift des Verfassers. Wie sich die Nachdrucke auf die außerhalb Erfurts ansässigen Buchdrucker verteilen, ergibt das Verzeich- nis. Bemerkenswert ist die beträchtliche Nachdrucken, die das große Interesse den, dem die ' Straußschen Veröffentlichungen in Süddeutschland begegneten. Unter den in Straußens Eisenacher Zeit von ihm’ erschienenen Schriften nimmt Nr. 6e (23) eine besondere Stelle“ein. Es handelt sich bei diesem Druck um eine freie lateinische Über- setzung seines Sermons über die Pfaffenehe (vgl. Nr. 68), die bislang noch nirgends erwähnt ist. Es ist unter den 43 nach- weisbaren Straußdrucken der einzige in lateinischer Sprache. Da er in der Trutebulschen Offizin herauskam, also in der- selben, wo auch der deutsche Originaldruck der Schrift er- schien, muß Strauß um die Herausgabe der lateinischen rtragung seines Traktats gewußt haben. Vielleicht hat er ihn selbst übersetzt, um mit seinen Gedanken über die Pfaffenehe auch an Priester heranzukommen, die grundsätz- lich damals noch nur lateinische Bücher und Schriften lasen. Freilich wirft später Zwingli gelegentlich seiner Polemik mit Strauß diesem Unkenntnis der fremden Sprachen vor. So schreibt er in seiner ‚Antwort über Straußens Büchlein, das Nachtmahl Christi betreffend‘ (Anfang Januar 1527): „Aber spricht er: ‚Sy mißbruchend darzu die thüren sprachen: hebraisch, kriechisch und latinisch.‘ Lieber min Struß, wie kanst du das wüssen? Nun kanst du doch der sprachen gheine; wie weyst du dan, ob wir’s mißbruchind oder nit?“ Und darnach heißt Strauß bei ihm ‚ein guter tütscher schul- meister.‘‘!) Indessen zwei von Strauß erhaltene lateinisch geschriebene Briefe?) lassen erkennen, daß er wohl imstande war, selbst die lateinische Übersetzung einer seiner Schriften vorzunehmen. Im übrigen schreibt Strauß in deutscher Sprache, weil er mit seinen Traktaten breite Wirkungen im Volke erzielen will, und rückt bewußt. von der Exklusivität humanistischer Kreise ab, denen er vorwirft: „Sy schöpfen auch ihnen selbs neuwe vnbekanntliche namen, alß ob sie von gmayner Teutscher gepurt nit weren®).“

1) Zwinglis sämtliche Werke Bd. 5 (Corp. Ref. Bd. 92) 8. 474, 475. 2) Gedruckt bei E. Staehelin, Briefe und Akten zum Leben Ökolampads Bd. I (1927) S. 394f. und 415ff. ?) Wider den vnmilten Irrthum Maister Vlrichs zwinglins (Verz. Nr. 17) Bl. Aiij. Mit den ‚‚neuen unbekannten Namen‘‘ deutet

1056

Von den nach Straußens Weggang aus Eisenach er- schienenen vier Schriften (Verz. Nr. 15—18) ist nur noch eine nachgedruckt worden, vgl. Nr. 15b (40). Das deutet darauf hin, daß das Interesse an seinen Veröffentlichungen erlahmte. Und doch überragen gerade diese letzten Werke Straußens zusammen mit der Schrift über den Wucher, Verz. Nr. 14 seine früheren Traktate an originalem Gehalt, geschlossener Argumentation und klarer Gedankenführung. In seiner letzten, gegen Ökolampad gerichteten Schrift, Verz. Nr. 18 (43), klagt er über Schwierigkeiten, einen Drucker für seine Manuskripte zu finden, Bl. K iij: ‚‚vnd wirt doch allent- halben fürkommen, daß vnser gegenrede nit getruckt werd oder an tag komen.‘“ Schon für seine gegen Cochläus gerichtete Schrift, Verz. Nr. 16 (41), hatte er nur unter Überwindung großer Hindernisse die Drucklegung bewerkstelligt. Er be- richtet in ihr darüber Bl. A ij: „Vnd als ich durch besonder kranckheit etwas verzug hab gethan, So ist das exemplar gefertiget gewesen, das es vor der nechst vergangen fasten meß [1526] ettlich wochen gen franckfurt were kommen. Was sol ich aber sagen? Es ist eyn buchfürer zu mir komen gen Baden, vnd mich mit hochem vertruwen gepetten, ich solt yme das original vertruwen, er wolt es in acht tagen in truck pringen. Dem ich Jan auß einfeltikeyt (als er sich dann manchfeltig des euangelioms berümet) geglaubt hab, vnd so er nit hot mügen vor dem truck etlich gulden lösen auß meinem schweiß vnd arbeyt, ist das original biß nach der meß verhindert bliben, habs auch mit grosser mue wider zu meinen handen on getruckt müßen bringen. Auch do mein anforderung nichtet bei ihm mocht schaffen, vnd also getzwungen ward, seiner ordenlichen oberkeit sölichs antzu- tzeygen, Do kan ich nicht sagen, wie er mich auch in geschriften auß geben hat, Als ob ich gar wider das euangelion gehandelt het.‘“

Der letztgenannte Druck Nr. 16 (41) ist äußerst selten. Ganz vereinzelt wird er früher erwähnt!). Benutzt aber hat ihn nur G. L. Schmidt. Indessen beschränkt sich das, was er von ihm mitteilt, auf ein kurzes Zitat und eine Angabe über Straußens Predigertätigkeit, für die noch dazu Schmidt fülschlich als Quelle eine andre Schrift Straußens anführt?).

Strauß auf die Latinisierungen und Gräcisierungen hin, die Humanisten an ihren deutschen Namen vollzogen.

1) SobeiZöckler, Universal-Lexikon, Bd. 40 (1744), S. 789 Nr. 4. Strobel a. a. O. kennt die Schrift nicht.

2) Nämlich ‚‚Auffrur, Zwitracht vnd Vneinigkeit etec.“, Verz. Nr. 15. Vgl. Eisenacher Progr. (1863) S.8 Anm. 15 und S.6 Ann. 1].

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Auch hat er den Fundort für das von ihm benutzte Exemplar des Druckes nicht angegeben. Ich habe ein solches nur in der Bibliothek zu Wolfenbüttel, Sammelband 289a, nach- weisen können. Drucker ist, wie sich mir aus Einsichtnahme in Drucke der Ratsschulbibliothek in Zwickau ergeben hat, Jacob Fabri in Speyer gewesen. Unsere Schrift ist eine Er- widerung auf die des Johannes Cochläus „Wlder die Reubischen vnd / Mordischen rotten der Bawren“ etc!). Strauß entkräftet in ihr nicht nur die gegen die Vertreter des Evan- geliums von Cochläus gerichteten Vorwürfe und die über seine eigne Person gemachten falschen Angaben, sondern entwickelt darüber hinaus wertvolle Gedanken über eine evangelische Staatsethik.

Während auf dem Titel sämtlicher übrigen Drucke Strauß mit dem Doktortitel aufgeführt ist, macht davon nur seine letzte Veröffentlichung, die Schrift gegen Oekolampad Verz. Nr. 18 (43), eine Ausnahme. Auf ihr zeichnet Strauß als „Jhesu Christi vnd aller glaubigen Diener Jacobus Strauß“. Mit der Weglassung des Doktortitels an dieser Stelle hat es eine besondre Bewandtnis. Man hatte es Strauß sehr verargt, daB er auf dem Titel der gegen Zwingli gerichteten Schrift, Verz. Nr. 17 (42), diesen „Meister Ulrich Zwingli‘ genannt und an anderer Stelle (Bl. B,) als den „‚höchsten mayster diser newen kunst“ verspottet hatte. Man vermutete es sei dahingestellt, ob mit Recht oder Unrecht —, Strauß, der Doctor theologiae, habe Zwingli zu Gemüte führen wollen, daß er als einfacher magister im Range unter ihm stünde. Eine Blöße gab sich Strauß zweifellos damit, daß er, wo er doch selbst regelmäßig seinem Namen den Doktortitel bei- fügte, den Gegnern das Prunken mit hohen Titeln vorwarf. Vgl. Bl. A iij: „Geben auch ainer dem andern die hohen Titel, die Christo nach seiner götlichen art allain zuaygnent.“

Die Widersacher Straußens blieben ihm die Antwort nicht schuldig. Für Zwingli trat der Straßburger Johannes Schnee- wil in dem Ende August 1526 verfaßten Pamphlet ein ‚wider die vnmilte verdammung. /... Jacob Straussen, allen denen die auß / warer erkantnuß Christliche glaubens, nit glauben den warhafften leyb Christi, /... Joann Schneewil. M.D. xxv].

1) Es ist Druck Nr. 32a bei M. Spahn, Johannes Cochläus (1898), S. 346. L. Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges in Oberschwaben (1876) führt gleichfalls 8. 797 den Titel an und druckt den zweiten Teil der Schrift des Cochläus ab (dabei S. 787 die auf Strauß bezügliche Stelle, die den unmittelbaren Anlaß zu dessen Er- widerung gab). Vgl. auch A. Stern, S. B. der Berliner Akad. d. Wissensch. 1929, Sonderausg. 8. 6ff.

107

jm monat Au-/gusti 24. Im ellenden jomerthal. //“ 10 Bil. Bl. 1b und 10b weiß. Sign. A ij bis C iij (Ex. in München S$t.). Darin heißt es Bl. B,: „Zu dem andern schreybstu ‚Mayster‘. Ist das das gesatz der miltigkayt, halt das die lieb in ir? Ja es gieng wol hin, wen er [= Zwingli] als gern mayster hieß, als du vnd dein gesell doctor haissen.... Aber ich verstee die sach baß / du gibst im den tittel mayster, das dein doctorat nit dahinden blib. Das muß herfür vnd solts zum hindern hynnauß ..... warumb setzest du ein dock [= ‚Doctor‘]) auf dein büchli? vnd wie man spricht, solt ain doctor nit mer wissen dann ain mayster, das dein büchli dester ein grössern glauben hab. Dann wer wolt glauben, das ain doctor solt irren ?““

Zwingli selbst setzt sich über den gleichen Gegenstand mit Strauß in seiner Replik ‚Antwort über Straußens Büchlein‘, die Anfang Januar 1527 herauskam, auseinander. Darin beschwert er sich!): ‚das er mich zum gespött einen Meister schrybt (der doch mich selb mit gheinem andren tittel dann Uly Zwinglin dem ätty [Vater] nach gekrönet hab, und laßt aber er sinen doctor nit dahinden), daß er uns subtyle meyster und sophisten nennet, die doch vom kind uf die sophistry veracht hab.“

Strauß scheint bereits, als er bei der Korrektur seine Schrift gegen Zwingli (Juni 1526) nochmals überlesen hatte, die Er- wägung angestellt zu haben, daß es nicht wohl anginge, an- deren das Prahlen mit Titeln vorzuwerfen, während er selbst bei jeder Gelegenheit seinem Namen den Doktortitel beifügte. Daher unterzeichnete er diese Schrift mit dem einfachen Namen ‚Jacobus Strauß, prediger zu Baden‘, während auf ihrem Titel noch ‚‚Doct. Jacobi Strauß“ steht. Wie sich Strauß dann auch zu den gegen ihn von Schneewil und Zwingli erhobenen Vorwürfen innerlich gestellt haben mag, jedenfalls hielt er es für angebracht, auf dem Titel seiner letzten Schrift bei seinem Namen die Bezeichnung ‚Doctor‘ wegzulassen.

Verzeichnis der Drucke.

Die angeführten Bibliotheken sind: Berlin Staatsbibliothek; Dresden Landesbibliothek ; Leipzig Universitätsbibliothek ; Mün- chen Staatsbibliothek; Stuttgart Landesbibliothek; Wolfen- büttel Herzog August-Bibliothek; Zwickau Ratsschulbibliothek.

la (I) Eyn verst-/endig tro-/stlich leer / vber das wort. Sanct Pau-/lus. Der mensch sol sich selbs / probieren, Vfi alßo

1) Zwinglis sämtliche Werke Bd. 5, S. 468.

108

dem / brott essen vnd von dem / kelch trincken. Zu Hall / Im Intall von Doc. / Jacob Strauß ge/predigett. / M.D.XXij. / Kauff vnnd Iyeß, / Es wirt dir gefallen. // Die Titeleinfassung ist die bei Joh. Luther, Die Titeleinfassungen der Reformations- zeit Tafel 22a wiedergegebene, die aus der Offizin von Nickel Schirlentz in Wittenberg stammt.

4°, 16 Bll. Bl. 16v leer. Sign. Ai, bis Diij. Ende der Vorrede Bl. 2r unten: Kemburg ynn saxen am fierten tag Augusti. / Anno M.D. 22. Bl. 2v 2.1: Eyn kurtze sermon von dem sacrament des leibs / vnd blüts vnßers herrn Christi, geprediget. Doc-/tor Jacob Strauß am hohen pfingstag [sic!] tzu hall, ym / Intall. Anno 1. 5. 22. Bl. 16r 2. 23: D. Jacobus Strauß, zu Kemberg yfi saxen. 6. Augusti. Anno M.D.XXij. Es folgt Verzeichnis der Druckfehler, darunter: Bl. 2v Z. 13 „pfintztag” statt „pfingstag”. Der hohe Pfinztag ist der Gründonnerstag, die Predigt also am 17. April 1522 gehalten. Darauf hat schon E. Fischer, Zur Geschichte der evangelischen Beichte, Bd. 1 (1902), S. 79, hingewiesen. Daselbst unser Druck angeführt. Vgl. oben 8. 2f.

[Wittenberg, Nickel Schirlentz; 17. April bzw. 4. oder 6. August 1522.]

Berlin Dresden Leipzig Zwickau.

1b (2)

Ain trostliche versten/dige leer über das wort sancti / Pauli. Der mensch soll / sich selbs p:iobieren, / vfi also von dem / b:ot essen, vfi / von dem / kelch / trincken. // Gepzediget Hall im Intal, / durch Docto: Jacob Strauß. // M.D.XXij. // Kauff vnd liß, es / wirt dir gefallen. // Titeleinfassung = Joh. Luther Tafel 67a; Götze Nr. 74.

4°. 12 Bll. Bl.12 leer. Sign. A ij bisC ij. Bl. 2r 2. 18: Kem- burg in Saxen, am vierden tag Augusti. / Anno. M.D.xxij. // Bl. 2v Z. 1: Ain kurtze Sermon dem Sacramöt ... .. ge- p:ediget vonn Docto: / Jacob Strauß, am Gründornstag tzu Hall im Intal. Anno. M./D.xxij. Bl. 2r und Bl. Ilv mit Zierleisten versehen.

[Erfurt, Matthes Maler; 1522.]

Berlin.

le (3)

Eyn verstendig trostlich leer / vber das wort. Sanct Paulus. Der mensch / sol sich selbs probieren, Vnd also von / dem brot essen vnd von dem / kelch trincken Hall / Im intall Doj/ctor Jacob / Strauß ge/prediget. / M.D.XXij. / Kauff vnd ließ, Es wirt dir gefallen. //

4°. 16 Bll. Bl. 16v leer. Sign. Aij bisDiij. Bl.2r am Ende: Kemburg in saxen am fiert® “ag Augusti. Anno M.D. 22.

109

Bl. 2v Z. 3: gepredigett von Doctor Jacob Strauß am hohö pfingstag [sic!] hall, im intall. / Anno 1. 5. 22. //

Der Druck weist keinerlei charakteristische Merkmale auf. Doch stimmen die Typen der großen Textbuchstaben mit denen in Druck 11b überein, der das Signum des Druckers Nicolaus Widemar in Eilenburg trägt, so daß diesem auch unser Druck mit einiger Wahrscheinlichkeit zugewiesen werden

kann. [Eilenburg, Nicolaus Widemar (?); 1522.] Dresden München.

ld (4)

Ain versten/dig tröstlich Leer, über / das wort Sanct Paulus / Der mensch soll sich selbs / Probieren, Vnd also von / dem brot essen, vnnd von / dem kelch trincken. / Hall im Intall: von / Doctor Jacob / Strauß gepze-/digett. / M.D.XXij. / Kauffs vond Lyeß, / Es wirt dir gefallen. // Titeleinfassung 142: 95 mm, Schriftfeld 75:45 mm; aus einem Stück. Dar- gestellt ist ein Portal. In seinem r. Pfeiler ist ein Wappen mit Adler, in seinem linken ein leeres Wappenschild ange- bracht. Seitlich an den Pfeilern, nach dem Schriftfeld zu, sind zwei Leisten mit Blumenornament angefügt. In der die Leistenenden verbindenden Querleiste befinden sich drei ornamentale Männerköpfe.

4°. 16Bll. Bl. 16bleer. Sign. Aij bis Diij. Die Lettern weisen auf Straßburg als Druckort hin.

[Straßburger Druck; 1522.]

Stuttgart.

le (5)

Ein verstendige tröstlich / Leer, über das wort Sanct Paulus, Der / mensch sol sich selbs probieren, vnd also / von dem b:ot essen, vnd von dem kelch / trinck&. Hall ım Inntal, Doj/cto: Jacob Strauß gepiediget. / in dem. M.D. vnd xxij. Jar. // Kauffs vnd ließ, es wirt / dir gefallen. //...//D. J.8. // Titeleinfassung: äußerer Rand 146:95 mm, Schriftfeld 112:65 mm. Vier unzusammenhängende Leisten. In der rechten ein Blumengewinde, in dem zwei Engel hocken; in der Mitte des Blumengewindes der linken Seite sitzt ein Vogel. Unten distelartige phantastische Arabesken. Oben zwei gegeneinander stehende kelchartige Gefäße.

4°. 10 Bil. Bl. 10v leer. Sign. Ai) bis Buij. Bl. 2r 2.7: Kemburg in Saxen am Freytag / Augusti. Anno. M.D.XXij. // Darunter ein Bild 84:62, darstellend 3 Männer, die unter einem Baldachin stehen. Der mittlere trägt eine Monstranz. Im Hintergrunde Landschaft mit Kirche. Das Bild an drei

110

Seiten von Leisten mit Blumengewinden eingerahmt. Bl. 2v Z. 1ff. Ein kurtze foım von dem Sacramöt.... . Gepzediget Do/ctor Jacob Strauß, am hohö Pfingsttag [sic! Vgl. 1a] Hall im Intal. / Nach Christi gebürt im jar M.D. vnd xxij. //

Die kleinen charakteristischen Textlettern sind die gleichen wie die in den Drucken Nr. 125 und 140 bei Freys und Barge, Verzeichnis der gedruckten Schriften des Andreas Bodenstein von Karlstadt C. f. B., Bd. 21 (1904). Es scheint die von Götze Tafel 60 ganz unten wiedergegebene und dem Johann Knoblouch in Straßburg zugewiesene Type zu sein.

[Straßburg, Johann on (?); 1522.]

rlin.

11 (6)

Ain trostliche versten/dige leer über das wort sancti / Pauli. Der mensch soll / sich selbs probieren, / vfi also von dem / b:ot essen, vfi / von dem / kelch / trincken. // Gepzediget Hall im Intal, / durch doctor Jacob Strauß. // M.D.XXII. / Kauff vnd liß, es / wirt dir gefallen. // Ti.eleinfassung = v. Dom- mer Nr. 117; Götze Nr. 169. Sie ist der Silvan Otmarsche Nachschnitt der bei v. Dommer Nr. 103 beschriebenen Kirchen- väter-Bordure Adam Petris.

4°. 14 Bll. Bl. 1v und 14v leer. Sign. Aıj bis Ciüj. BI. 2v Z. 15: Kemburg in Saxen, am vierden tag Augusti. / Anno M.D.xxij. // Bl. 3a Z. 1. Ain kurtze Sermon von dem Sacra- ment . . . . vnsers her:en Christi, gepzediget / von doctor Jacob Strauß, am Gründonrstag Hall / im Intal. Anno M.D.xxij. //

[Augsburg, Silvan Otmar; 1522.]

Berlin Dresden Stuttgart.

lg (0)

Ain schöne liepliche / Vnnder:zicht, bedenck/en vnnd enpfahenn, den / kostbarlichen hayligesten / leib Chaisti, vnd sein / roßenfarbesplüt / zu nyessenn / Durch Doctor / Jacob Strausse / 1524 // Titeleinfassung 121: 79 mm, Schrift- feld 78:54 mm. Aus vier Stücken bestehend. Die obere und untere Leiste sind nur durch Einzelheiten der Ausführung voneinander verschieden: zwei mit Mützen bedeckte mon- ströse Männer sind einander zugewandt und sitzen auf je einer ornamentalen Gestalt (Delphin?). Sie sind getrennt durch einen Blumenkelch mit drei Blüten. Die rechte und linke Leiste weisen ornamentale Verzierungen auf; rechts anten ein grotesker Menschenkopf. Weiß auf schwarzem Grunde; in der oberen und unteren Leiste Schraffierung an- gedeutet.

111

8°. 16 Bll. Bl. 16 leer. Sign. AijbisBy. Der Druck enthält nur einen Teil der Straußschen Schrift „Eyn ver-/stendig tro-/stlich leer /.‘“ Der mit Polemik durchsetzte erste Teil der übrigen Ausgaben ist weggelassen, und unser Druck be- ginnt nach einem vom Herausgeber selbständig auf Bl. 1v 2. 1ff. hinzugefügten Abschnitt (von „Christus der war ewyg“ bis „bedencken söllent etc.‘‘) auf Bl. 1v Z. 17 mit dem im Originaldruck 2a auf Bl. [B,] Z. 9 beginnenden Abschnitt: „Das wir aber seinen worten.‘‘ Von hier aus folgt unser Nach- druck der Straußschen Schrift bis zum Schluß. Irrtümlich ist unser Druck bei Strobel, Miscellaneen 3 (1780) S. 42 unter Nr. XV als selbständige Schrift Strauß’ bezeichnet.

Die Titellettern deuten auf Hans Schönsperger in Augsburg als Drucker.

[Augsburg, Hans Schönsperger; 1524].

Berlin München.

22a (8)

Ein kurtz christenlich, vnthericht / von dem besondern erdichten / pruderschafiten denen von hal, im / intal von doctor Jacob Straus / tzu gesant, in dem du leichtlich / ver- nemen magst, wie vnchristö/lich in denen bruderschafften, wider got, vnd den nechstö / geirt wirt. //

4°, 4Bll. Bl.4vleer. Ohne Signatur. Am Ende: Geben tzue haßlach am xvi tag May im xxij. Jocob straus doctor ewer williger.

Da im Druck 1b die Orts- und Zeitangabe fehlt, muß unser Druck der Originaldruck sein. Das charakteristische große S auf dem Titel kehrt wieder auf dem Titel von Druck 11a. Die gleichfalls charakteristischen Textlettern sind die gleichen wie in dem Druck 4a, also ist Drucker Wolfgang Stürmer in Erfurt.

[Erfurt, Wolfgang Stürmer; 16. Mai 1522.] Dresden.

2b (9)

Vnderricht D. Jacob / Straussen, wartzü die Brü-/der- schafften nütz seyen, / wie man sy bißher / gehalt& hat, vfi / nu fürohin / halten / sol. / M.D.XXII. // Die Titeleinfassung .ist die von v. Dommer, Borduren Nr. 113 und von A. Götze, Die hochdeutschen Drucker der Reformationszeit, Titelein- fassungen Nr. 173 beschriebene.

4°. 4Bll. Bl. 4v leer. Sign. ij und ijj. Am Ende fehlt die im ÖOriginaldruck stehende Orts- und Zeitangabe und steht lediglich: E. W. D. / Jacobus Strauß Doctor.

[Augsburg, Silvan Otmar. 1522.]

Berlin Dresden Leipzig München.

1123

3 (10)

Ob, dz aller hochwirdigeste Sacra-/ment, des leibs vnnd blutes, vnsers / heilmachers Christi, anders benenhet / moge wer- den dan eyn getrew Testa/ment, besthettet, mit dem bluet / vergiessen, vnd sterben Christi. Eine / newe Disputacion, geschrifft/lich gehalten zwiessch/en den Barfuessern / Zw Weimmar, / vfi Magister / Wolffgang Steyn, deß / Duch- lauchten [sic] hochgebornen / Furstenn hertzogenn Hanßenn / Zw Sachsßen. :c. Prediger /].

4°. 20 Bil. Bl. 20 leer. Sign. Aij bis Eiij. Bl. 1v2.1 Jacobus Strauß wunscht Magistro / wolffgango Steyn .... Gnad vnd frid. Bl. 2v Z. 17 Datum Zw Eyssenach am Zwentzigsten tag deß Jenners Anno M.D.XXiij.

Die Textlettern sind die gleichen wie in dem Druck ta, der Wolfgang Stürmer in Erfurt zugehört.

[Erfurt, Wolfgang Stürmer; 20. Januar 1523.]

Zwickau.

4a (11)

Ein new wüderbarlich Beychtpuch-/lin in dem die warhafft gerecht beycht vnd pueßfertyg/keit, christenlychen gelert vnd angetzeygt wirt, vnd / kurtzlychenn all tyranney ertichter menschlycher / beycht auff gehaben, tzu seliger rewe, frid vond / freud der armen gefangen gewissenn. // D. Jacobus Strauss Ecclesiastes tzw / Eysennach in Düringen. // Darunter Titelbild: Außenrand 114: 114 mm. Vor einer Nische r., ın der oben auf einer Tafel die Jahreszahl 1523 steht, sitzt ein Priester im Lehnstuhl und nimmt einem vor ihm knieer.den Manne die Beichte ab. Hinter dem Beichtenden |. ein Engel. Das Bild ist wohl ein vergrößerter Nachschnitt nach dem Original von Matthes Maler auf dem Druck 4b.

4°. 20 Bil. Bl. 20 leer. Sign. Aij bis Eij. Bl. 2r Z. 10: Datum tzu Eysennach in Dürin/genn am neuntentag des / Februarij Im. 1523. / Jare. // Bl. 19v von einem in sauberer Arbeit ausgeführten Holzschnitt ausgefüllt. Es ist der von v. Dommer Bilder Nr. 57 beschriebene. Über dem Bilde stehen die Worte Verbum Domini Manet Ineternum.

Bild und Lettern gehören Wolfgang Stürmer an.

[Erfurt, Wolfgang Stürmer; = Februar 1523.]

Berlin.

In dem Ex. ın Dresden Hist. eccles. E 355,2 fehlen Bl. 18 und 19 (letzteres mit dem Holzschnitt!).

Ein andrer Druck weist bei sonst gleicher Druckausstattung im 1. Bogen Varianten ver dem Drucke 4a auf. Auf dem

113

Titel finden sich folgende Abweichungen: Z. 2 yn; pueß- fer-/tigkeit. Z. 3 christenlichen; vfi (zweimal); an- getzeigt. 2.4 kurtzlichenn ; menschlicher. Z. 5 vnd. 7. 8 Düryngen. [Erfurt, Wolfgang Stürmer; 1523.] Berlin.

4b (12)

Eyn new wunderbarlich Beycht-/püchlin in dem die warhafft gerecht beicht vnd pueß-/fertigkeit, ch:istenlichen gelert vnd angezeygt wirt, / vnd kürtzlichen all tyranney ertichter men-/ schlicher beycht auff gehaben, zcu seli-/ger rewe, frid vnd freid der ar-/men gefangen gewissen. // D. Jacobus Strauß Ecclesiastes/zcew Eysennach in /Düringen. // Titelbild 76: 57mm. Der unter 4a beschriebene Holzschnitt auf dem Titelblatte des Druckes von Wolfgang Stürmer ist wohl eine vergrößerte Nachbildung unseres Holzschnittes.

4°. 18 Bll. Bl. 18v weiß. Sign. Aij bis Eij Bl. 2r Z. 11: Datü zu Eysennach in Dürin-/gen am neuntentag des Fe-/ bıuarij Im. 1523. / Jare. // Darunter der Holzschnitt wieder- holt, der auf dem Titel steht.

Die Titel- und Textlettern weisen auf Matthes Maler in Erfurt als Drucker hin. E. Fischer, Zur Geschichte der evangelischen Beichte, Bd. I (1902) S. 23 Anm. 2, führt unsern Druck an und weist ihn vermutungsweise dem Nikolaus Widemar in Eilenburg zu.

[Erfurt, Matthes Maler; 1523.]

Berlin München.

4c (13)

Ein neüw wüderbarlich Beycht / büchlin, in dem die war- hafft gerecht beycht vnd büßfer/tigkeit Christenlichen gelert vnd angetzeygt wirt, vfi / kürtzlichen alle tyranney erdychter menschlicher / beycht vffgehaben, seliger reüwe, frid / vnd freüd der armen gefangen / gewissenn. // D. Jacobus Strauß Ecclesi-/astes zu Eysennach in / Düringen. // Darunter Titel- bild: 87:67 mm. Drei Männer in einem Gewölbe, der linke an einem Tisch schreibend, der mittlere in einem Beichtstuhl sitzend und dem rechts stehenden die Beichte abnehmend.

4°. 20 Bil. Bl. 20 leer. Sign. aij bis eiij... Bl. 2r 2. 11: Datum Eysen-/nach in Düringen am neündten tag / des Febwuari. Im . M./D.xxiij . Jar. // Darunter Zierinitiale.

Aus derselben Druckerei wie Druck Nr. 6c und 8c.

[Straßburger Druck; 1523.)

Berlin.

Archiv für Beformationsgeschichte, ZXXII. 1/2. 8

114

4d (14

ih a wunderbarlich Beycht/büechlin, in dem die warhafftig gerecht beycht vnd büß-/fertigkeit Chaistenlichen gelert vnd arigezeygt wirt, / vnd kürtzlichen alle Tyranney erdichter men-/schlicher beycht auffgehaben, zü_ seli-/ger reüwe, fryd vnd frewd der / armen gefangen ge-/wyssen. // Doctor: Jacobus Strauß / Ecclesiastes zu Eysennach / in Düringen. //

4°. 16 Bil. BI. 16 leer.. Sign. aij bis diij. Bl. 1v letzte Zeile: Datum Eysennach in Düring& am 9. tag Febiu. 1.5.23. iar. //

Für die Textlettern ist besonders charakteristisch das unter die Zeile gehende W. Wohl von demselben Drucker ist der Druck Nr. 104 der Karlstadt-Bibliographie von Freys- Barge, der nach K. Schottenloher Philipp Ulhart 8. 153 Nr. 9 der Druckerei von Sigmund Grimm in Augsburg entstammt.

[Augsburg, Sigmund et 1523.]

Berlin.

4e (15)

Eyn newes wunderbarlichs Beycht-/püchlein, in dem die warhafft gerecht beycht vnd pueßfer-/tigkeit Chzistenlichen gelert vnd angezeygt wirt, vnd / kürtzlichen alle Tryanney ertichter mensch /licher beycht auffgehaben, zu seliger / rew, frid, vnd frewd, der ar-/men betrübten vfi ge/fangen gewis-/sen. // D. Jacobus Strauß, Ecclesiastes / zu Eysennach in Thü-/ ringen. // Darunter ein Holzschnitt 94: 69mm. Seinen Hinter- grund bildet das Innere einer Kirche. L. nimmt ein im Beicht- stuhl sıtzender Priester einer vor ihm knieenden, dem Be- schauer den Rücken zukehrenden Person die Beichte ab; nach r. zu zieht sich eine Gruppe von sechs männlichen und weiblichen Personen hin, die darauf warten, die Beichte ab- zulegen. Die am weitesten r. stehende Person hat einen gro- .. Gesichtsausdruck und hebt verwünschend den l. Arm

mpor.

16 Bil. BI. 16v leer. Sign. Aij bis Diij. Bl. 2r Z. 8: Datü Eisenach / am ix. Februarij, / M.D.xxiij. // Darunter das Titelbild wiederholt.

Aus der gleichen Druckerei wie 4f. Die Titel- und Text- lettern stimmen überein mit denen des Druckes ‚„Grundt- liche / vnterrichtung, eins / erbern Rats, der Statt / Nürmberg“ etc. (Ex. Zwickau XVI IX 2, 11), an dessen Ende der Druck- vermerk steht „Gedrueckt zu Nürmberg durch / Jobst Gut- knecht.“

[Nürnberg, Jobst Gutknecht; 1523.]

Berlin Dresden.

1165

41 (16)

« Hiemit ich dem allmechtigen barmhertzigen got, vnd vatter vn-/sers herren Jesu Chzisti, nach seinem allmechtigen zusagen, / bitt im glawben, er wöll die erlösten vnnd erkaufften / durch den todt vnd blutuergiessen seines einge-/bornen ge- liebtö Suns, gnedigklichö ent-/ledigen auß aller gefengknuß vnd / inunge menschlicher gesetz / vfilere. Datü Eisenach / am. ix. Febuuarij, / M.D.xxiij. // Darunter steht dasselbe Bild wie auf dem Titel von Nr. 4e.

4°. 15 Bll. Bl. 15v leer. Sign. Aij (die auf dem Titelblatt steht) bis Diij.

Der vorliegende Druck ist der gleiche wie Nr. 4e, nur mit dem Unterschiede, daß der Titel eine gänzlich andere Fassung erhalten hat und daß die in Nr. 4e Bl. 1v und 2r füllende Vorrede nebst der Wiederholung des Titelbildes in Wegfall gekommen ist, weshalb unser Druck ein Blatt weniger hat als Nr. 4e.

[Nürnberg, Jobst Gutknecht; 1523.]

Berlin.

4g (1)

in New wunderbarlich Beycht /büchlein, in dem die war- hafftig gerecht / Beycht vnd büßfertigkait Ch:isten-/lichen geleert vnd angezaygt wird, / vfi kürtzlichen alle Tyranney er-/dichter menschlicher Beycht / aufgehabe, säliger rewe / Fryd vnnd frewd der / armen gefangen / gewyssen. // Docto: Jacobus Strauß / Ecclesiastes Eysen-/nach in Düringen. // Die Titeleinfassung ist die bei K. Schottenloher, Philipp Ulhart (1921) S. 12 als Einfassung Nr. 1 beschriebene.

4°. 16 Bll. Bl. 16v leer. Sign. Aij bis Diijj. Bl. 1v unten: Datü Eysennach in Düringö am: 9. tag Febzu. 1.5.24. [sic!) jar.

Das Datum ist gefälscht und ein Jahr später gesetzt als es der Originaldruck und die übrigen Drucke ausweisen. Unser Druck ist der bei K. Schottenloher a. a. O. 8. 112 als Nr. 86 der Ulhart-Drucke aufgeführte.

[Augsburg, Philipp Ulhart; 1524.]

Leipzig Stuttgart.

5 (18)

Ein kurtz Ch:istenlich vnterticht des / grossen jrrthumbs, so im heiligthüm eren gehalten, das dan / nach gemainem gebzauch der abgötterey gantz gleich ist. // D. Jacobus Strauß zu Eysenach / in Doringen Ecclesiastes. M.D.XXiij. // Darunter ein Holzschnitt, der bei Martin von Hase, Johann Michael, .genannt Michel Buchfürer alias Michel Kremer (1928) 8. 37 als Nr. 9 der Holzschnitte beschrieben ist.

8*

116

4°. 8 Bill. Bl. lv und 8v leer. Sign. Aij bis Biij. BI. 8r unten: Geschribö zu Eisenach in Doringe, am palmtag im . 23. / D. Ja. Strauß. //

Unser Druck wird bei-M. von Hase a.a.O. S. 114 als Nr. 15 der Drucke Buchfürers aufgeführt. Vgl. ebenda 8. 76: „Ver- mutlich im April erschien als Urdruck eine Schrift des tat- kräftigen Eisenacher Reformators Jakob Strauß‘ (folgt Titel).

[Erfurt, Michel Buchfürer; 29. März 1523.]

Berlin Dresden Leipzig Zwickau.

62 (19) x

‘Eyn Sermö In d’ / deutlich angezeigt vfi gelert ist die / pfaffen Ee, yn Euangelischer leer / nitt zu d’ freiheyt des fleischs, vnd / zu bekrefitygen den allten Adam, / wie ettlich fleischlich Pfaffen das / Elich wesen mit aller pomp, hof-/fart vnd ander teuffels werck an-/heben, gefundiert. Aber das Got-/tes werck vfi wort allein angesehö / mit forcht vnd Chiistenlicher beschey-/denheyt (auch die wirtschafft vollen-/ bıacht) damit die feinde des Euange-/liums vns zu schellten, vnnd Gottes / wort zu lestern, nitt geursacht werden // D. Jac. Straus / zu Eyssnnach / Ecclesiastes. // Titeleinfassung v. Dommer Nr. 135; Joh. Luther Tafel 71. v. Dommer weist die Bordure dem Ludwig Trutebul, Luther dem Johann Loersfeld, beide in Erfurt, zu?).

4°. 8Bll. Bl. 1vund 8vleer. Sign. aij bis bij. Bl. 8r 2.7: Gepre-/diget zu Eyssnnach am Suntag vor der Hymelfart Christi. // Anno. M.CCCCC.XXiij. // Getruckt ynn der lob- lychen Stadt / Erffurdt. ynn der Permenter gasßen, zum Ferbe faß. / ym Jar M.CCCCC. vnd XXiij. //

[Erfurt, Ludwig Trutebul; 10. Mai 1523.]

Berlin Dresden.

6b (20)

@ Ein Sermon In / der deutlich angezaiget, vfi gelert ist / dye pfaffen Ee, yn Euangelischer le-/er nit zu der freyhayt des fleyschs, vnd / zu bekrefltig& de alten Adä, wie ettlich / fleysch- lich Pfaffen das Elich wesenn / mit aller pomp, hoffart vfi and’ teuf-/fels werck anhebe, gefüdiert. aber dz / Gottes werck vfi wo:t allain angesch& / mit forcht vnd Cristlicher bescheyden-/ hayt auch die wirtschafft voll& bracht /. damit die feynd des Euangeliüß vnd / schelten, vfi gottes wo:t lesteren, / nit geursacht werden. XXiij. // D. Jac Strauß Eyssenach Eccle. // Titeleinfassung = v. Dommer Nr. 121.

1) Joh. Luther schreibt allgemein die bislang dem Ludwig Trutebul zugewiesenen Drucke für unsere Zeit dem Johann Loersfeld zu.

117

4°. 1 Bil. Bl. 1v leer. Sign. Aij, Be Am Ende: Geptediget zu Eyssennach am Sontag vor der hymelfart Chaisti. / Anno M.CCCCCXXn). //

Titeleinfassung und Textlettern (insbesondere die charak- teristischen großen D und G, sowie die vielen über der Zeile stehenden Schlußpunkte) ergeben Jörg Nadler in Augsburg als Drucker.

[Augsburg, Jörg Nadler, 1523.]

Berlin.

be (2])

Ein Sermon: In d’ deüt/lich angezeygt, vfi gelert ist die pfaffen / Ee, in Euangelischer leer nit der / freyheit des fleyschs, vnd bekrefiti-/gen den alten Adam, wie etlich fleysch-/lich Pfaffen das Eelich wesen mit al-/ler pomp, Hoffart vnd ander teufels/werck anheben, gefundiert, aber das / Gottes werck vnd wort allein angese-/hen mit fo:cht vfi Chzistlicher beschey/denheit, auch die wirtschafft vollen/bacht, damit die feind des Euä/geliums vns schelten, vnd / Gottes wort lesteren, nit / gewsacht werden. // Doctor Jacobus / Strauß Ecclesiastes / Eyssenach. / M.D.xxiij, // Die Titelein- fassung (165: 115 mm, Schriftfeld 125: 74 mm) besteht aus vier Stücken. Sie weist unten zwischen zwei nach außen ge- richteten Füllhörnern einen Mannskopf auf. Seitlich kande- laberartige Aufsätze: l. unten drei ornamentale Männerköpfe, in der Mitte zwei sitzende Engel; r. eine um den unteren Teil der Säule geschlungene Schlange, ein Stück darüber Brüste und Köpfe zweier weiblicher Wesen, zu beiden Seiten oben je ein Engelskopf. In den Ecken der oberen Leiste Urnen, in ihrer Mitte eine Verzierung, die in zwei Köpfe ausläuft.

4%, 6 Bil. Bl. 1v und 6v leer. Sign. Aij. bis B..

Aus derselben Druckerei wie 4c und 8c.

[Straßburger Druck; 1523.)

Berlin München.

6d (22)

Ain Sermon In / der deutlich angezeygt, vnd geleert ist / die pfaffen Ee, in Euangelischer leer / nit der freyhayt des flayschs, vnnd / bekrefitigi d&ö alten Adam, wie et-/lich flayschlich Pfaffen das Eelich / wesen mit aller pomp, Hoffart vnnd / ander teuffels werck anheben, gefun-/diert, aber das Goteswerck vfi woıt / allein angesehen mit forcht vnd Chaist/- licher beschaydenhayt auch die wirt-/schafit vollen bracht damit die feind / des Ewangeliums vnns / schelten, vnnd Gottes / woıt lester&, nit / geursacht / werd. / 1.5.23./ D. Jac. Strauß Eyssenach eccle. // Die Titeleinfassung (176 : 122 mm,

118

Schriftfeld 108:69 mm) ist der Heinrich Steinersche Nach- schnitt einer Originalbordure von Melchior Lotter in Witten- berg. Die Originalbordure ist beschrieben bei v. Dommer Nr. 76, A. Götze Nr. 184, abgebildet bei Joh. Luther Tafel 12. Der Nachschnitt von Heinrich Steiner bei Joh. Luther Nr. 12*, ferner bei A. F. Butsch, dieBücherornamentik der Renaissance, Tafel 92 (doch hält Butsch, Erläuterungen 8. 71 die Einfassung fälschlich für das Original und weist sie zu Unrecht Georg n Offizin in Wittemberg zu. Vgl. schon v. Dommer

. 238).

4°. 6Bll. BI. 6 v leer. Sign. Aij bis B (statt der Signatur Bij irrtümlich nochmals Aij gesetzt).

[Augsburg, Heinrich Steiner; 1523.]

Dresden.

6e (23)

SERMO CHRISTIANISSI-/mus sup cöiugio sacerdotico / domini Jacobi Straus / in Eyssenach Ec-/clesiastis. // Heu ä tarda venit: vana ärela venit. // Titeleinfassung = von Dommer Nr. 136.

4°. 10Bll. Bl. 1vund 10vleer. Sign. aij. bis bijj. Am Ende: In Eyssenach / dfiica ante Ascensiond dfii Anno. M.D.XX ij. // Laxantur certis verba ligata modis. / M.C.T. KH.

Eine in den Einzelheiten freie lateinische rsetzung des deutschen Originals 6a, wie dieses von Ludwig Trutebul herausgebracht.

[Erfurt, Ludwig Trutebul; 1523.]

Berlin.

7. (24)

« Von dem ynner-/lichen vnnd ausserlichem Tauff / eyn Ch:istlych begründt / leer, gep:ediget durch / D. Ja. Straus / zu Eyssnnach / Ecclesiasten // Ch:istus / @ In der welt habt ir angst / Aber seyt getrost, ich hab / die welt vberwunden. // Titeleinfassung = v. Dommer Nr. 137; Joh. Luther Tafel 70.

4%, 8Bll. Bl. 1v und Bl. 8 leer. Sign. Aij bis Bjj.

Am Ende: Geprediget an der Auffart tag vnd am Suntag / her nach zu Eyssnnach, ym. M.D.XXiij. yar. // Getruckt ynn der loblychen Stadt / Erffurdt. ynn der Permenter gasßen, zum Ferbefaß. / ym Jar M.CCCCC. vnd XXiij. //

[Erfurt, Ludwig Trutebul; 14. und 17. Mai 1523.]

Berlin Leipzig Zwickau.

8a (25) « Widder den Si-/monieschen Tauff / vond erkaufften er- tichten / Chzissum vnd öl, zuch / wo:ynn die recht / Cristlich

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tauf / (allein Ch:i-/sto aufgesetzt) / begriffen sei / ein genotti-/ ge ser-/mon, geptediget zu Eissnach. // Chzistus. / In der welt habt ir angst. Aber seit ge-/trost, ich hab die welt vber- wunden. // D. Jacobus Straus. / Ecclesiastes. / M.D.XXiij. // Titeleinfassung = v. Dommer Nr. 137; Joh. Luther, Tafel 70.

4. 10 Bl. BI. 10v leer. Sign. Bund C.

[Erfurt, Ludwig Trutebul; 1523.)

Berlin Dresden Leipzig Zwickau.

8b (26)

Wider den symoneisch-/en tauff vnd erkauftfi / ertichten krysem vnd oel, / auch warin die recht cri-/stlich tauff (allain / Chzisto auffgsetzt) begrif/fen sey, ein genötige ser/mon, gepiedigett / Eysßnach. // d Christus. / d In der welt habt jr angst. aber seyt / getröst, ich hab die welt überwunden. // D. Jacobus Straus Ecclesiastes. / N [sic!) DXXijj. // Die Titel- einfassung ist die von Götze Nr. 86 beschriebene und dem Melchior Ramminger in Augsburg zugewiesene. Sie ist eine Nachbildung der bei A.F. Butsch, Die Büchereinfassungen der Renaissance I, Tafel 81 abgebildeten Bordure, die in der Offizin des Peter Schöfler zu Mainz Verwendung fand. Ein zweiter, von dem Rammingerschen verschiedener Nachschnitt findet sich auf dem Druck der Schrift Karlstadts ‚Von manigfeltig- keit / des eynfeltigen ey/nigen willen gottes“‘. Vgl. Freys und Bargl zu Nr. 102.

4°. 8 Bl. Bl. 8 weiß. Sign. Aij. bis Biij.

[Augsburg, Melchior Ramminger; 1523.]

Berlin Dresden München.

Sc (27)

Wider den Symo-/neischen Tauff vnd erkaufften er-/tichten Crysem väi öl, auch warifi / die recht Choistlich Tauff (alleyn / von Ch:isto vfigesetzt) be-/griffen sey, ein genötigt / Sermon, gepre/digt Ey/senach. // 1524. // Ch:istus. / In d’ welt habt jr angst. aber seyt ge-/tröst, ich hab die welt überwunden. / D. Jacobus Strauß Ecclesia. // Titeleinfassung (158: 99 mm, Schriftfeld 81:72 mm). In den Ecken die Embleme der Evangelisten mit Namen: oben r. Johannes, |. Lukas; unten |. Marcus, r. ist Matthäus als Mann (mit Flügeln) dargestellt, nicht sein Emblem. Zwischen den oberen Emblemen ein leeres Schild, zwischen den unteren ein geflügelter Engelskopf. Auf den Seitenleisten herabhängende Schnüre. Schraffierter Grund.

4. 10 Bil. Bl. 9v und 10v weiß. Sign. Aij bis Bu.

Aus derselben Druckerei wie 4c und 6b.

[Straßburger Druck; 1524.]

Berlin.

120

9 (28) | |

An den durchleushtigistenn / hochgebo:nd Fürstö vi herrn herrn Johanßen / Friderichen hertzogen zu Sachssen, Lant-/ grauen in Dhöringen, vfi Marckgrauen / zu Meyssen :c // Das nit herren aber diener eyner yedenn Chiist-/lichen versamlung zugestelt werdenn, beschluß-/reden vnd haupt artikel, wen gelüstet, mag sich / dar gegen hören lassen, wirt im sunder zweyfel / auff Euangelischer leer Chaistlich vfi biüderlich / gut bescheyd vnnd bewerung widerfaren. // d Chaistus die warheit vberwindet. // D. Jacobus Straus / Ecclesiastes. // M. CCCCC. XXiij. //

4°. 6 Bil. Bl. 1v und 6v leer. Sign. Aij bis B. Schluß der Vorrede Bl. 3v 2. 4: Datum zu Eyssennach am / Suntag vo: Joänis Baptiste. Im M.CCCCC. vnde XXiij yar. / E. F.:G. / Vntertheniger gehorsamer / Jacobus Straus Eccle-/siastes. //

Die Textlettern sind die gleichen wie beim Druck Nr. 6.

[Erfurt, Ludwig Trutebul, 21. Juni 1523.]

Berlin Dresden Zwickau.

10 (29)

« Ein ernstliche handlüg wider / eyn freuenlichen wider- sprecher des lebendi-/gen wort Gottes beschehenn In sant / Jo:gen kirchen zu Eyssennach. // Gott vnnßer Herr Chaistus, / lebt noch. // D. Jacobus Strauß. / Ecclesiastes. //

4°. 4 Bil. Bl. 4v leer. Sign. Aij. Bl. 1b bis 2a: „dinstag nach Margarete.“

Die Lettern sind dieselben wie im Druck 6a. Auch O. Cle- men, Luthers Briefwechsel 3, 278 Anm. weist unsern Druck Ludwig Trutebul zu.

[Erfurt, Ludwig Trutebul; nach 14. Juli 1523.]

Berlin Zwickau.

il1la (30)

Kurtz vnd verstendig leer, vber das wotıt. S. / Pauli, zu den Romern, der todt ist, der ist / sunden gerecht gemacht, fast dienstlich der gemeynent wochen, / so yn etlichen kirchen jn Francken, vnd Döringen, jerlich fur die / seelen gehalten. Darynn& das fegfeur gar verleschet, auch der / pfaffen vnd Münichen heyliger geytz getziert, vnd rechtge-/schafien ab- gemalet ist. / Ch:istus / Fur war sag ich euch, Der yn mich glaubet, der / hat das ewge leben. Johan: 6. // Eyssennach./ Doct' Jacobus Straus. // Darunter Holzschnitt (118: 90 mm).

4°. 12 Bil. Sign. Aij. bis Ciijj. Am Ende: Geprediget tzü Eysennach vfi dye gemeyn Seelen wochen / gehalten nach Sanct Michaels tag. jm. XX ij. //

Die Titellettern sind die von Wolfgang Stürmer in Erfurt verwendeten. —: Da in der gemeinen Woche am Montag nach

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Michaelis eine Commemoratio animarum abgehalten wurde, wird die Predigt an diesem Tage, d. h. am 5. Oktober 1523 gehalten worden sein. [Erfurt, Wolfgang Stürmer; 5. Oktober 1523.] Berlin Dresden Zwickau.

11b (31)

kurtz vnd verstendig leer, vber das / wo:t. 8. Pauli, zu den Römern, der todt ist, der ist / von sunden gerecht gemacht, fast dinstlich der ge-/meynen woche, so yn etlichen kirchen, in Francken / vnd Dözirnigen, vfi fast yn allen landen, yerlich fur / die seelen gehalten. Darynnen das fegefeur gar / ver- leschet, auch der pfaffen vnd Münichen / heyliger geytz getziert, vfi rechgeschaffen / abgemalet ist. // Christus / Fur war sage ich euch / Der yn mich glaubet / der hat das ewyge leben. Johan. 6. // Eyssennach / Doct: Jacobus Straus / Gedruckt tzu Eylenburgk durch Nicolaum Widemar. //

4°. 12 Bll. Bl. 12v leer. Sign. Aij bis Ciijj. Am Ende: Gepiediget zu Eyssennach vfi die gemein Seelen wochen / gehalten nach Sanct Michaels tag. Im . XXiij. //

[Eilenburg, Nicolaus. Widemar; 1523.]

Berlin Dresden Leipzig.

12 (32)

Eyn Sermon vber das / Euangelium Luce am .xix. Alls / Jesus dye stat Jerusalem ansach / do weynett ehr vber sy, wydder / die vndanckbarkeit aller men-/schen Gep:ediget zu Eysse-/nach. Afı. M.D.XXiij. // Chistg lebt vfi regmieret / Doctor Jacobus Strauß / Ecclesiastes. // Titeleinfassung A. Götze Nr. 76; Joh. Luther Tafel 60. Götze weist die Titeleinfassung dem Mathes Maler in Erfurt, Joh. Luther dem Wolfgang Stürmer zu.

4°. 6Bll. Bl.6vleer. Sign. Aıj bisB. Am Ende: Eyssennach.

[Erfurt, Wolfgang Stürmer, 1523.]

Berlin Dresden München.

(Schluß folgt im nächsten Heft.)

Zwei unbekannte Eheentscheidungen Luthers.

Veröffentlicht von Hans Volz.

Der zweite Teil der Handschrift der Berliner Staatsbibliothek Ms. Lat. Quart. 905, der von unbekannter Hand im 16. Jahr- hundert geschrieben ist und wahrscheinlich aus Joachimsthal in Böhmen stammt, enthält zahlreiche auf Ehefälle bezügliche Gutachten und Entscheidungen der Reformatoren aus den Jahren zwischen 1527 und 15441). Ziemlich gegen Schluß der Handschrift (Bl. 191b—193a) finden sich noch unbekannte Entscheidungen Luthers über zwei Ehefälle, die im folgenden erstmalig abgedruckt werden. Die erste, die die Frage der Gewalt eines Vormundes in Ehesachen behandelt, ist nicht näher datierbar. In zwei Tischreden aus dem August 1540 und dem Winter 1542/43 hat sich der Reformator darüber in ähnlicher Weise ausgesprochen?). Ob der Hinweis auf die beiden Stellen des Codex Justiniani auf Luther selbst oder nicht vielmehr auf einen Juristen zurückgeht, läßt sich nicht entscheiden. Bei dem zweiten Stücke handelt es sich um die Gültigkeit des heimlichen Verlöbnisses einer Witwe. Daß dieser Ehefall vermutlich in das Jahr 1539 oder 1540 gehört und sich in Magdeburg abgespielt hat, scheint die Erwähnung der beiden Theologen Johann Agricola und Nikolaus von Amsdorf zu ergeben; denn wenn es in dem Berichte heißt: „Islebius . . . praeerat huic negotio‘‘, so bezieht sich diese Beınerkung offenbar auf Agricolas Stellung als Mitglied des Wittenberger Konsistoriums. Ir dieser Eigenschaft war er wohl der Sachbearbeiter dieser Angelegenheit. In das Konsistorium wurde er nun am 7. Februar 1539 berufen und gehörte ihm bis zu seiner Flucht aus Sachsen (ca.15. August 1540) an®). Ferner legt die Tatsache, daß auch Amsdorf, der von

1) Die genaue Beschreibung und Inhaltsangabe dieser Handschrift vgl. ARG Bd. 29 (1932), S. 99ff., bes. 106—108 und 113—115.

2) Vgl. Weimarer Ausgabe, Tischreden Bd. 4, Nr. 5188 und Bd. 6, Nr. 5561.

3) Vgl. G. Kawerau, Johann Agricola von Eisleben (Berlin 1881), S. 199.

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1524 bis 1541 als Pfarrer in Magdeburg amtierte, mit diesem Falle befaßt wurde, den Schluß nahe, daß es sich dabei um eine Magdeburger Angelegenheit handelte.

I. (Bl. 191b) Casus matrimonialis.

Cum consuleretur de casu matrimoniali Lutherus, hoc est, an puella nubilis deberet priori nubere sua sponte aut alteri coacta a tutore, respondit: Priori. Nam potestas parentum et tutorum habet magnam differentiam. Parentes habent po- testatem in corpus, sed tutor saltem in opes et pecuniam. Sic casus apud Peucenses (?), ubi vi cogunt tutores, ut alteri nubat, cum priorem iure debuisset habere, atque fuit nubilis. Vide L. 8C. ‘De nuptiis’ Imp. Gordiani!), item L. iunge L. ‘Viduae’ C. eodem?).

: II.

(Bl. 191b—193a) An vidua filia possit nubere invitis parentibus M.L.

Adolescens ducturus viduam iuvenculam. Ea sollicitata saepius sub conditione (hoc est, si pater consentiret) pro- mittit ei matrimonium. At cum is suae cuusae diffideret, non ausus fuit convenire parentes viduae. Re igitur infecta discessit ad tempus. Reversus iterum compellat viduam dicens: „Si tibi pleceo, pure mihi pollicere te mihi velle nubere. Nam feruntur mihi conditiones aliae de divite et nobili puella.‘ Vidua victa zelotipia et ne excideret proco, dat ei fidem ma- trımonii sine exceptione. Is contractus spargitur, fiunt spon- salia, pater viduae vocatur, is interesse non vult sponsalibus. Islebius, qui praeerat huic negotio, casunı defert ad Lutherum. Is ad relationeım Agricolae approbat contractum propter hanc rationem, quia vidua sit filia emancipata et facta alia caro, cum venisset in manus prioris mariti. De eodem casu ablegatur et pastor Magdeburgensis ad Dominum Lutherum. Is exposuit circumstantias: patrem viduae suam interposuisse auctoritatem; viduam se sua sponte subiecisse patri eumque elegisse a morte mariti tutorem, accepisse a patre mandatum,

1) Codex Justiniani lib. V, tit. 4 (,‚De nuptiis“), c. 8: „In copu- landis nuptiis nec curatoris, qui solam rei familiaris sustinet ad- ministrationem, nec cognatorum vel adfinium ulla auctoritas potest intervenire, sed spectanda est voluntas, de cuius coniunctione tracta- tur“; Corpus iuris civilis Bd. 2: Codex Justiniani, hrsg. von P. Krüger (9. Aufl. Berlin 1915), S. 195.

s) Lib. V, tit. 4, c. 18 (S. 196).

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ne se nesciente alteri nubat, et fillam ın haec omnia consen- sisse. . His auditis Lutherus: ‚Ego dico, quod illa sponsalia non sint rata.. Nam filia vidua se subiecit de integro patri.‘“ In hanc sententiam pronunciarunt etiam alii theologi. Sed adolescens nihil moratus haec omnia petit ab Ambsdorfio Superintendente, ut publice proclametur. „Außbieten“, sagt der Licentiat Amsdorf, ‚„kahn man niemand wehren, weil mir niemand noch zur zeit einred gethan hat.“ Pater autern viduae noluit interdicere proclamationem fretus sen- tentiis doctorum. At adolescens ope alterius consulis, qui susceperat eius patrocinium, in odium alterius politi cupita, cum nemo proclamationi sese interponeret. Sed triennio post in itinere moritur.

Ein Brief Sigismund Päminger’s an Paul Eher.

Von Georg Buchwald.

Haußleiter schließt seinen Aufsatz „Ein Wort Luthers an Leonhard Päminger in Passau‘ (Beitr. zur bayr. Kirchengesch. 4, 124ff.): „Die Beziehungen Pämingers zu den Wittenberger Reformatoren sind noch weiter zu erforschen.“

Wir teilen im folgenden einen Brief des Sigismund Päminger, des jüngeren Bruders Sophonias mit, der 1546 in Wittenberg inskribiert wurde. Im Original ın Gotha Ch. A. 123 Bl. 485.

[Versichert Eber seiner unverbrüchlichen Dankbarkeit, übersendet eine Komposition seines Vaters und empfiehlt zwei Straubinger Stadtkinder.]

Reverendo nec non clarissimo viro D. Paulo Ebero Sacrae Theologiae Doctori Ecclesise Witebergensis vigilantissimo praeceptori suo plurimum colendo ac ut parenti carissimo Witebergae.

S. Vetus est mimi sententia, Cjarissime Djomine Djoctor ac praeceptor perpetua observantia colende: Ingratum si dixeris, dixeris omnia vitia. Et Sophocles ait: virum bonum decet beneficii meminisse grato pectore. Nam gratis semper gratiam bonam parit. Sed siquis obliviscitur beneficii, quod accipit, generosus vir hic nunquam erit!). Ego autem cum in omni vita ab omni vitio abhorruerim, non committam, ut nunc turpissimo obnoxius dicar vitio._ Quamobrem sic vellem de me Tıua E,xcellentia iudicet, duod, etsi nec rerum copia nec splendidis verbis Tıuae Eıxcellentiae gratiam pol- liceri queam, tamen summo studio id conaturus sum, quo anımum memosem et Tjuae Eıxcellentiae deditissimum sem- per habeam. Quod enim referre nequeo, id sempiterna mente meminisse volo.

Ago igitur Tiuae Rjeverentiae gratias pro innumerabilibus in me et in eos, quos Tjuae E,xcellentiae commendavi, bene- ficiis collatis, donec maior occasio declaraudi gratum meum animum erga Tjuam Eyxcellentiam se obtulerit. Rogoque, ut hos duos iuvenes nostros una cum psalmo ‘Beati omne#’ ıc.

!) Sophocl. Aj. 520.

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a dulcissimo meo patre nuper composito Tjuae Eıxcellentise repraesentantes literas, quorum unus prudentissimi nostri consulis viri piissimi Leonarti Schwarzen, alter vero heinc mortui cuiuspiam concivis nomine Stromayr filius fuit!), commendatos habeat et consulem nostrum voti compotem reddat. Hoc enim modo non solum nobis, verum etiam pru- dentissimo nostro toti senatui Tjua Eıxcellentia gratum faciet. Deus opt. ter max. pater Domini et salvatoris nostri Jesu Christi Tiuam Eyjxcellentiam nobis diu superstitem, salvum et incolumem, ut Ecclesiae et Reipublicae praeesse et prodesse possis, conservet. Amen.

Bene et foeliciter, Cjarissime Djomine Djoctor, una cum pudica tua coniuge honestisque tuis liberis vale et familiam Pämingerianam amore, ut hactenus fecisti, prosequi perge measque has indoctas et illiteratas literas ut Tjua Eıxcellentia aequo animo ferat et accipiat, obnixe oro. Datae Straubingae in die S. Matthiae Apostoli?2) Anno millesimo quingentesimo sexagesimo secundo.

Tıuae Rıeverentiae Cjarissimae deditus Sigismundus Päminger Patavinus?).

1) Alb. Vit. 2,302: David Schwartz, Strubingensis (11. März 1562) und Georgius Strömeyer Strubingensis (19. März 1562).

2) 24. Februar.

9) Aus Passau.

Elf Briefe und Aktenstücke über das RBeligionsgespräch in Regensburg von 1546.

Von Heinrich Nebelsieck.

Über das Religionsgespräch in Regensburg von 1546, das von vornherein zur Ergebnislosigkeit verurteilt war, weil Karl V. mit der Veranstaltung nur seine Rüstungen gegen die Protestanten verschleiern wollte, sind wir im allgemeinen gut unterrichtet. Schon bald nach dem Scheitern der Ver- handlungen erschienen Darstellungen von evangelischen und katholischen Teilnehmern. Sie waren veranlaßt durch das Bestreben, die Schuld an der Auflösung der anderen Partei zuzuschieben. Noch Ende April 1546 erschien ein Brief des Provinzials der Karmeliter in Köln, Eberhard Billick: Epi- stola E. B. continens progressum colloquii Ratisponensis ad cives Colonienses (deutsche Übersetzung bei Neudecker: Merkwürdige Aktenstücke aus der Reformationszeit, Kassel 1836, S. 787 ff... Auf Grund des Karl V. erstatteten Berichts der Präsidenten des Gesprächs und der katholischen Abge- ordneten wurde 1546 in Ingolstadt herausgegeben: Actorum colloquii Ratisponensis ultimi, quomodo inchoatum ac de- sertum, quaeque in eodem extemporali oratione inter partes disputata fuerint, verissima narratio. Jussu Caes. Maie- statis conscripta et edita. Von Martin Butzer haben wir eine kürzere und eine längere Darstellung: a) „Ein warhaffter berichte vom Colloquio zu Regenspurg, dis jars angefangen, und in dem abzug der Auditoren und Colloquenten die von Fürsten und Stenden der Augspurgischen Confession dahin verordnet waren.‘‘ Straßburg 1546 (bei Hortleder: Ausschreiben etc. von den Ursachen des teutschen Krieges. Frankfurt 1617 1 Cap. 41, S. 382ff.). Ferner: b) „Disputata Ratisbonae in altero colloquio Anno XLVI etc. 1548. Zu den Quellen- schriften gehört auch Georg Major „Kurzer und wahrhaftiger Bericht von dem Colloquio‘‘ (bei Hortleder a. a. O. S. 361ff.)

Die letzte zusammenfassende Darstellung des Gesprächs verdanken wir Hermann von Caemmerer: Das Regensburger Religionsgespräch im Jahr 1546. Dissertation, Berlin 1901,02,

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77 Seiten. Außer den genannten Quellenschriften sind in dieser Darstellung die bis 1900 erschienenen Veröffentlichungen, besonders der sehr wichtige „Briefwechsel Landgraf Philipps des Großmütigen von Hessen mit Bucer“, herausgegeb. und. erläutert von M. Lenz, drei Bde. Leipzig 1880—91 (hier kommt Bd. II in Betracht), und reiches Aktenmaterial (Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien) verarbeitet. v. Caemmerers Dar- stellung wird ergänzt durch zwei Veröffentlichungen in dieser Zeitschrift. Im Jahrgang 5 erschien der „offizielle Bericht der von den Evangelischen nach Regensburg Verordneten‘“, herausgegeben von F. Roth, nach einer Augsburger (bzw. Straßburger) Vorlage; I und II, S. 1-30, 375—397. Im Jahrgang 7, I und II, S. 135—184, 294—347 veröffentlichte V. Schultze das ‚Tagebuch des Grafen Wolrad II von Waldeck zum Regensburger Religionsgespräch 1546°. Die beiden Ver- öffentlichungen sind sehr wichtig.

Die nachstehend mitgeteilten Briefe bringen nichts wesent- lich Neues. Vielleicht ist aber ihre Herausgabe durch das ihnen eignende persönliche Gepräge nicht unangebracht. Wir sehen, wie sich die erregenden Verhandlungen in der Seele der Schreiber spiegelten. Sie sind dem ehemaligen Waldecki- schen Staatsarchiv (jetzt in Marburg) und dem Briefwechsel des Landgrafen Philipp von Hessen, das Regensburger Reli- gionsgespräch betreffend (ebenfalls im Staatsarchiv zu Mar- burg) entnommen*).

1. Landgraf Philipp von Hessen ‘an den Grafen Wolrad von Waldeck!). 1545. Oktober 14. Kassel. Abschrift. Waldeckisches Staatsarchiv (Marburg). A. 338, J. 20. Der Landgraf beruft den Grafen zur Teilnahme an dem

Religionsgespräch.

Unsern gunstigen grus zuvor. Wolgeborner, lieber oheim und getreuer! Nachdem die Rhomische Keyserliche Majestat, unser allergnedigster her, uff nechst zu Wormbs gehaltenem reychstag zu vergleichung der streittigen religion ein ge- sprechstag oder colloquium etzlicher vornemen theologen gegen Regenspurg den ersten Decembris schirstkunftig zu halten verordent?), und dan die religion und eynungsverwantten stende vor gut bedacht und verabschiedet?), das von unsernt- wegen auch ein auditor zu solchem colloquio verordent werden

*) Bei der Wiedergabe des Textes habe ich im wesentlichen die Bestimmungen der Historischen Commission der Provinz Sachsen (Jahrbuch Sachsen und Anhalt Bd. 7) befolgt. In Zweifelsfällen ist die ursprüngliche Schreibweise beibehalten. Das Datum gebe ich nur in der Überschrift.

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solte, auch aus allerley ursachen hierzu euer person vor andern tauglich bedacht, demnach so ist an euch unser gnedigs be- geren, ir wollet zu solchem christlichen werck und vorhaben euch von unserntwegen geprauchen zulassen unbeschwert sein und euch allenthalben dornach achten, darmit ir uff ferner unser erfordern neben einem unsern theologen, wilchen wir euch zu solchem tage*) furderlich erheben und uff ob- benante zeit zu Regenspurgk gewislich einkomen moget. Hieran tut ir ein christlich und Got dem Hern angenemes werck, so wollen wir auch gegen euch solchs in gnaden erkennen.

2. Graf Wolrad II und Johannes Pistorius*) an Landgraf Philipp. 1545. Dezember 23. (Mittwoch nach Thomae Apostoli). Regensburg. Abschrift im Wald. Staatsarchiv (Marburg). A. 38. Colloguium zu Regensburg, J. 5. Original im Marb. Staatsarch. Politisches Archiv Philipps des Großmütigen, 863.

Ankunft in Regensburg. Es sind nicht noch die sämtlichen evangelischen Abgeordneten eingetrofien. Von den katholischen . Teilnehmern hat sich erst Hoffmeister eingefunden. Die evan- gelischen Abgeordneten vermuten, der Kaiser wolle in Regens- burg nur über Generalia verhandeln lassen und dann alles

rige vor das Trienter Konzil bringen.

Gmnediger furst und her! Euer Fürstliche Gnaden durffen wir undertheniglich nit verhalten, das wir den 17. dieses mo- nats zu Regenspurg mit Gottes hielf ankomen und doselbst aus den unsern niemants funden, wie den auch noch auff den heuttigen tag, dan von wegen des von Wirttenberg den eren- vesten Philipsen Giltebergen®) und D. Erhartten Schnepffe®), dorzu aus den gelertten Martinum Bucerum’?) und Martinum Frechtum vonn Ulm®), auch Johannem Brentium von Schwe- bischen Hal®?). Von der widderpart ist gar niemants hie, den der Augustiner-munch, Hoffmeister!®) gnant. Derhalben, Euer Fürstliche Gnaden, wir noch nichts sonderlichs von dem colloquio berichten konnen. Es haltens aber die unser dovor, dweil man also langsam ankumbt und Kayserliche Majestät so hefftig uff das concilium zu Trient dringt, wilchs aus seinem bevellich uff ein neues sich versamblet und erhebt, das man allein generalia als von der kirchen und irer gewalt ein wenig tag alhie handeln werde, dovon ein ursach zunehmen, alle sachen uff das concilium zu Trient zu schieben und die unsere doruff zu vociren. Zu wilcher meinung die unsere nicht wenig bewegen etliche schrift, so aus Rom dem Vito Theodoro!!),

*) In der Abschrift fehlen einige Wörter. Vielleicht hatte der Landgraf geschrieben: „‚mitsenden werden“. Archiv für Beformationsgeschichte. ZXXII. 1/2. 9

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prediger zue Nurnberg, geschrieben, wilcher brieve exemplar wir Euer Fürstlichen Gnaden hiemit auch uberschicken, dorin Euer Fürstliche Gnaden allerley zu bedencken finden werden. Es begert auch neben uns D. Bucerus von E. F. G. ein instruc- tion, weß man sich im colloquio halte.

Diß haben E. F. G. wir, (die hiemit Christo dem Hern in furstlichen stand und aller wolffart bevollen), undertheniglich nit verhalten sollen. Dero wir in underthenigkeit zu dienen gneigt und gevhließen sein.

E. F. G. Wolradt zu Waldeck, Johannes Pistorius, Niddanus.

3. Landgraf Philipp an Graf Wolrad und Johannes Pi- storius!2). 1546. Januar 30. Frankfurt. Original. Wald. Staatsarch. (Marburg). A. 38, J. 11.

Das Schreiben vom 18. Januar ist eingetroffen. Butzer wird ihnen die Antwort des Landgrafen auf seinen Brief mit- teilen. Wenn Wolrad oder Pistorius etwas Neues aus Italien oder von dem Konzil erfahren, sollen sie es mitteilen.

Den wolgebornen und hochgelerten unsern lieben getreuen Walraben, graven zu Waldeck, und Johanni Pistorio, pfarher zu Nidda, itzo zu Regenspurgk.

Philips von Gotts gnaden landgraf zu Hessen, grave zu Catzenelnpogen.

Unsern gnedigen gruß zuvor! Wolgeborner, lieber oheim und hochgelerter lieber getreuer! Wır haben euer schreiben, des datum steht Regenspurg den 18. Januarii, so ir an uns gethan, entpfangen und verlesen. Was wir nun dem Bucero auf sein schreiben!?) gewiderantworttet, des wirdet er euch ane zweifell auch vorstendigen. Und ist unser gnedigs be- geren, wo ir was von neuen zeitungen aus Italia oder des Thrientischen concilii halben erfuhret, das ir uns solchs zum furderlichsten verstendiget. Daran tut ir uns ein sond(erliches) gnedigs gevallen, und wir wollens uns also zu euch, denen wir mit gnade geneigt sein, versehen.

4. Graf Wolrad an den Bischof Franz von Münster!*). 1546. Januar 18. Regensburg. Abschrift Wald. Arch. A. 38, G. 2. Die in Regenburg eingetroffenen evangelischen und katho- lischen Teilnehmer an dem Religionsgespräch. Mitteilungen auseinem Briefe des Kurfürsten von Sachsen. Die evangelischen Abgeordneten haben den Präsidenten, Bischof von Eichstätt, um die Eröffnung des Gesprächs gebeten. $o viel das christliche Gesprech belangd, mag ich diß E. F. G. vorwissen zu schreiben: Es seint alhier von wegen hertzog Ulrichs von Wirttenberg Baltzar Gultinger, ein ehrlich

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und trefllich vom Adel, und doktor Erhardt Schnepff, in vor- zeitten unsers gnedigen hern zu Hessen lang zeit prediger, und seint die beide bey sieben wochen alhir gelegen!). Von Schwe- bischhall Er Johan Brencius, ein fromer, gelertter, hat diß han- dels bey die 8 wochen erjart (?), Martinus Bucerus von Straß- burg, wilche dem Pistorio und mir von wegen unsers gnedigen fürsten und hern landgraven von Hessen auch zu(ver)ordnet, sampt uns beiden in die fünften wochen mit Martino Frechto von Ulm alhir gewest. Es ist auch von wegen der Kay. Mat. her Mauritz von Hutten!®), bischof und furst zu Eystadt, alhir etliche zeit gewest. Gleichfals ist in wenig tagenn er Julius Pflug”) und graf Fridderich von Fürstenberg!®) an- komen. Wilche aber die colloquenten, auditorn und adjunkten seien uff jenen seitten, weiß man noch nicht aigentlichs, wiewol man sagt von großer anzal der auditorn uff jenem teil!8). Aber collocutorn helt man darvor, sollen sein ein monich von Colmar!®), provintial Augustiner ordens, Johan Hoffmeister gnant, ein tuckischer lecker, wie ihn die unsern kenen, item er Johan Billick von Coln, ein Carmeliter, und wo sie sunsten etwan einen vonnutzen finden kondter. Dan sie lassen sich horen, sie konen personen gnug bekomen, wiewol man aus vielfeltigen anzeigung vermirckt, das sie, so es mit halbem glimpff zuginge, das colloquium gern detractiren wolten und die sach gein Trent schieben, vor das, wie sies nennen, con- cilıum, wilchs alles E. F. G. hirnechst weitter wol vernehmen werden.

Und das ich E. F. G. nit zu lang uffhalte, wil ich E. F. G. diß in summa anzeigen, das erst decimas Januarii mein gne- digster her der churfurst zu Sachsen an uns allesampt audi- tores, collocutores und adjuncten ein schrifft getan?®), dorin sich seiner ch. f. g. entschuldigen, das sie noch zur zeit nit haben her geschrieben, item, daß sein, ch. f. g. sich nit eigent- lich vermutet haben, ob das gesprech hir zu Regespurg hat sollen sein, item, daß sein ch. f. g. Philippi Melancth(onis) nit entroden konen oder dißmal schicken wurden, und ent- lich, daß sein ch. f. g. erdulden konne, daß diejenigen, so von unsern seiten alhir weren, das gesprech anfıngen, doch unvergreifflich mit weitter inhalt. Auch haben sein ch. f. g. ein gleichlautende schrifft an den bischof von Eystadt auß- gehen lassen.

Darauff haben wir heut dato dieser die heren Baltzar Gult- lingen, den Butscher und mein collegam Pistorium an praesi- denten von Eystadt geschigkt, uns zum gesprech gefast und willig, wiewol die churfurstschen und Nürnbergschen noch nit ankomen, anzeigen lassen und des colloquii eroffnung be- gert®). Is: mir insonderheit sampt den andern die antwort

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worden, der bischof wers vor sein person willig, aber er wolle sich mit seinen mitverordenten besprechen und alsdan furdern lassen, wilchs nit zu frue gescheen wird, wie es die unsern an- sehen. Got verleihe sein gotlich gnad, auszurichten, was ihm gevellig! Sunsten versiehet sich von den unsern niemantz nichts gutßB zu diesem gesprech —.

5. Graf Wolrad und Johannes Pistorius an den Landgrafen Philipp. 1546. Februar 11. Regensburg. Original. Mar- burger Staatsarchiv, Politisches Archiv Philipps des Groß- mütigen. Regensburger Gespräch 1546, Nr. 863. Bezugnahme auf einen beiliegenden Bericht Butzers über

den Beginn des Gesprächs. Bitte um Genehmigung des Be- schlusses betr. Aufbewahrung der Akten. Anfrage, wie sich die protestantischen Abgeordneten verhalten sollen, wenn eine von den Präsidenten erwartete kaiserliche Resolution andere Anweisungen als die Wormser Prorogation enthalten sollte. Da die katholischen Colloquenten die Verhandlungen in die Länge ziehen, auch die 1541 in Regensburg verglichenen Artikel wieder in die Erörterung hineinziehen, möge der Land- graf mitteilen, ob das Gespräch, falls die Gegner ihr Verhalten nn mit Protest abgebrochen oder weitergeführt werden solle.

Durchleuchtiger, hochgeborner furst, gnediger herr! Wie sich die handlung seint unserm nehsten an E. F. G. getain underthenigen schreibenn des colloquii halbenn weitter zu- _ getragenn, und welcher gestalt demselbigen ein anfangk ge- macht, das haben E. F. G. aus deß hochgelerttenn hernn Martini Buceri benebenn schrifftenn underschiedlich gnedig- lich zuvernehmen®). Und weil dan E. F. G. doraus under andern auch befinden werdenn, das wir nach vhleißiger hand- lung und anhalten die sach mit den notarien und auffschreibenn der acten bey den verordenten keyserlichen praesidenten nit weitter bringen und anderß nit erhalten konnen, dan das die acta sollenn verschlossenn auff dem raithauß beinander pleibenn upd verwart werdenn, und wir solchs allaın vor unser personn biß auff E. F. G. und der andern derselbigenn mitverwandtenn auditoren und colloquenten, gnedigen hern und obern weitter resolution und bewilligung, das colloquium dardurch zum anfang zu furdern, angenohmen und vornemb- lich dorumb, daß E. F. G. und den andern der Augspurgischen confession verwandtenn nit zugemessen, als ob vergebliche behelff, das colloquium zu verhindern, gesucht wurden, weil es ein gleich ansehenn hat, das kain teil, auch die keyser- lichen praesidenten selbs nit ohn das ander zu den acten komen kenn, zu dem, das sie auch auff dem raithauß alhie verwart

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sein, wilche dem evangelio zugetan und also E. F. G. und derselbigen verwandten ein gleichmeßiger zutrit zu densel- bigen sonder zweivel zu jder zeit gestattet wurdt. Wen wir aber dennoch in solcher unser verwilligung außtruglich be- dingt und vorbehaltenn, E. F. G. und den anderen unsern gnedigen hernn hiemit nichts zubegebenn, und nicht gern weitter schreihten woltten, dan was von E. F. G. uns hierauf gnedig bevollen wurdt, so bitten wir undertheniglich, E. F. G. wolten uns derselbigen gemuet und meinung, und ob wir auff die angestelten weise ferner furtfaren sollen oder nicht, gnedig- lich zuerkennen gebenn.

Zum andern, weil auch die keyserlichen praesidenten sich vernehmen lassenn, das sie von Keyserlicher Maiestat einer resolution gewertig und diese handlung auch nit ferner dan auff dieselben resolution bewilliget, so bedenken wir, das es sich leichtlich zutragenn kond, das ein keyserlich resolution vorbracht und die sachen dorin auff andere wege vorzunehmen und zurichtenn bevollen wurde. Do nun dieselbigen dem vor- genomen wege und der Wormbischenn prorogation vhleicht gantz ongemeß sein und von den keyserlichen praesidenten dennoch dorauff gedrungen werden mocht, so bittenn wir underthenig, E. F. G. wolten uns auch gnedig berichten lassenn, wie wir uns auff demselbigen fal halten sollen.

Zum dritten, so vermercken auch E. F. G., das die widder- wertigenn collocutoren die sachen vast onschiedlich und zum weitleufftigstenn angefangenn. Dorumb dan bey uns weniger dan nichts vormutlich, das sie sich in dem wenigsten articul mit uns vergleichen, sondern soviel ihnenn immer zuthun muglich sein wurdt, bevhleißen und understehen werdenn, die sachenn weitleufitiger und dunckler zumachenn. Wie dan ihre person E. F. G. zum teil bekandt sein, daß ihrenthal- benn gantz unfruchtbar das colloquium in die leng auffzehalten und mit großenn uncostenn alhie ihrer alter ongerumpter sophisterey abzuwarttenn, und sonderlich weil sie die vor- nembsten articul der justification so weit werfienn und widder die helle clare text der heiligen geschrifft auch die vorige albereit alhie auff dem vorigenn colloquio bescheen conciliation und vergleichung widderumb gantz streittig machenn und das vorige gentzlich zuzurutteln sich understehenn durffenn.

Die sachsiche churfurstlichen gesandten, Doktor Lauren- tius Zoch und Doktor Georgius Maior, habenn ein instruction vom churfürsten mit raith D. Philippi zu Torga gestelt, in welcher der churfurst im gefallen lest, das colloquium mit einer formlicher und ansehnlicher proteststion bey diesem articul abzuschneittenn. Weil wir aber dorgegen den articul keyserlicher prorogation zu Wormbs semptlich miteinander

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bewogen und dorin 'austruglich befindenn, das diß gantz colloequium uff ein relation gericht, das die verglichen und onverglichen articul uff Key. Mat. und der gemeinen stende ferner erwegen und vergleichung stehet, so tragenn wir die vorsorg, das von E. F. G. wegen wir der ursach halb und do wir uns gleich mit deß andern teils colloquenten in einem oder mehr articuln nit vergleichen mochtenn, mit gutem ansehen, fug und glimpff es nit abschneidenn mugen, dag bequemer und E. F. G. und derselbigen verwandtenn mehr limpffe geben solte, die sach dermaßenn zutreiben und elben zuvolgen, biß das ander teil etwo wichtige ansehnliche und erhebliche ursachen gebe, das colloquium abzuschneiden, oder das sie solchs selbst thun und also E. F. G. und derselbigen verwandten so viel mehr gHiimpffs zuerhaltenn hettenn.

Domit wir aber in dem nit zuviel oder zu wenig thun, so bitten wir underthenig, E. F. G. wolten uns, was in dem E. F. G. gevellich, zuerkennen geben. Demselben nach wollen wir uns mit gotlicher hielff und underthenig wissenn zuer- zeigen. Und weil dan von uns allen, so von E. F. G. und der- selben verwandten anher zu dem colloquio verordent, sempt- lich vor bequem angesehen worden, das bey E. F. G. wir und dan die andern auch bey ihren gnedigsten und gnedigen fursten und herrn und obern der angerurten articul halbenn gnedige resolution und bescheidt erholen solten, und sich zutragen kond, das wir oder etliche underr uns ungleiche bevellich be- komen mochten, also das etzlichen under uns von ihren gne- digsten oder gnedigen herrn bevollen wurde, mit dem colloquio zuvorharen, dem andern aber dasselbig abgeschnitten, so bitten wir underthenig, uns gnedig zuverstendigeun, wie wir uns auff dem fal haltenn, und ob wir unß mit den merern vergleichen sollenn.

Solchs alles haben wir E. F. G. nit verhaltenn durffen, dweil gemeiniglich von allen der Augspurgischen confession anhengig alhie zu Regenspurg sein beschlossen, das ein jder solchs seinen gnedigsten oder gnedigen hern und oberen zu- erkennen gebenn soll, uff das man bescheidt bekome, weß sich weiter einzulassen seie.

E. F. G. hbiemit Got dem Hern in gluckseligem furstlichem regiment bevellen, der wir uns schuldig und willig under- thenig zudienen erkennen.

6. Landgraf Philipp an Graf Wolrad. und Johannes Pisto- rius. 1546. Februar 21. Spangenberg. Orig. Wald. Arch. A. 38, J. 12. Abschrift Staatsarchiv Marb. 863.

Der Landgraf hat ihren Bericht vom 11. Februar über den

Beginn des Gesprächs erhalten. Er teilt seine Ansicht über

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verschiedene Punkte des Schreibens, Aufbewahrung der Akten usw. mit. Man solle vor allem über die Mißbräuche in der katholischen Kirche verhandeln und nicht über die Fragen, über die man sich bereits 1541 in Regensburg geeinigt hätte.

Unsern gunstigen gruis zuvor. Wolgeborner, such wol- gelerter lieber ohem und getreuer! Euer an uns gethanes schreiben, wilchs zu Regensburg den XI. dis monats gegeben, haben wir sampt der handlung des colloquii halber ergangen und wie dem ein anfang gemacht, enntpfangen und inhalts verlesen.

Und auff den ersten art(ikel) euers schreibens, verschlißung der acten halben®®), hetten wir leiden mogen, das es dahin gericht, das beide teil abschrifft genommen hetten, was allen tag gehandelt wer worden. Weils aber nicht beschehen, lassen wirs dißmals auch darbey wenden. Doch das mann nochmals dahin hanndle, das man abschrifft hab umb zu kunfftiger ge- dechtnus willen, was da gehandelt, und so es zum concilio oder thetlichen hanndlungen keme, das man wuste, wes man sich da erpotten hette. Wer aber uffm tag zu Wormbs die sach des gesprechs halben anders beschlossen, so ist unser rath, das mann dabey pleibe und sich uff kein anders furen lasse. Do auch zu Wormbs inn abschidt beschlossen, das mann beiden teiln copien der acten geben solt, oder wer also im gesprech zu Regensburg gehalten, so wollet euch davon auch nicht furen lassen.

Uff den andern art. euers schreibens verstehen wir nicht, was ihr meinet mit dem wortlin prorogation, ob ihr damit . meynet den letzten abschidt zu Wormbs oder die weise des gesprechs, so sie bevor zu Wormbs gehalten (darumb, wan ihr mehr schreibet, so wollet besser und clarer schreiben). Meinet ihr den abschidt, das ihr dan dabey pleibet, sovil das gesprech belangt, wie unsere freunde das bewilligt und an- genommen haben, der keiser resolvire sich gleich, wie er wolle, dan solts die meynung haben, wan man ein abschid mechte und dan allein uff die kay. resolution stehen, wer in alweg beschwerlich. Wurden aber der andern churfursten, fursten und stenden zum gesprech gesandte oder das mererteil der- selbigen ein besser bedenncken haben, so sindt wir das auch zufrieden.

Uff den dritten art. euers schreibens wolten wir, das ir pleiben weret und gar nicht in disputation gelassen hettet in den art., so zu Regensburg verglichen sind®*), und in den andern furt- gefaren weret, wie wir dann halten, das solchs der Wormische abschiedt vermag. Und wer uns noch vill lieber, das man hett die disputation oder gesprech dermaßen angefangen oder noch anfınget und sagtet, wie sie wolten ire große mißbreuch

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veranntworten, das sie abloß verkauft, vigilie und sehlmeß umb gelt halten, zu walfarten und bilder gnade und abloß geben und die mit wachs versigelden, das man da hilff und trost in suchen, irer canonen, do sie so vil uff bochten, gar nicht gelebten, einer zwei oder drei bischtums hette, das sie in hurerei, symoney und anderm gotslesterigem leben Iygen, das inen dann Gots wort und ire canones uffs hochste verpiten. Da musten sie richtig antwort geben und konnten nicht sovil logica und sophisterei brauchen, wie sie in den artikeln des glaubenns tun. Darumb were unnser bedencken, das ihr in verglichen art. kein weither disputation hiltet und uff die dinge ginget.

Sovil aber betrifft euer abreysen, wollen wir nicht rathen, das ihr dazu ursach gebet, dieweil der abschied das vermag, was da gehandelt, das man Kays. Mat. und den stenden re- lation thun solle. Im fahl aber, so die andern semptlich alle oder das mererteil under inen etzwas vor besser ansehen, so sollet ihr euch darvon auch nicht abscheiden.

Aber in summa, uns deuchte, das dis der beste weg were, das ihr pliebet in dem modo, wie zu Wormbs des gesprechs halben, so zu Regensburgk gehalten solt werden, verglichen und verainigt ist, und das der abschidt mit bringt, und die verglichen art{ikel) nicht wider in disputation furen lasset, es wer dann, das unsere gelerten die wolten gebessert haben und darin mangel hetten. Das ihr auch, so es moglich, das colloquium dahin richtet, das mann von iren mißbreuch und abgotterei, so sie in die kirch gefurt und nicht vereinen konnen, colloquirte.

Doch setzen wir aber diese dinge alle, wie obgemelt, uff der herrn besser bedencken, die es auch besser verstehen, dan wir. Wann wir es aber allein zethun hetten, so richteten wir es uff diesen wegk. Wilchs ihr auch die andern geschickten euer mitgesellen wol lesen moget lassen, und wir woltens euch hinwider gnediger meynung nicht verhalten und sind euch mit gonnsten und gnaden geneigt.

(Schluß nebst den Anmerkungen folgt im nächsten Heft.)

en nn nn

Mitteilungen.

Neuerscheinungen.

Hans E. Friedrich, „Martin Luthers Glaube und der Staat‘, versucht Luthers Stellung zum Staat nicht sowohl aus den einzelnen, mehr oder minder zeitlich bedingten Schriften und Äußerungen Luthers als aus dem Bekenntnis und seiner Theologie zu er- schließen und daraus die Nutzanwendung im Hinblick auf die evan- gelische Kirche in ihren gegenwärtigen inneren Kämpfen zu ziehen. Frankfurt a. M. Societäta-Verlag 1933. 64 8. M. 1.—

Heinz Reymann, „Glaube und Wirtschaft bei Luther‘. Zweck der Arbeit ist angesichts der bekannten Widersprüche und einer scheinbaren inneren Unausgeglichenheit Luthers in seiner Stellung zur Wirtschaft die Beweggründe zu untersuchen, die Luther zur Gestaltung der Wirtschaft führen, d. h. die Beriehungen und Zusammenhänge, die zwischen seinem Cottesglauben und der Wirtschaft bestehen. Die Frage der Wirtschaft bei Luther wird demgemäß nur von den Grundfragen des christlichen Glaubens aus gelöst werden können. Verf. bietet damit einen historischen Beitrag zu einer gerade heutzu- tage für die Kirche hochaktuellen Frage. Gütersloh, Bertelsmann 1934. 116 S. M. 3,20.

Hat die Lutherforschung sich gerade in neuerer Zeit bemüht, die Bedeutung aufzuhellen, die für das Werden der reformatorischen Erkenntnis bei Luther dem Kirchenvater Augustin zukommt, so unternimmt es Adolf Hamel, Der junge Luther ‚und Augustin, indem er diese Beziehungen in der Rechtfertigungslehre nach Luthers ersten Vorlesungen untersucht, Umfang und Intensität der Ausein- andersetzung und damit die Tragweite einer etwaigen Einwirkung der Theologie Augustins festzustellen. Der Verfasser beschränkt sich dabei auf Luthers Arbeiten bis zum Jahre 1517/18. Der erste Teil behandelt nach einem kurzen Blick auf die Zeit 1509/10 („Der Sententiar Luther und Augustin‘‘) Luthers erste Vorlesung über die Psalmen 1513/15 und untersucht die systematischen Zusammen- hänge bzw. Unterschiede zwischen Luther und Augustin (Selbstauf- gabe des Menschen, Mensch der Sünde, Rechtfertigung, Christus der Mittler des Heils). Es folgt ein Exkurs zur Frage eines „‚ontolo- gischen Neuplatonismus bei Luther‘‘ und endlich auf etwa 120 Seiten eine Übersicht über die einzelnen Berührungen zwischen Luther

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und Augustin in Form eines Registers. Ein zweiter abschließender Teil sodann hat es mit Luther als Exegeten des Römerbriefes 1515/16, des Galaterbriefes 1516/17 und des Hebräerbriefes 1517/18 zu tun. Den Schluß bilden spätere Urteile Luthers über sein Verhältnis zu Augustin. Gütersloh, Bertelsmann, 1934 und 1935. XVI, 349 8. und XI, 159 S. 13,20 M. und 6,80 M. (geb. 8,50 M.).

G. Franz, ‚Der deutsche Bauernkrieg. Aktenband‘ bietet eine schr willkommene Ergänzung zu der in dieser Zeitschrift (Jahrgang 31 8. 138) gewürdigten Darstellung des Bauernkrieges. Da Franz die mitteldeutschen Bauernkriegsakten besonders veröffentlicht, so teilt er im Ergänzungsband nur Akten aus Oberdeutschland mit. Inhalt- lich sind es vorwiegend bäuerliche Beschwerdeschriften, eine Quellen- art, die das bäuerliche Wollen zweifellos am unmittelbarsten wieder- spiegelt, überhaupt bäuerliches Denken anschaulich zum Ausdruck bringt, so daß auch Volkskunde und Rechtsgeschichte von hier aus manche Bereicherung erfahren. Ergänzend tritt diesen Beschwerden der Abdruck einiger besonders wichtiger Korrespondenzen, hauptsäch- lich aus dem Elsaß und Oberschwaben, zur Seite. Der beigegebene aurführliche ‚„‚Namenweiser‘‘ umfaßt, worauf noch besonders auf- merksam gemacht sei, auch den darstellenden Band. München und Berlin, R. Oldenburg 1935. 445 S. 12 M., geb. 14. M.

Eine nicht leichte, aber sehr dankbare Aufgabe hat sich Kurt Guggisberg in seiner Arbeit über „das Zwinglibild des Prote- stantismus im Wandel der Zeiten‘ gesetzt. Die fleißige Arbeit trägt ebensosehr zum Verständnis der Erscheinung und des Wesens Zwinglis selbst bei wie sie auch einen Beitrag zur Geschichte der Entwicklung bietet, die das Geistesleben des Protestantismus durchlaufen hat. Reformationszeit. Orthodoxie, Pietismus, Aufklärung, 19. Jahrhundert, endlich die Gegenwart: wie verschieden haben sie über den Schweizer Reformator geurteilt. Zeiträume weitgehender Verständnislosigkeit gegenüber Zwingli wechseln mit solchen von fast kongenialer Ein- fühlungsgabe. Mehr oder minder hat eben jede Zeit unbewußt ihre Anschauung in ihn hineingetragen. Ein fester Zwinglitypus hat sich auch heute noch nicht herausgebildet; sicher aber wird Zwinglis Per- sönlichkeit auch fernerhin Menschen in ihren Bann ziehen. = Farner und von Muralt, Quellen u. Abhandl. zur Schweizerischen Refor- mationsgeschichte herausg. vom Zwingli-Verein in Zürich VIII (XI der ganzen Sammlung). Leipzig, M. Heinsius Nachf. 1934. VIII, 245 S. 9,60 M. |

C. Kitzig, „Gustav Adolf, Jacobus Fabricius und Michael Alten- burg, die drei Urheber des Liedes: Verzage nicht, du Häuflein klein!“ Ist König Gustav Adolf der Verfasser des Liedes: „Verzage nicht, du Häuflein klein‘? Die ersten bald nach der Schlacht von Lützen herausgekommenen Drucke bezeichnen es als „‚das Lied des Königs“. Laut gut verbürgten Nachrichten aus dem Anfang des 18. Jahr- hunderts hat Gustavs Hofprediger Fabricius ausdrücklich bezeugt,

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der König habe das Gedicht in Prosa verfertigt und Fabricius selbst es auf dessen Verlangen in Verse gebracht. Diese Tradition bemüht sich Verf. nun mit eindringender Kritik wieder zu Ehren zu bringen, indem er zugleich den Pfarrer zu Sömmerda, Michael Altenburg, als Komponisten des Liedes erweist, mit dem Erfolg, daß er, wenn- schon objektive Gewißheit kaum zu erbringen ist, seine These min- destens zu großer Wahrscheinlichkeit gebracht hat. Sein Wunsch, daß die evangelischen Gemeinden dem Lied in Erinnerung an den Erretter unseres Glaubens eine besondere Stelle im Gottesdienst anweisen mögen, erscheint danach berechtigt. Als Belegstücke sind der Untersuchung 32 Tafeln Abbildungen (der ersten Drucke des Liedes usw.) beigegeben. Göttingen, Vandenhoeck u. Ruprecht 1935. 80 8. 3,50 M.

Im Jahre 1516, ein Jahr vor dem Thesenanschlag seines größeren Zeitgenossen, hat Erasmus seine Querela Pacis abgefaßt, die dann im Thesenjahr im Druck erschien. Ins Deutsche übersetzt als „Klag des an allen Orten und Enden vertriebenen und ausgejagten Friedens“ hat sie zum erstenmal Mag. Samuel Grynaeus Pfarrer zu Basel 1643. Nunmehr bietet der zeitige Pfarrer und Privatdozent zu Basel Rudolf Liechtenhan eine neue Übersetzung mit einer wertvollen Ein- leitung; diese umreißt den politischen Hintergrund der Schrift und beleuchtet allgemein die Stellung des großen Humanisten zur Friedens- frage. Diese Stellung erwächst bei Erasmus aus seinem Verlangen nach Wiederherstellung des ursprünglichen Christentums; damit die Bahn dafür frei werde, muß neben der Barbarei und Unbildung und der kirchlichen Entstellung der wahren Religion vor allem auch der Krieg aus der Welt geschafft werden! Die Übersetzung Liechtenhans liest sich gut; sie erleichtert auch das Verständnis durch Einteilung in Kapitel mit Überschriften: R.Lieohtenhan „Erasmus von Rotter- dam, Klage des Friedens“. Bern-Leipzig Gotthelf-Verlag 1934. 63 S. 2,20 fro.

Otto Schottenloher, „Erasmus im Ringen um die humani- stische Bildungsform“‘ will einen Beitrag zur Darstellung der geistigen Entwicklung des Erasmus in seiner Frühzeit liefern. Die Abhandlung schildert die erste literarische, vorwiegend rezeptive Entwicklungs- stufe, die die Kriterien der humanistischen Bildungsform im Ästhe- tischen sieht und sich an der klassischen Antike orientiert. Verfasser schließt mit dem Ausblick auf die zweite, die religiöse Stufe, die die Kriterien im Ethischen sucht und im christlichen Altertum die Ideale der Schönheit und Humanität wiederfindet. = A. Ehrhard, Refor- mationsgeschichtl. Studien und Texte Heft 61. München, Aschen- dorff 1933. VIII, 118 8. 5,60 M.

„Briefe und Akten zum Leben Oekolampads. Zum 400jähr. Jubiläum der Basler Reformation herausg. v. d. theol. Fa- kultät der Univ. Basel, bearb. von Ernst Staehelin. Bd. II 1527 bis 1593. Der 1927 erschienene erste Band dieser Veröffentlichung

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ist in dieser Zeitschrift Jahrg. 25 (1928) 8. 314f. angezeigt worden; der nun vorliegende zweite und Schlußband, von dem nämlichen im wesentlichen nach dem gleichen Plane wie Bd. 1 bearbeitet, enthält die Nummern 452 bis 1019, von denen die Stücke bis 957 die letzten fünf Lebensjahre Oekolampeds (+ 22./23. November 1531) betreffen, in denen er, gleichzeitig Prediger und Professor, die Reformation in Basel durch alle Schwierigkeiten hindurch zum Siege geführt hat; den Rest machen posthume Erwähnungen Oekolampeds und der Seinigen von den ersten Nachrichten über das Hinscheiden jenes bis zu einer akademischen Rede in Basel von 1593; es sei etwa auf die Urteile katholischer Polemiker (Nr. 1001) und die Lobrede des Petrus Ramus über Oekolampad hingewiesen (Nr. 1022, v. J. 1569). Über sein engeres Thema hinausgehend hat Staehelin in diesen Band auch alle Dokumente aufgenommen, die sich auf die Ordnung der Kirchen- zucht beziehen, auf die Oekolampad stets ein besonderes Gewicht gelegt hat, und ebenso alles was das Leben der Gattin und Witwe (Wibrandis Rosenblatt; vgl. z. B. Nr. 989 über ihre Heirat mit M. Bucer 1552) und die Kinder des Reformators angeht. Dazu kommt das sorgfältige Register mit dem sehr spezialisierten Artikel Oekolampad. = Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte herausg. vom Verein f. Reformationsgesch. Bd. XIX. Leipzig, M. Heinsius Nachf. 1934, XIV, 897 S. 665 M.

Goetz Frh. von Pölnitz „Julius Echter von Mespelbrunn Fürst- bischof von Würzburg und Herzog von Franken (1573—1617)‘. Verfasser beabsichtigt nicht eine einfache Biographie zu geben; es geht ihm darum, an einem bestimmten Beispiel Politik und Verfassung, Wirtschaft und Kultur, Bildung und religiöses Wesen innerhalb des geistlichen Fürstentums der deutschen Gegenreformation und dessen Stellung zum und im Deutschen Reiche quellenmäßig darzustellen. Und daß zu diesem Zwecke sich das Würzburger Bistum in der 44 jäh- rigen Regierungszeit eines so hervorragenden Mannes wie Julius Echter in hohem Maße eignet, leuchtet ein. Freilich verzichtet Ver- fasser, indem er das Hauptgewicht auf die Herausarbeitung und De.stellung des Typischen legt, auf eine gleichmäßige Würdigung aller Züge im Bilde des Kirchenfürsten. Gleichwohl bietet das aus sorg- fältiger umfassender Quellenbenutzung erwachsene, durch strenge Objektivität ausgezeichnete Werk einen wichtigen Beitrag zur deut- schen Geschichte in dem Zeitraum vom Durchbruch der Gegen- reformation bis an die Schwelle des dreißigjährigen Krieges. Freilich erleichtert Verfasser die Benutzung seines Buches nicht eben; er zerlegt seinen Stoff nur in acht, zum Teil über 100 Seiten lange Ka- pitel ohne Unterabteilungen, Seitenüberschriften oder sonstige Übersichten irgendwelcher Art; auch auf ein Sachregister, das sehr willkommen gewesen wäre, ist verzichtet worden. = Schriftenreibe zur beyerischen Landesgesch. herausg. v. d. Komm. für b. L. bei der beyer. Ak.d. W. Bd. 17. Münch»n, Verlag der Komm. 1934. XV, 667 8.

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Auf Grund der Feststellung, daB die 1558 unter dem Verfasser- namen Giacopo Ricamati Ossanese erschienenen Schriften Dialogo und Somma brevissima della dottrina christiana von Jaoopo Aconcio verfaßt sind, unternimmt es Erich Hassinger ‚Studien zu Jacobus Acontius,‘‘ auf neuer Grundlage sowohl das Leben des Acontius neu zu schildern wie auch vor allem durch Analyse der Schriften in hi- storischer Reihenfolge unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von ratio und fides die religiöse Grundhaltung des Aoontius und seine Stellung in der Welt des 16. Jahrhunderts herauszuarbeiten. Nach den Ergebnissen der Untersuchung steht unter den italienischen Refugianten außerhalb Italiens Acontius in deutlichem Gegensatz zu den rationalistisch-moralischen Geistern (Vermigli), läßt sich aber euch nicht schlechthin der kirchlichen Richtung der beiden Socini zuordnen; am nächsten verwandt ist er dem ihm freilich weit über- legenen Bernardino Ochino, über dessen Theologie besonders in seiner Spätzeit sich Verf. in einem Exkurs ausläßt. = Funk, Heimpel, Ritter, Abh. z. mittleren und neueren Gesch. Heft 76. Berlin, Ver- lag für Staatswissenschaften und Gesch. 1934, VIII, 108 S. Das oben erwähnte neue Material über Aconcius wurde durch W. Köhler und Hassinger (mit Schrifttum usw.) in den Abhandlungen der Heidelberger Akademie hergusgegeben.

Das Werk vonHermann Hoffmann, Die Jesuitenin Oppeln..., dem zahlreiche andere Bücher und Abhandlungen des Verf. zur Ge- schichte des Jesuitismus in den katholischen Teilen von Schlesien voraufgegangen sind, schildert eingehend die Tätigkeit des Ordens in den Fürstentümern Oppeln und Ratibor, auch die dabei beteiligten Personen und die Geschichte der einzelnen Niederlassungen, seit 1667, in welchem Jahr die Jesuiten zuerst nach Oppeln kamen. Breslau, Frankes Verlag und Druckerei 1934. 441 S. 13 M. (in Halbleinen 16 M.).

Im 5. Hefte des 1. Bandes der vom Ortsgeschichtlichen Verein in Weida herausgegebenen schön ausgestatteten „Geschichte der Stadt Weida in Einzeldarstellungen‘“ schildert Rud. Herrmann zunächst das mittelalterliche Weida (Kirche und Schule; die Klöster), sodann S. 65-90 die Einführung der Reformation in Weida, wobei besonders bei dem ersten Bahnbrecher der neuen Erkenntnis, Magister Johann Gülden (Aureus) verweilt wird. 90 S. 4°. 1934.

Oskar Andersen (Prof. in Kopenhagen), „Der Reformkatholizis- mus und die dänische Reformation‘ schildert die dem Durchbruch der Reformation in dem nordischen Königreich voraufgehenden refor- matorischen Regungen, die das völlige Obsiegen des Luthertums, das dort so überraschend schnell erfolgt ist, erleichtert und gefördert haben. Auf die kirchliche Stellung der Monarchen, das Pfründen- wesen, das Verbältnis zwischen Adel und Geistlichkeit usw. fällt Licht. Lehrreich ist auch der Vergleich der Vorgänge in Dänemark mit den gleichzeitigen Bewegungen in anderen Ländern. Von großem Ein-

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fluß auf den Verlauf im Königreich sind aber unter dem König-Herzog Friedrich I. auch die Elbherzogtümer gewesen. = Stange, Studien der Luther-Akademie Heft 7. Gütersloh, Bertelsmann 1934. 55 S. 1,80 M.

Von Chr. Heges und Chr. Neffs Mennonitischem Lexikon sind erschienen Lieferung 26 (Kemels bis Konferenz) und 27 (Kon- ferenz bis Kromau). Von wichtigeren systematischen Artikeln seien genannt: Kindertaufe, Kirchenlieder, Kirchenordnungen, Konfir- mation, Konkordanz, Krieg; Ortschaften, die für die Wiedertäufer 16. Jahrh. von Bedeutung waren, sind u. a. Kempen (Rheinprovinz), Kitzbühel und Klausen (Tirol), Kleintel (Berner Jura), Köln, Königs- bach (Baden), Königsberg (Franken), Konstanz, Krems (Nieder- österreich); sehr zahlreich sind wiederum die Märtyrer, deren Biogre- phie in Kürze gegeben wird; z. B. Kolb (mehrere Artikel), Komander; Hans Kräl; auch der Geschichteschreiber Kerssenbroick wird auf- geführt. Erwähnt sei endlich der Artikel Keramik. Frankf. a. M. und Weierhof (Pfalz) 1934, 1935 (= Bd. 2 8. 481-528, 529576).

Ein Erzeugnis anhaltenden deutschen Fleißes von dauerndem Wert ist die Fortführung des Förstemannschen „Album academise Vitebergensis‘ durch Bernhard Weissenborn, die als „Jüngere Reihe Teil I“ in den „„Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistastes Anhalt‘‘ erschienen ist. Die Einleitung unterrichtet über die Quellen und die Einrichtung der Arbeit. Der ‚‚Textband‘ gibt die Namen der Immatrikulierten der Jahre 1602 bis 1660, am Schluß ergänzt durch das Verzeichnis von Promovierten und Deponierten, die im Text der Matrikel sich nicht finden; dazu kommt der Register- band, der getrennt Personen- und Ortsregister (Heimatsorte der Studierenden) sowie eine Übersicht über die Rektoren und die Zahl der Inskriptionen bietet, die seit Gründung der Universität bis 1660 67920, seit 1602: 21287 (also etwa 350 im Jahresdurchschnitt des 17. gegen annähernd 500 des 16. Jahrhunderte) beträgt. Soweit erreichbar sind den Immatrikulierten auch Lebensdaten beigegeben. Welch’ ein Schatz für die Geschichte der ersten nachreformatorischen Generati- onen studierter Protestanten hier sich darbietet, liegt auf der Hand. XXIII, 600 und 532 S. Magdeburg, Verlag der hist. Komm. 1934.

Aus Zeitschriften.

Eine recht lesenswerte Skizze über „Kaiser Maximilian I. Ein Beitrag zum Führerproblem in der deutschen Geschichte“ veröffent- licht H. Gerber in „Vergangenheit und Gegenwart‘ Jahrg. 25 (1935) Heft 3 S. 149—162. G. erblickt Maximilians besondere Bedeutung darin, daß, indem er das Reich immer wieder zwang, sich mit den Fragen der europäischen Politik zu beschäftigen, er den unpolitischen Charakter der Deutschen in etwas mit der eigenen politischen Lebensweite zu erfüllen verstanden hat.

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Im 53. Bande (3. Folge Bd. 4) der Zeitschrift für Kirchengesch. 8. 229241 zeigt E. Seeberg, ‚‚Die Anfänge der Theologie Luthers‘“, wie auf dem formalen Weg der „tropologischen‘‘ oder „moralischen“ Schriftauslegung die Christusanschauung bei Luther den der Recht- fertigungslehre zugrunde liegenden Gedanken gezeigt und gebildet hat. Ebendort S. 542-570 schildert K. Völker das Ringen des Protestantismus in Österreich und Polen um seine Rechtsstellung vom Beginn der Gegenreformation ab, sein Unterliegen unter den Schlä- gen dieser und sein Wiederaufkommen unter dem Einfluß der Auf- klärung und der sich allmählich durchsetzenden Toleranz, von der end- lich das moderne Staateleben zur Parität übergegangen ist. Unter den „literarischen Berichten‘‘ des Jahrgangs sei auf G. Wolfs Be- sprechung zusammenfassender reformationsgeschichtlicher Arbeiten S. 306—312 und auf P. Meinholds Referate (‚‚Luther‘‘) S. 662— 669 hingewiesen.

In der Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen und des Freistastes Anhalt Jahrg. 30 (1934) S. 43—78 schildert Silberborth ausführlich die konfessionellen Streitigkeiten zwischen Flacianern und Melanchthonianern in der freien Reichs- stadt Nordhausen 1578— 1581. Ebenda S. 79-90 erörtert W. De- lius die kirchlichen Zustände der Reformationszeit im Amte Quer- furt auf Grund der Kirchenvisitationsakten von 1555, 1563 und 1583. Endlich gibt S. 91-95 O. Clemen nach Weimarer Akten Auskunft über den letzten katholischen Pfarrer in Schweinitz, Hans Behm (t 31. März 1526) und dessen Nachfolger, den ersten evangelischen Pfarrer dort Dr. Lukas Jacobi.

Die Zeitschrift für Bayrische Kirchengeschichte Jahrg. 9 (1934) Heft 3 enthält: S. 129-147 J. B. Götz, Die kirchliche Festfeier in der Eichstätter Diözese am Ausgang des Mittelalters (nach dem im 7. Jahrgang der Zeitschrift veröffentlichten Pappenheimer Pfarrbuch von 1511). 8. 149-152 K.Schornbaum, Zur Geschichte des Kate- chismus im Fürstentum Brandenburg-Ansbach (v. 16—19. Jahrh.). S. 152 Derselbe, Zur Gesch. Joh. Walters (Brief von 1530). S. 152—164 H. Clauß, Kirchenvisitationen des 16. Jahrh. im De- kanat Neustadt a. A. (zwischen 1576— 1598). S. 164— 171 M. Wei- gel, Verzeichnis und Verteilung der Hinterlassenschaft des 1569 in Burglengenfeld verstorbenen Superintendenten D. Joh. Faber (mit Nachrichten über Fabers Lebensausgang) S. 171-172 Fr. Ben- del, Zur Reformationsgeschichte des Reichsdorfes Sennefeld bei Schweinfurt (nach einem mitgeteilten Brief von 1539). In Heft 4 S. 193—236 beendet J. B. Götz seine Arbeit über die kirchliche Festfeier im Eichstättischen.

Vom 17. Jahrgang (1935) „Luther“. Vierteljahrsschrift der Luther- gesellschaft liegt vor Heft 1 mit dem Bericht über die sogenannte Dichtertagung von 1934, S. 1—56, und Heft 2 mit den Beiträgen: Rudolf Thiel, „Luther und Karlstadt‘ (S. 67.-70) (schildert, wie

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die Waffenbrüderschaft zwischen den beiden Männern zerging und „Karlstadt das Evangelium des Glaubens an eine schwärmerische Liebesreligion verriet‘): A. Schneider, „Das Gespenst von Staß- furt‘‘ (Episode von 1534; s. WA XXXVIII 8. 326ff.); (8. 70-76): Th. Knolle, Luthers Gebeteweisung in Wort und Lied I (8. 76—88).

In „Religio, Rivista di studi religiosi, vol. XI, 1 (1935 gennajo) herausg. von E. Buonajuti, S. 31—60 veröffentlicht T. Balma eine Untersuchung über die religiösen Gedanken des italienischen Re- formierten Celio Seoondo Curione (1503 bis 1569), Geistesverwandten der Olimpia Moratsa, Pietro Martire Vermigli usw.

Im 55. Jahrgang des „„Jahrbuchs der Gesellschaft des Protestantis- mus im ehemal. u. neuen Österreich“ behandelt P. Brathe den „Kir- chenbau des österreichischen Protestantismus im BReformationszeit- alter‘‘ (S. 133—154). Das Verbleiben der Landesherrschaft bei der alten Kirche veranlaßte zahlreiche Kirchenneubauten, deren Spuren (meist sind sie der Gegenreformation zum Opfer gefallen) der ge- nannte Aufsatz aufsucht und feststellt. Ebendort 8. 155—172 setzt E. Winckelmann seine Beiträge ‚zur Geschichte des Luther- tums im untersteirischen Mur- und Draugebiet‘‘ fort.

Förderung wissenschaftlicher Auslandsbeziehungen.

Auf Grund einer Vereinbarung zunächst mit belgischen und fran- zösischen Historikern ist eine „Deutsche Geschäftsstelle zur Verbrei- tung geschichtswissenschaftlicher Literatur im Ausland“ unter Leitung von Prof. Dr. R. Holtzmann (Historisches Seminar der Friedrich- Wilhelms-Universität, Berlin C 2, Universitätegebäude) eingerichtet worden. Ihre Aufgabe ist die Verbesserung der Berichtserstattung und die Förderung des Verkaufs deutscher geschichtswissenschaft- licher Arbeiten im Ausland mit Hilfe der ausländischen Gelehrten auf der Basis der Gegenseitigkeit. Ein Katalog französischer Zeitschriften mit einem wichtigen Merkblatt für den Versand nach Frankreich ist bereits erschienen und bei den Verlegern, Zeitschriftenleitungen und auch den Universitätsbibliotheken einzusehen. Auf diese wertvolle Einrichtung seien alle Historiker aufmerksam gemacht.

Die Bühne des Thomas Naogeorg.

Von Helene Levinger. Zur Bibliographie?).

I. Pammachius.

1. Texte:

A) Pammachius. Tragoedia nova. Vitebergae (J. Luft) 1538. (Neudruck: J. Bolte und Erich Schmidt, Lat. Lit.-Denkm. 3. Berlin 1891.)?)

B) Pammachius. Tragoedia nova. Augustae (A. Weißen- horn) 1839.

C) Pammachius. Tragoedia nova. Basilese (N. Brylinger; im Sammelband Comoedise ac Tragoediae) 1541.

2. Übersetzungen:

a) Vom Bapstum ... . verdeudscht durch Justum Menium. Wittenberg (s. t.) 1539.

(Neudruck: R. Froning, Das Drama der Reformations- zeit. [Kürschners Nat.-Lit. 32], Stuttgart 1895).

b) Ausz was grundt der Bäpstlich stul herkommen. o. O.. 1539.

c) Ein christlich... Spiel darinn des Antichristlichen Babst- thumbs.... wesen... inn deudschen Reim versetzt durch Joan Tyrolff. Zwickau (W. Meyerpeck) ca. 1540.

d) Pammachius. o. O., o. J. (Straßburg [W. Rihel] nach 1545.)

Sämtliche Texte und Übersetzungen sind ausführlich be- handelt in der Einleitung der Bolte-Schmidt’schen Neuausgabe. Es fehlt dort der Hinweis, daß der neuhinzugefügte ‚Prologus alius‘‘ der Übersetzung b ein ausgesprochener Theaterprolog ist, der dem Zuschauer die handelnden Personen, die ‚zu ringsweisz allhie vmb her stan‘“ vorstellt. d, die Quarto- übersetzung, bei B.-Sch. ohne Ort und Jahr angegeben. Tat-

i) Wenn Angabe der Bibliothek fehlt, befindet sich das Buch in der Staatsbibliothek Berlin.

8) Verbesserungen zu dieser Ausgabe vgl. A. Hübner, Studien zu Naogeorg. ZfdAlt. 54 (1913), S. 297.

Archiv für Reiormationsgeschiehte. ZXXIL 3/4. 10

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sächlich gibt der Druck selbst keinerlei Hinweise, wohl aber der Titelholzschnitt des Monogrammisten I K, der nach Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künste, 19. Bd., Leipzig 1926, mit dem Berner Maler und Formschneider Jakob Kallenberg identisch ist. Nagler, G. K., Die Mono- grammisten, III. Bd., München 1863, 8. 1025, beschreibt ohne den Pammachius-Druck zu nennen den Holzschnitt als Titelblatt zu „Bapsttrew Hadriani IIII. vnd Alexanders III. gegen Keyser Friderichen Barbarossa geübt. Aus der Historia zusammen gezogen nützlich zulesen. Mit einer Vorrhede D. Mar. Luthers. (Am Schluß.) Gedruckt zu Straßburg durch Wendel Rihel. Anno MDXLV“, Ein Vergleich der Druck- typen läßt gar keinen Zweifel bestehen, daß auch der „Pam- machius‘‘ bei Rihel in Straßburg gedruckt ist. Schwieriger ist die Frage der Datierung, die davon abhängt, für welchen der beiden Texte der Holzschnitt ursprünglich angefertigt worden ist. Da die dargestellte Situation in beiden Fällen die- selbe ist, wird man sich nur an die Textinschrift, das ‚‚Nit Dir Sonder Petro‘“, halten können. Das lateinische Original des Pam- machius „Haud tıbi hunc trıbuo honorem, sed Petro“ lautet in der Übersetzung „Solch eer die thun ich dir nit an Sanct Peter will ichs han gethan“. Die „Bapsttrew“ hat: „non tibi sed Petro / Ich thue diss nicht dir sondern 8. Pe- tern“. Danach liegt es nahe, zumal der Meister des Holz- schnitts oberdeutscher Herkunft ist, den Holzschnitt für die Prosaschrift in Anspruch zu nehmen; der ‚„Pammachius‘“ kann dann erst nach 1545 angesetzt werden. Mit dieser späten Da- tierung findet zugleich auch die ungewöhnliche Übersetzung „auszfurt‘‘ für „actus‘‘ eine Erklärung: sie geht auf die „ausz- fart‘‘ zurück, mit der der Übersetzer des ‚‚Mercator‘‘ 1541 den I. Akt (Ausfahrt des Lyochares) sinngemäß und die fol- genden nur noch leidlich zutrefiend überschreibt.

II. Mercator.

1. Texte:

A) Mercator seu iudicium. Tragoedia alia nova. s. l. 1540 (U.-B. Königsberg). ... (Neudruck: Drei Schauspiele vom sterbenden Menschen. Herausgegeben von J. Bolte. Bibl. d. Lit. Ver. Stuttgart 269/270. Leipzig 1927).

B) Mercator seu iudicium. Tragoedia alıa nova. s. I. 1560 (Wolfenbüttel).

C) Mercator seu iudicium. Tragoedia alia nova. s. I. 1590.

(Eine lateinische Ausgabe e. l., s. a., die sich It.

P. Bahlmann (Die lateinischen Dramen . . 1480—1550,

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Münster 1893) 8. 73 in Prag befindet, konnte zum Vergleich nicht mitherangezogen werden.)

2. Übersetzungen:

a) a) Der Kaufman o. ©. 1541.

ß) Ein schöne nutzliche Tragedi oder schawspiel, der Kauffman genennet. 0.0. o.J.

b) Der Kauflman oder das Gericht. Ein geistliche Tragoedi ..... in Teutsche Reymen gebracht durch M. Jacobum Rulichium Augustanum. Lindaw am Bodensee (J. Brem) 1595.

Die Texte A und B zeigen auch äußerlich weitgehende Über- einstimmung; Bolte glaubt, daß es sich um Basler Drucke handelt. Außer der Berichtigung der Druckfehler zeigt B als einzige Abweichung am Schluß die Beifügung des 5. Psalms in der lateinischen Übersetzung des Eobanus Hessus. Diesen Psalm hängt dann auch die Übersetzung a, ß an, die im übrigen trotz der Abweichung der Titel einfach ein Neudruck von a, a— deshalb wohl nach 1560 anzusetzen ist. (Vielleicht besteht ein Zusammenhang mit der „Mercator“-Aufführung im Straßburger Predigerkloster, über die Petrus Canisius am 3. Mai 1560 in einem Brief berichtet. Vgl. F. Holl, Das poli- tische und religiöse Tendenzdrama des 16. Jh. in Frankreich. Münchener Beiträge zur roman. u. engl. Philologie 26. Er- langen, Leipzig 1903). Das Titelblatt der Ausgabe a, a legt die Vermutung nahe, daß der Druck nicht selbständig, sondern von vornherein als Bestandteil eines Sammelbandes erschienen ist. Die Exemplare in Berlin und Zwickau befinden sich in zeitgenössischen Sammelbänden (1544), denen bei im übrigen verschiedener Zusammensetzung auch noch die Pammachiusübersetzung Tyrolffs (gedruckt bei Meyerpeck in Zwickau) gemeinsam ist. Die Exemplare der Staatsbibliothek Königsberg und der Universitätsbibliothek Würzburg sind in später zusammengestellten Bänden enthalten. (Die Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel besitzt entgegen Boltes Angabe, die auf Goedeke zurückgeht, den Text nicht.)

Der späte Druck C weicht erheblich von der Originalfassung ab: Christus und Petrus treten überhaupt nicht auf, dadurch erfährt vor allem der Gerichtsakt wesentliche Veränderungen. Rulichs Übersetzung geht auf diese Textgestaltung zurück; in der Vorrede erwähnt er eine lateinische ‚‚Mercator‘‘-Aufführung, die am 28. April 1591 „auff dem Fürst: grossen hoff Saal zu Neuburg‘ veranstaltet worden war, und zu der er nachträglich ein deutsches Textbuch liefern wolle. (Bolte hat diese Angaben mißverstanden, wenn er S. XIX seiner Neuausgabe sagt, man habe damals „Rulichs Verdeutschung‘ gespielt.) R. fügt das

10*

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Personenverzeichnis der Neuburger Aufführung und szenische Anweisungen bei, ferner ein lateinisches Gedicht „In actionem illustrem tragoediae Mercatoris habitae Neuburgi ad Istrum in aula anno Christi 1591. 28. Aprilis“‘ von Matthaeus Zuberus Neuburg. Es liegt die Annahme nahe, daß der gekrönte Poet und Schulmeister Zuberus (vgl. Goedeke, Grundr. H, 113) der Veranstalter dieser Aufführung und damit der Gestalter des C-Textes ist.

III. Incendia seu Pyrgopolinices, 1. Texte: A) Incendisa seu Pyrgopolinices. Tragoedia recens nata. Vitebergae (G. Rhau) 1541. B) Incendis seu Pyrgopolinices. Tragoedia recens nata. Witebergae (s. t.) 1541 (Staatsbibl. München).

2. Übersetzungen: a) a) Der Mortbrandt. Eyn neuwe Tragedi. o. O. 1541 (Ratsschulbibl. Zwickau). ß) Der Mortbrandt. Ein neuwe Tragedi. o. O. 1541.

Die bei Bahlmann aufgeführte dritte Übersetzung o. O. 1541 ist unauffindbar. Es scheint auch ganz so, als ob diese dritte deutsche Ausgabe gar nicht existiert habe: Bahlmann nennt an zweiter Stelle die Ausgabe mit 59 Bll. ohne Bibliotheks- angabe, an dritter die von 60 Bill. als in Zwickau befindlich. Das Zwickauer Exemplar hat aber 59 und nicht 60 Bll.— a, ß ıst ein Nachdruck von a, a; die Korrekturen, die a, a am Schluß angibt, sind ausgeführt bis auf den Zweizeiler, der als sinnloses Anhängsel an den Schlußchor stehenbleibt, statt in der Szene IV/3 richtig eingesetzt zu werden.

IV. Hamanus. 1. Texte: A) Hamanus. Tragoedia nova. Lipsiae (M. Blum) 1543. B) Hamanus. Tragoedia. Basileae (J. Oporin, im Sammel- band Dramata sacra) 1547. C) Hamanus. Tragoedia. s. l. 1565.

2. Übersetzungen:

a) Haman... in Deutsche Rheim gebracht durch Johannem Chryseum. Wittemberg (V. Creutzer) 1546.

b) Hamanus .... von neuwem verteutscht von Joanne Mer- curio Morshemio und M. Joanne Postio Germershemio. Handschrift o. J. (U.-B. Heidelberg, Pal. germ. 387) (um 1560).

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C geht auf B, nicht auf A zurück. Während die Chryseus- Übersetzung sich eng an das Original hält, zeigt die Heidel- berger Übersetzung Abweichungen. (Vgl. R. Schwartz, Esther im dtsch. u. neulat. Drama, Oldenbg. 1898). Goedeke ver- zeichnet sie undatiert, Bahlmann u. a. setzen sie nach Hol- steins Angabe um 1570 an. Schon Schwartz weist darauf hin, daß diese Datierung ganz willkürlich gewählt ist. Sicherlich ist sie um zehn Jahre zu spät: Mercurius hat schon 1556 den „Judas‘‘ übersetzt: Postius wird 1554 als Siebzehnjähriger in Heidelberg immatrikuliert und bleibt neun Jahre lang dort, bis er ins Ausland geht. Spätestens ist die Handschrift also 1568 zu datieren. (a und C mit je einem Holzschnitt auf dem Titelblatt, die zwar nicht als Theaterbilder auszuwerten sind, wohl aber für den Kostümwandel interessant sind: a zeigt das Gastmahl der Königin, die Ehrung des Mardochaeus und die Bestrafung des Haman im Kostüm der Zeit, während C den Empfang von Bittstellern durch den König in stilisierter zeit- loser Tracht zeigt.)

V, Hieremias.

1. Texte: A) Hieremias. Tragoedia nova. Basileae (8. t.) s. a. (1551). B) Hieremiss. Tragoedia sacra ..... nunc verum ad usum

Theatri Argentinensis accommodata, inque eodem ex- hibita mense Julio Anni a nato Christo Salvatore 1603. Argentorati (A. Bertram) e. a.

2. Übersetzungen:

a) Jeremis. Eine geistliche Tragoedia . ... auss demjenigen Exemplar so Anno 1603. im Julio zu Strassburg im Theatro Academico Lateinisch agirt worden, in Teutsche Sprach transferiert durch M. Wohlfarth Spangenberg von Mansfelt, Burgern zu Strassburg. Strassburg (Th. Jobin) 1603.

Die Widmung von A ist datiert Basilese 4. Julii 1551. Dem Berliner Exemplar B beigebunden: Teutsche Argumenta . ... sampt einer Vorred vnd Beschluss... gehalten auff dem Theatro zu Strassburg im Julio 1603. Strassburg (A. Bertram) 0. J. B gegenüber A erheblich gekürzt; statt 33,Szenen nur noch 24. Die Übersetzung dagegen hat wieder 29 Szenen und weicht von B so stark ab, daß man als das Aufführungs- „Exemplar‘‘, von dem der Übersetzer spricht, gar nicht B in Anspruch nehmen kann. Zwischen B und der Übersetzung muß es noch einen besonderen Spieltext (etwa ein Regiebuch) ge- geben haben, dessen Tendenz die stärkere Theatralisierung des Ganzen ist: als Einleitungsszene kommt die Berufung des

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Jeremias durch Jehovah hinzu, und am Schluß wird die Plün- derung der Stadt, die Blendung des Königs und die Tötung seiner Kinder, die Naogeorg in einer szenischen Anweisung als stumme Aktion vorschreibt, unter Einführung vieler neuer Personen breit ausgeführt gespielt. Dadurch wird der Aufbau des V. Aktes völlig zerstört und der ruhevolle Ausklang des Ganzen rohen Greuelszenen aufgeopfert!):

VI. Judas Ischariotes. 1. Texte:

A) Judas Ischariotes. Tragoedia nova et sacra. 38.1. s. a. (Basilese 1552).

2. Übersetzungen:

a) Judas Ischariothes ..... verdeutscht durch Johan. Mercu- rıum Morsheymerum. Strassburg (P. u. Ph. Knöpfflein Gebrüder) 1558 (Landesbibl. Dresden).

Die Angabe des Druckortes Basel für A stützt sich auf „Exuvise Joan. Oporini Basiliensis ... . Anno 1571, p. 56: "Thomae Naogeorgi tragoediae Hieremias et Judas dictae. Bas.‘‘ Der Druck des ‚‚Hieremias‘‘ gibt übereinstimmend Basel als Druckort an, man wird sich also auch für den ‚Judas‘ auf die Exuviae verlassen dürfen. Für die Datierung bestimmend: Widmung vom 12. Sept. 1552, Finis: 23. Aug. 1552. Mer- curius setzt jeder Szene eine theologische Ausdeutung voraus. Er berichtet am Schluß seiner Übersetzung, die er 1556 datiert, der „Judas“ sei ‚vor einem Jar zu Heidelberg beyd Lateynisch vnond (demnach ich sie verteütscht) .... Teütsch durch meine Jungen agirt oder gespielt worden .. .. vond dieweil ich solche Tragoedi zu Hoff für meinen gnedigsten Herrn (löblicher Ge- dächtnus)?) vnnd dem Frawenzimmer must halten, Demnach ich sie für die Vniversitet agirt hab... .‘‘, entschloß er sich, die deutsche Ausgabe im Druck erscheinen zu lassen.

Vielleicht kann erst unsere Zeit wieder das Schaffen des Dramatikers Thomas Naogeorg in seiner Ganzheit würdigen. Das ausgehende 19. Jh. noch sah in seinem „Hieremias‘‘ nur eines der „öderen Bibeldramen‘‘, das „Stiche und Scheelblicke

ı) Nicht mehr berücksichtigt werden konnte das soeben während der Drucklegung erschienene Buch von G. Skopnik, Das Straßburger Schulthester. Sein Spielplan und seine Bühne. Frankfurt a. M. 1938.

?) Kurfürst Friedrich II. v. d. Pfalz stirbt am 26. Februar 1556.

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auf die katholische Kirche“ nicht unterläßt!). Heute sind wir wieder imstande, das großartige Gleichnis zu spüren. Wir finden ein Abbild eigenen Erlebens, wie Naogeorg selbst in der Bibelerzählung seine Zeit wiederfand, die Unruhe einer Welt, in der Altes und Neues im Kampf sich scheiden. Wir suchen noch vergeblich nach einer Zeitdramatik, Gestaltung des Kräftespiels, in dessen Mitte wir stehen; Naogeorg bannte die Gewalten im kämpferischen Drama, er führte seinen Angriff in breiter Front und mit einer Stoßkraft, die nicht nur in seinem Jahrhundert beispiellos dasteht. Aus dem Bemühen der Gegen- wart um das Zeittheater ersteht die Frage nach den Mitteln, mit denen Naogeorg sein Werk an das Publikum herantrug, zu dem er sprechen wollte.

Das Biographische gibt keinen. unmittelbaren Hinweis; Theobalds sorgfältige Untersuchungen?) sind im wesentlichen heute noch von voller Gültigkeit?). Immer noch fehlt leider die Bestätigung für Pantaleons®) Hinweis, Naogeorg habe in Ingolstadt und Tübingen studiert. Gerade in den Universitäts- jahren könnte seine szenische Vorstellung durch bestimmte theatralische Erlebnisse geformt, zumindest aber beeinflußt worden sein. Wir bleiben hier ausschließlich auf Vermutungen angewiesen, wenn man auch vielleicht den verschiedenen Hinweisen Naogeorgs auf seine katholische Vergangenheit?)

1) Aus der Einleitung zum Neudruck des ‚„Pammachius‘‘ von J. Bolte und E. Schmidt (Latein. Lit.-Denkm. 3) Berlin 1891.

s) L. Theobald, Thomas Naogeorgus, der Tendenzdramatiker der Reformationszeit. In: Neue kirchliche Zeitschrift 17. 18. 1906/7, und Das Leben und Wirken des Tendenzdramatikers T. N. seit seiner Flucht aus Sachsen. Quellen und Darstellungen aus der Geschichte des Reformations-Jahrhunderte, IV. Bd. Leipzig 1908.

3) Theobald konnte N.s Familiennamen Kirchmaier in den damals noch unveröffentlichten Straubinger Urkunden nicht nachweisen; in der mittlerweile erfolgten Veröffentlichung (Urkundenbuch der Stadt Straubing. Bearbeitet von F. Solleder. I. Bd. Straubing 1911—1918) findet sich der Name Kirchmair in der Stadt und ihrer näheren Umgebung seit der Mitte des 15. Jh. öfters erwähnt. Vielleicht ist Ulrich K., Bürger von Straubing, der 1503 eine Verkaufsurkunde als Zeuge unterschreibt (Nr. 654), N.s Vater.

4) H. Pantaleon, Prosopographise heroum Pars tertia, Basilese 1566, p. 332.

s) Theobald, Kirchl. Zeitschr. 17, S. 774. Auch geht die Schilderung des geistlichen Spieles im „Regnum Papisticum‘‘ zweifel- los auf eigene Anschauung zurück. (S. 153f. der Ausgabe s. l. 1553): „Luditur et Christi personis passio multis Ursula cum iunctis incedit pulchra catervis. Tuque Georgi acer crocodilum interficis hasta.

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einige Bedeutung beimessen darf. Denn wir haben nach allen bisherigen Ergebnissen daran festzuhalten, daß in der Theater- geschichte des 16: Jh. das katholische Element als Träger mittel- alterlicher Formüberlieferung anzusprechen ist. Die Folgerung, Naogeorg habe später als Vorkämpfer des Antipapismus sich bewußt in Gegensatz zu dieser Tradition stellen müssen, ist ganz gewiß nicht zwangsläufig; es genügt zur Widerlegung, auf einen Parallelfall hinzuweisen, auf die erwiesene Tatsache, daß die Jesuiten die charakteristischen Bühnenelemente des pro- testantischen Schultheaters weiterverwendet haben. So stehen von vornherein für Naogeorgs Bühne sämtliche Möglichkeiten des 16. Jh. offen, zumal bei ihm auch die äußere Bindung des Schulthesters fortfällt?).

Im Jahre 1538 setzt Naogeorgs dramatisches Schaffen mit dem gewaltigen Auftakt des „Pammachius“ ein. Ohne tastende Versuche, Vorarbeiten und Übergänge ist auf einmal ein großes Werk da. Hier gilt als szenische Voraussetzung von allem Dichterischen und Dramatischen abgesehen nur das Eine: daß es vor allem und unbedingt auf das Wort ankommt: das Wort nicht in rhetorischer und schulmäßig-deklama- torischer Bedeutung —, sondern als Träger eines Sinnes. Und das heißt zugleich, daß jedes andere Mittel mitheran- gezogen wird, das diesen Sinn zu stützen und zu verdeutlichen geeignet ist. Man sollte es doch nicht als allzu selbstverständlich hinnehmen, daß Naogeorg, dem die Kanzel zu Gebote stand und der nicht Lehrstücke für Gymnasiasten zu verfassen hatte, zum Theater fand! Er ist nicht irgendeiner der Vielen, die einen Bibelstoff in mühsamen Versen dialogisierten, um einer lite-

Principis inferni trahitur domus estque videre Daemonas innumeros tetra turpique figura Christophorus puerum gestat per caerula Christum Impletur telis quidam, crebrisque sagittis. Inoedit gladium portans Catharina, rotamque Terribilem: calicem, et sacrum fert Barbara panem . . .“.

Hübner weist in seinen Studien zum „‚Pammachius‘“ und ‚‚Mer- cator‘‘ überzeugend nach, daß N. eine Reihe älterer Volksschau- spiele, darunter das Freiberger Weltgerichtsspiel von 1519, und Fast- nachtsspiele gekannt haben muß,

ı) N. wird natürlich nicht dadurch zum Schuldramatiker, daß er neben seinem Pfarramt auch gelegentlich in der Schule gewirkt hat. (Der Augsburger Ratsbeauftragte Gereon Sailer empfiehlt ihn seinen Herren als „erybter schuelmaister ..... zu pesserung der schuelen fast ;gepreuchlich neben dem predigamt‘‘. Vgl. Briefwechsel G. S.s mit den Augsburger Bürgermeistern April bis Juni 1544. Herausgegeben von F. Roth im Archiv für Reformationsgeschichte. Jahrgang I. Berlin 1904).

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rarischen Mode zu genügen; er braucht das Theater, weil er eine ganze Welt zwischen Gott und Teufel zu gestalten hat. Ein solches Verhältnis zum Theater ist seiner Gesinnung nach eher mittelalterlich als humanistisch. Durchaus humanistisch ist es dann wieder in seiner Wertung des Wortes, die zugleich den ersten szenischen Hinweis gibt: Naogeorgs Bühne ist eine Sprechbühne; das bedeutet die Konzentrierung des Spieles zu einer Publikumsseite vor der abschließenden Bühnenrückwand. Man kann nicht annehmen, daß der ‚„Pammachius‘ eine völlig neue, bisher unbekannte Bühnenform zur Voraussetzung gehabt habe. In diesem Sirn gibt es überhaupt niemals eine ganz „neue‘‘ Bühne. Immer werden beim Verfasser des Dramas frühere szenische Eindrücke mehr oder weniger bewußt wirk- sam sein. Erst über diese primäre Bühnenvorstellung hinaus gibt es Möglichkeiten, die bei ihm selbst liegen. Für den „Pammachius‘ fehlt die Möglichkeit einer Abgrenzung gegen Früheres. Sie fehlt um so stärker, als wir gerade bei diesem Werk spüren, wie dichterische Vision die szenische Vorstellung sprengt. Um zu Ergebnissen über Naogeorgs Bühne gelangen zu können, muß man deshalb von einem der späteren Dramen ausgehen. Für die Wah) des „Hamanus‘“ (1543) als Ausgang richt seine ausgeprägte Mittelstellung: er rechnet weder zu en reinen Tendenzstücken wie „Pammachius‘‘ (1538), „Mer- cator‘‘ (1539) und „Pyrgopolinices‘‘ (1540), noch wird für ihn wie für die späteren Bibelstücke ‚Hieremias‘‘ (1551) und ‚Judas Ischariotes‘‘ (1552) die Möglichkeit einer süddeutsch-schwei- zerischen Beeinflussung zu berücksichtigen sein. Dann aber vor allem ergibt der ‚„Haman‘‘ wie kaum ein anderer Text seiner Zeit ein außerordentlich klares Bild der szenischen Glie-

derung.

Obne die übrigen Dramen seines Verfassers zum Vergleich heranziehen zu müssen, kann man feststellen, daß es hinter dem Proszenium (P) drei deutlich geschiedene „Häuser“ gibt das königliche Gemach (K) und das der Esther (E) auf der einen Seite, das Haus des Haman (H) auf der anderen —, die für den Zuschauer sichtbare Innenraumszenen zulassen. Außer den beiden Räumen für König und Königin gibt es im Bereich des

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Palastes ein Atrium (A), das durch ein Tor (p) gegen das Proszenium abgeschlossen ist. Wer vom Haus des Hamans, das außerhalb des Palastbezirkes auf der anderen Seite der Bühne liegt, in die königlichen Räume will, muß das Prosze- nium, das Tor und das Atrium durchschreiten. Sowohl vom Atrium, das Zugänge zum Gemach des Königs (k) und dem der Esther (e) hat, als auch vom Proszenium aus gibt es Ab- gengsmöglichkeiten (c, s, f), die den Spieler aus dem Blick- feld des Zuschauers, also ins „‚Verdeckte“ führen. Im Folgenden wird eine Analyse des Dramas das Zustandekommen dieses Bühnenplanes zu erläutern haben.

1/1 ochaeus tritt im Gespräch mit seinem Sklaven Cyrinus auf (etwa von f, der ‚via ad forum‘). Sie sehen zwei babylonische Bittsteller (von c, der ‚caupona‘“) sich dem Palast nähern (‚‚regiae appropinquant limini‘‘) und setzen sich (bei p, dem Palasttor) nieder (,‚huc.... . sedeamus“‘), um zuzu- sehen, wie der Pförtner die Fremden empfangen wird. 1/2 Er verweigert ihnen den Zutritt zum Palast (,‚heus vos, quo tan- dem... itis? .. . esse ante portam vobis nescitis locum ? egredimini ... . exite.... . foris licet.‘“ Babylonier: ‚sed rogo, nobis atrium ingredi permitte.‘“ Pförtner: ‚non intrabitishuc.‘), hier ist die Spielsituation klar zu erkennen: die Fremden sind durch das Tor in das Atrium eingetreten, dort begegnet ihnen der Pförtner, der ihnen den Platz vor dem Tor, also außerhalb des Palastgebietes anweist. Während sie noch streiten, sieht der eine Fremde den Haman von ferne kommen (,‚illic & longe ... . descendere‘‘). Der Pförtner geht fort, vermutlich durch das Atrium (nach s, später bezeichnet ‚‚ad scribas regios‘“), woher er auch gekommen ist. 1/3 Haman kommt im Gespräch mit seinen Begleitern!) zum Palast (von H). 1/4 Die Baby- lonier gehen ihm entgegen und sprechen ihn an, werden aber fortgeschickt (Abgang bei c). 1/5 Haman mit Gefolge geht nun mehrmals bei Mardochaeus vorbei, es ergibt sich, daß auch noch andere Leute am Tor sitzen (,alii quideın assurgunt omnes, is vero..... ne movetur quidem‘“‘). Es kommt zur Auseinander- setzung, Haman verläßt ihn. 1/6 Mardochaeus sendet seinen Sklaven zum Markt (Abgang bei f). 1/7 Haman, der also in- zwischen in stummem Spiel im Proszenium geblieben ist, be- auftragt seine Gefährten, auf ihn zu warten, während er beim König sein wird (‚ingredior ad regem ... . vos opperimini hic me, donec exeo“‘). 1/8 Der König im Gespräch mit seinem Rat- geber Charsenas. Dann kommt Haman hinzu (‚sed ingreditur‘‘).

t) Die Szenenüberschrift der Ausgabe von 1543 nennt irrtümlich außer Hamanus, Carphologus und Physotas auch noch die beiden Babylonier; die beiden späteren Ausgaben stellen die Angabe richtig.

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Er hat sich also von seinen Begleitern am Tor verabschiedet und ist während des Disloges durchs Atrium bis zum könig- lichen Gemach g en. Das wird dadurch bestätigt, daß er auch vor Schluß der Szene weggeht; der König spricht wieder allein mit Charsenas, und dieser Dialog deckt Hamans Rückweg durch das Atrium!), 1/9 Hamans Begleiter (vor dem Tor) sehen ihn heraustreten („exit Hamanus‘), er sendet sie zu seinem Haus (‚vos prima me opperimini domi‘‘), geht selbst wieder in den Palast zurück (,‚cesso adıre scribas regios“‘). Er wird durch das Atrium zurückgehen und denselben neu- tralen Abgang (s) benutzen, der 1/2 den Pförtner aus dem Blickfeld des Zuschauers führte. Ein Chor beschließt den Akt?),

Zu Beginn des II. Aktes kommen die beiden Babylonier aus ihrem Wirtshaus zurück und gesellen sich zu Mardochaeus, der seit I/l immer noch vor dem Palasttor sitzt. II/2 Von ihm erfahren sie, daß Haman im Palast geblieben ist (‚‚intus opinor, nec enim egressus est‘). II/3 Mardoch.s Sklave kommt vom Markt zurück und berichtet von der Verhängung des Blut- befehls®). II/4 Hamans Begleiter Carphologus, der ihn noch immer vergeblich erwartet (bei H), geht an dem trauernden Mardoch. vorbei zum Palast. II/5 Zu Mardoch. tritt Atachus als Bote der Königin, um zu erfahren, was geschehen ist. Er

1) So gewiß man aus der Länge eines Gespräches nicht auf die Erstreckung eines zurückgelegten Weges auf der Bühne schließen kann, so wenig darf dennoch die dramaturgische Bedeutung der Tatsache übersehen werden, daß überhaupt an einer Stelle ein Sprech- text eingelegt ist bzw. fehlt.

3) Die Funktion des Chores in N.s Dramen ist eine zeitdeckende. Zwischen den Akten eine Ausnahme macht der chorlose „‚Pamma- chius“‘ liegt ein zeitlicher Einschnitt; der Zuschauer muß während des Chorgesanges eine verdeckte Handlung, den Verlauf einer Nacht oder dergleichen annehmen. Ein besonderes charakteristisches Beispiel ist der III. Akt des ‚‚Pyrgopolinices‘‘, der eine einzige Szene umfaßt. In der Schlußszene des II. Aktes verläßt Pyrgopolinices die Versammlung bei Satan. In der vom Chor gedeckten Zwischenzeit kehrt er in die Heimat zurück und versammelt seine Leute, die er im III. Akt zum Mordbrennen aussendet. Während des folgenden Chores wird die Tat vollbracht und im IV. Akt als geschehen ge- meldet.

3) Dieser Botenbericht ist ein besonders schönes Beispiel für die lebendige und von innen heraus theatermäßige Sprachgestaltung bei N. [Es ist durchaus verständlich, daß das aktionsfreudige Jesuiten- drama diese Handlung auf dem Markt spielt. (Hoster IV/12) vgl. 8. 158.)

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geht zurück, um seiner Herrin zu berichten, und kommt nach einiger Zeit mit Esthers tröstlicher Nachricht zurück. Mit dieser Botschaft wird der Sklave zum Markt geschickt. II/6 Während die Babylonier dem Mardoch. Trost zusprechen, kommt Haman betrunken aus dem Palast. Er schickt die Babylonier fort, die wieder in ihr Wirtshaus gehen, und begibt sich mit Unterstüt des Carphologus zu seinem Haus. 11/7 Mardoch. bleibt allein im Gebet zurück.

Nach dem Chorgesang spielt der III. Akt am Abend. III/1 Esther bittet Gott um Hilfe bei ihrem Entschluß, zum König zu gehen. III/2 Der eine Babylonier kommt wieder zum Palast, während sein Gefährte noch einmal zurückgeht, um den Wirt zu bezahlen. III/3 Esther gibt dem Atachus Weisung, das Gastmahl, das sie dem König und Haman geben will, vor- zubereiten, und macht sich selbst mit Gefolge auf den Weg zum König (‚sequimini hac me puellae‘‘). III/4 Der König unter- hält sich mit Charsenas, als die Königin kommt (,‚sed regina foris‘‘). Wenn man Esthers Weg zum König mit Hamans Ankunft dort (1/8) vergleicht, so zeigt es sich, daß auch jetzt wieder die „Dialog-Zeit‘‘ eingehalten wird, die den stummen Gang durch das Atrium deckt. Aber die Königin braucht nicht durch das Tor hindurch, sie wird von den draußen Wartenden nicht bemerkt. Das führt zu der Vermutung, daß ihr Gemach einen eigenen Eingang (e) zum Atrium hat, der dem Eingang (k) zum königlichen Gemach entspricht. Harbons wird zu Haman geschickt, um ihn zum Festmahl zu holen. III/5 Der zweite Babylonier kommt mit der Nachricht, daß Haman heute nicht mehr zum Palast kommen werde, und will mit seinem Gefährten zu Hamans Haus hin. Harbona hat inzwischen (verdeckte Handlung bzw. stumme Szene) seine Einladung schon überbracht (Haman: „regina me ergo convivam cum rege expetit sibi?‘). Als er mit Haman zum Palast zurück- geht, begegmen sie den Babyloniern, die auch diesmal wieder kein Gehör finden. III/6 Wieder die typische Situation: Dialog König-Charsenas, bis Haman kommt (‚en lupum in fabula‘). Sie gehen gemeinsam zum Gastmahl bei der Königin (,age eamus‘‘), dessen Verlauf durch den folgenden Chor gedeckt ist.

IV/1 Hamans Günstlinge im Gespräch. IV/2 Haman kommt in‘schlechter Stimmung vom Palast nach Hause: nur zwei seiner Diener haben ihn abgeholt, und Mardoch. hat ihn beim Vorbeigehen nicht geehrt. (Diese stummen Vorgänge ergeben sich aus seinem Bericht IV/3). Er fängt Streit mit seiner Gattin Zares an. IV/3 Als die Günstlinge kommen, hören sie ihn drinnen mit ihr streiten (‚‚clamat Hamanus intus‘‘). Es gelingt ihnen nur mit Mühe, sich dem vor Wut Besinnungslosen be- merkbar zu machen. Schließlich fordert Haman die Besucher

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aber doch auf, Platz zu nehmen (,‚sedete ergo‘“), und berichtet über den Verlauf des Gastmahls und die Ereignisse bei seiner Heimkehr. Er will den Galgen für Mardoch. errichten lassen. Die Freunde verabschieden sich bis zum nächsten Tag. IV/4 Sie gehen befriedigt fort, nachdem sie den Sklaven Syrus, der offenbar gelauscht hat, über die Bestimmung des Galgens be- ruhigt haben. Die Zeit bis zum anderen Morgen wird durch den Chor gedeckt.

V/1 Die Babylonier wollen schon zeitig zu Hamans Haus. V/2 Hier errichten die Sklaven den Galgen. Haman kommt hinzu und begibt sich dann mit Gefolge zum König. Er kommt bei Mardoch. vorbei; die Babylonier, die ihm gefolgt sind, er- reichen ihn nicht mehr vor dem Tor (,quid nunc agimus? ingressus est‘‘). V/3 Haman findet die Tür des königlichen Gemaches verschlossen (,quid esse dicam, quod adhuc has fores sera cohibet ?‘‘). Harbona berichtet, daß der König die Nacht schlaflos verbracht habe. V/4 Charsenas liest dem König aus der Chronik vor (König: „age vero eam, in qua es, paginam legendo totam absolve“‘). Haman verliert die Geduld, klopft an und wird eingelassen (,‚nimis longum erit ut aperiat.. . pul- sabo ianuam.‘“ König: „Reclude, et quis foris siet vide.“ Charsenas: „Hamanus est“. König: „Ingredistur‘‘). Hier wird das Nebeneinander von Innen und außen und die Funk- tion der Türe als Trennung zwischen zwei für den Zuschauer gleichmäßig sichtbaren Spielfeldern vollkommen deutlich. Haman erhält nun den Auftrag, dem Mardoch. königliche Ehren zu erweisen. Seine folgenden Worte (,,o mihi iam terra dehiscat ... quid facto hoc rex vult sibi?... . sed faciundum est‘) und die anschließenden Weisungen an die Sklaven werden mit aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr beim König, sondern schon wieder im Atrium gesprochen. V/5 Die Babylonier sehen ihn denn auch sofort danach aus dem Tor heraustreten und zu Mardoch. kommen. V/6 Hamans Freunde erblicken die Ehrung des Mardoch. von ferne (sie können die Personen nicht er- kennen!), eilen dann herbei und kehren mit Haman zu seinem Haus zurück (,‚vos me sequimini ... . reliquum vobis domi“). V/7 Die Babylonier folgen ihnen (,,is vero domum properat... sequere‘‘). V/8 Haman berichtet den Freunden und seiner Frau das Vorgefallene.e V/9 Harbona kommt wieder vom Palast, trifft Syrus vor Hamans Haus beim Galgen; der schickt ihn ins Haus zu seinem Herrn. (Harb. „ubi herus?‘“ Syr. „In consilio intus‘‘ Harb. ‚intro eo“.) Anschließend richtet er dem Haman die Einladung in den Palast aus, und sie machen sich gleich auf den Weg. V/10 Die Babylonier, die Mardoch. beglückwünschen, sehen Haman zurückkommen. V/ll Der König begrüßt ihn diesmal sofort (‚„tardus ades‘‘), man wird

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also annehmen müssen, daß er ihn schon im Atrium erwartet hat. Das findet darin seine Bestätigung, daß sie auch im selben Augenblick schon bei der Königin eintreffen (‚‚eamus. Charsena Harbonaque sequimini. Salve regina‘‘)!). Die Königin weist den Gästen ihre Plätze an (‚discumbite“); dann folgt die Ent- larvung Hamans. In höchster Entrüstung verläßt der König mit Charsenas die Tafel. V/12 König im Gespräch mit Charse- nas, dann wieder zum Gastmahl hinein (,redeamus intro“‘). Sie sind also im Atrium gewesen. V/13 Die Bestrafung der Übel- täter wird angeordnet, und Mardoch. wird hineingeholt. V/14 Auch Hamans Freunde werden gefangen vor den König gebracht, der alle aburteilt („abducite nunc omnes atque crucifigite‘‘). Mardoch.s Schlußworte sind charakteristisch für eine vorhanglose Bühne die mit ihren eigenen Mitteln das Spiel-Ende nicht andeuten kann (‚vos mecum Babylonii. Nolite spectatores exspectare, ut huc redeamus. Nemo redibit.‘‘)

Damit erscheint der Nachweis für das Nebeneinander von drei Innenräumen erbracht?). Im Zusammenhang mit diesem Ergebnis muß eine frühere Rekonstruktion der „Haman“- Bühne Berücksichtigung finden. Flemmings?) Konstruktion der kubischen Simultanbühne für das frühe Jesuitentheater*) geht vor allem von zwei Dramen aus. Das eine ist Gretsers „Lazarus‘‘, das andere ein anonymes Jesuitenstück, die Mün- chener ‚Hester‘‘ von 15775). Der dritte Teil dieser Jesuiten- „Hester‘, auf den Flemming seine Konstruktion besonders stützt, ist eine nur unwesentlich veränderte Kopie des ‚„Hama- nus‘‘ von Naogeorg. Es bleibt vollkommen rätselhaft, warum Flemming die unmittelbare Abhängigkeit des Jesuitendramas

1) Vgl. S. 155 Anm. |.

2) Als Anhalt für die Größe der Häuser: in Estherse Gemach ist Platz für den Tisch, an dem drei Personen mindestens sitzen können (V/1l König: „Ascende Hamane, dextrum tibi claudam latus, ita sedebit regins exadvorsum mihi‘‘); in Hamans Haus werden die Freunde IV/3 aufgefordert, Platz zu nehmen; im königlichen Gemach sind zweifellos auch Sessel anzunehmen. (Der Übersetzer Chryseus fügt beim Empfang der Esther durch den König ein „setzt euch‘ ein.)

s) W. Flemming, Geschichte des Jesuitenthesters in den Landen deutscher Zunge. Schriften der Ges. f. Theatergesch. Bd. 32. Berlin 1923;, derselbe, Artikel „‚Jesuitentheater‘‘ in Merker-Stammlers Real- lexikon. |

“4) Flemming, S. 88, „.. . Typus der kubischen Simultanbühne, der allerdings für das erste Jahrhundert des Ordens als charakte- ristisch zu gelten hat.

5) Staatsbibliothek München, handschriftlich (Cod. lat. 524).

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vom „Haman“, die ihm aus seiner Literatur!) ganz selbst- verständlich bekannt sein mußte, nicht einmal für erwähnens- wert gehalten hat. Er hätte sich alle seine müihevollen Unter- suchungen über den außerdeutsshen Ursprung der kubischen Simultanbühne?) ersparen können, wenn er die einzig mögliche Konsequenz gezogen hätte: daß die „kubische Simultanbühne“ des Jesuitentheaters von 1577 in ihren wesentlichen Elementen mit der Bühne Naogeorgs von 1543 übereingestimmt haben muß. Unsere bisherigen Ergebnisse scheinen einen solchen Schluß durchaus zu rechtfertigen. Flemmings Rekonstruk- tion®), deren Einzelheiten hier nicht in Betracht zu ziehen sind, zeigt im Grundprinzip gleichfalls das Nebeneinander von Innenräumen hinter dem Pesaın Haus des Haman und „cubiculum regis‘‘, das durch ein Palasttor vom Frauengemach getrennt ist. Darüber hinaus erfordert das breit nen Jesuitendrama: Saal, „forum‘‘ und ‚‚mons“,

Flemming glaubt nun mit Sicherheit behaupten zu dürfen, daß jeder einzelne dieser Innenräume mit einem Vorhang zu verhüllen bzw. zu enthüllen wart). Seine Vorhang-Hypothese hat nachträglich eine Stützung gefunden: die Bühne des Thomas Brunner, die Stumpfl aus den Dramen ‚Jacob‘“ (1566), „To- bias‘‘ (1569) und „Isaac‘‘ (1569) rekonstruiert hat5), ist eine flächige Simultanbühne mit plastisch aufgebauten Mansionen (also „kubisch‘‘ im Sinne F Fe mmings!), die zum Teil durch Vorhänge verschließbar sind ande die Vorführung von Innen- raumszenen ermöglichen. Sehen wir vorläufig von diesen Vor- hängen ab, so entspricht die Brunner-Bühne in der Grund- gestalt und den einzelnen Elementen durchaus den Ergebnissen

ı) R. Schwartz, Esther im deutsch. u. neulat. Drama des Re- formationszeitalters, Oldenburg 1894, weist in der genauen Inhalts- angabe der ‚„‚Hester“‘ (S. 145ff.) von Fl. S. 20, Fn. 7 ausdrücklich genannt die Übereinstimmung zwischen den beiden Stücken Szene für.Szene mit größter Sorgfalt nach; S. 140, 156, 166 betont er nochmals die Anhängigkeit nachdrücklichst.

2) Eckardt, E. J., Studien zur deutschen Bühnengeschichte der Renaissance (Theatergeschichtl. Forsch. 41), Leipzig 1931, verkennt die wahren Zusammenhänge ebenfalls, wenn er in der Bühne der Mün- chener „‚Hester‘‘ die Wandlung der BES ÄNSEE . zur Stand- ortszenenbühne‘“‘ (8. 82) sieht.

s) Flemming, S. XVI Abb. co.

4) Flemming, 8. 21f.

6) Jacob und seine 12 Söhne. Ein evangelisches Schulspiel aus Steyr von Thomas Brunner (1566). Herausgegeben von R. Stumpf. (Neudrucke deu‘scher Literaturwerke des XVI. und XVII. Jh. Nr. 258—260.) Halle 1928.

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aus dem „Haman‘, und wenn Stumpfl sie mit Recht als Vor- läufer der Jesuitenbühne in Anspruch nimmt, so dürfen wir sie jetzt als Mittelglied zwischen Naogeorgs Bühne und der Bühne der Münchener ‚Hester‘‘ einordnen. Und als Mittel- glied nicht nur aus zeitlichen und technischen Gründen: es spricht einiges dafür, daß Brunners Bühne als Nachfolgerin der Naogeorg-Bühne in engerem Sinn angesehen werden darf. Brunner, der als Rektor der Lateinschule seit 1558 in Steyr wirkte, hat nicht nur bis zu seinem Tode (1571) in reger Korre- spondenz mit Wittenberg gestanden und seine Dramen sämt- lich dort drucken lassen, sondern Stumpf glaubt auch annehmen zu dürfen, daß er in den fünfziger Jahren in Wittenberg studiert hat. Um diese Zeit aber wird dort die von Naogeorg um 1540 geschaffene Spieltradition noch lebendig gewesen Bein.

Die Reihe Naogeorg— Brunner Münchener Jesuitenbühne bietet dann nur eine letzte Schwierigkeit: wird man die Vor- hänge, die nur für die beiden späteren Bühnenformen bewiesen sind, auch schon für Naogeorg annehmen dürfen ? Dabei taucht die andere Frage auf, ob hier überhaupt von einem „schon“ gesprochen werden kann. Der Vorhang, der die Mansion schließt, ist: ja keine neue Errungenschaft der Renaissance- bühne, sondern er ist älter als diese. Und man hat also zu fragen, ob sich nicht über die frühe Naogeorg-Bühne hinüber der Vorhang der mittelalterlichen Inszenierung bis in die Zeit Brunners und die erste Generation des Jesuitentheaters hinein erhalten hat.

Der ‚„Haman“ gibt keinen positiven Beweis für die Existenz eines Vorhangsystemes. Man wird darum zunächst festzu- stellen haben, ob und wie eine Aufführung ohne Vorhänge denkbar ist. Dabei wird vor allem die Möglichkeit eines Neben- einanders von gesprochenen und stummen Szenen in Betracht zu ziehen sein. Simultananordnung bedeutet ja nicht nur Ne- beneinander der Orte, sondern auch der Aktionen. Und man wird die „dürftigen‘‘ Drucktexte doch wohl immer nur als eine Aufzeichnung der führenden Stimme aufzufassen haben, zu der sich das begleitende Spiel harmonisch ergibt!).

1) Sehr aufschlußreich für die Deutung der Texte überhaupt ist die Anmerkung, die der Übersetzer Mercurius in der Abendmahlszene des „„Judas‘ gibt: (III/5 „Nota: Hie soll kein ausspenden oder dar- reichen geschehen, sonder schlecht diese Wort erzelet werden, wie sie hie nach einander stehen, damit es nit zu vnehren des Herren Nacht- mal im Schawspiel geschehen, sonder als Verba Evangelii fürgelosen werden‘. Das Selbstverständliche ist also die Begleitung der Worte durch Aktion!

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Die erste „Enthüllungsszene“ im Sinne Flemmings ist 1/8: plötzlich setzt das Gespräch zwischen dem König und Charsenas ein, weil Haman auf dem Weg zu ihnen ist. Daß ein Enthüllen des vorher geschlossenen Raumes die einfachste und was eigentlich skeptisch stimmen muß eine dem modernen Emp- finden besonders gemäße Lösung ist, läßt sich gar nicht be- zweifeln; man wird aber zunächst mit der Annahme auszu- kommen suchen, daß die beiden im Gespräch aus einer Tür der rückwärts abschließenden Wand in das allseits offene Ge- mach getreten sein könnten und sich nach Hamans Weggang auf die gleiche Weise wieder zurückziehen. Das heißt, eine dritte Tiefenschicht der Bühne bzw. eine zweite Reihe von unsichtbaren Innenräumen hinter den sichtbaren annehmen. Auf eine solche Abgangsmöglichkeit aus den Innenräumen nach rückwärts weist allerdings im ganzen Text kein einziges „intro eo“ oder eine andere der formelhaften Abgangswen- dungen hin!). Vor allem aber fällt es sehr schwer, die Szene V/4 mit einer solchen Lösung in Einklang zu bringen: der König hat sich während einer schlaflosen Nacht von Charsenas vor- lesen lassen; er müßte also jetzt bei vorhangloser Bühne zu Beginn der Szene mit seinem Begleiter und der Chronik aus dem unsichtbaren Raum in sein Gemach treten, um dort die unterbrochene Lektüre fortzusetzen. Dabei drängt hier die ausdrückliche Aufforderung, auf der angefangenen Seite weiterzulesen, geradezu die Vermutung auf, daß es ein Szenen- beginn „mitten im Bilde‘, die sichtbare Fortsetzung einer ver- deckten Spielsituation ist. Eine weitere Schwierigkeit be- reiten die beiden Gastmähler bei der Königin (das erste unsicht- bar zwischen dem III. und IV. Akt, das zweite sichtbar V/11ff.): auf der vorhanglosen Bühne muß man sich die beiden Tafeln nämlich an zwei verschiedenen Orten vorstellen. Wenn die Königin I1Il/3 dem Atachus aufträgt „convivium instrue mensamque adorna‘, so müßte man das auf einen Tisch be- ziehen, der irgendwo unsichtbar „hinter der Szene‘ steht, weil ja zwischen den Akten nur die Bühnenrückwand die nötige Deckung gibt. Sobald man aber einen Zwischenvorhang zwischen Esthers Haus und dem Publikum annimmt, so handelt es sich um eine und dieselbe Tafel, an der man sich das erste- mal bei geschlossenem, das zweitemal bei geöffnetem Vorhang versammelt. Ähnliche Schwierigkeiten und Unwahrscheinlich- keiten?) ergeben sich schließlich auch für Hamans Haus; sie

1) Das ‚‚ad scribas regioe‘‘ (1/9) ist eine Ausnahme, da das Atrium entgegen Flemmings Annahme 8. 25f. kein Innenraum ist.

2) Die Frage nach einer „Wahrscheinlichkeit‘‘, also nach einer logischen Unterstützung der Illusion des Zuschauers durch den

Archiv für Reformationsgeschichte. ZXXII. 3/1. 11

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lösen sich mit einem Schlage, wenn man auch hier den beweg- lichen Vordervorhang annimmt.

Im Zusammenhang mit der Vorhangfrage ist eine „Pam- machius‘‘-Stelle wichtig, aus der Stumpfl!) auf mittelalter- liche Vorbilder für Naogeorg schließen will. In der Szene III/4, wenn Pammachius sich in das päpstliche Ornat kleidet, weist er Prophyrius an: (V. 1997 des Neudrucks) ‚cortinas applica et extende, ut vestiar ego.... .‘‘; dann geht der Dialog Pammachius-Porphyrius weiter bis zu den Worten: (V. 2065) „revolve nunc cortinas, ut viderier ab omnibus possim .. .‘“2).

Man wird sich aber hüten müssen, aus dieser Stelle allzu weitgehende Schlüsse zu ziehen, da der Zusammenhang ganz besondere Voraussetzungen für diese Vorhangszene erkennen läßt2). Pammachius gibt vorher Weisungen für die Aus-

Dramatiker berührt Grundprobleme der thestralischen Rekonstruk- tion. Die Auffassung von Expeditus Schmidt (Bühnenverhältnisse, 1903) hat in geradezu verhängnisvoller Weise lange Zeit hindurch ver- leitet, um jeden Preis die unglücklichste Lösung für jede szenische Schwierigkeit anzunehmen. So gefährlich auch das Gegenteil ist, das mehr oder minder bewußte Arbeiten mit modernen Bühnen- begriffen, so haben wir auch ganz gewiß keine Berechtigung, mit der technischen Naivität und Primitivität des 16. Jh. als absoluter Größe zu rechnen. Aus den nicht seltenen groben technischen Entgleisungen seiner Zeitgenossen wird man unter keiner Bedingung den Schluß ziehen dürfen, daß auch N., bei dem es keinen einzigen unmotivierten Gang, keine einzige Unglaubwürdigkeit im Räumlichen und Zeitlichen gibt, an die Vorstellungskraft seiner Zuschauer gelegentlich Zumutungen habe stellen müssen, die in unvereinbarem Widerspruch zu seiner im übrigen überzeugend geschlossenen und einheitlichen Bühnen- vorstellung stehen.

ı) R. Stumpfl, Die Bühnenmöglichkeiten im 16. Jh. ZfdPhil. 54 (1929), S. 55.

2) Stumpfl zitiert nicht das lateinische Original, sondern nur V. 2005 in Tyrolffs Übersetzung: ‚‚den fürhang rück nun itzund bald hindan, daß mich erkenn und seh ein iederman .. .‘‘. (St.s Hinweis, daß Rebhun in seiner Bearbeitung der T.-Übersetzung ändert: ‚steh du ein wenig nu bey seits hindan ... .‘‘, ist szenisch nicht besonders aufschlußreich, weil sich Pammachius in R.s stark kürzender Be- arbeitung gar nicht umkleidet, sondern nur die Krone aufsetzt.) Menius, dem Bolte-Schmidt (8. XXII) mit Recht als Übersetzer den Vorrang geben, überträgt: „zeuch für den Vorhang auff all seit, das ich mich nu müg auch verklef®’ und ‚‚so zicht den vorhang wider ab“.

?2) A. Hübner, Studien zu Naogeorg, ZfdAlt. 54 (1913), S. 298 weist gerade für diese Stelle eine enge Beziehung zum Luzerner Antichristspiel des Zacharias Rletz von 1549 nach. Der Krönung

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schmückung seines Thrones: (V. 1992) „‚Aulaeis totum con- sessum cingito .. .‘‘1). Porphyrius hat schon alles wunschgemäß vorbereitet: „Adsunt, soliumque tibi est paratum....‘“. Dann folgt das ‚„cortinas applica ... .‘‘?). So wichtig auch die Fest- stellung ist, daß Naogeorgs Bühneneinrichtung überhaupt praktikable Vorhänge kennt, so selbetverständlich ist es auch, daß diese „‚cortinae‘?) mit den Vordervorhängen der Mansionen nichts zu tun haben.

Über deren Vorhandensein haben wir zusammenfassend zu sagen: sie sind selbstverständliches Zubehör jener Bühnen, die wir auf Naogeorgs Bühnenform zurückführen dürfen: ihr mittelalterlicher Ursprung spricht eher dafür als dagegen, daß sie auch schon für die früheste Form der Reihe Naogeorg Brunner Münchener Jesuiten-,‚Hester‘‘ anzunehmen sind; Naogeorgs Dramaturgie legt die Annahme des gelegentlichen Verhüllens und Wiederöffnens des einzelnen Hauses durch- aus nahe.

Wenn man erst einmal dazu gekommen ist, für Naogeorg eine Bühneneinrichtung anzunehmen, die wir mit ihren ver-

des Pammachius im templüm zu Rom entspricht dort die Anbetung des Antichrist im Tempel zu Jerusalem. ‚‚Ausgeschlossen scheint ein Zufall, wenn beide Szenen auch in einer charakteristischen Einzel- heit völlig übereinstimmen. Im Luz. A. heißt es nach V. 1550: „Sy zient die vmbheng für, beschnyden jn .. .‘‘ und nach V. 1675: „jetz thünts die vmbheng vff, sitzt entcrist alls ein küng geziertt vff ein sässell....‘‘ „Pammachius“ und das zehn Jahre jüngere Luzerner Spiel gehen danach also zweifellos auf eine gemeinsame ältere Quelle zurück. In unserem Zusammenhang ist es von besonderem Inter- esse, daß das Personenverzeichnis des Luzerner Spiels (K. Reuschel, Die deutschen Weltgerichtsspiele. Teutonia 4, Leipzig 1906, 8. 323) vorschreibt: „Tempell emitten vff der prügi, ein gottekasten, fürhanng vnnd alltar‘‘. Dieser Vorhang, der einzige, den das Verzeichnis nennt, darf danach wohl als typisches Sonderrequisit des Tempels aufgefaßt werden und nimmt also auch bei N. eine Ausnahme- stellung ein.

1) Menius übersetzt: „Umbheng mit teppich den gantzen kreis‘'; Tyrolff: „mit hübschen decken zyr durchaus den standt‘“.

2) Für die Gleichsetzung von cortina und aulaea vgl. auch Du Cange, II. Bd., S. 588: ‚‚Iso Magister in Gloss.: Aulaea, proprie Umbhang, ab aula Attali Regis dicta, proprie Cortinae““.

s) Flemming, $S. 140, kennt ‚‚cortinae“ nur als ‚„‚die letzte hin- terste Ummantelung der Bühne‘ im Venezianischen Terenz, bei Ischyrius und Jaspar von Gennep, dann erst wieder gegen Ende des 17. Jh. als Vordervorhang der Kulissenbühne.

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schiedenen praktikablen!) Häusern als mittelalterlich®) zu be- zeichnen gewöhnt sind, so ergeben auch die übrigen fünf Dramen ein fast ausnahmelos klares szenisches Bild. Allerdings kommt hier noch eine Frage hinzu, die vom „Hamanus‘‘ nicht berührt wurde: das ist die Einbeziehung der himmlischen und höllischen Sphäre. In sämtlichen übrigen Dramen Naogeorgs ist Satan ein wichtiger Träger der Aktion, und im „Pammachius‘‘, „Mercator‘‘ und ‚Judas‘ greift Christus in das Spiel ein. Allerdings ist vom szenischen Standpunkt aus die Erscheinung dieser unirdischen Gestalten keineswegs immer gleich zu.werten. Himmel und Hölle als wirkliche Spielorte neben der nibehen Region kennt nur der „Pammachius‘‘; im „Mercator“ bleı

noch der Himmel übrig, während der Teufel wie auch im „Pyrgopolinices“, im ‚„Hieremias‘‘ und im ‚Judas‘ irgendwo aus dem Unsichtbaren herkommt?). Seit dem „Pyrgopolinices“ gibt es also überhaupt nur noch die „Erde“. Denn auch im „Judas“ zählt der Jesus der Bibelerzählung zur irdischen Sphäre, während er in den beiden Erstlingsdramen als Welten- richter ‚„über‘‘ dem Spiel stand. Der „Himmel“, der ganz gewiß durch einen Vordervorhang geschlossen war, weil er nur selten und in weiten Abständen Ort der Handlung ist (Pamm. 1/1, IV/1 usw., also durch fast drei ganze Akte getrennt;

ı) Für die Bühneneinrichtung ist von Bedeutung eine Stelle im „Pyrgopolinices‘‘; da wird befohlen, „vinctos statui tectos Bceno- mate“. (V/2). (Der Übersetzer: „laß die gfangenen gselln Dort hinter jhene hütten stelln“‘). N. verwendet hier das oxrmwua, das in derselben Grundbedeutung wie oxıp Zelt, primitive Hütte, vor allem bei Euripides vorkommt (vgl. Artikel ‚tentorium‘“ von V. Chapot in Dictionnaire des antiquites grecques et romaines. Tome V. Paris 1913— 1919).

2) Dem entspricht auch die Betonung des Optischen in Spiel und Maske. Von dem erzürnten Julian wird gesagt (Pamm. 1/6): ‚„‚nonne vides, quantum deliberet, quam spargat huc illucque manus, quam isctitet caput ?‘‘ Satan wird geschildert (Pamm. II/4): ‚„eum esse opinor .... ssevum, cornutum, hispidum, vultu tragico, oclis horren- dum flammantibus atque rotundis, naso aquilino ac nodoso et ore insuete largo, corpore toto aterrimo.‘‘ Judas (Jud. I/l): ‚„rufus est barba et capillis, igneo naso admodum, luminibus amplis, pallide facie et brevi flavoque .. .. est amictus pallio.‘‘“ (Mercurius übersetzt das: ,. ... hatt rottes Haar, ein rotten bart, . . . der gleichen ist jn pleych der mundt, die Naasen fahl, das angsicht rundt‘‘).

?) Der ‚„‚Hieremias‘“‘-Prolog schließt: ‚‚Haec sunt satis. Nam video Satanam cum suis Manum moventem et gestientem progredi Ut colloquatur, vosque docet reliqua.‘‘ Mercurius hängt dem: Prolog seiner „Judas‘‘-Übersetzung an: ‚‚Secht zu dort her der Teüffel dritt.“

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Merc. IIl/1, V/l usw.), muß wohl etwas aus der übrigen Spiel- ebene herauserhoben angenommen werden. Dafür spricht be- sonders, daß beidemal ein besonderes Kunstmittel Anwendung findet: das Herabblicken auf die Erde (Pamm. IV/3: Christus ‚„Vides Germaniam ?‘“ Veritas „Video“; Merc. III/l: Christus „Vides domum ??‘ Petrus ‚„Nondum‘“‘ Christus ‚„Indicem ob- serva‘‘). Dieses Sehen über weite Räume hinweg wird durch Erhöhung des Betrachters um ein paar Stufen zu stärkerer Wirkung gebracht worden sein. Eine derartige stufenförmige Gliederung ist als räumliche Gestaltung des im „Pammachius“ geschaffenen Weltbildes ganz besonders glaubhaft!. Un-

wird man sich aber davor hüten ‚müssen, die Begriffe erhöhte Bühne und Hinterbühne zu assoziieren, wie es unserem heutigen Theaterbegriff entspricht. Naogeorgs Bühne ist die Bühne des breiten Nebeneinander, auf der man vom Himmel durch die Welt zur Hölle schreiten kann, sie ist Reliefbühne und noch fern der barocken Tiefenschichtung. Selbst das Verhält- nis von innen und außen ist immer ein Nebeneinander; die Türwand verläuft im rechten Winkel zur Rampe, und der Zuschauer sieht gleichzeitig den Kaufmann in seinem Hause und den Todesboten, der vor der Tür Einlaß begehrt (Merc. 1/3), wie er Haman vor dem Gemach warten sieht, in dem der König sich vorlesen läßt (Ham. 1/4)?).

Dabei ergibt sich für die ganze Bühne eine beträchtliche Breitenerstreckung. Der ‚„Hieremias‘‘ erfordert außer dem Markt (I/4), den man wohl mit dem Proszenium gleichsetzen kann, nicht nur Wirtshaus (Il/2), Palast (III/2, 5, IV/10, V/l), Tempel (III/8, IV/8) und Kerker (IV/3), die personenreiche Innenszenen zulassen, sondern wahrscheinlich auch noch Stadttor (V/8) und Mauern, wenn die Inszenierung der Szenen- anweisung in V/8, der einzigen in Naogeorgs sämtlichen Dramen, entsprechen wollte. Es wird dort außer der Blendung des Königs, der Tötung seiner Kinder und Feldherrn auch die Zer-

1) Die späte „‚Mercator“-Bearbeitung (vgl. 8. 147) für eine Saal- bühne ändert im Sinn einer Ausgleichung des Niveauunterschiedes.

3) Exp. Schmidt, getreu dem Leitsatz: ‚‚Scheinbare Innenszenen sind immer verdächtig‘ (S. 154) glaubt auch N.s Bühne in sein Normal- schema bringen zu können (8. 155): ‚Das Bett des Kaufmanns ... stand sicher offen auf der Bühne, und der Todesbote lärmte ein paar Schritte weiter an der Wand oder einer markierten Tür herum, bis er endlich ‚‚Einlaß‘‘ fand. Das Zimmer mit allem Zubehör dachten sich die verständnisvollen Zuschauer selbst dazu.“ (Inkonsequent! Wenn sich die Zuschauer die Truhe ‚denken‘ können, in die der Lucrum versteckt wird (I/3), dann müßten sie auch ‚‚verständnisvoll‘ genug sein, um das Bett entbehren zu können!)

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störung der ganzen: Stadt gefordert (Diruuntur moenis, in- cenditur civitas et templum .. .)}).

Nimmt man für die Darstellung von Himmel, Erde, Hölle verschiedene Höhenlagen der nebeneinandergeordneten Spiel- ‚orte an, 80 zeigt die Reihe vom „Pammachius‘ über den „Mer- cator‘‘ zum ‚„Pyrgopolinices“‘ und den späteren Dramen die klare Tendenz zur Gewinnung einer einheitlichen Spielebene, ein Bestreben also, das von der mittelalterlichen Bühne führt. Der erste Schritt zur Umformung heitliche Orientierung sämtlicher Spielorte zur Ra die „Front zum Publikum“. Der Vereinheitlichung de Rich- tung folgt die Vereinheitlichung der Spielebene, ohne die ein Proszenium im Sinn der Renaissancebühne nicht denkbar ist. Das Räumliche der Bühne geht immer mehr verloren: die Raum- tiefe verflacht zur Reliefbühne, und die Höhengliederung wird der einheitlichen Spielebene zum Opfer gebracht. Uneinge- schränkt bleibt nur die Breitenerstreckung, und es ist noch ein weiter Weg von der Bühne Naogeorgs mit ihren zahlreichen klar geschiedenen Spielorten bis zur Neutralbühne, die das Nebeneinander zur Einheit verschmilzt. Keiner von Naogeorgs Nachfolgern tat in den folgenden Jahrzehnten diesen ent- scheidenden letzten Schritt zum Neuen. Noch die Münchener Jesuitenbühne von 1577 steht fest ın der alten Tradition, in der ungebrochene Kräfte des Mittelalters fortleben.

1) Die Zerstörung eines prektikablen Bühnenbaus auf offener Szene findet sich auch in der „Tragedy wider die Abgötterey‘‘, 1535, des Johannes Kolroß (irrtümlich meist Sixt Birck zugeschrieben). Im „erst actus‘‘ Daniel: ‚‚der tempel nun auch dannen ghört.... da- rumb so brechend jn auch ab“. Werckmaister: „Ir gsellen dran... .““ (.. . darzwischen bricht man den tempel ab).

Luthers Aufruf an den Adel, die Kirche zu reformieren. Von Karl Bauer.

Die Frage nach den Entstehungsverhältnissen von Luthers Schrift „An den Adel‘ ist schon wiederholt Gegenstand mehr oder weniger eingehender Untersuchungen gewesen. Doch scheint das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen zu sein. Im wesentlichen gilt auch heute noch, was Ew. Schnei- der 1889 schrieb!): „Es ist ein beklagenswerter Umstand, daß wir gerade bei dieser vornehmsten Reformationsschrift völlig im Unklaren über die unmittelbare Veranlassung zu ihrer Abfassung sind.“ Die Frage hat sich inzwischen noch dadurch verwickelt, daß selbst die Einheitlichkeit der Schrift zweifel- haft geworden ist.

Der erste, der einen solchen Zweifel geäußert hat, war Otto Clemen in seiner Luther-Ausgabe?). Er suchte die publica scheda ad Carolum et totius Germanise nobilitatem adversus Romanae curiae tyrannidem et nequitiam festzustellen, die Luther in einem undatierten Brief an Spalatin in der zweiten Juniwoche 1520 ankündigte?). Und er meinte sie zu finden einesteils in dem Brief an Nicolaus von Amsdorff vom 23. Juni, der die Schrift eröffnete, andernteils in den 25 Reformvor- schlägen, die Luther in der ersten Auflage der weltlichen Ge- walt oder einem gemeinen Konzil vorlegte. Er verwies dafür auf die Ankündigung Luthers in dem Brief an Amsdorff, er wolle „auch ein mal hoffnar werden“, und meinte, Luther greife auf diese Wendung zurück, indem er jene Reform- vorschläge mit den Worten einleite, er wolle „das narn spiel hynauß singen und sagen“. Die theologische Ausführung über die drei Mauern der Romanisten dagegen samt der Kritik an dem Papst, den Kardinälen und dem päpstlichen Hof erklärte er für eine nachträgliche Einschaltung. Er glaubte

1) Luthers Werke für das christliche Haus I, 202.

%) Luthers Werke in Auswahl I (1912), 362.

3) Enders, Luthers Briefwechsel II, 414 (= Luthers Werke, Wei- marer Ausgabe. Briefwechsel II, 120).

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sich hierfür darauf berufen zu können, daß Luther gerade in diesem Abschnitt auf die Argentinensis tragoedia zu reden kam), deren Erörterung er erst später angekündigt hatte?). Belastet war diese Ansicht Clemens von vornherein durch das Bedenken, daß die Naht „Hofnarr‘‘ ‚Narrenspiel“, die die beiden Stücke der scheda zusammenbalten sollte, zer- rissen wurde durch das Schreiben an Karl V., das, wenn Clemen recht hatte, seinen Platz vor dem Brief an Amsdorff finden mußte. Auch war nicht ersichtlich, was Luther zu der nicht unbeträchtlichen Einschaltung nachträglich hätte veranlassen können, die mit ihrer Kritik der römischen Verhältnisse den dann folgenden Reformvorschlägen mannigfach vorgriff. Indessen nicht an diesen Punkten setzte die Kritik ein. Anfangs schien es, als wolle sich die Ansicht Clemens wider- spruchslos einbürgern. Wenigstens erklärte sich Kalkoff zunächst mit ihr einverstanden?). Aber dann rückte er doch merklich von ihr ab, und von einer Zerreißung des ursprüng- lichen Zusammenhangs durch einen späteren Einschub war bei ihm nun nicht mehr die Rede. Die Schrift war für ihn viel- mehr jetzt ein Werk aus einem Guß ohne Risse und ohne Nähte, und der Abschnitt über die drei Mauern der Romanisten mit der Verkündung des allgemeinen Priestertums aller Ge- tauften galt ihm geradezu als der eigentliche Kern und das Herzstück des Ganzen. ‚Hier‘, schrieb er), ‚ist alles auf den einen Grundgedanken abgestimmt, daß alle Christen geist- lichen Standes seien; der Absperrung von der Heiligen Schrift ledig, sind die Laien den Priestern ebenbürtige Glieder des einen christlichen Gemeinwesens, dem die Kirche, von der Gewaltherrschaft der Päpste befreit, sich einfügt. Wie der einzelne nun um Gottes willen seine Laster und Mängel be- kämpfen soll, so sollen sie vereint dahin wirken, alle öffentlichen Verhältnisse mit dem göttlichen Geiste zu durchdringen.“ Indessen war die Frage nach der Einheitlichkeit der Schrift mit dieser Erklärung Kalkoffs noch nicht erledigt. In einer besonderen Untersuchung kam Kohlmeyer auf sie zurück®). Er war mit Clemen insofern einverstanden, als auch er eine einheitliche schriftstellerische Konzeption leugnete. Indem

ı) W. A. (= Weimarer Ausgabe) VI, 422.

3) Brief an Spalatin vom 25. Juni 1520. Enders II, 424.

®) Luthers Werke, Münchener Ausgabe (herausg. von H. H. Bor- chardt) II (1914), S. 250.

*) P. Kalkoffl, Luther und die Entscheidungsjahre der Refor- mation (1917), S. 171f.

s) E. Kohlmeyer, Die Entstehung der Schrift Luthers: „An den cbristlichen Adel deutscher Nation‘‘ (1922).

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er die Schrift in drei Teile gliederte, von denen A die drei Mauern der Romanisten umfasse, während B und C zwei Reihen von Vorschlägen brächten, gelangte er zu dem Er- gebnis, „daß die Reihen B und C nicht aufeinander angelegt sind. Sie können auf Einheitlichkeit und innere Zusammengehörigkeit keinen Anspruch machen. Sie stehen sich mehrfach unausgeglichen gegenüber, und zwar sowohl durch völlige Wiederholung, wie auch durch Abwei- chungen in wichtigen Stücken!).‘“ Wie Clemen, so nahm auch er A und B zusammen. Er unterschied sich von ihm erst in der Antwort auf die Frage, welches Stück den ursprünglichen Entwurf bildete, ob A und B ein Einschub oder C ein Anhang sei. Er entschied sich für die zweite Möglichkeit und glaubte sich hierfür namentlich darauf berufen zu können, daß C mehr- fach auf A und B Bezug nehme?). Den Leitfaden für die Auswahl, die Luther in der ursprünglichen scheda aus den Reformgedanken seiner früheren Schriften treffe, wollte Kohl- meyer in der unmittelbaren Beziehung auf Papst und Kurie erblicken, da ihn die Epitome des Prierias und die Schrift Alvelds zu einem grundsätzlichen Angriff auf den Papst als den Antichrist veranlaßt hätten?). Die gesamten übrigen Reformgedanken habe er später hinzugefügt‘). Daß sein Ton sich dabei zusehends verschärft habe, verstehe sich aus den Erfahrungen, die er während der Ausarbeitung der Schrift mit der Kurie gemacht habe®°).

Unwidersprochen blieben auch diese Ausführungen nicht. Walther Köhler, der seit seiner von Georg Grützmacher an- geregten Dissertation®) als der genaueste Kenner der Schrift Luthers „An den Adel‘ gelten durfte, machte die Schrift Kohlmeyers alsbald zum Gegenstand von Seminarübungen, deren Niederschlag er in einem größeren Aufsatz bekannt gab’). Hier lehnte er zwar mit Kohlmeyer die Behauptung Clemens ab, derzufolge die Widmung und C den ursprünglichen Ent- wurf bedeuteten, A und B aber eingeschoben sein sollten®).

ı) A. a. O. S. 11. Sperrung nach der Vorlage.

2) 8. 14. 3) 8. 63ff. *) 8. 75. s) S. 90. |

e) W. E. Köhler, Luthers Schrift „An den christlichen Adel deut- scher Nation‘ im Spiegel der Kultur- und Zeitgeschichte. Ein Beitrag zum Verständnis dieser Schrift Luthers (1895).

?) W. Köhler, Zu Luthers Schrift „An den christlichen Adel deut- scher Nation‘. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. 45. Bd. Kanonistische Abteilung XLV, S. 1—38. In Betracht kommt hier nur der erste Teil des Aufsatzes: Die Komposition der Schrift (8. 1—17).

»,S.8.

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Aber er trat in Gegensatz zu Kohlmeyer, indem er gegen ihn die Einheitlichkeit der Schrift zu erweisen suchte. Für ihn war B lediglich eine „Digression‘‘, die nicht nur die römische Praktik als Tyrannei, Geiz und Pracht rügen, sondern auch ihren Widerspruch mit dem eigenen erdichteten geistlichen Recht feststellen sollte!). Auch ließ er Kohlmeyers Behaup- tung nicht gelten, daß das Urteil Luthers über den Papst sich in C wesentlich verschärft habe gegenüber B?), und daß an die Stelle des Konzils, des Ausgangspunktes für die recht- liche Durchführung der Reform im ersten Teil, baldigst die weltliche Gewalt des Deutschen Reiches trete?). Sein Er- gebnis faßte er kurz dahin zusammen): „Die Schrift an den christlichen Adel zerfällt, streng genommen, überhaupt nicht in zwei Teile, sondern ist einheitlich komponiert; die Einheit- lichkeit wird nur unterbrochen durch eine längere Digression, nach deren Abschluß aber die Weiterführung an der Unter- bruchstelle fortgesetzt und ohne sachliche Änderung in den Prinzipienfragen bis ans Ende gelangt.“

Was an allen diesen Erörterungen auffällt, ist die isolierte Betrachtung, der sie die Schrift Luthers unterziehen, wobei es ohne einen Rekurs auf persönliche Eindrücke nicht ab- geht, die doch nur zu subjektiv gefärbten Urteilen führen können. Zu einem überzeugenden Ergebnis können wir nicht gelangen, solange wir lediglich an der fertigen Schrift selbst ihre Entstehungsgeschichte abzulesen suchen. Bleiben wir bei einer Untersuchung nur auf Grund innerer Indizien stehen, so sinkt uns die Schrift unversehens auf das Niveau jener Dissertationen, über die Troeltsch einmal gespottet hat: ‚Man nimmt zehn Bücher vor sich und macht daraus in sechs Wochen ein elftes Buch®).‘“‘“ Auch mit dem Rekurs Kohlmeyers auf den Verlauf des Prozesses in Rom und seine psychologische Rückwirkung auf Luther ist es noch nicht getan. Und ebenso- wenig ist alles geleistet mit dem beliebten Hinweis auf Hutten, Sickingen und Schaumburg. Wir müssen uns vielmehr vor allem in dem gleichzeitigen Briefwechsel Luthers und seines Kreises recht genau umsehen, ob etwa von hier ein Licht auf die Abfassungsverhältnisse unserer Schrift fällt. Neue Quellen fließen hier zwar nicht. Aber vielleicht sind die alten bei näherer Prüfung ergiebiger, als es bisher den Anschein hatte.

1) 8. 2—5. 2) 8. 7—10. 3) 8. 11—15. *) 8. 16.

s) „Es bleiben ... höchstens 1!/, bis 2 Monate Zeit übrig für die Fertigstellung dieser großartig angelegten Schrift Luthers.‘ W. Köhler. Luthers Schrift „An den Adel“, 8. 21 Anm. 1, doch mit der Ein- schränkung, in so kurzer Zeit könne man keine „quellenmäßige Dar- stellung anfertigen‘‘.

171

I.

Wo Luther zum erstenmal etwas von seiner Absicht, unsere Schrift zu schreiben, verlauten läßt, sagt er, er wolle sich ad Carolum et totius Germaniae nobilitatem wenden!). Wie ist er auf diesen Gedanken gekommen? Er selber hat das Auffallende seines Schrittes klar empfunden. In den beiden Briefen, die wir an der Spitze der Schrift lesen, hat er es des- halb für angezeigt gehalten, ein Wort der Erklärung voraus- zuschicken. Aber recht befriedigen können diese Erklärur gen nicht.

In dem Schreiben an Amsdorff?) scherzt er zunächst nur: Er sei vielleicht seinem Gott und der Welt noch eine Torheit schuldig und wolle auch einmal Hofnarr werden. Er müsse das Sprichwort erfüllen: Was die Welt zu schaffen habe, da müsse ein Mönch dabei sein, und sollte man ihn dazu malen. Aber weil er weiß, daß das noch keine Begründung für seinen Schritt an die Öffentlichkeit ist, fügt er im Ernst hinzu: Er sei ja auch ein geschworener Doktor der heiligen Schrift, der nach der Weisung des Apostels Paulus (1. Kor. 3, 18) ein Narr werden müsse, wenn er weise sein wolle. Für wirklich beweis- kräftig wird diese Sätze niemand halten. Wir vermuten: Seinen eigentlichen Grund behält Luther hier für sich.

Nicht anders liegen die Dinge in der Zuschrift an Kaiser und Adel?). Luther fühlt sehr wohl, wie nahe es liegt, es ihm als Vorwitz auszulegen, daß er „eyniger armer mensch“ sich untersteht, vor so hohe Herren hinzutreten. Abwehren kann er diesen Verdacht nur, indem er ein Notrecht für sich in An- spruch nimmt: Die Not und Beschwerden, die alle Stände der Christenheit, zumal Deutschland, drückt, zwingt ihn, seine Stimme zu erheben. Aber auch hier sind wir nicht recht über- zeugt. Ein solches Notrecht hat Luther sonst nie für sich in Anspruch genommen, wo er zu kirchlichen Mißständen und Irrtümern im Glauben das Wort ergriffen hat. Damit hätte er sich in seinen eigenen Augen über seinen Beruf zur Kritik an der Kirche noch nicht hinreichend ausgewiesen. Er berief sich dabei immer wieder auf seinen Doktoreid®). Aber dieser gab ihm weder Recht noch Pflicht, die Not Deutschlands dem Kaiser Karl und dem christlichen Adel deutscher Nation vorzutragen.

Auch jene erste Ankündigung der Schrift®) durch Luther in dem Brief an Spalatin läßt uns ohne Aufschluß über den

1) Brief an Spalatin, undatiert, wohl vor dem 8. Juni 1520. Enders II, 414.

2) W. A. VI, 404. 3) Ebenda 8. 405.

%) Scheel, Martin Luther II®- *- 561. s) Enders II, 414.

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Grund, weshalb er sich jetzt an die weltliche Gewalt wenden will, die er bisher nie in Anspruch genommen hat. Er schreibt da zwar, er habe im Sinn (est animus), mit einer öffentlichen Schrift an den neugewählten Kaiser und den Adel ganz Deutsch- lands heranzutreten. Aber wie er auf diesen Gedanken ge- kommen ist, darüber erhalten wir von ihm nicht einmal eine Andeutung. Kohlmeyer!) freilich meint dem Zusammenhang dieser Ankündigung einen Wink für die Veranlassung ent- nehmen zu können. Luther begleitet nämlich zuerst die Sen- dung der Epitome des Prierias mit der Bemerkung, daß von Rom nichts zu hoffen sei, und zu seiner Antwort an Alveld übergehend, stellt er in Aussicht, daß sie sich auch mit dem Papst werde beschäftigen müssen. Aus diesem Zusammenhang schließt Kohlmeyer: ‚Die beiden Schriften von Alveld und Prierias geben die Lehre der kurialistischen Partei von der absoluten Kirchenherrschaft des Papstes wieder: bei diesem Anlaß faßt Luther endlich den Entschluß zu seiner Angriffs- schrift gegen die päpstliche Kirchenregierung.“ Ja, es ist für ihn geradezu ‚„Tatsache‘‘, an der nichts zu ändern ist, „daß Luther die publica scheda nur mit den Schriften des Alveld und Prierias motiviert“. Mit diesem Satze jedoch ist mehr behauptet, als sich erweisen läßt, und Kohlmeyer selbst schränkt ihn etwas später?) dahin ein, es sei „die psycholo- gische Motivierung dieser Schrift ausreichend gegeben durch die Erregung über Alvelds und Prierias’ kurialistische Schriften“. Das ist allerdings richtig, daß wir von.diesen Schriften her uns die Stimmung Luthers in der Woche verständlich machen können, in der er sich entschloß, jene publica scheda zu schrei- ben. Aber nicht darum handelt es sich, daß wir die seelische Verfassung verstehen, in der sich Luther in jenen Tagen be- funden hat. Wir möchten vielmehr wissen, wie er dazu ge- kommen ist, in dieser Sache das Laienelement gegen die rö- imische Kurie mobil zu machen. Denn das eigentlich Auf- fal.ende an der Ankündigung ist noch gar nicht der Inhalt der publica scheda. Die Behandlung, die der Papst in ihr dann als Antichrist erfuhr, war kein Novum. Schon die Schrift gegen Alveld hatte die Drohung wahrgemacht: prodenda tandem sunt Antichristimysteria. Das Neue und Überraschende liegt vielmehr in den Worten des Briefs an Amsdorff?), ‚das ich vorachter / begebner mensch / solche hohe vnnd grosse stende thar anreden / in Bo trefflichen grossen sachen / als were sonst niemant in der welt / dan Doctor Luther / der sich des Christenlichen stands annehme / vnnd Bo hochuorstendigen leutten radt gebe‘.

1) A.a. 0.8.64, 69f. *- Ebenda 8.70. >) W.A. VI, 40.

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Das Rätsel, warum uns Luther keine befriedigende Er- klärung für seinen anscheinend so vermessenen Schritt gibt, löst sich uns nun aber sofort, wenn dieser Schritt gar nicht seiner eigenen Initiative entsprang, sondern von anderer Seite veranlaßt war. Und das ist in der Tat der Fall. Wir wissen das von Melanchthon, der!) nach Erscheinen der Schrift, als schon die zweite Auflage in Aussicht stand, an Johann Lang in Erfurt schrieb: Animabatur enim noster (d. h. Luther) ad eam rem perscribendam a quibusdam, quibus uterque multum tribuimus. Also Leute, die bei Melanchthon und Luther in hohem Ansehen standen, haben Luther zu dem Aufruf an Kaiser und Adel angeregt.

Wer waren diese Leute? Melanchthon hat es in seiner vor- sichtigen Weise vermieden, sie mit Namen zu nennen. So sind wir auf Vermutungen, Kombinationen und Rückschlüsse angewiesen.

Einen Wink jedoch für die Bestimmung des Kreises, aus welchem Luther zur Abfassung seiner Schrift ‚An den Adel“ ermuntert wurde, erhalten wır von Melanchthon selbst. Er schreibt nämlich unmittelbar vorher, gegen die Absicht Luthers, sich an den deutschen Adel zu wenden, habe er sich anfangs ziemlich zurückhaltend gezeigt: Consillum de scribenda ad germanicam nobilitatem epistola principio magis non impro- bavi, quam probavi. Und diese anfängliche Zurückhaltung begründet er (,‚enim‘‘) mit dem Hinweis auf bestimmte Leute, die diese Schrift wünschten. Wenn er von diesen Leuten sagt, daß er ebenso wie Luther viel von ihnen halte, so möchte man sie zunächst in den Reihen der Humanisten suchen, und zwar wohl am ersten der Nürnberger, zu denen für die Witten- berger durch Scheurl Beziehungen bestanden. Aber einer Aufforderung aus diesen Kreisen brauchte Melanchthon nicht zurückhaltend gegenüberzustehen. In Männern wie Pirck- heimer, Spengler, Ebner, Baumgartner und Nützel werden wir daher die geistigen Urheber der Lutherschrift ebenso- wenig zu suchen haben, wie in anderen Humanisten?) jener

1) Corp. Ref. I, 211. Clemen, Suppl. Mel. VI, 1 S. 113 setzt den Brief wohl richtig Ende August 1520 an.

2) Auch der Einfluß des humanistischen Schrifttums auf die Ent- stehung der scheda dürfte nicht so hoch zu veranschlagen sein, wie Kampschulte und andere gemeint haben. Deshalb erübrigt sich auch eine Prüfung der Frage, ob außer der von Köbler, Luthers Schrift usw. S. 290ff. als Quellen berangezogenen Literatur etwa noch der anonyme Dialog des Kölner Sobius gegen den päpstlichen Ablaß- kommissar für Kö)n und Trier, Arcimbold (Philalethis civis utopiensis

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Jahre überhaupt. Dagegen legt es uns jene Zurückhaltung Melanchthons nahe, sie ın den Reihen der Staatsmänner und Juristen zu vermuten, denn jede Wendung zum Politischen war für Melanchthon allerdings ebenso bedenklich wie für Erasmus. Wer aber waren diese Politiker?

Kolde hat hierauf einst geantwortet?): „Wir glauben nicht zu irren, wenn wir unter den quidam Hutten und seine Genossen verstehen. Wer könnte es auch sonst sein ?“‘ Also die richtige Verlegenheitsauskunft. Wenn Kolde freilich meinte, sich für seine Vermutung auf Köstlin berufen zu können, so ließ er diesen wohl etwas mehr sagen, als er tatsächlich gesagt hatte. Denn der vorsichtige Schwabe hatte?) nur ganz allgemein von Luthers ‚‚adeligen Freunden‘ geredet, und dieser Aus- druck erlaubte auch noch an andere Männer zu denken, als nur an Hutten, Sickingen und Sylvester von Schaumburg, von denen er vorher gehandelt hatte. Der Erste, der diese drei Vertreter der Reichsritterschaft mit der Abfassung der Schrift ‚An den Adel‘ ın unmittelbare Verbindung gebracht hat, ıst Aurifaber, der, einer Andeutung des Cochläus folgend, das animabatur Noster in dem Brief Melanchthons kommen- tierte, indem er ım Anschluß an seinen Bericht über die An- näherung dieser drei Ritter an Luther erzählte: ‚Solches machte Dr. Luthern ein Herz, daB er dem Papst erst recht in die Wolle griff, und das Büchlein schrieb an den christlichen Adel deutscher Nation, von des christlichen Standes Besserung, darinnen er den Papst anders nicht denn als den wahren Antichrist handelte?).‘“ Aber dieser Kommentar trifft nicht den Sinn des Textes. Melanchthon sagt ja nicht, Luther habe infolge der Haltung Huttens usw. Mut gefaßt, so daß er jene Schrift geschrieben habe, sondern er sagt ausdrücklich, Luther sei von gewissen Leuten, die bei ihnen beiden in hohem An- sehen ständen, zur Abfassung dieser Schrift ermuntert worden. Da Aurifaber nicht wußte, wer jene quidam waren, hat er sicn aufs Raten verlegt und selbst Gelehrte wie Kampschulte*)

dialogus de facultatibus Romanensium nuper publicatis. Henno rusticus. Vgl. C. Krafft, Aufzeichnungen H. Bullingers über sein Studium zu Emmerich und Köln, S. 40f.,, in Betracht komme.

!) Th. Kolde, Luthers Stellung zu Koneil und Kirche bis zum Wormser Reichstag, 1521 (1876), S. 71 Anm. 1.

2) J. Köstlin, Martin Luther (1. Aufl.) I, 334.

®) Bei H. Vorreiter, Luthers Ringen mit den antichristlichen Prinzipien der Revolution (1860), S. 360.

%) Kampschulte, Die Universität Erfurt und die Reformation (1860), II, 74f.

175

und seine Nachfolger!), die diesen Sachverhalt nicht durch- schauten, sind in seine Spuren getreten.

Es ist nun: nicht gerade das Nächstliegende, eine Witten- berger Schrift mit dem rheinischen und fränkischen Adel ın Verbindung zu bringen, und man kann deshalb fragen, ob überhaupt und in welchem Umfange jene drei Vertreter der Reichsritterschaft für die Abfassung der Schrift ‚An den Adel“ in Betracht kommen. Indem wir diese Frage vorerst zurück- stellen, fragen wir zunächst: gab es denn nicht in Kursachsen selbst angesehene und einflußreiche Staatsmänner, von denen Luther zur Abfassung jener Schrift veranlaßt werden konnte ? Oder sind wir genötigt, die Anregung hierzu auf Angehörige der rheinfränkischen Ritterschaft zurückzuführen ? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns im kursächsischen Adel und unter den Räten Friedrichs des Weisen umsehen. Hier finden wir in der Tat eine ganze Reihe von Männern, die in naher Fühlung mit der Universität standen und uns in dem Briefwechsel der Reformatoren immer wieder einmal be- gegnen. Der erste, auf den wir hier stoßen, ist Degenhard Pfeffinger, der in Augsburg 1518 als Gesandter Friedrichs des Weisen auch Luthers ‚‚Tröster‘‘ war?), und auf dessen Be- sitzungen im Bayrischen Miltitz erst die Stimmung der Deut- schen in dem Lutherischen Handel kennenlernte®). Gleich- falls in Augsburg begegnen wir Luther in der Gesellschaft der kurfürstlichen Räte Fabian von Feilitzsch und Johann Rühel, die ihn zu dem Kardinal begleiteten‘). Während uns Rühel später geradezu als Luthers Freund erscheint®), treffen wir Feilitzsch bei den Verhandlungen wieder an, die in der ersten Januarwoche 1519 in Altenburg zwischen Miltitz und Luther stattfanden®). Schon einige Wochen vorher hatten Luther und Melanchthon bei ihm, Hugold von Einsiedel und Hans von Taubenheim in Eilenburg die freundlichste Aufnahme ge-

1) Maurenbrecher, Studien und Skizzen zur Geschichte der Re- formationszeit (1874). M. Lenz, Martin Luther (Festschrift der Stadt Berlin 1883). J. Janssen, Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters, 2. Bd. (7. Aufl. 1882). Th. Kolde, Martin Luther, 1. Bd. (1884).

2) Brief des Kurfürsten an Spalatin bei Köstlin-Kawerau, Martin Luther. Sein Leben und seine Schriften I°, 216.

°) Köstlin-Kawerau S. 222.

%) Ebenda S. 209.

s) In der Zeit des Bauernkriegs. Köstlin-Kawerau ]J®, S. 716.

°) Ebenda 1, 223.

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funden!). Taubenheim und Feilitzsch hatten?) als Visitatoren der Universität bereits im September 1517 Gelegenheit gehabt, Luther persönlich näherzutreten, während Einsiedel ein paar Jahre später gleichfalls mit Angelegenheiten der Universität befaßt wurde?). Auf nähere Beziehungen gerade zu diesen drei Räten des Kurfürsten weist es hin, daß ihre Namen uns in den Briefen Luthers aus jenen Jahren immer wieder be- gegnen. Taubenheim, zuletzt Luthers ‚Herr und Gevatter*)‘“, gibt sich uns bereits in den Wormser Tagen als Freund Luthers zu erkennen®), und Luther hat die Freundschaft mit ihm nach Ausweis seiner Briefe gepflegt. Den beiden anderen aber sind verschiedene Schriften Luthers gewidmet. Einsiedels Name steht an der Spitze der Abfertigung Emsers®) und der Aus- legung des Evangeliums von den zehn Aussätzigen?). Die Assertio omnium articulorum M. Lutheri per bullam Leonis X. novissimam damnatorum aber war Feilitzsch zugedacht®), und daß er sich der Widmung nicht mehr freuen konnte, lag nur daran, daß er kurz vor dem Erscheinen dieser Schrift starb?). Nähere Beziehungen hatte Luther offenbar auch zu dem Ritter Hans von Minkwitz, da er ihm, der in Worms erkrankt war, am Tage seines ersten Verhörs die Beichte abnahm und das Sakrament reichte und ihn noch am Tag vor seiner Abreise mit Spalatin aufsuchte, um ihm christlichen Trost zu spenden?P). Die Räte, von denen Friedrich der Weise in Worms umgeben

I) Brief Luthers an Spalatin vom 13. November 1520. Enders II, 624: Egregie nimis tractamur ab his heroibus D. Fabiano, Hubaldo et Taubenheyn etc., ego et Philippus.

2) Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg. S. 109, 110 Anm. 2.

?) Ebenda 8. 141.

%) Brief Luthers an Taubenheim vom 10. Januar 1539. Enders XII, 65f.

®) Vgl. seinen Brief an den Kurfürsten aus Eilenburg vom 23. April 1521. Bei N. Müller, Die Wittenberger Bewegung 1521 und 1522, 2. Aufl. (1911) S. 410f. Anm. 6.

*) Auf des Bocks zu Leipzig Antwort. D. M. Luther. W. A. VII, 271.

?) W. A. VIII, 340. Die Widmung an Hans von Dolzig und Bern- hard von Hirschfeld hat Spalatin hinzugefügt, dem Luther hierfür freie Hand gelassen batte. Brief an Spalatin vom 17. September 1521. Enders III, 234.

8) Datiert vom 1. Dezember 1520. Enders III, 1f.

°») Enders III, 3 Anm. 1; 12f. Anm. 2.

ıC) Köstlin-Kawerau I, 410. 428.

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war, nannte Aleander!) allesamt Schüler Luthers. Unter den Professoren an der Universität waren es sodann die Juristen, deren Dienste der Kurfürst bei seinen Gerichten wie als Rechts- beistände und Sachverständige vielfach in Anspruch nahm. Von diesen durfte Luther bereits im Frühjahr 1518 Hieronymus Schurff und Wolfgang Stähelin zu seinen entschiedenen An- hängern rechnen?). Stähelin freilich schied schon bald infolge von Mißhelligkeiten mit Friedrich dem Weisen aus dem Witten- berger Lehrkörper und dem Kreise Luthers aus?). Dagegen wurde Schurff den Wittenberger Reformatoren immer wert- voller. Melanchthon lobte ihn, weil er seinen Stoff unter theo- logische Gesichtspunkte rückte*). Das Verhältnis zu Luther trübte sich erst später, als die verschiedene Beurteilung des kanonischen Rechts die beiden Männer entzweite. In jenen Anfangsjahren der Reformation aber stand Schurff fest zu Luther. Er gehörte zu jenen drei kurfürstlichen Räten bei der Universität, die die Annahme der Bannandrohungsbulle wider- rieten®). In Worms war er Rechtsbeistand Luthers®), wurde zu den Verhandlungen vor Greiffenklau zugezogen”) und ver- ließ die Stadt mit seinem Wittenberger Kollegen®). Und wenn er ein Jahr später den Verkehr zwischen dem Kurfürsten und Luther vermittelte®), so ist das ein Zeichen dafür, daß er das Vertrauen beider besaß. Christian Beyer endlich, der neben seiner Arbeit an der Universität und am Oberhofgericht auch der Stadt Wittenberg bald als Ratsherr, bald als Bürgermeister diente, scheint namentlich Melanchthon näher gestanden zu haben. Wenigstens bestellte Beyer diesen später zum Vor- mund für seine Kinder!P),

Nun dürfen wir nicht übersehen, daß die Politiker in jener Zeit auch Luther als Faktor in ihre Berechnungen einstellten.

1) Kalkoff, Die Depeschen des Nuntius Aleander vom Wormser Reichstage 1521. 2. Aufl. S. 4l. Kalkoff erinnert in erster Linie an den Kanzler Brück, sowie an Spalatin und Veit Warbeck, außerdem an Friedrich von Thun, Philipp von Feilitzsch und den Ritter Franz Schott von Oberlindt.

%) Brief an Trutfetter vom 9. Mai 1518. Enders I, 188.

3) Friedensburg 8. 141.

4) Brief an Spalatin vom 24. Januar 1521. Corp. Ref. I, 280: theologica adhibet ad suum institutum.

8) Köstlin-Kawerau I, 366.

*) Joh. Mathesius, Luthers Leben in Predigten. Krit. Ausgabe von G. Loesche. 2. Aufl. S. 57.

?) Köstlin-Kawerau S. 424ff.

°) Ebenda 8. 430. ®») Ebenda 8. 501f.

10) Corp. Ref. IV, 96. Vgl. N. Müller S. 250.

Archiv für Beformationsgeschichte, ZXXII. 3/«. 12

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Mathesius!) hat sich von einem ‚großen Mann“ sagen lassen, Kaiser Maximilian habe sich gegen Peffinger vernehmen lassen: „Sagt vnserm lieben Herr öhmen, das er vns den Münch Luther fleißig beware, denn es köndt sich bald gelegenheyt zutragen, das wir seiner bedörffen möchten.“ Neben diesem Versuch Maximilians, die religiöse Frage zu politisieren, steht der Rat- schlag, den der kaiserliche Gesandte Don Juan Manuel in Rom ın denselben Tagen, als Eck hier die Exkommunikation Luthers betrieb, Karl V. erteilte?): „Ew. Maj. muß nach Deutschland gehen und daselbst einem gewissen Martin Luther einige Gunst angedeihen lassen, der sich am Hofe von Sachsen befindet und durch die Sachen, die er predigt, dem römischen Hofe Be- sorgnis einflößt.‘“ Wieweit im einzelnen auch Friedrich der Weise sich diesen Standpunkt angeeignet hat, wird sich bei der großen Zurückhaltung, die gerade dieser Fürst sich in seinen Außerungen über Luther auferlegte, schwerlich jemals ganz ermitteln lassen. Um so schwerer fällt die Äußerung ins Gewicht, die er nach dem. zweiten Verhör Luthers, noch ganz hingerissen von der Verantwortung seines Professors, gegen Spalatin tat: „Wol hat der Pater, Doctor Martinus, geredt vor dem Herrn Kayser vnd allen Fursten vnd stenden des Reichs in Lateyn vnd Deutsch. Er ist mir vil zu kune?).“ Die Kühnheit bestand ın dem Mute, mit dem Luther sich über die römische Tyrannei und Bosheit aussprach, so daß wie wenigstens Aleander meldet?) der Kaiser ihm über diesen Punkt das Wort entzog. Auch gut katholischen Reichsfürsten hatte Luther aus dem Herzen gesprochen. Den Herzog Wilhelm von Bayern und viele andere hörte Contarini damals sagen: wenn Luther bei seinem ersten Angriff stehengeblieben wäre (d. h. wenn er nicht auch das Dogma der Kirche angegriffen hätte), so würde er ın ganz Deutschland nicht nur begünstigt, sondern, geradezu angebetet sein®).“ Der Herzog Georg von Sachsen aber ließ seine Beschwerden über das Ärgernis der Geistlichen ganz wie Luther in der Forderung eines allgemeinen Konzils gipfeln®). Wir haben keine Ursache anzunehmen, daß die Stimmung am kursächsischen Hofe eine andere gewesen

ı)A.a. 0.S. 4l.

3) Am 12. Mai 1520. Bei Ranke, Deutsche Geschichte im Zeit- alter der Reformation. 8. Aufl. I, 326f£.

?) Spalatins Annalen. Ausgabe von Cyprian. S. 49f.

*) Kalkoff, Die Depeschen Aleanders. 2. Aufl. S. 175.

®) (G. M. Thomas) Martin Luther und die Reformationsbewegung in Deutschland vom Jahre 1520—1532 in Auszügen aus Marino Sanuto’s Diarien (1883) S. 21.

*) Wrede, Deutsche Reichstagsakten. Jüngere Reihe. II, 666.

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sei. Dann aber wäre es seltsam, wenn nicht aus diesen Kreisen es Luther nahegelegt worden wäre, den Angriff auf Rom, den er mit seiner Frage nach dem Recht der Ablässe eröffnet hatte, fort- zusetzen gegen die ganze Fülle der Schäden und Mißstände, unter denen dasChristenvolk seufzte. Die Gravamıina der deutschen Na- tion waren alt. Jetzt schien der Mann gefunden zu sein, derihnen die religiöse Begründung und damit durchschlagende Kraft gab.

Es fehlt auch nicht ganz an Anzeichen dafür, daß in der Tat derartige Anregungen aus dem kursächsischen Adel an Luther gelangt sind. Kurz bevor wir nämlich zum erstenmal von der Absicht Luthers erfahren, sich wegen der Tyrannei und Bosheit der römischen Kurie an den Kaiser und den deutschen Adel zu wenden, hören wir!) von einem Brief, den er an ‚unseren Taubenheim‘ gerichtet hat. Diesen Brief besitzen wir leider nicht. Aber Luther muß ihn für sehr wichtig gehalten haben, da er es Spalatin zur Pflicht machte, ihn sofort an seine Adresse zu befördern. Bemerkenswert ist dabei, daß Luther gleich- zeitig auch an Hutten und Sickingen schrieb. Die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Gedanken Tauben- heims sich in einer ähnlichen Richtung bewegten, wie die der beiden anderen Ritter, und daß Taubenheim Luther ermun- terte, an sie einen Aufruf zu des christlichen Standes Besserung zu richten, wie man sie auch am Hofe Friedrichs des Weisen für dringend geboten hielt.

In einem wichtigen Punkte freilich bestand ein wesentlicher Unterschied zwischen Hutten und Sickingen auf der einen und Männern wie Taubenheim auf der anderen Seite. Die kur- sächsischen Adeligen nämlich, die im Dienste Friedrichs des Weisen standen, konnten sich zum voraus sagen, daß ihre ganze Korrespondenz mit Luther in einer so wichtigen Sache von diesem loyalerweise durch Spalatin zur Kenntnis ihres Landesherrn würde gebracht werden, und schon deshalb mußte ihnen der Gedanke an politische Zettelungen wie eine gewalt- same Abstellung der kirchlichen Mißstände völlig fernliegen. Bei dem hohen Ansehen ferner, in dem Erasmus bei ihrem Kurfürsten stand, stellten sich auch ihnen die Dinge gewiß so dar, als ob mit Erlassen und Maßnahmen der Obrigkeit die nötige Abhilfe geschaffen werden könnte. Luther aber erschien ihnen dabei als der berufene Ratgeber ihres Fürsten, der zeigte, wie nach dem Worte Gottes die Reform in die Wege zu leiten und durchzuführen sei. Das entsprach auch der eigenen An- schauung Luthers, der seinen Standpunkt einmal?) dahin prä-

!) In dem Brief an Spalatin vom 31. Mai 1520. Enders II, 406. 2) In dem Brief an Spalatin vom 27. Februar 1521. Enders III, 90. In derselben Richtung bewegt sich sein’ Vorschlag aus Anlaß der

vn

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zisiert hat: hoc molitus fui, ut nobilitas Germaniae non ferro, sed consiliis et edictis (quod facile possunt) Romanistis illis modum poneret. Ganz anders war nun aber die Einstellung Huttens, den Sickingen nur mit Mühe vom Losschlagen zu- rückhalten konnte. Hutten rechnete!), wenn es zum offenen Kampf gegen die Pfaffen kam, auf die Waffenhilfe des Kur- fürsten oder doch zum mindesten auf dessen wohlwollende Neutralität. ‚Da siehst Du, was Hutten will“, schrieb Luther an Spalatin, indem er ihm dessen Brief vom 9. Dezember 1520 schickte, der sich hierüber ganz offen aussprach. Dem Ritter selbst aber antwortete er, er wolle nicht, daß der Kampf für das Evangelium mit Gewalt und Blutvergießen zum Austrag gebracht werde?). Sein Urteil über den sächsischen Adel bildete er sich auch nicht nach dem Draufgängertum Huttens, sondern nach den besonnenen und frommen Äußerungen, die er von Fabian von Feilitzsch zu hören bekam. Die Rollen der Geistlichen und Laien schienen ihm jetzt geradezu ver- tauscht: die Geistlichen hatten sich von Christus abgewandt, die Laien aber sich ihm zugekehrt, diese nahmen die Wahrheit an, die jene verwarfen, sie wurden Priester und die Priester Laien. Quare visum est deinceps ad vos laicos, novum genus clericorum, scribere. Mit diesen Worten erfahren wir nicht nur, weshalb Luther seine Assertio Fabian von Feilitzsch widmete?). Hier hören wir auch, weshalb er

Wittenberger Universitätsreform: Optimum foret, ut universum jus pontificium prorsus excluderetur, tum Principes aliquando, animo accepto, jurisdictionem et oensuras istas penitus antiquarent in suis terris.. Audendum enim est, si quid magnum et salutare paramus. Nam nisi jurisdictio ista sacrilega abrogetur et jaceat, jus pontificii veneni quis excludet? Meus hic hospes (= Hans von Berlepsch auf der Wartburg) optime coepit, censuras prohibens; si Principes nomine suo, id nollent, dissimularent tamen id fieri per suos praesides et judices, ut sic paulatim irreperet in orbem, ne quis secundum jura papae possit vexari, sed secundum mores et ritus regionum omnia componerentur. Brief an Spalatin vom 31. Juli 1521. Enders III, 204.

ı) Vgl. seinen Brief an Luther vom 9. Dezember 1520. Enders III, 15f.

2) Brief Luthers an Spalatin vom 16. Januar 1521. Enders III, 73.

3) Am 1. Dezember 1520. Enders III, Mffl. Karlstadt hat nach seiner Gepflogenheit, Luther noch zu überbieten (vgl. K. Bauer, Die Wittenberger Universitätstheologie und die Anfänge der deutschen Reformation, S. 7), auch in diesem Punkt Luther noch zu überbieten versucht, indem er 1523 dazu überging, sich nicht mehr als Geist- licher zu kleiden, sondern als ‚ein neuer Laie“ unter den Bauern von Segren zu leben, wie sie das Feld zu bestellen u. dgl. m.

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des christlichen Standes Besserung in die Hände des Adels legen wollte. Diese Erklärung stimmt zwar herzlich schlecht zu den Phantasien über den Revolutionär Luther. Um so besser aber entspricht sie dem, was über Luthers innere Ent- wicklung geschichtlich sich erweisen läßt. Seitdem er im ersten Petrusbrief (2, 5. 9) und in der johanneischen Apokalypse (1, 6; 5, 10) den Grundsatz des allgemeinen Priestertums ent- deckt hatte, reduzierte sich ihm der ganze Unterschied zwischen Priestern und Laien darauf, daß jenen der Dienst an Wort und Sakramenten anvertraut war!). Von hier aus ergab sich ihm ganz unmittelbar die Zuständigkeit und Aufgabe der Obrigkeit, ordnend in die kirchlichen Angelegenheiten ihres Landes einzugreifen?).

So angesehen, konnte Luther unbedenklich die Hand er- greifen, die der Adel ihm darbot. Wenn Ritter wie Schaum- burg?) und Sickingen*) ihm ihren Schutz anboten, so lehnte er diese Anerbietungen nicht geradezu ab, auch wenn er sich in Christi Hut am sichersten geborgen wußte®). Wer sich so vor den Evangelisten zu Wittenberg stellte, dem konnte es doch wohl auch mit dem Evangelium nur ernst sein. Deshalb faßte Luther sogar, solange er die politischen Hintergründe bei Hutten noch nicht erkannt hatte, eine Verbindung mit diesem ins Auge®). Er traute dem ganzen Adel denselben gottesfürchtigen und ernsten Sinn zu, wie er ihm in den sächsischen Räten und bald auch in Hartmut von Cronberg entgegentrat. Hatte doch der Geist Gottes und der Gerechtig- keit auch in Sickingens Hause schon seit zehn Jahren gewaltet’?).

1) Brief an Spalatin vom 18. Dezember 1519. Enders II, 279. Das Echo seiner Frage: Mira haec tibi nonne? hören wir aus dem Brief des Kurfürsten an seinen Bruder Johann vom 25. August 1520: dieser werde in der neuesten Lutherschrift ‚fiyl selczams dynges fynden“. Förstemann, Neues Urkundenbuch zur Gesch. der ev. Kirchen-Reformation 8. 2 Nr. 2. Ähnlich wie gegen Spalatin sprach sich Luther auch gegen Heß aus: quod in usu Missae est, oportet ut nihil discernas inter sacerdotem et laicum, unus panis, una fides, una commiunio, nisi quod illius est ministerium, non autem hujus. De quo alias. Brief vom 27. April 1520. Enders II, 385.

3) Nam et Principis ut christiani fratris, etiam Principis homine, interest, lupis adversari, et pro sui populi salute sollicitum esse. Brief an Spalatin vom 5. Mai 1522. Enders III, 351.

3) Brief an Luther vom 11. Juni 1520. Enders II, 415.

4) Brief vom 4. Juni 1520. Enders II, 410.

8) Brief an Spalatin vom 13. Mai 1520. Enders II, 402.

*) Brief an Spalatin vom 11. September 1520. Enders II, 478.

?) Brief Hartmuts von Cronberg an Luther vom 14. August 1522. Enders III, 443.

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Deshalb wandte er sich mit seinem Aufruf jetzt auch nicht bloß an einen Teil des Adels, etwa in Sachsen oder Franken, sondern ad universam nobilitatem Germaniae!), an totius Ger- manise nobilitstem?), bei dem Kaiser angefangen?) über die Kurfürsterf®) bis zu dem letzten Reichsstand.

2.

Den Aufruf, den er an den Adel richtete, hat Luther im Laufe der Wochen, während deren er an ihm arbeitete, mit verschiedenen Namen bezeichnet. Als die Schrift im er war, nannte er sie einen librum vulgarem contra pa statu ecclesiae emendando®). Das fe Buch heißt dann bei ihm libellus meus®). Als libellus erschien es auch Sen vorher, als er seine Veröffentlichung Link\ankündigte?). Die erste Ankündigung aber stellte weder einen libellus, noch einen liber in Aussicht, sie sprach vielmehr nur von einer scheda: Est animus, publicam schedam edere ad Carolum et totius Germaniae nobilitatem, adversus Romanae curiae tyrannidem et nequitiam®). Dieser Unterschied in der Ausdrucksweise ist bisher unbeachtet geblieben. Er ist aber für unsere Frage keineswegs bedeutungslos. Vielmehr verdient er unsere be- sondere Aufmerksamkeit.

Liber und libellus unterscheiden sich nur durch den Umfang bzw. durch den Maßstab, den man an ihren Umfang anlegt. Schon der libellus ist nicht ganz klein. Er ist größer als eine Predigt. Das Büchlein ‚Von der Beicht‘, das Luther Sickingen widmete, ist aus einer Predigt hervorgegangen, aber es be- schränkt sich nicht einfach auf den bloßen Wortlaut der Predigt. Das liegt in den Worten, mit denen Luther es Spalatin zur Drucklegung übersandte: mitto .... libellum ex sermone natum

1) Brief an Link vom 20. Juli 1520. Enders II, 444.

!) Brief an Spalatin vom ca. 8. Juni 1520. Enders II, 414.

s) Vgl. die Widmung.

° 4) Nobilitas tua ist Anrede an einen Kurfürsten. Vgl. z. B. das Schreiben Leos X. an Friedrich den Weisen vom 8. Juli 1520. Balan, Monumenta reformationis Lutheransae ex tabulariis secretioribus s. sedis 1521—1525 S. 1.

5) Brief an Johann Voigt in Magdeburg vom 3. August 1520. Enders II, 456.

©) Brief an Lang vom 18. August 1520. Enders II, 461.

?) Am 20. Juli 1520. Enders II, 444.

s) Undatierter Brief an Spalatin, 1520 (Enders II, 413: vor 8. Juni; W. A. Briefw. IH, 120: ca. 8. Juni).

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de confessione!). Noch eine ganze Reihe von Lutherschriften sind auf dieselbe Weise entstanden und verraten uns ihren Ursprung schon durch den Titel, z. B. Ein Sermon von dem Bann, Ein Sermon von dem neuen Testament d. i. von der heiligen Messe u. a. m. Der liber und der libellus haben das miteinander gemeinsam, daß sie eine gewisse Anzahl Bogen umfassen. Ein Bogen, zwei Blätter umfassend, ist eine charta?). Mehrere Bogen bilden je nach dem Format einen duernio?) oder ternio®) oder quaternio®) oder sexternio®). Diese ver- schiedenen Lagen wurden für den Buchbinder durch die auf-

ı) Brief an Spalatin vom 10. Juni 1521. Enders III, 171. Auch bei dem „Sermon von den guten Werken‘‘ machte Luther den gleichen Unterschied: Sermo de bonis operibus, futurus non sermo, sed libellus, adeo augescit inter scribendum usw. An Spalatin am 25. März 1520. Enders II, 366.

2) Vgl. Enders III, 436 Anm. 5.

®) So umfaßte Ein deutsch Theologis zehn duerniones (= 40 Blätter in Quart). Brief Luthers an Spalatin vom 4. Juni 1518. Enders 1, 208. *

%) So die Septemberbibel, vgl. Luther an Spalatin am 26. Juli 1522. Enders III, 436: restant et alii adhuc 18 terniones, und an denselben am 11. August 1522. Enders III, 441: Spalatin hat jetzt wohl das ganze Neue Testament usque ad ultimum ternionem Johannis et alia.

s) So das Büchlein Von der Beicht, die Auslegung des Magnificat und des 118. Psalms, vgl. die Briefe an Spalatin vom 6. und 15. August 1521. Enders III, 215. 217; ebenso die Assertio omnium articulorum M. Lutheri per bullam Leonis X. novissimam damnatorum, sowie ihre deutsche Ausgabe: Grund und Ursach aller Artikel D. Martin Luthers, so durch römische Bulle unrechtlich verdammt »ind, vgl. die Briefe an Spalatin vom 16. Januar und 17. Februar 1521. Enders III, 73 und 87: Assertio mes latina ad te missa prius aliquot quater- nionibus etc., bzw.: Sex quaterniones vernaculae Assertionis jam antes ad te volare jussi. Die Schrift gegen Ambrosius Catharinus sollte höchstens vier Quaternionen umfassen. Brief an Link vom 7. März 1521. Enders III, 104.

°) So Karlstadts Ausgabe von Augustins De spiritu et litera. Vgl. Luthers Brief an Lang vom 21. März 1518. Enders I, 169. Ebenso Karlstadts Schrift gegen Emser, gegen die der Rektor der Universität Wittenberg Jobannes Hessus einschritt, weil sie einen versteckten Angriff gegen Luther enthielt. Vgl. Luther an Spalatin am 21. April 1522. Enders III, 343. Da Luther als Professor nicht große Bücher, sondern Broschüren schrieb, spotteten viele über seine Geistesarmut, - die ihn „nur kleyn sexternlin vnd deutsche prediget fur die vnge- leretenn leyenn““ schreiben lasse. Vgl. die Vorrede zum Sermon von den guten Werken. W. A. VI, 203.

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einander folgenden Buchstaben des Alphabets gezeichnet!). Die deutsche Postille z. B., die in Quart gedruckt wurde, setzte sich aus-Quaternionen zusammen?). Das vollständige Buch hieß exemplar. Manche Bücher wurden bogenweise?) ausgegeben.

Eine scheda ist nun etwas ganz anderes als ein liber, ebenso wie auch das Deminutiv schedula etwas anderes bedeutet als ein libellus. Das wird sofort deutlich, wenn wir erfahren ®), daß das Wort schedula als „Zettel“ in unsere Sprache über- gegangen ist. Die Wörterbücher belehren uns, daß scheda, eigentlich schida, ein griechisches Fremdwort in der lateinischen Sprache ist, abgeleitet von oxl&w (Stamm: axıd = scheiden; lateinisch: scid, scindere), d. h. spalten. Die davon abgeleiteten Substantiva oxila (jonisch: oxi£n) oder oxiön entsprechen unseren Wörtern ‚,Scheit‘‘ und ‚„Schindel“. Die -Parallel- bildung ox&ön hat zunächst auch diese Bedeutung, bezeichnet aber dann im übertragenen Sinn eine Tafel oder ein Blatt zum Schreiben oder Rechnen. Plinius gebraucht dann scheda für einen abgerissenen Streifen der Papyrusstaude, deren mehrere zu einem Bogen Papier zusammengeleimt wurden. Von hier war es dann nur noch ein Schritt zu dem Sprach- gebrauch Ciceros und Quintilians, die mit einer scheda einen Streifen oder ein Blatt Papier in einem Buch oder Brief meinen. Diesem Sprachgebrauch folgten auch die lateinischen Kirchen- väter, von denen z. B. Hieronymus ein Blättchen Papier eine schedula (oder scidula) nennt.

Daß das Wort in dieser Bedeutung den Zeitgenossen Luthers geläufig war, beweisen uns z. B. die Acta et res gestae D. Mar-

1) Vgl. Luthers Widmung der Operationes in Psalmos an Pellican. Enders III, 92: velim deleas in fine ultimae paginae literae B. duo- decim versus, cum tribus sequentibus versibus literae C., und Luthers Brief an Spalatin von Mitte Dezember 1521. Enders III, 255: Hic quaternio G. in Methodo Philippi superfluit, desunt autem in fine tres quaterniones novissimi Q.R.S., quos complebis in tempore.

3) Vgl. Luthers Brief an Spalatin vom 15. August 1521. Enders III, 218. Luther hatte sich über Grünenberg geärgert wegen des schlechten Drucks. Deshalb schrieb er zuerst: jam nihil mitto, cum habeam ferme decem magnos quaterniones in eadem re. Dann besann er sich anders, fügte jedoch hinzu: Vellem autem excudi in cubitalis papyri modum, d. h. in Quart, vgl. Enders III, 222 Anm. 16.

®) Vgl. Luthers Brief an Melanchthon vom 3. August 1521. Enders III, 210: Legi Carlstadii nostri duos quaterniones hac hora allatos de caelibatu. Ebenso an Spalatin am 6. August 1521, ebenda S. 215.

*) F. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 5. Aufl. S. 416.

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tini Lutheri in comitiss Wormaciae, die aus der Zeit nach dem zweiten Verhör Luthers berichten!): Etiam schedulae binae sunt affıxae, una contra doctorem, altera (sicut videbatur) pro doctore. Ebenso hat Ambrosius Blaurer den Zettel, auf dem er Schnepf in Stuttgart die Marburger Abendmahlsformel Luthers präsentierte, als schedula bezeichnet).

Auch Luther hat sich diesem Sprachgebrauch angeschlossen. Wenn er von einer schedula redet, so meint er damit im eigent- lichen Sinne ein Blatt, und zwar ein solches, das öffentlich angeschlagen wird, also.ein Plakat. Er nennt so seine 95 Ab- laßthesen, zuerst in der Zuschrift, mit der er am 30. Mai 1518 seine Resolutiones disputationum de indulgentiarum vir- tute an Leo X. schickte®): schedulam disputatoriam edidi, und zuletzt noch 1545 in der Praefatio zum ersten Band seiner lateinischen Schriften: edidi disputationis scedulam®). Da sie ursprünglich in Plakatform ausgingen®), so war diese Bezeich- nung völlig zutreffend. Auch für Ecks Thesen für die Leipziger Disputation und seine Gegenthesen begegnet uns bei ihm der Ausdruck schedulae. Bei ihrer Übersendung an Lang schrieb er®): Mitto schedulas novas, Ecci et Lutheri criminationes mutuas. Auch den ‚Zettel‘ des Offizials zu Stolpe d. h. das Dekret, mit dem der Bischof von Meißen am 24. Januar 1520 die Beschlagnahme von Luthers Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi und von den Bruderschaften angeordnet hatte”), nennt Luther ebenso wie seine Gegenschrift eine schedula®). Über eine scelerata schedula, in der derselbe Bischof die promissiones gratiae (d. h. der Sakramentsgnade) et characteris (sc. indelebilis) anpries, ohne doch einen Schriftbeweis für sie erbringen zu können, sehen wir Luther zwei Jahre später wieder eine schedula ver-

1) Ad. Wrede, Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. 2. Bd., S. 559.

2) Brief an Martin Frecht, ca. 25. August 1534. Schieß, Brief- wechsel der Brüder Blaurer. I, 528.

8) Enders I, 202.

‘ı) W. A. 54, 180. Opp. var. arg. I, 17.

s) Vgl. O. Clemen, Beiträge zur I,utherforschung. In: Aus Deutsch- lands kirchlicher Vergangenheit (1912), S. 24.

°) Am 16. Mai 1519. Enders II, 51, vgl. 52 Anm. 5.

?) Opp. v. a. IV, 139.

®) Luther an Spalatin am 5. Februar 1520. Enders II, 315: Epis- copus Misnensis publica schedula edidit inhibitionem contra sermonem meum de sacramento ... Ego tamen contrariam scbedulam editurus sum. Vgl. auch Enders II, 321f. 324f. 327ff. 331.

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fassen!). Hier ist mit dem Worte jedoch, wie bereits bei der früheren Kontroverse mit dem Meißener Bischof, bei der öffentlichen Erklärung Luthers nicht mehr an ein Plakat, sondern an ein Flugblatt gedacht. Daß eine schedula auch in diese Form umgesetzt werden konnte, dafür sind uns die 95 Thesen ein Beweis?).

Von der &chedula unterscheidet sich die scheda, wie der liber von dem libellus, durch seinen größeren Umfang. So aus- führliche amtliche Erlasse, wie z. B. die Bannandrohungsbulle Leos X. oder das Achtsdekret Karls V., sind als schedae zu betrachten. Wird eine solche amtliche Bekanntmachung durch einen Herold öffentlich verlesen, so ruft ein Trompetensignal die Bevölkerung nach biblischem Beispiel?) zusammen. Man wird sich an diesen Brauch erinnern müssen, um zu verstehen, daß Luther seine Alarmschrift®) ‚An den Adel‘ nicht nur ein Plakat (scheda), sondern auch ein Trompetensignal (classicum) genannt hat?).

ı) Vgl. Luthers Brief an Hausmann vom 3. August 1522. Enders III, 439.

3) Vgl. O. Clemen in: Aus Deutschlands kirchlicher Vergangenheit, S. 26 Anm. 3. 3) Vgl. Dan. 3, 4f.

%) Man denke an seinen Vergleich W. A. VI, 413: „Were das nit ein vnnaturlich furnehmen / Bo ein fewr in einer stadt aufigienge / vnd yderman solt stille stehenn / lassen fur vnnd fur brennen was do brennen mag / allein darumb / das sie nit die macht des Burgemeysters hettenn / odder das fewr villeicht ann des Burgemeysters hauß an- hube?t Jst nit hie einn yglicher burger schuldig die andern zu -be- wegen vnnd beruffenn ?““

s) Brief an Spalatin vom 5. August 1520. Enders II, 457. Daß der Vergleich mit dem classicum, wie Enders II, 458 Anm. 3 behauptet, auf Lang zurückgehe, ist doch wohl bloße Vermutung. Denn es läßt sich nicht beweisen, daß der Brief Langs, der (Enders II, 461) diesen Ausdruck gleichzeitig gebrauchte, bereits an oder vor dem 5. August in Luthers Händen war. Es scheint vielmehr, daß der Ausdruck auf dem Weg über Spalatin zu Lang gelangt war und Luther ihn zu seiner Überraschung von diesem wieder zu hören bekam. Für die Bedeutung des Wortes classicum bei Luther vgl. übrigens auch seinen Brief an Staupitz vom 30. Mai 1518. Enders I, 198: nova indul- gentiarum classica et remissionum buccinae, womit die Ablaßbulle und die Ablaßinstruktion, also zwei schedae, gemeint sind, deren In- halt Luther in dem Brief an den Bischof Scultetus von Brandenburg vom 13. Februar (?) 1518, Enders I, 148 als dogmata bezeichnete. Daß nicht die Predigten Tetzels gemeint sind, zeigt Luthers Brief an Albrecht von Mainz vom 31. Oktober 1517. Enders I, 115: non adeo accuso praedicatorum exclamationes, quas non audivi.

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An den eigentlichen Gebrauch des Wortes scheda hat sich Luther in seiner Frühzeit angeschlossen, wenn er seiner Ver-

wahrung gegen den Angriff Hoogstratens auf seine 13. Leipziger These den Titel: Scheda adversus Jacobum Hochstraten gegeben hat!). Sie füllt in der Weimarer Ausgabe 66 Zeilen. Es ist daher durchaus denkbar, daß Luther sie ursprünglich als Ein- blattdruck in der Form eines Plakates hat ausgehen lassen, auch wenn kein solches Exemplar auf uns gekommen zu sein scheint.

Indessen wurde das Wort bereits damals in einem erweiterten Sinne gebraucht. Als in Leipzig Karlstadt zur Disputation den authentischen Text seiner Beweisstellen mitbrachte, schalt Eck, der nach italienischen Mustern seine Quellen großzügig aus dem Gedächtnis zitierte: puerile et ridiculum esse theo- logum e libris aut schedis disputare. Karlstadt hatte natürlich nicht alle Bände der Kirchenväter usw. mitbringen können. Seine Auszüge aus ihnen hatte er in Notizhefte eingetragen, in denen er zum Verdrusse Ecks während der Disputation nachschlug. Wie umfangreich seine Notizhefte waren, wissen wir nun freilich nicht. Da indessen Eck, wie von lıbris, so auch von schedis redete, brauchen wir uns diese verschiedenen schedae Karlstadts nicht allzu umfangreich vorzustellen.

Noch ein Schritt weiter war es, als die Buchdrucker sich diese Ausdrucksweise aneigneten und, wenn ein Werk in Liefe- rungen erschien, diese Lieferungen als schedae bezeichneten. Der vorsichtige Verleger, der nicht klar darüber sah, welchen Absatz ein großes Werk finden würde, wollte nicht das Risiko auf sich nehmen, beim Druck einer starken Auflage auf einem ‘unverkäuflichen Rest sitzen zu bleiben. Er druckte deshalb zunächst nur den Anfang in einer Probelieferung, nach deren Abnehmerzahl er die endgültige Höhe der Auflage bestimmte. Für den zweiten Druck von Luthers Operationes in Psalmos wurde dieses Verfahren gewählt, um den Drucker vor Schaden zu bewahren?). Wenn aber von ihnen Psalm 1—5 sich durch besonderen Titel, Vorrede und Nachwort als ein erster Teil- druck zu erkennen geben, so müssen wir uns vor dem Irrtum hüten, in diesem eine solche scheda zu erblicken, denn dafür ist er viel zu lang?). Er ist vielmehr als der erste eines auf mehrere Bände*) berechneten Werkes zu betrachten. Der

ı) W. A. II, 384—387.

2) Brief Luthers an Lang vom 26. Januar 1520. Enders II, 305: Psalterium nova ratione excudetur, quia excusor affıcitur damno relictis multis sibi schedis. s) W. A. V, 26—199.

4) Was von dieser Psalmenerklärung, die mit der Wormser Reise für immer abgebrochen wurde, erschien, füllt in den Opera exegetica latina der Erlanger Ausgabe allein schon die drei Bände 14—16.

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Umfang, den der Buchhändler bei einer scheda als Probeliefe- rung im Auge hatte, mag jenen editis tribus primis in eo opere (sc. den Operstiones in Psalmos) sexternionibus entsprochen haben, von denen Spalatin am 11. April 1519 an Bild melden konnte, Luther habe sie dem Kurfürsten gewidmet!).

Einen gewissen Anhaltspunkt dafür, wie groß nach Luthers Begriffen etwa eine scheda war, bietet uns schließlich jenes Notizheft mit Mitteilungen über römische Zustände, das er während der Abfassung seiner Schrift, ‚An den Adel‘ von Spalatin erhielt?2). Es handelt sich dabei um unvollständige Notizen Agricolas über die Angaben, die Luther über Rom von einem Kenner der dortigen Verhältnisse sich hatte machen lassen. Diese Aufzeichnungen füllten natürlich nur ein paar Blätter, nicht aber ein ganzes Büchlein.

Wenn nun hiernach am 17. Juli 1520 eine scheda für Luther ein Heft war, so wird sie am 8. Juni desselben Jahres für ıhn auch nicht viel anderes gewesen sein. D. h. aber: die Schrift, die er damals als scheda ankündigte, war von ihm ursprünglich als eine kleine Broschüre ins Auge gefaßt. So klein wie seine Verwahrung gegen Hoogstraten brauchen wir sie uns deshalb nicht vorzustellen, sonst würde er wohl eher von einer schedula geredet haben, so wie er ja auch seine Ablaßthesen, die jene Verwahrung an Umfang übertrafen, auch nur eine schedula genannt hat. Aber größer als eine scheda sollte sie jedenfalls nicht werden. Wenn er sie dann bei ihrem Erscheinen doch nicht mehr als scheda, sondern als libellus®), ja als liber*) be- zeichnet hat, so spricht das dafür, daß*‘sich ihm über der Aus- arbeitung sein Plan erweiterte. Er nahm noch anderen Stoff auf, als er zunächst nur hatte bringen wollen.

3

Bewährt sich das Ergebnis, zu dem uns eine Prüfung des Sprachgebrauchs führt, an den Tatsachen ? Die Antwort hängt davon ab, ob es uns gelingt, den Umfang der geplanten scheda zu bestimmen.

!) Bei H. von Schubert und K. Meißinger, Zu Luthers Vorlesungs- tätigkeit (Heidelberg 1920), S. 12f.

2) Brief Luthers an Spalatin vom 17. Juli 1520. Enders II, 443: Remitto nova tua ex Urbe; ego ipee plura ex eo praesens audivi, quam in hac scheda leguntur. Denique haec ipsa ex ore ejus Magister Islebensis signavit, et Melchiori Lotther dedit; inde per te ad nos redeunt.

3) In den Briefen an Link und an Lang vom 20. Juli und 18. August 1520. Enders II, 444 und 461.

*) In dem Brief an Joh. Voigt vom 3. August 1520. Enders II, 456.

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Über ihren Inhalt hat sich Luther selber, als er sie ankün- digte, ausgesprochen. In jenem Brief an Spalatin schrieb er): Est animus, publicam schedam edere ad Carolum et totius Germaniae nobilitatem, adversus Romanae curiae tyrannidem et nequitiam. Seine scheda sollte sich also richten an den neuen Kaiser Karl und an den Adel von ganz Deutschland. Und ihre Spitze sollte sie kehren gegen die Tyrannei und Nichtswürdigkeit der römischen Kurie. Wieweit entspricht dieser Ankündigung die Schrift ‚An den Adel‘ in der Gestalt, in der sie uns vorliegt ?.

Hier fällt nun offensichtlich sogleich die Zuschrift an Ams- dorff, die jetzt das Ganze eröffnet, aus dem Rahmen des Pro- gramms. Sie ist ein Begleitschreiben zu einem Entwurf, den Luther Amsdorff zur Begutachtung, nötigenfalls auch zur Ab- änderung schickt. Sie selbst aber hat inhaltlich mit der in Aussicht gestellten scheda nicht das geringste zu tun.

Ebenso aber können diejenigen Stücke des Buches, welche ihre Spitze nicht adversus Romanae curiae tyrannidem et nequitiam kehren, nicht ursprüngliche Bestandteile der scheda sein. Deren sind es nun aber eine ganz beträchtliche Zahl. Wir finden sie ohne Mühe in der langen Liste, mit der die Schrift endet: ‚was wol geschehen mocht vnd solt / von weltlicher _ gewalt odder gemeinen concilio.‘“ Zwar gegen die ersten zwölf Punkte dieses Reformprogramms erheben sich von der ge- machten Ankündigung her keinerlei Bedenken. Sie beziehen sich sämtlich auf den Papst und die Kurie, auf deren tyrannis et nequitia. Aber von Punkt 13 an ändert sich das. Zwar kommen auch hier immer wieder Dinge zur Sprache, die mit dem Papsttum zusammenhängen. Aber sie stehen nicht mehr, wie bisher, im Vordergrund. Das Programm’ geht jetzt über zu Dingen, die Luther allerdings ebenso reformbedürftig findet, wie die vorher behandelten. Aber für die Schäden, deren Ab- stellung er fordert, macht er hier nicht mehr ausschließlich oder auch nur in erster Linie den Papst und die Kurie verant- wortlich. Eine Prüfung dieses Teils der Schrift läßt hieran keinen Zweifel.

Auffallend ist hier sogleich der Anfang. Luther fährt näm- lich nicht mit seiner Aufzählung fort: „Zum dreizehnten‘“, sondern er bedient sich der typischen Übergangsformel: ‚„Dar- nach kummen wir auff“ usw. Er macht also ganz sichtlich hier einen Einschnitt, der das Folgende von dem bisher Aus- geführten deutlich abhebt. Sachlich ist das eben dadurch ge- rechtfertigt, daß es sich bei den nunmehr zu besprechenden Mißständen nicht mehr um Auswirkungen der tyrannis et

1) Enders Il, 414.

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nequitis der römischen Kurie, also nicht mehr um das Thema der scheda handelt.

13. Luther beginnt mit einer Kritik der Bettelorden. Es gibt zuviel Bettelklöster und zuviel Abarten eines und des- selben Ordens. Abhilfe erwartet Luther zwar von dem Papst, der gezwungen werden sollte, die Orden einzuschränken und jedenfalls keine neuen zu errichten oder zu bestätigen. Er deutet auch an, daß der Papst ein Interesse an dem gegen- wärtigen Zustand hat. Aber er schiebt ihm nicht überhaupt die Schuld an ihm zu.

14. Die Ausführungen über Priesterehe und Zölibat kommen natürlich an den entgegenstehenden Bestimmungen des kanonischen Rechtes nicht vorbei, und weil dieses im Wider- spruch mit dem Neuen Testament steht, findet Luther scharfe Worte dagegen. Aber die eigentlichen Urheber des Zölibats erblickt er doch nicht in den Päpsten, sondern in jenen vielen heiligen Vätern, die freiwillig auf die Ehe verzichteten, um besser studieren zu können und stündlich zu Tod und Streit bereit zu sein.

15. Auch’ die Regelung der Beichte heimlicher Todsünden in den Klöstern, die Luther so unerträglich findet, ist, wie er selber schreibt, nicht vom Papst getroffen, sondern von et- lichen Äbten, Äbtissinnen und Prälaten.

16. Die Menge der Seelenmessen beruht gleichfalls nicht auf päpstlicher Anordnung, Luther macht für sie vielmehr den Geiz der Priester verantwortlich. |

17. Ebenso rückt Luther die Strafen des geistlichen Rechtes nicht unter den Gesichtspunkt der päpstlichen Tyrannei und Verruchtheit. Anstößig sind sie ihm vielmehr deshalb, weil man durch sie eine Sünde bessern will mit vielen und größeren Sünden.

18. Bei den vielen Festen sodann, die auf Werktage fallen und soviel geistlichen und leiblichen Schaden nach sich ziehen, ist in Luthers Augen der Papst zum mindesten nicht allein der Schuldige. Er teilt sich in die Schuld mit den Bischöfen und „etlichen tollen Prälaten‘.

19. An den kirchenrechtlichen Bestimmungen über die ver- botenen Grade, Butterbriefe u. dgl. m., bei denen der Papst sich den erforderlichen Dispens vorbehalten hat, ist für Luther das Anstößige auch wieder nicht die Tyrannei und Schlechtig- keit der Kurie, sondern das geistliche Recht, das einen schänd- lichen Jahrmarkt daraus gemacht hat.

20. Des weiteren richtet sich die Kritik an dem Aberglauben, der sich an die neuen Wallfahrtsorte und ihre Wunder geheftet hat, an die Adresse der Bischöfe. Auf den Papst kommt die

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Rede erst in einer Art Nachtrag!) wegen der Indulte, Privi- legien usw., die er auf seinem Schindanger zu Rom verkauft. 21. Daß der Bettel nicht in Beziehung zu der päpstlichen ei und Nichtswürdigkeit gesetzt werden kann, ist klar.

22. Bei den Ausführungen über die neuen Stifte, die nur auf Gebet- und Messehalten gestiftet sind, wird der Papst bloß ganz nebenbei in einem Atem mit den Bischöfen und Doktoren erwähnt als eine der Instanzen, die solch Ding besehen und beschreiben sollten.

23. Die Forderung bezüglich der Bruderschaften, Dispense und päpstlichen Botschaften schreitet fort zu einem Angriff auf den Papst als den Antichrist, weil er das Recht für sich in Anspruch nimmt, Eide, Gelübde und Bünde aufzulösen. Damit kehrt allerdings der Vorwurf der nequitia (,lautter buberey‘‘) wieder. Aber diesen Gesichtspunkt stellt Luther hier nicht als maßgebend an die Spitze.

24. Das hier angeschlossene Gutachten über die Böhmen hat mit dem Thema der scheda nichts zu tun. Die Polemik gegen den Papst tritt hier auch zunächst völlig zurück. Es wird ihm nur zugemutet, daß er zugunsten der Husiten sich eine Zeit- lang seiner Obrigkeit entäußere. Im übrigen soll er die Ver- antwortung dafür tragen, daß wegen der Kirchengüter eine Verständigung zustande kommt.

25. Die Ausführungen über die Reform der Universitäten beginnen zwar mit der Anklage: alles, was das Papsttum ein- gesetzt und verordnet habe, sei nur darauf gerichtet, Sünde und Irrtum zu mehren. Aber mehr als der Papst wird dann Aristoteles in Anklagezustand versetzt. Zu dem Papst kehrt erst der Abschnitt über das geistliche Recht zurück. Aber was dann über das weltliche Recht, die Theologie, Schulwesen und Religionsunterricht folgt, steht überhaupt in keiner Be- ziehung mehr zu ihm.

Daß Luther den für die scheda aufgestellten Gesichtspunkt: adversus Romanae curiae tyrannidem et nequitiam, verlassen hat, spricht er selber aus, wenn er diesen ganzen Abschnitt seiner Liste mit den Worten schließt: ‚Des sey gnug gesagt / von den geystlichen geprechen.‘‘ Vollends was er jetzt noch (26) zur Sprache bringt, fällt auch in seiner Darstellung nicht der tyrannis und nequitia der römischen Kurie zur Last: Luxus in Kleidung und Nahrung, Zins und Bankwesen, wofür nament- lich die Fugger in Augsburg herhalten müssen. Auch der Schluß über die Frauenhäuser und die Vernachlässigung der Jugend begründet nicht nochmals eine Anklage gegen den

1) Nur lose angeknüpft mit: „Hie horet her.“ Ein innerer Zu- sammenhang besteht nicht.

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Papst und die Kurie, sondern gegen die Herren und Oberen, die um ihrer Versäumnisse willen „seltzam wiltpret‘‘ sein werden im Himmel?).

Als Ergebnis können wir hiernach bis jetzt feststellen, daß sich nach der Ankündigung Luthers von der Liste seiner Reform- vorschläge nur 1—12, nicht aber 13—26 in seine scheda einfügen.

Versuchen wir nun, positiv zu bestimmen, was außer jenen zwölf Programmpunkten den Inhalt der scheda bilden sollte. Dabei halten wir uns an die Ankündigung Luthers. Sie besagt zunächst, er wolle sich an Kaiser und Adel wenden. Damit ist sogleich die Zuschrift an Kaiser und Adel für die scheda gesichert. Sollte sich diese selbst sodann gegen die Tyrannei und Nichtswürdigkeit der römischen Kurie kehren, so wollte sich Luther natürlich mit einer solchen Aussprache vor diesen beiden Instanzen nicht einfach das nur vom Herzen heruuter- reden, wodurch er sich beschwert fühlte. Er wollte die welt- liche Gewalt vielmehr zu der notwendigen Reform aufrufen. Und wenn nun dieser Ruf nicht wirkungslos verhallen sollte, so war zu allererst der Nachweis dafür zu erbringen, daß die Reform von Rechts wegen überhaupt nicht von dem Willen der Kurie abhänge, sondern daß zu ihrer Inangriffnahme und Durchführung Kaiser und Adel berechtigt und berufen seien. Die Tyrannei des Papstes und seines Anhangs hatte ja vor allem eben darin bestanden, daß sie erklärten, nur sie seien für die kirchliche Reform zuständig, ihre Nichtswürdigkeit aber war im letzten Grunde ihr böser Wille, an dem bis dahın noch jede Reform gescheitert war. An diesem Punkte hatte die scheda einzusetzen. Es galt, die Nichtigkeit ler Gründe zu erweisen, mit denen man sich in Rom der geforderten Reform immer wieder entzog. Das konnte nur auf dem Wege sätzlicher Erörterungen theologischer Art geschehen. Trat der Papst der weltlichen Gewalt bei ihren Versuchen, die Kirche zu reformieren, mit der Behauptung entgegen, geistliche Ge- walt sei über weltliche Gewalt, zumal in kirchlichen Ange- legenheiten, so ließ sich das Recht der Laien zur Reform nicht sicherer erweisen, als durch die Feststellung, daß dem Neuen Testament zufolge auch sie Priester seien. Ebenso mußten Bibel und Konzil aus der Tyrannei des Papstes befreit werden, der die authentische Feststellung des Schriftsinnes für sich in Anspruch nahm und die Einberufung eines Konzils in Wider- spruch mit der Apostelgeschichte und dem Brauch der alten Kirche als sein ausschließliches Recht behauptete.

Dieser Aufgabe unterzog sich Luther in dem ersten Teil der scheda: wider die drei Mauern der Romanisten. Es war doch

1) W. A. VI, 468.

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wohl etwas vorschnell geurteilt, wenn Clemen in seiner Luther- ausgabe!) behauptete, dieses Stück nehme sich „recht isoliert“ aus. Wir werden im Gegenteil in Übereinstimmung mit Kohl- meyer?) Kalkoff?) Recht geben müssen, der von der ganzen Schrift erklärte, in ihr sei alles auf den einen Grundgedanken abgestimmt, daß alle Christen geistlichen Standes seien. Diese These mußte zuerst feststehen, wenn nicht alle übrigen Vor- schläge an Kaiser und Adel in der Luft schweben sollten. Und indem sie den diametralen Gegensatz zu der Tyrannis der römischen Kurie bildete, gehörte sie bereits in die scheda.

Während sich nun der Angriff auf die drei Mauern unmittel- bar an das Widmungsschreiben an Kaiser und Adel anschließt, steht zwischen ihm und den zwölf Reformvorschlägen noch ein Abschnitt, der sich mit den Zuständen in Rom beschäftigt. Haben wir auch in ihm einen ursprünglichen Bestandteil der scheda zu erblicken ?

Es liegt nahe, diese Frage unbeilenklich zu bejahen und in diesem Abschnitt den zweiten der beiden angekündigten Punkte, die nequitia der römischen Kurie noch besonders unter Beweis gestellt zu sehen. Aber es ist zunächst noch die Frage, ob dieser ganze Abschnitt ursprünglich eine Einheit bildet. Deutlich gliedert er sich in zwei Teile. In dem ersten kommen nacheinander zur Sprache: 1. die Pracht des Papstes, die alle Könige und Kaiser aussticht und den Gegensatz bildet zu dem armen Christus und Sankt Peter, 2. die Unzahl der Kardinäle in Rom, die jetzt Deutschland aussaugen, nachdem sie bisher schon Welschland ausgesogen haben, und 3. der Hof des Papstes, dieses ganze „‚gewurm vnd geschwurm in dem Rom“, das sich von dem deutschen Gelde mästet. Während bis dahin die Ausführungen in klarem Aufbau und ohne Abschweifungen stetig voran schritten, bedeutet der zweite Teil des Abschnittes eine Unterbrechung der Gedankenführung. Luther kündigt diese Unterbrechung ausdrücklich an mit den Worten, er wolle jetzt „ein wenig stil halten*)“. Den Gesichtspunkt der nun folgenden Beschwerden stellt er mit der Klage auf: „das sie yhr eygenn ertichtet geystlich recht nit haltenn / das doch on yhm selb / ein lautter tyranney, geytzerey / vnd zeytlicher pracht ist / mehr dan ein recht.“ Daß dieser Gesichtspunkt in dem zweiten Teil durchaus festgehalten ist, hat Köhler®) richtig beobachtet. Aber er ist der Frage nicht nachgegangen, ob die ‚„‚Digression‘‘, wie er diesen zweiten Teil unseres Ab-

ı) I, 362. 3) A. a2. 0.S. 13. 3) Kalkoff, Luther und die Entscheidungsjahre der Reformation 8. 171. *%) W. A. VI, 418.

s) Zeitschr. der Savignystiftung. N.F. 45, S. 3—5. Archiv für Reformationsgeschichte. XXXII. 8/4. 13

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schnitts nennt, der ursprünglichen Anlage der Schrift, d. h. der angekündigten scheda, angehört. Diese Frage ist nun aber doch wohl zu verneinen. Die scheda ist bisher ihrem Wesen entsprechend in straffer Linienführung vorangeschritten. Ihrem Zweck, Kaiser und Adel gegen die Tyrannei und Nichts- würdigkeit der Kurie aufzurufen, hätten Abschweifungen nur hinderlich sein können. Dieser ganze ite Teil macht durch- aus den Eindruck einer Einschaltung, denn er läßt sich aus dem Abschnitt über die nequitia der römischen Kurie heraus- . heben, ohne daß eine Bruchstelle entsteht. Die den des ersten Teils schlossen mit der Wendung!!):\,wir solten vns vorwundern / das wir noch zuessen haben.“ Klage über die Aussaugung Deutschlands durch Rom schließt sich ganz natürlich das Reformprogramm Luthers mit seinen zwölf Artikeln an.

Wir gelangen also zu folgendem Ergebnis: Die scheda, deren Herausgabe Luther Spalatin ankündigte, war eine ähnlich knapp gehaltene und klar aufgebaute Erklärung wie später seine Wormser Rede. Sie begann mit der Zuschrift an Kaiser und Adel und gliederte sich dann in drei Teile: 1. die theo- logische Auseinandersetzung mit der römischen Tyrannis in dem Angriff auf die drei Mauern der Romanisten; 2. die Rüge der römischen nequitia hinsichtlich der antichristlichen Selbst- überhebung des Papstes, der Unzahl von Kardinälen mit ihrer Ausbeutung Deutschlands, sowie der finanziellen Belastung Deutschlands durch das Heer von geistlichen Beamten in Rom; 3. zwölf Vorschläge Luthers, was weltliche Gewalt oder ein gemeines Konzil zur Besserung dieses greulichen Wesens tun könnte oder sollte.

4,

Von dieser scheda sind der Widmungsbrief und der Angriff auf die drei Mauern ohne erkennbare Veränderungen und im unmittelbaren Anschluß aneinander ın die Schrift „An den Adel‘ aufgenommen worden. Die beiden anderen Abschnitte aber haben beträchtliche Erweiterungen erfahren. Können wir noch etwas darüber ausmachen, wie es zu diesen Erweiterungen gekommen ist? Es gilt, die spärlichen Notizen daraufhin an- zusehen, die sich hierüber etwa in dem Briefwechsel Luthers finden.

Bereits drei Tage, bevor die beiden Schriften gegen Alveld und Prierias am 26. Juni?) die Presse verließen, war Luther

1) W.A. VI, 418. 3) Cras Sylvester et Romanista vernaculus absolvetur. Brief Luthers an Spalatin vom 2”. Juni 1520. Enders II, 424.

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in der Lage, Amsdorff ein Manuskript seiner neuen Arbeit zur Begutachtung und etwaigen Verbesserung zu schicken. In dem Begleitschreiben heißt es!): „Ich hab vnserm furnehmen nach / zusammen tragenn etlich stuck Christlichs stands besserung belangend / dem Christlichenn Adel deutscher Nation furtzulegen /.‘“. Aus; diesem Satz ergibt sich, daB er über seine Absicht, an den ‘deutschen Adel einen Aufruf zu richten, vorher mit Amsdorff gesprochen hatte. Die Antwort Amsdorffs besitzen wir nicht mehr. Sein Urteil über die scheda Luthers:kennen wir daher ebensowenig, wie die Änderungen, die er etwa an ihr vorgenommen oder angeregt hat. Hierüber sind nur Vermutungen möglich. Doch dürfen wir mit ziem- licher Wahrscheinlichkeit annehmen, daß wir seine Hand nicht sowohl in dem ihm vorgelegten Entwurf zu suchen haben, als vielmehr in Zusätzen zu der Liste von Luthers Reformvor- schlägen®). Zu einer Kritik an Luthers Arbeit hat sich Ams- dorff schwerlich berufen gefühlt, dafür stand er ihm, wie seine Vorlesungen zeigen?), viel zu sehr in einer fast schülerhaft zu nennenden Abhängigkeit gegenüber. Aber Ergänzungen konnte er, wo es sich um die Kirche und des christlichen Standes Besserung handelte, schon beisteuern. Und hier läßt sich mit einer gewissen Sicherheit annehmen, daß der ‚„Tumher zu Wittenberg*)‘‘ den Finger vor allem auf die Dinge legte, die sich auf die Stifter und Klöster und auf die gestifteten Messen, sowie auf die Kumulation der Pfründen beziehen. Da Luther in der endgültigen Fassung seiner Schrift hierauf erst unter Nr. 22 eingegangen ist®), läßt sich der Gedanke nicht von der Hand weisen, Amsdorff sei in größerem oder geringerem Maße auch an Nr. 13—21 beteiligt. Doch läßt sich sein Anteil an diesen Kapiteln nicht näher bestimmen.

Zwei Tage nach seinem Brief an Amsdorff schrieb Luther an Spalatin®): Argentinensis tragoedise memor ero satis loco suo.

ı) W. A. VI, 404 vom 23. Juni 1520.

s) W. A. VI, 438ff.

s) J. Ficker, Luthers Vorlesungen über den Hebräerbrief 1517/18.XXL.

%) So die Anschrift des Widmungsschreibens. W, A. VI, 404.

s) Das Auffallende, was Köhler, Luthers Schrift „An den ohrist- lichen Adel deutscher Nation‘ S. 289 Anm. 1 hier gefunden hat, verliert sich, wenn diese Ausführungen nicht sowohl von Luther selbst, als vielmehr von Amsdorff herrühren.

*) Brief vom 25. Juni 1520. Enders II, 424. Clemens Angabe, in seiner Luther-Ausgabe I, 362 Anm. 1: „erst unterm 25. Juli be- kundete er Spalatin seine Absicht, der ‚Straßburger tragödie‘ zu ge- denken‘‘, ist ein böses Versehen, das durch Hinzufügung der Fund- stelle noch verschlimmert wird.

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Diese Bemerkung hat zuerst und gewiß mit Recht Kolde!) in Verbindung gebracht mit dem Straßburger Vorkommnis, das Luther in der Sc „An den Adel“ erwähnt?): Der Bischof von Straßburg habe sein Stift reformieren wollen, aber auf Betreiben seiner Priesterschaft habe ihn der Papst daran ge- hindert. Diese Feststellung verdient in doppelter Hinsicht unsere Aufmerksamkeit. Einmal nämlich können wir in jener Briefstelle nur eine Rückäußerung Luthers auf eine Mitteilung Spalatins erblicken. Dann ist Gewährsmann Luthers für die traurige Straßburger Geschichte niemand anders als der Sekretär des sächsischen Kurfürsten. Also hat auch er Luther mit Material für seinen Aufruf an den Adel versehen. Diese Feststellung ist nicht unwichtig?). Sodann aber ergibt sich aus der Ankündigung Luthers, er werde am gegebenen Ort näher auf den Straßburger Fall eingehen, daß er mit dem Manuskript, das er Amsdorff geschickt hatte, seine scheda noch nicht als abgeschlossen betrachtete, sondern noch an ihr weiter arbeitete. Wir können ihm hier bei seiner Arbeit gleichsam über die Schulter sehen. Wir finden ihn jetzt mit der Aus- arbeitung des Abschnittes beschäftigt, den Köhler als Di- gression bezeichnet hat. Seine Sätze über die Verschwendung, die der Papst, seine Kardinäle und sein ganzer Hofstaat trieben, schienen ihm noch einer näheren Ausführung zu be- dürfen. Weil er hier ‚ins rechte Spiel gekommen“ war, wollte er*) ein wenig stille halten und zeigen, daß der Papst und die Seinen nicht nur Gottes Gebot und christliches Recht ver- achteten, daß ihnen auch nicht bloß das natürliche Recht und die Vernunft nichts galt, daß sie vielmehr nicht einmal ıhr eigenes erdichtetes geistliches Recht hielten, das doch an sich selbst lauter Tyrannei, Geizerei und zeitliche Pracht sei mehr denn ein Recht. Demgemäß kritisierte er nun die Praktiken der Annaten und der Papstmonate, des Schachers mit den erledigten Pfründen durch Kommenden, Inkompatibilien, In- korporationen, Administrationen, Pektoralreservationen und den schwunghaften Handel der Dataria in Rom, bis er das Valete gab mit einer Rüge der Rolle, die bei alledem das Haus

1) Th. Kolde, Martin Luther I, 387. Anmerkung zu S. 256.

s) W. A. VI, 422f. Wir kennen diesen Fall nur durch Luther.

°) Für die bier naheliegende Frage, wie sich denn der Kurfürst zu dieser Stellungnahme seines Hofkaplans verhalten habe, ist auf- schlußreich die Bemerkung Luthers in seinem Brief an Hausmann vom 19. Mai 1522. Tinders ILI, 368: Novi hominis (vgl. des Kurfürsten) ingeniuin, qui ferre potest, ut ab aliis fiant, quaecunque fiunt, sed mandare aut consulcre nolit.

“%W. A. VI, 418.

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Fugger in Augsburg spielte. In diesem Zusammenhang fand sich Gelegenheit, auf den von Spalatin berichteten Straßburger Fall einzugehen. Luther führte ihn an als ein Beispiel für die Eingriffe des Papstes in die bischöfliche Gewalt: „Sie habens wol vortzeitten setzt ym geystlichen recht / ... den stifften vnd bischoffen yhre freyheit lassen / aber das wolt nit gelt tragen / drumb ist das blat vmkeret / vnd ist den bischoffen vnnd stifften aller gewalt genomen / ... alle hadder werden gen Rom getzogenn / thut yderman durchs bapsts gewalt / was er wil!).‘

Spalatin hat nun aber auch weiterhin Luther mit Material über die römischen Zustände zu versehen gesucht. Er schickte ihm nämlich etwas später noch ein Heft (scheda) mit neuen Nachrichten aus Rom, die er freilich sogleich am 17. Juli zurück erhielt, da sie Luther nichts Neues sagten. Das Heft enthielt nämlich nur Notizen Agricolas über ausführlichere mündliche Mitteilungen, die der Gewährsmann Spalatins bei seinem Aufenthalt in Wittenberg bereits Luther gemacht hatte, und die auf dem Wege über Lotther inzwischeu an Spalatin gelangt waren). Der Name von Spalatins Gewährsmann ist uns nicht genannt. Wir dürfen ihn aber mit ziemlicher Bestimmtheit in dem Münsteraner Johann von der Wieck vermuten?), vor dem Spalatin erst vor acht Tagen als vor einem Cortisanus gemeint hatte warnen zu müssen, den aber Luther ganz un- gefährlich gefunden hatte*). Wieck hatte sich als Sachwalter Reuchlins lange Zeit in Rom aufgehalten, wo er sich die ge- nauesten Kenntnisse des Treibens an der Kurie erwarb. Seit- dem uns die Tischreden Luthers aus dem Jahre 1538 nach den Lauterbachschen Aufzeichnungen bekannt sind, wissen wir, daß sich Luther diese Kenntnisse für die Schrift, mit deren Abfassung er gerade beschäftigt war, gerne zunutze gemacht hat®). Fragen wir nun, wo er sie ihr hat zugute kommen

ı) Ebenda 8. 422.

2) Brief Luthers an Spalatin vom 17. Juli 1520. Enders II, 443.

%) Diese Vermutung hat zuerst J. Köstlin, Martin Luther. Sein Leben und seine Schriften (1875) I, 791 Anm. 2 zu 8. 336 geäußert.

%) Brief Luthers an Spalatin vom 10. Juli 1520. Enders II, 432: De Cortisano Doctore Viccio non erat ullum periculum.

8) Seidemann, M. Anton Lauterbachs Disconi zu Wittenberg, Tagebuch auf das Jahr 1538, die Hauptquelle der Tischreden Luthers (1872) S. 19f. Tischrede vom 2. Februar 1538: Ibi (sc. in oomitiis Wormacersibus) tum mea scripta an deutschen adel expectabant quae ego a Voctore Wick explorabam. Diese Notiz bedarf zweier Korrekturen. Einmal wurden die Schriften Luthers in Worms nicht erst erwartet, sondern sie lagen vor (exstabant, nicht expectabant).

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lassen, so enthält jene Tischrede insofern einen Wink, als un- mittelbar vorher in ihr von dem römischen Geiz die Rede war, z. B.: Nam horrendus avaritiae quaestus ibi esset, omnia ad se rapere sine labore manuum, sine praedicatione, sine ministerio ecclesiae, sed tantum superstitione et operum su- orum venditione. Wenn nun Luther sogleich Wieck als seinen Gewährsmann nenat, den er ausgefragt habe (explorabam), so ist der Schluß wohl nicht zu gewagt, Wieck sei der geistige Urheber jener ganzen „Digression‘, die sich mit den tausend- fältigen Finanzkünsten des römischen Geizes beschäftigte. Was er Luther auf seine Erkundigung im einzelnen mitteilen konnte, schien diesem offenbar so wichtig, daß er es zu einer Fortsetzung seiner scheda benutzte. Wenn aber die „Di- gression“‘ auf den Jeser den Eindruck der Geschlossenheit macht, so erklärt sich dieser Eindruck am einfachsten daraus, daß hier aus einer und derselben Quelle geschöpft ist, und die Bestimmtheit und Sicherheit der Angaben versteht sich am besten, wenn sie von einem Juristen stammen, der den ge- schärften Blick besaß und die nötige Zeit hatte, an Ort und Stelle alle diese Erfahrungen zu sammeln. Der Umfang der „Digression‘!) paßt auch ganz gut zu dem Satze Luthers: ego plura ex eo (sc. von der Wieck) praesens audivi, quam in hac scheda (sc. Spalatins, bzw. Agricolas) leguntur. Indessen noch ehe Luther sich durch von der Wieck so eingehend über den römischen Geiz unterrichten lassen konnte, scheint er bereits von anderer Seite nähere Angaben über die römischen Dinge erhalten zu haben. Wenigstens erfahren wir am 21. Juni 1520, also zwei Tage ehe er seine scheda an Amsdorff schickte, von Freunden, die ihm aus Rom geschrieben hatten?). . Wer diese Freunde waren, wird sich wohl niemals feststellen lassen; Johannes Heß und Crotus Rubeanus, an die man zunächst denken möchte, waren damals längst aus Italien zurück. Aus den Briefen jener Freunde erfahren wir nun freilich nur, wie eifrig Eck in Rom gegen Luther geschäftig war. Aber so gewiß Luther?) von dem Kolberger Propst sich nicht nur erzählen ließ, was er dann Spalatin über Miltitz ge- schrieben hat?), so gewiß enthielt auch jetzt der Brief von

Sodann konnte Luther nicht von mea scripta an den deutschen Adel reden, da er an diesen nur eine Schrift gerichtet hatte. Er redete vielmehr offenbar zuerst allgemein von seinen Schriften und hob dann unter diesen die „An den Adel‘ namentlich hervor.

ı) W. A. VI, 418—427.

2) Brief an Justus Jonas. Enders II, 419.

3) Vgl. Knaake, W. A. VI, 395.

4) Brief vom 13. Oktober 119. Enders II, 193.

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befreundeter Seite aus Rom mancherlei Angaben, die Luther unmittelbar in seine scheda herübernehmen konnte. So er- klären sich in dieser am natürlichsten die ziffernmäßigen An- gaben von den mehr denn 3000 päpstlichen Schreibern, die auf die Stifter und Lehen Deutschlands warteten ‚wie ein Wolf auf die Schafe‘, von den mehr denn 300000 Gulden, die jährlich von Deutschland nach Rom kamen!), und von den 20000 Gulden, die allein Mainz als Palliengelder zu zahlen hatte?).

In die Herkunft der Ausführungen über das geistliche Recht, das für Luther schon seit seinen Vorstudien für die Leipziger Disputation höchst verdächtig war, gewährt uns eine Tisch- rede vom 16. Januar 1538, die uns Lauterbach überliefert hat?), einen interessanten Einblick. Luther erzählt da, wie er in der Anfangszeit der Reformation sich über die gottlose Tyrannei des Cölibats kein eigenes Urteil zugetraut und des- halb Hieronymus Schurff nach dem Grund für das Verbot der Priesterehe gefragt habe; aber Schurff habe ihm keinen klaren Bescheid geben können, sondern sich nur darauf zurück- gezogen, daß der Papst ja niemanden zwinge, Priester zu werden. Die Zeitangabe für dieses Gespräch (initio euangelii) paßt am besten auf die Wochen, in denen sich für Luther das Priestertum auf das Amt der Wortverkündigung und der Sakramentsverwaltung reduziert hatte. Die Ergebnisse seiner eigenen Erwägungen über die Priesterehe, zu denen er dann gelangte, nachdem ihn die Auskunft Schurffs so wenig be- friedigt hatte, liegen uns vor in Nr. 14 der Liste seiner Reform- vorschläge mit dem summarischen Ceterum censeo: „sein doch indem gantzen geystlichen bapsts gesetzt / nit zwo zeyllen / die einen frummen christen mochten vnterweyßen / vnd leyder Bouiel yrriger vnd ferlicher gesetz / das nit.besser were man mecht ein Rotten haufien drauß®)‘‘. Wie der Cölibat, so werden in jenen Wochen zwischen Luther und Schurff auch noch andere Bestimmungen des kanonischen Rechts zur Sprache gekommen sein, die dann in der Schrift „An den Adel‘ behandelt wurden, wie Interdikt und Bann, die geistliche Verwandt- schaft und die verbotenen Grade, die Fastengebote und Dis- pensationen, die päpstlichen Ablässe, Privilegien u. dgl. m. Wie weit dabei der Kanonist mit dem Theologen einig gehen konnte, steht dahin. Schwerlich wird sich jener mit dem generellen Verdikt einverstanden erklärt haben®): „das geyst- lich recht heysset auch darumb geystlich / das es kompt von

ı) W. A. VI, 417. 2) Ebenda 421. 3) Seidemann S. 12. «) W. A. VI, 443. 85) Nr. 17 der Reformvorschläge. W. A. VI, 445.

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dem geyst / nit vonn dem heyligen geyst, Sondern von dem boßen geyst“. Aber dem Reformationspro Luthers kamen diese Gespräche mit dem Juristen doch in nderer Weise wieder zugute, sofern sie ihn nötigten, seine Kritik an dem geistlichen Recht gründlich durchzudenken und seine Reformvorschläge sorgfältig zu unterbauen.

Wenn schließlich auch Melanchthon nach anfänglichen Be- denken sich doch mit der Absicht Luthers, einen Appell an den deutschen Adel zu richten, einverstanden erklärte!), so liegt der Schluß nahe, daß er ebenfalls zu diesem Appell etwas beigesteuert hat. Dabei hat es eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich, daß die geschichtlichen Partien der Schrift auf ihn zurückgehen, da er als Humanist die Wittenberger Reformation erst durch das Interesse an der Geschichte bereichert hat?). Doch soll damit nicht gesagt sein, daß auch die Erinnerung an die Einberufung des Nicänischen Konzils durch Kaiser Konstantin erst durch Melanchthon in den Angriff auf die dritte Mauer hineingekommen sei. Denn über das Konzil von Nicäa hatte sich Luther bereits im Januar 1519 aus Euseb- Rufin und der Historia Tripartita unterrichtet?). Wohl aber dürften die Ausführungen über die translatio imperü von Melanchthon angeregt sein, aus dessen anfänglicher Zurück- haltung es sich am natürlichsten begreift, daß sie erst in der zweiten Auflage erschienen. Die Selbständigkeit Luthers gegenüber der ihm gegebenen Anregung zeigt sich aber auch hier, sofern er nämlich zu der geschichtlichen Tatsache einen eigentümlichen Kommentar gab: Die Übertragung des Reichs von den Griechen auf Kaiser Karl sei zwar, auf den Papst

I) Consilium de scribenda ad Germanicam nobilitatem epistola principio magis non improbavi quam probavi ... Deinde res per sese talis est, quam, quia divinitus agi puto, morari nolui: spiritum Martini nolim temere in hac causa, ad quam destinatus Und govolac videtur, interpellare. Corp. Ref. I, 211. Undatierter Brief Melanch- tbons an Lang. Über das Datum (Ende August 1520) vgl. Suppl. Mel. VI, 1 S. 113. Um dieselbe Zeit (vgl. Luthers Brief an Spalatin vom 23. August 1520. Enders II, 464) erschien bereits die zweite Auflage der Schrift „An den Adel“.

2) K. Bauer, Die Wittenberger Universitätstheologie und die An- fänge der deutschen Reformation S. 80ff. Luthers historische Studien, die erst im Zusammenhang mit der Leipziger Disputation einsetzten, waren zunächst auf das engere Gebiet der Papstgeschichte und der Dekretalen beschränkt. Umfassender wurden sie erst in seinen letzten zehn Jahren. Vgl. E. Schäfer, Luther als Kirchenhistoriker 8. 84ff.

3) Undatierter Brief an Hieronymus Düngersheim von Ochsen- furt. Enders I, 366. Über das Datum vgl. ebenda S. 366.

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en, ein Unrecht gewesen; aber sie sei geschehen aus Gottes Willen, den wir mehr ansehen, denn der Päpste Meinung; und darum werde das Reich mit Recht von den deutschen Fürsten regiert!). So erst fügte sich dieser Abschnitt in den Grundgedanken der Schrift ein: Der deutsche Kaiser muß recht und frei Kaiser sein d. h. nicht von des Papstes, sondern von Gottes Gnaden —, und die päpstlichen Heuchler haben nicht über das weltliche Schwert zu regieren?2). Auch die Abschweifung über den Jugendunterricht, die bereits in der ersten Auflage gegen Ende der Schrift die Ausführungen über die Universitäten ziemlich unmotiviert unterbricht?), möchten wir am ersten auf einen Wink des Praeceptor Germaniae zurückführen, dem gerade die Errichtung von Schulen für die Jugend sein Leben lang so ganz besonders am Herzen lag. Nur das Interesse an Mädchenschulen, das uns hier zum ersten- mal begegnet *), kommt auf Luthers Rechnung zu stehen, der das Beispiel der heiligen Agnes, die zur Schule ging, bereits in einem früheren Zusammenhang erwähnt hatte, wo auch der Hinweis auf Quedlinburg ihm, dem ‚Härzling‘‘, näher lag, als dem Pfälzer Melanchthon?).

Inzwischen hatte auch Spalatin noch einmal Beiträge ge- schickt, die indessen für die erste Ausgabe der Schrift zu spät kamen, da diese bereits in 4000 Exemplaren ihren Weg in die Öffentlichkeit angetreten hatte®). Luther vertröstete den Freund auf die von Lotther vorbereitete, erweiterte Auflage, die diese Zusätze bringen sollte’), Es kann sich hier, wenn anders wir den Abschnitt über die translatio imperii mit Recht, Melanchthon zugewiesen haben, nur um die Beispiele päpst- licher Hoffart handeln, um die der elfte Punkt der Reform- liste in der zweiten Ausgabe gegen die erste bereichert ist®): Der Papst läßt sich, ob er wohl stark und gesund ist, von Menschen als ein Abgott mit unerhörter Pracht tragen; wenn er sich will lassen kommunizieren, so sitzt er stille wie ein gnädiger Junker und läßt sich das Saktament von einem knieenden Kardinal mit einem goldenen Rohr reichen; und wenn er das Sakrament in der Prozession umträgt, so muß man ihn tragen, aber das Sakrament steht vor ihm wie eine

ı) W.A. VI, 464. 2) Ebenda S. 4685. %) Ebenda 8. 461.

%) Es begegnet uns dann erst wieder in der großen Württemberger Kirchenordnung von 1559. s) W.A. S. 440.

*°) Brief Luthers an Lang vom 18. August 1520. Enders II, 461.

?) Brief Luthers an Spalatin vom 23. August 1520. Enders II, 464: Additiones ad libellum (sc. „An den Adel‘‘) addentur secundaria editione, quam Lottherus praesumit, quae et locupletabitur.

3) W.A. VI, 436.

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Kanne Wein auf dem Tisch. Luthers Meinung dazu geht da- hin: diese Hoffart des Papstes, dem gegenüber Christus in Rom nichts gilt, braucht uns an sich nicht zu bewegen, aber wir müssen billig Gottes Zorn fürchten, wenn wir sie billigen oder ihr gar schmeicheln.

Es ist gleichgültig, auf wen die Informationen Spalatins in diesem Falle zurückgingen. Dagegen will die Tatsache be- achtet sein, daß der Sekretär des Kurfürsten an dem Aufruf Luthers an den deutschen Adel so starken Anteil genommen hat. Erklären läßt sich das kaum anders als daraus, daß man an dem Hofe von vornherein mit Luthers Absicht einverstanden war, wie denn die Fühlung des Hofes mit diesem gerade in

nen Wochen ziemlich eng war!). Der angesehene Witten-

a Professor, der schon einmal „der Katze die Schelle angebunden“ hatte und dessen Schriften sich allmählich schon über die ganze Christenheit verbreitet hatten?), sollte nur weiter schreiten zu einer Generalabrechnung mit Rom über alle Schäden des christlichen Standes. Von hier aus gewinnt die Sache aber geradezu das Aussehen, als sei es vom Hofe her Luther nahegelegt worden, den Rahmen seines Reform- programms noch weiter zu spannen, als er in seiner scheda ursprünglich beabsichtigt hatte, und auch Schäden des deut- schen Volkslebens zur Sprache zu bringen, die mit der ty- rannis et nequitia der römischen Kurie von Hause aus nichts zu tun hatten und doch dringend der Heilung bedurften. Hierher gehört zunächst der Abschnitt über den Bettel mit seiner Forderung, in jeder Stadt einen Verweser oder Vormund für die Armen zu bestellen?). Die damit empfohlene Abhilfe ließ sich naturgemäß nur ‚durch den leyen standt‘‘ ins Werk setzen. Dasselbe gilt nun aber auch von den mannigfachen weltlichen Gebrechen, die die Liste der Reformvorschläge abschlossen*). Der maßlose Luxus in Kleidung und Lebens- haltung, bei welchem Adel und Bürger verarmten, die Ein- fuhr ausländischer Leckereien, der rapide Übergang von der Natural- zur Geldwirtschaft, wie er an dem Hause Fugger in Augsburg am krassesten in die Erscheinung trat, das in Deutsch- land alteingewurzelte Laster der Völlerei, das nicht nur Schaden an Hab und Gut, sondern auch Mord, Ehebruch, Diebstahl, Verunehrung Gottes und Zuchtlosigkeit nach sich zog, die gemeinen Frauenhäuser und die Vernachlässigung der Jugend,

ı) Vgl. die Briefe Luthers an Spalatin vom 9., 10. und 17. Juli 1520. Enders II, 428ff., 433 und 443.

8) Vgl. K. Bauen Die Wittenberger Universitätstheologie usw. S. 60f. ®) Nr. 21. W.A. VI, 450f.

*) Nr. 26 der ersten Ausgabe. W.A. VI, 465ff.

u ne" iii

203

endlich das schon im Sermon von den guten Werken erörterte Treiben der weltlichen Gewalt und des Adels das alles waren Dinge, an die die weltliche Obrigkeit bisher ebensowenig wie die geistliche gerührt hatte, und mit denen es doch unmöglich in der bisherigen Weise weiter gehen konnte.

B.

Wo so viele ihre Beiträge zu der Schrift geliefert hatten, konnte Luther die fertige Schrift als ‚noster‘ libellus bezeich- nen. Editur, schrieb er am 20. Juli 1520 an Link!), noster lı- bellus in Papam de reformanda ecclesia vernaculus ad uni- versam nobilitatem Germaniae, qui summe offensurus est Romam, ductis in publicum impiis artibus et violentibus po- testatibus ejus. Die Nachricht hatte mehr als nur den Charakter einer persönlichen Mitteilung. Es war in Wittenberg offenbar schon kein Geheimnis mehr, daß auf dem bevorstehenden Ordenskonvent in Eisleben er fand, auffallend genug, be- reits ein Jahr vor dem normalen Termin statt Staupitz als Generalvikar durch Link ersetzt werden würde. Die Dinge lagen jetzt wieder ähnlich, wie vor zwei Jahren in Heidel- berg?2). Auch diesmal war die allgemeine Aufmerksamkeit auf Luther gerichtet. Lang in Erfurt mahnte, als er von der Schrift erfuhr, von der Veröffentlichung ab?). Miltitz schickte sich soeben zu einem letzten Versuche an, durch den Kur- fürsten*) und den Orden auf Luther einzuwirken®). Staupitz, der gerüchtweise von den Angriffen auf die tyrannis et ne- quitia der römischen Kurie gehört hatte, bemühte sich noch in allerletzter Stunde, Luther zur Unterdrückung der Schrift zu bestimmen, kam damit aber ebenso zu spät®), wie Miltitz mit seinem Versuche bei dem Kurfürsten?). Auch Link redete Luther ernstlich ins Gewissen, als sei es ihm in seinen Schriften um Ruhm und Ehre zu tun; auch mißfiel ihm der bissige Ton des Wittenbergers, wenngleich er diesem zugab, Deum

ı) Enders II, 444.

2) Vgl. K. Bauer, Die Heidelberger Disputation Luthers. ZKG. XXI, 243—2650.

®) Vgl. Luthers Brief an Lang vom 18. August 1520. Enders II, 461.

4) Brief Miltitzens an den Kurfürsten vom 19. August 1520 in den Urkunden von Cyprian zu Tentzel, Historischer Bericht vom Anfang und ersten Fortgang der Reformation Lutheri 8. 431ff.

s) Kolde, Die deutsche Augustinerkongregation und Johann von Staupitz. S. 327 und 360.

*) Brief Luthers an Link vom 19. August 1520. Enders II, 463.

?) Schreiben des Kurfürsten an Miltitz vom 25. August 1520 bei Tentzel-Cyprian 8. 434f.

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forte hoc modo revelare hominum figmenta!). Wo die ganze Atmosphäre so gewitterschwül und voller Spannungen war, sollten die Brüder samt ihrem künftigen General und dem gan- zen Kapitel mit aller Deutlichkeit wissen, daß sie es bei dem gefürchteten Buche nicht mit Luther allein zu tun hätten?). Dieser setzte jetzt das noster vor libellus in derselben Stimmung, in der er sich vor zwei Jahren seinem Erfurter Lehrer Trut- fetter gegenüber für seine der Dialektik bare, nur auf die Bibel gegründete Kreuzestheologie auf seine Wittenberger Gesinnungsgenossen berufen hatte?). Mochten sie nun in Eisleben immerhin beschließen, was sie wollten und meinten verantworten zu können. Aber sie sollten wissen, daß hinter diesem Buche eine Universität stand, die entschlossen war, nicht wie die anderen eine „Pforte der Hölle‘‘ zu sein, die ihren Beruf vielmehr darin erblickte, eitel hochverständige Leute in der Schrift zu erziehen wider die Ketzer und Teufel und alle Welt), und deren Lehrer ihren wahren Ehrentitel Joh. 6, 45 ausgesprochen fanden: ‚Sie müssen alle von Gott selber gelehrt sein5).“

Aus ähnlichen Erwägungen will es auch verstanden sein, daß Luther an die Spitze der ganzen Schrift, als er sie öffent- lich ausgehen ließ, sein Schreiben an Amsdorff setzte. Bedenkt man, daß die Schrift „Der allerdurchleuchtigisten / Gross- mechtigisten Keyserlichen Maiestet / vnd Christlichem Adel deutscher Nation‘‘ gewidmet ist, so fragt man sich unwill- kürlich, was es zu bedeuten habe, daß dieser Widmung noch ein Brief an den „besundern gunstigen freundt‘‘ Amsdorff vorangestellt ist, der zum Inhalt und Verständnis der Schrift anscheinend nichts beiträgt und bei ihrem Erscheinen bereits um etwa sieben Wochen zurück lag®). Sieht man einmal von der Selbstironisierung Luthers in diesem Schriftstück ab, so bleibt auf der einen Seite nur die Kritik der „vbirhoch- verstendigen‘‘ übrig, die zum voraus über den verachteten Mönch und seine Kühnheit, sich in so großen Sachen an so

1) Brief Luthers an Link vom 19. August 1520. Enders II, 462f.

*) Wenn Clemen, Suppl. Mel. VI, S. 113 behauptet: „Luther hatte von seiner Schrift an den Adel ein Prüfungsexemplar nach Erfurt geschickt‘, so steht hiervon in unseren Quellen nichts geschrieben.

?) Brief an Trutfetter vom 9. Mai 1518. Enders I, 188.

“) W.A. VI, 462. s) Ebenda 8. 460.

*) Datiert ist er vom 23. Juni. Am 5. August (Brief an Spalatin. Enders II, 457: etsi nullis forte probabitur) war die Schrift noch nicht erschienen. Am 18. August (Brief an Lang. Ebenda 8. 461: excusus multiplicatusque in 4000 exemplarium bett) lag sie bereits eine Weile vor.

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hohe Stände zu wenden, hochmütig absprechen. Das sind dieselben Leute, die zu spotten pflegten, dieser Wittenberge: Professor könne gar keine gelehrten Bücher schreiben, sondern nur lauter Traktätchen und Predigten für die Laien!). Auf der anderen Seite steht die Bemerkung Luthers, er habe et- liche Stücke von des christlichen Standes Besserung, lie dem Adel deutscher Nation vorgelegt werden sollten, ‚„vnserm furnehmen nach / zusammen tragenn“. Indem Luther gerade diese Erklärung sogleich an die Spitze der gedruckten Schrift rückte, erhielt sie ganz unmittelbar ein besonderes Gewicht. Jene Kritiker seiner Publizistik sollten durch sie mit allem Nachdruck darauf gestoßen werden, daß sie es hier nicht allein mit dem von ihnen so gering eingeschätzten Luther zu tun hatten, sondern daß dieser nur gleichsam seine Feder einem Kreise so angesehener Männer, wie der „achtbare und würdige Herr, Er. Nicolaus von Amsdorfi, der hl. Schrift Licentiat und Domherr zu Wittenberg“ einer war, geliehen hatte. Amsdorfis Name war gleichsam das Bindeglied für zwei ganze Kulturkreise, die man nicht einfach als bedeutungslos beiseite schieben konnte. Durch Geburt und Herkunft vertrat er, der Verwandte der Staupitze, denselben Adel, an den die Lutherschrift gerichtet war. Und seine Stellung,an der Uni- versität und dem Allerheiligenstift zugleich bewahrte ihn vor der Geringschätzung, mit der jene Überhochverständigen auf einen Bettelmönch herabblickten. Standen aber diese beiden Kreise hinter der Schrift ‚An den Adel“, dann war Luther nicht wieder ‚einsam wie eine Feldblume‘‘ wie einst beim Beginn des Ablaßstreites. Jetzt horchte vielmehr unwillkür- lich jedermann auf, wenn er die lapidare Ankündigung las: „Die zeit des schweygens ist vorgangen / vnd die zeit zureden ist kommen.“

Gleichwohl blieb die Schrift Luthers eigenstes Werk, und er hat sie mit Recht selber als classıcum meum?) und als li- bellus meus?) bezeichnet. Bei den Untersuchungen über die Quellen, aus denen er für sie geschöpft haben mag, und über die Vorgänger, an die man sich in Einzelheiten durch sie erinnert fühlen kann, ist diese Tatsache vielleicht nicht immer mit gebührender Deutlichkeit hervorgekehrt worden. Was ist denn damit entschieden, daß der vereinzelte Ausdruck „von den drei Mauern der Romanisten‘‘ an das konsequent durchgeführte Leitmotiv der ‚Trias Romana‘ in Huttens Vadiscus anklingt? Entscheidend ist doch der originale Ge-

ı) W.A. VI, 203. 3) Brief an Spalatin vom 5. August 1520. Enders II, 457. 3) Brief an Lang vom 18. August 1520. Enders Il, 461.

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danke, den Beruf des Adels zur Reformation der Kirche her- zuleiten aus dem biblischen Satz von dem allgemeinen Priester- tum aller Getauften, demgegenüber die römische Zerreißung der Christenheit in die beiden Stände des Klerus und der Laien samt dem Anspruch, nur der Klerus sei für des christ- ‚lichen Standes Besserung zuständig, hinfällig wurde. Erst damit war dem Aufruf an den Adel der Anspruch gesichert, unerbittlich ernst genommen zu werden. Erst damit war auch der Wunsch innerlich gerechtfertigt, mit dem Luther den Leser entließ!): „Got geb....dem Christlichen Adel deutscher Nation / einenn rechtenn geystlichenn mut / der armen kirchen das beste zuthun.“ erhaupt aber ist der ganze Schluß auf einen durchaus persönlichen Ton gestimmt. Luther ist es?), der hoch gesungen, der seinen Widersachern vielmals Frieden angeboten und nun das Maul weiter hat auftun müssen, und der noch ein Liedlein von Rom und von ihnen weiß. Er ist es auch, der sich wiederholt zu einem Ver- hör erboten hat, und es ist seine größte Sorge, daß ‚seine Sache‘‘ unverdammt bleibe, denn das wäre für ıhn das sicherste Zeichen, daß sie Gott nicht gefiele. Aber auch in den Ausführungen der Schrift selbst kommt die persönliche Ein- stellung Luthers immer wieder in ganz unverkennbarer Weise zum Ausdruck. Das zeigt sich für den Leser am deutlichsten an der Hervorkehrung der deutschen Interessen. Seitdem Luther 1518 in Augsburg die Stimmung der Reichsstände gegen Rom kennengelernt hatte, war sein nationales Pathos erwacht. Schon in der Vorrede seines Kommentars zum Galaterbrief (1519)?) und soeben noch in seiner Schrift gegen Alveld*) war es zum Durchbruch gekommen. Jetzt setzte es sich sein Denkmal in diesem theologisch-politischen Traktat, der nicht den Adel der Christenheit überhaupt, sondern den christlichen Adel deutscher Nation aufrief. Nirgends tritt dieses deutsche Element in Luther so charakteristisch in die Erscheinung, wie in Jen Sätzen, die er ın den Passus über die Kardinäle nach- träglich®) eingeschaltet hat: „Wie kommen wir deutschen

ı) W.A. VI, 469. 3) Ebenda S. 468f.

3) W.A. II, 447:... impiü illi nebulones, plumbo tantum et cera Rhomanae Curise totam Germaniam illudentes et exhaurientes. 448: nos Germanos meros blennos, bardos, buccones et, ut dicunt, bar- baros et bestias arbitrantur, etiam irridentes nostrae illusionis et expilationis incredibilem patientiam.

%) Vgl. W.A. VI, 287: „wie die deutschen sich effen vnd narren lassen‘‘, 321: „den truncken deutschen“ u. 6.

8) W.A. VI, 417. Der ursprüngliche Text ließ natürlich den Satz: ‚„vnnd wen schon kein Cardinal were‘‘ usw. sich unmittelbar an-

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dartzu / das wir solch / reuberey / schinderey / vnserer guter von dem bapst leyden mussen ? hat das kunigreich zu Franck- reich sichs erweret / warumb lassen wir deutschen vns alßo narren vnnd effenn?‘‘ Luther weiß offenbar von dem zähen Widerstand, den das französische Parlament der Abschwächung der pragmatischen Sanktion von Bourges (1439) durch das Konkordat zwischen Leo X. und Franz I. entgegensetzte!), und er ist der Meinung, was in Frankreich möglich sei, das könne in Deutschland kein Ding der Unmöglichkeit sein, wenn anders die Kurie auch hier auf einen klaren und entschlossenen Willen stoße. Dabei gibt sich Luthers persönliche Art auch darin zu erkennen, daß ihm jeder Gedanke an einen Bruch mit der katholischen Kirche und die Aufrichtung einer deutschen Nationalkirche völlig fern liegt. Er faßt zwar einmal?) einen Primas für die Kirche in Deutschland ins Auge. Aber dieser soll nicht eine selbständige Größe neben dem Papst und außer- halb der römischen Kirche sein, sondern nur die Instanz bilden, die die Händel innerhalb der deutschen Kirche schlichtet, damit Rom sie nicht zum Anlaß nimmt zu immer neuer Aus- beutung der Deutschen. Wie sehr Luther die Einheit der Kir- che am Herzen liegt, zeigen seine eingehenden Erwägungen über die Husiten. Es ist ihm ein ernstes Anliegen, ‚sie mit vns / vnd vns mit yhnen zuuoreynigen. das ein mal auff- horen die grewlichenn lesterungen / haß vnd neyd auff beyder seytten?).‘‘ Das ist dieselbe Denkart, die ihn im vorigen Jahr die von Miltitz ihm dargebotene Friedenshand hatte ergreifen lassen mit der Erklärung, man dürfe „vmb keynerley sund ader vbel / das man gedencken ader nennen mag / die lieb zurtrennen / vnd die geystliche eynickeyt teylen / dan die lieb vormag alle dinck / vnd der eynickeyt ist nichts zu schwer)“. Zu alledem verriet die ganze Schrift von der ersten bis zur letzten Zeile das Temperament Luthers®), er selber nannte sie „voller Schärfe und Leidenschaft‘‘ (acutissimum est et vehementissimum*®). Und diese kämpferische Haltung hatte

schließen an den Vorschlag, es bei zwölf Kardinälen mit je tausend Gulden Jahresgehalt bewenden zu lassen.

ı) J. H. v. Wessenberg, Die großen Kirchenversammlungen des 15. und 16. Jahrhunderts. II, 566ff. Hiernach ist Kohlmeyer 8. 17 zu berichtigen, der nur an die von Wimpfeling in Erinnerung gebrachte pragmatische Sanktion von Bourges denkt.

s) W.A. VI, 431. 3) W.A. VI, 454. 4) W.A. II, 73.

s) Vgl. hierüber die feinen Bemerkungen Hausraths: Luthers Leben I, 342f. .

°) Brief an Spalatin vom 5. August 1520. Enders II, 457.

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er bewußt und absichtlich gewählt. Jene Lästerer, die doch zu schlapp waren, ihrerseits einen Angriff auf die Tyrannei des Antichrists in Rom zu unternehmen, sollten daran ihr Wunder erleben. Aber wie heftig auch der Lutherzorn sich über dem Haupte des Papstes, dieses „armen, stinkenden Sünders!)‘“, der „nicht der Allerheiligste, sondern der Aller- sündigste‘‘ ist?), entlud, so riß er den Reformator doch nie so weit fort, daß er darüber das Augenmaß für die Wirklichkeiten des Lebens verloren hätte. Die beste Probe hierfür liefern wohl die umsichtigen und besonnenen Urteile Luthers über volkswirtschaftliche Fragen, denen einst Schmoller®) das Zeugnis ausgestellt hat, sie seien das Interessanteste, was uns in nationalökonomischer Beziehung aus der Reformations- periode überhaupt erhalten sei, denn es zeige sich in ihnen ein für jene Zeit sehr scharfer nationalökonomischer Blick.

Diese Besonnenheit, der alles tumultuarische Vorgehen in der Seele zuwider ist, zeigt sich sogleich in der Zuschrift an den Kaiser und Adel. Sie stellt an die Spitze eine eindringliche Warnung, wie die Not und Beschwerung, womit die Päpste alle Stände der Christenheit, namentlich in Deutschland, be- drücken, sich jedenfalls nicht wird abstellen lassen: Gott will nicht, daß das gute Werk angefangen werde im Vertrauen auf die eigene Macht und Vernunft. Weil die deutschen Kaiser das nicht bedacht haben, deshälb ist selbst ein Barbarossa und ein Friedrich II. so jämmerlich von den Päpsten mit Füßen getreten worden, obwohl sich doch die ganze Welt sonst vor ihnen fürchtete.e Auch der Blutsäufer Julius II. hat nur deshalb so hoch emporsteigen können, weil Frank- reich, Deutschland und Venedig auf sich selbst gebaut haben. Und wenn es nun dem jungen, edeln Biute Karl, mit dem Gott viele Herzen zu großer, guter Hoffnung erweckt hat, mit dem Papst nicht ebenso gehen soll, so muß er von vornherein dar- über im klaren seir, daß er es nicht mit Menschen, sondern mit den Fürsten der Hölle zu tun hat, die mit Krieg und Blut- vergießen nicht zu überwinden sind. Die Päpste und Römer verstehen sich heute noch so gut wie je auf die Kunst, die Könige aneinander zu hetzen. Dagegen sind wir ohne Gottes Hilfe mit all unserer Macht und Kunst wehrlos. Deshalb muß die Sache in demütigem Vertrauen auf Gott und mit ernstlichem Gebet um seine Hilfe angefangen werden. Sonst

ı) W.A. VI, 4386. s) W.A. VI, 453.

3) Schmoller Zur Geschichte der nationalökonomischen Ansichten in Deutschland während der Reformationsperiode. 1861 (aus: Ztschr. £. die ges. Staatswissenschaften, Bd. 16). 8. 36. 39. 102ff. 228f. Bei Köstlin-Kawerau, Martin Lutler. 5. Aufl. I, 331.

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wird es nur dahin kommen, daß die ganze Welt im Blute schwimmt und doch nichts ausgerichtet wird.

Wie ernst es Luther mit dieser Warnung war, zeigen uns einige Zeilen, die er in der gleichen Zeit schrieb, in der er an seiner Schrift ‚An den Adel‘ arbeitete. Er hatte!) durch seinen Kurfürsten die Aufforderung erhalten, den Entwurf zu einer Antwort auf die Briefe zu machen, in denen der Kar- dinal Raphael Petrucci und der kursächsische Rat von Teut- leben ihn über den Stand der Sache Luthers in Rom unter- richtet hatten. Er riet?) zu antworten: Die Lutherische Lehre sei in und außer Deutschland schon so weit verbreitet und 8o fest gewurzelt, daß, wenn die Römer sie nicht mit über- zeugenden Gründen und aus der Bibel widerlegen könnten, sondern nur mit Gewalt und -Strenge sie zu unterdrücken suchten, sie mit Deutschland nur zwiefältig die böhmischen Erfahrungen zu gewärtigen hätten. Wie die Deutschen nun einmal seien, sei es für den Papst nicht ratsam, sie zu reizen, statt sie zu überzeugen, zumal jetzt, da die Laien anfıngen, Sinn für etwas Höheres zu bekommen und die Wissenschaft sich in Deutschland durchgesetzt habe. Wenn man es in Rom auf eine Kraftprobe ankommen lassen wolle, statt das Recht des eigenen Standpunktes vor aller Welt darzutun, so werde es zu einer Erhebung kommen, die nicht mehr beizulegen sei. Man muß diese Warnung an die Adresse des Papstes zusammen nehmen mit der gleichzeitigen an Kaiser und Adel, um ganz unmittelbar zu erkennen, wie unüberlegt es war, den Ver- fasser der Schrift „An den Adel‘ zu den Revolutionären jener Jahre rechnen zu wollen. Die Waffe, der er allein vertraute, war Gottes Wort. In diesem Stück dachte er bereits im Sommer . 1520 genau ebenso wie ein halbes Jahr später, als er die glau- bensmutigen Worte schrieb?): „Verbo victus est mundus, ser- vata est ecclesia, etiam verbo reparabitur; sed et Antichristus, ut sine manu coepit, its sine manu conteretur per verbum.“

6

Wie dachte sich nun Luther die Besserung des christlichen Standes durch den christlichen Adel deutscher Nation*)? Kohlmeyer hat in diesem Punkt einen Wandel in den An- schauungen Luthers finden wollen, auf die er seine These von

1) Brief Luthers an Spalatin vom 9. Juli 1520. Enders II, 428ff.

2) Vgl. die Einlage zu seinem Brief an Spalatin vom 10. Juli 1520. Enders II, 433.

?) Brief an Spalatin vom 16. Januar 1521. Enders III, 73.

4) Vgl. Kohlmeyer S. 17—33. W. Köhler, Savigny-Zeitschrift 8. 11—16.

Archiv für Beformstionsgeschichte. XXXII. 8/8. 14

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der Entstehung der Schrift meinte stützen zu können. Ihm zufolge dominiert zunächst der Konzilsgedanke, aber im wei- teren Verlauf tritt das Konzil in den Hintergrund, „und an seinen Platz rückt-nun für den ganzen Umfang des Reform- werkes die weltliche Obrigkeit‘. Eine reichsrechtliche Regelung durch die deutschen Stände unter der Führung des Kaisers sei im ersten Teil nur als Ersatz ins Auge gefaßt für den Fall, daß das Konzil versage. Im zweiten Teil aber gehe Luther sogar noch mehrmals darüber hinaus zu einer territorialen Sondergesetzgebung, ja zur Selbständigmachung der ein- zelnen Persönlichkeit gegenüber dem Zwang des Kirchen- rechts. Diesem Urteil ist Köhler mit, wie mir scheint, beachtens- werten Gründen entgegengetreten. Er hat sich seinerseits für beide Teile das Wort Karl Müllers!) angeeignet, ‚daß überall im Hintergrund der Gedanke steht: tut das Konzil seine Pflicht nicht, so müssen die weltlichen Obrigkeiten ein- greifen‘. Es fragt sich indessen, ob nun hiermit der Sachver- halt richtig gesehen ist. Wir werden am besten fahren, wenn wir uns hierüber bei Luther selbst Rats erholen.

Dabei kommen natürlich an erster Stelle Luthers Ausfüh- rungen in der theologischen Grundlegung seiner scheda in Betracht. Sie begründen das Recht des Adels zum Eingriff in die kirchlichen Angelegenheiten unter einem doppelten Gesichtspunkt: Zuständig ist er dafür einmal in seiner Eigen- schaft als Obrigkeit, sodann auf Grund seines ihm von Luther zugesprochenen priesterlichen Charakters.

In ersterer Beziehung handelt es sich um die Sätze: „die “weil weltlich gewalt von got geordnet ist die boßen zustraffen / vnd die frumen zuschutzen / Bo sol man yhr ampt lassen frey gehn vnuorhyndert durch den gantzen corper der christen- heit / niemants angesehen / sie treff Bapst / Bischoff / pfaffen / munch / Nonnen / odder was es ist... . wer schuldig ist der leyde / was geistlich recht da widder gesagt hat / ist lauter ertichtet Romisch vormessenheit?)“. Luther nimmt hier das Strafrecht der Obrigkeit für des christlichen Standes Besserung in Anspruch. Sie trägt laut Röm. 13,4 nicht umsonst das Schwert, sie dient Gott damit zur Strafe der Bösen und zu Lob der Frommen. Und wenn Paulus?) schreibt, ‚eine jegliche Seele‘“ solle untertan sein der Obrigkeit, so gilt das allen Chri- sten, auch, wie Luther noch ganz ausdrücklich bemerkt, dem Papst. Dieselbe Forderung hat auch Sankt Petrus*) aus- gesprochen: ‚Seid untertan allen menschlichen Ordnungen

1) K. Müller, Kirche, Gemeinde und Obrigkeit nach Luther (1910) 8. 21. 2) W.A. VI, 409. 3) Pöm. 13,1. *) 1. Petr. 2, 13.

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um Gottes willen, der es so haben will!“ Und darın, daß das geistliche Recht sich hiermit in Widerspruch gesetzt hat, sieht Luther die Weissagung des zweiten Petrusbriefs!) erfüllt, nach der Menschen kommen würden, die die weltliche Obrig- keit verachten würden, denn ihm ist selbstverständlich, daß mit der xvordrng?), von der der Apostel hier redet, weder der Herr Christus, noch Engelmächte als Träger der Herrsch- gewalt, sondern die weltliche Obrigkeit gemeint ist.

An einer ganzen Reihe von Stellen seiner Schrift macht nun Luther von diesem allgemeinen Grundsatz die Anwendung auf bestimmte Verhältnisse. So spricht er dem Kaiser das Recht zu, sogleich am Tag nach seiner Krönung Regel und Gesetz zu geben, daß keine neuen Lehen und Pfründen mehr gen Rom kommen dürfen durch des Papstes Monat, und daß die alten, die dorthin gekommen sind, wieder frei und von dem römischen Räuber erlöst werden; „dazu er recht hat von ampt wegenn seynis schwerdts?)‘“‘. Ebenso hält er „ein keyBerlich gesetz*)‘‘ nicht nur für notwendig, sondern auch für ausreichend, um die Bestätigung der Bischöfe und anderer Dignitäten durch Rom abzuschaffen und statt dessen die vom Papst zerstörte Ordnung des Konzils von Nicäa wiederherzustellen, nach der ein Bischof von seinen beiden Nachbarbischöfen oder von dem Erzbischof bestätigt werden soll. Fühlt man sich hier an den alten Beruf des Kaisers als Vogt der Kirche erinnert, so zeigen andere Stellen, daß Luther den Kaiser wesentlich in seiner Eigenschaft als Obrigkeit ins Auge faßt. So ruft er ihn mit den anderen Trägern der Reichsgewalt, die im Reichstag vertreten sind, zur Beseitigung des Zinskaufs auf: „keyßBer / fursten hern / vnnd stedt‘ sollen hier das Ihre tun, unange- sehen ob der Papst und all sein Recht oder Unrecht dawider sei®). Oder er stellt ihm, wo es sich um die Schmälerung der Rechte des Reiches bei der Investitur durch den Papst handelt, den, Adel zur Seite: „Dieweil den dıß stuck eytel gewalt vnd reuberey ist / zu hyndernisse bischofflicher ordenlicher ge- walt / vnnd zuschaden der armen seelen. Ist der keyßer mit seinem adel schuldig / solch tyranney zuweeren vnd straffen®)‘“. Anderswo spricht er nur ganz allgemein von der weltlichen Gewalt. Es bedeutet einen Eingriff in ihre Rechte, dem sie durch eine Verordnung wehren muß, daß der Papst weltliche Sachen vor sein Gericht zieht, und es bringt überdies allen Landen unerträglichen Schaden. Ebensowenig darf die welt-

1) 2. Petr. 2, 10.

2) Vgl. W. Bauer, Wörterbuch zum Neuen Testament, Sp. 723. 3) W.A. VI, 420. 4) Ebenda S. 429.

5) Ebenda S. 466. °%) Ebenda S. 433.

14°

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liche Gewalt die greuliche Schinderei und das Bannen der Officiale gestatten, wo es nicht Glauben oder gutes Leben an- betrifft!). Sie ist für Luther hierzu ebenso zuständig, wie zu vorbeugenden Maßnahmen gegen die Verarmung des Adels und der wohlhabenden Kreise durch den überhandnehmenden Luxus. Dagegen wäre hoch vonnöten „ein gemeyn gebot vnd bewilligung deutscher Nation®)“. Nicht immer ist es jedoch die Gewalt des ganzen Reiches, von der Luther Ab- hilfe erwartet. Ebenso wirksam kann es sein, wenn jede territoriale Gewalt in ihrem Bereich gegen den gleichen MiB- stand vorgeht. Als Beispiel dienen die Annaten. Hier hat der Papst den Pakt gebrochen zu Schaden und Schanden gemeiner deutscher Nation. Damit hat er das Recht auf sie verloren und Strafe verdient. Luther läßt es’ nun aber nicht dabei bewenden, daß er die weltliche Gewalt im ganzen an ihre Pflicht erinnert, dem Unrecht zu wehren. Er stellt viel- mehr an die Spitze den Rat, „das ein yglich Furst / Adel / Stat / in yhren vnterthanen frisch an vorpiet / die Annaten genn Rom zugeben / vnd sie gar abethue?)“. In ähnlicher Weise wendet er sich angesichts der geistlichen und leiblichen Schäden, die die zahllosen Festtage nach sich gezogen haben, an die einzelnen Stände; ‚ein yglich gemeyn / radt odder vbirkeit‘‘ ist, auch ohne Wissen und Willen des Papstes oder Bischofs, bei seiner Seelen Seligkeit schuldig, hier einzuschrei- ten*). An den Adel im einzelnen wendet er sich, wo er ein Ge- bot erwartet, wie künftig mit den Bistümern zu verfahren sei, und was Curtisane, die sich etwa noch in Deutschland blicken ließen, hier zu gewärtigen hätten®). Bisweilen drückt er sich auch allgemein aus und rät, man solle ‚furiagen auß deutschen landenn / die bepstlichen botschafften / mit yhren faculteten / die sie vns vmb groß gelt vorkauffen“, denn sie verkaufen uns dabei nur teuflische Lehre und Sünden und führen uns zur Hölle®). Wie hier, so richtet Luther auch sonst in manchen Fällen seinen Appell an diese unbestimmte Adresse: „man‘ solle dies tun oder jenes abstellen, z. B. ‚man‘ solle streng verbieten und wehren, daß kein Curtisan auf irgend- ein Lehen Hader anfange’),, Die Frage, wer von ihm mit diesem „‚man‘‘ gemeint ist, läßt sich nicht generell®), sondern

1) Ebenda S. 430. ®) Ebenda S. 465. s) Ebenda S. 427.

4) W.A. VI, 446. s), W.A. VI, 428. 6), W.A. VI, 453.

?) Ebenda S. 431.

°) Hierzu neigt Köhler, Savigny-Zeitschrift S. 14, der „man“ am liebsten durchweg auf das Konzil beziehen möchte. Aber man muß unterscheiden. In Ziffer 18 der Liste ist „man“ deutlich erläutert durch „ein yglich gemeyn / ıadt odder vbirkeit‘‘ (W.A. VI, 446).

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nur von Fall zu Fall beantworten. Es scheint, als habe Luther selbst diese Frage mit einer gewissen Absichtlichkeit offen gelassen. Wenigstens schreibt er einmal mit auffallender Unbestimmtheit: „Ich wil nur angeregt vnd vrsach zuge- dencken geben haben / denen / die do mugen vnd geneygt sein / deutscher Nation zuhelffen / widderumb Christen vnd frey werden / noch dem elenden / heydnischen vnd vnchrist- lichem regiment des Bapsts?!).“

Mit alledem haben wir indessen nur die eine Linie verfolgt, deren Ansatzpunkt wir in der theologischen Grundlegung fest- gestellt haben. Viel wichtiger ist jedoch die andere Linie, zu der Luther dort gleichfalls angesetzt hat. Die entscheidende Frage, die er an die Zukunft richtet, ist die, „ob got wolt doch durch den leyen standt seiner kirchen helffen. Seintemal der geistlich stand / dem es billicher geburt / ist gantz vnacht- sam worden?)‘. Auf den Laienstand aber kann er seine Hoff- nung auf eine Besserung des kirchlichen Wesens deshalb richten, weil alle Christen wahrhaftig geistlichen Standes sind®). Denn die eigentliche Priesterweihe ist die Taufe, die die Laien so gut empfangen haben wie die Kleriker. „Die weyl dan nu die weltlich gewalt / ist gleych mit vns getaufft / hat den selben glauben vnnd euangelij / mussen wir sie lassen priester vnd bischoff sein / vnd yr ampt zelen / als ein ampt, das da gehore vnd nutzlich sey / der Christenlichen gemeynet).“ Sie ist zwar nicht mit dem Amt der Wortverkündigung und der Sakramentsverwaltung betraut, dieses liegt vielmehr nach wie vor in der Hand des Klerus. Aber weil sie Mitglied des christ- lichen Körpers geworden ist, so wäre es unnatürlich, ja un- christlich, wenn man diesem Gliede wehren wollte, einem anderen Gliede dieses Leibes zu helfen; mit dem gleichen Rechte könnte man der Hand verbieten, dem Auge zu helfen, ob es gleich große Not litte®). Ihr Werk soll vielmehr frei und unbehindert gehen in alle Gliedmaßen des. ganzen Körpers, und zwar nicht nur, wo es die Schuld verdient; sondern auch wo es die Not erfordert®). Das heißt: der Dienst, den die „welt- lich hirschafft‘“‘ der Kirche zu leisten hat, besteht nicht nur negativ in allerlei Repressivmaßnahmen gegen schreiende

Daß Luther hier möglicherweise „aus der Konstruktion gefallen‘ sei, ist eine Auskunft, die schwerlich auf jedermann überzeugend wirken wird. 1) W.A. VI, 431. 2) W.A. VI, 404.

s) Hier löst Luther die Zusage ein, die er vor einem Vierteljahr Heß in Breslau gegeben hatte, er werde ein andermal (alias) sich über das allgemeine Priestertum verbreiten. Enders II, 385 vom 27. April 1520.

4) W.A. VI, 408. s) W.A. VI, 409. *) W.A. VI, 410.

214

Mißstände; er umfaßt vielmehr auch die positive Aufgabe, auf Grund ihres priesterlichen und bischöflichen Amtes die Besserung herbeizuführen, die der Papst bisher unterlassen und immer wieder hintertrieben hat.

Die Form, in welcher der Adel diese positive Aufgabe er- füllen sollte, war das Konzil. Demgernäß hat Luther beim Erscheinen der Schrift als den Zweck, den er mit ıhr verfolgte, es bezeichnet, dem Konzil die Freiheit zu wahren!). ie nötig das war, deutet er in der Schrift selbst wiederholt an. Über ein Statut des Konzils von Nicäa hatte sich der Papst hinweggesetzt, ohne lange zu fragen, wer ihm ein Recht dazu gebe?). Und neuerdings hatte er die Lateransynode, zu deren Einberufung er sich übel oder wohl hatte bequemen müssen, zum voraus unschädlich gemacht ‚ob sie schon ein Con- cilium musten machen / haben sie doch dasselb zuuor mat gemacht / damit / das sie die fursten zuuor mit eyden vor- pflichten / sie bleyben zulassen / wie sie sein. dartzu dem Bapst vollen gewalt geben vbir alle ordnung des Concilii / alßo das gleich gilt / es sein vil Concilia odder kein Concilia / on das sie vns nur mit larueg vnd spiegelfechten betriegen?)‘. Jetzt soll nun das richtige N Verhältnis wiederhergestellt und der Papst durch das Konzil in seine Schranken gewiesen werden: „Helff nu got einem freyen Concilio, das es den Bapst es lere / wie er auch ein mensch sey / unnd nit mehr dan got / wie er sich unterstehet zu sein.“ Und damit die Hoffnung auf ein Konzil nicht ein bloßer frommer Wunsch bleibe, erinnert Luther daran, daß es eine Anmaßung des Papstes ist, wenn er das Recht, ein Konzil einzuberufen, für sich in Anspruch nimmt. Die Geschichte lehrt es anders: „das berumptiste Concilium Nicenum / hat der Bischoff zu Rom noch beruffen noch bestetiget / sondern der keyßer Constantinus / vnnd nach yhm viel ander keyßBer desselben gleichen than / das doch die allerchristlichsten Concilia geweßen sein. Aber solt der bapst allein die gewalt haben / Bo musten sie alle ketzrisch gewesen sein®)“. Der Analogieschluß auf Kaiser Karl lag hier zum Greifen nahe: Es ist seine Sache, als ein zweiter Konstantin ein gemeines, vom Papst freies Konzil einzuberufen, um die Schäden in der Christenheit zu heilen. Auf ihn, den Träger des weltlichen Schwertes, bezieht sich deshalb die sogleich folgende®) Mahnung: es ‚sol dartzu thun wer am ersten kan /

1) Brief an Link vom 19. August 1520. Enders II, 463: hoo a me agitur, ... ut concilio generali libertatem asseram.

s) W.A. VI, 429. 3) W.A. VI, 406.

4) W.A. VI, 436, Zusatz der 2. Ausgabe.

5) W.A. VI, 413. 6, W.A. VI, 413.

2315

als ein trew glid des gantzen corpers / das ein recht frey Con- cilium werde / wilch niemandt so wol vormag als das weltlich schwert‘‘. Es waren noch die frohen Wochen, in denen Luther aus voller Seele wünschen konnte: Carolo Imperatori Dominus aspiret in inorementum veritatis contra hostem veritatis Ro- mam!). Freilich, Luther weiß auch, daß es mit der _Fest- stellung, der Kaiser sei zur Einberufung des Konzils allein noch nicht getan ist. Das Zustandekommen des Konzils hängt wesentlich davon ab, daß die weltlichen Mächte unter sich einig bleiben und der Kurie einen festen, geschlossenen Willen entgegensetzen. Und hier sieht er die eigentliche Ge- fahr. Die Furcht vor einem freien Konzil wird die Romanisten erfinderisch machen, so daß sie es zu einem solchen gar nicht erst kommen lassen. Sie werden „ehe alle kunig vnd fursten in eynander hencken / das yhe nit durch yhr eynickeit / ein Concilium werde?)“. Gleichwohl gibt er die Hoffnung auf ein Konzil nicht auf. Er hält es vielmehr für so sicher, daß er bereits in einem eigenen Programm die Stücke zusammen- stellt, „die man billich in den Concilien solt handeln“. Ginge die ständige Kirchenleitung, d. h. die Päpste, Kardinäle, Bi- schöfe und alle Gelehrten, nicht, wie es doch ihre Pflicht wäre, Tag und Nacht mit diesen Dingen um, so muß ‚‚der Haufe und das weltliche Schwert dazu tun“, d. h. die Laien, an ihrer Spitze der Kaiser, müssen sich der Sache annehmen?). Sie sind, wenn der Klerus und die Hierarchie auch weiterhin ver- sagt, dazu berechtigt, „sonderlich die weyl sie nu auch mit- christen sein, mitpriester / mitgeystlich / mitmechtig in allen dingen‘“, sie haben ihr Amt und Werk von Gott*). Die Wen-.

1) Brief an Spalatin vom 13. Juni 1520. Enders II, 418. Den Umschwung bewirkte erst nach Bekanntwerden der Bannandrohungs- bulle ein Brief des Erasmus mit der Mitteilung: aulam Imperatoris esse mendicotyrannis occupatam, ut nulla in Carolo spes esse possit. Aber selbst jetzt konnte Luther den Wunsch noch nicht unterdrücken: O utinam Carolus vir esset, et pro Christo hos Satanas aggrederetur. Brief an Spalatin vom „13.‘‘ (vielmehr 11.) Oktober 1520. Enders II, 491. Erst am 27. Februar 1521 heißt es dann in einem Brief an Spa- latin (Enders III, 90): Dominus ipse verbi sui et autor et tutor est solus. Übrigens stand Luther mit seiner anfänglichen Hoffnung auf Karl V. nicht allein. Markgraf Casimir von Brandenburg z. B. schrieb am 4. März 1520 an seinen Bruder Johann über den jungen Kaiser (Ad. Wrede, Deutsche Reichstagsakten unter Karl V. 2. Bd. S. 121 Anm. 1): „bin auch der hoffnung, ... wir wollen noch ain guten heren haben.“ s) W.A. VI, 425. °) W.A. VI, 415.

*) W.A. VI, 413. Weil K. Müller, Kohlmeyer und Köhler diesen Gesichtspunkt übersehen, erscheint bei ihnen die weltliche Gewalt

316

dung, die hiär der Grundsatz des allgemeinen Priestertums nimmt, verdient mehr Beschtung, als ihm bisher zuteil ge- worden ist. Luther wendet ihn nicht, wie es einem späteren Geschlecht geläufig und fast selbstverständlich geworden ist, nach der Seite des Individualismus. Daran hinderte ihn die Dreiständelehre seiner Zeit. Er nimmt ihn vielmehr zur Grundlage für das ius reformandi des christlichen Staates!). Die Reformation der Kirche, die er noch vor zwei Jahren von einer Universitätsreform erwartet hatte?), weist er jetzt dem neuen Priestertum®) der weltlichen Gewalt zu. Diesen Leit- gedanken der Schrift hat Friedrich der Weise offenbar im Auge gehabt, als er ihre Übersendung an seinen Bruder Johann mit den Worten begleitete, dieser werde darin ‚„fiyl selezams dynges fynden*)“.

Was Luther hier vortrug, ordnete sich ein in eine Linie, die seit Occam und Marsilius von Padua, seit Heinrich von Langenstein, d’Ailly und Gerson, seit Nicolaus von Cusa und Aeneas Sylvius Piccolomini in immer neuen Ansätzen gezogen worden war. Demgemäß war die Aufnahme der Schrift „An den Adel‘ dort, wo man überhaupt eine Reformation wünschte, nicht unfreundlich, wenngleich man, dem temperierten Kurial- stil entsprechend, eine weniger freimütige und leidenschaft-

nur als Lückenbüßer, falls das Konzil versagt. In Wirklichkeit ist sie Mitglied des Konzils vermöge des allgemeinen Priestertums.

1) Es ist vielleicht nicht überflüssig zu betonen, daß dieses Recht nach Luther einzig und allein dem christlichen Staat zusteht. Eine Neuordnung der kirchlichen Dinge vom Staate schlechthin her und nicht nach Maßgabe des göttlichen Wortes würde für ihn auf einer Linie stehen mit einer Reformation der Kirche durch den Türken.

2) Vgl. den Brief an Trutfetter von 9. Mai 1518. Enders I, 188: ego simpliciter credo, quod impossibile sit ecclesiam reformari, nisi funditus canones, decretales, scholastica theologia, philosophia, logica, ut nunc habentur, eradioentur et alia studia instituantur; atque in ea sententia adeo procedo, ut quotidie Dominum rogem, quatenus id statim fiat, ut rursun Bibliae et 8. Patrum purissima studia revo- ocentur.

3) Deshalb ist der Satz Kohlmeyers (8. 17) nicht aufrechtzuer- halten: „Selbst wenn Luther als Schüler Occams und Aillis an die Zuziehung von Laien gedacht hat, bleibt das Konzil eine geistliche Versammlung.‘ Denn „geistlich‘‘ ist hier gleichbedeutend mit „kleri- kal“. Das entspricht aber nicht der Meinung Luthers.

4) Brief aus Lochau vom 25. August 1520. Förstemann, Neues Urkundenbuch zur Geschichte der evangelischen Kirchenreformation S. 2 Nr. 2.

217

liche Tonart mehr an ihr geschätzt hätte. Bezeichnend hier- für ist die Feststellung Luthers): Libertate et impetu, fateor, plenus est (sc. libellus. meus), multis tamen placet, nec aulae nostrae penitus displicet. Später?) wußte Luther zu erzählen, den Ständen in Worms habe diese Schrift vorgelegen. Sie ist von ihnen auch, zwar nicht dem Wortlaut, aber doch dem Inhalte nach für die Beschwerden benutzt worden, die sie dem Kaiser vorlegten?). Wenn es freilich in einem Entwurf zu dieser Beschwerdeschrift heißt: niemand solle ‚eines so engen und abergläubigen Gewissens sein‘‘, daß er daran zweifle, diese Artikel könnten durch den Kaiser oder König festgesetzt werden*), so ist das eine sehr latitudinarische Benutzung der Begründung, die Luther dem ius reformandi der weltlichen Gewalt gegeben hatte®). Aber gerade in dieser aufgeweichten und verwaschenen Gestalt ist der Gedanke Luthers geschicht- lich wirksam geworden. Die Reichstage der Reformationszeit sind des Zeugnis, indem eben sie über die Reformation in Deutschland entschieden anstatt des verlangten gemeinen, freien Konzils®).. Verwirklicht wurde Luthers Gedanke, den Adel an dem synodalen Leben zu beteiligen, zunächst nur in Hessen, von wo er 1612 auf die lutherischen Gemeinden in Cleve, Mark und Ravehsberg übertragen wurde’).

1) Brief an Lang vom 18. August 1520. Enders II, 461.

3) Tischrede vom 2. Februar 1538. Seidemann, Lauterbachs Tage- buch S. 19.

?) Vgl. Gebhardt, Die Gravamina der deutschen Nation gegen den römischen Hof (1884). Ad. Wrede, Deutsche Reichtagsakten II, 661 ff.

*4) Wrede 8. 706 Anm. 1 zu 8. 708.

s) Eine noch viel rationalere Begründung für den Beruf der Laien, die Kirche zu reformieren, gab im September 1521 die Flugschrift „Von dem Pfründmarkt der Curtisanen und Tempelknechte“, indem sie daran erinnerte, die Pfaffen kämen ja von den Laien und seien der Laien Kinder. Bei A. Baur, Deutschland in den Jahren 1517 bis 1525, betrachtet im Lichte gleichzeitiger anonymer und pseudo- nymer deutscher Volks- und Flugschriften, S. 156.

6) Über die Ansätze zu dieser Entwicklung im Mittelalter vgl. A. Werminghoff, Verfassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter. 2. Aufl. (1913), 8. 222f.

?) Vgl. K. Bauer, Zur Geschichte der rhein.-westf. Kirchenordnung von 1835. In: Das Evang. Westfalen XII (19356). Nr. 5 S. 83.

Die Kriegsrechnungen des Schmalkaldischen Bundes über den Krieg im Oberland des Jahres 1546.

Von Harry Gerber. (Fortsetzung.)

Ulm

Das einnemen Haber ist in daz leger komen, doch behalten sie inen vor ir gebürende einred, so sie derwegen weiter geliten haben mechten!).

Hailpronn usgebens

In alls erlegt | 31479 fl. 22kr.5h.?) An rechnungen uf ain fendlin knecht zusampt dem ufzug verreit 4520 fl. 37 kr.®) Zuzug uber den[!] doppelmonat‘) 697 fl. Sumarum alles usgebens . 36697 1.°) Also geburt in uber ire doppelmonat

hinaus: 697 fl.

1) Zur Ulmer Partikularrechnung vgl. Abschnitt IV b. 2) Diese Summe kam nach der Heilbronner Partikulsrrechnung (in Ulm a. a. O., Nr. 3378) durch fünf Zahlungen zustande: 6000 Gulden am 17. Juli, 3681 Gulden 22 Kreuzer 5 Heller am 9. August, 6000 Gul- den am 23. September, 3798 Gulden am 4. Oktober, 6000 Gulden am 13. und weitere 6000 Gulden am 23. November 1546.

3) Für das von Heilbronn aufgestellte und ins Lager geschickte Fähnlein wurden nach der Partikularrechnung 2318 Gulden 37 Kreuzer 1 $ aufgewandt. Der „ufzug‘‘ bestand nach der Partikularrechnung darin, daß Heilbronn auf Wunsch Herzog Ulrichs sowie der Kriegs- und anderen Räte ein württembergisches Fähnlein für 14 Tage in Besatzung nahm, als Büren sich der Stadt näherte (vgl. auch Nr. 412); dafür und für Kundschaften entstanden Kosten in Höhe von 2201 Gulden 14 Batzen 13 9).

4) Zum „zuzug‘‘ vgl. Nr. 400. 8) In der Hs. steht versehentlich 36997 Gulden.

219

Memingen

Einnemen Bei der rechnung der ersten sechs doppelmonat sein sie schuldig be-

liben 1966 fl. Mer fon den closterfrauen von Closter-

beurn geschetzt 300 fl. Mer empfangen von apt und convent

zu Rott 290 fl. Mer von der statt Costanz emp-

fangen 4636 fl. Mer von abt und convent zu Itten-

bürn [Ottobeuren] 3000 fi. Item von Jacob Schneweis von Me-

6 fl. 18 kr.

mingen Item von Eberhard Zangmeister emp- fangen 339 fl. Mer setzen sie fur empfahen die 12 doppelmonat, die sie zu bezalen

[haben] _ 17400 fl.!) Sumarum alles empfahens 30678 fi. 17 kr. 2h.°)

Usgeben der statt Memingen Erstlichen fur reitgelt in alles zu-

samen: 544 fl. 57 kr. Item uf die 2 fendlin ist uncost uf- geloffen 37. 37 kr. 3 h. Uf daz botenlon 202 fl. 12 kr. 4 h. Item uf kundschaft geben 170 fl. 54 kr. 6 h. Lauf- und wartgelt den knechten 54 fl. 31 kr. 4 h.

geben:

Monatsöld der haubtleut und knecht, so an Erenberger clausen gelegen, und den camerräthen zum theil an barm gelt uberantwurt: 29676 fl. 44 kr.

Auf daz gschütz, auch bulver und blei und anders, so uf die clausen gefurt worden: 692 fl. 33 kr.

1) Dieser Betrag entspricht sechs Doppelmonaten Memmingens (vgl. Abschnitt II, 8. 56, Anm. 1); es handelt sich vermutlich um die zweiten sechs Doppelmonate.

2) Die Zusammenrechnung ist falsch; es muß heißen: 30637 Gulden 18 Kreuzer.

220

Mer uf proviandt und anders, so die commissari uf die clausen zu senden

verordnet: 424 fl. 21 kr. 5 h. Sumarum alles usgebens: 31803 fl. 46 kr. 5h.})

Also ist mer usgeben dann eingenomen, so die 12 doppel- monat erlaufen: 1125 fl. 29 kr. 3 h.?) und zeigen der statt Memingen gesandten an, daz sie noch ainen doppelmonat zuletst erlegt haben?).

Statt Reutlingen

Einnemen

Soll erstlich die statt Reutlingen fur ire 18 doppelmonat, verraiten si für sollen: 32400 fl.

Usgeben Erstlich bei ainer quitung den camerräthen uberantwurt in suma bar gelt: 5400 fl. Item widerumb ain quitung bar gelt uber- antwurt den cammerräthen: 5400 fi. Mer an rechnungen und bargelt den cammer- räthen ze handen 5400 fl.*) Mer laut der 4 quittungen an rechnungen und zum theil bar gelt geben?) 1021 fl. 37 kr.

Suma in allen 4 quitungen zusamen gereit:17221 fl. 37 kr. Resta: zu erstatung der 18 doppelmonat

bliben sie noch schuldig, die statt

Reutlingen: 15178 fl. 23 kr. Doch haben sie inen ir notturft in rechnungen

einzebringen vorbehalten. Und darzu, was sie fur die statt Frankfurt

an dem gelt, so uf interesse ufgenomen,

1) Auch diese Summe ist falsch zusammengezählt; es muß heißen: 317703 Gulden 52 Kreuzer 1 Heller.

2) Diese Summe ist aus den unrichtigen Gesamtbeträgen für Ein- nahme und Ausgabe errechnet; richtig muß sie heißen: 1066 Gulden 34 Kreuzer 1 Heller.

3) Am Rande steht als Zusatz von Sebastian Besserer: „Demnach wer Memingen laut irs anzaigens noch 6 doppelmanat [schuldig]. wollen aber nit witer geben, dan sie erlegt haben. thond die 5 usstend doppelmonat 14500 fl.“

4) Nach der Partikularrechnung Reutlingens (in Ulm a. a. O., Nr. 3376) erfolgten diese drei Zahlungen am 16. Juli, 10. ae und 7. September 1546.

s) In der Partikularrechnung heißt es hierüber: „Item ... uf die knecht gangen den 3. tag Decembris a. etc. 46.“ '

3231

fur sie bezalt!), so sie auch fur usgab raiten, 92 fl. 36 kr.2)“ Es folgt die Partikularrechnung von Lindau?).

„Statt Biberach

Einnemen Gebürt inen fur ire 18 doppelmonat: 39600 fi. Usgeben Den herren cammerräthen uberantwurt ver- mög irer quitung‘®): 1483 fl. 20 kr. Mer den herren cammerräthen: 13200 Al.

Mer laut ainer quitung den hern camerräthen: 13200 fl.®) Mer den stättrechnern zu Ulm laut quitung der letzten bezalung der doppelmonat, zu

Giengen bewilligt®): 2200 fl. Item uf post, auch straifgelt: 23 fl. 22 kr. Sumarum irer usgaben: 30106 fl. 42 kr.

Resta: [haben] die von Biberach an den 18 doppelmonaten noch zu erlegen, namlich: 9493 fl. 17 kr. Behalten inen doch vor ire gebürende einred’?).

ı) Nach der Partikularrechnung am Dienstag nach Reminiscere (Februar 28) 1548 gemäß dem Abschied des 4. Rechnungstags zu Augsburg vom 4. Februar d. J. bezahlt; vgl. Nr. 730, Anm. 2.

2) In der Partikularrechnung folgt noch: „Item an den laufenden schulden bezalt 1076 gl. 12 cr. uf mönntag den 20. tag Augusti a. etc. 47°; dies entsprach dem Abschied des 1. Rechnungstages zu Ulm vom 15. Juli 1547; vgl. Nr. 652, Anm. 6.

3) Die Partikularrechnung Lindaus ist bei Wolfart, Gesch. d. St. Lindau II, S. 315— 316 unter Heranziehung der Partikularrechnung (in Lindau, Arch. sowie in Ulm. a. a. O., Nr. 3375) in allem Wesent- lichen abgedruckt. Es erübrigt sich daher ein nochmaliger Abdruck oben im Text. Am Schluß des Auszugs steht (von Wolfart a. a. O. nicht angegeben): „Bliben also schuldig zu erstatung der 18 doppel- monat, namlich rest: 7712 fl. 57 kr.“

“) Nach der Partikularrechnung Biberachs (in Ulm a. a. O,, Nr. 3373; erw. in Pol. Korr. V, S. 239, Anm. 1) am 24. November 1546 bezahlt.

5) Beide Posten stellen dieersten und zweiten sechs Doppelmonatedar.

°) Vgl. über den Abschied von Giengen vom 16. November 1546 Nr. 449, Anm. 10 und 458, Anm. 1].

?) In der Biberacher Partikularrechnung folgen auf die oben im Text angegebenen noch neun Posten für Sold, Blei, Post, Boten- lohn, Kundschaften, Laufgeld und Besatzungskosten von insgesamt

Statt Ravenspurg Einnemen Ire 18 doppelmonat betreffen 14400 fl.

Usgeben

Item erstlichen, als sie in sorgen gestanden e

zwen fendlin knecht an und in ir statt

genomen!), uf dero besoldung gangen

laut ainer raitung bei der camerräth

handen: 9600 fi. Mer den camerräthen an barm gelt erlegt und

an raitungen ubergeben laut quitung von

den camerräthen: 4800 fl.?) Mer haben sie uber die 18 doppelmonat wider-

umb erlegt, namlich uf Jacob Lautins

schreiben der stat Ulm?): 700 Ai. Mer von dem closter Weingarten und Lieben-

thal*) an gelt und silbergeschirr, so sie den

camerräthen uf ir begern zugesandt) und

beeden apten®) volgendswiderumb bezallen

müssen, namlich: 1536 fl. 24 kr.

1437 Gulden 22 Kreuzer, sodaß sich die Ausgaben Biberachs danach auf 31544 Gulden 4 Kreuzer erhöhen (in der Partikularrechnung sind die Posten irrig mit 31580 Gulden 2 Kreuzer zusammengezählt) und der Rest sich auf 8055 Gulden 56 Kreuzer beläuft. Über die Be- gründung der Nachforderung vgl. den Brief Biberach« vom 6. No- vember 1551 an die Gesandten auf dem letzten Eßlinger Rechnungs- tag in Pol. Korr. V, Nr. 167, S. 238— 239.

1) Nach der Ravensburger Partikularrechnung (in Ulm a. a. O., Nr. 3379) nahm Ravensburg wegen der durch den nahe gelegenen kaiserlichen Musterplatz drohenden Gefahr auf Geheiß der Kammer- räte ein Fähnlein Landsknechte und ein Fähnlein Schweizer an. Diese wurden später auf Befehl der Kammerräte nach Ulm beordert (vgl. Nr. 414, Anm. ]).

2) Am 26. Oktober 1546 nach der Ravensburger Partikularrech- nung. 5 | 3) Gemäß dem Gienger Abschied (vgl. S. 221, Anm. 6).

*) Vgl. hierzu Abschnitt II, S. 63, Anm. 4, Schluß.

6) Nach der Ravensburger Partikularrechnung hatten sie vom Kloster Weingarten 1200 Gulden und einiges Silbergeschirr, vom Kloster Löwenthal 150 Gulden geschatzt.

°) Nach der Partikularrechnung erstattete Ravensburg nur dem “Abt von Weingarten Schaden«rsatz.

Mer ae sie an laufenden schulden für die usgeben, so die statt Frank- kurt bezallen sollen‘): 41 fl. 18 kr. Ir usgeben uber die 18 doppelmonat, 2277 fl. 42 kr., so die stat Ravenspurg erlegt, und bringen es für anlehen ein. will hiemit ir gebüirende anforderung weiters costens, so sie derwegen leiden mechten, vorbehalten haben?).

Statt Eißni Einnemen Laufen namlich ire 18 doppelmonaten 21600 fl. Ir usgeben Item an den ersten doppelmonaten haben sie erlegt der statt Lindau: 3000 Al. Mer den hern camerräthen erlegt an barm gelt: 3600 fl. Mer den herrn camerräthen bar erlegt 3600 fl.

Mer herr Cristoff Giengern als zalmeistern zu en zalt laut quitung: 600 fi Item Friderich Stültzen $) hauptmann uf bevelch der herren cammerräth: 900 fi. Item abermaln dem Fridrich Stültzen uf bevelch der hern camerräth: 1000 Ai. Item den cammerräthen an barm gelt erlegt laut quitung: 700 fl.“

Weitere Ausgaben für Laufgeld und sonstige Werbungs- kosten für Landsknechte (8 Posten) zusammen 818 Gulden 39 Kreuzer. „Mer uf kriegsrüstung und auch, so mit dem volk ufgangen, so in die Ernberger clausen gebraucht worden ist... ., bringt zusamen: 2700 fl. 25 kr.®). Item als sie ain closter in irer statt Eisni etwas argwenig befunden, ist beratschlagt, dasselbig einzenemmen und zu bewahren; wölchs alsbald beschehen und inen ir silbergschier und geschmeid genomen in 650 fl. wert, auch volgends sie gebrandschatzt umb 1000 fl.; wölche 1000 fl. nachmals die

1) Vgl. Nr. 730, Anm. 2.

3) Nach der Partikularrechnung behielt sich Ravensburg insbe- sondere die Aufrechnung von Zehrkosten vor, da andere Städte das auch getan hätten.

s) Vgl. über ihn die Lindauer Rechnung bei Wolfart a. a. O. S. 316.

4) Die Isnyer Partikularrechnung (in Ulm a. a. O., Nr. 3377) hat hierüber sehr genaue Angaben.

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statt Eisni dem Truchsässen!), der sie irs frevels gestraft, haben geben müssen. derhalb sie fur usgab, dieweil und daz silbergeschier oder sovil gelts den camerräthen zugesandt [worden], setzen in ainer suma: 1650 fi.

Mer ainem predicanten?) 20 fl.

Item dem Stültzen hauptmann bezalt 45 fl. 20 kr. laut quitung?).

Sumarum alles usgebens der statt Eisni 18034 fl. 27 kr.

Resten noch 3565 fl. 33 kr. und behalten inen bevor ir geburende einred.

Statt Eßlingen

Einnemen Ir gebür an den 18 doppelmonaten namlich: 45000 fl.

Das usgeben Erstlich haben sie sich mit den hern camerräthen in beisein der stend und stött in darlegung baiderseits rechnungen ver- glichen irs erstat[te]en gelt, so die herrn camerräth nach und

nach empfangen; thut: 26747 fl. 38 kr. Und mer an raitung irer usgaben, die sie auch dargewisen; erlauft an gelt: 3472 fl. 50 kr.

Item ainem e[rbarn] rath der stat Ulm zu handen geant- wurt in dem letsten zu Giengen bewilligten doppelmonat der

45000 fl. thut ir gepür, so sie bezalt®), 1200 Al. Item so die von Frankfurt an den 45000 fl. haben bezallen

sollen, hat die statt EBlingen dargelühen‘) 128 f. Sumarum alles usgebens der statt Eßlingen: 31548 fi. 28 kr. Söllen noch an rest: 13451 fl. 32 kr.

1) Gemeint ist Ger Truchseß von Waldburg als Kastenvogt des genannten Klosters. Isny hatte das Kloster „in namen gemeiner stend‘‘ einzunehmen, es unter Eid huldigen zu lassen, ein Inventar aufzustellen und den Klosterkommissarien (vgl. über sie Abschnitt II, S. 53, Anm. 4) darüber zu berichten. Letztere ordneten eine Schatzung von 4000 Gulden an; es kamen aber nur 1000 Gulden in bar und Silbergeschirr im Wert von 300 Gulden ein, die Isny einbehielt und nach Kriegsende dem Kloster zurückgab. Die im Text genannten 650 Gulden sind eine Schadenersatzzahlung an das Kloster, welche Isny auf Veranlassung einer durch die kaiserlichen Hofräte einge- setzten Kommission des Fürstabts von Kempten dem Kastenvogt des Klosters, dem Truchseß von Waldburg, erstatten mußte. Darüber enthält die Partikularrechnung Isnys ausführliche Angaben.

2) Für Zehrung nach Oberstdorf (Partikularrechnung).

2) Auf Befehl der gemeinen Stände als Verehrung (Partikularrech- nung); über den Hauptmann Stilz von Schaffhausen vgl. S. 223, Anm. 3.

4 S. S. 221, Anm. 6. 5) Siehe S. 223, Anm. ].

225

Doch ist etlichs, als sie anzeigen, nit verrait. geben hier- innen disen bericht, das die büecher in irer canzlei verlegt und von den personen, so die verwaltung gehabt, zwo mit tod abgangen und die drit tödtlich krank sei, das sie es diser zeit nit zu der hand haben bringen mögen. derwegen behalten sie inen vor, sollichs uf künftigem tag einzebringen!). uf wölches (ob es inen vergonnt werden sölle) durch stend und stött beratschlagt [worden ist]. ist inen irem begern gmäs zugelassen.

Statt Hall

Will nit raiten; ist aber us der hern camerräth rechnungen usgezogen, was sie erlegt haben. namlich den hern camer- .

räthen laut quitung: 26132 fl. 8 kr. Mer an rechnungen, auch den cammerräthen ubergeben, thut laut quitung: 2727 fl. 52 kr.

Ist der rest, so die statt Hall noch schuldig: 14340 fi. Daran werden sie noch villeicht rechnungen zu thun haben.

Frankfurt

Hat noch bis anherr an gelt nichts erlegt. würt man bericht derwegen in unser verzeichnus finden?).

Statt Kempten Hat bar gelt erlegt 2495 fl. 331/, kr. Mer an rechnungen 14304 fl. 61/, kr.?). Resten‘) sie zu erstattung der 18 doppelmonat 8400 fl. Doch so haben sie uf dem rechnungstag kain raitung fur- bracht; ist vor ditz mit den camerraten verglichen.“

1) Diese neue Kostenaufstellung liegt in der EBßlinger Partikular- rechnung (in Ulm a. a. O., Nr. 3374) vor. Während die im Text an- gegebenen ersten beiden Posten aus der Rechnung der Kammerräte (s. Abschnitt II, S. 57, unter Einnahmen von Eßlingen) übernommen sind, beträgt die Summe der Einzelaufstellungen in der Partikularrechnung 35501 Gulden 36 Kreuzer. Die beiden letzten Posten der Rechnung des Textes sind in die Partikularrechnung nicht übernommen worden. Am Schluß der Partikularrechnung wird festgestellt, daß Eßlingen nur zwölf Doppelmonate bewilligt habe [s. darüber auch Nr. 890, Anm. 6] und daher 5501 Gulden 36 Kreuzer mehr erlegt habe, als es verpflichtet war.

2) Hierzu Zusatz von Sebastian Besserer am Rande: „Thund 18 doppelmanat. haben noch ze raiten.“‘ Vgl. zu Frankfurts Kriegs- kostenrechnung Abschnitt IV c.

s) In der Rechnung der Kammerräte (Abschnitt II, S. 58, unter Einnahmen von Kempten) steht richtiger 261, Kreuzer.

4) Von „Resten“ ab Randbemerkung von Sebastian Besserer.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXXII. 8/4. 15

226

b) Kriegskostenreehnungen von Ulm!).

1. Ulm, Arch., Reform.-Akt. XLI, Nr. 3384 2. A. a. O., Nr. 3382 und 3388. 3. A. a. O., Nr. l. „Was ain ers[amer] rath der statt Ulm uf den gien abschid?) an dem letsten doppelmonat, auch sonst von w. der oberlendischen ainigungsverwandten stend und stött ein- genomen und volgends wider usgeben haben?), volgt hernach

Erstlich das einnemen

Erstlich Michel Hützler von Nürmberg hat inhalt seiner rechnung, den herren cammerräthen gethon, in namen der statt Lindau erlegt 7980 fl., von wölchen aber Jörgen Weick- mann auch durch die herrn cammerräth zu ainer zerung in Frankreich 600 fl., darumben er noch rechnung zu thun hat, mer Michel Hützlern zu Nürmberg, bei dem sollich gelt ge- legen, zu ainer verehrung 30 fl. und für etlich uncosten 3 fl. 12 kr., so derhalben erliten, gegeben und zugestölt worden sein, also das ainem e[rsamen] rath diser post halb nit mer für empfahen zu verraiten gepuert, wie auch hieher gesetzt würt, dann 7346 fl. 48 kr.®).

Es ist weiter von den erb[arn] oberlendischen stötten und jeder insonder an dem letsten doppelmonat empfangen wie volgt:

Von Augspurg 4000 fl. - Frankfurt 6000 Ai. Ulm 10000 Al. Eßlingen 1200 Al. Memingen 2900 fi. Ravenspurg 700 fl. Biberach 2200 fl.

1) Da diese Rechnungen weder in Reinschrift zusammengefaßt noch beim 2. oder 3. Rechnungstag vom August bzw. November 1551 vorgelegt wurden über die Gründe Ulms vgl. die Instruktion für seine Gesandten vom 6. November 1551 in Pol. Korr. V, Nr. 166, 8. 231—238 —, so stellt die nachfolgende Zusammenstellung nur- einen Versuch dar und will keineswegs den Anspruch auf Vollständig- keit erheben.

2) Vgl. über ihn die Angaben in Nr. 449, Anm. 10 und 458, Anm. 1.

?) Eine ganz ähnliche Aufschrift befindet sich auf der Rückseite dieses Stücks (Nr. 3384) mit dem wieder gestrichenen Zusatz: „Ist nicht zu ubergeben‘ und dem Vermerk Sebastian Besserers: „Der- gleichen ist ain rechnung auf dem tag zu Eßlingen ubergeben worden“, was jedoch zu der in Anm. 1 genannten Ulmer Instruktion in Wider- spruch steht.

4) Zu dieser Verrechnung vgl. auch Abschnitt II, S. 59, Anm. 1 (Rechnung der Kammerräte).

237

So hat... herzog Ulrich zu Wirtemberg etc. etlich korn in Ulm erlegt, wölches auch durch ains e[rbarn] raths diener zu Ulm zum thail verkauft und darus erlöst [ist]?), namlich:

Verkauft 510 imi 2 mitlen rocken, das imi per 2 Ib., macht 583 fl. 25 kr. 5 h., und umb 262 imi 1 mitlen rocken, das imi per 2 Ib. 5 B, macht 337 fl. 10 kr. 5 h.; suma verkauft: rocken 772 ımi 3 mitlen; darus ist erlöst: 920 fl. 36 kr. 3 h.

Item verkauft 1027 imi vesen, das imi per 1 Ib. 1 B, thut:

603 fi.

Sumarum alles empfahens, wie vorsteet: 35870 fl. 24 kr. 3 h.

Das ausgeben

So hat ain ersamer rath der statt Ulm uber die 18 doppel- monat, wölche er erlegt, dargelühen und usgeben, wie wolet: Item so haben gemeine statt Ulm drei doppelmonat dar- gelühen und dieselben den cammerräthen zugestölt inhalt dero verschreibung: 30000 fil.2). Item mer hat gemeine statt Ulm, als vorsteet, uber ire 18 doppelmonat vermög des giengischen abschids erlegt und das- selbig Sebasti Bösserern zu letster bezalung uberliffern lassen: 10000 1l.?). Mer haben sie zu handen Sebastion Bösserers auch uf letste bezalung in namen der erb[arn] stött inhalt seiner gegebnen quitung erlegt: 14000 l.?). Item so haben sie dem prelaten von Weingarten für etlich silbergeschier, wölches er bei den burgern in Ulm, denen es verkauft worden, erfaren, so man widerlösen oder erstaten müssen, bezalt 116 fl. 8 kr. Item so ist von ains erb[arn] raths wegen des sechsten doppelmonats und anderer usgaben halben mer ain rechnung bei den herrn cammerräthen eingebracht?) inhalt gegebner quitung, dabei man inen, so auch noch nit bezalt ist, pro resta schuldig würt: ' 542. 12 kr. 3 h. So hat auch ain ersamer rath der statt Ulm uf diejenigen, so uf der christenlichen verain gesandten und pottschaften

1) Hierzu liegt noch eine genauere Aufstellung a. a. O., Nr. 3390 vor.

2) Vgl. die Rechnung der Kammerräte in Abschnitt H, S. 61, Anm. 3.

3) Vgl. die Rechnung der Pfennigmeister in Abschnitt III, S. 78 unter Einnahmen ‚von sondern stenden und stetten zu der lesten bezalung‘‘ unter dem 19. November 1546.

4) Es ist die in der Rechnung der Kammerräte (Abschnitt II, S. 57 unter Einnahmen von Ulm) in Höhe von 40085 Gulden 57 Kreuzer erwähnte Rechnung. Einzelaufstellungen dazu befinden sich in Ulm a. a. OÖ. XXXVI, Nr. 1811— 1832 sowie XLI, Nr. 3387.

15*

228

in der guetlichen underhandlung zwischen baiden königen Frankreich und Engelland zu zerung ufgangen und dieselben verert worden, vermög der stend jungst zu Wormbs gemachten

abschids zu irem theil usgeben?): 722 fl. 31 kr.“ Unkosten für den Verkauf des von Herzog Ulrich nach Ulm gelieferten Getreides: 29 Gulden 25 Kreuzer.

„Item so hat auch ain erb[arer] rath der stat Ulm uf gemeiner stend schluß und bevelch dreu fendlin landvolk aus seiner und seiner schurmverwandten herrschaft und oberkait und gebiet zu ainem zuzug ufgebracht?) und dieselbigen zwen monat lang in- und ußerhalb seiner statt underhalten und besöldet, daruber solliche zwen monat ufgeloffen, so ain er- b[arer] rath usgeben und bezalt hat laut der rodel oder register, nemlich jeden monat besonder 4964 fl., thut beede monat zusammen: .9928 fi.

Item so sein dem gleich, als die kai. Mt. etc. die statt Ulm belegern wöllen, uns von chur- und fürsten us dem leger drei fendlin landsknecht zugesandt worden®). die haben wir, in maßen von der landschaft obsteet, auch zwen. monat lang erhalten. darüber ist uns beed monat gegangen, wie sich us den registern befinden soll, thut 6622 fl.‘52 kr.®).

Item für... herzog Ulrichen zu Wurtemberg etc. seiner fl. G. gebür an der frankfurterischen anlag bezalt, vermög der rechnung gemeinen stenden ubergeben, thut 935 fl. 54 kr.

Mer fur Costantz und Hailpronn an dem ufgebrachten gelt und auch an der frankfurterischen anlag, vermög vorermelter rechnung und der stött abschid zu Augspurg beschlossen®), zu ains e[rbarn] raths theil bezalt, thut: 1493 fl. 28 kr:

Item so haben die von Straßburg ainem e[rbarn] rath der statt Ulm, auch inhalt bedeuter rechnung, von wegen ainer zerung, so doctor Johann von Mötz und Johann Sturm ge- thaun, an irer gebür, so sie ains e[rbarn] raths stöttrechnern in Ulm erlegt und sie für völlig verrait, abzogen®), so ainem

1) Vgl. dazu Abschnitt I, S. 53, Anm. 4 und 6.

2) Vgl. hierüber Nr. 400. Zur Berechnung im einzelnen s. a. @. O., Nr. 3396 3403.

>) Vgl. hierüber Nr. 414, Anm. 1.

4) Die Musterregister dazu (darunter auch das des Straßburger Komturs Sigmund von Eptingen) für die Zeit vom 28. September bis 11. Dezember 1546 befinden sich a. a. O., Nr. 3405— 3410. In einer Gesamtübersicht über die Kosten, welche die genannten drei Fähnlein Besatzungstruppen verursachten a. a. O., Nr. 3404 —, beträgt die Summe 12312 Gulden 50 Kreuzer.

t) Vgl. Nr. 730, Anm. 2.

e[rbarn] rath von gemainen stenden billich gut gemacht werden sollen, 620 fi. Item so hat ain ers[amer]rath reitenden und fusgenden boten botenlon, auch fur etlich abgeriten pferd ... von gemainer stend wegen usgeben und bezalt, so alles in suma anlauft 85 fl. 36 kr. Mer ist man ainem e[rbarn] rath der statt Ulm schuldig, so der schreiber Hans Mayr (wölcher den cammerräthen zu- verordnet gewesen) und ainem furman mit zwaien rossen und ainem karren, daruf ain vaß mit schriften und rechnungen (den cammerräthen zugeherig) gefüert worden gegen Reut- lingen uf den rechnungstag uf Invocavit [März 10] a. etc. 49 gehalten, und wider anheims verzört!) und ain e[barer] rath bezalt hat, thut 9 fl. 25 kr. Mer ist man ainem e[rbarn] rath auch schuldig, so herr Eiteleberhardt Bösserer uf dem tag zu Augspurg und zwaien rechnungstagen zu Reutlingen verzört?) und ain erb[arer] rath bezalt hat, thut 37 fl. 44 kr. Sumarum alles usgebens wie vorstet: 74177 fl. 59 kr. 3 h.?). So hat Eiteleberhardt Bosserer als ain camerrath uf dem rechnungstag zu Eßlingen, so uf 15. Junii [15861] er worden ist, verzört: 2 fl. Item so "haben her Sebastı Bosserer, RL mit 3 pferden und dann Jos Thaub und David Hoffher sampt ainem furman und 3 wagenrossen uf obgemeltem tag von haus us und wider anheims, wolche den pfenningmeistern daz ampt versehen helfen, auch zu der rechnung ervordert worden, in als verzört: 22 fl. 45 kr. Und so das einnemen von dem usgeben abgezogen würdet, so pleibt man ainem e[rbarn] rath der statt Ulm bei diser rechnung schuldig: 38307 fl. 35 kr. 3 h. Item*) so haben gemainer .ainungsverwandter stend rath, gesandten und potschaften, in verloffnem krieg alhie gelegen,

!) Zur Anwesenheit Hans Mayers in Reutlingen im März 1549 vgl. Nr. 886, Anm. 3, Schluß.

2) Zu Augsburg im Herbst 1547 (vgl. Nr. 667, Anm. 3) und auf den beiden Reutlinger Rechnungstagen im März und April 1549.

3) Da die beiden nachfolgenden Posten nachträglich hinzugerechnet wurden, wurde der ursprüngliche Betrag von 74 143 Gulden 14 Kreuzern 3 Hellern gestrichen.

*) Von hier ab aus Ulm a. a. O., Nr. 3385 entnommen. Dieses Stück trägt auf der Rückseite den Vermerk: „Rechnung, was ain erb[arer] rath der statt von wegen der oberlendischen stand und stött christenlicher verainigung in verloffnem krieg auf den giengischen ab- schid an dem letsten doppelmonat und sonst entpfangen, auch volgenda

230

domaln, als erschollen, das die kai. Mt. etc. die statt Ulm be- legern wöllen, bevelch und verordnung mit sonderm ernst und großen troworten gethan, das alle blaichheuser, dern allain sibne gewest, sampt den mulinen, maierhof, walcken, schmidt- hämer, Thonaubad, der armen funden kinder, siechen- und andere gemaurte heuser wider ains e[rbarn] raths gemuet, willen und mainung, welcher es auch dozumaln noch für un- nötig geacht, abgebrent werden muessen!), darinnen auch den armen burgern ir korn, hausrath und andere farnus ver- brennt worden; zudem das die fruchtbare bäum in den garten in großer anzal sampt den gartenheuslin darin abzuhauen und zu verbrennen verschafft, dardurch gemainer statt und irn burgern merklicher und unwiderbringlicher schaden zufuegt worden. uber das hat man auch ain trefienliche anzal flöß die Thonau hinabrinnen lassen muessen. welche empfangne schaden ain e[rbarer] rath mit dem, das er zum thail an den wider ufgerichten blaichen, funden- und andern heusern jetzo verbauen und noch weiter zu bauen hat, auch wie er sich mit den millern, maiern und andren vertragen und sich von vilen burgern noch täglicher anforderung zu befaren hat, in alles zum geringsten umb 80000 fl. anschlecht und (von) ge- maine/n) stend<en) billich (dieweil es us irem gehais und bevelch geschehen) zalen sollen, thut 80000 fi. Item uf den 14. Septembris a. etc. 46 seind 19 Italianer und Hispanier durch die beede kriegsfürsten Sachsen und Hessen us dem leger fenglich alher gen Ulm geschickt worden und ailf wochen lang in ains e[rbarn] raths costen, namblich teglich miit wein, sied- und bratfleisch, fenglich enthalten, mit welchen für uncosten ufgeloffen: 192 fl. 22 kr. 4 h. Noch sein vier knecht, welche den gefangenen die obbestimp- ten ailf wochen lang zugesehen und sie verwahrt haben, gleich- fals auch mit solchen uncosten sampt irer gepurenden belo- nung erhalten worden, welches Anlauf: 51 fl. 20 kr.?2).

wider ausgeben und dargelihen hat.‘‘ Darunter ist von späterer Hand vermerkt: „In dieser raitung findet man die schäden, der brunst halben erlitten; ist doch aber dismal nit ubergeben.‘“ Bis zu dem Posten von 37 Gulden 44 Kreuzern (Zehrkosten von Eitel Eberhard Besserer auf den Tagen in Augsburg und Reutlingen) stimmt Nr. 3385 mit der oben abgedruckten Nr. 3384 wörtlich überein.

1) Vgl. darüber Nr. 414, Anm. 1 (S. 438).

2) A. a. O., Nr. 3381 und 3383 liegen noch Einzelaufstellungen darüber mit den Namen der Gefangenen usw.; außerdem ist a. a. O., Nr. 3382 noch ein weiterer Posten von 46 Gulden 4 Kreuzern 4 Hellern an „atzunggelt‘‘ für die Gefangenen verrechnet.

2331

Item so hat Eitel Eberhart Besserer als ain cammerrath uf dem rechnungstag, so uf 15. Junii [1551] gehalten worden ist, verzert 12 fl.

Item usgeben herrn Eitel Eberharten Besserern, so er uf dem rechnungstag zu Eßlingen, uf den 2. Augusti a. etc. Bl doselbst gehalten, mit dreu pferden in ailf tagen verzert hat:

22 fl.

Item usgeben, so Joß Thab und David Hofher selbdrit sampt dreuen pferden gen EBlingen, aldo und aın herauf- reiten verzert, als sie von dem ersten bis uf den 13. des monats Augusti a. etc. 5l abermals uf ainen rechnungstag doselbthin gesandt worden, namlich 30 fl. 14 kr.

Item usgeben herrn Eitel Eberharten Bossrern, so er aber- maln auf ainem rechnungstag zu Eßlingen auf den 8. Novembris a. etc. 5l gehalten in sechs tagen mit dreuen pferden verzert hat: | 12 fi.

Summarum alles usgebens, wie vorsteet, thut:

154463 fl. 11 kr.}).

Und so das einnemen von dem usgeben abgezogen wirdet, 80 bleibt man ainem e[rbarn] rath der statt Ulm bei diser rechnung schuldig: 118592 fl. 46 kr. 4 h.}).

2. „Meine hern, ain e[rbarer] rath der statt Ulm, haben sich des verschinen leidigen kriegs halber mit den nachgemelten herrn ierer anforderung halber vertragen und ine bezalen miessen, wie hernach stet?):

Unserm gn. f[ursten] und hern etc., dem bischoffe zu Augs- purg und seiner fl. G. tumbstift do selbst 18000 fi.

Unserm gn. f[ursten] und hern, dem bischof zu Trient

Dem abt zu Althingen [Elchingen] 17000 Al. Dem abt zu Tonauwörd?) 2000 fi.

1) In dieser Summe sind natürlich die beiden Posten für Zehrkosten von 12 bzw. 22 Gulden 45 Kreuzer (s. S.229, Anm. 3) nicht eingerechnet, die ja durch die vorstehenden vier Posten ersetzt werden sollten.

2) Auf der Rückseite dieses Stücks (in Ulm a. a. O., Nr. 3382) steht „Uncosten uber die gefangenen Spanier und Italianer uffgeloffen a. etc. 46‘; dies bezieht sich jedoch nur auf den Schluß des Stückes, der auf S. 230, Anm. 2 benutzt worden ist.

3) Zu den Schadensersatzansprüchen der Kardinäle von Augsburg und Trient sowie der Äbte von Elchingen und Donauwörth vgl. Rommel, D. Reichsstadt Ulm, S. 118 und 122, ferner Nr. 674, 682, Schluß und 767, Anm. 15. Zur Zerstörung des Klosters Elchingen ,. auch Nr. 419.

So hat die röm; kai. Mt. etc. ainem e[rbarn] rath der statt Ulm verschafft, der statt Gmund fur ieren schaden, den sie in verschinem laidigen krieg erlitten!), zu widerlegung des- selben zu geben \ 1500 fl.

Nebenrechnung etlicher sondern usgaähben?®):

Mein gepietender und gunstiger herr Sebastian Beßrer burgermaister hat, als sein e. f. W. uf dem tag zu Mulhausen von gemainen gewesnen ainungsverwandten stenden als ain kriegsrath dohin gesandt [worden]?), gehapt 23 tag mit 5 pferden; hat seiner e. f. W. uf sein leib und uf sein pferd jedes tags ain guldin gepurt und den vier knechten und irn pfer- den jedem jedes tags uf ain pferd 40 kr., macht:

84 fl. 20 kr.

Item so ist uber den herrn Martin Frechten licenciaten etc., als er uf dem colloquium zu Regenspurg gewestt), ufgeloffen sampt seiner zerung und allem uncosten 178 fl. 16 kr.“

3.5) „Meine herrn die stattrehner der statt Ulm [haben] in namen der gewesnen ainigungsverwandten stend an dem aufgebrachten gelt®), auch dem interesse und dann der frank- fortischen gepur”?) empfangen, wie hernach volgt:

1) Zur Beschießung von Schwäbisch-Gmünd durch den Kurfürsten von Sachsen und den Landgrafen von Hessen vgl. Nr. 461, Anm. 3, 471, Anm. 1, 476, Anm. 1 und 507, Nachschrift sowie die ausführliche, bei Wagner, Schwäbisch-Gmünd 1546-1548, S. 3—14 abgedruckte zeitgenössische Beschreibung. Über die den einzelnen Städten vom Kaiser durch Mandat vom 1. Dezember 1547 auferlegten Entschädi- gungssummen vgl. a. a. OÖ. S. 198-200. Zur Zahlung Frankfurts vgl. Abschnitt IV c, S. 241, Anm. 2.

2) Diese Überschrift ist ein Rückvermerk zu Ulm a. a. O., Nr. 3388.

3) Vgl. hierzu bereits Abschnitt IV a, S. 93, Anm. 5.

4) S. Abschnitt I, S. 54, Anm. 5.

5) Dieses Stück liegt in Ulm a. a. O., Nr. 3386 und trägt den Rückvermerk: „Rechnung, was ain e[rbarer] rath der stat Ulm von den stenden und stötten der gewesnen cristenlichen verainigung an irer gebur und anlag des geltz in verloffnem laidigen krieg umb interesse ufgebraht, empfangen und wider davon usgeben hat.‘‘ Obwohl diese Aufzeichnung streng genommen nicht zu den Kriegskosten von Ulm alleir. zu rechnen ist, gehört sie doch am besten an diese Stelle, zumal Ulm die Abdeckung der aufgenommenen Bundesschulden übernommen hatte.

%) Zur Geldaufnahme vgl. die Rechnung der Kammerräte (Ab- schnitt II, S. 62ff. unter Einnahmen von Darlehen).

”) Vgl. hierzu Nr. 730, Anm. 2.

Item so haben si innamen.... herzog Ulrichszu Wirtemberg etc. von burgermaister und rath der stat Ulm an der frankfortischen anlag zu seiner fl. G. geburnus ampfangen 935 fl. 54 kr.

Item von der stat Straßburg mit den 620 fl. zerung, so si ainem erb[arn] rath von doctor Hansen von Metz und Jo- hann Sturm wegen abgezogen haben, 6493 fi. 20 kr.}).

Item von burgermaister und rath zu Ulm: 6393 fl. 20 kr.

Item so haben mehr b[urgermaister] und rath zu Ulm er- legt von wegen der baider stet Costantz und Hailbrun an der frankfordischen gepurnus: 1493 fl. 28 kr.

Item von Memingen auf den ulmischen abschid?®):

1733 fl. 52 kr. 6 h.

Item von Biberah 1428 fl. 32 kr. Item von Eßlingen 1623 fl. 15 kr. 3 h. Item von Lindou uf den ulmischen ab-

schid 1068 fl. 21 kr. 1h. Mer von Lindo 100 fl. 26 kr. 6 h. Item von Reutlingen 1168 fl. 48 kr. Item von Kempten %9 fl. 6 kr. Item von IßBne 779 fl. 12 kr. Item von Hall 1556 fl. 20 kr.

Sumarum alles innemens auf baide an- schleg, zu Augspurg und Ulm ge- thaun: 25783 fl. 56 kr. 2 h. Von vorgeschribnem innemen ist usgeben, wie hienahvolgt: Item auf die 20000 fl. haubtgutz und 2000 fl. interesse, so

man dem Furtenbach zu Nurmberg zu thun schuldig [ist],

haben meiner hern von Ulm gesandten uf das, so die stat

Augspurg ime bezalt, zu volliger seiner bezalung erlegt und

volgends uf die stötrehner gerait: 2463 fl. 5 kr. Item Franzen Schleiher zu Nurmberg 5200 fl. haubtgutz

und dovon 520 fl. interesse, vermög der erlösten obligacion und quitung ... bezalt, thut: 5720 fl. Mer hern Hansen Krafften, burgermaister zu Ulm, für 5000 fl. haubtgutz und 500 fl. interesse, vermög der erlosten obligacion und qwitung... bezalt, thut 5500 fl. Mer ermelter: Hansen Crafften fur 5700 A. haubtgutz und

570 Al. interesse, auch inhalt der obligacion und erlesten qui-

tung... .„tut: 6270 fl. Item Michel Hützlern von Nurmberg 4200 fl. houbtgütts

und 420 fl. interesse dovon, auch vermög der erlösten obli- gacion und quitung.... bezalt, thut 4620 fi.

ı) Vgl. S. 232, Anm. 7 sowie Nr. 720, Anm. 2. 2) Gemeint ist der Abschied zu Ulm vom 15. Juli 1547; vgl. Nr. 652, Anm. 5.

234

Item Dietterichen Laupin zu Memingen 1100 fl. haubt- gutz und 110 fl. interesse dovon, inhalt der erlösten obligacion und quitung... .bezalt: 1210 Ai.

Sumarum aller ausgaub: 25783 fl. 5 kr.

Also einnemen und ausgeben gegen ainander abgezogen, so pleibt ain erb[arer] rath gemainen stenden hiebei schuldig:

5l kr. 2 h.“

c) Kriegskostenrechnung von Frankfurt am Main!).

1. Frankfurt, Arch., Rechenmeisterbuch 1546, f. 74b, 75b, 76a, 80b, 97b, 98a. 2. A.a.O., Reichssachen II, Nr. 1024 (Zahlmeisterbuch Nr. I, 1546, f. 92, 96, 97”—102, 106—109, 111—112, 115—116, 119a; desgl. Nr. 2, 1547, f. 27a). 3. A. a. O., Reichssachen II, Nr. 1024 (Aufstellung der Muster- herren). 4. A.a.O., Reichssachen II, Nr. 1024 (Aufstellung mit der Überschrift: „Volgt, was in bezalung der 12 duppel ausgegeben worden“, f. 3—5). 5. A. a. O., Rechenmeister- buch 1547, f. 135 und 135 b. I. und 2. ben. von Collischonn, Frankfurt a. M. ım Schm. Kr., S. ö38—54, Anm. 6.

1. „Ayntzling ausgab....

Item 18000 gulden ausgeben uf...des churfürsten zu Sachsen und landgraven zu Hessen schreiben und erforderen für ains erbern raths antail dreier duppeln monat, und die zu handen Hansen Friderichs, landschreibers der obern grave- schaft Catzenelnbogen, und Ludwigen PfeilsticRers, kellers zu Butzbach (der allain sein handschrift verpitschirt daruber gegeben), uberliffert 19. Julii a.o 46: 21600 Ib.

... Sabato post Laurentii 14. Augusti [1546].

... Item 18000 gl. abermals ausgeben fur drei duppel monat uf des churfürsten zu Sachsen und landgraven zu Hessen schreiben de dato 4. Julii dis jars, und die gelifiert und zalt, nemlich hern Friderichen von Reiftenbergk, obersten etc. 600 fl., dem graven von Beichlingen 2500 fl., Hansen Friderich, land- schreibern in der obern graveschaft Catzenelnbogen, 14332 fl. 2 albus und fur blei ausgeben, daß gen Gießen komen ist, 567 fl. 25 albus?). thut alles obgemelte suma und sind also

ı) Für die Zusammenstellung der Kriegskosten Frankfurts gilt das gleiche wie bei Ulm; vgl. Abschnitt IV b, S. 226, Anm. ].

2) Nach den a. a. O., Reichssachen II, Nr. 1020 liegenden Original- quittungen erhielt Friedrich von Reifenberg die 600 Gulden am 2. August, Graf Huprecht von Beichlingen am 5. August 1500, am 17. August 1000 Gulden, der Landschreiber Hans Friedrich seinen Betrag von 14332 Gulden am 20. August 1546. Nach einer a. a. O. beruhenden Sonderaufstellung wurde die Rechnung für das nach

2335

mit disen 18000 fl. und den 18000 fl., die hie vor im Julio uberliffert, die 6 doppel monat, davon des churfürsten zu Sachsen und landgraven zu Hessen schreiben, wie vorstet, meldung thut, entricht und bezalt: 21600 Ib.

... Sabato post Bartolomei 28. Augusti [1546].

. .. Item 3000 gl. geben den herrn zalmaistern, als sy die andern sechs doppel monat zum tail ausgericht und bezalt haben, wie sie derhalb ire sondere rechnung thun werden:

3600 Ib.

... Item 4 taler hat man Hansen Weigand und Contz Kol- lern, beden furleuten von Framersbach, geben, daß sie das geschutz im leger vor der stat hin und widder gefurt haben!):

5 Ib. 10 B 2 heller.

... Item 4700 gl. haben die herrn rechenmaister den zal- herrn dis quartal geliffert, nemlich 3000 gl. den 30. tag Sep- tembris und 1700 gl. den 12. tag Decembris: 5600 Ib.

... Ausgab zerung...

... Item 32 gl. 4 ßB 3 heller hat her Oger von Melem aus- geben und verzert, als er dis jars zum zwaiten mal von rats wegen zu... dem landgraven geraiset ist?), sambt denen, so mit ime gewesen, laut seiner ubergebnen rechnung; ist ine [!] zalt 20. Augusti: 38 Ib. 12 B 3 heller.

... Item 5 taler 22 albus haben doctor Jheronimus zum Lamb und her Ort zum Jungen ausgeben und verzert, als sie zu Hoest und Ruselshaim gewesen sindt?):

7 1b. 17 B 3 heller.

... Item 12 gl. 25 albus hat Johann von Geroltstain, ambtman zu Irlenbach #), ausgeben und vertzert, als er von rats wegen in des Reiffenbergers leger bei Gelnhausen geritten ist. actum im December dis jars. 15 Ib. 10 B 2 heller.

Gießen auf Befehl des Landgrafen gesandte Blei am 8. September an Johann Massen von Köln beglichen.

1) Vgl. hierzu Collischonn a. a. O. S. 59.

8) Es handelt sich um die Mitte Juli 1546 unternommene Reise nach Kassel, über welche Ogir am 18. Juli im Frankfurter Rat be- richtete; vgl. Collischonn a. a. O. S. 36—39 und Anlage III, S. 104 bis 105. Dagegen findet sich nirgends eine Verrechnung über seine erste Reise zu Anfang Juli; vgl. über sie a. a. O. S. 32—33.

®) Vgl. Collischonn a. a. O. S. 5l.

4) Niedererlenbach, Dorf in Frankfurter Besitz. Über diese Reise Geroldsteins ist sonst nichts festzustellen. Vgl. dazu aber auch Pol. Korr. IV, Nr. 499, S. 535 (Bericht Pünders an die XIII vom 25. Dezember 1548).

236

2... . ,, Volgt, was die hern zalmeister aus bevelch ains er- barn rate beden graven von Oldenburg und Beuchlingen ober- sten, auch nachvolgendts dem Hirtzbecher und andern per- sonen laut derselben recognition und handschriften ausgeben und bezalt haben.

Item den 17. Augusti anno etc. 46 dem... . hern Ruprechten graven zu Beuchlingen etc. laut der recognition geliffert

2000 fi.

Item den 24. Augusti anno etc. 46 dem... . grave Christoffen von Oldenburg, hern zu Delmenhorst etc., gelifiert 12000 fi.

Item Balthasarn Hirtzbecher!) und Christoffen Walden- stein?) uf bewilligung der hessischen kriegs rate laut der reco- gnition geliffert 5000 fi.

actum 28. Augusti anno etc. 46.

Item vermög ains unsers g. hern des landtgraven zu Hessen underschriebnen bevelhs Hansen Furst von Nurmberg und Sebastian Gerlachen?) laut irer quitantz für rustungen gezalt

1549 fl. 98 7 2%.

actum 27. Septembris anno etc. 46.

Item aus bevelh ains erbarn rats den ernvesten Asmus von Konritz, churf.lichem amptman zum Schneberg, und Josten von Weiters, landtgravischem cammermeister, laut irer reco-

gnition geliffert*) 9000 fl. actum sontags den 12. Decembris anno etc. 46. Summa summarum 29549 f.987 9.

... Volgt, was die hern zalmaister auf bevelch des aus- schüs den haubtleuten, dem fendrich und dem profosen zu lauf- und wartgelt gegeben, das sy furter den knechten zu- gestolt und den musterhern und zalmaistern widerumb ver- rechnet haben, als hernach steet...

Actum 6. Juli a.o 46.

1) Die Zahlung wurde nach der Ausf. der Quittung (a. a. O., Nr. 1020) am 28. August 1546 geleistet; Balthasar Hirtzbecher war hessischer Amtmann zu Eppstein.

3) Er wird in der hessischen Kriegsrechnung (Abschnitt V) in Marburg, Arch., Nr. 893, f. 81 bei dem Verzeichnis „der einzelnen reuter, so nicht under die fendlein gemustert und getheilt seint‘‘, aufgeführt.

%) Er stammte aus Frankfurt, wie aus der S. 234, Anm. 2 er- wähnten Sonderaufstellung hervorgeht.

4) Vgl. hierzu Nr. 507, Anm. 1 unter l und Mentz, Joh. Friedr. 1, 3, S. 52. Vgl. dazu auch die kursächsische Rechnung (Abschnitt VI). In der hessischen Kriegsrechnung (Abschnitt V, S. 247, Anm. 5) ist als Zahltag ebcıfalls der 12. Dezember 1546 angegeben.

237

Summa summarum thut das laufgelt, so uf ains erbarn rats knecht ausgewendt worden, namlich 360 fl. 21 ß 4 9.

Ausgabe zu besoldung der landtsknecht ... .“ Für den 1. Monat [4. Juli bis 2. August] für 557 Lands- knechte 2804 Gulden 20 Schillinge. Für den 2. Monat [3. August bis 1. September] für 565 Lands- knechte 2916 Gulden 1 Schilling 8!/, 9 Für den 3. Monat [2. September bis 1. Oktober] für 545 Per- sonen 3035 Gulden 22 Schillinge 2 9. Für den 4. Monat [2. bis 31. Oktober] für 297 Personen 1827 Gulden 14 Schillinge 3 9. Abzugsgeld für die bei dieser Musterung Beurlaubten 229 Gulden 6 Schillinge. Für den 5. Monat [1. bis 30. November] für 261 De 1770 Gulden 23 Schillinge 2 9. Für den Abzug der Knechte 890 Gulden 2 Schillinge 3 9. ‚„Summa summarum 13835 fl. 15 B Pe Fe

„Nebenausgabe, was etlichen landtsknechten verehrt... .“ Zahlungen vom 9. Juli bis 2. November 1546. „Summa summarum 781.985 9.“

„Ausgabe fur pulver, hacken und den hern schützenmaistern in ir ambt“

Am 18. Seriember 1546 für 112 lange Hacken je 2 Gulden 18 Schillinge bezahlt, zusammen 308 Gulden. Am 16. Oktober 1546 für 55 lange Hacken je 1 Gulden

t Schillinge bezahlt, zusammen 64 Gulden 4 Schillinge. „Item hat man Hans Fursten von Nurmberg abkauft laut

seiner verzaichnus 65 faß und ain clain fesslin pulvers, die

haben zusamen gewogen 402 centner, den centner fur 13 fi.

und 6 B gerechnet, thut 5326 fl. 12 8. Item mehr umb bemelten Fursten kauft 400 lang hacken

mit aller geraidschaft, das stuck umb 2 fl. 12 ßB,thut, 10001. Solche bede summen sindt dem Fursten und seinem schwa-

ger Jacoben Cesar zu viermaln laut irer bekantnus!) ver-

gnugt und bezalt worden. actum 2. Octobris a.o etc. 46.“ Es folgen außerdem noch 11 Zahlungen an die Schützen-

meister im Gesamtbetrag von 1523 Gulden 2 Schillingen.

‚Suma summarum 8221 fl. 18 ß.“

„Ausgabe fur pferd, zerung, profand und furlon etlichen personen, so geschütz, profand und anders ins lager, auch sonst hien und wider gefurt haben und die von ains erbarn rats wegen verschickt worden und aus gewesen sint“:

1) Über beide Lieferungen liegt eine genaue Aufstellung a. a. O., Nr. 1023. Vgl. über Hans Fürst auch Nr. 153, Anm. 5.

238

Von Rats wegen bezahlt an Leute, ‚„‚so dem von Reiffenberg meiner hern geschutz gen Castell ins läger gefurt uf ailf ‚pferd, sechtzehen tag lang, nämlich uf jedes pferd des tags ain ort; thut 44 fl.

Item acht furknechten, so das geschutz gefurt und den buchsenmeistern handtreichung gethan, geben fur 128 tag, des tags 3 ß, thut 16 fi.

actum 27. Augusti anno etc. 46.“

Ferner 2 Leuten bezahlt, ‚so gleicher gestalt dem von Reiffenberg geschutz gen Castell ins lager mit 16 pferden gefurt und 30 tag ausgewesen, von jedem pferd des tags 6 B,

thut 120 Al. Item ailf furknechten, so das geschutz gefurt, fur 30 tag, jedem des tags 3 8 geben, thut 41 fl. 6 B}).

actum ut supra aus bevelh ams erbarn rates.

Item hat hauptman Jheronimus [Loesch]?) aus geheiß herr Justinians von Holtzhaußen den gedachten furleuten zu Castell geben und hie wider emphangen fl.

Item dem wirt zum gulden schwan, bei dem Prant von Schwerin zur herberg gelegen, laut des 'zettels fur zerung be- zalt 58 fl. 17 8.

Nota: hat den graven von Oldenburg gefurt und ist aus bevelh des ausschuß geschehen. actum 18. Septembris anno etc. 46.

Item aus bevelh des altern burgermeisters Hans Bolden, dem Oldenburgischen rittmeister, laut seiner bekantnus 18. Sep- tembrig a.o 46 geliehen 171.583 9.

Ite . dem wirt zum Ochsen aus bevelh des aus[s);chuß laut geiner rechnung von wegen der hessischen räte, so bei ime zur herberig gelegen, bezalt 195 fl.5 8.

actum 18. Septembris anno 46.

Item herr Christoff Kellern, profandtmeister?), so den Bona- mesern brot zugefuren lassen, laut des zettels bezalt 27. Sep- tember a.o etc. 46 28 fl.

Item ...[2] furleuten, so des von Oldenburgs reutern und knechten brot und profand nachgefurt, fur 78 tag mit 16 pfer- den, von jedem pferd 6 B geben, thut 19 fl. 12 B.

1) Nach der Sonderaufstellung (vgl. S. 234, Anm. 2 und S. 236, Anm. 3) geschah die Zahlung für diesen und den vorhergehenden Posten am 19. August 1546.

2) Er war Hauptmann über das in der Stadt als Besatzung liegende Fähnlein.

®) Er stand in Frankfurter Diensten.

2339

.... Item den 9. Octobris anno etc. 46 herrn Christof Kellern, profandtmeister, laut ubergebner rechnung fur furlon uß- geben denen, so profand ins lager gefurt!), 221. 11829.

Item hern Justinian von Holtzhußen laut seiner rechnung bezalt, so er im läger zu Castell und bei den kriegs räten zu Russelshaim?) verzert und sonst ausgeben, 28 fl. 2084 9.

Item aus bevelh des ausschuß ainem hessischen postpotten?) fur ain pferdt, das er alhie kauft, laut seiner bekantnus bezalt 7. Octobris 14 fl. 2829.

Item Adamen zum Krachpein von wegen Johan Werners Kalb, hessischen profandmeisters, aus bevelh der schutzen- meister laut zettels fur zerung zalt 6 fl. 16 ß.

actum 4. Novembris a.o 46.

Item haben die zalhern itztbemeltem Adamen, darumb sein knecht hien und her [ge]schutz gefuert und geholt, laut seins zettels bezalt, ut supra, 8 fl.

auch ex iussu dominorum Ortwini®) et Brommii.“

Außerdem sind noch 4 Einträge vermerkt für Lohnzah- lungen in städtischen Angelegenheiten in Höhe von zusammen

50 Gulden 4 Schillingen 4 9.

‚„Summa summarum 674 fl. 5 9.“

„Ausgabe zu pottenlone und was auf kundtschaften ge- wendt worden“:

Einträge vom 18. Juli bis 7. Dezember 1546. „Summa sumarum 207 fl. 4 9.)

„Ausgabe dem walmaister und walknechten, so die fröner zur arbeit angehalten‘:

Einträge vom 27. August bis zum 24. Dezember 1546. ‚„Summa sumarum 233 fl. 128 8 9.°®)

!) Nach der Sonderaufstellung (s. S. 238, Anm. 1), wurde diese Summe bereits am 29. August 1546 bezahlt.

2) Es scheint sich hierbei um die Reise Holzhausens in der zweiten Augustwoche 1546 zu handeln; vgl. Collischonn a. a. O. S. 43.

®) Nach der unter 4. (S. 240— 241) im Text benutzten Aufstellung heißt er Polycarpus [Pickel]; vgl. auch Abschnitt V.

4) Gemeint ist der Frankfurter Ratsherr Ort zum Jungen.

s) Davon sind 1554, Gulden in einem besonderen „botten biechle des verordenten ausschus zu der gegenwertiger krigs rüstung, ange- fangen 20. Julii a.0 1546‘ (a.a. O., Nr. 1024) im einzelnen verrechnet; die Eintragungen gehen bis zum 22. Dezember 1546.

*) Die übrigen im Zahlmeisterbuch Nr. 1 (1546) aufgeführten Posten betreffen keine Aufwendungen Frankfurts für die Allgemeinheit; sie blieben daher in der obigen Zusammenstellung unberücksichtigt. Das

340

„Ausgabe 1547.

Philipsen Gailn von Coln und Peter Semlern den 14. Aprilis jungst fur etlich taffel- und stockplei, so ain e[rbar] rath den 16. Junii anno etc. 46 geen Gießen und zum theil gen Russels- heim geschickt hat, welchs auch an den 12 doppelmonaten abgerechnet worden, laut der rechnung bezalt

610f. 8879.“

3. „.. .. Dagegen haben sy, die musterhern, laut der muster- register!) ausgegeben 45731 fl. 14 patzen 81/, 9.“

4.2) „Maister Steffan Pfeilsticker, buchsenmaistern, so den stenden am Rein als ain buchsenmaister gedienet, geben fur ain monat 12 ll.

Maister Jacoben von Kirn, der von den stenden am Rein fur ain buchsenmaister gebraucht worden, geben sh.

Maister Simon Sattlern, der am Rein als aın buchsenmaister gebraucht worden, zalt 8 fl.

Maister Paulus von Trarbach, der am Rein wie ain buchsen- maister gebraucht worden, zalt 4 fl.

Item Steflan Pfeilsticker hat von der großen buchsen wegen, etwas daran zu machen, zu Nawhaim ausgeben 12 B.

Item haben ains erbarn rats schutzenmaister etlichen fur- leuten, das geschutz an Rein und wider anhaim zu furen, ausgeben und zalt, laut irer getanen rechnung 174 fi.

Maister Debolten, dem schmidt, der gen Castel in das leger geschickt worden, was an den buchsen zerbrochen, dasselb widder zu machen, zalt und geben 5fl.18BAN..

Hainrich Moselern zalt, daß Rainhardt Schenck, landgra- vischer rat, bei ime verzert gehabt, 94.168 6X.

Den fischern, so her Herman von der Molsperg gen Rusels- haim gefurt haben, zalt 2f.7B1 heller.

gleiche gilt, mit Ausnahme des einen oben im Text folgenden Postens, auch für das Zahlmeisterbuch Nr. 2 (1547).

1) Sie sind leider nicht mehr erhalten, sodaß man über die Ver- rechnung der ansehnlichen Summe sich kein Bild machen kann. Da die fünfmonatliche Besoldung für das Fähnlein, welches in Frankfurt als Besatzung stand, im Zahlmeisterbuch verrechnet ist und insgesamt auch nur 13835 Gulden beträgt (s. S. 237), so kann es sich bei der oben im Text genannten Summe eigentlich nur um Aufwendungen für Kriegsvolk zugunsten des Schmalkaldischen Bundes handeln.

2) Alle Posten, die auch in das Rechenmeister- und Zahlmeister- buch übernommen worden sind, sind im folgenden nicht mehr auf- geführt.

241

Dreller Hansen fischern zalt fur sein belonung und daß er am Rein hin und widder ausgelegt gehabt, 8fl. 188 5.9.

... Item uf die post, so uf ... des landgraven schreiben gen Rußbach und <und) Darmbstadt gelegt, ausgeben, wie volgt:“

Es folgen 10 Posten in der Gesamthöhe von 158 Gulden 21 Schillingen 3 Pfennigen.

„Niclaus Sibern und Antoni Melbern, als die zu... dem landgrafen abgefertigt!), zu zerung geben 14. Junii a.o 46

8 fl.“

v. „Ayntzling ausgab.

... Sabato post Judica 24. Martii [1548].

... Item 1500 fl. geben uf kay. Mt... . mandat denen von Schwäbischen Gemund von wegen ires erlittnen schadens?)... .:

1800 1b.

... Sabato post Palmarum 31. Martii [1548].

... Item 6000 fl. zalt und geben burgermaister und rat der stat Ulm; ist inen ain erbar rat alhie dargelihens gelts, welches gelt zu abzalung des sachsischen und hessischen kriegsvolcks zu Ulm verbraucht worden ist?), schuldig gewesen, iuxta quitanciam: 7200 Ib.“

V. Hessische Kriegsrecehnung. Marburg, Arch., Nr. 893*), Reimnschr. mit der Aufschrift:

„Einname und ausgabe gelts ... hern Philipsen, lantgraven

ı) Nach der Sonderaufstellung (s. S. 239, Anm. 1) handelte es sich um zwei Büchsenmeister.

2) Zur Entschädigung an Schwäbisch-Gmünd vgl. auch Abschnitt IV b, S. 232, Anm. 1. Das im Text erwähnte kaiserliche Mandat stammt vom 1. Dezember 1547 (Augsburg; Ausf. a. a. O., Nr. 1034; lect. 23. Januar 1548; gedr. bei Wagner, Schwäbisch-Gmünd 1546 1548 S. 198—199). Die von Wagner a. a. O. S. 199 ausgesprochene Ver- mutung, Frankfurt habe sich nicht unter den Schadenersatz leistenden Städten befunden, ist also irrig.

%) Frankfurt hatte diesen Doppelmonat gemäß dem Abschied zu Giengen am 14. November 1546 ausdrücklich bewilligt (vgl. Nr. 472, Anm. 1). Über dessen Bezahlung entspann sich ein umfangreicher Briefwechsel mit Ulm (a. a. O., Nr. 1026). Ulm setzte den Betrag nach Erhalt in seine Abrechnung über die Einzahlungen auf den Gienger Abschied ein; vgl. Abschnitt IV b, unter 1, Einnahmen (8.226).

4) A.a. O., Nr. 884 liegt eine Dublette mit leichten Abweichungen; Nr. 895 enthält die zur Kriegerechnung gehörigen Musterregister. Andere Musterregister befinden sich auch in Nr. 883 und 884.

Archiv für Reformationsgeschichte. ZXXII. 8/4. 16

342

zu Hessen .. . zu besoldunge seiner fl. G. kriegsvolk zu ross und fues, dergleichen auf die artalarei und andere kriegsmunition, auch alles andern darzu-gehorigen zu gegenwertigem genot- drengten defensiven veltzugs [!] wider Carolum den funften, . romischen keiser, durch mich, Josten von Weiter, hessischem [!] chammermeister, verhandelt, wie hiernach volgt, \im jar etc. 1546.‘ Durchgehend ben. von Paetel, D. Organisation d. hess. Heeres unter Philipp d. Gr., bes. S. 146-150, 2 155—156, 170173 und 223—225;, ferner ben. von Schaaf- hausen, D. Geldwirtschaft d. Schm. Bundes, S. 103; erw. von Rommel, Gesch. v. Hessen IV, (III, 2) Anmerkungen, S. 427.

Einnahmen.

„Innom gelts von meinem gn. fursten und hern zu Hessen aus seiner fl. G. gewelb und chammern:

... 1000 goltgulden, iden vor 32!/, albus gerechent, emp- fangen von m. gn. h. aus dem nurenbergischen gelde, so Johann Gerhardt pracht hat laut quitunge. actum den 26. Junü a. etc. 46.

1000 goltgulden zu 321/, albus abermals von seiner fl. G. von der nurenbergischen lifferunge entpfangen laut bekanntnus. actum den 26. Junii a. etc. 46.

500 gl. ist der ufwechsel, uf iden goltgl. ein ort [!/, Gulden] gerechent ...

3172 gl. 23 creutzer!) zu 15 patzen eingnomen von m. gn. hern aus dem eisern schrenklin in seiner fl. G. clein stublein; und ıst das gelt, so Claus Waldenstein zu Frankfurt von den oberlendischen stetten empfangen und furter m. gn. hern auf den pfingstag [Juni 13] geliffert hat laut seiner handschrift des lifferzettels hirbei.

122 gl. thut der aufwechsel uf vorgemelte pfosten, auf iden. gl. ein albus gerechent .. .“

Verbucht sind außerdem 9 Zahlungen vom 22. Juni bis 15. Juli 1546.

„Summa: 76170 gl. 16 albus 51/, Pf.“

„Einname gelts auf vorschreibunge und pension geborgt“: Enthält 19 Einträge vom 26. Juni 1546 bis zum 6. Februar

1547. | „Summa 38567 gl. 15 albus.“

„Einname gelts von andern frembten fürsten und hern, graven und stetten der evangelischen christlichen verainigunge: 230 gl. zu 26 albus entpfangen von denen von Gottingen; nemlich 117 fl. 4 creutzer seint sie zu erleigunge des gelts, so

1) Am Rande steht: „Thun 1N albus 1% d“.

243

mein gn. her im jungst beschenen braunschweigischen defen- sionszug ... vorgesetzt hat, und dan noch 113 fl. 10 cr. zu underhaltunge etzlicher reuter ein zeitlang zu geben schuldig gewesen, macht summam, wie obstat. actum Cassel den 10. Julii a. etc. 46.

2000 thaler zu 31 albus empfangen von Wilhelmen von Schachten; hat er mit sich aus dem land zu Braunschweig pracht, und ist solch gelt furter den ritmeistern uf ire reuter gegeben worden.

384 gl. 16 albus thut der aufwechsel [5 Albus für den Taler].

41000 gl., iden gl. zu 27 albus gerechent, entpfangen von den von Frankfurt uf rechnunge irer gepurenden anlage!); und seint deren von Straspurg zwene doppelmonat?) ... hirin auch mit begriffen. lifferten mir Churt Spies, kelner zu Bicken- bach, und Johan Sensenschmidt, kelner zu Lichtenperg, vermoge irer rechnunge und verzeichnus hirneben.

1576 gl. 24 albus thut der ufwechsel, auf iden gl. ein albus gerechent.

Nofta]: hiruber hat der grave von Beichlingen noch 2000 gl. von den von Frankfurt empfangen?). davon wirt der sachsisch pfennigmeister bericht thun.

384 gl. zu 21 mariengroschen eingnomen vom chammer- meister zu Wolfenbüttel. die hat er dem hauptman Ludwigen von Braunschwig*®) uf sein fendlin knecht vorgestreckt und ich demselben an seiner monatsbesoldunge abgerechent. actum im veldlager zu Gebsattel den 31. Julii a. etc. 46. solten inhalt her Bernharts von Mila rechnunge sein 573 fl. 1 groschen. es hat aber der hauptman nicht mer, den wie obstadt, angezeigt; und ist ime der rest in der letzten vorglei- chunge abzogen. wirt doch in kein ausgab geschrieben.

324 gl. derselben werunge hat vorgemelter wolfenbuttelisch chammermeister dem hauptman Melchiorn Kabei*) uf rech- nunge geben, die ich ime an seiner monatsbesoldunge widerumb abgekurzt. actum ut supra. solten 537 fl. 11 groschen sein; der hat der hauptman nit mer, den[n] gemeldet, angezeigt; und ist ime in der entlichen abrechnung der rest auch abgekurzt laut desselben rechenbuechs.

500 thaler zu 31 albus eingomen von denen von Hildesheim. die haben sie dem ritmeister Claus Bernern uf seine reuter geliffert und ich ime widderumb an der monatsbesoldunge ab- zogen. actum den 9. Augusti a. etc. 46.

ı) Vgl. Abschnitt IV, c unter 1 (S. 234— 235).

2) Vgl. Abschnitt I, S. 50 Anm. 5 (erste Geldsendung).

3) Vgl. Abschnitt IV, c unter 2 (8. 236).

4) Sie gehörten später zum Regiment Georgs von RER,

244

96 gl. 4 albus thut der ufwechsel.

200 gl. monz zu 21 mariengroschen hat der chammermeister zu Wolfenbuttel dem hauptman Andresen von Lübeck!) uf sein fendlin knecht zu Sesen geliffert; di hab ich dem hauptman an seiner monatsbesoldunge abgekurzt ... den 10. Augusti a.. etc. 46.

103 gl. 22 albus zu 26, woren 100 fl. zu 15 patzen, hat Peter Clein!), hauptman, zu Nurmberg von Rudigern uf der burg entlehnet; hab ich ime auch widerumb abezogen den 16. Sep- tfembris] a. etc. 46.

30000 gl. zu 15 batzen eingnomen von den chammerrethen zu Ulm. di haben sie uf meins gn. hern schreiben mir zu Neu- burg durch Michel Reicharten liffern lassen; empfing von ime in meinem namen Wolff Kuchler den 19. Augl[usti] a. etc. 462).

38458 gl. 11 patzen 1 cr., iden gl. zu 15 batzen, eingnomen von den geordenten chammerrethen zu Ulm; haben sie mir durch Hans Fingerlin liffern lassen. actum den 30. Aug[usti] a. etc. 462).

30000 gl. zu 15 patzen eınpfangen von Balthasar Giltlingern und Bastian Besserern, des herzogen von Wirtenbergs und der oberlendischen stette pfennigmeister[n], inhalt meiner qui- tanzen. actum den 15. Sept[embris] a. etc. 46°).

20000 gl. zu 15 patzen entpfangen von den chammerrethen zu Ulm; haben sie durch Hansen Fingerlin zu Danuwerde mir liffern lassen. und hat des churf(ursten) pfennigmeister auch sovill empfangen). daruber seint in ein sondern kasten noch 40000 gl. zu besoldunge des von Aldenburgs, Beichlingen und Reiffenburgs regimenten lanzknechte gelegt worden inhalt hirnebens zittels. actum den 19. Sept[embris] a. 46°).

6000 gl. zu 15 patzen aus itzvermeldtem gemeinen casten, dorin di 40000 gl. gelegt, empfangen uf Reiffenburgs regiment. actum den 22. Sept[embris] a. etc. 46. und hat der sachsisch pfennigmeister uf das aldenburgisch und beichlingisch kriegs-

1) Vgl. 8. 243, Anm. 4.

2) Vgl. Abschnitt II (Rechnung der Kammerräte), S. 66 Anm. 2; dort fehlen die Zeitangaben.

®) Vgl. die Rechnung der Pfennigmeister (Abschnitt III, S. 89) unter Ausgaben: „Zu handen chur- und fursten geben.“

*) In der Rechnung der Kammerräte ist diese Summe unter dem 5. Oktober verbucht (vgl. Abschnitt II, S. 67 unter Ausgaben: „Sachsen und Hessen ... samptlichen‘“‘).

s) In der Rechnung der Kammerräte ist diese Summe unter dem 16. September verbucht; vgl. Anm. 4 und die kursächsische Kriegserechnung (Abschnitt VI, unter 3).

345

volk 12500 gl. zu dreien malen aus dem gemeinen casten emp- fangen.

1000 gl. zu 15 patzen seint dem graven von Eisenberg!) uf seiner G. fendlin knechte aus dem gemeinen casten gegeben; und hab ich sein G. daruf den ganzen monat bezalt. darumb mus dis fur ein einname gerechent werden.

426 gl. 12 patzen, iden gl. zu 15 patzen, seint in der rechnunge des gemeinen castens uberplieben. also hab ich dieselben emp- fangen und zu besoldunge des reiffenburgischen regiments gebraucht laut gemelter rechnunge hir neben. actum den 7. Oct[obris] a. etc. 46.

10000 gl. zu 15 patzen eingnomen von den chammerrethen zu Ulm. woren 40000 gl.; dero hat der sachsisch pfennigmeister 30000 fl. empfangen und mir das ubrig geliflert; actum im feldleger bei Norlingen den 8. Oct[obris] a. etc. 46.

20000 gl. zu 15 batzen hat der kelner zu Lichtenperg, Johan Sensenschmit, zu Frankfurt von wegen der von Straspurg uf zwene toppelmonat entpfangen und mir zugerechent. seint gewesen 16800 thaler, iden vor 25 groschen und den gl. zu 21 gr. gerechent, doran etzwas verlust; wirdet in der ausgab hirnoch gemelt?).

8000 gl. zu 15 batzen hat itzgemelter kelner zu Lichtenperg von wegen des herzogen von Wirtenperg zu Hailprun eingnomen und mir auch zugerechent inhalt seiner rechnunge hirneben.

15000 gl. zu 15 patzen empfangen von Wolff Kuchnern, rent[meister] zu Homberg. hat er zu Dinkelspuel eingnomen ' und mir gelifiert. und hat der sachsisch pfennigmeister auch sovil empfangen. macht zusamen 30000 fl., welche di von Nurenberg gein Dinkelspuel geliffert, nemlich von irer selbst wegen 20000 fl. und die andern 10000 gl. von wegen des her- zogen zu Preußen?). und soll hochgemelter herzog noch 10000 gl. erlegen, laut des lifferzittels. und ist di lifferunge gewesen 8250 goltgl., iden vor 18 batzen, und 4500 thaler zu 17 patzen; macht monz, wie obgemelt. actum den 26. Sep- t[embris] a. etc. 46.

275 gl. zu 15 patzen gepuren sich noch uf di itzberurte 8250 goltgl. zu rechnen, dweil sie vor 18 patzen geliffert und vor 18'/, patzen ausgeben worden, uf iden goltgl. 2 creutzer, in- massen es der zeit dem kriegsvolk gegeben worden ist.

1) Er gehörte zum Regiment Friedrich von Reifenbergs.

2) Diese Summe ist weiter vorne bereits aufgeführt; vgl. 8. 243, Anm. 1 und auch 8. 50, Anm. 5.

3) Vgl. hierüber Nr. 264, Anm. 6 und Nr. 310 sowie Heide, Beitr. 2. Gesch. Nürnbergs i. d. Reform.-Zeit, 8. 170, ferner Mentz, Joh. Friedr. I, 3, 8. 36.

246

193741/, gl., iden zu 15 patzen gerechent, eingnomen von Johan Gerharten von des sachsischen kreis anlage; hat er zu Cassel empfangen und ins leger nochpracht. und hat des chur- f[ursten] zu Sachsen pfennigmeister auch sovill empfangen vermoge verzeichnus hirneben und des lifferzittels. und seint in diser lifferunge 3770 fl. in golde, iden vor 18 batzen ge- rechent, gewesen. actum den 3. Oct[obris] a. 46.1).

125 gl. 10 patzen zu 15 gepuren sich noch uf obgemelte 3770 goltgl., so zu 18 patzen eingnomen und vor 181/, patzen aus- geben...

30000 gl.?) zu 15 patzen eingnomen von den chammer- rethen zu Ulm; lifferten sie mir durch Nickel Kessenern ver- moge meiner ubergebnen quitanzen und des lifferzittels hirbei. und hat der sachsisch pfennigmeister auch soviel empfangen. actum im veldlager bei Geingen den 22. Oct[obris].

1000 gl. zu 15 patzen eingnomen von den von Straspurg, die sie deın kriegsrath Ulman Pocklin uf sein dreimonats- besoldunge geben und er mich follends quitirt hat laut meiner recognition®). actum dem 26. Oct[obris] ...

308 gl. zu 15 patzen von den chammerrethen zu Ulm ein- gnomen. die haben sie ermeltem Pöcklin auch uf sein besol- dunge geliffert vermoge meiner quitantzen. und hab ich des- selben drei monatsbesoldunge ver folln in die ausgabe ge- schrieben. actum den 26. tag Oct[obris] a. etc. 46*).

29440 gl. 2!/, patzen zu 15°) von den chammerreten zu Ulm eingnomen; liffert mir Hans Fingerle. und hat der sachsisch pfennigmeister auch sovill, und Sebastian Besserer 26119 fl. 40 cr. empfangen vermoge des lifierzittels. actum den 9. No- vembris a. etc. 46.

t) Vgl. hierzu auch die Fortsetzung von Abschnitt V im nächsten Heft und die kursächsische Rechnung (Abschnitt VI) sowie die Einzel- aufstellung in Abschnitt VII, unter 2.

2) Nach der Rechnung der Kammerräte (Abschnitt II 8. 66 unter Ausgaben: „Dem hessischen camermeister‘‘) betrug diese Summe 33 000 Gulden und wurde bereits am 12. Oktober 1546 erlegt.

*) Zur Besoldung Ulman Böcklins vgl. ebenfalls die Fortsetzung von Abschnitt V im nächsten Heft und Abschnitt I, S. 52, Anm. ].

*) Vgl. über diesen und den vorhergehenden Posten Nr. 372, Anm. 9.

$) In der Rechnung der Kammerräte ist hierfür unter dem 7. No- vember dieser Betrag mit 33918 Gulden 34 Kreuzern angegeben (vgl. Abschnitt II, S. 66 Anm. 3). Der Unterschied erklärt sich wohl da- durch, daß der hessische Kammermeister oben im Text nur den Bar- betrag eingesetzt und den Wert des gelieferten Tuches außer Ansatz gelassen hat.

247

8000 gl. zu 15 patzen von den chammerrethen zu Ulm emp- fangen laut meiner quitantz. und haben der sachsisch und ober- lendisch pfennigmeister ider auch sovill empfangen. actum den 12. tag Novembris a. etc. 461).

30000 gl. zu 15 patzen eingnomen von den von Straspurg; hat der secretari Churt Speckswinckel zu Gippingen ent- pfangen und mir insleger pracht inhalt des lifferzittels hirneben. actum den 20. Novfembris] a. etc. 462).

10000 gl. gemelter werunge von den chammerrethen zu Ulm empfangen; liffert mir Martin Jacob laut quitantz. ist von den 50000 gl., so Wirtenperg geliffert, kommen; und hat der sachsisch pfennigmeister 40000 gl. empfangen. actum ut supra?).

3660 gl. zu 15 patzen hat mir der sachsisch pfennigmeister von den 8000 gl., so Wirtemperg geschickt, gelifiert; solten 4000 gl. sein. darvon hat Ponicka 300 thaler, di er m. gn. hern zum spiell will geliffert habent), abzogen und einbehalten. den 21. Novfembris] a. etc. 46.

3097 gl. 9 patzen zu 15 patzen empfangen vor 176 stuck stammet, so die hauptleut under Jorgen von Reckrots regi- ment uf ir besoldung empfangen haben, ide elen vor 12 patzen angeschlagen. und helt ider stammet 22 elen, laut hirnebener verzeichnus, dorin vermeldet, wievill ider empfangen. actum den 20. Novfembris] a. etc. 46. No[ta]: die hauptleut under Reiffenburgs regiment haben noch 50 stammet empfangen; die tragen an gelt 880 gl.; di seint inen in der letzten vergleichung abzogen worden, aber in keiner ausgab verrechent.

4500 gl. zu 15 patzen eingnomen von dem rath der stadt Frankfurt. haben sie uf rechnunge ihrer zwelf doppelmonat geliffert. und hat Erasmus von Koneritz von wegen des chur- f[ursten] zu Sachsen auch sovill empfangen ... actum den 12. Dec[embris] a. etc. 46°).

1) Dieser Posten befindet sich in der Rechnung der Pfennigmeister (nicht der Kammerräte) unter dem 11. November (s. Abschnitt III, 8. 89 unter Ausgaben: „Zu handen chur- und fursten geben‘‘).

2) Vgl. hierüber Abschnitt I, 8. 49, Anm. 3, ferner zur Auslieferung des Geldes an Speckswinkel Nr. 440, Anm. 3.

3) Dieser Posten ist in der Rechnung der Kammerräte (Abschnitt II, 8. 66 unter Ausgaben „Dem hessischen camermeister‘‘) unter dem 19. November verrechnet.

4) Über die Spielleidenschaft des Kurfürsten vgl. Kius, D. Finanz- wesen d. Ernest. Hauses Sachsen, S. 84— 85.

5) Vgl. hierzu Abschnitt IV, c, S. 236, Anm. 4.

(Fortsetzung folgt.)

Die gedruckten Schriften des

evangelischen Predigers Jakob Strauß. Von Hermann Barge,.

(Fortsetzung.) 13a (33)

« Haubtstück vnd / Artyckel Ch:isten-/licher leer widder den vnch:ystö-/lychö wuecher, darumb et-/lich Pfaffen tzu Eysse-/ nach so gar vnruwig / vnd bemühet / synt. // Laß her gehö Ch:i-/stus lebt noch: // D. Jacobus Stranß [sic!] zu / Eyssenach Ecclesiastes. // M.D.XXIII. // Die Titeleinfassung (170 : 120 mm, Schriftfeld 110:77 mm) ist eiä roher Nachschnitt der von Götze Nr. 190 beschriebenen Bordure Melchior Rammingers in Augsburg.

4%. 4 Bil. Bl. 1v und 4v leer. Keine Signatur. Am Ende: Geprediget zu Eyssenach durch D. Jacob Strauß ıc xxiij.

Die Lettern des Titels und Textes sind die gleichen wie im Druck 6a.

[Erfurt, Ludwig Trutebul; 1523.]

Berlin.

13b (34)

Haüptstück. vnd / artickel christenlicher . leer wider / den, vochrystenlychö wuech-/er, darumb etlych pfaf-/fen tzue Eyssenach so /gar vnrywig vnd / bemyet sint. // Laß her geen Christus / lebtt noch. //

4°. 4 Bil. Bl. 4v leer. Sign. Aiij. Am Ende: Geprediget tzue Eyssenach durch / D. Jacob Strausß. 23. //

Die Textlettern sind die gleichen wie im Druck Nr. 4a.

[Erfurt, Wolfgang Stürmer; 1523.] |

Berlin.

13c (35)

Haubtstuck vnnd Ar-/tickel Choistlicher leer wider den / vnchzistlichen wücher, darüb / etlich pfaffen Eysnach / so gar vorüwig vnd / bemüet seind. // Gepzedigt Eysenach durch / D. Jacob Straussen. // M.D.xxiij. // Titeleinfassung v. Dommer Nr. 154; vgl. ebenda Drucke Nr. 272.

249

4. 4 Bil. Bl. 1v und 4v leer. Sign. Aij und Aijj. [Straßburg, Wolfgang Köpffel; 1523.) Berlin.

13d (36)

Haubtstuck / vfi artickel Chzistenlicher leer / wider den vnoch:istlichen / wücher, darüb etlich / pfaflö zu Eysnach / so gar vnrüwig / vnd bemüet / seind. // Gepredigt Eysenach durch / D. Jacob Straussen. // 1523. // Titeleinfassung = Götze Nr. 146; Joh. Luther Tafel 58a. Es handelt sich um den Heinrich Steinerschen Nachschnitt der Wittenberger Bordure.

4°. 4Bll. Bl. Iv und Bl. 4 leer. Sign. ij und iij.

[Augsburg, Heinrich Steiner; 1523.)

Berlin Dresden München.

14a (37)

Das wucher zu nemen vnd gebö. / vnserm Chaistlichem glauben. vnd / brüderlicher lieb (als zu ewiger verdamnyß reich-/ent) entgegen yst, vnuberwintlich leer, vnnd gesch:ifft. In dem auch die gemolet& Euange-/listen erkennet werden. // Auch wo dz gemein geschiey auflrur, auffrur, außgehet, / am ende mit kurtzem guttem vnterscheidt angezeigt. / Ch:istus Mathei x. / Ih: solt euch nit gedencken, das ich komen sey friden zu / senden auff erden. Ich byn nit komen friden zu senden, / aber das schwert. // Paulus ad Ephes. vj. / Nempt euch zuhandö dz schwert des geistes, / das yst das wort Gottes. /] D. Ja. Strauß Ecclesiastes / zu Isennach. // M. D.XXiiij. //

4°. 28 Bll. Bl. 28v leer. Sign. aij, B, Cj, Cij, D, Dij, E, Eij, Fi, Fij, G. Am Ende Eyssennach M.D.xxiiij. / D. J. 8.

Die Lettern sind die gleichen wie in dem Druck ‚‚Eyn kurtzer begriff / der ernewten Christenlichö / leer etc.“ von Philipp Melanchthon, 1525 (Ex. Zwickau XX, VIII 18;,), dessen Titeleinfassung (= Joh. Luther Tafel l14c) aus der Druckerei des Ludwig Trutebul stammt. Ferner stimmen die großen Textlettern auf Bl. D, bis Dij unseres Druckes mit der Texttype des Druckes 6a überein. Auch O. Clemen, Luthers Briefwechsel 3, 312 weist unsern Druck dem Ludwig Trute- bul zu.

[Erfurt, Ludwig Trutebul; 1524.]

Berlin Zwickau.

14h (38)

Das wücher nemen vnd geben, / vnserm Chsistlichen glauben, vnd b:üÜderlich-/er lieb (als ewiger verdamniß reychent) / entgegen ist, vnüberwintlich leer, vnd / geschzifft. In dem auch die gemol/ten Euangelisten erkennet / werden. //

250

Auch wo das gemeyn geschiey auffrür, auffrür, / außgehet, am ende mit kurtzem güttem vnder-/scheydt angezeygt. // Chzistus Matthei. x. // Ir solt euch nit gedencken, das ich komen sey fri-/den senden vff erden. Ich byfi nit komen friden / senden, aber das schwert. // Paulus ad Ephes. vj. // Nempt euch handen das schwert des geystes, / das ist das woıt Gottes. // D. Ja. Strauß Ecclesiastes / Isennach. // M.D.XXiiij. //

4°. 24 Bll. Bl. 24 leer. Sign. Aiij bis Fiij.

Die kleine Texttype ist dieselbe wie im Druck le.

[Straßburger Druck; 1524.]

Berlin.

15a (39)

Auffrur Zwitracht / vfi Uneinigkeyt, zwischö woren / Euan- gelischen Ch:isten für zukomen, kurtz auch / vnüberwintlich leer. Einem yeden erkenner / Gottes, besünder, Allen fromen Chaisten-/lichen Fürsten vnd Landsherren not-/turfitig, vor ergangner auffrhur, / Etlichen großmechtigen Her-/ren ge- prediget, vfi auß an-/sinnen fromer Chiisten / (wienach folgt) in / truck bıacht. // M.D.XXV. // D. Jacobus Strauß / Jesu Chzisti vnd aller / Chaisten diener. // Kaufis vfi besichs biß an das ende, es wirt dir gefallen. //

4°. 12 Bll. Sign. Aij bis Cij.

Die Titellettern deuten auf Straßburg als Druckort.

[Straßburger Druck; 1525.]

Berlin Dresden.

15b (40)

Auffrür, Zwytracht vfi vn-/ainigkait, zwischen waren Euan-/ gelischen Chaisten für zükomen, kurtz auch / vnüberwintlich leer, Ainem yeden erkenner / Gottes, besunder, Allen frommen Choi-/stenlichen Fürsten vnd Landtsherren / notturfftig, vor ergangner affrür / Etlichen großmechtigen Herzen / ge- predigt, vnd auß ansinnen / frommer Chiisten (wie / nachfolgt) in truck / bıacht. // D. Jacobus Strauß Jesu / Christi vfi aller Chzisten diener / M.D.XXVI. // Kauffs vond besichs biß an das / ende, es wirt dir gefallen. / Titeleinfassung (170 : 124 mm, Schriftfeld 102: 78 mm) aus einem Stück. Unten zu beiden Seiten einer Vase je ein Paar geflügelter, Engel. In den Ecken je ein Engel, der linke eine Schalmei blasend. Auf ihnen bauen sich auf r. 3 übereinanderstehende Engel, Il. 2 (von diesen die obere Figur ohne Flügel). Oben sitzt in der. Mitte eine bärtige männliche nackte Gestalt; zu seinen beiden Seiten distelartiges Ornament.

4°. 14 Bll. Bl. 14v leer. Sign. Aij bis Diij.

251

Die Titellettern weisen auf Augsburg als Druckort hin. Die Titeleinfassung findet sich auch auf dem Druck ‚Wider den newen / Taufforden, Notwendige / Warnung .. /.. durch die diener des Euangelij zu Augspurg. // M.D.XXVII / am v.j des Herbst-/monats. // (erwähnt bei Roth, Augsburgs Reformationsgesch.? 8. 267 Anm. 123).

[Augsburger Druck; 1526.]

Berlin München Zwickau.

16 (41) (Jhristenlich vnd wolgegrun-/det antwurt vnd hertzlich vermanüg D. Ja-/cobi Strauß, Auff das vngüttig schmach-/ büchlin D. Johannis Coclei von Wenndel-/steyn, Betreffen die auffrür. // Darumb besih auch mit vleiß das ander teyl diß büchlins, So kan/stu grüntlich erkennen, was warer, ' ewiger zeitlicher frid ist, / auch die recht vısach aller auffrür vnd vneynigkeyt, zwisch/en menschen auff erden, wirt dir vnwidersp:echlich an/gezeyt. // Christus Johannis am xvj. Ca- pitel. / Inn der Welt müßt ihr geengstiget werden, / Aber seit getröst, Ich hab die / welt vberwunden. //

4°. 30 Bll. Bl.30v leer. Sign. Aij bis Hiij (der 7. Bogen hat nur 2 Bll. mit der Sign. G und Gij; die Sign. Hij fehlt). Am Ende: 1526.

Drucker unserer Schrift ist Jacob Fabri in Speyer. Denn ihre Lettern sind die gleichen wie in den bei F. W. E. Roth, Geschichte und Bibliographie der Buchdruckereien zu Speyer in Mitt. des Hist. Vereins der Pfalz Bd. 19 (1895) 8. 60f. angeführten Drucken Fabris. Insbesondere finden sich die in unserm Druck verwendeten Druckabbreviaturen für ‚ver‘ und für „en“ auch in dem (bei OÖ. Clemen, Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation Bd. 1, 313 ff. abgedruck- ten) Traktat ‚„Gesp:echbüchlein, von eynem Bawern, Be-/lial, Erasmo Roterodam, vnd doctor Jo/hafi Fabıi“ etc., der Fabris Offizin angehört, nach Ausweis der Schrift daselbst (z. B. Bl. 4a Z. 3 und Z. 20).

(Speyer, Jacob Fabri; 1525 bez. Anfang 1526).

Wolfenbüttel.

17 (42)

Wider den vnmilten Irt/hum Maister Virichs zwinglins, So / er verneünet, die warhafftig gegenwirtigkait / defs aller- hailligsten leybs vnd blüts Choi-/sti im Sacrament. Doct. Jacobi Strauß / mit ewiger warhait ablenung, vnd er-/clärung, Darinnen alle fromen ch:i/sten mit vnüberwüntdlicher er-/kant- nus der woıt Chaisti den / vergyfiten Irrthum mügen / ent-

263

weychen. // Im jar. M.D.XXVj. Mense Junij. / Margraffen Baden. //

4°. 16 Bll. Bl. 16 leer. Sign. Bij (sic! für Aij] bis Diijj.— Am Ende: Eylens Margraffen Baden. / Jesu Christi Diener, / Jacobus Strauß, / prediger zu Baden. //

Die Lettern weisen auf Augsburg als Druckort hin.

[Augsburger Druck; Juni 1526.] Berlin Dresden.

18 (43)

Das der war / leyb Christi vnd seyn / heiliges blüt, im Sa- cramöt / gegenwertig sey, richtige erklerüg / auff das new büchleyn. D. Johan/nes Haußscheyn, disem züwi-/der außgangen. // Jhesu Chzisti vnd aller glau-/bigen Diener. / Jacobus Strauß. / Markgrafi Baden. / M.D.XXVI. // Titeleinfassung = Joh. Luther, Tafel 24*, der Heinrich Stei- nersche Nachschnitt der Bordure von Nickel Schirlentz, die Steiner 1526 und 1527 verwendet hat.

4°. 38 Bll. Sign. Aij bis Kij. Am Ende: Jacobus Strauß.

Der Druck ist von Ernst Staehelin, Bibliographische Beiträge zum Lebenswerk Oekolampad in Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde Bd. 27 (1928) S. 209 als Nr. 14 aufgeführt. E. Staehelin schreibt in Briefe und Akten zum Leben Oekolampads Bd. II (1934) $. 13 Anm. 1: „Es scheinen sich in der Tat, wie Strauß in seiner Vorrede andeutet, Druckschwierigkeiten eingestellt zu haben. Viel- leicht mußte er bis zu Simprecht Sorg in Nikolsburg gehen (die Titelbordure des Straußschen Werkchens ist identisch mit der des W. A. Bd. 19, 8. 618 sub D genannten Lutherdruckes), um sein Manuskript unterzubringen.“ Wir halten uns an die durch Joh. Luthers Feststellung bedingte Bestimmung.

Strauß hat die Ausarbeitung der Schrift im Januar 1527 beendet. Denn gegen Ende derselben schreibt er Bl. Kij: „Ich hab vor fünff vierteil jars von Nüremberg mit weinen vnd seuftzen geschriben zu dir Johannes Haußschein.“ Straußens Brief aus Nürnberg vom 7. Oktober 1525 bei Staehe- lin, Briefe und Akten I 8. 394. Aber die Drucklegung ver- zögerte sich, so daß die Schrift erst im Oktober 1527 heraus- kam. Denn am 15. Okt.d. J. berichtet Oekolampad an Zwingli von ihr. Zw.s Werke IX, 284. Vergl.'jetzt Staehelin, Br. u. Akten II a.a.O.

[Augsburg, Heinrich Steiner; Januar bez. Oktober 1527.) Berlin—München.

Elf Briefe und Aktenstücke über das Beligionsgespräch er Regensburg von 1546.

Von Heinrich Nebelsieck. (Schluß.).

7. Responsio ad resolutionem colloquii a Caesarea Majestate exhibitam 26. Februarii anno etc. 46%). Tradita 2. Martii. Copie im Urkundenbuche des Grafen Wolrad von Waldeck, das Regensb. Gespräch v. 1546 betr., Wald. Archiv (Mar- burg). (Abschrift im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien.) ;

Die Protestanten fordern noch einmal das Aufschreiben der Reden. Sie wollen Julius Pflug als dritten Präsidenten aner- kennen, bitten aber auch, daß das Präsidium durch Ernennung evangelischer Mitglieder ergänzt werde. Die Forderung des Stillschweigens wird zurückgewiesen.

Exhibitas ab Imperatoria Majestate, clementissimo domino nostro, per reverendissimas et gratiosas dominationes vestras literas et articulos de ratione colloquendi, qua decet reve- rentia et submissione expendimus. Et testamur primum om- nium nos veris animis optare et quaerere, ut debitam obe- dientiam nostram, sicut in rebus aliis, ita praecipue in instituto hic colloquio approbemus, inprimis Christo domino, deinde et Imperatoriae Majestati, tum etiam vestris dominationibus ab illius majestate constitutis huic colloquio praesidibus.

Quis autem causa in hoc nobis colloquio agenda est eius- modi, ut nulla sit agenda maiore cura et religione pietas ipsa in Deum et ecclesiam eius, in ipsamque etiam Imperatoriam Maiestatem et officium, quod illustrissimis, illustribus et magnificis principibus, electoribus ac caeteris dominis et superioribus nostris debemus, requirit a nobis et poscit, ut rerverend. et gener. d. v. ac etiam clarissimo viro D. Julio Pflug, adiuncto illis praesidi(bus), quaedam de propositis nobis articulis, qua par est submissione, exponamus, quaedam etiam concedi et remitti nobis petamus, id ut reverend. et gen. d. v. velint in meliorem partem accipere et apud Imperatoriam Maiestatem, clementissimum dominum nostrum, cui plenum

254

debitae obedientiae officium praestare expetimus, pietatis et necessitatis nomine excusare, etiam atque etiam rogamus.

Primum vero eorum, quae concedi nobis, ut petamus, causa ipsa, in qua versamur et officium nostrum iubet, est, ut per reverend. et gener. d. v. liceat nobis ad ea, quae iam a doc- tissimis collocutoribus alterius partis sunt in acta relata, eadem, qua ipsi sua dixerunt et in acta contulerunt ratione, nostram cuoque responsionem totam subicere et inserendam afferre. Id enim et ipsa naturalis aequitas postulat et necessarium est ad id, ut Imperatoriae Maiestati atque ordinibus imperii afferri rite queant diiudicanda, quae a nobis in hoc colloquio vel iam sunt allata vel postea afferentur de hac summa reli- gionis christianae questione, de iustificatione nostri et salute aeterna. Meminimus quidem reverend. et gener. d. v. rationen colloquendi, quam utrinque hactenus sumus secuti, eousque tantum concessisse, dum certum ab Imperatoria Maiestate responsum acciperent, qua ipsa velit via et ratione nos in hoc colloquio versari, tamen de Imperatoria Maiestate, clemen- tissimo domino nostro, id nobis merito persuademus eam ne- quaquam velle intercidere et aboleri laborem tot dierum, certe non inutilem ad cognoscendum et diiudicandum, quae in hac prima religionis controversia de nostri iustificatione (a qua ceterae omnes omnino pendent) sint ab utraque parte allata, atque ipsa Imperatoria Maiestas hunc finem isti collo- quio praestituit in ipso decreto Vuormatiensi, ut omnia eius acta eo accommodentur, quo ipsa Imperatoria Maiestas et ordines imperii facilius possint statuere de compositione et conciliatione omnium controversiarum religionis.

His igitur de causis, quod id et per se aequum sit et insti- tutae actioni perutile, et nos nostram responsionem absolvere confidimus Imperatoriam Maiestatem reverend. et gener. d. v. tam amplam ad gubernandum hoc colloquium dedisse pote- statem, ut ıllae hanc tam aequam et necessariam causae Christi petitionem admittere citra obletionem (oblationem ?) officii sui facere possint.

Quis enim non admodum grave et Imperatoriae Maiestatis clementiae ingratum iudicaret non concedi nobis, ut plenam nostram responsionem in acta conferamus ad ea, quae d(omini) collocutores alterius partis iam in actis habent, maxime cum ea talıa sint, ut ecclesias nostras et nos una cum principibus et superioribus nostris non levi gravatura sint invidia et pressura non contemnenda iniuria, si non iusta illis responsio a nobis subiciatur. Praeterea, cum agnosceremus esse in officio nostro ea in hoc colloquio afferre omnia, quae eo conductura merito credamus, ut controversiae religionis in comitiis, quae instant, componantur, retulimus articulum de iustificatione, in superiore

255

colloquio hic habito conciliatum, cum praeiuditiis, testimoniis, consiliis et petitionibus de eius conciliatione Imperatoriae Maiestatis, principum, electorum, ordinum protestantium et collocutorum in eo colloquio, clarissimi viri D. Julii Pflug et Joannis Gropperi?®), ac petivimus, ut illa omnia actis insere- rentur, eo nimirum ordine, ut sunt a nobis inter agendum reci- tata et acta.

Constitutum (enim?) a reverend. et gener. d. v. (ita ut vel ipsa poscebat) fuit et notariis iniunctum, ut quae utrinque afferrentur, actis omnia fideliter inscriberentur. Jam non dubi- tamus reverend. et gener. d. v. ipsas hoc agnoscere illum ipsum articullum cum suis praeiudiciis et testimoniis multo commodiorem materiam fore Imperatoriae Maiestati et ordini- bus imperii ad statuendum de plena religionis in Germania consensione, quam nos in hoc colloquio adhuc intra aliquot menses sumus comportaturi. Qualia enim eius fuisse (nt) initia reverend. et gener. d. v. viderunt, arbitramur et ipsas metuere, ne ex hoc colloquio materia existat maiorum cer- taminum in hoc quidem articul».

Tertio loco ostendemus rerend. et gener. d. v. omni cum submissione et ex inevitabili necessitate officii nostri erga Deum et superiores nostros, quae in articulis novis ab Impera- torıa Maiestate allatis suscipere possimus et de quibus petamus fieri allgquam remissionem. Quod itaque ad primum arti- culum ab Imperatoria Maiestate allatum attinet, in quo memo- ratur, reverend. et gener. d. v. adıunctum esse praesidem huius colloquii clarıssimum virum D. Julium Pflug?”), nostris quidem personis non ingratum est, quam multos Imperatoria Maiestas vestris, Teverend. et gener. d. v., praesides colloquio adiungat. Mallemus enim, ut saepe testati sumus, hanc causam evangelii Christi, quod praedicari debet omnı creaturae, agere coram omnibus s. imperii hic proceribus et ordinibus.

At vero, si optemus adiungi in ordinem praesidentium etiam aliıquem nostrae confessioni adıunctum, non videmur optare aliquid iniqui, quandoquidem colloquium hoc esse debeat amıcum et ad id conducere, ut in futuris comitiis Imperiatoriae Maiestati et ordinibus imperi idonea afleratur materia, cunctas de religione controversias conciliand. Quam enim magna pars et electorum et caeterorum principum, comitum et rerum public(arum) huic nostrae (gratia Domino) confessioni ad- haerent, notum est. Quamvis autem ipsi Caesareae Maiestati, quot vel quales praesides sua maiestas huic colloquio velit adiungere, nullum modum nec debeamus nec possimus prae- scribere, et inde etiam clarıssimo viro D. Julio Pflug propter suam singularem eruditionem locum inter praesides colloquii huius non invidemus, quantum ad nos quidem attinet, sed

humiliter illam adiunctionem a Caesarea Maiestate, domino nostro clementissimo, factam admittimus. Nolumus tamen per hoc quicquam praeiudicare illustrissimis et illustribus principibus nostris, si quid habeant, unde debeant huic adiunc- tioni interoedere.

Quod vero ad secundum articulum pertinet de adiunctis, duo(s) tantum in collogquium adduximus, et nunc tertius, M. Vitus Norinbergensis®), advenit, ultra quem numerum alium nullum adducemus. ÖOramus igitur, ut hi tres a collo- quio non excludantur. Cum enim Imperatoria Maiestas con- cedat, ut hi vicem gerant consultorum atque ita de actis in colloquio cognoscant, ac etiam, si alicui collocutorum quid accıderet, ei ex his in ordinem collocutorum aliquis sufficiatur, quid possit esse incommodi, etiamsi perpetuo colloquio inter- aint, maxime, ut audiant tantum, non loquantur? Hoc certe

consulere collocutoribus ınelius poterunt.. Ad haec si duo hi, qui adsunt et hactenus a colloquio remoti non fuerunt, nunc removeantur, id certe sine aliqua nota eorum fieri haud poterit. Denique causa haec salutis nostrum omnium sic est, ut merito plures tales ad actionem hano debeant admitti.

Quae tertio et quinto continentur articulo de notariis et eorum officio, ea ut nobis admodum gravis sint, causas, reve- rend. et gener. d. v. etiam ante hac exposuimus. In proroga- tione Vuormatiensi videınus clare hunco unum finem huic colloquio esse praefinitum et scimus eius unius gratis nostros principes et ordines, ut tale colloquiam institueretur, con- sensisse, nimirum, ut in hoc colloquio materia idonea Impera- torise Maiestati et ordinibus imperii pararetur, de omnibus religionis controversiis commodius et cognoscendi et statuendi, veramque et plenam de his constituendi. Ad hoc vero necessa- rium esse quivis facile agnoscit, ut rationes et argumenta utrinque allata, praesertim in controversiis, Quae Componi non poterunt, non summatim tantum nec seorsim, sed exactius et iuxta se collata, ita ut ea in colloquio utrinque contigerit afferri, conscribantur et Imperatorise Maiestati et ordinibus diiudicanda deferantur.

Hanc: rationem observari videmus tam diligenter in litibus illis forensibus, quae de rebus aguntur apud christianuın qui dem hominem, cum his nostris controversiis, quae sunt de religione, nullo modo conferendis. Valde autem indignum foret has causas, quibus continetur aeterna omnium hominum salus, quibusque agitur gloria omnipotentis Dei, tractari negligentius quam tractari soleant disceptationes de rebus

At si debeant argumenta utrinque conferenda et ea modo, quae ad diiudicandas has religionis controversias sunt omnino

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cognitu necessaria, recte et ordine oonscribi, opus erit notariis harum rerum peritis. Nec videmus, quaenam possit causs adferri, dum finem eum sectamur in hoc colloquio, quem proro- gatio Vuormatiensis praescribit, cur indignum vel inutile iudi- cari queat id utrique parti in hac causa permitti, quod tamen videmus concedi partibus in minimi momenti litibus, ut scilicet utraque pars collogutorum suos notarios notariis a reverend. et gener. d. v. deputandis adiungat? Quod tamen nos non eo urgemus, quod notariis, quoscunque reverend. et gener. d. v. huic colloquio deputa(ve)rint, non satis habeamus fidei, sed ut res hae divinae ac etiam tam multiplices et non a quo- vis perceptu faciles excipi queant et conscribi, si non pro dignitate tamen pro necessitate tantae causae et tot ecole- siarum Christi.

Porro, ut reverend. et gener. d. v. permittant per scientes causae notarios saltem necessaria ad iudicandas controversias religionis argumenta, quae in hoc colloquio utrinque adferentur, conscribi omnia, non parum certe movere eas debet exemplum veteris ecclesiae, quod et ante hac apud reverend. et gener. d. v. adduximus. Constat enim sanctissimos illos episcopos causas religionis egisse et fide summa et peritia atque dex- teriste singulari. Illi autem, cum controversias religionis ex- cuterent, sive in conciliis sive in collationibus cum certis tantum hominibus, curaverunt semper ultro citroque dicta .religiose omnis excipi a notarlis, etiam ubi non tanta contentione pugna- ‚batur, quanta nunc, proh dolor, pugnatur. De hoc vero ve- teris ecclesiae instituto testantur acta d. Augustini cum Donatistis®).

Constat etiam, quod imperatorii et regii commissarii passi sunt in colloquio Vuormatiensi?®) notarios actis excipiendis ab utraque parte adhiberi, id causae profuisse. Et quod in colloquio Augustano et eo, quod hic celebratum est proximis superioribus comitiis?!), non fuerunt adhibiti notarii, qui omnia utrinque dieta conscripeissent, causae obfuisse adeo sane, ut in superioribus comitiis hic celebratis clarissimus vir D. Julius Pflug et Gropperus coacti sint se publice purgare contra ca- lumniam Eccii**), qui publico scripto et eo principum concilio oblato ausus fuit negare, quae in colloquio cum collegis suis :conciliaverat. Ita etiam intentata est Hagenoae?®) et nunc in hoc colloquio iterum non vulgaris calumnia colloqutoribus nostris Augustanis de voce (Sola), quam quidam dicere ausi sunt fuisse a nostris concessam colloqutoribus partis adversae, cum constet in eo colloquio nihil omnino fuisse vel concessum vel conciliatum, sicut etiam nullos ei colloquio fuisse adhibitos notarios, denique etiam in ultima parte actorum, quae nobis obiiciuntur, adscriptum sit: Eccius contraxit, cuius notarii

Archiv für Reformationsgeschichte. ZXXII. 3/14. 17

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fides contra nostros quidem quanti fieri debeat, pauci igno- rent.

Quod autem metuitur, ne hoc pacto acta frustraneis dis- putationibus onerentur, collocutores, si volent, facile vita- bunt, ut autem velint, praesto est reverend et gener. d. v. autoritas. Singulae enim quaestiones sua certe et finita habent argumenta, praeter quae, si nihil ingeratur et si singulis argu- mentis suae Tesponsiones et his suae idoneae replicae subiician- tur, poterunt sane causae omnes excuti breviter, nec metuen- da erit vel perturbatio agentibus vel confusio iudicaturis acta, de quibus queri d. colloqutores alterius partis nuper audivi- mus. Nihil enim horum incommodorum veteribus sanctissimis patribus obstitit, quominus dilucide breviter et certo utilique ordine causas religionis hac via et ratione excuterent et definirent. Nec igitur obstabunt nobis, nisi ea accersere ultro velimus.

His de causis per Christum et ecclesiam eius reverend. et gener. d. v. obnixe rogamus et obsecramus, ut et ante fecimus, ne velint institutos iam notarios a collationibus huius colloquü removere vel rationem acta excipiendi omnia mutare. Nam ea ratione, quam obtulimus etiam subinde, absque exceptatione notarıorum colloqui non detrectabimus.

Quae quarto articulo insunt de silentio tam anxio, quo acta omnia colloquii contineri debeant, et iureiurando, quo silentium hoc sanciri oporteat, adeo, ut nemini mortalium referri quicquam possit de actis colloquii, donec eius potestatem fecerit ipsa Imperatoria Maiestas, haec sane a nobis sine per- missione principum et superiorum mostrorum admitti non poterunt, sicut ea cum causa, quae agi debet incepto colloquio ipsaque Vuormatiensi prorogatione atque forma iu prioribus colloquiis observata minime videntur esse consentanea. Quod rogamus intelligi a vobis necessitate officii dictum esse, non ut praescripto Imperatoriae Maiestatis quicquam detrahamus.

Quid enim hoc colloquio tractarı debet quam ipsum evan- gelium Christi, quod ipse Dominus iussit annunciare omnibus hominibus, et quae de his rebus dicta sunt in aurem, praedi- care de tectis? Qua propter causae istae agı olim solebant coram omni fideli populo, idque eo certe tempore, quo quae religionis sunt, quam optime in ecclesiis gerebantur. Lucem enim querebant filii lucis. Cumque nos collocutores simus administri evangelii Christi et publici concionatores nec aliud debe(a)mus tractare in ipsis concionibus quam ea ipsa, de quibus est agendum in praesenti colloquio, quomodo queat fas esse nobis silentium ıurare tam exactum de rebus, quae in hoc excutiendae sunt colloquio.

Praeterea sumus nos omnes et collocutores et auditores pariter obstricti nostris principibus et superioribus, ne quid eos ce-

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lemus earum maxime rerum, quae illorum intersunt. Jam nihil magis interest ad salutem ipsorum atque ea, quae tractari debent in hoc colloquio. Id etiam mandatis suis a nobis sin- gulari iussione requirunt, propterea quod summa eos urgeat necessitas acta colloquii diligenter cognoscere et expendere in tanta praesertim causs antea quam in conciliis sententiam de iis actis dicere oporteat. Antea promisimus nos, quae in colloquio dicerentur et agerentur nolle effutire, nolle spargere ea inter homines aut cuiquam de illis, cui id non deceret, ali- quid revelare. Atque concedi nobis rogavimus, idque etiam reverend. et gener. d. v. nobis pro sua aequitate et nostra necessitate concesserunt, ut liceret nobis principibus ac superi- oribus nostris, cum res posceret, ea de actis colloquii exponere, propter quae ipsi nos huc miserunt et quae ad ipsos maxime pertinent, quaeque etiam, ut eis significemus, mandatis in hoc datis requirunt.

Tantundem adhuc concedi nobis oramus, id quod et causa haec religionis sua natura postulat, et officii quoque nostri religio requirit, tantumdemque silentii praestaturos nos in- vicem reverend. et gener. d. v. recipimus. Religio iurisiurandi fit nobis merito maximi, sunt autem res in colloquio tractandae, quae in sermonibus vere christianorum hominum versari semper debent, tam publicis quam privatis, quocirca possit facile accidere, si silentium de actis colloquü iureiurando pro- mitteremus, emanasse per nos ex colloquio aliquid putaretur, quod vel alias ex ipsa tam populari causa promanasset, vel esset etiam elatum per alios, ac ita in infamiam periurii trahere- mur, qua nulla magis est hominibus defugienda atque cavenda, cum ab ea culpa abessemus quam longissime.

Monuimus reverend. et gener. d. v. et ante hac esse ali- quoties delata ad nos de actis colloquii, quae non nisi ab iis, qui ei interfuissent, narrari potuerunt. Iam ob culpam alienam notarı nos violati ıurisiurandi nobis merito habetur intolle- rabile, ac ideo est id modis omnibus cavendum.

Testati etiam aliquoties sumus accepisse hoc in mandatıs a principibus et superioribus nostris, ne a prorogatione Worma- tiensi in hoc colloquio uspiam recederemus, nec dubitamus Imperatoriam Maiestatem, clementissimum dominum nostrum, admonitum ıd a nobis non requirere. Iam consiat non solum nihil in ea prorogatione de hac silentii tam anxia et iuranda promissione expositum, sed eam etiam formam amici et christiani colloquii esse praescriptam, cum qua, quantum nos quidem videre possumus, tam sollicita et religiosa silentii obli- gatio non bene congruere potest.

Postremo nunquam exspectarunt hoc nostri principes et superiores, ut in hoc adeo amico et christiano colloquio deberet

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silentium sctorum exactius a nobis requiri quam in prioribus colloquiis requisitum fuerit.

His itaque de causis oramus et obsecramus reverend. d. v. per ipsam iurisiurandi religionem, ne velint a nobis hoc iura- mentum exigere, quod etiam per iuramenta, quibus addicti sumus voluntati principum et superiorum nostrorum, praestare nos non lioet.

Quinto articulo remittit quidem Imperiatoria Maiestas nobis relationem dictorum et actorum utrinque in oolloquio. At in prorogatione constituta ab Imperatoria Maiestate cum oon- sensu nostrorum principum et superiorum diserte id nobis iniunctum est, ut Imperatoriam Maiestatem et ordines imperii in oomitiis edoceamus de omnibus actis colloquii, quocunque illa modo acta fuerint. Sic enim habent verba prorogationis, Et ut hoc nobis non esset adeo clare iniunctum in decreto

rorogationis, quod commune conventum est Imperatoriae iestatis, clementissimi domini nostri, et nostrorum prin- cipum et superiorum, tamen id res ipsa poscit, si quidem debeat de tantis controverslis fieri in conciliis certa et salutaris diiu- dicatio. Proinde petimus adhuc, si id admitti ullo modo possit, ut acta, sicut ooeptum est, uti et supra petivimus, conscri- bantur omnia. |

Haec sunt, quae nos in allatis ab Imperatoria Maiestate articulis premunt, quaeque, sicut causae ipsi, quae agenda est in colloquio, minus videntur consentanea, ita etiam a nobis admitti partim salvo officio nostro partim sine incommodo causae et nostra inutili molestia non possunt. Quae reverend. et gener. d. v. ideo volumus exponere et ab illis, ut his nos incommodis sublevent, cum omni submissione orare, quod ab Imperatoria Maiestate (si quidem ex literis imperatorlis nuper lectis recte intelleximus et meminimus, quae illis Imperatoria Maiestas mandata dedit) facta ipeis potestas sit, quae incide- rint incommoda colloquio instituto, pro sus prudentis et authoritate amoliendi et corrigendi.

Adducturi eramus causas petitionum nostrarum plures, sed cum in his novis articulis eadem omnino nobis rursus propo- nuntur (proponantur), quae initio nobis sunt ab ipsis reverend. d. v. proposita, non est visum plurihus ostendere, cur quaedam admitti a nobis non possint, quaedam remitti nobis iure pe- tamus, cum id ante hac ipsis reverend. et gener. d. v. abunde demonstraverimus. Porto, quia veremur, ne reverend. et gener. d. v. ab Imperiatoria Maiestate non tanta facta sit potestas, ut queant submovere incommoda a nobis commemo- rata omnia, nos autem nullam omnino causam dare velimus interpellandi et differendi colloquii (quantumvis collocutio illa per trıduum sine scripto habita haud magnam nobis spem

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faciat aliquid singularis utilitatis referendi ad ecolesias Christi, siquidem ea vis colloqui debeamus, quam per triduum tente- vimus) visum est exponere reverend. et gener. d. v. simpliciter, quanam ratione colloquium abeque exceptione notariorum (nostro tamen id nomine tantum, non principum et superiorum nostrorum, de quo diserte protestamur) inire tantisper possu- mus, dum principes et superiores nostri nos de sua voluntate,

ad hanc rem attinet, reddiderunt certiores; quam primum enim referre ad eos eas res statuimus.

Constat autem ea ratio his conditionibus: Primum, ut reverend. et gener. d. v. una cum adiuncto praeside velint nobis, ut ipsa natura sequum et iustum esse iudicat, permittere ut, sicut et superius rogavimus, pergamus dictando respondere ad ea omnis, quae & collocutoribus alterius partis in acta relata sunt contra confessionem nostram, et ad quae nostram res- ponsionem nondum in acta contulimus. Deinde, cum nobis per mandata nostra omnino non liceat consentire, ut noster notarius ab actis removeatur, petimus, ut reverend. et gener. d. v., postquam tamen Imperatoria Maiestas ipeis in manus posuit delectum facere notariorum, dignentur nostrum no- tarıium D. Johannem Pistorium, vel si alıum ex iustis causis ipeis praesentemus, unum ex illis constituere, quos ipeae deli- gere ad hoc munus mandato imperatorio debent; nemo enim id non aequissimum iudicabit, cum amicum hoc oolloguium esse debeat, ut reverend. et gener. d. v. vel unum notarium ex nostra parte deligant.

Tertia conditio haec est: Nisi scripta illa, quae debent, ubi controversiae inter collocutores componi non poterunt, & collo- eutoribus utrinque conscribi, nihil collatura esse ad id, ut ab Imperatoria Maiestate et ordinibus imperii de controversiis ipsis possit in comitiis certius et facilius cognosci et iudicari, nisi ita conscribantur, ut utriusque partis rationes iuxta se componantur. Petimus igitur, ut in componendis his scriptis iste ordo servetur.

Ubi caput aliquod confessionis nostrae excussum fuerit familiari colloquio et Dominus non dederit in eandem de eo sententiam convenire, ut tum collocutores alterius partis, ut qui nostram confessionem reprehendunt, sus contra eum, de quo tractum sit articulum confessionis nostrae argumenta conscribant et nobis offerant, ut et nos ultimas nostras re- sponsiones eorum postremis obiectionibus subiiciamus, eodem, quo ipsi ordine pierint (petiverint), ut ita clare possit perspici, quae nos responsa ad singula illorum obiecta retulerimus.

Hanc rationem natura duce servant recte constituta iuditia in causis profanis, quanto magis igitur admitti haec ratio debet in his causis divinis et tam amplis atque tot involutis dispu-

tationibus. Et hanc ipsam etiam rationem praescribit man- datum Imperatorise Maiestatis de forma et modo colloquiü habendo. His verbis confessionis singula capita discutiantur et inter colloquehtes agatur, quid in ea recipiendum, quidve reiiciendum eis videatur, ut relatio fiat maiestati ipei et statibus. Cum autem nos asseramus omnia in confessione Augustana recipienda, ergo illis initio ostendendum est solidis argumentis et scripturis, quae recipi non debeant. Et sane, si non hoc modo parari debeant agitatis contro- versiis scripta adversaris, ut singulis obiectis singula re- sponsa eodem ordine componantur, sed debeat utraque pars sua perscribere per se et quo ipsa velit ordine, multae inci- dent caecae pugnae et frustraneae cum reprehensiones tum defensiones, nec etiam vel nos nostra vel pars altera sua dog- mata melius aut explicabit aut defendet, quam pridem multis publicis scriptis factum sit, adeo, ut si non placeat admitti viam et rationem, quam nos petimus, quamque in omnibus iudiciis ipsa naturalis prudentia sequitur, praestiterit certe Im- peratorise Maiestati et ordinibus imperii ea ipsa, quae ante hac de his controversiis ab utraque parte edita sunt, offerre quam nova Componere.

Quartam conditionem hanc petimus, ut reverend. et grat. d. v. cum adiuncto praeside efficere velint, ut domini collo- cutores alterius partis certos et quam poterit fieri simplices articulos nostrae confessionis desumant et primum omnium a nobis audiant et singularum vocum et universi cuiusque arti- culi interpretationem, ut eis ante de nostra sententia certo constet quam eam incipiant oppugnare. Tum, wubi probe cognoverint, quae sit nostra sententia, si eam reprehendendam existimant et unum tantum argumentum atque ad ıd statim et nostram audiant responsionem, quae si eis non satisfaciat, reprehendant eam et rursus uno duntaxat argumento, ad quod et nostram responsionem mox admittant. Haec est vere dia- lectica colloquendi et verum in qualibet causa inquirendi via et ratio, ut norunt omnes eruditi, quam nemo potest non libenter sequi, qui quidem optet veritatem non obscurari et implicari, sed illustrari et explicari.

Quinta conditio est, ut reverend. et gener. d..v. cum adiuncto praeside satis habeant de fide silentii, quam et antea et nunc iterum obtulimus, nam iuramentum facere, de quo est quartus articulus schedae imperatoriae, nobis sine certo permissu nostrorum principum et superiorum, ut testati ante sumus, non licet. Nec videmus ullam esse causam in hac maxime (maxima?) tractatione evangelii domini nostri Jesu Christi, quod ex aequo pertinet ad christianos omnes, cur tam anxium silentium requiri debeat, nec :-rte potest is collocutor petere,

ut quae in hanc causam attulerit, adeo celentur, qui sibi conscius sit velle se adferre, quae Christi sunt.

Sexta oonditio est, ut acta in loco consueto serventur, ea ratione, quae iam inita est; nec enim debent in alium finem acta haec servari, quam eum, qui est in prorogatione prae- scriptus, ut serviant scilicet relationi faciendae in comitiis Imperatoriae Maiestati et cunctis ordinibus imperi. lam reverend. et gener. d. v. ipsae vident has omnes conditiones, quas petimus, esse plane partim necessarias, partim perutiles ad hoc, ut controversise religionis in instituto colloquio sio excutiantur et tractentur, ut aliqua inde possit Imperatorise Maiestati et ordinibus imperii aflerri commoditas solidam de religione consensionem per Germaniam in comitiis querendi et constituendi, qui unus finis est totius colloquii, ut clare docet prorogatio Wormatiensis, cuius etiam unius gratia nostri principes et ordines in colloquium hoc consenserunt.

Cum itaque nos hisce conditionibus ad colloquium offeramus (quod tamen non principum nostrorum, sed nostro tantum nomine facimus, nec volumus has conditiones ultra ratas habere, quam mandata nos iusserint nostrorum principum et superiorum, de quo iterum protestamur), nulli sane pii et recti iudicii homines aliud nobis tribuere, ubi cognoverint, quibus nos conditionibus ad colloquium obtulimus, poterunt quam verum studium et vere paratum animum in coepto colloquio pie et utiliter progrediendi.

Christi itaque domini et supremi iudicis nostri et piorum omnium iuditio freti his ipsis, quas commemoravimus, con- ditionibus ad progrediendum in colloquio nos offerimus. Nam, ut non respondeamus ad ea, quae contra confessionem nostram iam in actis sunt, aut ut nullum ad acta notarium habeamus, aut ut iuramento silentii, quale est propositum, nos obstrin- gamus, aut ut acta aliter quam coeptum est serventur, in haec quatuor consentire nobis per mandata principum et superiorum nostrorum, quae iam habemus, nullo modo licet, quod reverend. et gener. d. v. diserte statim exponere volumus, ne inutilium inter nos disputationum materiam praebeamus.

Et haec omnia velint reverend. et gener. d. v. ita a nobis accipere atque interpretari, ut quae synceris animis et vero studio inquirendam et constituendam consensionem religionis veraque erga Imperatoriam Maiestatem pietate atque digna etiam erga v. reverend. et genr. d. observantia afferimus, adacti ad omnia pura religione tantae causae, quae agitur, nostrique in omnibus officii. Debitam enim obedientiam Im- peratoriae Maiestati, clementissimo domino nostro, et reverend. et gener. d. v. a Maiestate eius constitutis praesidibus prae- stare quam plenissime percupimus.

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8. Die protestantischen Abgeordneten an den Kurfürsten von Sachsen und den Landgrafen von Hessen. 1546 März 13 (Freitag nach Estomihi) Regensburg®?). Abschrift in dem Urkundenbuche des Grafen Wolrad von Waldeck, das Regensb. Gespräch 1546 betr. Wald. Staatsarchiv (Mar- burg.

Ausführlicher Bericht über den bisherigen Verlauf des Religionsgesprächs und die gegenwärtige Lage. Die Verfügung des Kaisers vom 3./25. Februar und die Stellungnahme der Protestanten. Bitte um Abberufung.

Durchleuchtigster, durchleuchtigen, hochgebornen fursten! Euer Chur- und F. G. seint unser demutigs gebet zu Got und pflichtige, auch willige dienste alle zeit mit hochstem vhleiss zuvoran bereidt. Gnedigster und gnediger her! Dieweil wir alle, auf diesem colloquio versamblet, von E. Chur- und F. G. dozu berufen und verordnet, hat uns unsers bevelichs und tragenden ampts halben unsers erachtens gepuren wollen, E. Chur. und F. G., beiden unsern gnedigsten und gnedigen herren, semptlich underthenige anzeigung und vermeldung zu- thun, was dieses colloquii gelegenheit, was dorin biss anher gehandelt, was auch weiters dovon zu hoffen, domit E. Chur. und F. G., durch unsere underthenige schrifit von den sachen bericht, sich desto fuglicher zu beratschlagen und was uns ferner zuthun uns bevelich thun mochten. Bitten derwegen, E. Chur und F. G. wolle diss unser underthenigst schreiben gnediglich vernehmen.

Erstlichen, do wir alhie semptlich ankomen und vernohmen, was von personen dess andern theils zu präsidenten, auditoren und colloquenten verordnet, haben wir, das was nutzlichs in diesem colloquio ausgericht solt werden, wenig hoffnung haben kunden, dweil beide keyserliche presidenten sich zu der gegen- lehr und haltung ofientlich und gentzlich bekennen und auch von denen stenden seind, wilche zu Wormbs, das ein collogquium gehalten werden solt, nicht bewilliget. Deshalben haben wir auch im werck befunden, das es ein blind und onrichtig collo- quium sein wurd.

Der colloquenten halben, wie wir dieselbigen zuvor erkennet, wer wol zu bedencken gewesen, ob man sich mit solchen solt in ein colloquium begeben, wan sie nicht von Key. Mat. selbs zum colloquio verordnet. Dan wir wol gewuest, das sie nicht nach meldung der wormbischen prorogation guter gewissen, schiedliche, ehrn und fridlibende leut gewesen, sondern die ergsten feinde der reinen lehre dess evangelii, welche zuvor in ihren predigten und schreiben auf das aller gifftigst und hefftigst unsere des h. evangelii lehr geschendet, gelestert und ver- daınpt haben, und das sie, wie der sophisten art, kein concili-

ation noch vereinigung (wie wir dan auch bald im anfang dieser sachen erfaren), sonder allein zanck und grosser dissen- sion, dan vor yemals gewesen, suchen und erwecken wurden.

Diess alles, wiewol wir es zuvor gesehen, das wenig nutzs aus diesem colloquio entstehen und erwachsen wurde, jdoch haben wir nicht gewuest, wie wir fuglichen zuvor on E. Chur. und F. G. bevellich dieses colloquium abschlaen mochten, und uns also dorin begeben mussen, domit wir nicht vor ungehorseam oder vor die, welche das colloquium scheueten, geacht wurden.

Zum andern. Do nun die handlung angangen und von den key. präsidenten erstlichen vorgeschlagen, dass sie allain nach ihrem gevallen und ihres theils zween notarien verordnen und die acta verschliessen, auch niemants copien und abschrifft dovon geben wolten, und alles heimlich gehalten werden solt, ist uns die sach sovil verdechtiger worden. Dan wir aus allerley anzeigung nicht geringe sorge getragen, das die presidenten gar wenig ohne vorwissen und vhleicht auch bewilligung der gegen colloquenten, welche der Malvenda regiret, handeln oder zugeben wurde(n). Derhalben wir unseren von E. Chur. und F. G. entpfangenen bevellich nach ihn solchen ersten vor- schlag der notarien, der verschliessung und verhaltung der acta nit haben wollen noch sollen willigen. Und ist die sache entlich dohin gericht, wie derselben gesandten Euer Chur. und F. G. zuvor underthenige vermeldung gethan, daß biss auf Key. Mat., ihres und Euer Chur. und F. G. unsers theils resolution das colloquium solte nicht dergestalt angefangen werden, das auf beiden theilen notarii verordnet, das die acta in gewarsam- keit eines erbarn raiths alhie gehalten wurden (wie E. Chur. und F. G. zuvor aus den uberschigkten schriften verstanden), jedoch mit angehefiter protestation, das wir E. Chur. und F. G. hiemit nichts wolten begeben und von allem notturfitigen bericht zu jder zeit zuthun uns vorbehalten haben.

Zum dritten. Do nun im anfang die keyserliche proposition uns vorgelesen und abschrifit dovon gegeben, auf was weiss und form und von welchen articuln das colloquium solt ge- haltden werden, und nemlich das wir die articul unser con- fession solten nech ihrer ordnung erwegen und dorvon handlen, was in derselbigen anzunehmen oder nit, haben des andern theils colloquenten von stunden an den articulum justificationis und von guten wercken auf die sophistische monichsche und alte schullerische art angefangen zustreiten und am end die summa ihrer lehr de justificatione und bonis operibus in kurtze propositiones oder articulos gezogen, welche E. Chur. und F. G. neben den andern actis uberschigkt, in welchen ye schrecklich zuhoren, das sie widder die helle und wahrhafftige gschrifit Gottes leren und erhalten wollen, das der mensch nicht allain

durch die gnad Gottes und den verdinst unsers herren Jesu Christi, sonder auch aus verdienst der hoffnung und lieb ge- recht und selig werden, item, das der werckloss glaub, den Sanct Jacobus doch heisset (sic! ?), ein warer christlicher glaub sey und ein christen mache. Zum andern, das sie auch leren, das niemands der vergebung der sunde gewiss sein, sondern doran zweiveln soll. Zum dritten, das sie leren, wen der mensch vergebung der sund hab, so kund er aus gnaden Gottes das gesetz erfullen, das er Got und dem nechsten thu und gebe, was er schuldig sey. Zum vhierten, das die guten wercken unser rechtfertigung gantz und vollkomen mache und das ewig leben verdiene, welchs ye gewisslich niemants, dan allain durch den verdienst unsers heilands Christi Jesu erlangen kan, wie wir dan (Gott sei lob) das aus gewisser und heller schrifft wissen.

Item, das sie leren, der mensch sol sich zum teil auf des herren Christi, zum teil auch auf sein eigen verdienst und werck verlassen.

Diese ihre gotslesterische und verfurische lere haben wir nach der gnaden Gottes zum mehrer theil im colloquio verlegt, wie das die acta bezeugen. Das uberige wollen wir auch mit Gottes hielf auch verlegen durch eigne gschrifft, wo uns nit solt vergunt werden, solchs in die acta zubringen, welchs wir nun zum offtermals von den präsidenten begert, aber noch nicht haben erlangen mugen, nachdem ihne die keyserliche resolution zukommen. Auf das aber sie, das gegentheil, desto besser zugswinnen und zu underrichten weren, domit man zu einer vereinigung in diesem artickel, dovon nun sovil dissputirt, entlichen komen und wir auch auf beiden seitten gewisser einander verstehen mochten, ist vor gut angesehen, das man ohn schrifft ein freuntlichs gesprech von diesem artickel halten solt.. Haben derwegen drey tag mit ihnen ohn schrifft under- redung und disputation gehalten. Aber die gegencolloquenten haben sich drey tag, und auf den dritten vornemblich der Malvenda, so gar streittig und bitter widder die warheit Christi vernehmen lassen, das uns auch die präsidenten zu solchem freien gesprech weiter nit haben anhalten wollen.

Wie aber nun dem allem auf solches practicirt oder ongfer also geschehen, sein den dritten tag nach solcher gehaltner disputation Key. Mat. brief und resolution an die hern präsi- denten und an das gantz colloquium vorgelesen, welcher copien sampt unser dorauf antwort wir E. Chur. und F. G. zum theil schon ubersendet, zum theil hiemit ubersenden.

Nach solcher den key. präsidenten von uns schrifitlich uber- gebenen antwort ist zum offternmal bey uns durch die hern präsidenten suchung geschehen, das wir der key. resolution

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gehorsam leisten solten. Wir sind aber alle zeit auf unser schrifftlich ubergebene antwort verharret. Derhalben diss der keyserlichen präsidenten entliche antwort gewesen, das sie solchs an Key. Mat. muessten gelangen lassen. Domit aber die hern präsidenten, auditorn und colloquenten dess andern theils nicht gedechten, das wir das colloquium auffzuschieben ursach geben, wir auch mittlerweil nit mussig und vergeblich uncosten trieben, haben wir uns erbotten, in dem colloquio (so fern die key. präsidenten wollten) furzuschreiten und erstlichen von einem itzlichem artickel nach der ordn unser confession, wie auch von Keyserlicher Mat. bevellich geschehen, mit ine zuunderredden und disputiren, und so Got geben wolt, das ein articul vergliechen wurde, das dovon ein gemeine schrifft von beiden theilen gestelt und gefasst wurd, wo aber ein artickel nicht vergliechen, das alsdann ein jlichs theil dem andern sein argument und grund ubergebe und dorauf widderumb kurtz antwort gegeben werden solte, jdoch mit der condition und gestalt, das erstlich alles, dovon Key. Mat. resolution meldung thut, suspendiret, und do Key. Mat. und E. Chur. und F. G. diesse solche unsere mitlerweil gescheen gesprech ratificıren und ihnen gevallen lassen wurden, so wer solche arbeit schon gescheen, und wurde also der zeit und un- costen gesparet und verschonet. Do aber solchs Key. Mat. und Euer Chur. und F. G. nit gevellig, solt solche disputation nichts gelten und aufgehoben sein. Und hetten wir uns mitler weil also mit ihnen versucht und jder dess andern sin und glauben besser eingenohmen.

Wir haben aber von den keyserlichen präsidenten entlich vernohmen und den bescheit erlangt, das sie ihres nechsten von Keyserlich. Mat. entpfangenen bevellichs halben nicht bedacht, in solchem von uns vorgeschlagen colloquio zu präsidiren, sonder haben vermeldet, das sie ihne unsern vorschlag so fern gevallen liessen und sehen vor gut an, das wir selbs mit den colloquenten dess andern theils als fur uns selbs und vornemblich in schrifiten handeln sollen. Und wo sie sich dorin begeben, das wir alsdan mochten mit ihnen irgent in einem closter solch colloguium und dis- putation furnehmen, ihnen aber wolt nicht gepuren, dobey zu sein.

Nachdem aber wir auch E. Chur. und F. G. bevelich und die sachen an ilır selbs wie auch die Wormbische prorogation erwogen, haben wir in solch privat handlung nit wissen zu- bewilligen, dan wir ye zu keiner privat handlung hergesandt sein, sondern zu einem solchen offentlichen gesprech vor den verordneten präsidenten, dovon auf kunfftigen reichstag kunden der Key. Mat. und stenden dess reichs statliche und volkomene

relation geschehen und ein materi furbracht werden, sich ferner aller sachen halber zuvergleichen. 8o sind auch die gegencolloquenten solche leuth hievor vermeldet, das wir von ihren personen nichts dan ferner erweitterung aller streittigen artickel unser christlichen religion haben zuerwarten. Wie sich dan auch alle handlung haben erzeigt und sich die andern stende zu Wormbs dess colloquii halben haben vernehmen lassen, kunden wir auch gar nicht verhofien, daß unser solch privat handlung mit diesen colloquenten auf kunftigem reichs- tag etwas gelten und der Key. Mat. und stenden dess reichs mochte referirt werden. Über diss alles haben wir uns auch keiner kurtzen entschafft mit solchen schrifiten und widder- schrifiten zuversehen gehabt.

Diese ursach angesehen, haben wir on E. Chur. und F. G. bevellich uns in solche privat handlung mit diessen leuthen nicht begeben und ferner zeit und grosser cost verlierung auf uns nehmen durfien. Wir haben auch auss etlichen onge- ferlichen underredden von etlichen aus den präsidenten ver- standen, das sie sich besorgeten, sie mochten so bald die reso- lution von Key. Mat. nicht bkomen, den sie die nechsten nach ihrem schreiben erstlich uber sieben wochen erlanget, und mochte Key. Mat. schwacheit oder anderer grosserer ge- schefft halber schleunig antwort zugeben verhindert werden, dass auch ihr, der präsidenten, etliche willens, ein zeitlang zu- verreitten und heimzuziehen. .

Aus diesen kurtzen und zuvor von E. Chur. und F. G. ge- sandten volligern und lengeren underthenigen berichten, auch auss den ubersandten artickeln haben E. Chur. und F. G. gnugsam zuvernehmen, was von diessem colloquio zuhoffen und sein fehel sey. Und erstlich der präsidenten halben, das die beide unser lehr, und itzt der dritte, her Julius, nicht allein der lehr, sondern auch E. Churf. G. entgegen sein). Bey wilchen auch Malvenda und seine mitverwandten monich, wie oben vermeldet, ein solch ansehen haben, und der Malvenda an Key. Mat. beichtvatter (vgl. A. 37) hanget, wilcher beichtvatter unser religion zum strengsten zuwidder und aber bey Key. Mat. das vertrauen hat, das sie ime alle kirchen sachen zu regiren bevollen. Daher gut zu gedencken, das die gegencolloquenten alle zeit solche resolution und bevellich ausbringen mugen, welche uns enkegen und zu aller beschwerung reichen, wie dan in der negsten resolution beschehen. Dan alle artickel, ausge- nomen den ersten von hern Julio, so die resolution ınit sich bringet, zuvor und anfenglich mit uns gehandelt, das sich der- massen gentzlich ansehen lest, als sey solche resolution alhie geschrieben oder ye, wir sie alhie begrieffen und vorgeschlagen, also zu Utricht versiegelt.

Zum andern siehet uns die sach dermassen an, als habe man mit vhleiss solche so unverschampte sophisten und monich zu diessem werck ausserlesen, zu welchen man sich gewisslich ver- siehet, das nit allein kein artickel unser confession mit ihnen werd konden verglichen werden, sondern welche sich auch der artickel, so auf den vorigen reichstagen und in den andern colloquiis mit grossen uncosten, muhe und arbeit verglichen, umbzustossen und zuverwerfien und alle bebstische irthumb, so ye gewesen, zuverthedingen understehen werden, wie wir dan solchs in dem werck erfaren. Und ob man sie schon mit der hellen schrifft uberzeuget, so ists doch alles vergebens, dan sie nicht das hertz und willen haben, sich lencken und weisen zu lassen, und seint von dem volck, dovon Esaias sagt: „Got hait ihn gegeben einen erbittertten geist, augen, das sie nicht sehen, und ohren, das sie nicht horen®).‘‘ Was sol dan vor hoffnung sein, einige conciliation mit solchen leuthen vorzu- nehmen, welcher sin und gedancken nit zu einiger vergleichung, sonder zu allem zanck und dissension geneigt.

Zum dritten. Solt aus diesem colloquio, wie wir noch be- finden, nichts anders, dan grosser dissension und uneinigkeit in der religion, dan zuvor ye gewesen, entstehen, wer es besser, das es entweder nye angevangen oder ye auf das forderlichst abgeschnidden wurdt, wilchs dan auch, do es auf dem reichstag vor Key. Mat., churfursten und stenden des reichs zu einer relation komen solt, ubel lautten und ein ergerlichen schein und ansehen haben wurden.

Zum vhierten. Dweil sie diesen hochsten und aller cler lichsten artickel der justification, welchen aber zu diesen zeitten (Got sey lob) soviel land und leuth mit grosser freud und trost ihrer gewissen angenommen und bekennen, widder ofientliche warheit und gotliche gschrifft und vorgeschehener vergleichung unverschafft widderfechten, und von dem aber als dem haupt artickel, welchs sie dan vhleicht wol sehen, alle andere nach- folgende, dovon man disputiren soll, hangen und herfliessen, sehen wir nicht, was solche disputation, wen man gleich nach vermog Key. Mat. proposition und bevelch von den andern artickeln auch Jdısputiren oder auch schon in etzlichen, welchs dan auch nit zuhoffen und nit wol muglich, sich mit ihnen verglichen, vor nutz und frommen bringen solten.

Zum funften sehen und erfaren wir auch, do wir also mit ihnen furfaren solten und nicht ein ander form dess colloquii, dan wie biss hieher vorgenohmen, das diess colloquium schwer- lich ın etzlichen jaren, und doch ohn frucht, geendet wurdt werden.

Zum sechsten wil auch das zuerwegen sein: nachdem die itzige keyserli-he resolution schir in allen artickeln Euer Chur.

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und F. G. gantz beschwerlich, und wir nun vhleicht etliche monat vergeblich mit grosser costung alhie mussig stil liegen solten, do nun schon ein andere lindere und doch E. Chur. und F. G. beschwerliche und nachteilige resolution komen wurden, das wir alsdan aber on sonderlichen E. Chur. und F. G. bevellich nicht vorschreiten werden konnen, und wurd also ein resolution die anderen geberen und wir in langer zeit rit zum werck selbs komen kunden. Dieweil auch die articul, so vor funff jaren von den colloquenten conciliirt worden, von Key. Mat. den chur. und fursten und stenden dess reichs, darvor zu beratschlagen, ob solche artickel biss auf ein con- cilium oder anderen reichstag anzunehmen und offentlich predigen zulassen, vorgetragen, solchs aber dozumal verhindert und auffgeschoben, doch das dovon hernach in einem freien general oder in einer reichsversamblung solte ferner handlung vorgenohmen werden. Weil man dan zu solcher handlung bisher nit hat komen mugen, sonder dieselbige vom Speirischen auf den Wormbischen und von demselbigen auf diesen jetz hieher kunfftigen reichstag wer verschoben worden, so het man auf jetz kunfitigen reichstag genug zuthun, so man von der religion handeln wolt, das man dess vorigen colloquii acta, do mehr ausgericht, dan von diesem colloquio zuhoffen, widder vor die handt genomen und als von colloquenten desselbigen colloquii beider theilen wie auch von wegen E. Chur. und F. G. sampt ihren mit verwantten Augspurgischer confession etwas ferner explicat!on in den artickeln, im selbigen colloquio ver- glichen, begert worden, das von der Key. Mat. und dem reich dovon handlung wurd vorgenohmen und die sach dohin ge- arbeidet, das solche articul, sovil die conciliirt, vom reich in gemein angenohmen und approbirt wurde, und was dorin weitter erclerens und aussziehens bedurffe, das solichs auch ge- schehe. Uff solche wegk verhofiten wir solt zu christlicher vergleichung in der religion zwischen den stenden dess reichs etwas ausgericht werden, so in diesem itzigen gesprech, weil solche colloquenten dozu verordent, auch das, so vor wol ver- glichen, widderumb zu reissen und alle religion sachen in weiterm missverstand, dan sie ye gewesen, gezogen werden.

Und so E. Chur. und F. G. sampt ihren in der religion mit- verwandten umb solche handlung anhielten, durch die das- jenig, so im vorigen colloquio hie gehalten, christlich ver- glichen, der notturfit nach, wie begert, und von unss dess- halben in eigen schrifit an die Key. Mat. domals ist ubergeben, ercleret und im reich gemeiniglich angenomen werden mocht so wurd man ja nicht sagen mugen, das E. Chur. und F. G. christlicher fruchtbarer gesprech und handlung in christlicher religion vereinigung abschlugen und also diesen reichstag und

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folgende frid und ruhe im reich anzurichten und zuerhalten verhindert, welches, uns die präsidenten in der einen ver- manung, als sie uns vermaneten, der keyserlichen resolution stadt zuthun, eben ernstlich vorworfien. Dan gar viel mehrer und trostlicher hoffnung ist, das durch solche handlung doch etwas zu christlicher vergleichung den reichsstenden in religion sachen mocht erlanget und ausgericht werden, dan mit jtzigem gesprech immer mehr. zuhoffen sey, so lang nemblich solche colloquenten das furen, wie die itzigen seindt. Dan wie wir uns beduncken lassen, so haben die babstischen monich Key. Mat. vornemblich dorumb geradten, ein ander colloquium an- zustellen und zubewilligen, domit sie ursach hetten, die acta dess vorigen colloquii zunicht zumachen, und die articul, so hie bevor zu leidlicher vergleichung gericht, zuzurutten und die vergleichung, so auff dieselben acta leichtlich geschehen mocht, dodurch zuverhmdern.

Derhalben E. Chur. und F. G. wir underthenigst wollen er- indert haben, ob nit dem wegk noch nachzufolgen, welchen E. Churf. Gnaden die theologen zu Wittenberg in irem ersten bedencken, diess colloquii halben on E. Chur und F. G. ge- stellet, vorgeschlagen, nemblich, do sich das gegentheil mit groben und unchristlichen artickeln, wie dan nun leider alzu- grob und viel schon von ihnen vorgebracht wurdt, vernehmen lassen, welch(es) dan auch allen vernunfftigen christlichen leuthen ergerlich were, wie dan vor augen, das wir alsdan mit einer ernsten christlichen protestation uns von ihnen wirckten, in welcher ihr grobe halsstarrickeit und ergerliche lehr widder offentliche warheit der ganzten welt hernach sampt den actis angezeiget wurde. Dan weil wir alle actiones, zu beiden theilen geubet, den mehrern theil von wort zu wort geschrieben, den überigen theil doch, sovil die substantz dess, so gehandelt ist, belanget, bey henden haben, wollen wir solche actionen in ihre ordnung gegen einander stellen und unse antwort auff dasjenig, so man uns nit hat wollen zugeben, in die acta zu verantwortten, auch volnfuren, domit ein iglicher christlich(er) leser dennoch wol sehen sol, was von beiden theilen gesucht und verhandelt worden ist.

Solches kunden unsers geringen verstands nach mit grossem glimpff unsers theils wol geschehen, und solte besser sein, dan das wir mit diesem ottergezucht vergeblich und nit on be- schwerung unser gewissen, dieweil sie die ofientliche warheit widderfechten und alle irthumb und abgotterey zuverthedingen gedencken, also lang disputiren solten.

Da aber E. Chur. und F. G. aus sonderlichem hohen be- dencken und ursachen schliessen wurden, das ein collogquium in allem wegk solt und muest gehalten werden, stellen wir

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E. Chur. und F. G. bedencken, dieweil wir, wie oben vermeldet, solchen geprechen an den hern präsidenten, an den collo- cutoren, auch an dem process und form des colloquii befunden, ob nit das nutzlich, das E. Chur. und F. G. mit Key. Mat. zuvor underthenige handlung und abreddung hetten halten lassen, das nit allein zween oder drey ihrer religion, sonder auch gleicher zal unser religion, wie es im Augspurgischen ge- sprech gehalten, zugethon (dweil nicht unpartheische oder un- verdechtliche mugen befunden werden), verstendige und schied- liche leuth, wilche sich auch ihres ampts ernstlich annehmen, die handlung im colloquio auff solche und gleichmessige wegk zu dirigiren, zu präsidenten geordnet wurden.

Zum andern auch zu colloquenten solche leuth mochten ver- ordnet werden, mit welchen was zuhandeln und zuerheben were, wie dan im nechsten hie gehalten colloquio der collo- quenten etliche (wie sie sich domals bewiesen) verordnet ge- wesen seind, und das derselbigen uff beiden theilen auch ein

re anzal sampt den adjuncten (auch zween notarien) beiderseits von jdem theil verordnet (wie es zu Wormbe ge- halten worden), und die sach von einer grosser anzal und menig der leuth und nicht im winckel oder im casten ver- schlossen, sonder dieweil es ein sach dess liechtes, sol sie offent- lich gehandelt werden, seinttemal Christus bevollen, das mans auff den tachen und aller creaturen predigen soll. Derhalb nimants sich mit eiden verbinden sol lassen, diese sach Gottes heimlich zuhalten, und das alles zuvor abgehandelt wurde, was vor ein process und form in dem colloquio solt gehalten werden.

Dan unsers verstands nach, wie wir auch an der handlung selbs erfaren, werden diesse resolutiones nicht von Key. Mat., sondern vom Malvenda?®) und seins gleichen Key. Mat. pfaffen und monichen nach allem ihrem vorthel zu allem unsern grossen nachtheil gestellet und geordnet.

Dieses alles haben E. Chur. und F. G. wir unsers bevollen ampts halben sollen zuerinderung unserm geringen und ein- feltigen verstand nach vermelden, und stellen solches alles in E. Chur. und F. G. als unsere gnedigsten und gnedig hern hoher bedencken und seind, was E. Chur. und F. @. in diessen sachen zuhandeln uns bevellen werden, allesampt nach unserm vermugen underthenigst gehorsam zusein schuldig und willig.

Bitten auch den vatter unsers herren Jesu Christi von gantzem hertzen, er wolle E. Chur und F. G. und alle oberig- keit, welche sich unsers lieben hern Christi und seiner armen gemein treulich annehmen, forcht und reichere erkentnus und bestendige bekentnus Gottes, weissheit, wolffart und alles, das zu leib und seel und erhaltung regiment und kirchen vonnoten und nutz ist, gnediglich(en) verleihen und als treue huetter

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und verwaltes seiner herde vor allem ubel behuten und be- wahren. Amen.

Datum Regensburg. Freitags nach Estomihi. Anno 46.

E. Chur. und F. G.

willige, underthenige und gehorsame

verordente auditorn, collocutorn und

adjuncten, itzt uff dem colloquio zu

Regensburg.

9. Graf Wolrad und Johannes Pistorius an Landgraf Philipp. 1546 März 14 (Sonntag Invocavit) Regensburg. Orig. Staats- arch. Marburg. 863. Abschrift Wald. Arch. A. 38, H. b.

Antwort auf das Schreiben des Landgrafen vom 21. Februar. Die evangelischen Teilnehmer haben vergeblich die Aus- fertigung von Abschriften für beide Teile beantragt. In Worms wurde nur die Veranstaltung eines Religionsgesprächs ohne nähere Bestimmungen beschlossen. Vergeblich haben auch die evangelischen Abgesandten beantragt, daß man über die Artikel, über die 1541 in Regensburg eine Einigung erzielt wäre, nicht mehr verhandeln solle. Urteil über Malvenda.

Gnediger furst und her! Wir haben E. F. G. genediges widderschreiben undertheniglich entfangen und verlesen. Dorffen dorauff E. F. G. nicht verhalten: Sovil den ersten artickel E. F. G. schreibens belangt, haben wir sampt den andern mit allem vhleiss und ernst dohin es zubringen gedacht, das beidenn theilen abschrift vergunt wordenn weren, was alle tag gehandelt, haben es aber nit erhebenn mugen. Viel weniger kunden wir es nun nach der resolution dohin handeln, ob wir wol selbs sehenn, das es hoch vonnotten, dan unser flehen und ansuchen biss anher in diesen sachen gar vergeblich ge- wesen.

Ufi den andern artickel, do E. F. G. schreibt, man sol es dobei pleiben und sich auff kein anders furen lassen, dan wie es zu Wormbs dess gesprechs halben beschlossen, konnen wir E. F. G. nicht pergenn, das allhie alle verlengerung und costen nichts soviel machet, als das zu Wormbs von den unsernn gar nichts von der form und process dieses colloquii abgeredt ıst, sondern nur ein bloss colloquium on alle beschriebene umb- stend vermeldet, wie das wol zusehenn in der Wormbischen prorogation (den so nennet die Key. Mat. den letztenn ab- schiedt zu Wormbs) wie offentlich in der prorogation zu sehenn.

Dieweil dan in derselbigen prorogation Key. Mat. die präsi- dentz gar heimgestelt worden ist, aus dem gebenn die keyser- lichen präsidenten für, der Keyserlichen. Mat. sei in dem auch die gantze form und prozess des colloquii nach ihrem willenn zuvolffüren ubergeben.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXXII. 3je. "ı8

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Sovil den dritten art(ikel) belangd E. F. G. schreibens, haben die unsere hefitig druff gedrungenn, die vorigen zu Regenspurg vergliechene art. vor vergliechen zu haltenn. Aber dieweil Key. Mat. in ihrer proposition, was für artickel in diesem colloquio zu disputiren, vorgeschrieben, hat solchs nicht erhaltenn konnen werden, wie dan auch das nit, dasE.F. G. von missbreuchen anzeigen thut, welchs man sparen muss biss an sein ortt, do mans nit umbgehenn wirdt. Dan nit uns, sonder der Key. Mat. was in diesem colloquio vorzunehmenn vorzuschreibenn geburen wil, dweil im Wormbischenn ab- schiedt keiner form noch process des colloquii gedacht wirdt, sonder nur ein bloss colloquium und zu welchem end das reichen solt gemeldet, wie das dan in der prorogation zusehenn.

Wer der Malvenda sey°®), konnen wir E. F. G. nicht besser berichten uber das, so E. F.G. in dem gemeinen brief ver- nehmen wirdt, dan das er ein sorbonischer sophist, zu Pareiss in der schullehre erzogen, Key. Mat. weltlich cappellan sey, aus Hispanien geborn, welchem aus anregung dess beicht- vatters?”) Key. Mat. so hoch vertrauet, das sich, wie von Basel her geschrieben, die burgundischenn kauffleuth horen lassen, was der Malvenda in diesem colloquio anneme oder verwerffe, wolten Key. Mat. mit aller macht verdedingen, sinttemal Ihr Key. Mat. keinen gelertern noch heiligern man wisse, so doch beide sein lehr und leben nicht allein den Hispaniern, sondern auch den Teutschenn bekandt ist.

Wir uberschigkenn auch E. F. G. die acta, so sich biss anher weitters begeben haben, uber die vorigen, so bereidt uber- schigkt, dorzu Key. Mat. schrifft und neuen artickel das collo- quium betreffend, auch unsere antwortt, dorzu ein gemein schreibens aller unser gesandten an den churfursten zu Sachsen und E. F. G., und haben E. F. G. diese zuverlesen, ist auch dem churfursten solche schrifft gleichs inhalts zugeschigkt. Und was E.F.G. auff solches alles uns zuschreiben und Ihrer F.G. willen und meynung erofinen wirdt, wollen wir unsers vermugens willig und underthenig gehorsam leisten und volnstrecken.

10. Graf Wolrad schreibt am 12. März aus Regensburg, Wald. Staatsarch. (Marburg) H.7, an seinen Amtm. Schoenstedt u. a.

So ir auch beyde von dem gesprech anhir lust hettet zu wissen, wil ich euch nicht bergen, das, wie dieser brief ge- schriben, der bischof von Eistadt, vornemster präsident, hat seynen secretarium bey uns gehabt und seyn abreiden ant- zeigen lassen. Es ist auch der Wirttenbergscher Baltzer von Giltingen heut abgeritten. Wir schicken auch unsern gnedigen hern landgrafen so vil seltzamer handlung des gespreches; Sein. Fürstlich G. wird es einen halben dag gnug zu lesen haben.

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1l. Graf Wolrad, Johannes Brenz und Johannes Pistorius an Laurentius Zoch und Georg Major?®). 1546 März 24. Nürnberg. Abschrift Waldeck. Staatsarchiv (Marburg). A. 38. Collegium zu Regensburg, H. 11.

Bericht über die Vorgänge nach d. 10. März. Abreise der

protestantischen Abgeordneten.

Unsern gruss und willige dienst zuvor! Ehrwirdige, hoch- gelertte, liebe besunder und gunstige herren!

Was sich nach euerm von Regensburg abschied des Collo- quii halben biss auff unser abreisen zugetragen, hat uns aus viel bewegenden ursachen vor nottig angesehen, euch mit diesem eignen botten von Nurnberg aus zuverstendigen. Dan nachdem ir zuvor bericht, was am Sambstag die präsidenten mit uns im dhom gehandelt“) und dohin ermanet, daß wir der key. resolution erwartten und morgens inen widder ant- wortten wolten, haben sie Sontags frue mit anbrechendem dag zu uns, graf Wolradten von Waldegken, in die herberg ge- schigkt, zubesehen, ob wir noch furhanden, demnach, so bald als wir in die predig gehen wolten, umb antwort der gesterigen handlung angesucht, Dorauff wir inen dissen bescheidt ge- geben, daß wir die andern, so noch vorhanden, nachmittag beruffen, die antwort verfertigen, domit sie inen zugestelt werde. Die präsidenten aber haben sich doran nicht settigen lassen, sondern die stund wissen wollen, doruff wir geantwort, man sol sie dieselbigen wissen lassen.

Wie wir nu nachmittag desshalb beieinander versamblet, ist dess hern Julii!?) doktor und graf Fridrichs!®) secretarius komen und uns angezeigt, so wir mit der antwort gfast, seien die präsi- denten bei einander und wollen derselbigen in einer halben stunde erwartten. Doruff wir geantwort, wir gedechten diese wichtige handlung auch an die andern, so noch beisamen, ge- langen zu lassen, dan uns nit gepuren wöll, vor unser eigen person mit den hern präsidenten in ein ferner disputation zu begeben, sinttemal die churfürstlichen gesandten ihren ab- schied genomen (so war auch Bucerus Sontags frue hinweck geritten). Nachdem aber dess hern Julii doctor ferner ange- halten, wir, graf Wolradt, solten diesse antwort den präsi- denten selbst personlich geben, doruff wir bescheiden, er solle hinziehen, wir walten uns mit den andern bedenken und ime, dem doctor, die meynung, was wir unss entschliessen, anzeigen lassen.

Also haben wir nach gehabtenı bedacht zwehen diener inen mit diesem bevelch geschigkt, dass wir dieses tags mit der antwort nicht fertig werden konden, wolten aber morgen inen dieselbig uberschigken, mit freundlicher bit, die hern präsi- denten wolten solchs unss nit in unguten auffnehmen.

1&*

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Nachdem nun der doctor dieses den präsidenten angezeigt, hatt er dorauff zu den zweien dienern gesagt, die präsideneten muessen sich an dieser antwort benugen lassen, aber sie wolten der sachen hoher und besser nach dencken. Dweil dan die präsidenten also vielfeltig und hefftig angehalten, haben die andern der unsern vor raidsam angesehen, wir, graf Wolradt, solten alebald unss hinwecktun, domit wir und sie ferner und vhleicht beschwerlicher anlauffens uberhoben wurden. Sein derhalben mit etlichen den unsern und dem wirdt umb zwey uhr nach mittag herauss spatziren gangen und die pfierd uns nach ziehen lassen, also vor dem dhor auffigesessen und im namen Gottes hinweck geritten.

Als nun wir, graf Wolradt, verritten®!), hat uns der haubt- mann Luxan (der vhleicht auch notarius ist) mit dem schult- heissen und cammerer in der herberg gesucht, und dieweil sie niemantz funden, widderumb hingangen. Nachdem aber ich, D. Brentius, und ich, er Johannes Pistorius, widder in die herberg komen, ist uber ein klein weil der Luxan widder komen, mir, Pistorio, sein diener, zu ime hinab zu gehen, ge- schigkt. Als ich nun zu ime komen, hat er nach meinen g. h., dem graven, gefragt und von mir antwort bekomen, ich wisse nicht eigentlich, wo hinnauss sein gnad sei geritten. Doruff er mich gebeten, daß ich seiner g(naden), nachdem sie widder- komen, im namen der präsidenten anzeigen, die hern unsers theils, so noch vorhanden, zusammenzufordern, und so sie bei- einander, ine solchs anzuzeigen, dan er het mit ihnen semptlich aus bevelch der präsidenten etwas zureden. Uff diss ist von mir gesagt, so sein gnad widderkom, wolt ıchs ihr sagen. Dorauff seint die unsere von mir in die Nurnbergsche herberg berufit, nemlich der her Georg Volckmar, D. Brentius, D. Schnepfius und D. Frechtus. Do hab ich ihnen das beger dess Luxans vorgehalten, zu beradschlagen, was mir hirin zuthun sei. Also ist beschlossen, ich solt nach funff uhren dem Luxan ansagen lassen, ich versehe mich nicht, das mein g. h. (gnädiger herr) widderkomen werd, welchs ich im nicht pergen wolt.

Auff diese werbung hat er von mir begeren lassen, ich solt die hern beruffen, auff das er seinem bevellich nachkomen mocht. Hierauff ich geantwort, die hern zusamen zu beruffen, weil ich wedder auditor noch collocutor, auch dess von meine g. h. kein bevelch hett, vermocht ich nit, bedurff aber der her Luxan ihrer, muge er sie beruffen, und so sie beieinander weren, mich solchs wissen lassen, wolt ich vor mein person auch komen, aber etwas von unseren fursten und stend wegen weitter zuhoren oder zuthun, wer nit in meine vermugen.

Sobald er diese antwort vernohmen, hat er mir nichts weitters entbotten, sondern sich uff sein pferd gestzt, zum präsidenten

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geritten und von denen mit dem schultheissen und camerer unversehens in unser herberg, ja auch hinnauff in unser stuben komen, do sie mich, Pistorium, allein funden. Wie ich sie gesehen und nicht hab weichen konnen, habe ich sie entfangen und nider heissen sitzen, welchs sie geweigert, anzeigend, ihr bevelch wer gering und bald verricht. Wie ich aber noch einmal bat, sie wolten sitzen, seint sie an tisch gesessen.

Also hat der Luxan angefangen, es haben ihn die hern präsi- denten zu mit geschickt und ime bevolhen, die protestation, (so er dan uff den tisch von stund an gelegt) mir zulieffern, dergestalt, das ich sie den andern, so von unsern stenden noch hie weren, zuverlesen geben. Doruff ich, Pistorius, geant- wort, ich sei nun, wie auch andere, von unsern fursten und obern abgefordert, derhalben mich weitter in handlung zubegeben verbotten, kundten auch von wegen unser fursten und obern oder auch der hern nicht annehmen, den ob ich schon dorzu gedrungen, wurds wenig krafft haben, dorumb mein bit, er wolt solchs den hern präsidenten anzeigen, den ich sunst vor mein person gern dienen wolt.

Uff diss der Luxan weitters geredt, er het mehr zureden oder zuthun keinen bevellich, do leg die protestation uff dem tisch, die wolt er mir mit gegenwertigen zeugen uberantwortet haben, domit ichs nit verneinen kund, ich neme sie gleich an oder nicht. So het ich gestern helffen der unser protestation uberlieffern, dweil dan die andern al, so mit mir gewesen, ab- geritten, wuesten sie diese protestation niemant zu lieffern, den mir. Es erforderte ye die billickeit, eine so wol als die andern zuubergeben.

Uff diese red habe ich gesagt, ich ließ es bei vorger antwort, wo aber ye die protestation mit letzt gemelten reden liegen pliebe, wolt ich sie wol den herren, so noch vorhanden, als ein privat persson anzeigen, auch meine(m) g. h. und andern unsern oberhern zuerkennen geben, aber dergestalt, das sie solche mugen annehmen oder nicht, dan vor das anzunehmen wolt ich niemants gut sein, auch derhalb hievor protestirt haben.

Nach dem hat der Luxan wollen aufistehen, hat ihn der schultheiss behalten und gesagt, er sampt dem camerer wolten protestirt haben, das sie dieser sachen nichts zuthun haben wollen, allein haben sie als zeugen mussen aus geheiss der präsidenten in keyserlichem namen mitgehen. Domit sein sie auffgestanden und wollen hinnaussgehen. Wie aber der her Luxan die dhur in der hand hett, haben sie des titels her Julii Pflugs halber protestiren wollen. Doruff ich gesprochen, es ging mich kein titel an, ein jder mocht ime titel geben, wie er wolle, so fer er den erhalten konde.

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Nachdem solchs beschehen, ist her Jorg Volckmar zu mir komen und die letzte schrifitliche antwort, wilch copy wir euch mit A. verzeich(ne)t zu uberschicken. Dem hab ich alles erzelt und seiner weissheit radts begeret, auch die andern hern, so vorgemelt, fordern lassen, was nun zuthun, sich zu ent- schließen. Nachdem wir'nun zusamen komen, ist zum ersten bedacht, unsere letzte antwort zuuberliefern, welchs durch drey diener beschehen. Solche haben die präsidenten von ihnen uffgenohmen, aber doneben gesagt, das wir die ihren auch behertzigen und unss derselben nach aller gepur halten.

Doruff haben wir der protestation halber, so der Luxan uff den tisch gelegt, uns dess vereinigt, nachdem ich, Pistorius, und ich, D. Brentius, wurden montags frue uns, graf Wol- radten, nachreisen, solten wir dieselbe protestation mit uns nehmen und euch ein copei dovon von Nurnberg aus zu- schigken, wie wir auch hiemit der sachen zu gut euch dieselben copei, mit B. verzeichnet, zusenden. So haben wir Bucero such ein copei zugeschigkt, dann wir sehen diese der präsi- denten protestationen fur ein solche vortheilige und gifftige schrifft an, das doraus leichtlich zuvernehmen, sie, die präsi- denten, mochten Key. Mat. viel anders berichten, dan ge- handelt, vornehmtlich, das sie uff uns dringen, als solten wir dess wartens begeben haben, so doch (wie ir wol wisst) alweg unserer hern und obern bevellich vorbehalten worden Beie.

Dorumb ist uns kein zweifel, unser gnedigster her chur- furst, so sein churfürstl. g(naden) dieses alles von euch sampt dieser nach eueren abschied gepflegter handlung bericht, ihr churf. g. werden mit zeitlich raidt solchen calumniis kegen Key. Mat. wol wissen zu bejegnen oder auch vorzukomen ...

Den wirdigen, hochgelerten, unsern gunstigen freunden und gebietenden hern Laurentio Zog, der recht(en) doctori, und D. Georgio Maior, churfürstlichen zu Sachsen gewesenen audi- tori und collocutori des itzigen colloquii zu Regensburg, oder in abwesen irer den churf. rethen zu erbrechen.

Anmerkungen.

1) Graf Wolrad II. von Waldeck (1509—1578), ein eifriger Förderer der Reformation (Waldeckische Reformationsgeschichte von D. Viktor Schultze, Leipzig 1903, S. 111, 144ff.).

2) Reichstagsabschied vom 4. August 1545. Ausführliche Nach- richten bei v. Caemmerer, „Das Religionsgespräch zu Regensburg“, Berlin 1903, S. 15ff.

3) Die Protestanten sollten dem Kaiser je vier Auditoren und Colloquenten bis zum 15. September namhaft machen. Bereits während des Reichstags hatten sı- über die Ernennung der Vertreter

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verhandelt. Am 17. September teilten sie dem Kaiser die betreffenden Namen mit (v. Caemmerer, 8. 33ff.).

*) Johannes Pistorius (1503—1583), Pfarrerin Nidda (Hessen), Ver- trauter und theologischer Berater des Landgrafen Philipp. Er nahm als „Adjunkt‘‘ an dem Religionsgespräch teil.

8) Nicht Gilteberger, sondern Gultingen, Rat des Herzogs Ulrich von Württemberg. Er nahm als Auditor teil.

°) Erhard Schnepff (1495—1558), von 1528—1534 Professor und Prediger in Marburg. Er wurde 1534 zur Einführung der Reformation von Herzog Ulrich nach Württemberg berufen und war 1544—1548 Professor und Prediger in Tübingen. In Württemberg entlassen, über- nahm er 1548 eine Professur in Jena. Gest. 1558.

?) Martin Buoer (Butzer), 1491—1552, der Reformator Straßburgs (mit Zell, Capito und Hedio). Er war in Regensburg der eigentliche Führer der Protestanten. Briefwechsel mit dem Landgrafen Philipp, vgl. S. 128.

°) Martin Frecht (1494—1556), von 1529—1531 Professor in Heidelberg, 1533 Prediger in Ulm, 15491550 im Exil, 1550 Stifts- superintendent und Professor in Tübingen.

°) Johann Brenz (1489—1570), Reformator der Reichsstaav Schwäbisch-Hall, seit 1522 Prediger daselbst, 1553 erster Prediger und Propst an der Stiftskirche in Stuttgart.

10) Johannes Hoffmeister, Provinzial der Augustiner in Colmar, nahm als Colloquent an dem Gespräch teil.

11) Veit Dietrich (15061549), Pfarrer in Nürnberg, Freund Luthers und Melanchthons. Er nahm erst seit 1. März 1546 an dem Colloquium als Adjunkt teil.

12) Ein Schreiben des Grafen Wolrad und des Joh. Pistorius an Landgraf Philipp vom 18. Januar 1546 ist von Neudecker veröffent- licht = ‚„Merkwürdige Aktenstücke aus der Reformationszeit“, S. 565f., ebenso ein Schreiben des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen an die evangelischen Abgeordneten in Regensburg, Torgau 7. Januar 1546 S. 667f. Der Kurfürst teilt darin mit, daß Melanchthon nicht an dem Gespräch teilnehmen werde. Ihn vertrat der Witten- berger Professor Georg Major (vgl. v. Caemmerer 8. 43ff.). Major traf mit dem als Auditor entsandten Wittenberger Professor der Jurisprudenz Dr. Laurentius Zoch am 21. Januar in Regensburg ein. (Schultze, Das Tagebuch des Grafen Wolrad II. zu Waldeck zum Regensburger Religionsgespräch 1546 [vgl. oben] S. 157/58.)

13) Schreiben Butzers vom 18. Januar 1546, vgl. Brief S. 129; Lenz, Briefwechsel S. 389—397.

14) Graf Franz von Waldeck, Sohn des Grafen Philipp II. von Waldeck, Bischof von Münster und Osnabrück, 1532—1553. Er war ein Freund der Reformation, seine Bestrebungen scheiterten aber an dem Widerspruch seiner Stände (Schultze, Wald. Reformatgesch. S. 160).

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#) Gultingen (?), Schnepff und Brenz waren am 30. November eingetroffen, Butzer und Frecht vor Mitte Dezember (v. Caemmerer 8. 43, Schultze, Tagebuch 8. 142).

16) Moritz von Hutten, Bischof von Eichstädt; er traf in der zweiten Hälfte des Dezember in Regensburg ein. Hutten und Graf Friedrich von Fürstenberg waren von dem Kaiser zu Präsidenten des Gesprächs ernannt.

17) Julius Pflug, Domherr in Mainz, Naumburg und Meißen; er kam am 15. Januar 1546 in Regensburg an und wurde zum dritten Präsidenten ernannt. Er hatte an dem Regensburger Religionsge- spräch von 1541 teilgenommen. Weiteres vgl. Anm. 34.

16) Katholische Abgeordnete waren außer den Anm. 16 genahnten Präsidenten: a) Colloquenten: Pedro de Malvenda, ein spanischer Theologe, Eberhard Billick, Provinzial der Karmeliter in Köln, Jo- hannes Hoffmeister (Anm. 10), Johannes Cochlaeus, Kanonikus in Meißen und Breslau. b) Auditoren: Georg von Loxan, böhmischer Vizekanzler, die königlichen Räte Kaspar von Kaltenthal, Georg Ilisung und der Rat des Erzbischofs von Trier Dr. Bartholomäus Latomus. c) Adjunkten: Ambrosius Pelargus, Alexander Blanckhardt (F. Roth, Der offizielle Bericht der von den Evangelischen nach Regensburg Verordneten, 1546, vgl. S. 128).

10) Vgl. vor. Anm.

%) Vgl. Anm. 12.

21) Zu der Verhandlung mit dem Bischof vgl. v. Caemmerer 8. 46ff., Schultze Tagebuch, 8. 153, Lenz Briefwechsel, Butzers Brief v. 18. Ja- nuar 1546, S. 389—397. Bereits am 4. Januar hatten Graf Wolrad und Gultingen mit dem Bischof verhandelt. Am 14. Januar waren Graf Wolrad, Schnepff, Butzer, Pistorius, Brenz und Gultingen bei dem Bischof zu Gaste gewesen. Schultze, Tagebuch S. 148, 153.

13) Brief Butzers v. 11. od. 12. Februar, Lenz, Briefwechsel S. 398 bis 403. Ausführlicher Bericht über die Vorgänge vom 27. Januar bis 11. Februar in dem offiziellen Bericht der protestantischen Ab- geordneten: Roth a. a. O. S. 7—20, ferner Schultze, Tagebuch 8. 158 bis 184, 297—299, v. Caemmerer 8. 46—55. Vgl. auch den kathol. Bericht: Actorum colloquii Ratisponensis ultimi etc. narratio, Ingol- stadii MDXLVI, 7a, 8. Der offiziellen Eröffnung des Gesprächs am 5. Februar waren längere Verhandlungen über die Geschäftsordnung vorausgegangen, besonders in betreff der Aufbewahrung der Akten und der Niederschrift der Protokolle. (27. Januar bis 3. Februar.)

23) Nach erregten Erörterungen war beschlossen, die Protokolle in einer mit drei Schlössern versehenen, dem Rat von Regensburg zu übergebenden Truhe aufzubewahren. Einen Schlüssel sollten die Präsidenten, den zweiten die katholischen Abgeordneten, den dritten die Protestanten erhalten. Die bei dem Gespräch gehaltenen Reden sollten bis zum kaiserlichen Entscheid protokolliert werden. Jede Partei hatte dazu einen Notar nebst einem Assistenten zu er-

2381.

nennen. Die Katholiken hatten von den Protestanten Stillschweigen über die Verhandlungen gefordert, die Verpflichtung wurde aber schließlich dahin abgeändert, daß sie nur so weit zu schweigen brauch- ten, als es mit ihrer Verpflichtung, ihre Herren über den Verlauf der Verhandlungen zu unterrichten, sich vereinigen lasse (v. Caemmerer 8. 50/51, Schultze, Tagebuch 174ff.).

%M) Auf dem Religionsgespräch in Regenburg 1541 hatten sich die beiden Parteien über die Artikel vom Urstand, freien Willen, Ursache der Sünde und der Erbsünde verglichen, über die Rechtfertigung hatte man eine Kompromißformel aufgestellt. Der Kaiser hatte bestimmt, daß dem Gespräch von 1546 die Augsburgische Confession zugrunde zu legen sei, und zwar solle mit der Lehre von der Recht- fertigung begonnen werden. Die Protestanten erwiderten auf Mal- vendas Ausführungen, der betr. Artikel sei bereits verglichen.

248) Der Bischof von Eichstädt als Präsident des Colloquiums.

85) Am 5. Februar begann Malvenda das Gespräch mit einer Dar- legung der katholischen Rechtfertigungslehre. Vom 9.—11. Februar entwickelte Butzer den protestantischen Rechtfertigungsbegriff. Am 12. sprach Billick, am 13. Malvenda, dann wieder Billick. Am 17. nahm Butzer wieder das Wort. An demselben Tage traf der Nürn- berger Ratsherr Georg Volkhamer als Abgesandter der Stadt in Regens- burg ein; er nahm als Auditor teil. Vom 19. bis 23. Februar dispu- tierten Butzer, Malvenda und Billick. (v. Caemmerer 8. 51—57, Roth, offizieller Ber. S. 16—30, Schultze, Tagebuch I, 180—184, II, 294 bis 314.) Sehr ausführlich berichtet Butzer in den „Disputata Ratis- bonae in altero colloquio etc.‘ über die Verhandlungen. Am 25. Februar traf eine kaiserliche Verfügung vom 3. Februar ein, die schließlich den Abbruch der Verhandlungen und die Auflösung des Gesprächs zur Folge haben sollte. Vor seiner Reise nach Regensburg hatte Malvenda von Karl V. eine die Geschäftsordnung des Gesprächs betreffende Instruktion empfangen. Wahrscheinlich hatte er vor dem Beginn des Colloquiums den Kaiser gebeten, den Präsidenten aufzugeben, sich an diese Ordnung zu halten. Nach dem offiziellen Bericht wäre die kaiserliche Verfügung die Antwort auf eine Anfrage der Präsidenten vom 31. Januar gewesen (Roth a. a. O. S. 376/77). Inhalt der Verfügung: Notare sind nur von den Präsidenten zu er- nennen. Nicht die Reden, sondern nur die verglichenen Artikel sind aufzuschreiben. Bleibt ein Artikel unverglichen, so hat jede Partei ihre Ansicht mit Begründung zu Protokoll zu geben. Allen Beteiligten wird strengstes Stillschweigen zur Pflicht gemacht. Die Verfügung ist gedruckt in der „Actorum colloquii etc. narratio‘‘ Bl. 14 und bei v. Caemmerer S. 71f.

Als den Protestanten am 26. Februar der Inhalt des Schreibens mitgeteilt war, wurden am 27. Butzer und Zoch mit der Abfassung einer Antwort an die Präsidenten beauftragt. Am 2. März wurde sie, nachdem man den Entwurf am 28. Februar beraten hatte, verlesen.

282

(Schultze Tagebuch, 321/23, v. Caemmerer 8. 59, offizieller Ber. 8. 383/85.) Sie ist, soviel ich weiß, noch nicht gedruckt. Butzer bringt in den Disputate 8. 162ff. eine Inhaltsangabe, ebenso Secken- dorf, Historis Lutheranismi, III, 6827. Die Veröffentlichung dürfte, da es sich um eine klare Darlegung der abweichenden Auffassung der Protestanten handelt, angebracht sein.

6) Johann Gropper (1502—1559), ein bedeutender katholischer Theologe und Jurist im Dienste des Erzbischofs von Köln, Teilnehmer am Regensb. Religionsgespr. 1541.

#7) Julius Pflug vgl. Anm. 17.

28) Veit Dietrich aus Nürnberg, vgl. Anm. 11.

3%) Das von den Gegnern des Bischofs Caecilianus in Karthago 311 ins Leben gerufene donatistische Schisma wurde von Augustinus be- kämpft. Im Jahre 411 fand in Karthago eine Verhandlung mit den Donatisten statt, infolge deren den letzteren schließlich die bürger- lichen Rechte abgesprochen wurden. Die Abhaltung religiöser Ver- sammlungen wurde ihnen verboten.

30) Karl V. suchte aus politischen Gründen einen einstweiligen Aus- gleich mit den Protestanten. Zu diesem Zwecke fand im Juni 1540 in Hagenau ein Religionsgespräch statt, das im November in Worms weitergeführt, aber im Januar von dem Minister Granvella abgebrochen wurde, um in Regensburg fortgesetzt zu werden.

21) Die Verhandlungen in Augsburg 1530 und in Regensburg 1541.

33) Joh. Eck hatte als Teilnehmer an dem Regensburger Religions- gespräch v. 1541 seine katholischen Kollegen Pflug und Gropper wegen ihrer Zustimmung zu den Vereinbarungen verdächtigt, so daß die beiden eine Ehrenerklärung forderten.

33) Das wichtige Schreiben, das über den Verlauf der Verhandlungen und die Stellungnahme der protestantischen Abgeordneten eingehend berichtet, ist noch nicht gedruckt. Eine kurze Inhaltsangabe in Seckendorfs Historia Lutheranismi III S. 627/28. Vielleicht ist die Eingabe, wie v. Caemmerer vermutet (S. 61f.), von Butzer verfaßt. Butzer selbet äußert sich über die ganzen Vorgänge ausführlich in einem Briefe an den Landgrafen Philipp vom 15. März 1546 (Lenz, Briefwechsel S. 406—414).

Es sei hier kurz auf die Verhandlungen nach der Einreichung der protestantischen Protesterklärung hingewiesen. Am 3. März trug Malvenda die Antwort der katholischen Abgeordneten vor (Roth, offizieller Ber. S. 385; gedr. Seckendorf Hist. Lutheran. S. 631 und Narratiso usw. Bl. 42/43). Am 4. März verhandelten Graf Wolrad, Gultingen, Butzer, Volkhamer mit dem Bischof von Eichstädt über die Eingabe. Am 5. März erklärten die Präsidenten, sie würden über die beiden letzten Artikel der Eingabe an den Kaiser berichten. Am 8. März erklärten Graf Wolrad, Gultingen, Volkhamer, Butzer, Brenz den Präsidenten, die Protestanten hielten an ihren Forderungen fest und beantragten die Entscheidung des Kaisers. Am 9. berichteten

die Präsidenten an Karl V. Am 10. März beschlossen die Protestanten eine Eingabe an den Kurfürsten von Sachsen und den Landgrafen mit der Bitte um Abberufung. Die Präsidenten erklärten, sie wollten bis zum Eingang einer Antwort des Kaisers den Vorsitz ruhen lassen. Die Verhandlungen wurden ausgesetzt (v. Caemmerer 8. 59—61f., Schultze, Tagebuch 8. 321—332, Roth off. Ber. 385—197).

4) Das Domkapitel von Naumburg-Zeitz hatte Pflug zum Bischof gewählt, er konnte aber das Amt erst nach dem Siege des Kaisers im Schmalkaldischen Kriege antreten, weil der Kurfürst den Nicolaus von Amsdorf eingesetzt hatte.

3) Jes. 29, 10, Roembr. 11,8.

3) Über Malvenda, Billick, Hoffmeister und Cochlaeus äußert sich Butzer sehr abfällig in einem Briefe an den Landgrafen vom 5. April 1546 (Lenz, Briefwechsel S. 415—427). Über Malvenda äußern sich Graf Wolrad und Pistorius in einem Brief an den Landgrafen von 14. März, vgl. S. 22.

37) Der Dominikaner Soto. 38) Die Verfügung vom 3. Februar.

3%) Der Brief ist wichtig, weil er über die Vorgänge nach dem 10. März berichtet. Der Bischof von Eichstädt reiste am 12. März ab, um zu Hause die Entscheidung des Kaisers abzuwarten. Die Eingabe der Protestanten vom 12. März kreuzte sich mit einem Schreiben des sächsischen Kurfürsten, durch das seine Abgeordneten wegen der Aussichtslosigkeit der Verhandlungen abberufen wurden (eingeg. am 17. März v. Caemmerer S. 64, Roth off. Ber. 8. 628. Vgl. Schreiben des Kurfürsten an den Landgrafen bei Neudecker a. a. O. S. 681ff.).. Die sächsischen Vertreter reisten am 20. März ab. Die übrigen evangelischen Abgeordneten beschlossen, ihnen zu folgen. Butzer verließ Regensburg am 21. An demselben Tage reiste Graf Wolrad ab, und Brenz und Pistorius folgten am 22. Über die Gründe der Abreise äußert sich Butzer ausführlich in einem Briefe an den Landgrafen vom 21. März und besonders in dem Anm. 36 erwähnten Schreiben vom 5. April (Lenz, Briefwechsel S. 414/15 und 415427). Eingehende Nachrichten auch im Tagebuche des Grafen Wolrad (Schultze S. 335—344; vgl. v. Caemmerer S. 61ff.).

40) Graf Wolrad war zu einer Besprechung mit Julius Pflug und dem Grafen Fürstenberg in den Dom eingeladen (20. März). Butzer, Volkhamer und Pistorius nahmen an der Unterredung teil. Vergebens bat Pflug um den Aufschub der Abreise.

4) Am 21. März war Graf Wolrad, um weiteren unerwünschten Verhandlungen aus dem Wege zu gehen, auf Rat seiner Gefährten schleunigst heimlich fortgeritten (Schultze Tagebuch, S. 340/44). Am 22. trafen Brenz und Pistorius bei ihm ein und berichteten über die Vorgänge nach seiner Abreise.

4) Ein letzter Bericht des Grafen Wolrad und des Johannes Pi- storius (von der Reise) an den Lanägrafen, Kassel, 2. April 1546 ist gedruckt bei Neudecker a. a. O. S. 727f.

Mitteilungen.

Neuerscheinungen.

Von den Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte sind erschienen: 1. Nr. 157 (= Jahrg. 52 Nr. 1) Johannes Sleidanus, Der Geschichtschreiber und die Schicksalsmächte der Reformations- zeit, vom Herausgeber dieser Zeitschrift. Leipzig, Heinsius Nachf., 89 8. 2. Jahrg. 52, 2 Nr. 158: Rud. Poser, Synoptisches Inhalts- verzeichnis der gebräuchlichsten Lutherausgaben, und Bernh. Woerner, Wegweiser in Buchwalds Luther-Kalendarium. Beide Ar- beiten erleichtern den Zugang zu den Schriften des Reformators in dankenswerter Weise. Bei Poser sieht man, ob und wo eine Luther- schrift in den gebräuchlicheren Ausgaben vorliegt. Woerner gibt u. a. eine chronologische Übersicht der Reisen Luthers, Verzeichnis der Personen, die bei L. verkehrt haben, einen Predigtindex sowie Indizes zu Luthers Disputationen und Vorlesungen usw. Ein Vorwort O. Cle- mens führt in die Benutzung dieser Arbeiten ein. Leipzig, M. Heinsius Nachf., 1935. IV, 109 S.

Die eindringende Studie von Hans Lehnert; Kirchengut und Reformation, schildert, ausgehend von der Sachlage im Mittelalter, den grundsätzlichen Wandel, den die Reformation für das Verhältnis von Kirche und Kirchengut mit sich brachte, und sucht zugleich die wechselvollen rechtlichen Formveränderungen, denen das geistliche Gut durch die Eingriffe der evangelischen Territorialgewalten ausge- set::t wurde, in ihrer jeweiligen juristischen Besonderheit zu erfassen. In der obrigkeitlichen Bindung der ev. Territorien kommt die luthe- rische Staatsauffassung zum Ausdruck, die in Staat und Kirche zwei getrennte, aber ständig aufeinander bezogene Regimenter, zwei gegen- sätzliche, aber nicht widerstreitende Ordnungen der Christenbeit er- blickt. = Schmeidler und Brandt, Erlanger Abhandlungen zur mitt- leren und neueren Geschichte XX. Erlangen, Palm und Enke, 1935. 1488. 6 M.

Alfred Kurz, „Die Heilsgewißheit bei Luther. Eine entwicklungsgeschichtliche und systematische Darstellung“. Vf. zeigt im ersten Teil Lutbers Kampf um die Heilsgewißheit in den einzelnen Phasen vom scholastisch-klösterlichen Ausgangspunkt bis zum Sieg im reformatorischen Enderlebnis; die drei Phasen des Kampfes werden als „Inferno‘‘, !’urgatorio‘‘ und „Paradiso“ unter-

schieden. Das reformatorische Erlebnis selbst wird nach Inhalt, Bedeutung und Zeitpunkt (nach dem Verf. 1516, nämlich gegen Ende der Römerbriefvorlesung) untersucht. Daran schließt sich ein systematischer Teil, der gleichzeitig L.s Stellung zum Problem der Heilsgewißheit in seinen späteren Jahren bis zu seinem Tode behandelt. Ein Schlußwort (‚Die Heilsgewißheit und unsere Zeit‘‘) betont: Keine Theologie ist ewig, denn jede ist eine Auseinandersetzung mit ihrer Zeit, darum ist sie an diese gebunden und vergeht mit ihr, aber es gibt ein ewiges Evangelium, und dieses hat Luther der Welt wieder- gebracht.‘ Gütersloh, C. Bertelsmann, 1933. XII, 261 S. 8M. Geb. 10 M.

Entgegen der Kritik, die Luther in der Vorrede zur September- bibel 1522 bekanntlich an der Offenbarung Johannis übt, sucht der Erlanger Theologe H. Strathmann zu erhärten, daß die O. mit Recht im Neuen Testament stehe. Sie sei auch kein Rätselwort, nur muß sie zugleich zeitgeschichtlich, endgeschichtlich und traditions- geschichtlich gedeutet werden. Sie ist der Hymnus auf ein wahrhaft heldisches Christentum. H. Strathmann, ‚Was soll die Offenbarung des Johannes im Neuen Testament ?‘‘ Güterslon, C. Bertelsmann, 1934. 42 8. 1,20 M. "

Alfred Göhler, Calvins Lehre von der Heiligung, dar- gestellt auf Grund der Institutio, der exegetischen und homilitischen Schriften, betrachtet im ersten Teil (Lehre von der Heiligung) die Inanspruchnahme des Menschen durch Gott, die Wiedergeburt des Sünders durch den Heiligen Geist, und das Gesetz als Norm für den Gehorsam des Wiedergeborenen, und untersucht im zweiten Teil die Stellung und Bedeutung der Heiligung in Calvins Lehre. Indem Calvin unserm Leben nur dann einen Sinn zuerkennt, wenn es Gott geheiligt ist, wenn Gott durch unser Leben verherrlicht wird, sieht Verf. hier das Band, das seine gesamte Lehre zur Einheit Zusammen- schließt. München, Chr. Kaiser, 1934. 136 S. 2,80 M.

Hans Engelland, Gott und Mensch bei Calvin, richtet sich gegen die Anschauung der bisherigen Forschung, daß Calvin den Gottesgedanken mit unerschrockener Folgerichtigkeit ausdenke, seine Theologie ein fest geschlossenes dogmatisches Gefüge darstelle und er der größte Systematiker unter den Reformatoren sei. Er findet bei Calvin eine doppelte Eigenart, die den Sieg des biblischen Denkens immer wieder verbindere: 1. Die Neigung zwischen Vernunft und Offenbarung zu vermitteln (bei den Fragen der Gewißheit um Gott, der Heiligen Schrift, des Urfalls, der Kirche); 2. Furcht vor dem logischen Widerspruch (bei den Fragen der Willensfreiheit, der ewigen Vorherbestimmung, der ewigen Vorsehung, der zwei Na- turen Christi und des Abendmahls).. München, Chr. Kaiser, 1934. 155 S. 4,50 M.

Die gelehrte und gründliche Schrift von Maria Hagedorn „Reformation und Spanische Andachtsliteratur, Luis de

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Granada in England“ zeigt die große Bedeutung auf, die für die englische Andachtsliteratur des 16. Jahrh. die massenhaft in England eingeführten Übersetzungen spanischer Werke gehabt haben. Vor allem die Luis’ de Granada (1504—1588). Um das zu zeigen, geht Verf. den Übersetzungen der einzelnen Werke Granadas ins Englische nach und zeigt ihre Verbreitung und den Einfluß, den sie auf eine größere Anzahl englischer Schriftsteller, auch auf das Elisabethanische Drama und Dichtungen ausgeübt haben. = H. Schöffler, Kölner Anglistische Arbeiten. Bd. 21. Leipzig, B. Tauchnitz, 1934. 166 S.

Ernst Lewalter, „Spanisch-jesuitische und deutsch- lutherische Metaphysik des 17. Jahrh. Ein Beitrag zur Geschichte der iberisch-deutschen Kulturbeziehungen und zur Vorgeschichte des deutschen Idealismus‘ geht von der Aufnahme der Metaphysik in den Lehrbetrieb der Artistenfakultäten der protestantischen deut- schen Hochschule aus, einer Bewegung, die sich nach dem Bekannt- werden der spanisch-neuscholastischen Metaphysik der Gegenrefor- mation vollendet, so zwar, daß dieser die Rolle der Lehrmeisterin zu- kommt. Verf. entwickelt dann das Fortwirken des Humanismus an der aufkommenden Metaphysik, das Verhältnis der spanisch- deutschen Metaphysik zur Aristoteles-Interpretation, “ie Stellung der Metaphysik im Zusammenhang der theologischen Anliegen der deutschen Universitäten, endlich die Wandlungen der Metaphysik bis 1700; eine Schlußbetrachtung gilt der „spanischen Vernunft- lehre‘‘ im deutschen Urteil des 17. und 18. Jahrh. Harri Meier, Ibero-Amerikanische Studien, Bd. 4. Hamburg, Ibero-Amerikanisches Institut, 1935. 85 S.

August Schuegraf behandelt auf Grund des Schrifttums „‚die Bistumsvereinigungen in der deutschen Kirche während des 14. und 15. Jahrh.‘‘ Einer der Hauptgründe für diese Bistumsver- einigungen beruht in der Armut selbst der größten deutschen Kirchen, die wesentlich herbeigeführt worden war durch die alles Maß über- schreitenden Erpressungen seitens der römischen Kurie. Schmeidler und Brandt, Erlanger Abhandlungen zur mittleren und neueren Ge- schichte. XIX. Erlangen, Palm & Enke, 1935. 65 S. 2,50 M.

Joh. L. Goetz, „Die Primizianten des Bistums Eichstätt 1493—1577. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Klerus in der Reformationszeit‘. An die kirchliche Feier der Primiz pflegte sich im Bistum Eichstätt eine Mahlzeit anzuschließen, für deren Kosten die Priester, die die Primiz hielten, mittels einer bestimmten Abgabe an den Erbküchenmeister des Hochstifte aufzukommen hatten. Über diese Zahlung haben von 1493—1577 sich Listen erhalten, aus denen wir Namen und Herkunft der Primizianten kennen lernen. Verf. teilt nun diese Angaben über 434 Primizianten mit und bemüht sich, über deren Vorbildung und spätere Lebensschicksale Nachweise zu bringen. Ein Schlußkapitel gibt „kulturgeschichtliche Ergebnisse‘“ z. B. über Heimat, Universitätsbesuch, Verhalten zur neuen Lehre usw.

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= A. Ehrhard, Reformationsgeschichtl. Studien und Texte. Heft 63. Münster, Aschendorff, 1934. VIII, 120 8. 6 M.

„Das Deutschtum in der Tschechoslovakischen Ge- schichte‘‘ behandelt übersichtlich K. Krosta, wobei auch die Bedeutung, die der Reformation dabei zukommt, gewürdigt, sowie die Frage der Beeinflussung Luthers durch die Böhmischen Brüder (worüber die Studie von F. M. Barto3 in unserer Zeitschrift, Jahrg. 31, 8. 103ff. zu vergleichen) gestreift wird. In O. Butters politischer Bücherei. Prag, Verlag Orbis, 1934. 143 S. Preis 19 Kr.

Aus Zeitschriften.

In „Kritische Bemerkungen zu den Nachtrags- und Ergänzungs- arbeiten an der Weimarer Lutherausgabe‘‘ lenkt O. Albrecht die Aufmerksamkeit auf zwei in der W.A. noch fehlende Schriften: die „Ermahnung .. . die Verehrung des göttlichen Wortes betr.“ 1522, und „Freie christliche Gedanken‘ 1530 (= Kawerau-Clemen, Luthers Schriften Nrr. 177 und 372): Theol. StKr. 105 (1933) 8. 313—329.

Die bisherigen „Zwingliana‘“‘, jetzt, als Organ des in einen allge- mein Schweizerischen Zwingli-Verein umgewandelten „Zwingli-Vorein Zürich‘, erweitert als „Zwingliana, Beiträge zur Geschichte Zwinglis, der Reformation und des Protestantismus in der Schweiz‘, bieten in 1934 (Bd. 6, Heft 1, das ein Porträt Bullingers nach einem Gemälde von 1559 ziert) Beiträge von W. Köhler, Zwingliana in Wildhaus und Einsiedeln (geht urkundlichen Spuren der Wirksamkeit Zwinglis dort nach) (S. 1—4); O. E. Strasser, Die letzten Anstrengungen Bucers und Capitos, eine Union zwischen den deutschen Lutheranern und den schweizerischen Reformierten herbeizuführen (Mitteilung eines ausführlichen Schreibens B.s und C.s an die Eidgenossenstädte, so dem Evangelio anhängig, von 1537 aus dem Staatsarchiv Aarau) (S. 5—15); Tr. Schieß, Ein Jahr aus Bullingers Briefwechsel (1557) (S. 17—32). Endlich Miszellen, mit- geteilt von W. Köhler: a) Die Züricher Täufer und der Hofgold- schmied Kard. Albrechte, b) Zur Korrespondenz des Ambrosius Blaurer; c) Zu Wolfgang Ruß; d) Zu Paul Rasdorfer (S. 50—59).

Was die Überlieferung über „Die kirchliche Beerdigung im 16. Jahr- hundert‘ ergibt, stellt H. Grün in ThStKr. 105 (1933) S. 139—214 in dankenswerter Weise zusammen.

In Zeitschr. f. Bayer. KG. X (1935), Heft 2 S. 91—96 teilt K. Schornbaum zwei Nürnbergische „Ratsverlässe“ und die bisher für verloren geltende Appellation des Nürnberger Rats gegen die Bulle Exsurge domine mit. Ebendort S. 97—112 untersucht Dollinger auf archivalischer Grundlage die Beteiligung Bayerns und Frankens an der Niederwerfung der Wiedertäufer in Münster (1534/35). In Heft 3, S. 151—156 bringt Herausgeber dieser Zeit- schrift aus Wien vier Cochlaeusbriefe von 1546 an Valentin von Teut-

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leben Bischof von Hildesheim zur Zeitlage (Schmalkald. Krieg) bei. Endlich gibt 8. 186f.,P. Schattenmann Ergänzungen über die letzten katholischen Geistliehen in. Rothenburg o. T.

Das von 1537—1551 reichende Tagebuch des Schwabacher Rate- herrn Kaspar Beyer veröffentlicht (aus Abschrift im Besitz des Historischen Vereins für Mittelfranken) G. Hecker in ZBayr.KG. X (1936), S. 33—57. Versehen mit dem sorgfältigen Kommentar des Herausgebers bietet es einen recht beachtlichen Beitrag zur Kultur- geschichte des Bürgertums im Reformationszeitalter.

Die Untersuchung von Rud. Kohlschmidt, „Mutian und Luther. Ein Beitrag zur Geschichte des Erfurter Humanismus“ stellt aufs neue fest, daß Mutian nicht danach angetan wdr, Luthers Art irgendwie zu beeinflussen. Es bleibt also bei dem Urteil O. Scheels, daß ‚‚die Erfurter Humanisten Luther nicht aus der Bahn geworfen haben‘. Heimat und Bildung, Festschrift für Joh. Biereye, in Sonderschriften der Ak. gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, Heft 6, 1935, S. 29—39.

Die von ihm in Simancas aufgefundene wichtige Instruktion Karls V. für Christoph Madruzzo Kard. von Trient nach Rom vom 11. Juni 1546 veröffentlicht G. Buschbell im „Archiv für Urkundenforschung‘“ XIII (1935) S. 188—210. Die Entzifferung wird Prof. Dr. Robert Fuchs in Dresden verdankt, der selbst unter Mitteilung des Chiffre- systems und seiner Chiffriermethode darüber berichtet.

In Auseinandersetzung mit dem Werke von Frederic C. Church, The Italian Reformers, New York 1932 (auch ins Italienische über- setzt) verbreitet sich Alfredo Casadei, I reformatori italiani, ausführlich über den Stand der Forschung auf diesem Gebiet. Er zeigt insbesondere, daß einer Gesamtdarstellung noch viel Einzel- arbeit vorausgehen müsse. Bonaiuti, Religio vol XI, nr. 5 (September 1935), S. 422—428.

Ebendort vol. XI nr. 4 (Juli 1935) 8. 333—351 entwickelt Paolo Polesi die politischen Gedanken des den Kreisen des Juan de Valdes und der Vittoria Colonna angehörigen oder nahestehenden Dichters Marco Antcnio Flaminio (t 1550), und zwar auf dem Grunde der nach dieser Seite hin bisher noch nicht gewürdigten, in die Form eines Dialogs zwischen Flaminio und Hieronimo Vida gekleideten Schrift des letzteren: „De dignitate reipublicae seu civilis societatis‘“.

Endlich verbreitet sich am gleichen Orte XI Nr. 2 (März 1935) S. 126—145 und Nr. 6 (Nov.) S. 503—522 unter der Überschrift Chiess orthodossa e Riforma nei secoli 16 e 17 Oreste Tafrali (Professor an der Universität Jassy in Rumänien) über die Be- mühungen des Calvinismus, in der orthodoxen Kirche Anhang zu finden.

Druck von Ü. Sohbulse & Ü... G.m.b. H,, Gräfenhainichen.

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