ARCHIN

ABRORMATIONSGESCHICHTE.

TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.

Im Auftrag des Vereins für Reformationsgeschichte

herausgegeben von

Dr. theol.. jur. et. phil. Walter Friedensburg.

XXI. Jahrgang. 1924.

Nachdruck mit Genehmigung vom Verein für Reformationsgeschichte KRAUS REPRINT LTD.

Vaduz 1964

(n

Printed in Germany

Lessingdruckerei Wiesbaden .

Inhaltsübersicht.

Karl Bauer, Lie. theol., Universitätsprofessor in Münster, Der Bekenntnisstand der Reichsstadt Frankfurt a. M.

Seite

III. IV. . . . . . . 1—86; 206—288

Guetav Bossert, D., Pfarrer a E in n Stuttgart, Neues über Neuheller (Neobolus) und Diedelhuber

Irmgard von Schubert, Dr. phil. in Heidelberg, Wirt- schaftsethische Entscheidungen Luthers

Georg Buchwald, D. Superintendent in Rochlits (Sachsen), Zur Postilla Melanthonia»a .

Theodor Wotschke, D. br. Pfarrer in Pratau (bei Witten- berg), Aus dem Briefwechsel des Stettiner Pfarrers Kogler

Walther Köhler, D. Dr. Universitätsprofeasor in a Zürich, Brentiana und andere Reformatoria IX .

Emil Körner, Lic. theol, Domprediger a D. in Leipzig: Graf Wolrad II von Waldeck und Johannes Brenz

Otto Clemen, D. Dr. Professor in EIERN, Ein Brief von Augustin Himmel. . . ;

Paul Kalkoff, D. Dr. Professor in Bieslan, Die Kaiser- wahl Friedrichs des Weisen (27. Juni 1519) Walter Friedensburg, D. Dr. Dr., Staatsarchivdirektor i. R. in Wernigerode a. H., Ein Brief des Flacius

an Magister Andreas Poach (5. Oktober 1554)

Hans Volz, in Berlin-Lichterfelde, Eine augebliche Hand- bibel Luthers . : gs

Otto Clemen, Aus dem Nachlaß Kiin Rudingers *

Georg Buchwald, Zur Aufführung von Schulkomödien in Wittenberg.

Otto Clemen, Zum Zt. Aenne im ed Mittelalter i Mitteilungen: O. Clemen, Nochmals ‚Keoutins® S. 1461. W. Friedensburg, Die Berufung dos Johannes Rhayius Aesticampianus an die Universität Witten- berg 1517 5. 146—148; Ein Brief Georg Majors an Nikolaus von Amstorff 1563 S, 254f. J. Jordan, Zu M. Luthers Briefwechsel S. 148f.; „Regio Cos- wicensis" bei Luther S. 150f. Neuerscheinungen S. 151—156; 256—958. Zeitschriftenschau S. 156 bis 160; 258—260. Verein für bayrische Kirchen-

geschichte 8. 260.

W. Friedensburg, Inhaltsverzeichnis zu Jabrgang

1—90 und Ergänzungsband 1—4 S. 461—520.

87—48 49—77

78—89

90—94

95—104 105—126 197—189

188—140

141—144

161—205 239—2456

346—3250

251—258

Der Bekenntnisstand der Reichsstadt Frankfurt a. M. im Zeitalter der Reformation. III.

Von. K. Bauer.

Der Bekenntnisstand der Fremdengemeinden bis zum Augsburger Religionsfrieden.

1. Der dogmatische Standpunkt Poullains bis

zu seiner Ankunft in Frankfurt a. M.

Als Poullain nach Frankfurt kam, nannte er als seine Autoritäten Luther und Butzer. „Er bat auch offt“, be- sobeinigten ihm die Frankfurter Prädikanten nach seinem Tode!) „D. Martin Luthers, und Herrn Martin Bucers seliger gedechtnis, sehr Ehrlich und Christlich gedacht, und aus- trücklich gesagt, Er hette alle seine Theologiam aus der- selben bücher studirt.^ Wann und wie weit er sich mit Lutbers Schriften vertraut gemacht hat, wissen wir nicht. Seine Abendmahlslehre jedenfalls hat er zu keiner Zeit ge- teilt, sondern entschieden bestritten und verworfen. Jene Worte sind daher, soweit sie Luther betreffen, cum grano salis zu verstehen. Wie sie gemeint waren, können wir erst auf Grund seines inneren Werdeganges feststellen.

Über der theologischen Entwicklung Poullains, soweit wir sie noch verfolgen können, stehen die Namen Butzers und Calvins. Er begegnet uns 1544 als Hausgenosse Butzers*), und er bezeichnet diesen als alterum meum parentem*). Seine Bekanntschaft mit Calvin datiert jedenfalls seit einem Be- suche, den dieser seinen Straßburger Freunden 1543 ab- stattete*). Von da an stand er im Briefwechsel mit Calvin,

1) Gegenbericht. 8 5. F. R. II. Beil. 14. S. 51,

2) Ex aedibus Bucerianis (s. D. Buceri) schreibt er am 6. Ok- tober 1543 an Farel und am 10. März 1541 an Calvin. Calv. Opp. XI, 623. 685.

5) Brief an Calvin vom 26. Mai 1544. Calv. Opp. XI, 719.

4) Er erwähnt in seinem Briefe an Farel vom 6. Oktober 1543 illam V. (= vestram) cum D. Calvino huc ad Metensium negotium profectionem. A.-L. Herminjard, Correspondance des Réformateurs dans les pays de langue frangaise. XI, 60 n. 5.

Archiv für Heformationsgeschichte. XXI. 1,2. 1

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in welchem er als tuus olientulus et filius in Christo obedien- tissimus unterzeichnete!) und versicherte: Invenies me semper filium. Oro, ut mihi pater esse velis?).

Der Standpunkt, den er unter dem Einflusse dieser beiden Männer in der Abendmahlsfrage vertrat, ist für uns erstmals erkennbar im Spätherbst 1515. Damals wurde er von den Straßburgern nach Wesel geschickt, um Streitig- keiten zu schlichten, die bier über die Abendmahlsfeier aus- gebrochen waren?) In dem Briefe, mit welchem er sich bei Calvin Rats erholte, gab er über die Verhältnisse in Wesel das bemerkenswerte Urteil ab: Die Schuld sei auf beide Seiten verteilt, aber nicht gleichmäßig. Nicht billigen wollte er es, wenn seine wallonischen Glaubensbrüder in einem falschen Spiritualismus sich von dem Abendmahl fern hielten, solange es noch von dem Pfarrer in der Alba aus- geteilt wurde. Aber scharf zu tadeln fand er es, daß sie sich wider ihr Gewissen auf die Lehre von der Impanation hatten verpflichten lassen“). Diese erste AuBerung, welche wir von ihm über das Abendmahl besitzen, zeigt ihn uns bereits als Gegner der lutherischen Abendmahlslehre.

Die erste“) Schrift, mit welcher er an die Offentlichkeit trat, war der Traicte tres vtile dv s. sacrement de la cene. Auec response aux principaulx argumens des anciens et modernes contre ce s. Sacrement, zu dem er die Widmung an die französische Gemeinde in Straßburg bei einem vor- übergehenden Aufenthalt (en passant) in dieser Stadt am 8. Juni 1547 schrieb?). Die Frankfurter Lutheraner haben

1) Brief vom 10. März 1544. Calv. Opp. XI, 685.

*) Brief vom 26. Mai 1544. Calv. Opp. XI, 712.

3) Hollweg, Calvins Beziehungen zu den Rheinlanden. In den ,Calvin-Stadien der Reformierten Gemeinde Elberfeld", herausgegeben von Bohatee. Leipzig. 1909. S. 147 fl.

4) Brief an Calvin vom 16. Dezember 1545. Calv. Opp. XII, 215.

5) Seine Scholia in articulos Lovanensium, die er in seinen Briefen &n Calvin vom 16. November 1515 und vom 3. Dezember 1545 er- wähnt (Calv. Opp. XII, 214. 225), scheinen nicht gedruckt worden zu sein.

*) Die Schrift ist heute selten. Sie ist weder in der Schweiz, noch in Preußen auf einer öffentlichen Bibliothek vorhanden. Das von mir benutzte Exemplar ist Eigentum der Fürstl. Stolbergschen Biblio- thek in Wernigerode und stammt Ex Bibliotheca H. W. Ochs ab Ochsen- stein. Der Einband trägt auf seiner Rückseite den handschriftlichen Vermerk: donum Domini à Glaub. 1731. Hiernach war das Exemplar ursprünglich im Besitze der Familie von Glauburg in Frankfurt a. M., die es offenbar von Poullain selbst erhielt. Man möchte vermuten,

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seinen Inhalt vor zweihundert Jahren dahin zusammengefaßt}), daß er „darinnen die Lehre vom Abendmahl überhaupt, und insonderheit die Lehre von der Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im heiligen Abendmahl, nach Zwinglii Principiis abgehandelt, und nicht allein wider die Römisch-Catholische, sondern auch wider die Lutheraner (welche er doch niemahls benennet) disputiret". Sieht man von der Bezeichnung der reformierten Abendmahlslehre als „Zwinglii Principiis“ ab, so kann man diese kurze Inhaltsangabe im Übrigen als richtig anerkennen. Indem er in der Zueignuug das Treiben des Satans in der Kirche verfolgt, findet er, daß er gerade in der Abendmahlslehre viel Unheil angerichtet hat, indem er zuerst die Transsubstantiation, dann die lmpanation auf- brachte. Car enuiron mille ans apres Jesuchrist, fut conclad que le sacrement de la cene, qui est pain et uin, perdoit sa substance et estoit changé realement au propre corps et saug de Christ. Laquelle doctrine et decision, qui emporte necessaire- ment une multiplieit& ou infinie extension du corps de Christ par tout le monde, ne se peut retenir sans accorder les sus- dites heresies (nämlich die christologischen Ketzer der alten Kirche, die alle in den Mennoniten wiederaufgelebt sind), comme assez apperra en ce traicté. Et a desia ceste absurde opinion de la transsubstantiation du pain et uin au corps et sang de Christ, duré long temps, pres que de cinq centz ans. Aber auch in der Reformationszeit ist le diable nicht müßig gewesen: Cest grand merueille que entre ceulx qui ont tres- purement receu et retenu toute la doctrine Euangelique, le diable a peu semer ceste discorde, que long temps ilz ne se sont peu accorder touchant le sacrement de la Cene. Lune des parties a uoulu comme elle deuoit, retenir la pure uerité .... Lautre partie estant menee (peut estre) de quelque crainte dempescher le monde, quil ne receut cest doctrine uoluntiers, sil oyoit ainsi entierement ruiner et abolir leur grande idole, ont estudié a le retirer de ceste superstition, et le adresser au uray usage du Sacrement, qui est que en usant diceluy, la mort de Christ soit annoncee, et la foy de la remission des pechez ef uie eternele coufermee. Mais il ne uoyent pas que demourant ceste doctrine de limpanation du corps de Christ,

daß es Adolf von Glauburg gehörte, und daß dieser durch seine Lek- türe zum Gegner der lutherischen Abendmahlslehre (Steitz, Hartınann Beyer S.118f. wurde. Für die Entstehung des Traktats, der nach der Vorrede erst einige Monate nach seiner Vollenduug gedruckt wurde, kommt der Brief Poullains an Calvin vom 28, August 1546 (Calv. Opp. XII, 376) in Betracht.

!) F. R. II, 187, l*

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demourera neantmoins lidolatrie au monde. . . Le diable est cault et grand sophiste. Il uoit que ceste heresie, que le pain soit fait realement uray corps de Christ (et par tant aussi Dieu, entant que la diuinité ne peut estre separee de lhumanité) est trop lourde, et ne pourra long temps plus durer, il espere que par limpanation il pourra retenir en leglise du Seigneur, cest idolatrie tant abominable: et pour- tant se parforce de maintenir ceste nouuelle doctrine, que le uray corps de Christ soit encloz au pain. Afin que sil adnient que la transubstantiation soit abolie, neantmoins ceste doetrine demeure, par laquelle necessairement sera toute lidolatrie, qui tant long temps a regné au monde, encores maintenue au grand blaspheme du nom de Dieu. Der Gegen- satz zwischen den beiden Richtungen läßt sich nicht über- brücken: Car elles sont en telle opposition quil ny a nul moyen entre iceulx. Car tout ce que se deborde du uray, est opposite au uray.

Ganz ebenso äußert sich Poullain in dem Traktat selbst. In dem zweiten, speziellen Teile desselben (de la Cene) setzt er sich eingehend mit den dreizehn Argumenten derer auseinander, die erklären: Nous ne pouons nyer que reale- ment et substantialement le corps de Christ ne soit present en la cene. Er fühlt sich durch sie an die Kapernaiten erinnert. Im Einzelnen unterscheidet er bei ihnen zwei Gruppen. La premiere est assez anciene de lescole, disant que les sacremens de !a Cene, assauoir le pain et le uin qui sont terrestres substances, sont changees au corps et sang de Christ, si que leur substance et u:ture du tout abolie, ne demeurent que les especes ou acoideus sans sappoz en lair: et par fant ny a rien que le corps de Christ, aussi grand et gros, ete. La seconde bande qui est nouuellement trouuee dit, que ces substances ne sont ainsi couuerties ou annibilees, ains demeure en leur nature. Mais que a ces substances sont realement coniointz les corps et sang de Christ par une concomitance que lon dit Et par tant en, auec, et soubs le pain, est le uray corps de Christ, pour estre recue et mangé fant de linfidele que du fidele. Hier ist mit klaren Worten die lutherische Abend- mahlslehre beschrieben, „daß wahrhaftig in und mit dem Brod der Leib Christi gessen wird, also daß Alles, was das Brod wirkt und leidet, der Leib Christi wirke und leide, daß er ausgetheilt, gessen und mit deu Zübnen zubissen werde" !). Sie kommt für Poullain im Gruude auf die katholische hinaus: Ces deux sectes de prime face semblent dire une mesme

1) Bedenken Luthers vcn 17. Dezember 1584 E. A. 55,75.

b

chose: car se que lescole dit soubs les especes, semble nestre autre chose sinon que les autres disent, en, auec et soubs le pain. Der Unterschied ist nur der: lune, nyant les substances terrestres demourer: lautre, confundant et meslant icelles auec les celestes. Beide berufen sich auf die Einsetzungsworte. Aber Poullain hält die katholische für trop plus tolerable als die lutherische. Die Einsetzungs- worte resemblent un petit de plus pres a lopinion de ceulx qui tiennent la transubstantiation, que non pas de ceulx qui tiennent limpanation, et changent les parolles, disant, ley est mon corps. Desbalb lehnt er auch mit aller Entschieden- heit die lutherische Abendmahlslehre ab, indem er fortführt: Done a bon droit et raison doit ceste seconde opinion de limpanation estre chassee hors de toute dispute, tant pource quelle presume changer la parolle du Seigneur, que aussi pource que elle usurpe a soy une licence, laquelle elle ne ueult accorder a dautres, assauoir dinterpreter les motz obscurs de lescriture. Ilz nyent quen ces parolles y ayt quelque trope ou figure, et les ueulent prendre a la lettre. Toutes- fois leure dire ne peult consister sans trope ou figure, que lon appelle metonymie, qui est quand lon nomme le uaisseau pour ce qui est dedans, comme quand ie dy, Beuuez ce uerre, cest adire le uin qui est dedans. Done pour ces deux raisons ne pouons disputer contre ces lmpanateurs.

Methodisch geht Poullain in der Weise zu Werke, daß er in der Einleitung (Pro&me) den Gesichtspunkt aufstellt, unter welchem die Sakramente in Betracht kommen: Gottes- erkenntnis, Gottesdienst, Religion beruhen auf Offenbarung. Und zu seiner Offenbarung fügt Gott seine Sakramente hinzu, afin que la uerité nait moins daydemens, que le mensonge. Die wahre Religion ruht also nicht auf Sakramenteu, die von Menschen erfunden sind, sondern einzig auf der Ein- setzung durch den Herrn.

Dann folgt ein grundlegender Teil (de Sacrement), der im allgemeinen erörtert, was ein Sakrament ist und wozu es dient. An die Spitze stellt er die Erklärung: Sacrement est un signe externe, uisible et sensible, ordonné de dieu pour nous entretenir en la perpetuelle memoire de 8a grace, et seeler en noz coeurs la foy en luy, afin que totalement il se communique et face un auec nous, Schon hier legt Poullain alles Gewicht auf den Glauben, indem er fortfährt: il nya autre moyen que la seule foy, dont nous puissions estre coniointz et faitz un auec nostre dieu. Wenn er die Zeichen deshalb auch sehr hoch einschätzt quelle excellence, sagt er, y a il en ces Sacremens, quand le Seigneur les appelle du nom de la chose quilz signifient? Et non sans

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cause, puis que par iceulx il entretient et nourrit nostre foy, sans laquelle ne pouons estre coniointz a luy —, 80 warnt er doch zugleich vor einer nahe liegenden folle re- uerence ou reputation de la creature. Sie sind nicht die Sache selbst, die sie bezeichnen, sondern dienen ihr nur als Symbole. Car. par lordonnance du Seigneur elle nous seruent comme la chose mesme, entant que par icelles, ei nous en usons selon lordonance du Seigneur, nostre esprit par foy apprehende les choses mesmes signifiees par telz symboles. Deshalb müssen wir von den sichtbaren Zeichen uns hinweisen lassen auf den Herrn und sein Erlósungswerk, wie das Poullain an Taufe und Abendmahl veranschaulicht: Ainsi lors nous sert ceste eaue iettee sur nostre corps, ce pain rompu ef distribué pour manger, et le uin semblable- ment pour boyre: afin que estant comme mis deuant les yeulx le mystere de nostre redemption, nous leuons les yeulx de nostre esperit, et contemplons celluy qui a tout fait, ce que nous est annoncé ef representé: et oroyans a ee nous soyons faitz participans a fout le fruit qui en procede. Die Deutung, welche er den Symbolen des Abend- mahls im einzelnen gibt, können wir hier übergehen. Doch sei erwähnt, daß er in diesem Zusammenhang von 1. Kor. 10,16 dieselbe Anwendung macht, die uns aus der Didache bekannt ist: Le pain et le uin faitz de plusieurs grains, nous ad- monestent, comment tous qui participons a ces sacremens, ne deuons estre plus que un en Christ, entant que par une mesme foy plantee en noz coeurs par un mesme esprit, nous sommes releuez et entez en Christ, faitz Res membres et temples de son saint esprit.

Den Stoff, den Poullain in seinem zweiten, speziellen Teil (de la Cene) behandelt, verteilt er auf zwei Abschnitte: premierement demonstrerons ce que appellons la Cene, et puis du sacrement:

Auch hier beginnt er mit einer Erklärung: La Cene, est une action ou ceremonie ordonnee de Dieu, que fait toute leglise assemblee pour memorer la mort et passion de Jesuchrist, et communiquer a icelle. En laquelle action se distribue pain et uin, sanctifi& au corps et sang de Christ, auec fidele action de grace: en laquelle ramenant en memoire les pechez dont sommes chargez, nous acceptons la remission diceulx par grace du merite de ceste mort. Nachdem er dann die verschiedenen Namen für das Abendmahl besprochen hat, die man nach seinem Urteil alle unbedenklich beibehalten kann, wenn man den richtigen Sinn mit ihnen verbindet und nichts an der Einsetzung durch den Herrn ändert, geht er auf diese ein und fragt: I ordonnance de Jesuchrist est, faire

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ce quil a fait, sans y rien changer, wofür er sich auf 1. Kor. 11 beruft. Die weitere Ausführung dieses Abschnittes, die stellen- weise, wie übrigens auch die des folgenden, des rhetorischen Sehwunges nicht entbehrt und den Eindruck erweckt, als babe Poullain hier eine seiner Abendmahlspredigten auf- genommen, leitet die Erfordernisse jeder rechten Abendmahls- feier aus Joh. 13—17 und den Einsetzungsworten ab und endet mit einem ernsten Appell, alle Greuel zu meiden, die mit der Stiftung des heiligen Mahles nicht im Einklang stehen, weil man Gott mehr gehorchen muB, als den Menschen.

Die Erklürung, mit welcher Poullain den nun folgenden zweiten Abschnitt einleitet, lantet: Le Sacrement de la Cene, esí un signe real ordoné de Jesuchrist a son eglise pour entretenir la memoire de sa mort et passion, et nous faire par foy participer au corps et sang dicelluy, afin de seeller en noz coeurs par la uertu du saint esprit, tous les fruits des dons ef graces du Seigneur a nous acquis par ceste mort: cest adire asseurer et acerterner noz coeurs et espritz de toutes les promesses de Dieu. Das Symbol heißt pour la substance de sa nature Brot und Kelch (Wein) Leib und Blut des Herrn heißt es par la commune maniere de tous sacremens, so wie auch die Beschneidung Bund genannt wird. Brot und Wein sind auch wirklich Leib und Blut Christi, non pas corporelement, ou realement: cest a dire, pour estre sentis ou apperceuz de nostre corps ou de leur substance. Mais ilz le sont spirituelement et sacramentalement, en tant quilz sont signes tant uifz et puissans par la uertu du saint Esprit y cooperant, que lame fidele en son esprit recoit realement ce que luy est par ces signes signifié. Sacramentalement done, pource quilz sont signes significatifz. Ein Mißverständnis wehrt Poullain an dieser Stelle zum vor- aus ab: Spirituelement, non pource que ne soit communiqué que lesprit de Christ: mais pource que nostre esprit seulement apprehende laecomplissement de toute la uerité par foy. Was er dann tiber die Bezeichnung „neues Testament“ schreibt, ist dogmengeschichtlich ohne Bedeutung; wir können uns begnügen, daß er den. Ausdruck in Ver- bindung bringt mit einer forme testamentaire et derniere uolunté, durch die der Bund des Glaubens und des Lebens uns geschenkt ist.

Offen geblieben ist bei den bisherigen Ausführungen die Frage nach der Realpräsenz Christi beim Abendmahl. Poullain ist darauf gefaßt, daß sie ihm vorgelegt werde, und geht deshalb im Folgenden näher auf sie ein. Zunächst antwortet er ganz allgemein, daß Christus im Abendmahl wie in jeder Versammlung seiner Gläubigen zugegen ist nach

seiner Verheißung. Matth. 18, 20. Da er aber alles auf den Glauben stellt, so macht er zugleich die Einschränkung: Et pourtant nest point la Cene du Seigneur, il ne se tronue point: cest en lassemblee des meschans, et de ceulx qui desprisans son ordonnance, font ce que bon leur semble. In- dessen weiß er, daß die Frage auf die Gegenwart des Leibes Christi gebt und desbalb durch diese Antwort nicht erledigt ist. Deshalb erklärt er weiter: Nous confessons et croyons que nul ne peult estre saulué, sil ne mange et boit la chair et sang de Christ, wofür er Joh. 6 geltend macht. Das Essen des Fleisches Christi ist gegen das Árgernis der Kapernaiten dahin zu verstehen: Manger la chair et boire le sang de Christ, nest autre chose que croire en luy. Die Probe darauf, ob jemand Fleisch und Blut Christi empfangen hat, ist der Be- sitz des ewigen Lebens. Qui donc na ceste uie, il est notoire, quil a seulement mangé le sacrement (— das äußere Zeichen), lequel combien quil soit pur pain et uin, toutesfois pource que la usurpé par lordonance du Seigneur, et ne tient compte de leuer son esprit a Dieu, comme font les autres fideles en la mesme assemblee. Il est coulpable du corps et sang de Christ espandu, lequel il fait inutile a soymesme. Aussi pource quil rompt lunité du corps de Christ, cest de leglise unie en une mesme foy. Von hier aus findet Poullain die Frage nach der Realpräsenz leicht zu beantworten: Cest que aux fideles participans en foy aux sacremens et symboles, le corps et sang de Christ est urayement present: car ilz le contemplent auec saint Estiene, assis a la dextre du pere eto. Et bien dauantage, car il est uny auec eulx, en fant que la eoniunction qui se fait de nous a Christ, au moyen de la foy par operation du saint esprit, est si grande quil ny a ciel ne terre, distance ny multitude qui empesche que a tous ne soit entierement communique le filz de dieu. Et ne fault pourtant le tirer du ciel en bas, ou tirer noz corps de la terre en bault. Diese im Glauben dureh den heiligen Geist vermittelte Einheit mit Christus sucht Poullain an dem Bei- spiel der Ehe zu veranschaulichen. Mann und Weib sind nach Eph. 5 in der Ehe eins. Niemand versteht das, wenn er die getrennten Kürper sieht, und doch zweifelt niemand daran. Die Aufgabe für unser Verhältnis zu Christus kann hiernach nur die sein, dem nachzusinnen, was unseren Glauben mehrt und unsere Vereinigung mit Christus erhöht. Ver- ankert ist diese ganze Anschauung Poullaius in dem Glauben an die Auferstehung und Himmelfahrt Christi, diesen articles prineipaulx de nostre foy, von denen er betont, quil fault tenir ces deux articles indubitables, et ne rien admettre qui soit aucunement contredisant. Aufgrund von Röm. 4, 25;

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14'), 9; Matth. 28, 18; Röm. 8, 35°) schreibt er: pource quil est ainsi exalté, sommes seurs quil gouuerne son Eglise, la ornant de tous ses biens luy eslargissant son saint esprit lequel toutesfois ne nous eust iamais esté donné sil ne fut monté ez cieulx, cest adire sil ne fut corporellement desparty de ce monde. Und Röm. 8, 15 f. veranlaßt ihn zu dem Satze: uoyla que nous sert cest article de Lascension de Christ, et comment par ceste ascension il accomplit tout ce quil auoit promis a ses disciples. Im genauen Zusammenhange aber mit Auferstehung und Himmelfahrt steht bei Poullain die altkirchliche Zweinaturenlehre. Weil der Teufel weiß, daß von dem Artikel der Erhöhung Christi seinem Reiche Gefahr droht, bekämpft er ihn von jeher und sucht die Menschen irre zu machen in der richtigen Erkenntnis, daß Christus uray filz de Dieu et de Adam, Dieu et neantmoins homme comme nous, hors peché ist. Er hat dabei auch Er- folg gehabt: le diable a trouué des espritz (et ce par la permission du Seigneur, afin que les reprouuez?) ne uiennent a la uerité) par lesquelz il a rendu le monde perplex: les uns, touchant la diuinité: les autres, touchant lhumanité. Die Zeugen der Wahrheit, auf die uns Foullain hören heißt, sind Augustin, Hieronymus und Vigilius „von Trient“), durch deren Lehre Stellen der Schrift wie Joh. 6, 62; 7,33; 12, 8°); 14, 2£; 16, 41. 7. 28; 17, 11ff. verständlich werden, wie wir auch Christi Auferstehung und Himmelfahrt erst von ihnen aus verstehen können. Die Konsequenzen, die sich für Poullain hieraus ergeben, sind die Leugnung der com- municatio idiomatum und die Ablehnung der Ubiquitát. Er schreibt nämlich, daB Christus tellement est resusité par la reception de son ame, quil est maintenant non pas deifié ou fait dieu (car il ne fault nullement adinettre la confusion des natures en Christ) mais est clarifié et glorifié .... Car

!) 19, wie Poullain schreibt, ist vielleicht Druckfehler, wahr- scheinlicher aber ein Irrtum, da er, wie auch andere Versehen be- weisen, aus dem Gedächtnis zitiert. Verse gibt er natürlich nicht an.

) Dieses Zitat ist ohne Stellenangabe eingeleitet: lapocalypse ... estant uenu au principal combat et danger des esleuz.

2) Poullain vertritt hiernach die Lehre von der gemina prae- destinatio. i

4) Les oeuures duquel mettrons en Francoys, Dieu aydant. Ge- meint ist Vigilius von Thapsus, aus dessen 4. Buche Poullain ein längeres Zitat bringt.

5) Zu dieser Stelle macht er die für einen Reformierten charak- teristische Bemerkung: lesquelz (sc. die Armen) par tant il & consacré, afin quen iceulx nous le contemplons et luy seruons,

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estre glorifié, nemporte abolissement de nature, mais un plain restaurement dicelle, le deliurant de tout uice et infirmitez, comme maladie, crainte . . . . et semblables affections ou furbations . . . et semblables passions qui sont les appendices de la mort, dont singulierement sont deliurez les corps glorifiez, receuant comme dit lapostre, Incorruption. Done au corps glorifié demeure sa nature, cest adire ce que luy est propre et naturel: mais il est deliuré de toute uanité, a quoy il a esté subiect. Tel corps appelle Paul, glorieux et spirituel, non pas esprit: mais pource quil est remis en son entier et simple nature sans quelque accident uitieux ou dommageable. Aufgrund von Phil. 3, 21 leugnet Poullain jeden Unterschied zwischen dem verklärten Leibe Christi und dem uns ver- heißenen und kommt hiernach zu dem Schluß: Comme nul nest si lourd ou sot, qui pense que noz corps seront infiniz, ne tenant plus de place, ou sestendans par tout sans circun- ference: aussi ne fault il attribuer semblable chose au corps de Christ, parquoy coneluons que selon larticle de nostre foy, Christ est monté, uoire selon lhomme, en hault: et par tant son corps uif et entier est par dessus tous les cieulx: et ne descendra en terre iusques a son iour quil uiendra iuger les uifz et les mortz. Dadurch ist aber nicht ausge- schlossen, daB er auch jetzt seiner Kirche nahe ist, sie be- lebt und regiert dureh seinen heiligen Geist.

Den Schluss des Traktates bildet eine Auseinander- setzung mit den argumens des contradisans, deren Poullain dreizehn aufzählt. In dem, was er gegen sie geltend macht, treten keine principiell neuen Gesichtspunkte zutage. Nur zweierlei scheint mir hier für ihn bemerkenswert zu sein: Zunächst der Versuch, die Gegner aus der Schrift zu wider- legen, für deren Benützung er folgende Grundsätze aufstellt: 1. que iamais nous ne prenons un seul mot ou passage de lescriture pour contredire a plusieurs autres, mais que cestuy seul soit exposé par les plus euidens et selon lanalogie, cest selon la relation de lun a lautre, 2. que nous ne deuons prendre ny receuoir nul texte a la lettre, si ce sens literal contredit a quelque article de foy; sodann die Vertrautheit mit der Dogmengeschichte; in seiner Wider- legung des ersten Argumentes z. B. (la presence charnele du corps de Christ en la Cene, ne repugne a larticle de lascension, ny a tout ce que escriuent les anciens de la uerité de lhumaine nature en Christ) gibt er eine Uebersicht über die mittelalterliche Entwicklung der Abendmahlslehre bis auf Thomas von Aquino, so gut wie sich eine solche zu seiner Zeit geben ließ; einen Sieg des Dogmas tiber die Geschichte hat er nicht anerkannt.

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Auch in England, wohin er im April 1549 nach der Durchführung des Interims in Straßburg mit Butzer und Fagius übersiedelte, nahm die Abendmahlsfrage seine Aufmerksamkeit in Anspruch. Als Petrus Martyr Vermigli am 28. Mai 1549 in Oxford tiber die Frage disputierte, wie der Leib Christi im Abendmahl gegenwürtig sei, veranstaltete er von den Akten dieser Disputation eine Ausgabe, und bei seiner Ankunft in Frankfurt versäumte er nicht, sie den Prädikanten der Stadt vorzulegen!, ein Beweis, daß er Vermiglis Standpunkt teilte, der durch die drei Thesen gekennzeichnet ist: 1. Christus sei nicht im Abendmahl vermittelst der Brot- verwandlung, 2. er sei auch nicht darin durch leibliche Verbindung mit den Elementen, sondern 3. er sei nur sakramentalisch darin. Die dritte These, über die in Oxford nicht mehr disputiert wurde, erläuterte Vermigli auf Butzers Rat in einem den gedruckten Verhandlungen vorausgeschickten Briefe an Cranmer folgendermaßen: „Wein und Brot sind zwar Symbole; durch die Einsetzung Christi werden sie aber zum Sakrament, d. h. sie werden zu Organen, durch welche der heilige Geist den Glauben erweckt, auf daß wir durch diesen Glauben geistig, aber doch wahrhaft, mit dem Leib und Blut Christi genäbrt werden. Durch solchen Genuß werden wir mit Christus vereint, wir bleiben in ihm und er in uns; welcher Christ könnte daher gering vom Abendmahl denken, statt das höchste Gnadenmittel darin zu erblicken, durch das wir der Wohltat des Herrn wahrhaft teilhaftig werden? Christi Leib und Blut sind gegenwärtig, aber auf geistige Weise, ohne daß ein physischer Kontakt nötig wäre; so wie die Gläubigen geistig unter einander vereinigt sind, so sind es auch die Glieder mit dem Haupt; zu einer solehen Vereinigung bedarf die Kirche der leib- lichen oder substantiellen Gegenwart nicht; die Gegenwart Christi wird durch den Glauben erfaßt, der sich zum Himmel erhebt und dort den Erlöser in seiner Herrlichkeit schaut. Wenn ich daher den Gebrauch der scholastischen Ausdrücke: wirklich, leiblich, substantiell verwerfe, so darf nicht der Schluß daraus gezogen werden, als lehre ich nur einen schein- baren Genuß. Der Leib Christi wird wahrhaft genossen, aber durch den Glauben; die Ausdrücke leiblich usw. setzen einen sinnlichen Genuß, ein Empfangen, dessen man sich durch die Sinne bewußt wird, voraus, und dies ist bei dem Abendmahl nicht der Fall“ ).

) F. R. IL Beil. 16, S. 183. Ich finde diese Ausgabe sonst nirgends erwähnt. ) Schmidt, Peter Martyr Vermigli 8. 103—105.

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Suchen wir hiernach den dogmatischen Standpunkt Poullains zu fixieren, 80 werden wir ihn dahin zu bestimmen haben, daß der Einfluß Butzers unverkennbar ist. Man kann auf Poullain ohne weiteres anwenden, was tiber Butzer fest- gestellt worden ist: „Gottes Geist muß frei von oben her den Glauben in uns schaffen, darauf kommt alles an; ist das geschehen, dann wird das feierliche Gedächtnis an das Leiden Christi überaus gesegnet sein; aber so lange die Geistes- wirkung ausbleibt, kann alles Fleischliche, selbst das Fleisch Christi, nichts nutzen!). Der Wert, welcher der Überein- stimmung mit den Vätern beigelegt wird), die Nebeneinander- stellung der Sakramente des Alten und des Neuen Bundes?), die Auslegung von Joh. 6%), das alles kehrt bei Poullain in derselben Weise wieder, wie wir es bereits von Butzer her kennen. Von einer Weiterbildung der Butzerschen Abend- mahlslehre in der Richtung Calvins kann man nicht wohl reden. In seinen Briefen an Calvin hat Poullain sich nie in diesem Sinne geäußert. Für eine unmittelbare und tiefere Einwirkung Calvins auf ihn waren die persönlichen Begeg- nungen der beiden Männer zu selten Zu einer selbständigen Fortentwickelung der Butzerschen Gedanken unter dem Ein- flusse der Schriften Calvins aber war Poullain nicht die ge- eignete Persönlichkeit. Dazu fehlte ihm der Scharfsinn“)

1) A. Lang, Der kvangelienkommentar Martin Nutzers und die Grundzüge seiner Theologie. S. 223.

*) Ebenda S. 251.

) Ebenda S, 260, 265.

) Ebenda S. 244, 446 fl.

6) Matthias Ritter wußte später (vgl. seine Antwort auf die An- frage des D. Pappus vom 92, Dezember 1584. F. R. II. Beil. 7, S. 19) zu erzühlen: Valerandus . . . in hanc sententiam aliquando erupit: post mortem Lutheri Bacerum omnes Ecclesiae Argentinensis ministros in suam vocasse domum, et eum iis deliberationem habuisse, quomodo Lutheri sententia imposterum defendi posset: ibi tum fabricatum fuisse novum illud coelum Vbiquitarium, quo postea etiam in Anglia conatus fuerit Lutheri dogma defeudere. Danach müßte man bei Poullain geradezu von theologischer Urteilslosigkeit reden. Indessen ist es Schwer, den wirklichen Sachverhalt, der jener Angabe zugrunde liegt, zu ermitteln. Jedenfalls war Poullain selber gar nicht in Straßburg, als die Nachricht von Lutbers Tode hier eintraf. Am 3. Dezember 1545 stand er im Begriffe, nach Frankfurt aufzubrechen (Calv. Opp. XII, 295), und am 28. August 1546 schrieb er aus Antwerpen (Ibid, 876): Quum nuper Bebburii otiosus essem apud comitem Novae Aquilae (Neuenahr). Außerdem wußte Poullain mindestens aus den Aphorismen Butzera, daß dieser auch in ingland nicht die Abendmahlslehre mit

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Calvins. Ob er die Mängel der Butzerschen Abendmahls- lehre empfunden und die Punkte erkannt hat, an welchen Calvin sie kritisiert!) und verbessert hat, mag zweifelhaft erscheinen. Von einem Einflusse Calvins auf sein theologisches Denken wird man biernach nur in dem Sinne reden können, in welchem man bereits bei Butzer ein Einmünden in die Theologie Calvins festgestellt hat*). Es entsprach also völlig den Tatsachen, wenn er bei seiner Ankunft in Frankfurt den Prüdikanten nicht Calvin, der bei diesen damals immer noch in hohem Ansehen stand, sondern Butzer als seinen theo- logischen Lehrer nannte. Der eigentliche Unterschied zwischen diesem und ihm selbst bestand darin, daß ihm in den Veröffentlichungen, die wir bisher von ihm kennen ge- lernt haben, die irenische, vorsichtig abwägende, auf Aus- gleich und Vermittelung bedachte Art seines Meisters noch fremd geblieben ist. Indem er Impanation und Trans- substantiation auf eine Linie stellt und beide zusammen be- kämpft, steht er mehr auf der Seite Vermiglis und seiner Oxforder Thesen, als auf Butzers Seite. Wenn er dabei gleichwohl Luthers „sehr ehrlich und christlich“ gedachte und von dem Einflusse sprach, den dessen Schriften auf ihn ausgeübt hätten®), so hat er dabei offenbar Luther von den Lutheranern unterschieden, so wie auch Butzer gelegentlich *) einen solchen Unterschied machte, im tibrigen. aber die wesentliche Übereinstimmung mit der lutherischen Abend- mahlslehre betonte“). Wir haben jedenfalls kein Recht, seine Erklärung nach der Weise der alten Streittheologen als auf Täuschung berechnet ihm auszulegen, solange dazu nicht eine zwingende Notwendigkeit vorliegt, sondern wir müssen versuchen, den Sinn zu ermitteln, den er selber mit ihr ver-

der Ubiquität verteidigt hatte. Von Batzer kann nur der Ausdruck coelum stammen. Anscheinend hat Butzer nach Luthers Tode seine Kollegen ermahnt zusammenzuhalten und ihnen gezeigt, wie das auch in der Abendmahlsfrage möglich sei. Die Unionsformel, deren er sich dabei bediente, wurde dann von lutherischer Seite im Sinne der Ubiquit&t ausgedeutet und auf die Formel coelum ubiquitarium gebracht. Hier- von erfuhr dann Poullain und bezog sich darauf, als er Ritter gegen- über versicherte, er habe seine Theologie von Luther und Butzer gelernt.

1) Vgl. hierfür z. B. die Briefe Calvins an Bullinger vom 26. Juni 1548 und vom 8. Dezember 1549, sowie an Vermigli vom 18, Januar 1555. Calv. Opp. XII, 729. XIII, 489. XV, 886.

) Lang S. 370f.

) F. R. II. Beil. 14, S. 51.

*) Lang S. 417.

5) Ebenda S. 258, Anm. 2. S. 251.

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bunden hat. Und hierfür müssen wir im Auge behalten, daß für ihn der Luther, der in Marburg den Schweizern zu- gerufen hatte: „Ihr habt einen anderen Geist als wir“, sich gewandelt hatte in den Luther, der mit Butzer die Witten- berger Konkordie unterschrieben hatte, dessen Abendmahls- lehre also doch wohl von diesem Schriftstücke aus verstanden werden mußte. Ob ihm bekannt war, daß derselbe Luther sich inzwischen wieder in sehr scharfer Weise gegen die „Zwinglianer“ gewendet hatte, und daß Melanchthon sich nicht getraut hatte, ihm einen Brief Calvins zu übermitteln, müssen wir unentschieden lassen; wahrscheinlich ist es nicbt. Aber auch wenn es der Fall war, blieb es doch für Poullain ohne Bedeutung, da das „Kurz Bekenntnis D. Mart. Luthers vom heiligen Sakrament“ keinerlei Ausfälle oder auch nur Anspielungen auf seinen Lehrer Butzer enthielt!).

Welche Autorität Butzer für Poullain gerade in der Abendmahlslehre war, zeigt sich schließlich noch darin, daß er die Aphorismen“), welche jener kurz vor seinem Tode (1. März 1551) in England niederschrieb, später mit nach Frankfurt brachte und sie als Anhang zu seiner letzten Sehrift hier drucken lieB. In diesen Aphorismen ging Butzer man erkennt den Einfluß Calvins von der Überzeugung aus, daB in der Abendmahlslehre mit ausbiegenden, vieldeutigen Formeln nichts gewonnen sei, daB man vielmehr den Sach- verhalt auf ganz klare und präzise Ausdrücke bringen müsse. Sein oberster Gesichtspunkt war, daß das Dogma schrift- gemäß sein müsse: Sine autoritate certa scripturae nullus est fidei articulus statuendus (53). Er trägt Bedenken (26f.), die Wendungen, deren sich die Väter bedienten, wenn sie von der Wandlung redeten, beizubehalten, weil sie nicht auf die Schrift zurückgeben; scheint ihm auch ihr ursprünglicher Sinn unverfänglich, so weiß er doch: merent hodie Antichristis ad horribilem illam supra omnes dgroAargía». Die Ein- setzungsworte nimmt er (52) in dem bildlichen Sinne Zwinglis: Ut de imagine Caesaris dicimus: Hie Caesar est, qui devicit Gallos, id est: hac imagine repraesentatur. Aber über die Zwinglische Abendmahlslehre geht er hinaus, indem auch er wie Luther daran festhält, daß wir in dem Sakrament nicht bloß eine Gedächtnisfeier begehen, sondern auch etwas emp- fangen: hie non admonemur tantum Christi nostri aut com- munionis eius, verum etiam percipimus eam, und deshalb

1) Köstlin-Kawerau, Martin Luther. II, 583.

2) Aphorismi de S, S. Coena Domini, quos D. Mart. Bucerus propria manu descriptos et signatos reliquit, paulo antequam obdormiret in Christo, in Anglia F. R. I. Beil. 18, 8. 255 ff.

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findet er es ganz richtig, wenn einige Väter von einem Re- praesentare des Leibes Christi durch das Brot geredet haben, denn tatsächlich ist ihm das Brot mehr als ein bloßes signam (56), nämlich ein signum exhibitivum, durch das der Herr sese ut patrem Ecclesiae et vitae aeternae exhibet et praebet, sicut discipulis praebuit spiritum sanctum signo afflatus oris sui (47). Die Verbindung zwischen dem verklürten Leibe Christi, der an einem bestimmten Orte im Himmel ist, und dem vergünglichen Brote, das an einem sichtbaren Platze auf Erden aufbewahrt ist, bezeichnet er nüher als eine Ver- bindung des Bundes!) wie sie z. B. auch bei der Taufe zwischen der Wiedergeburt und der Benetzung mit Wasser bestehe: Pacti coniunctionem esse dico, ut qui fide vera vivaque communicant his signis, corporaliter, spiritualiter, vere?) percipiant confirmationem et incrementa communionis corporis et sanguinis Domini, qua sunt membra Christi, caro de carne eius, os de ossibus eius, ut sint baec perfectius (49). Die Realprüsenz Christi im Abendmahl hat daher für ihn auch keineswegs zur Konsequenz, daB er sich das neue Dogma von der Ubiquität aneignet. Gegen die räumliche Gegenwart Christi im Abendmahl erinnert er: haec mysteria esse coelestia et captum omnem superare humanum, inque solo Dei verbo esse apprebendenda et cognoscenda. Longe ab animis repellendas omnes huius saeculi rationes. Verbum Dei testari, Christum verum hominem et verum habere corpus hominis: et in illo subvectum in coelos, mundum hunc reli- quisse. Non igitur in hoc mundo eum ulla ratione mundi requirendum (23) Von dem Himmel aber gibt nur die Bibel, nicht die Vernunft Kunde, und die Bibel beschreibt ihn non nisi maiestate et beatitate divina, non locorum inter- capedinibus und bezeugt klar, er sei in keines Menschen Herz gekommen (24). Auch eine communicatio idiomatum

1) Vgl. hierzu den Brief a Lascos an Butzer vom 23. Juni 1545 bei A. Kuyper. Jo. a. Lasco Opera II, 592 und K. Hein, Die Sakraments- lehre des Joh. & Lasco. S. 73, Anm. 3.

*) In diesem Sinne hatte Butzer an Petrus Martyr bereits am 20. Juni 1549 (bei Schmidt, S. 104) geschrieben: „Was den Ausdruck leibliche oder substantielle Gegenwart betrifft, so können auch Richtig- denkende sich dessen bedienen und sagen,. nie empfangen nicht bloß leere Symbole, sondern die Substanz Christi; es genügt ferner nicht zu sagen, daß Brot und Wein nur Zeichen sind, es muß hinzugefügt werden, daß Christus zugleich dargeboten wird; würde man behaupten, Christus sei auf eine Weise im Himmel, daß er nicht wirklich im Sakrament gegenwärtig sein könne, so wäre dies eine unchristliche Ansicht."

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lehnt er ab mit Berufung auf die alten Kirchenlehrer: Quae sancti Patres de loco proprio corporis Christi in coelo serip- serunf, eo equidem non video, quid voluerint docere amplius, quam servanda esse in Christo naturae utriusque idiomata. Et divinae naturae ldiwua esse, esse ubique et implere omnia efiam per substantias, humanae autem, esse definito loco et conditione et non diffundi vel in multa vel in omnia loca (26). Die Termini der neuen Lehre, daß Leib und Blut Christi im Abendmall realiter, carnaliter, substantialiter gegenwärtig seien (36), scheinen ibm den Sachverhalt nur zu verdunkeln, und er stellt ihnen den Grundsatz entgegen: Voces exoticae, id est, in scripturis non usurpatae, merito repudiantur nobis in tractandis mysteriis Christi, nisi cum adhiberi possunt ad explicandam veritatem Christi (37). Da aber die Bestreitung der Ubiquität nur dazu führt, daß die Gegner dieser Lehre auch für Gegner der Realpräsenz ausgegeben werden, als lehrten sie, man erhalte Leib und Blut Christi im Abend- mahl nur ficte et accidentaliter, so fünde er es am besten, wenn man sich der neuen Ausdrücke weder positiv noch negativ bediente (38). Seine eigene Meinung geht dahin, daß man die Ausdrücke realiter und substantialiter, richtig verstanden, allenfalls beibehalten könne, die sinnlichen Aus- drücke carnaliter und naturaliter aber aufgeben müsse: Si quis vellet, per adesse Dominum realiter et substantialiter, intelligere, eum percipi fide re ipsa, et substantiam eius, darem. Sin aliquid presentiae huius seculi vellet his vocibus admiscere, negarem. Heliquit enim Dominus mundum hunc (39). Voces carnaliter et naturaliter, quoniam perceptionem sensuum innuunt, nunquam admiserim (40). Hiernach findet er sich im Einklang mit der Schrift und der alten Kirche, wenn er erklärt: dari et accipi corpus et sanguinem Domini verum, id est, Christum ipsum Deum et hominem: dari autem verbo et symbolis, percipi vero fide: et dari eum, ac percipi, ut plenius maneamus et vivamus in eo, et ille in nobis (41). Dem naheliegenden Einwande, daß man nicht erst bekommen könne, was man schon habe, und daß den Tod, nicht Christum empfange, wer bei der Eucharistie nicht schon Christum in sich habe, hält Butzer entgegen, daB die Aufnahme Christi, die durch die Taufe erfolgt sei, sich im Abendmahl durch das ganze Leben hindurch fortsetzen müsse, solange wir noch nicht völlig von ihm erfüllt seien: Dandum nobis et accipiendum nobis Christum esse, donee nihil nostri sit in nobis, sed ipse omnia, et nos toti in eo, nulla ex parte in nobis. Communionem enim Christi eum, quam baptismate percepimus, dicimus Eucharistia confirmari et augeri (42). Einen prinzipiellen Unterschied zwischen der Heilsvermittlung

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durch das Evangelium und durch das Sakrament läßt er nicht gelten: Nec quicquam Eucharistia habet plus, aut confert, nisi quod in ea et visibilia Christi verba adhibentur, eaque neo inefficacia sanctis (43). Eandem . . . dat sui communionem in coena per symbola et verba sua, quam commendavit Joan. 6 tantum verbis (48). Für die Formel, daß im hl. Abendmahl Christus, d. h. die Heilsgemeinschaft mit ihm gegeben und empfangen werde pane ac vino (45), bleibt dabei kaum mehr Raum, denn Brot und Wein sind symbola tantum facta verbis et instituto Domini (54). Im letzten Grunde liegt alles am „Glauben: Fide paternae Dei charitatis erga nos vivimus vitam aeternam. Haec fides eo nititur, alitur et provehitur, quod Christus filius Dei se et meritum omne suum donat nobis vivitque in nobis peccatoque liberatos excitabit a mortuis in vitam perfecte coelestem et beatam. Proinde cibi et potus symbolis voluit Dominus hic uti: et dare carnem suam mandu- candam spiritualiter, symbolo panis manducandi corporaliter: et sanguinem suum bibendum spiritualiter, symbolo vini bi- bendi corporaliter (48). Hieraus ergibt sich von selbst das Urteil für jede Betrachtung des Abendmahls, der der Glaube fehlt: Extra usum itaque institutum a Domino huius sacra- menti manducationis et bibitionis qui haec signa praesentiae Christi signa facit, abominandam invehit idolomaniam; et qui efiam ea sumit manducanda et bibenda sine viva fide Christi, adeo nihil percipit eius alimoniae, quam hic suis praebet Dominus, ut mortem sibi sumat et condemnationem (50). Die Gottlosen aber empfangen nichts; und die, welche nicht unterscheiden den Leib des Herrn, sind Leuten gleich, die eine Speise nicht kauen, noch verdauen: ut hos non possim negare Christum fide, quam habent, in coena percipere, ifa non dixerim eos Christum manducare, postquam fidem non recte hic exercent suam. Das ist die ,ganze Theologie", die Poullain, wie er später den Frankfurter Prädikanten bekannte, von Butzer gelernt hat. Da sie sich nicht ohne weiteres mit der Ausdrucksweise der Augustana deckte, hielt er es dann in Frankfurt, wo man ihn auf diese ver- pflichten wollte, für angezeigt, „seine sondere Auslegung“ dazuzuschreiben. Die Erklärung aber, die er dazu abgab: „Er hette wol seine eigene wort und formen zu reden, were aber doch in der meinung mit uns eins“, war lediglich ein Rückzug zu der ihm vertrauten Terminologie Butzers!).

1) F. R, II. Beil. 14, S. 59. Vgl. Beilage 7, S. 19: Buceri authori- tatem semper in primis conflictibus nostris nobis opponere solebat, fretus Aphorismis ab eo in Anglia scriptia. Antwort Matthias Ritters auf den Brief von D. Pappus vom 22, Dezember 1584.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXI. 1/2. 9

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Auch bei seinen liturgischen Arbeiten verleugnete Poul- lain die Butzerschen Einflüsse nicht. Bereits in Straßburg für liturgische Fragen interessiert!), veranstaltete er in London eine lateinische Bearbeitung der Verfassung und Liturgie, welche im Gebrauch der Straßburger französischen Gemeinde war, und widmete dieselbe am 19. Februar 1551 von West- minster aus dem König, um ihm die Straßburger Ordnungen zur Nachahmung zu empfehlen. Da sein Vorbild sich an die Gottesdienstordnung anlehnte, welche Butzer für die deutsche Gemeinde in Straßburg entworfen hatte?), so be- gegnen wir Poullain auch hier wieder in den Spuren Butzers, der auch die Frankfurter in liturgischen Dingen beraten hatte, so daß noch in den sechziger Jahren die Taufe in Frankfurt nach seinem einfachen Ritus, ohne Exorziemus, Ol, Salz und Speichel, nur mit Gebet und frommen Ermah- nungen, vollzogen wurde“).

Für die junge wallonische Gemeinde von Glastonbury, die ihn 1551 zu ihrem Pfarrer berief, verfasste er demnächst eine Kirchenordnung nach Straßburger Vorbild und ein Glaubensbekenntnis, die er beide unter dem Titel L’ordre des prieres et ministere ecolesiastique, avec forme de penitence publique et certaines prieres de l'eglise de Londres, et la confession de foy de l'eglise de Glastonburg en Somerset im Jahre 1552 in London veröffentlichte. Nach F. Cl. Ebrard )), der das in Paris in Privatbesitz befindliche, bisher einzige bekannte Exemplar dieses Buches bentützen konnte, ist das Glaubensbekenntnis das eigenste Werk Poullains und streng auf die Bibel gegründet. „Die Einleitung stelli den Satz an die Spitze, daB wir nicht als Christen geboren werden, aber dazu berufen sind, es zu werden. Es folgt das apostolische Glaubensbekenntnis und hierauf die Entwicklung der evan- gelischen Lehre in vier Hauptstücken, von Gott dem Vater, dem Soho, dem Heiligen Geist und der Kirche. Vier Kenn- zeichen werden angegeben, an denen man erkennen kann, daß eine Kirche von Gott sei: Die Predigt des reinen Wortes Gottes; die Anrufung eines alleinigen Gottes und allein durch Christum; die Sakramente der Taufe und des Abendmahls und die Kirchenzucht^ Wenn das Referat Ebrards dann fortfährt: „Im Gegensatz zur Lehre von der Prädestination

1) Calv. Opp. XI, 718.

3) Erichson, Die calvinische und die altstraßburgische Gottes- dienstordnung, S. 6, Anm. 2, Bei Ebrard, S. 87.

5) Vgl. den Bericht des Petrus Dathenus: Calv. Opp. XIX, 528.

) A. a. O. S. 89 Vgl. Baron F. de Schickler, Les églises du röfuge en Angleterre. Paris 1892, I, 6288.

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wird die universalistische Anschauung gelehrt, daß zwar jeder Mensch von seiner Geburt an verdorben und des ewigen Todes schuldig ist, daß aber alle diejenigen, die das Evan- gelium annehmen, ‚in den vorigen Stand gesetzt werden““, so wird es dafür wohl richtiger heißen müssen, daß bei den Sätzen tiber die Heilslehre die Prädestination, zu der sich Poullain in dem Traiete bekannt hat, nicht mit ausdrtick- lichen Worten gelehrt wird, aber im Hintergrunde steht: nur die Erwählten nehmen das Evangelium an; die reprouvés dagegen, von denen Poullain dort geschrieben hat, können nicht zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen!)

Die letzte Arbeit, welche Poullain in England in Angriff nahm, betraf nochmals die Abendmahlsfrage. Er sammelte die Akten über die Disputation, welche zur Einleitung der Gegenreformation unter der bloody Mary am 18. Oktober 1553 in London stattfand. Im wesentlichen handelte es sich bei ihr um die beiden Fragen: 1. an in Eucharistia, quando panis vinumque sacrantur, eorum plane non evanescat sub- stantia, ut se in Jesu Christi corpus et sanguinem mutentur? 2. an Domini nostri corpus naturale corporeum in modum praesens in Eucharistia.non sit; sive specierum transsubstan- tiatione in illud corpus illumque sanguinem, sive ut quidam Doetorum loquuntur, eoneomitantiae unione??) Die latei- Dische Ausgabe, die er von den Verhandlungen ein Jahr später veröffentlichte®), ist lehrreich durch verschiedene An- merkungen und durch einige Urkunden über die englischen Verhältnisse. Als is, qui omnibus interfuit*), durfte er sich zu dieser Arbeit einen besonderen Beruf zuschreiben, die indessen tiber seinen eigenen Standpunkt keiné Auskunft erteilt.

1) Vgl. hierzu die späteren Ausführungen über das Frankfurter Glaubensbekenntnis Poullains, das sich nach Ebrard mit demjenigen von Glastonbury völlig deckt.

*) Gilbert Burnet, Historia Reformationis Ecclesiae Anglicanae. Genevae, MDCLXXXIX. Tom. II, 171 sq.

2) Expositio Disputationis institutae mandato Mariae Reginae Angl. Franc. & Hibern. & in Synodo Ecclesiastica Londini in Comitiis regni ad 18. Octobr. Anno 1558. Editore & Interprete Valerando Pollano. Withof, der diese Ausgabe (mit der Jahreszahl 1554 auf dem Titelblatt und am Ende) besaß, folgerte aus dem Druck, der mit dem- jenigen der im gleichen Jahre bei Peter Brubach in Frankfurt ge- druckten Liturgie genau übereinstimmte, daß sie aus der gleichen Presse stamme wie diese (8 IX). Gerdes hat die Schrift im Scrip. antiquar. III, 1. p. 165—198 abgedruckt.

*) Serin. antiquar. III, 1, p. 165.

2 *

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Die nächste Außerung über die Abendmahlslehre, die uns von ihm erhalten ist, gehört bereits seiner Frankfurter Zeit an. Es ist seine Antwort auf die Frage der Prädi- kanten nach seiner Meinung von der Realpräsenz, wobei er sich auf 1. Kor. 10, 15 zurückzog. „Weiter wolte er sich mit niemand in Disputation oder gezenck einlassen*." Das bedeutete unverkennbar ein Aufgeben der aggressiven Haltung, die er den Vertretern der Impanation gegenüber in seinem Traiote eingenommon hatte. Aber es wäre ein Irrtum, hierin eine diplomatische Ausflucht zu erblicken. Er hat in dieser Beziehung in der Tat seine Stellung geändert, Dafür war ihm zunächst England eine gute Schule gewesen. Denn nach der Disputation, welche Butzer im Juni 1549 in Cambridge über das Abendmahl gehalten hatte, war eine Verfügung des Königs ergangen, man solle, um unnütze Streitigkeiten zu vermeiden, in der Abendmahlslehre nicht weitergehen als die heilige Schrift und sich keiner anderen Ausdrucke bedienen als der biblischen; an die Stelle des Satzes, Brot und Wein bedeuteten blof Leib und Blut Christi, habe das Bekenntnis zu treten, Christus sei wahrhaft gegenwürtig und werde genossen; über die Art der Gegenwart aber durfte nicht mehr gestritten werden“). Noch mehr als diese eng- lische Praxis konnten Poullain die Erfahrungen, welche er auf der Reise von England nach Frankfurt mit dem Zelotis- mus der Lutheraner machte, von der Freude an der Polemik kurieren, die ihm bei der Abfassung seines Traicte die Feder gelübrt batte. Ein Jahr später hat er sich darüber noch bei Calvin beklagt: Horrendum dictu quantam Satanae poten- tiam abhinc annum ego deprehenderim in Transrhenanis plurimis. Qui quum suam impiam cum papistis dissimula- tonem diutius excusare nequeant, confugiunt ad convicia et calumnias sanctissimoram quorumque ministrorum Dei et ecclesiarum, quo videantur non immerito ab illis abstinere atque eum Babylone pacem inire. Dominus testis mihi est quantam invidiam nuper illac iter ex Anglia huc faciens sustinuerim, quum crabronum eiusmodi bombis adversus quosdam servos Christi non illaudatos resisterem. Quo magis optarem (uti par est nos inprimis apud omnes tueri ministerii dignitatem) sanctum huc syneretismum esse inter omnes qui hodie profitentur evangelium, ut ne verbis eiusmodi hominum temere crederemus, aut etiamsi verisimilia narrarent assen- tiremas . . Hic syncretismus, meo quidem iudicio permultum

1) F. R. II. Beil. 14. S. 51. *) Sehmidt, S. 106.

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faceret ad tuendas ecclesias, quarum pacem his artibus Satan magna vi hodie impetit!).

Als Vertreter eines Unionsprotestantismus im Stile Butzers und Calvins zog der ehemalige Bekämpfer der Im- panation, Konkomitanz und Ubiquitüt in Frankfurt ein. Aber was er einst bekümpft hatte, war ihm auch jetzt noch eine impia cum papistis dissimulatio.

2. Die ersten Erórterungen über den Bekenntnisstand der Fremden.

Es war eine kritische Zeit, als Poullain um Mittfasten 1554 in Frankfurt eintraf. Das protestantische Deutschland stand seit kurzem im Zeichen des zweiten Abendmahlsstreites.

Das Ende der vierziger Jahre war dogmengeschicht- lich gekennzeichnet durch die Unionsbestrebungen, welche dahin zielten, die Wittenberger und die Schweizer auf der mittleren Linie des Butzer-Calvinischen Unionsprotestantismus zusammenzuführen. Die notwendige Vorbedingung für das Gelingen dieser Bemühungen war die, daß die Schuler Zwinglis über die Anschauungen ihres Meisters hinaus- gingen und sich die Auffassung Butzers und Calvins an- eigneten, die dem Interesse Luthers an der Realpräsenz Christi im Sakrament Rechnung trugen. War das geschehen, 80 bestand der zweite Schritt darin, daß die Nachfolger Luthers sich davon tberzeugten, die Realpräsenz sei auch ohne die Lehre von der Impanation aufrechtzuerhalten, bei der die derolargia so nahe lag und das Sakrament als „Bauchspeise“ erschien. Die Verständigung mit den Zürichern erfolgte 1549 in dem Consensus Tigurinus. Aber statt daß dieser nun zur Basis für die weiter in Aussicht genommene Verständigung mit den Lutheranern wurde, gaben ihm diese die Deutung, Calvin sei nun za den Zwinglianern abgefallen, und erblickten in den Fortschritten des Calvinismus nichts anderes als ein bedrohliches Umsichgreifen des Zwinglianismus. Das Alarmsignal, dagegen Stellung zu nehmen, gab Alexander Bruchsal in Antwerpen mit seinem Briefe vom 10. August

1) Brief an Calvin vom 8. Februar 1555. Calv. Opp. XV, 423. Der Hauptschauplatz der unerquicklichen Erfahrungen, die indessen auf Gegenseitigkeit beruht zu haben scheinen, dürfte Antwerpen ge- wesen sein, wo der Freund eines Frankfurter Pfarrers klagte, er sei durch Poullain „in die größeste Angst und Traurigkeit gesetzt“ worden. F. R. II, 188.

2) Gegenbericht, 8 1. F. R. II. Beilage 14. S. 50.

1552 an Westphal!), in dem er namentlich den Züricher Vergleich als Symptom dafür bezeichnete, welche Fortschritte die Sakramentierer machten, und Westphal beeilte sich, mit seiner Farrago confusanearum et inter se dissidentium Opi- nionum de Coena Domini, ex sacramentariorum libris con- gesta den Kampf aafzunehmen.

In Frankfurt hatte man allerdings bis jetzt von dem Wiederaufleben des Abendmahlsstreites noch keinerlei Notiz genommen. Beyer stand nach wie vor in freundschaftlichem Briefwechsel mit Melanchthon und hatte noch keinerlei Beziehungen zu Westphal angeknüpft“). Daß die Prüdikanten einstweilen nicht daran dachten, in der Butzer-Calvinischen Abendmahlslehre ein Wiederaufleben der Zwinglischen Doktrin zu erblicken, ergibt sich aus ihrem „Gegenbericht“ (1563), in welchem sie ihre anfängliche Stellung zu Poullain ent- schuldigten mit der Erklärung, sie hätten nicht gewußt, daß in dem England Eduards VI. „der Zwinglischen Irrthumb offentlich gelert und getrieben worden“ sei, und hinzufügten, auch aus der Lektüre der Poullainschen Schriften würden sie wohl schwerlich gemerkt haben, daB der Verfasser ein Zwinglianer wäre, „sonderlich dieweil wir zur selbigen zeit der newen Zwinglianer List und Practicken noch wenig erfaren, und also jnen viel zu einfeltig gewesen“)“. In- dessen wurden sie doch ausdrücklich vor Poullain gewarnt*). Aus demselben Antwerpen, von wo aus Westphal die An- regung zu seiner Farrago empfangen hatte, erhielt jetzt einer der Prüdikanten von „einem sicheren Freunde“ einen Brief mit der Klage, wie sehr Poullain, nachdem er aus England

1) Bei Sillem, Briefsammlung des Hamburgischen Superintendenten Joachim Westphal, I, 127 f. Vgl. K. Bauer, Die Beziehungen Calvins zu Frankfurt a. M. S. 16ff.

*) Vgl. S. 41.

3) Gegenbericht. 8 8 und 14. F. R. II. Beil. 14, S. 50 und 58.

) F. R. IL S. 188. Selten hat ein gehässiges Schreiben eine so weitreichende Bedeutung erlangt, wie dieses Schriftstück, das die bisherigen Bearbeiter der Frankfurter Kirchengeschichte sämtlich un- beachtet gelassen haben. In ihm haben wir die eigentliche Ursache der jahrhundertelangen Kämpfe zu erblicken, in welche die Frank- furter Orthodoxie mit den Fremden eintrat, nachdem sie selber den von Butzer geschaffenen und von ihr mitbesiegelten Bekenntnisstand verlassen hatte, den sie mit den Fremden teilte. Heute findet sich der Briet nicht mehr in den Akten des ev.-luth. Predigerministeriums. Sein Empfänger war wohl Ritter, der einen ausgedehnten Brief- wechsel mit auswärtigen Theologen unterhielt. Aus Antwerpen erhielt er nach Ritter S, 450 Brici- von Cassiodorus Reinius und Vervirius.

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zurüekgekommen, ihn dort in die größte Angst und Traurig- keit versetzt habe, und mit der Anktindigung, Poullain be- absichtige nun, sich in Frankfurt mit seinem Anhang nieder- zulassen und hier für seine Irrlehre Propaganda zu machen. Auch ein Charakterbild Poullains als eines Mannes, vor dem man sich ja wohl vorsehen und hüten müsse, fehlte nicht, nam omnibus depictus est ut vir cane et angue peior. Eine Wirkung hatte diese Denunziation zunüchst nicht. Denn wenn auch Geltner im Konvent riet, man solle auf der Hut sein vor so unbekannten Leuten, die von fremden und so fernen Nationen herkümen, so überließ man die politische Seite der Sache lieber der weltlichen Obrigkeit, welche doch sonst auch allerlei Leute unter ihrem Regiment hätte!), Auch Melanchthon, mit dem Beyer etwas später tiber die Fremden sprach, äußerte keinerlei dogmatische Bedenken, sondern meinte nur, es werde nicht gut tun mit diesen Leuten, denn wo sie noch gewesen, wäre Uneinigkeit erfolgt“).

Es ist einer der Vorwürfe, zu denen die Polemik der Prüdikanten gegriffen hat, als sie zur Wahrung des Rufes ihrer eigenen Orthodoxie den Kampf mit den Fremden er- öffnet hatte, Poullain sei -unaufrichtig und auf Schleichwegen zu Werke gegangen. Tatsächlich bewegte er sich ganz auf dem Boden der Butzerschen Unionstheologie, die er auch als die Theologie der Frankfurter Prädikanten voraussetzen durfte: derselbe Butzer, der einst ihre Streitigkeiten ge- schlichtet hatte, war auch sein geistiger Vater; und hatte man in der Stadt die Butzersche Konkordie als offizielle Norm des Bekenntnisstandes, besonders über die Abendmahls- lehre, so besaß er jene Aphorismen Butzers über das Abend- mahl, die dieser kurz vor seinem Tode eigenhändig nieder- geschrieben hatte. Was lag unter diesen Umständen näher, als daß er „in teglichem Gesprech etlich mal gegen jnen (nämlich Beyer und Ritter) vnser Lehr und Kirchenordnung gerhtimet, und fürgeben, das dieselbe sich gar nahe in allen Stücken verglieche, mit der Ordnung und Ceremonien, derer sie, in Engelland gewohnet weren, darumb er auch lieber hie zu wonen erwehlet, denn an keinem andern Ort des Rheinstroms®)“? Der Überzeugung, daß seine Dogmatik die der Prädikanten sei, entsprach es durchaus, wenn er, einige Zeit nachdem ihm der Rat die Aufnahme verwilligt hatte, die Schriften, in denen er selber seinen Standpunkt formuliert

1) Gegenbericht. G 7. 8. 52.

*) Steitz, die Melanchthons- und Lutbersherbergen zu Frankfurt am Main. S. 46. Hartmann Beyer, S. 109.

3) Gegenbericht. 8 4. F. R. II. Beilage 14, S. 51.

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hatte, Beyer zu lesen gab. Es war zunächst das Bekenntnis und die Liturgie für die Gemeinde von Glastonbury. Poullain übergab sein Kirchenbuch mit der ausdrücklichen Bitte, Beyer und der Rat möchten es prüfen, und er versprach, so sie etwas Sträfliches darin würden befinden, so dem Worte Gottes nicht gemäß wäre, wolle er es ändern und verbessern. Beyer fand aber nichts darin zu beanstanden, sondern gab es ein paar Tage später, ehe er (am 8. April) nach Leipzig ver- reiste, unter Worten der Billigung und der Freude tiber seinen Inhalt an Adolf von Glauburg weiter!) Außer dem Glastonburger Kirchenbuch legte Poullain seine Ausgabe der Londoner Disputation vor, die auf der Frühjahrsmesse feil gehalten wurde. Da er sie tiberdies an alle verteilte, mit denen er in jenen Tagen bekannt wurde, so durfte er wohl später mit Recht fragen: „Ist denn das heimlicher und verschlagener weiß handlen?)?* Denselben Vorwurf hat dann auch Petrus Dathenus in seiner „Kurtzen und wahr- hafftigen Erzehlung*)^ entkräftet mit dem Hinweis, daß Poullain den Prädikanten damals ja auch seine Ausgabe der Oxforder Disputation des Petrus Martyr übergeben habe. Es hatte indessen wenig Wert, daB er seine Frankfurter Amtsbrtüder so reichlich mit Material versah, um sie von der Übereinstimmung seiner und ihrer Theologie zu überzeugen. In den jüngsten Kontroversen über die evangelische Abend- mahlslehre lebten die Herren einstweilen noch im Stande der Unschuld. Als einmal die Rede auf die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl kam, ließen sich Beyer und Ritter daran gentigen, daß Poullain sich auf die neuscholastischen Subtilitäten nicht einließ, sondern dabei blieb, der gesegnete Kelch und das Brot, das wir brechen, seien nach 1. Kor. 10 die Gemeinschaft des Blutes und des Leibes Christi. Noch neun Jahre später mußten sie, als ihnen ibre auswärtigen Kollegen längst die Augen für die doctrina erronea Poullains geöffnet hatten, ihren Eindruck

1) Poullain hat in seinem Antidotus (F. R. II. Beilage 18, 8. 228) die näheren Umstände, unter welchen Beyer ihm seinen Beifall aus- sprach, so bestimmt angegeben, daß an der Richtigkeit seiner Angabe nicht zu zweifeln ist. Dagegen hatte Beyer vor seinen orthodoxen Ge- einnungsgenossen neun Jahre später ein begreifliches Interesse, auch für die Anfangszeit jedes Einverständnis mit Poullain zu leugnen. Da sowohl Poullain als auch Adolf von Clauburg inzwischen verstorben waren, hatte er eine Richtigstellung durch sie nicht zu befürchten. Vgl. Gegenbericht. 8 14. F. R. II. Beilage 14, S. 58,

*) Im Antidotus. F. R. IL Beilage 18, S. 224.

5) Kap. 1. 8 9. F. R. II. Beilage 16, 8. 182.

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dahin zusammenfassen i): „Ob wol Zwinglische formulen und reden darinnen gebrauchet, sind sie doch an solchen orten und so gelimpflich gesetzt, das sie im ersten anblick nicht mögen sehr verdechtig seio, vnd da einer schon ein argwohn aus etlichen worten fassen wolte, so stebn jm doch an andern orten entgegen, solche wort und reden, die der warheit und H. Schrifft gemes lauten, das also der einfeltig Leser ent- weder sein vorigen argwohn fallen lassen, oder ja im zweiffel behangen muß.“ Aus der Sprache des Jahres 1563 in die des Frühjahrs 1554 zurückübersetzt, heißt das aber doch nur: die Dogmatik Poullains ist unverfänglich, denn sie ist abgestimmt auf die auch in Frankfurt giltige Unionstheologie Butzers.

Der schöne Traum einer kirchlichen Eintracht zwischen Poullain und den Frankfurter Pfarrern war bald ausgeträumt. Die Antwerpener Denunziation tat ihre Wirkung. Das Mib- trauen, welches sie geweckt hatte, fand seine Nahrung, als Poullain die Absicht äußerte, an Exaudi das Abendmahl nach dem Ritus seiner Gemeinde mit Ofladen?) und Gläsern“ zu feiern. Beyer und Ritter rieten ihm hiervon ab: ,vnsere Leut würden es entweder für Widerteuffisch oder Zwinglisch halten“) “. Da auch Glauburg nicht einverstanden war, so unterblieb die Feier überhaupt. „Dis ist der erst anfang gewesen vnsers zwispalts®).“ An demselben Sonntag aber setzten die Prädikanten ihrem Argwohn auch schon das erste öffentliche Denkmal. Da sich zu den Gottesdiensten und Taufen der Fremden auch viel Neugierige drüngten, so hatten sie an diesem Tage im Auftrage des Rates von der Kanzel aus dieses Zulaufen zu verbieten. Dabei konnten sie es sich aber nicht versagen, aus ihrem Eigenen moch hinzu- zufügen 9): ,Wir versehen uns gentzlich, wo sich Irthumb bey jnen finden solten, ein Oberkeit würde denen, jrem ampt nach, nicht raum geben, möchte derwegen ein jeglicher wohl ruwig sein“. Nachdem sie aus den „Zwipgliscben Zeremonien“

1) Gegenbericht. 8 14. F. R. II. Beilage 14, S, 53.

9) Es waren azymi panes maioris formae, quos nostra lingua vocamus Oblaten. Sie wurden den Kommunikanten zum Brechen vor- gelegt. Steitz, Hartmann Beyer, S. 110, Anm. 79.

*) Er nannte sie nap. Nach Kluge, Etymolog. Wörterbuch der deutschen Sprache^ S. 267 ist diese Form der niederländische Ausdruck für ,Becher^ oder ,Schale* und geht zurück auf das alt- und mittel- hochdeutsche napf, das ursprünglich hnapf lautete.

) Gegenbericht. 8 23. F. R. II. Beilage 14, S. 56.

5 Ebenda. 8 37. S. 67.

Ebenda. 5 19. S. 55.

Verdacht geschöpft hatten, die Fremden seien auch in der Lehre Zwinglisch und hätten sie „bisher mit guten Worten betrogen“, dachten sie bereits jetzt daran, den Rat zu warnen, standen dann aber doch vorerst davon ab, bis sie „bas er- füren, wes sinns sie weren !)“.

Poullain tat inzwischen das Beste, was er tun konnte, und führte eine offene Aussprache herbei. Sogleich am nächsten Mittwoch (9. Mai) ging er in den regelmäßigen Konvent der Prüdikanten. Um klaren Bescheid tiber seine Anschauungen zu geben, brachte er seine Konfession mit, die er für eine geeignete Grundlage der von ihm gewünschten Verständigung hielt?), „Wiewol sie kurtz gefasset,“ haben die Prädikanten später von ihr geurteilt®), „funden sich doch darunter etliche Puncten, die wol einer Declaration bedürfft. Jedoch Gezenck und vieler Disputation zuuermeiden, wolten wir sie nit iudicieren“. Ebenso lehnten sie es aber auch ab, sie zu unterschreiben, und verwiesen ihn auf die Augustana, die er bis dahin noch nicht gelesen hatte‘). Auch am fol- genden Tage, an dem Poullain mit der vorletzten Ausgabe der Loci communes Melanchthons kam, wurde eine Verständi- gung nicht erzielt“). Da Poullain indessen daran gelegen war, daB man sich einigte, so fand er sich am Freitag wieder ein, und zwar mit der von ihm unterschriebenen Augustana, die auf seinen Wunsch auch die Prüdikanten unterschrieben. Wie tief aber bei diesen das Mißtrauen saß, zeigte sich auch jetzt wieder. Es machte sie nämlich bedenklich, daß er etliche Artikel ausgezogen und seine eigene Auslegung da- neben geschrieben hatte, und sie schienen nur teilweise von seiner Erklärung befriedigt zu sein: „Es were daran nicht gelegen, Er hette wol seine eigene wort und formen zu reden, were aber doch in der meinung mit vns eins )“. Sie haben doch noch fast anderthalb Jahre später über die Stellung der Fremden zur Augustana dem Rate geschrieben: „Ob sie

1) Ebenda. 5 28. S. 57f.

55 Nach dem Gegenbericht 8 80. S, 58 soll sie in vielen Artikeln kürzer gewesen sein, als die später mit der Liturgie gedruckte Konfession. Da indessen diese ganz unverändert dieselbe ist, wie die des Kirchen- buchs von Glastonbury (Ebrard S. 55), so erscheint vielmehr die An- gabe Poullains als durchaus glaubwürdig, er habe im Konvent dasselbe Glaubensbekenntnis vorgelegt, das später gedruckt worden sei,

5) Schreiben an den Rat vom 5. Sept. 1555, F. R. I. Bei- lage 8, S. 4. ö

) Gegenbericht. 8 31. 8. 58.

5) Ebenda. 8 32. S, 59.

© Ebenda. § 88. S. 59.

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aber nun dieselbige angenommen haben, vnd darnach lehren vnd sich halten, das ist uns vnbewüst!)“. Der Grund ihres Zweifels lag daran, daß sich Poullain dem Ansinnen, er solle nun auch in den Zeremonien der Frankfurter Kirche folgen, unter Berufung auf den siebenten Artikel der ihm aufge- nötigten Bekenntnisschrift entzog. So schienen die Verhand- luugen resultatlos zu bleiben.

Jetzt aber legten sich die Freunde Poullains im Rate ins Mittel. Am Tage vor Pfingsten?) verhandelten sie selber mit den Prädikanten, die ihnen statt Gründe anzuführen, nur ihre Zweifel an der Aufrichtigkeit Poullains wiederholten: „Er were mit Zwinglischen jrthumb behafft, und ob er schon den bisher nit bekent, so mtisten wir doch fürchten, er möchte nachmals seine wort anders deuten. Auch were vns solches noch nit gnug, er verneinte denn denselbigen jrthumb auch mit Namen, das hett er aber noch nie thun wöllen, und hielte nu auch so fest vber den Ceremonien, die da nichts anders weren, denn ein augenscheinliche bekentnis zu der Zwingli- schen lehr, darinnen sie mit worten und geberden bezeugten, das sie von warer gegenwertigkeit des Leibs und Bluts Christi nichts hielten, Würden also die Ceremonien in diesem fall ein nótig Ding*. Der Antwerpener Denunziant durfte mit der Wirkung seines Briefes zufrieden sein. Mochte die Ab- weichung der Wallonen von dem Ritus der Frankfurter Kirche auch völlig ohne Belang sein, so hatte er doch erreicht, daß Poullain eben aufgrund dieser Abweichung als Sakramentierer gebrandmarkt blieb. Für das Predigerministerium genügte das vollständig, um seine Dogmatik für eine opinio erronea zu erkennen, mochte er immerhin ihre Korrektheit nach- weisen, wie er wollte. Man versäumte auch nicht, den Rat darauf aufmerksam zu machen, daß es immer noch Zeit sei, den Fremden ihre kirchlichen Rechte wieder zu entziehen, zumal „noch niemand wüste, wer sie weren, woher sie kemen, was jr thun, Lehr und Glauben were“. Auf die Herren vom Rat freilich machten diese Reden keinen Eindruck. Davon, daB Poullain Zwinglianer sei, vermochten sie sich nicht zu überzeugen. Als sie gar den Prüdikanten vorhielten, sie hätten keine christliche Liebe, die Fremden aber seien fromme Leute, die um Gottes Worts willen viel Verfolgung erlitten hätten, lehnte das Ministerium jede Verantwortung für die Zukunft ab, fand es aber im übrigen geraten, Poullain mit weiteren Zumutungen zu verschonen. „Sind damit wider heimgangen, und haben vns hernach jrer nichts mehr ange-

1) Schreiben an den Rat vom 5. Sept. 1555. F. R. I. Beilage 8, S. 4. 9) Gegenbericht. S 84, S. 59f.

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nomen, auch nichts wider sie, weder mit predigen, noch mit schreiben, vnderstanden“ 1). Durch Teilnahme zweier Altesten der Fremden an dem Trinitatisabendmahl der Stadtpfarrer schien endlich die Einigung besiegelt zu sein?) Poullain aber erfubr keinen Widerspruch, als er nach Pfingsten dazu überging, in seiner Gemeinde das Abendmahl nach dem in ihr üblichen Ritus zu feiern“). i

Aber wenn die Prädikanten auch von jetzt an nahezu anderthalb Jahre schwiegen und den Fremden nichts in den Weg legten, so ruhten sie doch keineswegs, sondern nahmen nun mit ihren auswärtigen Freunden Fühlung. Hatten Beyers Bemtihungen, Melanchthon ein Verdikt über die Fremden zu entlocken, nur zu einem halben Erfolg geführt, so lautete ein Schreiben des Mansfelder Georg Amilius viel erfreulicher, denn bei aller Anerkennung für die Weitherzigkeit des Rates riet es doch zu Vorsicht wegen der Abendmahlslehre der Fremden und erbat sich weitere Mitteilungen über den Stand der Sache).

3. Die Frankfurter Kirchenordnung und Konfession Poullains.

Nachdem einmal Zweifel an der Rechtgläubigkeit der Fremden geäußert waren, blieben sie nicht auf die lutherischen Kreise beschränkt. Auch von katholischer Seite wurde bald

1) Gegenbericht. 5 35. S. 60.

2) Ebenda. $8 86. S. 60. Was diese Teilnahme an dem Frank- furter Abendmahl bedeutete, ergibt sich sus den Worten Poullains in seinem Traicte (am Schluß des Abschnittes über die ordonnance Christi bei dem Abendmahl): Jede Abweichung von der stiftungsmäßigen Feier ist eine abomination, . . . dont rendront compte et receuront iugement, non seulement ceulx qui font et maintienent ces choses contre lordonance du Seigneur: mais aussi bien ceulx la meßme qui y communiquent, comme dit lapostre Rom. 2. Et la raison est clere, car par ta presence et communication, tu apprene non seulement toute ceste abomination, mais aussi tu es participant des autres pechez qui se font en la reste de toute ceste abomination, la religion contraire a dieu, dont tu as receu les sacremens par lesquelz du fais protestation, que ta foy soit semblable a eulx,

3) Ebenda. 5 38. 8. 61.

4) Ferunt et apud vos complures Anglos et Gallos, quibus senatus templum certum et Evangelii praedicationem concesserit. Pie id facit, 'verum videte vos, ne quid hac via sacramentarium vestris Ecclesiis et civibus irrepat. Valde cupio scire, quo in statu nunc sint res Anglicae. Brief aus Stolberg vom 24. August 1554. Briefsammlung von Hart- mann Beyer auf der Frankfriter Stadtbibliothek. M. S. III, 21.

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das Gerticht in Umlauf gesetzt, der Rat habe in den Wallonen Wiedertäufern das Bürgerrecht verliehen. Das Gerticht wurde umso leichter geglaubt und umso schneller verbreitet, als im Juni 1654 ein Fremder mit seiner besonderen Opinion und vielerlei seltsamen Reden unliebsames Aufsehen erregte und deshalb der Stadt verwiesen wurde).

Poullain fand es unter diesen Umständen geboten, vor aller Öffentlichkeit den Beweis seiner Rechtglänbigkeit zu erbringen, indem er die Liturgie und das Glaubensbekenntnis seiner Gemeinde im Druck erscheinen ließ“). In seinem Vorwort (vom 1. September) gab er seinen papistischen Ver- leumdern ihren Vorwurf zurück, indem er bemerkte, nicht wo das Reich Christi aufgerichtet sei, sondern wo das Papst- fum herrsche, ließen sich die armen Seelen von jedem Wind der Lehre verführen und fielen den Wiedertäufern und anderen Sektierern zur Beute. Da er den Ursprung der Verdüchtigung wohl kannte, so schickte er ein Exemplar mit einem Begleit- achreiben vom 14. September an den Dekan und das Kapitel von St. Bartholomäi mit der Aufforderung, sich über den Inhalt zu äußern. Schweigen sollte als Zustimmung gelten“).

Die Liturgie behandelt nach einander: 1. den Sonntags- gottesdienst, 2. die Abendmahlsfeier, 3. den Katechismus, d. h. die Christenlehre der Knaben am Sonntag-Nachmittag um 1 Uhr, 4. den Predigtgottesdienst am Sonntag-Nachmittag um 2 Uhr, 5. die Wochengottesdienste (Bibelstunden) am Dienstag und Donnerstag, 6. die Liturgie für die Buffeier am Donnerstag, 7. die Taufliturgie, 8. den Ritus bei der Einsegnung der Ehe, 9. den Krankenbesuch, 10. das Kranken- abendmahl, 11. die Begräbnisfeier, 12, die Verfassungsfragen (den wöchentlichen Kirchenkonvent, Wahl eines Kirchendieners, der Altesten und der Diakonen) 13. die Kirchenzucht und den Bann. Den Abschluß bildet nächst einer Danksagung an den Rat eine Erinnerung wegen der Liturgie, in welcher

1) Act. Ref. Tom. I. Blatt 5b. Vom 5. Juni 1554.

2) Liturgia Sacra, Seu Ritus Ministerii In Ecclesia Peregrinorum Francofordiae Ad Moenum. Addita Est Summa Doctrinae Seu Fidei Professio Eiusdem Ecclesiae. Psalm CXLIX Laudem Deo canite in Ecclesia Sanctorum. Joan. I. Veni & uide. Francofordiae 1554. Mit der Drucklegung wurde von dem Rate Peter Brubach beauftragt, wes- wegen es dieser für nötig hielt, sich am 19. Juli 1555 bei Westphal zu entschuldigen. Sillem I, 196.

3) F. R. I. Beil. 34, S. 60. Besser S. 19 läßt das Schreiben seltsamerweise an die lutherischen Prüdikanten gerichtet sein, als ob diese das Domkapitel gebildet hätten und rechnet es zu den „energischen und klugen* MaBnahmen Poullains, die er überall vermutet.

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Poullain es rechtfertigt, daß so viele Bestandteile der katho- lischen Überlieferung ausgemerzt seien, wie der Gebrauch der fremden Sprache im Gottesdienste, die römischen Gebete, die tägliche Kommunion und die Kommunion durch den Geistlichen allein, die Meßgewänder, bei der Taufe die Wachs- kerzen, die Salbung, das Oel, das Anhauchen, der Exorzismus, die Einsegnung des Wassers, schließlich die Messe. Wollte man für diese Einrichtungen der katholischen Kirche ihr Alter geltend machen, so stellte Poullain dem den Grundsatz gegenüber: Nulla antiquitas maior est verbo Dei, quod est antiquitate ipsa antiquius, und versicherte: Nihil ecclesia isía omisit, quod nitatur verbo Dei.

Das Glaubensbekenntnis?), das durchaus praktisch-religids orientiert ist, stellt an seine Spitze den Satz: Cum nihil sit homine Christiano vel dignius, vel magis foeliz, ad quem solum pertineat summum illud bonum, quod mortales omnes expetunt: operae pretium est, ut unusquisque certo sciat quo constet verus Christianismus. Dieses wahre Christentum setzt Poullain in die Wiedergeburt, deren wir durch den Glauben teilhaftig werden. Den Glauben aber definiert er gut evan- gelisch: Credere, est certissime persuasum esse de benevolentia et favore Dei erga nos, spiritu s.“) mentes nostras lumine suo perfundente, atque obsignante cordibus nostris hanc ocer- tissimam persuasionem, quod simus adoptati in filios Dei per Christum. Einziges Fundament dieses Glaubens ist die Bibel. Eine Art Kompendium ihrer Lehre ist das sog. apostolische Glaubensbekenntnis, mit dessen Hilfe die Laien (rudiores) alle Lehre prüfen können. Eine richtige Einteilung unter- scheidet in ihm vier Hauptstücke, nämlich 1. von Gott dem Vater, 2. von seinem Sohne Jesus Christus, 3. von dem hl. Geiste und 4. von der Kirche. Die Erörterung dieser vier Hauptstücke macht den wesentlichen Inhalt der Poullainschen Konfession aus. Den Schluß bildet der doppelte Wunsch: Faxit Deus ut haec fides in nobis augeatur, in eaque per- severare queamus usque in finem. Det etiam omnibus ipsum adhuc ignorantibus verum lumen fidei: ut agnoscentes unicum liberatorem mundi Jesum Christum filium eius unigenitum salvi nobiscum fiant.

Die Butzersche Theologie schimmert als Grundlage dieses Glaubensbekenntnisses tiberall hindurch. Die beiden Brennpunkte dieser Theologie sucht Poullain in innere Ver- bindung zu setzen, indem er sie, allerdings etwas äußerlich,

1) Abgedruckt im lateinischen Wortlaute zuletztbei E. F. Karl Müller, Die Bekenntnischriften der reformierten Kirche. Leipzig 1908, 3.657 —666, ) Spiritus bei Müller S. 657 ist Druckfehler.

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in Beziehung setzt zu dem Wesen Gottes als unseres Vaters. Sein Bekenntnis zur göttlichen Allwirksamkeit lautet hier: Nomine patris profitemur, illum esse primum principium, fontem, ac originem, et causam efficientem primam omnium rerum: per quem cum subsistant omnia, Ipse tamen per se subsistens haud aliunde habet ut sit quam a seipso. Dem ent- spricht es dann, daß auch die Vorsehung zu einem Wirken Gottes in uns wird: Neque propterea vivendum nobis ociosis ar- bitramur: sed laborandum nobis cum sit in sua cuique vocatione, ut illi obediamus, omnium nostrorum laborum, conatuum, consiliorum, atque operum finem, exitum, ac successum ab illo uno dari et concedi profitemur et credimus. Daneben aber steht der Glaube an die Erwühlung: Patrem quoque nostrum agnoscimus, ... qui simus eius filij... adoptione. Nempe quod nos per solam clementiam suam ante mundi eonstitutionem elegerit, nullo ratione habita boni ullius quod in nobis foret: ac postea suo tempore iam ab aeterno sic praefinito redemit per sanguinem filij sui, et postremo tandem cum mortui essemus per peccatum, atque adeo toti irae filij maledietoque obnoxij, ipse pro sua tantum misericordia, qua nos elegerat vocavit per Euangelij praedicationem, semineque spirituali verbi sui regignens in novam creaturam, fecit ut essemus filij adoptionis, spiritu sancto haec omnia operante atque obsignante in nobis. Dem Erwühlungsgedanken gemäß erklärt Poullain die Kirche für die Gemeinschaft der Heiligen und betont unter Beiseite- lassung alles Anstaltlichen gerade den Gemeinschaftscharakter: unam esse Ecclesiam omnium fidelium et electorum a primo usque homine Adamo, ad ultimum mundi finem . . . estque universa illa societas et collectio fidelium omnium renatorum per spiritum sanotum consentientium in unitatem fidei atque unius Dei, et salvatoris unius Jesu Christi. Dabei wirkt aber der Gedanke einer gemina praedestinatio in der ethischen Ausprügung, die ihm Butzer gegeben hat, auch bei Poullain nach. Hier ist die Uebereinstimmung stellenweise geradezu wörtlich. Butzer!) hat geschrieben: Vani hypocritae gregi Christi, ad finem usque saeculi huius, admixti agunt. Und in seiner Auslegung des 15. Psalms heißt es: Utcunque in Ecclesia . . . non sint ante messem zizania cuncta evellenda, quod nequeat hic Ecclesia penitus reproborum pura haberi, re vera tamen, et apud Deum, ii fantum de eius Ecclesia sancta censentur, qui electi ad vitam eo spiritu donati coelitus fuerint, ut innocentiae et omni virtuti ex animo

1) Bei A. Lang, Der Evangelienkommentar Martin Butzers und die Grundsüge seiner Theologie. S. 178.

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studeant!) Poullain greift diese Wendungen auf, um aus ihnen die Notwendigkeit der Disziplin zu folgern, die auch Butzer*) betont hat: Quamvis ergo hypocritae plurimi huie Ecclesiae admixti essent, nihilominus donec consentiunt in professionem doctrinae fidei, ac ministerium universum, nihil quidquam turbantes, quo Ecclesiae iusto iudicio excommuni- centur, ipsos membra Ecclesiae agnoscimus: Deo relinquentes Zizaniorum occultorum evulsionem in die suo: contenti evellendis ijs sedulo operam dare, quae sunt manifesta.

Wie verhält sich nun das Poullainsche Kirchenbuch zu dem Vorwurfe des Tüufertums? Für die Beantwortung dieser Frage kommí einmal der Taufritus und dann die Ordnung der Kirchenzucht in Betracht.

Der Taufritus nun setzt die Kindertaufe einfach als selbstverständlich voraus. Qaid enim fragt Poullain*) aliud est Baptismus quam autoramentum quoddam, quo infans ab Ecclesia Christi membrum agnoscitur, simulque ipse et signaculum accepit iustitiae, fidei ac renovationis per Christum et toti Ecclesiae commendatur? Die Kindertaufe wird als neutestamentliche Fortsetzung der Beschneidung auf ein gött- liches Gebot zurückgeführt“): Principio nascentis Ecclesiae suae iussit non adultos solum, sed ipsos etiam infantulos circumcisionis tesseram accipere: quo certe nil aliud testa- batur aut portendebat, quam quod hodie per baptisma. Im Zusammenhange mit der Kindertaufe behält er auch das Pateninstitut bei, obwohl er es in der Bibel nicht begründet findet. Es dient ihm zur Erbauung“): Susceptores seu fide- iussores puerum cum parente baptizandum offerunt. Est enim hoc valde antiquum, nullam tamen scripturae autoritatem habet, sed aliquam iustam rationem. Illi enim nomine Ecclesiae fidem pro puero testantur, atque se obstringant illum insti- tuendum curaturos. Von einer Erwachsenentaufe ist nirgends die Rede. Ausdrücklich rechtfertigt auch das Glaubens-

1) Ebenda 8. 177.

) Ebenda S, 185.

7) Wahrhafte Liturgie Und Bekänntniß Des Glaubens, Wie solche von den zu Franckfurt am Mayn Angekommeneu Reformirten Vor 200. Jahren überreichet worden, Nach dem ersten Authenticken Latei- nischen Druck Auf Begehren wieder ans Licht gegeben, Und mit einer Teutschen Übersetzung samt Vorrede versehen, Von Johann Hildebrand Withof, Professoren der Universität zu Duisburg am Rhein. DUISBURG, Gedruckt bey Johann Sebastian Straube, Universitüts - Buchdrucker. 1754. S. 32,

*) Ebenda S. 37.

5) Ebenda S. 65.

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bekenntnis!) die Kindertaute: Hoc vero sacramentum, cum sit tessera foederis Dei, quo nos semel regenitos in filiorum adoptionem cooptat, Nos pertinere profitemur ad omnes, ad quos ipsum quoque foedus pertinet: atque ideo infantes fidelium nobis a fidelibus oblatos, fide promissionis huius baptisamus: quia Deus noster non adultorum tantum et qui fidem ore profiteri possunt Deus est, verum etiam infantum: qui quamvis fidem, qua possunt a Spiritu sancto obsignati esse, verbis profiteri nequeunt, attamen in foedere illo Dei continentar, et ad eos promissio, quae baptismo continetur, pertinere creditur.

Die Verwerfung der Kindertaufe und die Forderung der Erwachsenentaufe war indessen nicht das Wesentliche an dem Täufertum, sondern nur die am meisten in die Augen fallende praktische Folgerung aus seiner Grundidee. Die Täufer identifizieren echt mittelalterlich Kirche und Reich Gottes. Indem sie aber darauf verzichten, die Heiligkeit als etwas durch den Priester Vermitteltes anzusehen, verlegen sie sie ganz in das ethische Gebiet. Die Heiligkeit der Kirche, die nach dem Apostolikum Gegenstand des christ- lichen Glaubens ist, wird ihnen so zur empirischen Heiligkeit der einzelnen Christen. Daraus ergibt sich einmal, daß die Ein- gangspforte der Kirche eng wird; nicht die Masse der Kinder kann hereinströmen, von denen man zum voraus gar nicht wissen kann, wie ihre sittliche Entwicklung verläuft; nicht die Volkskirche ist das Ideal; nur die, welche sich streng verpflichten, ein heiliges Leben zu führen, können aufge- nommen werden, und da zu einem solchen Entschluß des sittlichen Willens nur der Erwachsene fähig ist, so folgt ohne weiteres, daß auch nur der Erwachsene getauft werden kann. Dann aber ist auch eine beständige Ueberwachung der Auf- genommenen nötig. Sie sollen wirklich heilig sein, und deshalb bleibt kein Fehltritt bei ihrer Gemeinde ungestraft; neben das Strafrecht der Obrigkeit tritt die Zucht durch die Gemeinde. In diesem Ernste des Heiligungsstrebens lag die Stärke des Täufertums. Damit übte es eine Kritik an den Kirchen aus und zwar an dem Protestantismus ebenso sehr wie an dem Katholizismus. Sollte diese Kritik verstummen und das Täufertum von den Reformatoren innerlich über- wunden werden, dann mußte in den evangelischen Gemeinden der sittlichen Laxheit ebenso entschieden entgegengetreten werden wie in den Reihen der Täufer. Das Luthertum in Deutschland, lediglich religiös an der Rechtfertigungslehre orientiert und auch dem Scheine der Werkheiligkeit abhold,

!) Ebenda S. 89. Müller S. 665, Archiv far Reformationsgeechichte. XXI. 1/2. 8

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hat diese Folgerung nicht gezogen, wohl aber Butzer und nach seinem Vorgange Calvin, der tiberall bemüht war, das, was er an einer Erscheinung als berechtigt anerkannt hatte, seinem großen System einzufügen. Unter diesen Einfltissen, wie sie ihm durch die Straßburger Fremdengemeinde und den Verkehr in Butzers Hause vermittelt waren, ist auch Poullain Anhänger der Kirchenzucht geworden. Er rechnet sie in seinem Glaubensbekenntnis!) mit Wort Gottes, Gebet und Sakramenten geradezu zu den Kennzeichen der wahren Kirche: Quartam tesseram dicimus esse disciplinam Ecele- siasticam. Qua nempe corriguntur mores et flagitia coércentur, atque omnis vitae honestas, iustitia et aequitas inter homines conservatur. Proinde in omni Ecclesia recte instituta mini- sterium hoc apprime necessarium ducimus.

Hiernach war es durchaus glaubwürdig, wenn sich Poullain am Schlusse seines Glaubensbekenntnisses?) nicht nur von Mabometisten, Libertinern, Marcioniten und Arianern, sondern ganz besonders auch von den Anabaptisten, Menno- niten und Davidisten geschieden wissen wollte. Und diese Verwahrung erhält ihr Gewicht noch besonders durch die Erklärung®), daß es neben dem Amte der Kirche auch ein solches der weltlichen Obrigkeit gebe, das die Wiedertäufer ja leugneten: Alterum ministerium est politicum, cui a Deo traditus est gladius ad omnem tuitionem iustitiae et aequitatis, atque in primis veri cultus Dei: ad vindietam quoque omnis iniustitiae et impietatis: quo tuti sint, ac vitam quietam degant boni, mali vero, si castigati non emendentur, e medio tollantur.

Eine andere Frage war es freilich, ob, an dem Stand- punkte des strengen Luthertums gemessen, die Liturgie und das Glaubensbekenntnis Poullains gentigen würden, ob man hier nicht vielmehr beide der Hinneigung zum Zwinglianismus verdächtig finden würde. Für die Beurteilung dieser Frage kamen die Festsetzungen des Bekenntnisses über die Sakra- mente, besonders über das Abendmahl, sowie die ent- sprechenden Abschnitte der Liturgie in Betracht.

Die Sakramente sind für Poullain Wahrzeichen der rechten Kirche. Er beschreibt sie“): Sacramenta Christus Ecclesiae suae instituit, quibus tanquam signaculis perpetuo certiores reddamur (Spiritu sancto cooperante per fidem, quam nostris cordibus obsignat) de Dei benevolentia et favore

1) Withof S. 90. Müller S. 665. ) Withof S. 91, Müller S, 666. *) Müller S. 665.

) Withof S. 88. Mül'e- 8. 664.

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singulari erga nos, ac perfeotione eorum omnium, quae nobis per verbum suum promittit. Von der Taufe sagt er!): Bap- fismus est sacramentum regenerationis, videlicet coniuncta eum praedicatione Evangelii externa aquae ablutio, qua tingimur in nomine Patris et Filii et Spiritus sancti, adeoque certiores reddimur nostrae in corpus Christi et fidelium coetum cooptationis, atque etiam de misericordia Dei, qua nobis condonata sunt omnia peccata: simul obsignante hane fidem in cordibus nostris Spiritu sancto, a quo etiam vitae renovandae iustitiaeque inchoandae vis atque efficacia sub- ministratur. Das Abendmahl heißt): sacramentum recon- ciliationis, quo ex instituto Christi celebratur memoria mortis ipsius, et distributione panis fracti et poculi benedictionis fit communicatio et participatio corporis et sanguinis Christi omnibus vera fide communicantibus in alimoniam vitae aeternae, quo certiores efficiamur de remissione peccatorum nostrorum, quibus prolapsi nos ipsos reddideramus indignos vita aeterna, violato foedere, quod cum Deo nostro in baptismo initum fuerat: et de participatione integra reliquorum bonorum, quae nobis Christus corpore suo nobis tradito, et sanguine itidem pro nobis fuso: peperit et consecutus est. Diesen Sätzen des Bekenntnisses entspricht die Abendmahlsliturgie. Zu Beginn der Feier betet die Gemeinde*) um die Gnade, ut certa fide imbuti participes corporis et sanguinis ipsius efficiamur: imo vero illo toto et integro perfruamur, qui vere Deus et homo est, et simul panis ille sacrosanctus coelo nobis datus in vitae alimoniam, quo deinceps non amplius nobis vivamus, ut nostro ingenio nimium corrupto et vitiato obtemperemus, sed ille solus in nobis vivat atque in vitam perducat sanctam, beatam et aeternam. Und in seiner Abend- mahlsvermahnung sagt der Pfarrer“): Quamquam autem nihil hic nisi panem et vinum cernamus, non dubium tamen esse debet, spiritualiter, hoc est, mentibus nostris revera exhiberi quicquid externis hisce rebus signisque visibilibus significatur, aut portenditur, adeoque Christum ipsum esse verum illum panem coelo demissum alendis ac sustinendis animis in vitam aeternam. Ebenso heißt es unmittelbar vor der Austeilung “): Neque vero in externis symbolorum rebus haereamus, quas videmus et gustamus: terrenae siquidem sunt et corruptioni obnoxiae, Haudquaquam igitur aut pani immistus vel inclusus,

-~ me

1) Withof S. 881. Müller S. 664 f. 2) Withof S. 89f. Müller S, 665. 5$) Withof S. 16.

4) Ebenda S. 21,

5$ Ebenda S. 21f.

3%

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aut vino immersus est putandus, ut ibi quaeratur: sed tum demum illum assequemur, totamque ipsius substantiam parti- cipandam in vitae aeternae alimoniam, ubi supra terrena omnia eveoti coelos quoque ipsos animis fide imbutis super- abimus, in regnum Dei penetrantes, ubi ipse iam habitat. Die durch diese Vermahnung eingeleitete Spendeformel lautet dann!): Minister cum panem ministrat, his verbis singulos alloquitur, 1. Cor. 10; Panis quem frangimus, communicatio est corporis Christi: accipe, manduca, memor Christi corpus pro te fractum in remissionem peccatorum tuorum. Calix eui benedicimus, communicatio est sanguinis Christi: accipe, bibe, memor Christum sanguinem suum pro te profudisse in remissionem peccatorum tuorum.

Von einer AeuBerung der Domgeistlichkeit auf die Zu- sendung des Kirchenbuches der wallonischen Gemeinde ist uns nichts Überliefert. Dagegen hat diese Veröffentlichung im lutherischen Lager weittragende Folgen gehabt. Beyer hielt es für angezeigt, sich diese Dokumente von einem zuver- lüssigen Gesinnungsgenossen begutachten zu lassen. Nikolaus Gall in Regensburg, an den er sich deswegen wandte, be- stätigte ibm denn auch seinen Verdacht: Die Liturgie der Engländer rieche stark nach Zwinglianismus, und er wundere sich, daß sie laut Vorrede von den Frankfurtern gebilligt worden sei*) Und als Beyer an Brenz unter Vorlage des Kirchenbuches erudite et copiose über die Frankfurter kirch- lichen Verhältnisse berichtete, schrieb ihm der Schwabe zurück: Die Fremden seien für das Ministerium eine Last, und Gefahr sei im Verzuge. Der Rat dürfe weder Irrlehren noch Abweichungen von dem Frankfurter Abendmahlsritus dulden. Und wenn der Rat nicht einschreite oder zögere, so sei es Beyers Pflicht, für das Wohl der Kirche zu sorgen“).

Tatsächlich bot die Veröffentlichung des Kirchenbuches dem Rate keinerlei Anlaß zu irgendwelchen Schritten. Sachlich deckte es sich völlig mit der Frankfurter Konkordie Butzers, entsprach also durchaus dem offiziellen Bekenntnis- stande der Frankfurter Kirche.

1) Mitgeteilt auch von Hering, Hilfabach zur Einführung in daa liturgische Studium. Wittenberg 1888. S. 188f.

) Brief vom 19. März 1555. Briefsammlung Hartmann Beyers ‚auf der Frankfurter Stadtbibliothek. MH. S, III. 21.

3) Ebenda. Brief vom 18. März 1556.

r

Neues über Neuheller (Neobolus) und Diedelhuber.

Von Gustav Bossert.

Gütigen Mitteilungen von Professor P. Flemming (t) in Pforta verdanke ich die Möglichkeit, die von mir gezeichneten Lebensbilder der beiden von Luther geschützten und iu den württembergischen Kirchendienst gekommenen Männer Jodocus Neuheller, Neobolus ARG. 14, 278/300 und Theobald Diedelhuber ARG. 15, 100/107 einiger- maßen zu ergänzen.

I. Im Leben Neuhellers klaffte eine Lücke zwischen seinem Aufenthalt in Heidelberg seit 1. Dezember 1522 und seinem Erscheinen in Wittenberg im Sommer 1532. Nun fand Flemming in der Geschichte des akademischen Pädagogiums in Marburg von Chr. Koch (Programm des Gymnasiums zu Marburg 1868) S. 14: Unter Caspar Rhodolphi mag. witteb. aus Cannstatt (1530 1537) ... wirkte unter den außer- ordentlichen oder Hilfsiehrern (paedagogicorum praeceptorum adjutores) aufer andern auch M. Jodocus Aeniobulos aus Ladenburg. Koch führt als Quellen an H. O. Dreysius, der 1775 ein Einladungsprogramm schrieb, und Mich. Konr. Curtius, der einen Sehattenrió der Geschichte des Marburger Gymnasiums (Jahr nicht genannt) herausgab. Klar ist, daß hier niemand anders mit Jodocus Aeniobulos gemeint sein kann als Jodocus Neuheller, der von Melanchthon im Album Magistrorum Enneobolus genannt wurde, als er am Ende . des Wintersemesters 1534/3: die Magisterwürde erwarb )). Aber auffallend ist, daß er von Koch schon für seine Mar- burger Zeit Magister genannt wird, auch gibt Koch weder den Anfang noch das Ende seiner Marburger Dienstzeit an, Volle Klarheit über die Identität des angeblichen Aeniobulos, was offenbar eine Verketzerung von Enneobolus ist, und den Anfang seines Dienstes an der Marburger Schule gibt Caesar, Catalogus Studiosorum Scholae Marpurgensis, pars prima S. 5, wonach Jodocus Oeniobulus Ladenburgensis paedagogicorum praeceptorum adjutor 1531 Kal. Januarii inskribiert ist. Damit ist der 1. Januar 1531 als Tag seiner

1) ARG. 16, 282 Köstlin, Baccal. und Magistri 1518—1537. S. 27.

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Aufnahme in den Universitätsverband gesichert Bei der innigen Verbindung des Pädagogiums mit der Universität larf man annehmen, daß der 1. Januar 1531 auch der Tag ‚eines Dienstantritts ist. Ebenso fällt damit der von Koch Neuheller schon für seine Marburger Zeit beigelegte Magister- titel weg. Endlich erweist sich die Namensform Aeniobulos bei Koch als ein völliges Unding, das sich aus keiner klassischen Sprache erklären läßt, während die Form Oeni- obulus sicher, auf einem Hürfehler des Rektors oder seines Schreibers bei der Immatrikulation für Enneobolus beruht. Der Schluß der Marburger Zeit steht fest, da Neuheller zu Anfang des Sommersemesters 1532 in Wittenberg inskribiert wurdet).

Weiter aber hat Professor Flemming mich auf einen Brief von Wolfgang Musculus, von dem er vor etwa 20 Jahren ein Stück auf der Bibliothek des herzoglichen Hauses in Gotha notiert hatte, aufmerksam gemacht und mir dieses Stück mitgeteilt. Der Brief findet sich auf dieser Bibliothek unter A 406, Nr. 11, und ist Germann, der dort A 91 für seine Biographie Johann Forsters ausgiebig benutzt hat, ent- gangen. Der Brief, der an Fried. Myconius in Gotha und Justus Menius in Eisenach gerichtet und vom 7. Februar 1539 datiert ist, wirft ein neues Licht auf Neuhellers Lebensgang und die Augsburger Verhältnisse und erscheint der Ver- öffentlichung in seinem ganzen Umfang wert. Herr Direktor Dr. Ehwald hatte die Güte, auf meine Bitte mir den ganzen Wortlaut mitzuteilen, wofür ihm auch au diesem Orte Dank gebührt. Der Brief lautet:

S. D Literas vestras accepi, fratres in Domino charissimi, et tuas, Frideriec, praesertim, magna cum aviditate propterea quod credebam me ex illis Anglicanae Ecclesiae statum tam- quam drrö vo) atórrov ac omnium certissimo teste cogni- turum?) Tam enim horrenda de hoc Rege apud nos feruntur, vt videatur Phalaridis aequare tyrannidem. Sperabam me eog- nita veritate habiturum, unde y«vóoAóyov ora obturarem. Sed bene habet, ad Bucerum me mittis, ex quo discam caussae huius veritatem, qui id etiam poterit, quoniam absque dubio omnia abs te exacte didicit. Status“) Ecclesiae nostrae nonnihil turbatus est, quod attinet ad symmystas et praepositos. Nostis ingenium Satanae. M. Michael Cellarius ante aliquot

1) ARG. 14, 280. Fürstemann Album Viteberg S. 145 Nr. 15.

3) Myconius war 1588 mit Franz Burkhardt bei Heinrich VIII. in England, Th. R. E. 18, 605.

3) Von Status bis diacono J. stammt der Text von Flemming, ist aber von Dr. Ehwald kollationiert.

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menses paralysi est taotus!), vt apparent illum deinceps immunem fore ab omni Ecclesiae ministerio, et M. Johannes Forsterus dilectus in Domino frater, quem speraveram con- cordiae fore fomentum ao coneiliatorem, prae nimio adversus Michaelem zelo illam prope perturbasset, alioqui homo in- genio modestissimo praeditus. Hic autem adeo fuit animo acerbo, vt et contra praepositos Ecclesiae nostrae, quos habemus ex ditissimis civibus, homines et ipsos, et aliquanto irritabiliores contentiosior factus rem eo deduxerit, ut ad praepositorum instantiam dimissus sit, idqne necessario, nisi furbatam Ecclesiam voluerit Senatus. Sed hac de re malo audiatis ab ipso Huberino diacono meo et M. Jodoco Enneobolo, qui omnia viderunt coram, sancteque testati sunt dimissionem Forsteri Ecclesiae necessariam esse. Nam Huberino consul usus est in hac caussa plurimum. Cupiebat enim turbas componere. Spes est Huberinum illi successurum. Hoc si fiet, dabitur mihi M. Jodocus in locum Huberini pro diacono.

Ceterum omnia, quod ad doctrinam attinet et ad- ministrationem Ecclesiasticam, adhue recte habent. Nisi quod ingens bellum nobis est cam duobus Diis hominum opulen- torum, Mammone videlicet et ventre?), qui cupiunt in omnibus regnare ef longo intervallo Christum superare. Orate Dominum, vf contineat et avaritiam et luxum sub pedibus nostris.

Bucerum nostram audimus fuisse Liptziae (sic!) cum M. Philippo et nonnullis aliis ibique, nescio quae, cum Cochleo et Witzelio acta esse consentiente duce Georgio “). Orandus Deus, vt confundat magnos istos veritati resistentes,

Hic nihil est noui, nisi quod Caesar praedieatur venturus in ltaliam et ex illa profecturus magna cum classe in Graeciam. Heri audivi Germanum militem hie in Sueuia eolligendum esse Turcici belli praetextu vsque ad triginta millia*. Res plena periculis ac vigilantissima cura digna. Notum est illud: dolus an virtus, quis in hoste requirat. At bona spe simus, Est Deus in caelo, qui prouidus omnia curat. Huic nemo imponit. Orandus tamen iuxta est, vt consilia prava hominum impiorum, qui hoe unum quaerunt, vt sub nomine et potestate Caesaris impune regnent, quam citissime irrita reddat.

1) Zu den Verhältnissen in Augsburg vgl. Roth, Augsburger Reformationsgeschichte 2, 434 ff. Germann, Johann Forster 239 fl. Keller wurde im Oktober 1588 zum sweitenmal vom Schlag getroffen.

2) Roth a. a. O. 1, 10 und die Polizeiordnung 2, 367 ff.

5) Corp. Ref. 3. 621 ff. Schmidt, Melanchthon 845. Cochläus An- wesenheit findet sich nirgends erwübnt.

*) Ranke 4, 488

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Ecclesia Vlmepsis hactenus nonnihil per Schwenkt- feldum "hominem pestilentem labefactata speratur iam melius subitura eiecto tandem pessimo illo veneno. M. Martinus Frechtus vtrisque vobis notus Ecclesiae illius antistes homo pius doctus ac vigilantiss (imo) ingenio tandem obtinuit, vt licuerit cum hoc homine coram frequenti Senatu congredi imposturasque illius detegere, id quod et diligenter et magno eum fructu fecit!). Vix fero absentiam Buceri, ut intellegam, quomodo habeant vestrae Ecclesiae. Spero autem habere optime, Deinde et D. Lutherum venerandissimum prae- eeptorem una cum Philippo ac reliquis veritatis organis nihil dubito integris esse viribus et statu tranquillo, nisi illum turbet Islebius. Cuperem de his rebus per vos edoceri, si quando huius dabitur occasio. Bene valete colendissimi viri, fratres in Domino charissimi. Salutat vos M. Bonifacius“ symmysta meus.

Augustae Vindelio. 1539 Februarii 7.

Wolfgangus Musculus vester totus in Domino.

Auf der Rückseite: Integerrimis viris ac dominis Fridericho Myconio et Justo Menio Ecclesiarum Isenacensis ac Gothanae pastoribus fratribus in Domino charissimis. Zu Isenach oder . zu Gotha. Der Brief von Musculus belehrt uns, daß Neu- heller tiber die Zeit der heftigsten Streitigkeiten Forsters und der Verhandlung um seine Entlassung am 25. November 1538 in Augsburg war. Sonst hätte er kein selbständiges Urteil über die Notwendigkeit der Entlassung Forsters haben können, wenn auch anzunehmen ist, daß C. Huber und Neuheller die Sache in einem andern Licht betrachteten als Musculus nach seinem Brief, der die Entlassung im Interesse der Kirche notwendig fand, wührend die beiden Freunde Forsters wohl eher ein Ausscheiden desselben aus den unerquicklichen und aufreibenden Verhältnissen für notwendig halten mochten, aber deswegen gegenüber Musculus keinen Widerspruch gegen die Maßregel des Rats erhoben, so daß Musculus ihr Ein- verständnis mit ihm annehmen konnte. Denn nur so konnte ibm der Gedanke kommen, dem Rat vorzuschlagen, daB C. Huber an Forsters Stelle Pfarrer zu St. Johann werden sollte, wäbrend Neuheller an Hubers Stelle Helfer an Musculus’ Pfarrkirche zu U, L. Frau (Dom) werden könnte, Aus beidem ist nichts geworden. Denn Huber blieb bis 1542 Helfer

) Frecht und Schwenkfeld in Ulm, vgl. Keim, Die Reformation der Reichsstadt Ulm S. 278fl., besonders die Verhandlung S. 999 fl ) Wolfart, |

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neben Musculus und wurde erst dann bis 1544 Pfarrer zu S. Georg.) Neuheller aber ist nie in Augsburg in ein Amt gekommen. Ob er, nachdem sein Zögling Honold in Augsburg ins Patrizia aufgenommen war, wieder nach Wittenberg zurückging und eine Stelle in Luthers Haus übernahm, läßt sich nicht sicher feststellen, ist aber nunmehr doch recht zweifelhaft. Wahrscheinlicher ist, daß er dem nach Tübingen übergesiedelten Forster folgte und schon 1539 dort ein Diakonat bekam, das er dann 1540 mit der Pfarrei Entringen vertauschte.

II. In meiner Arbeit über Theobald Diedelhuber habe ich ARG. 15, 101 nur nachweisen können, daß er irgendwie Be- ziehungen zu Machern bei Wurzen hatte, da sein Sohn in der Tübinger Matrikel diesen Ort als seinen Geburtsort angab. Nun haben reichhaltige Mitteilungen von Professor Flemming aus den Visitationsakten und der ansehnlichen sächsischen Literatur und eigene Anfragen in Sachsen es möglich gemacht, genau festzustellen, daß Diedelhuber Pfarrer in Machern war, und zugleich sein Vorleben aufzuhellen, wie auch Klarheit tiber den Stand der Dinge in Machern zu gewinnen. Das Patronatrecht in Machern gehörte dem Geschlecht von Lindenau. Nach Jäßing, Geschichte der Kirche zu Machern, entschied sich Albrecht von Lindenau bald für die Lutherische Lehre. Er hatte 1512 seinen Sohn Heinrich auf die Universität Wittenberg geschickt, als Luther dort anfing zu predigen. 1521 hatte er den Kurfürsten Friedrich als dessen Mundschenk auf den Reichstag in Worms begleitet und war Luther entgegengeritten und hatte ihn in die Stadt geleitet, als er am 16. April nach Worms zog. Bald entschied sich Albrecht von Lindenau ganz für Luthers Sache. Er berief 1522 Konrad Klug?), welcher der neuen Lehre zugetan war, nach Machern. Sein Sohn Heinrich ver- heiratete sich mit einer jener Nonnen, welche aus dem Kloster Nimbschen mit Katharina von Bora entwichen waren, Gertrud von Schellenberg, und wurde am 1. November 1526 von Spalatin getraut. Jäßing setzt voraus, daß Konrad Klug der erste Prediger des Evangeliums in Machern war. Er wäre also der von Heinrich von Lindenau aus Wittenberg mitgebrachte ungenannte Mönch, der obne Zulassen des Pfarrers predigte, von Heinrich von Lindenau mit fünf oder sechs Knechten zur Kirche begleitet wurde und großen Zu-

1) Roth 8, 588,

2) J&ging nennt ihn David Kluge. Er heißt aber im Album Viteberg f. 118a, Nr. 25 Conrad Klug de Curia Dioc, Bamberg, Sommer 1522. Er stammte also aus Hof.

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lauf von der früheren Mutterpfarrei Brandis hatte, dabei sein Mönchskleid ablegte, ein Weib nahm!) und darum vom Bischof von Merseburg verklagt wurde. Allein diese An- nahme ist sehr unsicher. Der Mönch predigte in Machern schon einige Zeit, als der Bischof im April 1522 gegen ihn vorging. Konrad Klug aber war noch eine gute Zeit im Sommersemester 1522 in Wittenberg, das erst Ende April begann und ist erst der 25. in der Reihe der Immatrikulierten. Würe er ein Münch gewesen, so würe er sicher in der Matrikel als frater eingetragen. Auch würe er dann mit dem Pfarrer Stumpf von Schönbach und Klotzsch in Großbuch zum Verhör im August 1522 beim Bischof vorgeladen worden“). Da auch der Mönch nicht bei dem Verhör der beiden be weibten Pfarrer war, so muß man annehmen, daß er Machern verlassen hatte. Aber auch der altgläubige Pfarrer muß von seinem Amt gekommen sein, denn im August 1524 er- scheint Konrad Klug als Leutpriester (plebanus) und wird wie Stumpf in Schönbach, Klotzsch in Großbuch und der Prediger Joh. Kreß in Polentz vom Bischof von Merseburg in den Bann getan“). Er wird aber schon 1523 in Machern gewesen sein, denn er wird „der von Machern“ sein, der sich ver- nehmen ließ, er wolle lieber alles verlassen, als sein Weib entlassen, und dem Bischof gegenüber erklärte, die Priester- ehe sei durch Paulus Wort gerechtfertigt Tit. 1,6, 1. Tim. 3, 2: Ein Bischof soll eines Weibes Mann sein“). Wirklich gab er sein Amt im Jahre 1526 auf. Am 25. August 1526 er- scheint er als Pfarrer zu Laussig.")

Nun ist die Frage, ob Diedelhuber der anmittelbare Nachfolger von Klug war. Diese Frage läßt sich nicht sicher beantworten, Jäßing kennt ihn nicht. Wir müssen erst die Angaben von A. H. Kreyßig, Album der evangelischen Geistlichen im Königreich Sachsen, 3. Auflage 1898, erster Nachtrag 1900 prüfen. Dort ist gesagt: „Machern: 1529 war Pfarrer Theobaldus Forster Oettinger, ein Cisterzienser- mönch, vordem Prediger unter Ferdinando gewest, seiner Lehr ziemlich bericht“. Das beruht auf dem Protokoll der Visitation von 1529. Nach gütiger Mitteilung von Herrn Professor Dr. Oskar Philipp in Dresden, der den Text im Original der „Registration der Visitation etlicher Sächsischen

) Förstemann, Neues Urkundenbuch zur Geschichte der evgl. Kirchen-Reformation 1, 85, 87.

) Clemen, Beiträge. zur Reformations-Geschichte 2, 5.

3) Förstemann a. a. O. S. 106ff.

) Förstemann S. 91.

5) Ebd. S. 108.

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und Meißnischen Kreise, Aemter, Städte, Klöster und Dörfer 1529" im Hauptstaatsarchiv in Dresden Bl. 10598 ver- glichen hat, ist dort Blatt 590: Eilenburger kreyß vnd Ambt Machern in Wahrheit zu lesen: Der pfarrer Theobaldus Forster ottingensis, etwo des ordens Cisterciensium, auch hernach ein prediger vnder Ferdinando gewest, ist seiner lere ziemlich bericht. Daß es sich hier um niemand anders handelt als um Diedelhuber, leidet keinen Zweifel. Daß er Forster ge- nannt wird, überrascht den nicht, der Einträge in den Matrikeln der Universitäten kennt, wo immer wieder Studenten nach dem Stand ihrer Väter, z. B. als Sattler, Bäcker, Schuster, Schneider, auch lateinisch als Ephippiarius, Pistorius, Cal- ceatorius, Sartorius, auch im Genitiv, eingezeichnet sind. Forster ist im bayerischen Dialekt Förster. Dieser Beruf des Vaters ist vollständig begreiflich, findet sich doch auf den Karten bei Burghausen ein großer Forst verzeichnet. Als Heimat Diedelhubers batte sicher nach dessen eigener Angabe Schnepf Burghausen bezeichnet!). Wenn er den Visi- fatoren gegenüber sich Ottingensis nennt, so meint er damit das etwa 20 km von Burghausen entfernte Alt- und Neuötting, wo er wohl die Schule besucht hatte, wie denn auch viele Studenten den Ort ihrer Schule als Heimat in die Matrikel eintrugen. Ganz neu ist die Nachricht, daß er Cisterzienser- mönch gewesen sei, wobei zu bedauern ist, daß er das Kloster nicht angab, dem er angehürte. Man wird es wohl in der Nühe von Oetting und Burghausen zu suchen haben. Gerade in jener Gegend hatte die neue Bewegung viele An- hänger unter der Geistlichkeit schon in den 1520er Jahren und spüter gefunden, wie ich in den Beitrügen zur bayerischen Kirchengeschichte 15, 2 (vgl. 2, 97—121 u. 4, 1—15) ge- zeigt habe. Ueberraschend ist weiter die Nachricht, daB Diedelhuber unter Ferdinand, d. h. im Herrschaftsgebiet Ferdinands ein Prediger gewesen sei. Das stimmt recht gut zu dem corpus Austriacum, das Luther Diedelhuber zuschreibt (Enders 10, 150; De Wette 4, 604).

Nun ist es auch möglich, die Zeit des Uebergangs Diedelhubers aus Oesterreich nach Sachsen mit einiger Wahr- scheinlichkeit zu bestimmen. lm Jahre 1527 begann mau in Oesterreich und Bayern mit Feuer und Schwert gegen Lutheraner und Wiedertäufer vorzugehen. Am 21. Mai wurde der edle Wiedertüufer Michael Sattler in dem damals óster- reichischen Rottenburg am Neckar?), am 16. August Leonhard

!) ARG. 15, 101. *) Th. R. E. 17, 498.

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Kaiser in Schärding!) verbrannt. Am 20. August 1527 erließ Ferdinand von Ofen aus ein Generalmandat, das für alle Verbreitung von ketzerischen Lehren Hinrichtung mit dem Schwert anordnete?).

In Bayern war der Wiedertäufer Georg Wagner von Emering am 8. Febr. 1597 verbrannt worden), während andere Ketzer, wie Mich. Heydnecker und Leonhard Reiff, als Luthers Freund unter dem Namen Beyer bekannt, in lebenslüng- lichem Gefängnis schmachten sollten“).

Es ist sehr verständlich, daß unter diesen Verhältnissen Diedelhuber als Prediger des neuen Glaubens der Boden auf österreichischem Gebiet zu heiß werden mochte, und er auch eine Flucht in seine bayerische Heimat nicht ratsam hielt, sondern es vorzog, nach Sachsen zu gehen. Die warme Empfehlung, die Luther ihm beim Scheiden aus Machern mit- gab, spricht dafür, daß er Luther persönlich aufsuchte und bei ihm wohl auch, wie so mancher Glaubensflüchtling, im schwarzen Kloster Aufnahme fand, bis er ein Amt bekommen konnte. Sehen wir noch einmal zurück, so wird die Antwort auf die Frage, wann Diedelhuber nach Machern kam und zuvor aus Oesterreich nach Wittenberg gezogen war, kaum anders lauten, als ich ARG. 15, 101 annahm, nämlich im Jahre 1527.

Er war damals kein jugendlicher, wenig tiefgründiger, unweiser Stürmer, kein Mönch, der sich freute, seine Kutte auszuziehen und ein Weib zu nehmen, Das beweist die An- erkennung, die er bei der Visitation bekam, er sei seiner Lehre ziemlich bericht. Aber auch bei seiner Gemeinde erwarb er sich Achtung und Vertrauen, das beweist das Protokoll der zweiten Visitation, bei der sich Diedelhuber 1534 zu stellen hatte.

Dieses Protokoll findet sich im Staatsarchiv Weimar Ji 6 mit dem Titel: „Visitation zu Altenburg, Remse, Born, Colditzs, Nimpschen, Grim, Eilenburg, Torgau, Dieben vnd

Grüfenheinichen. 1894. Montag nach Lätare 1534 kam Machern an die Reihe. Darüber findet sich Bl. 206 b auf- gezeichnet: Machorn. Der pfarrer zu Machorn Er Theobaldus Gigelhaber ist wohl bericht befunden. Disem pfarrer

geben die leut gut gezeugnus. Diser pfarrer soll hinfurder

1) Ebd. 9, 703.

*) Nicoladoni, Joh. Bünderlin, 287. ) BBKG. 2, 296 ff.

) BBKG. 15, 8.

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die xi g. dem pfarrer zu Brandis nicht mehr zu reichen schuldig sein.

Disem pfarrer soll man auch Jerlich 1 ald 8 aus dem gotshaus lassen folgen. Desgleichen den auffbotgroschen, den zusammengebgroschen vnd den creutzgroschen. Den krautgarten, und was man diser armen pfarr mer entzogen, soll on allen verzug dazu widerumb eingereumt werden.

Inuentarium: 1 kue, dafür ist ein acker korn geben, 1 kessel 1 zinen kandel, 1 alder kasten.

Disem pfarrer hat mein Gnedigster herr der Churfürst zu Sachsen zur besserung Jerlich x fl. zugelegt.

Wenn Diedelhuber hier Gigelhaber genannt wird, 80 ist das sicher ein Hörfehler des Schreibers des Protokolls, des sonst so zuverlässigen Paul Knod i). Der Name Diedel- huber, Didelhuber, Titelhofer steht sonst ganz fest und versteht sich ganz gut in einer Gegend, wo es auch ein Dorf Tittlmoos, bayer. Amtsgericht Wasserburg, gab. Beide Namen stammen von dem Kosenamen Diedel, Tittl für Dieterich, dem das Moos und eine Hube gehörten. Beachtenswert ist die Anerkennung, welche Diedelhuber von den Visitatoren widerfuhr. Denn er erhielt nicht nur das Zeugnis wie 1528, daß er seiner Lehre ziemlich bericht sei, sondern jetzt heißt es „wohl bericht“. Man spürt dem Protokoll die Freude an dem Zeugnis der Gemeinde und das Mitleid mit diesem füchtigen Mann an, der mit großer Armut zu ringen hatte, dem die Visitatoren ja eine Aufbesserung verschafften, die aber doch nicht gentigte, um Diedelhuber in Machern fest- zuhalten. Im Mai 1535 ist Diedelhuber auf dem Weg nach Württemberg mit einem Einpfehlungsschreiben Luthefs an Erhard Schnepf, der ihn nach Illingen schickte (ARG. 15, 100fl.). Nun aber hat Herr Pfarrer Rosental in Machern auf eine Anfrage meinerseits geantwortet, Diedelhuber sei noch 1534 nach Müglenz, A.-G. Wurzen gekommen und hat mich auf „Akten betr. Auszüge aus Elteste's handschriftlicher Chronik der Diözes Eilenburg“, die auf der Superintendentur Grimma liegen, aufmerksam gemacht. Herrn Superintendent Weidauer verdanke ich die Mitteilung folgender Auszüge:

Machen, I. David Kluge. Dieser hiesige Papistische Lehrer kam zeitig zur Erkenntniß der Wahrheit, weswegen ihn der Bischhof zu Merseburg in Bann that. Von hier zog er nach Lausigk, unter Colditz, wo er in Verdacht gerieth, daß ers in dem Artickel vom H. Abendmahle mit den Schweizern und Carlstadten halte. Sein Freund, Friedrich Auerbach, Schulmeister zu Colditz, schrieb deswegen einen Brief an ihn, in welchem er diese Beschuldigung zwar für eine Ver- läumdung erklärte; ihn aber doch ermahnte: ut in rebus salutis populoque promulgandis ageret cautius.

1) ARO. 7, 272.

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II. Theobald Diegelhaber. Er ist unmittelbar auf Klugen gefolgt und wird in denen Vis. Akten d. a. 1584 als hiesiger Pfarrer elobt: dad er wohl berichtet befunden worden sey, auch von den uten ein gutes Zengniß bekommen habe. Hingegen wird in der folgenden Visitation 1545, wo er jedoch nicht mehr in Machern war, ihm] zur Last gelegt, daß er, nebst dem Patrone, die Küsterey ver- auft und an einen Bauern vererbt habe, so die Visitatoren wieder aufheben müßen. Von hier ist übrigens Diegelhaber gleich nach ao 1584 gen Müglenz gezogen, welches die letzte Nachricht ist, die ich von ihm gefunden habe.

Daß die Nachrichten Elteste's über den ersten evangeli- schen Pfarrer in Machern kritisch geprüft werden müssen und großenteils unhaltbar sind, ergibt sich aus meinen Aus- führungen oben S. 41ff. Er heißt nicht David Kluge, sondern Konrad Klug und war kaum der erste evangelische Pfarrer in Machern. Dieser mag David geheißen haben und ur- sprünglich katholisch gerichtet gewesen sein. Konrad Klug aber wurde sicher frühestens erst im Sommer 1522 von Heinrich von Lindenau aus Wittenberg als tiberzeugter An- hänger Luthers nach Machern berufen. Richtig ist, daß er nach Lausig ging. Auch mag die Warnung des Schul- meisters von Colditz vor Hinneigung zur Lehre Karlstadts vom Abendmahl und seine Mahnung zu größerer Vorsicht in der Predigt etwas Richtiges enthalten.

Ist die Nachricht Elteste's über den ersten evangelischen Pfarrer in Machern nur teilweise richtig, so wird auch seine Angabe tiber Diedelhuber sehr der kritischen Prüfung be- dürfen. Daß die Namensform Diegelhaber nicht richtig ist, bedarf keines Beweises mehr, aber sie steht in der Mitte zwischen der richtigen und der im Visitationsprotokoll von 1534 (S. 44) Gigelhaber. Dieses Protokoll kann Elteste nieht ganz unbekannt gewesen sein, wie seine Angaben zeigen. Aber dab Diedelhuber im Einverstündis mit dem Patron die Küsterei verkauft und einem Bauern vererbt habe, wie bei der Visitation 1545 geklagt worden sei, worauf die Visitation diesen Verkauf rückgängig gemacht habe, klingt bei dem durchaus rechtschaffenen, von Luther aner- kannten, von der Gemeinde belobten Charakter des Mannes nicht sehr glaublich. Es wäre jedenfalls das Protokoll der Visisation nachzusehen. Weiter aber ist die Nachricht, daß er bald naeh 1534 nach Müglenz übergesiedelt sei, im höchsten Grad zweifelhaft. Denn die Neue Sächsische Kirchengalerie Eph. Grimma rechts der Mulde (1916) nennt, wie mir Professor Flemming mitteilte, als ersten evangelischen Pfarrer Egidius Nerlich, der bei der Visitation 1542 als alter Herr und arger Papist erscheint, der aus dem Coran predigte und Besserung gelobte, während fast alle Geistlichen

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des Stifts Wurzen, zu dem Müglenz gehörte, und das bis 1542 unter katholischer Leitung stand (ebd. 211), günstige Zeugnisse erhielten. Die Haltung des Pfarrers Nerlich, der bis 1560 im Amt blieb, ist um so auffallender, als das Rittergut Müglenz von 1519—1589 im Besitz der Familie von Staupitz war. Es ist kaum denkbar, daß vor Nerlich der entschieden evangelische Diedelhuber in Müglenz ge- wesen wäre, der nach allerkürzester Zeit nach Württemberg gegangen wäre. Denn im Mai 1535 ist er dahin unterwegs (ARG. 15, 100 ff.). Wahrscheinlich batte Elteste eine Nach- richt von seiner Anstellung in lllingen vor sich, das ihm anbekannt war, und daß er es mit dem anklingenden, ihm bekannten Namen Müglenz verwechselte.

Wie unsicher die örtliche Kirchengeschichte ist, zeigt der Brief Spalatins an Bugenhagen und die Wittenberger Theologen vom 2. Mai 1544, dessen Original sich an einer ganz unvermuteten Stelle findet, nümlich in dem 4. Band der Sammlung zur Geschichte Ulms von Karl Jüger, dem Verfasser der Mitteilungen zur schwübischen und frünkischen Reformationsgeschichte 1829, der Geschichte Heilbronns in zwei Bänden 1828, Schwäbisches Stüdtewesen des Mittel- alters, (Ulms Verfassungs-, bürgerliches und commerzielles Leben) 1831 und der Brenzbiographie mit I. Hartmann, in zwei Bänden 1840, 42, einem einfachen Landpfarrer. Er lautet im Original:

Reuerendis, Doctiss(im)is et venerabilibus Viris. Do- min(o) Pastori e(t) reliquis Euangelii in Ecc(les)ia Vuite- bergens(i) ministris Patribus, p(re)ceptoribus e(t) amicis in Christo chariss(im)is.

Dei Gratiam et Pacem per Christum. Venit isthuc, R(eueren)di, Doetiss(imi) ac venerabiles viri, Christo- phorus Neyssa, ab Heinrieo Lindena, viro tam bonis l(iter)is, qua(m) nobilitate auita insigni ad parochiam Machernensem vocatus. Rogo igitur vehementer, vt eum examinetis et examinatum bie ordinetis et redeunti ad suos testimonum Ordinationis detis. Spero (e)n(im) ita respon- sur(um), vt haud grauatim sitis ei manus imposituri. Nam mihi tam com(m)ode respondit de su(m)mis doctrinae Ec- e(les)iasticae exploranti, vt idem sperarem isthic apud vos futur(um). Deinde se ita etiam dedit hactenus, vt olim secutus vnu(m) nostror(um) diaconor(um) in expeditione Galliea nostris concionatum adhue ab eo diligatur et adiuuetur. Ad h(ec) mores quoq(ue) et gestus eius sunt eiusmodi, vt merito videatur expectationi amicor(um) responsurus. Quo magis, et vobis co(m)mendatum, et a vobis adiutum cupiam.

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Pro qua benignitate ambo nos habebitis p(er)petuo tam de- uinefos, quam quos deuinctissimos habere decebat. Bene eum v(est)ris omnibus valete.

Datae die VI“ post Misericordia Domini M. D. XLIII Georgius Spalatinus.

(Ulmensia et Varia IV MSS. Nr. 197 fol. 227 Staatsarchiv Stuttgart)

Dieser Christoph Neyssa ist in keinem der Verzeichnisse der Pfarrer von Machern bis jetzt genannt, obwohl er in Buohwalds Ordiniertenbueh S. 38 Nr. 599 erscheint. Denn dort ist zu lesen: Feria Quarta post Erasmi (4. Juni 1544) per dominum D. Pomeranum Christophorus Neyssen von der Mittweide, aus dieser Vniuersitet beruffen gen Machern zum Pfarrambt. Dabei fällt auf, daß dieser Mann, der nur zum Examen und zur Ordination nach Wittenberg geschickt wurde, dort einen ganzen Monat brauchte, bis er seinen Zweok erreichte und dabei als Wittenberger Student be- zeichnet wurde. Noch auffallender ist, daB der von Spalatin so sehr belobte und empfohlene Mann nur ganz kurz in Machern blieb. Denn schon am 19. November bringt das Ordiniertenbueh S. 41 Nr. 648 die Nachricht: Feria Quarta Elisabeth per D. M. Sebastianum Froeschel Jaonnes () Maurer von Aldenberg am gebirg vnter Herzog Moritz, Cantor zu Coldilz, beruffen gein Machern zum Pfarrambt. In Machern war stets ein rascher Wechsel im Pfarramt. Denn der am 27. Juni 1540 ordinierte Vincentius Umblauff von Grimma, vorher Schulmeister in Brandis (Buchwald a. a. O. S.13 Nr. 202), übernahm 1543 die Pfarrei Naunhof. Sein Nachfolger Kilian Scheerbaum aber blieb nur 1543—1544 in Machern. Neyssen ist kein anderer als Christoph Neuß (ARG. 9, 48), der Diakonus in Merseburg, 1545 in Oschatz, 1548 Prediger in Roch- litz war, aber 1547 ein Semester in Leipzig Theologie studierte, wie mir Flemming mitteilt. Ganz neu ist die Nachricht, daß Neuß einen der Altenburger Diakonen, der als Feld- prediger nach Frankreich ging, begleitete und von ihm ge- liebt und gefördert wurde. Nach Flemming war dieser Diakonus Veit Weidener, der die vier Fähnlein Knechte, die der Kur- fürst von Sachsen dem Kaiser zuschickte, nach Frankreich begleitete und bei seiner Verabschiedung am 17. Sept. 1536 das Lob christlicher Lehre und Lebens erhielt (Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation 4, 24, Anm. 1). Weidener kam als Pfarrer nach Schmöllu und starb 1590.

Wirtschaftsethische Entscheidungen Luthers.

(Kauf und Darlehn.) Von Irmgard v. Sehubert.

Motto:

,Ein Christenmensch ist ein freier Herr fiber alle Dinge und niemard untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.*

(„Von der Freiheit eines Ohristenmenschen"*.)

Luther hat sich mehrfach zu Fragen des Wirtschaftslebens geäußert. Zusammenfassend sind seine Ansichten ausge- sprochen im kleinen und großen ,Sermon vom Wucher“ aus den Jahren 1519 und 1520, in der Schrift „Von Kaufs- handlung und Wucher*, 1524, und in der Vermahnung „An die Pfarrherrn wider den Wucher zu predigen“, 1540!) Unter diesen führt die Schrift „Von Kaufshandlung und Wucher“ in den weiteren Kreis volkswirtschaftlicher Er- scheinungen ein. Die Betonung liegt auf der Preisfrage. Eine Umgrenzung, etwa in dem Sinne, wie ein einzelnes Wirtschaftsphänomen zum isolierten Gegenstand kritischer Untersuchung gemacht wird, darf darin nicht gesehen werden. Vielmehr handelt es sich um einen Komplex volkswirt- schaftlicher Elemente, wie sie dem Blick ohne theoretische Abstraktion vorliegen. Das Bild der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen und ihre lebendige Wärme ist erhalten. Es treten neben die Besprechung des Preises im unmittelbaren Kauf und Verkauf die der Forderungen im Großhandel; im Zusammenhang damit wird die Frage des Monopols, der Gesellschaften aufgenommen. Der Preis für Nutzungen, ins- besondere die Vergütungen der Geldnutzungen wird zum Gegenstand ausführlicher Erörterungen. Die Ablehnung der

1) Erlanger Ausgabe, 1829, Bd. 20 S. 89 ff. Großer Sermon vom Wucher; Bd. 20 S. 122 ff. Kleiner Sermon vom Wucher; Bd, 22 S. 199 ff. Von Kaufshandlung und Wucher; Bd. 23 S. 282 ff. An die Pfarrherrn, wider den Wucher zu predigen (= Weimarer Ausg. 6, S. 1 fl., 38 fl.: 15, S. 279 fl.; 51, S. 825 fl.).

Archiv für Reformationsgeschichte. XXI, 1/9. 4

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Darlehens- und Zinsfrage wird ‚ervollständigt durch die beiden Wucher-Sermone und die Vermahnung an die Pfarrherrn.

Sind somit in Kürze Umkreis des Materials und darin als Brennpunkte Preis und Zins angedeutet, so kommt es für die Stellungnahme zu den Schriften zunächst auf eine Vorentscheidung an: Suchen wir den Gehalt an kritischer Erkenntnis der wirtschaftlichen Verhültnisse damit lósen wir uns mehr von der Persönlichkeit ab —, oder geht es uns um die Begründung wirtschaftsethischer Normen durch die eine Persönlichkeit? Dann würde, was sich als Material um „Preis“ und „Zins“ gruppiert, in einem tieferen Sinne sich zusammenschließen zu der Grundfrage des „Gewinnes“. Die Vorentscheidung ist für die Stellungnahme zu den Schriften dadurch wichtig, daß das Urteil verschieden ausfallen mag. ‘Für den ersten Fall müßte das Ziel die richtige Erkenntnis des Wesens der wirtschaftlichen Erscheinung im gegebenen histo- rischen Augenblick, in der Entwicklung sein. Wir wissen, wie Luther in jener Wende von Entwicklungen stand: wurzelhaft mit der Welt des Mittelalters verbanden und wiederum selbständig das Neue schaffend. In seinen wirtschaftlichen Ansichten findet sich solche Bedingheit und Unbedingheit wieder in gebundenen veralteten und in klaren zeitgerechten Anschauungen’).

Es scheint mir eine einfache Forderung der Ehrfurcht,

1) Die Vorentscheidung erhält eine besondere Bedeutung beim Hinblick auf die Behandlung, welche die Schriften in der Literatur z. T. gefunden haben. Hervorgehoben sei die Bearbeitung von Schmoller („Zur Geschichte der nationalökonomischen Ansichten in Deutschland während der Reformations-Periode.^ Tüb. Z. f. d. g. St. Bd. 16 (1860). Er befaßt sich ausführlich mit dem Inhalt der Schriften. Der durchgehende Grundgedanke der Arbeit, sofern davon die Rede sein darf, ist die Herausarbeitung der nationalökonomischen Ansicht als ein Beitrag zur geschichtlichen Erkenntnis der nationalökonomischen Gedankenentwicklung, diese Aufgabe abgeleitet aus der allgemeinen Forderung der historischen Schule, daß die politische Oekonomie in dem geschichtlichen Leben den Fond ihrer Argumeutationen suchen, ihren Resultaten den Charakter geschichtlicher Lösungen beilegen muß. (Knies Polit. Oekonomie! S. 19, zitiert nach Schmoller a. a. O. S. 463). Das ethische Moment wird innerhalb dieses Ráhmens und seiner Ab- zweckung auf theoretische nationalökonomische Erkenntnis unter- geordnet, als ein mitgestaltendes Prinzip, herangezogen. Die öko- nomischen Ansichten werden dargelegt; Wesen und Würde der An- schauung stehen zurück. In der Arbeit von Wiskemann („Dar- stellung der in Deutschland zur Zeit der Reformation herrschenden nationalökonomischen Ansichten“ Leipzig 1861) wird über den Gegen- stand eine ausführliche referierende Darstellung gegeben.

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den kleinen Ausschnitt, welcher dargelegt werden soll, nicht aus dem Rahmen des großen Reformations werkes zu verrücken; das bedeutet für die Betrachtungsweise, die wirtschaftlichen Aeußerungen als Ausdruck der sittlichen Gesamtanschauung zu begreifen.

Für die Würdigung ethischer Anschauungen tritt aber die historische Zeitgebundenbeit, die für wirtschaftliche Tatsachenerkenntnis, für nationalökonomische Ansichten sich als Fehlerquelle bemerkbar machen konnte, zurück. Die Bedeutung liegt jetzt auf dem Ausdruck, den die Per- sönlichkeit und durch sie die sittliche Idee, welcher sie dient, gefunden hat. Abgelöst vom geschichtlichen Stand und Augenblick, aus dem das Werk heraustrat, ist ein Grundgehalt da, der sich den verschiedensten Epochen mit- geteilt hat und mitteilt und verschiedene Prägungen erfährt, Es handelt sich für uns um den Bestand an sittlichen Grundgedanken des Christentums; und zwar um die besondere Beziehung auf das wirtschaftliche Handeln des Menschen.

Damit ist die tberzeitliche Bedeutung aufgezeigt. Die wirtschaftsethischen Entscheidungen erscheinen jetzt als die Gestaltungen einer großen Idee, die in weitem Umfange in voraufgehenden Zeiten ihre Formen gebildet hat und noch heute im lebhaften Kampf um wirtschaftssittliche Grund- fragen wirksam ist.

Eine kurze historische Aufreihung!) soll die hervor- tretenden Prägungen darlegen, um dann Luthers Stellung- nahme als Glied einer großen Kette folgen zu lassen.

1) Das Material wurde entnommen: Franz Xaver Funk: „Ge- schichte des kirchlichen Zinsverbotes", Tüb. 1876, Schilling: „Das Zinsproblem", Tüb. theologische Quartalschrift. 1. Quartalheft 1919. Schaub: „Der Kampf gegen den Zinswucher, ungerechten Preis und unlauteren Handel im Mittelalter", Freiburg 1906, Dopsch: »Wirtschaftsentwicklung der Karolinger“ II, Tübingen 1922. Bücher: „Entstehung der Volkswirtschaft", Tüb. 1919. Schreiber: »Die volkswirtschaftlichen Anschauungen der Scholastiker seit Thomas von Aquin", Beitrüge zur Geschichte der National-Oekonomie, hggb. von Diehl; 1. Heft 1918. Strieder: „Kirche, Staat und Frühkapits- lismus“ in Festschrift Georg v. Hertling zum 70. Geburtstag 1913 dargebracht von der Görresgesellschaft. Sombart: „Der moderne Kapitalismus“ Enzyklopädie der katholischen Theologie und ihrer Hilfswissenschaften; Handw. d. St.; München 1916. Elster, Wörterb. d. Wiss. Ferner wurde von allgemeiner Literatur herangezogen: Ranke, „Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation." Ward, »Luthers Ansichten vom Staat und seinen wirtschaftlichen Aufgaben." Jena 1898, Jordan, „Luthers Staatsauffassung.^ München 19817.

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Der Hinblick auf das Thema, dem die Darstellung dient, führt zu der Begrenzung, daß die sittlichen Anschauungen über ein einzelnes Moment im Wirtschaftsleben, den Gewinn, herausgehoben werden. Zwei große Auseinandersetzungen solcher Art treten geschichtlich hervor: das Zinsverbot und die Lehre vom „justum pretium".

Die Anschauung, welche sich im Zinsverbot ae gründet sich unmittelbar auf die Schrift (u. a. Deut. 23, 2 Ps. 14, 5, Luc. 6, 34/35, Matth, 5, 48) und stellt eich in Gegensatz zu einer "Wirtschaftsnnffassung, die, wie die römische, grundsätzlich den Gewinn aus einer Geldleibe billigt. Di Nächstenliebe erkennt im Darlehn eine Hilfeleistung an den. Bruder in Christo, der des bedarf. AuBerchristliche Elemente werden dann als Erweis gegen den Zins hinzugenommen: die Ungerechtigkeit aus dem Sachverhalt, daß mehr empfangen als hingegeben wird, und die Ungerechtigkeit aus der Un- fruchtbarkeit des Geldes im Sinn der aristotelischen Lehre. Durchaus im Vordergrund steht der christliche Gedanke.

Für die spätantike Stellung im Wirtschaftsleben ist charak- teristisch, daß ein konstantinisches Gesetz den üblichen ZinsfuB ausdrücklich anerkannte, während fast gleichzeitig die öku- menische Synode zu Nieaea das Zinsverbot verktindete.!) Die Folgezeit stand unter solcher Zwiespältigkeit.

Die staatliche Reception geschieht im fränkisch-germani- schen Reich unter Karl dem Großen, indem die staatliche Gesetzgebung ihren Geist von der Idee des obersten Ver- treters der Christenheit empfing. Das Verbot, auf Zinsen zu leihen, wird in die Capitularien aufgenommen und wendet sich „an alle“.?) Die Bedeutung des Zinsverbots ist damit eine neue und gruße geworden. Die Möglichkeit seiner praktischen Durchführung ist erkannt und dem vorherrschend natural- wirtschaltlichen und daher auf Geldleihe wenig angewiesenen Leben eine entscheidende wirtschaftssittliche Forderung ein- gefügt. In der Tat handelt es sich hauptsächlich um Dar- leben, die unmittelbar oder abgeleitet die Kousumtion unter-

Eck, Einleitung zu „Von K. u. W.“ in Luthers Werke. Volksaus- gabe, VII. Berlin 1898. Rau, „Bemerkungen über die Volkswirt- schaftslehre und ihr Verhältnis zur Sittenlebre.“ Z. f. d. g. St. Bd. 26. Roscher, „System der Volkswirtschaft.“ I. (24. Aufl.) Endemann, „Die national- ökonomischen Grundsätze der kanunistischen Lehre.“ Hildesh, Jahrb. 1868.

1) F. I. Funk, „Geschichte des kirchlichen Zinsverbotes“ S. 9.

3)... omnibus interdictum est ad usuram aliquid dare“ in der „Admonitio generalis^ von 7.9. (Mon. Germ. capit. reg. Franc. I. 54.)

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stützen sollen. Der Geist des Zinsverbotes als einer Forderung der Nächstenliebe entspricht den ökonomischen Verhältnissen.

Mit der Entwicklung zur Geldwirtschaft geht diese Einbeit wieder verloren. Sie stellt sich neu her, indem wirt- schaftsetbisch entscheidend die allgemeine Preisgerechtigkeit in den Mittelpunkt tritt: die Forderung des „justum pretium" im weitesten Sinne, die das Zinsverbot absorbiert. Die Lehre wird theoretisch durchgebildet bei den Scholastikern und wird zugleich im Wirtschaftsleben zur Darstellung gebracht im Zunftwesen.

Die hervorragende theoretische Ausprägung ist von Thomas von Aquino gegeben. Der bezeichnende Unterschied zu dem Geist, der sich in der früheren Zinsgesetzgebung niedergeschlagen hat, ist wohl der, den Schaub!) charakteri- siert als den Kampf gegen „die habsüchtige und lieblose Ungerechtigkeit“, während zuvor „die ungerechte Habsucht und Lieblosigkeit“ bekämpft worden war. Der biblisch- christliche Gedanke der Nächstenliebe tritt für die wirtschafts- ethische Auffassung an Bedeutung zurück gegen die Idee der Gerechtigkeit. Die kirchlich-cbristliche Verankerung der Anschauung liegt darin, daß die natürliche Ordnung, in welcher die Gerechtigkeit verwirklicht wird, auf göttliche Vorsehung zurückgeführt und in diesem Sinne von der Kirche sanktioniert wird. Zwei Grundtatsachen werden aufgezeigt: einmal, daß der Mensch nicht nur als Einzelwesen besteht, sondern zugleich seinen gesellschaftlichen Charakter hat, einer Gemeinschaft zugehört; daneben, daß das Gut Eigen- tum des einzelnen ist und zugleich nach seinem wirtschaftlichen Zweck zum Gebrauch für alle bestimmt ist. Daraus bildet sich die gesellschaftliche Forderung der Standesgemäßheit und die ökonomische Notwendigkeit des Tausches. ludem nun dem einzelnen ein Einkommen nach seiner Bedeutung innerhalb der Gemeinschaft zuerkannt wird und im Kreise der Tauschbeziehungen Wertgleichheit Wiedervergeltung von Arbeit und Kosten gefordert, wird die Idee der Ge- rechtigkeit zur Darstellung gebracht.

Der Theorie steht im Wirtschaftsleben die Herausbildung des Zunftwesens gegenüber mit dem ldeal vom christlichen Handel und Wandel in der Gemeinschaft. Der „ehrenbafte Erwerb“ ) ist der wirtschaftliche Zentralbegriff, der Gedanke eines gerechten Lohnes geht dem des „justum pretium" parallel. Dem „Bestreben, die in der Zunft vereinigten Hand- werker unter sieh müglichst gleich zu halten in bezug auf

1) a. a. O. S. 71. ) Sombart aa II. O. S. 36 ff.

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Erwerbsbedingungen, Leistungen und Gewinn“!), verbindet sich die Vorstellung dessen, was „gerecht“ ist. Der Verkäufer soll seine „ziemliche Nahrung“ haben. Dem Produzenten- schutz entspricht der Schutz des Konsumenten: die Güte der Ware soll gewährleistet sein, dem Preise die Arbeit ent- sprechen. Die Frage des Gewinnes ist nicht Frage des erwerbenden wirtschaftlichen Eigennutzes, sondern die Er- wägung des nach Stand und Leistung Verdienten, Es handelt sich um Herausstellung eines Gleichgewichts, um die „aequa- litas rei ad rem“.

Mit dem Zurticktreten der Gesinnungsverpflichtung hinter der sachlichen Aequivalenzverpflichtung ist für Theorie und Praxis der Raum gegeben, Zinsgeschäfte in dem Umfang auf- zunehmen, als sie unter die Tauschgerechtigkeit gebracht werden können. „Genau wie bei Kauf und Verkauf gilt also auch hier das Prinzip der Aequivalenz^*) Von der Theorie werden die Zinstitel ausgebildet, in der Praxis nehmen rechtlich anerkannte zinstragende Darlehensgeschäfte an Bedeutung und Gebräuchlichkeit zu.

Dabei ändert sich im Lauf der Zeit Stellung und Aus- druck dieser wirtschaftlichen Verkehrsformen. Nur mehr mit einiger Künstlichkeit werden sie von der Theorie unter dem Grundsatz des Zinsverbots erhalten. Ihre Stellung wird mehr und mehr durch den Dienst in großen Handelsunter- nehmungen bestimmt, sonderlich durch die Inanspruchnahme für den Ueberseehandel, der dem Entdeckungszeitalter folgte. Ihren Ausdruck erhalten sie von dem Geist, der in den Unter- nehmungen wirksam ist, dem Geist des Frühkapitalismus. Die Freude am Gewinn ist eine treibende Kraft, hinter welcher der Gedanke des „justum pretium“ verblaßt. Das Verant- wortungsbewußtsein für das wirtschaftliche Handeln, das bisher Gesetz und Ausrichtung an der Entscheidung kirch- licher oder weltlicher Obrigkeit gefunden hatte, ist innerlich davon gelöst, in dem Maße, als Papst und Geistlichkeit, Kaiser und Fürsten und Städte dem gleichen kapitalistischen Geiste dienen.

In welchem Sinne Luther in diese Entwicklung hinein Beine wirtschaftsethischen Entscheidungen gab, veranschaulicht ein Wort aus Huttens Dialog „Die Räuber“, wo er dem Kaufmann, als dem Typus des neuen Geistes zuruft: „Fürs erste kommt euer ganzes Treiben aus einer schlechten Quelle“. Es ging tatsächlich nicbt mehr um die Form,

1) v. Inama-Sternegg: „Deutsche Wirtschaftsgeschichte.“ 9, II. S. 75. N) Schilling a. a. O. S. 118,

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sondern um die ethische Grundauffassung, von welcher die Form bestimmt wurde. „Wir wollen bie vom Mißbrauch und Sunden des Kaufhandels reden, so viel es das Gewissen betrifft.“ ) So faßt Luther das Thema. Er begreift darunter den ganzen Kreis, der ihm dem Gesichtspunkt des Gewinnes untergeordnet erscheint, in Hauptabschnitten: die Handlung des Kaufs, den Großhandel, das Darlehn.

Voraufgeschickt wird der Besprechung des Kaufs das Wort: „Das kann man aber nicht leugen, daß Käufen und Verkäufen ein notig Ding ist, deß man nicht entbehren, und wohl christlich brauchen kann, sonderlich in den Dingen, die zur Not und Ehren dienen“ ). Entscheidung und Ziel- setzung: die wirtschaftliche Erscheinung des Kaufs ist nicht nur gegeben und in ihrer Notwendigkeit anerkannt natürliche Kategorie sondern sie wird unmittelbar in den Kreis christlicher Verpflichtung einbezogen. Die Güter sind „Gotts Gaben, die er unter die Menschen theilet“.

Der mittelalterliche Gegensatz der Natur- und Gnaden- sphäre, die Verneinung der weltlichen Güter im Reich der Gnade, ist aufgehoben. Aufgabe ist, die Kaufshandlung nach christlicher Sittlichkeit zu begründen, abzugrenzen, darzu- legen. Kaufen und Verkaufen findet also statt, nicht nur als notwendiges Uebel, sondern als eine natürliche und sitt- liche Betätigung des Menschen nach seiner eigenen selb- ständigen Verantwortlichkeit. Der Christ läßt die Güter der „Not“ und der „Ehre dienen.“ Das heißt, einmal sieht er Kauf-Notwendigkeit und -Brauch durch den natürlichen Be- darf des Menschen an den Gaben, die Gott austeilt, bestimmt; andererseits aber auch von der Person her, die Glied eines Ganzen ist. Dies Ganze ist eine in sich organisch gegliederte und weise gefügte Gemeinschaft, in der auch der materielle Anspruch des einzelnen „nach der Person Ungleichheit un- gleich sein muß“. Unter solcher doppelten Bestimmung steht die Güterversorgung.

So ist im Sinne von Bedürfen und Standesgemäßheit das Kaufen und Verkaufen dienstbar dem christlichen Leben eingefügt. Es gilt die Träger der Einrichtung auf deren sittlichen Charakter zu verpflichten. Für den Käufer ist die

» E iren W.A.1 d Y E. A. 22 3.201. W. A. 15 8. 2

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Forderung unmittelbar aus dem Wesen des christlichen Kaufs klar. Er soll die Deckung des Nötigen und ihm nach Standesgemäßheit Ziemlichen suchen, keinem Luxus und nicht der Hoffart dienen. Im Luxus wird von der religiösen Über- zeugung aus die Gesinnung bekämpft, die das Schätzesammeln auf Erden in den Mittelpunkt stell. Wo unter ethischem Gesichtspunkt die Grenze zum Luxus zu ziehen sei, bleibt der Abwägung zwischen Freude und Genuß an den Gütern als göttlichen Gaben und dem Genießen von Pracht und Ueberfluß anheimgegeben. Die Anschauung ruht auf der Timotheusstelle (I, 6, 7/8): „Denn wir haben nichts in die Welt gebracht; darum offenbar ist, wir werden auch nichts hinausbringen. Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, 80 lasset uns genügen.“ Nicht im Sinne asketischer Welt- abgewandtheit, sondern einer feinen Abschätzung des Ge- wissens, was uns nötig und zuständig ist. Ueberall, wo der Luxus in die Sphären anderer eingreift, soziale und wirtschaftliche Schäden hervorruft, ganz allgemein durch nachteilige Wirkungen offenbar wird, stellt er sich direkt in seiner sittlichen Unzulänglichkeit dar und muß bekämpft werden.

Der Käuferseite steht der Verkäufer gegenüber mit seinem Anspruch auf Erträgnis aus seiner Tätigkeit nach dem Sehriftwort: „Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert“ und auf seine ,ziemliche Nahrung^ als dienendes Glied des Ganzen. Das Verhältnis zum Käufer ist dargelegt als Nächstendienst: „weil solch dein Verkäufen ein Werk ist, das du gegen deinem Nächsten ubest, soll es mit solchem Gesetz und Gewissen verfasset sein, daß du es ubest ohn Schaden und Nachteil deines Nächsten“.?)

Der von der persönlichen Gesamtauffassung her be- stimmten Grundanschauung vom Kauf steht die Praxis des täglichen Lebens gegenüber. In ihr gilt eine übliche Kauf- mannsregel, nämlich, die Ware nach Möglichkeit teuer zu verkaufen. Das ist der Kernpunkt des Kampfes: Entscheidung um die Regel, die das Handeln normiert. Ist soeben das Kaufgeschäft nach seinem christlich-sittlichen Charakter hin begründet, so wird es sich nun um eine Abgrenzung nach der Auffassung hin handeln, die in der Erreichung des größten individuellen Wirtschaftserfolges die Bedeutung der Handlung sieht. Die Frage geht um die bestimmende Gesinnung: entscheidet das Bestreben des größtmöglichen Gewinnes oder der Dienst an der Person des Nächsten?

) E. A. 22 S. 203. W. A. 15 S. 295.

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Das Wirtschaftsleben der Zeit zeigt ein Nebeneinander von drückender Preissteigerung und großen Handelsgewinnen. Die Gewinnfrage steht im Mittelpunkt des Interesses. Schon der Ausgang des 15. Jahrhunderts hatte ein kurzes An- schwellen der Getreidepreise gebracht. Merkliche und lang anhaltende Preissteigerungen setzten nach dem ersten Jahr- zehnt des neuen Jahrhunderts ein?) Die Bewegungen, in Zusammenhang gestellt mit der starken Zunahme der Edel- metallproduktion und folgender Geldentwertung, sind daneben von anderen Veränderungen und Verschiebungun nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf sozialem und poli- tischem Gebiet beeinflußt und wirken ihrerseits auf diese Kreise zurück?) Aus der Kette der Erscheinungen tritt für uns ein Glied heraus: das Ausgenutztwerden der Preissteige- rung und die Stellung des Verantwortungsgefühls, wo es sich um die Gewinnfrage handelt. Die Handhabung eines Kanf- handels, die grundsätzlich nur auf den persönlichen Erfolg im Gewinn abgezweckt ist, trägt kein sittliches Gesetz in sich, das dem sozialen Charakter der Handlung Rechnung trägt, ihn gewährleistet. Es fehlt die unbedingte sittliche Verpflichtung dem Käufer gegenüber. Damit ist aber die Möglichkeit aufgetan, ihn auszunutzen, sowie er auf die Ware angewiesen ist, ja gegebenenfalls seine Notlage zu eigenem Gewinn auszubeuten. Wenngleich solche und ähnliche wirt-

1) Preise bei G. Wiebe: „Zur Geschichte der Preisrevolution des 16. und 17. Jahrhunderts (Staats- und sozialwissenschaftliche Bei- träge, hrsg. v. A. v. Mikowski IT, 2) 1885 und Helferich: „Württem- bergische Getreide - und Weinpreise von 1456—1628“. Z. f. St, XIV. Tüb. 1858, Sommerlad: Handb. d. Staatew..s. v. Preis (Mittelalter).

N Die Erklärungen über die Preisrevolution sind mannigfach, Als Kernpunkt des Prozesses stellt Wiebe dem sich die Darstellung angeschlossen hat heraus, daß eine starke Geldvermehrung und „höchst wahrscheinlich“ dadurch verursacht eine Geldentwertung statt- gefunden habe. Die indirekte Wirkung der Geldvermehrung auf die Preise sieht er darin, „ob dieselbe eine Nachfrage hervorruft. Die Art, Größe, Intensität dieser Nachfrage hängt wiederum im wesent- lichen davon ab, wer die Besitzer dieses neu hinzugekommenen Geldes sind“. (a. a. O. S. 818). Soziale und politische Elemente greifen mit den wirtschaftlichen ineinander: Neben einer Beeinflussung durch Geld- vermehrung stehen die „nie aufhörenden Veränderungen in der Pro- duktion, Konsumtion und im Handel, ferner in der sozialen Gliederung“. Durch diese Bewegungen werden nun bei den Preisen „bei den einen die Tendenz zum Steigen noch vermehrt, bei den andern derselben entgegengewirkt, sie vielleicht neutralisiert oder sogar unwirksam gemacht“ (a. a. O. S. 821.)

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schaftliche Handlungen ein Ansehen wahren, das den rück- sichtslosen Gewinngesichtspunkt zurücktreten läßt, so ist vor dem Gewissen doch nach dem Geist zu scheiden, nach der „Quelle“, aus der das „Treiben“ kommt. Die wirtschafts- egoistische Einstellung des Individuums wird abgelehnt. Dem gegenüber sind nun die positiven Forderungen der andern Seite zu bestimmen, die sich unmittelbar aus der Beziehung der Grundanschauung auf die Praxis ergeben. Das „Ich mag meine Waar so teur geben, als ich kann“ wird zu einem „Ich mag meine Waar so teur geben, als ich soll“.!) Formal ist das „soll“ bestimmt. Die inhaltliche Ausführung bildet die praktische Preisforderung. Drei Regeln werden gefunden, die „das Recht und die Billligkeit*, wie sie das „soll“ fordert, für sich in Anspruch nehmen dürfen. Erstlich: der Preis soll von der Obrigkeit bestimmt werden, indem sie ,vernnnftige, redliche Leute setzte und verordnete, die allerlei Waar tiberschlugen mit ihrer Koste, und setzten darnach das Maß und Ziel, was sie gelten sollt, daß der aufmann kunnt zukommen, und seine ziemliche Nahrung davon haben“.“) Die Regel trägt für die Frage jener Zeit nach einer Stellungnahme in der Gewinn- und Preissache nichts Förderndes bei. Sie setzt einen Einfluß der Obrigkeit voraus, wie er kaum mehr bestand und sonderlich nicht bestand auf die, welche erfaßt werden sollten. Der Geist des freien Gewinnes stand außerhalb der Einflußsphäre des alten Zunftstaates. Eine praktische Durchführung wird von Luther selbst ernstlich nicht mehr erwartet. Er sieht im Verfall den hindernden Grund: „Wir Deutschen haben mehr zu thun, zu trinken und zu tanzen, daß wir solche Regiments und Ordnung nicht kunnten gewarten“. 1) Anders die zweite Regel, „daß man die Waar lasse gelten, wie sie der gemein Markt gibt und nimpt, oder wie Lands Gewohnheit ist.““) Es wird mit einem natürlichen Ausgleich innerhalb des wirt- schaftlichen Ablaufs gerechnet: hohe Gewinne nach eigenem Gefallen sind deswegen nicht recht möglich, weil mit dem Anschluß au einen allgemeinen Marktpreis eine Nivellierüng gegeben ist und die Notwendigkeit, hie und da eine Ware mit Verlust zu verkaufen. Auf der dritten Regel ruht der Nachdruck; sie bringt die eigentliche Bildung des Preises im einzelnen Falle. Der sittliche Grund ist gelegt in der Verantwortung dem Gewissen, dem Nächsten, der Gemein- schaft gegenüber. Innerhalb dieser Verpflichtungssphäre handelt es sich um die Veranschlagung der einzelnen Elemente.

3) 99 S. 202 u. 203. W. A. 15 8. 294f. 9) 22 8,204. W. A. 16 S, 996.

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„Darumb mußt du dir fursetzen, nichts denn deine ziemliche Nahrunge zu suchen zu solchem Handel, darnach Kost, Muhe, Arbeit und Fahr rechen und uberschlahen, und also denn die Waar selbst setzen, steigern oder niedern, daß du soloher Arbeit und Muhe Lohn davon habest.“!) Die Kostengröße wird ihrerseits von verschiedenen Faktoren bestimmt, die sich als wechselnde Einkaufspreise und schwankende Transportkosten zusammenfassen lassen. Nach Inhalt und Eigenschaft be- stimmen sie den Preis. Einmal gehen sie ihrer Größe nach als Bestandteile in den Preis über. Andererseits bestimmen sie qualitativ das Wesen des Preises mit: es wird in der Preisentscheidung das Moment der Unsicherheit, der unvor- hergesehenen Unkosten geltend gemacht. Auf diese Weise ist der individuelle Charakter von Ware und Kaufgeschäft gewürdigt und die Folgerung gezogen, daB nicht jede Ware „gesetzt“ werden kann, soll der Preis der Forderung ge- rechter Billigkeit genügen. Es tritt zu den Kosten die Arbeit. Sie wird in ihrer zahlenmüBigen Schätzung als „Lohn“ im Preise veranschlagt. „Wie hoch aber dein Lohn zu schätzen sei, den du an solchem Handel und Arbeit gewinnen sollt, kannst du nicht besser rechen und abnehmen, denn daß du die Zeit und Größe der Arbeit uberschlahest, und nehmest ein Gleichnis von eim gemeinen Taglohner, der sonst etwa arbeitet, und siehest, was derselb einen Tag verdienet; darnach rechene, wieviel Tage du an der Waare zu holen und zu erwerben dich gemuhet, und wie große Arbeit und Fahr darinnen gestanden habst: denn große Arbeit und viel Zeit soll auch deste größern und mehr Lohn haben. Nüher und besser und gewisser kann man in dieser Sachen nicht reden noch lehren“.?)

So ist der zugrunde liegende Gedanke, daB der Preis der Lohn des gerechten Arbeiters sein soll, in seiner prak- tischen Verwirklichung bestimmt.

Es bleibt übrig, mögliche Fehlerquellen der Bestimmung zu berücksichtigen. Eine Schwierigkeit ist klar. Die freie Schätzung des einzelnen von Arbeit und Risiko in der ob- erwähnten Weise trägt in weitem Sinne die Gefahr einer ungenauen Bewertung in sich. Die Frage wird praktisch zumeist dadurch aufgelöst werden, daß im Laufe der Ge- schäftsführung ein natürlicher Ausgleich zwischen Ueber- und Unterbewertungen eintritt. Die Hauptfrage ist jedoch die, „soviel es das Gewissen betrifft“. Für den ethischen Sinn bleibt Eindeutigkeit; er wird nicht berührt von einem

1) 29 8. 204/05. W. A. 15 S. 996. 5) 92 8. 206. W. A. 15 S. 297.

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unzulänglichen Erfolg. Vielmehr wird solcher Fehler mit der Einsicht in die Unvollkommenheit der menschlichen Natur und vom entschlossenen Trachten nach dem Guten überwunden. Und schließlich im Gebet „Vergib uns unsere Schuld“. Die eigentliche sittliche Entscheidung liegt vor dem allem und begrtindet erst diesen Bestand. In ihr liegt die be- sondere, tiber die eigene Zeit hinausführende Bedeutung: nümlich daB sie die freie Initiative des Individuums einsetzt; daß weiterhin für den Menschen, auch wenn er von staatlicher oder kirchlicher Obrigkeit durch Gesetz und Gebot in der Normierung seines wirtschaftlichen Handelns nicht gebunden wird, eine bindende Norm gegeben ist in der freien Unterstellung der Persönlichkeit unter das Evangelium.

Die Weite der Auffassung und die Möglichkeit und Be- deutung ihrer Anwendung knüpft sich au den religiös- ethischen Sinn, in welchem die „Initiative des Individuums“ wurzelt. Sie tritt heraus unmittelbar aus dem persönlichen Verhältnis zu Gott und der „Ausströmung dieser Gottesliebe auf den Nächsten“. Freiheit und Bindung ist damit gegeben. Das wirtschaftliche Handeln wird zu „Mittel und Aeußerungs- weise der christlichen Nächstenliebe“, indem es in diesem Sinn die „naturgegebenen Anlässe und Lebens voraussetzungen“ !) formt. In diesem letzten Punkt des gegebenen Objekts sind die Schwierigkeiten angedeutet, mit welchen es die ökono- mische Auseinandersetzung zu tun hat. Die Spannung zwischen Objekt und Subjekt entsteht.

Die wirtschaftliche Möglichkeit der sittlichen Forderung Luthers wird also darin bestehen, daß die ökonomischen Elemente bei geschichtlich gegebenem Charakter geeignet sind, als Formen eines Nächstendienstes verinnerlicht zu werden.

Das Glied des Wirtschaftslebens, auf das bisher Bezug genommen wurde, war die Handlung des Kaufs. Sie wurde als Notwendigkeit erkannt und unmittelbar für den Ver- pflichtungskreis christlicher Sittlichkeit in Anspruch ge- nommen. Dabei war nach der einen Seite die gliedhafte Zugehörigkeit zu einem Ganzen, nach der andern die Beziehung zum Nächsten ausschlaggebend; beides begründet und be- stimmt von der evangelischen Entscheidung des Gewissens. In gleichem Sinn wird zu den Fragen, die an die wirtschaft- liche Erscheinung des großen Handels anschließen, Stellung genommen. In gleichem Sinn, d. h. bei aller Abneigung

1) Troeltsch: „Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen“. Tüb. 1919, S. 528

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gegen den Handel, die auf den ersten Blick hervortritt, ist von keiner grundsätzlichen Ablehnung zu reden, In dem Maße, als er sich der Verpflichtung auf das Ganze und auf den Nächsten verbindet, ist der Großhandel dienendes Glied wie der Austausch des kleinen Marktes auch. Die Stellung der Träger der Handlung zueinander ist in ihrem sittlichen Charakter die gleiche. Ein Neues kommt nur insofern hinzu, als das „Ganze“ seine Ergänzung erfährt. Wir sahen es bisher als einen lebendigen Zusammenhang, in dem der ein- zelne mit seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, mit seiner Arbeit Glied ist, wo jedes Glied nach seiner Art Aufgabe und An- spruch hat; tiber solcher Gesellschaft von Menschen eine Obrigkeit, gerechten Handel und Wandel zu wahren und zu erwirken, die Ordnung angesehen als eine natürlich-göttliche. Mit der Frage des groDen, internationalen Handels wird der Rahmen erweitert. Neben dem Bild des Zunftstaates taucht der Weltmarkt auf. Das „Ganze“ steht zusammengeschlossen nach außen hin als die Nation, als eine Nation unter andern. Die Verpflichtung des einzelnen auf das Ganze bestimmt für den Großhandel, daß der Kaufmann nicht durch eigennützige Verfolgung seines Gewinninteresses die Nation an Leben, Gesundheit, Reichtum oder Ansehen schädigen darf. Besondere Bedeutung bekommt unter diesem Gesichtspunkt der Luxus- handel in ausländischen Waren. Die Wirkung auf die Handels- bilanz und moralische Wirkungen werden hervorgehoben. Für das Interesse der Nation sollen „Regiment und Fürsten“ eintreten und es dem einzelnen gegenüber geltend machen. Wer sich der sittlichen Verpflichtung des Kaufmanns der Nation gegentiber entzieht, stellt sich unter den weltlichen Zwang. Es wäre an dieser Stelle wohl naheliegend, dem handelspolitischen Sinn nachzugehen und die Aeußerungenu über dies Thema in den Rahmen der Zeit zu stellen. Es ist aber die wirtschaftspolitische Seite für Luther nicht 80 sehr der Gegenstand seiner Betrachtung, als daß er Anlaß nimmt, die Berufenen darauf hinzuweisen. Die ganze Kraft und Aufgabe seiner Persönlichkeit sammelt sich auch hier in dem ethischen Ausdruck. Wie lebhaft er daneben die Dinge erfaßte, zeigt eine charakteristische wirtschaftspolitische Aeußerung: „Gott hat uns Deutschen dahin geschleudert, daß wir unser Gold und Silber mussen in frembde Länder stoßen, alle Welt reich machen, und selbst Bettler bleiben. Engelland sollt wohl weniger Golds haben, wenn Deutsch- land ihm sein Tuch ließe, und der König von Portugal sollt auch weniger haben, wenn wir ihm seine Wurze ließen. Rechen du, wie viel Gelds eine Messe zu Frankfurt aus deutschem Land gefuhrt wird, ohn Not und Ursache, so wirst

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du dich wundern, wie es zugehe, daß noch ein Heller in deutschen Landen sei. Frankfurt ist das Silber- und Gold. loch, dadurch aus deutschem Land fleußt, was nur quillet und wächst, gemunzt oder geschlagen wird bei uns. Wäre das Loch zugestopft, so durft man itzt der Klage nicht horen, wie allenthalben eitel Schuld und kein Geld, alle Land und Städte mit Zinsen beschweret und ausgewuchert sind. Aber laß gehen, es will doch also gehen, wir Deutschen mussen Deutschen bleiben, wir lassen nicht ab, wir mussen denn. Wir wollen hie vom Mißbrauch und Sunden des Kaufhandels reden, so viel es das Gewissen betrifft. Wie es des Beutels Schaden trifft, lassen wir Fursten und Herren für sorgen, daß sie ihr Pflicht daran ausrichten".!) Mit dem letzten sind wir wieder auf den alten Boden der Betrachtung gestellt.

Die grundsätzliche Entscheidung des Gewissens ist charakterisiert. Es steht die Praxis des Wirtschaftslebens gegenüber, mit der sie sich auseinandersetzen wird.

Mit der Anklage der Kaufleute, „daß unter ihrem Handel manch böser Griff und schädliche Finanze im Brauch sind“,) schließt sich Luther einer damals stark verbreiteten Ver- düchtigung des GroBhandels an. Tatsächlich war hiermit nur ein geringes, aber greifbares Glied aus der Verkettung verschiedenster Wirtschaftserscheinungen, auf die bei der Preisbesprechung hingedeutet worden ist, herausgegriffen. Wenngleich das allgemeine Zurlastlegen der Teuerung die „Gesellschaften“ ganz zu Unrecht traf, so bleibt doch der Bestand, daß in einer Zeit der größten wirtschaftlichen Ver- schiebungen die Unsicherheit in den Preisen von jeder Speku- lation stark ausgentitzt wird und der Großhandel seinen guten Teil daran nehmen mochte. Ungünstig war ihm in der öffentlichen Meinung die Untbersehbarkeit und Un- kontrollierbarkeit seiner großen dimensionalen Verhältnisse; dazu das für damalige Zeit ungewöhnliche wie unerklärliche Zusammenströmen des Geldes, der großen Gewinne in den Händen der einzelnen Großhandelsunternehmungen, die Macht- stellung des Geldes in der Politik, die Beherrschung des Marktes, die Luxus- und Prachtentwicklung der großen Häuser. Einen Ausdruck fand die Stimmung in dem eifrigen Betreiben der am Handel unbeteiligten Stände, das Reichs- regiment zu gesetzlichen Gegenmaßregeln zu veranlassen.“)

y E. A. 22 8. 201/02. W.A.15 S. 994.

E. A. 92 8. 200. W. A. 15 S. 298.

*) Den Niederschlag des Kampfes gegen den „Fürkauff“ in Ge- setzen und Rechten untersucht eine Heidelberger jurist. Dissertation:

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Es war den Ständen gelungen, in den Cölner Reichsabschied von 1512 einige Paragraphen gegen den preissteigernden ,Fürkauff* der Gesellschaften zu bringen und die Macht- erteilung an Obrigkeiten bzw. „Kaiserlichen Fiscal“, gegen zuwiderhandelnde „Monopolia“ vorzugehen’). Kurz vor Er- scheinen der Lutherschen Schrift brachten die Nürnberger Reichstage von 1521— 24 die Enttäuschung, daß keine scharfen Maßregeln in diesen Sachen ergriffen wurden. Und im Hin- weis auf die Eingangsstelle bei Luther: „bin ich doch er- mahnt und gebeten, solche Finanze zu rühren und etliche an den Tag zu bringen, ob je der Haufe nicht recht wolle“) meint Albrecht in der Einleitung der Weimarer Ausgabe: „Im Zusammenhange mit den Enttäuschungen, welche in dieser Angelegenheit der Gang der neuen Reichstagsverhandlungen mit sich brachte, werden vermutlich jene von Luther er- wähnten Bitten an ihn ergangen sein, daß er zu der Frage öffentlich sich äußern möge“). Was Luther an Beschwerden über die Monopolia vorbringt, tritt sachlich in engsten Zusammenhang mit dem, was in Gutachten, sonderlich im ,Ratschlag des kleinen Ausschusses tiber die Monopolien ...* $) dem Reichstag vorgelegen hatte. Dem mangelhaften Erfolg der Bemühungen entsprach die gegensätzliche Stellung des Kaisers Karl, dessen Interessen sich von vornherein mit denen des Großhandels verbunden hatten. In der Frage der Gesell- schaften und ihrer Geldpolitik fanden die Dinge, die bis dahin in langem Entwicklungsprozeß sich vorbereitet hatten, eine Öffentliche Entscheidung und Dokumentierung in einem Mandat Karls V., in welchem er sich zu der Anti-Monopol- bewegung der Reichstage in direkten Gegensatz stellt’). „Zum

Heinrich Crebert „Der Für- und Aufkauf“, 1916. Bedeutsam für den Verlauf der Streitigkeiten ist die Stellung der Städte „Die stadt- rechtlichen Bestimmungen enthalten keinen einzigen Hinweis auf das Treiben der großen Handelsgesellschaften. Der Grund ist nahe- liegend; denn in den Städten, die Sitz solcher Handelsgesellschaften waren ...., hatten die reichen Kaufherrn das Stadtregiment entweder tatsächlich oder indirekt durch die Macht ihres Geldes in Händen, vermochten also den Erlaß ihnen ungünstiger Bestimmungen zu ver- bindern.^ 8.28.

1) „Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede“ hrsg. v. Koch, Frkfurt 1747. II. S. 186 f., 144 f., 259 f.

) E. A. 22 3.200. W. A. 15 S. 298.

) W. A. 15 S. 281.

*) Dezember 1522/Januar 1528, „Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V.“. III, Gotha 1901. S. 571 ff.

5 Strieder a. a, O. S. 580.

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erstenmal ist hier öffentlich von seiten der höchsten staat- lichen Gewalt der Grundsatz durchbrochen, der die mittel- alterliche Wirtschaftspolitik beherrscht hatte: die Forderung des gerechten Preises, des alten pretium justum, ist vom Kaiser wenn auch nur für eine bestimmte Produktions- sphäre fallen gelassen worden. Den Monopolinhabern für Bergbauprodukte wird ausdrücklich das Recht zugestanden, ihre Erze und Metalle zu dem höchsten Preise zu verkaufen, den ste erhalten können. „Zum höchsten Preise nach ihrem Gefallen“, heißt es in dem kaiserlichen Erlaß.

Eben zu der Handhabung des Handels, die äuf Grund der Machtstellung auf dem Markte, auf Grund von Monopol den höchsten möglichen Preis zu erzielen sucht, nimmt Luther Stellung. Die Monopole werden in ihrer Beschaffenheit aufgeführt und natürliches und künstliches Monopol unter- schieden. Das natürliche ist damit gegeben, „daß desselbigen Gutes keins mehr im Lande ist, oder in kurz keins mehr kommen wird“.) Das künstliche wird auf zweierlei Weise geschaffen: entweder durch Anfkaufen, „daß sie allein solch Gut ganz und gar in ihrer Gewalt haben“ oder durch Unter- bieten, „daß die andern nicht mugen zukommen und zwingen sie damit dahin, daß sie entweder nicht müssen feilhaben, oder mit ihrem Verderben so wohlfeil geben, als jene*.?) Das große Handelskapital ist überlegen der übrigen Kauf- mannschaft und ntitzt solche Machtstellung aus, überlegen auch dem einzelnen schwächeren oder bedrüngten Kaufmann im Geschüftsverkehr mit ihm. Neben Reichtum und Erfolg auf der einen Seite bestehen in der Zeit wirtschaftlicher und sozialer Verschiebungen auf der andern Seite mannigfache Notlagen Einzelner oder auch eines ganzen Standes.

Es sind also die Fälle häufig, wo einer in beherrschendem Besitze von Waren ist, die der andere kaufen muß, unter Umständen in ungünstiger Lage. Eine künstliche Herbei- führung derartiger Verhältnisse muß nachteilig erscheinen. Doch liegt der wesentliche, für die sittliche Stellungnahme entscheidende Punkt tiefer. Die wirtschaftliche Handlungs- weise ist darauf gerichtet, die außergewöhnliche Marktlage durch Ueberlegenheit zu höchster Gewinnerzielung auszu- nützen auf Kosten eines Schwächeren und oft dadurch in der Folge Unterliegenden. Hier liegt der Einspruch. Nicht der monopolistische Tatbestand an sich, daß die Güter in einer Hand vereinigt sind und die Disposition von der einen Hand abhängt, fordert die Verurteilung, sondern der Zweck,

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dem die Zusammenlegung Mittel ist und welcher das weitere Verhalten bestimmt: das rücksichtslose Erstreben des eigenen Erfolges, das in Widerspruch zur sittlichen Aufgabe des Nächstendienstes steht. Aufs natürlichste schließt sich die Entscheidung an die vorher ausgeführten wirtschaftsethischen Anschauungen an. Ist die Handlung des Aufkaufs sittlich begründet in dem Verantwortungsgefühl für den Nächsten, für das gemeine Wohl und darin normiert, so ist sie „ein recht gut christliche Fursichtigkeit“. In zwei Beispielen wird der Gegensatz herausgehoben. Die Monopolbildung im englischen Tuchhandel wird ausgeführt, wo die Ware auf- gekauft wird, sie in einem bestimmten hohen Preis zu halten, und wo einem „besonderen Rat“ „mussen alle die Engel- länder gehorchen, die engliche oder lündisehe Tücher ver- käufen, bei genannter Strafe. Und durch solchen Rat wird bestimpt, wie teur sie ihre Tücher geben sollen“ !). Auf der andern Seite das wirtschaftliche Vorgehen im alttesta- mentlichen Beispiel von Joseph in Aegypten Aufkauf und Monopol „fur die Gemeine und Andern zu gut“, nicht aus dem Gewinnstreben des Eigennutzes,

Aus der Auseinandersetzung mit der Frage der Gesell- schaften und des Monopols treten zwei Entscheidungen als wesentlich heraus. Einmal, daß nicht die Gesellschaften im Besitz des Monopols sollen „steigern oder niedrigen nach ihrem Gefallen, und drucken und verderben alle geringe Kaufleute, gleich wie der Hecht die kleinen Fisch im Wasser“ *): das Eintreten für den wirtschaftlich Schwachen und die Forderung eines Schutzes für ihn vor der Uebermacht des großen Kapitals als einer sozialen Aufgabe der Obrigkeit. Daneben die Bestimmung über den Gewinn. Die Grund- legung war, daß der Gewinn als Lohn für geleistete Arbeit erscheint; die Größe hat sich aus seiner Bestimmung für Produktion und Konsumtion ergeben. So als Gewährleistung eines standesgemäßen Unterhalts una als Ermöglichung des Handelsgescháfts. Der natürliche Wirtschaftsverlauf, mit dem Vorhandensein der Konkurrenz und der ausgleichenden Wirkung von Gewinn und Verlust, führt durchschnittlich einem mittleren Gewinne zu. Die wirtschaftliche Macht- stellung nun ermöglicht mit einer Störung des Verlaufs die natürliche Wirkung aufzuheben. Einmal indem die Kon- kurrenz durch das Monopol ausgeschaltet wird und zwar zu wirtschaftlich einseitigem Vorteil des Inhabers in Gegen- satz zu der Ausschaltung durch Obrigkeitspreise, wo der

1) E. A, 22 S. 220. W. A. 15 S. 308. 2) E. A. 22 S. 224. W. A. 15 S. 819, Archiv für Beformationsgeschichte. XXI, 1/2.

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gemeine Nutz bestimmend ist. Andererseits, daß durch eben die Monopolstellung Verluste beliebig wieder wett gemacht werden, indem am anderen Ort die Preise „nach Gefallen“ überhöht werden. So ist eine außerordentliche Gewinn- anhänfung möglich gemacht. Die Aufhebung der ausgleichen- den Wirkung von Gewinn und Verlust geschieht also, um eine ungerechte Gewinnsicherheit zu begründen.

Die Forderung, daß der Gewinn unter der natürlichen Unsicherheit stehen soll, führt unmittelbar in die religiös- sittliche Grundeinstellung hinein. Das Verhältnis des Menschen zur Güterwelt soll das sein, daß er das Gut nicht „in mensch- lichem Witz, sondern in Gottes Benedeiung“ sieht.

Am unmittelbarsten von der religiösen Gesamtanschauung belebt und bestimmt ist die Stellungnahme zur Frage der sittlichen Möglichkeit eines Leihgewinnes. Man möchte als Motto setzen: „Denn deine Güter sind nicht dein, du bist allein ein Schaffner darüber gesetzt“). Das Wort gibt das innerste Verhältnis zum Wirtschaftsleben.

In der konkreten Entscheidung über den einzelnen Gegenstand kommt es nicht immer in gleicher Weise un- mittelbar zum Ausdruck. Vielmehr scheinen auch Erwägungen vom ursprünglichen Boden, auf den die Erörterung gestellt war, wegzuführen und mit „Konzessionen ans Wirtschafts- leben“ sich abzufinden, Und doch sind gerade hierin die feinsten Züge ausgeprägt: indem nämlich die Persönlichkeit aus der größten Geschlossenheit heraus in eine Vielheit und Fremdheit von wirtschaftlichen Erscheinurgen eindringt, und dennoch von der Einzelheit aug, bei scheinbar größter Entfernung, ein schlichter Weg ins Zentrum zurück gefunden wird. Es gibt der Besprechung des Darlehns ihren persön- lichen Charakter.

Dem inneren Kreise religiös-sittlicher Ueberzeugungen gehören die zunächst aufgestellten Regeln an, wie „äußerlich gut christlich mit Andern zu handeln“ sei. Darnach geht dem Leihen das Geben, dem Geben das Sich-nehmen-lassen vorauf. So sind dje Gebote: „So uns jemand etwas zeitlicher Güter nimmt mit Gewalt, sollen wir's nicht allein leiden und fahren lassen; sondern auch bereit seyn, so er mehr nehmen sollte, dasselbe auch zu lassen“ ). Als Zweites: „Jedermann geben umsonst, der es (be)darf“®). Und ein Drittes: „leihen oder borgen, daß ich mein Gut hingebe, und wiedernehme, so mirs wiederbracht wird, und embebren muß, wo mans nicht

) W, A. 16 S. 514. ) E. A. 20 S. 89. W. A. 6 S. 36. 3) E. A. 92 S. 210. W A4. 15 S. 301.

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wiederbringt^!) oder, mit Rücksicht auf den Entleiher „willig und gerne leihen oder borgen ... ohn allen Aufsatz und Zinse“ ). Hier ist der engste Kreis überschritten und mit dem Anschluß an die gebräuchliche Erscheinung des Wirtschafts- lebens der Ausgangspunkt für die Besprechung gegeben. Die Haltung des Einzelnen in seiner Handlung der Leihe faßt Luther im Geiste der Lucasstelle 6, 34/35 „Leihet, daß ihr nichts dafür hoffet,“ die den häufig gebrauchten Schrift- beweis des kanonischen Zinsverbots abgab. Das Wesen des Leihens wird entsprechend gekennzeichnet: „Daß also Geben und Borgen keinen Unterschied habe nach dem Evangelio, denn diesen, daß Geben nichts wiedernimpt, Borgen aber wieder nimpt, wo es kompt, und doch waget, daß 's ein Geben sei“ ). Der psychologische Gehalt des Risiko- Momentes hat hiermit eine feine ethische Bedeutung be- kommen. Der Handlung sind die sittlichen Grundlagen im Evangelium und in der natürlich-göttlichen Ordnung gelegt, im Gebot der Nächstenliebe und nach der Beziehung des menschlichen gegenseitigen Aufeinander - Angewiesenseins, wie das im Wort: „Alles nun, das ihr wollet, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch“ ausgesprochen ist. Eine Auffassung, welche die Rücksicht auf die notwendige Ergänzung in der Gegenseitigkeit der wirtschaftlichen Beziehungen außer Acht läßt und das Verhältnis einseitig regelt, kann nicht die Grundlage eines gesunden Wirtschafts- lebens sein. Es schließt sich also die besondere ethische Grundlegung des Leihgeschäfts an die allgemeine wirtschafts- etbische Anschauung an. Ein Geist, der dem eigenen höchsten Erfolg auch gegen die andern wirtschaftlichen Individuen dient, wird abgelehnt. Dagegen wird auf der andern Seite die Grenze gezogen gegen eine asketische, den Gütern abgewandte Einstellung. Es besteht die positive sittliche Verpflichtung des Einzelnen auch auf diesen Kreis. Sie ist nicht mehr abgeleitet von der Kirche und ihrer Seligkeits- verheißung, wie im Almosengeben und anderen „Werken 4).

1) E. A. 22 S. 210. W A.15 S. 301.

) E. A. 20 S. 103. W. A. 6 S. 47.

3) E. A. 22 S, 210. W. A. 15 S. 301.

) Eine Bezugnahme auf die Schriften Max Webers legt sich nahe. Die Berührung ist in der Frage der protestantisch - ethischen Verpflichtung auf den alltäglichen Lebens- und Arbeitskreis gegeben. In der besonderen Formulierung des „Berufs“ -gedankens ist die be- rührte Frage von Max Weber untersucht, klargestellt und der Fassung des Begriffs „inner - weltlicher Sittlichkeit“ beim Katholizismus und beim Calvinismus gegenüber gestelit. Die begriffliche Anordnung

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Der Widerstreit aber, welcher bei solcher Verpflichtung aus der Berübrung mit dem Wirtschaftsleben, in dem wir stehen, sich ergeben muß, ist deutlich und Luther auch gegen- würtig. Er macht selbst auf seine ethischen Forderungen den Einwand: „Hie wird man sagen: ... wo werden wir Christen finden? Ja, mit der Weise wurde kein Handel auf Erden bleiben, wurde eim Jeglichen das Seine genommen oder abgeborget werden und den bösen Faulfressigen die Tür aufgetan, Alles zu nehmen“ ). Hier tritt die Aufgabe des Staates ein: „auf daß nicht der Leut Handel und Gemeinschaft gar zunicht werde“, muß der Staat für das Einbalten der Ordnung sorgen, das Nehmen und Rauben Btrafen, die Rückgabe des Geborgten erzwingen. Die ethische Forderung, die Gesinnungsverpflichtung, bleibt besteben; es wird aber anerkannt, daß allemal einer Anzahl von Gliedern des Volkes die Bereitwilligkeit zu christlicher Sittlichkeit fehlt; daß die Welt einmal nicht mit dem Evangelium regiert werden kann und soll und die Bösen unter dem „Schwert“ steben müssen. Beeinflußt wird davon nur die Ausgestaltung des Verhältnisses, nicht die Gesinnung.

Wir haben gesehen, daß unter Leihen das Hingeben von Gütern mit der Uebereinkunft gleicher Rückgabe verstanden wird und daß an einen möglichen Verlust dabei gedacht ist. Deswegen ist die Vorbedingung eines derartigen wirtschalt- lichen Geschäftes, daß es nur eingegangen werden soll, wo etwas übrig ist zu leihen, das nicht zum eigenen Unterhalt

weist schon darauf hin, in welchem Sinne zu der Frage Stellung genommen ist: es handelt sich in allgemeiner Untersuchung um ein Motiv, das neben andern in seiner Besonderheit als eine historische Ursache wirksam gesehen wird; und zwar unter der theoretischen Auf- gabe, „was von gewissen charakteristischen Inhalten“ unserer heutigen modernen Kultur „dem Einfluß der Reformation als historischer Ursache suzurechuen sein möchte.“ (Religionssoziologie I. S. 82. Tübingen 1920),

Unter gänzlich anderem Gesichtspunkt sind die Äußerungen oben in der Arbeit getan. Von irgend einer „Zurechnung“, von rück- greifender Unterauchung unter vorab und außerhalb der eigentlichen Notwendigkeit des Stoffes gesetztem theoretischem Ziel ist keine Rede. Die Arbeit schaut sozusagen vorwürts von der Persónlichkeit auf das Werk und den Ausdruck der starken sittlichen Persönlichkeit im Werk. Unter solcher Einstellung will die Aussage über die schlichte sittliche Verpflichtung im Kreise wirtschaftlicher Handlungen und der Hinweis.auf die Besonderheit gegenüber einem Verdienstgedanken der katholischen „Werke“ nur die Prägung eines frei von der Persönlichkeit geformten, in sich ruhenden sittlichen Wertes aufzeigen.

1) E. A. 22 8. 211. W. A. 15 S. 302,

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benötigt wird. Die Ordnung der menschlichen Verhältnisse gibt die Abgrenzung an die Hand. Der Ausgangspunkt muß die Erfüllung der Lebensbedürfnisse der Einzelwirtschaft sein; die Familie bildet die Grundlage der Wirtschaftsorganisation und die nächste Verpflichtung für das wirtschaftliche Handeln des Einzelnen.

Bisher hat es sich um das Leiben als um das letzte Glied der Reihe Nehmenlassen, Geben, Leiben gehandelt. Dem Leihen kam daraus ein gemischter Charakter aus wirtschaftlichen und wirtschaftlich indifferenten Elementen zu. Die Reihe von Fällen, die Güter zu handeln, führt aber zu einem vierten Gliede weiter: Kaufen und Verkaufen, das als selbstündiger Kreis wirtschaftlicher Erscheinungen in seiner Bedeutung im Rahmen christlicher Sittlichkeit bereits behandelt worden ist. An dieser Stelle wird es wichtig, weil sich der Kaufcharakter einem Zwischenglied zwischen „leihen“ und „kaufen und verkaufen“ mitteilt, dem Kredit- geschäft, Ein selbständiges Wesen des Kredits, wie es in den folgenden Zeiten entwickelt worden ist, schält sich noch nicht heraus. Viel mehr strebt die Vorstellung dieser wirtschaftlichen Erscheinung zwischen reiner Leihe und Kauf hin und her und erhält auf die Weise mannigfache Bestimmungen. Zu einem Ganzen schließt sich die Dar- stellung im Ausdruck der sittlichen Persönlichkeit. Die ökonomische Ansicht bleibt bei der Beschreibung von Einzel- heiten, die noch nicht in ihrer organischen Verbundenheit als eine selbständige ökonomische Form gesehen werden, wenngleich die vielseitige Untersuchung innerlich die Hin- leitung zu solcher Erkenntnis in sich trägt.

Der grundlegende Gedanke in der wirtschaftsethischen Beurteilung des Darlehns geht von der religiösen Gesamt- einstellung der Persönlichkeit zum Wirtschaftsleben aus. Die Guter sind Gottes Gaben. Der Gedanke der Unsicherheit und Unberechenbarkeit wird in den Vordergrund gerückt, wo es sich um ein zeitliches Auseinanderfallen der zwei zugeordneten Geschäftshandlungen des Gebens und Wieder- empfangens handelt. Die Besinnung auf die Ungewißheit hatte sich in der allgeweinen sittlichen Grundlegung zur Leihe in der Forderung ausgesprochen, daß das Leihen gleich einem Geben zu setzen sei; in der Abgrenzung der Fälle bestimmte sie, daß als Grundlage des Geschäftes nur solche Mittel gebilligt sind, die zur augemessenen Konsumtion nicht beansprucht werden. In der Darlehensbesprechung selber stellt sie das Problem: 1. die Vorfrage der Verpflichtung auf eine Leistung in der Zukunft, der sittlichen Möglichkeit des Kreditgeschäfts überhaupt, 2. unter Aufnahme der

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Gewinnfrage, das eigentliche Zinsproblem, die Frage nach der Berechtigung einer Mehrforderung bei der Rückerstattung dargeliehenen Gutes.

In der Vorfrage wird grundsätzlich entschieden, daß keine Sicherheit gegeben werden soll, die tatsächlich nicht vorliegen kann. Es besteht von vornherein ein Mißverhältnis zwischen einem festen Verbürgen auf die Zukunft und der Unvermöglichkeit des Menschen. Sittliche wie wirtschaftliche Gefahren entspringen daraus, wie z. B. bei Verschuldungen vielfach in Erscheinung tritt. Die Schäden werden scharf beleuchtet. Wie weit das grundsätziiche Mißverhältnis der Kredithandlung überbrückt werden kann in der Praxis, ist abhängig von der Geltendmachung sittlicher Verpflichtung und sachlicher Sicherheit. Als sittliche Verpflichtung gelten die Gebote des Evangeliums und der Vernunft. „Liebe deinen Nächsten als dich selbst“ und „Was du willst, das dir ein anderer thät, das tbu du ihm auch“ !). Es gilt im einzelnen Falle für Darlehngeber und -nehmer und besteht im Rahmen der Gesamtheit als die soziale Verpflichtung eines allgemeinen gegenseitigen Dienens. Nach der sittlichen Grundanschauung vom Leihen soll ein Gläubiger im Schuldverlustfalle keine Selbstbilfe ergreifen. Vielmehr soll dadurch Ordnung aufrecht erhalten werden, daß „die andern .., ansagten der Obrigkeit dieser Unschuld, und jener Unrecht.“ Luther zeigt dem Rechtsgefühl hier die feine Bedeutung auf, daß durch solches Verfahren „mehr die Stinde denn der Schaden angesehen“ werde. Die notwendige Ergänzung des Vorgehens bildet die Wiederherstellung rechtlicher Zustände durch die Obrigkeit kraft ihrer Strafgewalt. Neben der sittlichen Sicherheit sind die wirtschaftlichen Momente, die einem Darlehensgeschäft Bestand geben können, zu veranschlagen.

Da ist es einmal die wirtschaftliche Voraussetzung der Aufnahme. Ein Handel soll nicht auf der Grundlage geliehener Kapitalien angefangen werden, sondern eigene Mittel sollen vorhanden sein, die in ihrer Größe den Umfang des Geschäfts bestimmen. Alsdann wird von der Verwendungsart des ge- lehenen Gutes die relative Gewißheit abhängen und schließlich gefestigt sein bei einem wahrscheinlichen wirtschaftlichen Erfolg dureh das Darlehn. Mit diesen Erwügungen steht die Frage eines berechtigten eihzinses in engstem Zusammen- hang, denn es handelt sich um die Erscheinungen, welche an erster Stelle dazu beigetragen haben, einen Zins als natürliches Glied im Wirtschaftsleben zu begründen. Sie

1) E. A. 20 8.106. W 4. 6 8.49.

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geben der Frage der Zinsberechtigung den entwicklungs- geschichtlichen Rahmen.

Das Darlehenswesen, wie es uns aus Luthers Schriften als charakteristisch für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts entgegentritt, trägt den Charakter der Uebergangszeit. Vor- nehmlich der voraufgehenden Entwicklung gehört die Anleihe zu konsumtiven Zwecken an. Während sie ihrem Wesen nach unverändert fortbestand, wurde ihre Bedeutung eine andere mit der Veränderung des umgebenden Rahmens wirtschaftlicher Erscheinungen. Neben ihr sind andere Darlebnsbeziehungen ausgebildet worden, welche die Anlage- möglichkeit zu Produktivzweckeu bieten. Sie haben ihre mehr oder weniger bestimmten Verkehrsformen gefunden und sind zunehmend gebräuchlich und bedeutungsvoll geworden. Aber die Beurteilung steht noch im Ungewissen, wie das Verhältnis selbst nicht scharf umrissen erscheint, Alte und neue Formen berühren sich im Nebeneinander; die verschiedenen Typen treten noch nicht in fester Gestalt heraus.

Bei dem allmählichen Abgelöstwerden der Natural- wirtschaft durch eine eigentliche Geldwirtachaft waren mehr und mehr Geldkapitalien mit der offenen Möglichkeit produktiver Anlage aufgetreten. Der Rent- oder Gültkauf!) hatte den Ausgleich gegeben, indem das Kapital durch den Darlehnsakt die Berechtigung am Erträgnis eines Bodens erwarb und auf diese Weise an seiner Produktivität teilnahm. Dabei blieb aber durchaus die Vorstellung eines Kaufs maß- gebend. „Preisgut ist das hingegebene Kapital, Tauschgut ist das Recht auf den Bezug einer jährlichen Rente“ ). Die Entwicklung des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts stellt mit der Entfaltung des Groß-, insbesondere Ueberseehandels mit der lebhaften Betätigung eines neuen Unternehmergeistes, mit dem Streben nach Handelsgewinnen die Anforderung, fremde Kapitalien zur Steigerung der wirtschaftlichen Leistung aufzunehmen. Die verschiedenen Formen, welche im Geld- verkehr gebräuchlich werden, gehen alle in die angewiesene Richtung einer Mobilisierung der Kapitalien. Die Praxis löst sich von der Gewohnbeit, den Boden als einzig sichere Ertragsquelle anzusprechen. Der Handel wirft seine großen Gewinne ab, und das Geldkapital nimmt mittelbar daran teil,

1) Über Rentenkauf bei: Schmoller, a.a. O. S. 556f. Bücher, „Entstehung der Volkswirtschaft“ Tüb. 1919 S. 130f. Funk, „Zins und Wucher“ Tüb. 1868 S, 65f. Loening, Art. „Rentenkauf und Rentenschuld“ i. H. d. St.

) Bücher, a. a. O. S. 130.

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Indem der Rentenbrief übertragbar und zum Inhaberpapier wird, in häufigen Fällen „die Gült auf die Gesamtheit der Güter eines Privatmannes oder eines Gemeinwesens gekauft wurde“ ), wird eine größere Beweglichkeit geschaffen. Zugleich tritt damit der ursprüngliche Charakter des Kaufs zurück, und das Geschäft nähert sich einem verzinslichen, durch Hypothek auf ein Haus gesicherten Darlehn ).

An der Möglichkeit solcher Anlage, verbunden mit ihrem Bedürfnis und der Benötigung fremder Kapitalien im eigenen Handel entwickeln sich die Verhältnisse. Luther schildert das damals tibliche Darlehn: „Es legt ein Bürger sechs Jahr lang zu einem Kaufmannn ein, zwei tausend Gulden, damit soll der Kaufmann handeln, gewinnen oder verlieren, und dem Burger jährlich zwei hundert Gulden gewisser Zinse davon geben; was er aber darüber gewinnet, ist sein. Gewinnet er aber nichts, muß der doch die Zinse geben. Und der Burger tut dem Kaufmann grofen Dienst daran. Denn der Kaufmann meint mit zwei tausend wohl dreihundert zn gewinnen. Wiederumb, tut der Kaufmann dem Burger großen Dienst daran, denn sein Geld mußte sonst stille liegen, und kein Gewinn bringen“). Der ökonomische Prozeß der Verzinslichkeit des Leihkapitals ist gegeben, ohne daB seine äußere Erscheinung sich schon gänzlich von dem Erbe der Wirtschaftsepoche eines gegrtindeten Zins- verbotes gelöst hätte. |

Den Tatsachen des Handelslebens steht die grundsätzlich ablehnende sittliche Entscheidung Luthers über den Gewinn im Leihen gegenüber. Indem er sich auf das Wort der Schrift stellt, nimmt er die große Tradition der Kirche auf. Gemeinsam handelt es sich um die Augeinandersetzung einer wirtschaftsethischen Auffassung, wie sie dem Geist des Christentums entspricht, mit Erscheinungen des Wirtschafts. lebens, die sich im Widerspruch zu solcher Gesinnung befanden. Herausgehoben worden sind oben die Entscheidung gegen den Wucher im Preis und Darlehn im Nameu der Nächstenliebe und die Forderung des justum pretium, die den Namen der

3) Schmoller a. a. O. S. 557.

3) „Man darf diesen Rentekauf wohl ala die älteste Art von Geschäften betrachten, durch welche man sich dem Darlehn mit einem, dem deutschen Recht bisher ganz fremden, hypothekarischen Vertrag nüherte, und das römische Recht hat auf dessen Einführnng sicher Einflud gehabt" bemerkt Eichhorn (S. 418) und deutet mit dem Hinweis auf rechtlichen Ursprung und Einfluß die Berührung ver- schiedener Sphären in dieser einen wirtschaftlichen Erscheinung an-

) E. A. 22 S, 221/22. W. A. 15 S. 810,

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Gerechtigkeit neben das evangelische Gebot des Nächsten- dienstes stellte. Der Rahmen war hierdurch erweitert und im Bestreben, dem Kanon der Kirche unter den sich ver- ändernden wirtschaftlichen Verhältnissen die Gültigkeit zu erhalten, hatte besonders die spätere Scholastik das ur- sprüngliche Wuchergesetz biegsam und in den Grenzen beweglich gemacht. Aber zugleich war die innere Kraft und Wärme gemindert. Elemente einer naturgesetzlichen Auffassung treten mit fremdem Geist neben die ursprüngliche ethische Anschauung, während doch gleichzeitig die Würde kirchlicher Normierung in Anspruch genommen wird. Luther nahm den alten Kurs mit einer neuen Prägung auf: die Vertretung des lebendigen Christentums in diesen weltlich- natürlichen Dingen. Er geht zunächst hinter die Scholastik zurück, in der runden Ablehnung des Zinses. Darin liegt die Kraft begründet, über sie hinauszugreifen, weil die Ungebrochenheit und Geschlossenheit wieder gefunden wird, die allein eine Idee wirksam zum Ausdruck bringen kann.

In der allgemeinen Stellungnahme gegen den Zins wird dieser als die Frucht, der unmittelbare Ausdruck eines einseitig wirtschaftsegoistischen Geistes aufgefaßt. Die Anschauung wird mit einer Fülle von verschiedenartigen Erweisen belegt, die teils ihren ganz persönlichen Charakter haben, indem sie als Elemente der christlichen Grundstimmung erscheinen, teils mehr oder minder sachliche Grunde dar- stellen, die mit dem Nachdruck auf einen speziellen Tatbestand entwickelt werden.

Die Gefahr wird darin gesehen, daß im Zinsgeschäft die Auffassung eines Nächstendienstes, der den Charakter der wirtschaftlichen Handlungen überhaupt in ihrer wechsel- seitigen Beziehung ausmachen soll, nicht klar zum Ausdruck kommt, So steht im Zinskauf zu besorgen, daß „der Käufer wollte nicht gerne an des Verkäufers Statt seyn, wie in andern Kaufen“ 1). Dem ungerechten Wesen der „monopolia“ vergleichbar erscheint das zinssuchende Geld darin, daß es seine Macht auf dem Markt geltend macht und ausnützt. Luther spricht vom „einfältigen“ Leihen und stellt ihm das Leihen gegenüber, dem die Absicht der Darleihenden innewohnt, „daß sie mit Gelde herrschen“. Er deckt das ganze verderbliche Ineinandergreifen von wirtschaftlichen Machtverbältnissen und persönlichen Beziehungen auf, dem Raum zu geben das Darlehnsgeschäft durch die Verflechtung von persönlichen und sachlichen Beziehungsmomenten geeignet ist An der Ausbeutung auf Grund von Ueberlegenheit auf

1) E. A. 20 8. 110. W. A. 6 S. 52.

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der einen Seite, an der leichtsinnigen Spekulation, Bankrott und Schuldflucht auf der andern wird die sittliche Verwerflich- keit wie die Gefahr klar.

Die einseitige Einstellung auf Gewinn führt im Darlehn weiterhin zu sachlichen Widersprüchen. Es handelt sich da besonders um die Frage des „Interesses“ 1). „Nun wollen wir sehen den Grund, durch welchen dieser zarte Handel wird gebilligt. Es ist ein Wörtlein, das heißet auf Latein Interesse. Das edle, teure, zarte Wörtlein lautet auf Deutsch soviel: wenn ich hundert Gülden habe, damit ich möchte im Handel durch mein Mühe und Sorge ein Jahr lang fünf, sechs oder mehr Gulden erwerben, die tue ich von mir zu einem andern auf ein fruchtbar Gut, daß nicht ich, sondern er mag damit handeln auf demselben; darum nehme ich von ihm fünf Gulden, die ich hätte möcht erwerben, und also verkauft er mir die Zinse, fünf Gulden für hundert und bin ich Käufer und er Verkäufer. Hie spricht man nun: der Zinskauf sey billig, dieweil ich hätte vielleicht mehr möcht gewinnen jährlich mit denselben Gülden und das Interesse sey recht und genugsam?).“ Die Begründung wird von Luther abgelehnt, weil im Wirtschaftsverlauf auch Verlust eintreten kann, also ein sicherer Gewinnanspruch des Gläubigers an den Schuldner auf einen unsicheren Sach- verhalt gegründet wäre. Da sich ungezählte Möglichkeiten an eine Darlehnssumme heften, die alle bis auf die eine tatsächlich eintretende nicht berechenbar noch auch nur abschätzbar sind, muß ein vorausbestimmter fester Gewinn des Gläubigers aus der Leihe als widerspruchsvoll erscheinen. So ist auch die Gültigkeit der bestehenden Zinstitel des lucrum cessans und damnum emergens keine absolute; sie können vielmehr nur im einzelnen nachweislichen Falle einen Anspruch begründen. Gegen die Gewinnbegründung durch einen unbezeichneten, nur möglichen Bodenertrag, wie er dem entwickelten Rentkauf zugrunde lag, setzt Luther zwei Einwände: erstens, daß Wesen und Zustand des Geldes verwechselt sei. „Dadurch geben sie der Natur und Art des Geldes, das doch nur sein Glück und Zufall ist, Es ist nicht die

1) Eine zeitgenössische Erklärung des Wortes erwähnt Strieder (a. a. O. S. 528): Matheus Schwarz, der Hauptbuchhalter der Fugger, schreibt zu Anfang des 16. Jahrhunderts „Interesse das ist höflich gewuchert; Finanzen (d. h. Finanzgeschüfte treiben) ist gleich höflich gestohlen.“ In dem Versnch einer Legitimierung des Geschäftes durch das Wort „höflich“ spiegelt sich die Zeitstimmung des Handels in einer feinen kleinen Andeutung wieder.

5 E. A. 20 S. 111. W. A. 6 S. 53.

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Natur des Geldes, daß es einen Grund kaufe, sondern es mag zufällig ein Grund feil werden auf Zins, da etlich Geld zu nutze sey; das geschieht aber nicht allem Grund, auch nicht allem Geld).“ Daraus folgt aber als Zweites, daß eine falsche Gleichsetzung stattfindet, bzw. Vernachlässigung eines gleichberechtigten Faktors. Im Handel ist stärkeres Schwanken im Gewinn als auf einem Grundstück. So darf also nicht das eine als maßgebend für beide Fälle gesetzt werden, daneben das andere veranschlagt bleiben, wo die Natur der Sache nicht za einem der beiden Fälle zwingt.

Die ungerechte Forderung eines Gewinnes unter Ausnützung bevorzugter Lage, bzw. Not des andern, der Unberechenbarkeit von Möglichkeiten oder auch irgend eines nicht zu Recht begründeten Titels ganz allgemein der Wucher, findet bei der üblichen Darlehnshandhabung aufs häufigste und leichteste Eingang. Es ist damit aber nicht ausgeschaltet, daß Wertübertragungen auf dem Wege von Darlehnsgeschäften in Uebereinstimmung mit den ethischen Grundforderungen statthaben können.

Es handelt sich um die richtige Einsetzung des Faktors der Unsicherheit. Einmal muß vorab der Handel so genau als möglich erwogen werden und nur „in großen, wirklichen Summen und tapfern Gütern“ stattfinden. Grund und Boden auf den das Darlehn gegründet ist, soll bezeichnet und angegeben sein, damit gerechter Zins veranschlagt werden kann. Das persönliche Verhältnis verlangt, daß der Zinsherr das Risiko tibernehme, denn er steht wie der Käufer dem Verkäufer gegenüber, und „die Gefahr des verkauften Dings stehe bei dem Käufer“).

Als Ergebnis der Auseinandersetzung von ethischer Grundforderung und praktischer Wirtschaftsbeobachtung besteht also die Entscheidung, die einen Unterschied in der Stellungnahme zu Konsumtiv- und Produktiv- Darlehn macht. Hier Zinsverbot, dort gerechter Gewinn auf der Grundlage eines klaren Handelsverhältnisses.

Der Sinn im Lichte der wirtschaftsethischen Gesamt- auffasung der Persönlichkeit ist deutlich. Es handelt sich nur um den Ausdruck, den sich das Gebot der Nächstenliebe in der Leihe als einer besonderen Art „Gtiter christlich zu handeln“ geschaffen hat. Wo geliehen wird, den nötigen Bedarf eines andern zu unterstützen, einem Unterhaltsmangel abzuhelfen steht die Verflichtung zinsloser Leihe. Das Verhältnis ist einseitig durch die Lage des Schuldners

1) E. A. 20 S. 114. W. A. 6 S. 55. ? E. A. 20 S. 116. W. A. 6 8.57.

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bestimmt; so muß auch das sittliche Verhalten daran seine Entscheidung finden. Ist aber die Beziehung die, daß Geld zu produktiver Anlage gesucht. wird, und die Nachfrage sich mit einem Geldangebot verbindet, so ist beiderseitig der Handel bestimmt und die Gewinngerechtigkeit in wirtschafts- ethischem Sinne wie in der eigentlichen Kaufshandlung gegeben. Zwischen den beiden Fiüllen steht die Notlage des Glüubigers. So z. B. wenn der Inhaber eines kleinen Kapitals keine Erwerbsfühigkeit besizt, ,etwa alte Leute, arme Witwen oder Waisen oder sonst dürftige Personen.“ Jenem Geld sollte Zins gewährt weiden, als ob es „nicht stracks ein Wucher, auch nicht ein Recht, sondern ein Notwtcherlin wäre, schier ein halb Werk der Barmherzigkeit für die Dürftigen, die sonst nichts hätten, und den andern nicht sonderlich schadet“).

Die Scheidung enthält die schlichte klare Erkenntnis der tieferen Beziehungen, in welchen die Dinge im Bereiche sittlicher Verantwortlichkeit stehen.

Die Sonderstellung des Produktiv-Darlehns ist Luther die Grundlage, von der aus er eine grundsätzliche Zins- berechtigung einleitet.

Von der Persönlichkeit Lutbers abgelöst, erscheint die behandelte Darlehns- und Zinsfrage als der Ausdruck des Entwicklungsprozesses jener Zeit, wie dieser sich an einer Einzelform des Wirtschaftslebens ausprügt. Die Bertihrung der mittelalterlichen Wirtschaftsauffassung mit den An- schauungen, die der einsetzenden Welthandelsperiode Gentige zu tun suchen, ist charakterisiert. Es wird deutlich an den einzelnen Elementen, die in den Fragenkomplex der Ver- zinslichkeit des Darlehns einbezogen sind.

Als einzige wirtschaftliche Ertragsquellen erscheinen zunächst Boden und Arbeit. Die cbarakteristischen Ver- hültnisse, denen sie im Mittelalter unterworfen waren, für den Gründ das Lehen, für das Gewerbe der Zunftzwang, machen sich geltend. Die Beweglichkeit des Geldkapitals ist in diesem Rahmen nicht gegeben, produktive Anlage eines Darlehns fremd. In der Frage des Leihgewinnes führt das zur Ablehnung des Zinses; er erscheint ökonomisch als unnatürlich. Es tritt hinzu, daß alle wirtschaftlichen Beziehungen noch weniger den Ausdruck einer allgemeinen Organisation der Guter als vielmehr der Personen an sich tragen. Von solcher Seite wirkt bestimmend die religiös- ethische Sphäre ein. Der Leihzins erscheint als ungerecht.

1) E. A. 28 S, 306. W A. 51 S. 379,

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Die Entwicklung bringt in das Wirtschaftsleben das Moment einer allgemeinen Mobilisierung, dessen Ursprung in den verschiedensten Ursachen gesucht worden ist. Der korporative Aufbau der Wirtschaft lockert sich und ein Zug von wirtschaftlichem Individualismus wird bedeutsam. Der durch den Welthandel erweiterte Markt bietet der Initiative des einzelnen erhöhte Anregung. Die Konjunktur wird ein bestimmender Faktor. Damit ist dem Kapital ein großes Betätigungsfeld erschlossen, auf dem es frei von der Bindung an die Verhältnisse des Bodens und der gewerblichen Arbeit Gewinne erzielt. Der veränderte Gesamtcharakter der Wirtschaft teilt sich der Leihe entscheidend mit, indem nunmehr das Darlehnsgeschäft zu einem Weg wird, auf welchem die Kapitalien in die neuen Möglichkeiten einer produktiven Anlage einströmen. Damit hat der Darlehnszins den Charakter verändert. War er bisher im allgemeinen als Vergütung für die Unterstützung eines Konsumenten anzusehen, so erscheint er jetzt als Teil am Gewinn, den das zu produktivem Zweck angewandte Kapital trägt. Die unmittelbare Gewinnmöglichkeit durch ein Geldkapital tritt neben die einzig von Bodengütern und handwerklichem Fleiß abgeleitete Ertragsfähigkeit, welche die wirtschaftliche Grund lage zur Ablehnung eines Zinses aus Gelddarlehn gebildet hatte 1).

1) Die Arbeit lag im Jahre 1921 der philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg als Dissertation vor. Aus der später er- schienenen Literatur sei hingewiesen auf Holl, Luther“, Tübingen 1923, Ich finde zu meiner Freude auch dort die hier gegenüber Troeltsch festgehaltene Ansicht vertreten, dag sich eine Trennung zwischen Personal- und Berufsethik nirgends findet, vielmehr Luthers Ethos einheitlich auch in der Wirtschaft sich durchsetzt und wirtschafts- ethische Entseheidungen trifft.

Zur Postilla Melanthoniana. Von Georg Buchwald.

Wilhelm Meyer (in Göttingen) hat mit seinem Aufsatz: „Die Göttinger Nachschrift der Postille Melanchthons“ (Nachrichten der K. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philolog.-histor. Klasse 1895 Heft 1) den Blick auf die Sonntagslektionen Melanchthons gelenkt. Meyer folgt der Angabe Pezels, daß diese Sonntagsvorträge erst 1549 begonnen hätten. Aber bereits im März 1522 berichtet Albert Burer an Beatus Rhenanus über Melanchthon: Festis diebus et profestis legit Genesin!) Und in dem seinen Annotationes in Euangelia, quae usitato more diebus dominicis et festis proponuntur (1544) ) vorausgeschickten, an Georg Helt gerichteten Widmungsbrief sagt Melanchthon selbst: Ego domi solitus sum iuvenibus summam doctrinae Christianae íradere et lectiones usitatas in Ecclesia proponere, ut ad meditationem de virtute omnium summa, id est: de agni- tione et invocatione dei assuefierent et alia officia deo grata discerent. Et multa sunt in ipsa Euangelii lectione, quae sive literis, sive historiarum collatione non intelliguntur. Imo profecto, qui summam doctrinae Ecclesiasticae vel medi- ocriter vult intelligere, huno necesse est mente intueri totam mundi historiam et de maximis rebus considerare discrimina coelestis doctrinae et humanarum opinionum. Aliter de invocatione Dei, de peccato, de reconciliatione, de iustitia, de causis mortis, denique de multis, maximis rebus humana ratio disputat; aliter praecipit coelestis doctrina. Et necesse est monstrare discrimina, ut ad vocem Dei nos alligemus nec temere vagemur animis fingentes, ut multos audivi, Philosophieas religiones, Aliquid igitur familiariter disserui de plerisque locis, de quibus antea meum extat iudicium. In diesen Worten charakterisiert Melanchthon seine Sonntags- vortrüge. Er beabsichtigt in ihnen keineswegs eine erbauliche

1) Horawitz-Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus. 1886 S. 304. *) Corp. Ref. 5,560

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Auslegung der Perikopen und beschränkt sich auch nicht auf eine philologische Behandlung derselben, sondern will zugleich die Zuhörer mit der summa doctrinae Christianae vertraut machen. Hierzu stimmt völlig und wir werden sehen, bis auf einzelne Angaben genau der Bericht Ratzebergers !): „Nhun hatte Philippus außerhalb seinen ordentlichen Lectio- bus In der wochen auch diesen brauch, das er von wegen der frembden auslendischen Studenten, welches waren Polen, Ungern, Siebenburger, Behemen, Dennemarker, Schweden und dergleichen, die der deutschen sprache ungeubet wahren, des Sonntags fruhe für der Pfarr Predigt privatim In seiner stuben Im Collegio Maiore eine praelectionem in sacris eine stunde lang zu thun pflegete, Diese stunde teilet er gewünlich also aus, das die erste halbe stunde in explicatione Danielis vel Geneseos vel Euangeliorum Dominicalium, die uberige halbe stunde aber in catechesi zubrachte, darinnen pflegete er die articulos et locos Theologicos gantz artlich secundum methodum Dialecticam zu handeln ).“

Christoph Pezel, der Herausgeber der Postille Melanch- thons, ist der Meinung gewesen, daß Melanchthon diese Sonntagslektionen erst bei der Wiederaufrichtung der Uni- versität nach dem Schmalkaldischen Kriege „eingerichtet“ habe. Im Vorwort zu seiner 1594 erschienenen Postilla Melanchthonia®) erzählt er: Jnstaurata Academia post bellum Germanicum, Quia Hungari multi Germanicas conciones in templis intelligere non poterant, Philippus Melanchthon in illorum gratiam domi suae instituit diebus festis explicationem Euangeliorum Dominiealium. Mox aliorum concursu aucta frequentia auditorum in auditorium publicum transtulit eas sive Praelectiones sive conciunculas, in quibus familiari sermone insigniora singulorum textuum explicare solebat. Nam ut in docenda iuventute exercitatissimus erat et copia multiplicis doctrinae instructissimus, sic ad captum auditorum

) Die handschriftliche Geschichte Ratzebergers über Luther und seine Zeit (ed. Neudecker.) 1850. S. 80f.

2) Ratzeberger führt fort: „Da nhun unter andern quaestionibus articulus justiflcationis et bonorum operum mit fürfiel und unter andern gefraget war, An bona opera essent aliqua causa salutis, gab er den bericht, obgleich bona opera nicht weren causa efficiens salutis, So wehren sie doch causa, sine qua non.“ Da Meyer den Beginn der Sonntagsvorträge in das Jahr 1549 setzt, schließt er: „Dann kann Ratzebergers Angabe (S. 82), daß in einem solchen Sonntagsvortrag Melanchthon die von Luther bekämpfte Äußerung über die causa, sine qua non gethan habe, nicht richtig sein.“ A. a. O. S. 14.

5 C. R. 24, XXX.

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praesentium, quorum plerique adolescentes erant, multi etiam adhuc pueri, enarrationes suas dirigens, uf non modo utilis, sed etiam suavis ef iucunda ea praelectio esset omnibus. Ac meminerunt, qui ab anno 1549 usque ad beatam illius ex hao vita migrationem, quae anno 1560 contigit, Witebergae operam dederunt studiis, vix aliam fuisse lectionem magis frequentatam quam hanc ipsam. Etsi autem dictare ille nihil solebat extemperaneo sermonis genere utevs, ut et subirent animos celerius, quae dicebantur, et ipse ad horae clepsydram plura absolveret, non defuerunt tamen qui, cum manus celeritate in scribendo valerent, pleraque ex ore familiariter disserentis excipere ac in chartas referre stude- bant: fuitque tanta aliquorum industria, ‘ut ne rrágepya quidem paetermitterent, quin ea quoque annotarent.

Der auDerordentlich zahlreiche Besuch jener Sonntags- lektionen veranlaßte die Universität, dafür Sorge za tragen, daß dieselben auch naeh Melanchthons Tode fortgesetzt wurden. In der am 23. April 1560 gehaltenen, auch die Fortsetzung der Vorlesungen Melanchthons behandelnde Rede des Vizerektors Georg Major vernehmen wir: Et quia scimus lectionem matutinam diebus Dominicis plurimum utilitatis auditoribus attulisse et eam valde cuperemus etiam propter scholasticos peregrinos retineri, qui conciones germanicas non intelligunt, etiam illam aliquamdiu in se ut reciperet dominus Pastor, nostris precibus tribuit!) Diese Lektionen Paul Ebers erschienen 1576 unter dem Titel: Euangeliorum domini- calium expositio auct. Paulo Ebero. In lucem edita a Joanne Cellario. Ob darin auch Stücke von Melanchthon enthalten sind (vgl. C. R. 24, XXXI: interdum concin uculas Philippi integras de scripto recitavit) muß weiterer Untersuchung vorbehalten bleiben.

Die Art der Sonntagslektionen Melanchthons vor dem Sehmalkaldisehen Kriege ist von der nach dem Kriege verschieden. Für die Postille Pezels sind nur die letzteren verwendet worden, Wir beschüftigen uns zunüchst mit den Sonntagslektionen bis zum Jahre 1544.

Was wir von ihnen wissen, verdanken wir einzig und allein den Handschriften Georg Helts in der Fürst Georg- Bibliothek zu Dessau?). Aus diesem reichen Schatze kommen drei Bände in Betracht: 9a, 9 und X. Die Handschrift 9a enthält Melanchthons Sonntagslektionen vom 10. Sonntag

1) C. R. 10,207. *) Vgl. diese Zeitschrift XVII, 188ff, Zeitschr. f. Bücherfreunde 1919 S. 275 fl.

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D. Trinitatis (17. August) 1533 bis Mitte Juli 1535!). Die Handschrift 9 ist betitelt: Annotationes d. Pomerani in priorem ad Corinthios epistolam in nomine Jesu Christi*). Die Vorlesung umfaßt Kap. 1—11. Etwa Mitte September steht Bugenhagen bei 1. Kor. 3,14, Ende Dezember im 5. Kapitel. Anfang Juni beim Eingang des 10. Kapitels, Anfang Juli noch im 10. Kapitel. Diesem Bande sind irrtümlich ein- verleibt (8.215—239) einige untereinander in Verwirrung geratene Blätter, die Sonntagslektionen Melanchtbons ent- halten und vermutlich ins Jahr 1536 gehören. Vor Pfingsten hatte Melanchthon die arbor consanguinitatis behandelt (S. 225 OR XVI, 511 513; S. 226 = XVI, 513— 514; S. 235 XVI, 514—515; S. 217 XVI, 515; S. 218 XVI,

1) Außerdem enthält der Band (Bl. 185—323) Nachschriften der Vorlesungen Melanchthons über die Loci communes von Januar 1542 bis 81. Oktober 1544, über die wir bisher nur eine Notiz vom 27. Mai 1549 besaßen (Kolde Anal. Luth. 8. 880), Vgl. CR. XXI, 565. Im Einzelnen finden wir hier folgende Angaben: Bl. 198a: 12. Januarij' (Donnerstag). Philippus nihil dictavit’, ‘tantum in aerem dizit’. Die nächste Lektion setzt ein C. R. XXI, 685 de lege divina. Bl. 907b: De Veneris post Reminiscere (10. März) 1549. Steht bei XXI, 699. (Die Bezeichnungen stammen vom Herausgeber). Bl. 218 a: Diese Lektion XXI, 708,15: Discamus bis 704,10 v. u. utaris, Am Ende: Statim factus est quidam tumultus inter principem Mauricium et ducem electorem, (Gegen Ostern 1549, Vgl. ARG XVII, 259). Hinc coactus sum ire ad d(ominum] p[rincipem] G[eorgium] praepositum Magdebur(gen- sem]. BI 216a XXI, 877. Bl. 288 a: Avocatus hinc a principe Georgio in Warmdorff neglexi duas lectiones. Die vorangehende Lektion = XXI, 889,19 Ad talem bis 900,14 approbat. Bl. 976a schließt bei XXI, 1048. Bl. 976b = XXI, 607 De deo ff. Die Vor- lesung beginnt also von Neuem. Bl. 280a: Abfui ferme 5 septimanas a Vuiteberga apud d(uminum] praepositum Magdeburgensem principem Georgium Anhaltinum, redii 4 feria post Exaudi (28. Mai 1541), Vgl. ARG XVII, 269, red die Jovis sequenti cepi audire Philippum. Diese Lektion (29. Mai) = C. R. XXI, 616 Testimonia bis 618 Mitte Matth. 11. Bl. 309a 809b: Ex ore domini d. Pomerani 4. feria. Anfang: Ubi recitato euangelio repetivit dicta ante octiduum, quomodo illa unctio luti euper oculos ceci. Die vorangehende Lektion XXI, 660 Quarto consideranda bis 662,18 v. u. moderatione intelligatur. Die folgende Lektion beginnt mit XXI, 669,18 v. u. Certe nunc. Bl. 328a: Ende der letzten Lektion, die mit XXI, 678 vor De peccatis actualibus schließt: die Veneris post Simonis et Jude (31. Oktober) 1544.

*) Vgl. Theol. Stud. u. Krit. 1906, 614ff. Die hier vorliegende Vorlesung ist in ihrem Verhültnis zu dem Band Theol. rec. 1V. Oct. 921 der Breslauer Universitätsbibl. zu untersuchen.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXI. 1. 2. 6

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517; S, 227 = XVI, 518—519). Dann folgen Lektionen zu Pfingsten, 1. Sonntag n. Trin.) Joh. bapt., Sonntag nach Job. bapt. S. 220 steht Alia lectio dominicalis die Visitationis Mariae ex d. Philippo, ubi perrexit de gradibus (— CR XVI, 520) Die dritte Handschrift Nr. X enthält Bl. 15—49 Melanchthons Vorlesung über Aristoteles’ Ethik. Die Diktate setzen ein CR XVI, 348 Abs. 2 Z. 9: Fortitudo bellica und scblieBen XVI, 416: nec alios despiciebat, Bl. 48b 49b steht noch der Anfang der Vorlesung tiber das 6. Buch“). Bl. 52—241 befinden sich die Sonntagslektionen vom 4. Advent (18. Dezember) 1541 bis Dom. p. Simonis et Judae (2. November) 1544 (letztere nur verzeichnet: abfui propter purgationem). .

Es liegen uns also hier Melanchthons Sonntagslektionen von August 1533 bis Juli 1535 und von Dezember 1541 bis November 1544 vor. Aus der Zwischenzeit besitzen wir nur Weniges, aber umso Wertvolleres.

Wilhelm Meyer hat 1895 „die Göttinger Nachschrift der Postille Melanchthons“ bebandelt®). Diese Nachschrift enthält Sonntagslektionen von 1555 und 1556. Wir werden darauf im zweiten Abschnitt zurückzukommen haben. Diese Sonntagslektionen unterscheiden sich erheblich von deu früheren, die uns Helt überliefert hat, Dahingegen stimmt auf die Lektionen unsres Abschnitts wörtlich, was Ratzeberger (vgl. oben) tiber dieselben berichtet.

Am 10. Sonntag n. Trin. 1533 begann Melanchthon in seinen Sonntagslektionen den Propheten Daniel auszulegen, Aber schon von der 5. Lektion an beschränkt er sich nicht

1) Mitte Juni 1586 war Melanchthon in Leipzig (CR. III, 92), wo- durch sich der Ausfall der Lektion am Trinitatisfest erklären dürfte.

3) Bl. 83b: Duas lectiones neglexi vocatus Dessaviam. Diese Lektion setzt ein C. R. XVI, 381 Hactenus. Bl. 37a: Abfui ferme 5 imo 6 septimanas hine apud d. praepositum, imo ab hac lectione 7 septimanas, (1544, Helt kehrte am 28. Mai zurück, vgl. oben Handschr. Nr. 9a Bl. 280a). Die vorhergehende Lektion schließt C. R. XVI, 386 necessaria causa. Die neue beginnt XVI, 892,12. Est et baec regula. Bl. 48b: Die vorangehende Lektion schließt mit XVI, 416. Dann: In 6. Ethicorum 4. feria post Michaelis (1. Oktober 1541) cepit Philippus 6 ethicorum. Am Bande: In hac lectione multa excepit Ferdinandus Austriacus (Ferdinand von Maugis; vgl. Luthers Tisch- reden in der W. A. Bd. 4, XXV), quae non habeo, Hierdurch werden die Angaben C. R. V. 228; XXVIII ad annum 1544 bestätigt und erweitert,

5) Nachrichten der K. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philolog-histor. k: asse. Heft 1.

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darauf, sondern schickt der Behandlung des Danieltextes die Besprechung eines andern Stoffes voraus und bringt, wie Ratzeberger sagt, eine Zeitlang in catechesi‘ zu. Er beginnt mit dem Dekalog, spricht dann tiber die iustitia ex fide, über das Gebet, die Sakramente, von der Kirche, von den Traditionen. Einzelne Lektionen sind völlig dem katechetisch-dogmatischen Stoff gewidmet. Am Michaelistag wird de angelis gehandelt, am 1. Weihnachtsfeiertag tiber das Weihnachtsevangelium, am 2. und am Tage Innocentum über den Eingang des Johannesevangelium gesprochen. Am 1. Weihnachtsfeiertag gibt Melanchthon ein Diktat. Nach Daniel beginnt er die Proverbia zu behandeln (18. Januar 1534), unterbricht dies aber mit einer drei Lektionen um- lassenden Auslegung des 51. Psalm. Im März gibt er dann die Behandlung der Proverbien überhaupt auf und, nachdem er von Sonntag Judica an die Passionsgeschichte und am Charfreitag Jes. 53 besprochen, an den Osterfeiertagen die kirchlichen Texte durchgenommen hat, wendet er sich am Sonntag nach Ostern zum Kolosserbrief, der außer den kirchlichen Festtagen behandelt wird. Vom 26. Juli an wird mit seiner Auslegung wiederum katechetisch-dogmatischer - Stoff verbunden, bis die Auslegung am 20. September beendet ist. Am 27. September kündigt Melanchthon an, daß er nunmehr abwechselnd Genesis und Titusbrief behandeln werde. Zunächst aber spricht er am Michaelistag, wie üblich, von den Engeln und am 4. Oktober von der Kirche. Am 11. Oktober beginnt er statt des Titusbriefes den 1. Timotheusbrief, am 8. November die Genesis auszulegen. Nur noch einmal kehrt er dann zu dem Timotheusbriefe zurück, um weiterhin bei der Genesis zu verbleiben. Vom Sonntag Jubilate an verbindet er damit wieder die Behandlung katechetisch-dogmatischer Stoffe. Mitte Juli 1535 steht Melanchthon bei Gen. 23. In demselben Monat vertrieb die Furcht vor der Pest die Universität nach Jena, von wo sie erst im folgenden Frühjahr zurückkehrt. Melanchthon wird dann wohl kaum die Genesis wieder vorgenommen haben. Jedenfalls wandte er sich zur Behandlung der arbor consan- guinitatis (vgl. oben). Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Drucklegung seines Diktats von einem seiner Zuhürer erfolgt ist.

Aus den nächsten Jahren fehlen uns Nachrichten und Nachsehriften der Sonntagslektionen. Sie setzen erst in der Adventszeit 1541 wieder ein, und zwar in einer veründerten Form.

In diesen Lektionen finden wir einen großen Teil der bereits im Eingange erwähnten Annotationes in Evan-

6*

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gelia’). Melanchthon behandelte in den Sonntagslektionen zunächst, oft recht kurz und in freiem Vortrag (in aerem dixit) das Sonntagsevangelium, sodann diktierte er seine „Postille“ (Bl. 131b kommt diese Bezeichnung vor), und zwar, ohne daß das betr. Stück stets im Zusammenhang mit dem Sonntagsevangelium stand. Diese Diktate reichen bis Sonntag Lätare 1544. Noch in diesem Jahre wurden diese Diktate obne Melanchthons Vorwissen gedruckt und dann ihm mit der Bitte vorgelegt, sie durch ein Vorwort gewisserinaßen zu beglaubigen?) Da dieses Vorwort in der Form eines Briefes an Helt*) verfaBt ist, gehen wir wohl nicht fehl in der Annahme, daB Helt der Herausgeber oder zum mindesten an der Herausgabe stark beteiligt gewesen ist. Nüberes hierüber wird der Abdruck dieser Sonntagslektionen, in dem Helts Nachschrift mit dem Druck zu vergleichen sein wird, ergeben. Hier sei nur am zwei Beispielen gezeigt, wie die in den Annotationes enthaltenen längeren Stücke entstanden sind.

C. R. XIV, 175—183 bringt unter Die natali Christi eine Auslegung von Joh. 1, 1—14. Sie setzt sich aus folgenden Diktaten des Jahres 1541 zusammen: 4. Advent (Bl. 54b 57b) S. 175 Initium bis S. 177. Mitte: praedicati loco. In festis nataliciis (Bl. 58b 61b) S. 177. Mitte: Sicut autem bis S. 178 Abs. 3: auxilium tuum. In die S. Stephani (Bl. 61b 64a) = S. 178 Abs. 4: Ergo Johannes bis S. 181,2 gentium, In die S. Johannis (Bl. 64a 66b) das Uebrige.

C. R. XIV, 305 —317 bringt im Anschlusse an Luk. 15, 1—10 lüngere dogmatische Ausführungen, die an folgenden Tagen des Jahres 1543 und 1544 diktiert wurden: 2. Advent (Bl. 131a 133b) = S. 305 Cum primi bis S. 307 Abs. 2: res complectatur. 3. Advent (Bl. 133b 136b) = S. 307 Abs. 2: Cum autem bis S. 308,12 v. u.: opponit. 4. Advent (Bl. 136b 1382) 308,12 v. u.: Deus etiamsi bis S. 311 Abs. 2: terrores et penas. Weihnachten (Bl 138b 140b) = S. 311 Abs. 2: Econtra filius bis S. 312 Abs. 2: debet confessio. Die circumeisionis (Bl. 144b 146b) = S. 312 Abs. 2: Convivium significat bis S. 313 Abs. 2: omnium misereatur. 1. Sonnt. n. Epiph. (Bl. 146a 150a) = S. 313: De quinto bis S. 315,6 ardentes motus. 2. Sonnt. n. Epiph. (Bl. 150a 152b) = S. 315: Sie de reconciliatione bis 317 Deus alienos.

1) C. R. XIV, 161 fl. *) Dieser Vorgang &hnelt der Herausgabe der Conciunculae quae- -

dam D. Mart. Lutheri amico euidam praescriptae (W. A. 46, XXXVIII). ) C. R. V, 560ff.

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Versuchen wir, uns ein Bild einer solchen Sonntagslektion Melanchthons zu gestalten, Sie beginnt früh 6 Uhr, da die Teilnehmer nicht am Besuche des Gottesdienstes gehindert werden sollen. Freilich der fleißige Melanchthon wartet oft den Glockenschlag nicht ab, so daß Helt und mit ihm wohl maneber andere zu spät kommen. Die Zuhörerschaft besteht aus Jüugeren und Aelteren. Auch die paedagogi adeliger Studenten nehmen teil. Der paedagogus illius de Reiffenstein berichtet einmal Helt, was Melanchthon im Anfang der Lektion bebandelt hat (2. Norember 1533). Sonst wird nur einmal ein Name genannt (ein puer, nobilis de Werder, 17. September 1543) Die Lektion beginnt mit einem ein. leitenden Worte Melanchtbons oder mit einer Wiederboluug des in der vorangehenden Lektion Behandelten (Primo quae- sivit ex puero praedicta in priori lectione, quae requirantur ad orationem, quae narravit puer. Initio lectionis requi- sivit ex puero dicta in praedicta lectione de sacrificio et sacramento. Initio lectionis quaesivit ex puero de iis locis, qui iam sunt tractati quaesivit ex puero, quare deus induxit diluvium) Dann liest wiederum ein puer die zu behandelnde Schriftstelle vor. Während Melanchthon selbst zum Leidwesen der Nachschreiber sehr schnell, celeriter et non intelligibititer, zu sprechen pflegte, forderte er von den Schülern langsames Lesen und beim. Antworten lautes, deutliches Reden. Dabei wird besonderer Wert auf die riehtige Ausprache gelegt (nicht Milziades, sondern Miltiades das griechische eu als ef: Aargevo = latrepho, selbst vor Konsonanten, z. B. efeharisticum Golgotha mit dem Ton auf der zweiten Silbe). Nun folgt die Behandlung der Stelle in ziemlich freier Weise, oft mit zahlreichen Abschweifungen, die Helt zu der Bemerkung veranlassen: Dixit valde confuse, nullo ordine observato. Nötigenfalls wird auf die (wohl im Zimmer befindliche) Landkarte ver- wiesen“): Remisit ad tabulas, quas videndas iussit. Viele Fragen werden in den Vortrag eingeflochten, die z. T. auch an ältere Studenten gerichtet sein müssen selbst Helt muß es sich einmal gefallen lassen, gefragt zu werden, freilich ohne daß seine Antwort abgewartet wurde. quae- sivit d. Philippus ex me: quoto gradu duxit Isaac Rebecenm? respondit ipse: tertio gradu. Mit Vorliebe behandelt Melanchthon bestimmte Conclusionen, die im Laufe der Jahre zu einem eisernen Bestand der Lektion werden, ebenso wie die zahlreich eingefügten Geschichten, Beispiele, Sprichwörter u. dgl, so daß man unwillkürlich an die Worte, die die

1) Vgl. Hartfelder S. 203.

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böse Zunge einem Professor in den Mund legte, erinnert wird: „Hier pflege ich den und den Witz zu machen.“ Ganz besonderen Wert legt Melanchthon auf die Aneignung bestimmter biblischer Sprüche und Sentenzen aus Schrift- stellern. Er fordert, daB die Schtiler solche für bestimmte Dinge in promptu haben z. B. betr. der potentia verbi Dei. So läßt er denn in der Lektion gern Bibelstellen aufsagen, z. B. Ps. 2, aus Ps, 51; 68.; Luc. 2. Ebenso fordert er die wörtliche Einprügung bestimmter Definitionen!): primo quae- sivit in eatechismo de partibus poenitentiae, scilicet contritione et fide. Philippus usitata vocabula retinenda esse consuluit, quia mutatis vocabulis necesse est alias sententias sequi et mutationem sententiarum. Nur ganz selten diktiert Melanchthon etwas (abgesehen von den Diktaten in Hdschr. X, aus denen die Annotationes in Euangelia hervorgingen), so die Uebersicht über die loci einer Perikope, über den Inhalt der Genesis und de creatione. Hier und da wird eine Ermahnung das studentisehe Leben betr. eingeflochten: Invehebatur in eos, qui bachabundi currunt per plateas. Turci nos reducent ad modestiam. Si non potest furor coer- ceri et reprimi iuvenum, opto Turcam venire (Neujahr 1542). Ein ander Mal mahnt er zur Sparsamkeit und verweist auf einen ihm bekannten Menschen, der dreimal am Tage die Stiefel wechselte!

Aus den nächsten Jahren besitzen wir überhaupt keine Aufzeichnungen tiber Melanchthons Sonntagslektionen. Am 16. November 1546 hatte Melanchthon Wittenberg verlassen und kehrte erst im Juli 1547 zurück, im Oktober erfolgte die Wiederherstellung der Universitit. Erst Ende 1548 setzen die Nachschriften wieder ein. Abgesehen von der Zeit zwischen dem Weggang Iielts nach Merseburg (November 1544) und dem November 1546 werden uns also die Nachschriften nur weniger Lektionen fehlen. Denn es wird doch einige Zeit gebraucht haben, bis sich die Universität wieder mit so zahlreichen Ausländern füllte, daß sich das Bedürfnis fühlbar machte, für diese, die dem deutschen Gottesdienst nicht zu folgen vermochten, jene Lektionen wieder einzurichten (vgl. Pezels Nachricht oben S. 79). Um so zahlreicher aber sind die Nachschriften, die wir aus der Folgezeit von Melanchthons Sonntagslektionen besitzen. Es sind bisher folgende ausfindig gemacht worden).

) Vgl. C. R. XXI, 1075 fl.

3) Icb verdanke deren Kenntnis der Kommission zur Ergänzung der Werke Melanchtons. Die Angaben über die Handschriften der Cod. Pal. 1832 und 1881 entstammen Herrn Prof. D. Ficker.

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1. Nachschriften Georg Rörers: Jenaer Uni- versitätsbibliothek Bos. q. 24a. Sie umfassen die Lektionen vom 1. Advent 1548 (eingestreut die vom 15. Sonnt. n. Trin. 1548) bis zum Palmsonntag (22. März) 1551, sämtlich datiert. Diese Aufzeichnungen sind nicht unmittelbare Nach- schriften, sondern Abschriften solcher. Sie schließen mit dem März 1551, also mit dem Wittenberger Aufenthalt Rörers, der noch in diesem Monat nach Dänemark aufbrach. Vielleicht darf daraus gefolgert werden, daß Rörer eigene Nachschriften vorgelegen haben. Aber auch andre bat er benutzt. Er nennt selbst die Ulrich Sitzingers (vgl. Allg. deutsche Biographie 34,424 ff). Von besonderem Werte sind - Rörers Aufzeichnungen, weil sie nicht Bearbeitungen sind und weil sie die Datierung der in diese Zeit fallenden Lektionen andrer Handschriften ermöglichen.

2. Hamburger Stadtbibliothek Cod. St. Jacobi 8. Annotata in Euangelia Dominicalia, Witenbergae ex praeleo- tionibus Domini praeceptoris philippi Melanchthonis obiter collecta et excerpta ab Anno 1549 usque ad Annum 1654. Nam hoc anno discessi Witeberga. Dieser Band enthält Reinschriften, sieben vefschiedenen Händen entstammend. Der Zusammensteller hat einen Jahrgang von Ostern an gebildet ohne Rücksicht . auf die chronologische Ordnung. Die Lektionen von Ostern bis zum 2. Sonnt. n. Trin. gehören ins Jahr 1550, die vom 3. Sonnt. n. Trin. bis zum Sonntag nach Weihnachten ins Jahr 1549, Neujahr bis Charfreitag wieder ins Jahr 1550. Fünf weitere Lektionen stammen aus dem Jahre 1651. Da der Titel von Lektionen bis zum Jahre 1554 spricht, isí der Band vielleicht das Bruch- Stück einer grüBeren Sammlung.

3. Nürnberger Stadtbibliothek Solger Ms. 57 a, 57b, 570. Enarrationum in Euangelia Dominica Viri doctissimi Philippi Melanchthonis. Diese drei außerordentlich sauber geschriebenen Bände enthalten einen vollen Jahrgang der Lektionen, in dem für manche Tage sich solche aus verschiedenen Jahren befinden. Die Niederschrift des dritten Bandes ist am 18. Juli 1559 beendet. Die meisten Lektionen lassen sich durch Rörers Handschrift bestimmen. Abgesehen von wenigen, die, hier datiert, den Jahren 1552 und 1553 angehören, entstammen sie den Jahren 1549 bis 1551. Einige lassen sich nicht bestimmt datieren.

4. Cod. Pal. 1832. Expositiones Euangeliorum, quae annuatim leguntur autore Domino P. Melan. in Academia Witte. Anno 1654. Enthält Nachschriften der Lektionen vom 1. Sonnt. n. Trin. 1554 bis zum Trinitatisfest 1556.

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5. Cod. Pal. 1831. Euangelia a D. Praeceptore nostro per totum anni circulam exposita inchoata 16. Junij. S. M. Anno Domini 1555. Sum Joannis Fleischman. Enthält Nachschriften der Lektionen vom 1. Sonnt. n. Trin. 1556 bis zum 25. Sonnt. n. Trin. 1556 (5. bis 19. Sonnt. n. Trin. fehlen).

6. Góttinger Universitütsbibliothek. St. Johannis 3. Enarrationes Evangeliorum Dominicalium et quae diebus Sanctorum leguntur, exceptae in inolyta Academia Witebergensi ex ore Domini praeceptoris Philippi Melanthonis ıc. Anno a nato Salvatore 1555 et 1556. Diese Handschrift hat Wilhelm Meyer ausführlich behandelt (vgl. oben S. 78). Die chronologischen Schwierigkeiten, von denen er S. 22 handelt, bestehen in Wirklichkeit nicht. Der 19. Sonn. n. Trin. 1555 fällt auf den 20. Oktober usw. Die hier vorliegenden Niederschriften sind saubere Reinschriften, umfassend die Lektionen vom 20. Oktober 1555 bis Exaudi (17. Mai) 1556.

Wir ersehen aus dieser Zusammenstellung, daß wir die Lektionen von der Wiederaufrichtung der Universität bis Mitte 1556 ziemlich vollständig besitzen. Nur die Jahre 1552 und 1553 sind lückenhaft, eine Zeit, in der Melanchthon viel von Wittenberg abwesend war. Völlig fehlen uns die Lektionen aus den letzten vier Jahren bis auf die wenigen, die uns Pezel tüberliefert hat (z. B. aus dem Jahre 1560 C. R. XXIV, 582 ff. 672 ff. 678 ff.). Die Handschriften, aus deren er für diese letzten Jahre geschöpft hat, sind verschollen, wie auch die beiden Codices, die Bretschneider besessen hat (Lektionen aus den Jahren 1550/51 und 1552/53; vgl. C. R. XXIV, XXI ff. vgl. XXV, 903 ff.).

Mit der Wiederaufnabme der Sonntagslektionen nach der Wiederherstellung der Universität änderte Melanchthon die Art derselben insofern, als er fast ausschließlich die evangelischen Sonn- und Festtagsperikopen behandelte, ver- mutlich deshalb, weil diese Lektionen den der deutschen Sprache nicht genügend mächtigen Ausländern zugleich einigermaßen die Predigt ersetzen sollten. Im übrigen aber ist die Art der Lektionen dieselbe wie früher, und, was Wilhelm Meyer von den Lektionen der Göttinger Handschrift sagt, trifft auch auf die übrigen zu.

Die Sonntagslektionen seit Wiederherstellung der Uni- versität sind es nun, die Christoph Pezel zu seiner Postilla Melanthoniana bearbeitet hat. Die Willkür seines Verfahrens hat den ursprünglichen Zustand der Lektionen völlig verwischt. Er spricht sich über die Art seiner Bearbeitung selbst weit- làufig aus (C. R. XXIV, XXXV). Im ersten Teil der Postille,

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bis Lätare, baute er aus den Lektionen der verschiedenen Jahre für den betreffenden Tag eine zusammen: non ex singulis Rhapsodiis singulas conciunculas, sed ex universis annorum plurium unam concionem adorvare et quasi in unum corpus redigere institueram, hoc òrdine plerumque Bervato, ut primum grammatica et historica, postea vero doctrinae locos recitarem. Nun erklärt zwar Pezel, daB er weiterhin diese owuarorroil« aufgegeben und immer für die einzelnen Tage zunächst eine integra conciuncula, quae visa fuit plenior gewählt, sowie dann zugefügt habe, quae ex Rhapsodiis singulis ad pietatem et eruditionem pertinentia utiliter addi posse videbantur. Wir dürfen uns jedoch durch diese Angabe nicht täuschen lassen. Die Prüfung ergibt, daß Pezel auch weiterhin sich von jener owuaronoll« nicht freigemacht hat,

Wissenschaftlich ist Pezels Postille völlig unbrauchbar. Zu erstreben würde sein, die uns überlieferten Lektionen in extenso herauszugeben, mögen nun die einzelnen Jahr- gänge nacheinander oder in der Reihe des Kirchenjahres, so daß für den betr. Tag die für die einzelnen Jahre vor- handenen Lektionen einander folgen, abgedruckt werden.

Aus dem Briefwechsel des Stettiner Pfarrers Kogler. Von Theodor Wotschke.

Einer der bedeutendsten und angesehensten Geistlichen Stettins im Reformationsjahrhundert war Johann Kogler aus Quedlinburg. In Wittenberg hatte er einst studiert, hier am 11. Februar 1550 den Magistergrad erworben, dann schon Pastor in Stettin, hier am 28. November 1559 auch die Würde eines Licentiaten und am folgenden 7. Dezember die eines Doktors der Theologie". Immer fühlte er sich Wittenberg verbunden, der Leucorea, der er sein Wissen verdankte, die ihm die höchste theviogische Würde dargereicht hatte, verpflichtet, Mit Paul Eber stand er in Verbindung, aber auch mit Georg Major?) und seinem Schwiegersohne Paul Krell. In den nachfolgenden Briefen an Eber dankt er für die Zusendung von dessen 1562 erschienener Schrift , Vom heiligen Sakrament des Leibes und Blutes Christi“, die in Pommern großen Beifall gefunden babe, gedenkt er, der manches Büchlein hat ausgehen lassen, einer eigenen Ver- öffentlichung über die Taufe, die er auch nach Königsberg an Herzog Albrecht gesandt hat, empfiehlt er einen nach Wittenberg ziehenden Jüngling, bezeugt er seine warme An- teilnahme an dem Ergehen der Wittenberger, an ihren Ar- beiten und Kämpfen. Vor allem aber gibt er uns in dem einen Briefe, und dies ist der Grund, weshalb ich die folgenden Schreiben veröffentliche, die wiehtige Nachricht, daß er eine Uebersetzung des kleinen Katechismus Luthers in die slavische Sprache zur Drucklegung nach Wittenberg schicke. „Cate- ehismus transfusus in linguam rutenicam“ schreibt er. Natürlich meint er damit nicht eine Uebertragung in die ruthenische Sprache, sondern zweifellos in die slavische Sprache, die

1) Vgl. auch Corp. Ref. X S. 885: Responsio doctoris Johannis Cogeleri, an toleranda sit vox in ecclesia istorum, qui contendunt hanc praepositionem esse veram: Nova oboedientia non est necessaria.

*) Zu Koglers „Imagines“ hat Georg Major 1568 die Vorrede geschrieben.

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damals noch in Pommern gesprochen wurde, in das Kassu- bische. Wir wußten bisher nur von dem kassubischen Kate- chismus des Pontanus vom Jahre 1643!), der Brief Koglers zeigt uns, daB schon 80 Jahre früher ein kassubisoher Kate- chismus in Wittenberg gedruckt worden ist, daß die pom- mersche Kirche alsbald auch ihren fremdsprachigen Gliedern ihre treue Fürsorge zugewandt hat. Der Ruhm der reforma- torischen Kirchen, für die heranwachsende Jugend in vorher nie gekannter Weise gesorgt zu haben, ist auch ihr Ruhm.

1. Johann Kogler an Paul Eber?).

Reverende d. doctor ac praeceptor venerande. Munus vestrum placet nostro principi illustrissimo maximopere ac omnibus consiliariis, adeo ut in certissimam spem adducantur non solum multos non ita sinistre et inique de vobis et vestra schola iudicaturos, sed plurimis viam monstrari regiam, ut maiori cum fructu ef utilitate de his rebus alios instituant. Nos concionatores tuae reverentiae habemus maximam gra- tiam pro illo labore utilissimo et elaboratissimo nec dubi- tamus deo illam piam, simplicem et veram explicationem placere. Exhibui autem librum vestrum cancellario illustris- simi nostri principis ea fide, qua debui et potui. Et mittit fuae reverentiae illustrissimus princeps munus cxiguum ac petit clementer, ut hilari fronte suscipiatis, non equidem vf munus, quod tenue est, sed singularem principis clementiam intueamini. De vestro candido et constanti erga me animo non dubitare possum ef promitto vobis, vestrae toti familiae ac Scholae vestrae omnia officia, quae quidem a me possunt et debent proficisci. Datum Stettini 23. Decembris. Vestrae reverentiae addictissimus Johannes Kogeler.

2. Johann Kogler an Paul Eber.

Reverende d. doctor ac praeceptor charissime. Misi huc libellum, in quo explico, quid ritus baptismi significet, nec dubito hane explicationem, quamquam simplex ef brevis est, multis prodesse plurimum. Nam res ipsa loquitur, quod in multis locis functio illa nobilissima administratur absque eura, attentione animi, cogitatione, vigilantia. Quare cum hoe ita sit, merito et optimo iure in hae praesertim corrup- fione huius seculi calcaria addenda sunt negligentioribus. Addidi etiam libellum, in quo catechismus reverendi viri d.

1) Parvus Catechismus D. Martini Lutheri Germano-Vandalicus. *) Die Schreiben 1, 2 und 4 sind der Staatsbibliothek Gotha, Schreiben 3 dem Staatsarchiv in Königsberg entnommen.

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doctoris Lutheri piae memoriae transfusus est in linguam rutenicam, quo labore multis se prodesse existimat. Peto igitur, reverende d. praeceptor, ut tua reverentia propter gloriam dei operam dare velit, ut typographus typis excudere hos libellos velit et ad nos 300 exemplaria transmittere ). Nos ei dabimus prompto animo mercedem. Illustris comes a Neungarten nondum reversus esf, ego, quam primum domum venerit, summa fide negotium hoc expediam. D. d. Teuberus salutat plurimum tuam reverentiam, cui mirifice placet vestra declaratio de coena domini, nec dubitat tuam reverentiam viam regiam demonstrasse, quomodo in multis locis rursus cecle- siae vulneratae revalescere, sanari et confirmari possint- Precor autem aeternum patrem domini nostri Jesu Christi, ut tuam reverentiam diu florentem et incolumen conservet. Quamdiu Paulum habuere in navi, evaserunt reliqui incolumes. Sic deus beneficiet vestrae scholae, quamdiu scripta s. Pauli ut nobile depositum custodietis. Salutem precor toti familiae ac omnibus collegis. Datum Stetini. Vestrae reverentiae addictissimus Johannes Coglerus.

9. Herzog Albreent an Johann Kogler.

Wir haben euer ann vnns gethanes schreiben zusampt dem daneben vberschickten buchlein empfangen vnd seines inhalts lesende eingenommen, sagen euch für euren gehabten angewandten vleis vnd arbeit gnedigen danck vnd schicken euch hinwiderumb bei zeigernn zu erklärung vnnseres dank- baren vnd gegen euch geneigten gnedigen gemnts zehen taler gantz gnedigst sinnende, ir das geringe vor dismal von vns zu vnderthenigem danck annehmen vnd dabei vnsere gnedige gewogenheit spüren wolle. Datum 4. May 1563.

4. Johann Kogler an Paul Eber.

Reverende domine doctor ac praeceptor colende. Non debui nec volui pati, ut hie adolescens absque meis literis in vestrum prodiret conspectum. Nam hae ratione existimo fuam reverentiam non obscure cognoscere posse meum ani-

) Meißen, den 21. März 1564 schreibt Wolfgang Figulus an Eber: „Fuit proxime apud nos quidam minister pulsus ex Ungaria exul, qui narravit te Noribergae convenisse et tibi a Trubero tui studioso attu- lisse literas et libellos catechesis Lutheri versos in cirulicam et scla- vonicam linguam graecis characteribus. Pro nostra summa coniunctione &te peto, ut unum exemplar ad me eiusmodi mittas videndi et admirandi eausa, Qui vero retulit, eius nomen est m. Joannes Glausnitz.

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mum in vos esse talem, qualem esse vultis et qui etiam esse debet. Mirabili modo deus hactenus vestram scholam usque in senectam portavit, tua reverentia equidem viribus cor- poris non imminuta ecclesiae et scholae multos annos praeclare praefuit. Deinde rev. vir d. doctor Georgius Maior in honestis- sima senecta omnibus ministris evangelii plurimum inservi- vit, quando enarrationes nervosissimas in explicationem episto- larum ef evangeliorum in lucem edere non dubitavit!) Ac reliqui professores suam, quam nacti sunt, spartam ornant. Et quamquam cum senio et labores ac difficultates vobis augentur, ac sicuti umbra vergente sole in occasum fit longior, sio et nune in ecclesia curae duplicantur et multi insulsi ho- mines nescio qua de causa inflammati negotia intempestiva vobis facessunt, tamen dubium non est, quod veritas emerget et palmam obtinebit. Imo capita nostra laeti erigimus ad laetum domini adventum. Nam quando duplicantur lateres, venit Moses. Has literas scribens legeram in psalmo 110 de populo spontaneo et simul cogitabam, quando Muscu- lus hunc textum et multos alios eo detorquet, ut probare possit bona opera non esse necessaria. Deplorandum est et vere deplorandum, quando eo res rediit, ut ita scelerate insulsi scripturam dilacerent et peregrinas interpretationes adferant, ut auditores in securitate extrema confirmentur Putas, quod filius hominis fidem reperiet, quando est ven- turus? Quae enim fides est, si bona opera non sequuntur? Et cum ille Musculus cum aliis Flacianis defendere non erubescat, hominem in conversione se habere mere passivum, quis non posset illorum argumentum cum hoc dicto et omni- bus aliis, quibus probare volunt bona opera non esse neces- saria, refutare et potius probare, si populus dei spontaneus est, si sacrificia spontanea, certe necesse est, ut spiritui sancto docenti et moventi non contumaciter resistamus et velis re- pugnemus. In actis apostolorum fere nullum caput est, iu quo non vivis coloribus processus nobis ob oculos proponitur, quomodo deus nos regeneref. Car Christus semper solet quaerere, quid tibi faciam, vis esse sanus? Cur quaerimus ab infante, credisne in deum patrem, filium et spiritum sanctum? Non dubium est, quod hi Flaciani vobis in illo conventu Altenburgensi multum molestiae exhibuerunt, sed filium dei, qui ut gallina pullos suos congregat, sic illum nos congre- gare cupientem ardentibus votis et toto pectore invoco, ut puritatem doctrinae et verum usum sacramentorum in hao eoclesia et Emaus conservet et illis adversariis det mentem

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1) Seit 1552 erschienen Majors enarrationes epistolarum Pauli, 1562 seine homiliae in evangelia.

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neliorem, vel si a sua sententia non velint descendere, ut confundantur vnd das ire anschlege zw wasser werden vnd ire holtzene anschlege verfaulen.

Hic adolescens putabat meam commendationem sibi usui fore, si dabitur occasio, reverende d. docfor, oro, ut spes illa eum non fallat. Elegans carmen et latinum et graecum scribit. Salutem precor rev. viris d. d. Georgio Maiori et d. doctori Crellio, proxime et illis scribam. Salutem precor fuae coniugi honestissimae plurimam ac filio d. magistro Paulo et magistro Sylvestro. Dat. Stetini 20. Aprilis, quo die obiit rev. d. vir doctor Bugenhagius. Reverentiae tuae addictissimus Johannes Cogelerus pastor.

Brentiana und andere Reformatoria IX. von Walther Köhler ). 36. Gutachten von Brenz über das Abendmahl.

Dieses „Bedenken“ ist bei Walch: Luthers Werke XVI S. 1180ff. in deutscher Uebersetzung mitgeteilt; der Codex Suevo-Hallensis bietet den Originaltext, der bei Cölestin II 277 gedruckt ist. Da sich jedoch einige Abweichungen finden, bringen wir das kurze Aktensfück noch einmal. Walch bestimmt im Anschluß an Cölestin die Absicht dieses Gutachtens jedenfalls falsch, wenn er sagt: „Joh. Brentii Bedenken, ob die Privatmesse nicht wegen der Eucharistie könnte wiederhergestellet werden.“ Von der Privatmesse ist überhaupt nicht die Rede; uberhaupt werden die „Papisten“ nur kurz am Schlusse gestreift und ihre impudencia der Kelchentziehung gegeiBelt. Im übrigen aber trägt das Gut- achten deutlich seine Spitze gegen die Zwinglianer. Das besagt deutlich der Satz: est igitur cena instituta ad accipien- dum aliquid a deo non ad reddendum aliquid deo sowie die Problemstellung des Ganzen. Ja, die „Papisten“ werden als Kronzeugen gegen die Zwinglianer angeführt, da ja auch sie nicht sagen, daß die sog. Laien im Abendmahl Gott etwas darbringen, vielmehr etwas empfangen: diese Bundes- genossenschaft der Lutheraner mit den Römischen gegen die Zwinglianer ist ganz der Standpunkt von Artikel 10 der Augustana. Eine zeitliche Fixierung dieses Bedenkeus er- scheint schwierig; möglich, daß es mit den Dokumenten in Nr. 31 zusammenhängt, möglich daß es früher fällt; jeden- falls gehört es dem Augsburger Reichstage an und ist ein Beweis für Brenzens starres Luthertum.

Cena dominica non tantum ad graciarum actionem, sed eciam ad confirmacionem consciencie instituta est. Jo. B.“

1) Vgl. diese Ztschr. IX S. 79—84 und 98—141, X S. 166—197, XI S.941—990, XIII S. 228—989, XIV S. 143—154 und S. 286—941, XVI S. 985—946, XIX S, 149—152.

5 Diese Überschrift fehlt bei Cölestin,

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Tametsi Cena dominica cum graciarum actione fit!) tamen non est proprie ad graciarum actionem, sed ad con- firmandam conseienciam et ad conservandum corpus et animam credentis in vitam eternam a Christo instituta.

Racio prima.

Dona, sive humana sive divina, hanc habent racionem, ut exhibeantur ad utilitatem et fructum eius, qui accepit’). Illiberalis enim ef avarus donator est, qui nibil distribuendis donis sua solum commoda, non autem“) accipientis Spectat Iam cene dominice Sacramentum est donum a risto distributum, siquidem autore Augustino: sacramentum est in- visibilis gracia, visibilis forma, hoc est, ut clarius dicam, Sacramentum est visibilis doni visibile signum. Graciam enim pro dono clementer exhibito usurparunt veteres*). Est igitur proprie institutum, non ut nos Christo aliqua exhibea- mus accipiendo cenam dominicam, sed ut nobis aliquid exhibeatur et donetur.

Secunda racio.

Panis", qui in cena dominica distribuitur, est corpus Christi et vinum sanguis eius. Ut autem corpus in cruce non esí oblatum nec sanguis eius effusus tantam ad gracia- rum actionem, sed proprie ad satisfactionem et remissionem peccatorum, ita non distribuuntur in cona tantum, ut sint graciarum aetionis symbola, sed satisfactionis et remissionis peccatorum eerte note xal Grrodelaıg.

Tercia.

Promissiones®) non in hoo dantur proprie, ut gracię deo agantur, sed ut rebus promissis fruamur, ut, quando dens Abrahamo promisit posteritatis multiplicacionem, non hoc proprie egit, ut Abrahamum ad graciarum actionem excitaret (quamvis et hoc accessit), sed ut in Abrahamo fidem efficeret et per fidem iustificaret, et Davidi regnum promisit, non in hoe proprie, ut gracio agerentur, sed ut David regno potiretur, e quo deinde in Davide graciarum actio exorta est tanquam fructus acceptorum bonorum) non

!) fit] accipienda sit Coel.

3) accepit] accipit Coel.

3) autem om. Coel.

4) Coel: aliquando veteres.

5) Coel: item panis.

*) Coel: item promissiones.

7) Coel: bonorum acceptorum.

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tanquam eausa promissionis. In cena autem dominica pro- missiones corporis et sanguinis, seu, ut verius!) dicam, pre- sentes exhibiciones dantur.

Est igitur cena instituía ad accipiendum aliquid a deo, non ad reddendum?) aliquid deo, quamvis grati animi sit, accipiendo donum reddere graciam.

Quarta racio.

Christus?) dicit: hoo facite in mei commemoracionem, et Paulus: quocienscungue commederifis panem hune ef de poculo biberitis, mortem domini anunciate*). [1. Cor. 11, 26.]

lam dominice mortis anunciacio non est proprie in- stituta ad graciarum actionem, sed ad excitandam fidem et erigendam consciencie imbecillitatem, sicut neo verbi dominici predicacio hue tantum spectat, ut gracias deo aga- mus, sed ut instruamur") in iusticia et consolacionem ac- cipiamus.

Consequitur ergo cenam dominicam ad eundem finem institutam esse, ad quem mortis dominice anunciacio spectat.

Item quemadmodam pane valgari vescimur, ut corpus alamus, bio enim est principalis finis esce corporalis, e quo postea oritur graciarum actio, non tanquam finis sed tan- quam finem consequens, et ut baptisamur non ad graciarum actionem, sed ad ablucionem sordium anime et ut per la- vacrum regeneracionis salutem consequamur, licet baptismi donum sequatur in credente graciarum actio,

ita vescimur pane cene dominice ad pascendam (ut sic dicam) conscienciam, que pasca exurgit in graciarum actio- nem, non tanquam finem sed finis eventum.

Item Nemo papistarum quantum ego sciam dicit laicos (quos vocant) communicando sacrum deo facere, sed potius fatentur illi laicos sacrum "excipere. Qua igitur impudencia audent sacrificuli plus sibi arrogare ef usurpare de Cena dominica quam laici? Quando utrisque similiter instituit ô), hec uni ordini plus quam alteri tribuit?)

1) verius) certius Coel, 1) reddendum: dandum Coel. ) Coel: item Christus. *) Man.: annunciete, 5) instruamur] instituamur Coel. *) Coel: Christus instituit. ?) tribuit om. Coel. Arobiv für Reformatiousgeschichte. XXI. 1,2.

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Exeitacio fidei et (PN. confirmacio conscienciae Pi Institucionis | Cene dominice

est

Graeiarum actio eventus seu. consequens finem

37. Einzelne Aufzeichnungen (z. T. von Brenz?).

Wie mir scheint, hat der Schreiber des Codex Suevo- Hallensis hier mehrere lose Zettel, die er vorfand, anein- andergereibt. Zunächst zwei kurze Ausführungen über die Buße, eine Auseinandersetzung mit der katholischen Lehre.

Es folgt eine Aufzeichnung, wie man Angefochtene in der Versuchung trösten kann. Der Verfasser ist jedenfalls nicht Brenz, sondern ein Wittenberger, da er auf häufige Tröstungen durch Bugenhagen verweist. Interessant ist der Versuch, einen an der Wahrheit der Schrift Verzweifelnden vom allgemein menschlichen Boden des Naturrechtes aus wieder aufzurichten. Gelingt das auch nicht, dann soll die Fürbitte der Kirche eintreten; vielleicht, daB Gott diesen stellvertretenden Glauben ansieht und den Kranken wieder gesund macht. Als terminus a quo für dieses Stück ergibt Sich 1529; denn damals erschien die Schrift des Huberinus: „vom Zorn und der Gute Gottes", auf die verwiesen wird.

Daran schließen sich „Zeugnisse der Alten, daß man die Heiligen nicht anrufen oder anbeten soll“. Als Ver- fasser ist hier Melanchthon angegeben. Auch die daran an- schließenden Argumente pro coniugio sacerdotum dürften Melanchthon zuzuschreiben sein, 80 gut wie die de usu et fructu, von denen leider nur der,Titel bekannt ist Die den Schluß bildenden quinque opiniones de missa werden wieder ausdrücklich Melanchthon zugesprochen, und zwar von Brenz selbst. Brenz fügt nämlich die Bemerkung bei: „Soweit Philippus, er schreibt schneller, als wir alle denken, aber er denkt doch nicht anders als wir.“ Daraus dürfte doch zu schließen sein, daß das iudicium von Melanchthon in einer gemeinsamen Beratung aufgezeichnet wurde. Als Datum für diese opiniones hat Virck in Zeitschr. f. Kirchen- gesch. IX 297 den 20. Juli 1530 wahrscheinlich gemacht. Vermutlich gehören die „Zeugnisse der Alten“ über die Heiligenverehrung und die Argumente pro coniugio sacer- dotum derselben Zeit an.

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De penitencia.

Et quia patres partiti sunt penitenciam in tres partes, tres nos recusamus cum patribus recte intellectis loqui, quod penitencia habeat tres partes: contricionem, ' terrores con- sciencie agnito peccato, confessionem et satisfactionem, videlicet fructus dignos penitencie; non quod propter merita nostra sequencia deleatur peccatum. Johannes enim dicit [1. Joh. 2, 2]: Ipse est propiciacio pro peccatis nostris, sed in confessione magis respiciendum est ad fidem absolucionis quam ad ipsum opus confessionis. Nam illa fide ap- prehendimus remissionem per absolucionem administratam.

De penitencia.

De peniten. di 1. C. Utrum ete.!).

De penitencia distinctione 1. Canone: utrum. Sed quic- quid dicat, die quod nec cordis contrieione nec oris con- fessione peccata dimittuntur, sed tantum gracia dei. Sed ipsa eordis contricio signum est peccata esse dimissa, sicut exterior satisfactio signum cordis contriti; gracia enim precedit contricionem, contricio remissionem. Unde remissio est attribuenda gracie, que est causa cause.

Tentatos fide et spe hoc modo solarer: Primum ut solitudinem caveant, sed semper oonversentur cum aliis de psalmis et scripturis confabulando. Dein, quamquam est difficilimum facere, tamen presentissimum remedium: Si sibi persuadere possent certo esse cogitaciones has non suas, sed Sathane. Ideo annitendum summo conatu, ut ad alia eor vertant et tales cogitaciones illi relinquant. Nam eis imorari vel cum eis pugnare et velle superare et finem earum expectare est eas irritare et roborare usque ad per- dicionem absque ullo remedio. Das best.: fallen sie ein, so laß sie wider auffallen und nit lang dencken oder disputirn. Wer das nit tbut, dem ist nit zu radten. Sencies autem, quam difficile hoc sit factu. Nam eum eis cogitacionibus agatur cum deo et de salute eterna vehementer recusat natura eas relinquere, aut contemnere, nisi. prius certa fiat. Ignorans, quod haec certitudo ef victoria est impossibilis, Scilicet mirando et cum eis disputando, quia queritur certi- tudo et victoria per cogitaciones et nostrum consilium, quod sathan bene novit. Ideo sie eas inculcat et necessarias . facit, ut nemo eos velit relinquere et sese avertere. Sed spectare et palpare finem, hoc est succumbere et sathanam regnare. Ut autem facilius asuescant averti, persuadeantur

1) Vgl. Corp. iur. can. ed. Friedberg I p. 1159. ^

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audire dictum aliquod boni viri tanquam vocem dei de celo. Sic ego una hac voce Pomerani sepius recreatus sum, quod semel ad me dixit: Non debes consolacionem nostram con- temnere. Quia persuasi mihi esse de celo vocem dei, tunc intelligitur quid sit: Eloquium tuum vivificavit me | Ps. 119, 50]. Hane passus est Christus, ubi dixit ad Sathanam [Matth. 4,7]: Non tentabis dominum deum tuum. Quo verbo et vicit et vincendum nobis reliquit diabolum. Nam vere aliud nihil sunt cogitaciones ciusmodi quam tentaciones dei, licet hoc non putemus dum adsunt, sed et celestinas et summe necessarias pro salute arbitramur, quia deum opponunt, quem non liceat contemnere et cor non Audeat ei dicere: Tu non es deus, aut nolo te deum, et tamen necesse est ita dicere, uf avertaris et aliter deum quam isto modo cogites. Quod fit, [si] in verbo solantis et reducentis credas et te totum tradas. Hee verbose licet non satis, quia novi, quid Sathan possit hac II] genere tentacionis. Ultimo oracionibus petant et credant se iuvari, sicut revera iuvantur. Si credant, nec solum pugnant aut paciuntur, assistimus omnes oracioni- bus et onus nostrum mutuo portamus Gal. 6, 2]. Adde ubi non cessaverit Sathan, [ferant longanimiter. Scientes, quod Sathan quos subita vi aut astu capere non potest, assiduitate et prolixitate fatigare studet, sicut ille cantat: Sepe expugnaverunt me ete. ,

Si quis a tota scriptura desperat, quid in illis tentacio- nibus faciendum sit, notandum est.

... . . Videtur .. hoc [nämlich eine Tröstung] com- mode fieri posse per inculcacionem legis natu-alis. Num etsi is non credat verum esse quod de lege scripta Mosi dicitur, tamen necesse habet credere ea, que naturaliter deus inscripsit menti humane. Naturaliter autem inscripta est hec sentencia in omnium hominum mentibus: Quod tibi non vis fieri, alteri non feceris. Ex hoc fonte originem legis duxerunt leges civiles tam apud ethnicos quam apud Mosen. Deinde inscriptam et hoc est in naturam humanam, quod unus sit summus deus, qui banc mundi machinam gubernet. Tametsi enim etbnici multos deos crediderint, tamen unum summum deum posuerunt, qui omnes alios deos in sua po- testate habeat ..... Postremo eciam illud naturali cognicioni insculptum est, quod post hanc vitam bonis gaudium, malis autem supplicium paratum sit. Hine apud ethnicos Pluto!), Styx, Phlegeton, Cerberus et alia inferni portenta, rursum campus Elysius et beatorum insule. Que certe non fuissent tanto consensu ab omnibus precipuis gentibus tradita, nisi

N) Mskr.: Plato.

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invenissent illa insculpta in mentibus suis. Quod si infirmus his consenciat, deducendus est ad cognicionem operum nostrorum, quod nihil vere boni facere queamus. Etsi enim sepe summi inter gentes viri conati fuerunt virtutes aliquas prestare, tamen eas tantum prestiterunt iuxta speciem externam, manente interim odio, invidia, ambicione et aliis id genus adfectibus in corde. Sentit autem et naturalis racio opus specie fantum bonum, intus autem malum non esse vere bonum. lam si omnes mali sumus et mali post hanc vitam Plutoni’) (ut ethnic loquar) traduntur, interim tamen aliqui post hanc vitam gaudia eciam iuxta ethnicorum confessionem consequuntur, necesse est, quod his malicia sua eondonetur, et non imputetur. Nullum autem alium remis- sorem et condonatorem peceatorum invenire potes in toto orbe preterquam Christum. In Christum igitur credendum est. His si consenserit infirmus, lucratus es animam suam. Sin vero perrexerit nec iis fidem adhibere, que naturaliter menti insculpta sunt, non video aliam viam, qua ei succurri queat quam ut ad exemplum paralitici evangelici precibus piorum offeratur domino deo nostro, et fiant pro eo oraciones in ecelesia. Fortassis sicut Christus respexit fidem portancium et restitui eum nihil tale pre sua infirmitate cogitantem aut cupientem sanitati, ita respiciet dominus fldem ecclesie sue et restituet huic nostro ob suam infirmitatem prorsus insano mentem sanam.

[Bez. derer, die das ewige Verderben für sich fürchten: bis suecurendum est evangelio de Jesu Christo, quod Christus dixerit: Qui credit in me, eciam si mortuus fuerit, vivet [Joh. 11, 35] ....

Quidam infirmi propter peccata sua desperant de salute. His primum predicandus est Christus, quod pro peccatis mortuus sit. "Deinde exempla proponenda sunt, quibus per Christum remissa sunt maxima peccata [David, Petrus, Paulus, Magdalena] ... Postremo pouenda sunt eis ob oculos baptismus et cena dominica, quod hee certa signa sint voluntatis dei ... Quidam infirmi tentantur de pueris suis adhuc infantibus et uxore paupere. Hi consolandi sunt promissionibus divinis, quibus deus recepit se fore patrem orphanorum et iudicem viduarum ....

De his tentacionibus non male scripsit Chaspar Huberinus in libro, cui titulus est: Vom zorn und der gutte gottes.

Testimonia veterum, quod sancti non sunt invocandi aut adorandi.

1) Mscr.: Platoni.

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Ex Eusebio in Ecclesiastica historia li. 4 ca 15. de Poly- carpo. [Folgt das Citat!)] ...

Nee tamen nos eisdem martiribus templa, sacerdocia, sacra ef sacrificia constituimus, quoniam non ipsi, sed deus eorum nobis est deus. Honoramus sane memorias eorum tanquam sanctorum hominum dei, qui usque ad mortem suorum corporum pro veritate certarunt, ut innotesceret vera religio falsis religionibus victis atque convictis, quod eciamsi qui senciebant timendo reprimebant. Quis autem audivit aliquando fidelium stantem sacerdotem ad altare, eciam super sanctum corpus martyris ad dei honorem cultumque constructum dicere in precibus: Offero tibi sacrificium, Petre vel Paule vel Cypriane, cum apud eorum memorias offeratur deo, qui eos et homines et martyres fecit et sanctis suis angelis celesti honore sociavit, ut ea celebritate et deo vero de illorum victoriis gracias agamus et nos ad imitacionem talium coronarum atque palmarum eodem invocato in auxi- lium ex eorum memorie revocacione adhortemur,

Augustinus de Civitate dei. 22. ca 10°).

Inc.] Nos autem martiribus nostris . . . [Explic.] qui sacrificat invocantur.

Item ex collectis comprobatur.

De S. Gallo. [Felgt die Collecte.]

De S. Affra.

[Desgl.]

Pietura in ecclesia prohihita est canone 36 concilii Elibertini. [Folgt das Citat:] Placuit picturas in ecclesia esse non debere, ne quod colitur aut adoratur in parietibus depingatur.

Nos non dubitamus, quin in celo omnes sancti et angeli apud deum orent pro nobis, et usum ecclesie lihenter se- quimur, que orat deum, ut precibus sanctorum adiuvemur, sed de invocacione sanctorum sentimus esse rem non re- ceptam in scripturis et preterea periculosam, ut publici abusus testantur. [Folgt dasselbe in deutscher Uebersetzung, darunter:]

Hec Philippus.

1) Vgl. Eusebius: Kirchengeschichte, hg. v. Ed. Schwartz 1903, I S. 335 fl. £) Vgl. Migne P. S. L. 41 p. 772.

103

Pro coniugio sacerdotum.

1. Dicatur, quod ista causa non habeat opus longiore disputacione. Satis clara et plana est,

2. Tantum consideret Cesar, quantum scandalorum ubique sit,

3. Quod laudant castitatem, benefaciunt, sed cur non observant? Est enim in matrimonio castitatis ment Paphnucius dixit.

4. Quod predicant esse possibilem, cur non prestant? Satis certe est turpis vita sacerdotum.

5. Eciamsi esset possibilis, tamen non esset lege pro- hibenda. llla lex iniicit laqueum conscienciis, est doctrina demoniorum. Quis dedit potestatem papę onerare sacerdotes isto onere?

6. Allegetur sentencia Ambrosii: Sola virginitas est, que suaderi potest, imperari non potest. Res magis voti quam precepti est.

7. Quod vero aiunt non esse matrimonium. Responde- tur: esse, quia ius divinum non tollitur bumana prohibicione. Obligacio autem contrahencium est iuris divini.

8. Quod rei fiunt’ prohibitores coniugii sacerdotalis omnium ipsorum fornicacionum et flagiciorum.

9. ltem fiunt participes omnis effasi sanguinis ipsorum,

10. Magna fuerit crudelitas evangelium privare sacer- dotibus piis coniugibus prohibitis; ubi enim idoneos acceperis?

Efficax argumentam liberum fuisse sacerdotibus con- trahere matrimonium:

Nam lege est interdictum d. 27 c. presbyteris eto.) ergo potuerunt contrahere.

De coniugio Sacerdotum. Numicidium presbyterum fuisse maritum et patrem Cypria. li. 4 ep. 10. Ignacius Epistola 5 ad Philadelph. Hieronimus ad Oceanum?) Eusebius li. 3 ca. 30.

Platina in Silvestro. Hieronimus contra Jovini. li. 1. folio 15. Item supra epistolam ad Ephe. 6. Origenes Ro. 12. Augustinus de baptis. contra donatis. li. 1 ca. 18. Platina in Pio 2.

1) Vgl. Corp. iur. can. ed. Friedberg I p. 100. ) Ep. 69 vgl. Migne PSL. 22 p. 658ff.

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Epipha. li. 6 ca. 14. Nicolaus papa ad consulta Bul- garorum ). |

Felinus?) c. Si qü. de rescript. in 3 et 4 col.

Abbas?) in c. cum olim de celer. coniug.

De Nuptiis, quod non liceat preter autoritatem paren- tum contrahere’).

L. 2 Si is qui puellam.

L. Si pater.

L. Si ut proponis. L. in copulandis nuptiis.

L. Nec filium. L. In coniunctione. L. Vidue.

ff. de ritu Nuptiarum Paul. li. 23.

L. 2. Nuptie consistere.

31 dist. Olim Canon Ro. cogebat abstinere ab uxoribus. Synodus sexta correxit*).

32 Canon apostolicus deponit bos, qui iubent abstinere ab uxoribus. Correxit Synodus Molpheum [?]. Item correxit Synodus Carthaginensis.

In 1. Tomo conciliorum fo. 979.

Ad eius concubitum vir suus accedere non debet quo- adusque proles, que gignitur, ablactetur.

In Concilio Arelatensi cap. 10°).

De his, qui coniuges suas in adulterio deprehendunt et iidem sunt adolescentes fideles et prohibentur nubere, placuit, ut in quantum potest consilium eis detur, ne viventibus uxoribus suis, licet adulteris, alias accipiant.

De usu et fructu [als Custode, die Ausführung fehlt, da 2 Blätter herausgeschnitten sind].

Folgen die quinque opiniones de missa = C. R. II Nr. 789. Am Schlusse derselben am Rande: [H]ec Philippus [o]cius scribit quam D. omnes sen[ci]mus. Sed tamen [n]obis non die[sen]tit, Hec B. (scil. Brentius). Vgl. die Bemerkung Bretschneiders a. a. O.: Hoc certum videtur aut Melanthonem non esse auctorem huius scripti aut illum non latina sed lingua vernacula usum esse. Die Unrichtigkeit dieser Be- merkung ist schon von Virck in Zeitschr. f. Kirchgesch. IX 297 Anm. 5 nachgewiesen.

J) Vgl. dazu Corp. iur. can. ed. Friedberg I p. 106.

*) Vgl. dazu oben S. 108.

) Die ff.-Zitate sind aus dem corpus iuris civilis.

) Vgl. Corp. iur. can. ed. Friedberg I p. 111ff. Zur Synodus sexta vgl. ib. S, 105 f.

5) Vgl. dazu ib. p. 102 Anm. 50.

Graf Wolrad II. von Waldeck und Johannes Brenz. Von Emil Körner.

Keine Darstellung des Lebens und Wirkens von D. Joh. Brenz gedenkt eines Mannes, auf den er von größtem Ein- flusse gewesen ist und der selber unter seinen Standesgenossen im 16. Jahrhundert nicht den letzten Platz einnimmt. Wenn . seine fürstliche Stellung nicht auf einer ansehnlichen Haus-

macht beruhte, so hat doch Graf Wolrad ll. von Wal-

deck weithin eine nur billige Wertschätzung genossen. Pressel, auch Hartmann und Jäger gedenken seiner nicht. Unter denen, die in der Gegenwart über den schwäbischen Theologen nachforschten, erwähnt ihn bloß W. Köhler in seiner Bibliotheca Brentiana!); da führt er eine Abschrift des ,ltinerarium Wolradi comitis a Waldeck in profectione Augustana anni Domini 1548“ an?) Diese befindet sich gegenwärtig in Wolfenbüttel; wohl möglich, daß sie dahin aus dem Besitze Hippolyt Brenz’ gelangt ist, der auch sonst den Briefwechsel seines Großvaters verstreut hat ). Schon, daß jene Abschrift von ihrem Verfasser als Geschenk nach Stuttgart kam, läßt ohne weiteres auf nahe Beziehungen zwischen dem ev. Kirchenmanne und dem frommen Fürsten schließen. Diese Beziehungen aufzusuchen und darzulegen ist der Zweck der nachfolgenden Ausführungen.

I.

Geboren 1509, ward Wolrad früh mutterlos“). Des Vaters, Philipps III., zweite Gemahlin, Anna von Cleve,

ı) Berlin 1891, S. 841.

*) Herausgegeben ward es von: C. L. J. Troß, Des Grafen Wolrad von Waldeck Tagebuch. Stuttgart 1861 (fortan: Tro8). Eine revidierte Uebersetzung in der fürstlichen Bibliothek za Arolsen.

) Johannes Hippolyt Brenz wird als „minderwertig“ bezeichnet. Nachdem er verschiedene Pfarrstellen in Württemberg bekleidet hatte, kam er nach Ansbach als Stadtpfarrer und Konsistorialrat. Mit ihm starb der Brenz'sche Mannesstamm aus.

) Erstmalig behandelt Wolrad: R. Rocholl, Graf Wolrad von W. Hannover 1865 (fortan: Rocholl) Alle Bemühungen um die 2. Aufl

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brachte dem Kinde wenig Liebe entgegen. Es kam daher bald an den Kasseler Hof und von da zu seinem Groß- vater, Graf Philipp IL, einem ehrwürdigen Muster mittelalterlicher Frümmigkeit!). Bei ihm auf dem Sparenberge, unweit Bielefeld, begann Wolrad die alten Sprachen zu lernen. Als zweitältester Sohn des nicht reichen gräflichen Hauses wohl für die kirchliche Laufbahn bestimmt, war der zwölfjährige bereits im Besitze eines Kanonikates an S. Gereon zu Köln. Vielseitigen Nutzen hatte er dann von seinem Aufenthalte in Lüttich bei dem Fürstbischoffe Bernhard von der Mark. Die damals noch deutsche Stadt war ein Hort der humanistischen Aufklärung. Fleißig machte Wolrad davon Gebrauch, sich im Lateinischen zu vervollkommnen und seine geringen Kenntnisse zu ergänzen. Auch bot ibm der fremdländische Verkehr Gelegenheit, sich Französisch und Spanisch anzueignen. Offenen Auges für alles, unterlie8 er nicht, Gewerbe und Handel aufmerksam zu beobachten.

So anregend die Lütticher Zeit für ihn war, hatte sie gleichwohl ihn nicht der Heimat entfremdet: inmitten des wechselvollen Lebens fühlte er sich als ein „exul peregrinus“. Alles jedoch bewirkte in ihm eine Abneigung dagegen, aich dem geistlichen Stande zu widmen. Daß hierzu die harte Behandlung der evangelisch Gesinnten durch seinen Gönner beitrug, kann aus seinem spüteren Leben gefolgert werden. Er selbst hielt sich damals freilich noch zur mittelalterlichen Kirche. Seinen Blick weitete eine Reise durch Frankreich. Als er 1536 nach Waldeck zurückkehrte, hatte er sich eine gelehrte Bildung und allgemeine Kenntnisse neben weltlicher Gewandtheit erworben, wie nicht viele seines Standes.

Die Verhältnisse hatten sich hier immer unerquicklicher gestaltet. „Haus und Burg waren leer, die Einnahmen weg- genommen", die Stiefmutter ihm feindseliger gesinnt als vorher, da sie der evangelischen Lebre zugetan war, während er noch für die püpstliche Kirche eintreten konnte. Auch der alternde Vater hatte sich unter dem Einflusse seines Lehnsherren, Philipps von Hessen, und mit ibm das Land, der evangelischen Sache zugewandt. Bloß in Corbach hatte schroffer Romanismus noch eine Stätte. Dessen ruhige

waren vergeblich. Ihn berichtigt vielfach: V. Schultze, Waldeckische Ref.-gesch. Lpz. 1908, S.111ff. Derselbe gibt eine Charakteristik Wolrads in: Geschichteblätter für Waldeck und Pyrmont. 18. Bd. 1920, S. 85 fl. (fortan: Gesch.-bll.).

1) Rocholl, S. 9.

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Widerlegung führte Wolrad endlich zar Erkenntnis und bei seiner Gewissenhaftigkeit wohl auch zu inneren Kämpfen; denn niemals nahm er etwas leicht. Von früh auf theo- logisch geschult, studierte er die Bibel und das refor- matorische Schrifttum. Er tat es so eingehend, daB er 1541 Sich an die praktische Auslegung ausgewühlter Stellen des Alten und Neuen Testamentes wagen konnte!) Schon im Sommer 1539 hatte er sich den Evangelischen angeschlossen. Von Johannes Hefentreger?) und seit 1543 auch von Adam Krafft unterstützt und gefördert, ist er der eigent- liche Leiter der Reformation Waldecks. Er regierte über dessen Eisenbergischen Teil, da gein älterer Bruder auf seine Vorrechte Verzicht geleistet hatte. Das Lob der Waldecker Reimchronik gebührt ihm vor anderen, daß des Landes

edle hern, so lobesan Waren vüter ihrer vnterthan.

Es wäre zu wünschen gewesen, daß der reich begabte und unverdrossen tätige Wolrad einem größeren Gebiete, als seinem kleinen Lande hätte vorstehen können. Daß er mit sichtlicher Vorliebe der kirchlichen Angelegenheiten sich annahm, wie ist es anders von ihm zu erwarten? Vielfache persönliche und schriftliche Verbiudungen kamen ihm dabei zu nutze. Mit solchem Eifer gab er sich dem kirchlichen Wesen hin, daß er von Melanchthon den Rat empfing, nicht zu eilen.

II.

In die ganze Zeitlage ward er wohl erst durch seine Teilnabme am Religionsgesprüche zu Regensburg (1546) eingeweiht. Es sollte den Wunsch der rümischen Partei nach einer Verstündigung mit den Evangelischen vortüuschen. Der landgräflichen Abordnung zu ihm stand Wolrad vor. Unter dem bescheidenen Titel eines auditor ward er ab- gesandt, dessen buchstübliche Beachtung die Gegner ihm zumuteten. Für seinen Auftrag besaß er alle nötigen Gaben. Jedoch nur ungern nahm er ihn an; „Me invito et repugnante animo“®) erklärte er nachmals. Außer adligen Begleitern reiste mit ihm als hessischer Adjunktus Johannes Pistorius, Superintendent von Nidda (in der Wetterau).

l) Fürstl. Hausbibliothek zu Arolsen.

*) Ueber die Hefentreger (Trygophori) vgl. Gesch.-bll. Bd. 9, 1909, S. 186 fl. Dazu: V. Schultze, Das Testament des waldeck. Reformators Joh. Hefentreger. Neue kirchl. Zeitschr. Bd. 10, 1899, S. 658 fl.

*) Troß, S. 146,

108

Ueber seine Erlebnisse und Erfahrungen in Regensburg hat Wolrad genaue Aufzeichnungen hinterlassen!).

Am 17. Dezember 1545 erreichte er mit ihnen das Ziel und gleich am übernächsten Tage stellten sich ihm mit Brenz noch Butzer, Frecht, Major und Sehnepff vor. Seitdem fanden sie sich oft bei dem Grafen ein, dazu Balthasar von Gültingen, D. Hiltner, Am- brosius Ammann aus Augsburg, später auch Georg Volkhamer und Veit Dietrich. Vor allen anderen war es Brenz, der Wolrad anzog. Wenn dieser am 8. Januar „Auftrag erteilte, alle Schriften von Brenz für ihn zu kaufen“, so tat er es sicher unter dem Eindrucke, den er von dem schwäbischen Reformator gewonnen hatte. Gab es doch für sie ein Gemeinsames, das sie schnell einander verstehen ließ, ihre Verehrung D. Luthers. Daß ein so selbständiger Theologe, wie Brenz, sich dem Reformator unterordnete, wußte Wolrad zu schätzen, der ihn als maß- gebend betrachtete. Wenn Brenz für Jesaia 38, 15ff. keine bessere Erklärung kennt, als die seines Lehrers, so bemerkt Wolrad dazu lobend: „Dieser Meister schämt sich seines Schulmeisters nicht“. Ueber ihn ihre Gedanken auszutauschen, fand sich in der Folgezeit hinlüngliche Gelegenheit. Den Verdacht erweckt Brenz nicht, daß er sich hervorgedrängt habe. Zumeist kam er mit den anderen in die gräfliche Herberge „Zum Einhorn“. Nicht nur, daß sie sich dort miteinander berieten, sie begleiteten ihn auch zum Gottes- dienste und „mit vielen Christgläubigen beiderlei Geschlechtes zum heiligen Abendmahle“, „wünschten Glück zum kommenden neuen Jahre“, machten mit ihm Spaziergänge auf dem Donaueise, wurden von ihm zu Tische gebeten, wie sie zu- sammen bald vom Präsidenten, dem Bischofe von Eichstätt, oder vom Vizepräsidenten, dem Grafen Friedrich von Fürstenberg, bald von dem Württembergischen oder dem Sächsischen Abgesandten eingeladen wurden.

Aber Wolrad versäumt nicht aufzuzeichnen, wann er allein mit Breuz zusammen ist. So geht dieser am 6. Januar mit ihın nach Hause und verweilt bei ihm im vertraulichen Gespräche“). Mit Butzer ist Brenz wieder am 9. im Quartiere des Grafen. Eingehend äußern sie ihre Ansichten

1) V. Schultze, Das Tagebuch des Grafen W. zu W. zum Regens- burger Rel.-Gespräche. Archiv f. Ref.-Gesch. Bd. 7 (1910), S. 150 ff. (fortan: Archiv VII).

*) Archiv VII, S. 149.

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über Luthers Schrift „An den Kurfürsten zu Sachsen und den Landgrafen zu Hessen, von dem gefangenen Herzoge von Braunschweig“ ). Erfreut meldet-Wolrad: „Brentius, precibus nostris victus tractatulum Lutheri latinitate condonare polli- citus est“). Auch am 10. ist er wieder bei ihm und ebenso tags danach; da gibt Wolrad dem Breuz ein von diesem auf sein Symbolum angefertigtes deutsches Gedicht in eigen- händiger Abschrift zuruck). Am 13. Januar wird Brenz herbeigerufen, als der Spanier Johannes Diaz mit Butzer den Grafen besucht, Er ist ausersehen, dessen Sache mit den protestantischen Theologen zu beraten. Als Wolrad sie bei sich hat, kommt nach seinem Berichte die Rede darauf, daß der Kurfürst von der Pfalz dem evan- gelischen Bündnisse beigetreten sei. Dazu meint Brenz, er fürchte, „daß es uns ebenso gehen könne, wie dem heiligen Petrus. Denn als dieser mit seinem Netze eine Menge von Fischen aus dem Meere zog, zerriB das Netz. Quid apo- fegma signare, qui legit, intelligit" *).

Brenz ist es, der am 19. Januar die gewünschte Ueber. setzung von Luthers Schreiben geger Heinrich von Braunschweig überbringt, damit dessen Gefangenschaft aufrecht erhalten werde. Gleich am nächten Tage bittet Wolrad wieder Brenz zu sich. Er kaun ihm sowie Frecht und Schnepff aus einer landgräflichen Zuschrift mitteilen, daß zu gewärtigen sei, sie könnten bald beurlaubt werden. Da kann sich Brenz nicht der Bemerkung enthalten: „Hoc saltem habemus certius, ut Dominum Jesum, in cuius negotio hie degimus, ardentiorihus votis pulsemus, ut felices successus harum rerum daret“ ).

Am 9. Februar kann Brenz Neues tiber das Tridentiner Konzil melden auf Briefe hin die er empfangen hat). Und als am 17. Wolrad sich zur \der gelassen, will er ihm die Zeit verkürzen. Da kommt Georg Volkhamer, der Brenz vergebens in dessen Wohnung ge cht hatte, und zu beiden stellt sich noch Butzer ein. Brenz und Butzer überreicht Volkbamer die Empfehlungssch.eiben, mit denen er von Veit Dietrich ausgerüstet ist. Er bedarf ihres Rates für den Zweck seiner Abordnung, dieser geht zunächst bloß dahin, über den Verlauf des Religionsgespräches nach Nürnberg zu berichten *).

1) Luthers Werke, Erl. Ausg. Bd. 26, S. 229f,, Köstlin und Kawerau, Luther, Bd. II. S. 611f.- Koide, M. Luther. Bd. 11, S. 554 fl. ) Archiv VII. S 149. ) ebenda, S. 151. ) ebenda, S. 162. 5) ebenda, S 158. e) ebenda, S. 297. ) ebenda, S. 306.

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Am 26. Februar trifft ein kaiserlicher Brief ein, welcher für dieses entscheidend wird. Jedoch viel tiefer als dieser bewegt alle die gleichzeitige Nachricht Amsdorfs an Major von Luthers Tode. „Adeo nuncium triste omnes nostrorum animos percutit, ut pauci se a lacrimis cohiberent. Brentius vero, Major. et Sneppius etiam fletu dolorem prae- ceptoris ef parentis palam ostenderunt^?). Am tiefsten scheint ersterer ergriffen zu sein. „Eubulus“, so grüzisierte Wolrad seinen Namen?), cum eadem (die) Brentium consolari eonaretur, is apprehensa manu comitis manum eius diuscule premens ait: „Mi, mi carissime domine comes, quantae inoommoditates ex huius viri obitu contingent! Et si nibil aliud Lutherus effecit, certe continuit multos in officio, qui iam laxis habenis turbas cient. Non est nostrorum virum memoriae posteritatis tradere.^ Seinen Schmerz steigert die Kunde, .daß auch Kaspar Löner in Nördlingen und Sigismund Staudacher in Rothenburg gestorben seien. Unter die betrtübenden Aufzeichnungen des Tages reiht der Graf das Gebet ein: ,Da ecclesiae tuae, quae de obitu servi tui Martini tristatur, ut dona, quae bonitate fua in eum contulisti, agnoscat et tuae doctrinae, per hunc renovatae, sedulo insistat neque deserat O Domine, quos filius tuus Jesus sacrosancto et pretioso sanguine sibi comparavit, sanetum Spiritum tuum ministerio verbi tui impartire digneris, ut, quod per servum tuum Martinum seminasti, ad maturam et felicem messem producatur ).“

III. .

Die verstündnisvolle Teilnahme Wolrads für die Theo- loggen war für diese ungemein wohltuend. Denn der ver- zügerte Beginn und der ganze Verlauf des Kolloquiums mußte ihren Unwillen erregen. Als man am 24. Jannar beim Bischofe zum Frühstücke war, ward ihnen Friedrich von Fürstenberg vorgestellt, so daB endlich zwar am 27. die erste Sitzung stattfinden konnte*), aber am 5. Februar erst die eigentlichen Verhandlungen begannen. Seine Hoff- nungen auf diese waren von vornherein gering. Ihr Verlauf bestärkte ihn in seinem Mißtrauen. Am 14. Februar schrieb

1) F. Roth, Der offizielle Bericht der von den Evangelischen nach Regensburg Verordneten 1546. Archiv eto., Bd. 5, 1908, S. 870f. (fortan: Archiv V). J. Hartmann, Joh. Brenz. Elberfeld 1862, S. 191f.

*) Jedenfalls unter Bezug auf 2. Tim, 4, 21, der etymologischen Spielerei seiner Zeit folgend.

3) Archiv VII, S. 815f.

+) ebenda, S. 168; V, 8. 6ff.

v

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er: „Man verlasse sich auf dieses Gespräch nicht viel.“ Wie die Päpstlichen (papicolae) die weiteren Sitzungen stets zu verschieben und zu verkürzen suchten, wie sie immer neue Einwände entdeckten, um allein reden zu können und den Evangelischen die Zeit dazu abschnitten: darüber er- zählt Wolrad ausführlich, der sehr wichtige Einblicke in die gauze Tagung gewährt. Gewiß schätzte er Butzers Gaben, der mit allen Verhältnissen zu rechnen verstand; er nennt ihn „homo multis gratiis a Deo maximo ornatus !)“; höher als ihn wertete er Brenz. Es erhellt daraus, wie er sich freut, wenn er ihn ohne scheue Rücksichtnahme seine Meinung sagen hört. Denn fast nur gegenüber den Gesinnungsgenossen bielt mit dieser Brenz nicht zurtick, während er bei der Disputation zumeist sich in Schweigen hüllte. Nachdem am 18. Februar Brenz beim Bischofe gespeist hatte, kam er mit Frecht zu Wolrad und schilderte ihm die Unterhaltung bei Tische. Die Rede war nämlich auf die Wiederherstellung der religiösen Einheit gekommen. Brenz konnte sich nicht enthalten, zu Moritz von Hutten zu sagen: „Reveren- dißime praesul, si res ad iudicium Celsitudinis tuae et meum referatur, facile concordiae viam me inventurum sperarem, si modo Celsitudo tua Dominum non respicit." Sofort frag der Bischof: ,Quem, quem?* Brenz erwiderte: ,Papam et Caesarem." Hierauf entgegnete jener: „Jd facere nequeo, utriusque enim iuramento astrictus sum; attamen si causam penitius intelligam, forte non adeo eorum respectum habiturus sum.“ „In Wahrheit, bemerkt Wolrad, kam etwas ganz anderes heraus.^ Wie es scheint, hat er nachmals dieser Mitteilung einen Zettel beigefügt. Nach ihm hat der schlaue Römling Brenz zu umstricken versucht. Er sprach: ,Certe, ut de rugosa matre ecclesia loquar, est interdum lapide quadrat& egregie structa. Haec si modo in tecto aut alias ruinosa fuerit, num igitur tota domus demolienda foret? Sic et mihi videtur de ecclesia, ut si quid erroris irruperit, ne tamen éa tota eoneutiatur.^ Auf den Vergleich eingehend, antwortete Brenz: „Verum reverende praesul, si architectus quispiam conetur trabem in sartis tectis reponere, hospes domus hunc innoxium morte plectetur ?* Da schwieg der Bischof). Nie wich Brenz feig, auch nicht betroffen zurück. Nach Butzer, Major und Schnepff trat er noch am 20. Februar hervor „tanquam yeteranus miles“, schreibt Wolrad. °) Recht unerquicklich verliefen ja die Verhandlungen. Auf

) Archiv VII., S. 169. ?) ebenda, S. 306 f. 3) ebenda, S. 308.

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Eberhard Billick von Köln, den Karmeliter-Provinzial, der „zwar im weißen Gewande, aber et veste et mente ater“ ), und der „immer aufs allerspitzigste und bitterste“ redete und die Evangelischen stets Ketzer schalt, hat später Wolrad die Sätze in der Vorrede des Brenz zu seinem Jesaia bezogen: „Etsi hi, qui nos persequuntur, vendicant sibi damnatis nobis nomen catholicorum et orthodoxorum, tamen et vetus est, quod Cain, Ismael et Esau usurpent sibi, derisis, expulsis ef occisis haeredibus a Deo electis, paternam gloriam, et solenne est in hoc saeculo, quod virtutum nominibus ven- ditent sese vitia.“?) Den ganzen Unwillen Wolrads erregt aber Petrus Malvenda, ,ein Hispanier und Parisischer, wohl aufgeblasener Theologe“ ), der gegen sein Versprechen, „amice et christiane zu verhandeln“, „zu seinem Vorteile alles meistern will“, wie Butzer in seinem Berichte sagt ). Als er sich am 22. Februar zu dem Beweise erbot, daß die evangelischen Glaubeuslehren ein eitler Wahn wären und nicht in der Schrift zu finden, ward Wolrad „die Galle rege“. Er warf ein, „er glaube, de fide hic, non de inani persuasione agendum“. Fürstenberg, der lateinisch nicht verstand, wehrte ihm und erklärte: „Wir haben von der Röm. Kais. Majestät ausdrücklich Befehl, daß die Kolle- quenten sollen reden und nicht die Auditoren.^ Da mußte schon Wolrad schweigen, sagte ibm jedoch nach aufgehobener Sitzung: „Es verdriet mich in der Tat, daß ein Spanischer Seblingel von einer so heiligen Sache, als unsere christliche Religion ist, so verwegen und lächerlich rede.“ 5)

Es war bei den Gegnern so, wie Brenz am 28. Februar an einem Beispiele erläuterte. Er erzählte: „Den Mark- grafen Friedrich von Brandenburg bat einmal ein Rechtsgelehrter um Entlassuug. Nach dem Grunde dazu befragt, erwiderte er: Du hast zwei Bücher. Wenn Du fortfährst, sie zu gebrauchen, bedarfst Du keines Rechts- gelehrten. Welche Bücher sind es?, forschte der Markgraf. Das eine betitelt sicb: Volumus, das andere: Nolumus.“ Die Evangelischen sollten nicht Recht bekommen ô).

1) Archiv VIL, S. 299, auch Archiv V, S. 21; vergl.: A. Postina, Der Karmelit E. B. Freiburg. 1901. Billiks Bericht über die Ver- bandiungen bei Rocholl, S. 12. Auch: Lenz, II. Th., S. 410,

*) fol. ij*. ) Archiv VIL. S. 167.

4) Archiv V., S. 7; 13; 18. Ausführliches über Malvenda bei Lenz, Briefw. Landgr. Phil. v. Hessen mit Bucer (fortan: Lenz) II. Th., S. 890; 410 fl; 422f. |

5) Archiv VIL, S. 811; Rocholl, S. 10 ff.

9) Archiv VII., S. 320

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Mit welcher Entschiedenheit Wolrad seiner Partei sich annahm, bezeugte er am 4. März. Trotzdem nahm der Gang der Dinge immer mehr die befürchtete Richtung!) Sie be- festigte der verschlagene Julius Pflugk, den die Evan- gelischen am 8. beim Bischofe antrafen“). Es war zu er- sichtlich, daB die Römischen in keinem Stücke nachgeben würden. Daraus machten sie nicht etwa ein Hehl; „der kaiserliche Befehl gäbe ihnen gar nicht zu, den Evangelischen etwas nachzugeben“. Sie forderten von ihnen sogar das eidliche Gelöbnis, keinem Menschen von den Verhandlungen etwas zu sagen. Dieses Ansinnen lehnten sie ebenso ab, wie einen römischen Notar als Protokollanten: Johannes Pistorius ließen sie dieses Amt versehen. An dem gräßlichen Brudermorde des Joh. Diaz sahen sie, daß ihre Gegner vor nichts zuruekschreckten ).

Als daher am 20. März Sachsen seine Abgeordneten zurückrief, fand es auch die Zustimmung der anderen. Brenz, der an dem Tage mit den anderen Theologen bei Wolrad war, wies die bischöfliche Forderung, nicht ab zureisen, zurück. Und sie machten ohne Verzug Ernst da- mit. Nur allzu treffend schrieb Butzer nach Kassel: ,Wir haben mit Bleiben und Verbarren des Orts keinen Frommen der Kirche Christi zu schaffen gewußt, aber uns wohl mehrer Beschwernis zu erfahren gehabt, wo wir lünger da- geblieben wären.“ Denn „wir haben an den Präsidenten und Gegenkolloquenten solche Mängel befunden, daß wir uns einiges Nutzes aus diesem Kolloquio nicht, sondern allein Hohnes und Spottes göttlicher Wahrheit haben zu versehen gehabt“.*)

Am 22. verließ Wolrad Regensburg mit dem Lob- preise: „Benedictus Deus, qui me cum meis Ratisbonam hinc et a Ratisbona huc incolumem servarvit®).“ Von Brenz über- liefert er das Gebet „de discessu suo: Te laudamus, Domine, quod vincula solveris palam nostrorum, qui constructi erant fraudibus et malitiis improborum, papae et asseclarum Ratis- bonae ).“ Er und Pistorius folgten am nächsten Tage mit der Dienerschaft dem Grafen. Am 23. waren sie schon in Nürnberg. Als Brenz am 25. sich verabschiedet hatte, schrieb Wolrad in sein Itinerarium: „Ad ecclesiam suam rediturum reliquimus dominum pastorum precantes, ut eius

1) Archiv V., S. 386 fl. * Archiv VIL, S. 829. 3) Archiv V., S. 388. *) Lenz, II. Teil, S. 415 fl. $) Archiv V., S. 396; Archiv VII., S. 339. *) Archix VII, S. 348. Arehiv für Refogmationsgeschichte. XXI. 1/2. 8

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curam habere propitius ad ipsius Dei gloriam et ecclesiae profectum dignetur!).“

Nach seinen Randbemerkungen zum Brenz'schen Kommen- ture des Propheten Jesaia war er nicht ohne einen Gewinn für sein Glaubensleben in Regensburg gewesen. Bei Kapitel 37, 14 (pag. 496) sagt der Erklürer: ,Monachi iubent, dubitare de favore Dei, et dicunt, praesumptionem temerariam, si quis sentiat, Deum certo ipsi favere.“ Er behauptet dagegen: „Ne- cessarium est in omni precatione, ut firmiter credas, te certo esse Deo acceptum propter Christum, firmiter etiam credas, quod Deus certo tibi daturus sit, quod manifesto verbo promisit, sive ea res sit corporalis sive spiritualis.^ Ein Trost ist es für Wolrad, und er unterstrich es: , Nemo potest Deum vere in- vocare, quem putat sibi hostem ef inimicum et de cuius gratia dubitat.^ Diese Versicherung war für ihn, einen Beter, von böchster Wichtigkeit.

Es war das erste und blieb das einzige Mal, daß Wolrad für die Allgemeinheit öffentlich bervortrat. Fast scheint es, als ob er für sie ein zu aufrichtiger Charakter war. Butzer feiert ihn gegenüber dem Landgrafen Philipp als einen Mann von Gelehrsamkeit, Frömmigkeit, Sachkenntnis, Milde, Gelassenheit, Treue und Fleiß im Vollzuge der Aufgabe, der auch zu allem und bei allem ein wahrhaft evangelisches Leben führt?). Aber mit einer Abneigung gegen diplomatische Aufträge kehrte er über Rudolstadt heim, wo er um Ana- stasia, die älteste Tochter Katharina's der Helden- mütigen, warb. Seinem Haus und Lande gelten hinfort seine reichen Gaben.

IV.

Sehon um dieser willen sah er sich bewogen, in der Folgezeit den Vorgüngen im Reiche seine Aufmerksamkeit zu widmen. Es war überbaupt nicht seine Art, mißmutig Sich zurückzuziehen und grollend sich zu verbergen. Mit Kassel unterbrach'er nie die Verbindung. Noch 1566 wartete er zu Marburg seines Erzhofamtes bei der Vermählung des jungen Landgrafen Wilhelm mit Sabine von Württem- berg, wie er auch im Mai 1563 zu Stuttgart als ältester und vornehmster Vasall Hessens der Hochzeitsfeier des Land- gralen Ludwig mit Hedwig, der Tochter Herzogs Christof, beigewobnt hatte. Hier hatte er die Freude, nochmals seinen geliebten Brenz zu sehen. Wie oft und

1) Archiv VII., S. 845.

2) Dieses Urteil wiederholt auch Seckendorff, Hist. Luth., vol. III, Sect. 35, p. 623.

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wie sehr mag er sich bis dahin nach einer Aussprache mit ihm gesebnt haben. Einen Ersatz für diese Entbehrungen suchte er in dessen Schriften und im Briefwechsel mit ihm. Dieser scheint ein ziemlich reger gewesen zu sein; hatte doch Brenz Wolrads ganzes Vertrauen gewonnen. Nicht deutlicher konnte er es _ihm bezeugen, als damit, daß er ibm eine Abschrift seines Diariums tiber die Regensburger Tagung schickte, gewiß nieht ohne Begleitworte und ohne eine Erwiderung des Empfängers. Auch ehrte er ihn bei seinem Stuttgarter Be- suche mit einer Gabe; denn in einem Briefe vom 13. August 1564 scheibt er ihm: „Ipsas meas naenias anno elapso Stud- gardiae praesens uf patri et amico tradidi!).“ Worauf sich die Klagelieder bezogen haben, ist nicht ersichtlich. Er liebte es, in Reimen seinen Erfahrungen Ausdruck zu ver- leihen.

Brenz versäumte nicht, für solche Auszeichnungen seinen Dank abzustatten. Ein Exemplar seines Kommentars zum Propheten Jesaia (1550) gelangte alsbald an den Grafen. Eifrig hat es dieser nicht bloß gelesen, sondern studiert. Das beweisen seine vielen Unterstreichungen und zahlreichen meist lateinischen, seltener deutschen Randbemerkungen, nach welchen Wolrad in den Kirchenvätern ebenso be- wandert war, wie in der Bibel und in der zeitgenössischen Litteratur. Auch fehlen nicht die Spuren davon, daß es von ihm zutreffend in einem Hochzeitsgedichte heißt: Tu vigil incumbis studiis noctesque diesque?) Nach Luthers Tode, „des heiligsten Mannes“, „unseres ehrenwürdigen Vaters“, „dieses Kämpfers des Herrn für den Ruhm Christi", wie er ihn nennt, hatte er an Brenz den Führer gefunden, von dem er sich anleiten ließ, die Ereignisse und Zustände der Zeit nach evangelischem Glaubensgrunde zu beurteilen. In sie war auch er verwickelt.

Im Schmalkaldischen Kriege, dem „bellum Germanicum", hatte er seinem Landgrafen Vasallentreue bewiesen. Schwer hatte er es büßen miissen. Ueber den Verlauf der Dinge war er immer gut unterrichtet gewesen. Die Schlacht auf der Lochauer Heide warnte ihn, „uns auf Menschengewalt nit so hoch zu verlassen“, und ließ ihn seine Pfarrer er- mahnen, „Gott anzurufen, daß er die wohlverdiente Strafe gnädiglich von uns abwenden und sein Reich bei uns und unsren Kiudern lauter und rein erhalten und schützen wolle“. Obwohl er in dem Kampfe nur seiner Pflicht gegen-

1) Troß, S. 255f. 3) Vom Verfasser: Wie Graf W. II. zu W. den Kommentar des Joh. Brenz zum Proph. Jes. studiert, Geschichtsblatt S. 99 ff. gt

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über dem Landgrafen gentigt hatte und daher in die hessische Kapitulation mit dem Kaiser eingetreten war, ward er von ihm nicht als hessischer Untertan, sondern als Graf des Reiches betrachtet. Um Karl's V. Kassen zu füllen, waren eben auch die Waldecker als solche erspüht, welche den Krieg verschuldet haben sollten, und von seinen Verwandten mußte Wolrad am härtesten dafür büßen.

Ueber seine Fahrt zum Reichstage 1548 gibt er in seinem Itinerarium genaueste Auskunft. Gleich in Nürn- berg merkte er, was ihm drohte. Bei dem kranken Veit Dietrich hörte er von Brenz’ Flucht vor den spanischen Söldnern'). Es war so, wie ihm Hieronymus Baum- gartner sagte: „Die Zeit der Märtyrer ist gekommen ?).“ Diese offen gehässige und absichtlich erniedrigende Behand- lung in Augsburg! Unverkennbar für Hohe und Niedrige trachtete man nach entwiirdigender Kränkung der evan- gelischen Fürsten. Ein Trost waren für Wolrad besonders die Predigten des Wolfgang Musculus, die er in aus- fübrlichen Auszügen niederschrieb. Viele Hofbrocken“ mußte er hinunterwürgen! Am meisten empörten ihu die kirch- lichen Umtriebe. Er betete: „Herr Jesu, da inzwischen die gottlosen Schmiede das Interim schmieden, so behute uns vor dem verfänglichen Interim.“ Am 2. Juni war er darüber vergewissert, daß er durch seine freimütige Rede gegenüber Fürstenberg zu Regensburg den Zorn des Kaisers erregt batte. Am 21. mußte er vor ibm kniefällige Abbitte tun. Wurden seine Mitregenten mit 5000, so er mit 8000 Gold- gulden als Strafe belegt, weil er sich feindseliger als jene gegen den Kaiser benommen hätte. Bitterer als diese Un- grtechtigkeit war ibm die Fronleichnamsfeier am nächsten . Tage. Er klagt: „Das ist der Anfang des Endes; das sind die. Früchte des Interim. Mache dich auf, Herr; warum schlummerst du 2°)“

Welchen Schmerz mag es ihm bereitet haben, als nicht allein Nürnberg, auch Wittenberg und Leipzig das Interim »rnnbmen. Wie er sich zu ihm zu stellen habe, darüber war er sich nicht im geringsten Zweifel. Nach seinem Tagebuche betete er: „Gib mir Gnade, daß ich deinem Volke und meinem Hause so vorstehe, daß all unsere Hand- lungen zu deines Namens Ehre gereichen.^ Am 26. Juni

1) Rocholl, S. 194.; Geschichtabl., S. 90f. Troß, S. 71.

*) TroB, S. 9: Nunc efe tempora, ut nemo amico vel per mutos nuntios, quid intus ferat, aperire poßit, et se vereri, multos haec tempora productura martyres.

3) Troß, S. 187 ff.

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reiste er von Augsburg ab. Am 1. August veröffentlichte der Landgraf für Hessen das Interim, am 11. empfing es Wolrad mit des Kaisers eigenhändiger Unterschrift: was er aus dieser herauszulesen hatte, sagte er sich wohl. Aber wo er es nun ganz vor sich hatte und ruhig prüfen konnte, fühlte er sich nur bestärkt in seinem Urteile über dieses Machwerk. Schon am 14. versammelte er seine Pfarrer um sich. Nichts verschwieg er ihnen tiber die ernste Zeitlage. Zu seiner Freude waren alle fest entschlossen, ,bei Gefahr beider Leib und Seele von der erkannten reinen Lehre des Evangelii nicht abzustehen". Er aber versicherte sie seines Schutzes, und, falls sie vertrieben würden, wollte er sie „als seine Gäste und Angehörigen so lange, als möglich, nicht verlassen, sollte ihn auch gleiches Unglück treffen“. Ueber die Gefahren, in die er sich durch seine Stellung zum Interim begab, war er sich keinen Augenblick im Zweifel.

Bei seiner Gewissenhaftigkeit, als evangelischer Christ in allem schriftgemäß zu handeln, war es ihm eine stärkende Beruhigung, daß er bei Brenz für sein Verhalten in diesen Wirrsalen volle Billigung fand. Daß er an dem Kriegszuge der Evangelischen wider- den Kaiser zwar nicht persönlich sich beteiligt, ihn jedoch unterstützt hatte, darin sah er sich von Brenz gerechtfertigt. Für ihn hatte der gleiche Fall vorgelegen, wie für Hiskia, von dem Brenz zu Jes. 36, 1 sagt: „Etsi Ezechias fuit tributarius regis Aßyriorum et subiectus ei, tamen quia Aßyriacus prior violavit conditiones paeis et movit bellum iniuste, Ezechias propulsando iniuriam nec fuit fidefragus nec seditiosus, sed suscepit legitimam et neceßariam defensionem !).^ Es war keine Uebertreibung, wenn der Kurfürst und der Landgraf Karl V. einen Sanherib in ihrer öffentlichen Rechtsverwahrung nannten. Um 80 unbedenklicher hatte Wolrad ihnen Hilfe geleistet, als die Bundesgenossen es bei dem Kampfe nicht auf eine Er- weiterung ihrer Gebiete absahen; ein solcher wird von Christus gestattet, wie Brenz bei Jes. 9, 4 (p. 150) erklärt. Wie dieser bei Jes. 19, 4 (p. 269) warnt, vermieden auch die Evangelischen „vnnutze verbindungen“. Auf Waffenglück bofften sie („arma proderunt“), weil sie glaubten, daß Gott ihnen gnädig sein würde. Nicht machten sie es, wie die „impii, qui sunt contemptores verbi Domini: ad arma confu- giunt, non ad deum" (Jes. 22, 15 fl.; p. 292). Wenn frei-

1) Komment, p. 474, falsch noch mit 472 als Seitenzahl, Aus der Fülle der Randbemerkungen von Wolrads Hand in seinem Exemplar, welches im Besitze des Verfassers ist, bietet dieser nur eine geringe Auswabl.

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lieh Brenz bei 7, 18 (p. 120) die milites mit den Bienen vergleicht, qui hostes a cervicibus patriae depellant, so muß leider Wolrad entgegnen: „Dissen Binen ist itziger tzeit ser wenigk".

Von den Folgen der Mifstünde in seiner Partei ward Wolrad nicht tiberrascht; durch seinen Neffen Samuel, der bei Mühlberg schwer verwundet ward, war er tiber alles im laufenden erhalten. Seine ganze Teilnahme wandte er Johann Friedrich zu. Von ihm ward er zu Augs- burg am 27. April mit anderen ad prandii horam geladen. Ueber das Interim ward gesprochen; ,de iis etiam, quae homini in tantis afflietionibus memoriae efe miraculi vice duxeris". Dazu fügt er in seinem Tagebuche: „Con- soletur eum vero suo paracleto illo, qui omnes affliotiones huius principis in manu sua descriptas habet Deus?!)" Noch im Januar 1553 hegt er mit vielen seiner Zeit den Verdacht: „Joannem Fridericum proditione suorum in manus hostium captivam deveniße“?). Seiner erinnert er sich auch, wenn Brenz bei Jes. 28, 14 fl. (p. 366), auf 1. Makk. 9 verweisend, sagt: „Aliquoties imponit crucem piis ad testificandam veri- tatem doctrinae suae.“ Dazu setzt Wolrad: „Also lag auch der Churf. Joann. Fridrich nidder. Anders als ihn betrachtet er Herzog Moritz. Ueber ihn weiß er: „Mauritius ille (!) et ab exteris nationibus et a Germaniae indigenis male audit, forte nunc agnoscens, quanta infelicitas sit iuxta Machabeorum libros prosperos erga cognatos habere succeßus, ne interim animis ipsius Augusti Octaviani dicto: Proditionem amo, pro- ditiorem non ita, percelletur“. So am 24. April 1548). Den Hauptfehler Moritzens findet Wolrad darin, daB er nicht lernen will, was Brenz zu Jes. 17, 14 (p. 256) bemerkt. Nicht nur, daß er die reine Lehre preisgibt, er hält es auch mit denen, die, „ut impietatem suam armis confirment, vocant in auxilium etiam externas nationes". Als ob Wolrad die verhängnisvollen Folgen dieser undeutschen Politik geahnt, schreibt er an den Rand: „Das heyst den helm abgedeckt und den gantzen Kop gebloDet^ Es bleibt auch für ihn nicht aus, was Brenz über solche Bündnisse androht: „Pude- fiet tandem et peribit sine auxilio in periculis^ (p. 269). Wie freut sich aber Wolrad über die Kunde, daß Johann Friedrich in seine Lande zurückgekehrt ist: sie bestätigt ihm die Aus- legung von Jes. 23, 16. „Quem Deus in ecclesia populi sui affligit, eum vult servare, et quem percutit, eum vnlt sanare (p. 305). Der ,optimus dux Joannes Fred." ist ibm dafür ein Exempel.

1) Troß, S. 40. 1) ebenda, S. 250. 3) ebenda, S. 34.

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Daß er das rohe Verfahren des Kaisers gegen ihn schwer vergessen konnte, ist verständlich. Ihn und seinen Bruder Ferdinand nennt er einmal eine Bestie. Schwerer jedoch als an der Beleidigung seiues Standes und seiner Person trug er am Interim. Aus dem ,Traktetli^ (1537) von Brenz wußte er, daß an sich ohne alle Zusätze die Zeremonien weder böse, noch gut seien und.mit gutem Gewissen ge- schehen oder unterlassen werden; verboten seien sie, wenn daraus Aergernis und statt Besserung Böserung des Nächsten entstehe). So hatten auch stets die Wittenberger gelehrt. „Wolt Gott, es werde bedacht", ruft er aus, wenn ganz zu- treffend als horrenda von Brenz die kaiserlichen Edikte bezeichnet werden; denu sie sind allein „adversus veram doctrinam evangelii^ erlassen (p. 251). Wenn der Kommen- tator erklärt: „Instituta est ab adversariis manifesta evangelii eorruptela nec aliud ab ipsis agitur, quam ut hanc lucem divi- nitus accensam in eccelesia exstinguant“, so findet hierin Wolrad „Deß Interims proprium epitheton"; und wenn jener fortfáhrt: „Filius Dei non ostentavit nobis vanam tantum spe- ciem instaurationis ecclesiae, sed absolvet opus, quod instituit et tuebitur beneficium suum, ut quanto horribiliorem vastitatem evangelii hostes meditantur, tanto maiori gloria potentia filii Dei in conservando evangelio suo illustretur", so teilt der Graf diese „Spes vivida Brentii“ (p. 673). Es will nicht vergessen sein und wird deshalb mit krüftigen Buchstaben von ihm das Urteil von Brenz am Rande wiederholt: „Tantum Pon- tificium regnum constat Magia" (p. 205). An sich selbst hatte er es erfahren, wie Rom damit nur allzuviele Unbefestigte besticht. „Wolt Gott, es wer erlogen“, entreißt ihm Brenz’ Klage: „Maxima hominum pars, etiam eorum, qui videntur agnoscere evangelium, retinent adhue ig corde veterem impie- tatem mißarum Papisticarum, quae si restituentur, nulla tergi- versione eam sectarentur. Sunt, qui ex evangelio sumunt maiorem licentiam peccandi“ (p. 401). Nächst dem Türken hält er Rom für den eigentlichen Feind der Deutschen (p. 38). Freilich weiß er, unterstreicht es aber trotzdem dick: „Non est metuendus Turca, sed Christus; non est metuenda fames, Bed Christus; non est metuenda vel pestis, vel mors, sed Christus“ Er fühlt sich aber nicht sicher und setzt daher noch nebenan seinen Wahlspruch: „Zwing Her meyn fleisch Zu deiner Ehr“ (S. 131)’. Darum bittet er bei

ı) Hartmann, S. 198 ff.

*) Entnommen ist er Ps. 119, 120 nach der Vulgata. Wie er verdeutscht ihn auch M. Abraham Saur nach Schultze, S. 421 in einem Gedichte, während Rocholl, S. 69 übersetzt: „Bring, Her, mein Fleisch

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Kap. 42, 6 (p. 593): „O Her, gib glauben vnd reiche auch mir vnd alle den meynen vmb Jesu willen deyne milde hant"; ähnlich bei Kap. 49, 16: „Hilff Got, das wir glauben mochten vnd vns darauff von gantzem hertzen verlassen“ (p. 736). Sein innigster Wunsch ist: ,Gibs ber zu glauben vnd zu erkennen vnd vnser Hertz in allem Vnfall damit zu trosten (Kap. 66, 2; p. 1057). Auf solche Hilfe hin wagt er dem Interim Widerstand entgegen zu setzen. Was er sich damit zuziebt, weiß er; jedoch er kann nicht anders. Die Erklärung von Kap. 33, 21: „Quid multum prodest liberum efe ab hoste Philistino et eBe interim captivum hostis Satanae“ (p. 452) verdeutscht er: „Waß hülffe eynen gnedigen kayser haben Vnd doch des Teufels eygen sein."

Was ibn mit Brenz besonders gegen das Interim ein- nahm, war, daß „die Verstorbenen wie Mitteler vnd Vor- bitter oder Erlanger der Gnaden Gottes gegen das Exempel der heiligen Schrifft und der rechten alten Gotseligen Christen wieder angerufen werden sollen“ (p. 1012). Daß er sich dagegen wehrte, achtete er als seine Pflicht. Aeußere Macht- mittel dabei zu brauchen, verschmühte er. „Jn periculis praecipua cura esse debet, ut Deus sit propitius. Hoc antem fit, cum credimus Deum favere nobis propter Christum." Da- mit rät Brenz Wolrad, „Wie man harnisch recbt brauchen moge^ (p. 242). Als Regent liegt ihm ob, immer zu be- denken: ,Wes beide Oberkeit vnd vnderthan gut achtung haben sollen,“ „non ut pro libidine sua dominentur, sed ut ecclesiae Christi serviant et gloriam nominis Dei pro virili adiuvent“ (Kap. 14, 1; p. 214). Vor anderem hat ein Fürst sich einzuprügen: ,Sumus incolae et cives ecclesiae, quae est spirituale regnum Christi^ (Kap. 9, 6; p. 100), was Wolrad bitten läßt: „Gib o konig der Ehren disser Bewohnschafft trewelich vnd in rechtem glauben zu bruderlicher Liebde pleiben“. Nie denkt Wolrad nur an sich und seinen Vor- teil. „Firma felicitas“ ist, mit Brenz zu wissen: „Nihil iuternecionis potest accidere ei, qui est in Christo per fidem." Sein Schmerz ist es, daß er mit dieser Ueberzeugung fast allein steht. Denn wie treiben es die „Prineipes Germaniae"? Mit Majuskeln schreibt er die beiden Worte neben die Sätze von Brenz: statt „Portas regionum suarum evangelio Christi aperire. Nunc autem quia alii persequuntur Christum, alii ludibrio eum habent, alii non curant eum, interim vero metuunt adversariorum foedera, ineunt et ipsi inter se foedera,

zu deiner Furcht“ in Anlehnung an Luther. Die lateinische Ab- kürsung der Worte CD T T M (Confige, Domine, timore tui carnes mesas) befanden sich auf ssiner Grabplatte zu St Kilian in Corbach.

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colligunt de subsidiis pecuniam, conscribunt exercitus: aut ne haec quidem faciunt, sed otiosi et ignavi stertunt vix optare, nedum sperare possumus, Germaniae statum diu salvum et incolumem fore“ (p. 131). Diese Gefahr beschleunigen sie, wenn sie nicht endlich Brenz „bestem Rate“ nachkommen, den Anfang der evangelischen Predigt zu fördern und ihre Dankbarkeit für sie durch einen frommen Wandel zu beweisen (p. 265). Für jene fordert Wolrad, daB sie geschehe in voller Uebereinstimmung mit den apostolischen Schriften, in quibus veritas evangelii de Christo pure continetur, und strenger Ein- haltung des symbolum apostolicum, quod est epitome totius evangelii (p. 929). Es würe nümlich nichts verkehrter, als etwa, wie Kaiser Maximin wühnte, dem einzelnen freizustellen, wie er Gott verehre. Eine Gewährung dieser Art würde das größte Hindernis für das Evangelium sein (p. 642). Und zum Wandel in diesem gehört Opferfreudigkeit. Sie ist fast verschwunden. Denkt Wolrad an die früheren reichen Meß- stiftungen, so muß er tadeln: „Zum rechten Gottesdienst geben wir alle nit oder vngern oder kär(g)lich“ (p. 688). Daher muß er schon mit einem „Es blibe beym alten spricht- wort“ Brenz beistimmen, das dieser bei Jes. 32, 9 anführt : „Quo proprior Romae, eo peior Christianus^ mit der Anwendung: „quo clarior doctrina evangelii, eo turpior vita auditorum" (p. 426). Gott läßt deshalb manche Trtübsale (aerumnae) tiber die Kirche hereinbrechen. Sich in diese geduldig zu schicken, dazu hilft die Erkenntnis, daß es Gott mit ihnen pur wohlmeint und auch die Kraft gibt, sie zu ertragen. Dieses „argumentum“ prägt sich der Graf ein (Jes. 27, 6ff.; p. 350).

Solche Auffassung des Interims ließ ihn den Mut nicht verlieren. Er gesteht: ,Warlicb, warlich es ist durch den kayser swer in meinen Erblanden (das Evangelium) auch gehindert“ (p. 209), Nach seiner Note (p. 144) geschah es durch den Paderborner Bischof; er genoß dabei die Unter- stützung der Franziskaner zu Corbach, die immer noch sich zu halten vermocht hatten. Ueber ihre Erfolge 1550 will Wolrad nach seiner späteren Bemerkung auf pag. 88 in seinen Diarien von 1556 und 1557 näheres berichtet haben. Groß und nachhaltig waren sie nicht. Wenn Brenz bei Jes. 65, 9 ff. (p. 1044) nach der Erfüllung von Amos 8, 11 . begehrt, so findet sie Wolrad in einem Teile seiner Herr- schaft gerade jetzt eingetreten; er schreibt: „Disser hunger ist schir (in) gantzen Oberland wider angangen!)."

1) Rocholl, S. 43. Geschichtsbl. S. 91.

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V

Diese tiberaus häufigen Anmerkungen sind nach und nach bei der wiederholten Vornahme des Brenz’schen Jesaia entstanden. Gleich nach dessen Empfange hat sich der Graf mit ihm eingehend beschäftigt, dann noch 1556 und 57 und auch späterhin. Er scheint am meisten aus dem Kommen- tare für sich gewonnen zu haben. Durch manche Erklärungen war er jedenfalls zu Anfragen an den Verfasser bewogen, die er sicherlich nicht ohne weitere Nachrichten ließ. Die letzte Eintragung von seiner Hand ist dafür gentigender Beweis. Unter den Schluß der Vorrede hat er geschrieben: „lam incidit mihi in mentem, cum aliquando Doctissimus piissi- musque Dominus Brentius et ego invicem de scriptis ipsius Sermones conferre possem (ut quam minime insolentis ingenii fuit) inter cetera dixerit: porro opera mea et enucleationes in seripturas sacras non adeo aliquid esse censeo, nisi quod in Joannem Euangelistam et Esaiam profetam daute Deo effecerim."

Die Verbindung mit Brenz hat Wolrad schwerlich bloß für sich benutzt. Kaum war die Zeit größter Besorgnis um die evangelische Kirche einigermaßen vorüber, so ent- staud ihr durch Andreas Osiander neue Beunruhigung. Kern und Wesen der Reformation war bedroht, die Recht- fertigung aus dem Glauben. Den Streit beizulegen, achtete Johann Friedrich der Aeltere niemanden für geeigneter, als Wolrad, den er von Augsburg her kannte, Er suchte ihn für seinen Plan dureh den letzten Henneberger Grafen, den Oheim der Gemahlin Wolrads, zu gewinnen. Dieser ver- mochte nicht, dem ihn ehrenden Wunsche zu willfahren. Der Ueberbringer der Briefschaften war Sebastian von Witzenhagen!). Ob er nicht diesen brauchte, die Auf- merksamkeit auf Brenz zu lenken? Die Vermutung liegt mehr denn nahe. Ueber dessen Beziehung zu Osiander hatte er wohl von Brenz selbst in Regensburg gehört?). Daß sich dieser nach Königsberg abordnen ließ, war für ihn eine Freude.

Seine Unterstützung ward er auch in eigener Sache froh. Die Kasseler Kirchenordnung von 1539?) ohne weiteres für Waldeck zu übernehmen, daran hinderte ihn sein Stand- punkt. Er konnte sich aber auch nicht entscheiden, die sonst vielfach beachteten Agenden von Brenz für Hall und Württemberg zu der seinen zu machen. Lieber als an sie

1) Troß, S. 251.

3) Vom Verf.: Zur Gesch. der „Offenen Schuld“. Siona, Jahrg. 44 (1919), S. 14ff,

5) Richter, Die ev. KOO. Weimar 1846, Bd. IT, S. 295.

*

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schloß er sich an die. Sächsische an, als er eine solche ge- meinsam mit seinen Verwandten für die ganze Grafschaft herausgab. Die Vorrede verrät deutlichst, daß er in ihr zu Worte kommt: es sind ganz seine Gedanken und seine Sprache. Die Erlebnisse der letzten Jahre erfüllen ihn noch mit „Sorgen, daß Gottes Wort, Sakrament und Kirchen- dienst zur Erwerbung der ewigen Seligkeit recht ausgebreitet, gehandelt und getrieben werden“ !). „Denn eine jede fromme Obrigkeit ist nicht allein pflichtig und schuldig, Gericht und Gerechtigkeit zu handhaben, sondern vielmehr und vor allen Dingen des himmlischen, ewigen, unvergäng- lichen Reiches Gottes und seines heiligen Predigtamtes sich anzunehmen“. Es klingt in seiner Rede gar oft wie ein Nachhall Brenz’scher Sätze. Von Jugend auf mit dem römischen Missale vertraut und selbst der Uebung des mittelalterlichen Kirehendienstes kundig, ist er vor anderen bei der Abfassung der Agende beteiligt. An ihn ward frühzeitig die Breite des Ausdruckes, besonders in den Gebeten, gerügt. Es ist genau derselbe wie in seinen Tagebtüchern, in welchen er büufigst seine Gedanken zur Meditation und Oration werden last ).

Wohl hatte sich seine Geistlichkeit immer entschiedener auf die sächsische Seite gestellt“), von den Lehrstreitigkeiten der Zeit blieb sie jedoch deshalb nicht verschont. Da be- stärkte Brenz den Grafen, als er 1564 gegen die Heidel- berger die lutherische Abendmahlslehre verteidigte. Auf ibn sich stützend, überreichte dann bald Johannes Pistorius dem Landgrafen Philipp in Anlehnung an die Wittenberger sein Gutachten der Oberhessen“).

Woran Wolrad sehr viel gelegen war, war damit zu Abschlusse gelangt. Eine Beruhigung war es ihm, daß die kirchlichen Verhältnisse klar geordnet waren. Daß er für seine Tätigkeit dafür auch MiBdeutungen erntete, darüber bekümmerte er sich wenig. Die Auslegung Brenz’ von Jes. 59, 12 (p. 111) faßt er in den Reim:

1) Richter, Bd. II, S. 169. C. Curts, Gesch. der ev, Kirchen- verfassung in dem Fürstenthume W. Waldeck 1850. Schultze, Waldeck. Ref. Gesch., S. 194 ff.

*) Zu H. Waldenmaier, Die Entstehung der evangelischen Gottes- dienstordnungen im Zeitalter der Ref. Lpz. 1916. S. 199 ff: Benutzung Althammer's ist nicht zu vermuten.

) Waldeck. Ref. Gesch., S. 497. Vilmar, Gesch. des Konfessions- standes der evangelischen Kirche in Hessen. Marburg 1860. S. 9ff.

*) Vilmar, S. 99. Rocholl, S. 51.

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„Wiltu ein recht Christ sein,

So müst du bessern das Leben dein. Gunt dir aber solchs Gott,

So wirstu eyns Jeden raub und spott.“

Deshalb jedoch hat er sich ebensowenig, als früher zurückgezogen. Die Jahre allein nötigten ihn dazu. Am liebsten weilte er auf dem hochgelegenen Eisenberge mit seinem schönen Fernblicke, dessen Burgbau er sich erweitert hatte. Hier traf ihn bald eine Todesnachricht nach der anderen. Als er Ostern 1570 seire edle Gemahlin, „die Zierde seines Hauses“, und im Herbste danach seinen „amandissimum“ Brenz verlor, suchte er Trost in dessen Jesaia. Die Erinnerung an sie beide will ihn in den stürmischen Märztagen 1571 gar nicht loslassen. Immer wieder verleiht er ihr in seinem Diarium Ausdruck. Jonas Hefentreger, der Pfarrer zu Ense am Fuße des Eisen- berges’), hatte ihm die Reden Jakobus Heerbrand's de vita et obitu Brentii“ vermittelt. Sofort machte sich aus ihnen Wolrad umfängliche Auszüge?) in die er auch „Lutheri Judicium de Brentii scriptis“ einfügte*). Es waren gerade 25 Jahre verflossen, daß er mit letzterem in Regensburg verkehrt hatte. Unter denen, mit welchen er dort zu- sammentraf, feiert er Brenz als ,insignis unus venerabilis Dominus et amicus noster". Als er dann ein Verzeichnis von ihnen allen aufstellt, sagt er von ihm: ,Quarundam aliarum potestatum et urbium Suevicarım lumen Germaniae D. Joannes Brentius, Hallae Suevicae Ephorus Ecclesiarum et pastor, collocutor definitus, qui anno proximo elapso maximo multorum luctu charam et sanctam Deo remisit animam". Nach ihm fübrt er Butzer an, dessen Gaben er nicht unter- schätzt. Es ist aber unverkennbar, wie er vor diesem den Vorrang seinem Brenz einräumt. Als könne er sich nicht genug tun, den Verstorbenen zu rühmen, läßt er auch vier lateinische Gedichte auf ihn abschreiben. Nach unangenehmen Regierungsgeschäften am 18. März erquickt er sich an dem Gedächtnisse an ihn und widmet ihm die Verse:

„O werder trauter freund vnd vater mein, Joannes Brenti, wie gern wolt ich bei dir sein Wol nach dem geist, das Fleisch tappelt noch.

1) Ueber ihn Rocholl, S. 56f.

*) Diarium 1571 (in der Fürst]. Hausbücherei zu Arolsen), S. 253/7.

*) Luthers Werke, Erl. Ausg., Bd. 62, S. 319; vergl. Bd. 54, S. 59; Bd. 68, S. 805 fl.

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Jedoch der will des Herr geschieht in gnaden

Zu Seliger freude vnd aller Zeit

So werd ich alles veels qvitt“. )

Das Verhültnis zwischen dem Fürsten und dem Theologen muß ein selten inniges gewesen sein. Es zieht beständig jenen zu den Schriften dieses zurück. Brenz’ Selbstkritik über seine Kommentare zum Evangelium des Johannes und zum Propheten Jesaia unterschrieb „C. Wolradt Isenbergk 28: Mey. Anno 1572.“ Mit derselben Feder und Tinte, mit der er es tut, vermerkt er zu den Worten der Praefatio: „Non videbar mihi in terra exul, sed in coelo civis et domesticus", am Rande: ,Perlege historiam vitae, doctrinae et obitus huius sanctissimi viri Anno (Lücke) Stukardiae a viris exellentissimis editam“ (fol. 1°).

Es ist nicht Wolrads letztes verbürgtes Gedenken an ihn. 1677 hatte er seine Residenz nach dem einsamen Eilhausen verlegt, dessen Wallgraben die Orpe speiste*). Hier bat ihn Philipp Nicolai aus Mengeringhausen um Unterstützung für sein ferneres Studium; denn ohne sie mußte er ein Handwerk lernen, „was er ungern tun wollte". Nie hat er vergessen, wie der greise Graf seinen lieben Brenz lobend erwühnte. In seinem „Nohtwendigen Berichte von der gantzen Caluinischen Religion“ schreibt er: „Dem heiligen Ministerio, gelehrten Leuten vnd sonderlich gottseligen Predigern vnd reinen Theologen war er von Herzen ein gnädiger Patron, dazu ein recht milder vnd wohlthätiger Jehiskia vnd ließ sich auf der Welt nichts so hoch, nichts so viel vnd so herzlich angelegen sein, als die Beförderung göttlicher Ehren vnd Erbauung des Reiches Christi. Er hafte das gottlose Wesen vnd alle falsche Lehre mit rechtem Ernst, rühmet offt (wie aus seinem Munde selbst gehört) Herrn D. J. Brentium, ent- schlug sich aller Zwinglischer vnd Caluinischer Schwärmerei“?).

Nicolai studierte damals zu Wittenberg. Ob er noch das Ergebnis seines Fleißes, eine Uebersetzung des Neuen Testa- ments in das Lateinische, dem fürstlichen Freunde der Bibel und der klassischen Sprachen, überreichen konnte? Am 15. April 1578 entschlief Wolrad zu Eilbausen, Die eiserne Platte auf seinem Grabe in St. Kilian zu Corbach ist ver- schwunden. Sie hat nicht zu viel von ihm gemeldet, wenn

1) Diarium 1571, S. 950; 279—281; tappelt zappelt; veels Fehler (Sünde).

3) Waldeck. Ref.-Gesch., S. 497; 440. Ueber Eisenberg und Eil- hausen vergl. Rocholl, S. 55; 60.

3) Joh, Nicolais „Alle Teutschen Schriften“. Hamburg 1617. 8. Th., S. 129.

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sie ihn feierte als „Divinae religioni detissimus, bonarun littera- rum linguarumque variarum peritissimus, summa humanitate ornatissimus“!). Graf Wolrad ist eine der bedeutendsten Persön- lichkeiten der Reformationszeit. Ein ächt evangelischer Cha- rakter, vereint er mit inniger Frömmigkeit gelehrte Bildung. In seiner großen Bescheidenheit begehrte er nicht mehr, als:

„Gib, o lieber Gott vnd schoeffer meyn,

daß ich sey ein grün pflantz in dein Gürtlin."

So wendet er für sich die Erläuterung Brenz’ von Jes. 51, 16 (p.768) an. Er ist ein treuer Pfleger seiner Untertanen gewesen, wie die Berichte in den Tagebtchern über seine Audienzen bezeugen. Ueber Kassel äußert er sich zurückhaltend. Sichtlich ist seine Teilnahme für die Landgräfin Christina?). Daß Philipp mehr Butzer als Wolrad zu seinem vertrauten Ratgeber erkor, damit hat er sich und der Allgemeinheit schwer geschadet. Denn Graf Wolrad war auch ein klar blickender Staatsmann, der wie wenige eine deutsche Politik verfolgte.

1) C. Curtze und F. von Rheins, Gesch. der Kirche zu St. Kilian zu Corbach. Arolsen 1848. Waldeek Ref.-Gesch., S. 410.

*) Troß, S. 248. Auf die Nachricht von ihrem Ableben heißt es: . . tandem christianissima princeps Christina magna omnium honorum dolore Casiliae diem clausit extremum, quae inter ceteras virtutes vix credibile exemplum patientiae exhibuit.

Ein Brief von Augustin Himmel. Von Otte Clemen.

Augustin Himmel ist bekannt als Nachfolger des Wolfgang Fuß in Colditz und Spalatins in Altenburg. Er hatte aber schon einen Lebensabschnitt hinter sich, als er 1529 als Pfarrer und Superintendent nach Colditz kam.

Er stammte aus Emmerich und hieß eigentlich Heinrich mit dem Vornamen; erst bei seinem Eintritt in das Kölner Augustinereremitenkloster erhielt er den Namen Augustinus !). Im Jahre 1509 wurde das Kloster von der niederdeutschen Provinz losgelöst und der Staupitz unterstebenden sächsischen Kongregation angegliedert“). Die Folge war, daß das Kölner Kloster zu dem Wittenberger in Beziehungen trat, Witten- berger Augustiner zum Studium nach Köln und umgekehrt Kölner nach Wittenberg gingen. Im Herbste 1516 wurden vier niederrheinische und niederländische Augustiner in Wittenberg immatrikuliert, unter ihnen „frater Augustinus de Embrica ordinis divi Augustini^*; am 17. März 1517 wurde er baccalaureus, am 11. Februar 1518 magister artium. Er kehrte dann nach Köln zurtick; unterm 1. Oktober 1521 heißt es in der dortigen Matrikel: ,Frater Augustinus humel de Embriea ordinis heremitarum aug. ad theologiam iuravit et non solvit.“ Als er nun aber theologische Vorlesungen halten wollte, machte ihm die Fakultät Schwierigkeiten. Durch seinen Wittenberger Aufenthalt erschien er mit einem Makel behaftet. Und so beschloß die Fakultät am 18. November, ihn nicht eher zuzulassen, „als bis er eidlich versprochen hätte, daB er die irrigen, ketzerischen, verdüchtigen und für fromme Ohren ürgerlichen Sätze Martin Luthers, die durch mehrere Universitäten und den heiligen Stuhl verdammt und zu lesen und zu lehren verboten seien, nicht lesen, predigen oder verteidigen werde, es sei öffentlich oder insgeheim, und daß

) W. A. Tischreden 4 Nr. 8978 (28. August 1588) A. 8: Bind- seil I, 180.

9) Vgl. sum folgenden W. Rotscheidt, Die Kölner Augustiner und die Wittenberger Reformation, Monatsbefte für Rheinische Kirchen- gesch. 11 (1917) 88 fl.

) Enders, Luthers Brief wechsel 1, 5818,

128

er, wenn er etwas gegen dieses Vorbot getan hätte, sich dem Spruch der theologischen Fakultät unterwerfen werde!)“. Höchst wahrscheinlich hat Himmel unter diesen Umständen auf eine Dozententätigkeit an der Universität verzichtet. Mit um so größerem Eifer verbreitete er im engen Kreise seiner Klostergenossen die Wittenberger Lehre. Bald hatte er solchen Anhang, daß, da der Prior Johann von Huysden die Be- wegung nicht eindümmte, sei es, daß er zu schwach war, sei es, daß er selbst der lutherischen Lehre zuneigte, der Erzbischof eingriff Er schrieb am 22. April 1523 dem Rate, daß er den Prior aufgefordert hätte, „einen seiner Konventualen, Bruder Augustin genannt, Baccalaureus in der Theologie, der der verdammten lutherischen Lehre verdächtig sei, bis zu einem Verhör in Verwahr zu halten. Nun wird uns hinterbracht, daß vielleicht seine Genossen gesonnen sind, Maßregeln zu ergreifen, um solches Verhör zu ver- hindern. Darum ist unser gütliches Begehren, Ihr müget dafür sorgen, daß nichts Widerwärtiges gegen den Gehorsam und geistlichen Zwang, noch gegen solches Verhör vor- genommen werde?)^ Das Verhör hat wirklich stattgefunden, aber der Erfolg blieb aus, und die Erregung im Kloster wuchs. Auf eine Eingabe des Erzbischofs ist es wohl zurück- zuführen, daß Papst Hadrian VI. unterm 23. April 1523 den Kölner Konvent von der Obödienz des Vikars Johann von Mecheln eximierte und unmittelbar dem apostolischen Stuhl und der Kölner theologischen Fakultät unterstellte*). Die Kapitularen des Konvents waren hiermit nicht einverstanden. Am 22. Juli 1523 wandten sie sich an den Rat mit der Bitte, ihnen Jobann von Mecheln als Vikar zu gönnen und sie nicht unter den Zensurzwang der theologischen Fakultät kommen zu lassen; sonst würden nur wenige Brüder ihrem Konvent verbleiben“). Eine Visitation, die der Rat im Herbst 1524 durch den Generalvikar Johann Spangenberg abbalten lieB, führte zu keiner Einigung und Reinigung des Klosters von widerspenstigen und ketzerischen Elementen. Am 3. April 1525 beschloß der Rat, durch Beauftragte mit den Mönchen zu verhandeln, „insunderheit eins, der Augustinus genant und mit dem Luyters handell befleckt sulle syn, denselben niet zu laissen predigen noch lesen oder bychten5)", Im Ratsprotokoll vom 2. August wird Himmel wieder namentlich genannt: zwei Mónche, Augustinus und Bruder Lambert von

1) Joseph Hansen, Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln. 15. Bd. (86. u. 87. Heft) (1918) Nr. 2820,

*) ebd, Nr. 2839. 3) Nr. 2841, ) Nr. 2846.

s) Nr. 2871.

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Bonn, sollen wegen ihrer Predigten ad partem verhört und nach Befund ins städtische Gefängnis gesetzt werden!). Wahrscheinlich haben erst die Maßregeln, die der im November 1525 an Stelle des Joh. von Huysden als Prior eingesetzte Nikolaus Besler ergriff, bewirkt, daß die neu- gläubige Partei sich etwas duckte. Wahrscheinlich hat auch Himmel damals dem Kölner Konvent den Rücken ge- wandt. In Wittenberg taucht er wieder auf, verheiratet und einstweilen als Schloßprediger untergebracht.

Am 15. Oktober 1527 fragte Melanchthon bei dem Stadtschreiber Joh. Rot von Neustadt an der Orla an, ob man, wie er kurfürstlichem Befehl zufolge dem Rat geschrieben, sich den Prediger zu Cronschwitz (Laurentius Fabri oder Schmidt) habe kommen lassen und predigen gehört habe; wolle man ihn als Pfarrer haben, solle man es dem Kurfürsten anzeigen. Am 16. antwortete der Stadtschreiber: Herr Lorenz sei zwar geladen worden, habe aber abge- schlagen; darauf habe der Rat an einen anderen, „so hievor von Dr. Martino gerühmt“, geschrieben in der Erwartung, er werde fürderlich erscheinen; sobald er ankomme, wolle der Rat ihn hören und dem Kurfürsten weiteres melden. Der von Luther dem Neustädter Rat Empfohlene war unser Himmel“). Am 27. Oktober schrieb dann Luther offiziell dem Kurfürsten, Melanchthon habe ihn von Jena. aus gebeten, die Berufung Himmels nach Neustadt zu veranlassen; sehr gern komme er dem nach, „denn es ist gar ein feiner, stiller, sittiger, gelehrter, frommer Mensch und bei uns zu Wittenberg wohl versucht und bekannt und versorgt itzt auf dem Schlosse allhier das Predigtamt“; am liebsten hätte er gleich Himmel als Briefüberbringer nach Torgau an den Hof geschickt, aber er sei augenblicklich verhindert und könne nicht abkommen, denn sein Weib sei krank ).

Ein weiteres Feld der Tätigkeit eröffnete sich Himmel, als er Michaelis 1529 von den Visitatoren anf den Colditzer Posten gestellt wurde. Am 16. Juli 1529 schrieb Justus Jonas zugleich im Namen der übrigen Visitatoren an den bisherigen Colditzer Pfarrer Wolfgang Fuß: sie hätten ihm jüngst im Kloster Nimbschen vermöge und kraft kurfürst- lichen Befehls die Pfarre und Seelsorge zu Leisnig eigen- tümlich geliehen und befohlen und ins Auge gefaßt, die

1) Botacheidt S. 49.

3) Archiv f. süchs. Gesch. 19, 208f. (= Bindseil, Philippi Melanchthonis epistolae, iudicis, consilia, testimonia . .. 1874, 509f.). 483. O. Clemen, Beiträge z. Reformationsgesch. 8, 60 unten.

5) Enders 6, 142.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXL 1/$. 9

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Pfarre zu Colditz nächste Michaelis mit Magistro Augustino zu bestellen; sie wollten ihn aber doch erst noch einmal vor die Wahl stellen, ob er nach Leisnig ubersiedeln oder etwa in Colditz bleiben wolle; in letzterem Valle würde Himmel nach Leisnig kommen!) Fuß entschlob sich indes

1) Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas I, 137 Zu der kleinen Monographie über Fuß von Rob. Alex, Lempe (Chemnitz 1877) wäre auch nach Enders 5, 408° mancherlei nachzutragen. Nach den beiden Briefen von Fuß an Stephan Roth, Grimma 18 u. 15. Joni 1529, die Lempe S. 19f. nach den Originalen Zw. R. A B. N 85 1. 36, letzteren mit dem falschen Datum: 22. Juni, abgedruckt, fander die Verhandlungen der Visitatoren mit Fuß Mitte Juni 1529 statt. Fuß dachte an Roth als seinen Nachfolger, aber der Zwickauer Rat empfahl statt dessen Hieronymus Werner (als baccalaureus Coloniensis Winter 1513 in Wittenberg immatrikuliert, wohl identisch mit dem, der Mai 1598 Pfarrer in Lucka im Altenburgischen wurde: Enders 6, 1559. Zu dem 8. Briefe von Fuß an Roth, Chemnitz 30. Juli 1541 (N 51, Lempe S. 69f.) ist zu bemerken, daß der von Roth für eine Pfarrstelle in Fuß’ Bezirk empfohlene Vitus Rhot am 1. November 1519 ala Pfarrer für Weißenborn bei Zwickau ordiniert wurde (Kreyßig, Album der evangelisch-lutherischen Geistlichen im Künigreich Sachsen, 9. Aufl, Crimmitschau 1898, S. 662). Fuß muß abschlügigen Be- scheid geben, „quia nulla ecclesia meae fidei commissa pastore caret praeter eam, cui iam praeest Wolffgangus Schlifferus, sc. Vhilam“ (so zu lesen! Vielau bei Zwickau). Gemeint ist der Winter 1529 in Leipzig immatrikulierte Wolfgang Schleifer aus Zwickau, 1525 Kantor an St. Katharinen und 1529 an St. Marien, 1585 Diakonus in Glauchau, 1542 Pfarrer in Neustädtel bei Schneeberg (?), 1546 Pfarrer in Penig, gest. 18. März 1557: Herzog, Geschichte des Zwickauer Gymnasiums, Zw. 1869, 8.95; KreyBig, Album der evangelisch-lutherischen Geist- lichen im Königreich Sachsen, S. 205, 411 (7) und 487. Unter Vielau KreyBig S. 147 fehlt er; wahrscheinlich hat er die dortige Pfarre von Zwickau aus provisorisch verwaltet. 1550 wurde dort ein Joh. Schl. aus Zw. Pfarrer. Vgl. auch noch Beiträge zur sächs, Kirchengesch. 15, 8. Wolfg. Fuß’ gleichnamiger ältester Sohn, dem die Melanchthonbriefe CR VII. Nr. 5245, VIII, Nr. 5582 u. 5587 gelten, geb. 1535 in Colditz, immatrikuliert in Wittenberg April 1689, in Leipzig als bacc. Wittenbergensis 8. 1545, assumptus ad facultatem W. 1545, mag. W. 1545, assumptus ad consilium facultatis W. 1548, war 1543 Tertius, 1554 Konrektor an der Lateiuschule in Chemnitz, 1516—47 Lehrer an der Fürstenschule in Pforta, 1550 Universitätsnotar in Leipzig und starb am 19. Januar 1560 als Ober- stadtschreiber daselbst. Vgl. Elegiae scriptae de obitu optimi atque ornatissimi viri D. Wolfgangi Fusii, artium magistri et amplissimo senatui Lipsensi a libellis etc., Lipsiae 1560 (Verfasser der Trauer-

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sehr bald endgültig, die Leisniger Pfarre su Übernehmen, und verließ Colditz gleich nach der Ernte. Himmel fand beim Einzug Scheune, Stall und Wohnhaus fast leer vor und hatte infolgedessen während des ersten Jahres sehr mit Geld- und Wirtschaftssorgen zu kämpfen. Wir wußten dies schon aus einem Brief Luthers an Spalatin vom 13. August 1529, mit dem Luther Himmel zu Spalatin nach Altenburg sandte, damit dieser jenem dort ein Darlehen verschaffte: „Venit hic ad te M. Augustinus, futurus in Coldicio tibi vicinus pastor. Sed quia pauper vacuam domum possessurus est, cogitat undique mutuum quaerere, si qua primum annum possit superare, de suo sueco victurus )“. Eine vortreffliche Illustration dazu bietet uns ein Brief Himmels an Stephan Roth in Zwickau, der gewiß aus dem nächsten Jahre stammt, also zu datieren ist: 12. März 1530. Wir sehen, mit welcher Rücksichtslosigkeit damals bisweilen evangelische Pfarrer gegen ihre Nachfolger verfubren. Später ist es Himmel in Colditz viel besser ergangen. Jonas rühmte sogar einmal an Luthers Tisch, „Magistri Augustini, parochi in Colditz, optimam sortem ef delicias^?) —, aber doch fiel ihm die Bewirtschaftung des Pfarrguts schwer, sodaß er Ende 1539, als der Superintendent Joh. Cellarius in Dresden ihn als Gehilfen dorthin ziehen wollte, geneigt war, diesem Rufe vom Lande in die Stadt Folge zu leisten“). Nach Altenburg kam Himmel auf Luthers und Melanchthons Empfehlung im Mai 1545 ). Joh. Himmel aus Altenburg, der am 9. September 1549 in Wittenberg, im Sommer 1554 in Leipzig inskribiert ist, ist gewiß ein Sohn von ihm.

Gratiam et pacem in christo! Congratulor tibi, mi amantiss. D.Stephane, de tua valetudine ac felicitate, quam ex hoc nuncio, quem ad me ire volebas, intellexi, Praecorque, ut utrumque deus

gedichte sind Fuß’ Schwager Adam Siber, Gg. Fabricius, Christoph Schellenberg, Jakob Straßburg, Gregor Bersmann: Gödeke, Grund- riß II, 2. Aufl., 101, 79; 98, 49; 106, 116; 104, 102; 108, 188). Auf der Rigaer Stadtbibl.: Oratio habita Lipsiae XI. die Julii anno MDXLIIII, quo die anni superioris inclytus dux elector Mauritius victor e terris sublatus est, Lipsiae Georg Hantzsch 1544, Vorrede‘ von Fuß, Leipzig 99. September 1544. Vgl. auch noch K. Kirchner, Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte 5, 46; 6,178; Paul Flemming, Theol. Studien und Kritiken 1912, 612; ders., Bei träge zum Briefwechsel Melanchthons, Naumburg a. S. 1904, S. 70.

!) Enders 7, 146,

f) W. A. Tischreden 8, 3463 e.

3) Luther an Himmel 26. November 1589, Enders 12, 296.

4) Enders 16, 281 f., 9411.

9*

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tibi augeat. Ego quoque deo gratia recte valeo una cum uxore. filiola raro recte valet, id quod nos valde diserutiat. sed ferenda voluntas domini. Quod scire cupis mearum rerum statum, satis ipse conijcere potes, qui sit. Veni Colditziam, eum meus praedecessor collegisset ae vendidisset totius anni proventum, qui potissimum ex agris huic parochiae est, distractis etiam rebus omnibus, nihilque inveni, quod usui esse posset, praeter unam valde annosam vaccam. Cogor itaque foto integro hoc anno quasi in diversorio vivere ac numerata pecunia, quod bactenus satis grave mihi est. Poterat certe homo ille parva rerum suarum iactura, imo fere nulla, mihi " magno inservisse et commodasse, nisi esset tam qAoxorjuasog. Spero vero commodius victurum me, ubi deus benedixeritsementi et tempus colligendarum frugum advenerit. Interim vivimus, ut possumus. Caeterum situs hic valde mihi placet. Est enim amenissimus. Deinde parochia satis dotata, nisi quod durius esí integro anno expectare proventum. De hijs satis. Rerum novarum hic nihil est, nisi quod populus iste omnino induruit ad omnes res honestas adeoque Euangelium, id quod novum non est. Sed cum caeteris parochis hoc mihi arbitror commune, laborare scilicet et benefacere populo ingrato. Dolet hoc quidem, sed emendare non possumus; emendet, qui solum potest, deus. interim non cessamus monere et arguere. Tu pro me deum ora, ut me fortem faciat in Suo verbo ef suo verbo proventum det uberiorem. Vale in Christo cum tua coniuge. Salutat te mea uxor, iam statim deo volente paritura. Salutabis ex me D. Nicolaum Haus- mannum pastorem et d. Cordutum diligenter.

Ocissime Colditij Sabbato ante Reminiscere (1530:12. März]

Augustinus Hymmel parochus Colditiensis.

Venerabili viro Magistro Stephano Rodt, civitatis Cygneae a secretis ef libellis, amico suo syncero et fratri cariss,

Die Kaiserwahl Friedrichs des Weisen (27. Juni 1519).

Von Paul Kalkeff.

Die Auffassung Friedrichs des Weisen und seines Ver- bültnisses zu Luther, wie sie im „Lutherheft“ dieser Zeit- schrift"), dann in den „Entscheidungsjahren der Reformation“ und zuletzt am Schlusse der Geschichte des Wormser Reichs- tags”) von mir vertreten wurde, ist neuerdings in einer von M. Lehmann angeregten Dissertation“) als auf Irrtümern und Trugschlüssen beruhend verworfen worden. Wenn dem Kurfürsten schließlich auch eine „innere Anteilnahme an der reformatorischen Bewegung nicht abgesprochen“ werden solle, 80 habe er doch bei seiner „Apathie“, „seinem Kleinmut“, „seiner zaudernden Bedenklichkeit“ sich „völlig passiv zu Luthers Erscheinen vor dem Reichstage“ verhalten, habe „den Geist entschlossener Initiative", den ich ihm „andichte“, ver- missen lassen und tiberdies „als kluger Politiker sich einer ganz nutz- und aussichtslosen Opposition enthalten“). In meiner Entgegnung“) bin ich davon ausgegangen, daB Friedrich mit derselben, aus Vorsicht und Entschlossenheit gemischten Staatskunst, mit der er jahrelang den Kampf gegen Papst und Kaiser geführt hat, auch der Bewerbung der west- europäischen Großmächte um die Kaiserkrone entgegenge- treten ist und schließlich in gefahrvoller Lage tatsächlich „den Mut gehabt hat, die Stufen des Thrones zu ersteigen“®). Da das Erscheinen des unter dem Titel „Die Kaiserwahl Friedrichs IV. und Karls V.“ abgeschlossenen Buches sich

1) ARG. XIV. (1917), 249—262.

9) München und Berlin 1922, Kap. IX: Der Anteil Friedrichs des Weisen an dem Gelingen des Reformationswerkes. .

5) Elisabeth Wagner, Luther und Friedrich der Weise auf dem Wormser Reichstag von 1521. ZKG. N. F. V. (1998) 881—890.

4) A. a. O. S. 873, 8771., 885 f. 889f.

5) Friedrich der Weise, dennoch der Beschützer Luthers und des Reformationswerk es. A. a. O. VI. (1924), Heft 1.

) Wie Rob. Roesler in seinem vortrefflichen Buche über „Die Kaiserwahl Karls V.“ (Wien 1868) es nur als mit seinem Charakter vereinbar annimmt.

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noch lange verzögern kann, dürfte ein kurzer Bericht uber seine Ergebnisse auch vom Standtpunkte der Reformations- geschichte aus zulässig sein )

Wir glauben heute noch, daß es eine erlösende Tat für das deutsche Volk war, als nach dem Tode des hochge- priesenen Kaisers Maximilian sein jugendlicher Enkel die Bewerbung des Franzosen, des Siegers von Marignauo, aus dem Felde schlug, der mit gewaltiger Rüstung am Rhein erschienen war und Ströme von Gold in die Kassen der Kurfürsten geleitet hatte. An diesem nationalen Verdienst hatte redlichen Anteil der wackere Heid Franz von Sickingen, der als Führer des Schwäbischen Bundes mit einem Heer von Rittern und Bürgern unter der begeisterten Mitwirkung des hohen rheinischen Adels und zahlreicher patriotischer Schriftsteller, darunter des Heroldes deutscher Freiheit, Ulrichs von Hutten, die Wahlstadt gegen den Erbfeind deckte und die verrüterischen Kurfürsten an ihre Pflicht mahnte.

Aber gerade diese vielgeschmühten Wahlherren, die aus schmutziger Habgier wohl fünf bis sechsmal die Partei gewechselt haben sollen, haben im eigenen, wohlverstandenen Interesse ernstlich und schließlich mit heroischer Entschlossen- heit versucht, durch die Wahl eines „Dritten“, eines deutschen Fürsten, sowohl dem spanischen wie dem französischen Joche zu entgehen. In den voraufgehenden Phasen der ein halbes Jahr dauernden Verhandlungen war ihre Haltung gegentiber den beiden westlichen Großmächten durch die Lage ihrer Länder bestimmt, also durchaus nicht wetterwendisch. Nur daß sie bei der Ohnmacht des einzelnen wie des Reiches darauf bedacht waren, für den Fall des Mißlingens sich gewisse Vorteile zu sichern. Entscheidend aber waren, wie schon Ranke gesehen hat, die höheren politischen Gesichts- punkte, vor allem aber die Sorge um die Wahlfreiheit und die Aufrechterhaltung der bestehenden ständischen Verfassung, wie sie’ unter hervorragender Beteiligung Friedrichs des Weisen und in stetem Kampfe mit dem selbstsüchtigen, unzuverlässigen Reichsoberhaupt seit 1495 ausgebildet worden war. Und so enthält denn auch das Reichsgrundgesetz der Goldenen Bulle den Schlüssel zu der Wahlpolitik des Kollegi- ums, als es sich drei Wochen vor den Entscheidungstagen in Frankfurt versammelt hatte.. Wenn die Kurfürsten einen aus ihrer Mitte wählen wollten, so könne dieser sich durch

1) Die folgenden Ausführungen habe ich dem wesentlichen Inhalt nach (ohne die Anm.) auch in der Unterhaltungsbeilage der Schlesischen Zeitung von 24, Februar d. J. mitgeteilt.

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die eigene Stimme die Mehrheit sichern, der sich die etwaige Minderheit bei der letzten förmlichen Abstimmung anschließen mußte, so daß stets eine „einhellige“ Wahl verkündet wurde. Und damit ist auch jedes Bedenken, ob der gewöhnlich für „schwerfällig und unentschlossen“ gehaltene Friedrich von Sachsen den Mut gehabt habe, nach der Kaiserkrone zu greifen, ausgeschlossen. Er soll die ihm angebotene Wahl ausgeschlagen haben, weil er sich zu alt und zur Handhabung der strafenden Gewalt zu ohnmächtig gefühlt habe. Aber das ist die Legende, mit der von der Gegenseite seine erzwungene Abdankung nachträglich verhüllt wurde. Friedrich der Weise ist am festgesetzten Tage, am 27. Juni, in einer mit aller vorgeschriebenen Feierlichkeit abgehaltenen Wahl „einstimmig“ zum Kaiser erkoren worden, hat aber nach drei Stunden abdauken müssen, weil er zur Behauptung dieser Würde allerdings, aber nur für den Augenblick, zu ohnmächtig war.

Denn in der Hauptsache war sein Kaisertum nach außen wie nach innen vollauf gedeckt und seine Wahl das Ergebnis einer im tiefsten Geheimnis, aber mit großer Umsicht durch- geführten Verständigung- aller Gegner der spanisch-burgun- dischen Politik. Diese aber, in Spanien geleitet von dem Groß kanzler Gattinara, dem politischen Erzieher Karls V., in den Niederlanden von seiner Tante Margarete, in Deutschland von zwei klugen und entschlossenen Staatsmännern, von Maximilian von Zevenbergen und dem burgundischen Feld- herrn Heinrich von Nassau-Breda, riß von vornherein die Initiative an sich. Denn die Kaiserwahl Karls von Gent war ihnen nur die Krönung der seit fünfzig Jahren vorbe- reiteten Vorherrschaft in Europa unter Einschnürung Frank- reichs. Die tückische Einmischung Ludwigs XI. in Catalonien hatte das Bündnis zwischen den Königen von Aragonien und Castilien mit dem mächtigsten Vasallen der französischen Krone, mit Karl dem Kühnen, hervorgerufen. Gleichzeitig (1469) war auch schon die Verlobung seiner Erbtochter mit dem künftigen Kaiser Maximilian verabredet worden. Denn die Habsburger erscheinen bei all diesen folgenschweren dynastischen Abmachungen als ein romanisches Fürstenhaus, die Erben der spanischen Könige und der Valois: Maximilian selbst schon der Sohn einer Portugiesin wie Karl der Kühne und Enkel einer Polin. So ermißt man die Dreistigkeit der Behauptung, daß kein Fürst durch Geburt und Erziehung besser zum Träger der nur von einem Deutschen zu er- langenden Kaiserwürde geeignet sei als der halb als Franzose, ‚halb als Spanier erzogene Karl L, der kein Wort Deutsch reden konnte und deutschem Wesen stets verständnislos

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gegenüberstand. Schon auf dem Reichstage von Augsburg hatte ihm sein Großvater durch reiche Geschenke und noch größere Versprechungen die schriftliche Zusage von vier Kurfürsten verschafft, ihn zum römischen König zu wählen. Durch den Tod des Kaisers wurde diese Verpflichtung hin- fällig, und nun zeigte es sich, welchen tiefen Groll bei vielen der mächtigsten Fürsten die verräterische Hauspolitik des Habsburgers hinterlassen hatte, bei keinem grimmiger als bei dem Kurfürsten Ludwig V. von der Pfalz. Denn dessen Haus war von Maximilian im Landshuter Erbfolgekrieg schwer gedemütigt und beraubt worden. Dafür hat er sich nun, obwohl von Spanien eifrig umworben, an Frankreich angeschlossen und mit dem staatsklugen Erzbischof von Trier, Richard von Greiffenklau, und dem ehrgeizigen und goldgierigen Joachim I. von Brandenburg diejenige Gruppe gebildet, die trotz scheinbarer Parteinahme für Frankreich die nationale Wahlpolitik Friedrichs ermöglichte,

Deren weitere Voraussetzung war die der spanischen Weltherrschaft widerstrebende Haltung der Großmächte. Da dem Sieger im Wahlkampfe die Herrschaft tiber ganz Italien zufallen mußte, wo Karl I. Neapel, Franz I. die Lombardei besaß, so ist Leo X. von vornherein entschieden, wenn auch mit größter. Vorsicht, für die Wahl des Kurfürsten von Sachsen eingetreten. Da aber der „Verteidiger des aposto- lischen Stuhles“ zugleich der Beschtitzer des schon gebannten Erzketzers war, so sollte Luther durch den Kardinalshut und ein reiches Erzbistum gewonnen werden, als er sich eben anschickte, in Leipzig die Vorherrschaft des Papstes tiber die Kirche zu bekämpfen. Die Eidgenossen forderten Friedrich auf, sich wählen za lassen, und wollten ihm durch einen Zug nach Frankfurt beistehen. Auch England warb ins- geheim für die Wahl eines deutschen Fürsten, und in Venedig erklärte man, die Kurfürsten müßten Narren sein, wenn sie nicht einen aus ihrer Mitte wählten. Die Niederlage Friedrichs wurde nur durch die Eitelkeit Franz I. verschuldet, der erst durch seine Bewerbung Wasser auf die Mühle des Gegners leitete; denn dieser konnte nun seinen Staatsstreich mit dem drohenden Verlust der Kaiserwürde an den Franzosen be- miínteln. Dabei wußte man aber, daß dieses Ziel keine so: großen Opfer lohnte, wie sie ein ernster Kampf mit Spanien erforderte. Frankreich hat deshalb nicht erheblich gerüstet und sich diplomatisch wie finanziell sehr bald von der spanisch-habsburgischen Staatskunst tiberflügeln lassen. Zu spät begriff der König, daß er, um die Wahl des Spaniers zu verhindern, die Friedrichs mit allen Mitteln fördern müsse.

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Denn die Gegner, vor allem Zevenbergen und Nassau, hatten rechtzeitig erkannt, daß in der letzten entscheidenden Phase nur rücksichtslose Gewalt zum Ziele führen könne, wie ihnen schon Maximilian es vorgezeichnet hatte, als er den skrupellosen Bandenführer Sickingen aus französischem Dienste zu sich .hertüberlockte und in frivoler Mißachtung alles Rechtes von der zehnmal verdienten Rejchsacht löste, Der Feldzug gegen den gewalttätigen Herzog von Württemberg (im Frühjahr) brachte dann die Aussicht, diese Eroberung des Schwäbischen Bundes ftir Oesterreich zu erwerben, und lieferte zugleich den Vorwand, einen Teil des Heeres bis einen Monat vor der Wahl auf fremde Rechnung beisammen zu halten. Denn nur die käuflichen Gruppen, die Lands- knechte Frundsbergs und den adligen Anhang Sickingens, nur knapp die Hälfte, konnte man für den Staatsstreich rebrauchen. Die bayerischen Wittelsbacher, die eine an- sehnliche Macht zum Bundesheere gestellt hatten, standen dicht vor einem Bündnis mit Frankreich! Und beizeiten war auch die Formel gefunden, es gelte, mit bewaffneter Hand die Wahlfreiheit der Kurfürsten gegen französische Verge- waltigung zu schützen. Der hohe rheinische Adel aber war an dem frevelhaften Unternehmen nur insoweit beteiligt, als man einzelne Familien ihres politischen Einflusses wegen an den Höfen von Cleve und Jülich, von Trier und Köln mit Jahr- gehalt oder sofortiger Zahlung angeworben hatte, besonders aber die verschiedenen Linien des Hauses Nassau. Die be- rühmte patriotische Drohung, die der kurmainzische Grat Eberhard von Königstein den in Oberwesel versammelten Kurfürsten ins Gesicht geschleudert haben soll, wenn sie es wagen sollten, den Franzosen zu wählen, ist ein gut bezahlter Schwindel.

Der eigentliche Verräter aber war der Erzbischof von Mainz, Albrecht von Brandenburg, der einzige, der sich für enormen Gewinn an Spanien verkauft hatte, dem sonst nur die böhmische Stimme wegen des Familienbtindnisses von 1515 zur Verfügung stand. Denn das spanische Heer hätte von Eßlingen aus nicht vor die Tore von Frankfurt marschieren können, wenn ihm nicht das kurmainzische Gebiet, das sich den Main aufwärts und nach Stiden bis dicht an den Neckar erstreckte, geöffnet worden wäre. Dabei aber konnte der Landesherr nur im Einvernehmen mit dem Domkapitel unter dem ehrgeizigen Dechanten Lorenz Truchseß von Pommers- felden und dem Führer des stiftischen Adels, dem Hofmeister Frowin von Hutten, handeln. Heinrich von Nassau wußte das meisterhaft auszunutzen. Denn er nahm nun bei dem strategisch wichtigen Mainzer Schlosse Höchst Stellung, wo

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er nebenbei auch die noch weit in der Champagne stehenden Franzosen beobachten, vor allem aber dem Entsatzheer des Herzogs Heinrich von Lüneburg, des Schwagers Friedrichs des Weisen, die Nidda aufwärts entgegenrticken konnte. Die in Norddeutschland entbrannte Hildesheimer Stiftsfehde war in jenem Augenblick eine kriegerische Episode des Wahl- kampfes: schon schickte Nassau von Mainz aus Geld und Verstärkungen an die habsburgisch gesinnten Herzöge von Braunschweig; der französische Gesandte aber schloß ein Bündnis mit dem Landgrafen Philipp von Hessen, dem Tod- feinde Sickingens, das dem Lüneburger den Weg nach Frankfurt öffnete.

So standen die Dinge tatsächlich auf der Spitze des Schwertes, als die Kurfürsten nach feierlicher Eröffnung des Wahltages mit ihrer Vereidigung am 17. Juni in die letzten Verhandlungen eintraten. Schon am 22. wußten die fremden Gesandten, daß die Bewerbung Frankreichs ebenso aussichts- los sei wie die Spaniens, daß auch der Kurfürst von Branden- burg nicht mehr in Betracht komme, sondern nur der Sachse. Eine geheime Botschaft des Papstes und der Franzosen, überbracht durch Karl von Miltitz, versicherte ihn der unbe- dingten Unterstützung dieser Mächte; der Erzbischof von Trier wollte dem künftigen Kaiser, der eben wieder am Podagra litt, alle persönliche Mühewaltung abnehmen. Und Friedrich war entschlossen, zur Rettung Deutschlands das Aeußerste zu wagen. Denn schon entfesselten die burgun- dischen Führer und die alten österreichischen Räte, die auch einige gelehrte Federn gekauft hatten, die durch Beutegier gesteigerte Parteiwut ihrer Scharen: man werde die Kur- fürsten in Stücke hanen, wenn sie nicht den König von Spanien wählen wollten. Schon auf dem Hinmarsche nach Württemberg hatte Sickingen unter Mitwirkung jener Ver- trauten Maximilians versucht, die Wahlstadt zu überrumpeln. Ein Begleiter Friedrichs schrieb jetzt an seinen Bruder Herzog Johann: „Gnädiger Herr! Die Sache steht ganz baufällig; sie wollen den Kurfürsten solche Angst machen, daß sie nicht wissen, wo hinaus.“ Doch mit unerschütter- licher Ruhe hielt Friedrich in der von einer Seuche heim- gesuchten Stadt aus, deren Bürger keinerlei Gewähr für eine kräftige Verteidigung ihrer Tore boten. Als der ersehnte Entsatz nicht erschien, entschloß er sich, die Gegner vor eine vollendete Tatsache zu stellen. Erst in letzter Stunde erfuhr der Stadtrat, daß am nächsten Morgen die Wahl stattfinden werde, doch wurde das übliche Sturmläuten, das die Bürgerwehr auf ihre Posten rief, ausdrücklich ver- boten. Alle anderen Gebräuche, der feierliche Aufzug der

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Kurfürsten in vollem Ornat, das Hochamt, die Abstimmung in der neben dem Chore von S. Barfholomüi liegenden „Wahlkammer“, wurden genau beobachtet, und so war Friedrich nach dem Zeugnis des englischen Gesandten!) „drei Stunden lang Erwühlter Römischer Künig* aber die Verkündigung erfolgte nicht, und die Kurfürsten ritten wieder in ihre Herbergen. Was war geschehen? Wir können es mit ziemlicher Sicherheit feststellen: ein verwegener burgun- discher Diplomat, der elsässische Ritter Paul von Armstorff, der mit der Hohkönigsburg belohnt wurde, hatte sich in Frankfurt eingeschlichen und ließ durch Vermittlung des Domdechanten Lorenz Truchseß, der die Tür der Wahl. kammer bewachte, die letzte furcbtbare Drohung an die Kurfürsten gelangen. Als neun Jahre später der Erzbischof von Mainz den herrschsüchtigen Prälaten mit eigener Hand verhaftete und in Ketten legen ließ, rief er dem Domkapitel zu: der wisse noch wohl um die Pfeile, damit der Herzog von Sachsen erschossen worden?)! Staatsrechtlich ergab sich die Abdankung Friedrichs daraus, daß der Pfalzgraf aus der nationalen Mehrheit ausschied, weil ihm mit sofortigem Ein- fall der Ritter Sickingens, seiner eigenen Lehensleute zum guten Teil, gedroht wurde. Am nächsten Tage erfolgte die Wahl Karls V., und am übernächsten siegte der Lüneburger in blutiger Schlacht auf der Soltauer Heide: nur wenige Tage zu spät, um das Kaisertum eines Mannes zu retten, der dem deutschen Volke in seinem politischen, wie in seinem religiösen Leben das Recht der Selbstbestimmung gewahrt haben würde Denn er war, wie Luther später verkündete, der wiederkehrende Kaiser Friedrich, der das heilige Grab, d. h. das Evangelium, von langer Unterdrückung

1) Richard Pace, mitgeteilt von dem venetianischen Gesandten Giustiniani: II duca de Saxonia stete 3 hore electo di Romani, ma vi abdicó, dicendo esser impotente a questo grado (M. Sanuto Diarii XXVII., 609). A. Kluckhohn, der hochverdiente Herausgeber des L Bandes der deutschen Reichstagsakten, Jüng. Reihe (1893, S. 828 Anm.), hat sich den Schlüssel zur Lösung des ganzen Problems selbst verlegt, indem er „die merkwürdige Angabe über das dreistündige Kaisertum“ Friedrichs durch die Vermutung beseitigen wollte, es habe im Original „8 vote“ statt „8 hore“ gestanden, da der Sachse auch nach Spalatins Angabe drei Stimmen gehabt habe. Aber dann mußte der Satz mindestens lauten: „fü eletto con 8 voti“; „eletto di R.“ aber ist der staatsrechtlich feststehende Titel: „electus rex Boma- norum“, den der Kaiser bis zu seiner Krönung führte.

5) Eine schon 1865 von Jak. May und 1906 von J. B. KiBling voll- ständig mitgeteilte Stelle aus dem Domkapitelsprotokoll vom 1. Juli 1598.

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befreien sollte; im Geiste dieser Weissagung sei es gleich- gültig, wie lange er Kaiser gewesen sei; genug, daß er es war!) Aber doch nicht genug für das deutsche Volk, dem seine große Aufgabe, die Reform des abendländischen Christen- fums, vereitelt, die Erneuerung der eigenen Kirche und damit des ganzen nationalen Lebens verkürzt und verktimmert wurde, als dieser „Schicksalskaiser“ sich ihm mit List und Gewalt aufdrüngte.

!) Am Schlusse der Schrift: „Vom Mißbrauch der Messe“ (1521/22) Kalkoff, Wormser Reichstag S. 884 Anm. 1.

Ein Brief des Flacius an Magister Andreas Poach (5. Oktober 1554).

Mitgeteilt von Walter Friedensburg.

Der Brief des Flacius, den ich nachstehend aus einer Hs. der Staatsbibliothek zu Berlin veröffentliche, stellt neben einem Schreiben von 1549!) wohl alles dar, was von dem Briefverkehr zwischen Flacius und Poach?), der (nach unserem Briefe zu schließen) ziemlich rege gewesen zu sein scheint, bisher bekannt geworden ist“). Anderer- seits weiß man, daB Poach auf Seite der Gnesiolutheraner an den dogmatischen Streitigkeiten unter den Evangelischen in den ersten Jahren nach Luthers Tode Anteil genommen hat. Diese Kämpfe haben ihn dann wohl auch mit Flacius in Verbindung gebracht, der, wie unserem Briefe zu ent- nehmen ist, den Erfurter Geistlichen zur Unterstützung seiner umfassenden Pläne auf dem Gebiet der kireblichen Geschichts- schreibung heranzuziehen bemüht war. In seinem Haupt- teil aber handelt unser Brief von einer einzelnen, damals, wie jeder weiß, viel behandelten Frage, nämlich nach der Berechtigung der Verteidigung gegenüber den Verfolgungen einer andersgläubigen Obrigkeit um des Evangeliums willen. Flacius ergeht sich hierüber in Ausführungen, die, zum Teil

1) Ich verdanke die Kenntnis dieses früheren Schreibens des Flacius an Poach einem freundlichen Hinweis meines sehr geschätzten Mitarbeiters, des Herrn Prof. D. O. Clemen in Zwickau, der den bei (J. G. Weller) Altes aus allen Teilen der Geschichte 1, 21f. zuerst gedruckten Brief in seinen „Handschriftenproben aus der Reformations- zeit^ I Nr. 20 reproduziert hat.

3) Magister Andreas Poach (so ist der Name, den Flacius in Boek veründert hat) geb. 1526, wurde 1550 von Nordhausen nach Erfurt an die Augustinerkirche berufen. 1572 ging er nach Jena und starb dort 1585, Vgl. u. a. Buchwald in ADB. 26 (888), S. 825 bis 881.

5) Für freundliche Auskunft vom Erfurter Stadtarchiv über Poach usw. bin ich dem Archivar, Herrn Professor Dr. Overmann, aufrichtig dankbar; einschlägige Akten finden sich jedoch leider dort nicht vor.

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den Charakter von Selbstbekenntnissen annehmend, für die Wesensart des Verfassers bezeichnend sind, weshalb der nachstehende Brief auch in seiner Vereinzelung der Ver- öffentlichung vielleicht nicht unwert ist.

S. ago tibi maximas gratias, charissime frater, quod nobis fuam sententiam de historico negocio communiocas. sed cupio te id prolixius et diligentius adhue aliquando facere, plura in specie indicare et aliquando etiam de styli forma dicere. incident tibi homini diligenti et acuto multa, de quibus nos secrete monere poteris, si modo laborem ac molestiam omnia annotandi nobisque perscribendi non defugeris. quare-amabo-vide, ut summa diligentia de tota causa sedulo cogites. de sumptibus mediocribus bonam spem habeo, tametsi vestrates, id est Thuringi, nihil collaturi videantur. utinam perinde ipsas personas per omnia idoneas ad manus habe- remus, sed tu et de hac parte hujus deliberationis cogita, ita tamen ut omnia clam penitus habeas. si tomos Lutheri recudere vultis, adjicite indicem et quedam alia, que ad commenda- tionem factura videntur. meo judicio etiam coarctanda nonnihil omnia essent, ne puram ferme chartam, ut Viteb[ergeusibus] foeneratoribus mos est!), vendere velle videamini. sed de hisce hactenus.

Miraris, vir amicissime, adeo tenacem me esse sententie de defensione. ego vero eum me esse fateor, qui non aliter sim addictus, adstrictus et veluti juramento devinctus lis sententiis, quas semel in animo insidere meo passus sum, ac fidi subditi suo domino, eoque, perinde uf illi, non aliter ab illis notitiis deficere possum quam si veniat alius, qui validioribus quasi machinis veritatis firmarumque rationum me cogat illis prioribus dogmatibus renunciare novisque jurare ac obedientiam polliceri. quare si tu putas me hactenus in hae vel in alia aliqua parte doctrine aut vite falsas notitias sequentem esse, ab illisque me pestibus et quasi tyrannis liberare cupis, pium fraternumque opus facis. sed affer, ut dixi, validas aliquas firmasque machinas ex verbo dei extractas, quibus verereluctari non possim, sed potius cedere cogar. equidem fateor plus malicie in hominis corde esse quam uf quisquam satis semet ipsum pernoscere possit; famen quantum omnino

1) Bekanntlich erschien die erste Gesamtausgabe der Werke Luthers zu Wittenberg, in 19 Bänden deutscher Schriften (1589—59) und 7 lateinischen (1545—58). Es folgte in Kürze die Jenaer Ausgabe (die Flacius hier wohl im Auge hat) in 8 deutschen und 4 lateinischen Folianten (1555—58) usw. Poach persönlich hat sich besonders um die Textkritik und Vervollstándigung der Predigten Luthers verdient gemacht,

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possum ipse de me judicare, fui hactenus studiosus sincere ac simplicis veritatis tum in theologicis tum in aliis studiis atque adeo tota vita. quare et in hoo negocio ita plane animo affectus sum, ut veritatem optimum ducem sequi cogitem, quo porro!) etiam magis animadvertas me docilem auditorem esse velle, commonstrabo tibi rationem simplicem, qua errorem, quem in meis sententiis esse putas, expugnes meque ab eo amice liberes. non. est necesse te refutare illa mea scholia tue epistole ad Osnicensem?*), sed pone solum diserte primum tuas sententias seu summas propositiones hujus controversie, que (ut opinor) non ultra duas aut tres erunf, deinde adde eis 5 aut 6 evidentes demonstrationes ex sacris literis desumptas idque sermone simplici ac nudo ferme dialectice, uti convenit in querenda veritate fieri. postea poteris eodem modo duas aut tres meas falsas sententias adjicere easque aliquot paucis, sed validis argumentis confutare. id breve seriptum cum confeceris, ad me mittito. legam et eogitabo diligenter et quod verum falsumque videbitur, denuo breviter indieabo, quoad res tota dilucide liqueat. potes meam responsionem tibi Northusiam missam etiam inspicere et perpendere, quo melius cernere possis quid mihi obstet, quo- minus tibi penitus assentire possim. quod seribis, Viteb[ergenses] corrupisse admonitionem Luth[eri), nihil ad me attinet. usitatum enim est etiam in optimis negociis, sepe undiquaque etiam falsa suffragia corrogare. oupio scire an umquam cum d. Basilio®) aut Menio, cum quibus d. D. Ratzenb[erger] crebro est, de istac re contuleritis, quandoquidem ipsi diligentius et prolixius de isto negocio scripserunt. ego enim vix attigi fantum semel atque iterum. sed hoc nihil ad rem, illud iterum atque iterum oro ac moneo, uf primum clare, perspicue ac diserte tum vestras veras tum meas falsas noxiasque sententias proponatis, deinde firma aliqua argumenta adji- ciatis. nam ego non satis animadvertere hactenus potui, an negatis penitus, pie gladium magistratus posse evangelio in ulla parte subservire, aut tantum contra superiorem magistratum non posse.

Proponam etiam brevem questionem, sed cujusresponsionem prorsus. in sejuneta charta ab illa simplici institutione (de qua dixi) esse cupio, quo tanto expeditiorem viam ad

) Das Wort ist nicht sicher zu lesen, weil es ganz an den Rand des Blattes gedrüngt ist. 3) D. i. Kaspar von Schwenckfeld, geboren zu Ossig bei Lüben in Schlesien. Flacius’ polemische Schriftstellerei wider ihn begann etwa 1558. *) Anscheinend M. Basilius Faber Soranus, später Rektor des Erfurter Ratsgymnasiums (t 1576).

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veritatem habeamus minusque uterque nostrum digrediendi extra septa occasionem habeat. quero igitur: si jam Cesar istuc ad magistratum vestrum mitteret decem aut 20 hyspanicos carnifices cum severissimo et indubitato mandato, ut eos non impediret nec eis repugnaret, sed permitteret aut pateretur, ut vos omnes doctores evangelii, quandoquidem sitis heretici eto., jugularent, vestras uxores et filias contaminarent, omnia vestra auferrent; et magistratus vellet esse pius et evangelicus, rogaret ac obtestaretur vos, ejus spirituales (ut ita dicam) patres ac doctores, ut sibi indicaretis, quid pie facere aut omittere possit: se enim cupere christianum esse èt ea facere, de quibus in extremo judicio coram deo rationem reddere possit. si itaque falis aliquis casus accideret, quid tandem responderetis vestro magistratui? nam sine responsione dimittere pium magistratum in tanta re de sua conscientia ac erga deum obedientia consulentem non potestis, si doctores veritatis ao pie vite monstratores audire vultis. galuta d. D. Ratzenb[erger], M. Hieronymum!) et alios dominos fratres.

octob. 5. 1654. T(uus] Illyr(icus Constanti Christi ministro / d. M. Andree Bok | pastori Erfor- densi / suo domino ao fratri.

Berlin Staatsbibliotek Cod; Berol. 201 Nr. 77, eigen- hündige Ausfertigung.

1) Nicht nachweisbar.

Mitteilungen.

Nochmals „Acontius“.

Zur Acontius-Forschung hat im Anschluß an den so über- schriebenen Artikel von K. Bauer ZKG. 42, 76ff. W. Friedensburg AfRg. 20, 175 eine Ergänzung geliefert, Daß der von ihm bei- gebrachte einfach „Acontius“ unterzeichnete Brief sicher von Melchior A. geschrieben ist, beweist der Anfang dieses Briefes verglichen mit dem eines Gedichts des mit M. A. eng befreundeten Georg Amylius, durch welches er den Freund zu seiner Hochzeit ein- geladen hat, die er am 14. Februar 1540 in Siegen mit Agnes Westerburg feiern wollte. Der am 81. März 1549 in Speier ge- schriebene Brief beginnt: ,Contuli me, ut scis, ante 9 annos in aulam Ludovici comitis a Konigsstein . . ., und jenes Gedicht:

Dum tu magnifica Comitis versaris in aula, Nomina qui Regis, nomina Rupis habet . . .!)

Außerdem möchte ich zu Bauer nachtragen vor allem den Hin- weis auf den Aufsatz von Schnorr v. Carolsfeld in dessen Archiv 18, 297 ff. (schon citiert W. A. Tischreden 4, Nr. 5049). S. 808 bedauert Schnorr, die beiden Gedichte des Acontius auf die Hochzeit des Georg Sabinus nicht in den Originalsonderdruckeu nachprüfen zu können. Die Zwickauer Ratsschulbibliothek kann uns helfen: das in Distichen verfaßte steht Biij» Cijb von: Erotica Georgii Sabini Brandeburgensis. Duo epithalamis, alterum Latinis versibus a Melchiore Acontio, alterum Graecis a Matthia Illyrico scriptum. Impressum Vitebergae per Josephum Klug sn. 1586, und das in Hexametern 1b A 4* von: De nuptiis Georgii Sabini et Annae carmen heroicum Melchioris Acontii. Epithalamion Sabini et ad eundem propempticon autore Joanne Stigelio. Ad Philippum Melaochthonem aliquot elegiae eiusdem Stigelii. A. E. Impressum Vitebergae per Josephum Klug 1537 (34.8.19 Nr. 6 u. 7). Ferner habe ich Th St Kr. 1907, 140 ein Gedicht, in dem Acontius nach einem ihm von Melanchthon dargereichten Ent- wurf die Legende vom heil. Christophorus allegorisch gedeutet hat, behandelt. Der Originalsonderdruck erschien zwischen dem 10. und

1) Georgii Aemilii carmen eroticon. Addita est elegia ad Melcbiorem Acontium et alia quaedam epigrammata, anno 1540. Francoforti apud Chr. Egenolphum (Zw. R. S. B. 15. 3. 20,,) Titelrücksdite, Amylius wurde Rektor der Lateinschule in Siegen (Enders, Luthers Brief- wechsel 13, 50). Der in dem Briefe als Überbringer genannte Doctor Christophorus ist Türk.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXI. 1/3. 10

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dem 19. März 1586 bei Georg Rhaw in Wittenberg i). Ebd. S. 140 A. 9 habe ich erwähnt das Propempticon Georgii Aemylii scriptum ad Melchiorem Acontium et Christophorum Pannonium°®) abeuntes in Sylesiam, anno 1587 Mense Februario, das laut Impressum im Sept. 1587 bei Joseph Klug in Wittenberg herauskam und über das jetzt besonders G.. Bauch, Valentin Trozendorf und die Goldberger Sehule, Berlin 1921, 8. 781f. su vergleichen ist. Von den zwei Zwickauer Exemplaren 6, 6. 80, und 24. 8. 19,, trägt das erstere die eigen- händige Widmung des Verfassers: ,Doctissimo simul atque optimo viro Joanni Cellario coneionatori Baucensi patrono et amico suo colendo G. Aemylius‘®). l O. Clemen.

Die Berufung des Johannes Rhagius Aesticampianus an die Universität Wittenberg 1517.

Über diese Berufung des bekannten Humanisten vgl. meine Geschichte der Universität Wittenberg (Halle 1917) 8.118; ich teile hier die Quelle, zwei Briefe Spalatins, aus dem Sächs.-Ernestin. Samt- archiv in Weimar (Rep. O Nr. 305 Bil. 1 und 2) mit). Die Berufung erfolgte auf die Anregung des alternden Aesticampianus selbst. Dieser, der in der dumpfen Atmosphüre des herzoglichen Sachsens nicht ge- deihen konnte, witterte in der neu errichteten kurfürstlichen Akademie, seit dort der Einfluß des Theologieprofessors Martin Luther mehr und mehr maßgebend und bahnbrechend wurde (vgl meine Darstellung a. a. O., S. 96 ff.), Morgenluft. Eben um die Zeit, da Luther zum ent- scheidenden Schlage ausholte, der eine neue Welt erstehen lassen sollte, kam Aesticampianus nach Wittenberg, wo ihm jedoch nur noch eine kurze Tätigkeit gegönnt war; nach längerem Siechtum starb er dort schon Ende Mai 1520. Unsere beiden Briefe, eigenhändige Ent- würfe Spalatins, sind bezeichnend für die Art, in der dieser die An-

1) Diese Datierung ergibt sich aus dem S. 189 von mir citierten Briefe Melanchthons an Fürst Georg von Anhalt und dem Briefe Melanchthons an den Kanzler Franz Burkhard, Wittenberg 19. März 1536 (Schirrmacher, Briefe und Acten zu der Geschichte des Religions- gespräches zu Marburg 1529 und des Reichstages zu Augsburg 1580, Gotha 1876, S. 875): ,Mitto tibi Christophori allegoriam, quam spero tibi legenti iucundam fore

) Vgl. über diesen PreyB besonders Wilhelm Fraknói, Melanchthons Beziehungen zu Ungarn, Budapest 1874, S. 18ff, und Bauch, Trozendorf Reg. s. v.

) Vgl. Zentralbl. f. Bibliothekswesen 89, 437. Das S. 140 A. 2 von mir angeführte Gedicht des Ämylius De miserabili casa adales- centis cuiusdam Thuringi . . . bezieht sich auf den Winter 1586/87 in Wittenberg immatrikulierten, am 13. Juli 1587 in der Elbe beim Baden ertrunkenen Christophorus Gris de Waltershausen Duringiae.

4) Erwähnt von Bauch in ZKG. 18, S. 396.

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gelegenheiten der Universität handhabte und förderte (vgl. meine Gesch. der U. W., S. 103 fl.).

1. 8. P. quae mihi scripsisti, Aesticampiane doctissime, 8 cal. aug. (25. Juli] Fribergae, heri hic, ut par fuit, benevolentissime excepta magna cum voluptate pellegi, commodum [so?] a cena digressus. cae- terum tracta occasione conveniendi hoc nomine prihcipis d. Friderici... electoris usque in diem hodiernum dedi operam, ne tabellarius vel, si mavis, discipulus tuus retineretur diutius. favet, mihi crede, illustriss. princeps noster tibi neque injucundum ejus clementiae est, quod studia tua fidemque et ipsi et neacademiae Wittenbergensi tam benigniter [so!] offers. hoc igitur unicum est reliquum, ut me propediem literis tuis facias certiorem, quantum petas salarii. quid enim incertus tue volun- tatis tibi vel divinas vel humanas vel utrasque, si ita voles, literas professuro statuat? e re ergo tua futurum arbitror, si istud ad me scripseris. amico enim scribenti nihil minus est committendum, quam ut vel subobscure vel timide scribat. quantulumcunque igitur petiveris salarii, ut aliunde, ita discipulorum bonitate spero resarctum iri. quantum enim adnotare potui, principem habebis propitium, defuturum non timeo; quod tam venerabilem Christi et Musarum sacerdotem vel honestissime alat, neque eris vel mihi vel caeteris latini nominis et ordinis hominibus hospes ingratus, non parum multos inventurus, cum quibus etiam vitam omnem, nedum reliquum aetatis tuae libenter transigas. quid multa? ne putes me quod dicitur zag ọya progressum. invenies me, qualem debeat habere et Mutiano, preceptori meo, et eruditissimo cuique carissimus. vale, mii humanissime Aesticampiane, usuras me ut amicissimo, quandocunque volueris opera mea uti. cursim ex aree Aldenburgiensi pridie cal. aug. (91. Juli] 1517.

2. S. P. apceptis literis tuis, mi humanissime doctor Aesti- campiane, ad me quarto nonas hujus mensis datis [Z. August], quibus me certum facis quid mediocri volueris stipendio intelligi, nibil habui potius quam ut D. Fridericum ... electorem ... hoc nomine con- venirem, legi igitur illmo principi literas tuas. dixi adcepturüm looo mercedis anno proximo quantulumcunque tibi illms ipsius gratia de- ereverit, neque omisi quod commendationi caussae istius, etsi suo sibi satis genio commendabili, profutarum sperarem. princeps ergo pro singulari sua, ut in omnia bona studia et eruditissimum quemque, ita erga te gratia et benignitate tibi in academia sua Wittenbergensi pro- fessuro quadraginta aureos Renenses anno primo pollicetur, te haud dubie, si et ibi diutius manseris et utiliter et fideliter, ut soles, do- cueris, gratia prosecuturus. quod si illic reliquum aetatis transmittere volueris sacerdos et deo servire in choro sacerdotum, nihil minus timeo fore, quam ut non in eximiam coopteris divorum omnium ec- clesiam!). caeterum quod tuus discipulus Petrus Ritter a me petivit,

1) Auf die Pfründe des Allerheilgenstifts zu Wittenberg wurde die neue Universität ursprünglich zum größten Teile gegründet (meine 10*

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ut sententiam ill»! principis mea manu tibi scriptam principali sigillo curarem signandum, neque debui neque potui in presentiarum flagitare, tum quod certissimum omnium sit principem esse certissime fidei, et tum quod longe occupatior est quam ut id rogari eum conveniat. quid? quod, me id ipsum petente, posses in suspicionem venire, tan- quam de fide fidissimi principis sobdubitares. taceo quod non possem rogatus respondere hoc tuo rogatu petere. quae omnia mihi conside- randa duxi, ne uspiam impigneremur (so?] tuum igitur erit tibi per- suadere 40 ducatos a principe nostro illmo habiturum primo anno et illuc migrare vel, ut scripsisti, ad cal. octobr. vel quam poteris citis- sime. de domo autem tibi conducenda, etsi libentissime tue humanitati gratificarer, tamen quia illmum principem plerumque sequor, incertus quando illuc sim profecturus, non possum meam promittere operam, nihilo tamen secius, si e re tua futurum speres, diligenter ad amicos meos Wittenbergenses scripturus, ut tibi venturo aedes conducant; quamquam mallem abs te praemitti aliquem tuorum, qui ex ingenio et arbitrio tuo omnia perficeret. vale, mi humanissime Esticampiane, et quid tibi sit mentis et si migrate velis Wittenbergam, mibi responde. Mutienum preceptorem meum, virum tam integerrimum quam doctissi- mum, tuo nomine amicissime salutabo ei scripturus. cursim ex aree Aldenburgiensi pridie idus augusti (19. August] 1517. Friedensburg.

Zu M. Luthers Briefwechsel.

1. Zu dem nur in Abschriften und alten Drucken überlieferten Briefwechsel des Jahres 1524 zwischen Luther und Erasmus existierten in einem Druck der alten Wittenberger Universitäts-Bibliothek (heute Predigerseminar-Bibliothek; sign. L. C. 8) Farrago epistolarum Erasmi R. ad alios et aliorum ad hunc; admixtis quibusdam, quas scripsit etiam adolescens. Basel 1519, I. Froben, zwei weitere alte Handschriften, jedenfalls dem Daktus der Schriftsüge nach seit- genössischen Ursprungs, die, soweit ich sehen kann, mit keinem der von Enders benutzten Zeugen ganz übereinstimmen. Ich notiere die sämtlichen Abweichungen, soweit gie nicht lediglich die Schreibweise der Wörter betreffen,

Zu Enders IV, S. 818 f.: Z. 1: Martinus Lutherus Erasmo, Z.5: ex- spectarem. Z. 7: alieni more (— 8). Z. 18: nondum eese tibi datam a Domine eam. Z. 14: nostris fehlt. Z. 15: confidenter, Z. 15: nos, qui (= 8). Z. 17: exsuperat. Z. 18: toleraverimus, furimus (= 8). 2.26: multum fehlt. Z. 26: cum tamen. Z. 40: esse fehlt. Z. 44/45: Die Klammern bei ut libere fatear fehlen, ebenso Z. 46/47 bei quam ta modestiam et prudentiam (sic!) velis intelligi. Z.48: ob quorum merita.

Geschichte, S. 99). Aesticampianus erlangte jedoch nicht dort, sondern in Altenburg eine Pfründe (sacerdotium): Weimar. Ges. Archiv a. a. O. Bl. 8 (1619).

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Z. 54: immo (st. non modo) Z. 57: cohibiturusque; scripei fehlt. Z. 60: das erste vel. fehlt. Z. 61: tibi fehlt. Z. 69: neque (possum). Z. 64: Die Klammern bei sin .... mediator fehlen. Z. 71: parum fehlt: Lücke in der Handschrift. Z. 74: infirmitatem illam, Z. 82: semel fehlt (= 8); esse fehlt, Z. 85: ex quo. Z. 86: distulerit Dominus tibi. Z. 89: ne soleris et (von Enders beanstandete Lesart!). Z. 91: qui se Lutherano nomine peti. Z. 93: est fehlt. Z. 95: ab fehlt. Z. 101/102: immo ipse sese plus satis commendabit. Z. 102/108: Wittenbergae .. Lutherus fehlen, |

Zu Enders IV, 8.8861f, Z. 1: Salutem. Z.8: evangelicae veritati consulere. Z. 5: evangelium omnibus fiat commune. Z. 10: esse falsum fehlt; Lücke in der Handschrift. Z. 11: ipse fehlt, Z. 18: evangelico negotio, quam quidem. Z. 14/15: multos exoriri. Z. 93: absque evangelii jactura. Z. 24: modis und passim fehlt (= 8). Z. 26: nostris (st. meis). Z. 97: ex animis illorum. quod. Z. 99: nihil mibi possit accidere. Z. 31: Etsi, Z. B4/85: evangelico negotio. Z. 40: cogent. Z. 41: verum id non fiat. Z. 44: illos fehlt. Z. 45: Sed de rebus his. Z. 46: ne Deus vertat omnia. Z. 50: istius. Z. 51: de decoctionibus fehlt; Lücke in der Handschrift. Z. 51/59: Carthusiensibus (). Z. 58: et (invasis). Z. 55: unius (st. illius) de (st. deque). Z. 57/58: quo nihil perditius fehlt; Lücke in der Handschrift; auch falsorum fehlt. Z. 60: quis. Z. 61/629: Moguntiorum episeopum. Z. 62: nihil (refero); aliorum (st. altera). Z. 68: in his esse disertus (= 6). Z. 70: verbo a me laesus, quid. Z. 71: tu (st. tamen) (= 8). Z. 75/76: de his rebus, Z. 77: non data sit copia. Z. 80: M 94.

2. Enders-Kawerau, Bd. XVI S. 289 findet sich ein Brief Christians III. von Dänemark an Luther, vom 16. Mai 1545, abgedruckt nach einer „Abschrift aus dem 16. Jahrhundert (in N. Müllers Nachlaß, ohne Angabe des Fundorts)“. Durch einen glücklichen Zufall habe ich das Original des Briefes feststellen. können: es befindet sich im Besits des bekannten Handschriften-Sammlers O. Ulex, Altona. Von den Abweichungen, die ein Vergleich beider Stücke an die Hand gab, sind die meisten ohne weitere Belange; so wenn das Original in Z. 2: Luthero liest (st. Luther), ebd. gotlichenn (st. gotlichen), Z. 8: vor- bitlich (st. vorbithlieb), Wir (st. wir) Z. 9: Knaben (st. knaben), Z. 10: Wir (st. wir) Z. 16: gnädigster (st. gnadigker) Bedeutsam dagegen ist in Z. 5 die Lesart Stormarn st. Normann bei N. Müller, und sie spricht zugleich entscheidend für die Echtheit des Stückes, wie umgekehrt „Normann“ für die Abschrift schlechthin beweisend ist, Denn „Stormarn“, Name einer Graf- und Landschaft in Holstein (süd- lich von Glückstadt), kehrt im Titel der dänischen Könige jener Zeit, wie jeder Vergleich dänischer Königshandschriften zeigt, regelmäßig wieder, während „Normann“ sinnlos ist. Das von N. Müller mit einem ? versehene „Bresede“ in Z. 9 findet sich gleichlautend auch im Original; eine Deutung kann ich auch nicht geben.

D. Jordan, Wittenberg.

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„Regio Coswicensis“ bei Luther.

Zufällig bin ich auf eine Notiz in Dr. Wischke's „Anhaltische Geschichte“ Bd. II, 8. 808 aufmerksam gemacht: „Mit verständlicher Genugtuung über diesen Erfolg (Auflösung des Nonnenklosters in Coswig) schreibt Luther am 29. November 1527 an Justus Jonas: Wir haben jetzt auch die ganze Coswiger Gegend.“ Wie immer es sich um jene Klosteraufhebung verhalten mag, die Bezugnahme auf jene Briefstelle (End. VI S. 126) ist unmöglich. Luther bittet in dem ange- zogenen Briefe, daß Justus Jonas, der schon Mitte August vor der Pest in Wittenberg nach Nordhausen geflüchtet war, zurückkehren möge, und übermittelt ihm eine Reihe von Nachrichten aus der Stadt, die selbstverständlich alle auf den Stand der Pest sich beziehen. Grund- sätzlich bemerkt er: die Pest tritt bereits wesentlich milder auf. Schon finden wieder Hochseiten statt; man lebt sicher in den Tag hinein, als wäre die Pest völlig überwunden. Weiter: regio tus, also die Gegend, wo J. Jonas in Wittenberg seinen Wohnsitz hat, ist fast pestfrei (pura), nachdem allerdings zwei Bekannte, die Frau des Apothekers Tgnatius und Johann Weber, ihr zum Opfer gefallen sind, und zwar pestfrei bis zum Marktplatz. Noch andere persünliche Mit- teilungen über Bekannte, die zwar pesterkrankt, aber doch auf dem Wege der Besserung sind, schließen den eigentlichen Brief ab. Nun folgt eine Nachschrift, beginnend: Domum tuam adhuc puram sicut et totam illam regionem Coswicensem habemus (in ihrem zweiten Teil also obige Beweiststelle. Nach dem bisherigen Briefinhalt können die ersten Worte auf nichts anderes als auf die Pestfreiheit des Hauses von J. Jonas sich beziehen, wozu auch die weitere Notis über die Belegung dieses Hauses mit der Gattin Johann Mantel's stimmt. Dann aber ist auch der zweite Teil des Satzes so zu deuten; d. h. er handelt von der Pestfreiheit jener regio Coswicensis. Und diese „r. C.“ hat zwar ihren Namen von dem 18 km. von Wittenberg ent- fernten anhaltischen Städtchen Coswig, hat aber sonst mit diesem Städtchen und seiner Umgebung nichts zu tun, sondern ist das Coswiger Viertel in Wittenberg, das schon damals und noch heute diesen Namen führt, d. h. das nordwestliche Stadtviertel Wittenbergs, das nach Coswig hin liegt und durch das noch heute die Coswiger Straße bindurchführt. Die Gleichsetzung dieser „r. C.“ mit der oben erwhnten regio tua ist dann von selbst gegeben; und tat- sächlich lagen die Wohnungen der Stiftsherren der Allerheiligen“ stiftskirche, zu denen Justus Jonas als Propst gehörte, im „Coswiger Viertel“, in der Nähe der Allerheiligenstiftskirche.

Damit verliert freilich die Briefstelle jedwede Beziehung auf die Reformationsgeschichte von Coswig oder gar Anhalt; sie ordnet sich aber sinngemäß dem Ganzen des Briefes ein, der lediglich, wie nach seiner ganzen Absicht zu erwarten, von dem Stand der Pest in Wittenberg erzühlt,

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Nebenbei bemerkt: Ob E.L. Enders obigen Sachverhalt gekannt hat, ist nach seiner Randglosse „Coswig, ein kleines Dorf bei Wittenberg“ wohl eher zu verneinen als zu bejahen. Völlig abwegig, sachlich wie sprachlich, ist die Wiedergabe obigen Satzes bei G. Stier (Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Altertumskunde IV !, S. 8): „Wir haben jetzt auch jene ganze Coswiger Gegend; daher ich in deiner Abwesenheit dein bisher unbesetstes () Haus (domum tuam puram) belegt habe.“ D. Jordan, Wittenberg.

Neuerscheinungen.

P. Sinthern 8. I, Religionen und Konfessionen im Lichte des religiösen Einheitsgedankens (Freiburg, Herder & Co. 1998. VII, 199 8.) ist aus Vorträgen entstanden, die Verfasser Januar 1929 in Wien gelegentlich der ersten Feier der „Gebetsoktav“ zur Herbeiführung der Einheit im Glauben hielt. Wir lernen hier die Anschauungen eines gebildeten, irenisch gesinnten Katholiken über den modernen Unglauben, das Heidentum, den Islam, das Judentum, das orientalische Schisma, den Protestantismus (der ausführlichste Abschnitt!) und den Altkatholizismus kennen. Von dem katholischen System gibt Verfasser nichts preis; sein Axiom ist, daß die gegenwürtige Papstkirche, wie sie leibt und lebt, schlechterdings die von Gott gewollte, vom Propheten Daniel verkündigte und von Christus gestiltete Kirche sei. Daß außerhalb des Katholizismus irgend ein Denkender dieser naiven Gleichsetzung zustimme, ist schwerlich anzunehmen.

Aus den Veröffentlichungen der Luthergesellschaft zu Wittenberg vermerken wir: Das Jahrb. der LG. für 1993 (90 S. 4°) bringt einen Vortrag G. Roethes über Luthers September- bibel (vom Standpunkt der deutschen Geistes- und Sprachgeschichte), und za Huttens 400jührigem Todestag von P. Kalkoff eine Übersicht Über die Ergebnisse seines Buches über H. und die Refor- mation (1920), und eine zu einem erheblich günstigeren Urteil über den Ritter kommende Abhandlung von H. Delekat geb. Bickel über H.’s Charakter und Bedeutung im Lichte seiner inneren Ent- wicklung (aus ihrer 1918 von der phil. Fak. in Berlin angenommenen, nicht gedruckten Diss.). Das Jahrb. f. 1924 (51 S, 4?) vereinigt die drei Abhandlungen von K. Holl, Was künnen wir für die Neu- gestaltung unserer evangelischen Gottesdienste von Luther lernen? (Vortrag);. J. Smend, Luther, der Liturg und Musikant, und W.Stolze, Die Lage des deutschen Bauernstandes im Zeit- alter des Bauernkrieges. In den „Mitteilungen“ der LG. 1923 bringt Th. Knolle zeitgenössische Briefstellen, Predigten, Lieder über die

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ersten Blut seugen der Reformation; G. Buchwald gibt ein Luther-Kalendarium f. 1528 und Beiträge zur Kenntnis der Predigt L's; P. Kalkoff zeigt Dürers enges Verhältnis zu L. und seiner Lehre; H. J. Moser behandelt L. und die Kirchen- musik (64 8. in 2 Doppelheften 40). Als selbständige Flugschriften der LG. stehen daneben: O. Scheels gedankenreicher Vortrag über die nationale und internationale Bedeutung L.; O. Reichert, Luthers Septembertestament in seinen und seiner Zeitgenossen Zeugnissen, und Th. Knolle, Luther und die Bilderstürmer in seinen und seiner Zeitgenossen Aussagen (27, 16 und 19 S, 4°, 1929).

Von Heges und Neffs Mennonitischem Lexikon erschienen, durch ,brüderliche Hilfe“ in Amerika und der Schweiz ermöglicht, die Lieferungen 11—18, die vom Ende des Buchstabens D bis in den Anfang von F reichen. Von systematischen Beiträgen erwähnen wir: religiöse Duldung, Ehe (nebst Ehemeidung und Ehescheidung), Eid, Erbsünde, von Orten und Landschaften, die in der Geschichte des Täufertums eine Rolle spielen: Elsaß, Emden (nebst Emdener Religions- gespräch 1578), Emmental, Eslingen, Etschtal; dazu Persönlichkeiten: A. Dürer, Meister Eckhart und eine größere Anzahl von Anhängern (Märtyrern) wie auch Gegnern der Taufgesinnten; besonders willkommen sind J.Loserths Beiträge über Täufer Innerösterreichs. Im Selbst- verlag der Herausgeber (Frankf. a. M. und Weinhof-Pfalz) 1922/98, I, S. 481—024. Weiter führt die 14. Lieferung von Joh. Faber, B. von Wien, zu Seb. Franck, welche beide Münner ausführlich be- handelt werden. Fermer begegnen wiederum zahlreiche Blutzeugen des Tüufertums aus Süddeutschland und den Niederlanden; von Gegnern der Taufgesinnten Kaiser Ferdinand I., Hermann Finkelius, Christof Andr. Fischer; weiter John Fox (+ 1586), Verf. einer grund- legenden Geschichte der evangelischen Märtyrer Englands. Endlich vgl. die Artikel Flandern und Flugschriften der Taufgesinnten. (Frank- furt 1924) I, S. 625—672, Die 15. Lieferung, mit der der erste Bd. des Lexikons schließen soll, ist in Vorbereitung.

Als Nr. 187 der Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte (Jahrg. 42) ist wiederum eine Schrift aktuellster Bedeutung er- schienen: „Das evangelische Lied von 1524, Festschrift z. 400 jühr, Gesangbuch-Jubiläum von Jul. Smend“, mit Abb, des Titelbl. von Luthers erstem Gesangbuch. Unter Voranstellung einer Betrachtung über die Bedeutung der dichterisch-musikalischen Lebens- tat Luthers für die Kulturgeschichte der Neuzeit gibt Smend zunächst über die drei Gesangbücher von 1594 (Achtliederbuch, Erfurter Enchiridien, Wittenberger Chorgesangbuch) und ihr Verhültnis zu einander Rechenschaft, um dann die einzelnen Lieder Luthers von 1524 und die gleichzeitigen nicht von Luther stammenden Lieder (von Paul Speratus, Justus Jonas, Lazarus Spengler u. a.) zu be- handeln. Darauf bespricht er die Gesangbuch-Vorreden (einschließlich

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der Th. Müntsers zu seiner Deutsch-Evangelisch Mess) und schließt mit der Betrachtung der kirchen- und kulturgeschichtlichen Mission des ev. Gesangbuches und der Aufzeigung der wichtigen Aufgaben, die auf diesem Gebiet sich noch darbieten. Komm.-Verlag M. Heinsius Nachf. (Eger & Sievers), Leipzig 1924, 86 8.

H. Haußherr, Der Staat in Calvins Gedanken- welt (= Schr. d, VRG., Jahrg. 41, Nr. 186), gliedert seinen Stoff in die drei Abschnitte: „Grundlagen“, „Staat und Kirche in Genf“, der moderne Staat bei C.“. Verf. betont die praktiche Veranlagung C.'s, der für das allgemeine Verhältnis von Staat und Kirche zwar keine theoretische Lösung gefunden, wohl aber seiner Kirche einen festen Verfassungsrahmen zu geben verstanden hat, der diese von allen äußeren Einflüssen fernhielt. Außenpolitisch geht C. nicht sowohl anf Machterweiterung als auf Selbsterhaltung aus. Die innere Politik hat bei ihm derart den Vorrang, daß der Apparat der äußeren Macht- verhältnisse, eo meisterhaft ihn C. auch handhabt, nur in Bewegung gesetzt wird, um bestimmend auf die innere Politik einzuwirken; auch er steht unter der jenes Zeitalter beherrschenden Parole: für den wahren Glauben! Komm.-Verlag M. Heinsius Nachf. (Eger & Sievers), Leipzig 1928. 78 8.

Wolfgang Mejer,Der Buchdrucker Hans Lufft zu Wittenberg. 2verm. Aufl. mit82 Abb. Leipzig, K. W. Hierse- mann 1928, 90 8., gr. 4°. Endlich ist dem, wackeren Lutherdrucker Hans Lufft das gebührende wissenschaftliche Ehrendenkmal errichtet worden. Verf. stellt zuerst mit Hilfe des Wittenberger Stadtarchivs die Daten über das persönliche Leben L.'s und seiner Familie zu- sammen, um sich dann eingehend über dessen Wittenberger Druckerei und die mit ihrem Betrieb zusammenhüngenden Fragen zu verbreiten; er unterrichtet über ihre Lage und Ausstattung, ihr Personal, die Technik, die angewandten Typen, Bordüren, Illustrationen, Initialen, Druckerzeichen, über Luffts Verleger und Korrektoren, über Bücher- preise and Autorenhonorare. Kürzer wird dann der Königsberger Druckerei L.'s gedacht und endlich eine Würdigung seiner Persönlich- keit versucht (willensstarker Mann der Tat, lauterer, ehrenhafter Cbarakter, bedeutender Mensch) Der Anhang bringt Urkunden zur Geschichte L.'s, auch Nachweise über Wittenberger Schriftgießer. Den Abschluß bildet ein sorgfültiges Verzeichnis der nachweisbaren Drucke, die aus den beiden Offizinen L.’s hervorgegangen sind, 82 Abbildungen, hauptsächlich aus dem Initialenschmuck der Luther- bibel von 1534, zieren das sowohl für die allgemeine Reformations- geschichte wie für die Druck- und Literaturgeschichte der Zeit wichtige Buch, dessen gediegene Ausstattung des rühmlich be- kannten Verlags würdig ist.

H. Ritschl, Die Kommune der Wiedertüufer in Münster, stellt klar, wieweit in Münster ein kommunistisches System durchgeführt war und erklärt die Eigenart dieses Kommu-

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nismus als durchaus religiösen Ideen entstammend und nur aus den besonderen Verhältnissen, unter denen er in einer Theokratie ins Leben trat, verständlich. Dabei wird an Kautsky’s ökonomisch orientierter Darstellung einschneidende Kritik geübt, auch werden die Quellenberichte der Gegner der Wiedertäufer über das Schreckens- regiment in Münster usw. auf ihr richtiges Maß zurlickgeführt. Bonn und Leipzig, Kurt Schroeder, 1928. 64 8.

Der an Stelle einer Doktordissertation herausgegebene kurze Aus- zug der Schrift von Gotthard Münch, Chronicon Carionis Philippicum, Ein Beitrag zur Würdigung Melanchthons als Historiker, verrät eindringendes Studium und läßt das Nichterscheinen der vollständigen Schrift bedauern. Mel's Werk erscheint dem Vert. als klassischer Ausdruck der geschichtlichen Anschauungen ihres Zeit- alters, die noch in der das Mittelalter beherrschenden Ideenwelt der großen Kirchenväter wurzeln. Hochschulverlag Breslau, 1938.

Von (}) H. Jordans Reformation und gelehrte Bildung in der Mfsch. Ansbach-Bayreuth, Vor- gesch. der Univ. Erlangen (s. Archiv 15, S. 235f.) ist die zweite Hälfte nach dem Tode des Verfassers von Chr. Bürck- stümmer abgeschlossen und herausgegeben worden. Von 1556 bis 1742 reichend schließt sie die Lücke, die in der Gesch. der Uni- versität zwischen dem ersten Bande und dem Werke Th. Koldes noch bestand. Besonders eingebend wird die Regierungszeit Mf. Georg Friedrichs (1556—1608) behandelt, kürzer die späteren Regierungen. Den Schluß bildet die Gründungsgesch. der Bayreuther Friedrichs- akademie (1742), die schon ein Jahr darauf nach Erlangen verlegt wurde, womit die zweihundertjährigen Bestrebungen, in Ansbach- Bayreuth eine Hochschule zu gründen, zu gedeihlichem Ende kamen. Quellen u. Forsch. z. bayr. Kirchengesch. I, 2. Leipzig, Deichert (W. Scholl) 1922. V, 157 8.

Als Heft 5 des Corpus Catholieorum gibt U. Schmidt O. F. M. heraus seines Ordensbruders Kas par Schatzgeyers Scruti- nium divinae scripturae pro conciliatione dissidentium dogmatum (1522) unter Zugrundelegung der Erstlingsausgabe (Basel, Adam Petri, Märs 1522) und mit Benttzung der übrigen zeitgenössischen Ausgaben (1529— 1548); reichhaltige Register sind beigegeben. Münster, Aschen- dorff 1922. XXVI, 179 S.

Heft 40 der von J. Greving begründeten Reformationsgeschicht- lichen Studien und Texte, herausgegeben von A. Ehrhard, bringt Briefmappe, Stück 2 mit Beiträgen von Fr.X.Thurnhofer (Hieronymus Emser und die Eidgenossen 1502), A. Bigelmair (Briefwechsel des Oekolampadius mit Veit Bild, 1518 1524), St. Ehses (desgl. zwischen Kardinal Morone und Bisch. Thomas Stella von Capo d'Istris 1562); endlich veröffentlicht J. Schlecht 16 vermischte Briefe 1509—1526, darunter einen wertvollen Bericht des Kanonikers Gröning an Reucblin aus Rom über den Verlauf des

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Prosesses dieses an der Kurie von 1516; einen für den Verf. sehr be- zeichnenden, ausführlichen Bericht Ecks an die Professoren Hauer und Franz Burkhard aus Leipzig 1. Juli 1519 über seine Reise dorthin und die Disputation mit Karlstadt und Luther; das politische Schreiben eines Ungenannten, der die Nation im Namen Sickingens gegen Pfalz- graf Ludwig aufruft (von 1523), anscheinend die erste lat. Fassung der Schrift Huttens „In Tyrannos“ (Szamatölski, Huttens deutsche Schriften S. 165 fl.), fünf Schreiben mit Bezug auf den Regensburger Konvent von 1524, endlich zwei Eck betreffende Schreiben von 1595 und 1596. Sehr wertvoll sind durchweg die ausführlichen Er- läuterungen zu den einzelnen Beiträgen. Münster, Aschendorff 1992. 159 8.

Als ,Reformationsgeschichtliche Mitteilungen aus dem Bistum Würzburg 1517—1578“ veröffentlicht A. Amrhein durch kurze Bemerkungen lose aneinandergereihte Auszüge aus den Protokoll- oder Prozeßbüchern des Würzburger Domkapitels, eingeteilt in solche, die die allgemeinen Verhültnisse im Bistum und solche, die die Dinge in den einzelnen Pfarreien betreffen. Die Veröffentlichung ist an sich dankenswert, doch ist der Inhalt des Mitgeteilten recht dürftig; dieses besteht dem Hauptteil nach aus zusammenhangslosen, wenig belang- reichen Einzelheiten, was vielleicht doch nicht nur Folge des etwas spróden Materiale ist. Dem Herausgeber fehlt es offenbar an den doch auch für derartige registrierende Arbeiten unentbehrlichen allgemeinen geschichtlichen Kenntnissen, wie er denn S. 78 Ferdinand I. als Sohn (!) Karls V. bezeichnet und 8.71 s. J. 1581 ohne jegliche Erläuterung eines Speirer Reichstages gedenkt. Über den Rahmen seiner Diözese schaut er nirgends hinaus. Wendungen wie S.140: „Mit der Haeresie hielten auch andere irreligiöse Laster (!) ihren Einzug“, und 8. 176 über den Stiftsadel, „der sich bekanntlich in großer Anzahl der religiösen Neaerung zuwendete und in seinen eigenen Gliedern die schlimmen Folgen erleben mußte“, richten sich selbst. Greving- Ehrhardt, 'Beformationsgeschichtliche Studien und Texte, Heft 41—43. Münster, Aschendorff 1923. VIII, 188 S.

In den Scritti storici in memoria d, Giov. Monticolo 8. 148 veröffentlicht E. Carus i einen Brief der zur Bekämpfung der lutherischen Reformation gebildeten Kardinalskommission vom April 1524 an Kard. Campeggi als Legaten sum Nürnberger Reichstag, der ihn su nachdrücklichem Vorgehen wieder das Luther- tum ermutigt. Venezia, Ferrari 1999. 350 8.

Zum 70. Geburtstag L. von Pastors (geb. 81. Januar 1854) hat die Verlagshandlung als ,Charakterbilder katholischer Re- formatoren des 16. Jahrh.“ aus der „Geschichte der Püpste*, die Lebensabrisse von Ignatius von Loyola, Theresa de Jesus, Filippo Neri und Carlo Borromeo (zwei Spanier und zwei Italiener, bezeich- nenderweise kein Deutscher!) zu einem eigenen Buch zusammenstellen lassen, bereichert um einen kurzen Abriß des Lebens- und Entwicklungs-

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ganges Pastors selbst von M.Schermann und ein Verzeichnis seiner selbständig erschienenen Veröffentlichungen. Freib. i. Br. 1928, Herder. VIII, 168 8,

Zeitschriftenschau.

Allgemeines, Pre. Smith, The reformation historically explained (Vortrag), betrachtet die Auswirkung der Reformation anf den Gebieten der Politik, des Sozialen, des Ökonomischen, der Gewissensfreiheit, der Wissenschaft, der Philosophie und der Ethik. SA. (aus „American Historical Review“ ?) S. 111—180, Der Nämliche veröffentlicht eine Anzahl von Reformatorenbriefen des Wittenberger Kreises (aus dem Brit. Mus. und dem Besitz der Pennsylv. Hist. Soc. in Philadelphia), darunter einen undatierten Brief Luthers an „Hermann“ (vermutlich Tulichius) aus d. J. 1520: Unpublished letters of the Reformers, SA. aus „The Lutheran church Review“ Oct. 1922. 21 8.

Im Zbl. Biblw. 88 (1991), Heft 5/6, S. 99—118 bespricht O. Clemen kritisch die im Kestner- Museum in Hannover befind- lichen Autographen der Ref.-Zeit und teilt die noch unbekannten Texte mit, nämlich Briefe von Erasmus, Willibald und Eufemia Pirkheimer, Seb. Fürnschild, Hier. Besold, G. Major, K. Peucer, Joa. Camerarius, Paul Eber, U. Rhegius. Empfänger sind Lud. Ber, Trithemius, W. Pirkheimer, Wilib. Imhof, H. Baumgartner, G. Vogler und die Stadt Hildesbeim. Dazu kommen zwei Buchinschriften Bugenhagens.

Über die Verbreitung antipüpstlicher u. &. Prophezeiungen in der Reformationsseit handelt unter Mitteilung eines Briefes Osianders v. 1597 (aus der ehem. Jesuitenbibl, zu Kaufbeuren) A. L. Mayer in Histor. Jahrb. 41 (1991), S. 281—989,

Daß das spätmittelalterliche landesherrliche Kirchen- regiment, trotz starken kurialistischen Einschlags, vor allem positiv, auf der Grundlage weit älterer Rechtseinrichtungen und rechts-, staats- und besonders fürstentheoretischer Anschauungen den Ein- richtungen und Anschanungen der Ref.-Zeit auf dem kirchenpolitischen Gebiete vorgearbeitet hat, zeigt J. Hashagen in ZKG. 41 (NF. 4), 8.68—98. Der Nümliche verbreitet sich in HZ. 196, 8, S. 378—409 über den namentlich am Ende des Mittelalters starken Laieneinfluß auf das Kirchengut, wie überhaupt auf die kirchliche Verwaltung, und betrachtet die protestantischen wie auch katholischen Säkulari- sationen des 10. Jahrh. im Lichte von Rechtsanschauungen, die tief ins Mittelalter zurückreichen.

In ZKG. 42 (NF. 6), 8. 881—890 sucht Elis. Wagner, Luther und Friedrich der Weise auf dem Wormser Heichs- tag von 1521, gegen Kalkoff zu zeigen, daß Friedrichs Politik zaghaft und kleinmütig und dureh die lutherische Angelegenheit nicht wesent-

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lich bestimmt gewesen sei. Der (kaum erträglichen) Breite der Arbeit entspricht ihre Tiefe leider nicht; überhaupt erscheint das Zurückgreifen auf diese wohl allseitig mit Recht aufgegebene Auffassung wenig glücklich.

Über die Engländer, die während des 16. Jahrh. in Wittenberg immatrikuliert waren oder sonstwie dort nachweisbar sind, bringt Pres. Smith in Engl. Hist. Rev. 86 (1921), 8. 499—488 mancherlei Einzel- heiten, Auch teilt er zwei Briefe des Rob. Barnes, politischen Agenten Thomas Cromwells, an diesen aus Wittenberg und Gotha (Oktober und Dezember 1585) mit.

In HZ. 125, 8, S. 489—457 weist P. Richter das Reicha- kammergerichts-Protokoll des Assessors Matheus Nesen von 1586— 1544 (im Staatsarchiv zu Wetzlar) als eine beachtenswerte Quelle zur Geschichte des Kammergerichts und seiner Wirksamkeit wie auch der allgemeinen Vorgünge im Reiche nach.

Die erneute Prüfung der Frage nach der Echtheit des politischen Testaments Karl V. führt J. K. Mayr su dem Ergebnis, daß eine, wahrscheinlich 1559/58 in Brüssel verfafte, echte, später er- weiterte Grundlage vorliegt. Histor. Bil. 1991, 1, 8. 316—351.

Ein 1571 veröffentlichtes Ablaßbüchlein, das die Abgötterei und Betrügerei in des Papsts Lehre jedermann klar machen sollte, würdigt O. Clemen in NASG. 48, Heft 8/4, 8. 951—958,

Über Loyola und die deutsche Mystik handelt H. Böhmer in Verh. der Sächs. Ak. d. W., philol.-hist. Klasse, Bd. 78, 1.

Persónliches, H. Steinlein, Über Luthers Stellung zum natürlichen Leben (Korrbl. f. d. ev.-luther. Geistl. in Bayern, Jahrg. 47, Nrr. 44—48, 50—52), wendet sich gegen die neuer- vt beliebte Unterschätzung der positiven Stellung Luthers zu dieser Weit mit ihren Gütern und Ordnungen, und zeigt die zugleich wirklich- keitsstarke und weltoffene, wie ewigkeitsernste Stellungnahme Luthers zum natürlichen Leben, dessen Eigengesetzlichkeit er stark betont.

In NkirchlZ. 84 (1998) setzen sich W. Walther und K. Holl über das Verständnis der Rechtfertigungslehre Luthers auseinander. (S. 50—64, 165-188, 668—676.)

H. Grisar, Zu Luthers Verbrennung der Bann- bulle am 10. Desember 1520 (= Lutheranalecten VII) bespricht, ohne wesentlich Neues su bieten, von seinem Standpunkt aus den Vorgang. Historisches Jahrb. 49, 2 (1922), S. 266—976.

In Jahrg. 1l, Nr. 18 der italienischen Wochenschrift „Conscientia“ verherrlicht Fr. di Silvestri-Falconieri die Bibelübersetzung Luthers (den er in seiner weltgeschicht- lichen Bédeutang Paulus an die Seite setzt) als die Aufrichtung eines Meilensteins, der niemals niederzureißen oder zu entfernen sein. werde, auf dem Wege des religiösen Lebens der Menschheit. Rom, 15. April 1922, Casa editrice Bilychnis.

Daß Johannes Walther Verfasser des Epitaphiums Luthers ist, zeigt W. Stamm ler in Beitrr. s. G. d. d, Sprache u. Lit. 48, 2, 3. 8296—3828.

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In ZKG. 40 (NF. 8), 8. 78—88 zeigt O. Clemen mit einer wohl nur protestantischen Forschern erreichbaren Objektivität, daß der Bericht des katholischen Apothekers Landau über Luthers Lebensende zwar beachtenswert, aber keineswegs dazu angetan ist, gegen die protestantischen Zeugen ausgespielt zu werden.

Derselbe, Zur Literatar über den englischen Schweiß von 1529, beleuchtet u. a, die Verdienste, die sich in jener Epidemie Luther erwarb, indem er die Unsinnigkeit einer damals üblich gewordenen Methode der Krankenbehandlung aufzeigte und die weit verbreitete Angst vor der Krankheit bekämpfte. Arch. f. Gesch. d. Med., Bd. 15, 8. 85—97.

Über eine an der Universität Helmstedt stattgehabte Glaubens- prüfung des hersogl. Stipendiaten Joh. Barter, späteren Professors der Rechte in H., 1587, handelt P. Zimmermann in 20es. f. Ndsächs. KG. 27 (1922), S. 48—50 unter Mitteilung des Protokolls.

Über Joh. Caselius handelt unter Benutzung hsl. Materials aus dem Wolfenb. Archiv derselbe in Alt-Helmstedt IV (1922), Nr. 3—4.

Einige Ergänzungen zu Geisenhofs Bibliographia Corviniana gibt Wolters in ZGes. f. Näsächs. KG. 27 (1922), S. 67—71.

Gegen die Auffassung Kalkoffs von der freundlichen Haltung Erasmus’ su Luther in den Anfangsjahren der Ref. sucht E. Koenig zu erhärten, daß E. von L. stets durch eine unüberschreitbare Kluft getrennt gewesen sei. Sollte Kalkoff nach der einen Seite zu weit gegangen sein, so geht augenscheinlich Koenig nach der anderen sehr viel weiter fehl. Histor. Jahrb. 41 (1921), S. 52—75.

G. Stuhlfauth, War Johann Fabri von Leutkirch Domi- nikaner? glaubt auf Grund von zwei oder drei Holzschnitten der Zeit diese Frage bejahen su können; völlig schlüssig ist der Beweis wohl nieht. ZKG. 40 (NF. 8), 8. 152—158.

In BBK. 29, H. 8/4, S. 68—92 veröffentlicht K. S chorn baum aus der Regierungsbibl. zu Ansbach 15 Briefe des Ansbachischen Pfarrers Joh. Feuerlin aus Roth an seinen, Amts- und Landes- genossen Johann Unfug aus den Jahren 1558—1578.

Im Sammelblatt des HV. Ingolstadt, Jahrg. 1920 behandelt M. Bibl OFM. den Franziskaner Joh. Findling (Apobolymaeus), Lektor des Ingolstädter Franziskanerklosters und literarischen Wider- sacher Luthers, und veröffentlicht den Katalog seiner Bibliothek v. J. 1588 sowie einen solchen des P. Joh. Nasus v. 1564.

Über Fürst Georg von Anhalt als ersten evangelischen Domprobst zu Meißen handelt unter Benutzung vom Archivalien E. Körner in NASG. 48, Heft 8/4, 8. 231—288.

Über Matthias Gunderam von Kronach, der 1560 aus Wittenberg als Pfarrer nach Crailsheim berufen wurde, bringt O. Clemen einige Mitteilungen: BBK.29, H. 1/2, 8. 41—44.

In den Mitt. des Oberhess. GV. NF. Bd. 34 8. 19—97 sucht W. Velke die Herkunft des ersten ständigen Buchdruckers in Witten-

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berg Johannes Grunenberg (Bhau) aus Grünberg in Oberhessen nachzuweisen.

Beiträge zur Würdigung des Dr. jur. Joh. Hiltner, Ratskon- sulenten in Regensburg (1528—1567), des Bahnbrechers der neuen Lehre dort und Vertreters seiner Vaterstadt auf Beichs- und Städte- tagen, der mit Luther, Melanchthon usw. in Briefwechsel stand, bringt auf Grund der Akten Th. Trenkle in BBK. 28, H. 1, S. 1—15, H. 2, 8. 88 bis 52 und H. 8, S. 81—90.

Nach einem gleichzeitigen Druck (u. a, auf der Stadtbibl. Leipzig) teilt O. Clemen vier Melanchthonbriefe an den Astrologen und kstronomen C. Leovitius (ond einen fünften an Otto Wilhelm von Thüngen aus dem Or. der Bibl. der Grimmaer Fürstenschule) mit: ZKG. 41 (NF. 4) S. 145—149.

Die harten Lebensschicksale des Augsburger Schulmeisters Wolf- gang März von Magdeburg, der eine Zeitlang auch in Wien eine evangelische Schule hielt (+ 1577), eines standhaften Bekenners des Evangeliums, schildert Fr. Roth in BBK. 29, H.8/4, S. 49—67.

In ZKG. 48 (NF. 5) S. 890—895 zeigt O. Clemen scharfsinnig, daß die auf Melanchthons Namen gehende Epistola de tribus votis ad Carthusianum quendam von 1590 (CR. I S.191 Nr. 77) vielmehr die Arbeit des Wittenberger Theologiestudenten Oswald Ülin aus Ravensburg, eines Melanchthonschülers, ist, und erklärt auch, wie die Epistola 1528/1594 in Straßburg im Originaltext und in Nürnberg in deutscher Übersetzung als Melanchthons Werk gedruckt werden konnte.

In ZKG. 40 (NF. 3) S. 158—167 teilt K. Bauer aus dem Frank- furter Stadtarchiv ein Gutachten Melanchthons aus dessen letzten Tagen mit, das mit dem Streit, der die Frankfurter französische Ge- meinde und ihre Pfarrer entzweite, in Beziehung steht.

Über Thomas Murners Bildungsgang und Wissen handelt, mit Verz. alter Murnerdrucke der Universitäts- und der Stadtbibl zu Breslau, E. Fuchs in Franziskan. Studien 9, 8. 70—79.

In „Noch etwas über Paul Speratus“ (Württemb. Viertel- jahrsh. f. LG. NF. XXX, 198—201) gibt G. Bossert einige Ergän- zungen su den Abhandlungen Jos. Zellers tiber Sp. (ebenda, Bd. XVI, XVIII u. XXIII) und verteidigt gegen Z. seine Aufstellung, daß der Familienname des Sp. Hoffer gewesen und ein späterer deutscher Name Sprätt von Sp. erfunden worden sei.

Die Tätigkeit des Augsburger Winkeldruckers Philipp Ulhart verfolgt K. Schottenloher an fast 200 Drucken von Fiugschriften der Jahre 1523—1529. Bis 1525 im Dienste der Wittenberger Re- formation widmet sich U. dann dem Zwinglianismus, um endlich seine Presse der Brfider- und Wiedertäuferbewegung zur Verfügung zu stellen. J. Schlecht, Histor. Forsch. und Quellen Heft 4, 1921, 160 S. München u. Freising, F. P. Datterer. |

. Landschaftliches, Die evangelische Kirchenpflege zu Dinkelsbühl;*als das selbständige geistliche Regiment einer

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reichsstädtischen ev. Kirche, schildert (f) Chr. Bürckstümmer in BBK. 28, H. 3 8. 53—62.

Auf bemerkenswerte Bücher aus der Reformationszeit usw. in der Pfarre Gülchsheim (Dek. Uffenheim), in der Uffenheimer Dekanatsbibliothek und in b&uerlichem Besitz su Gollhofen weist K. Schornbaum ebenda, S. 65—69 hin.

Über die Kirchenkleinodien im markgräfl. Amt Schwabach, wie sie bei der Inventarisierung von 1529 sich vorfanden, handelt mit Abdruck der Inventarien H. Clauß ebenda 8, S, 90—116.

Aus den Monatsheften für Rheinische Kirchengesch. Jg. 16 (1999) vermerken wir: S. 88—55. H.Forsthoff, Zar Gesch, der Ref. am Niederrhein. 1. Ein 400jühr. Vorurteil (die Kirchen- ordnungen für Jülich von 1589 und 1538 tragen nicht Erasmischen Geist, sondern sind Zeugnisse unzweideutigen evangelischen Charakters). 8. 88—99 W. Rotscheidt, Das Gutachten des Joh. Brenz über die Weseler Konfession 1568 (Mitteilung aus Abschrift im Weseler Kirchenarchiv). Aus Jahrg. 17 (1923) Heft 1/4, S. 8—19, F. Schmidt, Die Gegenreformation in W esel 1599 (Mitteil. eines Protokolls über die entscheidenden Verhandlungen im Detmolder Archiv).

Über die rechtswidrigen Bedrückungen der Kölner Prote- stanten durch den Rat der Stadt und die Bemühungen mehrerer protestant. Fürsten, besonders des Pfalzgrafen Johann Casimir, jenen wirksame Hilfe zu bringen (1590), handelt H. Foerster in ZBergGV. 53 (NF. 43), 1922, S. 483—861,

Die Anfänge der Reformation in Schmalkalden, unter be- sonderer Berücksichtigung der Wirksamkeit des Freundes Luthers, Balthasar Wilhelm, schildert C. Knetsch in Festschr. des V. f. Henneb. (Heft XVIII, 1923), S. 25—82. Ebendort S. 34—36 handelt W.Dersch über Kaspar Brusch als ersten Schulmeister des Stifts zu Schmalkalden nach Einführung der Reformation (1545/10).

Außerdeutsches, Mehrere hundert von Zwingli ge- nannte und benutzte Bücher weist nach und verzeichnet W. Köhler in ,Huldreich Zwinglis Bibliothek“ (Neujahrsbl. 1921 zum Besten des Waisenhauses in Zürich). Derselbe beginnt in ZKG. 40 (NF. 8) 8. 41—73 und 42 (NF. 5) S. 49—76 die Randglossen zu veröffentlichen, die Zwingli zu seinen Büchern gemacht hat, und zwar zunächst zu Aristoteles, Theodor von Gaza, Athanasius und Augustinus, mit kurzen Hinweisen auf die Bedeutung dieses Materiale für die innere Ent- wicklung Zwingli's, besonders das Werden des Beformators.

Zwei Beiträge zur Geschichte Gustav Wasas und der Schwedischen Reformation veröffentlicht Gottfr. Carls- son in Kyrkohistorisk Arsskrift Jahrg. 1922: 1. S. 1—76 Johannes Magnus och Gustav Vasas polska frieri, en utrikespolitisk episod i den svenska reformationstidens historia, und 2. S. 77—98, Nicolaus Stecker, Stockholms förste evangeliske kyrkoherde.

Druck von C. Schulze 4 Co., G. m. b. H., Gräfenhainichen.

Eine angebliche Handbibel Luthers’ von Hans Volz.

Ein unheilvolles Geschick hat über Luthers Original- handschriften gewaltet: in alle Welt sind sie verstreut. Seine Manuskripte, die er des Druckes nicht für wert er- achtete, verschenkte er an seine Freunde, ebenso einen Teil seiner Druckmanuskripte nach ihrer Erledigung, während der Rest verloren ging?) Seine Briefe versandte er tiberall hin, und sie sind demgemäß sehr verstreut. Auch die Briefe, die er empfing, hat ein ähnliches Schicksal betroffen“).

Nur ein kleiner Rest seiner Bibliothek ist uns erhalten. Schon zu seinen Lebzeiten verschenkte er einzelne Bücher, wie z. B. sein Exemplar des Psalters, das er für seine Vor- lesung 1513/15 benutzt hatte, an den Bremer Geistlichen Jakob Probst. Nach seinem Tode gingen viele andere in den Besitz seiner Freunde und Schüler über“). So konnte es leicht geschehen, daß manches Luther zugeschrieben wurde, was er nie besessen hat. Spätere haben nur zu oft die Warnung außer Acht gelassen, die J. G. Walter (in den verbesserten und ergänzten Nachrichten von den letzten Taten und Lebensgeschichten M. Luthers usw. Jena 1746 III, S. 204 f.) ausgesprochen hat: Solche Bücher seien nicht als zu Luthers Bibliothek gehórig zu rechnen, ,in denen nur etwa vorm Titel ein Spruch und Anmerkung von D. Luthern

1) An dieser Stelle möchte ich Herrn Prof. D. Albrecht-Naumburg, Herrn D. Freitag-Charlottenburg sowie Herrn Prof. Pniover für ihre freundliche Unterstützung meinen allerbesten Dank aussprechen.

*) E. Thiele, Die Originalhandschriften Luthers (in den: Luther- studien zur 4. Jahrhundertfeier der Reformation, veröffentlicht von den Mitarbeitern der Weimarer Lutherausgabe, Weimar 1917), S. 233 ff.

) G. Kawerau, Die Bemühungen im 16., 17. und 18. Jahrh., Luthers Briefe zu sammeln und herauszugeben (in den Lutherstudien S. 11.) S. 2.

) E. Thiele a. a. O. 8. 248 ff. Das Verzeichnis der Lutherschen Bibliothek hat Jordan im „Lutherjahrbuch“ 1. Jahrg. 1919 (Leipzig 1920) S. 147—151 ergänst,

Archiv für Reformationsgeschichte. XXI. 5/4. 11

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geschrieben steht. Denn weil ihm oftmals Freunde und Be- . kannte Bibeln oder andere Bücher eingehändiget, daß er ihnen zum Andenken etwas hineinschreiben sollte, so folget es keineswegs, daß ein Buch aus D. Luthers Bibliothek sei, worin etwas von ihm geschriebenes stehet. Aber wenn er in einem Buche hin und wieder auf dem Rande etwas ge- schrieben, so ist dieses ein gewisses Merkmal, daß es aus seiner Bibliothek und fleißig von ihm gebraucht worden sei.“

Unter diese Bücher zählt z. B. auch die Stockholmer Bibel (Biblia cum concordantibus, Lyon 152 1),von der P. Kaiser nachgewiesen hat, daß die Eintragungen nicht von Luthers Hand stammten ; damit wurde auch die Behauptung hinfällig, daß das Buch dem Reformator gehört hat!)

Ein äbnlicher Fall soll im folgenden untersucht werden: es handelt sich um eine Vulgata von 1509 aus Basel, die Sich auf dem Mürkischen Provinzial-Museum zu Berlin befiudet und als Handexemplar Luthers gilt.

Kapitel 1. Geschichte und Beschreibung der Bibel.

Diese Bibel tauchte erst im Jahre 1865 als Luthers Handbibel auf. Die Eintragung auf dem Titelblatt mit Luthers Unter- schrift hat den damaligen Besitzer, Prof. Ed. Lommatzsch in Wittenberg, dazu verleitet, die Bibel als Handexemplar des Reformators auszugeben“). Als solches verkaufte er sie am Dr. Lutze in Cóthen für 9000 M. und eine Leibrente. Nach dessen Tode ging das Buch 1877 in den Besitz des Mürkischen Museums in Berlin über. (Heutige Signatur: XII 233.)

Henne am Rhyn veröffentlichte in seiner „Kulturgeschichte des deutschen Volkes" (Berlin 1886) Bd. II. S. 30 ein gutes

1) Vgl. Z. K. G., Bd. 18, S. 126—180. Ähnlich verhält es sich mit der in der W. A., Deutsche Bibel Bd. 5, S. XVIII Nr. 1 genannten Bibel auf der Quedlinburger Gymnasialbibliothek, die ebenfalls als Luther - bibel auftrat (Biblia impressa Venet. 1483). Auf dem vordersten Blatte _ steht ein Lutherspruch mit der Überschrift: ,Martinus Lutherus". Ein Mansfelder Superintendent hat daraus den voreiligen Schluß gezogen, diese Eintragung stammte von Luthers Hand, und hat daraufhin die: Bibel als vermutliches Handexemplar Luthers mit pathetischen Versen 1686 der Äbtissin Anna Dorothea dediziert. Nach Herrn Prof. Albrechts Ansicht handelt es sich jedoch auf keinen Fall um Luthers Handschrift. Für andere angebliche Handbibeln Luthers vgl. W. A. Deutsche Bibel Bd. 4, 8. XIII f. Anm. 2 und Bd. 5, S. XVIII, ferner W. A. Bd. 35, 8. 606 und Enders Bd. 18, 8. 68.

9) Vgl. aueh Nachtrag S. 205.

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Faksimile vom Titelblatt dieser Bibel in Größe des Originals (fol.), indem er es als Titel von Luthers Handbibel bezeichnet. Das Gleiche geschah in Fr. v. Bezolds „Geschichte der deut- schen Reformation“, S. 364 (Berlin 1890) und in E. Heycks Luthermonographie, S. 140 (Bielefeld-Leipzig 1909); bei Heyck, S. 141 ist überdies Bl. 7a der Bibel faksimiliert.

Ebenso spricht auch J. Ficker in seiner Einleitung zu „Luthers Vorlesung über den Römerbrief 1515/16" S. XLVILI. Anm. 2 von „Luthers Handbibel im Märkischen Provinzial- museum zu Berlin“,

Demgegentiber hat G. Koffmane!) die Behauptung auf- gestellt, es handle sich dabei gar nicht um eine Lutherbibel; ebenso vertritt E. Nestle?) diese Anschauung. Gelegentlich haben sich auch J. Luther und E. Thiele ähnlich geäußert “).

Es folgt die Beschreibung der Ausgabe.

Der genaue Titel lautet: „Biblia od pleno apparatu || summariorum / cöcordantiarü et quadru- || plici repertorij siue indicij numerique folio || rum distinctióe Basilee nuper impressa. ||

Die Bibel ist im Jahre 1509 bei Froben in Basel gedruckt. Sie enthält 14 unnumerierte Blätter (A,—Bje}), von denen das letzte leer ist, dann 348 Blätter (numeriert, aber z. T. fehlerhaft), das letzte nicht foliiert, die letzte Seite unbedruckt (43*/, Bogen: ai lei A1 Xe), und schließlich nochmals 30 unnumerierte Blätter (aa, —dd4), die die „Interpretationes nominum hebraicorum* enthalten. Auch hier ist das letzte Blatt frei. Der Bibeltext ist. zusammen mit einem Register der Anfangsworte der fünf ersten Blätter jedes Bogens auf den numerierten Blättern abgedruckt, während die ersten 14 Blätter von den verschiedenen Registern, Verzeichnis der Kapitel- anfünge und der Geschichte der Bibeltibersetzung in Anspruch genommen werden.

Der Einband ist ganz gut erhalten; er besteht aus 3 mit Kalbsleder tiberzogenen Holzdeckeln, die mit eingepreßten Ornamenten und Rosetten reich verziert sind. Die beiden alten Messingschließen sind noch vorhanden, die mit Hilfe von schmalen Lederstreifen am Deckel befestigt sind. Die Bibel befindet sich anscheinend noch in ihrem ursprünglichen Einbande. Kettenspuren begegnen uns nicht.

1) G. Koffmane, Die handschriftliche Überlieferung von Werken D. Martin Luthers Bd. 1 (Liegnitz 1907), S. XIII. *) Bd. 5 der „Deutschen Bibel“ (W. A), Einleitung S, XVIII. 5) Nach gütiger Mitteilung von Herrn Prof. Dr. Pniover, Direktor des Märkischen Provinzial-Museums, 11®

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Das hintere Blatt des Vorsatzpapiers ist herausgeschnitten, so daß also nur noch die beiden an den Innenseiten des Deckels angeklebten Blätter sowie das vordere Vorstoßblatt vorhanden sind. An den Rändern haben einzelne Stellen der Vorsatzblätter etwas durch Warmfraß und häufige Be- nutzung gelitten.

Zum Einband sind schmale Pergamentstreifen aus einer alten Handschrift theologischen Inhalts (vielleicht eines Missale) verwandt worden, die am Anfang und Ende des Druckes etwa 2 - 2,5 cm vorsteben. Sie sind teils unbeschrieben, teils mit lateinischen Wörtern und Neumen mit Text bedeckt.

Das Vorsatzpapier trägt als Wasserzeichen einen Ochsen- kopf mit gekreuzter Stange, um die sich eine mit anscheinend drei Zacken gekrönte Schlange windet). Der Kopf ist in- folge der daruber gehenden Schriftzuge nur schwer erkennbar.

Kapitel 2. Die Eintragungen auf Titel und Vorsatzblättern.

Die Blätter sind mit zablreichen Aufzeichnungen aller Art bedeckt. Es begegnen uns Zitate aus alten Klassikern und Kirchenvätern, deutsche Sprichwörter, erbauliche Aus- legungen, katechismusartige Stücke und dgl, dabei ist aber zu beachten, daß der Schreiber bei den Zitaten den Wort- laut oft nicht genau angibt, sondern offenbar, ühnlich wie Luther, frei aus dem Kopfe zitiert.

Zur leichteren Orientierung benenne ich die Vorsaiz- blätter mit I, II a und b, lila und b und IV, das Titelblatt mit V. (Für das fehlende hintere Vorstoßblatt ist das letzte leere Blatt des Druckes [ddie] eingetreten). Der besseren Übersicht halber werden die einzelnen Stücke nach Gruppen geordnet mit Angabe der Blattzahl im Original.

Die alte Orthograpbie ist in allen Punkten beibehalten. Bei der Wiedergabe der Abkürzungen sind die in Bd.1 der

„Deutschen Bibel“ (W. A.), S. XXI aufgestellten Grundsätze be- nutzt. . bezeichnet unlesbare Worte. Vom Schreiber selbst gestrichene Worte sind in () gesetzt; über die Zeile Ge- schriebenes steht innerhalb [ ], unter die Zeile Geschriebenes in | J. In I] werden meine Ergänzungen und Zutaten gesetzt (Konjekturen usw.).

!) In dieser Form nicht bei Briquet, Les filigranes. Dictionnaire historique des marques du papier. Bd. IV. 15 3666 ff.

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I. Zitate aus antiken Klassikern.

1, Ovid, Fasti, Bum IV; 312f. (IIb) Ovid|ius in 4. festa|rum [libro]. _ Conscia mens reetj fame mendacia ridet, Sed nos in vicium credula turba sumus.

2. Virgil, Aeneis, Buch II 274 und XI 362. (1V) Hej mihi qualis erat, quantum mutatus ab illo, Loquitur!) de Heotore. (Ila) Bello nulla salus, te pacem poscimus omnes.

3. Cicero, De amicitia 21, 76.

(lla) ^ Amicicias dissuendas non infringendas esse Cicero 4. Seneca, quaestiones naturales I, cap. 4—8. [ajt. (IV) Seneca in prima questione.

Inuenía sunt specula vt homo ipse se nosceret. Formosus vt vitaret infamiam Deformis vt soiret redimendum esse virtutibus quicquid corporj de- esset. luuenis vt flore etatis admoneretur illud temporis esse discendj / Senex vt indecora canus deponeret et de morte aliquid cogitaret hine Socrates suasit discipulis vt crebro se in Bpeculo contemplarentur.

(In den quaestiones naturales I cap. 4- 8 behandelt Seneca die Spiegel, aber in der ganzen Untersuchung findet sich nicht dieses Zitat. Es handelt sich hier wohl um eine freie Ausführung des Ausspruches von Seneca.)

Das nächste Zitat ist bel Seneca nicht nachweisbar. (I) Senel ca. Maxime conuenire regibus illud vnum Semel Loquutus est deus Et quidem principes debent habere vnum calamum et vnam linguam.

(Dieses Zitat findet sich nochmals auf dem Vorsatzblatt Ila in derselben Form. Nur fehlt hier die Überschrift; statt dessen sind am Ende der Eintragung die Worte: ,Seneca vt fertur* ein- gesetzl.)

5. Aristoteles: de Republica, qui politicorum dicuntur libri VIII Buch V, cap. 4 und 8.

(IIa) Cauendas esse paruas mutaciones in policijs nam

per eas odium pararj maximis testatur (Ariles)

1) seil. Aeneas.

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Aristoteles nam paruus error in principio fit maxi- mus in fine. Et non sunt contem[nenda] quasi parua sine quibus n[on] ps.. )

II. Zitate aus Kirchenvätern.

I. Augustin, De spiritu et littera; cap. VI 9. (Migne, Patrol. lat. Augustin Bd. X', 205.) (I) Auglustinus De Spliritu et Lilttera. Lex data est vt gracia quere[rejtur Gracia data est vt lex impleretur.

—, De Civitate Dei, lib. XVI., cap. XIX, (Migne a. a. O. Bd. VII 498.) (1) Aujgustinus de ciuita|te Dei]. Si quis periculum cauere potest / non cauet / magis te(n»ntat deum / quam in eum sperat. —, (nicht nachweisbar) ). (V) Augustinus...

Opera sequuntur iustificationem non praecedunt Iustificationem de fide euangelij.

—, (nicht nachweisbar). (Ha) Augustinus

Tota spes mea in morte dominj mej

mors eius meritum meum Refugium

meum (spes mea) salus mea vita et resurrectio mea meritum meum miseracio dominj.

2 Ambrosius, Commentarius in epistulam ad Galatas, cap. 2, v.21. (Migne, Ambrosius Bd. II, 352.) (Ia) Ambrosius in cap. 2 ad galal tas. Mors christj Iustifioatio peccatorum, hinc filium Dej oportet victimam fierj pro peccatis nostris.

J. Alg. Bernhard, Sermo LXI. in Canticum Canticorum. (Migne. Sanctus Bernardus Bd. Il, 1072)

(Ia) (Augustinus) Beruardus

Turbabor / sed non perturbabor quia vulnerum

ehristj recordabor. 1) Die in eckigen Klammern eingeschlossenen Buchstaben siud ergänzt, da das Papier an der unteren Ecke schadhaft ist.

Y) Aber in der Schrift Augustins: „Contra secundam Iuliani respon- sionem“ (Migne Bd, X?, 1142) finden sich die Worte: „bona opera sub- sequuntur graciam, non praecedunt* (lib. I, ca. 141).

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Super Cantica Ser(mo 511). Ibidem: Quid tam efficax ad curanda consciencie vulnera / quam cbristi vulnerum sedula meditatio. Hig. Bernhard, (nicht nachweisbar). (V) Bernardus sanctus In 1 eaput Luce. Non solum hoc credas inquit, remitti peccata / sed gratis remitti Et tibj remittj credas propter christum.

Dazu tritt der Apostel Paulus sowie noch ein Zitat aus der Apokalypse. Paulus, Röm. cap. 3, 28 oder 5,1; oder Gal. cap. 2, 16. (V) Hac enim fide apostolus ait Justificari hominem.

Apok. cap. 7, 3.

(1) Signamur ifi fronte serui dej carnis et sa[n]g| uinis christj signaculo / in confessione nominis viuj dej patris et filij et spiritus sanctj.

Für das Studium Augustins gibt der Schreiber eine Richtlinie, indem er ein Verzeichnis der Schriften des Kirchenvaters aufstellt, die man vor allen Dingen lesen müsse.

(Iv) Augustiüi subnotata opuscula selecta et studioso sepius voluenda:

De littera et spiritu

De gracia et praedestinaltione

De peccatorum meritis [et de Baptismo parvulorum]

De graoia et libero arbitrio Contra pelagianos.

III. Zeitgenóssische Schriftsteller.

1. Am bedeutsamsten ist dle Luthersche Auslegung aus Psalm 118") (nach Zühlung der Lutherschen Bibel 11999) auf dem Titelblatt (V).

118 ps Wo Dein worth Herr mich nicht Trostet / So verginge ich yn meynem elende.

Das khan doch iha kein ander buch leer noch wortt / das es kunde trosten In nothen Elende

1) Verschrieben für „sermo 61“. Im Original ist ,Bernardus* uud „Super“ durch einen Strich verbunden,

Y Für die Überlieferung dieser Eintragung ist der Anhang zu vergleichen (S. 194 fl.).

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Tod sterben / ia vnter den Teuffeln vnd ynn der Helle on allein diß buch, das vnß gottes wordt lhereí vnd daryn Goth selbs mit vnß redet / wie ein mensch mit seynem freunde Andere lere mugen Reich / mechtig erhlich machen vnd diß leben hoch heben Aber wen . Noth vnd Tod daher Sturmen / flihen sie als die Treuloßen schelmen mit yren guterü machtt, Freundschafftt vnd Lassen schefitlich vnd ver- rethlich stecken Den sie wissen nichts / konnen nichts / thuen nichts / in Gothlichen ewigen sachen Noch ist die welt Toll vnd vnsinnig achtet dises buches nichts verfolget vnd lestertt als where es des Teuffels buch Fur welchem hauffen vnB Goth behuete Amen

1542 Mart Luther D

Von Lutherschen Worten wird ferner zitiert: (IV) „proselitos nefiten die Juden, das ist Judgenossen die zu ihrem gesetz komen vnd nit von Judischem

stamme vnd blut Abrahe waren.“

Daneben am Rande stehen die Worte: „Lultherus in eplistula pel|tri." Dieses Stück stammt aus der Lutherschen Auslegung des ersien Petrusbriefes').

Auf Luthers Kirchenpostille bezieht sich folgendes Zitat‘): (IHlb) Quibus Locis Christus praedicavit: Vide Luthe| rum die Stepha|ni in Epistola iiij y ~

2. Ein kurzer Hinweis auf eine Predigt Melanchthons) (?) über die Verkündigung Mariä findet sich auf dem Titelblatt (V). philip| pus: Ser|mo de Annu|nciatione marie.

3. Von Zwingli stehen auf Bl. IV mehrere Auszüge aus dessen Bibelkommentaren: ünd zwar aus der Schrift: Complanationis Jesalae Prophetae foetura prima cum apologia (1529) ein Stück aus der Glosse zu cap. 1, I zum Worte: „prophetla“. . (In der Vulgata steht dafür: „visio“.) (Zwingli, Werke Bd. V

) WA. Bd, XII, S. 262 1-4

) Luthers Kirchenpostille; Epistel am St. Stephanstage, WA. Bd. X ! 1, S. 254 6-8, i

3) Eine solche Predigt Melanchthons, kann ich nicht nachweisen, aber seine Autorschaft ergiebt sich aus der Bezeichnung „philippus“. Sehwerlich ist jedoch mit diesem Zitat Melanchthons erst 1594 er- schienene Postille gemeint (C. R. XXIV— XXV).

169

S. 564 39—41), ferner aus den: „Annotatiunculae in utramque Pauli ad Corinthios epistolam (1528)" Stücke aus den Glossen zu 1. Cor. cap. 14, 3 (Zwingli, Werke Bd. VI 2, S. 178 19—33), zu cap. 14, 29 (ibid. S. 180 38—46) und aus der Einleitung zu cap. 15 (ibid. S. 18219—95 und 30—40). Dabei ist bemerkenswert, daß die Abschriften nicht genau angefertigt sind, es finden sich Oflers Auslassungen und Schreibfehler.

IV. Bätselhaften Ursprungs

erscheinen einige weitere Zitate: von einem Christofelus D. M. (IIb) „Ich will das Rawpenüest reynigen vnd sauberü Christofelus D / M /“

und von Joachym Dhelorn (ebenfalls nicht nachweisbar): lb) „Gleich als ein slange die Haut ableget Also müssen wir den alten menschen die haut vber die orhen ziehen Ein christ an kreuz ist gleich als ein khraut ungesalzen Was ist das erz an fewer zum silber: also ist der christ an kreuz Man muß es woll lassen durchs fewr gheen Joachym Dhelorn.“

(In den Matrikeln der Leipziger, der Erfurter sowie der Witien- berger Universität findet sich dieser Name Dhelorn nicht. Für „kreuz“ steht beide Male im Text das Zeichen: „f“.)

Y. Definitionen theologischer Begriffe.

(IIb) 1. Definitio Theologie. Theologia est studium, in quo quid perpetua dej voluntas sit discitur / adeoque cognicio / qua eognoscitur / quid deus pater per tofam nostram Vitam nos agere (velit) vult Et quomodo saluum facere velit humanum genus propter peccatum damnationem atque perditum.

(IIIb) 2. Sciencia dej vel dominj in scripturis non ea est qua ipse scit / sed qua scitur ab alijs. /bystoriea miraculor| um (IV) 3. Fides pro confidencia Nin deum hec iustificat.

(IIIb) +. lusticia christiana est accusatio suj et cognicio misericordie dej ~.

170

(und) 5.

(V) 6.

(V) 7.

(V) 8.

(IIb) 9. Rom.

cap. 8, 26

(IIIb) 10. Joh.

oap. 16, 18

Róm. eap. 8, 6

dia) 11.

Agnoscere peccatum differunt [et] Seüsum peocatj habere primum enim maxime prodest Alterum vero obest atque ad desperationem adigit ~.

Quantum perni- ciem peccata se- cum adferunt

2 0 O m

lram dej Amissionem spiritus s|anotj A Iusticie ~ potestatem Sathane mortem Infernum.

fauor. Gunst. Gnade heist die hulde Gottes

Durch welche er vn annimptt

Vnd Barmherzikeytt ertzeygett

. Die Sunde vorgibtt . Vnd voß vmb sonsten / durch Christum

From vnd gerecht machtt.

Gaben des hjeiligen gleistes seyntt die welche Gott nach vorgebung

der Suüde den gleubigen

gibtt vnd (vorleyhentt)

vorlheyett ~ 1543.

Officium Spiritus sanofj

. Adflietos consolatur

. Lapsos erigit

. Cadentibus manum surgit . Fugamque molientibus

Voce adest vt consistant vt quisque locum suum

strenue tueatur

ro 8 spiritus auxiliatur

nostris infirmitatibus.

Der h|eilige geist heyst darumb der geist der warheit Joh. 16. Darumb das er vnd gottis willen voreleret / Vnd sein weisheit ro 8. heist S. paul / leben vnd Friede das er einen lebendigen vorstantt der

. voß beweget vnd treybet gibt vnd macht . das wir vngezweiffelt an goth vnd seiner

warheit hangen vnd darauff kunlich vorlassen.

Wue!) des Herren wordt (nicht) ist Do ist rechter glaube

1) Wue = wo (mitteldeutsch).

171

Wo glaube ist do ist Christus vnd Goth selbst Wyderumb wue das worth nicht ist

Do ist kein glaube

Wo keyn Glaube ist

Do ist kein Christus

Wue keyn Christus ist

Do khan keyne christliche kirche seyn.

(lla) 12. Allegoria Est, cum aliud verbis dicitur Aliud sensu intelligitur.

Dieses Zitat scheint sich an die Definition Augustins (Enar- rationes in psalmos, psalmus C III.) anzulehnen: „Allegoria dicitur, cum aliquid aliud videtur sonare in verbis, at aliud in intellectu significare" (Migne, Patrol. lat. Augustin. Bd. IV 1347).

VI. Die Bibel und ihr Inhalt.

1. Eine Inhaltsangabe der Bücher Mose, der historischen Bücher und der Propheten gibt der Schreiber mit folgender schematischer Zusammenstellung:

(V.) Elenchus Totius Biblio Genesis peccatum indicat. J ire dej et hoc ad le- Exodus Legem > / gem pertinent. Leuiticus Ceremonias ^ Historie Gracie et misericordie N atque he ad

Euangelium pertinent. prophete agíoscunt peccatum et implorant Christum qui tollat peccatum.

EN

2. Der Schreiber liebt solche Gegenüberstellungen. So hat er fast eine ganze Seite mit einer Aufzählung der Eigenschaften Christi bedeckt, die er mit denen des Teufels vergleicht. In der Haupt- sache handelt es sich um eine Compilation von Bibelstellen aus dem Neuen Testament. (Die Bibelstellen sind von mir beigefügt.)

(IIb) Hie est filius meus dilectus in quo mihi bene complacitum est ipsum audite math. 17. filius dej [z. B. Joh. cap. 6, 70] Saluator [Joh. cap. 4, 42] Dominus omnium Creaturarum Est enim Verus Messias [Joh. cap. 1, 41] Jhesus Christus | Et Semator Expiator peccatorum omnium Fons viuens [hominum Lux mundj (Joh. cap. 8, 12]

Matth. cap. 17, 6

172

Joh. eap. 8, 16 u. 36; 6, 40 u. 47; 11, 26 f.

Christus (est)

Pealm 121, 1.

Via Veritas | [Joh. cap. 14, 6] Vita Resurrectio [Joh. cap. 11, 25] Est enim Justicia Jhesus Christus | Sanctificatio } [1. Cor. eap. 1, 30] Redemptio Vietor Sathane et mortis Thesaurus omnium diuielarum [honorum

Ergo omnis qui credit in illum habet per fidem placatum patrem remissionem peccatorum, vt Sanctificetur vt ab omnibus adflieitionibus Seruetur ut non moriatur Et fit filius dej et sie habet vitam eternam.

Hominum Aduer-

Hominum Amator Est mendax Do. ^ Est verax [Matth. cap. 8, 4 cap. 22, 16] Ad peccata impellit

A peccatis liberans

Ad iusticiam ducit Ad impietatem

Tenebre [Job. cap.

Lux, est [Joh. cap. 12, 35, 46]

12, 46] Satan { Excecat mentes Illuminator [Spr. hominum

cap. 29,13] Est homicida [Job. Hominum viuificatio eap. 8, 44]

[Job. eap. 5, 21] princeps Vite Dueit ad eternam

feli[ci]tatem

princeps mortis

Huius mundi et seculj deus

Ad eternam dampa- cionem ducit

Antitheses enim natura semper se reddunt illustri- ores ^. Omnis doctrina fidej adfert secum Antithesin.

vide in psalmo 121!) Ad te levavi oculos ad montem.

3. Dann folgen einige gegen Ketzer gerichtete Bibelsprüche:

(IIIb)

2. Tim. cap. 3,16.

Ex armario scripturarum petenda arma contra here[ticos] oder [-ses] vide ad The|ssalonicenses 4 Omnis doctrina diuinitus inspirata.

Matb. cap. 5,151... . debet lucernam in loco obscuro fulgentem.

Jes. cap. 8,20.

Esa|ia 8. Ad legem et testi| monium ete.

1) Nach Zählung der Lutherschen Bibel (Vulgata = Psalm 120).

178

VII. Homiletische und katechetische Fragmente.

(Illa) Wer selig will leben vnd zum ewigen leben khommen dem sein zweerley noth zu wissen. Eyns das er wisse wie er [2] goth erhen sall. Das aüder / wie er sich nach (des) [des] nechsten wille vnd noth richten vnd halten sall.

Got ist vor allen creaturen geweßen und seind alle Dingk von ym kommen vnd noch teglich kommen / hierumb ist das seiü erhe / das wir solchs von grund vnsers herzens von ym bekennen vnd

cap eis douor halten. Vide Luthe|rum 1. pe[tri epistola] 3 ibj Sanctifioate deum in cordibus vestris pulchra () ffides (?)!).

Es sey glucke oder vnglucke, lieblich aber vordrießlich, gu(t»et aber boße, das dir widerfheret. Wan du das kanst annemen / als dus do geschicht auß gotlicher guttikeit dir zu guete / so ersth du got Dan es ist nicht genug / das einer das / das ym wieder ist anneme / als eiü straff gotes / sonder muß auch gleuben, das ym zu guthe geschehe vnd zugeschicket werde von goth Get kan vnß mit dem, das vnb guth dufickt also bald zum vorderbuuß fhuren als mit dem das vB wieder ist.

Hierumb, so ist der vüderschied zwischen den, die goth rechtschaffen erhen, vnd die yn fleischlicb erhen, das die ihenigen die von goth alles annemen, es sey (bos) boes aber gut, als das nutzlich vnd fromlich / ist rechtschaffen got erhen / vnd nit die / die do guttes nach irem geduncken vor gutes, boeses vor boeses von got auffnemen.

Dan also seiü wir alle gescbicket das so balde vns etwas wiederferet, das vnß wieder ist leichtlich

!) Luther, Epistel S. Petri gepredigt und ausgelegt, Wittenberg 1523. (WA. Bd. 19, S. 857£) Dem Verfasser dieses Predigtentwurfes scheint die Butzersche Übersetsung der Luthersehen Arbeit vorgelegen zu haben: In der Vulgata lautet die Bibelstelle (1. Petr. 8, 15): ,Domi- num autem Christum sanotificate in cordibus vestris", bei Bucer (,Enarrationes Martini Lutheri in Epistolas D. Petri duas et Judae unam, Straßburg 1521 (WA. Bd. 19, S. 251, aj, fol. 80, Bg. Kej): „sed sanctificate Deum in cordibus vestris". Die Worte ,pulchra fides* sind unerklärbar. Sie finden sich weder im Bibeltext noch bei Bucer. Die obige Auslegung zeigt starke Anlehnung an den Lutherschen Text; vgl. WA. Bd. 12, S. 858 Z. 7 ff.

174

vn vberreden khunnen lassen, vnd auch selber dencken, ef sey ein straff von goth also daß man auch der massen Exempell findet zwischen den heyden / daraus klar ist das einer leichtlich / das, das yn woll thuet auffnimptt / (vor ein) als ein geschick gottes / oder das das ym wieder ist auffnimppt vor ein straff gotes. Wilthu Got mit deinem glauben vnd vortrauen erhen, so mustu alles auffnemen vor guet / vnd donae[h] halten, das goth (de) denen die ynQ) gutig, das ist vor einen goth halten, (das) alles eB sey das wie eB woll zugeschicket zu yrem besten.

Vnd dis vortrauen muß ein ider kegen gott vor sich selbst haben will er got rechtschaffen erhen.

2. Des nechsten halben aber / das er sich mit seinen vrtheilen nicht vorgreiffe vnd got in seine gerichtt falle, muß er darauff acht haben erstlich das alle menschen vor got gleich sein Zum andern das got niemandt erhebe oder erüiedrige dan zu seinem vnd vnser erkentnuß Nemlich fo got einen (vor- achten) vngeachten erhebt mit eren oder gueterñ / das wir daran lhernen wie mechtiglich alle gueter in seinen henden sthehen, Vnd so er einen sturtzet vnd yn vofall wirrfftt, wie gros wir ym zu dancken haben, das er Vnser verschone Welche erkheutnuß der gerichtt gottes gar mechtig weytt erstercket, Vnd ein grundt ist aller guter werck. Dan when einer das erkhenet an seiüem nechsten das sein gluck oder vngluck gottes wolgefallen ist Vnd vnB allen zu einem Exempel / seiner gotlichen gerichtt geschichtt, so zwingt yn die erkenthnus das er nit abguüstig ist / nicht wirdt / vnd weis wie er sich eifies anderü anliegens erbarmen vnd annemen sal, vnd was er auß solchen Exempelln gotlicher gerichtt nemen sall Wie wir aber zu solchem erkenthnuß vnd vortrawen. khommen, lhernet Christus Vnd die fides die von seinen gnaden geschehen. ~ 1598

Leo mayer Jude!) A[nn]o 30

Das seynt die wortth aber rede Das ein mensch vom obest (7) ist / vnd des heupt guth bleybt

!) Ein Mann dieses Namens ist in damaliger Zeit nicht nach- weisber. Sollte Leo Mayer Jude mit dem Schweiser Reformator und Freunde Zwinglis Leo Jud identisch sein, so bleibt das Wort Mayer

176

stheen ewiglich Das Erste Erhe Vatter vnd mutter Das (2) Andere Beleith!) einen todten menschen Das Dritte Fleyssig von herzen ruffen und bethen. Das vierde Fride zu machen aber bringen Zwyschen man vnd seynen gesellen Hiere| mias 7. cap., [5]. Das Gesetz zu lhernen ist kegen den allen das Beste. Unter der Überschrift: „Summa vite christiane perfectissima" und: „Summa des christlichen vorstandts auffs einfeldigest vor die

kynder" folgen schematische Gegenüberstellungen, die mit Hilfe von Bibelstellen die in der Überschrift angegebenen Themata erläutern.

(IIIb) Summa Vite Christiane perfectissima.

1. Ostendjt peccatum Legem Bpr. b: 20 Liuor prouer * vulneris " N 19 Sr. 2. Sentire oonsolacio- Y Pe : * nem absterget mala X Euan- / et plagas gel lium

, Beati qui lugent [Math. cap. 5,5] [*] , Cor quod nouit amaritudinem math. 5 / anime sue prouerb 14,[10]. Quoniam ceonsolacionem sint accepturj In gaudio elus non miscebitur exíraneus. 3. Tollerare (malum) manum dej / quamquam ille te mundo obiecerit / cruciandum. 4. Sentire id dej consilio et bona amantissima patris voluntate fierj Qui facit hec non monebitur in eternum Sie hic adueniat pater optime regnum tuum per ihesum christum D|ominum nostrum Amen. Siout Doctrina N christi- officio Legis N Est auspi- Vita ana ab\ cognicione peceatj / oienda Ita. Summa des christlichen vorstandts auffs einfeldigest vor die kynder..

unerklärt. Wir wissen zwar, daß sich der Schweiser in seinen Jugend- jabren Leo Keller nannte, um das ibm anstößige Wort Jud zu ver- meiden (C. Pestalozzi, Leo Judä [Leben und ausgewählte Schriften der Väter der reformierten Kirche Bd. IX, Eiberfeld 1860], 8.2). Aber daß er sich Leo Mayer nannte, ist nicht überliefert. Es ist auch nicht gans sicher, ob man den Namen su dem oberen oder unteren Stück zu ziehen hat. Die Jahreszahl ist ebenfalls nicht erklärbar.

1) Beleiten begleiten. Dietz, Wörterbuch zu Dr. Martin Luthers

Deutschen Schriften I (Leipzig 1870). S, 252 s. v.

176

Adams sunde allzumal verderbet vnd vor- dampt seint ro. 5,[12ff.] 98.60 [Ps.51,3-7]

Glauben | Vnd alle orth der schrift die selbige eto. dat wir | ; durch |Ihesum Christum von solchen vordampten

sunthlichen weßen erloBet sein Ro. 5,[18] Jo. 13, [4f.].

Auffs Jderman dienen vnd wolthuen wie vab hefftigste christus than hett ro. 13, [I, 3, ö, 8ff.] Gala: 4 (5, 13 f.] math. 25, [40].

durch die) Quicquid ex minimis eto. Allerley boses liebe leiden vnd dulden sollen 1 pe 2, [21] christus passus: r 8, [17 f., 32 fl.] Math.

5, [10] Selig seyt ir so ir verfolgung.

heb. 12, [2]. In i Fride i Christum Ang wendig hatt derglaub s" : yu mit goth durch damom

Confitentibus remittit \ et fa- /peccatores\ non De negantibus Pee regerust) cit Vt. Iusti eins [*]

[*] non sint 5

Quambo!)/pius N ; / peccat peccat ta- rem \lmpius/* tam (henelacit) non benefaeit men.

VIII. Sprichwörter und Sentenzen.

(1) perfidia praecipitatur suis ipsis consilijs Vntrew schlechtt yr eygen heren. (Wander, Deutsches Sprichwörterlexikon, IV S. 1485; 22; dort nicht lateinisch in dieser Form.)

(IV) Wer fhurtt do deß kesers (sıc!) fhan, do Adam hachte vnd Eua Span. Durch fromkeyt tugent weisheytt vnd vornunft, gebar sich des Adels zukſunft). (Wander a.a. O., I S. 27; 17 und VS.712; 52 nur: „Als Adam hack? und Eva spann, wer (wo) war da wol ein Edelmann,“ so z. B. in Agrikolas Sprichwörtersamlung.)

(IV) Egener nutz, Heymlicher [ne]idt, Junger r[a]dt hett rhom bracht in großen [v]urath.

(Nicht bei Wander ad. O., dort nur [1 S. 773; M. Durch eygen

nutz, Haf, Jungen Rath, Rom Troja Jerusalem zerstóret ward;

1) Verschrieben für Quamobrem.

177

vgl. auch WA. Bd. 31, li, S. 29,37f.; Bd. 40, J, S. 10,2f. und Bd, 51, S. 250, 37f. sowie Tischreden (WA.) Bd. 1, S. 501, 11; Bd. 2,

S. 488, 13))

(1V) Der allt von Bernstayn!) saget: Ich gleube mit den Deuschen (sic!) Vnd halts mit den Behemen Vnd sterbe mit den pickardten *) Anders wirdt man mich |nicht| machen.

(Ila) Ferne wallfhartten vüd Langwyrige kranckeytten stifften selten Besserung.

(V) Dies posterior discipulns est prioris. (lla) Iniquum petas vt aequum feras

(IIb) Amicorum Inopia perij Non dat deus vnj omnia Nullum aurum nulle gem[m]e val[uerunt]?) sicut con- sentientes amici(orum) animj.

(lb) Sapientes huius mundj docent pueris suis pene a cunabulis hos versus: f Ċum sis ipse nocens moritur cur victima pro te

Stulticia est morte alterius sperare salutem.

Quod quidem recte de impiorum victima dicitur, Vide Bren|tium in cap (53) 53 Esaļiae fo: 8040)

1) An einen „Johannes a Bernstein“ schrieb Melanchthon einen Brief, vgl. C. R. Bd. III, S. 485. Ferner gab es einen sächsischen Adligen: Christoph v. Bernstein (vgl. Geß, Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog George von Sachsen II (1917), S. 825). Der Spruch findet sich nicht bei Wander a. a. O.

*) Pikarden tauchen im 15. Jahrh. in Böhmen auf; meist von Ziska 14291 vernichtet, Von deutscher Seite wurden die böhmischen Brüder „Waldenser“ oder „Pikarden“ genannt. Die Pikarden waren die Radikalsten in Böhmen und standen im Gegensatz zu den ,Utra- quisten“ oder „Behemen“. Diese sind Calixtiner und üben Kinder- kommunion, die die Pikarden verwarfen. Vgl. Enders, Bd. 4, S.-254, Anm. 2 sowie W. A. Bd. 6, S. 80f. und Bd. 81,I, S. 476, 15 fl.

3) Dies Wort ist sz. T. durch Wurmfraß vernichtet.

) Der Jesajakommentar von Johannes Brenz (Esaias propheta Commentariis explieatus Autore Joanne Brentio) erschien 1550 in Frankfurt a. M., ebendort die 9. Aufl. 1555. Die letztere ist hier zitiert. An der angegebenen Stelle finden sich die Worte: „Sapientes huius mundi victima dicitur". Der Vers stammt aus D. Catos Disticha moralia lib. 4, 14.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXT. 8/4. 13

178

An der unteren Ecke desselben Blattes IIIb steht aus Juvenal, Satiren 13, 180 folgender Vers:

13. Satjl ra Juuenalis At vindicta bonum vifa iucundius ipsa.

Auch einen Zauberspruch hat sich der Schreiber auf der Innen- seite des vorderen Deckels aufgezeichnet: (I) „Sponsa ingrediens domum sponsi dicit palpans [super] Liminaria: Ich griff vber d(as)ie vberthur Mein krig gang allewege fhur volens sie semper vietoriam habere Sponsus vero dicit. Ich greyff an die wenden / Ich biege Dir deinen rucken vnd lenden.“

(Dieser Spruch findet sich auch bei Luther, vgl. W. A. Bd. I, S. 402, 2/f.; nicht bei Wander a. a. O.)

Eine sentenzartige Klage über schlechte Zeiten ist nach Angabe des Schreibers einem alten Buche entnommen:

(I) Ex vetustissimo codice haec sequentia descripsi:

Das Gesetz itzt in der wellt:

Gew llt ist gereohtikeytt, p e : : arumb ist das reich Der tag ist nacht p erde

Die Flucht ist streytt

Die warheit itzt der welt: Ewer!) (??) ist Zweä Darumb ist das reich ane Der Freunt ist der Feindt traue, glauben vnd ane Der Böse ist guth miltikeytt.

Die vornunfft hatt vrlob

Der diep ist gesetzt zu eynem amptmann l

Der rabe will sein ein Adeler/

N, Darumb ist das reich abe vnderschidlikeytt der personen.

Der wille ist der Rath, Darumb ĩst das reich zweil- Der pfennig geleit das N fel (gezungen) gezwungen vrtell /vnd vbell geregiret vnd ihn

Gott ist Todtt / keynen guten funden (Hinter „guten“ fehlt wohl etwas: ,Zustand"?)

1) Verschrieben für „Einer“?

2) Dieser Spruch bietet infolge seiner ganz allgemein gehaltenen Klagen über schlechte Zeiten und Verfall des Reiches durchaus keine Datierungsmöglichkeit. 5 hon bei Walther von der Vogelweide finden

179

Schließlich finden wir noch eine Eintragung, die ín ihrer Fassung und Ausdrucksweise an Luthers Tischreden anklingt‘):

(I) „Fride \ Freyheytt Eintracht der Vngehorßam " der Williger 7 Saxen W Deutschen gehorßam

165 meylen ist lang 70 (ellen) meylen breyt ‚Deutschland?

H. v. Dolßke.“)

IX. Die Obrigkeit.

(Ia) Distinguendum est inter personas et Vicia Inter potestatem et abusum Nomina potestatum sunt metuenda sed vicia eorum contemnenda Nee propter potestatem dissimulanda Vicia aut probanda : Nec propter Vicia potestas offendenda vel contemnenda

Cum sit ex deo Summa: vicia sunt hominum non dej.

X. Juristische Äußerungen.

(IV) Alienacio in fraudem creditorum non valet, De exhibendis Piis in alicuius commodum. Processus sine mandato anüihilatur.

sich Parallelen zu diesem Spruche, vgl. z. B. Lachmann, Die Gedichte Walthers von der Vogelweide 8, 24—26: untriuwe ist in der säze, gewalt vert üf der stráze: fride unde reht sint sére wunt.“ und 9, 8ff.: „sö dir, tiuschiu Zunge, wie stét din ordenuuge! ... daz din ére alsö zergát, ^ u. ö.; vgl. dazu WA. Bd. 44, S. 632, 4f.

1) WATR. Bd. 4, 4857; Bd. ö, 6148.

3) Hans von Dolzig, Ritter; kureüchsischer Hofmarschall, + 155! zu Leipzig. „Seine Familie scheint mit ihm erloschen zu sein.“ Vgi ADB., Bd. 5, S. 822 und N. Müller, Die Wittenberger Bewegun. 1521—1522, 3. Aufl. (Leipzig 1911), S. 364—372. S. 371 ist ein Sol. von Dolzigs Stiefbruder Matthias namens Johann erwähnht; aber diese:

kommt bier wohl nicht in Betracht. 12^

180

Endlich findet sich noch eine Widmung:

(I) „Der almechtil ge Got wolle e. g. allezeit seynen gothliche Gnade vo[r]mehren, Vnd an liep vnd shel gnüdicheln stercken.*

Laut der Anrede: „e. g.“ (= „Euer Gnaden“) wird man den Empfünger wohl in einem Grafen, Freiherrn, Rittern oder Herrn zu suchen haben. Auf dieses Stück werden wir weiter unten noch- mals zurückkommen!).

Eintragungen zum Text der Bibel.

Im Text der Bibel haben wir es fast ausschließlich mit Marginalnoten zu tun. Diese zerfallen in drei Gruppen:

1. Wörtliche Wiederholungen.

2. Erläuterungen einzelner Stellen und Worte durch eigene Auslegung des Schreibers oder durch Aus- züge aus Bibelkommentaren.

Als Beispiel eigener Auslegung sei angefübrt:

zu Gal cap.1, 19 (nisi Jacobum fratrem domini): Jacobum fratrem dominj appellat.

zu Gen. eap. 30, 23f. (Quae [Rachel] concepit et peperit filium . .. et vocavit nomen eins Joseph): Joseph nascitur a Rachel.

Solche Erläuterungen sind ziemlich selten zu finden und sind fast stets unbedeutende Bemerkungen. Oft sind sie auch nur etwas erweiterte Inhaltsangaben.

Oefter begegnen wir Auszügen aus fremden Kommen- taren: Luthers, Melanchthons und Brenz'.

z. B. zu Math. cap. 4, 10 zu dem Worte „Sathana“: om. 16,11 __ ngelnesis 26 vide Luthe|rum

' Sitena heist Widerstand Donach heist (Sathan)

der Teufel Satan ein Widerwertiger.“

Dieses Zitat stammt aus der Lutherschen Genesisaus- legung. (Iu Genesim Declamationes, 1527, WA. Bd. 24, S. 444, 331)

Vou Brenz bringt der Schreiber einige Aussüge aus cap. 5, 7 und 8 aus dessen Jesajakommentar (vgl. S. 177 Anm. 4) Auch auf Melanchthons „Colosserscholien“ wird Bezug genommen. Zu Matth. cap. 5, 23 J. wird ein gewisser „Christoph Mengen“ mit seiner Schrift „Von der

1) Vgl. 8. 194.

181

Beicht“ herangezogen. (Diese Persönlichkeit ist nicht fest- zustellen.) Der Auszug lautet: „Das ist: Wen du wildt vor goth etwas bitten vnd bist don dechtig eto So laß das oppffer ligen ist so viel gesagtt hore auf zu betthen, vnd gang vorhin eto. Vide Litteram D von der Beicht Christof Mengen Aiij."

Matth. eap. 21, 31f. ist zu „publicanj. meretrices" an den Rand geschrieben:

»Was hett Christus bessigers wider die Juden die das volck gottis wharen reden mugen Als das er zu ihn sprach Hurren vnd puben Ist das nicht ernst, so vorstehe ich nicht was scherz ist. Littera C dominica 23 [post Trinit.) de Censu de Cesarea". (Ein Verfasser dieser Predigt ist nicht genannt.)

Abgesehen von diesen Auszügen finden sich nur ganz wenige deutsche Worte als Glossen innerhalb des Bibeltextes: zu 1. Cor. 4, 1 (mysteriorum): Der geheimnussen. zu Jerem. 15, 3 (canes ad lacerandum): zerfleischen aber zerreyssen; (species): plagen. zu Röm. 2 (anscheinend ohne jede Beziehung): Geysell.

3. Verweise auf patristische und zeitgenössische Literatur sowie auf andere Bibelstellen.

Im Gegensatz zu den Marginalnoten haben wir es nur in einem Abschnitt mit Interlineurglossen zu tun, und zwar im ganzen ersten Thimoteusbrief. Diese Glossen kommentieren einzelne Ausdrücke und legen bei ihrer großen Zahl die Vermutung nahe, daß es sich bier vielleicht um eine Vorarbeit des Schreibers, sei es für eine Predigt oder für einen Kommentar, handelt, z. B.

zu cap. 3, 8 (turpe lacrum): minoris emendo, pluris vendendo.

za cap. 3, 15 (in domo Dei): ecclesia.

zu cap. 3, 15 (Ecclesia Dei): non synagoga sathane [Apoc. cap. 3, 9].

zu cap. 5, 10 (filios educavit): ad cultum dej.

zu cap. 5, 10 (hospitio recepit): pauperes.

zu cap. 6, 14*(Volo ... iuniores nubere): Viduas; (advefsario): infidelj.

zu oap. 5, 15 (Jam enim quaedam conuerse): adolescentes.

zu cap. 6, 10 (quam [cupiditatem]... appetenter erraverunt a fide): christum et fidem christ) deserentes.

182 Kapitel 3. War Luther Besitzer der Bibel?

Eine eigentliche Kontroversliteratur besteht über diese Bibel nicht. Die Forscher, die sich mit dieser Frage be- schäftigten, haben sich ohne Angabe näherer Gründe bejahend, resp. verneinend geäußert. Für die einen war offenbar die Eintragung der Lutherschen Psalmvers- Auslegung maßgebend, die Unterschrift und Jahreszahl enthält, für die anderen der Gesamtcharakter der Eintragungen.

Zwei äußere Kriterien kommen für die Entscheidung dieser Frage in Betracht: einmal die bekannte Gewohnheit Luthers, mit der Feder in der Hand zu lesen. Dafür sprechen die außerordentlich zahlreichen Eintragungen, die sich auf den Vorsatzblüttern und innerhalb der Bibel finden, ja es wäre denkbar, daß die Einzeichnung der Psalmenauslegung an dieser Stelle ein entscheidendes Argument dafür bildet, daß die Bibel wirklich ein Handexemplar Luthers war.

Aber das zweite Kriterium besteht in der Handschrift. Haben wir es also mit einer Lutherschen Handschrift zu tun? Jene oben erwähnte Eintragung mit der Psalmvers- Auslegung bietet für unsere Nachprüfung die beste Hand- habe. Sie trägt die Unterschrift: „Mart. Luther D.* und die Jahreszahl „1542“. |

In eben diesem Jahre hat Luther sein Testament geschrieben, dessen letztes Blatt Köstlin in seiner kleinen Lutherbiographie!) in Faksimile wiedergegeben hat. Die Frage ist nun: stimmen die Schriftzüge überein? Mit anderen Worten: stammt die Eintragung in der Bibel tatsächlich von Luthers Hand?

Der Vergleich lehrt, daß dieses nicht zutrifft. Eins der wesentlichsten Merkmale bildet die Führung des Buch- stabens „h“. Nach E. Thiele“) zieht er nie das „h“ durch die Linie herunter.

Im übrigen zeigt die Gegenüberstellung von dem fak- similierten Titelblatt der Bibel bei Henne am Rhyn und des faksimilierten Testaments bei Köstlin, daß wir es im ganzen mit zwei völlig verschiedenen Handschriften zu tun haben. Das gleiche ergibt sich auch für die gesamten Übrigen Ein- tragungen.

1) J. Köstlin, Luthers Leben; 2. Aufl. Leipzig 1883. Das Faksimile des Testamentes findet sich am Schlusse des Bandes,

) E Thiele, „Die Originalhandschriften Luthers“ (in den „Luther- studien zur 4. Jahrhundertfeier der Reformation“) S. 250.

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Damit ist also erwiesen, daß in dieser Bibel auf keinen Fall eine Handbibel Luthers vorliegt.

Dazu kommt noch der Gesamtcharakter der Eintragungen. Diese sind in der Hauptsache nur Auszüge aus dem Text. Solche Auszüge finden sich in den ältesten Randnoten von Luthers Hand (in den „Augustini opuscula“ !)) in der Minder- zahl, um spáter immer mehr und mehr zu verschwinden.

Auch die exegetischen Bemerkungen des Schreibers sind so schülerhaften Charakters, daß wir sie dem Reformator auch in seiner Frühzeit nicht zutrauen dürfen ?).

Ferner begegnen, wie wir bereits erwähnten (vgl. S. 167 f. und 180), mehrfach namentliche Hinweise auf Schriften Luthers. Ist es auch nicht auffällig, daB sich ein Autor auf seine eigenen Schriften bezieht, so erscheint es für damalige Zeit immerhin merkwürdig, daß er sich auf sie nicht als seine eigene Schrift beruft, sondern ausdrücklich den Namen hinza- fügt („Vide Luthe| rum“, oder „D. M. L.“ oder „D. Martinus“). gleich als ob es sich um einen anderen Verfasser handelte. Auch diese Besonderheit spricht dagegen, daß Luther der Verfasser der Eintragungen ist.

Aber auch die Vermutung, daß eine Fälschung vor- liegt, ist von der Hand zu weisen; denn erstlich fehlt jede Spur eines Versuches, Luthers Schriftzüge, vor allem Seine Unterschrift nachzuahmen. Vielmehr ist der Charakter der Handschrift des Schreibers fest und wuchtig im Gegensatz zu dem feinen und fast zierlichen Charakter der Lutherschen Schrift.

Ein zweites Argument bildet die große Fülle der Ein- tragungen, sowohl auf den Vorsatzblättern wie im Text selber; sind doch an manchen Stellen, wie z. B. bei den Römer- und Korintherbriefen sowie bei dem 1. Thimoteusbrief, die Seiten der Bibel von oben bis unten mit Notizen des Schreibers dicht bedeckt. War es dessen Absicht, eine gefälschte Luther- bibel herzustellen, so hätte er sich damit schon seine Auf- gabe übermüfig erschwert.

Kapitel 4. Wer war Besitzer der Bibel?

Anhaltspunkte, die zur Bestimmung des Autors führen können, finden sich nur ganz wenige in der Bibel. Die be- deutungsvollste Angabe ist die isoliert stehende und mit

! Vgl. WA. Bd. 9, S. 21f. Solche Auszüge aus dem Text begegnen uns s. B. S. 7, 28; 86; 38; 40, S. 8, 5 usw. *) Einen &hnlichen Fall vgl. WA. Bd. 18, S. 790.

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roter Tinte geschriebene Datierungszeile (auf dem Vorsatz- blatt IIIb): „Anno virginej partus 1516 Pegavie“.

Weiter kommen noch einige Daten in Betracht. So die Jahreszahlen 1528 und 1530, die unter der Eintragung nach Leo Mayer lude stehen, und endlich die Jahreszahlen 1542 und 1643, deren erste unter der Lutherschen Erklärung des Psalmverses und deren zweite sich unter den Worten: „Gnade heist die hulde Gottes etc.“ findet.

Bezeichnend ist auch, daß keines der vom Schreiber zitierten Bücher später als 1560 erschienen ist!).

Indem ich mir vorbehalte, auf die Bedeutung der Orts- bestimmung von Pegau später einzugehen, bemerke ich, daß die Jahresdaten 1516, 1528, 1530, 1542/43 und 1560 den Schluß zulassen, daß die Bibel mindestens für diese Zeit in einer Hand gewesen ist, woftir sich auch sonst noch in der Literatur Beispiele finden)).

Dazu stimmt auch die Handschrift des Schreibers selbst. In ihr lassen sich gleichsam drei Epochen unterscheiden: die erste ist die starre kalligraphische Mönchsschrift; ihr folgt eine feinere, aber immerhin noch wuchtige Schrift, in der auch die Luthereintragung von 1542 geschrieben ist, bis sich in einer dritten Epoche die Züge weicher und flüssiger gestalten.

Die Erwähnung der Ortsbestimmung Pegau, zu deren Betrachtung wir uns nunmehr wenden, läßt leider nur dürf- tige Schlüsse zu. Wie die Eintragungen ergeben, gehörte der Schreiber dem geistlichen Stande an.

Pegau’), das damals zum Herzogtum Sachsen gehörte, besaß vier Kirchen: die Stadtkirche St. Lorenz, die Ottens- kirche und die unbedeutende Nikolauskirche sowie die Beuediktinerabtei St. Jakob mit der Klosterkirche.

Die Vermutung liegt nahe, daß der Schreiber im Jahre 1516 dem Kloster angehörte. An Simon Blick (Blich, Plick), der drei Jahre später (1519) Abt wurde, ist nicht zu denken, da er ein Feind der Reformation, besonders Luthers war, gegen den er mit Hilfe seines Bruders, des Syudikus Wolfgang Blick“) iu Erfurt, eine

1) „Das Gros Kirchengesangbuch etc.“ mit Butzers Vorrede, vgl. S. 190.

2) Vgl. z. B. G. Buchwald, „Handbibel des Friedrich Mykonius“ in der „Zeitschrift für Kirchengescbichte“ Jahrg. 87 (1918) S. 217 fl.

3) Vgl. Neue sächsische Kirchengalerie, Ephorie Borna (1906) S. 833 854. (Über Pegaus Kirchen.)

) F. Mykonius, Geschichte der Reformation, herausgegeben von O. Clemen, S. 45.

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Scohmähsehrift!) im Jahre 1524 verfaßte; dazu hatte er 1548 drei Jahre nach Aufhebung des Klosters (1539) wegen seiner Ehe mit ihm noch einen bösen Handel?) Er starb auch schon im Jahre 1545.

Dagegen käme vielleicht als Schreiber in Frage der Mönch Bartholomäus Glasbach*) der im Wintersemester 1521 als zweiter in der ,Natio Misnensium“ auf der Leipziger Uni- versität immatrikuliert ist (frater Bartholomeus Glasbach de monasterio Pegen') Aber dieses ist nicht mehr als eine luffige Hypothese, da sich mit der Erwähnung Pegaus im Jahre 1516 alle weiteren- Spuren verlieren.

Man könnte auch an den Pfarrer an der St. Lorenz- kirche in Pegau Peter Korner denken, der 1524 als Anhänger Luthers auftrat*) und schon 1525 auf Betreiben des Bischofs Adolf von Merseburg aus Pegau weichen mute?) Jedoch eine Vergleichung mit Originalbriefen Korners*) lehrt, daß er als Schreiber der Eintragungen nicht in Betracht kommt,

Der Schreiber läßt sich auch nicht nach den Schrift- proben feststellen, die Ficker-Winekelmann, Clemen und Mentz in ihren Veröffentlichungen bieten.

Die nächste Frage ist: welche Schlüsse lassen sich aus den Eintragungen auf den Charakter des Schreibers ziehen? Zunüchst die Literatur, die er heranzieht. Wir scheiden sie in mehrere Gruppen: 1. Kirchenväter, 2. Mittelalterliche Schriftsteller, 3. Zeitgenossen.

1) C. A. H. Burkhardt, Geschichte der sächsischen Schul- und Kirchenvisitation 1524—1545 (Leipzig 1879), S. 237; Chr. Schöttgen, Historie des berühmten Helden Graf Wiprecht von Groitzsch ..., Wie auch des von ihm gestifteten Klosters Pegau (Regensburg 17149), S. 171; Enders, Bd. 14, S. 302 f. Anm. 8; vgl. ferner Enders Bd. 4, S. 138 und 17, S. 149 und Z.K.G.P.8. Bd. 14, S. 159.

3) Vgl. Z.K.G. Bd, 6 (1884), S. 491f.; Bd. 18 (1899), S. 160f.; Bd. 22 (1901), 8. 810—814; Enders, Bd. 14, S. 302 ff.

) G. Erler, Die Matrikel der Universität Leipzig 1409—1559, Bd.1 (Leipzig 1895), S. 581. :

) F. Geß, Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sacasen, Bd. I (Leipzig 1905), S. 671, Nr. 658 und Bd. II (Leipzig 1917), 8 18 Anm, 2.

5) Geß a. a. O., Bd. IT, S, 77, 78 Anm. 1, und 861.

© Im Dresdener Hauptstaatsarchiv: Loc. 9026 Stifftisch-Mersc- burgische Religions-, Reformations- und Geistliche Sachen 1519—1630, Fol. 34, 36 und 38 (vgl. Gef a. a. O. Bd. T, S. 721, 770 und 773).

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1. Kirchenväter.

. Tertullian: Adversus Marcionem libri V. De fuga in persecutione. De resurrectione carnis, Hilarius: Libri duo ad Constantium oder Liber contra Constantium. "Tractatus super psalmos. Cyprian: De opere et elemosynis.

Ambrosius: Expositio Evangelii supra Lucam, Com- mentarius in epistulam ad Galatas.

Hieronymus: Epistula ad Rufinum monachum. Epistula ad Julianum. Epistula ad Eustachium. Epistala ad Augustinum. Liber adversus Helvidium. Liber de viris illustribus. Commentariorum in Isaiam libri XVIII. Commentariorum in Jeremiam libri VI. Commentariorum in Ezechielem libri XVI. Explanationis in Danielem liber unicus. In Zachariam commentariorum libri III. In Mattheum Commentariorum libri IV. In Epistulam ad Galatas Commentariorum libri III.

Augustin!): Quaestiones XVII in Evangelium secundum Mattheum. In Joannis Evangelium Tractatus C XXIV. Sermones de verbis domini. Sermones de verbis apostoli. In Epistulam Joannis traetatus X. Ho- meliae L. Ejpistolae. De civitate Dei libri XX. De spiritu et littera liber unus. De doctrina christiana libri IV. De trinitate libri XV. De fide et operibus liber unus. —- De gratia et libero arbitrio. De natura et gratia contra Pelagium liber unus. De prae- destinatione et gratia. De peccatorum meritis et remis- sione et de Baptismo parvulorum ad Marcellium libri III.

7. Irenüus: Adversus haereses libri V.

8. Origenes: Homeliae in Genesim. Homeliae in Levi-

A M

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ticum. Homeliae in librum Jesu Nave. Commen- tarii in Evangelium secundum Mattheum. Commen- tarii in Evangelium secundum Joannem. Commen-

tarii in Epistolam Beati Pauli ad Romanos.

9. Cyrillus: Commentarii in Evaugelium Joannis. Explanatio in Epistulam ad Romanos.

10. Chrysostomus?): Homelia de Chananaea. Ho- meliae in Genesim. Homeliae XC in Mattheum. Homeliae LXXXVIII in Joannem. Homeliae XVIII

1) Erasmus gab die Werke der Kirchenvüter heraus, und zwar: liieronymus (Basel 1516—1524), Hilarius (1523), Cyprian (1523). Ambrosius (1527) und Augustin (1528 ff.).

*) Oekolompad übersetzte 1523 55 Homilien des Chrysostomus.

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in epistulam primam ad Thimoteum. Homeliae X in epistulam secundam ad Thimoteum. 11. Eusebius: Historia ecclesiastica sowie die Tripartita. 12. Fl. Josephus!): Antiquitatum Judaicarum libri XX.

2. Mittelalterliche Schriftsteller.

1. Hay mo von Halberstadt: In Divi Pauli Epistolas eum brevis tam perlucida Expositio (Straßburg 1519).

2. Bernhard von Clairvaux: Sermones in Canticum Canticorum.

3. Rupertus von Deutz (Tuicensis): De victoria verbi Dei libri XIII. (1526—15928 erschien die erste Ge- samtausgabe seiner Schriften.)

3. Zeitgenossen ?). A. Mittel- und Niederdeutsche (hauptsächlich Wittenberger).

1l. Martin Luther: Kirchenpostille (Wittenberg 1522 ff.). Das Magnifikat verdeutscht und ausgelegt (Wittenberg 1521). Der fünfte Psalm David wider die Heuchler und falschen Propheten (Wittenberg 1525). Deutero- nomium Mose cum Annotationibus (Wittenberg 1525). Ueber das erste Buch Mose gepredigt (Wittenberg 1527). Vier tröstliche Psalmen an die Königin von Hungern (Wittenberg 1526). Das 13. und 14. Kapitel St. Johannis gepredigt und ausgelegt (Wittenberg 1538). Enarratio Psalmorum 51 Miserere et 130 (Straßburg 1538). Commentarius in Micham Prophetam (Witten- berg 1542).

2. Philipp Melanchthon: Annotationes in Epistolas Pauli ad Romanos et Corinthios (Nürnberg 1522). In Evangelium Joannis Annotationes Philippi Melanch- thonis (Basel 1523), In Evangelium Matthei Anno- tationes (Hagenau 1523). Hagotiat sive Proverbia Salomonis cum annotationibus (Nürnberg 1525). Seholia in Epistulam ad Colossenses (Hagenau 1527). Loci communes rerum theolog. seu hypotheses theologicae (Wittenberg 1535)5). .— Commentarii in Epistulam

1) Dies Werk gab Erasmus 1534 heraus,

*) Nach Möglichkeit ist das Erst- Erscheinungsjahr der Bücher ermittelt, dabei ist aber nicht ausgeschlossen, daß der Schreiber auch spütere Ausgaben benutzt hat.

Es werden in der Bibel einige Abschnitte dieses Werkes zitiert. die sich in der Ausgabe von 1535 zum ersten Mal finden.

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Pauli ad Romanos (Wittenberg 1540) ). In Danielem prophetam Commentarius (Wittenberg 1543). Sermo de Annunciatione Mariae (vgl. S. 168 Anm. 3). Sermo de Pentecoste (vgl. S. 168 Anm. 3). Ob auch ein Christ vor Gericht handeln möge.

3. Bugenhagen: In librum Psalmorum interpretatio (Basel 1524). Epistola de peccato in spiritum sanctum (Wittenberg 1723). In epistolam ad Romanos inter- pretatio (Hagenau 1527). Von dem christlichen glauben vnd rechten guten Werken an die Stadt, Hamburg (Wittenberg 1526). Annotationes in Deuteronomium (Basel 1524). De coniugio episcoporum et diaconorum (Wittenberg 1525). In regum duos ultimos libros annotationes (Basel 1525). Wider die Kelchdiebe (Wittenberg 153?). Evangelicae conciones domini- earum totius anni (Basel 1539).

4. Justus Jonas: Defensio pro coniugio sacerdotali ad- versus Joann. Fabrum scortationis patronum.

5. K. Cruziger: Enarratio Psalmi 116 et 118 (1542).

6. Johann Agrikola: In Lucae Evangelium Aunotationes summa scripturarum fide tractatae (Augsburg 1525). Die Epistel S. Pauls an die Colosser, zu Speier geendiget (Wittenberg 1527).

7. Joh. Brismann: Ad Gasparis Schatzgeyri Minoritae plicas responsio (Straßburg 1523).

8. A. Karlstadt: Eine Predigt.

9. Urbanus Rhegius: Nova doctrina et vetus. Dia- logus von der trostreichen Predigt, die Christus Luk. 24 von Jerusalem bis Emmahus den zwei Jüngern aus Mose und allen Propheten gethan (1537).

10. Antonius Corvinus: Bericbt wie sich ein Edelmann gegen Gott, gegen seine Obrigkeit, sonderlich in den itzigen Kriegsläuften, gegen seine Eltern, Weib, Kinder, Haus-

.gesinde und seine Untersassen halten soll (Erfurt 1539).

1l. Agidius Mechler: Eine christliche Unterrichtung von guten Werken, mit einem nachfolgenden Sermon über das Evangelium Lucä 6 des vierten Sonntags nach Pfingsten, geendiget 1524.

12. M. Coelius: Expositio (?).

13. Erasmus Sarcerius: Postilla in Evangelia domini- calia et festivalia (1539).

14. Kaspar Aquila: Ermahnung an das christliche Häuf- lein, Gottes Wort fröhlich zu bekennen (1548).

l) Erstausgabe erschien schon früher, aber hier findet sich zum ersten Male der vom Schreiber zitierte Brief an den Landgrafen von Hessen.

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B. Ober deutsche.

1. Joh. Brenx: Hiob cum piis et eruditis Commentariis (Hagenau 1527). In D. Johannis Evangelion Exe- gesis (Hagenau 1527) oder: Evangelium, quod in- seribitur Secundum Joannem Homiliis explicatum. (Teil I: Schwäbisch-Hall 1545; Teil II: Schwäbisch- Hall 1548). Der Prediger Salomo mit hoch ge- gründter aus göttlicher Schrift Auslegung (Hagenau 15 28). Der Prophet Osea durch Johann Brentzen itzt new- lich erklärt und ausgelegt (Hagenau 1531.) In Acta apostolica Homilie 122 (Hagenau 1535). In Evangelium, quod inseribitar secundum Lucam Homiliae (Teil I: Schwäbisch-Hall 1537; Teil II: Schmäbisch- Hall 1540). Esnia propheta Commentariis explicatus (Frankfurt 1555) 1).

Andreas Keller: Auslegung des evangelischen Lob- gesanges Benedicimus (1524).

. Caspar Kanz: Eine Predigt.

Heinrich von Kettenbach: Eine Predigt.

Theobald Billikan: Scholia in Micham Prophetam.

.Wenzelaus Linck: Von Arbeit und Betteln, wie man solle der Faulheit vorkommen und jedermann zur Arbeit ziehen (1583).

7. Andreas Althammer: Annotationes in Epistulam

beati Jacobi (Straßburg 1527) oder die Epistel St Jakobs mit neuer Auslegung (Wittenberg 1533). Diallage hoe est conciliatio locorum scripturae, qui prima facie inter se pugnare videntur (Nürnberg 1527).

8. Thomas Venatorius: Pro baptismo et fide parvu- lorum adversus anabaptistas Defensio (Nürnberg 1527). De Virtute christiana libri III (Nürnberg 1529).

9. A. Osiander: Ein schön fast nützlicher Sermon tiber das Evangelium Mathei am 17., da Christus den Zoll- pfennig bezahlt (Nürnberg 1525).

10. Jakob Gast: Expostulatio Iustitiae cum mundo a Belial instigato (Straßburg 1525).

11. Wolfgang Capito: Enarrationes in Hoseam.

12. Martin Butzer: Enarrationum in evangelia Matthaei, Marei et Lucae libri duo (Straßburg 1527). Epistola D. Pauli ad Ephesios, In eandem Commentarius (StraD- burg 1527). Enarratio in evaugelion Johannis, sum- mam Disputationis et Heformationis Beruensis com-

AnA do

1) Die Benutzung dieser Ausgabe ergibt sich aus dem Zita (vgl. oben S. 177 f.). Die Erstausgabe 1550 war anders foliiert.

190

pleotens (Straßburg 1528)!) Sacrorum Psalmorum libri V ad ebraicam veritatem versi et familiari ex- planatione elneidati (Straßburg 1529, unter Butzers Namen aber erst Genf 1554). Das Gros Kirchen- gesangbuch, darin begriffen sind die aller fürnemisten und besten Psalmen, geistliche Lieder, Hymni und alte Chorgesenge (Straßburg 1560, mit Butzers Vorrede unter dessen Namen) ). |

13. Lud wig Hetzer: Übersetzung der Propheten aus dem Hebräischen [Daniel] (1527).

14. Desiderius Erasmus: Novum [Testamentum] In- strumentum omne... una cum Annotationibus (Basel 1516). Paraphrasen (1518ff) zu den paulinischen Briefen. Adagiorum Chiliades (Paris 1506). De linguae usu et abusu (1523) De immensa dei misericordia,

C. Sehweizer.

1. Huldreich Zwingli: De vera et falsa religione Commentarius (Zürich 1525). Der Hirt (Zürich 1524). Von Clarheit und Gewisse oder Unbetrogliche des Worts Gottes (Zürich 1522). Von dem Predigtampt (Zürich 1525). Von güttlicher und menschlicher Gerechtigkeit eine Predigt (Zürich 1523). Farrago aunotationum in Genesim (Zürich 1527). In Exodum alia farraginis annotationum partieula (Zürich 1527). lu Catabaptistarum strophas elenchus (Zürich 1527). Amica exegesis, id est expositio eucharistiae ad Martinum Lutherum (Zürich 1527). Ad illustrissimum Cattorum principem Philippum sermonis de providentia Dei anamnema (Zürich 1530) Complanationis Jsaiae Prophetae Foetura prima cum apologia (Zürich 1529). Opus articulorum sive conelusionum (Zürich 1535). Annotatiunculae in utramque Pauli ad Co- rinthios Epistolam (Zürich 1528).

1) Häufig zitiert der Schreiber eine Schrift: „disputationem Bernensem". Falls sie nicht mit dem Butzerschen Werk identisch ist, handelt es sich wohl um das Buch: „Handlung oder Akta ge- haltener Disputation zu Bern im Uechtland (1528)“ (die Disputation fand vom 7.—26. Januar 1528 in Bern statt).

2) Dies Gesangbuch erschien zum erstenmal schon 1515, aber Butzers Vorrede war anonym, ebenso in den folgenden (1517/1559) Diese Vorrede zitiert aber ausdrücklich der Schreiber der Bibelglossen als ,Bucerj praefatio“.

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2. Joh. Oekolompad: Demagoriae, id est Contiones in Epistolam Jobannis primam (1524). Commentariorum in Prophetam Esaiam libri V (1525). De non ba- bendo pauperum delectu (1523). Antisyngramma ad Ecclesiastes Suevos una cum borum syngramma (1526). Commentarius in Danielem (1531).

3. Oswald Mykonius: Ad sacerdotes Helvetiae qui Tigurinis male loquuntur Suasoria, ut male loqui desi- nant (1524).

4. Heinrich Bullinger: Gesprüche gegen die Wieder- täufer (1531), lat. Uebersetzung durch Leo Judä (1534). De scriptura vel verbo Dei.

5. Martius Cellarius (Barrhaus): De operibus Dei Electionis et reprobationis (Straßburg 1527).

6. Johannes Boschenstein: (ohne Angabe der Schrift).

D. Franzosen.

. Joh. Calvin: Institutio religionis christianae (Basel 1536). . J. Faber Stapulensis: Commentarii in quattuor evangelia (1522).

3. Franz Lambert v. Avignon: In Divi Lucae Evan- gelium Commentarii (Wittenberg 1523). In Cantica Canticorum Salomonis Commentarii (Straßburg 1524). Commentarii de Prophetia, Eruditione. et Linguis deque Littera et Spiritu (Straßburg 1526).

tO m

Zwinglis Schriften hat der Schreiber nicht in der latei. nischen Gesamtausgabe in 4 Bänden, herausgegeben von Zwinglis Schwiegersohn Rudolf Gwalter (Zürich 1544 f.), sondern in Einzelausgaben benutzt. Auch Luthers Schriften lagen ihm nur in Einzeldrucken vor.

Aus der reichen Kenntnis, für die die Literaturübersicht Zeugnis ablegt, dürfen wir schließen, daß der Schreiber dem Universitätsstadium obgelegen hat. Dabei ist für seine Geistesrichtung das Fehlen jedes Hinweises auf die Scho- lastiker, z. B. Anselm von Canterbury, Thomas von Aquino, Abälard, Petrus Lombardus, Duns Skotus und Occam, charak- teristisch abgesehen von dem Ausdruck „fides hystorica etc. (8. o. S. 169), der bei den Scholastikern sehr gebräuchlich ist. Dafür begegnen uns mehrere Hinweise auf die Mystiker, den heiligen Bernhard und Rupert von Deutz (Tuicensis), dessen Erbauungsbücher im 16. Jahrh. eine sehr beliebte Lektüre bildeten.

Ferner ist bei dem Schreiber die Kenntnis der klassi- schen Literatur der Antike (Ovid, Virgil, Cicero, Seneca und

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Aristoteles) bemerkenswert. Überraschend wirkt in diesem Zusammenhange ein Zitat aus Sallusts: „De bello Jugurthino“ zur Vorrede des Hieronymus zum ersten Buche Esra, wo auf Sallusts Schrift cap. 3, 3 Bezug genommen wird.

Dagegen scheint der Schreiber über die Kenntnis des Griechischen und Hebräischen nicht verfügt zu haben.

Auch fehlt es ihm nicht an einigem juristischen Wissen.

Im höchsten Grade bezeichnend für seinen Standpunkt ist die Auswahl seiner Zitate. Die Mehrzahl der heran- gezogenen Bucher sind exegetischen oder homiletischen Inhalts. So führt er von Luther keine Schrift "anderen Charakters an.

Ganz auffällig ist ferner die offensichtliche Bevorzugung der Oberdeutschen und Schweizer. Schon allein zahlenmäßig überwiegen diese den Wittenberger Kreis. Aber auch die Anzahl der zitierten Schriften der Schweizer, z. B. Zwinglis übertrifft bei weitem diejenigen Luthers.

Für die Charakteristik des Schreibers kommt weiter in Betracht, daß er den Abendmahlsstreit, der die Geister der Zeit aufs tiefste bewegte, kaum berührt, und wo er Streit- sehriften über ihn zitierí, nur schweizerische heranzieht (Zwinglis, „Amicaexegesis“und Oekolompads, Ántisyngramma*). Doch wäre es falsch, wollte man aus dieser gewissen Gleich- gültigkeit des Schreibers auf einen großen zeitlichen Zwischen- raum zwischen dem Sakramentsstreit und der Abfassungszeit der Zitate schließen; denn wir wissen z. B., daß der Breslauer Reformator Johaun Heß (1490—1547) trotz seiner engen Verbindung mit der Schweiz den Abendmahlsstreit fast un- beachtet ließ.

Alle diese Umstände, zumal die starke Benutzung der oberdeutschen und schweizerischen Literatur scheinen mit großer Sicherheit darauf hinzudeuten, daß der Verfasser dem oberdeutschen oder Schweizer Kreise angehörte. Wenn dem die Erwähnung von Pegau zu widersprechen scheint, so ist doch keineswegs erwiesen, daß Pegau der dauernde Aufent- haltsort des Verfassers gewesen ist.

Ebensowenig ist die Benutzung niederdeutscher Autoren ein Argument, das unserer Annahme entgegensteht; denn erstlich sahen wir schon, daß der Schreiber sie in geringerem Umfange benutzt. Wissen wir denn zweitens überhaupt, daß dem Verfasser die Erstdrucke vorlagen?

Wir müssen uns erinnern, daB Oberdeutschland das Zentrum der deutschen Buchdruckertätigkeit war. Hier lagen die großen Handelsplätze wie Basel, Augsburg, Nürnberg und Straßburg, wo doch sognr auch Erstdrucke der Wittenberger, wie z. B. Bugenhagens Psalmenauslegung erschienen (1524

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bei Adam Petri in Basel). In Oberdeutschland wurden aber auch die Schriften Luthers und seines Kreises massenhaft nachgedruckt, so daß dem Autor die gesamte niederdeutsche Literatur auch in Oberdeutschland zugänglich sein konnte,

Im Gegensatz zu dem ausgedehnten Buchgewerbe Ober- deutschlands beschränkten sich die Wittenberger Druckert), z. B. Nickel Schirlentz, Johaunes Luft und Georg Rhaw, in der Hauptsache auf ihre heimatliche Literatur. Von Zwingli wurde beispielsweise kein einziges Buch in Wittenberg nach- gedruckt; besonders seit dem Abendmahlsstreit mied man die Schweizer.

` So sprechen alle Argumente zugunsten unserer Annahme, daß der Schreiber in den oberdeutschen Kreisen zu suchen ist. Dabei soll aber keineswegs bestritten werden, daß trotz alledem sich mehrere Fäden nach Wittenberg gesponnen haben. Dafür zeugt die Eintragung der Lutherschen Auslegung des 118. Psalmverses, die vermutlich nach dem Original (damals in Zwickau, vgl Anhang I, S. 195) erfolgt ist. Ahnliche Bewaudnis hat es vielleicht mit den Zitaten aus Luthers „Todespsalter“ und mit der Eintragung: „Gnade heist die hulde Gottes eto.“ (vgl. Anhang II, S. 201 ff.).

Daß der Schreiber auf dem Boden der neuen Lehre Stand, lehren nicht nur die obige Literaturübersicht und die Eintragungen der eben erwähnten Worte des Reformators, sondern dafür spricht auch unter den Zitaten ein ausdrück- liches Zeugnis: „Omnis doctrina diuinitus inspirata“ (2. Thim. cap. 3, 16), (vgl. S. 172). Ähnlich wiederholt er am Rande die Worte: „Iustitia paulj non est ex lege, sed ex fide Christi“ (Philipp. cap. 3, 9).

Zum Schluß bemerken wir, daß für unsere Untersuchung das sprachliche Moment ausscheidet; denn die Eintragungen sind entweder lateinisch abgefaßt oder, wenn sie deutsch sind, deutschen Vorlagen entlehnt. So haben auch einige mundartliche Formen („aber“ für „oder“, ,wue* für „wo“, „dat“ für „daß“, Dehnung von „u“ in „ue“ usw.) für unsern Gegenstand keinerlei Beweiskraft.

Gleiches gilt von der eigentit'nlichen Tatsache, daß bei einer Reihe von Zitaten im Text er Bibel sich Rasuren be- finden. Hier ist nümlich an zahlreichen Stellen in den Ver- weisungen der Name des Autors entfernt, und dabei ist in den meisten Fällen auch der Titel des Buches verschwunden;

1) Vgl. J. Luther, „Der Wittenberger Buchdruck in seinem Über- gang sur Reformationspresse" (in den „Lutherstudien zur 4. Jahr- huudertfeier der Reformation“ S. 261 fl.) S. 278, 280 und 282.

Archiv far Reformationsgeschichte. XXI, 5/4. 18

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z. B. findet sich dies, bei Luthers Predigten aus der Kirchen- postille (de decem leprosis (Bl. 339 a in der Bibel] de tribus magis [279b] u. ö.). Aber diese Rasuren sind willkürlich, so daß auf keine bestimmte Tendenz zu schließen ist, Am stärksten fällt aber der Umstand ins Gewicht, daß nicht zu entscheiden ist, wann die Rasuren vorgenommen sind, Aus der gleichen, uns unbekannten Absicht ist vielleicht auch das hintere Vorsatzblatt herausgeschnitten.

Fur die spätere Geschichte der Bibel kommt endlich noch eine Eintragung in Betracht, die den Charakter einer Widmung trägt. Sie lautet: „Der almechtige Got wolle e. g. allezeit seynen gothliche gnade vo[r]mehren, Vnd an liep vnd shel gnädicheln stercken* (vgl. S. 180).

Danach läßt sich vermuten, daß die Bibel das Ver- mächtnis des Schreibers an einen unbekannten hohen Gönner, den man unter dem Adel des Landes suchen muß, bildet. Dabei werden wir jedoch nicht an den Ritter Hans von Dolzig (vgl. S. 179) zu denken haben, da er bereits im Jahre 1551 ohne Nachkommen gestorben ist. Außerdem trägt das mit:

„H. von Dolßke“ unterzeichnete Stück abgesehen von Tinte und Schriftart, die sich von der der Widmung unter- scheiden ein so eigenartiges Gepräge, daß wir, wie er- . wühnt, es danach in die Zahl der Lutherschen Tischreden einreihen möchten.

Anhang I.

Die Überlieferung der Lutherschen Psalmvers-Auslegung 119, 92 in Handschriften und Drucken.

Die Lutherschen Bucheintragungen sind uns in mannig- facher Form Überliefert. Viele von ihnen sind im Original erhalten, andere in Abschriften (z. B. in Tischreden), die seine Freunde und Schuler von ihnen anfertigten. So entstanden Sammlungen, die durch Drucke verbreitet wurden.

So liegt auch die Auslegung des Psalmverses 119, 92 in reicher Überlieferung vor. Die erste Zusammenstellung der überlieferten Fassungen gab Kawerau im 15. Bande von Enders, „Luthers Briefwechsel“, S. 74, Nr. 3227, 18.

Seitdem sind noch eine Anzahl unbekannter oder bisher unbeachteter Stucke hinzugekommen, so daß die Überlieferung sich heute seltener Vollständigkeit erfreut. Das Original be-

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findet sich jetzt in der Danziger Stadtbibliothek. Es steht in einem kleinen, stammbuchartigem Hefte, das dem ersten Teile einer Lutherschen deutschen Bibel (Wittenberg 1541 bei Johannes Luft) vorgeheftet ist!).

Seine Entstehungsgeschichte ist folgende. Der Zwickauer Magister Oswald Lassan reiste am Ende des Jahres 1541 an den kurfürstlichen Hof nach Wittenberg, um bei Kurfürst Johann Friedrich für den Rat seiner Heimatsstadt in einer Schulangelegenheit um Unterstützung nachzusuchen. In der- selben Frage wandte er sich auch an Luther. Er benutzte die Gelegenheit, um sich gleichzeitig von dem Reformator eine Eintragung in sein Stammbuch zu erbitten, in das sich auch in den folgenden Wochen die meisten bekannten Witten- berger Persünlichkeiten eintrugen. So schrieb Luther am 1. Januar 1542 den Psalmvers 119,92 mit erbaulicher Aus- legung ein?)

Dieses Datum ergibt sich aus einem Stammbuch“) (heute in der Fürstlich-Stolbergischen Bibliothek zu Wernigerode) eines Begleiters von Lassan, in welches zu Luthers Eintragung*) die Datierung: „die Circumeisionis dominice“ hinzugefügt ist. In dieser Autographensammlung finden wir nämlich die gleiche Zahl und Anordnung der Wittenberger eintragenden Persön- lichkeiten sowie auch die gleiche Einzeichnung Melanchthons wie bei Lassan. Man sieht: der Zwickauer Magister und sein Begleiter haben gleichzeitig die einzelnen Wittenberger auf- gesucht.

Nach der Mitteilung der Danziger Stadtbibliothek lautet die Luthersche Eintragung (zitiert: O):

1) Vgl. H. Freytag, „Eine Autographensammlung aus der Refor- mationszeit in der Stadtbibliothek zu Danzig“ (in den Mitteilungen des WestpreuBischen Geschichtsvereins, Jahrgang 8 [Danzig 1909] S. 2ff.), ferner Katalog der Handschriften der Danziger Stadtbibliothek, Teil 8, herausg. von Prof. Dr. O. Günther (Danzig 1909), S. 326 f., Ms. 2499.

1) Abgedruckt bei Freytag a. a. O., S. 5 in modernisierter Form, bei W. Schwandt, ,Deutsche Bibeldrucke aus der vorlutherischen und lutherischen Zeit in Danzig und Elbing“ (1917), S, 26 in ungenauer Form und WA. Bd. 48, S. 71—73; vgl. ferner Enders Bd. 18, S. 78.

5) Vgl. E. Jakobs, Reformatorische Gedenkblätter: I. Ein Witten- berger Stammbuch vom Jahre 1542 (in der Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen, 2. Jahrg. (Magdeburg 1905), S. 35 fl.) und Zeitschrift des Harzvereins II, 2, S. 64.

*) Die Eintragung ist abgedruckt bei Jakobs a. a. O., S. 40f., bei Enders, Bd. 15, S. 65 f. Nr. 8327? und WA. Bd. 48, S. 16f., sowie an den dort angegebenen Stellen.

18*

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Ps. 118 |

Wo dein Wort HeRR mich nicht / Trostetet, So ver- gienge ich ynn meinem / elende’).

Das kan doch ia kein / ander buch, lere, noch Wort, das es künd- / te trosten ynn noten, Elende, tod, sterben / ia vnter den Teuffeln vnd ynn der Helle, / on allein dis Buch, das vns Gottes wort / leret. Vnd dar in Gott selbs mit vns redet, / wie ein mensch mit seinem fretinde etc. /

Ander lere mtigen Reich, mech / tig, ehrlich machen, vnd dis leben hoch / heben. Aber Wenn Not vnd Tod daher / stürmen, Fliehen sie als die trewlosen / schelmen, mit ehren, gutern macht / freundschafft, Vnd lassen schendlich / vnd ver- reterlich stecken, Denn sie / Wissen nichts, konnen nichts, thun nichts / ynn Gottlichen, ewigen sachen Noch / ist die Welt Toll vnd vnsinnig, achtet / dieses, Buchs nichts, Verfolget vnd lesterts / als were es des Teuffels Buch, fur / welchem Hauffen vns Gott behüte Amen / Mart LutheR D.

1542.

Wir behandeln zunächst die Abschriften von dieser Ein- tragung. Es sind acht an Zahl.

I. Abschriften.

1. Die Abschrift des Lutherschen Freundes und Mit- arbeiters Georg Rörer (zitiert: Al, gedruckt bei Enders, Bd. 15, 8. 74 und W. A. Bd. 48, S. 721).

Er nahm wohl die Abschrift, als er sich selbst in die Stammbtücher eintrug. Lassan und sein Begleiter besuchten ihn zwischen dem 2. Januar, wie aus dem Empfehlungsbrief hervorgeht, den Melanchthon an diesem Tage für Lassau an den Kurfürsten richtete, und zwischen Anfang Februar, wo Lassan eine Reise nach Leipzig antrat; denn nach dieser Reise (am 15. Februar) liegt eine Einzeichnung des Magisters Georg Helt im Wernigeroder Stammbuch vor.

Aber die Rörersche Abschrift liegt selbst nicht mehr vor, sondern nur eine von ihm selbst nach ihr angefertigte Kopie (heute in Jena, Cod. Mss. Bos. q. 24k, Bl. 271b). Für die Zeit, wann diese Kopie genommen ist, gibt cin Ver- merk, der sich bei der vorhergehenden Abschrift einer Lutherschen Bucheinzeichnung findet, einen Anhaltspunkt: „Haec transscripta sunt 29 Decemb 47 annj**) Dabei

1) Ps. 119, 92, Das Zitat stimmt nicht mit dem Text der Bibel- übersetzung überein.

) Vgl. W. A. Bd. 87, 8. XIII und Enders Bd. 14, S. 146 Nr. 3086, 9, Lesart: i.

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ist aber die Eigenttimlichkeit der Zeit zu beachten, daß zwei Jabresanfänge gebräuchlich waren. Die einen begannen das Jahr mit dem 25. Dezember, die anderen mit dem 1. Januar). Aus seinen Nachschriften der Lutherschen Predigten ergibt sich, daß Rörer dem ersteren Brauche folgte*). Danach ge- hört jene Kopie noch in das Jahr 1546 und, da die Sammlung der Lutherschen Eintragungen im Drucke 1547 erschien (vgl. die Vorrede vom 29. August 1547), so stellt jene Kopie in gleicher Weise wie die Übrigen Abschriften im Jenaer Codex eine Vorarbeit für die Drucklegung dar. Dafür spricht ferner der Umstand, daß sich fast alle Einzeichnungen Luthers, die sich in den beiden Codices Bos q 24 f und k*) absehriftlich finden, auch im Erstdruck 1547 (mit mehr oder minder starker Überarbeitung, resp. Zusammenftügung oder Über- setzung) stehen. Damit lösen sich auch die auch von Albrecht wegen der Jahreszahl 1547 erhobenen Bedenken‘).

Charakteristische Unterschiede zwischen O und A,:

O På. 118; A, p5 C XIX (= Zählung der deutschen Bibel). O = Trostetet; A, = trostet (im Textwort. . O Mart. LutheR D; A, MLD.

2. Die auf der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden auf einem Einzelblatte befindliche Abschrift, das in ein Exemplar der zu Wittenberg 1545 bei Hans Luft erschienenen deutschen Bibel (Biblia 258, Doppelstück 2, W. A. Deutsche Bibel Bd. 2, S. 725) eingefügt ist (zitiert A,; gedruckt bei De Wette-Seidemann, Luthers Briefe, Bd. 6 (Berlin 1856), S. 341, bei Enders Bd. 15, S. 74 und W. A. Bd. 48, S. 72f). Uber die Geschichte des Exemplars war nichts zu er- mitteln; die Abschrift stammt erst aus neuerer Zeit. Da diese Abschrift in Übereinstimmung mit der Vulgata wie O. Ps. 118 zählt, ist sie von A,, das mit der deutschen Bibel Psalm 119 zählt, unabhängig. Gegen eine Abhängig- keit spricht ferner die Tatsache, daß die Lesart: „Trostetet“ im Gegensatz zu A, mit O übereinstimmt. Dagegen fehlt die bei O und A, ‚stehende Jahreszabl vielleicht ein Schreibfehler des Copisten, und ferner ist fälschlich „ihrren

) Vgl. H. Grotefend, Die Zeitrechnung des deutschen Mittel- alters und der Neuzeit, Bd. 1 (Hannover 1891), S. 205.

*) Vgl. W. A. Bd. 20, S. 204; Bd, 37, 8. 282; Bd. 41, S. 477; Bd. 49, S. 238, 979 und 631.

*) Vgl. W. A. Bd. 37, S. XII f. und Bd. 41, S. VIII f.

) O. Albrecht, Quellenkritisches zu Rörers und Aurifabers Samm- lungen S. 988, Anm. 1, Z. 19f. (in den St. Kr. 1919, 92. Jahrg. S. 27911.) und W. A. Bd. 48, S. 73, Anm. 1.

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gutern“ statt „ehren, gutern“ gelesen. Trotzdem könnte aber A, auf O zurückgehen.

3/4. Zwei Abschriften, die sich auf der Handschriften- abteilung der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin be- finden (zitiert A, und A,, die Enders Bd. 15, S. 74 nach zwei Faksimilia abgedruckt sind). Gemeinsam mit O ist den Abschrilten A,, A, und A, im Textwort ,trostetet"; gegen A, haben die beiden letzteren Kopien aber die Jahreszahl, so daß also eine Abhängigkeit von A, nicht in Betracht kommt. Bedeutsam ist vor allem der Umstand, daß in A, und A, die Worte von „fliehen“ bis „schelmen“ fehlen; durch diesen sinnentstellenden Fehler ist erwiesen, daß beide von einander abhängig sind, und zwar besitzt A, die Priorität, da in A, das Wort „etc“ fehlt, das A, aufweist. Ferner kann man in A, „mit ehren, gutern“ in „mit ihren gutern* und „stecken“ in „sterben“ verlesen, was umgekehrt unmöglich ist; A, hat schließlich selbständig unter „virreterlich“ das Wort „fürchterlich“ zugefügt, das A, bei der Abschrift doch sicher übernommen hätte. Da A,, von der Auslassung abgesehen, sonst oft sogar bis auf die Örthographie mit O übereinstimmt, ist A, von O abgeschrieben.

5/6. Zwei Abschriften der Gebrüder Wanckel (Andreas und Matthias) !) (zitiert A, und A,; A, ist in den ,Unschul- digen Nachrichten“ 1712, S. 776 f. im Sprachgewand des 18. Jahrhunderts gedruckt; Andreas’ Manual, dem A, ent- nommen ist, ist verloren. A, und A, sind ferner W. A. Bd. 48, S. 72 f. gedruckt. A, befiudet sich in der Staatsbibliothek zu Berlin in einem Exemplar der Lutherschen Bibel (Wittenberg, Hans Luft 1541) im ersten Teil Bl. 323 b (Biblia sacra fol. 32), das nach Albrechts Ansicht die Haudbibel des Matthias ist?). . ln A, ist das Textwort rektifiziert und der Lutherschen Übersetzung angeglichen, während bei A, die Auslegung am Rande als Marginal zum unterstrichenen Textwort hinzugefügt ist. Im übrigen sind sich beide Abschriften so ähnlich, daß eine Abhängigkeit voneinander angenommen werden muß. Am auffälligsten ist die beiden gemeinsame Datierung aus dem Jahre 1543. Ferner ist bei beiden gemeinsam bei den Worten „unter den Teuffeln“ das Wort „den“ sowie hinter „mit seinem Freunde“ das Wort „eto“ fortgelassen, und es steht übereinstimmend ,trostlosen Schelmen“ statt „trewlosen schelmen“. Die Auslassung des Wortes „lehre* bei der Wendung „ja kein ander buch, lehre noch Wort“ in A, ist

!) Über die Gebrüder Wanckel vgl. O. Albrecht, Matthias und Andreas Wanckels Sammlungen Lutherscher Buch- und Bibeleinzeich- nungen (St. Kr. 1920/21, 93. Jahrgang, S. 249 fl).

2) Vgl. O. Albrecht, Wanckels Sammlungen etc. S. 260 u. 270 fl.

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offenbar auf eine Nachlässigkeit bei der Drucklegung zu- rückzuftühren.

Für die Priorität von A, scheint zu sprechen, daß in ihr richtig „fliehen“ steht, woraus bei A, „fligen“ ent- standen ist.

Die gemeinsame Quelle für beide scheint eine schlechte und ungenaue Vorlage gewesen zu sein; denn nach Albrechts Zeugnis!) verdienen die Brüder Wanckel sonst den Ruf zu- verlüssiger Kopisten. Jedenfalls steht fest, daß sie mit den übrigen Abschriften nichts gemeinsam haben.

Die Jahreszahl 1543 bezeichnet vielleicht das Datum der Abschrift

7. Die Abschrift in der angeblichen Lutherbibel des Mürkiscben Museums zu Berlin (zitiert A,; gedruckt W. A. Bd. 48, S. 72f).

Sie scheint nach dem Original genommen zu sein, da lediglich das Wort „etc“ fehlt, „Trostet“ in dem Textwort wohl verschrieben und yren (ehren) verlesen isí; denn A, scheidet wegen der Überschrift: P8 CXIX, aus; A, hat keine Jahreszahl, dazu feblt in A, und A, die Wortgruppe: „fliehen schelmen“. Endlich-bleiben A, und A, überhaupt außer Frage. Man sieht: Eine Verwandtschaft mit den übrigen Ab- schriften kommt keinesfalls in Betracht.

8. Die Abschrift von der Hand des Justus Jonas auf dem vierten pergamentenen Vorsatzblatt des ersten Teiles einer Wittenberger deutschen Bibel 1541 (zitiert: A,; erst- malig gedruckt W. A. Bd. 48, S.72f.), die früher dem Maler Lukas Fortenagel gehörte (heute auf der Landesbibliothek in Rudolstadt; Signatur: Rar. Nr. 52). Laut Vermerk vor der Abschrift fertigte Jonas sie am 26. Mai 1546 für Fortenagel an. Sie geht auf keine der uns bekannten Abschriften zu- rück; denn A, und A, bis A, scheiden als Vorlage aus den unter 7 genannten Gründen aus, A, und A, wegen der Les- art ,ihrren (yren) gutern“ statt „ehren gutern“. Wahrschein- lich hat Jonas Luthers Einzeichnung kopiert, als er sich selbst in Halle am 24. August 1542 in das Lassansche Stammbuch eintrug?), und dann nach dieser Kopie obige z. T. fehlerhafte Abschrift angefertigt. Dabei hat er die Vor- lage auch verändert, und zwar: ,trewlosen* in „ehrlosen“ und „fur welchem Hauffen“ in „fur welchem papisten, vnd falschen rotten hauffen“; ferner hat er die Lesart „fligen“ (statt „fliehen“), und es fehlt die Jahreszahl sowie „ete“. In- folge dieser Anderungen kann diese Jonassche Abschrift den anderen uns bekannten nicht als Vorlage gedient haben.

) O. Albrecht, Matthias und Andreas Wanckels Sammlungen usw., S. 268 und 274f. 2) Freytag, a. a. O., S. 8.

200

Wir kommen nunmehr zu den Drucken. Es liegen zwei Druckreihen vor.

II. Die Drucke.

1. Der Aurifabersche Druck (zitiert AA,, gedruckt hei Enders, Bd. 15, S. 74 und W. A. Bd. 48, S. 72f.).

Er erschien 1547 (mit der Vorrede vom 4. Februar) in der Schrift: „Anslegung / etzlicher // Trostsprüche / so der Ehrwirdige / / Herr / Doktor Martinus Lu- // ther / jun seiner lieben Herrn / / vnd // guten Freunden Bibeln vnd // Postillen mit eigener // handt (zu seinem gedechtnis) ge- // schrieben.“ // (Nach J. Luthers Urteil Erfurter Druck bei Wolfgang Stürmer) !). Noch im gleichen Jahre folgte ein Nachdruck ?), der für unser Stück keine Anderung bringt. Unser Stück findet sich in beiden Ausgaben auf Bl. A iiij.

Infolge Aurifabers Abwesenheit von Wittenberg 1542°) bil- dete wohl O nicht die Vorlage für ihn. Wegen der bestehenden großen Unterschiede scheiden A,—A, ohne weiteres aus. Auf A, als Vorlage deutet die Überschrift (Ps. 119). Nach- weislich ist Rörers handschriftliche Sammlung auch für andere Stücke die Quelle Aurifabers (vgl. Enders Bd. 14, S. 144 Nr. 7, Anm. 1 und WA. Bd. 48, S. 119 Nr. 161.) Bemerkens- wert aber ist folgende Korrektur Aurifabers: in dem ersten Satze der Auslegung strich er die Worte „kündte trosten“ und setzte hinter „in der Helle“ dafür „tröstet“ ein.

Ferner löste er die Abkürzungen der Unterschrift auf.

2. Die Rörerschen Drucke (zitiert R, und R,, gedruckt bei Enders, Bd. 15, S. 74 und W. A. Bd. 48, S. 72f.).

Der erste Druck mit dem Vorwort vom 29. August 1547 kam 1547 heraus unter dem Titel: „Vieler schönen Sp- /j rüche aus Göttlicher Schrifft // Auslegung / daraus Lere vnd // Trost zu nemen / Welche der ebrnwirdige Herr // Doktor Martinus Luther seliger / vielen // in jre Biblien geschrie- // ben. / / Dergleichen Sprüche von andern Herrn aus- // gelegt / sind auch mit eingemenget // Wittemberg“ // (gedruckt durch Hans Luft) Unser Spruch findet sich auf Blatt Hj.

Wir erwähnten bereits, daß A, die Vorarbeit für R, bildet. Aber Rörer hat den Text von A, für die Druck- legung überarbeitet. Das Textwort ist nach der Bibelüber-

ı) O. Albrecht, „Kritische Bemerkungen zar Überlieferung der stammbuchartigen Buch- und Bildeinzeichnungen Luthers“ im ARG., 1917, 14. Jahrg, S. 162,

) „Die in Erl.-Ausg. 52, S. 288, Nr. 8 genannte Ausgabe kommt nach Joh. Luther nicht als besondere Ausgabe in Betracht*. Albrecht Kritische Bemerkungeu etc., S. 162,

5) W. A. Tischreden Bd. 6, S. XIf. und XV.

201

setzung richtig gestellt. Auch hier findet sich dieselbe Korrektur wie bei AA, „kündte trosten tröste“ (AA, dagegen „tröstet“). Sie ist vielleicht durch den kurz zuvor erschienenen Aurifaberschen Druck aus rein stilistischen Gründen veranlaßt. (Vgl. dazu WA. Bd. 48, S. 100 Nr. 133.)

Ferner korrigierte Rörer Luther in der Wortgruppe: „noten, Elende, tod, sterben“. Er strich das Wort „tod“ fort, das er neben „sterben“ als überflüssig erachtete und schob hinter „noten“ „angst“ ein. Ebenfalls erweiterte er „Toll vnd vnsynnig“ in „toll, vnsinnig vnd rasend“ und „mit ehren“ in „mit alle jrer ehre“. Am Ende strich er das „Amen“ sowie in der Unterschrift „D.“ und die Jahreszahl.

Man sieht: auf diplomatische Treue in der Überlieferung kam es Rörer bei dieser Ausgabe nicht an, die lediglich als Erbauungsbuch dienen sollte.

Die zweite 1549 erschienene Auflage R, weist belang- lose Anderungen im Abdruck der vorliegenden Eintragung auf. Das gleiche gilt für sämtliche Nachdrucke. (Nach R,: Nürnberg 1547; nach R,: Wittenberg 1558, 1559 und 1573 sowie Heinrichstadt 1595) sowie für die beiden Gesamtaus- gaben (nach R,: Jena 1568 Bd. 8 und Wittenberg 1558 Bd. 9).

Das Abhängigkeitsverhältnis des Originals zu den Ab- schriften und Drucken (ausschließlich der Nachdrucke) bringt der nachfolgende Stammbaum zur Darstellung.

0

N A, s A, T X * A; At AA,’ R, * A, A, R, A,

Anhang ll. Weitere Lutherworte in der angeblichen Lutherbibel.

Unter den Einzeichnungen auf Titel und Vorsatzblätter:: stammen einige von Luther, die ausdrücklich mit seinen.

202

Namen bezeichnet sind (vgl. S. 167 f.). Von zwei weiteren ano- nymen Eintragungen soll die Autorschaft des Reformators nachgewiesen werden.

L fauor gunst

Die erste Stelle lautet (Bl. V): „Gnade heist die hulde Gottes eto.“ (vgl. S. 170). Für eine Entlehnung aus fremder Quelle spricht die Datierung des Stückes (1543). Ein An- klang an dies Stück findet sich in Luthers Einleitung zu seiner Übersetzung des Römerbriefs: „Gnade vnd gabe sind des vnterscheyds / das gnade eygentlich heyst / Gottis hulde odder gunst!).“ Damit scheint auch für obige Stelle Luthers Autorschaft nahe zu liegen.

| II.

Das andere Stück steht unter den Zitaten aus den Kirchenvätern (auf Bl. Ila des Vorsatzpapiers). Es umfaßt drei Zitate aus Augustin, Ambrosius und Bernhard (vgl. S. 166 f. „Augustinus: Tota spes mea sedula meditatio"). In unserer Bibel sind diese Aussprüche in einer Kolumne ge- schrieben, und zwar die Stücke aus Augustin, Ambrosius und dem nachträglich in Bernhard verbesserten Augustin (— „re- cordabor“) mit schwarzer Tinte, dagegen mit bräunlicher Tinte ist das zweite „Augustinus“ gestrichen, dafür „Bern- hardus“, die genaue Stellenangabe, der verbindende Strich sowie der letzte Teil von „Ibidem meditatio" geschrieben.

In den von Luthers Freunden und Schülern zusammen- gestellten Tischreden-Handschriften, die bekanntlich außer Tischreden des Reformators auch viele seiner Briefkonzepte und Gutachten, ja Auszüge aus seinen Predigten und Schriften und zahlreiche seiner Bucheinzeichnungen enthalten, begegnet uns das eine oben angeführte Stück, und zwar in der Hand- schrift Clm. 937, 56 (W. A. T. R. Bd. 5, 5623)?). Es lautet dort: „Augustinus: Turbabor, sed non perturbabor, quia vulnerum Dei recordabor. Gaudete in Domino. Calamus quassatus. Linum fumigans. Christum quaerunt" Am Rande steht der Vermerk: „Ex L(utheri psalterio". Daß es sich in der Bibel und in den Tischreden um dasselbe Stück handelt, steht außer Zweifel; denn bis auf das Wort „Dei“, resp. „Christi“ stimmen beide wörtlich überein. Daß in den Tischreden noch ein zweiter Absatz folgt, ist für unsere Frage völlig belang- los. Die Identität wird noch schlagender dadurch bewiesen,

1) E. A. Bd. 63, S. 123%2£,

) Einen Hinweis auf die Tischreden verdanke ich Herrn Prof. O. Albrecht, In der angeführten Stelle der Weimarer Ausgabe (Tischreden) ist am Rande bei dem Bibelzitatennachweis, „Matth. 12, 20" in ,Jes. 42, 9" zu ündern.

303

daß sowohl in der Bibel als in der Handschrift Clm. 937 der gleiche Fehler steht. Der Ausspruch stammt nicht von Augustin, sondern, wie in der Bibel nachträglich verbessert ist, vom heiligen Bernhard; aber dort findet er sich nicht im „sermo 51 super Cantica Canticorum", sondern im „sermo 61“. Außerdem ist aber das Zitat ungenau, da der Ausspruch bei St. Bernhard abweichend also lautet: Turbabitur conscientia, sed non perturbabitur, quoniam vulnerum domini recordabor“. Dies darf nicht überraschen da Luther frei zu zitieren pflegte.

Wir dürfen aus unserer obigen Eintragung noch ein weiteres folgern. Sollte er ein Zufall sein, daß die Zitate aus Augustin, Ambrosius und Bernhard in der Bibel so eng aneinander anschließen? Der Schluß liegt nahe, wenn der eine Ausspruch aus dem fälschlich zitierten Augustin nach Ausweis von Clm. 937 aus einem Psalter Luthers stammt, daß auch die übrigen beiden dort za suchen sind. Als Vor- lage für unsern Schreiber scheidet dabei aber die Handschrift Clm. 937 aus, da sich in ihr nicht die beiden Zitate aus Augustin und Ambrosius finden.

Die Frage ist: welcher Psalter kommt nun in Betracht?

E. Thiele hat in seinem Aufsatze: „Die Originalhandschriften Luthers“ S. 259£.!) eine Zusammenstellung von Luthers Hand-

56 psaltern gegeben:

*.

1. Quincuplex psalterium 1509 (Dresden Ms. A 138)

2. Sepher Tehillim 1513 (Wolfenbüttel 71. 4. Theol. 4

3. Psalterium hebraicum 1516 (Frankfurt am Main

; Stadtbibl. Ps. 35 1).

4. New Deadsch Psalter 1528 | der sog. Kunheim- salter.

5. Psalterium translationis veteris 1629 } (Breslau, Stadtbibl.

Ms. Rehd. 2387,

] und 2). 6. Der deudsch Psalter Wittenberg 1534 (Helmstedt A 80 233; ohne Notizen Luthers).

In Nr. 1—5 findet sich keine derartige Eintragung Luthers, Nr. 6 scheidet ohnehin aus.

Für Nr. 7, einen hebrüischen Psalter in Parma, steht die Untersuchung noch aus?).

AuDerdem wissen wir noch von zweien, die im Laufe der Zeit verloren gegangen sind. Der eine ist der von E. Thiele

1) In den „Lutherstudien zur 4. Jahrhundertfeier der Reformation“. ) Vgl. W. Köhler, Theologische Literaturzeitg. 88. (1913), Sp. 93 f.

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angeführte hebräische Psalter aus dem Jahre 15161), der sich früher in Danzig befand. Von den in ihm enthaltenen Notizen Luthers gibt G. Groddek einen genauen Abdruck im Märzheft der Zeitschrift: „Nova literaria maris Balthici et Septentrionis, Collecta Lubecae MCCIV* S. 77—82. Aber auch hier sind die in Frage stehenden Aussprüche nicht vorhanden.

Der zweite verlorene Psalter ist uns aus den Leichen- reden von Justus Jonas und Michael Cólius für Luther be- zeugt?).

Jonas berichtet (auf Bl. Bij[a]), Luther habe „ein ganzes Jahr“ vor seinem Tode sich „über zwanzig Trostsprüche in sein Psalterium oder Betbüchlein geschrieben“, von denen er einige mitteilt*).

Ausdrücklich bestätigt Cölius dasselbe (Bl. Gi[b]), der auf einen „Psalter“ Luthers hinweist, der „viele tröstliche Sprüche“ tiber den Tod enthält, die er sich z. T. auch selber abgeschrieben hat“). Von mehreren dieser Sprüche hat Al-

1) Vgl. J. Ficker, Hebräische Handpsalter Luthers (Sitzungsber. d. Heidelb. Akad. d. Wiss., phiL-hist. Kl. 1919, Abh. 5, S. 5, Anm. 3 n. 4).

1) Auf diesen Psalter hat O. Albrecht, Quellenkritisches ete., S. 299 fl. aufmerksam gemacht. Der Titel der Predigtveröffentlichung lautet: „Zwo Tröstliche Predigt / vber der Leich / D. Doct. Martini Luther zu Eißleben den XIX. und XX. Februarij gethan / durch D. Doct. Justum Jonam, M. Michaelem Celium Anno 1516",

*) Vgl. auch Schubart, Die Berichte über Luthers Tod und Be- gräbnis (Weimar 1917), S. 17f, und S. 30.

*) Auch Joh. Mathesius erwühnt in seinen Lutherpredigten in der 14. Predigt Luthers „Todespsalter“ (in der von Luesche besorgten Ausgabe S. 860, 21—27), doch geht diese Mitteilung auf die Cöliussche Leichenpredigt zurück, wie die Gegenüberstellung beweist. Überdies beruft sich Mathesius ausdrücklich auf diese Veröffentlichung der Leichenreden a. a. O., S. 8681t. und *.

Cólius (Schubart a. a. O., S. 30):

„Wie ich (Cölius) . . . vil tröst- licher sprüche aus seinem psalter, die er darin verzeichent, geschrie- ben, sich damit zu trösten.

Es hat. . Doctor Martinius nicht erst die vergangene nacht angefangen zu sterben, sondern lenger denn ein ganzes jar hat er immer gestorben, das ist mit ge- dancken vom tod umbgangen, vom tode geprediget, vom tode geredt, vom tode geschrieben."

Mathesius: „Wie er auch in sein Pselterlein jhm selbs viel schöner trostsprüch zusammen verzeychnet hatte.“

„Glaubige leut sterben alletage.“ „Drumb war vnsers Doctors rede am meysten von vnd wieder den todt, darwider er predigt, schrieb, sang, bettet vnnd gern redet."

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brecht festgestellt, daß sich solche z. B. in Lauterbachs Sammelband finden, wo sie spätestens im Juli 1543 ein- getragen sind (z. B. WATR. Bd. 4, 4856, S. 546). Für uns ist wichtig erstens, daß diese Sprüche vom Tode handeln, zweitens, daß unter ihnen Ambrosius zitiert wird (WATR. Bd. 4, 4856, S. 546, Z. 21), und drittens, daß sämtliche Zitate lateinisch abgefaDt sind.

Diese drei Umstünde treffen auch auf die drei oben genannten, aufeinander folgenden Eintragungen unserer Bibel zu; so dürfen wir schließen, daB auch diese drei Zitate dem verschollenen „Todespsalter“ Luthers entstammen.

Dabei ist zu bemerken, daß ein Abhängigkeitsverhältnis von Lauterbach und, wie schon erwähnt, von Clm. 937 nicht besteht. Doch bleibt fraglich, ob die mit anderer Tinte hinzu- geftigten letzten beiden Zeilen aus St. Bernhard „Ibidem. Quid tam efficax etc.“ (vgl. S. 167) auch dem Lutherschen Psalter angehürf haben.

Nachtrag zu S. 162.

Der Wittenberger Bibliothekar J. G. Neumann!) erwühnt eine gleichfalls bei Froben in Basel 1509 erschienene Vulgata, die sich 1708 auf der Wittenberger Universitätsbibliothek be- fand und ebenso eine „Lutherbibel“ sein soll. Aber weder diese noch die früher J. G. Palm gehörige angebliche „Luther- vulgata" gleicher Edition?) (heute: Braunschweigische Landes- bibliothek Wolfenbüttel) kann mit unserem Exemplar ideptisch sein; deun in der heute verschollenen Wittenberger Vulgata ist der angefochtenen Stelle 1. Joh. cap. 5, 7 nach Neumanns Angabe als kritisches Zeichen ein Obelisk von Luthers Hand beigefügt, der im Berliner Exemplar fehlt. Doch auch Palms Beschreibung der Wolfenbütteler Bibel paßt nicht auf unsere Vulgata. Die Eintragungen in dem Wolfenbütteler Bande stammen nach Mitteilung der dortigen Bibliothek nicht von Luthers Hand.

1) D. Martini Lutheri Commentarius in S. Johannis, evangelistae et apostoli, epistolam catholicam, a Jacobo Praeposito....quondam exceptus, ac primum nunc editus...., cum....praefatione Joannis Georgii Neumanni (Leipzig 1708), Vorrede 8 25, Bl. 66.

*) J. G. Palm, De codicibus veteris et novi Testamenti, quibas usus est Lutherus in conficienda sua translatione germanica, liber historius (Hamburg 1735), S. 96f.

Historisch-Critische Nachrichten von der Braunschweigischen Bibel- sammlung, hrag. v. G. L. O. Knoch. 1. Bd. (Wolfenbüttel 1764, S. 817f ).

Der Bekenntnisstand der Reichsstadt Frankfurt a. M. im Zeitalter der Reformation. IV.

Von K. Bauer. 4. Die zweiundvierzig Artikel der Engländer.

Die Wallonen, welche Poullain nach Frankfurt gezogen hatte, wurden, da sie von England gekommen waren, viel- fach kurzweg als Englünder bezeichnet. Unter den vielen Flüchtlingen aber, die um des Glaubens willen ibre Heimat verlassen hatten und in der Folge sich in Frankfurt nieder- lassen durften, befanden sich auch geborene Engländer. Sie bildeten von 1554—1559 eine eigene Gemeinde, kehrten aber nach dem Regierungsantritt der Königin Elisabeth in ihre Heimat zurtick!).

Unter der Führung von Edmond Sutton, William Williams, William Whittingham und Thomas Wood trafen:4ie ersten Engländer am 27. Juni 1554 in Frankfurt ein, nachdem sie in Frankreich von der gastlichen Aufnahme gehört hatten, die den Wallonen hier gewührt worden war. Die Bildungs- schicht war unter ihnen sehr stark vertreten; die meisten waren Geistliche, Gelehrte, Edelleute und Kaufherren; dem Handwerkerstande gehürte nur ein Mann an; die unteren Schichten fehlten, abgesehen von den Dienstboten, vollständig. Die Aufnahme in die Bürgerschaft wurde ihnen am 2. und 3. Juli bewilligt; Bedenken hatten nur wegen der Adeligen bestanden, die indessen Poullain wenigstens zum Teil zer- streut hatte durch seine Erklärung, der englische Adel sei nicht wie der deutsche Geburts-, sondern Geldaristokratie. Am 14. Juli wurde ibnen die Mitbenutzung der Weißfrauen- kirche gestattet unter der Voraussetzung, daß sie in Lehre und Zeremonien mit den Wallonen übereinstimmten und das Glaubensbekenntnis Poullains unterschrieben. Hierauf kon- stituierten sie sich am 29. Juli als selbständige Gemeinde, die in den nächsten Jahren auch von auswärts Zuzug erhielt.

1) Vgl. R. Jung, Die englische Flüchtlingsgemeinde in Frank- furt a. H. 1551— 1559. Frankfurt a. M. 1910. Frankfurter historische Forschungen, Heft 8.

207

Wenn sich der Rat um die inneren Verhältnisse der englischen Gemeinde im ganzen wenig gekümmert hat, so lag das an ihrer sozialen Struktur. Da die Handwerker so gut wie gar nicht in ihr vertreten waren, so war eine Konkurrenz für das einheimische Gewerbe, wie sie die Zünfte an den übrigen Fremden immer so lästig empfanden, von ihnen nicht zu befürchten?) Die Prüdikanten aber waren nicht imstande, eine Kontrolle über sie auszutiben, da sie kein englisch verstanden Ritter konnte nur französisch —, die Eugländer aber zurückhaltender waren als Poullain, der bei jeder Ge- legenheit Fühlung mit seinen deutschen Kollegen nahm.

Trotzdem ist gerade durch die Englünder die Frank- furter Kirchenfrage akut geworden, nachdem sie weit über ein Jahr geruht hatte. Bei der starken Belegung der Weiß- frauenkirche mit Gottesdiensten baten nämlich die Welschen, ihnen die Kapelle des Katharinenklosters zu überlassen. Als die Prädikanten erfuhren, daß der Rat geneigt sei, diesem Gesuche zu entsprechen, erhoben sie Einsprache dagegen und sprachen erstmals in aller Form dem Rate die Besorgnis aus, es möchte „mancherlei Opinion^ unter den Fremden sein. Sie fügten hinzu, sie hätten gehört, daß jene nicht gleich alle zusammen stimmten, sondern unter ihnen etliche Zwiespalt seien. Dem Kirchengesuch aber gaben sie die Deutung, es sei wohl zu vermuten, sie wollten sich jener Streitigkeiten wegen jetzunder voneinander teilen“). Der Rat legte daraufhin das Kirchengesuch einstweilen zurück und veranlaßte die Prädikanten, specifice anzuzeigen, in welchen Punkten und Fällen die welschen und englischen Prädikanten nicht mit der Augsburger Konfession tibereinstimmten®). Die Erklärung, die die Mehrheit der Stadtpfarrer daraufhin ein- reichten, erhob zwar Beanstandungen tiber a Lascos Forma et ratio, sowie tiber Poullains Liturgie, aber nicht über Dogma und Ritus der Engländer. Als diese daher jetzt mit einem Gesuch um Überlassung der unbenntzten Allerheiligen- kapelle hervortraten, fanden sie sofort das freundlichste Ent- gegenkommen )).

1) So richtig Jung S. 8. Dagegen konnte man die englische Ge- meinde nicht als „vorübergehende Erscheinung“ S. 12 vgl. S. 8 an- sehen. Denn niemand konnte wissen, daß Maria nach nur fünfjähriger Regierung sterben werde, und ebenso lag die kirchliche Stellungnahme ihrer Nachfolgerin noch gans im Dunkeln. Vgl. Ranke, Die römischeu Päpste. 10. Aufl. I, 208.

1) Schreiben an den Rat vom 5. Sept. 1555. F. R. I. Beil. 8. S. 1:7

) Ratsschluß vom 5. Sept. 1555. Ebenda S. 6.

) F. R. I. Beilage 2. S. 8 f. Jung S. 16.

208

Zur Vorsicht sah sich der Rat jedoch gemahnt durch die politischen Ereignisse, die inzwischen eingetreten waren. Bereits Ende 1554 hatte in Frankfurt eine Tagung statt- gefunden!), die einen Religionsfrieden vorbereiten sollte, und aus den Sitzungen des Fürstenrates war am 5. April 1555 ein Entwurf hervorgegaugen, der alle ausgeschlossen wissen wollte, die nicht Anhänger der alten Kirche oder der Augs- burgischen Konfession Verwandte waren, ohne daß man die Ausgeschlossenen „die sacramentirer, widerteufer und auch andere dergleichen secten“, alle namentlich aufzählte?). Dieser Entwurf fand die Zustimmung des Kurfürstenrates und des Königs Ferdinand und wurde dann unverändert in den Reichstagsabschied vom 25. September 1555 aufgenommen*). Dem Verlaufe dieser Verhandlungen folgten die Frankfurter. Pfarrer mit Spannung, und der Abschied war bei ihnen noch nicht verkündigt, als sie am 29. Oktober den Rat darauf hinwiesen, man stehe in ,Hoffnung, das der Abscheidt des jetztgehaltenen Reichstags einen Landfrieden mit sich bringen werde, darinn auch sonderlich die, so der Augspurgischen ConfeBion sind zugethan, des Evangelii halben begriffen, doch alle andere Secten außgeschlossen“*). Da die Regelung des Religionsfriedens auch für Frankfurt maßgebend war, so mußte der Rat sich daruber vergewissern, ob die Fremden, die seinen Schutz genossen, mit der Augsburger Konfession übereinstimmten. Wie er sich daher im Hinblick auf die Warnung der Prädikanten®), unter den Fremden könnten politisch bedenkliche Elemente sein, eine Personenstands- aufnahme der Gemeinden verschaffte, 80 machte er nun auch Erhebungen tiber ihren Bekenntnisstand.

Die Engländer reichten aus diesem Anlasse eine in Zürich erschienene deutsche Uebersetzung der zweiundvierzig Artikel von 1552 durch Vermittlung der Prüdikanten im No- vember 1555 bei Rate ein*).

Die zweiundvierzig Artikel?) die später von der Königin

) Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, 5. Bd. 8. Aufl. 3. 256.

*) Brandi, Der Augsb. Religionsfriede vom 25. Sept. 1555. S. 7.

) Ebenda S. 21. ) F. R I. Beilage 5. 8.8.

5) Ebenda S. 9. Der von Jung S. 17 vermuteten Anregung der Handwerkerbank bedurfte es unter diesen Umstünden nicht,

©) Act. ref. I, zwischen Blatt 27 und 28. Die Ausgabe, die den Straßburger Herausgebern der Werke Calvins (XV, 558 Anm. 10) nicht bekannt war, ist beschrieben bei Jung 8. 6f.

*) Vgl. Kattenbuscb, R. E.“. 1, 528ff. E. F. Karl Müller, Die Be- kenntnisschriften der reformierten Kirche. Einl. S. XLII.

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Elisabeth auf neununddreißig reduziert und in dieser Fassung zur offiziellen Bekenntnisschrift der englischen Kirche ge- worden sind, haben schon bei ihrer Entstehung starke Ein- wirkungen des evangelischen Deutschland erfahren!) Be- reits 1538 waren als Ergebnis von Verhandlungen, die im Interesse einer kirchlich-politischen Vereinigung der deutschen und englischen Protestanten in Wittenberg und London statt- fanden, dreizehn Artikel aufgestellt worden, die als eine Umschreibung der siebzehn ersten Artikel der Augsburger Konfession gelten konnten. Nur in der Lehre von der Recht- fertigung, vom Glauben, von der Kirche und vom Abend- mahl fanden sich verschleiernde Wendungen. Selbständig waren namentlich die Artikel de poenitentia und de rebus civilibus. Die Arbeit fand indessen nicht den Beifall des Königs und wurde erst wieder hervorgezogen, als Cranmer 1549 unter Eduard VI. die Ausarbeitung einer neuen Lehr- schrift unternahm. Besonders bei den Artikeln über die Trinität, Menschwerdung Christi, Erbsunde, Kirche, Predigt- amt, z. T. auch tiber Begriff und Wirkung des Sakraments griff Cranmer auf die ältere Vorlage zurück, während er in den Lehrstücken von der Rechtfertigung und vom Glauben an die Augustana anknupfte. So kamen die zweiundvierzig Artikel zustande, die im November 1552 vollendet waren und von einer theologischen Konvokation zu London ge- billigt wurden. Im Mai 1553 ließ sie Eduard Vl. als staat- liches Kirchengesetz verkünden. Nachdem sie dann im Druck erschienen waren), wurde ihre Unterzeichnung am 19. Juni von den Geistlichen und Lehrern verlangt.

Die Lehrstücke, über welche sich die zweiundvierzig Artikel äußern, sind nach der Züricher Uebersetzung folgende: 1. Vom glauben in die heilig Dryfaltigkeit. 2. Daß das wort Gottes seye mensch worden. 3. Von dem das Christus abgefaren ist zur hellen. 4. Von der vrstande Christi. 5. Daß die leer heiliger Göttlicher gschrifft zum heil gnügsam seye. 6. Vom alten Testament, vn das es nit zeuerwerffen sey. 7. Von den articklen des Glaubens. 8. Von der erbsünd. 9. Von dem Freyen willen. 10. Von der Gnad. 11. Von dem wie der mensch gerecht gmachet werde. 12. Von den wercken

1) Vgl. Hauck, Deutschland und England in ihren kirchlichen Beziehungen, S. 59 f.

*) Jam excuduntur regio nomine articuli quibus subscribendum erit omnibus in ministerio verbi constituendis, ac etiam iam constitutis, si modo ministerio privari nolint, schrieb Utenhove am 6. Juni 1553 an Calvin. Calv. Opp. XIV, 853. Irrtümlicherweise reden die Heraus- geber hier Anm. 7 von viginti quatuor (sic!) Artikeln.

Archiv für Reforinationsgeschichte. XXI. 3/4. 14

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die der gerechtmachung vor gond. 13. Von den wercken supererogationis, das ist, die wir tiber vnser pflicht vnd schuld thünd. 14. Das niemand dann allein Christus on stind seye. 15. Von der sünd (De peccato) in heiligen Geist (ent- sprechend dem 16. der 39 Artikel: De lapsis post Baptis- mum). 16. Die sünd (Blasphemia) in heiligen Geyst. 17. Von der vorordnung vnd waal Gottes. 18. Das allein im nammen Christi das ewig heil zehoffen sey. 19. Das alle menschen halten die gebott des Gsatzts von guten sitten verbunden seygind. 20. Von der Kirchen. 21. Vom gwalt der Kirchen. 99. Vom gwalt der allgemeinen Concilien. 23. Vom Fäg- fhetr. 24. Das niemant der Kirchen dienen sölle, er seye dann darzü verordnet, 25. Das alle Ding in der kirche in der spraach die das volck verstadt söllind verhandlet werden. 26. Von den heiligen Sacramenten. 27. Das die boßheit der dieneren des worts nit hinnimpt die krafft Göttlicher geheimnussen. 28. Vom Tauff. 29. Von des Herren Nacht- mal 30. Von dem einigen ewigwürenden opffer das am ereütz geopfferet ist. 31. Das die Ee im wort Gottes nie- mant verbotten sey. 32. Das man sich der verbanneten müssigen vnd entschlahen sölle. 33. Von den satzungen vn ordnungen der Kirchen. 34. Von den predginen. 35. Von dem büch deß gebätts vnd der kirchenbreüchen, wie die in Engelland gehalten werdend. 36. Von der wültlichen Oberkeit. 37. Das die güter der Christen nit gemein seygind. 38. Das die Christen auch eidschweeren mügind. 39. Von der vretande der todten, das die noch nit vergangen seye. 40. Das der abgestorbnen seelen weder mit den leyben zgrund gangind, noch entschlaafind. 41. Von dem gedicht deren die Mille- narij genempt sind. 42. Daß nit yederman sälig werde.“

Hauck!) hat geglaubt, das dogmatische Gepräge der Artikel dahin charakterisieren zu können: „Die Aussagen der Augustana sind ins Calvinische umgebildet. Besonders ist die Christologie und die Abendmahlslehre nicht lutherisch. Dort ist die Ubiquitätslehre ausdrücklich verworfen, und hier gehen die Sätze nicht über Calvins Anschauungen hinaus. Freilich geradezu als calvinisch kann man die 39 Artikel ebensowenig bezeichnen: es fehlt Calvins Zentraldogma, die Prüdestination". Die Fragestellung aber, unter der damit die Artikel betrachtet werden, ist falsch. Sie hat zur Voraus- setzung, daß Calvin auf die Reformation Eduards VI. einen

1) A. a. O. 8. 60. Ähnlich urteilt A. Lang, Joh. Calvin. Leipzig. 1909. S. 191: „In England beschränkte sich ... der Einfluß des Cal- vinismus auf die ... Formulierung der Lehre in den neununddreifig Artikeln“

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bestimmenden Einfluß ausgeübt habe. Er hat einen solchen aber nur erstrebt. Dem Lordprotektor Somerset sandte er 1548 seinen Kommentar zu den Timotheusbriefen sowie 'ein vollstindiges Reformationsprogramm, das sich unfer besonderer Berücksichtigung der englischen Verhältnisse tiber Predigt, Bekenntnis, Katechismus, die liturgische Frage und die Not- wendigkeit der Zucht ausführlich verbreitete. Dem Könige selbst widmete er 1550 und 1551 seine Vorlesungen Über Jesaja und die katholischen Briefe!) Außer an den König und Somerset schrieb er auch an den Erzieher des Königs, Cheke, und an Cranmer. Wie wenig er aber mit alledem tatsächlich erreichte, zeigt die Bemerkung Bezas in seiner Biographie: wenn die Mahnungen Calvins Gehör gefunden hätten, so wären der englischen Kirche später viele Stürme wohl erspart geblieben). Dagegen stand Bucer seit seiner Uebersiedelung nach England im engsten Verkehr mit Cran- mer®). Ihm war die Zensur des Common-Prayer-Book tiber- tragen‘). Und sein Buch de regno Christi hielt dem König ein Programm „christlicher Politik“ vor, das die Zukunft wenigstens teilweise verwirklicht hat).

Diesem Einflusse Bucers auf die englische Reformation begegnen wir denn auch in den zweiundvierzig Artikeln. Am charakteristischsten sind dafür die Sätze über das Abend- mahl. Während sich die allgemeinen Ausführungen Über die Sakramente (Art. 26) ziemlich genau an die Augustana (Art. 13) anschließen und der Artikel (28) über die Taufe nur die Uebertragung dieser Bestimmungen auf den be- treffenden Artikel (9) der Augustana ist, gehen die Sätze über das Abendmahl (Art. 29) tiber dieses Schema hinaus. Hier ist zunächst nach 1. Kor. 10 der Begriff der Gemein- schaft eingeführt:

Rite, digne et cum fide sumentibus, panis quem fran- gimus, est communicatio cor- poris Christi: similiter poculum benedictionis, est communi- eatio sanguinis Christi.

Welche nun sich deB wir- digklich vnd mit glauben ge- brauchend, denen ist das brot das wir brechend, als vil als ein communieation oder ge- meinschafft des leybs Christi, deBgleych das tranck der benedeyung als vil als ein communication oder mitteilung des blüts Christi.

1) Vgl, dazu den Brief Utenhoves an Calvin vom 28. August 1550

Calv. Opp. XIII, 626,

3) Das Tatsächliche bei Lang S. 184 f, 3) Baum, Capito und Batzer. S. 550 fl.

1) Ebenda S. 563.

5) Ebenda S. 564f.

14*

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Nach einer Ablehnung der Transsubstantiation wird dann auch die Ubiquität zurückgewiesen:

Quum naturae humanae veritas requirat, ut unius ejus- demque hominis corpus in multis locis simul esse non posset, sed in uno aliquo et definito loco esse oporteat, idcirco Christi corpus, in multis et diversis locis, eo- dem tempore, praesens esse non potest. Et quoniam, at tradunt Sacrae literae, Christus in Coelum fuit sublatus, et ibi usque ad finem seculi est permansurus, non debet quis- quam fidelium carnis ejus et Sanguinis Realem ef Corpo- ralem (ut loquuntur) prae- sentiam in Eucharistia vel eredere vel profiteri.

Und so denn die warheit mensehlicher art vnd natur erforderet, das eines einigen menschen leyb an vil orten einsmals nit seyn mag, sonder allein in einem ort, das dannocht endtlich vnd vmb- zilet seye, seyn müß: So volget dz der leyb Christi an vil vnd mancherley orten einer zeyt zügegen nitt sein möge. Dieweyl auch, als die heilig gschrifft leert, Christus in Himmel aufgenommen, vnd daselbs biß end der wält bleyben wirt, so kan mag kein glöubiger seines des HERRen fleischs vnd blåtə leybliche, wüsentliche Gegen- würtigkeit iu dem heiligen Nachtmal der Dancksagung balten, glauben ald leeren.

Es ist bemerkenswert, daB man bei der Redaktion der

neununddreißig Artikel diese Sätze fallen ließ. Man strebte damals eine Annäherung an die Kirchen Augsburgischen Bekenntnisses an, und aus der dabei zurate gezogenen Con- fessio Wirtembergieca von Brenz ersah man, wie sehr in diesen inzwischen die Bucerschen Einflüsse ausgeschaltet waren. Derselbe Bacersche Einfluß wie in der Abendmabls- lehre zeigt sich auch darin, daß die zweiundvierzig Artikel mit der Aufnahme einer längeren Ausführung über die Prä-

destination (Art. 17) über die Augustana hinausgehen:

. Praedestinatio ad vitam, est aeternum Dei propositum, quo ante iacta mundi fun- damenta, suo consilio, nobis quidem occulto, constanter de- erevit, eos quos!) elegit ex hominum genere, a maledicto et exilio liberare, atque ut vasa in honorem efficta, per Christum ad aeternam salu-

Die vorordnung zu läbe, ist dz ewig fürnemmen vi ansühe Gottes, nach welche er ee dan die fundament d' wült gelegt sind mit seine vns verborgne radt steyff vnd vestigklich sich erkent, vi entlich entschlossen hat, dz welche er auß alle mensch- liohem geschlächt vBerwelt

1) Zusatz der neununddreißig Artikel: in Christo.

tem adducere: Unde qui tam praeclaro Dei beneficio sunt donati, illi spiritu eius oppor- tuno tempore operante, se- cundum propositum eius vo- cantur: vocationi per gratiam parent: iustifieantur gratis: adoptantur in filios: unigeniti Jesu Christi imagini effici- untur conformes: in bonis operibus sancte ambulant: ef demum ex Dei misericordia pertingunt ad sempiternam foelicitatem.

Quemadmodum Praedesti- nationis et Electionis nostrae in Christo pia consideratio, dulcis, suavis et ineffabilis eonsolationis plena est vere piis et his qui sentiunt in se vim spiritus Christi, facta carnis et membra quae adhuc sunt super terram, mortifican- fem, animumque ad coelestia et superna rapientem, tum quia fidem nostram de ae- terna salute consequenda per Christum plurimum stabilit atque confirmat, amorem nostrum in Deum vehementer accendit: ita homi- nibus curiosis, carnalibus, et Spiritu Christi destitutis, ob oculos perpetuo versari Prae- destinationis Dei sententiam, pernitiosissimum est praecipi- tium, unde illos Diabolus pro- trudit vel in desperationem, vel in aeque pernitiosam im- purissimae vitae securitatem.

Deinde [licet praedesti- nationis decreta sunt nobis ig- nota,]!) promissiones [tamen]!)

fum quia.

218

hat, die wellé er ewige fläch verderben erlösen vnd freyé, vn als gschirr der eeren durch Christum ewigem heil vnd lüben füren. Dahür sich begibt, daB welche er mit diser herrlich® gnad vnnd schenckung begaabet, die werdend geschickter ge- lägner zeyt, wenn nach seiner vorordnung derheilig Geist an- faacht würcken, berüfft, be- rüfft, sind durch die empfang- nen gnad dem beruff geuölgig, werdend vmb sunst vnd ver- gäbens gerecht gemachet, kinderen Gottes angenommen, deß eingebornen suns Gottes Jeda Christi bildtnuß gleych- förmig gschaffen, wandlend heiligklich in güten wercken, vnd kommend entlich zu ewiger säligkeit. Wie nu ein Gottsförchtige betrachtung d' vorordnung Gottes, vnd desse das wir in Christo von Gott außerwelt sind, sti, lieb- lich, vnnd vnaußsprechlicher - weyß trostlich ist allen Gotts- förchtigen vnd glóubigen, vnd denen die in jnen selbs emp- findend, das die krafft deb geists Christi die werck des fleischs vnd jre irdische glider tödt vnd vndertruckt, auch das hertz den himmelischen vund oberen dingenn hinfürt, auß vrsachen das hiemit nit allein vnser glaub vnd hoffnung ewigs heil durch Christum erlangen geuestnet vnd gesterckt, sunder auch vnser liebe gegen Gott hefftig ent-

1) Die eingeklammerten Worte fehlen in den neununddreif:-

Artikeln.

214

divinas sic ampleoti oportet, ut nobis in Saoris literis gene- raliter propositae sunt: Et Dei voluntas in nostris ac- tionibus ea sequenda est, quam in verbo Dei habemus diserte revelatam.

zünt vnd gescherpft wirt. Also ist härwiderumb die leer von der vorordnung Gottes, ge- wündrigen, fleischlichen, vnnd denen die den Geist Christi nitt habend, ein schüdlicher faal, dahär sy der Teufel eintweders inn verzweyflung oder gleichgfaarliche sicher- heit vnud sorglose zewerffen,

gwon ist. Vnnd ob gleych die vrteil der vorordnung Gottes vns verborgen vnd

vnerkannt sind, söllend wir doch die verheissungen Gottes also annemmen vnd hertzen fassen, wie sy vns in heiliger geschrifft gemeinlich, also, das wir alle zum heil bertüfft werdend, fürgstellt vnd an- gebotten sind. Auch söllend wir auff den willen Gottes in allem vnserem thün vnd lassen also sühen, wie der in Gottes wort heiter auß- truckt vnd vergriffen ist.

Echt Bucerisch wird hier die Heilsgewißheit in dem ewigen Ratschlusse Gottes verankert, mit diesem Ratschlusse zugleich der Uuterschied zwischen den gottesfürcntigen und den fleischlichen Menschen erklärt, im Übrigen aber jede Spekulation über die gemina praedestinatio und das de- cretum absolutum Gottes abgelehnt. Auf diese Weise kann dann auch der (10.) Artikel de gratia!) die sittliche Frei- heit und Verantwortlichkeit des Menschen aufrechterhalten:

Gratia Christi, seu spiritus sanctus, qui per eundem da- tur, .... lieet ex nolentibus quae rqeta sunt volentes faciat, et ex volentibus prava, no- lentes reddat, voluntati nihi- lominus violentiam nullam infert. Et nemo hac de causa, eum peccaverit, seipsum ex- cusare potest, quasi nolens

leutt die

Die Gnad Christi, oder der heilig Geist der durch Christum gäben wirt, .... wiewol er auß denen die rechts vnd güts nit wellend, menschen macht die es wellend, vn härwiderum auß denen die args vond böß wöllend, rechts vi güts wellend machet, legt er doch

1) Auch er ist in den neununddreißig Artikeln gestrichen.

215

aut coactus peccaverit, ut eam kein gwalt an den freyen ob causam accusari non mere- willen zwingé vnd eyn- atur aut damnari. zethün. Es mag der vrsach balb nieman d' gstindet, sich

selb seiner sünden entschul.

digen, als ob er mit vnwillen

vh zür sünd gezwungen, ge-

sündet habe, vn darumb nit

sölle noch möge rechtlich an-

geklagt vnd verdampt werden.

Auch in der Frage der Kirchenzucht und des Bannes folgen die zweiundvierzig Artikel Bucer. Der 27. Artikel betont zwar, daß die Sakramentsgnade nicht an die Würdig- keit der Diener am Worte gebunden ist (ministrorum malitia non tollit efficatiam institutionum divinarum), macht der Ge- meinde aber unter Berufung auf die Kirchenzucht die Auf-

sicht über den Wandel ihrer Pfarrer zur Pflicht:

Ad Ecclesiae tamen Dis- ciplinam pertinent, ut in eos!) inquiratur, accusenturque ab

Doch dienet gmeiner zucht der kirchen, das man auff sölche ein fleyssig auf-

hiis, qui eorum flagitia no- sähen habe, vnd die vmb jr

verint, atque tandem iusto convicti iudicio, deponantur.

übel vnd mißthün wüssend, Sy deß verklagind, damit sy, wenn sich args auff sy erfunde, wie billich vnd recht ist, ge- straaft werdind.

Der Kirchenzucht sollten aber nicht nur die Pfarrer unterliegen. Der Grundsatz, den Artikel 32 gemäß Matth. 18, 17; Tit. 3, 10 aufstellte: Excommunicati vitandi sunt, wurde auf alle angewendet, die den Bann verwirkt hatten:

Qui per publicam Ecclesiae denuntiationem rite ab unitate ecclesiae praecisus esf ef ex- eommunicatus, is ab universa fidelium multitudine, donec per poenitentiam publice re- conciliatus fuerit, arbitrio Iu- dicis competentis, habendus est tanquam Ethnicus et Publi- canus.

WElchem in nammen auß geheiß einer kirchen oder gemeind d'glóubigen verkündt vii geoffnet wirt, dz er recht- lich verbannet vnnd von der gmeind außgschlossen seye, der sol von aller gmeinsame der glóubigen, so lang vnnd verr, bib er gebüßt, vnd offent- lich nach erkanntnuß orden- licher vond darzügesetzter Richteren mit der Kirchen widerumb versünt wirt, gantz abgesünderet vnud als ein

1) Dieneununddreißig Artikel haben verdeutlichend : malos ministros.

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Heid vh offner tibelthüter von menckliché geachtet werden.

Als die Prüdikanten die zweiundvierzig Artikel im No- vember 1555 dem Rate vorlegten, war dieser über ihren Inhalt längst unterrichtet. Am 13. März war Richard Cor, einer der Verfasser des Common-Prayer-Book, mit mehreren Landsleuten in der Stadt eingetroffen und hatte alsbald seine ganze Kraft daran gesetzt, seiner Schöpfung auch hier Geltung zu verschaffen. Als der Rat in den Streitigkeiten, die darauf- hin in der englischen Gemeinde ausbrachen, die Liturgie Poullains für verbindlich erklärte, versuchte er mit Erfolg, sein Ziel auf einem doppelten Umwege zu erreichen. Zuerst ent- ledigte er sich seines Hauptgegners Knox, indem er ihn als Hochverräter denunzierte !). Um dann die Gemeinde nach seinem Sinne zu organisieren, ließ er durch den Rat verfügen, daß die zweiundvierzig Artikel, die kurz zuvor in deutscher Uebersetzung erschienen waren“), von allen zu unterschreiben seien?), Dem Rate ließ sich diese Forderung ohne weiteres ein- leuchtend machen als das sicherste Mittel, um den Frieden in der Gemeinde herzustellen. Ihm selbst aber war mit dieser MaBregel die Bahn zur Einführung des Common-Prayer- Book frei gemacht, denn dieses war samt dem Ordinationsformular durch Artikel 35 zu einem integrierenden Bestandteil der anglikanischen Kirche geworden:

Liber qui nuperrime au- thoritate Regis et Parliamenti Ecclesiae Anglicanae traditus est, continens modum et for- mam orandi, et Sacramenta

DAs büch, weliches näher- mals auß geheiß K. M. vnd des Parlaments der Englischen Kirchen tibergäben ist, be- greyfft vnnd halt inn weyß vnd form des gebätts vnd deD zů-

administrandi in Ecclesia Ang-

1) Quum nullus finis tam obstreperis contentionibus futurus vide- batur, atque magistratus ob id praeceperat ut omnes gallicanae ecclesiae ritus sequeremur, nisi fortasse quid esset quod merito reprehenderetur, adeo nonnullos haec res pupugit ut derelicta caeremoniarum lite ad accusationes forenses se converterent. Dominus enim Knoxus iniquissime apud magistratum laesae maiestatis caesarianae accusatus iussus est secedere. Brief Whittinghams an Calvin vom 25. März 1555. Calv. Opp. XV, 524. Ueber die Denunzation vgl. K. Bauer, Die Beziehungen Calvins zu Frankfurt a. M S. 87,

2) Brief der Exsules Angli an Calvin vom 5. April 1555, Calv. Opp. XV, 558: articuli illi nuper admodum Tiguri impressi sunt.

3) Ibidem: iussu magistratus ante initam electionem propositi sunt articuli nuper Edonardi regis autoritate publicati, qui summam doctrinae nostrae continent, ut illis a nobis omnibus subscriberetur. Qualis enim, inquit, futura est electio nisi ante suffgfgatores in doctrina consenserint?

licana: similiter et libellus eadem authoritate editus de ordinatione ministrorum ec- clesiae, quoad doctrinae veri- fatem, pii sunt, et salutari doctrinae Evangelii in nullo repugnant sed congruunt, et eandem non parum promovent et illustrant, atque ideo ab omnibus Ecclesiae Anglicanae fidelibus membris, et maxime a ministris verbi cum omni promptitudine animarum et gratiarum actione, recipiendi, approbandi, et populo Dei

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dienens der heiligenn Sacra- menten, wie die inn Eng- lischer kirchen gehalten wer- dend. Deßgleych das ander büch auch auß geheiß vor- gemelter K. M. vnnd des Par- laments im truck außgangen, vom ordnenn vnnd eynsetzen der dieneren der Kirchen, Sind beide, so vil die warheit der leer beläget, rechter waa- rer Gottsforcht, vnnd der heil- samen leer des heiligen Euan- geliums nit zewider, sonder gantz gemäß vndgleychfürmig,

commendandi sunt. vnd erklärung vnd aufnung der selben gantz dienstlich. Deßwegen sy von allen glöu- bigen Englischer kirchen glideren, vnd insonders den dieneren des worts mit güt- willigen vnnd danckbaren ge- müten angenemmen, für güt unnd gerecht zelíalten, vnnd dem gemeinen volck zertimen sind.

Es ist nicht ersichtlich, wie die Prädikanten in den Besitz des Exemplars der zweiundvierzig Artikel gekommen sind, das sie dem Rate vorgelegt haben. Daß es ihnen Ende März sur Begutachtung vorgelegt worden und im November von ibnen zurückgegeben sei, ist nicht anzunehmen. Ihre Rück- äußerungen pflegten alsbald zu erfolgen. Es ist auch nicht wahrscheinlich, daB die Engländer selber ihnen die Artikel damals zugestellt haben sollten. Denn da ihr Mißtrauen gegen die Fremden inzwischen bereits geweckt war, so hätten sie jedenfalls schon diese Gelegenheit bentitzt, um ihre Vor- lage an den Rat zu machen. So ist es am wahrscheinlichsten, daß sie, falls ihnen das Buch nicht etwa auf der Herbst- messe bekannt geworden sein sollte, die sie sich auf Ver- öffentlichungen der Fremden genau ansahen'), es sich auf die Aufforderung, ihre Behauptung der Heterodoxie zu spezi- fizieren, durch einen ihrer auswärtigen Berater oder durch den Rat selbst zustellen ließen.

1) Vgl. ihr Schreiben an den Rat vom 29. Oktober 1555, F. R. I. Beilage 5, S. 7.

218

Da ein Begleitschreiben der Prädikauten zu ihrer Vor- lage nicht vorhanden ist, so sind wir, um ihr Urteil tiber den Standpunkt der Engländer kennen zu lernen, auf Rück- schlüsse angewiesen. Wir haben dabei zu unterscheiden zwischen dem Ritus und dem Dogma.

Bereits Jung!) hat es bemerkenswert gefunden, daß die lutberischen Prädikanten, die sich so scharf mit ihren refor- mierten Kollegen herumzankten, sich niemals in das innere Leben der englischen Gemeinde gemischt haben. Zur Er- klärung dieser Tatsache wird daran zu erinnern sein, daß die Liturgie der Engländer ganz anders den Anschauungen der Frankfurter Geistlichkeit entsprach als die Poullainsche. Während Poullain, getreu den Straßburger Vorbildern, in seiner Gottesdienstordnung grundsätzlich neue Wege betreten hatte, hatte man sich in England?) bei der Umgestaltung der mittelalterlichen Liturgie nach den Beispielen gerichtet, die Deutschland z. B. mit der nürnbergisch-brandenburgischen Kirchenordnung von 1533 und der Kölner Agende von 1543 gegeben hatte. Die Korrekturvorschläge Bucers dagegen waren unbertlcksichtigt geblieben“). So hatte die Liturgie des Common-Prayer-Book einen lutherischen Charakter er- halten, durch den sie sich von vornherein die Sympathien der Frankfurter Lutberaner erwarb, die sich an den ibnen lieben sächsischen Typus des Gottesdienstes erinnert fühlten. Ueberdies war Cox klug genug, die Formen seines Prayer- Book den lrankfurter Riten anzugleichen. Wenn er nach der Entfernung Knoxens, der im Sinne Calvins eine neue Liturgie unter Ausscheidung der faeces papisticae gewünscht batte, sich doch noch zu Aenderungen an dem Ritus bereit fand, so handelte es eich dabei natürlich nicht um Zuge- ständnisse an die Gegenpartei, sondern um das Bestreben nach Homogenität mit der Frankfurter Kirche, in der man, wie er von Poullain wußte, Unterschiede in den Zeremonien : 80 schwer nahm. Hierüber darf man sich auch nicht durch de Diplomatie hinwegtäuschen lassen, mit welcher er Calvin gegenüber diese Aenderungen als Akte des Entgegenkommens gegen seine Brüder hinzustellen beliebt hat. Neque euim, bekennt er“), nos ita prorsus addicti sumus patriae ut ferre consuetudinem aliam non possimus. Sollte einmal die Liturgie der patria aufgegeben oder abgeändert werden, dann lag es doch näher, statt etwas völlig neues zu schaffen, lieber sich den kirchlichen Bräuchen der neuen Heimat anzupassen.

1) A. a. O. S. 12. *) Vgl. Hauck S. 61. ) Baum, a. a. O. S. 562. - ) Brief an Calvin vom 5. April 1555. Calv. Opp. XV, 5528y.

319

Dem entsprechen auch die Punkte, in denen Cox von dem Prayer-Book abwich, und seine Begründung, daß es sich dabei ja nur um &ðıdpoçaæ handle, als ob er sich unter diesem Gesichtspunkte nicht auch mit Knox hätte verständigen könuen! Er schreibt nämlich: Omisimus enim privatos baptismos, confirmationes puerorum, dies festos sanctorum memoriae dedicatos, yovvxáLo(ag in sacra communione, lineas ministrorum lacernas, cruces et alia id genus. Atque haec quidem omisimus . . ., quum natura sua essent ddıdpopa, et a piis patribus ad nostri populi aedificationem vel instituta vel permissa . .

Nicht ebenso leicht konnten sich die Prüdikanten mit den zweiundvierzig Artikeln anfreunden. Nur nach einer Seite fanden sie sich durch diese über den Standpunkt der Engländer beruhigt: auf sie traf jedenfalls der Verdacht der Wieder- täuferei nicht zu. Dazu nahmen die Artikel viel zu ent- schieden gegen das Täufertum und jede Art von religiösem Spiritualismus Stellung. In dem (28.) Artikel von der Taufe hielten sie an der Kindertaufe fest:

Mos Ecclesiae baptizandi Demnaeh ist der kinder- parvulos et laudandus et om- . tauff wie er in der kirchen nino in Ecclesia retinendus!). allwäg im rechten brauch ge-

wäsen, nit allein loblich, son- der auch zübehalten not- wendig.

Gegen die Wiedertäufer polemisiert der (8.) Artikel von der Erbsünde, wo nicht nur die bereits in Artikel 2 der Augustana abgelehnten Pelagianer, sondern auch mit dem Zusatze*): et hodie Anabaptistae repetunt, jene genannt werden. Derselben Frontstellung begegnen wir in dem 37. Artikel, der die Gütergemeinschaft verwirft:

Facultates et bona Christia- norum non sunt communia quoad ius et possessionem,

Die haab vnd güter der Christenletiten, so vil das recht so ein yeder dem seinen

hat, vn die bsitzung belangt, ‚sind nit gmein, wie etlich Wiedertöuffer falschlich für- gebend.

Aber auch wo die Wiedertäufer nicht ausdrücklich ge- nannt sind, werden doch ihre Anschauungen bekämpft. So

ut quidam Anabaptistae falso iactant.

!) Die Fassung in den neununddreißig Artikeln (27): Baptismus parvulorum omnino in ecclesia retinendus est, ut qui cum Christi in- stitutione optime congruat, holte die hier fehlende Begründung nach,

2) Die reununddreißig Artikel haben diesen Zusatz (in Art. 9) fallen lassen.

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verzichtet zwar der 36. Artikel darauf, aus der Augustana (Art. 16) den Satz: Damnant Anabaptistas, qui interdicunt haeo civilia officia christianis, zu übernehmen, aber inhaltlich orientiert er sich an dem Gegensatz der Täufer mit den

Bestimmungen:

Magistratus civilis est a Deo Die wültlich Oberkeit ist ordinatus atque probatus, von Gott eyngsetzt vnd ge- quamobrem illi, non solum ordnet, darum man der sel- propter iram, sed etiam ben nit allein jr zorn vnd propter conscientiam obe- vngnad züuermeyde, sonder

diendum est).

Leges civiles possuntChristi- anos propter capitalia etgravia erimina morte punire.

Christianis licet ex mandato Magistratus arma portare, et iusta bella administrare.

auch vmb der gwüßen willen gehorsam seyn sol.

Man mag nach wältlichenn oder burgerlichen Rechten vond gsatzten, auch die den nammen der Christenletiten tragend, vmb begangner male- ficischer vti schwärer lasteren willen vom läben zum tod richten.

. Es ist auch Christenleüten zügelassen, daß sy auß geheiß jrer ordentlichen Oberkeit waaffen tragen, vb rechte billiche krieg füren mögend.

Dieselbe Abgrenzung gegen die Position der Täufer ist

in dem Artikel (38) tiber den Eid vollzogen: Wie Matth. 5, 37 und Jak.5,12 das iuramentum vanum ef temerarium (das leycht- ferig vnnd verwegen schweeren vnd Gottslesteren) verbietet,

ita Christianam religionem minime prohibere censemus, quin iubente Magistratu, in eausa fidei et caritatis iurare liceat, modo id fiat iuxta Pro- phetae doctrinam, in iustitia, in iudieio, ef veritate.

Also haltend vnd glaubend wir dargegen das vns vnsere waare Christenliche Religion nitt darwider seye, dann das wir in glaubens vnd der liebe sachen, auß geheiß vnser Oberkeit wol eid thün vnd schweeren mügind. Doch das sölichs, vermög der leer des heiligen Propheten, inn der Gerechtigkeit, im gericht, vnd der waarheit beschähe.

Da die zweiundvierzig Artikel überdies eine spirtuali- sierende Deutung der Auferstehung (Art. 39), die Lehre vom

—b4w——

) Dieser Satz ist der Umredigierung des 'rtikels in den neun- unddreißig Artikeln zum fer gefallen.

221

Seelenschlaf (Art. 40), das tausendjährige Reich (Art. 41) und die Apokatastasis verwarfen, so durften die Prädikanten überzeugt sein, daß sie es bei den Engländern nicht mit Schwärmern und Rotten zu tun hatten.

Bedenklicher mußte sie dagegen die Abendmahlslehre der zweiundvierzig Artikel machen. Diese lehnte sich zwar unverkennbar an die Sakramentslehre der Augustana an. Aber mit aller Entschiedenbeit wies sie auch das Realiter et corporaliter der lutherischen Orthodoxie zurück. Es scheint. als sei mit durch diese Beobachtung die Fassung verursacht, welche die Prädikanten in ihrem Schreiben an den Rat vom 7. November 15551) ihrer Anschauung vom Abend- mahl gaben:

Credimus, fatemur et doce- mus, quod Domini verum cor- pus, pro nohis traditum, et verussanguis, pro nobis effusus, corporaliter, hoe est, vere es- sentialiter et realiter in Cena presentia sint, et cum pane et vino exhibeantur, et a su- mentibus pereipiantur non in cibum ventris sed animae.

Wir glauben, bekennen und lehren, das des Herren wahrer Leib, der für vns gegeben ist, vnd sein wares Blut, das für uns vergossen ist: leiblich (das ist) warhafftiglich wesentlich vnd selbs im Nachtmahl gegen- wertig seyen, vnd mit Brodt vnd Wein dargereycht, vnd genossen, das ist, gessen und

getruncken werden, nicht zu einer Speise des Bauchs, sondern der Seelen.

Die Schule Bucers konnte auch diese Formel nicht ver- leugnen. Sie verriet sieh in dem exhiberi und in der Ab- lehnung des cibus ventris. Aber der Geist, der in dieser Formel weht, ist nicht mehr derjenige Bucers und der Ober- deutschen, sondern der sächsischen Theologen und der Gnesio- lutheraner. Sie ist das erste greifbare Symptom dafür, wie die Frankfurter Prädikanten in der Auseinandersetzung mit den Fremden ihren alten dogmatischen Standpunkt aufgaben uud in das Lager der neuen lutherischen Orthodoxie über- gingen. Nachdem sie diese Entwicklung einmal begonnen hatten, war es nur konsequent, daB sie den Bucerschen Sauerteig allmäblich bis auf den letzten Rest ausfegten, den Standpunkt derer um Westphal vorbehaltlos sich aneigneten und von hier aus die dehnbaren Bucerschen Formeln mit einem Inhalte erfüllten, der mit ihrem ursprünglichen Sinn und ihrer innersten Tendenz nichts mehr zu schaffen hatte.

1) F. R. I. Beilage 6. S. 10.

222

md

5. Der dogmatische Standpunkt von Martin Micronius und Johannes a Lasco.

Wie das Glaubensbekenntnis und die Liturgie Poullains uns über die Anschauungen der Wallonen, die zweiundvierzig Artikel über diejenigen der Engländer unterrichten, so lernen wir die der Vlaemen kennen bei Jobannes a Lasco!) der sie im Juni 1555 zu einer Gemeinde gesammelt hat, und bei Martin Micronius, dem Prediger der jetzt versprengten deutschen Gemeinde in London, den er sich alsbald zum Gehilfen nach Frankfurt berief,

Micronius, der die Seereise seiner Landsleute im Winter 1553 auf 1554 nach Dänemark und Hamburg mitgemacht hat?), fand in Hamburg Gelegenheit, in einem Schreiben vom 6. März 1554 dem Rat der Stadt Rechenschaft von seinem und seiner Gemeinde Glauben zu geben?) Dieses Glaubens- bekenntnis, das man als das ursprüugliche Bekenntnis der niederländischen Gemeinde in Frankfurt bezeichnen könnte, stellt in wenig Sätzen das Wesentliche zusammen. Es gebt aus von der Bibel als dem einzigen Erkenntnisgrund der christlichen Wahrheit, um alsbald zur Christologie über- zugehen, da Christus Scripturae biblicae scopus ac finis ist. Um als einziger Mittler des Heiles immer in seiner Kirche erkannt zu werden, hat Christus die Predigt des Evangeliums and die Sakramente eingesetzt, und demgemäß äußert sich Micronius weiter über Taufe und Abendmahl. Zuletzt kommt er dann noch auf die Obrigkeit zu reden.

1) Vgl. über ihn Kruske, Johannes a Lasco und der Sakraments- streit. (Studien zur Geschichte der Theologie und der Kirche, heraus- gegeben von N. Bonwetsch und R. Seeberg. VII. Band. 1. Heft.) Leipzig 1901. Hein, Die Sakramentslehre des Johannes a Lasco. Berlin 1904. Über Kruske vgl. auch Dalton, Lasciana, Neue Folge S, 870—878, und F. Cl. Ebrard, a. a. O. S. 72. Anm. 2.

*) Vgl. Apologeticum scriptum Martini Micronij: quo Ecclesias Orientalis Frisiae, a Joachimo Westphalo, aliisque ei similibus falso traductas, modesté tuetur ac purgat. Responsum item ad quandam eiusdem Westphali epistolam, de ijs rebus scriptam, quae post Angli- carum Ecclesiarum dissipationem, Hamburgi aliisque vicinis locis Anno 1554. acciderunt. Inseruntar hic nonnulla, de Coenae Dominicae negotio, quae legisse pium lectorem haud quaquam poenitebit. Rom. 11. Si Deus naturalibus rami» non pepercit, vide ne qua fiat, ut nec tibi parcat. Anno M.D.LVII. Fol. 36 349. Dalton, Jobannes a Lasco. S. 429 fl. hat diesen Parallelbericht zu der Schilderung Utenhoves nicht gekannt.

*) Ebenda 57—67. Das Glaubensbekenntnis: 58—63.

223

Es mag auffallen, daß Micronius in seinen Sätzen tiber Christus, ehe er dessen Heilsbedeutung nach den Kategorien des dreifachen Amtes würdigt, zunächst die altkirchliche Zweinaturenlehre wiederholt. Maßgebend ist für ihn dabei der Gedanke an die Abendmahlslehre, bei der er still- schweigend die Ubiquitütslehre ablehnt. Von hier aus ver- steht sich die Geflissentlichkeit, mit der er die Aehnlichkeit der menschlichen Natur Christi mit der unsrigen betont: Neque enim propter unionem divinitatis et humanitatis in Christo, divinitas arctatur per humanitatem, aut humanitas per omnia diffunditur propter divinitatem. Sed utraque natura in una persona Christo, suas servat proprietates, quae nulla ratione violari aut confundi debent, An dem Sitze Westphals und in einem libellus supplex schien es nicht angezeigt, ausdrücklich gegen die Ubiquität zu polemisieren. Viel geschickter war es, ihr zum voraus den Boden zu ent- ziehen, indem man andeutete, daD die altkirchliche Zwei- naturenlehre für sie keinen Raum lasse.

In dem Abschnitt über das Abendmahl selbst betont Micronius zunächst, um dem von Westphal gegen alle Gegner der lutherischen Abendmahlslehre immer wieder erhobenen Vorwurf des Zwinglianismus von vornherein zu begegnen, daß das heilige Mahl kein nudum et vulgare signum sei, sondern novum Testamentum in Corpore Christi pro nobis tradito et Sanguine eius pro peccatis nostris effuso. Auch den pauli- nischen Ausdruck der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi gebraucht er dafür. Will er hiernach mit einer rein symbolischen Abendmahlslehre nichts zu schaffen haben, 80 tritt er doch auch nicht auf die Seite der lutherischen Im- panationslehre, wie bereits die Leugnung der Ubiquität er- warten läßt. Sein Lehrer ist vielmehr Bucer, mit dem er die Impanation zurück weist, weil bei ihr aus dem Leib des Herrn eine „Bauchspeise“ werde. Es ist ganz der Gedanken- gang und die Ausdrucksweise Bucers, wenn er schreibt: Non enim ventris cibus in Ecclesia nobis proponitur, sed animae, qui est Christus Jesus, unicus animarum nostrarum ad aeternam salutem per salutarem corporis sui oblationem factus cibus. Quo tam certo ad salutem per fidem pascimur, quam in Coena Dominiea in memoriam mortis ipsius panem fractum edimus et poeulum Dominicum bibimus. Für das Verständnis der Einsetzungsworte beruft sich Micronius auf Paulus, der geschrieben bat: Sooft ihr von diesem Brote esset und aus diesem Kelche trinket, sollt ihr des Herrn ‚Tod verkündigen, bis daß er kommt; und: das Brot, das wir essen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Von hier aus betrachtet, erscheint auch ihm das Mahl des

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Herrn als ein mysterium, und er weist ebenso sehr auf den Trost hin, der darin für die angefochtenen Gewissen ent- halten ist, wie auf die Mahnungen zu einem frommen Wandel, die sich daraus ergeben. Unter allen Arten, das Abendmahl zu verwalten, ist Micronius am meisten mit denen einver- standen, bei denen der Charakter des Mahles recht zur Geltung kommt, und die sich am meisten der Weisung Christi und dem Beispiele der Apostel nähern.

Den Ritus, den er in Norden beobachtete, und den er jedenfalls auch in Frankfurt einführte, hat er selber uns beschrieben!). Er ist ein Auszug aus der Forma ac ratio tota ecolesiastiei ministerii in peregrinorum, potissimum vero germanorum ecclesia, instituta Londini in Anglia. Zum Empfang des Abendmahles versammelten sich die Kommu- nikanten in Abteilungen im Chor. Indem der Pfarrer das Abendmahlsbrot nahm, sprach er laut und deutlich: Das Brot, das wir brechen, ist die Gemeinschaft des Leibes Christi. Dann brach er es, gab jedem der Umstehenden ein Stück mit den Worten: Nehmet, esset, seid eingedenk und glaubet, daß der Leib unseres Herrn Jesu Christi einmal am Stamm des Kreuzes geopfert ist zur wahren, gewissen und vollen Vergebung aller euerer Sünden. (Aecipite, edite, memineritis et credite, corpus Domini nostri Jesu Christi semel in crucis patibulo oblatum esse in veram, certam ac plenam remissionem omnium peccatorum vestrorum.) Beim Ergreifen des Kelches sprach er dann laut: der Kelch der Danksagung, für welchen wir danksagen (Poculum laudis, quo laudes celebramus) ), ist die Gemeinschaft des Blutes Christi. Hierauf gab er die beiden Kelche seinen Nachbarn zur Rechten und Linken mit den Worten: Nehmet, trinket, seid eingedenk und glaubet, daB das Blut unseres Herrn Jesu Christi einmal für euch am Stamm des Kreuzes vergossen ist zur wahren, gewissen und vollen Vergebung aller euerer Sünden. Ausdrücklich nahm Micronius die Schlichtheit dieser Abendmahlsfeier gegen Westphal in Schutz, indem er sich auf Christus selbst berief: Si cui animus est ob huius ritus Coenae Dominicae simpli- eitatem nobiscum contendere, is prius litem Christo intendat.

1) Ebenda 17fl. Seine Liturgie erschien in Emden 1554 unter dem Titel: Christelicke Ordinantien der Nederlandechen Ghemeijnten Christi, die van den Christeliken Prince Co. Edewaert den VL te Londen inghestelt was, Vgl. A. Ebrard, Reformirtes Kirchenbach. Zürich 1817. S. XXIX.

*) Micronius korrigiert. hier, wie bereits bei dem Brot (communio statt participatio), die Vulgata, der (benedictio und benedicimus) Luther gefolgt ist.

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quem huius nostrae sanctae ac venerandae simplicitatis authorem habemus et patronum!).

Zeigen uns die Ausführungen tiber das Abendmahl Micronius als einen Schüler Bucers, so ersehen wir aus den Abschnitten tiber die Taufe und die Obrigkeit, daß er zwischen eich und den Wiedertäufern eine klare und bestimmte Grenze zieht. Ausdrücklich vertritt er das Recht der Kindertaufe, auch wenn er sie nicht mit einem Kinderglauben recht- fertigen will: Paedobaptismum fatemur in Ecclesia habere locum, sed eius interim praeposteram fiduciam improbamus. Im übrigen ist auch hier das „reformierte“ Geprüge unver- kennbar. Zunächst ist bei der Taufe für Micronius nicht der Glaube des Menschen, sondern der Bund, den Gott schließt, das Entscheidende: Baptismum agnoscimus esse signaculum divinae gratiae erga eos omnes, qui testimonio Euangelij communionem babent cum Deo patre et filio et spiritu sancto. Sodann weiß er, ganz ähnlich wie er die ethisch-paränetische Bedeutung des Abendmahls noch in der Spendeformel zum Ausdruck gebracht hat, auch der Taufe in Erinnerung an Röm. 6, 3f. eine Mahnung für das Leben abzugewinnen: Per quem (sc. baptismum) etiam in omni vita nostra mortificationis carnis nostrae et renovationis vitae admonemur. Alle aber- gläubischen Vorstellungen könnten die Bedeutung dieses Sakramentes in seinen Augen nur verdunkeln und werden deshalb von ihm verworfen: Qui nullis humanis superstitio- nibus ad eius mysterii obscurationem contaminari debet.

Die weltliche Obrigkeit erkennt Micronius als göttliche Ordnung und die Uebernahme eines öffentlichen Amtes durch einen Christen für erlaubt an. Nur darf die Obrigkeit nichts anderes sein wollen als Gottes Dienerin. Die Pflicht des Gehorsams aber besteht für den Christen nach dem Beispiel Christi und der Apostel auch einer gottlosen Obrigkeit gegen- über, bis zu der Ap.-Gesch. 5, 29 bezeichneten Grenze. Dem- gemäß verurteilt Micronius jede Pflichtversáumnis gegen den Staat ganz ebenso, wie Aufruhr und Verschwörung. (Magi- stratum agnoscimus esse Dei ordinationem et vocationem sanetam, in qua Christiano fas est versari, duntaxat ut iu ea vocatione se Dei ministrum, non Dominum esse meminerit. Debet autem Christianus quivis Magistratui etiam improbo, tantisper dum contra pietatem nihil mandat, per omnia parere, ad exemplum Christi et Apostolorum; ae proinde damnamus eos omnes, qui magistratum suo fraudant debito aut seditiones contra illum movere ullo modo cogitant.

Im Sommer 1555 folgte Micronius einem Rufe a Luscos

!) Fol. 25,

Archiv für Reformationsgeschichte. XXI. 3 4. 15

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nach Frankfurt, wo er diesen bei der Einrichtung der seit einem halben Jahr hier in der Bildung begriffenen nieder- ländischen Gemeinde unterstützte"). Als er eintraf, tagte in Augsburg der Reichstag, der eine endgültige Eutscheidung in den kirchlichen Fragen treffen sollte. Als Deputierter Frankfurts nahm D. Konrad Humbracht an den Verhand- lungen teil, dessen Instruktion“) dahin lautete: Er solle von der Augsburger Konfession nicht weichen, sondern von Rats wegen bei ihr bleiben und sich nicht davon drängen lassen. Er solle sich auch von den Ständen und namentlich den Städten Augsburger Konfession nicht sondern, aber bündnis- weise sich mit niemand einlassen. In allen wichtigeren Fragen solle er sich vom Rat Weisung erbitten. Der Reichs- tag war noch nicht auseinandergegangen, als die Fremden bereits Ursache hatten, sich bei dem Rate tiber die Kanzel- polemik der Prüdikanten zu beklagen“). Der Abschied aber bot diesen endlich die erwünschte Rechtsgrundlage zu einem wirksamen Vorgehen gegen die Fremden, nachdem der Rat bisher ein Einschreiten abgelehnt hatte, das Reichsrecht mußte auch in Frankfurt maßgebend sein. Am 7. November“) wiesen demgemäß die Prädikanten den Rat darauf hin, daß die strittige Abendmahlsfrage nicht in Frankfurt, sondern nur von den Augsburger Konfessions- Verwandten entschieden werden könne, und daß der Sinn der Abendmahlslehre der Augustana „nicht aus dieser frembden Leuth Glossen, sondern von denen, die solche Confeßion gestelt und vbergeben, und aus derselbigen gelehrten Schrifften vnd Büchern“ entnommen werden dürfe, wobei sie aber nicht auf Melanchthon, sondern auf „Sachsen, Dänemarck, Meissen, Thüringen, Hessen, Wirtem- berg und die Städte des Reiche“ exemplifizierten, also gerade auf solche Städte und Länder, wo man Micronius und seinen Leidensgeführten die Aufnahme verweigert hatte“).

Es war unter diesen Umständen für die Fremden- gemeinden von folgenschwerer Bedeutung, daß gerade damals Micronius im Dienste der Niederländer stand. Denn un- mittelbar durch ihn wurden diese nun in die Polemik West- phals hereingezogen. Als dieser nämlich ungefähr im Herbst seine Streitschrift gegen Calvin unter dem Titel Adversus

1) Er hielt ihr den ersten Gottesdienst am 15. September 1555. Gründliehber Bericht. Cap. I. 8 7. F. R. I. 8. 15.

) Ratschlagungrprotokoll vom 6. Juni 1555. Bl. 91a.

9) F. R. I. Beil. 8 S. 12.

4) F. R. I. Beil. 6. S. 9ff.

5) Vgl. auch den Schluß ihres Schreibens vom 29. Oktober, wo ' gic auf diese Abweisung der Flüchtlinge noch besonders hinwiesen.

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cuiusdam Sacramentarii falsam criminationen iusta defensio veröffentlichte, lenkte er die Aufmerksamkeit nicht nur auf Calvin, sondern auch auf Mieronius, indem er zur allgemeinen Kenntnis brachte, daß dessen in Ostfriesland gebräuchliche Liturgie bei der Distributionsformel die Worte: Das ist mein Leib, ausließ; er redete von Satansdienern, die dem Hate Schwenckfelds folgten“). Es war wohl auch nicht ohne Ab- sicht, daß er als Druckort seiner Schrift gerade Frankfurt wählte, wo Micronius jetzt wirkte. Jedenfalls fingen nun auch die Frankfurter Pfarrer an, den Abendmablsritus der Fremdengemeinden kritisch zu betrachten, und dabei ent- deckten sie, was ihrer Aufmerksamkeit länger als ein Jahr entgangen war, daß nämlich die Liturgie Poullains in diesem Stücke mit der des Micronius vollkommen Übereinstimme. Sie unterließen aucli nicht, den Rat auf diese Tatsache hin- zuweisen und ihm deren Tragweite klarzumachen: Sie „zu- reissen die Wort und Ordnung Christi, und ziehen das Nachtmal vf die blosse Gedachtnüs, was Er mit seinem leiblichen Sterben, und Blutvergiesen vns ausgericht hat, vnd Gnad erworben. darinnen Wir mit Ibm durch den Glauben an Ihn Gemeynschafft haben, geben damit einen öffentlichen Schein, daß sie halten, daß der wahrhafftige Leib und Blut Christi gegenwertig nit da seie, nun ist aber soleher Miß- verstand in diesem Artickel wieder die Augfpurgische auch Sächsische und Wirtenbergische ConfeDion, für kurtzen Jaren im Concilio zu Trient eingelegt, item wieder die Concordien, so D. Bucerus seliger, vnd ander fürnembsten Lehrer des Oberlendischen Kreyß mit D. Luthern seligen vffgericht, vnd in Summa wieder alle vnsere Lehr“ ). Auf den Rat machten

) A concionatore quodam perspectae fidei his diebus ad me per- scriptum est, in Phrisia truncata recitari verba institutionis in Coena Domini, omissa hac parte: Hoc est corpus meum, Hic est sanguis meus novi Testamenti; panem fractum distribui in hane sententiam, prolatam Germanico sermone: Accipite, edite, credite et in memoriam revocate, corpus Domini nostri Jesu Christi in ligno crucis fractum et oblatum esse verum sacrificium pro peccatis vestris. Poculum deinde porrigi, addita hac forma verborum: Accipite et bibite, credite et memores estote, sanguinem Domini nostri Jesu Christi in cruce effusum esse in ablutionem peccatorum vestrorum. Faciunt hoc Satanae ministri secundum consilium Spiritus Swenckfeldii, qui suasit, ut haec verba: Hoc est corpus meum, seponerentur ex oculis. Vgl. das Apo- logéticum scriptum des Micronius S. 6. Der ganze erste Teil dieser Schrift dient der Rechtfertigung der ostfriesischen Gemeinden gegen diese Beschuldigung Westphals.

5) F. R. I. Beil. 5. 8.8. Schreiben an den Rat vom 29. Oktober 1555.

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diese Darlegungen den gewünschten Eindruck. Der Referent strich sich in dem Schreiben der Prädikanten namentlich die Sätze: „lassen also diese wort ... das ist mein leib ... gar außen“, und: „das sie nach der Augfpurgischen Confession lehren, Ihres Irthumbs vom Nachtmal abstehen“, mit Rotstift an'). Will man hiernach eine Persönlichkeit in den Fremden- gemeinden für das Wiederaufleben der Zweifel, die die Pfarrer der Stadt in ihre Rechtgläubigkeit setzten, verantwortlich machen, so wird man Micronius zu nennen haben, und vielleicht war sein früher Abschied von Frankfurt mitverursacht durch den Wunsch, den Gemeinden weitere Ungelegenheiten zu ersparen.

Besser?) hat gemeint, als solche Persönlichkeit a Lasco bezeichnen zu sollen, der bei den strengen Lutheranern als einer der schlimmsten Sakramentierer galt. Indessen war a Lasco Monate lang in Frankfurt, ohne daß die Geistlich- keit der Stadt irgend etwas gegen ihn unternahm. Wenn sie ihm Mißtrauen entgegenbrachte, so lag das daran, daß sie ihn einmal äußern hörten, er habe die Augustana an- genommen, aber nicht die Apologie. Da er als „öberster“ der Fremden auftrat“), so meinten sie daraus für den dog- matischen Standpunkt der Gemeinden folgern zu können, „daß andere Opinion hinter Ihn werden stecken, nach welchen sie die Auglpurgische Confession werden deuten vnd ver- stehen wöllen, und doch derselbigen Deolaration nit gleich- meßig werden seyn.“ Auffallend ist es dagegen, daß sie auf die Auflage des Rates, mit Bezug auf ihr Schreiben vom 5. September specifice auzuzeigen, in was Punkten und Fällen die welschen und englischen Prädikanten mit der Augs- burgischen Konfession sich nicht verglichen und überein- stimmten“), in ihrem Schreiben vom 29. Oktober die soeben auf der Herbstmesse erschienene Forma ac ratio a Lascos heran- zogen, aus der sie den Satz: Nos enim constantissime nega- mus ullos omnino fontes ullius corporalis praesentiae in verbis illis extare®), als im flagranten Widerspruche mit der Augustana stehend festnagelten?). Denn die epistola dedicatoria an

1) Act. ref. I. Bl. 16b und 16b.

3) A. a. O. 8. 40. F. Cl. Ebrard S, 78 ist ihm darin gefolgt.

) F. R. I. Beil.8. S. 5. Schreiben der Prädikanten an den Nat vom 5. September 1555. Vgl. den Brief Brubaohs an Westphal. vom 20. Sept. 1555: Peregrini ..., quorum Lasco Episcopum et superin- tendentem agit. Bei Sillem, Briefsammlung des Hamburgischen Super- iutendenten Joachim Westphal I, 205.

4) F. R. I. Beil. 4. S. 6.

5, A. Kuyper, J. a Lasco Opera II. 25.

© F. R. I. Beil. 5. 8.7.

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den König Sigismund August, der der inkriminierte Satz entnommen ist, trägt das Datum erst des 6. September. Gleichwohl scheint der Inhalt dieses Briefes mit seiner Polemik gegen die Verfasser der beiden Farragines, West- phal und Timann, den Prädikanten nicht erst bekannt ge- worden zu sein, als a Lasco ihnen das gedruckte Werk zustellte. Der Pole hatte nämlich die ersten Bogen bereits in Friesland in Druck gegeben!) sein unerwarteter Auf- bruch nach Frankfurt ermöglichte aber erst hier die Voll- endung. Zwei Drucker der Stadt lehnten den Verlag ab. Der eine, Peter Brubach, der die Beziehungen Hartmann Beyers mit Joachim Westphal vermittelte, erklärte, er habe keine passenden Lettern. Der andere?) suchte keinen solchen Vorwand, sondern zog sich grundsätzlich auf den Stand- punkt zurück, er sei nicht in der Lage, solche Schriften zu drucken, da sie ihm der Sektiererei verdächtig seien®). Wie Brubach sich für verpflichtet hielt, Westphal von diesen Bemühungen a Lascos zu unterrichten, so scheint sein Kollege den Verdacht der Sakramentiererei den Frankfurter Pfarrern alsbald mitgeteilt zu haben, die daraufhin der Herausgabe des Buches mit der Erwartung entgegensahen, daß sie daraus könnten abnehmen, daß andere Opinion hinter ihm werde stecken.

Die Schrift a Lascos enttäuschte diese Erwartung denn auch in keiner Weise. Es war ganz richtig, wenn die Prädikanten ihren Inhalt dahin kennzeichneten: „Ire Sprüche sagen offentlich, das keine leipliche Gegenwartigkeit weder des Leibs noch des Bluts Christi da scie, dann in gemeldem Buch derengleiche Sprüch noch viel mehr gefunden werden, wie sie dann austrücklich darinn wieder die vnsern nemlich die Sexischen Predicanten, dieses stücks halben schreiben *).* Nur waren sie nicht imstande, die Gesamtanschauung

1) A. Kuyper II, 35.

) Vermutlich Christian Egenolff, dessen gleichnamiger Sohn 1558 —1566 Pfarrer in Frankfurt war und sämtliche Eingaben gegen die Fremden mitunterschrieb. Vgl. Ritter, Ev. Denkmal. S, 483.

) Habet iibellum impressum sine principio et sine fine, ut ipse dicebat, cuius unam aut alteram chartam mihi ostendit et petiit a me, at si aequalem et convenientem cbaracterem cum impressis haberem, vellem libro principium et finem addere meis characteribus, Sed negavi me similes typos habere. Egit et cum alio typographo, red is aperte respondit, sibi suspecta esse scripta ejusmodi propter sacramentariorun: doctrinam nec posse nec velle etinm ejusmodi excudere. Brief Bru- bachs an Westpbal vom 19. Juli 1555. Bei Sillem I, 196.

) F. R. I. Beil. 5. S. 7.

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a Lascos zu würdigen, und zogen statt dessen vor, einen aus dem Zusammenhang gerissenen Satz als Popanz zu benützen. Den Streitpunkt bat a Lasco selber darin gefunden, quod in. coenae Dominicae elementis realem, ut vocant, corporis et sanguinis Christi delitescentiam iuxta naturalem ipsius subsistentiam non statuamus!). Würden sie in diesem Punkte ihren Widerspruch aufgeben, so würden sie sofort als hoch- heilig und drei- und vierfach evangelisch und orthodox gelten. Sie haben aber gewichtige Grüude, anf ihrem ablehnenden Standpunkte zu verharren: Quominus in coenae Dominicae elementis, Pane inquam et Vino, realem illam, ut vocant, eorporis et sanguinis Christi delitescentiam iuxta naturalem eorum subsistentiam statuamus, eas adferimus causas, quod doetrina haee eum mente totius scripturae pugnet neque fidei analogiae respondeat, cum catholicae item Ecclesiae consensu non consistat ef citra Christi Domini contumeliam retineri non possit?) Nicht einmal ein Kolloquium über die Abendmahlsfrage wollen die Gegner zulassen, und doch hat hierüber nur ein Kolloquium bisher stattgefunden, das zu Marburg 1529, mit dessen fünfzehnten Artikel sich a Lasco völlig einverstanden erklärt, weil er eine größere Be- deutung besitzt, als die Schriften irgend eines einzelnen“). Auch den zehnten Artikel der Augustana de coena Domini docent, quod eum Pane et Vino vere exhibeantur corpus et sanguis Christi vescentibus in coena Domini nimmt a Lasco ausschließlich für sich in Anspruch und bestreitet Westphal das Recht, sich auf ihn zu berufen: Cum enim eadem ipsa confessio, ubi de Sacramentorum usu loquitur, disertis verbis testetur, nos eam gratiam, quam Sacramenta significant, fide ipsa percipere, eadem sane opera, fidei nostrae duntaxat illam offerri atque exhiberi fatetur, und darum ist es nach wie vor sein Bekenntnis: Nos enim id semper professi sumus atque etiamnum profitemur, fideles omnes, dum coenae elementis participant iuxta Christi in- stitutionem, simul quoque vere ad salutem aeternam communicare vero etiam corpori et sanguini Christi*). Dem- gegenüber steht für ibn die neue Art von Deliteszenz des Leibes Christi beim Abendmahl, wie sie Westphal vertritt, auf einer Stufe mit der papistischen Transsubstantiation, und er meint, wenn Westphal und seine Gesinnungsgenossen cin neues Dogma aufbrächten, so sei es ihre Aufgabe, zu- nächst dessen Richtigkeit zu erweisen, ehe sie diejenigen bekämpften, die es nblehnten. Daran aber hätten es jene

1) A. Kuyper, II, 14. *) Ibid. 15. 3) Ibid. 17. 4) Ibid. 19.

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noch immer fehlen lassen. Nos enim constantissime negamus ullos omnino fontes corporalis ullius praesentiae in verbis illis extare, nedum ut ex illis vel papistica transsubstantiatio vel Catonum istorum delitescentia cum corporali, quam statuunt, manducatione colligi ullo modo possit. Atque pro- ferunt quidem aliquas verborum illorum coenae interpretationes, sed quae neque sunt nudae ao simplices, quales alioqui haberi oportere clamant, et sunt praeterea scripturis insuetae plane- que coaetae pugnantes praeterea cum fidei analogia, ef quae unanimi scripturae consensu approbari non possunt. Hie igitur sistant paulisper gradum Catones nostri et hine se explicent, priusquam alia attingant!).

Trug die Forma ac Ratio a Lascos samt der epistola dedicatoria den Charakter einer Privatschrift, sofern ihr Ver- fasser hier den für seine Rückkehr nach Polen notwendigen“) Nachweis seiner Uebereinstimmung mit der Augustana zu erbringen suchte, so bot sich ihm bald Gelegenheit, auch den Frankfurter Fremdengemeinden den gleichen Dienst zu leisten. Auf die Angriffe nämlich, die er in der epistola gegen Westphal gerichtet hatte, antwortete dieser im März 1556 mit seiner Defensio adversus insignia mendacia Jo. a Lasco, und da der Fremden „fürnemster patron Joannes Calvinus“ $) erst jüngst seine Evangelienharmonie dem Frankfurter Rate gewidmet hatte, so widmete nun auch er seine Schrift den Frankfurter Stadtvütern, wobei er nicht unterließ, sie an den Brief Luthers vom Jahre 1533 zu erinnern“). Durch solche Bundesgenossenschaft gestärkt, beeilten sich nun die Frankfurter Pfarrer, am 19. Mürz") und am 9. April 1556) auf die Abweichungen der Fremden von der Augustana er- neut hinzuweisen; an eine Milderung der Gegensätze sei Dicht zu denken, da nun auch Calvin in seinem soeben aus- gegangenen Buche heftig suche, solche irrige Opinion zu verteidigen. Geltner fand es außerdem noch angemessen, die Angelegenheit Anfang Mai auf der Kanzel vor die Ge- meinde zu bringen?) Die Prädikanten fühlten sich zu ihrem Vorgehen umsomehr gedrungen, als Ritter von einem vor zwei Jahren aus England herübergekommenen Spanier eben

1) Ibid. 25. *) A. Kuyper, II, 12—14.

3) So nennen ihn die Prádikanten in ihrem Schreiben an den Rat vom 9. April 1556. Act. ref. I Bl. 82— 83.

) Greve, Memoria Joach. Westphali Superint. Hamb. instaurata. Hamburg und Leipzig 1749. S. 140ff.

5 F. R. I. Beil. 12. S. 26—99.

^) Act. ref. I. Blatt 82—83.

*) Ratschl. vom 11. Mai 1556. Ebda. Blatt 92—94.

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jetzt 1556 auf besondere Erkundigung nach der dogmatischen Stellung a Lascos in England erfuhr: ab eo Bucerum usque ad mortem dissensisse. Diese Erklärung, daß er sich nicht auf die Autorität Bucers berufen könne, gab den Invektiven Westphals erst ihr Gewicht und machte den Polen als Sakramentierer verdüchtig!). Der Rat seinerseits stellte die Beschwerden seiner Prädikanten den Fremdengemeinden zur Aeußerung zu?) und diese übertrugen die Antwort a Lasco, der sich seiner Aufgabe am 12. Mai) entledigte. Er bezog sich dabei auf die Erklärung, die er bereits am 27. Februar“) in einer langen Verteidigungsschriff namens der Gemeinden abgegeben hatte: Quia verba ipsa Augustanae Confessionis Cap. 10 & 13 cum Verbi divini regula consentire credimus, ideo una cum illa de Christi Domini in Coena sua prae- sentia sentimus et profitemur: quod cum pane et vino vere exhibeantur corpus ef sanguis Christi vescentibus in Coena Domini, qui videlicet fide accipiunt promissam gratiam, quam Sacramenta significant, et Spiritum Sanctum. Dabei konnte er sich nicht versagen hinzuzufügen: Aus der Tatsache, daß diese mit den eigenen Worten der Augustana abgegebene Erklärung den Prädikanten nicht gentige, erhelle, non tam de Confessionis Augustanae doctrina hic agi, quam de novis potius quibusdam dicendi formulis, quarum nos alioqui neque exempla neque fontes ullos in Scripturis extare et a recepto praetera etiam usu grammatico alienas esse videmus. Gleich- wohl ließ er sich die Mühe nicht verdrieBen, in Anlehnung an die Augustana eine neue, ausführlichere Erklärung zu formulieren: Credimus et profitemur palam, quod Christus Dominus, verus alioqui Deus pariter atque homo, vere etiam atque essentialiter nobis in Coena sua praesens adsit una eum Patre suo ef Spiritu Sancto, ac sese nobis ipsumque adeo corpus suum pro nobis in mortem traditum ac sanguinem suum item pro nobis fusum in cibum vitae aeternae vere ac efficaciter ad nostram salutem exhibeat, una cum pane et poeulo coenae; hoc est, dum pani et poculo Coenae parti- cipamus, non autem in pane, neque sub pane, neque per panem Ministri manibus apprehendendum, videlicet sola fide,

1) F. R. II. Beil. 7. S. 18. Wenn Ritter sich erst anno 1556, quum Joannes a Lasco ad nos profectus novas turbas excitabat, ver- anlaßt fand, den Spanier de hoc eodem zu befragen, so kann nicht die Ankunft a Lascos im Mai 1555 den Anstoß zu dem Vorgehen der Prüdikanten gebildet haben.

2) Am 9. April 1556. Act. ref. I. Blatt 84.

3) Kuyper II, 719 sq. F. R. I. Beil. 18. S. 29.

*) F. R. I. Beil. 11. 8. 22.

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qua in coelum usque subveoti, Spiritu Sancto autore, ad locum alioqui verae nostrae cum Christo conversationis praesentes, illio praesente etiam Christo Domino corporeque ao sanguine suo vere reficimur ad vitam aeternam.

Dieselben Gedanken trug a Lasco dann in seiner Purgatio!) vor, die er von den Pfarrern der drei Fremden- gemeinden unterschreiben und am 3. September 1556*) dem Rate übergeben ließ.

Das Verfahren, dessen sich die Prüdikanten in ihrem Sehreiben vom 29. Oktober 1555 bedient hatten, kenn- zeichnete er hier mit den Worten: Cum aliter nostra refu- tare non possint, ab Augustana nos Confessione dissentire vociferantur ... quod, dum omnes, qui cum Aug. Confessione non faciunt, a foedere Imperii excludi audiunt, lanienae nos tyrannorum exponi cupiant, praetextu eius dissensionis, cuius nomine nos accusant (180). Ohne weiteres gab er zu, daß die Gemeinden in folgenden Punkten von den Frankfurter Pfarrern abwichen: quod Christi D. corpus (iuxta naturalem ipsius substantiam) neque in pane coenae re ipsa dz eidovg, ut Pauli verbis utamur, delitescere, neque item in immen- sum expandi ef ubique esse, praefera neque ore carnali ab impiis perinde atque a piis in coena Domini sumi agnoscere velimus (176 f.). Aber entschieden stellte er in Abrede, daß hierin auch eine Abweichung von der Augustana liege. Es komme, so betonte er, nicht auf neue Auslegungen, sondern auf den eigenen Sinn dieser Bekenntnisschrift an, den man am besten von ihrem Verfasser Melanchthon erfahre, meliora profecto nobis de tanto viro pollicemur, atque etiam persuademus, quam uf in tali potissimum scripto aliud scrip- serit, aliud xero senserit, cum verba ipsa Confessionis per- spioua esse constet, et vir ille hoc in primis dono aliis ante- cellat, quod omnia clare, perspicue ac simpliciter tractet (195). Es hieBe das richtige Verfahren in sein Gegenteil verkehren, wollte man die Augustana an den Anschauungen ihrer neuen Ausleger und nicht vielmehr diese an ihr messen: postea-

1) Purgatio Ministrorum in Ecclesiis Peregrin. Francofurti, ad- versus eorum calumnias, qui ipsorum doctrinam de Christi Domini in Coena sus praesentia dissensionis accusant ab Augustana Confessione. Manuskript: Act. ref. I. Bl. 118—126. Mit Vorrede der Pfarrer der Frankfurter Fremdengemeinden vom 21. Oktober 1556 (dem Tag der Abreise a Lascos) in Basel bei Johannes Oporinus gedruckt, nachdem der Bat am 3. September die Drucklegung in Frankfurt verboten hatte. Act. ref. I. Bl. 127. F. R. II. Beil. 17. S. 167—214, hiernach zitiere ich. A. Kayper I, 249—209,

N Nicht am 28. Sept., wie Kruske S. 121 angibt.

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quam Confessio ipsa ab ipso alioqui autore recognita, om- nium Imperii ordinum autoritate (ut iam edita habetur) approbata, ae publ. etiam foedere sancita est: non equidem illam ex reliquorum autorum sententia ac interpretatione (cuius aliqu; fontes in ipsa Confessione nusquam extent), sed autorum potius illorum omnium sententiam atque inter- pretationem ex Confessione ipsa eiusque doctrina metiri atque aestim re oportebit (195 f.). Sollte aber die Augustana durch sich selbst erklärt werden, so hieß das nacb a Lasco für das Ver tändnis ihrer Abendinahlslehre, daß man den zehnten Artikel durch den dreizehnten auslege, der bei der Feier der S: ramente so eindringlich den Glauben betonte: Sacramenta .ustituta esse, non modo uf sint notae professionis inter homine. sed multo magis ut sint signa et testimonia voluntatis De1 erga nos, proposita ad excitandam et confir- mandam fidei i: his, qui utuntur eis. Itaque utendum est sacramentis ita, ut accedat fides, quae credat promissionibus, quae per sacr m.nta exhibentur et ostenduntur. Hae fide accipimus pro issam gratiam, quam sacramenta significant, et spiritum sanctam. In beiden Artikeln fand nun a Lasco folgende Sätze enthalten (181 f.):

I. Quod in coena Domini cum pane et vino exhibeantur corpus et sangu s Christi Domini, idque vere, convivis ipsius.

II. Quod, emadmodum reliqua sacramenta omnia, ita et coena Domi. i sit instituta, non modo ut sit signum pro- fessionis nostrae invicem, sed multo magis, ut sit signum et testimonium volu.tatis divinae erga nos in Christo.

III. Quod o na Domini, quemadmodum alia quoque sacramenta, idco it instituta, ut excitet et confirmet fidem in his, qui illa utu. tur. Itaque in usu coenae debere acce- dere fidem omnino.

IV. Fide, ut in aliis sacramentis, ita et in coena D. accipi gratiam, q illie significatur, et spiritum sanctum.

V. Quod doctr a eorum pro Pharisaica sit habenda, qui fidem in usu sa ramentorum non requiri docent: id quod in Papistis damnatur

Mit diesen Sit en konnte sich a Lasco durchaus ein- verstanden erklären Nur den ersten fand er einer nüheren Erläuterung bedürfti und er gab sie, den vier Jetzten ent- sprechend, in folgend r Weise: Cum enim illie (sc. im 13. Ar- tikel) doceatur, fidem in usu sacramentorum requiri omnino, damnefurque eorum octrina diserte, qui illam non requi- runf, et doceatur pra terea, fide ipsa percipi gratiam, quae sacramentis significat: ostenditur et exhibetur, fides autem nostra nihil hie in ter s ntueatur sed ad süae conversationis

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locum autore spiritu sancto subvecta, illie salutarem illum corporis et sanguinis Christi cibum ac potum qu erat, intu- eatur et apprehendat in vitae aeternae alimoniam sub ipso coenae usu, perspicuum est iuxta ipsam August. Confessionis doctrinam, corporis et sanguinis Christi pabulum in coenae usu ibi nobis exhiberi, ubi Christum ipsum animis nostris per fidem spiritu sancto autore subvectis quaerimus, intu- emur et apprehendimus. Non autem hacrend: m esse in terrenis coenae elementis, pane scilicet et vino ubi mens nostra sursum evecta nihil quod ad coeleste alioqu pabulum pertineat, quaerit, intuetur aut apprehendit (192f)!). Gegen die Berufung der Prüdikanten auf die Apologie machte er sodann zwar geltend, daß dieser keine auto tative Be- deutung zukomme, obgleich auch sie von Melan hthon ver- faßt sei (197), aber -dieses formale Bedenken hie * ihn nicht ab, auch seine Uebereinstimmung mit ihr zu b zeugen. Er griff zu diesem Zwecke auf die Sätze zurück, die sie in ihrem 4. Artikel (de Ecclesia) über den 10. Artikel der Augustana brachte“), und faßte deren Inhalt in folgenden Thesen zusammen (201 f.):

I. Praeterquam quod in Confessione ipsa dictum est, corpus Christi et sanguinem vere adesse et exhi 'eri in coena Domini cum pane et vino convivis coenae: hie eiam additur: substantialiter.

II. Quod in Confessione dictum est: Vescentibus in coena Domini, hie dieitur: His, qui sacramentum accipiunt.

III. Corporalem Christi in eoena sna praesentiam agnosci a Romana et Graeca Ecclesia, testimouio Graeci Canonis et Cyrilli, euius verba recitantur.

Iv. Quod vivi Christi et corporis et sanguinis sui prae- sentia atque exhibitio in coena D. statuatur. Mors enim non amplius illi dominatur.

Mit dem substantialiter glaubte a Lasco sich ein- verstanden erklären zu können. Aber er versah es mit der Einschränkung: modo ne usus coenae terra duntaxat eius- que elementis alligetur. Und indem er au.h hier mit aller Entschiedenheit das Sursum corda zur Geltung brachte, folgerte er: Nihil igitur et hoc loco facit A ologia ad appro- bandam eontroversam nobis illam cum n stris accusatoribus

1) Das Manuskript hat hierfür: Non aut m ibi (nempe in ipso panis aut poculi alimento), ubi mens nostra, a 10 iam alioqui subvecta per fidem, nihil neque quaerit, intuetur aut app ehendit. Kuy per I, 257 !.

2) J T. Müller-Kolde, Dio symbolischen Bücher der ev.-luth. Kirche. 10. Aufl. (1907) S. 164.

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Jelitescentiam in terrenis elementis, deiude etiam ubi- queitatem ac oris carnalis sine fide manducationem corporis et sanguinis Christi naturalis (202). Wie hier, so ging er auch bei dem zweiten Stücke zum Angriffe über, wo er bei dem Sakramente ein signum externum ac visibile von einem invisibile mysterium unterschied und hiernach den Stand- punkt der Prüdikanten für unvereinbar mit der Apologie erklürte: Quatenus enim in coenae usu his duntaxat verum corpus et sanguis Christi exhibentur cum pane ef vino, qui sacramentum accipiunt, quod re et terrena pariter et coelesti constat, et, quod coeleste est, non nisi spiritu sancto autore per fidem percipi potest, perspicuum est non magis ab impiis ac infidelibus mysteriorum contemptoribus sacramentum ipsum percipi, quam percipiatur fides ipsa et spiritus sanctus, nedum et ore carnali id, quod est coeleste, sine fide ac proinde corpus ipsum Christi percipi possit, nisi accusatores nostri eorpus ef sanguinem Christi rem adhue coelestem esse ne- gant (203 f.). Die corporalis praesentia hatte a Lasco nie bestritten, aber bei ihr denselben Vorbehalt gemacht wie bei dem corporaliter. Aber er liebte diesen Ausdruck nicht: Ab hae loquendi formula libenter abstinuimus, ne contro- versam illam in terrenis elementis corporis et sanguinis Christi delitescentiam agnoscere ullo modo videri possemus, a qua modis plane omnibus abhorremus (S. 204). Die Gegenwart des lebendigen Christus im Abendmahl endlich war auch jederzeit von a Lasco anerkannt worden, aber gleichfalls mit dem Bemerken: fide percipiendum ... non sane in terris terrenisve elementis, sed in loco nostrae per fidem conversationis. Die Prädikanten dagegen schienen sich ihm mit ihrer Lehre de oris carnalis sine fide corporis Christi manducatione hier selber ins Unrecht zu setzen. Nam spiritum Christi Domini ac coelestem praeterea gloriam, in qua est assumptus, a corpore ipsius divellere, aliud nihil est, quam morti rursus Christum ipsum subiicere velle. Quod equidem accusatores nostri faciunt, quatenus Christi Domini corpus ab impiis omni gloria coelesti spirituque suo vivifico destitutum sine fide edi docent (204 f.).

Auch diese Ausführungen a Lascos gehören dem Unions- protestantismus des 16. Jahrhunderts an. Doctrinae con- sensum modis omnibus urgemus, hatte er bereits vor mehr als einem Jahrzehnt geschrieben!), und dieses Drängen auf Uebereinstimmung in der Lebre war in der Tat nichts anderes als das „Bemühen, auf dem Boden einer zu Bucer und Calvin

1) Brief vom 31. August 1544 an Conrad Pellican. Bei Kuyper II, 584.

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hinneigenden Sakramentslehre einen Ausgleich zwischen der zwinglischen und lutherischen Partei herbeizuführen“ !). Bacer ist auch ihm ein Führer zur Klärung und Vertiefung gewesen. Ueber die Abendmahlsfrage hat er mit ihm korre- spondiert?), um sich mit ihm zu verständigen, nötigenfalls auch sich von ihm berichtigen zu lassen. Nur in der Terminologie meinte er von ihm abzuweichen. Was hei Bucer ein dari et pereipi der communio corporis et sanguinis Christi hieB, das nannte er ein obsignari der communio in coena. Und wenn jener betonte, daB der Leib des Herrn nicht als „hinfällige Bauchspeise“ gegeben werde, so lautete das Echo bei diesem: animae duntaxat cibus est Diesen Grundzug Bucerscher Prügung hat a Lascos Abendmahls. lehre auch nicht verwischen lassen, als die Einflüsse Calvins bei ihm zu überwiegen anfingen. Doch trat jener neben diesem in der Frankfurter Zeit merklich zurück. Auf das Verlangen des Rates, die Gemeinden sollten sich über ihre Stellung zu der Buceriana äußern, antwortete a Lasco am 27. Februar 1556 ausweichend?): sie enthalte unleugbar viel treffliche und christliche Gedanken, aber man wolle lieber das Gedächtnis dieses ehrwürdigen (sanctissimi) Mannes in Ehren halten, als an seinen Schriften Kritik üben; doch sei man, falls der Rat darauf bestehe, bereit, die gewünschte Aeußerung über die Frankfurter Konkordie abzugeben. Indessen hob er Schon jetzt hervor, worin er mit ihr einverstanden war: Buceri Concordia in istis hic Ecclesiis observata diserte

2) Hein S. 60,

1) Brief au Bucer vom 28. Juni 1545, Bei Kuyper II, 591 f. Vgl. dazu Hein S, 78.

*) F. R. I, Beil. 11. S, 22f. Nicht berücksichtigt von Hein. Kruskes Satz (a. a. O. S. 118): „Sie lehnten die Unterschrift der Kon- kordia ab“, ist falsch, Poullain hatte bei mehreren Artikeln Bedenken und wandte sich deshalb an Calvin, der indessen weniger üngstlich war und ibm zurückschrieb: Formam Consensionis a Bucero compo- sitam legi, quam excepto uno et altero capite pacis causa amplecti non dubitarem. Nur bei dem 5. Artikel war auch er der Meinung, daß eine genauere Erläuterung zu ihm alle übrigen Bedenken zer- streuen werde“. Brief vom 8, März 1550, Calv. Opp. XVI, 64. Vgl. dazu auch XIII, 489. Daß er bei dieser entgegenkommenden Haltung allerdings keineswegs mit den Formulierungen der Buceriana ein- verstanden war, erfuhr man in Frankfurt, als er im September 1556 selber kam, Calvinus... eandem Buceri concordiam unica ironia sua iugulavit, inquiens: in hoe scripto Bucerus, studio concordiae, omnia coufudit. (Antwort Matthias Ritters auf den Brief von D. Pappus vom 22. Dezember 1581, F. R. II. Beil. 7. S. 18.)

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omittendam esse docet omnem de ubiqueitate disputationem ... Corporali vero atque essentiali auf reali corporis Christi in pane aut sub pane delitescentiae et per manus Ministri porrectioni . .. Buceri Confessio reclamat. Und ausdrücklich berief er sich auf die Worte im neunten Paragraphen der Buceriana: sola mens subvecta fide, cernit et apprehendit (sc. Dominum); damit lehre sie zugleich: impios, qui nullam habent fidem, neque cernere neque apprehendere aut perci- pere Christum Dominum gratiamve, quam Sacramenta signi-. fieant, nedum ut ullam corporis Christi (ore carnali) mandu- eationem agnoscant (sc. die Buceriuna und die Augustana). Auch die gewünschte Erklärung über seine Stellung zu der ganzen Bucerschen Konkordie hat er noch vor seiner Ab- reise abgegeben und sie veröffentlichen wollen?) Leider ist sie nicht auf uns gekommen, so daß wir das Verhältnis seiner Abendmahlslehre zu derjenigen Bucers im einzelnen nicht mehr feststellen können. Formell läßt sich nur im allgemeinen sagen: Was ihm fehlte, war der vorsichtige, irenische Ton, der bei Bucer auch dann noch anklingt, wo er angegrilfen wird, a Lasco handelte nach dem Grund- satz, dab der Angriff die beste Verteidigung ist. Für das sachliche Verhältnis aber müssen wir uns an der Angabe genügen lassen, die sich Matthias Ritter 1556 von jenem Spanier, der aus England nach Frankfurt kam, machen ließ: Bucer sei bis zu scinem Tode in der Abendmahlsírage anderer Ansicht gewesen als a Lasco“).

Gerade die aggressive Haltung, die a Lasco in der Purgatio einnabm, drohte den Gemeinden verhängnisvoll zu werden, Es war nahe daran, daß ein Ratsbeschluß zustande kam: die Erklärung, welche sie bei ihrer Aufnahme ab- gegeben hätten, treffe nicht zu“). Auch untereinander seien sie in der Konfession nicht durchweg einig. Wollten sie

1) Das Bürgermeisterbuch vermerkt am 20. Oktober 1556: „Als Herr Lasco ein Antwort vf die fürgehaltene Concordi so etwan Martin Bucer zwischen den hieigen Predicanten vffgericht, gestellt vnd gebetten, dieselbe alhie 'n Truck kommen zulassen, soll man Ihme sein begeren vnd suchen füglich abschlagen.“ Act. ref. I. Bl. 130 Rückseite.

) Vgl. die Antwort Ritters auf den Brief des D. Pappus vom 22, Dezember 1584. F. k II. Beil. 7. S. 19: Venit ad nos ex Anglia Anno 1554. Hispanus quidam Jacobus Crucius, qui antea in quadain Indiae civitate Episcopum egerat. Is postea auno 1556. quum Joannes a Lasco ad nos profectus uovas turbas excitabat, mihi de hoc eodem interroganti, dixit ab cu Bucerum usque ad mortem dissensisse.

) Das bezog s:ch offenbar auf die Diskrepanz zwischen a Lasco nnd Bucer.

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sich in ihren Predigten und Kirchengebräuchen nicht nach der Augustana richten, wie dieselbe von den Stadtpfarrern nun so viele Jahre gelehrt und von den sämtlichen Reichs- ständen öffentlich bekannt worden sei, so könne sie der Rat nicht länger in der Stadt dulden).

1) Ratschlagung vom 21. Oktober 1556. Act. ref. I. Bl. 182—183. Am folgenden Tage wurde aber „beschlossen, dz man solch wichtigen Handel noch einmal oder zweymal bedencken, auch deß Herrn Philippi Melanchthonis schrifft, so Er in Truck geben wirdt, erwarten soll“. Ebda. Bl. 188. Welche Schrift Melanchthons hierbei gemeint war, ist mir aus K. Hartfelder, Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae (1889) S. 618f. nicht ersichtlich geworden.

Aus dem Nachlaß Esrom Rudingers. Von Otto Clemen.

Die im folgenden abgedruckten vier Schriftstücke aus dem Nachlaß Esrom Rudingers!, die unter den Signaturen PX5, 112, PX3 und PX4 in die Handschriftenabteilung der Zwickauer Ratsschulbibliothek gehören, wurden seit langem vermift und sind erst vor kurzem wieder gefunden und wieder eingeordnet worden. Sie sind z. T. inhaltlich weniger wichtig, aber schon als Autographen wertvoll.

Den Anfang macht einBrief vonJoachimCamerarius, datiert: Leipzig, 12. August. Die Jahreszahl 1565 ergibt sich aus dem Anfang, da in diesem Jahre zum ersten Male neben Leipziger Universitütsprofessoren zwei Wittenberger: Peucer und Cruciger als Visitatoren der Fürstenschule in Grimma (am 28. August) erschienen?) Oktober 1557 hatte Rudinger, nachdem er seit Oktober 1549 das Zwickauer Gymnasium geleitet, die Professur für Physik an der Witten- berger Universität übernommen. Was für Sorgen ihn da- mals quälten und was für Anfeindungen er erleiden mußte, wissen wir nicht. Vielleicht wurde er, wie schon vordem in Zwickau, wegen seiner Ansicht von der Notwendigkeit der guten Werke, oder auch wegen seiner Abendmahls- auffassung als Philippist und Kryptokalvinist bekämpft.

ı) Vgl. über ihn RE? 17, 191 fl. und Nik. Müller, Philipp Melanchthons letzte Lebenstage, Heimgang und Bestattung, Leipzig 1910, S, 100ff. Vgl. noch: In nuptias ... Pauli Masci ac Mariae Esromi Rudingeri filiae carmina dedicata ab amicis. Lipsiae 1548 (Zw. R. S. B. 9. 5. 8,,) u. Memoriae... Esromi Rudingeri versus epitapbii consecrati ab amicis itemque coniugis eiusdem Annae Wesenecciae, Quibus adiecta est epistola covyraguotoc) Gregorij Bersmani Dei beneficio viventis adhuc et valentig . . . Servestae 1591 (Zw. R. S. B. 48. 6. 1,,; Bersmann Gödeke, Grundriß II? 108, 188 damals Gymnasialrektor in Zerbst).

5) Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte 7, 220.

341

| Daran schließt sich ein Brief des Camerarius an den Wittenberger Jurisprudenzprofessor Joh. Limmer aus Lützen!) datiert: Leipzig, 13. August, also wieder ohne Jahreszahl, aber gewiß im Zusammenhang mit dem 1. Brief 1565 geschrieben und diesem beigelegt, aber von Rudinger nieht dem Adressateı. zugestellt. Camerarius dankt Limmer, daß er Rudinger versprochen, sich seiner anzunehmen.

Der 3. Brief, wieder an Rudinger, ist einfach unter- schrieben: T(uus] Paulus, aber sicher von Paul Eber, an dessen Stelle jener Oktober 1557 getreten war. Ohne Datum. Eine ungefähre Datierung ergibt sich aus der Stelle: ,redeuntes pueri mei e lectione". Ebers ältester Sohn Paul wurde am 22. November 1542 geboren, mit zehn Jahren aus dem Elternhause getan und dem Leipziger Mathemathikprofessor Johann Hommel übergeben, bald aber, weil krünkelnd, nach Wittenberg zurückgeholt. Der zweite Sohn Johann ward am 4. Juli 1550 geboren und mit zwölf Jahren auf die Schule nach Freiberg, dunn nach Pforta ge. bracht?). 1562 ist also terminus ad quem. 1558 konnte letzterer schon und ersterer noch in Wittenberg zur Schule gehen.

Am interessantesten ist das 4. Schriftstück, eine Rudinger gewidmete Psalmübertragung von Theodor Beza. Leider wieder undatiert. Terminus a quo ist (vrl. die Adresse!) der 22. Januar 1570, an welchem Tage Rudinger als Nach- folger Veit Oertels von Windsheim als Professor der griechischen Sprache in Wittenberg bestätigt wurde, terminus ad quem der 29. September 1574, an dem R., als Krypto- kalvinist verfolgt, Wittenberg und Kursachsen den Rücken kehrte. Bei dieser „secessio“ nahm Rudinger nur mit „psalmorum versionem D. Martini Lutheri Germanicam et paraphrasin horum Gallicam“. Ueber letztere spricht er sich folgendermaßen aus: „Valde placebat mihi Gallica paraphrasis, modorum etiam illecebris capto, sed propter sententiae diser- fam et planam expositionem multo magis, cum, qui legit aut accinit, et statim et prorsus intelligat, quid dicatur.. .°)“.

1) Syntagma epitaphiorum, quae in inclyta septemviratus Saxonici metropoli Witeberga diversis in locis splendide bonorificeque erecta conspiciuntur ... autore Balthasare Mentzio, Magdeburgi 1604, lib. I (Schloßkirche), p. 119. W. Friedensburg, Gesch. der Universität Wittenberg, Halle a. S. 1917, S. 316. 436.

3) G. Buchwald, D. Paul Eber, Leipzig 1897, S. 168 fl.

3) Libri psalmorum paraphrasis Latina. Excepta omnia e scholis Esromi Rudingeri in ludo literario fratrum Boemicorum Euanzizii in Moravis (Eibenchitz) et nunc primum edita. Operis pars prima (1580), Vorrede vom 4. Februar 1579, fol. a 3a.

Arehiv für Reformationsgeschichte. XXI. 8.4. 16

242

Es muß also eine Ausgabe mit Melodien gewesen rein, und das macht mir wahrscheinlich, daß Rudinger damals nicht eine Ausgabe von Clement Marots Psalmtibersetzung, sondern die 1542 erschienene 1. Genfer Kirchenagende oder die Straßburger Agende von diesem Jahre bei sich gehabt hat!). Höchst wahrscheinlich hatte er sich schon längere Zeit mit der reformierten Psalmübertragungsarbeit beschäftigt und war dadurch auch mit Théodore de Beze in Verbindung getreten. Die Uebertragung des 63. Psalms, die dieser ibm wohl als Trost in den Anfeindungen, die er als Krypto- kalvinist erfuhr, zusandte, fehlt in der 3. Ausgabe der Poémata Bezas, Paris 1576°).

I.

S.D. Mittuntur litterae de negotio mandato nostris et uestris communiter inspiciendi illustriss[imos] ludos ad el[arissimum] . V(irum] Dlominum] Casparem Peucerum. Itinera ista iam minus iucunda esse incipiunt propter passim grassantes contagiones pestilentes. Apud nos malum nondum saeuum est, Christo gratia. Periculum tamen nequaquam obscurum, sed ante oculos propositum. Quibus temporibus perfugium aliud nisi piarum precum relinqui Scimus nullum. megl r raç’ but alij aliter. De tuis curis quaedam nuper quasi per nebulam audiuimus, ut ait Plautus*). Atque ob tales nugas tantum dolorem te cepisse grauiter tuli tibique suecensui. Sane mihi sunt nota óvoza9 fua rddy. Sed his neque tu indulgere. debes neque ego uelim patrocinari. Contemnes igitur istas uel maleuolorum futiles aggressiones uel petulantum stolidas ineptias. Ita etiam praeelarissime uleiscere inimicos tuos atque maleuolos. Hio hilaritates nuptiarum indicuntür. Scilicet idem statuunt, quod Theognis*) censet: &' elvat xal Ausıyov sÜggova Svuàv Éxovrag vócqu utguuváoy eDqoooívog Ouyew Teorcouévovs. Quo respeximus nos, cum hic nuper quaedam proponenda

1) Ph. Aug. Becker, Clement Marots Psalmübersetzung, Leipsig 1921 (== Berichte über die Verhandlungen der Sächs. Akademie der Wissenschaften Philol.-hist. Kl. 72. Bd. 1. Heft) S. 18.

*) Theodori Bezae poemata. Psalmi Davidici XXX. Sylvae. Elegiae. Epigrammata ... Omnia in hac tertia editione partim recog- nita partim locupletata (Unterer Rand des Titelblatts in dem Zwickauer Ex. 25. 7. 4 mit einer handschriftl. Widmung leider abgeschnitten). Die 80 von Beza übertragenen Psalmen sind der 1.—4.. 6., 18., 15., 18., 19., 22.—24., 84., 86, 37., 51., 52., 75., 82., 92., 104., 195., 128., 130., 133., 136.—188., 148., 150.

3) Capt. 1093, *) 765 sqq.

243

essent, ut uidere poteris, nam chartam mittendam tibi putamus. Mei omnes te et tuam domum totam salutant. Vale cum tuis uniuersis xai ebe. plov Ouíyuv èv edeoroi pily j r colo dàyauéuvovog!) Iterum vale lips. XII. die M. Sextil. Joach. Camer. Adresse: Optimo artium Magistro Esromo Rudingero genero S.

II.

S. D. Esromus genér meus mihi nuper dixit te sibi omnia officia summae necessitudinis humaniss[ime] obtulisse. Ago tibi gratias, mi Limere, cum non dubites meos compleoti beneuolentia tua. Esromum quidem amo non modo, quia eum eo collocata est filia mea et huius iam opera auus sum, sed quoniam in illo perspexi studium eximium pietatis et opt[imarum] artium et humanitatem, uirtutem, fidem expertus sum. Ac confido, si quid huic officij praestiteris, futurum, ut neutiquam te quasi impendij huius poeniteat, ac potius ut fructum aliquem percipias de memoria et studio ipsius. A me uero etiam tibi eam repromitto gratiam, quae haberi et referri max[ima] poterit meritis tuis. De qua quamuis opinionem praeclaram conceperis, annitar, ne fallam expecta- tionem tuam. Seripsi haec festinanter, Arbitror istic pastorem esse, notum aliquando mihi hominem (?)*) meum opt. Jo. Textorem. in quo si non erro, uelim illum a me reuerenter salutes et meos ei etiam commendes, Eram missurus uobis graecos uersus quosdam meos, sed carte omnes distractae fuerunt. Vale, mi Limere, et si occasio oblata tibi fuerit, libellorum tractum aliquem tuornm ad me mitte. hoc mihi erit gratissimum]. Iterum uale lips. Id VI.

Ohne Adresse.

III.

S. Sane cum nuper Christophoro nostro scripsisses nee quicquam ad me, imo ne quidem mentionem mei illis in literis vllam fecisses, diffiteri non possum, quid in mentem de te mihi venerit. lllud vero quicquid sit, posteaquam accepi et ad me iam literas tuas, vt eae sunt humaniss[ime] scripta (), sustulerunt omnem ex animo meo cogitationem, siqua antea paulo fuit alienior ab amicitia nostra. Quare mihi gratiss[imae] hae literae tuae fuerunt, ex quib[us] vt perspexi animam et beneuolentiam erga me tuam, ita confir-

1) Aesch. Ag. 929. *) Eher ,hoierum' zu lesen, was aber keinen Sinn gibt. 16*

244

matum iudicium meum est, vt nulla amplius de amore tuo incidere apud me potuerit dubitatio. ltaque ef hoc iucun- diss|imum] mihi fuit, quod promittis, multum te posthac et accurate ad me scripturum: quod omnino etiam spero et abs te postulo atque peto. Quanti autem, mi Esrome, ego te semper fecerim quantumque tibi tribuerim, intellexisse te saepius existimo. Hoc igitur nune rursum certo tibi persuadeas velim, te ex animo a me diligi et amari tantumque tibi a me tribui, quantum alioqui nemini inter aequales nostros. Quae- eunque igitur studia et officia praestare tibi potero, nihil erit, quod non libentiss. fecero. Ecce autem dum haec scribo hodie, redeuntes pueri mei e lectione te huc reuersum esse mihi nunciant. Gaudeo id vehementer, Nihilominus tamen, priusquam te ipse conuenio, has ad te literas mitto, vt studium tibi rescribendi meum cognoscas. Reliqua coram. Interim hoc etiam, quod scripsisti, regt tùs tÓrvy(ag sur xax», te mirari, quid ille sibi voluerit, qui fortunam fecit sororem Justitiae: de eo mibi hoc quidem videtur, vere illas esse consanguineas, et antequam illa caeca fuerit reddita, tantum iuuisse bonos atque iustos viros: sed postquam oculis capta est, in multitadine malorum, qua longe superatur bonorum numerus, frequentius nunc ad illos quam ad hos peruenire. Hoc enim xai ó nsAoörog apud Aristophanem!) queritur :

Zeug ue taðt EOgagey dvdgwnog qJovüv

iyw yàg Öv e⁰ð,õ1½ o vreeilne” dr.

wg toùç Ödixalovg xal gogobg xal xooulovc

udvovg Badıolunv. Ə u’ zr svgàór,

tva jd) ÓroyiyvooxouutL sovyov eu s. Similiter 275 zUxn accidisse arbitror. Sed num hoc tuo etiam solerti iudicio probetur, audiero. Interim vale.

T. Paul.

Adresse: Doctiss. iuueni M. Esromo Rudingero amico S.

IV.

Psalmus sexagesimus tertius.

Ta, mi Deus, Deus es mihi, Te luce prima quaeritans Mens haec anhelat fessula.

Te sole coctus torrido Arente in istac exulans Requiro solitudine,

!) 87—91.

245

Vt, ceu prius sacrario Te conspicabar in tuo, Sie numinis rursum tui Robur decusque conspicer.

‚Nam cuncta vitae commoda,

Quin vitam et ipsam

prodiga

Tua anteit benignitas, Quam me vicissim debitis Efferre par est laudibus.

Ergo superstes quam diu Manebit hoc corpusculum, Tibi canet, tibi manus Attolet vsque supplices.

Tunc lauta, tune praepinguia Depasco nanque fercula, Te nocte solum somnians, Te luce solum cogitans,

Effundo quum laudes Toto sonoras gutture.

Tu me in periclis

tibi

adiuuas,

Tu me tuarum vmbraculo

Pennarum opertum protegis,

Tua vnius fultum manu

Hoe pendet abs te oorculum. Sio fiet, vt, qui perditum

Tam me uolunt immaniter,

Ipsimet impetu ruant

Orci specus ad infimos Ferrove strati vulpibus

Coruisque fiant pabul

um.

Tune ora tot procacium Infamis obstruet pudor.

At rex solutus gaudio Regique coniunctus tui Quicunque cultor numinis Laudes tibi, carmen tibi Et corde et ore concinat.

Adresse: Clarissimo viro Domino Esromo Rudingero

Linguae Graecae in Academia

Witebergensi professori.

Domino et amico perpetuo sibi colendo.

Witebergae.

Darunter von alter Hand: Manus Bezae.

ö—

Zur Aufführung von Schulkomödien in Wittenberg.

Von Georg Buchwald.

Unter dem 16. Februar 1525 lud Luther vice totius imperii et regni illius poetici nostri seinen Freund Spalatin für den folgenden Sonntag Sexagesimä (19. Februar) zur Aufführung einer Komödie im Wittenberger Kloster ein. An diese sollte sich ein Mahl anschließen, zu dem Spalatin um eine Wildpretspende ersucht wird!) Zu diesem Zeugnis, das Luthers persönliches Interesse an solchen Aufführungen belegt, kommen Außerungen in den Tischreden, in denen er warm für sie eintritt?).

Weitere Kunde erhalten wir aus der in dem Münchner Clm. 941 Bl. 39 b—53 a aufgezeicbneten Gedächtnisrede für den Lehrer an der Lorenzerschule Wolfgang Jacobäus aus Hofheim. Diese Rede, von Veit Dietrich verfaßt“), wurde am 10. Dezember 1539 von Ulrich Sitzinger*) in publico auditorio Noribergensi apud D. Aegidium vorgetragen.

Wir notieren aus dieser Rede die biographischen An- gaben:

) Enders 5, 126f. Vgl. Holstein, Die Reformation im Spiegel bilde der dramat. Lit. 1886, 8. 18,

3) A. a. O. 8. 19f. Tischreden (Weim. Ausg.) Nr. 867, 3846.

) Erwühnt wird in Wills Nürnbergischem Gelehrtenlexikon, fort- gesetzt von Nopitsch, Altdorf 1802, VI, S. 148, daß „Veit Dietrich, der Jacobäus bis zu seinem Tode verehrte, und Michael Roting haben zwo lateinische Reden auf seinen Tod verfertiget, die ein Paar Schüler, der eine in lectorio Aegidiano, der andere in ludo, vermutlich Lau- rentiano, ihm zu Ehren hielten. Sie sind aber nur handachriftlich vor- handen. sowie eine daraus gezogene schöne Schulrede des Altdorfe» Rektors B. F. Hummel, die wir zu diesem Artikel gebraucht haben.“

4) Über ibn vgl. Allg. Deutsche Biographie Bd. 34 S. 424—428. Noch unbekannt dürfte sein, daß Sitzinger die Sonntagslektionen Melanchthons nachgeschrieben hat. Abschriften seiner Nachschriften von der Hand Georg Rörers Jenaer Universitütsbibliothek Bos. d. 24a.

247

De patria et parentibus etsi non videbatur operae pre- eium aliquid dicere, quod omni splendore carent, tamen neque hoe dissimulandum est, quod aliqua laudis pars est habuisse eum communem patriam cum eruditissimo et celeberrimo viro Joanne Regiomontano. Nam pagus Hoffheim, qui Wolfgango nostro natale solum fuit, non plus uno milliari distat à Regiomonte Francorum. Neo origo valde dissi- milis utriusque fuit. Ille enim molitoris, noster agricolae filius fait, Parentes Wolfgangi sive naturae bonitate prae- elare sentiebant de literarum studiis seu vulgari opinione, quae tum valebat, ducebantur, statim, cum eius aetas matura institutioni esset, eum adhibuerunt ad literas, ac quia pro- gressus in discendo faciebat opportunae spei plenos, statu- erunt eum in literarum studiis retinendum esse contra illam perversam consuetudinem nostrorum hominum, qui etsi liberis neque ingenium neque facultas discendi desit, tamen, quia vident eorum in re domestica augenda usum esse posse ma- gis pecuniae cumulandae quam ornandorum liberorum ao rei- publicae iuvandae rationem habent, ut igitur quique ad dis- eendum ingenio sunt aptissimo, eo citius a literis ad merca- furam et alias illiberales operas truduntur. At in parentibus Wolfgangi nostri, etsi rure viverent et ideo minus de rebus recte iudicare posse viderentur, tamen liberatior fuit cogi- tatio, Existimabant enim, postquam maiorem fratrem agri- culturae adhibuissent, hunc Ecclesiae causa in literis edu- candum esse. Hos pios conatus etiam adiuvit Deus bene- dictione sua. Nam annos natus 15 Wolfgangus mittitur ad Misniam, quae istis temporibus primam babebat laudem literarum in scholis (ut vocant) particularibus. Statim autem praeceptores, quibus usus est, diligentia sua commovit, ut et diligerent eum et egregie de eo sperarent. Sed redeo ad Wolfgangum, qui procul a patria in summa egestate vixit totum triennium. Reversus est autem post exactum tri- ennium ad parentes, ne videretur pietatem negligere apud eos, non traxit longiorem moram, Sicut fere nobis in more est. Sed ea eorum consilio coepit consilium videndae huius nostrae scholae Laurentianae, in qua non solum poetarum scripta explicabantur diligenter, sed post praecepta Dialectices etiam philosophiae principia tradebantur. Enarrabantur enim Aristotelis disputationes Meteorologicae ef libellus Geogra- phieus. Recte igitur Wolfgangus noster, cui etsi parentes sumptus suppeditare poterant, tamen voluit primarum artium cognitionem ad ea loca adferre, in quibus graviores disci- plinae tradi solent, ac sunt inter cives nostros adhue, qui in hae schola primam cum eo noticiam contraxere, quos cum funus officiose comitari viderem, facile agnoscere potui eos

248

veteris condiscipuli casum gravissime dolere. Cum igitur recto ordine post Grammaticam Musicen, Dialecticen, etiam physicarum disputationum et Geographiae principia ad poe- farum lectionem in primis necessaria cognovisset et medio- erem tum scribendi tum docendi facultatem sibi comparasset, petiit Gymnasium Lipsense?) ubi Mosellanum, Vi- fum Werlerum, Rotingi nostri avunculum et Auba- num?) audivit, Hi enim tum celebriores bonarum artium professores habebantur. Ita autem probavit eius scholae prin- dipibus suam in discendo diligentiam, ut nondum exacto bi- ennio Baccalaurei fitulum cum honestissimi loci praerogativa ei conferrent"). Magistro scholae Laurentianae praeceptori nostro observando obtulit operam suam, qui cum videret et gravitatem morum ef in docendo diligentiam, statim eum cepit prae reliquis arare. Euarravit Wolfgangus tum Horatii et Persii Satyras, quia corruptelae praesentium morum apta videretur ea lectio et ipse pro gravitate sua semper iis seriptis delectatus est plurimum, quae ad mores formandos pertinebant. Et tamen perstudiosus quoque fuit artium di- cendi. Copiam Erasmi, librum utilissimum, Deinde Moriae encomium, militem Christianum et similia scripta cum magno discipulorum fructu professus est. Forte fortuna autem tum accidit, ut domesticus praeceptor contingeretur M. Vito), qui nune in templo Sebaldino saera docet. Eum cum in- stituisset ferme toto biennio domi, tandem parentibus eius autor extitit, ut Wittenbergam mitteretur. Coeperat enim sacra doctrina innotescere latius. Quare Wolfgangus quoque aibi scholam Wittenbergam existimabat adeundam discendarum literarum causa, Haec causa fuit, cur patri- monii reliquam partem Wolfgangus colligeret et post exercitium Scholasticum denuo ad Academiam rediret atque ad eam Academiam potissimum, in qua Christi Euangelium primum eum honore doceri ceptum et sana doctrina varie ante ob- scurata et oppressa iterum excitata et repurgata est. Usus est autem ibi quoque in discendo ad biennium Wolfgangi opera M. Vitus nec pudet eum fateri, si absque Wolfgango fuisset, nunquam se neque ad istam literarum cognitionem nee ad hunc in Ecclesia gradum progressurum fuisse. Ac beneficii huius memoriam tanquam gratus discipulus a me rogavit, ut in oratione hoc celebrarem.

Venit tum Wolfgangus in noticiam summorum virorum

1) Imm. WS 1515: Wolfgangus Jacobi ex Hoffheym. 3) Georgius Kol de Au.

3) 11. Sept. 1517.

*) Dietrich.

249

D. Lutheri, Philippi, Joachimi?!) Milichii et aliorum, quorum in ea schola singularis fama et familiariter consociata vita erat. Hi et amarunt eum in primis et saepe honestissimo testimogio eum ornarunt. Etsi autem inter eos, qui privatim instituebant tum pueros, primum locum habebat, tamen hoc quoque auxit bonorum favorem, quod singulari diligentia ornabat Academiam ex ludendis saepe in publico eomoediarum spectaculis. Ea tanta diligentia adornabat fin- gendis gestibus" et pronunciatione personarum, ut saepius audiverim nullius actionem magis probatam fuisse eruditio- ribus.

Hoc fortaseis mirabimini, cur in laudis partem ponendum putem, cum histrionica parum honesta apud Romanos habita est Sed primam meretur laudem hoc pacto excitare studia literarum et iuventutem ad honestam actionem, quae pluri- mum gratiae habet assuefacere. Deinde quaeso te: an non decent eruditos tales honesti ludi, qui cum voluptate singu- larem quoque utilitatem coniunctam habent. Itaque cum alioqui liberius viverent studiosi Bachanalium tempore, cu- rabat Wolfgangus, ut a compotationibus et aliis lusibus Lati- narum fabularum spectaculo abducerentur. Hoo consilium ita gratum fuit universae scbolae, ut doctores omnes, saepe etiam Lutherus sua praesentia actionem ornarent, ac audio ex publico saepe ei praemia decreta esse, ne, quod hio solet barbarie indoctorum mercatorum, nullum operae precium in eo exercitio esse videretur. Caeterum Wolfgangus cum artes dicendi ex Philippo, ex Luthero autem et Pome- rano Theologiam diligenter didicisset, rediit ad Ketz- mannum Scholae nostrae Laurentianae magistrum eique iterum addixit in docendis pueris operam, quam usque ad extremum vitae summa diligentia praestiti. Non ita multo post uxorem duxit.

Audivi ex ministro Ecclesiae nostro Leonhardo Ke- ser, cum ante usum eüxagsorias orationem dominicam publice recitaret, quantum per morbum licuit, verba clara voce subsequutus ordinem precum aliquando perturbavit. Nam eum dixisset: Pater noster, qui es in coelis, .subiecit: Veniat regnum tuum. Eum errorem, si ita appellare licet, per totum morbi tempus saepe significabat sibi acerbum aecidisse. Mihi autem non error, sed spiritus sancti testimonium fuisse visum est, ostendens ardens desiderium Regni Dei et futurae vitae. Saepe enim, cum eum accederent amici ac consolaturi roga- rent, quid faceret? Respondebat vere se expectare adventum domini Saepe quoque inter dolores vehementissimos excela-

1) Camerarius.

250

mabat: o Christe, veniens veni et noli tardare. Audio M. Vitum eum interrogasse aliquando, quid cogitaret, illi re- spondit se cogitare et toto animo perturba:i, quod iam pauci vere quaerant gloriam Dei, Studiorum quoque curam egregio dicto ostendit. Accessit eum vir eruditissimus Joa- chimus Camerarius, qui tum forte bio aderat officii causa. Nam vetus inter eos noticia fuerat et in primis de- leotatus fuit Joachimus gravitate morum eius et candore. Vix autem salutarat eum, tum Wolfgangus: Mi Joachime, o quando tandem nobis dabis Plautum tua opera pulcherrime restitutum? Hanc vocem Joachimus cum admiratione et praedicatione optimi viri excepit ac laudavit, Postea quod studiorum curam in extremo vitae curriculo retineret. | Itaque Wolfgangus cum per omnem vitam in literis et pietate praecipue se exercuisset, etiam morte utrunque egre- gie ostendit, qua ita facili et levi est usus, ut obdormiscere, non extingui videretur, cum paulo ante supremum spiritum Symbolum ef orationem dominicam integram recitasset.

Zum St. Annenkultus im ausgehenden Mittelalter.

Von O. Clemen.

E. Schaumkell, Der Kultus der heiligen Anna am Ausgange des Mittelalters, Freiburg i. Br. u. Leipzig 1893, S. 85, schreibt: „Ferner verzeichnet Weller, Altes aus allen Teilen der Geschichte I, 541—44: Eine papistische Fabel von der b. Anna.“ Schlägt man bei Joh. Gottfried Weller, Altes aus allen Teilen der Geschichte, oder alte Urkunden, alte Briefe, und Nachrichten aus alten Büchern mit Anmerkungen I, Chemnitz 1762, S. 541 ff. nach, so findet man, daB dort nur der Druck kommentiert ist, den Schaum- kell kurz zuvor, S. 83, aus F. Falk, Die Druckkunst im Dienste der Kirche, zunächst in Deutschland, bis zum Jahre 1520, S. 86 zitiert hat. Jedoch auch Falk a. a. O. scheint diesen Druck nicht aus Autopsie zu kennen, sondern ver- zeichnet ihn nur nach Hain Nr. 1122 und Panzer, Annalen Nr 400, wo aber beide Male ebenfalls die Angabe nicht auf Autopsie beruht. Ebensowenig kennt J. Braun unser Druck- werkehen in seiner Geschichte der Buebdrucker und Buch- händler Erfurts vom 15.—17. Jahrh. (Archiv f, Geschichte des deutschen Buchhandels 10, 70 ff.) Es muß sich also um eine ganz besondere Seltenheit handeln. Der Umstand, daß der Druck bei Joh. Gottfried Weller, 1760—62 Superinten- dent in Penig und sodann bis zu seinem 1779 erfolgten Tode in Zwickau!), ausführlich besprochen worden ist, lieB vermuten, daß er auf der Zwickauer Ratsschulbibliothek vorhanden sein müßte. Hier fand er sich auch in dem eine ganze Reihe der kostbarsten Raritäten enthaltenden Sammelbande 24. 10. 14. Der Druck umfaßt nur vier Quartblätter; die letzte Seite ist unbedruckt; ein eigentlicher Titel fehlt, die Ueberschrift über der ersten Seite lautet: „Von saneta anna: Vnd || von

1) Vgl. Aug. Herm. Krey Big, Album der evangelisch-luthe- rischen Geistlichen im Königreich Sachsen®, Crimmitschau 1898, S, 709: Neue Sächsische Kirchengalerie, Ephorie Zwickau, Leipzig 1902, S. 66.

252

dem ta W. O sant an- || na hilff selb tryt:“; am Ende steht das Impressum: || Getruckt zu Erffort zu de ein sydeln | bey sant veitt von hanßen buch druck- || er von nyrenberg. im xev iare.“ Ueber den Drucker Hans Sporer vgl. zuletzt R. Ehwald in der Einleitung S. 6 ff. zu seiner Faksimile- ausgabe der deutschen Biblia pauperum von 1471 (Weimar, Gesellschaft der Bibliophilen, 1906) und Martin Wähler in den Mitteilungen des Vereins für die Geschichte u. Alter- tumskunde von Erfurt 42 (1924) S. 29 fl. Sporer war im vorhergehenden Jahre, 1494, von Bamberg nach Erfurt über- gesiedelt. Er druckte nur kleine Quartbüchlein, die für den Jahrmarktsverkauf oder den Hausvertrieb bestimmt waren.

Der Druck enthält an erster Stelle eine Legende von einem Ritter in einer großen Stadt, der durch St. Anna wiederbelebt worden sein soll Gerade Wiederbelebungs- wunder werden von ihr häufig erzühlt. Auch Trithemius schreibt: ,Legimus meritis eius ad vitam nonnullos de morte revocatos“ ). Der Ritter hatte lange gar ein weltlich Leben geführt und gar wenig guter Werke getan, nur daß er alle Tag St. Anna andächtiglich gedient hatte. Als er an der Pest erkrankte, schickte er rasch noch ein Gebet zu Maria empor, in dem er sie bei ihrer Liebe zu ihrer Mutter, zu der sie nach dem vierten Gebote verpflichtet sei, beschwor, ihn nicht zu vergessen. Nach seinem Tode wurde er, ob- gleich ein großer Stinder, auf die Fürbitte Mariens und Annens von Christus begnadigt und seine Seele wiederum dem Leibe zugeführt. Der Ritter fing nun an, ein gutes, seliges Leben zu führen, und diente St. Anna andächtiglicher als zuvor. Und als das Volk in der Stadt seiner Ermahnung und seinem Beispiele folgte, hörte die Pest auf.

Es folgen mehrere Gebete zu St. Anna. Der Schwer- punkt aber liegt in dem letzten Stück: „Nun folgt her nach dye grossen starcken wort von dem taw, vnnd bedeyt das leyden erysty. O heiliger got, O starcker got, O parm- hertziger got, Erparm dich über vnß, O heilger got, O vn- dötlicher got, Erparme dich yber vnß, O herre ewiger got, bis gnedig vn armen sunder! Das ist das zeichen vnd das taw, das got der almechtig moysi gab, vmb das das volek nit styrb an der pestilentzen, vnd wa das zeichen thaw yn ein haus nitt was, das selb volek starb als. Vnd wer das mit dem óbern gepet ansicht mit andacht vnd spricht dem leiden ihesu cristi drey pater noster vnnd drey aue maria zu eren der heiligenn tryvaltikeit, so ist der mensch an zweiffel des selben tagB vor der pestilentzen sycher. Das

) Schaumkell S, 55.

253

hat got für war den selben menschen verlichen fyr das gepet, das vom thaw sagt. warlich Amen. hylf got vnd sant anna!“

Das Zeichen Taw soll also das Leiden Christi bedeuten, und zugleich wird es identifiziert mit der von Mose in der Wüste aufgerichteten ehernen Schlange (4. Mos. 21) und dem Zeichen an den Türen der israelitischen Häuser in Aegypten, das diese vor dem Würgengel bewahrte (2. Mos. 12). Auf der fünften Seite unseres Drucks ist es abgebildet, Es ist das dreiarmige Kreuz, das die Antoniterherren zu tragen pflegten, ursprünglich, um sich gegen den Pestdämon zu schützen, das aber tiberhaupt seit dem 13. Jahrhundert bis in die Gegenwart hinein als Abwehrmittel gegen die Pest angesehen, an Mauern, Wänden, Türen angebracht, wie auch in Form von Anhängern aus Metall als Amulett getragen wird!) Wir erkennen daraus, daß die ganze Veröffent- lichung als Hinweis auf den Schutz der himmlischen Mächte gegen die Pest gedacht war. Als Helferin gegen die Pest wurde St. Anna oft angerufen“). In Erfurt wurde sie eifrig verehrt ).

3) Vgl. darüber den reichhaltigen Aufsatz von Richard Wünsch, Das Antoniterkreoz (Hessische Blätter für Volkskunde 11, 40 fl.).

N Schaumkell 8. 57.

5 G. Kawerau, Caspar Güttel, Halle a. S. 1882, 8. 17f. Th. Kolde, Das religiöse Leben in Erfurt beim Ausgange des Mittel- alters, Halle 1898, S. 18.

Mitteilungen.

Ein Brief Georg Majors an Nikolaus von Amsdorff 1563.

S. in ipso vivimus, movemur et sumus, inquit organum et vas dei electum, in quo cum te, reverende pater, adhuc vivere, moveri et esse sperem, etsi proximis literis significaveris te brevi hinc sd dominum diseessurum, tamen, ad filiam hoc tempore mittens nuncium, te ut patrem venerandum et grandaevum vel literis saltem, cum presens eorpore non possem, invisere et salutare volui. nihil vero contingere optatius posset quam in hac senecta te videre et alloqui amanter et aliquandiu dulci conspectu et colloquio frui, id quod futurum in hac vita quoque spero, nam si vitam vita nostra concesserit utrique Christus Jesus, servator noster, decrevi sub tempus veris vos invisere et postremum vale dicere. nam etsi tam prolixam vitae curriculum non impleverim, tamen sentio paulatim ita attenuari et frangi omnes vires, ut diuturna vita mihi speranda non sit, et haud scio an etiam in his rerum omnium confusionibus exoptanda, et gratulor nobis, qui in his tempe- statum fluctibus jam portum attigimus et cursum nostrum con- sumavimus, expectantes jam justitiae coronam nobis promissam a duce et imperatore nostro, filio dei, cui hic militavimus et cui simul te, reverende pater, et me et totam ecclesiam fideli pastori animarum nostrarum commendo. Wittenb. 8. octob. 1568.

T. Rev. colens Georgius Major. Reverendo . . . domino Nicolao Amsdorffio episcopo Numbergensi. Berlin, Staatsbibl. Cod. boruss. 201 No. 185, Original.

Der vorstehende Brief bietet nicht viel Tatsächliches, gleich wohl wird man ihn nicht ohne Teilnabme lesen. Jedermann weiß, wie in den trüben Zeiten nach Luthers Tode und der Verkündigung des Interim Nikolaus von Amsdorff als Wahrér des Vermüchtnisses des dahingeschiedenen Meisters den einstigen Genossen in Wittenberg sowohl wegen ihrer Lehre wie auch ihres Verhaltens den Fehde- handschuh hinwarf. Gerade wider Georg Major richteten sich Amsdorffs Angriffe mit besonderer Schärfe, man redet ja auch von einem „Majoristischen Streit“, der größere Wellen warf und reichlich ein Jahrzehnt dauerte. Endlich jedoch besänftigten sich die Leiden-

255

schaften, die Sturmwolken verzogen sich und versöhnend legt sich in obenstehendem Briefe schimmernde Abendröte auf die Wogen. Ams- dorff hat bereits das 80. Lebensjahr vollendet, Major steht im 68. Der Jüngere, der übrigens auch in den Jahren des Streites die Ehrerbietung gegen jenen, seinen teuren praeceptor, nicht aus den Augen gesetst hatte, bekundet den Wunsch, letzterem, mit dem er bereits wieder in freundachaftlichen Briefwechsel getreten ist, noch einmal in diesem Leben die Hand zu drücken; er hofft den Greis im nächsten Frühjahr in seiner Thüringischen Zurückgezegenheit besuchen zu können. Man wird annehmen dürfen, da8 die Zusammenkunft stattgefunden hat; Amsdorff ist bekanntlich erst im Mai 1565, im 8%. Lebensjahre, ge- storben, während Major, der sich in unserem Briefe bereits lebenssatt erklärt, noch ein Jahrzehnt wirken durfte, bevor er als letzter des großen Wittenberger Reformatorengeschlechts die Augen schloß.

Friedensburg.

Neuerscheinungen.

Der erste Teil der „Festschrift zum lutherischen Weltkonvent Eisenach 1928* bietet, unter dem Titel Luther und die Bibel, eine von À. Schramm, dem Direktor des Leipziger Museums für Buch und Schrift, besorgte Zusammenstellung des Bilderschmucks aller zu Luthers Lebzeiten (1522—1546) in Wittenberg erschienenen Ausgaben der Bibel und ihrer Teile, Von den 81 Ausgaben, die vorliegen, sind 75 mit Bildschmuck versehen, darunter 11 Vollbibeln und 20 Neue Testamente. Leipzig, K. Hiersemann 1928.

Walther Köhler, Zwingli und Luther. Ihr Streit über das Abendmahl nach seinen politischen und religiösen Beziehungen. I. Die religiöse und politische Entwicklung bis zum Marburger Religionsgesprüch 1529 (= Qu. u. Forséh. z. RG., herausg. vom Verein f. RG. VI). Leipzig 1994, XIII, 851 S.

Ausgehend von dem Plan, eine Monographie über die Witten- berger Konkordie von 1586, als den relativen Abschluß des Abeudmahl- streites, zu schreiben, hat Köhler bei den Vorarbeiten dazu die Not- wendigkeit empfunden, auf den voraufgehenden Zwist zwischen Luther und Zwingli zurückzugreifen. Er überzeugte sich nämlich, daß die bisherige Forschung diesem Gegenstand nach zwei Seiten hin nicht gerecht geworden ist, indem sie 1., freilich gestützt auf eine alte, bis auf Zwingli selbst zurückgehende Überlieferung, angenommen hat, der Schweizer habe von Anfang an die symbolische Abendmahlsauffassung vertreten, und 2. die dogmengeschichtliche Entwicklung von der poli- tischen getrennt, die wechselseitige Bedingtheit der einen durch die andere mehr oder minder übersehen hat. So ist Köhler zu einer

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nochmaligen und wir dürfen nun wohl sagen: abschlieBenden Behandlung jener bedeutsamen Vorgänge gekommen. Er legt zunächst den ersten Band vor, der vor der Marburger Tagung abbricht; diese bleibt mit dem unmittelbar Vorbereitenden dem Schlußbande vor- behalten, der möglichst bis zur Wittenberger Konkordie gehen soll, Köhlers Verdienst besteht vor allem in der klaren Herausarbeitung des Tatbestandes, wie er sich ergibt durch Heranziehung des gesamten Materials, nicht nur, wie bisher meistens geschehen ist, lediglich der im besonderen der Abendmahlsfrage gewidmeten Schriften, wobei sich zeigt, daß zumal der Briefwechsel Zwinglis wichtigste Aufschlüsse und Verbindungslinien ergibt. Ferner wird die Einwirkung der poli- tischen Ereignisse und Verhältnisse auf den dogmengeschichtlichem Streit eingehend und mit einleuchtendem Ergebnis beobachtet und dargestellt: man vergleiche sz. B. das 6. Kapitel über die Badener Disputation von 1526, den „Schweizerischen Reichstag zu Worms"! Und noch nach einer dritten Seite hin erweitert sich der Rahmen, n&mlich durch Einbeziehung der kleineren Trabanten, die um die beiden Sonnen kreisen, der dii minorum gentium, deren Stellung vielfach anders alg bisher bestimmt wird. In solcher Umrahmung und auf so breiter Grundlage tritt uns erst die weltbewegende Bedeutung des Abendmahlstreites, eines Geisteskampfes, wie er nur auf deutschem Boden, aus der Tiefe des deutschen Gemüts und deutscher Religiosität heraus erwachsen konnte, eindringlich entgegen. Durch diese so un- endlich verwickelten, miteinander verschlungenen Vorgünge aber ist uns Köhlers tiefgreifende, objektive Forschung ein nie versagender Führer; in diesem Labyrinth, diesem Meere von Strömungen und Gegen- strömungen verliert der Verfasser den Ariadnefaden vollkommenster Beherrschung des Stoffes niemals aus sicherer Hand. Dem Verein für Reformationsgeschichte, der die Herausgabe besorgt hat, und dem Zwingliverein sowie der Stiftung für wissenscbaftliche Forschung an der Universität Zürich, die sie unterstütst haben, gebührt aufrichtiger Dank.

Aus der 15. den ersten Band abschließenden Lieferung des Mennonitischen Lexikons von Hege und Neff (S. 678—717) notieren wir die Artikel Frankreich, Francker im niederl. Friesland, Freistadt in Oberösterreich, Fresenburg bei Oldesloe, Frankenthaler Religions- gespräch (1571), die Märtyrer Franeytgen, Ottille Franke, Sicke Freerks, Anna von Freiburg, Claus Frey, Georg und Leonhard Frick. Auch enthält die Lieferung den Schluß des Artikels Sebastian Franck mit reicher Literaturangabe. Den Schluß bilden verschiedene Fürsten des Namens Friedrich (darunter Friedrich II. und III. von der Pfalz).

In zweiter verbesserter Auflage ist erschienen G. Bossert, Der Reutlinger Sieg von 1594. Kin Ehrenblatt aus Beutlingens Ge- schichte. Das volkstümlich gehaltene Schriftchen schildert die Schwierigkeiten, die die Gegner dem Durchdringen der Reformation in Reutlingen bereiteten und ihren Versuch, die treibende Kraft in

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dieser, Erasmus Alber, durch das Kammergericht zu verderben, ein Versuch, der dann, indem Alber seine Sache vor dem höchsten Gericht siegreich vertrat, die gegenteilige Wirkung hatte und den Sieg der Reformation in der tapfern Reichsstadt vor nunmehr 400 Jahren ent- schied. Reutlingen, Oertel u. Spörer, 1924. 30 8.

Als 6. Veröffentlichung des Corpus Catholicorum erscheint, von Therese Virnich bearbeitet, ein Wiederabdruck einer Schrift Joh. Ecks von 1517: „Disputatio Viennae Pannoniae habita“. Sie umfaßt eins Anzahl verschiedenartiger Bestandteile, Auf die genannte Disputation bezieht sich das ausführlichste Stück: Ecke dem Bischof von Eichstädt, Gabriel von Eyb, eratatteter Bericht über seine Reise nach Wien, an den sich verschiedene Thesenreihen sowie mehrere Empfehlungsbriefe anschließen, die Eck sich in Wien zu verschaffen gewußt hatte. Anderes bezieht sich auf eine von Eck schon 1515 in Bologna veranstaltete Disputation. Weiterhin finden sich Beglück- wünschungsgedichte auf den Disputator Eck, u. a, von H. Bebel, Joh, Aventinus, Urbanus Rhegius. Sodann findet sich ein Brief Ecks an den Propst Zinngiesser von Polling über die, von jenem bejahte, Frage, ob: es sich empfehle, daß man den jungen geistlichen Nachwuchs auf die öffentlichen Hochschulen sende und mit weltlicher Wissen- schaft in Berührung bringe. Es folgen noch drei akademische Reden Ecks und den Schluß machen wiederum Gedichte auf diesen: von Aventin, J. Speratus und W. Capito. Das Werkchen bietet dergestalt ein Bild vom Geistesleben des beginnenden 16. Jahrhunderts, kurz bevor der Kampf um die Religion die Geister schied. Was Eck selbst betrifft, so lassen seine unverkennbare Streitlust, verbunden mit star- ker Eitelkeit, dazu seine Belesenheit in der Wissenschaft des Mittel- alters und seine Gewandtheit im Disputieren schon den künftigen Disputator von Leipzig ahnen. Die Einführung in das Schriftchen und dessen Kommentierung zeugen von hingebender Sorgfalt der Heraus- geberin.

In dem Bestreben, die früheren Bände seiner großen Papst- geschichte nicht veralten zu lassen, hat v. Pastor zunächst den dritten Band einer Neubearbeitung unterzogen. Dieser Teil, der die drei Jahrzehnte von Innozenz VIII. bis Julius II. (1484— 1518) in sich schließt, ging zuerst 1895, dann 1899 aus. Jetzt, nach einem Vierteljahrhundert, erscheint er von 956 auf 1166 Seiten (das Literatur- verzeichnis von 29 auf 40 S.) vermehrt und wegen des Umfangs in zwei Bände zerlegt: den Einschnitt bildet das Ende Alexanders VI. Die Vermehrung kommt allen Abschnitten zugute; es wird kaum eine Seite geben, in der nicht die nachbessernde Hand des Verfassers erscheint, nicht am wenigsten in den Kapiteln tiber die Mäzenaten- tätigkeit der Kurie und die unvergleichlichen Schöpfungen der Kunst jener Zeiten. So ist die Darstellung in allen ihren Teilen auf den Stand der gegenwärtigen Forschung gebracht. Besondere Erwähnung verdient, daß v. Pastor im Vatikanischen Archiv Bruchstücke der Privat- korrespondenz Papst Alexanders VI. aus den Jahren 1498 und 1494

Archiv für Reformationsgeschichte. KI I. 3:4. 17

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(in acht Bünden des Archivio di Castello) gefunden hat, die er in der Darstellung benutzen und im archivalischen Anhang ihrem Hauptinhalt nach mitteilen kann. Es handelt sich um politische und familiäre Briefe an den Papst (u. a. von Karl VIII. von Frankreich, Giovanni Sforza, dem ersten Gemahl der Lucrezia, sieben Briefe von dieser selbst, zwei von Giulia Farnese-Orsini) und von dem Papst (an Lucrezia, Giulia usw.). Wie Pastor mit Recht hervorhebt, ändern die Dokumente. die zeigen, wie der Borja Papst mit den ihm am nüchsten Stehenden verkehrte, das sittliche Urteil über ihn nicht wesentlich, gestatten aber das Bild schürfer zu fassen. Freiburg i. Br., Herder & Co., 1934. 2 Bde. LXX u. 656 S., XVIII u. 510 S. Gm. 14, 10 u. 18, 20.

Zeltschriftenschau.

Allgemeines. Die Revue d'histoire ecclésiastique liefert in Bd. XVI, Heft 1 u. 2 (Louvain 1923—1924) eine umfassende, systematische Bibliographie der kirchengeschichtlichen Literatur von 1914—1919, unter Berücksichtigung auch der wichtigeren Besprechungen der einzelnen Werke.

G.Ritter, Die geschichtliche Bedeutung des deutschen Huma- nismus (HZ 197 3. Folge 81, 8. 393—453) spricht letsterem er- heblichere Bedeutung für die Erneuerung der Wissenschaften ab und will ihn nicht als Bahnbrecher in der Bewegung der Geister aner- kennen, ihm vielmehr nur symptomatische Bedeutung beimessen. Wenn man früher den Anteil des deutschen Humanismus an der Bildung der neueren Zeit nicht selten erheblich überschätzt hat, so schwingt bei Ritter das Pendel doch wohl allzuweit nach der entgegen- gesetzten Seite. Man wird sich m. E. schwer überreden können, daß z. B. unter den Ursachen der im Reformationszeitalter alsbald hervor- tretenden erstaunlichen Regsamkeit der Geister in der Stadt Straßburg nicht der Elsässer Humanismus und zwar nicht etwa an unterster Stelle aufzuführen sei. Hat sich doch z. B. der Stüdtemeister Jakob Sturm dankbar als Schüler Wimpfelings bekaunt.

Persönliches. „Luther. Mitteilungen der Luther-Ge- sellschaft“ 1924 (6. Jahrg.) Heft 1/2 gedenken in mehreren Bei- trügen des Gesangbuchjubiläums. Th. Knolle handelt über die ersten evangelischen Gesangbücher (S. 12—15), H. Schöttler über die Gotteskindschaft in Luthers Kirchenliedern (S. 4—12). Ferner gibt C. E. Paulig Beiträge zur Geschichte des Luthertrutzliedes (S. 15— 26). G. Buchwalds Lutherkalendarium begleitet den Refor- mator in seinem Schaffen, seinen Predigten und Briefen durch alle Tage des J. 1524 (S. 27—32). Im 3. Heft des Jahrganges spricht W. Kliche über den deutscheu Ton in Luthers Liedern (S. 87— 46).

259

Ebenda (S. 46—59) zeigt L. Fendt, daß L. die ratio vivendi sacer- dotum (Enders II 46 fl.), von der er eine Übersetzung beigibt, ver- mutlich zwischen 1516—1518, wahrscheinlich aber noch vor dem Thesenanschlag, abgefaßt habe. Dazu kommt (Heft 4/5 S, 51—76) ein wertvoller Ausschnitt aus J. Fickers ikonographischen Studien über den Reformator: „Neue alte Bilder Luthers“, mit erläuternden Ab- bildungen. Als Flugschrift der Luthergesellschaft ist erschienen die Abhandlung von H. Abert, Luther und die Musik. „Auch im Musikalischen“, sagt der Verf., „erkennen wir Luthers außerordentliche Gabe, die Bedürfnisse seiner Zeit nachzufühlen und ihre lebendigen Gedanken in sich zu vereinigen“ (16 S., 1924).

Einen indiskreten Sammeldruck von Hans Schott in Straßburg von 1528 mit Stücken Luthers und Melanchthons bespricht 0. Clemen in ZKG. 48 (NF. 6), 1, 8. 219—996.

In den Berichten der Sächs. Ak. d. W. zu Leipzig, philol.-hist. Kl. Bd. 75 Heft 2 (1928), 57 8., behandelt H. Böhme Luthers erste Vorlesung, d. h. die zweistüudige Psalmenvorlesung von August 1513 bis Oktober 1515. B. bemängelt die Ausgabe in WA. 8 und 4 und würdigt die Bedentung der bezüglichen Niederschriften Luthers sowohl für die Auslegekunst im allgemeinen wie auch für Luther selbst; nach den Sammarien der Psalmen in der Wolfenbütteler Glosse muß die Er- leuchtung, die L. zum Reformator gemacht hat, ihm etwa im Mai 1518 zuteil geworden sein (Leipzig, Hirzel, 1994). Vgl. die Selbstanzeige des Verfassers im Theol. Literaturbl. 45 (1924) Nr. 11/12 Sp. 148—160.

Luthers Ablaßpredigt Sermo de indulgentus pridie dedu- cationis (in Löschers Reformations-Acta I S. 731—740) setzt K. Bauer gemäß der älteren, aber entgegen der herrschenden Ansicht, die das Jahr 1516 annimmt, mit beachtenswerten Gründen auf den 81. Oktober 1517 an und bringt sie dergestalt in unmittelbare Verbindung mit dem Thesenanschlag; L. lieferte mit dem Sermon den starken Resonanz- boden, auf dem die Thesen so mächtig ertónten! ZKG. 48 (NF. 6) I 8. 174—179.

P. Kalkoff, .Zur Charakteristik Aleanders (ZKG. 48, NF. 6, Heft 1, S. 909—919), erblickt in dem vielgeschäftigen päpstlichen Diplomaten nicht sowohl einen Vorlüufer der katholischen Reformation als vielmehr den Organisator der politischen Gegenreformation im Geiste des Jesuitenordens. Es muß wundernehmen, daß K. bei diesen Betrachtungen das wichtige und umfangreiche Material über die Le- gation Aleanders in Deutschland 1538 f. (in den „Nuntiaturberichten“ III und IV), insbesondere das für Aleander sehr bezeichnende eigen- händige Tagebuch des Legaten, anscheinend völlig beiseite gelassen hat.

Die Streitschrift, die Cochleus gegen die Artikel der Freiberger Visitatoren von 1087 in seinem Catalogus eorum quae contra novas sectas scripsit verfaßt zu haben angibt, hat H. Hommel in einem nen erworbenen Sammelband der Bayrischen Staatsbibliothek in Müuchen, die gegenreformatorische Literatur des 16. Jahrhunderts enthält, auf-

17:

260

gefunden und gibt einige Mitteilungen darüber. Es ist ein Druck von drei Bogen ohne Verfassernamen, Druckort und Drucker und trägt den Titel: Zwo kurtse Glossen der Alten Christen auff die Newen Artickeln der Visitatoren anno MDXXXVIL Zibl. f. Biblw. 41, 8, S. 891—897.

Paul Ebers Beziehungen zu Niedersachsen behandelt P. Wotschke an der Hand von 15 aus Gothaer Hss. abgedruckten Briefen der Jahre 1560—1569. Daran schließt sich ein Brief Menso Altriegs aus Emden an Beza von 1578. ZGesNiedersKG. 28 (1924) B. 9—85.

Gegenüber der verfehlten Arbeit von El. Wagner über Friedrich den Weisen (oben 8. 156) füllt es P. Kalkoff nicht schwer, in ZKG. 48 (NF, 6) S. 179—208 nochmals zu erh „daß Friedrich „dennoch der Beschützer des Reformationswerkes^ ist. Seiner Gegnerin aber wirft er mit Recht Mangel an genügender Kenntnis der Quellen sowie an politischem Verständnis vor.

. G. Bossert, Markus Heiland, der Reformator von Calw, eia gelehrter Pfarrer ohne Universitätsbildung stellt kritisch die zer- streuten Nachrichten über den Lebensgang H.s zusammen. Dieser, geboren etwa 1500, stammte danach aus Vaihingen in Württemberg. wurde Tuchscherer in Pforzheim, später Mönch, wahrscheinlich im Minoritenkloster zu Basel, trat 1598 zur neuen Lehre über, lebte in Basel als Korrektor, heiratete 1525, wurde 1529 Pfarrer in Babendorf (Kanton Basel). Das Jahr 1534 eröffnete ihm dann die Möglichkeit, seinem Heimatland zu dienen; er wurde zuerst in Gamertingen, 1587 in Calw Pfarrer. Das Interim vertrieb ihn von dort nach Straßburg, wo er, schon im Begriff nach Calw zurückzukehren, im Oktober 1550 starb. Bil. f. Württ. KG. NF. 18 (1924) 1/2 S, 1—15.

Verein für bayrische Kirchengeschichte.

Indem wir einem uns ausgesprochenen Wunsche gern nach- kommen, teilen wir mit, daß sich im Sommer dieses Jahres auf An- regung der Herren Dekan D. Dr. Schornbaum-Both und Pfarrer Lie. theol. Clauss-Gunsenhausen ein Verein für Bayrische Kirchen- geschichte gebildet hat alg Zentralstelle der kirchengeschichtlichen Forschung. Der Mitgliederbeitrag beträgt 5 M. jährlich, wofür die „Beiträge zur Bayrischen Kirchengeschichte" unentgeltlich geliefert, auch größere einschlägige Veröffentlichungen, zu ermäßigtem Preise sur Verfügung stehen werden. Ebenso sollen den Mitgliedern bei Abhaltung von Kursen und Vorträgen besondere Vorteile eingeräumt werden. Beitrittsanmeldungen sind zu richten an Herrn Pfarrer Lic. theol. Clauss-Gunzenhausen (Postscheckkonto Nürnberg Nr. 21608).

Inhaltsverzeichnis

zu Jahrgang 1—20 (1904—1923) und Ergänzungsband 1— 4 (1906 1911) des

Archiv für Reformationsgeschichte.

I. Alphabetisches Verzeichnis der Mitarbeiter und ihrer Beiträge).

Albrecht, Otto. Zur Bibliographie und Textkritik des kleinen Lutherischen Katechismus. 1, 247—278. 2, 209—249. 3, 209—991.

Handschriftliches zu Luthers Auslegung des Hohen- liedes 4, 305 312.

, und Flemming, Paul. Das sog. Manuscriptum Thomasianum veröffentlicht. 12, 205 236. 241 284. 13, 1—39. 81—123. 161—199, 277—303.

Kritische Bemerkungen zur Ueberlieferung der stammbuchartigen Buch- uud Bibeleinzeichnungen

Luthers. 14, 161—186.

Nachwort zu A. Nutzhorn „Ein Tafelbüchlein aus der Reformationszeit“. 15, 226—229. (Vgl. Nutz- horn).

Arnecke, Friedrich. Ueber die Zusendung eines Buches

Hieronymus Emsers durch den Leipziger Rat an den Bischof von Merseburg. 11, 145—147.

Ein Augsburger Privatbrief aus der Reformationszeit (1530). 13, 154 f. [M].

Bahlow, Fr. Wer ist Nikolaus Decius? 4, 351 369. Bauer, Karl. Der Bekenntnisstand der Reichsstadt Frank- fart a. M. 19, 194—251. 20, 137—174. Beeker, Hans. Zur Geschichte der Packschen Händel. 8,

398 402.

Paul Lindenau. 10, 106—109.

n

1) Rin [M] am Schluß des Titels verweist auf die „Mitteilungen“. „Zeitschriftenschau® und „Neuerscheinungen“ sind im Inhaltsver- zeichnis nicht berücksichtigt.

262 gaz

Behrend, Fritz. Die Leidensgeschichte des Herrn als Form im politisch-literarischen Kampf, besonders im Re- formationszeitalter. 14, 49—64. Berbig, Georg. Ein Brief des Ritters Hans Lantschad zu Steinach an Kurfürst Friedrich den Weisen 1520. 9. 391—395. » Die erste kursüchsische Visitation im Ortsland Franken 1528/39. 3, 336—402. 4, 370—408. 5, 398 435.

„Das Testament Nikolaus Nentwigs. 7, 225 227 [M].

Ein Gutachten über die Flucht der Kurfürstin Elisa- beth von Brandenburg aus dem Schlosse zu Berlin 1528. 8, 380—394.

„Ein Streitfall zwischen einem Koburger Bürger uud einem Kaplan 1550. 9, 231—239. Böhmer, Heinrich. Karlstadt in Tirol? 9, 274—976. Bossert, Gustav. Judaeus Dulcius (1643) 7, 440 [M]. » » Zur Vorgeschichte des Reichstags in Augsburg. 9, 280 [M].

Augustin Bader von Augsburg, der Prophet und König, und seine Genossen, nach den ProzeDakten von 1530. 10, 117—165. 209—941. 297—349. 11, 19— 64. 103—133. 176—199. Ein angeblicher Praeceptor Melanchthons. 11, 228 [Mj. Die dritte Gattin von Andreas Osiander. 12, 158 bis 160 [M]. „D. Johann Mantels Lebensende und der EheprozeB des Michael Back und seiner Gattin. 12, 161—204. Die Wiedereinführung der Messe in Frankfurt a. M. 1535. 13, 147—163. Zur Charakteristik des Landgrafen Philipp von Hessen. 14, 152 f. [M]. Jodocus Neuheller (Neobulus), Luthers Tischgenosse. 14, 277—300.

„ẽ Theobald Diedelhuber. 15, 100 107.

Bucers Vergleichsvorschlag an den Kurfürsten Jo- hann von Sachsen vom Januar 1531. 16, 221—234.

Drei Briefe Melanchthons. 17, 67—70.

Küngold Bodenstein. 17, 153 [M].

Bin Brieffragment von Julius Pflug. 17, 231—235.

» Briefe aus dem 16. Jahrhundert. 19, 138—148.

„Ein unbekanntes Stück aus dem Leben des Flacius. 90, 49—61.

Buchwald, Georg. Ergänzungen zur Biographie des M. Stephan Reich. 5, 69—76.

Bugenhagens Katechismuspredigten. 17, 92—104.

263

Buchwald, Georg. Georg Helts Wittenberger Predigttage-

buch. 17, 183—208. 241—376. Zur Mathesiusforschung. 20, 67 [M].

Burkhardt, K. A. H. Zum ungedruokten Briefwechsel der

Reformatoren, besonders Luthers. 4, 184—212.

Gemen, Otto. Ein Brief von Johannes Bernhardi aus

7

n

7

7

n

Feldkirch 18 März 1527. 1, 192—193.

Der dialogus bilinguium ac trilinguium. 1, 355 bis 364.

Die Luterisch Strebkatz. (1524). Mit Exkurs über Jakob Lemp. 2, .78—93.

Zur Einführung der Reformation in Weimar 1525. 2, 186 —189.

Invietas Martini laudes intonent Christiani (1523 7). 2, 385 —390.

Bugenhagensche Trauformulare. 3, 84—88. Beiträge zur süchsischen Reformationsgeschichte I—IV. 3, 172—190.

Eine Abhandlung Caspar Ammans. 4, 162—183. Drei Briefe von Philipp Gluenspiess aus Wittenberg 1522. 4, 409—413 [M].

Ein Spotigediobt aus Speier 1524. 5, 77—86. Aus Hans von Dolzigs Nachlaß. 6, 326— 349.

Briefe von Antonius Musa an Fürst Georg von Anhalt

Dietze, Drews,

1544—1547. 9, 23—78.

Georg Motschidler, ein neu entdeckter Flugschriften-

verfasser. 9, 277—279.

Reunionsvorschläge Georg Witzels von 1540. 10,

101—105.

Drei unbekannte reformatorische Lieder. 11, 290

bia 301.

Georg Witzel und Justus Jonas. 17, 132 152.

Der ProzeB des Johannes Pollicarius. 18, 63—74.

2 Lutherautograph im Privatbesitz in Nymwegen. , 1—4.

Georg Helts Briefwechsel. Ergb. II (VI, 150 S).

Paul Lutherana aus Altenburger Archiven. 16,

84—100.

Paul, Der Bericht des Mykonius über die Visitation

des Amts Tenneberg im März 1526. 3, 1—17.

Ernst, Heinrich. Ein unbekanntes handschriftliches Frag-

ment von Luthers Genesisvorlesung aus dem 16. Jahr- hundert. 16, 200 220.

Flemming, Paul s. Albrecht, Otto. Freytag, Hermann. Ein Stolper Ordiniertenverzeiehuis von

1574—1591. 10, 357 —372.

264

Friedensburg, Walter. Giovanni Morone und der Brief

N n

7 7

n

Sadolets an Melanchthon vom 17. Juni 1537. 1, 372—380.

Zwei Briefe des Petrus Canisius 1546—1547. 2, 396—403.

Zur Vorgeschichte des Interim. 4, 213—216 [M]. Zur Bestrafung Johann Friedrichs von Sachsen 1547. 5, 213—216 [M}

Zu Johann Fabris Eintritt in den Dienst Erzherzog Ferdinands 1523. 5, 314—316 [M].

Fünf Briefe Georg Witzels 1538. 1539. 1540. 1557. 6, 234—242.

Der Speirer Reichsabschied von 1526 und die reli- giöse Frage. 7, 93 - 95 [M].

Ein Verwendungsschreiben für Alfonso Diaz 1546. 7, 439 f. [M]

Zum Uebertritt Kurfürst Joachims II. 8, 134 [M].

Eine Streitschrift des Vergerio gegen das Trien- tiner Konzil 1551. 8, 323—333.

Zur ersten Festsetzung der Jesuiten in Bayern 1548 bis 1549. 9, 85—89 [M].

Aus den Zeiten des Interim. 9, 263—273. Vergeriana 1534—1550. 10, 70— 100.

Der Verzicht Karlstadts auf das Wittenberger

Archidiakonat und die Pfarre in Orlamünde (1524 Juni). 11, 69—72.

Melanchthon und die kurbrandenburgischen Städte 1547. 11, 228 f. [M].

Die Anstellung des Flacius lllyricus an der Uni- versität Wittenberg. 11, 302—309.

Ein Brief des Justus Menius (1547). 12, 76— 77 [M]. Aus den letzten Tagen des Kryptokalvinismus in Wittenberg (1589). 12, 296—300.

Ein englischer Spion in Wittenberg zur Zeit Luthers (1539). 14, 301—310.

Zwei Briefe Michael Stifels an Flacius. 16, 247 bis 251.

Ein Brief Aurifabers an Flacius (1549). 20, 62 bis 65 [M].

„Acontius*. 20, 175 [M].

Goetze, Alfred. Martin Butzers Erstlingsschrift. 4, 1—64. Erasmus Albers Anfänge. 5, 48— 68. Hasenclever, Adolf. Zur Geschichte Ottheinrichs von Pfalz-

Neuburg 1544. 1, 396—402.

Haußleiter, Johannes. Johann Aurifabers Trostheft für den

gefaißenen Kurfürsten Johann Friedrich (Frühjahr

265

1549) und Melanchthons Loci consolationis (1547). 16, 190—199.

Haußleiter, Johannes. Ein Stück der Genesisvorlesung Luthers in einer Greifswalder Handschrift. 17, 81 bis 91.

» » Das Rätsel der Gothaer Luther-Handschrift A 402

und seine Lösung. 19, 1—21. 81 105.

Hegler, Alfred. Beiträge zur Geschichte der Mystik in der Reformationszeit, hrsg. von Walter Köhler. Ergb. I

(220 S.). Heinemann, Otto. Die Himmelstädter Klosterordnung (1513). 9, 191—198.

Herrmann, Fritz. Mainz-Magdeburgische Ablaßkisten- visitationsprotokolle (1517—1518). 6, 361—384.

Hirseh, Emanuel. Melanchthon und das Interim. 17, 62— 66.

Jung, Rudolf. Die Aufnahme der Schrift des Cochleus ad- versus cuculatum minotaurum Wittebergensem in Wittenberg. 11, 65—68.

Kalkoff, Paul. Die Vermittlungspolitik des Erasmus und

sein Anteil an den Flugschriften der Reformations-

zeit. 1, 1—83.

Zu der Acta academiae Lovaniensis des Erasmus.

1, 194 [M].

Das erste „Plakat“ Karls V. gegen die Evangelischen

in den Niederlanden. 1, 279—283.

„„ Zu den römischen Verhandlungen über die Bestätigung Erzbischof Albrechts von Mainz 1514. 1, 381—396.

n Römische Urteile über Luther und Erasmus 1521. 9, 65—83.

» Der Humanist Hermann von dem Busche und die lutherfreundliche Kundgebung auf dem Wormser Reichstage vom 20. April 1521. 8, 341—379.

» » Die von Cajetan verfaüte Ablaßdekretale und seine Verhandlungen mit dem Kurfürsten von Sachsen in Weimar 28. und 29. Mai 1519. 9, 142—171.

Luthers Antwort auf Cajetanus Ablaßdekretale (30. Mai 1519). 11, 161—175.

Zur Entstehung des Wormser Edikts. 13, 241 276.

Friedrich der Weise, der Beschützer Luthers und des Reformationswerkes. 14, 249 262.

» Livin vou Veltheim, ein Vofkämpfer der katholischen Kirche in Norddeutschland. 15, 30—64.

Restliche Wünsche für die Anfangsperiode der Re- formationsgeschichte. 16, 129 143.

Kardinal Schiner, ein Mitarbeiter Aleanders auf dem Wormser Reichstage. 18. 81 120.

266

Kawerau, Gustav. Miscellaneen zur Reformationsgeschichte. I. Ein Sammelband aus der Bibliothek Georg Spalatins. II. Eine Widmung Luthers. III. Ein Lied auf die Verbrennung der Bannbulle. 6, 226—233.

Berichte vom Wormser Religionsgesprüch 1540. 8, 403 408.

Ein Brief Melanchthons von 1524. 10, 281—285.

» » Zur Frage nach der Zuverlässigkeit Jobann Auri- fabers als Sammlers und Herausgebers lutherischer Schriften. 12, 155—157.

Zwei Briefe aus den Tagen der lutherischen Ortho- doxie (1580 u. 1592). 12, 301—303.

„Die „Trostschriften“ als eine der ältesten Quellen für Briefe Luthers. 14, 187—204.

Aus dem Wittenberger Universitütsleben, 17, 1—10.

Klingner, E. Zu Grisars Auffassung von Luthers Aber- glauben. 10, 288 290.

Knoke, Karl. Ein Bild vom kirchlichen Leben Göttingens 1565. 2, 363—384.

Koch, Franz. Fünf Briefe des Professors der Theologie Franciscus Stancarus1551,1552u.1553. 8,403—410.

Herzog Albrechts von Preußen Konfession vom 13. Juli 1554. 5, 171—190. :

Köhler, Walther. Brentiana und andere Reformatoria. 9, 79— 84, 93—141. 10, 166—197. 11, 241—290. 13,228 239. 14, 143 152, 236 241. 16, 235— 246. 19, 149—153.

„ẽ Lutherbriefe aus der Zeit des Augsburger Reichs- tages. 14, 236—941. 8. Hegler, Alfred. Körner, Emil. Unbeachtete Briefstücke Luthers. 8, 395 39 7. Beiträge zu Luthers Tischreden. 11, 134—144. » Dietrich von Starschedel, ein Zeuge vom Wormser . Reichstage 1521. 14, 106—137.

Kolde, Theodor. Der Reichsherold Caspar Sturm und seine literarische Tätigkeit. 4, 117—161.

Koldewey, Friedrich. Eine deutsche Predigt des Caselius. 1, 337—354.

Kroker, Ernst. Rörers Handschriftenbände und Luthers Tischreden. 5, 337—374. 7,56—92. 8, 160—180.

Hat Tetzel den Ablaß zu seiner Bereicherung ge- mißbraucht? 14, 263—276. Luthers Arbeitsstube. 17, 301—315.

Kvačala, J. Wilhelm Postell. Seine Geistesart und seine Reformgedanken. 9, 285-330. 11, 200—227. 15, 157—203.

267

Längin, Theodor. Luthers Geburtshaus. 16, 252f [M]. Loesche, Georg. Zur Gegenreformation im Salzkammergut (1599). 3, 292 306.

„Die reformatorischen Kirchenordnungen Ober- und Inner österreichs. 17, 209—230, 277—300. 18, 35—62, 121—154.

Matthiessen, W. Theophrast von Hohenheim gen. Paracelsus: Zehn theologische Abhandlungen. 14,1—48,81 122. 15, 1—29, 125—156.

Meissinger, Karl August. Die Urkundensammlung des Brettener Melanchthonhauses. 19, 48—71. Meissner, Rudolf. „Ohne Hörner und Zähne.“ 3, 321—335. Mentz, Georg. Zur Geschichte der Packschen Händel.

1, 172—191.

» , Die Briefe G. Spalatins an V. Warbeck nebst er- " günzenden Aktenstücken. 1, 197—946.

Meyer, Eduard Wilhelm. Forschungen zur Politik Karls V. während des Augsburger Reichstages von 1530. 13, 40—73, 124—146.

Müller, Alfons Viktor. Der Augustiner-Observantismus und die Kritik und Psychologie Luthers. 18, 1—34.

Müller, Nikolaus. Zur Digamie des Landgrafen Philipp von Hessen. 1, 365—371.

„Die Wittenberger Bewegung 1521 und 1522. 6, 161—226, 261—325, 385—469. 7, 185—224, 233—993, 353—412. 8, 1—43.

Müller, Walther. Ein ungedruckter Brief Luthers an Kf. Johann Friedrich von Sachsen (1546). 10, 286f.

Nebelsieck. Vier Reformatorenbriefe aus dem Arolser Archiv. 20, 38—48.

Nutzhorn, Adolf. Ein Tafelbüchlein aus der Reformations- zeit. 15, 89—99 [vgl. Albrecht).

Pallas, Karl. Briefe und Akten zur Visitationsreise des Bischofs Johannes VII. von Meißen im Kurfürsten- tum Sachsen 1522. 5, 217—312.

Der Reformationsversuch des Gabriel Didymus in Eilenburg und seine Folgen 1522—1525. 9,347 —362. 10, 51— 69.

Urkunden das Allerheiligenstift zu Wittenberg be- treffend 1522 —1526. 12, 1—46, 81— 131.

von Pflugk-Harttung, Julius. Aus dem Lutherhause in Wittenberg. 8, 137—159. |

Reichert, Otto. Die letzten Arbeiten Luthers am Neuen Testament. 14, 205 235.

Reu, Michael. Ein lateinisch-deutscher Katechismus für die Schule zu Graz 1564. 12, 47—63.

268

Roth, Friedrich. Aus dem Briefwechsel Gereon Sailers mit den Augsburger Bürgermeistern Georg Herwart und Simprecht Hoser April—Juni 1541. 1, 101—171.

Zur Kirchengüterfrage in der Zeit von 1538— 1540. Die Gutachten Martin Bucers und der Augsburger Praedikanten Wolfgang Musculus und Bonifacius Wolfart über die Verwendung der Kirchengüter. 1. 299 336.

Zur Geschichte des Reichstags zu Regensburg 1541. 2, 250—307. 3, 18—64. 4, 65—98, 221—304.

„Der offizielle Bericht der von den Evangelischen nach Regensburg Verordneten 1546. 5, 1—30, 375—397.

Zur Verhaftung und zu dem Prozeß des Dr. rotaé Alfonso Diaz. 7, 413—438.

Sylvester Raid, der Brand-, Proviant- und spätere Rentmeister des Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach, und Georg Fröhlich, der Ver- fasser der „Historia belli Schmalcaldici“. 9, 1—22.

Zur Lebensgeschichte des Augsburger Formschneiders David Denecker und seines Freundes des Dichters Martin Schrot. 9, 189—230.

Schäfer, Ernst. Die älteste Instruktionen-Sammlung der spanischen Inquisition. 2, 1—55, 109—177.

Scholz, A. Bugenhagens Kirchenordnungen in ihrem Ver- hältnis zu einander. 10, 1— 50.

Sehornbaum, Karl Zum Tage von Naumburg 1561. 8, 181—214.

Aus dem Briefwechsel Georg Kargs. 16, 79—83.

„ẽé Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg und die Einigungsbestrebungen der protestantischen Stände 1556—1559. 17, 105—131, 161—182.

Zum Briefwechsel Veit Dietrichs. 19, 155 f. [M].

Die brandenburgisch-nürnbergische Norma doctrinae 1573. 19, 161—193. 20, 5— 37, 102—126.

Schottenloher, Karl. Johann Fabri in Rom nach einem Berichte Jakob Zieglers. 5, 31—47.

Schultze, Viktor. Waldeckische Visitationsberichte 1556. 1558, 1563, 1565. 2, 325 362.

Das Tagebuch des Grafen Wolrad II. von Waldeck zum Regensburger Religionsgespräch 1546. 7. 135—184, 294—347.

Spitta, Friedrich. Die Bekenntnisschriften des Herzogs Albrecht von Preußen. 6, 1—155.

Stern, Alfred. Ueber die Autorschaft des Dialogs Neu- karsthans. 8, 215—218 [M].

269

Stieda, an Jakob Schenk und die Universität Leipzig. , 73—101.

Stölzle, Remigius. Eine unbekannte Vorrede Melanchthons. 12, 132—136.

Gerard Geldenhauer, ein unbekannter Erziehungs- theoretiker der Reformationszeit. 14, 65 —77.

5 Johann Friedrich Coelestin als Erziehungstheoretiker. 16, 201—225. 16, 54 78.

Ein unbekanntes deutsches Lied des Paul Schede Melissus. 17, 41—46.

Stolte, Wilhelm. Die Supplemente zu Mag. Lorenz Fries Geschichte des Bauernkrieges in Ostfranken. 65, 191—212.

Stuhlfauth, Georg. Zum Passional Christi und Antichristi. 17, 71—73. 19, 151t [M].

Trefftz, Johannes. Karlstadt und Glitzsch. 7, 348 - 350 [M].

Tsehackert, Paul. Antonius Corvinus ungedruckter Bericht vom Kolloquium zu Regensburg 1541. 1, 84—97.

jh c A: Untersuchungen über Augustana-Handschriften. , 56—77.

Uekeley, Alfred. Johann Bugenhagens Gottesdienstordnung für die Klöster und Stifte in Pommern (Pia ordinatio eaeremoniarum) 1536. 5, 113—170.

Ulmann, Heinrich. Analekten zur Geschichte Leos X. und Clemens’ VII. 2, 178—185.

Vetter, Paul. Ein ungedruckter Brief des Justus Jonas 1537. 7, 121—134.

Das älteste Ordinationsformular der lutherischen Kirche. 12, 64—75.

Thomas Naogeorgs Flucht aus Kursachsen. 16, 1—53, 144—189.

Wahl, Adalbert. Beiträge zur Kritik der Ueberlieferung von Luthers Tischgesprächen der Frühzeit. 17, 11— 40.

Waldeck, Oskar. Die Publizistik des Schmalkaldischen Krieges. 7, 1—55. 8, 44 133. N

Wecken, Friedrich. Die Lebensbeschreibung des Abtes Clemens Leusser von Bronnbach. 8, 246— 322.

Wehrmann, Martin. Vom Vorabend des Schmalkaldischen Krieges (Juli 1546). 2, 190—200.

Von Bugenhagens Visitationstätigkeit in Pommern. 10, 350—356.

„Liborius Schwichtenberg, ein literarischer Gegner Bugenhagens. 12, 285 295.

Wendel, Carl. Eine vergessene Schrift Luthers? (1537). 2, 201—205.

270

Werminghoff, Albert. Die Epistola de miseria curatorum seu plebanorum. 13, 200—397.

Willkomm, Bernhard. Beitrüge zur Reformationsgeschichte aus Drucken und Handschriften der Universitäts- bibliothek in Jena. 9, 240—262, 331—316.

Winckelmann, Otto. Die Armenordnungen von Nürnberg (1522). Kitzingen (1523), Regensburg (1523) und Ypern (1525). 10, 242—280. 11, 1—18.

Wotschke, Theodor. Stanislaus Lutomirski. Ein Beitrag zur polnischen Reformationsgeschichte. 8, 105 171.

König Sigismund August von Polen und seine evangelischen Hofprediger. 4, 305 —312.

» » Zum Briefwechsel Melanchthons mit Polen (1557 bis 1560). 6, 350—357.

Zum Lebensbilde Laskis. 8. 233—345.

Ein Brief Aurifabers (1563). 10, 110 f. [M].

Der Petrikauer Reichstag 1552 und die Synode zu Koschmineck 1556. 11, 81—102.

„ẽ Ein dogmatisches Sendschreiben des Unitariers

Ocstorod (1591). 12, 137 154.

Wittenberg und die Unitarier Polens. 14, 123—142. 15, 65— 88.

s g Luthers Hauspostille polnisch. 14, 242 248.

Johann Laski und der Abenteurer Heraklid Basi- likus. 17, 47—61.

Georg Weigel Ein Beitrag zur Reformations- geschichte Altpreußens und Lithauens. 19, 32 —47.

„ẽ Ein Sammler von Melanchthonbriefen. 20, 65 f. [M].

Offener Brief an den Präsidenten des Augsburgischen Konsistoriums in Warschau Herrn J. Glass. 20, 1751. [M].

Der Briefwechsel der Schweizer mit den Polen.

Ergb. III (443 S.).

Zerener, Holm. Studien tiber das beginnende Eindringen der Lutherischen Bibelübersetzung in die deutsche Literatur, nebst Verzeichnis tiber 681 Drucke (Flug- schriften) der Jahre 1522—1525. Ergb. IV (X, 108 S.).

IL Systematisches Inhaltsverzeichnis.

1. Allgemeines und Vermischtes; Quellen.

Bossert, Gustav. Briefe aus dem 16. Jahrhundert. 19, 138—148.

371

Kawerau, Gustav. MiscellaneenzurBeformationsgeschichte. 6, 226 233.

Willkomm, Bernhard. Beiträge zur Reformationsgeschichte aus Drucken und Handschriften der Universitäts- bibliothek in Jena. 9, 240— 262, 831—346.

Nebelsieck. Vier Reformatorenbriefe aus dem Arolser Archiv. 20, 38 —48.

Nutzhorn, Adolf. Ein Tafelbüchlein aus der Reformations- zeit. 15, 89— 99.

Albrecht, Otto. Nachwort zu A. Nutzhorn „Ein Tafel- büchlein aus der Reformationszeit“. 15, 226— 229.

Hegler, Alfred. Beiträge zur Geschichte der Mystik in der Reformationszeit, hreg. von Walther Köhler. Ergb. I (220 S.).

Ulmann, Heinrich. Analekten zur Geschichte .Leos X. und Clemens’ VIL 2, 178—185.

Haußleiter, Johannes. Das Rätsel der Gothaer Lutherhand- schrift A 402 und seine Lösung. 19, 1—21, 81—106.

Albrecht, Otto und Flemming, Paul. Das sogen. Manuscriptum Thomasiamum veröffentlicht, 12, 205—935, 241 284. 18, 1—39,81— 123, 161—199, 277 —303.

Köhler, Walther. Brentiana und andere Reformatoria. 9, 79—84, 93—141. 10, 166—197. 11, 241— 289. 13, 228—239. 14, 143—152, 236—341. 16, 236—246. 19, 149—153.

Clemen, Otto. Aus Hans von Dolzigs Nachlaß (1519 1544). 6, 326—349.

von Pflugk-Harttung, Julius. Aus dem Lutberhause in Wittenberg. 8, 137—1569.

Meissinger, Karl August. Die Urkundensammlung des Brettener Melanchthonhauses. 19, 48— 71. Werminghoff, Albert. Die Epistola de miseria curatorum

seu plebanorum. 13, 200 227.

Clemen, Otto. Der dialogus bilinguium ac trilinguium. 1, 355—364.

Die Luterisch Strebkatz (1524). Mit Exkurs über Jakob Lemp. 2, 78 93.

Stern, Alfred. Ueber die Autorschaft des Dialogs Neu- karsthans. 8, 215—218 [M].

Clemen, Otto. Drei unbekannte reformatorische Lieder. 11. 290—301.

» Invietas Martini laudes intonent Christiani (1523 7). 2, 385 390. „Ein Spottgedicht aus Speier 1524. 5, 77—86. Meissner, Rudolf. „Ohne Hörner und Zähne“. 8,321— 335.

272

Vetter, Paul Das älteste Ordinationsformular der lutherischen Kirche. 12, 64—75.

Stuhlfauth, Georg. Zum Passional Christi und Anti- christi. 17, 71—73. 19, 154 f [M].

Behrend, Fritz. Die Leidensgeschichte des Herrn als Form im politisch- literarischen Kampf, besonders im Reformationszeitalter. 14, 49—64.

Herrmann, Fritz. Mainz-Magdeburgische Ablaßkisten- visitationsprotokolle (1517 - 1518). 6, 361—384.

Wotschke, Theodor. Der Briefwechsel der Schweizer mit den Polen. Ergb. III (443 S.).

Schäfer, Ernst. Die ältesten Instruktionen-Sammlungen der spanischen Inquisition. 2, 1—55, 109—177.

Kalkoff, Paul. L. Pastors „Leo X.“ vom Standpunkt der Reformationsgeschichte. 3, 199—204 [M].

Restliche Wünsche für die Anfangsperiode der Re-

formationsgeschichte. 16, 129 143.

Wotschke, Theodor. Offener Brief an den Präsidenten des Augsburgischen Konsistoriums in Warschau Herrn J. Glass. 20, 175. [M].

2. Geschichte in zeitlicher Folge.

Kalk off, Paul. Die von Cajetan verfaßte Ablaßdekretale und seine Verhandlungen mit dem Kurfürsten von Sachsen in Weimar den 28. und 29. Mai 1519. 9, 143—181.

Luthers Antwort auf Cajetans Ablaßdekretale (30. Mai 1519). 11, 161—175.

Das erste „Plakat“ Karls V. gegen die Evangelischen in den Niederlanden. 1, 279 283.

Die Vermittlungspolitik des Erasmus und sein An- teil au den Flugschriften der ersten Reformations- zeit. 1, 1— 83.

„Der Humanist Hermann von dem Busche und die luther freundliche Kundgebung auf dem Wormser Reichstage vom 20. April 1521. 8, 341—379.

Zur Entstehung des Wormser Edikts. 13, 241 276. Fr i edensbu rg, Walter. Der Speirer Reichsabschied von

1526 und die religiöse Frage. 7, 93—95 [M]. Mentz, Georg. Zur Geschichte der Packschen Händel.

1, 172—191. Becker, Hans. Zur Geschichte der Packschen Händel. 8, 398—402.

Bossert, Gustav. Zur Vorgeschichte des Reichstags in Augsburg. 9, 280 [M].

Köhler, Walther, Lutherbriefe aus der Zeit des Augs- burger Reichstages. 14, 236—241.

273

Meyer, Eduard Wilhelm. Forschungen zur Politik Karls V. während des Augsburger Reichstages von 1530. 13, 40—73, 124—146.

Tschackert, Paul. Neue Untersuchungen über Augustana- Handschriften. 2, 56—77.

Friedensburg, Walter. Giovanni Morone und der Brief Sadolets an Melanchthon vom 17. Juni 1537. 1, 372—380.

Roth, Friedrich. Zur Kirchengüterfrage in der Zeit von 1538—1540. Die Gutachten Martin Bucers und der Augsburger Praedikanten Wolfgang Musculus und Bonifacius Wolfart über die Verwendung der Kirchen- güter. 1, 299—3 46.

Kawerau, Gustav. Berichte vom Wormser Religions- gespräch 1540. 8, 403 —408.

Roth, Friedrich. Aus dem Briefwechsel Gereon Sailers mit den Augsburger Bürgermeistern Georg Herwart und Simprecht Hoser April bis Juni 1641. 1, 101 bis 171.

„Zur Geschichte des Reichstags zu Regensburg 1541. 2, 250—307. 3, 18—64. 4, 65—98, 221—304.

Tschackert, Paul. Antonius Corvinus ungedruckter Bericht vom Kolloquium zu Regensburg 1541. 1, 84—97.

Roth, Friedrich. Der offizielle Bericht der von den Evan- gelischen nach Regensburg Verordneten 1546. 5, 1—30, 375 —397.

Schultze, Viktor. Das Tagebuch des Grafen Wolrad Il. von Waldeck zum Hegensburger Religionsgesprüch 1546. 7, 135—184, 294—347.

Wehrmann, Martin. Vom Vorabend des Schmalkaldischen Krieges (Juli 1546). 2, 190—200.

Waldeck, Oskar. Die Publizistik des Schmalkaldischen Krieges. 7, 1—55. 8, 41—133.

Friedensburg, Walter. Zur Vorgeschichte des Interim. 4, 213—215 [M].

Aus den Zeiten des Interim. 9, 263—273. „Zur ersten Festsetzung der Jesuiten in Bayern 1548 bis 1549. 9, 85—89 [M].

Wotschke, Theodor. Der Petrikauer Reichstag 1552 und die Synode zu Kosehmineck 1555. 11, 81—102.

Schornbaum, Karl. Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg und die Einigungsbestrebungen der protestantischen Stände 1556—1559. 17, 105 131, 161 - 182.

„Zum Tage von Naumburg 1561. 8, 181—214.

Arobiv für Reformatiopsgeschicbte. XXI. 5/4. 18

274

Sehornbaum, Karl. Die brandenburgisch-nürnbergische Norma doctrinae 1573. 19, 161—193. 20, 5— 102 126.

Kawerau, Gustav. Zwei Briefe aus den Tagen der lutherischen Orthodoxie (1580 und 1592). 12, 301—303.

3. Einzelne Personen (alphabetisch).

a) Luther und der Wittenberger Kreis.

Friedensburg, Walter. Ein Brief Aurifabers an Flacius (1549). 20, 62—65. [M].

Haußleiter, Jobannes. Johann Aurifabers Trostheft für den gefangenen Kurfürsten Johann Friedrich (Frühjahr 1549) und Melanchthons Loci consolationis (1547). 16, 190—199.

Wotsehke, Theodor. Ein Brief Aurifabers (1563). 10, 110f. [M].

Kawerau, Gustav. Zur Frage nach der Zuverlüssigkeit Johann Aurifabers als Sammlers und Heraus- gebers lutherischer Schriften. 12, 155—167.

Scholz, A. Bugenhagens Kirchenordnungen in ihrem Verhältnis zueinander 10, 1— 50.

Uckeley, Alfred. Johann Bugenhagens Gottesdienst- ordnung für die Klöster und Stifte in Pommern (Pia ordinatio caeremoniarum) 1535. 5, 113—170.

Buchwald, Georg. Bugenhagens Katechismus- predigten. 17, 98 —104.

Clemen, Otto. Bugenhagensohe Trauformulare. 3, 84— 88.

Wehrmann, Martin, Von Bugenhagens Visitations- tätigkeit in Pommern. 10, 350—356.

Vetter, Paul. Ein ungedruckter Brief des Justus Jonas 1537. 7, 121—134.

Clemen, Otto. Georg Witzel und Justus Jonas. 17, 132 152.

Burkhardt, K. A. H. Zum ungedruckten Briefwechsel der Reformatoren, besonders Luthers. 4, 184—212.

Dietze, Paul. Lutherana aus Altenburger Archiven.

16, 84 100.

K oerner, Emil. Unbeachtete Briefstücke Luthers. 8, 395 397.

Wendel, Carl. Eine vergessene Schrift Luthers? (1537). 2, 201 205.

Köhler, Walther. Lutherbriefe aus der Zeit des Augsburger Reichstages. 14, 236—241.

275

Müller, Walther. Ein ungedruckter Brief Luthers an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (1545). 10, 286f.

Clemen, Otto. Ein Lu t h e r autograph im Privatbesitz in Nymwegen. 20, 1—4.

Kawerau, Gustav. Die „Trostschriften“ als eine der ältesten Quellen für Briefe Luthers. 14, 187—204.

Ernst, Heinrich. Ein unbekanntes handschriftliches Frag- ment von Luthers Genesisvorlesung aus dem 16. Jabrhandert. . 16, 200—220.

Haufleiter, Johannes. Ein Stück der Genesisvorlesung Luthers in einer Greifswalder Handschrift. 17, 81—91.

Albrecht, Otto. Zur Bibliographie und Textkritik des kleinen Lutherischen Katechismus 1, 247 bis 278. 2, 209—249. 3, 209—291.

Handsebriftliches zu Luthers Auslegung des Hohenliedes. 4, 306—312.

Reichert, Otto. Die letzten Arbeiten Luthers am Neuen Testament. 14, 205—235.

Zerener, Holm. Studien tiber das beginnende Eindringen der Lutherischen Bibelübersetzung in die deutsche Literatur, nebst Verzeichnis tiber 681 Drucke der Jabre 1522— 1525. E rg b. IV (X, 108 8.).

Koerner, Emil. Beiträge zu Luthers Tischreden. 11, 134—144.

Wahl, Adalbert. Beiträge zur Kritik der Ueberlieferung von Luthers Tischgesprüchen der Frühzeit. 17, 11— 40.

Kroker, Ernst. Rörers Handschriftenbände und Luthers Tischreden. 5, 337—374. 7, 56—92. 8, 160— 180.

Wotschke, Theodor. Luthers Hauspostille polnisch. 14, 242—248.

Albrecht, Otto. Kritische Bemerkungen zur Ueberlieferung der stammbuchartigen Buch- und Bibeleinzeichnungen Luthers. 14, 161—186.

Längin, Theodor. Luthers Geburtshaus. 16, 252f. [M].

Kroker, Ernst. Luthers Arbeitsstube 17, 301-316.

Kalkoff, Paul. Römische Urteile über Luther und Erasmus 1521. 3, 65—83.

» » Lutbers Antwort auf Kajetans Ablaßdekretale (30. Mai 1519). 11, 161—178.

Muller, Alfons Viktor. Der Augustiner-Observantismus und die Kritik und Psychologie Luthers. 18, 1—34.

Klingner, E. Zu Grisars Auffassung von Luthers Aber- glauben. 10, 288—290.

]8*

276

Bossert, Gustav. Drei Briefe Melanchthons. 17, 67—70.

Kawerau, Gustav. Ein Brief Melanchthons von 1524. 10, 281—285.

Stölzle, Remigius. Eine unbekannte Vorrede Me- lanchthons 12, 132—136.

Friedensburg, Walter. Giovanni Morone und der Brief Sadolets an Melanehthon vom 17. Juni 1537.

1, 372—380.

Haußleiter, Johannes. Johann Aurifabers Trostheft für den gefangenen Kurfürsten Johann Friedrich (Früh- jahr 1549) und Melanchthons Loci consolationis (1547). 16, 190—199.

Friedensburg, Walter. Melanchthon und die kur- brandenburgischen Städte 1547. 11, 228f. [M].

Hirsch, Emanuel. Melanchthon und das Interim. 17, 62—66.

Wotsoh ke, Theodor. Zum Briefwechel Melanchthons mit Polen (1557—1560). 6, 350—357.

Ein Sammler von Melanchthon briefen. 20, 651. [M].

Bossert, Gustav. Ein angeblicher Praeceptor Melanch- thons. 11, 228 [M]. l

Mentz, Georg. Die Briefe G. Spalatins an Veit War- beck nebst ergänzenden Aktenstücken. 1, 197—346.

b) Mitarbeiterund Anhänger der Reformation; Sektierer. Verschiedene.

Friedensburg, Walter. ,Aeontius". 20, 175 [M].

Goetze, Alfred. Erasmus Albers Anfänge 5, 48—68.

Koch, Franz. Herzog Albrechts von Preußen Konfession vom 13 Juli 1554. 5, 171—190.

Spitta, Friedrich. Die Bekenntnisschriften des Herzogs Albrecht von Preußen. 6, 1—156.

Clemen, Otto. Eine Abhandlung Caspar Ammans. 4, 162—183.

Bossert, Gustav. Dr. Johann Mantels Lebensende und der Eheprozeß des Michael Back und seiner Gattin. 12, 161—204.

» » Augustin Bader von Augsburg, der Prophet und

König, und seine Genossen, nach den Prozeßakten von 1530. 10, 117—165, 209—241, 297--349. 11, 19—64, 103—133, 176—199.

Wotschke, Theodor. Johann Laski und der Abenteurer Heraklid Basilikus 17, 47—61.

277

Clemen, Otto. Ein Brief von Johannes Bernhardi aus Feldkirch 18. März 1527. 1, 192—193.

Köhler, Walther. Brentiana und andere Reformatoria. 9, 79—84, 93 141. 10, 166—197. 11, 241—289. 13, 228-239. 14, 143—152, 236—241. 16, 235 bis 246. 19, 149—153.

Kalkoff, Paul. Der Humanist Hermann von dem Bus ohe und die lutherfreundliche Kundgebung auf dem Wormser Reichstage vom 20. April 16521. 8, 341 bis 379.

Goetze, Alfred. Martin Bucers Erstlingsschrift. 4, 1—64.

Bossert, Gustav. Bucers Vergleichsvorschlag an den Kurfürsten Jobann von Sachsen vom Januar 1531. 16, 221—234.

Roth, Friedrich. Zur Kirehengüterfrage in der Zeit von 1538—1540. Die Gutachten Martin Bucers und der Augsburger Praedikanten Wolfgang Musculus und Bonifacius Wolfart über die Verwendung der Kirehengüter. 1, 299—336.

Koldewey, Friedrich. Eine deutsche Predigt des Caselius. 1, 337—354.

Stólzle, Remigius. Johann Friedrich Coelestin als Erziehungstheoretiker. 15, 201—225. 16, 54—78.

Tschackert, Paul. Antonius Corvinus' ungedruckter Bericht vom Kolloquium zu Regensburg 1541. 1, 81 97,

Bahlow, F. Wer ist Nicolaus Decius? 4, 361—309.

Roth, Friedrich. Zur Lebensgeschichte des Augsburger Formschneiders David Denecker und seines Freundes des Dichters Martin Schrot. 9, 189—230.

Pallas, Karl. Der Reformationsversuch des Gabriel Didymus in Eilenburg und seine Folgen 1522 bis 1525, 9, 347—362. 10, 51—69.

Bossert, Gustav. Theobald Diedelhuber. 1à, 100 bis 107,

Sehornbaum, Karl. Zum Briefwechsel Veit Dietrichs. 19, 155 f. [M].

Bossert, Gustav. Judaeus Dulcius (1543). 7, 440 [M].

Berbig, Georg. Ein Gutachten über die Flucht der Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg aus dem Sehlosse zu Berlin (1528). 8, 380— 394.

Kalkoff, Paul. Römische Urteile über Luther und Erasmus 1521. 3, 65—83.

„„ Die Vermittlungspolitik des Erasmus und sein Anteil an den Flugschriften der ersten Reformations- zeit. I. 1—83.

278

Kalkoff, Paul. Zu den Acta academiae Lovaniensis des Erasmus. 1, 194 [M].

Friedensburg, Walter. Die Anstellung des Flacius Iilyrious an der Universität Wittenberg. 11, 302,

bis 309. Ein Brief Aurifabers an Flacius (1549). 20, 62 bis 65 [M]. Zwei Briefe Michael Stifels an Flacius. 16, 247—251.

Bossert, Gustav. Ein unbekanntes Stück aus dem Leben des Flacius. 20, 49—61.

Kalkoff, Paul. Friedrich der Weise, der Beschützer Luthers und des Reformationswerkes. 14, 249--262.

Stolze, Wilhelm. Die Supplemente zu Magister Lorenz Fries' Geschichte des Bauernkrieges iu Ostfranken.

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Roth, Friedrich. Sylvester Raid. und Georg Fröh- lich, der Verfasser der Historia belli Schmalcal- diei, 9, 1—22.

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Schornbanm, Karl. Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg und die Einigungsbestrebungen der protestantischen Stände 1556—1559. 17, 105 bis 131, 161 182.

Trefftz, Johannes. Karlstedt und Glitzsch. 7. 348 bis 350 [M].

Clemen, Otto. Drei Briefe von Philipp Gluenspiess aus Wittenberg 1522. 4, 409—413 [M].

Buchwald, Georg. Georg He lte Wíttenberger Predigt- tagebuch. 17, 183—208. 241—276.

Clemen, Otto. Georg Helts Briefwechsel. Ergb. Il (VI, 150 S.).

Friedensburg, Walter. Zum Übertritt Kurfürst Joachims Il. 8, 134 [M].

"Ie Zur Bestrafung Johann Friedrichs von Sachsen 1547. 5, 213—215 [M].

Haußleiter, Johannes. Johann Aurifabers Trostheft für den gefangenen Kurfürsten Johann Friedrich (Frühjahr 1549) und Melanchthons Loci consolationis (1547). 16, 190—199.

Schornbaum, Karl. Aus dem Briefwechsel Georg Kargs. 16, 79—83.

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Trefftz, Johannes. Karlstadt und Glitzsch. 7, 348 bis 350. [M].

Friedensburg, Walter. Der Verzicht Karlstadts auf das Wittenberger Archidiakonat und die Pfarre in Orlamtinde (1524 Juni). 11, 69—72.

Böhmer, Heinrich. Karlstadt in Tirol? 9, 274—276.

Bossert, Gustav. Küngold Bodenstein (Tochter K arlstadts). 17, 153 [M]

Berbig, Georg. Ein Brief des Ritters HansLantschad zu Steinach an Kurfürst Friedrich den Weisen 1620. 2, 391—395. |

Wotschke, Theodor. Zum Lebensbilde Laskis. 8, 233

bis 245. Johann Laski und der Abenteurer Heraklid Ba- silikus. 17, 47—61.

Weoken, Friedrich. Die Lebensbeschreibung des Abtes Clemens Leusser von Bronnbach. 8, 246—322.

Becker, Hans. Paul Lindenau. 10, 106 —109.

Wotschke, Theodor. Stanislaus Lutomirski. Ein Bei- trag zur polnischen Reformationsgeschichte. 3, 105 - 171.

Bossert, Gustav. D. Johann Mantels Lebensende und der Eheprozeß des Michael Back und seiner Gattin. 12, 161— 204.

Buchwald, Georg. Zur Mathesiusforschung. 20. 67 [M].

Friedensburg, Walter. Ein Brief des Justus Menius (1547). 12, 76—77. [M].

Clemen, Otto. Georg Motschidler, ein nenentdeckter Flugschriftenverfasser. 9, 277—279.

„Briefe von Antonius Musa an Fürst Georg von Anhalt 1544—1547. 9. 23—78.

Roth, Friedrich. Zur Kirchenguterfrage in der Zeit von 1538—1540. Die Gutachten Martin Bucers und der Augsburger Praedikanten Woligang Musculus und Bonifacius Wolfart über die Verwendung der Kirchengüter. 1, 299—336.

Drews, Paul. Der Bericht des My konicus über die Visitation des Amts Tenneberg im März 1526. 3, 1—17.

Vetter, Paul. Thomas Naogeorgs Flucht aus Kur- sachsen. 16, 1—53, 144—189.

Berbig, Georg. Das Testameut Nikolaus Nentwigs. 7, 225—227. [M].

Bossert, Gustav. Jodocus Neuheller (Neobulus),

Luthers Tischgenosse. 14, 277—300. Die dritte Gattin von Andreas Osiander. 12. 158—160. [M].

7

7

280

Wotschke, Theodor. Ein dogmatisches Sendschreiben des Unitariers Ostorod (1591). 12, 137—164.

Hasenelever, Adolf. Zur Geschichte Ottheinrichs von Pfalz-Neuburg 1544. 1, 396—402.

Matthiessen, W. Theophrast von Hohenstein gen. Para- celsus: Zehn theologische Abhandlungen. 14, 1 bis 48, 81—122. 15, 1—29, 195— 156.

Bossert, Gustav. Zur Charakteristik des Landgrafen Philipp von Hessen. 14, 152f [M].

Müller, Nikolaus. Zur Digamie des Landgrafen Philipp von Hessen. 1, 365—371.

Clemen, Otto. Der Prozeß des Johannes Pollicarius. 18, 63—74.

Kraéala, J. Wilhelm Postell. Seine Geistesart und seine Reformgedanken. 9, 385—330. 11, 200—227. 15, 157 203.

Roth, Friedrich. Sylvester Raid, der Brand., Proviant- und spütere Rentmeister des Markgrafen Albrecht Aleibiades von Brandenburg-Kulmbach, und Georg Fröhlich, der Verfasser der „Historia belli Schmal- ealdiei.^ 9, 1—22.

achwald, Georg. Ergänzungen zur Biographie des M, Stephan Reich. 5, 69—76.

Kroker, Ernst. Rórers Handschriftenbünde und Luthers Tisehreden. 5, 337—374. 7,56—92. 8, 160—180.

Roth, Friedrich. Aus dem Briefwechsel Gereon Sailers mit den Augsburger Bürgermeistern Georg Herwart und Simprecht Hoser April—Juni 1541. 1, 101—171.

Stölzle, Remigius. Ein unbekanntes deutsches Lied des Paul Schede Melissus. 17, 41—46.

Stieda, Wilhelm. Jakob Schenk und die Universität Leipzig. 20, 73— 101.

Roth, Friedrich. Zur Lebensgeschichte des Augsburger Formschneiders David Denecker und seines Freundes des Dichters Martin Schrot. 9, 189—230.

Wehrmann, Martin. Liborius Schwichtenberg, ein literarischer Gegner Bugenhagens. 12, 285 295.

Koch, Franz. Fünf Briefe des Professors der Theologie Fran- eiscus Stancarus 1551, 1552 und 1553. 3, 403 bis 410. l

Körner, Emil. Dietrich von Starschedel, ein Zeuge vom Wormser Reichstage 1521. 19, 106—137.

Friedeusburg, Walter. 2 Briefe Michael Stifels an Flacius. 16, 247—251.

Kolde, Theodor. Der Reichsherold Caspar Sturm und seine literarische Tätigkeit. 4, 117— 161.

281

Friedenmsburg, Walter. Vergeriana 1534—1550.

70—100. ane Streitschrift des Vergerio gegen das

Trientiner Konzil 1551. 8, 323 —333.

Mentz, Georg. Die Briefe G. Spalatins an Veit W ar b eo k nebst ergänzenden Aktenstücken. 1, 197—246.

Wotschke, Theodor. Georg Weigel. Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte Altpreufens und Lithauens. 19, 22 47.

Roth, Friedrich. Zur Kirchengüterfrage in der Zeit von 1538—4540. Die Gutachten Martin Bucers und der Augsburger Praedikanten Wolfgang Musculus und Bonifacius Wolfart über die Verwendung der Kirchengüter. 1, 299—336.

Sohultze, Viktor. Das Tagebuch des Grafen W olrad 11. von Waldeck zum Regensburger Religionsgespräch 1546. 7, 136—184, 294—347.

Sohottenloher, Karl. Johann Fabri in Rom nach einem Berichte Jakob Zieglers. 5, 31— 47.

» »

e) Gegner der Reformation.

Kalkoff, Paul. Zu den römischen Verhandlungen über die Bestätigung Erzbischof Albrechts von Mainz 1514. 1, 381— 395.

Die von Cajetan verfaßte Ablaßdekretale und seine Verhandlungen mit dem Kurfürsten von Sachsen in Weimar den 28. und 29. Mai 1519. 9, 142—171.

Friedensburg, Walter. Zwei Briefe des Petrus Canisius 1546—1547. 2, 396—403.

Jung, Rudolf. Die Aufnahme der Schrift des Cochleus adversus cucullatum minotaurum Wittebergensem in Wittenberg. 11, 65— 68.

Roth, Friedrich. Zur Verhaftung und zu dem Prozeß des Dr. rotae Alfonso Diaz 1546. 7, 413—438.

Friedensburg, Walter. Ein Verwendungssehreiben für Alfonso Diaz 1546. 7, 439f [M].

Arnecke, Friedrich. Ueber die Zusendung eines Buches Hieronymus Emsers durch den Leipziger Rat an den Bischof von Merseburg. 11, 145—147.

Schottenloher, Karl. Johann Fabri in Rom nach einem Berichte Jakob Zieglers. à. 31—47.

Friedensburg, Walter. Zu Johan» Fabris Eintritt in den Dienst Erzherzog Ferdinands 1523. 5, 314—316 [M].

Pallas, Karl. Briefe und Akten zur Visitationsreise des

282

Bischofs Johannes VIL von Meißen im Kur- fürstentum Sachsen 1522. 5, 217—312.

Clemen, Otto. Die Luterisch Strebkatz (1524) Mit Exkurs über Jakob Lemp. 2, 78—93.

Bossert, Gustav. Ein Brieffragment von Julius Pflug. 17, 231—235.

Kalkoff, Paul. Kardinal Sehiner, ein Mitarbeiter Aleanders auf dem Wormser Reichstage. 18, 81—120.

Wotschke, Theodor. König Sigismund August von Polen und seine evangelischen Hofprediger. 4, 329—350.

Kroker, Ernst. Hat Tetzel den Ablaß zu seiner Be- reicherung gemißbraucht? 14, 263—276.

Kalkoff, Paul. Livin von Veltheim, ein Vorkämpfer der katholischen Kirche in Norddeutschland. 15, 30—64.

Friedensburg, Walter. Fünf Briefe Georg Witzels 1538, 1539, 1540, 1557. 6, 234—242.

Clemen, Otto. Reunionsvorschläge Georg Witzels von 1540. 10, 101—105.

Georg Witzel und Justus Jonas. 17, 132—152.

4. Einzelne Länder und Orte. (Alphabetisch.)

Arnecke, Friedrich. Ein Augsburger Privatbrief aus der Reformationszeit (1530). 13, 154f [M].

Friedensburg, Walter. Melanchthon und die kur- brandenburgischen Städte 1547. 11,228f[M].

Pallas, Karl. Der Reformationsversuch des Gabriel Didymus in Eilenburg und seine Folgen 1522—1525. 9, 347—362. 10, 51—69.

Berbig, Georg. Die erste kursächsische Visitation im Ortsland Franken 1528/29. 3, 336—402. 4, 370—408. 5, 398—435.

Bauer, Karl. Der Bekenntnisstand der Reichsstadt Frankfurt a. M. 19, 194—251. 20, 197—174.

Bossert, Gustav. Die Wiedereinführung der Messe in Frankfurt a. M. 1535. 13, 147—163.

Knoke, Karl. Ein Bild vom kirchlichen Leben Göttingens 1565. 2, 363—381.

Reu, Michael. Ein lateinisch-deutseher Katechismus für die Schule zu Graz 1564. 12, 47— 63.

Heinemann, Otto. Die Himmelstädter Kloster- ordnung (1513). 3, 191—198.

Winckelmann, Otto. Die Armenordnungen von Nürn- berg (1522), Kitzingen (1523), Regensburg (1523) und Ypern (1525). 10, 242—280. 11, 1— 18.

283

Berbig, Georg. Ein Streitfall zwischen einem Koburger Bürger und einem Kaplan 1550. 9, 231—239.

Winckelmann, Otto. Die Armenordnungen von Nürn- berg (1522), Kitzingen (1523), Regensburg (1523) und Ypern (1525). 10, 242 280. 11, 1—18.

Loesche, Georg. Die reformatorischen Kirchenordnungen Ober- und Innerósterreicohs. 17, 209—230, 277—300. 18, 35—62, 191—154.

Stolze, Wilhelm, Die Supplemente zu M. Lorenz Fries’ Geschichte des Bauernkrieges in Ostfranken. 5, 191—212.

Wotschke, Theodor. Wittenberg und die Unitarier Polens. 14, 123—142. 15, 65—88.

Uckeley, Alfred. Johann Bugenhagens Gottesdienst- ordnung für die Klüster und Stifte iu Pommern (Pia ordinatio caeremoniarum) 1535. 5, 113 170.

Wehrmann, Martin. Von Bugenhagens Visitationstütigkeit in Pommern. 10, 350—356.

Winckelmann, Otto. Die Armenordnungen von Nürnberg (1522), Kitzingen (1523) Regensburg (1523) und Ypern (1525). 10, 242 280. 11, 1—18.

Clemen, Otto. Beiträge zursächsisehen Reformations- geschichte 1—IV. 3, 173—190.

Pallas, Karl. Briefe und Akten zur Visitationsreise des Bischofs Johannes VII. von Meißen im Kurfürsten- tum Sachsen 1522. 5, 217—312.

Berbig, Georg. Die erste kursächsische Visitation im Ortsland Franken 1528/29. 3, 336—402. 4, 270—408. 5, 398 —436.

Loesche, Georg. Zur Gegenreformation im Salz- kammergut (1599). 3, 292—306.

Freytag, Hermann. Ein Stolper Ordiniertenverzeichnis von 1574 1591. 10, 357—372.

Drews, Paul. Der Bericht des Mykonius über die Visitation des Amts Tenneberg im März 1526. 3, 1—17.

Schultze, Viktor. Waldeckis ohe Visitationsberichte 1556, 1558, 1563, 1565. 2, 325 362.

Clemen, Otto. Zur Einfuhrung der Reformation in Weimar 1525. 2, 186 189.

Müller, Nikolaus. Die Wittenberger Bewegung 1521 und 1522. 6, 161—226, 261—326, 385 469. 7, 185—294, 233 293, 353—412. 8, 1 49.

Pallas, Karl. Urkunden das Allerheiligenstift za Witten- berg betreffend 1522—1526. 12, 1—46. 81—131.

Kawerau, Gustav. Aus dem Wittenberger Universi- tätsleben. 17, 1—10.

284

Friedensburg, Walter. Ein englischer Spion in Wittenberg zur Zeit Luthers (1539). 14, 301 bis 310. |

Aus den letzten Tagen des Kryptokalvinismus in Wittenberg (1589). 12, 296 300.

Wotschke, Theodor. Wittenberg und die Unitarier Polens. 14, 193—142. 15, 65—88.

Winckelmann, Otto. Die Armenordnungen von Nürn- berg (1529), Kitzingen (1523), Regensburg (1523) und Ypern (1525). 10, 242—280. 11, 1—18.

III. Verzeichnis der abgedruckten Quellenstücke nach der Zeitfolge.

(1489—1540) Epistola de miseria curatorum seu ple- banorum. 13, 202—313; vgl. 214—226 [Wer- minghoff].

1505 September 9 Weimar. Kurfürst Friedrich und Herzog Johann von Sachsen an Zwickau usw. 3, 172 f. [Clemen].

1513 Februar 7. 11. Einträge in den Protokollen des Mainzer Domkapitels über den Ablaßkommissar Johannes Breidenbach. 6, 383 f. [Herrmann].

1513 Oktober 27 Kolbatz. Ordnung des Klosters Himmelstädt bei Landsberg a. W. 3, 194—198 [Heinemann].

1513/14; 1518/19; 1521/22. Aus den Rechnungen der Frauen- und der Sebastiansbruderschaft zu

Wittenberg. 6, 167—172 [N. Müller).

15156 Juli, Brüssel. Karl 1. König von Spanien an Papst Leo X. 2, 178 f. [Ulmann).

1517 Juni 30—1518 Juli 23. Mainz-Magdeburgische Ablaßkistenvisitationsprotokolle (Duderstadt, Frank- furt, Schwabach, Northeim, Osterode, Nordhausen, Mühlhausen, Heiligenstadt, Göttingen, Münden, Uslar, Hardegsen, Fritzlar). 6, 370—383 [Herrmann].

1517—1545. Georg Helts Briefwechsel (mit Fürst Georg von Anhalt, seit 1531, Nikolaus Hausmann, seit 1533, Stephan Rot, Joachim Canerarius, Franz Burkard, Caspar Cruciger, Veit Dietrich, Georg Major, Conrad Cordatus u. a. m.). 221 Nrr. Erg b. II, S. 1—142 [Clemen].

1517 August 3— 1526 Dezember 24 Grimma, Altenburg, Weimar, Torgau, Eisenberg,

286

Wittenberg, Kolditz, 0.0. 89 Briefe Georg Spalatins an Veit Warbeok 1, 198—246. [Mentz].

1618 Februar 27 London. Kardinal Thomas Wolsey Erzbischof von York an Papst Leo X. 2, 179[ Ulmann].

1518 Mai 28 Rom. Papst Leo X. an Kardinal Bibbiena. 2, 180 [Ulmann].

1518 Juli 20 Rom. Papst Leo X. an König Karl I. von Spanien. 2, 180 [Ulmann].

1518 August 11 Nantes. Unbekannter Ordensmann an Papst Leo X. 2. 180 [Ulmann].

1518 September 2 Ro m. Papst Leo X. an König Karl 1. von Spanien. 2, 180f. [Ulmann].

1518September 7 Rom. Papst Leo X. an König Franz I. von Frankreich. 2, 181 (Ulmann).

1518 November 10 Rom. Papst Leos X. Ablaßdekre- tale, verfaßt von Kardinal Cajetan (deutsche Fassung). 9, 168—171 [Kalkoff].

1519 Februar 7 Rom. Papst Leo X. an König Karl I. von Spanien. 2, 181 f. (Ulmann].

1519 Juni 11— 28. Zeitung zur Wahl Karls V. 6, 327 bis 330 [Clemen]. -

(1520) Livins von Veltheim, Propsts zu Hildesheim, In- struktionen für den Nuntius Aleander in Sachen der Propsteien Yon S. Bonifazius in Halberstadt und von S. Simon und Judas in Goslar. 15, 62—64 [Kalkoff].

41520 Oktober 24—26 Aachen) Aleanders Vor- entwurf zum Wormser Edikt. 18, 270 —274 [Kalkoff].

1520 Oktober 25 o. O. Ritter Hans Lantschad zu Steinach an Kurfürst Friedrich von Sachsen. 2, 394f. [Berbig).

(1520 Dezember) Entwurf des kaiserlichen Druck- verbots wider die Schriften der Neuerer. 13, 276f. [Kalkoff]. |

(Nach 1520 Dezember 10). Unbenanntes Lied auf die Verbrennung der Bannbulle durch Luther (Verf. Urban Rhegius?) 6, 232 f. [Kawerau].

1521. Ulrich Pinder an Veit Warbeck. 1, 199 [Mentz].

1521 Januar 5 u. 19. Zwei Zeitangen vom Wormser Reichstage. 6, 330—333 [Clemen].

(1521 etwa April) (Martin Butzer), Ein schöner Dia- logus und Gesprüch zwischen einem Pfarrer und einem Schultheiß ... 4, 6—30 (und 33— 41) [Goetze].

1521 Oktober 5 1522 März 27. Briefe und Aktenstücke betr. die kirchliche Bewegung in Witten- berg. 6, 172—226, 261—325, 385—469. 7,185 bis 193. 107 Nrr. [N. Muller].

286

1521 Oktober 14 ,ex pago meo*. Caspar von Sehwenekfeld an Johann Heß. Ergb. 1I, 216—218 [Hegler].

1522. Die Armenordnung der Stadt Nürnberg. 10, 258 bis 280 [Winekelmann] N-

(15 2 2) M. Gasparis Amman Vera expositio verborum Christi. 4, 167—180 [Clemen].

15232. (Caspar Amman?) Der Fels der christlichen Kirchen (Flugschrift). 4, 180—183 [Clemen]. |

(1522 Januar, Eilenburg.) Kosten für den Unter- halt der gefangenen Aufrührer. 10, 61 [Pallas]

1522 Januar 11 Eilenburg. Der Rat an Kurfürst Friedrich von Sachsen (betr. die kirchlichen Un- ruhen). 9, 359f. [Pallas].

1522 Januar 13(Petersberg). Johannes von Kanitz, Propst des Klosters auf dem Petersberge, an den Rat zu Eilenburg (die kirchlichen Unruhen betr.). 9, 360f. [Pallas].

1522 Januar 14 Alstedt Kurfürst Friedrich von Sachsen an Hugold von Einsiedel (die kirchlichen Unruhen betr.) 9, 361 f. [Pallas].

1522 Januar 15 Alstedt. Kurfürst Friedrich von Sachsen an Propst Johannes von Kanitz (Antwort auf 13. Januar). 9, 362 [Palfas].

1523 Januar 20 Mai 2. 39 Briefe und Aktenstüoke zur Visitationsreise des Bischofs Johann VII von Meissen im Kurfürstentum Sachsen. 5, 238—310 (dazu chronol. Verzeichnis 310—312) [Pallas].

(1522 vor Januar 25 Wittenberg). Gabriel Didymus an den Rat der Stadt Eilenburg (mahnt zur Kirchenreform). 10, 51—57 |Pallas).

1522 Februar 2 (Eilenburg). Hugolds von Einsiedel Aufzeichnung, was er dem Kurfürsten von Sachsen geschrieben. 10, 57f. [Pallas].

1522 Februar 16 Rom. Jakob Ziegler an Desiderius Erasmus. 3, 77—83 [Kalkoff].

1522 Februar 17 Lochau. Kurfürst Friedrich von Sachsen an Hugold von Einsiedel (betr. die gefangenen Aufrübrer u. a.). 10, 60f. [Pallas].

1522 Februar 24 Eilenburg. Hugold von Eibsiedel au Kurfürst Friedrich von Sachsen (betr. die gefaugenen Aufrührer u. a). 10, 58-60 [Pallas].

1522 Mai 15. Der Rat zu Leipzig an Bischof Adolf von Merseburg (betr. eine Schrift Emsers). 11, 146f. [Arnecke].

1522 Mai 28, Oktober 15, November 2 Witten-

287

berg. Philipp GluenspieB an Georg Reumer in Nürnberg. 4, 411—413 [Clemen].

(Nach 1522 Oktober 15). Zeitung tiber die Eroberung Kron- bergs u. a. Zeitbegebenheiten. 6,333— 335 [Clemen].

1592 Oktober 21 Erfurt. Luthers Predigt von Glauben und Werken, Nachschrift. 16, 84—90 [Dietze].

1522 Dezember 1 1526 September 1. Briefe und Akten das Allerheiligenstift zu Wittenberg betr. (54 Nrr.). 12,1—46. 81—131. [Pallas] Vgl. (1524 Dez. 24) und (1525 Herbst).

1523 Februar 6 (Konstanz). Toleramus des bischöf- lieben Offizials für die eheliche Verbindung von Matthaeus Encker und Agnes Diepolt. 12, 195—197 [Bossert].

1523 Mai 1. Armenordnung der Stadt Regensburg. 11, 8—13 [Winckelmann]

15233 Juli 5 Konstanz. Johann Fabri Vikar des Bist. Konstanz an Erzherzog Ferdinand von Oesterreich (Ein- tritt in dessen Dienst betr.). 5, 315 f. jFriedensburg).

1523 Juli 23 Wittenberg. Ein ausgetretener Pirnaer Mönch an den Prior Franz Särer in Pirna. 3, 174—176 [Clemen].

1523 September 10 Erfurt. Johannes Lang an Veit Warbeck. 1, 200f. [Mentz).

(1523) Oktober 1 (Wittenberg). Johann von Glauburg an Dr. Arnold von Glauburg in Nürnberg (Cochleus’ Schmähschrift gegen Luther). 11, 65 f. [Jung].

1523 November 11. Armenordnung der Stadt Kitzingen. 11, 1—8 [Winckelmann].

1523 Dezember 14 Neustadt a. O. Hieronymus Candelpbus an Veit Warbeck. 1, 202f. [Mentz]

(Zwischen 1523 und 1629). Bugenhagen, Form und weiße, zwu personen zu verehlichen fur einer gantzen gemeyne (Trauformular). 3, 85f. [Clemen].

(1524 Speier) (Johann Baders, Pfarrers zu Landau) Spottgedicht „Ausfürung der Christglaubigen aus Egyptischer finsterniss .. .“ (Einblattdruek). 5, 78 bis 83 [Clemen].

1524 April (?) (Eilenburg). Balthasars von Kanitz Vor- sehlag wegen Uebereignung der Pfarre zu Eilenburg an den Rat. 10, 67— 69 [Pallas],

1524 April 8 Burgos. Der General des Dominikaner- ordens an Papst Clemens VII. 2, 182f. [Ulmann].

1524 Mai 6und 1525 November 18 (Altenburg). Das Kapitel des Georgenstifts an Spalatin (und Warbeck). 1, 215 u. 229 |Mentz].

288

1524 Mai 25 Burgos. Kaiser Karl V. an Papst Clemens VII. 2, 184 [Ulmann].

1524 Mai 28 Burgos. Kaiser Karl V. an Papet Clemens VIL 2, 183 [Ulmann).

1524 Juni 8 Born. Andreas Karlstadt an Kurfürst Friedrich von Sachsen (Verzicht auf seine Pfründen). 11, 70f. [Friedensburg].

1524 Juni 10 und 11 Schweidnitz u. Lochau. Kurfürst Friedrich von Sachsen an Karlstadt und an Universität und Allerheiligenstift zu Wittenberg (Karl- stadts Verzicht). 11, 72 [Friedensburg).

(1624 Juni 14 17). Verlauf der Feier der Erhebung der Gebeine Bischof Bennos von Meissen. 6, 336 bis 338 [Clemen]. -

(1 5 24 0. Juli, Wittenberg) Philipp Melanchthon an Johann Memminger in Torgau (Mel. s Verhältnis zu Luther). 10, 283—285 (Kawerau]

1524 Juli 9 Burgos. Kaiser Karl V. an Papst Clemens VII.

2, 184 [Ulmann].

1524 Oktober 17. Der Nürnberger Rat bescheinigt die eheliche Abkunft Johann Erhards. Ergb. 1; 5 [Hegler].

1524 November 17,26. 1525 Januar 20. 15236 Januar 13. Kolditz, o. O. Vier Briele Georg Spalatins an Konrad Gerhard Dekan zu Altenburg. 1, 204—206, 210, 232f. [Mentz].

1524November29und1525 Januar 20, Alten- burg und o. O. Georg Spalatin an Heinrich von Bünau. 1, 207—210 [Mentz].

(1524 Dezember 24). Gottesdienstordnung für die Stiftskirche zu Allerheiligen in Wittenberg. 12, 111 bis 114 [Pallas].

(1525). 11 Supplemente zu Mag. Lorenz Fries' Geschichte des Bauernkrieges in Ostfranken 5, 198 212 [Stolze].

1525 Februar 10 und (vor März 29) 0.0. Georg Spalatin an das Kapitel zu Altenburg. 1, 210f. 213 [Mentz].

1525 April 24 Lochau. Georg Spalatip an Herzog Franz von Braunschweig. 1, 214 [Mentz].

1525 Mai 13 (Lochau). Georg Spalatin und Veit Warbeck an das Kapitel des Georgenstifts zu Altenburg. 1, 216—221 [Mentz].

1525 Juni 1 Eisenach. Lorenz Dietrich an Hans von Dolzig (Bauernkrieg betr.). 6, 338—340 [Clemen].

(1525 Herbst) Gottesdienstordnung für die Stiftskirche zu Allerheiligen in Wittenberg. 12, 184—129 [Pallas]

289

(1525 November) Armenordnung der Stadt Ypern (deutsche Uebersetzung). 11, 13—18 [Winckelmann].

1526 November 27 (Eilenburg) Genannte Bürger von Eilenburg an Kurfürst Johann von Sachsen (wider das Verhalten des Propsts vom Petersberge). 10, 62—65 [Pallas].

1525 November 29 Eilenburg. Der Rat an Kurfürst Johann von Sachsen (wider den Propst vom Peters- berge). 10, 65—67 [Pallas].

1526. Befestigungsbau der Stadt Wittenberg. 6, 340 bis 343 [Clemen].

1526. Bruchstücke dreier Briefe Lutbers (an Erasmus Alber?) (betr. die Schwärmer). 8, 395 397 [Körner].

1526. „Beschluß“ der Kirchenorduung von Schwübischhall, 9, 81f. [Köhler].

(1526). Zwei Gutachten Breuz’ betr. die Maßnahmen von Schwäbischhall wider die Bauern und die Einziehung von Kirchengut. 11, 283—286 [Kühler].

1526 Januar 2 (Wittenberg). Philipp Melanchthon an Veit Warbeck. 1, 232 [Mentz].

1526 Januar 17 (Altenburg). Konrad Gerhard Dekan des Georgenstifts an Georg Spalatin. 1, 234—237 [Mentz].

1526 März. Erste Kirchenvisitation des Amis Tenneberg durch Friedrich Mykonius. 3, 5—17 [Drews].

1526 März 17 Nördlingen. Theobaldus Billicanus an Dominicus (Sehleupner) 1, 241 [Mentz].

1527 Februar 5—6. Einzug König Ferdinands in Prag (Aufzeichnung Spalatins) 6, 343—345 [Clemen].

1527 März 18 Wittenberg. Johannes Bernhardi aus Feldkirch an Johann Lang. 1, 192 f. [Clemen].

1527 Juli, Rom. Papst Clemens VII. an Kaiser Karl V. 2, 184f. [Ulmann].

(1527 September). Brenz Ratschlag die Machtbefugnisse des Schwäbischen Bundes betr. 10, 176 182 [Kohler].

1527 November 6, Eintrag im Leipziger Ratsbuch betr. Johannes Tetzel. 14, 270 [Kroker].

1528 Februar 27 K'assel Landgraf Philipps von Hessen Visitationsvollmacht für Adam Kraft und Gen. 19, 54f. (Meissinger].

1528 März 7 Augsburg. Jochim Helm an Mag. Sebastian Weiß (die kirchliche Bewegung). 13, 154 f. [Arnecke].

1528 März 9 Weimar. Abschied zwischen Kurfürst Johann von Sachsen und Laudgraf Philipp von Hessen betr. die Gegenwehr wider das papistische Bündnis. 1, 173—180 [Mentz].

Archiv für Reformationsgeschichte. XXI. 3,4. 19

290

1528 etwaMürz 9 Weimar. Vereinigung der Nüm- lichen gegen etliche große Häupter, die sich wider sie verbunden haben, 1, 180—184 [Mentz].

(Naeh 1528M ürz). Gutachten (der Wittenberger Juristen und Theologen) über die Beweggründe der Flucht der Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg von ihrem Gemahl. 8, 384—394 [Berbig].

1528 April 30, Mai 2 Weimar. Handlung und Ab- schied des Kurfürsten Jobann von Sachsen und des Landgrafen Philipp von Hessen betr. ihre Vereinigung vom 9. März 1528. 1, 184—191 [Mentz].

1528 Oktober 1 Stuttgart. Die österreichische Regierung an die theologische Fakultät in Tübingen (die Irrlebrer betr.). 11, 19f. [Bossert].

1528 Novemberff. Erste kursächsische Kirchenvisitation im Ortsland Franken, durch Hitter Hans von Stern- berg, Pfarrer Nikolaus Kind zu Eisfeld, Prediger Balthasar Doringer zu Koburg und Kastner Paul Bader. 3. 354—402. 4, 370—408. 5, 398—435 [Berbig].

1529. Notel und Artikel uff den Speyerischen reichstag von dem grossen ausschus uff gemeine stende be- ratschlagt und geoffnet. 14, 145 f. [Köhler].

1529. Was auf dem stettag zu Speyr nach gehaltem reichstag des glaubens halb gehandelt ist worden. 14, 146 —148 [Köbler)].

1529. Supplicatio der auf dem Städtetag zu Speier ver- sammelten Reichsstädte an Statthalter und Regiment des kaiserlichon Glaubensmandats halber. 14, 148f.

[Kohler].

1529. Entschuldigung warum ein erbar Rat zu Hall sampt etlichen andernstenden des reichs uff dem Speyerischen reichstag nit protestirt hat. 14, 149—162 [Köhler].

1529Januaf3(?] und März 9 Wittenberg. Georg Major an Hieronymus Baumgartner in Nürnberg. 13, 280—254 [Albrecht u. Flemming).

1529 März 21 o. O. Kurprinz Johann Friedrich an Kurfürst Jobann von Sachsen (betr. Paul Lindenau u. a.). 10, 108f. [Becker].

1529 März 26 Wittenberg. Georg Major an Hiero- nymus Baumgartner in Nürnberg. 13, 299 [Flemming].

1529 Mai 6 Leipzig. Georg von Breitenbach an Herzog Georg von Sachsen. 3, 183f. [Clemen].

(Vor 1529 September 6). Unbenanntes Verzeichnus von dem brauch der zween sacramenten.“ 9, 118—129 [Köhler].

291

(Vor 1529 September 6). Unbenannte Thesen pro intellectu 6. capitis apud Johannem. 9, 130—133 [Köhler].

(etwa 1529 Oktober). Philipp Melanchthon an Andreas

Tricesius (den Abendmahlsstreit mii Zwingli betr.). 9, 246 f. [Willkomm].

1529 November 28 o. O. Augustin B:der von Augs- burg an Goldschmid Eucharius Martin in Ulm. 11, 20 - 22 |Bossert].

(1599/1530) Gutachten der Juristen und Theologen Nürnbergs in Ehesachen, erstattet an Markgraf Georg von Brandenburg. 11, 247-268 [Kobler].

(1589/1530?) (Brenz?) Gutachten über Ehebruch und

Hurerei und ihre Bestrafung. 11, 209f [Köhler].

(1529/15307) (Brenz?) Gutachten über die Folter und peinliche Befragung. 11, 270f. [Köblor;

1529/1530). Markgraf Georgs von Brundenl, urg Mandat gegen die heimlichen Ehegelübde der Kinder. 11, 272—274 [Köhler].

(1529/1530). Brenz Ratschlag über die Maßnahmen der Gemeinden i: Stadt und Land Hall (Schw::l,-chball) wider die Türken. 10, 168—173 [Kobler].

(1529/1530). Ein Mandat wider die widertaut:... ieh vor irem irthum zu verhutten. 9, 133f Kohls rl.

(1530?) Brenz, (Ordinatio in baptisandis pueris. 9 98—107 [Köhler |.

(1530). Ein kurtzer und clarer bericht von beiden sacra- menten [von Brenz 7]. 9, 135 141.

(1530). Melanchthons Einleitung und Schluß zur Augu-tana (bisher unbekannte Redaktion. 9, 251 2-7, 343— 345 [Willkomm].

(1530). Crueigers Entwurf einer Aufforderung zur Füris:tte für den Reichstag zu Augsburg. 9, 250 f. [Willkomm .

(1530 Rom) Papst Clemens VII. Bullen und Breven in Sachen der Wahl Ferdinands zum romischen Koig. 18, 140—146 [Mayer].

(1530 Augsburg?) Evangeliea doctrina de merito. 16. 241—246 [Köhler].

1530 Anfang Januar. Brenz’ Gutachten uber das Recht des Widerstandes gegen den Kaiser. 11, 287— 290 [Köhler]

(1530 zwisehen Januar 16 u. 23]. Sabina Bader an Obervogt zu Blaubeuren (Herausgabe ihrer Habe). 11, 22 [Bossert).

1530 Januar 23 und 30 Stuttgart. Die óstei- reichische Regierung an die Universität Tübingen (Personalien) 11, 23 u. 36f. [Bossert].

19*

292

1530 Januar 27. Augustin Baders erstes Bekenntnis. 11, 24—26 [Bossert].

1530 Januar 28. Der herzoglich sächsische Rat Hein- rich von Schleinitz an den kurfürstlichen Rat Anark von Wildenfels (btr. Dr. Otto von Pack). 8, 399 [Becker].

1530 Januar 29 Tübingen. Bericht des Vogts zu Tübingen über etliche Gefangene. 11, 28—30 [Bossert].

1530 Januar 29. Bekenntnisse der Wiedertäufer Oswald Leber, Gall Vischer und Hans Koeller. 11, 30— 35 [Bossert].

1530 Januar 30. Bekenntnisse Peter Millers vou Westerstetten und seiner Ehefrau. 11, 40—42, 42f. [Bossert].

1530 Januar 30. Der Vogt zu Nürtingen an die öster- reichische Regierung zu Stuttgart (Aussagen der Wiedertäufer). 11, 36 [Bossert].

1530 Januar 30. Der Rat von Ulm über das Bekenutuis des Eucharius Martin. 11, 38 - 40 (Bossert|.

1530 Februar 1 Stuttgart. Die österreichische Re-

gierung an die Amtleute zu Tübingen usw. (die

Kinder der Wiedertäufer betr.). 11, 44 [Bossert].

1530 Februar 1. Augustin Baders zweites Bekenntnis. 11, 44—49 [Bossert].

1530 Februar 2 und 6 Tübingen. Senatsbeschlüsse der Universität in Sachen des Prozesses Bader und Gen. 11, 49f. [Bossert].

1530 Februar 3 Stuttgart. Die österreichische Re- gierung an König Ferdinand (Bader u. Gen. betr.). 11, 50 —52 [Bossert].

1530 Februar 4 Innsbruck. Die oberüsterreichische Regierung an die Regierung in Stuttgart (die Wieder- täufer betr.). 11, 52f. [Bossert].

1530 Februar 6. Protokoll des Senats der Universitüt Tübingen (Vorbereitungen zum Augsburger Reichstag betr.). 9, 280 [Berbig].

1530 Februar 10 o. O. Die Vögte zu Tübingen an die Regierung in Stuttgart (die Wiedertüufer Leber und Gastel betr.). 11, 53 f. [Bossert].

1530 Februarl110.O. Phillipp von Gemmingen zu Für- feld an die Regierung zu Stuttgart (Oswald Leber betr.). 11, 54f. [Bossert].

1530 Februar 11 o. O. Der Untervogt zu Blaubeuren au die Regierung in Stuttgart (die gefangenen Frauen betr.). 11, 55 [Bossert].

293

1530 Februar 14. Der Rat von Augsburg an die Re- gierung in Stuttgart (Gall Vischer und Augustin Bader betr.). 11, 56 f. [Bossert].

1530 Februar 15. Gall Vischers Bekenntnis. 11, 57 bis 69 [Bossert].

1530 Februar 16. Hans Kellers Bekenntnis. 11, 59 bis 61 [Bossert].

1530 Februar 16 Stuttgart. Die Regierung an die Kurfürsten von Mainz und Pfalz (die Gefangenen von Lantern betr.). 11, 62 f. [Bossert].

1530 Februar 17 Heidelberg. Kurfürst Ludwig von der Pfalz an die Regierung in Stuttgart. 11, 631. [Bossert].

1530 Februar 18. Der Vogt zu Nürtingen an die Re- gierung in Stuttgart (betr. Vischer und Koeller). 11, 103 f. [Bossert].

1530 Februar 19(Innsbruok). Die oberösterreichische Regierung an die Regierung in Stuttgart (Bader betr.). 11, 105 [Bossert].

1530 Februar 19 Prag. König Ferdinand an die Re- gierung in Stuttgart (Einschreiten gegen die Wieder- täufer usw.). 11, 104f. [Bossert].

1530 c. Februar 2 0. Augustin Baders drittes Bekenntnis. 11, 106 109 [Bossert]. |

1530 Februar 21. Vögte zu Tübingen an die Re- gierung in Stuttgart (Oswald Leber und die Bauern 1525). 11, 110f. [Bossert].

1530 Februar 22. Gall Vischers Bekenntnis. 11, 111 bis 113 [Bossert]

1530 Februar 25 Kaufbeuren. Bürgermeister und Rat an die Regierung in Stuttgart (betr. Bader und Vischer). 11, 113—116 [Bossert].

(1530 e. März 1) Augustin Baders viertes Bekenntnis. 11, 119 f. Bossert].

1530 März 1 Eßlingen. Bürgermeister und Rat an die Regierung in Stuttgart (den Wiedertäufer Jo- achim Fleiner betr.) 11, 115 f. [Bossert].

(1530 März 1 EBlingen) Joachim Fleiners Urgicht. 11, 117 f. [Bossert].

1530 Mürz 2. Der Vogt zu Nürtingen an die Regierung in Stattgart (Wiedertäufer in Kaufbeuren). 11, 120 f. [Bossert].

1530 März 4 Augsburg. Dr. Hans Vaut an die Regierung in Stuttgart (Augsburger Tagung des Schwäbischen Bundes). 11, 121—124 [Bossert].

(1530 nach März 6) Anark von Wildenfels an Heinrich

294

von Schleinitz (Antwort auf Januar 28). 8, 400 f. [ Becker].

1530 März 9. Des Schwäbischen Bundestages zu Auge burg Ausschreiben an Stadt Ravensburg (betr. A. Bader usw.) 11, 125 f. [Bossert].

(1530 e. März 10. 11). Augustin Baders fünftes Be- kenntnis. 11, 128—133 [ Bossert].

1530 März 12. Der Vogt zu Nürtingen an die Regierung zu Stuttgart (Vischers und Koellers Bekenntnis betr.). 11, 176 f. [Bossert].

1530 März 14 (Zürich). Ehescheidungsurteil des Ehe- gerichts für Margarete Trinkler. 12, 197—199 [Bossert].

1530 März 15. 17. Der Vogt zu Ntirtingen an die Re- gierung in Stuttgart (Koellers Flucht). 11, 177 bis 179. 181 f. | Bossert].

1530 März 16 Tübingen. Der Uutervogt an die Regierung zu Stuttgart (die Bekenntnisse Lebers und Gastels betr.) 11, 179—181 [Bossert]

1530 März 18 Stuttgart. Die Regierung an Dr. Vaut (Antwort auf März 4). 11, 183 [Bossert].

1530 März 26 (Stuttgart). Die Regierung an König Ferdinand (Bader und Gen. betr). 11, 184f. [Bossert].

1530 Mai 15 Rom. Der kaiserliche Gesandte Miguel Mai an Staatssekretär Covos (gegen die Teilnahme des Kaisers am Reichstag). 13, 61 f. [Mayer].

1530 Mai 19 „ex comiciis nostris. Luther an Melanch- thon (Besuche. Befinden. Literarisches. Der Kaiser). 14, 238 f. [Kohler].

1530 Juni 2 (Veste Koburg). Luther an Melanch- thon. (Die Glaubensartikel. Befinden). 14, 239 [Köbler). |

1530 Juni 3 o. O. Melanchthon an Erzbischof Albrecht von Mainz (Religionsvergleichung). 17, 661. (S. 66 letztes Wort lies: Elvetii) [Bossert].

1530 Juni 14 Munchen. Kaiser Karl V. (Covos) an Garcia di Loaysa (die Reise naeh Augsburg) 18, 62 [Mayer].

(Nach 1530 Juni 25) Brenz, Quaestiones quaedam, quae circa cenam dominicam agitari queunt, et compendiose responsiones earum. 9, 110—115 [Köhler].

(1530 August? Augsburg). Entwürfe zu einer Ant- wort Kaiser Karls V. auf das pästliche Schreiben

296

vom 31. Juli 1530 (die Konszilsfrage). 18, 63—68 [Mayer].

1530 August2 Augsburg. Kaiser Karl V. an Loaysa (das Konzil betr.). 18, 62 f. [Mayer].

(1530 nach Mitte August, Augsburg). Aus den Beratungen des Vierzehner- Ausschusses am Reichs- tag tiber die Religionsvergleichung. 16, 236—239 [Köbler].

(1530 August 21 „exeremo“. Luther an Melanchthon (Befinden, literarische Arbeiten). 14, 2391. [Köhler].

(1530 September, Augsburg]. Melanchthon an den kaiserlichen Prediger Aegidius. (Entwurf). 16, 240f. (Köhler).

1530 September 23 Augsburg. Kaiser Karl V. an Juan Antonio Muxetula (Verwendung der Truppen vor Florenz betr.). 13, 68—71 [Mayer].

1530 Oktober 20 Augsburg. Kaiser Karl V. au Loaysa (die Bekämpfung der Ketzer und das Konzil). 18, 711. [Mayer].

1530 Oktober 21. Miguel Mai an Covos (Verhalten gegen die Kriegstreibereien an der Kurie). 13, 72

Mayer].

1530 Oktober21(Wittenberg). Luther an Kaspar Lindemann (Theologisches. Schrift gegen die Juden). 14, 2401. [Köhler].

1530 Oktober 27 Venedig. Der kaiserliche Gesandte Rodrigo Niüo an Miguel Mai (der Papst und der Protestantenkrieg). 18, 72f. [Mayer].

1530 Oktober 28 Rom. Miguel Mai an Kaiser Karl V. (Papst und Protestantenkrieg. 13, 73 [Mayer].

1530 Oktober 30 (November 1) Augsburg. Kaiser Karl V. an Miguel Mai. 13, 133—137 [Mayer].

1530 November 11 Augsburg. Kaiser Karl V. an Miguel Mai. 13, 137—139 [Mayer].

1530 Novemberl 7. 27. 29 Rom. Berichte Piedro's de la Cueva an Kaiser Karl V. und Covos. 18, 139f. [Mayer].

(1530—1532) Jakob Ziegler tiber Johann Fabri in der Schrift „Marsyae Satyri Chorus". 5, 36—47. [Sehottenloher ].

1531 Praefatio in epistolam ad Galatas ex ore Lutheri excepta, missa Joh. Brentio a Vito Theodoro ex Wittenberga. 17, 150—153 [Kohler].

1531. Zwei fernere Gutachten über die Frage des Wider- standsrechts gegen den Kaiser, aus Theologenkreisen. 18, 231—239 [Köhler].

296

1531 (Januar 29). Martin Butzer an Kurfürst Johann von Sachsen, kirebliche Vergleichsvorschläge. 16, 223—234 [Bossert].

1532 (AnfangSeptember,Wittenberg). Luther, Jonas und Melanchthon an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (Fürbitte). 4, 185 f. [Burkhardt].

1532 November 13, 1533 Januar 18, Februar 28, Mai 29 Mainz. Der Reichsherold Caspar Sturm au Christof Kreß von Kressenstein in Nürnberg. 4, 150—161 [Kolde]

1553 Januar 1 Graz. Bestallungsbrief für Bartholomaeus Pieca als Lehrer der städtischen Schule. 12, 61 bis 63 [Reu]..

1533 April18 Wittenberg. Veit Dietrich an Hierony- mus Baumgärtner in Nürnberg. 12, 244 f. [Albrecht und Flemming).

1533 Mai 5 o. O. Julius Pflug an (Erasmus?) (Ver- handlungen mit Steuchus u. a). 17, 233— 235 [Bossert].

1533 Oktober 22 Weimar. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen an Luther und Gen. (Stifel betr.) 4, 186. [Burkhardt].

1533 November 15 Kolditz. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen an Luther (Stifel betr.). 4, 186—188. [Burkhardt].

1534 Mai 11—22 (Wittenberg). Bugenhagens Katechismuspredigten. 17, 95—104 [Buchwald].

1534 Juli 20. 23. August 11. 18 Prag und Linz. Paolo Vergerio, Nuntius bei König Ferdinand, an Kardinal Bernhard von Cleß, Bischof von Trient (Türkensache: das nächste Konklave u. a.). 10, 71f. [Friedensburg].

1534 August26Wien. Leonhard von Vels an Kardinal Bernhard von Cleß (betr. Vergerio). 10, 73. [ Friedeusburg ].

1534 September 4 Magdeburg. Georg Major an Hieronymus Baumgärtner. 13, 299f. [Flemming].

1534 September9 Dresden. Johannes Cochleus an (Bischof Joh. Dantiseus von Kulm). 19, 143—145 [Bossert].

1534 Oktober 28. Ulmer Ratsprotokoll: Bürgerrecht für Sebastian Franck. Ergb. I, 114 (Hegler]. .

1534 November28 Wittenberg. Veit Dietrich an Hieronymus Baumgärtner in Nürnberg. 12, 246 bis 248 [Albrecht und Flemming].

1534 Dezember 3 Wittenberg. Veit Dietrich an

1534

297

Hieronymus Baumgärtuer. 12, 249 [Albrecht und Flemming).

Dezember 31 Kassel. Landgraf Philipp von Hessen an den Rat zu Ulm (betr. Sebastian Franck). Ergb. I, 114 (Hegler].

(c. 1535 1547). 43 undatierte Briefe Veit Dietrichs

an Hieronymus Baumgärtner in Nürnberg. 12, 276—284. 13, 1--32 (vgl. 32 35) [Albrecht und Flemming).

Angebliches Gutachten der Wittenberger für König Franz I. von Frankreich (von Brenz?). 10, 190 bis 192 [Köhler].

Johann Bugenhagens Gottesdienstordnung für die Klöster und Stifte in Pommern (Pia ordinatio caere- moniarum) lat. und deutsch. 5, 132 170 [Uckeley]. Januar2 Wittenberg. Veit Dietrich an Hiero- nymus Baumgürtner. 12, 250f. [Albrecht und Flemming).

Januar 19 Wittenberg. Veit Dietrich an Hieronymus Baumgärtner. 12, 255 f. [Albrecht und Flemming].

Januar 25. 29. März 3 Ulm. Ratsprotokolle betr. die Ausweisung Sebastian Francks. Ergb. I, 114f. [Hegler].

Mürz 23 Greifenberg in Pommern. Der Rat an Herzog Barnim von Pommern. (Bugenhagens Tätigkeit betr.). 10, 352—356 [Wehrmaun]. zwischen März und Juni Augsburg). Jörg Regel, Bürger zu Augsburg, an den Ulmer Hat (Fürbitte für Sebastian Franck). Ergb. I, 121f. [Hegler].

April16Magdeburg. Georg Major an Hiero- nymus Baumgärtner. 13, 300f. [Flemming]. Mai21 Wittenberg. Veit Dietrich an Hieronymus Baumgärtner. 12, 252 [Albrecht und Flemming]. Mai 22 Baruth. Benedikt Knorr, Pfarrer zu Zischt, an Luther und Jonas. 4, 188f. [Burkhardt]. Juni ? Ulm). Die Schulpfleger an den Rat, „warin sich Sebastian Franck zu erklären habe“. Ergb. I, 129—140 [Hegler].

Juni? Ulm) Martin Frecht über die bedenklichen Lehren in Sebastian Francks Paradoxa. Ergb. l, 123—129 [Hegler].

(1835 Juni? Ulm). Sebastian Franoks „Gruntliche An-

weiszung, erleuterung und declaration etlicher puncten. Ergb. I, 140--179 [Hegler].

298

(1535 vor Juni 16 Ulm.) Sebastian Franck an den Ulmer Rat: (zweite) Supplikation. Ergb. I, 116—121 [Hegler].

1535 Juni 16 Ulm. Ratsprotokoll betr. Seb. Franoks Supplikation. Ergb. I, 122f. [Hegler].

1535 Juni 23 Wittenberg. Veit Dietrich an Hiero- nymus Baumgärtner. 12, 253f. [Albrecht und Flem- ming].

(1535 n 40 h Juni, Ulm). Glaubensbekenntnis, das Seb. Franck aufstellen und drucken lassen soll. Ergb. I, 181—185 [Hegler].

1535 Juli 4 Ulm. Erklärung der Verordneten des Rats über Seb. Franeks Irrtümer (Auszug). Ergb. I, 180 [Hegler].

1535 August16 Mergentheim. Vergerio an Kardinal Bernhard von Clef (betr. das Konzilswerk). 10, 73 [Friedensburg].

(1535 nach September 3 Ulm) Franck an den Rat: Bittschrift. Ergb. I, 185f. [Hegler].

1535 Oktober 15 Ulm. Beschluß der Verordneten in Sachen Seb. Francks. Ergb. I, 187 [Hegler].

1535 Oktober 26 Ulm. Bernhard Besserers Bedenken betr. Seb. Franck. Ergb. I, 187—189 [Hegler].

1535 Oktober 29 (Nürnberg). Veit Dietrich an Hieronymus Baumgärtner. 12, 258f. [Albrecht und Flemming).

1535 November 6 Ulm. Ratsbeschluß auf Seb. Francks Bittschrift, Ergb. I, 190f. [Hegler].

(1536?) Veit Dietrich an Hieronymus Baumgärtner. 12, 266 [Albrecht und Flemming).

1536 Januar 28 Halle. Erzbischof Albrecht von Mainz an Kanzler Dr. Türk (Hans Sehenitz Handel). 19, 147 [Bossert).

1536 April 1 Torgau. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen an Landvogt Metsch (betr. Luthers Besoldung). 4, 189f. [Burkhardt].

1536 April 5 Wittenberg. Luther, Jonas und Bugen- hagen an Kurfürst Johann Friedrich (Fürbitte). 4, 190f. [Burkhardt].

1536 Mai 16, Juni 16, Juli 7, 15, 27 Rom. Zenobius Britius, Agent des Kardinals Bernhard von Clef, an die- gen 15 Konzilswerk; Vergerio). 10,73 - 75 Friedens- burg]. |

1536 Juni 11 Wittenberg. Luther und Bugenhageu (Zeugnis und Fürbitte). 4, 191f. [Burkhardt].

299

1536 Juni 14. Die Züricher Eherichter an Statthalter und 12 Richter der Stadt Tübingen (betr. Michel Buck und Margarete Trinkler). 12, 199f. [Bossert].

1536 Juni29 (Tübingen) Die 12 Urteilssprecher an Herzog Ulrich von Württemberg (betr. Margarete ` Trinkler. 12, 201—203 [Bossert].

(1536 Juli 7 Tübingen). Rektor der Universitüt an den Bürgermeister (den EheprozeB Back-Trinkler betr.). 12, 204 [Bossert].

1536 Juli 1 Stuttgart. Herzog Ulrich von Württem- berg an die 12 Urteilssprecher zu Tübingen (be- antwortet Juni 29), 12, 203f [Bossert].

(1536 vor Juli 7 Tübingen). Urteil des Ehegerichts über Margarete Trinkler und Michael Back. 12, 204 |Bossert].

(1536 August 24 Nürnberg). Der Propst zu S. Lorenz an Hieronymus Baumgärtner. 12, 260f. [Albrecht und Flemming).

(Vor 1536 August 26). Andreas Osiander au Veit Dietrich. 12, 261 f. [Albrecht und Flemming].

1536 August 29 (Nürnberg). Veit Dietrich an Hieronymus Baumgärtner. 12, 262f. [Albrecht und Flemming).

(Vor 1536 August 30). Andreas Osiander.an Veit Dietrich. 12, 264 vgl. 266 [Albrecht u. Flemming).

(Vor 1536 September 2). Veit Dietrich an Hiero- nymus Baumgärtner. 12, 264 f. [Albrecht u. Flemming].

(1537). Luthers Vermerke zur Verteilung vakanter Stipendien in Thüringen. 16, 99f.; vgl. 97—99 [Dietze].

(1537?) Veit Dietrich an Hieronymus Baumgärtner. 12, 275 [Albrecht und Flemmingl.

1537 April 6 Venedig. Der Pleban zu Pirano Ber- nardino de Preti an Girolamo Verallo, Nuntius in Venedig (seine Verurteilung durch Bischof Vergerio von Capodistria). 10, 75—79 [Friedensburg].

1537 April 24 Leipzig. Die herzoglich sächsischen Räte an Herzog Georg (betr. Johann Laski). 8, 2391. [Wotschke].

1537 Mai 4 Leipzig. Herzog Georg von Sachsen an Landgraf Philipp von Hessen (betr. Johann Laski). 8, 240f. [Wotschke].

1537 Mai 18, Eintrag im Leipziger Ratsbuch betr. Johannes Mühler, Pfarrer zu Kloster Mansfeld. 14, 273 [Kroker].

(1537) Juni 9 Augsburg. Martin Dutzer an die Prediger in Basel. 19, 140f. [Bossert].

300

1537 Juli 5 (Rom) Bernardino de Preti wird päpst- licher Kommissar für Istrien. 10, 77 [Friedensburg].

(Vor 1537 August 20]. Veit Dietrich an Baumgärtner. 12, 267 [Albrecht und Flemming].

(Nach 1537 August). Veit Dietrich an Dr. Magenbuch. 13, 279 [Albrecht und Flemming).

1537 Oktober 18 (Wittenberg). Justus Jonas an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen. 7, 124 bis 134 [Vetter].

1537 November 12 Mantua. Vergerio un Kardinal Bernhard von Cleß (geht nach Rom). 10, 77f. [Friedensburg].

1537 November 22 Rom. Kardinal Giacomo Sadoleto an Giovanni Morone, Nuntius beim römischen König. 1, 3754. [Friedensburg).

(1537/38?) Veit Dietrich an Hieronymus Baumgärtner. 12. 275 [Albrecht und Flemming).

(1538 Augsburg). Bonifazius Wolfarts und Wolfgang Musculus’ Bedenken der Kirehengüter halber. 1, 316 - 336 [Roth].

1538 Februar 12 Eisleben. Georg Witzel an den Nuntius Giovanni Morone (betr. literarische Pläne u. a.). 6, 234 236 (Friedensburg].

1538 Februar 22 Rom. Paolo Sadoleto an Giovanni Morone, Nuntius beim römischen König. 1, 377 [Friedensburg).

1538 März 25 Prag. Giovanni Morone an Paolo Sado- leto. 1, 379f. [Friedensburg.]

(1538 März 25 Prag) Giovanni Morone an Kardinal Giacomo Sadoleto. 1, 378f. [Friedensburg].

1538 Mai 14 Vicenza. Die designierten Konzilslegaten Campeggi, Simoneta und Aleander au Vizekanzler Kardinal Farnese (betr. Vergerio). 10, 78 Friedensburg].

1538 Mai 26 Nizza. Vizekanzler Kardinal Farnese an den Nuntius in Venedig (Vergerio und Antonio d'Elio betr.). 10, 78f. (Friedensburg].

1538 Juni 7 Nizza. Vizekanzler Kardinal Farnese an die Konzilslegaten Campeggi. Simoneta und Aleander (Vergerio betr.). 10, 79f. (Friedensburg].

1538 Juli 13 Vicenza. Pater Mattia Bertoldo an Kardinal Aleander (Bernardino de'Preti betr.). 10, 80 f. [Friedensburg).

1538 Juli 15 Ulm. Ratsbeschluß betr. Seb. Francke Ausweisung. Ergb. I, 190 [Hegler].

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(Nach

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301

Juli 17 Ulm. Ratsbeschluß über Schwenckfeld und Franck. Ergb. I, 191 [Hegler].

Juli 21 Georgenthal. Kurfürst Johann Fried- rich von Sachsen an Luther (Pfarrbesetzung). 4, 192f. [Burkhardt].

Juli 26 Ulm. Seb. Francks Eingabe an den Rat. Ergb. I, 191—195 [Hegler].

August 13 Ulm. Der 5 Verordneten Entscheid über Seb. FrancksSupplikation. Ergb. I, 195f. [Hegler]. 1538 August.13 Ulm). Der Schulpfleger „Ver- zeichnis“ in Sachen Seb. Francks (und Schwenck- felds). Ergb. I, 196—205 [Hegler].

August 16 0.0. Luther und andere Visitatoren an Kurfürst Johaun Friedrich von Sachsen (einen unwürdigen Pfarrer betr.). 4, 193—196 [Burkhardt]. September 23 Ulm. Der Verordneten Beschluß über die Entscheidung in Sachen Seb. Francks. Ergb. I, 205—207 [Hegler].

September 29 Lochau. Kurfürst Johann Fried- rich von Sachsen an Luther (Pfarrbesetzung betr.). 4, 195 [Burkhardt].

Oktober 11 und 18 Ulm. Ratsbeschlusse uber Seb. Franck. Ergb. I, 207f. [Hegler]. Dezember 18 o. O. Luther an Stelle Bugen- hagens (Verkauf von Kirchensilber betr.). 4, 196 [Burkhardt].

gegen Ende? Ulm) (Martin Frecht) über etliche ürgerliche Punkte in Seb. Franeks Büchern. Ergb. I, 208--213 [Hegler|.

Januar 1 Ulm. „Was auf Seb. Francken . .. gehandelt, er auch . . . zu antwort geben“. Ergb. I, 213—215 [Hegler].

Januar 4, /, Ulm. Ratsbeschlüsse tiber Seb. Francks Ausweisung. Ergb. I, 215f. [Hegler]. Mai 5 London. Franz Burkbard an Hans von Dolzig und an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen. 6, 345 f., 346f. [Clemen).

Mai 16 Venedig. Vergerio an Vizekanzler Kardinal Farnese (die Pension an A. d'Elio betr.). 10, 81—83 [Friedensburg].

Mai 20 und Juni 14 Leipzig und Neu- schloß. Georg Witzel an Johann Fabri, Bischof von Wien (Verfolgung durch Herzog Heinrich von Sachsen u. a.). 6, 236—238. [Friedensburg]. Mai 29 Torgau. Kurfürst Johann Friedrich von

302

1539

1539

Sachsen an Luther (Wiederanstellung eines: Pfarrers betr). 4, 196 [Burkhardt]. z

Juni 3 Tor gau. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen an Luther und Melanchthon (Verwendung des Job. Cellarius). 4, 197 [Burkhardt]. . Juni 23 Ulm. Martin Frecht, Prediger zu Ulm, an Sebastian Franck. Ergb. I, S. 97—99 [Hegler].

1539 (Ende Juni) Sebastian Franck an den Ulmer Rat

(Abschiedsschreiben) Ergb. I, 99-102 [Hegler].

1533 Juli 29 Torgau. Kurfürst Johann Friedrich von

Sachsen an Luther (Pfarrbestellung betr.). 4, 197f. [Burkhardt].

1539 August 25. Wildungen. Visitationsartikel für |

1539

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1540

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1540 (1540 1540

die Grafschaft Waldeck. 2, 328f. [Schultze]. November 12 Weimar. Kurfürst Johann Friedrieh von Sachsen an Luther (Verlegung der Univ. Wittenberg und Cruciger betr.). 4, 198f. [Burkhardt].

Dezember 26 Weimar. Kurfürst Johann

Friedrich von Sachsen an Luther und Bugenhagen (Pfarrbesetzung betr.). 4, 200 [Burkhardt]. Luthérs Vorrede zur Wittenbergér Neuausgabe der Epistola de miseria curatoram seu plebanoram. 13, 227 [Werninghoff].

Januar 2 (Wittenberg). Luther an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (Verwendung betr.). 4, 200—202 [Burkhardt].

Januar 19 Weimar. Kurfürst Johann Friedrich von Saehsen an Luther (Antwort auf 1540 Januar 2). 4, 202 [Burkhardt].

Januar 24 (Leipzig). Kaplan Johannes Mübl- stein an Fürst Georg von Anhalt (Wegnahme lutherischer Schriften). 14, 272f. [Kroker]. Februar 27. Juni 16. 1541 Juli 24 Sulza. Thomas Naogeorg an Kurfürst Johaun Friedrich und Herzog Johann Ernst von Sachsen. 16, 144 bis 149 [Vetter].

April 25 Wittenberg. Luther und Jonas an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen e 4, 202 f. [Burkhardt].

Mai 9 o. 0. Georg Witzels (?) kirchliche Reunions- vorschlüge. 10, 101—104 [Clemen].

zwischen Mai 9 und Juni 3.) Luther an den gemeinen Kasten zu Herzberg. 4, 203 f. [Burkhardt]. Juli 20 (Nachschr. August 6) Guimieges. Vergerio an Herzog Ercole II. von Ferrara (Aufent-

1540

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303

halt am französischen Hof. Deutsches.) 10, 84f. [Friedensburg].

November 7 und Dezember 2 Worms, Alexander Alesius an Kurfürst Joachim II. von Brandenburg (Berichte vom Wormser Gespräch). 8, 404—407 [Kawerau].

Dezember 7. ) Aus Tischreden Luthers (über Karlstadt). 11, 141 f. [Körner].

Dezember 1 Mainz. Georg Witzel an den Nuntius. Giovanni Morone (Frage der Rückgewinnung der Protestanten u.a). 6, 238—240. [Friedensburg]. Dezember 6 Worms. Alexander Álesius und Joannes Ludecus an Kurfürst Joachim II. von Branden- burg (vom Wormser Gespräch). 8, 407f. [Kawerau]. Dezember 8 Worms. Joannes a Vlatten und Konrad Heresbach an Herzog von Cleve (betr. Vergerio). 10, 84f. [Friedensburg].

(Zwischen 1540 und 1542) Mai 15 Basel. Sebastian

1541

1541 1541 (1541

1541

Franck ad inferiores Germaniae fratres (lateinisch). Ergb. I, 88—90 Hegler].

Februar 26 bis Juli 28 Regensburg und Augsburg. Reichstagsbriefwechsel zwischen den Gesandten der Stadt Augsburg, Wolfgang Rehlinger, Simprecht Hoser und Dr. Konrad Hel und dem Rate, den Geheimen und dem Bürgermeister Georg Herwart. 2, 276—307. 3, 18—64. 4, 65—98, 221—304 [ Roth].

Februar 28 Rorer tis Vergerio an Herzog Ercole II. von Ferrara (kirchliche Lage in Deutsch- land; Reichstag). 10, 85—87 [Friedensburg]. Februar28 Regensburg. Bernardus Urbanus an Herm. Crityserius, Klevischen Gesandten in Frankreich (betr. Vergerio). 10, 87f. [Friedensburg]. vor Ostern) Paulus Speratus Bischofs von Pomesanien Richtlinien für das von Johann Erhard abzulegende Bekenntnis. Ergb. I, 7—9 [Hegler]. April 12und Mai 9 Regensburg. Wolfgang Musculus an die Bürgermeister Herwart (und Seitz) von Augsburg. 3, 24f. 57—59 (Roth).

1541 April 26, Mai 6. 9. 17. 24/26. Juni2

1541

Regensburg. Gereon Sailer an Bürgermeister Herwart von Augsburg. 3, 42—44. 52—54. 59f. 4, 73. 76—80. 90—93 [Roth].

April 29 Wittenberg. Magisterzeugnis der philosophischen Fakulät zu Wittenberg für Stephan Reich. 5, 73f. [Buchwald].

304

(Nach 1541 Mai 2, Regensburg.) Antonius Corvinus an (seine hessischen Freunde und Anverwandte). 1, 92—96 [Tschackert].

1541 August 9 o. O. Paulus Speratus, Bischof von Pomesanien, an Johann Erhard (dessen kirchlichen Standpunkt betr.). Ergb. I, 11 [Hegler].

1541 September 17 und Oktober 4 Venedig. Der Nuntius Bischof von Chiusi an Bischof Vergerio von Capodistria (betr. dessen Zitation u. a.). \O, 88—90 [Friedensburg].

(1541 Ende Oktober oder Anfang November, Wittenberg. Philipp Schmidt Pfarrer zu Kahla an Luther. 4, 204f. [Burkhardt].

1541 November 10 Torgau. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen an Luther (Pfarrer von Kahla betr). 4, 205 [Burkhardt].

(1542?) Februar 7 Antwerpen. Brief ohne Absender und Empfünger tiber Verfolgung Evangelischer dort. 13, 292 f. [Albrecht und Flemming).

1542 März 24 Kahla. Thomas Naogeorg an die Sequestratoren in Thüringen und Franken. 16, 149 bis 153 [Vetter].

(Vor 1542 April 8). Veit Dietrich an Baumgärtner. 12, 2671. [Albrecht und Flemming].

1542 April 30 Riesenburg. Oeffentlicher Widerruf des Johann Erhard und seiner Frau wegen sakra- mentirischen Irrglaubens. Ergb. I, 19f. [Hegler].

1542 Juni29 Weimar. Kurfürst Jobann Friedrich von Sachsen an Luther, Bugenhagen und Melanchthon (Kriegszug gegen Hz. Heinrich d. J. betr.). 4, 205 bis 208 [Burkhardt].

1542 Juli 7 Wittenberg. Ordinationszeugnis der Wittenberger Geistlichen (Luther, Cruciger, Bugen- hagen) für Mag. Stephan Reich. 5, 74f. [Buchwald].

[1542 Mitte August]. Thomas Naogeorg an den kurfürstlichen Rat Kaspar von Teutleben. 16, 153f. [Vetter].

1542 Oktober31 Altenburg. Spalatin an den Stadt- rat (Beschwerden). 16, 91—93 [Dietze].

1542 November 13 Altenburg. Der Stadtrat (an Luther) über Spalatins Vorwürfe und Beschwerden. 16, 94—97 [Dietze].

(15437) Januar 20 Oldersem in Ostfriesland. Johannes von Bekeustein an Felix Rex Polyphemus in Königsberg. Ergb. I, 31—35 [Hegler].

1543 Januar 20. Abt Friedrich (Pistorius) und Veit

1543

(1543

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1543

1543

305

Dietrich an Hieronymus Baumgartner. 12, 269 Albrecht und Flemming].

ebruar23, 24Kahla. Thomas Naogeorg an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen. 16, 154 bis 160 [Vetter]. Anfang März Wittenberg). Melanchthons Bericht auf die Schrift von Rochlitz (über die Digamie Landgr. Philipps von Hessen). 1, 367—371 [Muller]. April 17 und 20. Einträge im Leipziger Rats- buch betr. Johannes Mühlstein. 14, 274 [Kroker]. April 23 (Wittenberg). Luther an Kurftrst Johann Friedrich von Sachsen (Superintendenten zu Braunschweig betr.). 4, 208f. [Burkhardt]. Mai2,7,Juli 17, August 21,24 (Witten- berg) Hieronymus Besold an Veit Dietrich in Nürnberg (5 Nrr) 13, 97—113 [Albrecht und Flemming]. Juni 8 (Wittenberg). Luther an Caspar von Mosen und Gen. (Jagdsache). 4, 209f. [Burkhardt].

1543 Juni 27 Leipzig. Jakob Schenck an Jörg von

1543

Karlowitz und Kanzler Simon Pistoris (wünscht bessere Wohnung). 20, 87 f. [Stieda|.

Juni 27 Venedig. Nuntius Mignanelli Bischof von Lucera an Vizekanzler Kardinal Farnese(Vergerio betr.). 10, 90 [Friedensburg].

1543 Juli 8 Königsberg. Felix Rex Polyphemus an

Paulus Speratus Bischof von Pomesanien. Ergb. I, 41—44 [Hegler].

1543 Juli 13 und 19 Leipzig. Jakob und Michael

Schenck an die Universität (Drucklegung ihrer Schriften). 20, 88f. und 89—95 [Stieda].

1543 Juli 17 Wittenberg (Lutherhaus). Johann

1543

1543

1543

Wilhelm Reiffenstein an Georg Reumer (Lutherbildnis betr.). 4, 413 [Clemen].

Juli 25 und August 2 Leipzig. Die Uni- versität an Herzog Moritz von Sachsen (Jakob Schenck betr.). 20, 96f. und 97 f. [Stieda].

August 9 Dresden. Herzog Moritz von Sachsen an die Universität Leipzig (Ausweisung der Brüder Schenck). 20, 99 [Stieda].

August 16. Jakobs und Michaels Schenck und Johannes Werlins Urfehden bei Ausweisung aus Leipzig. 20, 99—101 [Stieda].

1543 September 13 Frankfurt. Hieronymus Besold

1543

an Veit Dietrich. 13, 113f. [Albrecht u. Flemming). Oktober 7 (Wittenberg). Einladung zur

Archiv für Reformationsgeschichte. XXI. 5/4. 20

306

Doktorpromotion des Erasmus Alberus durch den theologischen Dekan (Luther). 17, 6f. (Kawerau).

1543 Dezember 20— 1544 Januar 14 Augs-

burg. Ratsdekrete betr. die Entlassung des Bürger- meisters Wolfgang Rehlinger aus dem Augsburger Bürgerrecht. 2, 270—275 [Roth].

1543 Dezember 28, 1544 Februar 3 (Witten-

1543,

(Etwa

berg). Hieronymus Besold an Veit Dietrich. 13, 116 —121 [Albrecht und Flemming). 1544. Aus Tischreden Luthers (über Herzog Moritz von Sachsen und den Meißnischen Adel). 11, 136, 137f., 139 [Körner].

1543 1544 Wittenberg). Leges sum- ptuariae der Universität. 17, 9f. [Kawerau].

(1544) Kanzler Gregorius Brück an Kurfürst Johann

1544 1544

1544

1544

Friedrich (die Anstellung des Flacius in Wittenberg betr.). 11, 308f. [Friedensburg].

Bartholomaeus Pieca's lateinisch- deutscher Katechis- mus für die Schule zu Graz. 12, 49-60 ıReu). Februar17 Verona. Ottonello Vida an Vergerio (Neuigkeiten). 10, 91f. [Friedensburg].

April 5— 1546 Oktober 13 Wittenberg. Hieronymus Besold an Veit Dietrich (16 Nrr.). 13, 161— 199 [Albrecht und Flemming).

April 17 —Juni 4, Speier und Wildbad. 16 Berichte Gereon Seilers an die Augsburger Bürgermeister Herwart und Hoser. 1, 104—171 [Roth].

Juni 30, Juli 16 Kahla. Thomas Naogeorg an Kurfürst Jobann Friedrich von Sachsen. 16, 160—162 [Vetter].

Juli 24—1547 Mai 3 Merseburg. Fünfzig Briefe des Antonius Musa an Fürst Georg von An- balt (betr. die Reformation im Merseburgischen. Zeitereignisse u. a.). 9, 25—75 [Clemen].

September 13 Allendorf. Johann Chryseus

an Hans von Dolzig (Uebertragung einer Tragödie des Naogeorg). 6, 347—349 |Clemen].

Eine Widmung Luthers. 6, 231 f. [Kawerau]. März 24 Freyberg. Dietrich von Starschedel an Jochem Faust berzogl. Sekretär in Dresden (Geldsache u. a.). 19, 130 f. Körner).

Mai 22 Torgau. Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen an Luther (Besuch der Filialen betr.). 4, 210f. [Burkhardt].

307

1545 Juni 13 (Wittenberg). Lutber und Melanchthon an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (Pfarr- besetzung betr.). 4, 211f. [Burkbardt].

1545 Juli 11. Aus Tischreden Luthers (die Weltlage). 11, 140f. [Körner].

1545 Juli 16 0.0. Martin Luther an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (Nikolaus Medler betr.). 10, 286f. [Müller].

(1545 August 4). Veit Dietrich an Hieronymus Baum- gärtner. 12, 269f. [Albrecht und Flemmiug]

1545 Dezember 5 - 1546 März 31. Graf Wolrads II. von Waldeck Tagebuch zum und vom Religions- gespräch in Regensburg. 7, 139—184, 294—347 [Sehultze].

1545 Dezember 26 Brescia. J.P.Ferretius Suffragan in Brescia an Giovanni della Casa, Nuntius in Venedig (betr. Vergerio). 10, 92 [Friedensburg].

(1545) Anklageartikel wider Thomas Naogeorg. 16, 173—175 [Vetter].

1546—1593. Schweizerisch Polnischer Theologenbrief- wechsel, 527. Nrr. (Abdrucke und Regesten). Ergb. III, 436 S. [Wotschke].

1546 Januar 13 Mantua. Vergerio an Herzog Ercole ll. von Ferrara (Theologisch-literarisches). 10, 921. [Friedensburg].

1546 Januar 27— März 12 Regensburg. Die evangelischen Verordneten zum Regensburger Ge- spräch an ihre Fürsten und Obern (offizieller Bericht). 5, 6—30, 375—397 [Roth].

1546 Februar 6 Augsburg. Wolfgang Musculus an Martin Frecht (Zeitlage). 20, 45f. [Nebelsieck].

1546 Februar 8 (Regensburg) und undatiert. Wolfgang Musculus an Martin Butzer (Religions- gespräch; Zeitlage). 20, 46—48 [Nebelsieck].

1546 Februar 1 Capodistria Girolamo Taddeo an (Nuntius in Venedig) (betr. Vergerio). 10, 93f. [Friedensburg].

1546 Februar 14 Nymwegen. Petrus Canisius an Johann Gropper, Domscholaster za Köln (mit Randglossen Jodocus Hoetfilters). 2, 400—402 [Friedensburg).

1546 März 10 Regensburg. Veit Dietrich an Johann Seubold (Stand der Verhandlungen in R.). 19, 155 f. [Schornbaum].

1546 März 15 ff. (Neuburg a. D.). Zeitung tiber die Ermordung des Joh. Diaz durch dessen Bruder Alfonso und des letzteren Flucht. 7, 433—438 [Roth].

A*

308

(e a. 1546 März 2 1). Veit Dietrich an Hieronymus Baum- gärtner. 12, 273f. [Albrecht und Flemming).

1546 März 29 Augsburg. Anton Fugger an Georg Hörmann (betr. Alfonso Diaz). 7, 418—421 [Roth].

1546 April 2 und 14 Sehwaz, Georg Hörmann an Anton Fugger (betr. Alfonso Diaz) 7, 482 425. 425—428 [Roth].

1546 April 10 Schwaz. Georg Hörmanns Aufzeichnung über seine Unterredung mit Alfonso Diaz. 7, 428 bis 433 [Roth]. !

1546 Juni 13 o. O. Justus Menius, Pfarrer zu Eisenach, an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (betr. Naogeorg). 16, 175—177 [Vetter].

1546 Juni 15, Juli 4 18 Kahla. Thomas Naogeorg an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen. 16, 162 - 168 [Vetter].

1546 Juli 11 Wittenberg. Moritz von Damitz an Herzog Philipp I. von Pommern-Wolgast. 2%, 192 bis 195 (Wehrmann].

1546 Juli 14 o. O. Johann Weber, Superintendent zu Neustadt a. O., an Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (betr. Naogeorg). 16, 181—183 [Vetter].

1546 Juli 18 Arnstadt, Moritz von Damitz an Herzog Philipp I. von Pommern-Wolgast. 2, 195 200.

1546 Juli 19 und November 26 Königsberg. Herzog Albrecht von Preußen an Gabriel Therla (betr. König Sigismund August von Polen). 4, 3431. [Wotschke].

1546 August 17 Oktober 14 Rom. Der päpstliche Sekretir Bernardino Maffeo an Antonio Elio (betr. Konzil und Vergerio). 10, 95 (Friedensburg].

1546 August 27 Weimar. Herzog Johaun Wilhelms von Sachsen Entscheidung in Sachen Naogeorgs. 16, 183 —189 [Vetter].

1546 August 28 o. O. Thomas Naogeorg an Herzog Johann Wilhelm von Sachsen. 16, 168 172 [Vetter].

1546 August30 Weimar. J. Menius und Martin Görlitz an Herzog Johann Wilhelm von Sachsen (betr. Nao- georg). 16, 177—179 [Vetter].

1546 September 26, Kaiserliches Lager. Kar- dinallegat Alessaudro Farnese an König Ferdinand (Alfonso Diaz betr.). 7, 438f. [Friedensburg)].

1546 November 20 Königsberg. Herzog Albrecht von Preußen an König Sigismund August von Polen. 4, 345 f. [Wotschke].

1546 November 20 Königsberg. Herzog Albrecht

309

ven Preußen an Thomas Sobocki (König Sigismund von Polen betr.). 4, 344f. [Wotschke)].

(1546) Dezember 1 Magdeburg. Georg Major an Hieronymus Baumgärtner. 13, 301f, [Flemming].

1546 Dezember 10 0.0. Johann Reinholt und Caspar Aquila an Dr. Teutleben (betr. Naogeorg). 16, 179 bis 181 [Vetter].

(1547) „Passion“ Kurfürst Johann Friedrichs von Sachsen. 14, 53—63 5

(1547 etwa Antfan p). Veit Dietrich an Hieronymus Baumgärtner (Kirchenbesetzungen usw.) 13, 351. [Albrecht und Flemming).

1547 Januar 1 Krakau. Thomas Sobocki an Herzog Albrecht von Preußen (König Sigismund von Polen betr). 4, 346 [Wotschke].

1547 Januar 16 und 26 Merseburg. Antonius | Musa an den fürstlich anhaltischen Leibarzt Wolt- gang Furmann (betr. die Belagerung von Leipzig

u. a.). 9, 75—78 [Clemen].

1547 (etwa Anfang Februar), Ulm. Petrus Canisius an Nikolaus Bobadilla. 2, 402f. [Friedensburg].

(1547 April bis Mai, Lager vor Wittenberg). Des Bischofs Anton Perrenot von Arras Gutachten über die Bestrafung des gefangenen Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen. 5, 214f. [Friedensburg].

(Vor 1547 Juni 16). Veit Dietrich an Hieronymus Baumgärtner. 12, 270 [Albrecht und Flemming).

1547 Juni 30. Veit Dietrich an Hieronymus Baumgärtner. 12, 271f. [Albrecht und Flemming).

1547 August 13 Petrikau. König Sigismund von Polen an Herzog Albrecht von Preußen (betr. Wilb. Skrzyniecki) 11, 100 (vgl. 101f.) [Wotschke].

1547 August 16 Halberstadt. Zeitung. 9, 2641. [Friedensburg].

1547 Oktober 13 (Gotha). Justus Menius an die Söhne des gefangenen Kurfürsten Johann Friedrich. 12, 76f. [Friedensburg]. |

(Vor 1547 Oktober 18). Veit Dietrich an Hieronymus Baumgärtner. 12, 272f. [Albrecht und Flemming).

1547 Dezember 2. Aus den „gemeinen Ausgaben“ des „gemeinen Hilfsgeldes“ der Kurbrandenburgischen Städte (betr. eine Gesandtschaft der Städte an Melanch- thon). 11, 229 [Friedensburg).

1547 Dezem ber 16 o. O. Herzog Albrecht von Preußen an Simon Loitz (betr. Johann Laski). 8, 241 [Wotschke].

1548 Oktober24Rom. Papst Paul III. an die Ceneräle

310

und Oberen der Bettelorden (Versehung der Universität in Ingolstadt). 9, 86f. [Friedensburg].

1548 Oktober 24 Rom. Papst Paul IIl. an Herzog Ernst von Bayern erw. Erzbischof von Salzburg (Ver- sehung der Universität in Ingoldstadt) 9, 86 [Friedensburg].

1548 Oktober 24 Rom. Papst Paul III. an Annibale Grisono (Ketzereien in Istrien). 10, 95 f. [Friedensburg ].

1548 Dezember 11 Bremen. Zeitung. 9, 266 [Friedensburg).

1548 Dezember 23 Speier Zeitung. 9, 266f. [Friedensburg].

(1549 Rom) Kardinalvizekanzler Alessaudro Farnese an Herzog Wilhelm von Bayern, drei Briefe (das Kommen der ersten Jesuiten nach Bayern betr). 9, 87—89 [Friedensburg].

1549 April 14 Wittenberg. Johannes Aurifaber an Matthias Flacius (Ursprung des Zerwürfnisses mit Melanchthon). 20, 63—65 'Friedensburg].

1549 Mai 2 Hildesheim. Zeitung. 9, 267—269 [Friedensburg).

1549 Mai 3 Capodistria. Genannte Bürger von Capodistria an Kardinal Ridolfi (die bevorstehende Bischofswahl). 10, 96—98 [Friedensburg].

1549 Mai 17 Halle. Zeitung. 9, 269f. [Friedensburg].

1549 Mai 18 Worms. Zeitung. 9, 270f. [Friedensburg].

1549 Mai 24 Mainz. Zeitung. 9, 271f. [Friedensburg].

1549 Mai 26 Osnabrück. Zeitung 9, 2724. [Friedens- burg].

1549 Juni 8 Rom. Matteo Dandolo, Gesandter Venedigs, an die Signorie (die Lutheraner in Capodistria). 10, 99 [Friedensburg].

1549 Juli 3Rom. Gesandter Ruggiero an Herzog Ercole II. von Ferrara (Absetzung des Vergerio). 10, 99 [Friedensburg].

1549 November 28 Poppen. Herzog Albrecht von Preußen an Hermann von Bommeln (betr. Johann Laski). 8, 241 1. [Wotschke].

1550. Philipp Melanchthons Vorrede zu Georg Lauterbecks deutscher Erziehungslehre. 12, 133—136 [Stölzle].

(1550. Klagebrief des Buchbindermeisters Wagener an Bürgermeister und Rat der Stadt Coburg wider den Kaplan Johann Bauerschniidt, der unzunftmäßig Buch- binderei treibt, nebst Rechtfertigungsschrift des Kaplans. 9, 235—239 [Berbig].

311

1550 Mai 5 Baden (Schweiz). Ascanio Marso an Fer- rante Gonzaga, kaiserlichen Statthalter von Mailand (betr. Vergerio) 10, 99f. [Friedensburg].

1550 Juni 1 o. O. Herzog Albrecht von Preußen an Johann Laski (betr. dessen Angelegenheiten) 8, 2421. [Wotschke].

1550 Juni 2 Petrikau. Bericht des königlich polnischen Sekretärs Bojanowski vom Reichstag. 11, 96f. [Wotsehke].

1550 Juli 3 Petrikau. Graf Audreas Gorka an Her- zog Albrecht von Preußen (betr. den Hofprediger Laurentius). 4, 346f. [Wotschke].

1550Juli 26 Augsburg. Herzog Johann Friedrich d. Ä. an gen. Amtsleute und Räte (gegen einen Be- freiungsversuch durch Zanberei. 19, 55—57 [Meissinger].

1550 August 23 Dresden. Superintendent Daniel Greser an Fürst Georg von Anhalt (Lutherautographen betr.). Ergb. II, 143 [Clemen].

1550 Dezember 11 Königsberg. Herzog Albrecht von Preußen an Johann Cosmius, Hofprediger König Sigismund Augusts von Polen. 4, 347 [Wotschke].

1551 März 12 Krakau. Johann Cosmius an Herzog Albrecht von Preußen. 4, 347—350 [Wotschke].

1551 Mai 11, 1552 März 17, Mai 28 Frank- furt a. O. Franciscus Stancarus an Joachim Mörlin, Domprediger in Königsberg. 3, 404—407 [Koch].

1551 August 20 (Königsberg). "Herzog Albrecht von Preußen an den Hofprediger Johannes Funck (betr. sein „Bekenntnis“). 6, 8f. [Spitta].

1551 (August20) Königs berg. (Herzog Albrechts von Preußen) Bekenntnis einer christlichen Person mit angehängtem Psalmengebet. 6, 9—14 [Spitta].

1551 Oktober 20 Bergell. P. P. Vergerio an Christoph Madruzzo Bischof von Trient (betr. die Zulassung der Evangelischen zum Konzil). 8,326 333[Friedensburg].

1552. (Herzog Albrecht von Preußen) Reimbekenntnis. 6, 15f. [Spitta].

1552 März 14. Lukas David an den herzogl. preußischen Kanzler Johann von Kreytzen (betr. den Reichstag zu Petrikan). 11, 82—87 [Wotschke].

1552 September 20 Frankfurt a O. Franciscus Stancarus an Peter Hegemon (Herzog), Prediger in Königsberg. 3, 407—408 [Koch].

1552 Oktober 12 Gilgenburg. Georg Israël und Matthias Czerwenka an Hofprediger Funck (die polnische

312

Ausgabe des Brüdergesangbuchs betr.). 11, 99f. [Wotschke).

1553 Mai 8 Krakau. Der polnische Sekretär Bojanowski an Herzog Albrecht von Preußen (die kirchlichen Streitigkeiten betr.). 11, 97f.

1553 Mai 10 Frankfurt a. O. Franciscus Stancarus an

Dr. med. Joh. Placotomus (Brettschneider) in Danzig. 8, 409f. [Koch].

(1553 vor Dezember 6). Joh. Aurifabers Gutachten tiber die ,Hauptkonfession* Herzog Albrechts von Preußen. 6, 61—75 [Spitta].

1553 Dezember 6 0.0. Herzog Albrechts Antwort auf Aurifabers Gutachten. 6, 76—82 [Spitta].

(1553— 1554). Herzog Albrechts von Preußen „Haupt- bekenntnis“: die 2 ältesten Fassungen. 6, 30—41; 41—61 [Spitta]. '

1554. Aus einer theologischen Abhandlung Johann Forsters d. A. 19, 146f. [Bossert].

1554 Januar 22 o. O. Herzog Albrechts von Preußen Aufsatz über die Justifikation. 6, 83—85.

(1554 vor Juli 6). Herzog Albrechts von Preußen „Haupt- bekenntnis“: dritte Fassung. 6, 85—101 (Spittal.

1554 Juli 6 Königsberg. Herzog Albrechts von Preußen „Hauptbekenntnis“: vierte Fassung. 6, 101 bis 125 [Spitta]. `

1554 Juli 9 Königsberg. Michael Stifel an Matthias Flacius. 16, 248f. [Friedensburg].

1554 Juli 13 Königsberg. Herzog Albrechts von Preußen Konfession. 5, 173—190 [Koch].

1554 August 15 Labiau. Herzog Albrecht von Preußen an Hofprediger Johannes Funck (seine „Konfession“ betr.). 6, 126— 128 [Spitta].

1554 September 24 Königsberg. Herzog Albrechts von Preußen Synodalabschied. 6, 128—130 [Spitta).

1555. Petrikauer Bekenntnis (der gesanthen auffgelegte con- fession von wegen jres christlichen glaubens) 3, 142—147 (Wotschke].

1555 März 16 Nidda. Johannes Pistorius an Graf Wolrad II. von Waldeck (betr. die Teilnehmer am Religionsgesprüch von 1546 und Zeitereignisse). 20, 38—44 [Nebelsieck].

1555 April 14 Bruck. Michael Stifel an Matthias Flacius. 16, 249—261 [Friedensburg).

(1555 April 22— Mai 9). Bericht über den Petrikauer Reichstag. 3, 147—161 [Wotschke].

1555 Mai 15. 28, Juni 7, 26 Petrikau und

313

Soldau. Der preußische Gesandte Asverus Brandt an Herzog Albrecht von Preußen. 3, 151—156 [Wotschke].

1555 August 11 Königsberg. Herzog Albrechts von Preußen Mandat (betr. die Rechtfertigungslehre). 6, 130—134 [Spitta].

1555 September 13 Königsberg. Hofprediger Funck an Herzog Albrecht von Preußen (die Synode der böhmischen Brüder zu Koschminek betr.). 11, 87 bis 96 [Wotschke|.

1555 Oktober 7 Nürnberg. Hieronymus Baumgärtner an Joh. Brenz. 12, 229f. [Albrecht und Flemming).

1555 Oktober 15 Stuttgart. Johann Brenz an Hiero- nymus Baumgärtner iu Nürnberg. 12, 231 [Albrecht und Flemming).

1555 Dezember 25 Stettin. Jakob Runge an Hiero- nymus Baumgärtner. 13, 287f. [Albrecht und Flemming).

1556. Erste Waldecksche Kirchenvisitation durch Justus Monachus und Jonas Trygophorus. 2, 329—331 Schultze].

1556 Wittenberg. Johannes Caselius' christliche Ver- mahnung von der Geburt Jesu Christi (Predigt). 1, 345—354 |Koldewey |.

15656 Januar 4 und Sept. Königsberg. Herzog Albrecht von Preußen an Stanislaus Lutomirski. 3 156 f., 161 [Wotschke).

1556 Januar 20 Warschau. König Sigismund Augusts von Polen Mandat gegen Stanislaus Lutomirski. 3, 1571. [Wotsehke].

1556 Juli 3. Hofprediger Johannes Funck an Herzog Albrecht von Preußen (betr. Nostitz und Aurifaber). 6, 17—19 [Spitta].

1556 August 17,1557 Januar 16, 1558 Januar 28. Stanislaus Lutomirski au Herzog Albrecht von Preußen. 3, 158--161, 161f., 162f [Wotschke].

(1556/15657). Herzog Albrechts von Preußen „Gebet- bekenntnis“ auf Grund des 71. Psalms (eigene Nieder- schrift und Bearbeitung durch Funck nebst Fs. „Fantasey“). 6, 134—147 Spittal.

1557 Januar 15, September 18, 1558 Sep- tember 12, 1559 Juni 1, November 13, 1560 März 11. Briefe der Polen Adrian Chel- micki, Graf Raphael von Lissa, Johann Solikowski, Anselm Ephorinus, Albert Laski, Niholaus Olesznicki an Philipp Melanchthon. 6, 351—357 | Wotsehke].

7

314

(15567) April 23 Wilna. Heraklid Basilikus an Herzog Albrecht von Preußen (betr. H. Laski u. a.). 17, 50f. [Wotschke].

1557 August 3 und September 10 Worms. Dr. Werner Eisen an Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg (vom Kolloquium). 17, 161—164 [Schornbaum].

(1557) August 28 (Worms) Melanchthon an Dr. Mor- schein (kirchliche Uneinigkeit). 17, 69f. [Bossert].

1557 September24(?) und 26 (Worms). Verhand- lungen der evangelischen Stiinde mit dem Präsidenten des Kolloquiums. 17, 169—171 [Schornbaum].

1557 September 28 (Worms). Antwort der evangelischen Stände au den Präsidenten des Kolloquiums. 17, 173f. [Schornbaum].

1557 Oktober 25 Heidelberg. Dr. Werner Eisen au Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg (das Wormser Kolloquium betr.). 17. 161-169 [Schornbaum].

1557 Oktober 28 Königsberg. Herzog Albrecht von Preußen an lleraklid Basilikus (nebst undatierter Antwort). 17, 51f. [Wotsehke].

1557 Oktober 29 Ansbach. Statthalter zu Ansbach an Dr. Werner Eisen. 17, 174—176 [Schornbaum].

1557 Dezember 4 Worms. Georg Witzel au Kardinal Otto Truchseß, Bischof von Augsburg (betr. Wormser Kolloquium). 6, 240—242 [Friedensburg].

(1558) Georg Karg an Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg (Bedenken über den Frankfurter Ab- schied). 17, 176f. [Schornbaum].

1558 Aus den „Urgiebten“ (Verhören) des Sylvester Raid von Augsburg (betr. seine Verhandlungen in Frank- reich 1554). 9, 9- 11 f Roth].

1558 Aus den „Urgichten“ (Verhören) des Sylvester Raid von Augsburg (betr. Georg Fröhlieh). 9, 18—20 [Roth].

1558 Januar 2 und 3 Krakau. Heraklid Basilikus au Herzog Albrecht von Preußen (für Laski's kirchen- politische Pläne). 17, 53f, 54 f. [ Wotschke].

1558 April 24 Danzig, Konstantin Ferber an Herzog Albrecht von Preußen (betr. Johann Laski). 8, 243 | Wotsehke].

1558 Mai 12 Warmbrunn Markgraf Johann an Kurfürst Joaehim von Brandenburg (den Frankfurter Abschied betr.). 17, 178--182 [Schornbaum].

1558 Juni 16 und 1559 Februar 17. lusterburg und Königsberg. Herzog Albrecht von Preußen an Johann Laski. 3. 165 --166 [Wotschkel.

315

1558 Juni25 Insterburg. Herzog Albrecht von Preußen an Konstantin Ferber (betr. Johann Laski) 8, 244 [Wotschkel.

1558 Juli 17 o. O. Herzog Albrecht von Preußen an Konstantin Ferber (betr. Johaun Laski). 8, 244f. [Wotschke].

1558 August 23 bis September 15. Zweite Wal- deck’sche Kirchenvisitation, durch Justus Monachus und Jonas Trygophorus. 2, 331—336 [Schultze].

(1559) Bittschrift der Mutter und Frau David Deneckers von Augsburg an Kaiser Ferdinand I. um Begnadigung des gefangenen D. 9, 229f. [Roth].

1559 und 1564. Die an David Denecker von Augsburg bei den gegen ihn geführten Untersuchungen gestellten Fragen und seine Antworten. 9, 218— 229 [Hoth].

1559 April 10 Orlamtünde. Zeugnis des Pastors zu Orlamtünde, Caspar Molitor, über die Amtsführung des Pfarrers zu Kahla Mag. Stephan Reich. 5, 75f. [Buchwald].

1560 Juni 19 Pinzow. Stanislaus Lutomiriski an Johauu Hokyta, mit Beilage. 3, 166—168 [Wotschke].

1560 September 27 Wittenberg. Georg Weigel an Martin Faber (von der Universität u. a.). 19, 44f. [Wotsehke J.

1560 November 29 Wilna. Cyprianus Heraclides au Herzog Albrecht von Preußen (Widmung eines Musik. stücks). 17, 49 [Wotsehke].

1561 Januar 15 Peitz. Instruktion der Markgrafen Johann und Georg Friedrich von Brandenburg zum Tage von Naumburg. 8, 187 189 [Sehorubaum].

1561 Januar 20ff. Ausgaben der ınarkgriiflich Branden- burgischen Bevollmächtigten zum Naumburger Tage für Lebensmittel. 8, 211—214 [Schornbaum].

1561 Januar 22, 26. 28, Februar 1.3 Naumburg. Wolf von Köteritz an Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg. (Berichte vom Naumburger Tage). 8, 189— 194, 197—200. 'Sehornbaum].

1561 Januar 30 Krossen. Die Markgrafen Johanu und Georg Friedrich von Brandeuburg an die Räte zu Naumburg. 8, 194—197 |Sehornbaum].

1561 März 1 Basel Secundo Curione au Johann Lutomirski. 3, 170f. [Wotsehke).

1561 Februar 23 Ansbach. Wolf von Kóteritz an Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg (betr. Abschied zu Naumburg). 8, 200f. [Sehornbaum].

1561 März 6 Jägerndorf, Markgraf Georg Friedrich

316

an Markgraf Johann von Brandenburg (die kirch- lichen Yerhandiungen betr.). 8, 201—204 [Schorn- baum].

1561 März 15 Jügerndort. Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg an Wolf von Köteritz (Antwort auf Februar 23). 8, 204f. [Schornbaum].

1561 März 22 Peitz. Markgraf Johann an Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg (Antwort auf März 6). 8, 205—210 [Schornbaum].

1561 Juni 13 Wittenberg. Paul Eber und Caspar Peucàr. an die Grafen Johann und Adolf von Nassau (einen des Diebstahls von Briefen Melanchthons beschuldigten ehemaligen Diener dieses betr.). 20, 66f. [Clemen].

1561 Juni 30 Wittenberg. Georg Weigel an Herzog Albrecht von Preußen (Ausrichtung in Wittenberg). 19, 43 f. [Wotschke).

1562 Camenetz. Stanislaus Lutomirski an Herzog Albrecht von Preußen. 3, 168—170 [Wotschke].

1562 November 2. 1563Januar10 Wittenberg. Justus Jonas d. J. an Herzog Albrecht von Preußen (Heraklid Basilikus betr.), nebst Antworten des Herzogs. 17, 58—61 TWotschke|].

1563 März 30 Arnstadt. Johann Aurifaber an Herzog Albrecht von Preußen (literarische und Sammeltätig- keit. 10, 110 [Wotschke].

1563 April 30 o. O. Herzog Albrecht von Preußen an Johann Aurifaber (Antwort auf März 30) 10, 111 [Wotschke].

1563 Mai 3 bis Juni 2. Dritte Waldecksche Kirchen- visitation, durch Justus Monachus und Jonas Trygo- phorus. 2, 336—341 [Schultze].

1564 April 27 Königsberg. Herzog Alrrechts von Preußen Antwort und Bekenntnis (abschließendes Bekenntnis. 6, 149—155 [Spitta].

1564 September 29 und November 13 Leipzig. Viktorin Strigel an Georg Karg (betr. seine Recht- fertigungslehre). 16, 79—82 [Sehornbaum].

1565 März 21 Göttingen. Hartmann Henremann, Praedikant an St. Nicolai, Beschwerdeschrift an den Rat wider Steffen Ramme. 2, 372 384. [Knoke].

1566 Mai 17 bis Juni 3. Vierte Waldeck'sche Kirchen- visitation durch Jonas Trygophorus. 2, 341—309 [Sehultze].

1566 März 18 Leipzig. Viktorin Strigel an Georg Karg (Reehtfertigungslebre betr.). 16, 83 [Schornbaum).

1566 August 8 Regensburg. Matthias Flaeius an

317

Herzog Christof von Württemberg (wünscht sich in Württemberg niederzulassen). 20, 54—56 [Bossert].

1566 September 13 (Stuttgart). Landhofmeister, Breuz und Vizekanzler an Herzog Christof von Württemberg (Flacius betr.). 20, 56—58 [Bossert].

1566 September 19 Stuttgart. Herzog Christoph von Württemberg an Flacius (Anwort auf August 8). 20, 59 [Bossert].

1566 September 21 Stuttgart. Johannes Parsimo- nius, Hofprediger, an Mathias Flacius (Unterstützung des Flacius durch Herzog Christof). 20, 59f. [Bossert].

1566 September 29 Stuttgart. Herzog Christof von Württemberg an die Verwalter des Kirchenkastens (Unterstützung des Flacius). 20, 61 (Bossert).

1566 November 6. Kirchenordnung für die Stadt Steyer. 17, 217 —229 [Loesche].

1567 Mai 26. Friedhofsordnung für die Stadt Steyer. 17, 277—287 [Loesche].

1568. Clemens Leusers von Hartheim (1518—1572), Abts von Bronnbach, dann in grüflich Stolbergischen Diensten zu Wertheim, selbstverfaßte Lebensbeschreibung mit ein- gestreuten Urkunden usw. 8, 251—322 [Wecken!.

1569 August 20 (Stuttgart). Einstellung der Zahlungen an Flacius. 20, 61 [Bossert].

1570 November 4 Ansbach. Markgraf Georg Fried- | rich an Herzogin Anna Maria von Württemberg (Jakob Andreä betr.). 20, 102 [Schornbaum].

(1571 vor März). Jakob Audreäs Entwurf einer gemein samen Erklärung. 20, 104—109 [Schornbaum].

1571 März. Der Markgräflich Ansbachischen Theologen Bedenken (über Andreäs Entwurf). 20, 109f. [Schorn- baum].

1571 März 1 Tübingen. Jakob Andreä an Georg Karg (betr. seinen Entwurf einer gemeinsamen Erklärung). 20, 103f. [Schorubaum).

1572 Januar 29 Königsberg. Die herzoglichen Statt- halter und Räte an Maletius, Pfarrer in Lyck (betr. Luthers Hauspostille polnisch). 14, 244f. [Wotschke].

(1572 März). Georg Kargs und Gen. Erklärung (betr. die theologischen Streitigkeiten io Nürnberg). 20, 110—114 [Schornbaum].

1572 März 7 Leczen. Herzog Albrecht Friedrich vou Preußen an Maletius (betr. Luthers Hauspostille polnisch). 14, 245 [Wotschke).

1572 Juli 3. Resolutionen der Nürnberger Theologen. 20, 114—123 [Schornbaum].

318

1572 November 12 Klezk. Matthaeus Motzarus an den herzoglichen Kanzler Hans von Kreitzen (von seinem Aufenthalt in Polen). 19, 45—47 [Wotschke].

(e. 1572 —1574). Maletius an Herzog Albrecht Friedrich (betr. Luthers Hauspostile polnisch), deutsch und lateinisch. 14, 246— 248 [Wotschke].

1573 März. Einigung und Unterschrift der Nürnberger Theologen. 20, 123—126 [Schornbaum).

1574—1604. Stolper Ordiniertenverzeichnis. 10, 359 bis 371 [Freytag).

(1578) Mag. Stephan Reich, Curriculum vitae. 5, 72 [Buchwald].

(1578 Padua). „Ach Gott, schick’ alles zum besten“. Lied des Paul Schede Melissus (mit Melodie). 17, 43 45 [Stölzlel.

1578 Februar 21 Bruck. Kirchenordnung für Inner- Oesterreich. 18, 36 55, 121 153, vgl. 153 f. Loeschel.

1580 März 28. Die Kurfürsten August von Sachsen und Johann Georg von Brandenburg au Kurfürst Ludwig von der Pfalz (das Konkordienwerk betr.). 12, 301f. [Kawerau].

1583 April 15 und Juli 13 Altdorf. D. Edo Hil- dersen an Hieronymus Baumgärtner d. J. 13, 294 bis 298 [Albrecht und Flemming].

1589 April 29 Wittenberg. David Voit Professor der Theologie an den kurfürstlichen Kanzler Dr. Nikolaus Crell. (Zustand der Universitüt), 12, 297 bis 300 [Friedensburg].

(Nach 1591 September 22 Danzig) Christof Ostorods, unitarischen Pfarrers zu Schmiegel, dog- matisches Sendschreiben an die Gemeinde in Straß- burg i. E. 12, 139—154 [Wotschke].

1592 Juli 13 Mansfeld. Herzog Friedrich Wilhelm, Administrator der Kur Sachsen, an Landgraf Ludwig von Hessen (betr. Uebertritt zum Luthertum). 12, 302f. [Kawerau],

(1597) Anweisung für den Kantor und Organisten Simon Landsberger zu Ischl. 17, 287—291 [Loesche]. (1599 vor März 17). Die Flecken Hallstadt, Ischl, Lauffen, Goisern und Gosau an Kaiser Rudolf II.,

Bittschrift. 3, 294—300 [Loesche].

1599 März 17 Prag. Kaiser Rudolf II. an Erzherzog Matthias von Oesterreich (betr. die Bittschrift der Hallstädter u. Gen.). 3, 301 [Loesche].

1599 April 17 Wien. Verordncte Kommissare an Erz-

319

herzog Mattbias von Oesterreich (betr. die Bittschrift der Hallstädter u. Gen.). 3, 301--304 [Loesche].

1599 Mai 9 Wien. Erzherzog Matthias von Oesterreich an Kaiser Rudolf II. (betr. die Hallstädter u. Gen.). 3, 304—306 [Loesche].

1616 Februar 21 und März 23. Der Nürnberger Rat an Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen (Uni- tarier in Altdorf und Wittenberg) 15, 79—81 [W otsehke].

1616 April 11 Nürnberg. Johann Sehróder an Bal- thasar Meisner in Wittenberg (Unitarisches). 15, 81 bis 83 [Wotschkel. '

1619 Juni 21 Ansbach. Lorenz Laelius an Balthasar Meisner in Wittenberg (gegen die Unitarier). 15, 83f. [Wotschke].

1623 Februar 1 und Oktober 20 Caunis Lithu- anorum. Kaspar Movius an Balthasar Meisner in Wittenberg (Unitarier in Lithauen) 16, 84—86 [Wotschke].

1630 Instruciones del Santo Oficio de la Inquisicion suma- riamente antiguas y nuevas, puestas por abecedario por Gaspar Isidro de Arguello official del consejo. En Madrid en la imprenta real aüo MDCXXX. 2, 7—53, 109—175. [Schäfer].

1635 April 2 und 22 Berlin. Andreas Ganoroschi an Wittenberger Studenten (Unitarisches). 16, 86—88 [Wotschke].

1676 August 3. Christian Weise an Christian Daum, Rektor zu Zwickau (betr. das Leben des Joh. Polli- enrius, Predigers zu Weißenfels). 18, 72—74 [Clemen].

Undatierbar. Decem a papistieis observata praecepta.

Die zehen gebot der Lutherischen. Die 7 todtsunden

der Lutherischen. Die 8 seligkeiten der Lutherischen.

2, 388—390 [Clemen].

Confirmatio librorum doctoris Jeronimi Tungersheim

Ochsenfortiensis per episcopum Misnensiauum [Satire].

3, 189f. [Clemen].

Eine Widmung Luthers. 6, 231f. [Kawerau].

„De restitucione bonorum ablatorum seu furto seu impio bello seu fraude. D. Johannes Brentius. 9, 93—95 [Kóhler].

Nova metamorphosis (Seiteusttick zu Luthers „ein newe fabel Esopi*). 9, 241 [Willkomm].

. (Brenz’?), Wie sich eine christliche Frau unter der Papisterei balten soll. 10, 183—185 [Köhler].

Brenz’ Historia Josapbat descripta. 10, 185 f. [Kohler].

> -> 2 ~e

320

Undatierbar. (Brenz?) Autores caeremoniarum qua- rundam in ecelesia. 10, 186—190 [Köhler]. Predigt (Brenz?) über den ungläubigen Thomas, Joh. 20 und über 1. Joh. 4 v. 1. 10, 194f. [Köhler]. , Eherechtliches Gutachten Melancbthons in der Sache Hans’ von Neunstet. 10, 196f. [Köhler]. Brenz’ Apologie, daß er in peinlichen Sachen einen Rat erteile. 11, 275 f. [Köbler]. Brenz’ Gutachten in einer peinlichen Sache betr. Ehe- bruch. 11, 276—279. „ẽ (Brenz?) Gutachten tiber die Bestrafung eines Gottes- lüsterers. 11, 280—282 [Köhler]. Fulgentiae Lusatinae puellae 12 annorum versus ad Vitum Theodorum. 18, 280 [Albrecht u. Flemming]. „Melanchthon an die Universität Wittenberg (Empfehlung eines Morscheim). 17, 70 [Bossert]. „Michael Chilianus Rektor in Altenburg an Fürst Georg von Anhalt (Lutherautographen betr.). Ergb. 11, 143 [Clemen].

ARCHIV

REFORMA FIONSGESUDTUR LE.

TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.

Im Auftrag. des Vereins für Reformationsgeschichte

herausgegeben von Dr. theol., jur. et. phil. Walter Friedensburg.

Nachdruck mit Genehmigung vom Verein für Reformationsgeschichte

KRAUS REPRINT LTD. Vaduz 1964

Printed in Germany

Lessingdruckerei Wiesbaden

Inhaltsübersicht.

Wilhelm Dorsch, Dr., Staatsarchivar in Marburg i. H., Kaspar Aquilas Zuflucht in Henneberg während des Interims und die Berufung Christoph Fischers

Karl Bauer, D., Universitütsprofessor in Münster, Der Bekenntnisstand der Reichsstadt Frankfurt a. M. im Zeitalter der Reformation. V.. .

Julius Jordan, Professor D., koneist-Rat i in Berlin, Zur Wittenberger Universitätageschichto des 16, Jahr- hunderts . . .

Otto Clemen, D. Dr. Professor in Zwickau (Sachsen), Seltene Schriften gegen den Konkubinat der Kleriker aus dem Anfang des 16. Jahrhunderte .

Georg Buchwald, D. Superintendent in Rochlitz i. 8. Die Ablag predigten des Leipziger Dominikaners Hermann Rab (1504—1521) . . . 128 —152:

Walter Friedensburg, D. Dr. Dr. Staatsarchiv- direktor i. R. in Wernigerode a. H., Aus dem Brief- archiv des Justus Menius. I..

Paul Kalkoff, D. Dr, Professor in Breslau, Die Reichs- abtei Fulda am Vorabend der Reformation. ur

KarlSchornbaum, D. Dr. Dekan in Roth b. Nürnberg, Markgraf Georg Friedrich von Brandeuburg und die ev. Stände Deutschlands 1570—1575 .

Walther Köhler, D. Dr. Universitätsprofessor in Zurich, Brentiana und andere Reformatoria. X.. . N

Mitteilungen: Neuerscheinungen S. 153; 811—819. Zeitschriftenschau 8. 158—160. Th, Wotschke, Entgegnung S. 319. Aus dem Verein für Refor- mationsgeschichte S. 320.

Seite

89—101

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Kaspar Aquilas Zuflucht in Henneberg während des Interims und die Berufung Christoph Fischers.

Von Wilhelm Derseh.

Kaspar Aquila, der Reformator und erste Superintendent von Saalfeld, war dem Hause Henueberg ganz besonders zu Dank verpflichtet, weil dieses dem unerschrockenen Kämpfer gegen das Interim sichere Unterkunft geboten hatte. Noch ein Jahr vor seinem Tode schrieb der Einundsiebzigjährige dankerfüllten Herzens seinem ehemaligen Herrn, dem Grafen Georg Ernst, daß er immer noch bereit sei dessen Ruf zu folgen „wie ein schneller Adler^ und besonders das „from völkle“ seiner lieben Schmalkalder und die „starken fre- lichen“ Weine nicht vergessen habe !).

Seitdem Geisthirt uns zum erstenmal Näheres über Aquilas Aufenthalt unter hennebergischem Schutz überliefert hat, finden sich öfters bis auf unsere Zeit in kirchengeschicht- lichen Arbeiten Mitteilungen über diese Jahre, die jedoch in Bezug auf die Dauer des Aufenthalts und die damalige Stellung des Reformators widerspruchsvoll sind, so daß eine Nachprüfung unter Heranziehung von bisher unbekannten Quellen nützlich erscheint.

Fast vier Jahrzehnte hat der am 7. August 1488 in Augsburg geborene Sohn des Syndikus Leonhard Aquila die Lande durchwandert nach damaliger Humanistenart, bis er 1527 als Pfarrer in Saalfeld seßhaft wurde. Wir finden ihn als Feldprediger im Heere Sickingens und als kenntnis- reichen Mitarbeiter Luthers bei der Uebersetzung des alten Testaments. Auf Luthers Hat wurde er naeh Saalfeld be- rufen und dort 1528 Superintendent. In schärfster Weise trat er 1548 gegen das kaiserliche Interim auf. Seinen Verfolgern wurde er entzogen durch Katharina die Heldenmütige, die Witwe Graf Heinrichs XXXII. von Sehwarzburg und Tochter Graf Wilhelms IV. von Henneberg,

1) Vgl. den als Beilage 8 abgedruckten Brief, S. 36. Archiv für Heformationsgeschichte. XXII. 1. 1

2

welche ihn zu Beginn des Jahres 1549 ein halbes Jahr lang!) auf ihrem Schloß zu Rudolstadt verborgen hielt). Katharinas Schwägerin, die Herzogin Elisabeth von Braunsehweig-Lüneburg, die seit 1546 ihren Bruder Boppo zum Gemahl hatte, während ihre Tochter Elisabeth seit 1543 die Gattin von Katharinas Bruder Georg Ernst geworden war, stand mit Aquila in Briefwechsel wegen der Interimsfragen?) Von ihr erhielt Aquila das von Antonius Corvinus verfaßte und von der Synode zu Münden am 19. Juni 1549 angenommene „Bedenken“ gegen das Interim und desselben Verfassers „Dialogus zwischen Ischariot Eis- leben und Judas Wicel**). Aquilas Brief, in dem er sich für die tiberschiekten Schriften bedankt, gedenkt auch einer Vermittlung Elisabeths bei Herzog Albrecht von PreuBen, wo er in seiner Not Zuflucht zu finden gehofft hatte"). In- zwischen war er von Rudolstadt, vermutlich auf Einladung von Katharinas Brüdern Georg Ernst und Boppo, in die

1) G. Adler, Die Vorfahren des Generalsuperintendenten Adler: Schriften des Vereins für schleswig-holsteinische Kirchengeschichte, II. Reihe, V. Band, 2. Heft (Kiel 1911) 214 ff. Martin Saupe, „VITA M. Caspari Aqvilae, ersten Superintendens zu Salfeld ...*: Thüringer kirchliches Jahrbuch, 17. Jg. 1912 (Alteuburg 1911), 94 f.

*) Cyr. Spangenberg, Hennebergische Chronica (Straßburg 1599), 260. J. C. Geisthirt, Historis Schmalcaldica, in der Zeit- schrift des Vereins für Hennebergische Geschichte und Landeskunde zu Schmalkalden, Supplement 8 (1885), S. 58. l

© Wilh. Havemann, Elisabeth, Herzogin von Braunschweig- Lüneburg, geb. Markgrüfin von Brandenburg. Göttingen 1889. S, 76, Paul Tschackért, Herzogin Elisabeth von Münden (gest. 1558), geborene Markgrüfin von Brandenburg, die erste Schriftstellerin aus dem Hause Brandenburg und aus dem braunschweigischen Hause, ihr Lebensgang und ihre Werke. Leipzig-Berlin 1899. Beilagen: Elisa- betas „Unterricht für Herzog Erich d. J.“ (1545) und ihr ,Mütter- licher Unterricht für die Herzogin Anna Maria“ (1650); ohne die Bei- lagen im Hohenzollernjahrbuch 8 (1899), 49—65. Vgl. allgemein über Aquila G. Kawerau in der Realenzyklopüdie* 1 (Leipzig 1896), 759f. und 23 (1918), 106,

) Paul Tschackert, Antonius Corvinus Leben und Schriften. Hannover und Leipzig 1900 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, hggb. vom historischen Vérein für Niedersachsen 8), S. 167, 1701.

5 P. Tschackert, Briefwechsel des Antonius Corvinus. Hannover and Leipzig 1900. (Ebenda 4), Nr. 291 (1549 August 81) Vgl. auch Elisabeths Brief an Herzog Albrecht 1549 Aug. 18: Meiningen, Herzogi. öff. Bibliothek, Hschr. 1, Bl. 68.

3

Grafschaft Henneberg gekommen und hatte dort in Unter- maBfeld ein „Pathmos“ gefunden!) Der erste aus diesem Zufluchtsort geschriebene Brief ist vom 22. Juli*. Am 31. August war er noch in Untermaßfeld, aber offenbar be- reits für seine neue Stellung in Schmalkalden aus- ersehen“); ein Brief vom 30. November ist ohne Ortsangabe. Damals wünschte er offenbar noch nicht, daß seine Be- rufung nach Schmalkalden bekannt würde; er klagte, daß niemand interimsfeindliche Bücher drucken wolle und nannte sich in einer Schrift D. Christian Allefreund. Am 8. Januar 1550 schickte er seine Antrittspredigt aus Schmal- kalden an Georg Ernst mit der Bitte, eine Abschrift davon an Herzog Albrecht nach Künigsberg zu übermitteln. Kaspar Sagittarius erzählt, daB in der Schulbibliothek zu Saalfeld ein Band von Luthers Werken den Eintrag enthalte: ,Sum M. Casparis Aquilae pastoris in collegio cathedralis ecclesiae Schmalkald. 1550, 12. Jan.**). Wir dürfen also annehmen, daB er etwa Weihnachten 1549 oder Neujahr 1550 sein neues Amt angetreten hat). Am 1. Mai 1550 beglück-

1) Johannes Voigt, Briefwechsel der berühmtesten Gelehrten des Zeitalters der Reformation mit Herzog Albrecht von Preußen. Königsberg 1811, S. 18ff, u. Hugo Fuchs, Christoph Roßhirt: Des Fürsten Wilhelm, Grafen zu Henneberg, Leben, Amt und seliger Ab- schied. Drei Geschichten von Besessenen aus der Mitte des 16. Jahr- hunderts. Bericht des Kgl. Preußischen ee Gymnasiums zu Schleusingen 1901/1902, S, 11f.

f) Voigt a. a. O. Er war also nicht bereits 1548 in Schmal- kalden, wie Geisthirt a.a. O. 7 („um Palmarum") und nach ihm O. Füßlein, Mag. Caspar Aquila, der erste Superintendent von Saalfeld (Saalfelder Weihnachtsbüchlein 1876) und G. A dler a. a. O. (,Ende 1548*) behaupten. Dieser Annahme widerspricht auch Aquilas AeuBerung in dem bei Voigt a. a. O. 24 abgedruckten Brief, daß er 29 Jahre in Saalfeld tätig gewesen sei, also von 1527—1549.

3) Ebenda 24: ... „wie ich getrieben bin .. von Maßfeld gen Schmalkalden“... Christian Schlegel, Ausführlicher Bericht von dem Leben und Tod Caspari Aquilae . . . hggb. von Joh. Zeitzschel, Leipzig u. Frankfurt 1787, S. 443 kennt den Aufenthalt in Maßfeld nicht. Saupe berichtigt das falsche „Manßfeld“ seiner Vorlage, druckt aber immer ,Marsfeld".

*) Saalfeldische Historien von Kaspar Sagittarius, hggb. von Ernst Devrient. Saalfeld 1901, S, 247.

) Voigt a. a. O. 80. Nach ihm auch G. Kawerau in Herzog-Hauck, Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche I“, 759f. M. Saupe, a. a. O. 45, der die bei Voigt mitgeteilten Briefe nicht berücksichtigt, möchte 1551 annehmen. Häfner, Die

1*

4

wünschte ihn (exuli in oppido Schmalkalden) Melanchthon zu seinem „mediocre hospitium" ).

Die Entsendung Aquilas nach dem zweiherrischen Schmalkalden war bedeutungsvoll. Unter seinem Vorgänger, dem Stiftsprediger Bartholomaeus Wieser, waren im Jahre 1547 heftige Schmähschriften gegen die lutherische Lehre verbreitet worden“). Melchior v. Ossa widerriet damals dem Grafen, gegen die Schuldigen gerichtlich vorzugehen. Als nun das Interim in Hessen Annahme fand und die hessischen Abgesandten am 29. August 1548 in Schmalkalden weilten, war die Verwirrung noch groß, so daß der hennebergische Amtmann das Einverständnis seines Herrn erklärte “), während spüter die Absage des Grafen Wilhelm an den Kaiser deutlich genug lautete“). Geisthirts Worte", daß der Satan in Sehmalkalden zwar keine Irrlehre habe aufkommen lassen, daß aber die Geistlichkeit die Flügel hätte hängen lassen, und die Laien liederlich gelebt hätten, kennzeichnen wohl

Herrschaft Schmalkalden 3, 165 hat auch 1550. Am 22. Jauuar 1550 trug Herz. Elisabeth dem D. Joachim Mörlin, der sich damals in Arn- stadt und in der Umgebung des Grafen Georg Ernst aufhielt, Grüße auf an Aquila; Elisabeth bemühte sich für Mörlin, eine Anstellung in der Grafschaft, etwa in Meiningen oder sonstwo, zu erreichen, bis dieser nach Königsberg ginge. Am 28. Juli 1559 schrieb sie, daß sie ihn für das Stift Schmalkalden empfehlen wolle. Franz Koch, Briefe der Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg und ihres Sohnes, des Herzogs Erich d. J., ans den Jahren 1545—1554: Zeit- schrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte 11 (Braunschweig 1906), 106, 111 ff., 142. Mörlin hatte auf Oculi 1549 Schleusingen, sein „sanctum hospitiolum exulum Christi", verlassen, nach Junckers Ehre der gefürsteten Grafschaft Henneberg 8 (Dresden, Landes- Bibliothek, Hs. a 55), Bl. 156v. Zu demselben Jahr berichtet Juncker Aquilas Berufung nach Schmalkalden.

1) Corpus reformatorum 7, Nr. 4712.

5) Wilh. Germann, D. Johann Forster, der Hennebergische Reformator: Neue Beiträge zur Geschichte deutschen Altertums, 12. Lieferung (Meiningen 1894), Urkunden, S. 42 fl. Die Akten im Gemeinschaftlichen Hennebergischen Archiv za Meiningen IVC 8, 13.

5 Fritz Herrmann, Das Interim in Hessen (Marburg 1901), 21 ff.

) Spangenberg a. a. O. 258ff. (1519 Februar 18). Mei - ningen, G. H. A. IV B 1, 4; dort auch die späteren Aufforderungen des Kaisers zur Annahme des Interims 1549 April 12 und 1551 März 28. Graf Wilhelms bekannte Antwort datiert vom 18. Januar 1549, nicht Februar, wie Spangenberg, Weinrich, Kirchen- und Schulen- Staat des Fürstenthums Henneberg, Leipzig 1790, S. 293, u. a. angeben.

5) A. a. O. 2, 14f.

b

richtig die damalige Lage. Eine starke Hand war nötig, die hier eingreifen mußte. Keiner war daher geeigneter für diese Aufgabe als Kaspar Aquila, und gerade in seiner Stellung als Prediger am Egidienstift.

In der Stadt war seit dem 14. Mai 1549 Hieronymus Pfnoer Pfarrer!) Ueber das Stift hatte der Henneberger allein zu verfügen. Nachdem Graf Wilhelm dort bereits 1527 den Prediger Jakob Hartmann eingesetzt hatte, wurde 1546 diese Stelle im Einverstündnis mit den Chorherren durch den Grafen Georg Ernst zur dauernden Einrichtung gemacht!“). Ob der Posten nach Hartmanns Weggang (der 1546 ala Pfarrer in Oberstadt, Kr. Hildburghausen, erscheint) ®) und Wiesers Scheiden (1547?) nochmals besetzt wurde, steht da- hin. Erst Aquila nennt sich Pfarrer im Stift, aber nie Dechant, auch nicht nach dem Tode des letzten Dechanten Johann Seyfried (Schmidt genannt), der nach Geisthirt am 239. Dezember 1551 starb‘). Es hätte den Ab- machungen von 1545 geradezu widersprochen, wenn der In- haber der neben dem Dechanten geschaffenen Pfarrstelle nach dem Ableben des Dechanten dessen Pfründe tibernommen hätte, die doch nach Erledigung nicht mehr neu besetzt werden sollte. Doch soll Johann Motz, der älteste der wenigen im Stift noch lebenden Chorherren, nach Seyfrieds Tod sich selbst zum Dechanten erwählt und bestätigt haben“). In

1) Meiningen, G. H. A. IV C 8, 19 (Pfarrei Schmalkalden); vgl. G. Brückner, Pfarrbuch der Diöcesen Meiningen, Wasungen und Salzungen: Neue Beiträge zur Geschichte deutschen Altertums, 2. Lieferung, Meiningen 1803, 8. 70.

N E. Koch bei P. Weber, Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel, Band 5, Kreis Herrschaft Schmalkalden (Marburg 1918), 185f.

) Meiningen, G. H. A. IV A 2, 97b.

© A. a. O. Suppl. 1, 158. 2, 77ff. Geisthirts Angabe, daB Aquila Dechant gewesen sei, sind gefolgt Schlegel a. a. O. 455ff.; Joh. Reinh. Häfner, Die Herrschaft Schmalkalden in historischer, topographischer und statistischer Hinsicht 8 (Meiningen 1820), 158; Beck in der Allgemeinen Deutschen Biographie 1 (Leipzig 1875), 500f; Füßleina.a.O.; Kawerau, Herrmann a, a. O. 46, Anm. 1; Adler und Saupe. Germann a. a. O. Urkundenbuch S. 58 sagt, daß ihm „zum mindesten auch Dekanatsfunktionen“ übertragen worden seien.

5 Laut Brief des Stiftspfarrers M. Christoph Fischer an den Grafen Georg Ernst vom 31. März 1554: (Meiningen, G. H. A. IV A 9, 27b), in dem er rät, die Dechanei wieder zu besetzen, damit das Stift vor Schaden bewahrt werde.

6

ähnlicher Weise war das Augustinerkloster zum Aussterben bestimmt, denn 1550 nach dem Tode des letzten Priors Nikolaus Ran baten Aquila und Hieronymus Pfnoer den Grafen Wilhelm, das Kloster in eine Schule zu verwandeln (s. unten S. 15 Anm. 7)! Unrichtig ist ferner die Be- hauptung, Aquila sei als Superintendent angestellt worden?) Allerdings beklagt er sich in seinem Streit mit dem Superintendenten Bartholomaeus Wolfhart zu Schleusingen, daß dieser ihm nicht gönne, wenn die Leute ihn in Schmal- kalden Superintendent hießen“). Er beschwerte sich, dab der Schulmeister der städtischen Pfarrei ihm keinen Bericht zugehen lasse. Offenbar maßte sich also der Stiftspfarrer weitgehende Befugnisse an, die tatsächlich der Stellung eines Superintendenten entsprachen). Auf einer Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse beruhen schließlich die tübertrie- benen Angaben Geisthirts, daß Aquila außer den Zehnten von Getreide, Flachs und Vieh 800 Gulden bezogen habe). Demgegenüber sei darauf hingewiesen, daß dem Abkommen vom 18. April 1545 zufolge der Stiftspfarrer 130 Gulden,

1) A. a. O. 2, 12. „Und so ein person im stifft absterben, nimbt der graff das einkommeus“ heißt es 1550: W. Germann, Aus Wasungens vergangenen Tagen. Urkunden des Wilhelmiterklosters Wasungen. Meiningen 1890, S. 79.

*) Emil Sehling, Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jabrhunderts I, 2 (Leipzig 1904), 269; wohl nach Weinrich a. a. O. 279.

5) S. die Beilage 2, S. 27. Als Pfarrer von Saalfeld nannte er sich z. B. auch „Bischof“ 1548 in der Schrift: ,Eyn sehr hochnötige Ermanung / an das kleine blöde verzagte Christlich heufflein“ ... (in der Universitütsbibliothek Halle); in einem zusammen mit dem Schösser Johann Reinholt 1546 Dezember 10 an den sächsischen Rat Dr. v. Teutleben gerichteten Briefe: ,pastor superintendent in Saalfeld", abgedruckt von P. Vetter im ARG. 16 (1919), 179—181.

) Erst in einem unten als Beilage 5 abgedruckten Briefe vom 12. Márz 1552 an die Herzogin Elisabeth von Rochlitz, die Schwester Philipps des Großmütigen, die von 1548 bis zu ihrem Tode (1557) in Schmalkalden lebte, nennt er sich Pfarrer und Superintendent. Über ihren Aufenthalt in Schmalkalden vgl. Arthur Fuckel in der Zeitschrift des Vereins für Hennebergische Geschichte und Landes- kunde in Schmalkalden 16 (1911), 25 ff., der diesen Brief aber nicht nennt.

5) A. a. O. 2, 7711. Seine Besoldung 1545 in Saalfeld (100 fl.

5 Eimer Wein usw.) mitgeteilt von Is. Rockstroh im Saalfelder Weihnachtsbüchlein 1883, S. 6.

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Brennholz, zwei Acker Wiesen und freie Dienstwohnung er- halten sollte !).

Aquila war also Pfarrer des Stifts. Seine Predigten müssen gewaltigen Eindruck gemacht haben, denn einer seiner Nachfolger, M. Alexander Utzinger, erzählt, daß das Volk der Unterstadt scharenweise zum Stift gezogen sei, und daß man die Predigten des Stadtpfarrers mit Rüben und Kraut, die des Stiftspfarrers aber mit Gesottenem und Ge- bratenem verglichen habe?) Mit dieser Ueberlieferung stimmen überein Form und Inhalt seiner gedruckten Predigten, soweit wir sie kennen. G. L. Schmidt?) und Martin Saupe“) haben sich näher mit einigen beschäftigt und rühmen ihnen Anschaulichkeit und dem Verfasser Bibelkunde naeh. Spriehwortartige Sätze, die Art der praktischen Bibel- auslegung, Klarheit und Kraft trotz mancher Schwerfällig- keiten und Schachtelungen im Satzbau kennzeichnen Aquilas Predigtweise. Damit dürfte sie heute noch vorbildlich sein 5). Schmidt irrt jedoch, wenn er Aquilas „Ein fróliche Trost- predig / für die sehr geengstigten gewissen / sie mutig und erquickt zu machen / aum Propheten Zephania etc.“ in die erste Zeit seines Aufenthalts zu Schmalkalden, „als er noch keine Anstellung hatte", verlegt. Die Widmung dieser der Herzogin Katharina von Sachsen dargebrachten Predigt datiert

1) Meiningen, G. H. Á. IV A 9, 27b. Die Amtsrechnung des Jahres 1551 bis 1552 (Februar 22) im Staatsarchiv zu Magdeburg (Rep. A 33 R Ib; die von 1550/51 ist nicht erhalten; die von 1519/50 nennt ihn nicht) führt 10 Malter Korn als Geschenk des Grafen auf, Stiftsrechnungen aus den Jahren haben sich leider nicht erhalten. Nach dem Kellereiregister von 1550 (G. H. A. IV A 2, 28) erhielt „der prediger M. C. Aquila* seinen Martiniwein. Sonst ergibt sich nur aus der Rechnung, daß Aquila wiederholt zum Grafen fuhr nach Maßfeld, Zillbach und Schleusingen und in Wasungen war, wohl zu der Pfarrer- zusammenkunft, s. unten S. 17,

3) Adler a. a. O. 218.

3) Prediger der Reformationszeit. 3. Caspar Aquila: Zeitschrift für praktische Theologie 8 (Frankfurt a. M. 1881), 124 fl.

*) Zwei Schriften Caspar Aquilas: Thüringer kirchliches Jahr- buch 19 (Altenburg 1914), 20ff. (Auslegung des 84. Psalms und Sermon vom Almosengeben).

5) Joh. Fenner, Mit welchen Mitteln können wir unsere Predigt volkstümlich gestalten? Die Dorfkirche 6 (Berlin 1918), Nr. 7, S. 2891f, Das ausführlichste Verzeichnis seiner Schriften findet sich

bei Schlegel a. a. O. 531ff, Vgl auch Geisthirt a. a. O. 6, 58.

Fr. W. Strieder, Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte 1 (Göttingen 1781), 109 fl. Adler a. a. O. 218.

8

vom 6. Januar 1549, und Aquila nennt sich in ihr Pfarrer und Superintendent zu Saalfeld. Gedruckt ist sie allerdings erst 1550 durch den Apotheker Ciriacus Schnauß in Coburg (8% und Michael Lotther zu Magdeburg im gleichen Jahre’).

Aus Aquilas Sehmalkalder Zeit ist zunächst zu nennen:

Ein nötig tröstlich vond recht Christlich gut gebeth / Gottes wort vnd seine Genad Trost Hilff vnd stercke / im Glauben bestendigkeit auch ein rechtgschaffenes guts leben mit aller seliger Wol farth zu erlangen. 1550

(Zu ehren)

Dem Erbarn vnd wolweisen / herrn Johan Cleman Burgermeyster zu Schmalkalden etc.

Durch

Mag. Gasparem Aquilam Pfarherrn im Stift.“)

Der Bürgermeister Johann Clemen, dem die Predigt gewidmet ist, starb 15560. In demselben Jahr erschien:

Ein Sermon Die do lereth / einen rechttenn guten vn Christlichen wandel zufüren / in allerley Ständen Auß der ersten Epistel 8. Peters am vierdten Capitel eto.

!) Beide Drucke in der Herzoglichen Öffentlichen Bibliothek zu Meiningen, der Coburger Druck auch in der Universitätsbibliothek Königsberg. Über seine Klage, daß niemand gegen das Interim etwas drucken wolle, vgl. Voigt a.a. O. 26: „Magdeburg allein ist Gottes Christi Kanzellei.“

3) Acht Blatt; am Ende: „Gedruckt in der Fürstlichenn Stadt Coburgk / durch Ciriacum Schnauß Apotecker. 1550.“ In der Preuß. Staats-Bibliotbek su Berlin: Es 2410.

5 C. Knetscb, Die Schmalkalder Stahlschmiede im 16. Jahr- hundert: Zeitschrift des Vereins für Hennebergische Geschichte und Landeskunde in Schmalkalden 16 (1911), Beilage IV, Stammtafel der Familie Clemen.

Durch Mag. Gasparem Aquilam Pfarherren im Stifft zu Schmalkalden eto. gepredigt am Donerstag nach Qua- simodogeniti / Anno dni. 1550.)

Außer diesen gedruckten Arbeiten verdient besondere Beachtung noch eine m. W. ungedruckte Abhandlung, die großes Aufsehen erregte und schließlich mit dazu beitrug, daß Aquila Schmalkalden wieder verließ.

Zu den Geistlichen, welche des Interims wegen heimat- los wurden, gehörte der oben schon genannte Bartholo- maeus Wolfhart, der aus Göttingen, wo er 1543—1548 als Diakonus an S. Johannis angestellt war, vertrieben, in Schleusingen Unterkunft gefunden hatte“). Als dann Aquila

1) 39 Blatt; am Ende: „Gedruckt in der Fürstlichenn Stadt Coburgk / durch Ciriacum Sohnanß Apotecker. 1550." In der Staats-Bibliothek zu Berlin: E 2614. Gewidmet der Stadt Schmalkalden, besonders dem Bürgermeister Friedrich Wollnschlager. Am Ende des Textes: „1550 M. Caspar Aquila ss8t 16. 7bris“. Andere Schriften aus der Schmalkalder Zeit („Consolariae Praecationes Germanicae" und „Schöne Christliche Fragstücke für die junge Kindlein gestellet“ ...) nennt Schlegel a. a. O. 445 und 535. Nach freundlicher Mitteilung des Aus- kunftsbüros der Deutschen Bibliotheken in Berlin waren beide Schriften nicht zu ermitteln. Erstgenannte ist vielleicht gleichbedeutend mit der oben S. 7 erwähnten „Ein fröliche Trostpredig“, mit der anderen. sind vermutlich die „Kurtze aber zu unserer Seligkeit hochnöthige Fragstücke, der gantzen Christlichen Lehre“ gemeint, welche bei Joh. Gottl. Hillinger, Memoria Aquilina (Jena 1731) abgedruckt sind, aber laut Vorrede in das Jahr 1547 gehören. Die 1547 zuerst ausgegebene Erklärung des kleineren Katechismus von Aquila aus dem Jahre 1538 (Des kleinen || Catechismi || Erklerung / mit schönen Christlichen exem-||peln vnd gewaltigen apri lichen der Heyligen || schrifft ...) ist abgedruckt bei Joh. Mich. Ren, "Quellen zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts in der evangelischen Kirche Deutschlands zwischen 1530 und 1600. Erster Teil: Quellen zur Geschichte des Katechismus-Unterrichts. II. Mitteldeutsche Katechismen. 2. Abtig.: Texte (Gütersloh 1911), S. 178—203; vgl. dazu die historisch-biblio- graphische Einleitung, ebenda II, I, 51*ff., auch über die „Kurtze || aber zu vnser Selig-||keit hochnötige Fragestück / der || gantzen Christ- lichen | Lehr^ ... Nach Reu (S. 55*) gehört Aquilas Katechismus inhaltlich zu den besten der Reformationszeit.

3) Zuerst nachweisbar 1548 April 16 (Superintendens) und Mai 9 (hennebergischer Superintendent). Im erstgenannten Briefe an den

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die Gunst des Grafen fand, scheint Wolfhart in den Hinter- grund getreten zu sein, zumal seine Auffassung von der Handhabung der Kirchenzucht der Meinung Aquilas und seines Herrn Georg Ernst schroff gegenüberstand. Während Wolfhart rücksichtslos von der Kanzel herab alle Mißstände, die ihm zu Ohren kamen, geißelte, vertrat Aquila den Grund- satz: Man soll niemand auf der Kanzel schelten, man habe ihn denn zuvor ermabnt!), Dementsprechend verfaßte er seine:

Getreue unterwey- sung vor die jungen pries- ter wie sie sich ihn ihrem

ambt mit straffung

der sunden recht gesch- affen haltten sollenn.

Jesus Sirach ihm 10 Cap. Verdamme nymant, ehe du die sache zu- vor erkennest, darnach straffe.

Idem 19 cap. Hastu etwas gehort etc. sprich deinen nechstenn darumb ann, villeicht hat er es nicht gethann, boch nicht bald mit ihm, dann mann leugt gernn auff die leutt.

Die Abhandlung ist handschriftlich überliefert im Ge- meinschaftlichen Hennebergischen Archiv zu Meiningen ?) nebst einer unvollendeten Abschrift ohne die Einleitung von anderer Hand, die Aquilas Namen nebst dem Datum Mathie apostoli (Februar 24) trägt und als Druckmanuskript ange- sprochen werden kann. Ein zweites Stück befindet sich, wie schon W. Germann °) erwähnt hat, im Anhaltischen Haus- und Staatsarchiv zu Zerbst“). Letzteres ist von dem da- maligen hennebergischen Sekretär geschrieben und im Juli

Grafen Georg Ernst empfiehlt er eindringlich Luthers kleinen Kate- chismus. Meiningen, G. H. A. IV C 1, 2 (Ehegerichtssachen). J. M. Reu a. a. O. II I, S. 197*, Anm. 1.

!) Vgl. Beilage 1, S. 25.

3) IV A P, 27 b.

3) D. Johann Forster, Urkundenbuch, S. 98 Anm. 1.

) G. A. R. V, 195, Nr. a XX, 47 Blätter, von denen 41 be- schrieben sind. Ebenda befindet sich im Panegyrieus des Heinrich Basse von 1519 der Vermerk: „1556. Sum Gaspari Aquile epi. in Salf.“ Freundliche Mitteilungen des Zerbster Archivs.

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1552 dem Fürsten Georg von Anhalt überschickt worden !). Joh. M. Weinrich nennt außer ihr einen „Getreuen Unter- richt, wie man sich bey Bestraffung der Sünden zu verhalten habe“ ), der inhaltlich mit der Getreuen Unterweisung, die er richtig nennt, vollkommen tübereinzustimmen scheint, 80 daB es sich offenbar um ein und dieselbe Schrift handelt. Aus dem Inhalt sei als Probe der Anfang mitgeteilt; die Leser werden Joh. Voigts?) Urteil über Aquilas „Grob- schrötigkeit“ bestätigt finden:

„Got sagtt zu eynem yglichenn bischoff und pfarhern also:

[Am Rande: Hezechiel 3 u. 33 cap.] Ich hab dich zum wechter gesetzt uber das hause Israel, du solt aus meynem munde das wort hoeren und sie von meinet wegen warnen. Wenn ich dem gottlosen sage: du must des todes sterben und du warnest ihne nicht, damit sich der Gottlose vor sey- nem gottlosen wesen hute, auf das er lebendige bleybe, so wirdt der gottlose umb seiner sunde wiellen sterben, aber sein blut wil ich von deiner handt fordern.

[Am Rande:] Merck das woll nicht aus des babst lugenmaul oder was ein reychstage beschleust zu lehren oder hohe potentaten gebirten zu glauben mit menschen, und es beisí Math. 28: lehret sie halten alles was ich euch bevohlen hab, mit was bapst, concilia, ketzer gebirten, verpflucht sei ein engel im himel, der anderst lehret dan Christus gelehret hat. Galla. 1.

Do lerne cin iglicher prediger was doch eines wechters ambt sey, der auf dem thurn einer ganzen stadt allen scha- den mit seinem fleissigen umbsehen helfen verhuten. Ist das nieht die warheit, wann ein boser voller zapf bei der nacht schreyt: Mordio, feurio, es brinndt. Dieser getreuer wechter wirdt ja nicht so baldt an die sturmglocken schlahen, ein geschrey machen mit einem feurigen strobrantb, sonder er wird selbst fleyssig schauen und eigentlich erfahren, in weleher gassen, hause odder winkel das feuer loedert und sich gar nichts an das trunkene waschmaule kheren, er muß des ganz gewis sein. Darnach macht er erst ein geschrey und eroffinet den mordbrandt.

Also thue du pfarherr auch als der geistliche wechter, bolder nicht bald und mach ein geschrey von einem ubel- theter aus schlechtem hoersagen, erforsche es zuvor selbst woll und sey es gewiß oder erfahre es selbst vom sunder. Will er dann nicht ablassen, so du in heimlich hast gestrafft,

1) Zerbster Archiv a. a. O., *) A. a. O. 279ff, und 294f. A. a. O. 17.

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so blas dann dein horn und erhebe deine pusaunen auf dem predigstull, dem offentlichen ubel und ergernisse zu steurn und wehren. [Am Rande: Jesiaia 58. Hoseae 8. cap.)

Die pfarhernn oder prediger sollenn nicht offentlich auf der cantzell einen mit namen frevenlich unerkauter sachen schelten, er hab in den zuvor heimlich angeredt und im sein irthamb und sundt mit freuntlicher straff und ermanung an- geizeigt. Vielweniger sol er ein solchen one erkentnus der christlichen oberigkeit offentlich in bann thun und aus sun- derm neit flux dem teuffell ergeben.

Das ein pfarher schuldig ist, einen offentlichen sunder erstlich in der stille zwuschen in und ime zu straffen und fleyssig fragen, ob im also sey, wie die leut von ime waschen, derhalben soll der pharher nicht bald allen unnutzen wasch- meulern, afterköhsern glauben, die gern den nechsten ver- leumbden. Solche verleumbder will der heilige David ihm 101. psalmo nicht neben ime dulden, er will sie vertilgen, so gebeut Salomonn in spruchen ahm 4. cap.: Thue von dir den verkerten mundt und lasse das lestermaul ferne von dir seyn. Es hat doch ein boes maul kein gluck auf erden: psalm 140. Ä

Das solcher bericht wahr und recht sey, wollen wir Solehs aus heiliger schrieft beweisen.“

Es folgt nun die aus der hl. Schrift reichlich gestützte Beweisführung, daß die Pfarrer auf der Kanzel nicht über- eilt die Leute strafen und mit Namennennung schelten sollen, bevor sie die Sünder ein- oder zweimal ermahnt und die tatsächlichen Verfehlungen festgestellt haben. Erst wenn der Sünder trotz Warnung von seinem Laster nicht absteht, darf der Pfarrer ihn óffentlich strafen und bannen: ,als ein ver- giftet reudig scheffle aus der gemein stossen, das kein arzney noch rath oder hulfe wil dulden noch busse thun*. Bei allen, die „orimina non notoria“ begehen, d. h. solchen, denen nicht landrüchige und jedermann bekannte Vergehen nach- zuweisen sind, soll zunüchst eine Verwarnung eintreten. Zu den „notorischen Verbrechern^ gehören aber die Ketzer, der Papst und die Wiedertüufer. Gegen diese darf man öffent- lich loswettern, wie folgende Stelle dartun möge:

„Also du pfarrherr, du seyest bischof oder pfarrher, biß nicht so stolz, sag nicht so frevenlich, was geben mich die an, die von meinem predigstul weglaufen, verachten Gottes wort, die heyligen sacrament, ich will sie flux dem teufel ergeben. Nicht also, so lieb dir Got ist, sonder biß gütig und fein muterlich gegen einem solchen verlornen kindt, hoeret er dich, thut buß, nym in an Lucae am 15, wie der fromme vatter den verlornen sohn nut allen gnaden annahme.

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Gedenck du selbst bey dir, wie oft hat dicb verlornes schaff der herr selbst gesucht mit seinem gnadenreychen wort, dich zu im berufft, da du armer sonst in die helle gelaufen und im tiefen ewigen tode versoffen wehrest. Also tha auch mit den armen verlornen sundern. Jhe nehr sie der helle und verdamnis seint, jhe mer du dich uber ir ver- damnis solt eriammern und allen fleis aukheren, wie du sie mochtest heylen und widerumb zu recht bringen.

Der liebe herr Jesus Christus unser getreur erzhirt und rechter bischoff beware uns seine arme scheffle bei reiner lahr zu weiden, erlose uns von den allervergiſtigsten interi- misten, sophisten, papisten, adiaphristen und falschen Christen, die itzo in schaffskleydern ires unreinen verfluchten innterim die arme liebe scheffle Christi wollen als mit todtlicher weide ermorden. Fur solchen reissenden wolfen bebutt uns Gott sein kleines hertlein schaff in ewigkeit . . ."

Ohne Zweifel waren Mißgriffe seitens einiger Geistlichen vorgekommen. Auf Grund von Klatschnachrichten sind un- schuldige Gemeindeglieder öffentlich durch die Pfarrer von der Kanzel herab bloßgestellt worden, so daß sich im Volk eine begreifliche Erregung gegen Kirche und Obrigkeit be- merkbar machte und das Vertrauen zu den Geistlichen schwand, zumal eine höhere Kirchenbehörde, ein Konsistorium, dem derartige Streitfälle hätten unterbreitet werden können, noch nicht eingesetzt war. In den Kreisen der Pfarrer ent- stand natürlich erst recht Erbitterung, als einer ihrer Amts- genossen offenbare Schäden erbarmungslos aufdeckte und Anweisungen gab, die dem seitherigen Brauch zuwiderliefen.

Falsche Gerüchte über Aquilas Lehre drangen bis zu seiner Beschützerin, der Herzogin Elisabeth, Sie schickte ibren Amtmann Christoph Mengerhausen nach Schmalkalden, der über vier Punkte dem Reformator Vorhaltungen machen und ihm ein Büchlein zur Belehrung übermitteln sollte. Der erste Punkt betraf natürlich die von Aquila gehandhabte Kirchen- zucht, bei der Elisabeth die nötige Schärfe gegen die „Papisten“ vermißte. Ihrem Verlangen, am nächstfolgenden Sonntag auf der Kanzel cine öffentliche Erklärung abzugeben, entgegnete Aquila, daß diese nicht notwendig sei, da es männiglich bekannt sein dürfte, daß er bei jeder Gelegenheit die „Papisten“ auf das allerheftigste anzugreifen und zu schelten pflege. Ferner wünschte die Herzogin, daß jeder Streit und Zank unter den hennebergischen Geistlichen vermieden werden möchte. Daß Aquila zu diesem Vorwurf Anlaß gegeben haben sollte, bekümmerte ihn ganz besonders, da er sein Leben lang um Friede und Einigkeit bemüht war. Diese Friedens- liebe betonte er noch besonders gegenüber dem letzten

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Ansinnen seiner Fürstin, daß er vor allem mit dem Super- intendenten Bartholomaeus Wolfhart gut Freund sein solle. Man darf hierbei nicht vergessen, daß eine gewisse Schuld auf Aquilas selbstherrisches Auftreten zurückzuführen ist, wie es sich 1546 bei seinen Streitigkeiten mit den Saalfelder Amtsbrüdern zeigte, wobei noch das Geld eine gewisse Rolle spielte.!) Die Verdächtigungen waren zu schwer, als daß Aquila mit ihrer Zurückweisung gegenüber Elisabeth sich hütte begnügen künnen. Er schrieb sofort an seine Landes- herren, die Grafen Wilhelm und Georg Ernst, gab ihnen seinen Kummer zu verstehen und bat sie, ihn bei der Fürstin zu entschuldigen: ,Denn was ich geschrieben, gelert und gepredigt, das habe ich nie scheu getragen, sondern kan und wil es mit Gottes hülfe aus dem waren Gottes wort verantworten vor Gott, allen unparteyschen, versten- digen und guten christenmenschen“ ). In einem vertrau- lichen persönlichen Schreiben an Georg Ernst?) vertrat Aquila nochmals mit aller Deutlichkeit und Schärfe seinen Standpunkt und bat den Grafen, er möge seine Schwägerin auf den Inhalt seines Büchleins, das dieser offenbar noch nicht bekannt sei, hinweisen. Der Graf kam der Bitte seines Schützlings nach und entschuldigte ihn‘), billigte aber durch- aus die in der „Getreuen Unterweisung“ ausgesprochenen Gedanken, denn vom Standpunkt der „christlichen Obrigkeit“ mußte er der drohenden „Verachtung des ministerii* ent- gegentreten?). Erhard Schnepf, Wolfgang Mülich u. a. stimmten ihm bei. Damit war die Angelegenheit nicht abgeschlossen, denn Georg Ernst wünschte sehnlichst Aquilas Schrift ge- druckt zu sehen. Mit der ihm eigenen Sorgfalt und Gründlich- keit bat er daher angesehene Theologen um ihre Gutachten.

Seit Anfang September 1550 war Justus Jonas im nahen Coburg. In den Herbst des folgenden Jahres wird ein undatierter Brief zu verlegen sein, der zwar nicht eigen- hándig von ihm geschrieben und ohne Unterschrift versehen ist, aber in der Adresse unverkennbar die Schriftzüge des Reformators verrät. Das Siegel mit dem Bild des Jonas, der dem Rachen eines Walfischs entsteigt, findet sich auch auf einer eigenhändig von Justus Jonas ausgestellten Quittung, die auf Schloß Landsberg bei Meiningen unter Glas und

1) Corpus reformatorum 6, Nr. 3412, 8. 761f.

) Beilage 1, S. 25.

5) Beilage 2, S. 27.

) Meiningen, G. H. A. I N 140 (1551 Juli 16 and 94).

5 Aufzeichnungen Glasers über Georg Ernsts Standpunkt in der Bannfrage, dem Aquila beistimmte: Meiningen, G. H. A. IV A 9, 27 b.

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Rahmen verwahrt wird!) (1917). Jonas spricht sich gegen den Druck der Schrift Aquilas aus; er meint, derartige Streitfälle sollten den Visitationen oder einem demnächst zu eröffnenden Konsistorium vorbehalten bleiben und be- fürchtet, die Auffassung könne Platz greifen, als ob die Obrigkeit dem heiligen Geist in sein Amt greifen wolle.?) Trotz seiner Gegnerschaft gegen das Interim war Jonas mit Melanchthon befreundet. Der gemeinsame Kampf gegen Osiander brachte die beiden noch näher zusammen?) und hat sicher auch engere Fühlung mit den hennebergischen Theologen zur Folge gehabt, denn er unterschrieb das be- kannte hennebergische Gutachten vom 5. Dezember 15514). Ein diesem Gutachten vorausgehender Brief des Herzogs Albrecht von Preußen an Graf Georg Ernst vom 4. Oktober 1551 über Osianders Irrtümer trägt Aufzeichnungen von der Hand Aquilas in roter Tinte). Dessen Mitwirkung in diesen Fragen steht also fest. Seine Mitarbeiterschaft an einer im Jahre 1551 entworfenen, aber nach Juncker nicht veröffentlichten Kirchen-, Schul- und Spitalordnung ist unwahrscheinlich 9). Es handelt sich offenbar um die vom Kanzler Sebastian Glaser entworfene Ordnung vom 12. Mai 1551, welche über das Vermögen der Kirchen, Schulen und Spitäler, soweit es nicht zu weltlichen Zwecken verwendet wurde, und dessen Verwaltung Bestimmungen trifft‘), um der Verschleuderung des Kirchengutes vorzubeugen,

Etwa um dieselbe Zeit, als Justus Jonas wegen Aquilas Büchlein angegangen wurde, entschlossen sich die Grafen Wilhelm und Georg Erust, Philipp Melanchthon ihr

1) Beilage 8b. 8. 31.

) Beilage 3a. S. 30.

2) G. Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas 2 (Halle 1885, Geschichtsquellen der Provinz Sachsen 17), LIIIff. Jonas starb als Superintendent in Eisfeld am 9. Oktober 1555,

) Th. Pressel, Justus Jonas (Elberfeld 1862), 101.

5 Meiningen, G. H. A. IV B 2,3.

*) Junckers Ehre a. a. O., Bl. 156 fl.

?) Ungedruckt; bei Sehling a. a. O. 269 erwähnt; im G. H. A. IV C 1,2, Bl. 109 fl. Gelegentlich (1550 Aug. 27) hören wir von Be- sprechungen Aquilas mit Elisabeth von Rochlitz wegen Verlegung der Schule vom Berg in das Augustinerkloster. Politisches Archiv des Landgrafen Philipp des Großm., Nr. 66. Über die Schule vgl. W. Dersch, Kaspar Brusch als Schulmeister im Stift zu Schmalkalden, in der Ztschr. d. Vereins f. Henneberg. Gesch. u. Ldkde. in Schmal- kalden 18 (1923), 34 fl. und die Frankfurter phil. Diss. v. W. Frank 1928,

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Anliegen vorzutragen!) Veranlassung bot die von einigen Pfarrern leichtfertig geübte Verhängung des Kirchenbannes, so daß mancher vormittags auf eine unbegründete Anzeige hin öffentlich in den Bann erklärt wurde, nachmittags aber, nach- dem sich seine Unschuld nach gründlicher Untersuchung er- wiesen hatte, der Strafe wieder enthoben wurde. Dieses un- sichere und heftige Auftreten der Geistlichen drohte ver- hängnisvoll zu werden und manchem die neue Lehre, die vom Geist der Lindigkeit, der Geduld und Sanftmut beherrscht sein sollte wie es in dem Brief heißt —, verdächtig er- scheinen zu lassen. Bevor Melanchthon mit seinen Freunden über die „Getreue Unterweisung“ beraten konnte, riet er am 5. September 15561?) dem Grafen, nach sächsischem Muster ein Konsistorium (mit 5 Personen) für ehestreitige und straf- würdige Sachen einzurichten, denn das sei nützlicher als durch obrigkeitliche Befehle die Unordnung verhüten zu wollen. Am 30. November?) wiederholte er im Verein mit Johann Bugen- hagen und Georg Major diesen Rat und schickte das Büchlein zurück, von dem er zunächst nur urteilte, daß „darin viel christlicher Erinnerung“ sei. Die Anrichtung eines Konsisto- riams stand für ihn im Vordergrund; gelang es ihm, dafür die Grafen zu gewinnen, wurde der Druck des Büchleins von untergeordneter Bedeutung. Allerdings bedurfte ge- rade eine Reihe von Artikeln sorgfältiger Beratung. Am 12. Februar 1552 teilte Melanchthon nochmals seine und des Leipziger Predigers Erasmus Sarcerius Bedenken über Aquilas Schriftchen dem Grafen Wilhelm mit). Aquila erhielt den Brief zur Verantwortung und äußerte sich zu den einzelnen Punkten in Randbemerkungen, die in dem Satz gipfelten: „Trotz sei allen Porten der Höllen“. Den ihm gemachten Vorwurf, daß er keinen Unterschied kenne zwischen „erimina notoria“ und „crimina von notoria“, beantwortete er mit dem Ausruf: „Beweiset das, lieben Herren, so Ihr das könnt, sollt

) Beilage 4. 8. 31. Auszug bei Weinrich a. a. O. 295. Sehling n. a. O. 272. Vgl. A. Human, Die Reformation in Kirche und Schule des Herzogtums S.- Meiningen, Leipzig 1917 (Die Reformation und ihre Wirkung in Ernestinischen Landen. Gedenkblätter zur Jubelfeier der Reformation, hrsg. v. Oberhofprediger G. Scholz-Gotha, Bd. 3), S. 11f. (Melanchthons Beziehungen zum Meininger, Land).

2) Corpus reformatorum 7, Nr. 6301. Melanchthons Briefwechsel mit Aquila ist verzeichnet ebenda im Indexband (10), Sp. 334.

3) Ebenda 7, 5302, Weinrich a. a. O. 979 fl. 291 f. Sehling a. a. O. 273.

4) Corpus reformatorum 7, Nr. 5067; vollständig und verbessert im Anhang als Nr. 5303. Meiningen, G. H. A. IV C3, 12.

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mein Antwort hören aufs allerbest, zu Gottes Lob und zu Trost der lieben Kirchen“. Gegenüber Melanchthons Hin- weis, daß ein offenkundiger Ehebrecher vom Sakrament aus- geschlossen werde, bemerkt Aquila: „Das haben wir vor 40 Jahren sämptlich gethan, ohn alle Scheu, Gott sey Lob“. Aquila war überzeugt, daß seine Ausführungen recht deutlich zwischen offenen und heimlichen, ungewissen Lastern unter- schieden, und konnte sich auf das Urteil des Victorinus Striegel berufen, der ihm durchaus beistimmte.

Das „Gezänk“ zwischen den Predigern ging fort, ob- wohl Aquila es ausdrücklich bestritt, und verlangte eine kräftige Hand, die eingreifen konnte. Selbst Georg Ernst hat damals den Druck des Büchleins nicht mehr befürworten wollen, als er auf einer nach Wasungen einberufenen Zu- sammenkuuft aller Geistlichen feststellen mußte, daß eine Einigung nicht zu erzielen war, und gerade der erste Geist- liche des Landes, der Superintendent Bartholomaeus Wolfhart in Schleusingen, sich vornehmlich betroffen fühlte.

Im Sommer erhielt Fürst Georg von Anhalt, der Bischof von Merseburg, das Büchlein zar Begutachtung. Er sprach sich für den Druck aus, tadelte aber das unvorsichtige Auftreten der unbescheidenen, junger Geistlichen, welche die Lehren der von ihnen Bekämpften nicht einmal selbst kannten. Die Adiaphoristen, nach denen die Kreatur mit Gott wesens- ein sein soll, und die nach Aquilas Meinung den Papisten' zu viel einrüumten!), wollte er als Sekte nicht gelten lassen und schlug vor, statt „Adiaphoristen“: „Antiadiaphoristen“ zu schreiben. Georg Ernst stimmte dieser Auffassung voll- kommen bei und äußerte die Absicht, das schon lange empfohlene Konsistorium ins Leben zu rufen?) Tatsächlich kam es aber ersí im Jahre 1574 zu dieser Verfassungs- änderung, indem an Stelle des Superintendenten mit den „Zugeordneten“ oder der Visitationskommissionen, der stän- dige Kirchenrat oder das Konsistorium trat*).

Die „Getreue Unterweisung“ scheint nie gedruckt worden zu sein; sie hat aber dazu beigetragen, daB die henne-

1) Voigt a. a. O. 26f.

) Meiningen, G. H. A. I Q 14: 1559 Juli 13; das Konzept im Haus- und Staatsarchiv zu Zerbst (G. A. R. V, 195, Nr. a XX) datiert vom 7, Juli; Georg Ernst antwortete am 25. Juli. Über die Bedeutung Georgs von Anhalt für die evangelische Kirchengesetsgebung vgl. E. Sehling a, a, O. I 9, 500 fl.

3) Sehling a. a. O. 278fl. Sehling, Geschichte der protestan- tischen Kirchen verfassung (Meisters Grundriß der Geschichtswissen- schaft II 8, 2. Auflage 1914), 17f.

Archiv für Beformationegeschiehte. XXII. 1. 9

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bergischen Grafen die Errichtung eines Konsistoriums ins Auge faßten und die Superintendenten später eine Erklärung abgaben, derzufolge alle öffentlich lautbaren (notorischen) Sünder von dem Pfarrer nicht öffentlich auf der Kanzel mit Namennennung oder Andeutung gebannt, sondern zuvor vermahut werden sollten und kein Pfarrer eigenmächtig ohne Erkeuntnis eines ordentlichen Konsistoriums den Bann aussprechen dürfe!). Hand in Hand mit den darum geführten Besprechungen ging die Frage der Besetzung des Super- intendentenpostens.

Wolfhart plante schon im Frühjahr sein Amt aufzugeben, ließ sich aber noch länger halten“). Aquilas Stellung war gegenuber seinen Amtsbrüdern schwierig geworden, so daß er trotz der Stütze, die ihm sein Landesherr bot, gern die Gelegenbeit ergriff, Schmalkalden und seinen hennebergischen Dienst zu verlassen, als im Juni 1552 Herzog Johann Friedrich d. M. von Sachsen mit ihm verhandelte wegen seiner Rückkehr nach Saulfeld*). Die Rückkehr verzögerte sich bis in den Herbst. Zuvor bat er den Hofprediger seines Herrn, den Mag. Philipp Hermann, mit dem er schon in UntermaBfeld zusammengewesen war, um ein Zeugnis über seine Amtsfübrung. Von Wolfhart verabschiedete er sich schriftlich in aufrichtiger Versóhnlichkeit*). Wolfhart hatte nach wie vor die Mehrzahl der Geistlichen auf seiner Seite; er verlangte von ihnen aber auch Gehorsam; so begehrte er, daß die Pfarrer der ganzen Herrschaft ihre gottesdienstlichen Ordnungen nach dem Brauch in der Hauptpfarre Schleusingen einrichten sollten). Er wußte es vor seinem Gewissen zu verantworten, wenn er auf der Kanzel öffentlich den Kirchen- bann aussprach®). Am 27. September hielt Aquila seine Ab- schiedspredigt tiber Paulus Ephes. 5 und Apostelgeschichte 20°); in einem Vierspänner, von etlichen Wagen begleitet, die den Hausrat aufnahmen, fuhr er mit Weib und Kindern nach Saal- feld zurück. |

.!) Meiningen, G. H. A. IV A 2, 27b (undatiert).

N) Germann, Forster, Urkundenbuch S. 52ff.

3) Fr. Küch, Politisches Archiv des Landgrafen Philipp des Großmütigen von Hessen (Publikationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven 78, Leipzig 1904), Nr. 66. S. 53.

) Schlegel a. a. O. 471f. (Wolfhart „totius Hennebergensium principum ducatus summus inspector“).

5) Sehling, Kirchenordnungen I 2, 355.

*) Meiningen, G. H. A. IV A 2, 97b, Brief an Sebastian Glaser 1553 Juli 18.

7) Geisthirt a.a. O. 2, 79.

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W. Germann behauptet!), daß Wolfhart als Nachfolger Aquilas für Schmalkalden ausersehen gewesen sei; doch er- scheint dieser Wechsel nach dem Gesagten unwahrscheinlich. Wolfhart ging erst 1555 nach Hannover. Cyriakus Spangen- berg erzählt aber gelegentlich seines Besuchs in Sehleusingen am 12. Mai 1552, daß er als Nachfolger Aquilas oder Wolf- harts in Betracht gekommen sei“). Die Nachricht beweist, daß man schon im Mai auch mit Aquilas Scheiden rechnete. Genaueres erfahren wir nus dem Briefwechsel des Grafen mit Melanchthon, der im Juli mit Johann Forster sich be- sprach®) und als Superintendenten den Mag. Laurentius Rulich*) (Ruelichen) und den Pfarrer in Kalbe?) vor- schlug. Zwei Monate später konnte Melanchthon mit einer Auswahlliste aulwarten®); der Kanzler Glaser sollte über die einzeluen Persönlichkeiten nähere Auskunft geben. Für das Superintendentenamt in Schmalkalden oder Schleusingen schien ihm am geeignetsten Justus Menius), doch kam dieser kaum in Frage, da die Herzöge von Sachsen ihn be- halten wollten. Weiter empfahl er Philipp Hermann (s. oben S. 18) sowie Mag. Bartholomaeus [Wolfhart] und Eichhorn?) von denen einer für die Pfarrei in Schmalkalden passend sei. Auf einem beiliegenden Zettel standen noch zuoberst Christophorus Piscator (Fiseher) aus Joachimsthal, der ungefähr gleichaltrig mit dem Kanzler und diesem wohlbekannt, aber zu jung war,

1) Germann, Forster 52ff,

3) Hennebergische Chronica 261 f.

3) Corpus reformatorum 7, Nr. 6146 (1552 Juli 6).

*) Aus Jüterbog. 1551 Lehrer an der Schule S. Afra in Meißen, vgl. Corpus reformatorum 7, 871; Gg. Buchwald, Wittenberger Ordiniertenbuch 1537—1560 (Leipzig 1894), Nr. 1525 und in den Beiträgen zur sächsischen Kirchengeschichte 11 (Leipzig 1896), 44 und 12, 88.

5$) Calbe an der Saale oder Calbe an der Milde?

) Corpus reformatorum 7, Nr. 5196 (1552 September 8).

) Geb. 1499 in Fulda, 1529 Pfarrer in Eisenach, 1546 Super- intendent in Gotha, starb 1558 in Leipzig. Ein Brief von ihm an Graf Georg Ernst von 1552 Aug. 18 unter Nr. 304 der Urkunden des Melanchthonhauses in Bretten, erwähnt im AR G 19 (1922), 58.

*) Jodocns Eichhorn aus Arnstadt, 1551 und 1552 Diaconus unter Wolthart in Schleusingen. Joh. Gg. Eck, Biographische und littera- rische Nachrichten von den Predigern im Kurfürstlich - Sächsischen Antheile der gefürsteten Grafschaft Henneberg seit der Reformation, Leipzig 1802, S. 22, 116. Buchwald, Wittenberger Ordiniertenbuch, Nr. 773.

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und der Pastor von Hainichen!), der gleichfalls Glaser bekannt sein sollte, dessen sich aber dieser nicht erinnern konnte. Das Gleiche galt für den Mag. Matthias Elbing Prutenus?) der für die Pfarrei vorgeschlagen wurde. Als Superintendent schien geeignet der Diakon in Lucka?) Forstius aus Koburg, für eine Diakonatstelle Lau- rentius Rubosius. Glaser kannte von den auf der Vorschlagsliste Stehenden nur Fischer und teilte Georg Ernst seine Bedenken wegen dessen Jugend er war 1524 ge- boren mit“). Gleichzeitig baten die Grafen den Dom- propst von Magdeburg und Meißen, Fürsten Georg von An- halt, mit Melanchthon sich zu besprechen wegen „eines an- sehenlichen, betagten, geübten, erfarnen, gelerten und gots- fürchtigen mannes, der allen andern unsern theologen mit lehr, leben und wandel vorgehe“. Am 29. September reiste Fischer mit den besten Empfehlungen an Glaser und die Grafen nach Schleusingen ab). Melanchthon urteilte über ibn: ,Fuit eius gubernatio in ecclesiis, quas docait, tran- quilla, et spero, salutarem vestris ecclesiis fore; est enim recte eruditus, mores sunt honesti, nec amat tribunitios clamores“. Der tugendsamen Hausfrau, der Tochter Paul Knods, der in

1) Kr. Delitzsch bei Wittenberg. 1543 war Leonhard Wagner dahin berufen worden. Buchwald, Wittenberger Ordinicrtenbuch Nr, 474.

3) Rutenus?

3) Sachsen- Altenburg.

) Meiningen, G. H. A. IV B 9, 1 (1552 September 91). Gg. Brückner in den Neuen Beiträgen zur Geschichte deutschen Alter- tums 2 (1863), 28. Er schreibt sich: Christoph Vischer (Meiningen, G. H. A. IV C 8,19). Sein Bild findet sich auf dem ersten Blatt seiner 1578 bei Michel Krüner in Schmalkalden gedruckten ,Auslegung der Fünff Heubtstück des beiligen Catechismi / gestellet und geprediget durch M. Christofferum Vischer / Hennebergischen Superintendenten / und Pfarberrn zu Meiningen“ mit der Umschrift: Christophorus Fische- rus aetatis anno XLIX. Das Buch war auch im Besitz der Gräfin Elisabeth, Georg Ernsts Gemahlin, geb. Herzogin von Württemberg: Meiningen, G. H. A. I G 105 (Bücherverzeichnis). Über Fischer vgl. neuerdings Rud, Steinmetz, Die Generalsuperintendenten von Lüne- burg-Celle, in der Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte 20 (Braunschweig 1915), 47ff. und dazu die er- günszende Besprechung von G. Bossert in der Theologischen Literatur- zeitung 41 (1916), Nr. 24, Sp. 520.

5) Corpus reformatorum 7, Nr. 5214 und 5918. Daß er 1552 Superintendent in Schmalkalden wurde, wie Brückner a. a, O. sagt, ist nicht zu erweisen. Vgl. unten S, 24.

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Kurfürst Friedrichs Kanzlei tätig war, wird besonders ge- dacht. Da Melanchthon die Besetzung der Superintendentur nicht für eilig hielt, war er damit einverstanden, wenn Fischer als Pfarrer in hennebergische Dienste trat). Wegen eines Superintendenten einigte Melanchthon sich mit Georg von Anhalt auf den schon genannten aus Westfalen stammen“ den Pfarrer Christophorus Wusthofen in Hainichen bei Wittenberg ?). In der ersten Novemberwoche reiste dieser nach Henneberg. Melanchthon rühmte ihn als verständigen, gelehrten und gottesfürchtigen Mann und wußte an ihm nur zu tadeln, daß seine Stimme etwas dunkel sei; als Super- intendent schiene er besonders geeignet zu sein. Die Er- richtung des Konsistoriums wurde aufs neue für nützlich empfohlen“).

Fischer war in Henneberg geblleben und hat vermutlich sofort Aquilas Stelle in Schmalkalden angetreten“). Melanch-

) Corpus reformatorum 7, Nr. 5220 (1559 Oktober 8). Fischer hatte schon ais Pfarrer zu Bensen die Hauptpunkte der christlichen Lehre in Fragestücken zusammengestellt und auf Anraten vieler Leute 1568 bei Jakob Berwald in Leipsig ,Ein Aussug || vnnd Begriff des heili-||gen Christlichen Glaubens / || auff kurtze Frag vnd Ant-||wort gestelt...“ drucken lassen, Das Büchlein hat sicher bei seiner Visi- tation der Grafschaft Henneberg eine Rolle gespielt, denn es wurde 1556 und 1558 neubearbeitet wieder aufgelegt als „Summa der || Christ- lichen Lehre / für || die einfeltigen“... und ist abgedruckt bei J. M. Ben a. a. O. (s. oben S. 9) II 2, 968 fl., vgl. ebenda II 1, 191 * ff, Über seine pädagogische Bedeutung vgl. Hans Heim, Fürstenerziehung im 16, Jahrhundert, Würzburger phil. Dissertation 1918, S. 7 ff. Literatur über ihn zusammengestellt in den Theologischen Studien u. Kritiken 1910, 8. 876 u. 1913, S. 605.

*) Meiningen, G. H. A. IV B 2, 1 (1559 Oktober 8, Georg v. An- halt an die Grafen). Corpus reformatorum 7, Nr. 5252 (1559 Oktober 28, Melanchthon an die Grafen).

3) Corpus reformatorum 7, 5252, 5958 und 5254. Auch für die Kirche in Rosa versprach Melanchthon einen jungen, tüchtigen Mann namhaft zu machen. Es war vermutlich Johannes Heller aus Nürn- berg, der die dortige Pfarrei von 1552—1554 versah. Gg. Brückner, Pfarrbuch der Diöcesen Meiningen, Wasungen und Salzungen (Neue Beiträge zur Geschichte deutschen Altertums 9, Meiningen 1865), 489 f Buchwald, Wittenberger Ordiniertenbuch, Nr. 1896 (1559 Novem- ber 30). Vgl. auch A. Human a. a. O. S. 11f.

*) Als Pfarrer zu Schmalkalden bezeugt 1554 März 7: K. G. Dietmann, Kurzgefaßte Kirchen- und Schulgeschichte der gefürsteten Grafschaft Henneberg Kurfürstlich - Sächsischen Anteils (Gotha 1781), 31; als Pfarrer am Stift 1554 März 81: Meiningen, G.H. A. IV A 9, 97 b.

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thon versäumte nicht, darüber seinen Dank zum Ausdruck zu bringen; er hoffte zuversichtlich, daß er sein Amt gut versehen werde und seine Milde (modestia, Lindigkeit) allen Einrichtungen willkommen sein werde. Von Wusthofen fehlen nähere Nachrichten. Er scheint nicht längeren Aufenthalt oder gar die Stelle eines Superintendenten genommen zu haben.

Abgesehen von der Widmung des 6. Bandes der deutschen Werke Martin Luthers durch Melanchthon an die henneber- gischen Grafen Wilbelm und Georg Ernst am 1. Januar 1553!) und einer in diese Zeit anzusetzenden Zusammenkunft Georg Ernsts mit Melanchthon“), über die nichts Näheres überliefert ist, sind fast ein Jahr lang Beziehungen zu dem Reformator nicht nachzuweisen. Nachdem Wusthofen die Superintendentur abgelehnt hatte, wie wir annehmen missen, versuchte Georg Ernst den Antonius Corvinus, den treuen Berater seiner Schwiegermutter Elisabeth von Braunschweig und Schwieger- vater seines Leibarztes Burkhard Mithobius, für dieses Amt zu gewiunen?) Bereits im Mai und Juni 1552, als Corvinus noch gefangen auf dem Kalenberg saß, hatte die Herzogin Elisa- beth ihre hennebergischen Verwandten veranlaßt, für den armen Gefangenen ein Wort einzulegen*). Am 21. Oktober erschien Herzog Erich im Gefängnis und schenkte Corvinus ‚und seinem Leidensgeführten Mag. Walther Höcker die Frei- heit. Der Tod des in dreijähriger Haft gebrochenen Refor- mators vereitelte Georg Ernsts Pläne, den erprobteu Organi- sator für sein Land zu gewinnen. Im Oktober 1553 wandte sich daber der Graf aufs neue an Melanchthon, um sich nach dem damaligen Pfarrer von Pegau in Sachsen Lie. Konrad Muselius (richtiger Musculus-Mäusel) zu erkundigen. In der gleichen Angelegenheit bat er Melanchthons Freund, den Leipziger Theologieprofessor Dr. Erasmus Sarcerius?)

1) Corpus reformatorum 8, 1ff.

2) S. Beilage 5, unten S. 33 zu Anfang des Briefs.

) Briefe des Grafen an Melanchthon und Erasmus Sarcerius; ab- gedruckt als Beilagen 6 und 7. Die Briefe Melanchthons sind im Archiv nicht mehr aufzufinden und offenbar einem Handschriftenlieb- haber zum Opfer gefallen, der sich auch nicht gescheut hat, Brief- stellen, in denen von Luther die Rede war, mit der Schere auszu- schneiden und wohl zu veräußern, z. B. I N 102.

) Meiningen, G. H. A. I N 134, 152 (Briefwechsel Boppos und Elisabeths mit den Grafen Wilhelm und Georg Ernst 1549—1552; Aufschriften von der Hand Aquilas beweisen, daß diesem die Akten vorgelegen haben).

5) Corpus reformatorum 7, Nr. 4580 (Melanchthon befürwortete 1519 den Druck seiner Predigter). 1501 in Annaberg geboren, Refor-

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(Sehürer, den Lehrer des Konrad Musculus, um dessen Rat. Sarcerius selbst hatte abgelehnt, einem Raf in die Herr- schaft Henneberg zu folgen, und war als Superintendent nach Eisleben gegangen. Die Antworten der beiden Gelehrten sind leider nicht mehr bei den Akten. Wir erfahren nichts von Miiusels Ablehnung’).

Das folgende Jahr verging, ohne daß Georg Ernst einen Superintendenten gewinnen konnte. Auch zur Berufung eines Konsistoriums konnte er sich noch nicht entschließen, obwohl dieses Melanchthons stete Sorge war. So riet dieser im No- vember 1554?) dem Rat der Stadt Regensburg zum Kon- sistorium und berief sich dabei auf denselben den Grafen von Henneberg vor 3 Jahren erteilten Ratschlag. Im Kon- sistorium, wo offenkundige Vergehen, aber auch Wucher- angelegenheiten ihre Sühne finden sollten, erblickte er das wirksamste Mittel, um den aus den privaten Bannverhän- gungen eines jeden Pfarrers entstehenden Unstimmigkeiten erfolgreich und gerecht begegnen zu können. Das Ido οονẽ3t¼i y bezeichnete er in einem Brief an Christoph Fischer geradezu als gefährlich ê). Aufs Neue drängte er dahin, daß die Henne- berger das Konsistorium ins Leben riefen und wünschte zu diesem Zweck sich mit Fischer mündlich zu besprechen“). Aus der Adresse dieses Briefes geht hervor, daß Melanch- thon in Fischer tatsächlich schon damals den Superinten- denten der Grafschaft erblickte (gubernanti ecclesiam Dei in ditione . . .).

Drei Jahre waren inzwischen vergangen, seitdem Fischers Wahl zum Superintendenten wegen seiner Jugend Bedenken

mator in Nassau, 1549 an S. Thomas in Leipzig, 1553—1559 Super- intendent der Grafschaft Mansfeld in Eisleben, starb 1559 in Magde- burg. Vgl Max Könnecke, Die evangelischen Kirchenvisitationen des 16. Jahrhunderts in der Grafschaft Mansfeld Il: Mansfelder Blätter 12 (Eisleben 1898), 511f. R E? 17, 4831. W. Diehl, Reformationsbuch der ev. Pfarreien des Großherzogtums Hessen (Friedberg 1917), 295, G. Wolf, Quellenkunde der dentachen Reforinationsgesch. II 2 (Gotha 1929), 166 ff.

1) Musculus war seit Jannar 1553 Pastor und dann erster Super- intendent in Pegau, wo er 1566 starb. K. G. Dietmann, Die ge- samte der ungeänderten Augsp. Confeßion zugethane Priesterschaft in dem Churfürstenthum Sachsen I 3 (Dresden und Leipzig 1754), 457.

2) Corpus reformatorum 8, 369 fl. Nr. 5683.

3) Ebenda 8, Nr. 5767 (1555 April 12); vgl. auch den Brief vom 9. Januar 1556, ebenda 8, 5912.

) K. Müller, Die Anfänge der Konsistorialverfassung im luthe- rischen Deutschland: Historische Zeitsehrift 102 (1909), 19.

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erregt hatte. Verhandlungen mit anderen hatten zu keinem Abschluß geführt. Fischer hat gewiß in diesen Jahren die Erwartungen, welche man auf ihn setzte, nicht betrogen, so daß nichts näher lag, als nunmehr dem Jugendlichen, weil er eben tüchtig war, das verantwortungsvolle Amt des Super- intendenten zu tbertragen. Die eigentliche Bestallung als Dechant des Stifts in Schmalkalden und Superintendent der ganzen Herrschaft erfolgte durch Urkunde vom 27. Juni 1555 ). Die Ernennung hat manchen verstimmt. Mancher verließ seine Pfarrei, wie der Herrenbreitunger Pfarrer Valentin Herz, der aus seiner neuen Stellung in Pforzheim später (1557) bei dem hennebergischen Sekretär Johann Heinkel bittere Klagen führte über Fischers Schärfe und rticksichtsloses Auftreten gegenüber vielen, die mehr Lebenserfahrung gehabt hätten als er?).

Das große Werk der Kirchenvisitation, das er im Herbst des Jahres 1555 unternahm, sichert ihm dauernd neben Johann Forster die erste Stelle unter den Reformatoren Hennebergs. Forster mußte 1546 (1547) gehen, weil er einen offenkundigen Mörder aus der Gemeinschaft der Kirche entfernt und Georg Ernst darin einen Übergriff auf das Gebiet seiner landes- herrlichen Macht erblickt hatte®). Auch Forsters Nachfolger Wolfhart machte durch unerbittliche Strenge viele sich zu Feinden, behauptete aber doch in dem Streit mit Aquila das Feld, bis er 1555 nach Hannover ging. Sowohl Forster als auch Wolfhart und Fischer mußten notwendigerweise mit ihrem Landesherrn in Gegensatz kommen, denn dieser war aufs peinlichste bedacht, seine landesherrliche Stellung zu wahren, erblickte er doch in einem Konsistorium mit weit- gehender Zuständigkeit eine Beeinträchtigung seiner welt- lichen Obrigkeit, obwohl er persönlich nicht einmal Be- denken trug, sich als Christ seinem Kirchenrat unter-

1) Meiningen, G. H. A. IV C8, 18. In den Ehegerichtsproto- kollen erscheint seine Hand erstmalig am 20. Juni 1555, ebenda IV C 1, 2, Bl. 621.

*) Ebenda IV B 2, 14b. Ein Brief von ihm an den hennebergischen Kanzler Sebastian Glaser (1549 Mai 18) über Melanchthon und das Leipziger Interim abgedruckt von W. Dersch im Neuen Archiv für Sächsische Geschichte u. Altertumskunde 39, 151 f.

5) Germann, Johann Forster 455. Mitbestimmend für Forsters Weggang wurde vor allem der Fortfall seiner Besoldung (200 fl.), welche ihm nicht mehr gewährt werden konnte infolge der traurigen Finanzlage der Henneberger. E. Ausfeld, Hof und Haushaltung der letzten Grafen von Henneberg (Neujahrsblütter der Historischen Kom- mission der Provinz Sachsen 98, Halle 1901), 29ff.

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zuordnen?) Kaspar Aquilas Aufenthalt in der Umgebung des Grafen ist für dessen Anschauungen zweifellos mitbe- stimmend gewesen, sowohl hinsichtlich des Kirchenzucht- begriffs als auch in Bezug auf die Vorbereitung und Ein- richtung des Konsistoriums. Wer einmal die Geschichte der Kirchenvisitationen und des Konsistoriums in Henneberg zu schreiben unternimmt, wird daher zu achten haben auf die Zeit von 1548—1552, in denen Kaspar Aquila seinem verständnisvollen Fürsten fruchtbringende Gedanken tiber die künftige Gestaltung der Landeskirche einzugeben ver- standen hat,

1. [Kaspar Aquila] an die Grafen Wilhelm und Georg Ernst von Henneberg. [1551 Mai.]

Gottes gnade und friede in Christo Jesu amen. Hoch- geborne fursten, e. f. g. seint mein unterthenige willige dienst und embsigs gebeth gegen Got zuvor. Gnedige herrn, e. f. g. kan ich untertheniglichen mit betrubtem gemuet unangezeigt nieht lassen, das umb dén tage Philippi und Jacobi [Mai 1] ungeverlich die durchleuchtige hochgeborne furstin und frau, frau Elisabeth, geborne marggrevin zu Brandenburgk, grevin und frau zu Hennenbergk, mein gnedige furstin, irer f. g. diener magister Christoffel Mengerschhausen bei mir za Schmalkalden gehabt, welcher mir ein eredenz von irer f. g. wegen uberanthwortet und angezeigt.

Erstlich es weher hochgedachter seiner gnedigen furstin glaublich angezeigt worden, ich habe uff der canzeln offent- lich gepredigt, mann solte nymant uff der canzeln schelten und mit nahmen nennen, er sey dann zuvor ermahnet.

Zum andern, wohe sichs dermassen erhielt, wehre daraus abzunehmen, das icb nur ein evangelions- und kein gesetz- prediger sein muste und wurde mit der weyse ervolgen, das man auch die papisten nicht angreifen odder ir verdamblich leben straffen dorft. Damit ich aber bekennen und fur billich und notwendig achten muste, das man offentliche laster, sonderlich das bapstumb, billich straffte, liessen mir ire f. g. ein buchlein, dasselbig zu verlesen, durch i. f. g. gesandten zustellen, welchs ich mit ganzem fleys durchsehen und iren

) Sehling, Kircbenverfassung 20, 24. Vgl. die Stellung Land- graf Philipps des Großmütigen von Hessen zum Kirchenbaun bei Pr. Küch in der Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 88 (Kassel 1904), 947 ff.

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f. g. mein gutbedunken darneben, und was die rechte meinunge desselben seye, untertheniglichen zugeschrieben, der unge- zweifelten hoffnung, ire f. g. werden mir gnediglichen beifall geben. Ich solte auch nach beschehener werbunge uff der canzel den nechsten sontage mich erkleren, wie ichs mit deme gemeint, da ich gesagt, man solte unermant nymant offentlich bald schelten, damit es nicht von etlichen dahin gedeutet werden mocht, als soltt man die papisten nicht schelten. Darauf ich auch antwort geben, es sey solcher erklerunge nicht von noeten, dann je kunth und wissentlich ist, welchermassen ich, wenn es die gelegenheit und der text gibt, die papisten uff das allerheftigst anzugreifen und zu schelten pflege.

Zum dritten liessen mir ire f. g. auzeigen: Nachdeme ire f. g. je nicht gern wolten, das sich zwispalt der lehre und hader odder zangk unter den predigern ihn der loblichen herschaft Hennenbergk erregen soltt, wehre ihren f. g. gnedigs begeren, ich solte zu keinem zwispalt, hader odder zanck ursach geben, sondern vielmehr darfar seyn und solche mit fleys verhuten helfen. Wiewol ich mich nuhn gnediger fursten und herrn die zeit meins lebens friedens und eynig- keit hochstes vermogens befliessen und. mich dessen noch zu befleyssigen gedenk, weil mir Got das leben fristet, so bekhummert mich doch seer hoch, das ich ihn meinem alter allererst ihn verdacht khommen soll, dessen ich mein leben lang uberig und demselben allwege zuwidder gewesen.

Zum vierdten zeigt mir gemelter Mengerschhausen aus- truchlich an, ich soltt mir ja sonderlich den superintendenten bevohlen sein lassen, magistro Bartholmeo Wolffarten, mich freuntlich gegen demselben erzeigen und ja keinen unwillen zwuschen uns beiden einwurzeln und aufwachsen lassen, son- dern solten einig und gute freunde sein. Darauf hab ich i. f. g. angezeigt, das ich ir nicht lust zu unwillen, hadder undl zangk trage, sondern allwege dieselbige vermeyden und einigkeit gern erhalten helfe. Und wiewol ich der unter- thenigen zuversicht zu gedachter meiner gnedigen furstin bin, ire f. g. werden aus meiner gethanen veranthwortung soviel verstanden haben, das ir f. g. der boesen leut antragen verner nicht stadt und glauben geben werden, sondern vielmehr mich aus dem verdacht, als soltt ich zwispalt ihn der lehre etc. anrichten, gnediglichen khommen lassen, so habe ich uff die schwere, ungegrundte und verdrieBliche anzeige, die zuforderst Gottes eher und demnach mein ambt ruhren, nicht unter- lassen konnen, soleh mein groB bekhommernus e. f. g. unter- theniglichen wissen zu lassen. Und bitt derhalben unter- theniglichen e. f. g. wollen mich gegen hochgenanter m. g. f.

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deßhalben fleissig entschuldigen, dann mir je, wie gemeltt, solchs unverschuldter ding und ganz felschlich zugemessen wirdet. Das werden mir gewißlich meine offentliche im truck ausgegangene schriften, desgleichen alle fromme, un- parteysche leut, die mein predig teglich gehort, vor dem richterstuel Jesu Christi ahm jungsten tage zeugnus geben. Dann was ich geschrieben, gelert und gepredigt, das habe ich nie scheu getragen, sondern kan und wil es mit Gottes hulfe aus dem waren Gottes wort veranthworten vor Gott, allen unparteyschen, verstendigen und guten christenmenschen. Nochmuls untertheniglich bittende e. f. g. wollen darob, das ich e. f. g. hiemit bemuhe, kein ungefallen haben, sondern ibn erwegung, das es nicht ein gerings anlangt, sich hierinne gnediglich und gutwillig erzeigen, weyl ieh soleh mein an- ligen anderst nymant, dann allein e. f. g. als meiner ordent- lichen obrigkeit anzuzeigen gewust. Das wird der allmech- tige Gott, dem aller herzen heimligkeit offenbar, e. f. g. hie auf diesem jammerthal mit zeitlicher wolfart und dort her- nach mit dem ewigen leben belohnen. Das wolt ich e. f. g. aus hoher notwendigkeit unangezeigt nicht lassen, unterthenig bittende, e. f. g. wollen mich ob oftgedachte m. g. farstin ihn deme mich entschuldigt halten, widderumb gnediglichen verstendigen. Das bin ich umb e. f. g. untertheniglichen zu verdienen schuldig und willig. Datum .

Meiningeu, Gemeinschaftliches Hennebergisohes Archiv IV A 2, 27b (Abschrift).

2. Kaspar Aquila an Graf Georg Ernst von Henneberg. | 1551 Juni 26.

Gottes gnad und fried in Christo Jhesu amen. Hoch- geoorner fürst, gnediger herr, mein ganz willigen dinst und scer herzlich gebett zuvor an. E. F. G. laß ich in aller underthenigkeit zu wissen, das ich khein copey hab behalten des briefs, den ich der hochgeborne furstin frau Elisabeth, geborne marggrevin zu Brandenburgk etc., zugeschickt hab. Aber der anklag, die ihr furstliche gnad hat an mich ge- langen lassen durch Magister Mengerbausen!) mit mundt- lichem bericht, ist ongeverlich also gelaufen, das ich felsch- lich bin verklagt an Ihr F. G., als solt ich offendtlich pre- digen: Man sol niemant auf der canzel schelten, man hab in den zuvor ermanet, daraus Ihr F. G. schleust, als soll man die verstockte blinde papisten und ketzer auch nit straffen.

1) Amtmann und Rat, vorher Sekretär (1548) der Herz. Elisabeth; s. oben S, 18 u, 25.

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Das und andere anklag habe ich mich redlich verantwürt und ist mein demutig bitt, E. F. G. welle mich des gegen Ihr F. G. gnediglich entschuldigen und das biechlin'), des ich E. F. G. habe zügeschriben, wie die pfarher nit bald mit namen aus ungegründtem anhören die leut ihr pfarh zugehorig (da meine ich ja nit die verdampte halsstarrig papisten etc. die straff ich selbs mit grossem ernst und eiver) schelten und bannen, sie habend sie den gleich wol erkhundet, ob in ja also sei, wie man von inen redt. Binn gutter hoffnung, so Ihr F. G. dasselbig mein buchle lesen wurde, sie wurde dem unutze waschmaul von Sch.“) (E. F. Gn. weiB wol, wen ich meine) ein gutten belz waschen uud in ja straffen, das er hinfurt Ihr F. G. die rechte warheit an-

et, dan M. Mengerhausen redt mich ja ganz ernstlich an, ich solt mit M. Barthol.“), superintendenten zu Schleysingen, ja eins sein, gab ich die antwurt: Wen er mit mir eins wer, ich erzeige im alle freundschaft, wie er aber gegen mir stett, mich veracht, vexiert, gunnet mir nicht, das man mich superintendent heist zu Schmalkalden. Er wils alles zu thun haben und machet also, das noch schulmeister noch pfarrher etwas auf mich geben, wie den der schulmeister in der pfarhe zu Schmalkalden mir gar keinen bericht hat itz geben wellen, was er lerne in der schul, wie hie seine geselle halten, hat mich veracht. Das befilhe ich Gott, und E. F. G. wirt solliches wol wissen zu enderen. Ich wil mit Gottes gnaden das buchlin, des ich E. F. G. hab zuge- schriben, wol stark gnug verantwurten, das es die lauter warheit ist, und zurne der oberist superintendens daruber, wie er well, so sage ich noch einmal: das unrecht ist, wen ein pfarher offentlich eins seiner scheffle auf der canzel strafft, schmehet, bannet und hatts noch nit gründtlich er- faren. So wil er sollichen seinen schefflen nit nachgehn, sie zur busen und besserung zu ermanen, sonder stracks unormanet auf der canzel schelten, das ist wider Gottes wort, den Gott Sodoma nit wolt straffen, er were den zuvor selbs herab gestigen und solliche grausame lasten grundtlich erfaren, welliches uns zum exempel ist geschriben‘). Ver- hoff E. F. G. werde mich in allen gnaden wól bedenken und enschuldigen zu wissen, der ewig Gott behut E. F. G. mit ganzem geschlecht und herschaft in ewigem fried, amen. Ich bitt auch teglich, so es Gott wolgefellig ist, der lieb

1) „Getrene Unterweisung“ . . ., s. oben S. 10. *) Schleusingen?

5) Wolfhart, s. oben S. 6.

) Matth. 10, 15. 11, 28. Luc. 10, 19.

bimlisch vater wolle E. F. G. ein frommen, lieben, furstlichen erben gnediglich bescheren ), amen, amen, amen. Dan ich hoffe, das gesundt, gut bad?) wer meiner hochgeborne furstin frau Elisabeth, E. F. G. geliebsten ehegemahel, ein frelichen Joannem bescheren, wie der heiligen Elizabeth Zacharias eheweib, davon Lucas“) am ersten. Auch bitt ich der andere frau Elisabeth, geborne margreffin zu Brandenburg, furstin und greffin von Henneberg zu Münda, das ihr der lieb Gott auch ein frommen, furstlichen erben wolte gnediglich be- scheren, das ja der christlich heilig, ganz gnedig hoch- geborne geschlecht und stam der edlen frommen farsten von Henneberg nit abgehn möchte, dan die letste die besten. Ihr lieben hochgeborne fursten von Henneberg habt ein groß, unseglich gottlich werk ausgericht, das E. F. G. uns arme veriagte ellende pfarheren so wundergnediglich habt erneret, versorget und mit höchsten gnaden wol bedacht. Sollich gottlich, hochloblich werk wirt Christus zeitlich, geistlich und ewig ganz reichlich wol und mit frelichen gewissen bezalen. Furnemlich, das E. F. G. die arme Schmalkalder wol mit Gottes wort habt bedacht uud mir auch gutte gesunde starke rethe furstlichen edle wein hat geschenkt, darbei ich hab dester frelicher mein ampt hab konne ausrichten, vor viel krankheit behutt, die ich sunst het gehabt, grimmen und fieber, so ich den geschmierten, ungesunden wein het ge- tranken, den sie zu Schmalkalden haben. O ewiger Gott, sei dir lob und dank gesagt fur solliche wolthat. Desgleichen sag ich on unterlaß E. F. G. allen gros lob und dank und wil nit aufhoren zu bitten fur E. F. G., dieweil ich lebe hie auf erden; das thund auch meine liebe 4 sone und hausfrau. Der lieb Jhesus welle E. F. G. alzeit in gnedigen schutz vor allem leid behutten, auch gut gluckselige friedsame regiment

1) Am 2. Mai 1552 wurde dem Grafen ein Söhnchen geboren, das Wilhelm genannt wurde, aber bald nach der Geburt starb. Schultes (Diplomatische Geschichte des Grüflichen Hauses Henneberg 2, Hild- burghausen 1791, S. 209) und die Neueren kennen diesen Nachkommen nicht. Meiningen, G. H. A. I B 4. Über einen zweiten Sohn s. unten S. 38

*) Georg Ernst hat seit den fünfziger Jahren oft Ems und andere Bäder besucht; vgl. Ernst Koch, Die Badereisen des Grafen Georg Ernst zu Henneberg: Zeitschrift des Vereins für Hennebergische Ge- schichte und Landeskunde in Schmalkalden 15 [1905], 1ff. In Ems war die ,Bubenquelle^ von kinderlosen Frauen begehrt; Adolf Bach, Die Bubenquelle in Ems: Hessische Blütter für Volkskunde 15 (1916), 140 ff.

*) Lucas 1,5.

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verleihen mit bestendigkeit des glaubens und hernach die ewige freud, amen. Datum eilendt freitag frues tag nach Johannis des teuffers tag im 1551.

E. F. G.

ganz undertheniger, williger und recht gehorsamer diener M. Gaspar Aquila, in E. F. G. stift pfarherr und capellan. Nachschrift:

Disen brief der hochgeborne furstin und marggrevin frau Elisabeth zu Munda mag E. F. G. lesen und bitt den mir widerumb zu senden, auch in geheimniß sollichs haelten, was ich da schreib in diesem brief, das mein widersecher nit mher erbittert werde auf mich, doch scheue ich die war- heit nit zu sagen. Ob er schon meinem freundlichen buch- lin E. F. G. (wo er das bekommen hat, weiß ich nit) zu geschriben spinnfeind ist und als fur unrecht taddlet, so wil ich des zu verantwurten wol wissen aus gottlicher schrift, amen.

Anschrift:

Dem durehleuchtigen hoehgebornen fursten und herren, herren Georg Ernst, graven und herren zu Heunebergk etc., meinem ganz gnedigen lieben fursten und recht christlichen patron.

Meiningen, Gemeinschaftliches Hennebergisches Archiv IV A2, 27b. Ausfertigung mit Verschlußsiegel.

3a. Justus Jonas an Graf Georg Ernst von Henneberg. [1551.]

Es sind in dem buch freilich viel christlicher punct be- grieffen, aber mein rath ist nicht, daß mans unter dem namen der oberkeit im druck ausgehen lasse und den predigern in der herrschaft sich in straffe der ubertretter darnach zu rich- ten furleige und babe solchs meins bedenkens zwo ursachen.

Die erste ursach ist, daß ich mich befurchte, die ober- keit möchte dadurch in verdacht komen und von bösen un- rugigen leuten (der zu itziger zeit allenthalben uberflussige gefunden werden) ausgeschrien werden, als wölt sie dem heiligen geist in sein ampt greifen und die sunde durch des predigers mund zu straffen nicht gestatten, obwol solchs mit dem buch niemals bedacht noch furgenohmen ist.

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Die auder ursach ist, daß das buch nicht mehr den auf ein stuck gehet, nemlich, wie sich die prediger mit dem ban und andern straffen zu halten haben, so doch zu diesem handel viel mehr stuck nötig sind. Derwegen kan man diese stuck alle bequemlich der gemeinen visitation (dero die kirchen on das nicht enperen konnen) furbehalten.

Und im fall da.sich beide pfarrer und das eingepfarrete volk durch die herren visitatores nicht weisen lassen wölten, kan man die sachen ans consistorium gelangen lassen, wie sich den unsere G. f. und h. etc. eins in kurz aufzurichten gnedig vernehmen lassen.

So ist sich auch in keinem wege zu beforchten, daß man mit dem consistorio ein neu papisterey anrichten und der oberkeit ihren arm verkurzen möchte, weil die hohe oberkeit das consistorium zu bestetigen ihrselbsten furbehalten wird eto.

Meiningen, Gemeiuschaftliches Hennebergisches Archiv IV A 2, 27 b. Ausfertigung mit Verschlußsiegel des Schreibers, darstellend Jonas, der von einem Walfisch verschluckt wird; vgl. Chr. Schlegel, Historia vitae Georgii Spalatini (Jenae 1693), 179.

3b. Dr. Justus Jonas bescheinigt dem Rat der Stadt Erfurt den Empfang von 20 Gulden Jahrzins. 1549 Februar 5.

Ich Justus Jonas doctor etc. bekenne vor mich, mein erben uud erbnehmen, das mir dy erbarn, achtbarn und weisen, der rath zu Erffordt, zewentzig gulden jerlicher zcinse, wilche mir nebst Johannis künftig in Weinachten bey inen befagen werden, uf mein bitt zcuvor erauD, itzo vor der tagzceit gutleh und wol zeudaneke beczalt haben, sage gemelten erbarn rath gedachter zowentzig flor. quvitt, ledg und loB. Des zen urkunde hab ich disse quwtantz mein eigen hand, mit meinen gewonlchen pitzschaft besigelt. Datum 5. Febrnarii tausent funf hündert neun und viertzigk.

Eigenhändige Ausfertigung auf Schloß Landsberg bei Meiningen, mit dem Siegel des Ausstellers (1917).

4. Die Grafen Wilhelm und Georg Ernst von Henneberg an Philipp Melanchthon. [1551 vor September 8.]

Von Gottes gnaden Wilhelm und Georg Ernst, vatter und sohn, graven und herrn zu Hennenbergk.

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Unsern grus zuvor. Erwirdiger und hochgelarter lieber besonder. Nachdeme wir durch hulf und gnade des all. mechtigen Gottes die rechte, wahre christliche relligion der Augspurgischen confession noch angenommen, dieselbige auch reyn ohne falschen zusaiz zur besserung und nicht zu erger- nuD nicht mit geringerm fleys durch gotliche hulfe gern er- balten sehen und wir dann vermerken, das etliche prediger hin und widder an viel orten sich eines ergerlichen wesens auf den eanzeln nicht mit geburlicher straffe der laster (welchs die hohe notturft in alle wege erfordert), sondern mit schmehunge und uff bloß ungegrundt hoerensagen nam- baftiger aufruffung vieler leuth anmassen wollen, zudem auch leichtfertig mit dem bann umbgegangen, also wenn vor mittage jemand uff ungegründten empfangne bericht ihn bann offentlich verkundigt, nach mittage wird bald uf grund- liche befindung des handels der beschuldigt des bannes ent- haben und denselben widderruffen, dardurch, wohe solchem nicht zeitlich vorgesetzt, manich gutherzig mensch geergert von dieser lahr abgehalten, deren feindt wirdt und die ge- danken fasset, das der heilige geist, der eyn geist ist der lindigkeit, gedult und sanftmut, solch gar heftig wesen der prediger nicht wirke und also die lehre dardurch verdechtig halten. Als haben wir durch etliche der unsern ein unter- weisunge vor unsere pfarrherrn und prediger zum einfeltig. sten stellen lassen, welche wir aber gern mit eurm rath, bedenken und verbesserung wolten lassen ausgehen. Und gesinnen demnach gnediglich, Ihr wollet Got dem allmech- tigen zu lobe zu förderung seines heilwertigcn und allein seligmachenden worts und dann ergernussen und unrichtig- keiten in unsern kirchen, soviel mit götlicher hulfe muglich, zu verhueten auch uns zu sonderm gefallen unbeschwert sein sampt etzlichen andern der heiligen schrieft gotfurch- tigen und frommen lehren bei euch beiligend büchlein zu lesen, zu erwegen und zu bessern, zu mehren und zu min- dern, darmit dasselbige der schrieft gemeß und obberurte unrichtigkeiten zu verhuten uhm dienstlichsten sein moge und dann sampt den andern herrn solch büchlein unter- schreiben und uns bei diesem unserm botten forderlichen widerumb zuschicken. Nachmals solchs in guter geheim und unvermerkt unser bei euch bleiben lassen, bissolange solche büchlin allenthalben beschlossen und auch aufgericht werden. Das wollen wir mit gnaden und allem gutem, dar- mit wir euch sonderlichen gewogen, umb euch zu beschulden unvergessen sein. Datum ihn der Zilpach ahm . . .!)

1) Nicht ausgefüllt.

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Anschrift:

Dem erwirdigen und hochgelarten herrn D. Philippo Melanchthoni etc. zu Wyttenberg, unserm lieben besondern.

Meiningen, Gemeinschaftliches Hennebergisches Archiv IV B 2, 1. Konzept. Vgl. Sehling, Kirchenordnungen I 2, 272 und oben S. 15.

5. Kaspar Aquila an die Herzogin Elisabeth von Rochlitz. 1502 Mürz 12.

Gnade, barmhertigkeit, fride von Got unserem lieben Vater und Christo Jbesu, unserem herren heyland und erleser.

Gelobet sey Gott und der vater unsers herren Jhesu Christi, der vater der barmherzigkeit und Gott alles trostes, der uns trostet in alle unserm trübsal. Hochgeborne furstin, wie wunderberlich bin ich erfreuet, das dise veterliche Gottes zuchtigung an E. F. G. so vil (als ein himlische purgation) gewirkt hat, das sich E. F. g. dem lieben Gott genzlich hat ubergeben, in rechter buB, reu und leid uber alle sünde, vergebung der sünden empfangen. Darauf zu bestetigung des glaubens an Christum (der uns allein durch sein heilig blut und bitteren tod erloset und gerecht ewig selig gemacht hat) [am Rande: Math. 26] sein hochwirdig nachtmal nit ver- achtet, sonder herzlich sein waren leib und blut empfangen, das Jhesus Christus warhaftig auch fur E. F. G. ist gestorben zu austilgung aller sund und auferstanden E. F. G. zur ewigen gerechtigkeit, amen. [Am Rande: Rom. 4]. Für sollichen reichen segen und himlische gütter habe ich Got schier 3 jar ge- betten, das E. F. G. möchte reichlich erlangen. Darumb danke ich meinem frommen lieben Gott, das der lieb Jhesus Christus hat mein gebett gnediglich erhört und E. F. G. so guediglich mit seinem sacrament und seligmachenden lebedigen wort Gottes hat hoch getrost und erfreuet zur besserung an leib und seel, amen. Allein bitte und ermane E. F. G. ich ganz fleissig-bestendig bey Gottes wort fest zu bleiben, das selig sacrament des nachtmal Christi lieb, treuer, höhr und werd halten mit besserem heiligem leben, Gott stets umb starken glauben kraft und gedult bitten, dan Paulus sagt [am Rande: 2. Timoth. 3]: Alle die da gottselig wellen in Christo leben, mussen verfolgung leiden, aber [am Rande: 9. Timoth. 2] das ist gewißlich war: Sterben wir mit Christo, so werden wir mit im leben; dulden wir, so werden wir mit im ber- schen ewigk. Derhalben sol sich E. F. G. trosten mit Gottes wort, so wirt leib und seel erfreuet, wie David im 119. psal. gar reichlich trostet. Den solt ihr lesen, beten, betrachten

Archiv für Reformationsgescbichte. XXII. 1. 8

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und gleuben, wie den S. P. zu den Hebreeren sagt am 12. cap.: Mein son und tochter, achte nit geringe die zuchtigung des herren und verzage nicht [am Rande: No. Proverbior. 3. Apo- calip. 3], wen du von Got gestrafft wirst, dan welchen der Herr lieb hat, den zuehtiget er, das er [am Rande: 1. Corinth. 2] nit mit der arge welt gestrafft und verdampt werde. Darumb sagt der fromm bußfertige konig David [am Rande: Psal. 119]: O Herr es ist mir lieb, das du mich gedemutiget hast, das ich aus disem creuze deine rechte lerne und dein wort, des allein mich trostet und erfreuet, ist mir lieber den alles edlest gold und silber. O herr Gott nim dein wort nit von meinem herzen und mnd, das ich des frelich konne freidig bekennen, dich allein in deinem ewigen wort loben, preissen und danken, dir mein geist seliglich in dein gottliche hende befelhe. Das hilf mit du guttiger herr Jhesu Christe, du heilig lamb Gottes, des meine und aller welt sund getragen hat und bezalt gnug darfür gethun allen zur ewige seligkeit, die es im festen glauben annemen. Der lieb herr Jhesus Christus (der alle die beladen seind, wil erquicken, so sie zu im kommen) welle E. F. G. mit reichem Gottes segen begnaden hie und dort ewig, amen. E. F. G. alzeit mein ganz willigen dinst herzlich zuvor bereit mit allen freuden, amen. Datum am tage Gregorii den 12. marcii 1552.

E. F. gnaden alzeit ganz williger diener M. Gaspar Aquila im furstlichen stift zu Sehmalkalden pfarrher und super-

Anschrift: intendens.

Der durchleuchtigen hochgeborne furstin und frau frau Elisabeth (das ist teudsch: Gottes ru und wonung), geborne landgrevin, herzogin von Saxen, landgrevin in Duringen, marggraffen in Meissen, wittbe, meiner gnedigen fursten etc.

Staatsarchiv Marburg, Politisches Archiv Landgraf

Philipps des Grofmtütigen, Nr. 77. Ausfertigung mit Ver- schlußsiegel Aquilas.

6. Graf Georg Ernst an Philipp Melanchthon. 1553 Oktober 12.

Unsern grues zuvor. Erwirdiger und hochgelarter lieher besonder. Ir wisset euch zu erinnern, was wir hiebevor mit euch eines superintendenten halben unterredt, nemblich das wir eins gelarten fromen mans sehr nofturftig. Nhun baben

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wir gleichwol auf diesen heutigen tag noch keinen in unsere herschaft pringen mugen, den ob wir wol mit M. Anthonio Corvino seligern so viel gehandelt, auch entlich mit ihme ubereinkomen, das er sich dorzu wolte gebrauchen lassen, 80 hat ihnen doch der almechtig Gott vor dem anzueg von diesem jamertalh zu sich gefordert. Derhalben wir gleich- wol allerlei nachfrageus nach andern gehapt, und wierdt uns einer mit namen Licentiat Conradus Muselius, itziger zeit pfarher zu Pegau, von etlichen vorgeschlagen. Weil wir ihnen nhun nicht kennen und keinen zweifelh tragen, er werde euch bekant sein, so begeren wir an euch gnedig- lichen, ir wollet uns seine gelegenheit, so viel euch bewust, hiermit diesem potten verstendigen, auch euren rat mittailen, so wollen wir verner darauf handeln. Hierin wollet euch, wie wir ohne der den vertrauen zu euch tragen, weil es die ehre Gottes anlangt, guetwillig erzaigen. Das seint wir umb euch hinwidder in gnaden zu beschulden genaigt Datum Sehleusingen den 12. octobris anno etc. 53.

Anschrift:

Dem erwirdigen und hochgelarten unserm lieben be- sondern herrn Philippo Melanthoni, der heiligen schrieft doctori und professoren zu Wittenbergk.

Rückschrift: „Ist des herrn Philippi anthwort dorbey.“

Meiningen, Gemeinschaftliches Hennebergisches Archiv IV B 2, 1. Konzept. Vgl. oben S. 22.

7. Graf Georg Ernst an Dr. Erasmus Sarcerius. [1553 Oktober 1]

Georg Ernst etc.

Unsern grues zuvor. Erwirdiger und hochgelarter, lieber besonder. Wir wollen euch gnediger maynung nicht pergen, das wir gerne einen gottfurchtigen, gelarten, fromen man, wilcher der lehr des gotlichen worts der Augspurgischen confession gemeß rein, in unsere herschaft zu einem super- intendenten vermogen, wolten dan, weil wir mit dem gotlosen haufen den bischoffen dieser lantart, die auch die geistlichen jurisdiction in unserer herschaft vermainen zu haben, greinzen, seint wir eines solchen mans zum hochsten bedurftig. Nhun haben wir gleichwol nicht unterlassen, ein vhleissiges nach-

agens umb und nach euch gehapt und so viel erfaren, das ‘es eur gelegenhait nicht sein wil euch in unser herschaft zu

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begeben, den es sollen euch andere und pessere beruff den hie vorstehen. Derwegen wir uns sonsten umbfragen und nach andern trachten muessen. Also ist uns einer mit namen Conradus Muselius, licentiat, itziger zeit za Pegau ein pfar- her, vorgeschlagen und darneben vermeldt wurden, das der- selbig eur discipulus und euch durchaus von lar und leben bekant und erkant sei. Weil wir ihnen dan für unser person nicht kennen und unsers tragenden ampts halben gleichwol in allewege gebueren wil, in deme getreulichs und vhleissigs nachforschen zuhaben, so begeren wir ahn euch gnediglich, ir wolle uns bei diesem potten verstendigen, wie es ein gestalt umb solehen man habe, und ob auch sein gelegen- beit sei, wan er von uns votiert, das er sich zu uns in unserer berschaft zu einem superintendenten gebrauchen lasse, dan auf die felle wollen wir durch euch weiter mit ibme handeln lassen. Wollet euch hierin, weil es die ehere Gottes antrieft, desto guetwilliger erzeigen, des seint wir umb euch in gnaden und allem gueten zuerkennen genaigt. Datum . )

Anschrift:

Dem erwirdigen und hochgelarten herrn Erasmo Sar- cerio, der heiligen schrieft doctori und professori zu Leipzigk.

Meiningen, Gemeinschaftliches Hennebergisches Archiv IV B2,1. Konzept.

8. Kaspar Aquila an Graf Georg Ernst von Henneberg. 1559 Juli 23.

Gottes gnad und fried in Christo Jhesu unserem erleser: mit trost Gottes heiligen geist: seligklichen verharren in Gottes wort. Amenn.

Hochgeborner furst, gnediger herr und graff. E. F. G. ganz freundliches schreiben hab ich mit hohen freden ge- lesen, furnemlich, das E. F. G. so ganz gnedig mit grossem vleió gedenckt, das ich E. F. G. getreuer kirchendiener ge- west bin, das sich auch E. F. G. gnad noch das bestes zu mir versthet. Darauf las E. F. G. ganz getrost ich zu wissen thun, das ich auf erden nit lieber wolt mein predigampt füren, den allein bei E. F. G. herschaft. O mein lieber Gott, bilf mir gnediglich, dan ich kan der lóbliche christliche herr- schaft von Hennenberg nimmer in ewig vergessen, sonderlich meiner liebe Schmalkalder, den ich frolich hab mit Gottes

) Nicht ausgefüllt.

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wort fleissig gedienet. O, so es Gottes will wer, wolt ich noch geren thun; nit allein darumb, das ich allzeit gutte starke freliche lieben wein!) (Gott lob und dank in ewig) hab gehalten, sonder ein fein from völkle, des gehorsamlich ganz willig Gottes wort geren gehört hat. O, o, o wolte Gott, das ich wider solt inen Gottes wort predigen. Wie ich bitt und verhoff, es sol noch mit Gottes hilf geschehen, amen. Dieweil aber E. F. G. begert den wirdigen herren Johannem Reinholt?) diaconum zu Graba zu einem caplan zu Schleusingen beruffen, hab ich E. F. G. zu gefallen sollichs begeren nit wollen abschlagen, sonder ganz willig darzu ge- raten und geholfen, das er E. F. G. kirchediener soll sein, wiewol wir der wenig haben, die so fleissig und treulich des gottliche kirchenampt versehen. Ich darf frei sagen: so E. F. G. mich selbe also berufft, ich wolt ganz willig wie ein schneller adler zu E. F. G. dahin geflogen sein mit hohen freuden. Ist gewiß war, das ich in ewig E. F. G. nit kan noch wil vergessen. Mein liebes Vater unser soll on under- laß E. F. G. im besten alzeit fur Gott gedenken, ja des lieben hochgebornen herren graven Poppo auch, das im Gott ein heiligen seligen fromme freundlichen und geliebsten fruchtbaren gemahel verordnen wolte, das ja der edel hoch- geborne síamme der seligen hennen nit also kleglich unter- gehen. Da behüt uns Gott für. Der Henneberg muß noch viel gelerter prediger auferziehen zu Gottes unsers herren Christi lob, eher und preis. Ich verhoff ganz gewißlich, Ihr beide christliche fromme graven von Hennenberg werd zu- samen setzen, das ich von E. G. mechte erlangen ein eimerlin starken frelichen weins, damit ich in meinem alter micht [!] kondte trösten und erquicken, deß da trostliche fur E. F. G. brunstig zu bitten, das der liebe Gott E. F. G. ein seliges : froliches ende beschere wolte. Ich bitt auch E. F. G. gne-

1) In einem Brief vom 8. Januar 1551 an Graf Wilhelm spricht er die Hoffnung aus, daß er bei seinem Besuch in Maßfeld und Schleu- singen einen „frelichen lieben“ Wein bekomme, der die ,Grimme* ver- treibe. Meiningen, G. H. A. IV C8, 12.

*) Joh. Gg. Eck, Biographische und litterarische Nachrichten von den Predigern im Kurfürstlich-Süchsischen Antheile der gefürsteten Grafschaft Henneberg seit der Reformation (Leipzig 1802), 91f. Cor- pus reformatorum 8, 850, Nr. 5670. Brief Melanchthons an Aquila von 1554 September 29: Est in adolescente natura doctrinae capax et vis ingenii egregia et initia doctrinarum recte didicit, ut ipse iudi- care poteris. Sein Stiefsohn gleichen Namens (Eck a. a. O. 121f.) ist 1590 Taufpate des Dr. Theoderich Lüdecke. Meiningen, G. H. A. IV B 2, 14.

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diger herr graff Georg Ernst wolte gnedigklich in meinem namen grussen E. F. G. fromme ehegemahel. Gott mach aus ihr F. gnaden ein fruchtbare Sara mit einem lieben son Isaac!), so wellen wir Gott loben, danken und getrost frelich sein. Da sprech der ganz hoff zu Hennenberg Amen, ja, ja fiat, amen, amen. Damit Gott in ewigen schutz und fried gnedig befolhen. Amen. 1559, 23. julii.

E. F. G. ganz williger diener M. Caspar Aquila, pfar- ner und superintendens

Salfeldensis. Anschrift:

Dem edlen und wolgebornen herren Georg Ernst etc. grafen und herren zu Hennenbergk, ja dem recht eheren- vhesten patrono zu Schmaklalden, Maßfeld und Schleysingen etc. meinem ganz herzgeliebsten gnedigen herren und furnemesten getreuen prinzen.

Meiningen, Gemeinschaftliches Hennebergisches Archiv IV A 2, 270. Ausfertigung mit Verschlußsiegel.

1) Nach Schultes a. a. O 209 (vgl. oben S. 29) und O. Posse, Die Siegel des Adels der Wettiner Lande bis zum Jahre 1500, 8. Band, Dresden 1908, hennebergische Stammtafel, hinter S. 118, wurde am 12. Mai 1562 ein Sohn geboren, der vor der Taufe wieder starb.

Der Bekenntnisstand der Reichsstadt Frankfurt a. M. im Zeitalter der Reformation. V.

Von K. Bauer. Die weitere Entwicklung bis zur Konkordienformel.

1. Die Bemühungen Calvins um eine Union in Frankfurt).

Angesichts der Schwierigkeiten, welche sich für die Fremdengemeinden den dogmatischen Forderungen der Prädi- kanten gegenüber ergaben, war es für sie von großer Be- deutung, daß sie nicht isoliert dastanden, sondern sich auf hochangesehene auswärtige Autoritäten berufen konnten. Als „Ihr fürnemster patron“ galt den Prädikanten Johannes Calvin“).

Calvin war in Frankfurt längst bekannt. Zuerst hatte er die Stadt während seines Straßburger Exils besucht, als 1539 der Fürstentag in ihr versammelt war. Zwei Jahre später schloß er in Regensburg mit Johann von Glauburg in der Herberge der Straßburger Gesandtschaft innige Freund- schaft, die er vierzehn Jahre später wieder erneuerte. Da- zwischen hatte ihm der Prozeß Servets Gelegenheit gegeben, mit den Frankfurter Pfarrern Fühlung zu nehmen. Neuer- dings hatte die Entstehung der Fremdengemeinden seine Auf- merksamkeit auf die Stadt gerichtet, die, wie keine zweite, zu jener Zeit als Hauptstadt des Reiches gelten konnte. Ge- lang es ihm, der Ausprägung des Protestantismus, die er ge- schaffen hatte, in ihr zum Siege zu verhelfen, so mußte das für den kirchlichen Charakter Deutschlands die weitgreifend- sten Folgen haben.

Die Aufgabe schien nicht unmöglich. Ein Zeichen der Sympathie und Achtung, mit der man in Frankfurt Calvin gegenüberstand, war es, daß die Ratsbibliothek eine nahezu vollständige Sammlung der Calvinischen Schriften aufwies?).

1) Die Belege in meiner Schrift: Die Beziehungen Calvins zu Frankfurt a. M, (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte. 38. Jahrgang. Nr. 183). Leipzig 1920,

*) Act. ref. I, 82.

» Brief des Cnipius an Calvin vom 18. September 1559. Calv. Opp. XVII, 612.

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Das Bindeglied zwischen Calvin und Frankfurt bildete die Straßburger Theologie. Der Calvinismus war kein Gegensatz zum Bucerianismus, sondern seine Fortbildung, und es war nicht abzusehen, warum nicht auch in Frankfurt der Buceria- nismus einer solchen Fortbildung fähig sein sollte. Eine Auf- hebung der lutherischen Grundlage, wie sie durch die Witten- berger Konkordie gesichert war, brauchte das nicht zu be- deuten. Auch Calvin hat sich mit Luther verbunden gewußt; an der Realpräsenz Christi im Abendmahl hielt er durchaus fest, nur daß er sie nicht in leiblicher, sondern geistiger Weise verstand. Dadurch gewann er die Möglichkeit, auch dem symbolischen Verständnis des Sakramentes, an dem die Schweizer so entschieden fest gehalten hatten, volle Gerechtig- keit widerfahren zu lassen. So vertrat er einen Unions- protestautismus, wie ihn die Marburger Artikel einst erhofft hatten, oder, wie er selber es genannt hat, einen Synkretis- mus, zu dem er sich durch den Ernst der Lage genötigt fand !). Aber der Universalismus seiner Anschauung war noch um- fassender. Er nahm in den Organismus seines Systems alles auf, was er irgendwie als berechtigte Momente an den ver- schiedenartigsten Ausprägungen des Christentums erkannte. Daß die Kirche einer Verfassung bedürfe, war ihm die Wahr- heit des Katholizismus, nur befreite er diese Wahrheit von dem Irrtum, mit welchem sie hier behaftet war, indem er die Verfassung nicht auf dem Prinzip des Priestertums, son- dern der Gemeinde aufbaute. Selbst dem Täufertum gewann er einen wertvollen Gedanken ab: das Heiligungsstreben und die damit verbundene Kirchenzucht, damit war den Schwär- mern und Rotten-der Wind aus den Segeln genommen. Schon wiederholt hatte er Schritte getan, um diesem Unionsprotestantismus auch außerhalb Genfs Eingang zu ver- schaffen. Das Mittel, dessen er sich dazu mit Vorliebe be- diente, bestand darin, daß er eine exegetische Schrift einer einflußreichen Persönlichkeit des ins Auge gefaßten Landes widmete, So war er bereits an den Herzog Christoph von Württemberg, an den Lordprotektor Somerset, an den jungen König Eduard VL von England, an den Polenkönig Sigismund August und an den König und den Kronprinzen von Däne- mark mit der Auslegung biblischer Bücher herangetreten. Denselben Weg schlug er auch jetzt ein, indem er im Sommer 1555 dem Rate der Stadt Frankfurt seinen Kommentar zur Evangelienharmonie sandte. Ganz ebenso, wie er etwas

1) Vgl. die Vorrede zu der lateinischen Ausgabe seines ersten Katechismus: Quid? annon hostis quoque ipse diabolus aculeos nobis ad syncretiamum agendum admovere debet? Calv. Opp. V, 821.

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später in seiner zweiten Verteidigungsschrift gegen Westphal ruhig zugab, daß er in Einzelheiten von Luther abweiche!), B0 stellte er hier neben die Erklärung, daß er sich im allge- meinen an Bucer, die Autorität der Frankfurter in kirchlichen Fragen, angeschlossen habe, den anderen Satz: Sicubi autem ab eo dissentio (quod mihi libere, quoties necesse erat, perniisi), ne ipse quidem, si superstes ageret in terra, moleste ferret?).

Den Anlaß zu der Widmung fand Calvin dem Schreiben zufolge, von welchem seine Sendung begleitet war“, in den Ereignissen, die die Frankfurter Kirchengeschichte der letzten Jahre aufzuweisen hatte. Hier sprach er dem Rate vor allem seine Anerkennung aus für die mannhafte Haltung, die die Stadt in der Zeit des Interims allerdings mehr durch das Verdienst der Prädikanten, als des Rates eingenommen hatte. Nur diese eine Tugend wolle er jetzt loben, die ihn und manche andere Diener Christi wie mit einem heiligen Bande mit den Frankfurtern verknüpft habe. Nicht minder sprach er ihnen seine Freude darüber aus, daß man die Reste der verwüsteten Kirche Englands in Frankfurt sammle. Er stellte sie dafür in eine Reihe mit Zürich, wo man die Verbannten von Locarno auch nicht nur aufgenommen, son- dern sogar in den Besitz einer Kirche gesetzt habe. Gauz persönlich, so fuhr er dann fort, fühle er sich den Frank- furtern für das verpflichtet, was sie an seinen Landsleuten getan hätten, und als Zeichen seiner Dankbarkeit widme er dem Rate seine Evangelienharmonie. Das Urteil über dieses Werk überlasse er anderen. Von den feinsinnigen Gelehrten unterschied er es war die Zeit des zweiten Ábendmahl- streites die Narren und Bösewichte, bei deren Geklüff er sich nicht aufhalten wolle.

Mit der Aufnahme von Buch und Brief bei dem Rate konnte Calvin zufrieden sein. Zur Entschüdigung für die Druckkosten erhielt er vierzig Goldgulden. Auch wurde er ausdrücklich als ein treuer Diener Christi und hervorragender Lehrer der Kirche bezeichnet.

Anders freilich war die Wirkung bei den Prüdikanten. Kaum hatte der Rat am 12. September seine Beschlüsse gefaßt, kaum hatte der Bote Calvins am 14. Septeniber seinem Auftraggeber Bericht erstatten können, so war auch

1) Quod de substantiali manducatione a nobis dissenserit Lutherus, atque etiam contentionis ardore ultra justas moderationis metas evectus, quaedam protulerit, a quibus ego dissentio, negare mihi in animo nun- quam fuit. Et quorsum rem a me libere testatam negare vellem?

*) Calv. Opp. XLV, 4.

) Vom 1. August 1555, Calv. Opp. XV, 710.

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schon am 18. September Johannes Marbach in Straßburg so gefällig, seinem Freunde Hartmann Beyer das Rezept mitzu- teilen, wie man in seiner Stadt mit den Fremden fertig ge- worden sei Und als am 26. September Adolf von Glauburg nach kurzer Krankheit zweiunddreiDigjührig verstarb, der noch auf seinem letzten Lager sich an der Evangelienharmonie Calvins gefreut hatte, benutzte Beyer das Begrübnis des jungen Ratsherrn, qni antea sua ratione humana perscrutari et de- prehendere conatus erat, quomodo Christi corpus praesens esset in coena, si praesens esset, zu der ausfälligen Bemer- kung: Gott rufe junge Lente, die in der Blüte ihrer Jahre stünden, hauptsächlich um deswillen aus diesem Leben ab, damit sie nicht bei längerer Dauer ihres Lebens auf Irrlehren und Ketzereien verfielen. Der ihm nahe stehende Buchdrucker Peter Braubach aber ließ zur Herbstmesse!) unter den Augen des Rates die Streitschrift Westphals gegen Calvin drucken, neben der dann auch die Farrago Timanns um dieselbe Zeit in seinem Verlage erschien. Es war begreiflich, daB Calvin dem Rate sein Befremden darüber aussprach, daß er das habe geschehen lassen, und da der Rat das Berechtigte dieser Beanstandung anerkennen mußte, so traf er Vorkehr, daB die Klage sich nicht wiederholen konhte. Als Westpbal ein Jahr spüter auch seine Antwort auf die zweite Verteidi- gung Calvins bei seinem Freunde Braubach drucken lassen wollte, wurde am 25. Mürz 1557 beschlossen: ,Petro Bru- bachio soll man sein Begehren, daB er des Westphali Epistel contra convicia Domini Calvini allhie an einen Prädikanten, doch unbenennet desselbigen Namens... ugangen, drucken möge, füglich abschlagen,“ womit man freilich nicht ver- hindern konnte, daß die Schrift dann in dem benachbarten Oberursel erschien.

Inzwischen fehlte es auch nicht an Einwirkungen von auswärts, Hermann Hamelmann in Lemgo empfahl Beyer am 17. März 1556, sich von Brenz, Flacius, Amsdorf, Alesius und Strigel beraten zu lassen. Wir besitzen noch den Brief von Brenz, in welchem dieser am 18. März Frankfurt mit seinen Fremdengemeinden auf eine Stufe mit dem alten Ephesus stellte, das seine Arianer gehabt habe, und seinen Freund Beyer ermunterte, seinem Namen Hartmann in diesem Falle einmal Ehre zu machen und als fortis vir aufzutreten“).

!) Brief Westphals an Braubach vom 10. November 1555. Greve, Memoria J. Westphali. Hamb. 1749, p. 271.

*) Die Briefe von Hamelmaun und Brenz befinden sich im Original in der Briefsammlung Hartınann Beyers auf der Frankfurter Stadt- bibliothek: M. S. III, 21.

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Vor allem aber ließ es sich Westphal angelegen sein, auf die Frankfurter Angelegenheiten Einfluß zu gewinnen. Nach- dem er in dem Briefe, mit welchem a Lasco seine Forma ac Ratio dem König Sigismund August von Polen gewidmet hatte, wegen seiner Erneuerung des Sakramentsstreites recht schlecht weggekommen war, wandte er sich im Mürz 1556 gegen diesen Signifer Sacramentariorum mit seiner Defensio adversus insignia mendacia Jo. a Lasco!) und widmete die Schrift dem Frankfurter Rate?). Er hielt es für nötig, dem Hate den Warnungsbrief Luthers von 1533 ins Gedächtnis zu rufen, denn iam vero, schrieb er, res non obscuris indiciis nota, sed in clara luce posita est, inter urbis vestrae portas, inter moenia et muros ipsos, quosdam disseminare, fovere et propugnare damnatam istam haeresin, ac insuper abuti vestris typographis, prelis ef insigni Dei dono arte typo- graphica, neque sat habere in vestra civitate et ecclesia nocere falsis doctrinis, sed longe lateque sparsis libris istic impressis, totius Germaniae et Galliae ecclesias inficere, contaminare atque corrumpere... Usque adeo doctrina nostra de Eucharistia vera et adversae partis falsa est, ut non videant Sacramentarii suam subsistere et insinuari posse, nisi fucata sese venditet et obrepat simili specie et sono verborum, quibus nostra proferri solet. Von dem Dienste, den er den Frank- furtern zu leisten meinte, schrieb er: Si quis indicaret Ma- gistratui, esse incendiarios in urbe, veneficos, qui inficerent fontes et pascua extra urbem, raptores, gratam rem faceret et aeciperet praemia suae fidelitatis. Spero etiam haud in- gratum futurum, quod a me indicantur, qui incendia multo nocentiora adstraunt, et veneficiis inficiunt fontes ac pabula doctrinae salutaris, verbum Dei et aeterna bona suffurantur et animas interimunt ideoque a Christo Domino arguuntur, quod sint fures et latrones, Sein Rat ging dabin: Morbida ovis separatur, ne totam ovile corrumpat, membrum corrup- tum resecatur, ne noceat reliquis; separantur corpora homi- num, ne immunda lepra vel scabie mala inficiant sanos: Quanto magis separare oportet immundos spirituali lepra, mente corruptos, ne oves Christi inficiant et perdant. Aposto- lus prohibet in domum recipere, non afferentes doctrinam Apostolicam: Ne recipientes communicent ipsorum operibus

!) Schon vorher hatte er sich gegen a Lasco gewandt mit der in Oberursel gedruckten Schrift Responsio Joachimi Westphali ad scriptum Jo. a Lasco, in quo Aug. Conf. in Cinglianigmum transformat.

2) Vgl. Greve, Memoria. S. 140ff. Hiernach ist der Irrtum in den chronologischen Verhältnissen (Beziehungen Calvins usw. S. 18f.) richtig £u stellen.

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malis. Gegen den Einwand, man müsse doch die ver- triebenen um der Barmherzigkeit willen aufnehmen, erklärte er, die Pflicht der Liebe bestehe nur mit dem Vorbehalte, daß dadurch der Glaube nicht Schaden leide und die Liebe gegen viele nicht verletzt werde!). Der Abendmahlsstreit gehöre nicht zu den rebus non necessariis, über die man nicht zu streiten habe, und um deren willen niemand aus der christlichen Gemeinschaft ausgeschlossen werden dürfe. Der Rat solle nur fest und unbewegt bei der Rede Christi verharren und dem Versucher nicht Raum geben und sich nicht durch den Satan und seine Lügenapostel verführen lassen, die sich in Christi Apostel verwandelten. Er solle sich vielmehr ein gutes Beispiel nehmen an den frommen Fürsten, Städten und Kirchen, die mit maßvoller Strenge durch fromme Erlasse ihr Volk vor der Berührung mit Sakra- mentierern und Wiedertäufern bewahrt hätten. Ad hoc, ver- hieß er, dignum Dei ministris studium conservandae ecclesiae et reipublicae in tranquillo et incolumi statu, ultro currenti- bus addet calcaria, quod Dominus Deus noster admonet de periculis discordiae civilis dicens: Omne regnum adversus se divisum, desolabitur, et omnis eivitas divisa adversus se ipsam non stabit. Et quod Paulus scribit: Deum dilectionis et pacis, adfuturum iis, qui unanimes idem sentiunt. Wenn der Schul- meister zu den BarfüBern Johannes Cnipius Andronicus richtig geschätzt hat, so wurde der Brief auf der Frühjahrsmesse in mehr als tausend Exemplaren in der Stadt verbreitet?)

Um dieselbe Zeit, in der Westphal so auf den Rat ein- zuwirken suchte, nahm auch Calvin in einem besonderen Sehreiben Fühlung mit den Prüdikanten. Johann von Glau- burg und a Lasco hatten ihm diesen Sehritt empfohlen, da von seiner in Frankfurt unbestrittenen Autorität eine Be- seitigung der von den Gnesiolutheranern drohenden Gefahr am ersten zu erhoffen sei. Nachdem ihn zuletzt noch Poullain uber den Gang der Dinge unterrichtet hatte, schrieb er am 5. Mürz den Frankfurter Pfarrern?): Er sei der Überzeugung

1) S. 142: Ut enim charitatis est, hospitio recipere peregrinos, et his benigne facere, si pro hospitalitate et beneficiis non malefacta repen- dent, si quieti, non turbent ecclesiam et rempublicam: Ita charitati maxime repugnat, praebere hospitium ingratis, inquietis et noxiis communitati, his parcere, hos fovere, non piae charitatis obsequium, sed impiae perversitatis exitiale nocumentum, non misericordia est, sed crudelitas.

) Brief des Cnipius an Calvin vom 15. April 1557, Calv. Opp. XVI, 453.

) Calv. Opp. XVI, 58f.

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gewesen, er stimme mit ihnen aufs beste überein !), oder wenn ihre Art zu lehren nicht ganz dieselbe sei, so bestehe doch kein solcher Unterschied, daß es zu einem gehässigen Streite kommen könne. Deshalb habe es ihn gewundert, daß ein so albernes und giftiges Buch wie das Westphals*) in Frank- furt habe erscheinen können. Er wolle ihnen keinen Vor- wurf machen, denn er könne nicht glauben, daß sie zu dieser Verüffentlichung ihre Zustimmung gegeben haben sollten. Aber weil das Gerücht gehe, einigen von ihnen gefalle nicht recht, was er über die Sakramente sage, so wolle er nicht durch Schweigen den Zwist vergrößern. Ohne sich auf- drängen zu wollen, sei er doch zu allem bereit, wodurch er einen etwaigen Anstoß an seiner Lehre beseitigen könne, auch wozu er sich bereits am 29. Februar dem Rate er- boten hatte zu der weiten und unbequemen Reise nach Frankfurt. Dabei beschäftige ihn nicht einmal so sehr seine eigene Sache, als der Wunsch, daß sie sich der fremden Brüder, denen der Herr in ihrer Stadt ein Asyl gegeben, in echter Liebe annehmen möchten. Denn er höre, daß diese irgendwelche Zünkereien und Schikanen befürchteten und sich dadurch beunruhigt, fühlten. „Nun,“ schloß er, „da ihr wißt, daß sie, teils durch die Gewalt und Tyrannei der Feinde Christi aus ihrer Heimat vertrieben, zu euch gezogen sind, teils aber auch, um mit euch den reinen christlichen Glauben bekennen zu dürfen, freiwillig sich die Verbannung auferlegt haben, brauche ich vor euch nicht zu erörtern, wie sehr für die einen ihr Elend, für diè anderen ihre ent- schlossene Bereitwilligkeit zur Nachfolge Christi uns ein- nehmen muß. Ja, wenn ihr auch einiges an ihnen noch zu wünschen habt, wie sie ja wahrscheinlich auch unter ihren Fehlern zu leiden haben, so wißt ihr doch, daß ihr sie gnädig und freundlich ertragen sollt. Eher, als daß etwa bisher verborgene Eifersucht zu offenem Streit ausbreche, will ich selbst übernehmen, was ihr mir in dieser Sache als meine Aufgabe zuweisen wollt. Ich werde beiden Parteien treulich zum Friedensschluß raten und helfen.“

!) Au der Aufrichtigkeit dieser Erklärung ist kein Zweifel. Auch als ihm 1557 Jakob Andrei seine Schrift zuschickte: Eine einfältige und kurze Anweisung vom heiligen Abendmahl, wie die Einfältigen sich bey dem langwierigen Streit vom Abendmahl verhalten sollen (Pforzheim 1557), schrieb er in seiner Antwort: Etiam si moderationem tuam laudo et exosculor, non parum tamen mihi dolet, plus esse in sententiis nostris dissidii, quam putaveram.

1) Adversus cuiusdam Sacramentarii falsam eriminationem justa defensio Joach. Westphali, in qua et Eucharistiae causa agitur.

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Der Wirkung dieses Briefes war es nicht günstig, daß soeben erst Calvins zweite Verteidigungsschrift gegen West- phal!) erschienen war, Sie ließ Calvin den Frankfurter Prädikanten nicht als geeigneten Mittelsmann, sondern als Partei erscheinen. Dem Rate gegenüber sprachen sie das auch ganz rtickhaltlos aus, indem sie ihn den „fürnemsten patron“ der Fremden nannten, der in seinem jetzt ausge- gangenen Buche deren „irrige Opinion“ heftig zu verteidigen suche“). Ihm selbst gegenüber fanden sie es freilich ange- zeigt, sich vorsichtiger auszudrücken. Die Antwort, welche sie ihm in denselben Tagen (5. April 1556) gaben ), kenn- zeichnet sich als ein Produkt der Verlegenheit, den bei dem Rate hochangesehenen Genfer Theologen zu befriedigen, ohne sich doch bei Westphal einem Tadel auszusetzen. Sie ver- sicherten dem verehrten Herrn, sein Brief sei ihnen so an- genehm wie möglich gewesen, da sie nichts öfter und heißer erflehten, als eine fromme und feste Gemeinschaft mit allen, die die reine Lehre des Gottessohnes mit reinem Herzen er- faßten. Er solle doch ja nicht denken, sie hätten Westphal zu seiner Schrift gegen ihn veranlaßt oder dabei untersttützt, und es liege ihnen gänzlich ferne, in Schutz zu nehmen, was diese Schrift etwa an Streitsucht und Gift enthalte. Nur verhindern hätten sie ihren Druck nicht können. Im übrigen aber müßten sie bekennen, daß sie die darin vorgetragene Abendmahlslehre Westphals nicht ablehnten, da sie ihnen mit der Augustana und der Wittenberger und Frankfurter Konkordie im Einklang zu stehen scheine. Diese Lehre hätten auch sie bisher verkündet, und es sei ihre Pflicht, es auch ferner zu fun. Sie bedauerten den Streit, der sie nur von ihren S:udien abziehe. Die Beschwerden der Fremden seien nicht gerechtfertigt, denn die unbekannten Zeremonien derselben hätten sie länger als ein volles Jahr geduldet, und auch jetzt, wo der Unterschied in der Lehre klar zu tage liege, hätten sie nichts gegen sie unternommen, sondern nur, wie die Billigkeit verlange, dem Rate Bericht erstattet, daß diese Berichte sich auf den Augsburger Religionsfrieden berufen und die Härte Dänemarks und der Seestädte gegen die armen Exulanten als Muster hingestellt hatten, war ihnen anscheinend aus dem Gedächtnis entschwunden. Ihre Kanzel- polemik aber schrumpfte in ihrer Erinnerung zusammen zu einer Mahnung an ihre Gemeinden, bei der alten, reinen

1) Secunda defensio piae et orthodoxae fidei de Sacramentis contra Joachimi Westphali calumnias. Vgl. dasu Calv. Opp. XV, 359, 860.

*) Act. ref. I. Bl. 82.

) Calv. Opp. XVI, 89ff.

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Lehre zu bleiben und sich durch nichts verwirren zu lassen. Sie wünschten den Frieden, aber den sichersten Weg zu diesem Ziele könnten nicht sie bestimmen, da es sich um eine gemeinsame Angelegenheit aller evangelischen Stände handle. Bis diese die Kontroversen geschlichtet hätten, hielten sie es für ihre Pflicht, dafür zu sorgen, daß ihnen die reine Lehre erhalten bleibe, die sie nicht gegen ihr Gewissen ändern oder preisgeben dürften, einfach weil man es von ihnen verlange oder weil sie sich damit beliebt machten. In einem eigentümlichen Kontrast zu dem verbindlichen Ton dieses Schreibens stand die Polemik der Prädikanten gegen Calvin, von welcher dieser etwas später erfuhr. Am 24. Juni äußerte er sich darüber an Glauburg: „Da sie mich als treuen und um die Kirche Christi wohlverdienten Knecht anerkennen, hat es mich umso mehr gewundert, daß sie mich in gehässiger Weise in den Kampf hineinzogen, als sie vor Kurzem die Behauptung aufstellten, es sei besser, Kinder zuhause und von Frauen taufen zu lassen, als daß sie ohne Taufe stürben!)*. Sie hatten sich inzwischen aus Westphals Schrift De baptismo neue Belehrung verschafft, und dadurch hatte sich ihnen der Gegensatz zu Calvin noch verschärft. Den Rat hatten sie bei alledem nicht auf ihrer Seite. Wie wenig Geueigtheit bei diesem bestand, mit ihnen in das Lager Westphals abzuschwenken, zeigten seine Bemtihungen, Wolfgang Musculus in Bern für Frankfurt zu gewinnen. Wiederholt war schon die Rede davon gewesen“), „dz wol von nöthen vnd gut wer etwa einen gelehrten ansehnlichen sitsamen Man alher zuberuffen vnd anzunemen Der als d' fürnembst vnd Superintendens bey der Kirchen vnd vber die Predicanten, wie sich geburt; Im fall da es vonnöthen, zu- gebrauchen.“ Jetzt kam man am 22. Juni auf diese An- regung zurück und faßte für den neu zu schaffenden Posten Musculus ins Auge, der früher in Augsburg gewirkt hatte, bis das Interim seiner Tätigkeit daselbst ein Ende gemacht hatte. Am 1. Juli gingen deshalb Schreiben an ihn“), sowie an Bürgermeister und Rat zu Bern“) ab. Musculus sollte mit dem Ratsfreunde Claus Bromm verhandeln wie mit dem Rate selbst. Als Gehalt waren zweihundert Gulden in Aus- sicht genommen. Nur sollte festgestellt werden, ob er der Augsburgischen Konfession gemäß lebre’). Niemandem hätte die Berufung dieses Superintendenten erwünschter sein können

1) Calv. Opp. XVI, 205.

5) Vgl. die Ratschlagung vom 22, Juni 1556. Act. ref. I, Bl. 102a. ) Act. ref. I Bl. 108. 1) Ebenda Bl. 104,

s) Bürgermeisterbuch vom 25. Juni 1556.

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als Poullain. Denn zwischen beiden Männern bestand eine Geistesgemeinschaft; Poullain hatte in England den Proskairos von Musculus ins Französische übersetzt"). Kam die Berufung zustande, so war trotz Beyer der Westphalsche Einfluß in Frankfurt für die Zukunft lahmgelegt und der Fortbestand des Bucerschen Unionsprotestantismus in der Stadt gesichert. Aber Musculus lehnte ab, wie er auch andere Angebote, die ihn von Bern wegrufen wollten, abgelehnt hat. Er fühlte sich der Stadt für immer verpflichtet, die ibn nach seiner Flucht von Augsburg so gastlich aufgenommen hatte“). An seiner Statt empfahl der Graf Georg von Erbach am 26. August dem Rate den Pfarrer Andreas Stolz zu Michelstadt“). Da der Graf Melanchthon nahe stand, mit dem er gerade damals Briefe wechselte“), so hätte auch diese Berufung dem Vor- dringen des intransigenten Luthertums einen Riegel vor- geschoben. Woran diese Berufung scheiterte, ist uns nicht bekannt.

Nachdem es zur Anstellung eines gemäßigten Super- intendenten nicht gekommen war, blieb noch der Weg eines Kolloquiums, um eine brüderliche Eintracht zwischen den streitenden Parteien anzubahnen. Auch nachdem die Prädi- kanten den dahin zielenden Vorschlag Calvins abgelehnt hatten, ist dieser Gedanke immer wieder aufgegriffen worden. Derselbe Graf Georg zu Erbach, der den Frankfurtern gerne zu einem Superintendenten verholfen hätte, schrieb bereits am 18. August den Prädikanten“), er fände es „nit vngut, daß zum fürderlichsten ein Christlich freuntlich und brüder- lich gesprech fürgenommen, damit gut Hoffnung, es solle in demselbigen gesprech, vermittelst Göttlicher Gnaden, die Zwispalt gar hingelegt werden, oder uff das wenigst ein solche billiche vergleichung ervolgen, daß obwol die ver- stende Inn allen puncten nit gleich, nit desto weniger die

ı) Baron F. de Schickler, Les &glises du refuge en Angleterre, Paris. 1892. J, 21f.; IIT, 7ff.

*) Die lutherischen Berichterstatter jener Vorgänge, die so vieles aus den Akten veröffentlichten, haben diese Berufung mit Stillschweigen überzangen. Sie paßte nicht zu ihrer These, daß in Frankfurt jeder- zeit das strenge Luthertum geherrscht babe. Daß Musculus die Augustana unterschrieben haben würde, ist nach dem Briefe Poullains an Calvin vom 6. April 1556. Calv. Opp. XVI, 97 sq., außer Zweifel. Vgl. übrigens seine Confessio de Coena Calv. Opp. XIII, 204—906, auf die hin er nach Bern berufen worden war.

) Act. ref. I. Bl. 105.

*) Vgl. Calv. Opp. XVI, 285.

5) F. R. II. Beil. 23, S. 279f.

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vbrig und vngezweifelt Lehre bei den widerwertigen nit ver- dächtlich gemacht, und die persohnen sampt den gantzen Kirchen nit so leichtlich verdampt würden.“ Am 17. Sep- tember aber drang Calvin in Melanchthon, ein solches Kollo- quium zu betreiben, da auf die Fürsten nicht zu rechnen sei: Dum principes aliis forte rebus nimis occupati cunctantur, alios etiam forte invidiae metus retardat, bene tu et prudenter privatis consiliis instituendum esse colloquium censes, modo cordate quod scribis exsequamur. Neque vero exspectandum est, dum inulti se adiungant. Sed ubi signum ostenderis, convenient quibus cordi est ecclesiae tranquillitas!). Einen Tag spüter wandte sich a Lasco im gleichen Sinne an Melanchthon, wobei er als Ort der Tagung Frankfurt empfahl: Tuum erit illad promovere, hoc est de loco et tempore colloquii habendi statuere. Nostri quidem optarent id hic haberi posse propter Helveticas et illis adiunctas ecclesias: quibus alibi vix tuta essent itinera, huc vero commodius pertrahi possent . . . . Quod ad me attinet, optarim accelerari. posse colloquium, priusquam me in patriam conferam: multum enim ea res patriae quoque meae prodesse posset*) Dab Melanchthon sich diesen Wünschen versagte, ist bekannt“). Aber auch die Frankfurter Prüdikanten wollten von dem Plane nichts wissen. Dem Grafen von Erbach schrieben sie umgehend zurück: Sie wären wohl geneigt, seinem Rate zu folgen, wenn die Sache sie allein betrüfe; es wolle ihnen aber nicht gebühren. hinter dem Rücken der Augsburgischen Konfessions- Verwandten ein Sondergesprüch mit den Fremden vorzunehmen; sie müßten sie vielmehr an die Versammlungen der Reichsstände weisen; diesen möchten sie ihre Lehre und Konfession zur Begutachtung übergeben“).

Was die Frankfurter Pfarrer bestimmte, das ihnen vor- geschlagene Kolloquium abzulehnen, war nicht nur der in diesem Schreiben geltend gemachte formal-juristische Ge- sichtspunkt. Dahinter stand die Erwägung, daß der Aus- gang eines solchen Religionsgesprächs sich gar nicht vor- aussehen ließ. Die Erfahrungen, welche Matthias Ritter im Juli bei einer zwanglosen Abendunterhaltung am Tische Glauburgs, die sich bis nachts zwei Uhr ausdehnte, mit der Disputierkunst Poullains machte®), mahnte zur Vorsicht.

1) Calv. Opp. XVI, 281. *) lbid. 285. 3) Vgl. seinen Brief an Languet vom 18. Juli 1556. C. R. V III, 798. 4) Brief vom 20. August 1556. F. R. II. Beil. 94. S. 280f. *) Brief Poullains an Calvin vom 16. Juli 1556. Calv. Opp. XVI, 230—341. Archiv für Reformationsgeschichte. XXII. 1. 4

t.

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Über dem Abendbrot, zu dem die beiden Prädikanten und D. Humbracht geladen waren, kam es zu einer Aussprache

"über das Abendmahl und die Taufe. Bei der letzteren, die

erst in vorgerückter Stunde zur Sprache kam, wußte Ritter der von Poullain vorgetragenen Calvinischen Auslegung der Worte Christi an Nikodemus nichts entgegenzusetzen. Als er dann aber die Kindertaufe damit rechtfertigen wollte, daB er keine Möglichkeit sehe, die Eltern ungerauft verstorbener Kinder zu trösten, rügte ihn Poullain, daß er seinen Leuten offenbar den Heilsweg nicht völlig klar gemacht habe, denn Sonst brauchte er nicht zu solchen Trostgründen zu greifen. Was er denn, wenn die Seligkeit an der Taufe liege, den Wiedertüufern entgegen halten wolle, die eben deshalb die Kindertaufe ablehnten, weil es den Kindern an der nótigen Erkenntnis fehle und sie keine Frucht von dem Vorgang haben könnten? Vor allem drehte sich der Streit aber um das Abendmahl. Ritter machte Poullain den Vorwurf, daß man auf seiner Seite nicht rein und einfältig bei dem Worte bleibe, was Poullain nicht gelten ließ, da man bei ihnen vielmehr gerne das Brot beim Abendmahl den Leib des Herrn nenne. Seinerseits zum Angriffe übergehend, stellte Poullain fest, daß gerade Ritter nicht bei dem Worte bleibe, da er das est mit exhibet vertausche. Dann sprach man über die analogia fidei, wobei Poullain seine Deutung des hoe est im Sinne von signittcat, figurat, repraesentat, in me- moriam reducit mit anderen Schriftstellen belegte und es Ritter nun überließ, auch für seine Auslegung mit in sub cum hoc est den Schriftbeweis zu erbringen, worauf dieser sich darauf berufen wollte, die Beschneidung sei der Bund selbst, das Lamm sei das Passah selbst realiter. Glauburg führte diese Auffassung durch den Einwand ad absurdum, daß die Urkunde mit dem Siegel keineswegs gleichbedeutend mit dem Kauf oder der Schenkung selbst sei, während Poullain aus der Ritterschen These folgerte, daß man dann auch Christus in der Hostie anbeten müsse. Der nächste Kontroverspunkt, zu dem das Gespräch überging, war die Ubiquität. Poullain argumentierte, der Leib Christi sei, was Ritter nur mit Widerstreben zugab, eine Kreatur, einer Kreatur aber komme. Unendlichkeit und Ubiquität nicht zu. Ritter nahm zum Ausgangspunkt die unio personalis und deduzierte, daß ihr zufolge tiberall, wo Christus nach seiner Gottheit zugegen sei, er auch nach seiner Menschheit gegen- wärtig sei, was wieder Poullain nur mit der Einschränkung gelten ließ, daB diese Gegenwart Christi für uns Menschen an den Glauben gebunden sei, unter Berufung auf eine Predigt Luthers: sacramentum indigne sumi potest, sed hic

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eibus, de quo hic Dominus loquitur nunquam indigne aceipi poterit. Als schließlich Ritter seine Argumente erschöpft hatte, meinte Glauburgs Frau freundlich, nun werde es schon zu einer Einigung kommen, und Poullain stellte ihm Brenz als gutes Beispiel hin: der Differenzpunkt sei nicht so groß, daß man sich gegenseitig nicht als Brüder anerkennen und gegenseitige Abendmahlsgemeinschaft pflegen könne. Davon wollte aber Ritter nichts wissen. Auch von einem öffentlichen Kolloquium versprach er sich nichts Gutes. Wer denn dabei die Entscheidung treffen solle? Wer anders, erwiederte Poullain, als der Rat? Nötigenfalls könne dieser noch einige angesehene auswärtige Theologen wie z. B. Melanchthon und Brenz zuziehen. Einen namhaften Teil der Kosten wollten Glauburg und Humbracht übernehmen. Ihre Hoffnung auf einen Umschwung in der Gesinnung der Prädikanten, die sie beim Aufbruch aussprachen, erfüllte sich freilich nicht. So- gleich am nächsten Sonntag legte Geltner in seiner Predigt Zeugnis ab wider die Teufelslehre der Fremden.

Der Gedanke an ein Kolloquium scheint indessen auf dem Römer, an dessen Wänden geschrieben stand: Audiatur et altera pars!), doch erwogen worden zu sein, und zwar in der Form, daß Calvin selber an ihm teilnehmen sollte. We- nigstens wurde er von dem Rate als Schiedsrichter berufen, um Streitigkeiten zu schlichten, die in der wallonischen Ge- meinde ausgebrochen waren, und es ist bemerkenswert, wie geflissentlich die Prädikanten einer Begegnung mit ihm da- mals auszuweichen suchten?). Am 23. September, einen Tag vor seiner Abreise, kamen „vier Herren, die zum theil der frembden Patronen waren,“ zu ihnen in die Kastenstube und brachten ihnen a Lascos Purgatio zur Einsichtnahme und Widerlegung. Zugleich bestellten sie ihnen von Calvin: dieser stehe vor der Heimreise, wolle aber nicht so grob und unfreundlich sein, daß er sie nicht vorher anspreche und segne; seien sie einverstanden, so komme er gerne in ihren Konvent; er sei im Römer und warte da ihre Antwort ab. Den Prädikanten mochte nach allem Vorausgegangenen bei dem Gedanken an eine persönliche Begegnung mit Calvin nicht eben behaglich zumute sein. Zugleich schien ihnen die Anwesenheit von Ratsherren bei der in Aussicht gestellten Zusammenkunft auf eine Disputation zu deuten. Nach den Erfahrungen aber, die man in Frankfurt soeben bei der Dis-

1) Hieran wurde Ritter bei dem oben mitgeteilten Gespräch von Glauburg und Humbracht noch besonders erinnert. *) Vgl. für das Folgende den Gegenbericht der Prädikanten. F. R. II. Beil. 14. S. 76. 4*

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putation zwischen Calvin und Vels mit dem Scharfsinne uud der Dialektik des ersteren gemacht hatte), gelüstete es sie nicht, jetzt ihm gegenüber dieselbe Rolle zu spielen wie Vels. Sie licen deshalb Calvin antworten: se homines esse indoctos neque pares ad respondendum?), ein Armutszeugnis, das sie in ihrem „Gegenbericht“ lieber übergingen; sie wollen nur gesagt haben: er sei nicht ihretwegen nach Frankfurt ge- kommen, habe sie auch bei seiner Ankunft nicht begrüßt, sie könnten es ihm daher auch nicht übel nehmen, wenn er wieder heimreise, ohne sich von ihnen zu verabschieden. Wünsche er nur eine freundschaftliche Aussprache mit ihnen, so bedürfe es dazu keiner Ratsherren. Nicht weiter führte eine Aussprache zwischen Calvin und Matthias Ritter beim Frübstück, wobei dieser jenen als „ehrwürdigen Lehrer“ titulierte; der ehrwürdige Lehrer fand aber, daß der Schüler gar veratockt sei. Eine persönliche Begegnung mit den Prädikanten fand indessen doch noch statt. Als diese den Fall vor ibrer Kastenstube noch miteinander besprachen, kam Calvin mit einigen Begleitern des Weges. Nach der Be- giüßung sprach er ihnen seine Verwunderung aus, daß sie in einer so klaren Sache so befangen seien; er habe nur vorgehabt, eine Art Verständigung herbeizuführen; da sie das aber nicht zugäben, so wolle er nicht so zudringlich Bein, sie wider ihren Willen zu einer solchen bei den Haaren herbeizuschleifen. Die Wirkung der Überlegenheit, mit der er ihnen das sagte und dann auseinanderaetzte, was er mit ihnen hatte besprechen wollen, war verblüffend. Schließlich polterte einer?) heraus: wie ein göttliches Wesen sei er ihnen erschienen, wenn er nicht so hartnäckig auf seinem Irrtum bestünde; so aber könnten sie ihn nicht mit gutem Gewissen aufnehmen. Den übrigen war diese Erklärung denn doch zu eihrlich, und sie gaben dem offenherzigen Amtsbruder ihr MiB allen deutlich zu erkennen, so daß auch Calvin nach Gebühr mit ihm verfahren konnte, Ein Zeichen des Ein- druckes, deu seine Persönlichkeit bei den Prüdikanten hinter- lieB, bleibt es, daB sie den Bericht, welchen sie ein Jahr

) Calv. Opp. XVI, 301 sq. 319.

) Ibid. 826, vgl. auch 452: quum a caeteris ecclesiastis non esses admissus ad colloquium. :

) Offenbar Andreas Saxo, der sich auch bei der Begegnung weigerte, Calvin als einem Andersglüubigen die Hand zu geben, und ihn später als den Bannertrüger der Sakramentierer publice et privatim bezeichnete. Brief des Cnipius an Calvin vom 15. April 1557. Calv, Opp. XVI, 451. Über dieses enfant terrible des damaligen Prediger- ministeriums vgl. Steitz, F. A. N. F. I. (1860). S. 190—195.

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vor seinem Tode über diese Begegnung veröffentlichten, bei aller unverkennbaren Abneigung gegen ihn doch nur mit der Notiz schließen konnten, er habe sie „freundlich gesegnet“.

Nachdem so der Versuch, ein Kolloquium zwischen Calvin und den Prädikanten herbeizuführen gescheitert war, gab der Rat den Gedanken an ein solches Privatkolloquium überhaupt auf, da es „hochnachteilig sein möchte“ ). Von seinen Bedenken verständigte er den Grafen von Erbach?), der daraufhin die Sache nur Gott befehlen konnte“).

Ein Einfluß Calvins auf die kirchliche Entwickelung Frankfurts ist von da an nicht mehr zu beobachten. Selbst die Beziehungen zwischen ihm und Glauburg schliefen ein. Die Wege trennten sich schließlich, selbst wenn man sich über die Abendmahlslehre verständigte, bei der Frage der Kirchenzucht und der hinter dieser stehenden Beteiligung am Kirchenregiment, wodurch unerwünschte Reibungen, Grenzüberschreitungen und Eingriffe in die Rechte der welt- lichen Gewalt sich ergeben konnten. Dagegen hat die Prä- destinationslehre, mit der man später die Leute vor Calvin kopfscheu machte, überhaupt keine Rolle gespielt.

2. Der Niedergang des Philippismus in der Stadt.

Nachdem die Bemühungen, in einer Disputation der Prädikanten mit Calvin über die Purgatio a Lascos die dogmatische Korrektheit der Fremden nachzuweisen, ge- scheitert waren, gewann es zunächst den Anschein, als sei der Übergang der Stadt in das Lager der Gensiolutheraner besiegel. Am 21. Oktober 1556 faßte der Rat die Aus- weisung der Fremden ins Auge, da die Erklärung, welche sie über ibren Konfessionsstand bei ihrer Aufnahme abge- geben hätten, nicht zutreffe, sie auch untereinander in der Konfession nicht durchweg einig seien. Doch erinnerte man sich bereits am folgenden Tag an die theologische Autorität Melanchthons, und indem man die endgültige Entscheidung noch aussetzte, beschloß man, des Herrn Philippi Melanch- thonis Schrift, so er in Druck geben werde, zu erwarten“). Damit lenkte man in die Bahnen der Ratschlagung vom 11. Mai zurück, in der man am liebsten Melanchthon uud andere gutherzige, gelehrte Leute seiner Art um Beilegung der Streitigkeiten gebeten haben würde, wenu man nicht

1) Ratschlagung vom 21. Oktoler 1556. Act. ref. I. Bl. 132. 2) Schreiben vom 3. November 1556, Ebenda Bl. 185.

3) Schreiben vom 14. November 1556. Ebenda Bl. 186,

) Act. ref. T. Bl. 139 133.

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eine Absage befürchtet hätte. Daß das hohe Ansehen Melanchthons bei dem Rate auch weiterhin unerschüttert feststand, wissen wir aus dem Briefe, welchen der Schul- meister zu den Barftißern Cnipius am 14. August 1557, als man den Wittenberger auf der Reise nach Worms in Frank- furt erwartete, an seinen Freund Franziskus Jthyges in Schleusingen schrieb: Amplissimus Senatus noster ... tanti facit eum, quanti hominem vere divinum et incomparabile lumen Ecclesiae Christi in hac extrema mundi senecta. Quamobrem non dubito plurimum honoris habitum iri!).

Melanchthons Ansicht in der Angelegenheit der Fremden hatte der Rat erst jüngst aus dessen Schreiben vom 13. Juli 1557?) kennen gelernt, das die Fremden von Lüsterungen wider die Glaubensbekenntuisse und von den Irrtümern der Wiedertäufer freisprach und für sie geltend machte, daß sie ja das Sächsische Bekenntnis, diese Repetition der Augs- burger Konfession, angenommen hätten. Seien sie auch wegen des Ausdrucks „wesentlich“ im Artikel vom Nachtmahl be- denklich, so handle es sich hier doch um einen strittigen Punkt, über den die Unseren dunkle und fremde Reden führten, so daß erst eine einträchtige, gleiche Erklärung von gelehrten und gottesfürchtigen Männern in einer ernstlichen . Unterredung gefaßt werden müsse. Bis dahin wolle ein ehr- barer Rat noch mit diesen Leuten Geduld haben. Würde man eine Inquisition vornehmen und sie verjagen, so seien die Folgen für die öffentliche Ruhe und Ordnung an anderen Orten gar nicht abzusehen. Der Rat hatte sich darauf be- schränkt, diese Fürsprache zu den Akten zu nehmen“). Sie konnte um so eher ohne Antwort bleiben, da sich bei der in Aussicht stehenden persönlichen Begegnung von selbst Ge- legenheit zu einer Klärung der Angelegenheit in mündlicher Aussprache ergab.

Was Melanchthon bei diesem AnlaB mit seinen Frank- furter Freunden beredete, ist uns nicht überliefert. Dagegen sind wir über seinen zweiten Aufenthalt in Frankfurt auf der Rückreise von Worms unterrichtet‘). Müde und enttäuscht

1) F. A. N. F. I. (1860.) S. 237,

*) F. R. I. Beil. 21 S. 41f. ,

3) Beschluß vom 22. Juli 1557: Man laß es vff sich selbst be- ruhen... . Act. ref. I. Bl. 157.

*) Vgl. den Bericht des Hubert Languet an Calvin vom 15. März 1558, Calv. Opp. XVII, 89 sg; den Bericht des Cnipius bei Steitz, F. A. N. F. I (1860). S. 196f.; den Bericht Hartmann Beyers bei Steitz, Melanchthons- und Lutherherbergen S. 46 (ohne Angabe der Namen auch F. R. II Beil. 28. S. 985**.

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traf er in seinem alten Stammquartier bei Claus Bromm auf der Zeil ein und wußte mancherlei von den Fragen zu er- zählen, die die strenglutherische Partei in jenen Tagen be- wegten. Erasmus Sarcerius habe Partikeln der Hostie, die auf den Boden gefallen seien, sorgsam aufgelesen und an den Lichtern auf dem Altar verbrannt, den Boden aber an der betreffenden Stelle abschaben lassen. Und der Branden- burgische Hof habe wissen wollen, ob auch der Leib Christi hinab in den Magen komme. Er selber wollte von der Gorolargeia und allem, was mit ihr zusammenhing, nichts wissen. Er unterlieB es nicht, seinen alten Schüler Hart- mann Beyer, jetzt den Vertrauten Westphals, zu sich zu be- stellen und ihm „für einem gantzen tisch voll lewt“ ins Ge- wissen zu reden: Das sei ihrer Früchte eine, daß sie diese armen Leute vertreiben wollten. Er und seine Kollegen sollten doch endlich ihren Haß gegen diese unglücklichen Menschen aufgeben, die um Christi willen ins Elend gegangen seien, denn wer von deren schweren Leiden nicht gerührt werde, der verdiene nicht den Namen eines Menschen, ge- schweige denn eines Christen. Sie hätten dem Rate mit einem guten Beispiel vorangehen sollen, nun möchten sie sich wenigstens an seiner Güte und Milde ein gutes Beispiel nehmen. Daß Beyer sich darauf binausreden wollte, er und seine Kollegen wüßten sich frei von Haß und hätten nur den Frieden der Kirche und Eintracht in der Lehre im Auge, nie aber hätten sie auf eine Ausweisung der Fremden hingearbeitet, war angesichts des Beschlusses, den sie am 21. Oktober 1556 bei dem Rate nahezu durchgebracht hatten, eine so kühne Behauptung, daß jetzt der milde Melanchthon commotior wurde und anfing, davon zu reden, wie es zu allen Zeiten Menschen in der Kirche gegeben habe, die unter solchen Vorwänden ihre Grausamkeit zu verdecken gesucht hätten. Die deutschen und die fremden Gemeinden seien in der Lehre einig, nur im Artikel vom Nachtmahl wünschten die Fremden eine nähere Erklärung, auch er halte diese Frage noch nicht für hinreichend geklärt. Am anderen Morgen ließ er dann Beyer nochmals zu sich kommen, bat ihn, Frieden zu halten und vertröstete ihn auf eine Synode der Evangelischen, auf der eine Verstän- digung Über die strittigen Punkte herbeigeführt werden solle. Beyer aber verhielt sich durchaus ablehnend. Sie dürften die Lehre nicht verschweigen und müßten, was dawider sei, strafen, sonderlich, da man öffentlich anders lehre. So bestand der einzige Erfolg der Aussprache darin, dab Beyer sein Herz in den Busen Westphals ausschüttete, der daraufhin auf seiner Kanzel gegen Melanchthon jetzt

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ganz ebenso tobte wie gegen Calvin und ihn einen Sakramen- tierer schalt.

Das Jahr 1558 schien die von Melanchthon so heiß er- sehnte Verständigung der Protestanten untereinander bringen und damit auch in Frankfurt den kirchlichen Frieden be- siegeln zu wollen. Nachdem die Katholiken das Wormser Kolloquium mit der Begründung abgebrochen hatten, die Fortsetzung sei zwecklos, da die Evangelischen unter sich selbst uneins seien, benützten die evangelischen Stünde den Frankfurter Wahltag von 1558 zu einem neuen Versuch, eine Verständigung tiber die obschwebenden innerprotestan- tischen Fragen herbeizuführen 1). Der Frankfurter Rezeß, der als das Ergebnis dieser Bemühungen am 18. März zu- stande kam“), nahm zu dem Osiandrischen, Majoristischen und adiaphoristischen Streite ganz im Sinne Melanchthons Stellung. In der Abendmahlslehre lehnte er in seinem dritten Artikel die Transsubstantiation ebenso wie die Lehre Zwinglis ab: ,Das auch etliche allein dieses sagen, daD der Herr Christus nicht wesentlich da seye, und das dieses Zeichen allein ein äusserlich Zeichen seye, darbey die Christen ihre Bekandnuß thun und zu khenhen seyen, diese Reden seiunt unrecht etc.^ Als die rechte Lehre von dem heiligen Mahle wurde unter Berufung auf die Augsburger Konfession fest- gestellt: „Daß in dieser des HErrn Christi Ordnung seines Abendmahls er wahrhafftig lebendig, wesentlich vnd gegen- wertig seye, auch mit Brot vnd Wein, als von Ime geordnet, vos Christen sein Leib vnd Blut zu essen vnd zu trincken geben, vnd bezeugt hiemit, daß wir seine Gliedmassen sind, applicirt vns sich selbst vnd seine gnedige Verheisung, vnd würckt in vns ete.“ Später hat man die Entdeckung ge- macht?) dieser Artikel sei mit so zweideutigen Worten ab- gefaßt, „daß sowohl die Lutheraner als die Anhänger Zwinglis und Calvins ihre Lehre aus ihm behaupten könnten.“ Die Reformierten stimmten ihm denn auch freudig zu. Hotomanus in Straßburg schrieb über den Rezeß am 28. Juni 1558 an Calvin: Mihi sane articulus de coena placuit et D. Zancho valde arride£*). Die Frankfurter Prädikanten hatten gegen die weitherzige Fassung des Artikels vom Abendmahl keine Bedenken. Als ihnen der Rat den Rezeß zustellte ), wieder-

1) Heppe, Geschichte des deutschen Protestantismus in den Jahren 1555—1581. I, 266ff.

) F. R. I. Beil. 19. S. 37ff.

3) Kirchen-Geschichte von denen Reformirten S. 122f.

) Calv. Opp. XVII, 226.

6) Ratschlagung vom 16. Mai 1568. Act. ref. I. Bl. 159.

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holten sie die vier Artikel mit eigener Umschreibung uud erklärten, sie hätten „nichts strittiges wieder diese Artickel!).“ Es war klug von dem Rate gehandelt, daß er den Fremden den Rezeß erst ein paar Tage später zugehen ließ“), so daß ihre Stellungnahme für die Entscheidung des Ministeriums ohne Einfluß blieb. Auch sie erklärten sich, da der in diesen Fragen so bedenkliche a Lasco nicht mehr unter ihnen weilte, in einem ausführlichen Schreiben einverstanden?) Somit hatte es endlich den Anschein gewonnen, als sei der lang- wierige, unerquickliche Streit durch die Bemühungen Me- lanchthons beigelegt. Tatsächlich finden sich auch von jetzt an fast drei Jahre lang keine Schriften der Prädikanten gegen die Fremden.

Indessen der Trieb, ihre Rechtgläubigkeit zu bezeugen, indem sie anderen den rechten Glauben absprachen, war in den Prädikanten viel zu stark entwickelt, als daß sie nicht eines neuen Objektes für ihren Bekennermut bedurft hätten. Sie fanden es denn auch schon bald in dem Schulmeister Johann Kneip aus Andernach oder, wie er sich selber unter- schrieben hat, Johannes Cnipius Andronicus, mit dem sie sich bereits vor der Ankunft der Fremden wiederholt aus- einandergesetzt hatten.

Cnipius“), der, ungefähr wohl ein Altersgenosse Calvins, früher in Mainz gewirkt und zur Zeit der Kölner Reformation die lateinische Schule in seiner Vaterstadt Andernach ge- leitet hatte und dann als Prädikant in Heppenheim auf der Wiesen (bei Oppenheim) tätig gewesen war, war seit 1550 ludimagister oder, wie er selber sich lieber nannte, gymna- siareha in Frankfurt, nachdem Hartmann Beyer diese Stelle ausgeschlagen hatte Seine theologischen Anschauungen standen, wenigstens in der Abendmahlslehre, nach seiner eigenen Angabe’) seit spätestens 1527 fest, haben aber ihre Formulierungen von Melanchthon übernommen. Mit diesem

) F. R. II. Beil. 29. S. 286—288.

t) Am 20. Mai. Vgl. den Brief Perucelles an Calvin vom 9. Juni. Calv. Opp. XVII, 199.

3) F. R. I. Beil. 90. S. 39—44. Vom 25. Mai.

) Vgl. über ihn Steitz, M. Johannes Cnipius Andronicus, Schul- meister zu den Barfüßern 1550—1562, der theolog. Vertreter des Melanchthonianismus in Frankfurt. F. A. X. F. I. (1860.) 107—950. Über seine Anfünge: S. 214f.

5) Joannis Cnipii confessio de Coena Domini, praedicatoribus Francofurtanis exhibita et Philippo Melanthoni probata (1559: In hac Confessione immotus perstiti ab annis amplius triginta duobus). A. a. O. 211.

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und Bucer stand er seit 1543 in Verbindung. Besonders innig aber gestalteten sich seine Beziehungen zu Hardenberg, dessen Bekanntschaft er 1544 machte; „Keiner unter den Sterblichen,“ erzählte er noch 1557 Claus Bromm !), „schreibt öfter und ausführlicher an mich als dieser.^ Der Kreis, in welchen er in Frankfurt eintrat, wurde, wie uns seine Briefe an Hans und Claus Bromm, Johann von Glauburg und Lud- wig Martorff zeigen, von jenen Patriziern gebildet, die seit der Zeit Wilhelm Nesens sich für die klassischen Studien begeisterten. Ritter hat ihn für einen Zwinglianer ausge- geben“). Er selber hat Melanchthon als den Mann bezeich- net, dem er am meisten verdanke“). Wie Melanchthon den Glauben an eine Katholizität aller Christen festhielt, so legte auch er auf die Übereinstimmung mit den anerkannten alten Vätern den größten Wert; sie war ihm der Prüfstein für die Wahrheit eines Dogmas: Quidquid docetur contra fidem et confessionem sanctae ecclesiae catholicae, profanum haere- ticum et impium est, gab er Ritter einmal gegen die Ubiqui- tätslehre zu bedenken*) Mit den aufrichtigsten Wünschen und Hoffnungen auf eine Wiedervereinigung der Konfessionen begleitete er die Reise Melanchthons nach Worms ). Nament- lich aber erwartete er von Melanchthon einen Ausgleich der Gegensätze zwischen Lutheranern und Zwinglianern: Efficiet Christus .., schrieb er an Claus Bromm®), als die Kanzel- polemik in der Stadt nicht verstummen wollte, per hoc elec- tum et salutare organum suum, ut dehinc evanescant odiosa illa nomina Saeramentariorum et Sacramentiperdarum, item Lutheranorum et Zwinglianorum, utque tandem quasi in unum corpus coalescant omnes, qui hactenus dispari ore dispari- busque cognominibus renovatam Euangelii Jesu Christi doc- trinam sunt amplexi. Orandus est nobis Deus ardentibusque votis nostris quotidie solicitandus, ut quod pie et sancte op- famus, mature fiat, Was ihn von Melanchthon unterscheidet, ist nur das Eine, daD er, namentlich in der Abendmahlslehre,

1) Brief vom 4. März 1557. A. a. O. 231.

2) Evang. Denckmahl S. 136.

5) Melanthoni, cui sane debeo plurimum. Brief an Calvin vom 18. Sept. 1559. Calv. Opp. XVII, 642. Steitz hat die Briefe an Calvin noch nicht gekannt,

*) Brief an Calvin vom 15, April 1557. Calv. Opp. XVI, 452. Vgl. dazu die Mitteilungen aus seinem Schreiben an den Rat von 1559 bei Steitz S. 204.

5) Brief an M. Franziskus Jtbyges in Schleusingen vom 14. August 1557. A. a. O. S. 237.

^) Brief vom 4. März 1557. A a. O. S. 231.

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auch die letzten Konsequenzen offen aussprach, die Melanch- thon lieber vorsichtig für sich behielt.

Die Prädikanten haben über ihre anfänglichen Beziehun- geu zu Cnipius dem Rate einmal geschrieben!), sie hätten Dit anders gemeint, denn als seien sie mit einander gute Freunde; sie hütten ihn nit anders, denn einen guten und treuen Lehrer und Mitbruder empfangen und gehalten, auch zu ibren Brautsuppen gebeten und Kinder zu ihm in seine Schule getan. Wenn dieses freundliche Verhältnis nicht von Bestand war, so liegt die Schuld daran gewiD zu einem Teil an dem Charakter des Cnipius, der ,ein bitterer und spót- tischer Mann war, wenn man ihm nicht Recht gab“?). Es macht keinen erfreulichen Eindruck, wenn er mit breitem Be- hagen Calvin von seinen Händeln mit Audreas Saxo und von den permulta epigrammata erzühlt, die er über Timann iu der Stadt verbreitet habe*). Seinem Unmute über den starren Dogmatismus der Prädikanten machte er gerne in einem Wortspiele Luft, in dem er von den Lutheranis als von den haerentibus adhue sive coaxantibus adhuc in Stoicorum luto ranis sprach*) Ihre Verstöße gegen Orthographie und Grammatik ließ er sich als richtiger Schulmeister nicht ent- gehen. Dem Pfarrer Haberkorn rechnete er nach, daß er in einem seiner Schreiben zwölf Wörter fehlerhaft geschrieben und bei achtundfünfzig die Buchstaben so versetzt habe, daß er es seinen Schülern zur Übung überlassen habe, die Schnitzer zu suchen, und als ihn der Pfarrer Saxo einmal bei dem Rate verklagte, rächte er.sich an ihm, indem er durch fünf seiner Schüler nicht weniger als hundertundelf Verstöße der Klageschrift gegen die Grammatik festnagelte. War diese kleinliche Mükelei zusammen mit einem auf- fallenden Mangel an Takt nicht eben dazu angetan, ihm Sympathien zu erwerben oder zu erhalten, so erschwerte er sich seine Stellung vollends durch die Eitelkeit“), mit der er von seinen Kenntnissen Gebrauch machte und bei theo- logischen Debatten die Prüdikanten seine wissenschaftliche Überlegenheit fühlen ließ. Denn „durch den Reichtum seiner humanistischen und theologischen Bildung wie durch die Klar- heit seines scharfen Denkens“ war er ausgezeichnet), und

1) Am 18. April 1559. Bei Steitz S, 180,

) Ritter, Ev. Denckmahl S. 436,

3) Brief an Calvin vom 15. April 1557. Calv. Opp. XVI, 451

*) Bei Steitz S. 187.

5, Vgl. Wendungen wie: Haec praedictus Matthias (sc. Ritter) ....nullo modo solvere aut diluere potuit. Brief an Calvin vom 15. April 1557. Calv. Opp. XVI, 152. 6) Bei Steitz S. 167.

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man konnte bedauern, daß von der Milde und den ver- mitteluden Tendenzen seiner Theologie sich seinem leiden- schaftlichen Temperamente so gar nichts mitteilte.

Der tiefere Grund freilich zu dem Zerwürfnis, das wir zwischen ihm und den Prüdikanten schon bald feststellen müssen, lag in der Verschiedenheit der theologischen An- sehauungen. Das Jahr 1550 war für den Eintritt eines Ver- treters der melanchthonischen Denkweise in die Frankfurter Verhültnisse kein günstiger Zeitpunkt. Denn eben damals fingen die Beziehungen zwischen den Pfarrern der Stadt und Melanchthon an zu erkalten infolge der Streitigkeiten um das Interim, und es war für den neuen Schulmeister zu den Barfüßern bei der Geistlichkeit keine Empfehlung, daß er in diesen Streitigkeiten entschieden den Standpunkt Melanch- thons vertrat. Cnipius hätte seine ganze kampfeslustige Natur verleugnen müssen, wenn er sich in den Fragen, die die Gemüter so lebhaft bewegten, Schweigen oder auch nur vorsichtige Zurückhaltung hätte auferlegen wollen. Von seinem philippistischen Standpunkte aus ergriff er nach ein- ander zu allen diesen Fragen das Wort.

Seine erste Kontroverse mit dem Ministerium fiel bereits in das Jahr 1553. Es hatte ihn schon verdrossen, daß etwas früher Hartmann Beyer in einer pseudonym erschiene- nen Schrift!) der Politik des Rates in der Zeit des Interims entgegengetreten war. Als dann derselbe Beyer am Oster- sonntag?) der Ratsverordnung vom 5. Januar, die die Wieder- einführung aller nicht auf Sonntage fallenden Feste befahl, keck entgegentrat und in der überfüllten Barfüßerkirche eiferte: „Meine Herren gehn mit eitel narre!aeidung vmb u. 8. w.“, fand er sich bemüßigt, ihm non paucis entgegen- zutreten ).

Diesem ersten ließ er nach wenigen Tagen (am 13. April) ein zweites Schreiben*) folgen. Hatten die Prüdikanten in ihre Predigten Verse aus Kernliedern der Reformation ein- geflochten wie: „Es ist ja unser Tun umsunst, auch in dem

!) Warer Grundt vnd Beweisung, das die vnrecht handeln, die jren Predigern verbieten, das antichristische Bapstumb mit seinen greweln zu straffen. M. Sigismundus Cephalus. *

*) Die Lunae paschalis in dem Briefe des Cnipius an Johann von Glauburg vom 4. Mai 1559 (Steitz a. a. O. S. 984) ist ein nach sechs Jahren begreifliches Versehen. Für das Tatsüchliche vgl. Steitz, Hart- mann Beyer S. 71f., wo aber die Kanzelabkündigung Beyers wesentlich abgeschwücht ist.

5) Dieses Schreiben ist nicht erhalten. Vgl. Steitz, Cnipius S. 182.

*) Epistola de servanda doctrinae forma. Vgl. Steitz, Cnipius S. 188.

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besten Leben“, „die Werke helfen nimmehrmehr* u. ä., so fand er das im Widerspruch mit Artikel 6 und 20 der Augustana, wo Melanchthon die guten Werke für notwendig erklürt hatte, auch wenn sie nicht verdienstlieh seien. Jene Kirchenlieder waren ihm Teufelsstank (paedores Diaboli). Er berief sich gegen sie auf Sätze von Brenz, Melanchthon und Apinus über die Rechtfertigung, die die guten Werke als notwendige Frucht des in der Liebe tätigen Glaubens bezeichneten, und er forderte von den Prüdikanten eine offene Erklärung, ob sie bisher so gelehrt hätten. Sei es der Fall, so sei es ein auffullendes. Mißgeschick, daB er in den drei Jahren seines Hierseins nie etwas davon vernommen babe. Sei es nicht der Fall, so hätten sie vielen Argernis gegeben, manche zu einem gottlosen Wandel veranlaft und Gottlose zu jeglicher Ruchlosigkeit aufgemuntert.

Seinen dritten Streit hatte Cnipius mit dem Plarrer Eberhard Haberkorn in dem benachbarten Oberursel, der bis 1548 in Frankfurt gewesen war. Nachdem persönliche Reibereien vorausgegangen waren, kam es zwischen beiden 1555 zu einer Auseinandersetzung über die Willensfreiheit, wobei Haberkorn den Standpunkt vertrat: 1. Was wir Gutes oder Büses tun, tun wir &us reiner Notwendigkeit, oder viel- mehr wir erleiden es; 2. Gott wirkt in uns das Gute und Böse, und wir unterliegen seinem Wirken in willenloser Passivität; 3. es steht nicht in unserem freien Willen, etwas Gutes oder Böses zu denken, sondern alles geschieht nach unbedingter Notwendigkeit. Waren diese Sätze an Luthers de servo arbitrio orientiert, so stand Cnipius auf der Seite Melanchthons, der in solchen Anschauungen stoica et mani- chaica deliramenta erblickte. Er verwarf die Ansicht Haber- korns gleichfalls als stoischen und manichäischen Irrtum, der; in der alten Kirche unerhört, erst durch Wicliffe und Lau- rentius Valla eingeschleift, von Luther 1525 gegen Erasmus vertreten, später aber von ihm zurliekgenommen sei, und er- klärte sich dafür, daß auch in den nicht Wiedergeborenen eine gewisse Willensfreiheit und Wahlrermögen sei. So brachte er den Gegensatz auf die Antithese: Ego facio nos- fram voluntatem cooperantem gratiae Dei, tu facis nihil aliud, quam patientem. Zu einem Ergebnis führte der Streit nicht. Haberkorn glaubte, eine Entscheidung durch die Wittenberger herbeiführen zu können, und wandte sich deshalb an diese. Da aber diese sämtlich die Anschauungen Melanchthons ver- traten und Cnipius einen regelmäßigen Briefwechsel mit ihnen unterhielt. so war damit nichts für ihn gewonnen!).

1) Steitz S. 181—187.

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Die nächste Fehde hatte der streitbare Humanist mit Andreas Saxo, dem Pfarrer von Sachsenhausen. Den Anlaß bot die Farrago Timanns, die 1555 bei Peter Brubach in Frankfurt erschien. Er konnte es nicht unterlassen), auch zu dieser Veröffentlichung das Wort zu ergreifen. Da ihn aber Veit Windsheim in Wittenberg vor einem Konflikt nit denen gewarnt hatte, die in ihrem Aberglauben und in ihrer Ruhmbegier alles, was Luther geschrieben habe, für Orakel hielten, versah er sein Exemplar der Farrago mit allerlei Glossen und ließ es so durch Johann von Glauburg bei seinen Gesinnungsgenossen unter den Patriziern zirkulieren. Von dem liber non exiguus, zu dem ihm diese Glossen an- schwollen “), erfuhr nun auch Saxo und hielt ihm in einer bei dem Rate eingereichten Schrift, zugleich im Namen seiner Amtsbrüder, eine zehn Seiten lange Strafrede. Er erreichte damit aber nur, daß der gewandte Latinist ihn mit einem Hagel fein geschliffener Epigramme überschüttete und die ihm zugedachte Philippika in einer Weise kommentierte, daß von einem Einschreiten des Rates gegen ihn nicht mehr die Rede sein konnte. Da Saxo nicht auch über attisches Salz verfügte, so nahm er zu der Sachsenhäuser Muse seine Zu- flucht und titulierte seinen gelehrten Gegner in einer neuen Eingabe an den Rat als Cnepio und Cnapio, als unflätigen Wiedehopf, stinkenden Bock, bösen Engel, unflätiges Vieh, Gutzgauch u. dgl. m., daß Cnipius bekannte, er habe viele Schmähungen in griechischen und lateinischen, heidnischen und christlichen Büchern bei Tag und Nacht gelesen, aber eine solche Flut von Schimpfwörtern, Skurrilitäten, Verleum- dungen, Lügen und üblen Nachreden sei ihm bisher noch nicht vorgekommen, der Satan selber mtisse dem Herrn Pfarrer die Feder geführt haben. Es ehrt das Predigerministerium, daß Geltner und Beyer von den würdelosen Auslassungen ihres Amtsbruders nichts wissen wollten 3).

Je mehr die Melanchthonische Denkweise zur Scheide- wand zwischen den Pfarrern der Stadt und Cnipius wurde, desto mehr fand sich dieser in ihr mit den Fremden zu-

!) Vgl. seinen Brief an Johann von Glauburg vom 6. Dezember 1555: Ego salva conscientia meum de farragine illa iudicium inter tot curas et labores dissimulare non potui. Deinde tot convicia, maledicta et anathemata in Christianos Doctores et pias Ecclesias vibrata esse magna cum indignatione vidi, quibus quidem haec inclyta urbs, tam liberalis et benigna piorum hospita, quadantenus infamatur. Bei Steitz S. 282.

2) Brief an Calvin vom 15. April 1557. Calv. Opp. XVI, 151.

3) Steitz 3. 190—194.

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sammen. Noch besitzen wir von ihm aus den Tagen der Auseinandersetzung mit Saxo einen Brief an Poullain?), der in seinem ganzen Tone Kunde gibt von dem engen, auf Achtung und Vertrauen begründeten Verhältnis zwischen diesen beiden Männern, Veranlaßt ist der Brief durch den Wunsch des Cnipius, die Purgatio a Lascos zu verdeutschen. Als er zwei oder drei Seiten weit gekommen war, überzeugte er sich, daß er bei der beständigen Bezugnahme des Ver- fassers auf die Augustana ohne deren deutschen Wortlaut nicht auskomme, ne si alicubi disereparem non in sententia, sed in verbis, dicar ebur atramento candefacere voluisse. Er gab dann nach einigen vergeblichen Versuchen, die deutsche Ausgabe der Konfession bei Poullain oder einem der Patrizier zu entleihen, die Arbeit überhaupt auf. Bei Poullain ent- schuldigte er sich mit Arbeitsüberhüufung und seiner ange- griffenen Gesundheit. Calvin gegenüber machte er geltend?), er müsse eine ihm soeben zugegangene Schrift des Stadt- pfarrers zu St. Bartholomäi, Heinrich Pfleger*), die ganz den Geist des Antichrists atme, aus der Bibel und den Vütern widerlegen. Der eigentliche Grund dürfte darin zu finden sein, daß die Purgatio mit ihren rein theologischen, durch- aus irenisch gehaltenen Ausführungen in keiner Weise der gereizten Stimmung entsprach, in der er sich befand.

Das Jahr 1557, welches für den Schulmeister zu den Barfüßern mit so viel Verdruß begonnen hatte, brachte die eigentliche Krise für die von ihm vertretene Denkweise in der Stadt. Der Umschwung wurde herbeigeführt durch die Enttäuschung, welche der Seigerhandel der Stadt brachte. Das Riesendarlehen, das man den Grafen von Mansfeld auf ihre Kupferbergwerke gewührt hatte, trug der Stadt nicht eine glánzende Verzinsung, sondern eine vermehrte Schulden- wirtschaft ein. Verantwortlich aber machte man für die ver- fehlte Spekulation Claus Bromm, den Schüler und Freund Melanchthons, der 1558 aus dem Rate ausscheiden mußte. Auch Johann von Glauburg, der gleichfalls an der Sache beteiligt war, büßte in der Folge an Ansehen ein. Gleich-

1) Abschrift im Frankfurter Stadtarchiv. Uffb. Mscr. Bd. 15. S. 128—181, vom 14. März 1557. Im Auszug bei Steitz S. 189 f. Auch der Bericht über die Begegnung Saxos mit Hieronymus Zober S. 198 ist diesem Briefe entnommen,

) Brief vom 15. April 1557. Calv. Opp. XVI, 452 sq.

*) Der Name ergibt sich aus der: Wetterau I, 129, wonach Pfleger, ein geborener Frankfurter, von 1553— 1561 Pfarrer an St. Bartholomäi war. Cnipius schreibt: Scriptor libelli Francofordiensis pastor est saori- ficulorum in primario templo, híc natus et educatus.

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zeitig taten die Prädikanten, was in ihren Kräften stand, um Luther, dessen Ansehen im Westen Deutschlands noch sehr gering war, als den tertius Elia zur Geltung zu bringen. Mattbias Ritter gab jetzt eine lateinische Bearbeitung der Lutherbiographie des Johannes Pollicarius Cygnäus in Weißen- fels heraus, die ersichtlich für die Patrizier bestimmt war und für alle nicht völlig Blinden Luther als ein auserwähltes Rüstzeug Gottes erweisen sollte, dazu bereitet, um mit großer Kraft und Glauben die wahre Religion aus der Finsternis wieder ans Licht zu bringen, die „wahre Religion“, welche Melanchthon im Hause Bromms „vor einem Tisch voll Leut“ in der Person des Lutheraners Beyer so hart gescholten batte!) Die Konsequenzen aber aus der Lutherrerehrung für die kirchliche Praxis zog man. indem man nach dem Ausscheiden von Ambach und Lulius aus dem Ministerium sich beeilte, in den jetzt wiederauflebenden kirchlichen Katechisationen den Kleinen Katechismus Luthers einzuführen und damit den Kompromiß-Katechismus, der vor einem halben Menschenalter als das Produkt von soviel Kampf und Mühe zustande gekommen war, preiszugeben ?).

Es hatte unter diesen Umständen wenig Bedentung, daß Cnipius nach dem Wormser Kolloquium im Hause Bromms mit Melanchthon vertraute Zwiesprache pflog und sich vou ihm die Richtigkeit seiner Auffassung vom Abendmahl be- stätigen ließ). Der Stern Melanchtbons fing an dem Frank- furter Himmel merklich an zu erbleichen. Johaun von Glau- burg hielt zwar bis zuletzt an seinem Wittenberger Freunde fest, und während seine Beziehungen zu Calvin erkalteten, gegen den er gelegentlich den Verdacht der Voreingenommen- heit äußerte*), erbat er sich von Melanchthon noch in dessen letzten Tagen ein Gutachten in dem Streit der Frankfurter Fremdengemeinden, zu dessen Schiedsrichter er bestellt war*).

—— —ÁM

) Vgl. K. Bauer, Die Beziehungen Calvins zu Frankfurt a. M. S 53—55.

*) Vgl. die Ratsprotokolle vom 11. und 16. März, sowie vom 7 und 29. April. Die Prädikanten teilten dem Rate nur ihr Vorbaben mit, „den Catechismum“ auf die Sonntage in der Kirchen (in den Nach- mittagspredigten) anzurichten Daß sie beabsichtigten, von dem offiziell eingeführten Frankfurter zu dem Kleinen Lutherischen Katechismus überzaugehen, verschwiegen sie.

5 Brief au Calvin vom 2. April 1558. Cale. Opp. XVII, 121. Steitz, S. 196f.

) Vgl. den Brief des Dathenus au Calvin vom 11. April 1560. Calv. Opp. XVIIT, 44.

5) Fraukfurter Stadtarchiv: Mglb. F. 16 Nr. 1.

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Aber für die Haltung des Rates und vollends der Geistlich- keit war damit nichts entschieden. Von dem Rückgang des Einflusses Melanchthons auf das offizielle Frankfurt brachte das Jahr 1559 eine charakteristische Probe 1). Um die Seel- sorge nach dem Abgange Saxos nicht notleiden zu lassen, dessen Stellung im vorigen Frühjahr endlich unhaltbar ge- worden war?) beschloß der Rat die Anstellung eines Nach- folgers und wandte sieh am 16. März eines geschickten, taug- lichen Prädikanten halben an Melanchthon. Dieser fate nach Rücksprache mit Paul Eber den Prediger David Voit in Jena ins Auge, der ihm als ein Mann von recht christlichem Ver- stand, gottesfürchtig und friedliebend bekannt war und eben damals eine Veränderung anstrebte, um den Streitigkeiten mit Flacius zu entgehen. Der Eintritt Voits, der bald darauf nach Könizsberg ging, in den Fraukfurter Kirchendienst hätte wohl der Entwickelung der kirchlichen Verhältnisse hier in der liichtung des Gnesioluthertums einen Riegel vor- geschoben. Aber eben das lief den Interessen Beyers und Ritters zuwider. Ihnen lag alles daran, die Ilomogenitiit ihres Kollegiums zu erhalten, die mit dem Ausscheiden von Ambach und Lulius erst kürzlich hergestellt worden war. Als sie Kunde davon erhielten, daß Melanchthon ihren neuen Kollegen nominieren solle, beeilten sie sich, ihrerseits den kommenden Mann zu bestimmen. Es geht ganz offensichtlich auf ihr Betreiben zurück, daß der Rat die erbetene Antwort Melanchthons gar nicht erst abwartete, sondern drei Tage vor ihrem Eintreffen. am 13. April, Petrus Elfeldt in Eltville berief, der sich alsbald eng an Beyer anschloß. Damit war dem Philippismus der Eingang verwehrt uud die Frankfurter Kirche endgültig an Westphal ausgeliefert. Melanchthon, dem man „seins angewanten vleiß halben“ dankte, schrieb am 9. Mai zurück: „Nu ist mir am liebsten, das ewre kirchen seer wol versorget sind mit christlichen vnd friedliebenden predicanten .... Ich bitt auch ewr erbarkeit, sie wollen nicht vnnotig gezenk erregen lassen.^ Es waren die letzten Zeilen, die der Rat von seinem alten Vertrauensmann er- bielt. Den Gang der Ereignisse haben sie nicht aufgehalten.

Der einzige Träger des Philippismus in der Stadt war jetzt nur noch Cnipius. Es war ganz folgerichtig, daß die Prädikanten, die seit dem Frankfurter Rezeß keinen Anlaß fanden, gegen die Fremdengemeinden vorzugehen, ihre ganze

!) Vgl. für das Folgende Steitz bei Classen, Über die Beziehungen Melanchthons zu Frankfurt a. M. S. 35—40. 1) Er hatte auf offener Straße den Vikar Palladius zu St. Bar- tholom&i mißhandelt. Steitz S. 191f. Archiv iar Reformationsgeschichte. XIII. 1. 5

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Kraft gegen ihn zusammenfaßten. Als Streitpunkt mußte das Abendmahl dienen. Jahrelang!) war der humanistische Schul- mann der heiligen Feier fern geblieben. Endlich ließ er sich von einigen Ratsherren bestimmen, sich anzumelden, und reichte am 18. Januar 1559 bei Marcus Sabander eine schrift- liche?) Confessio de Coena Domini ein, Mit der zweiten Ausgabe der loci Melanchthons“) versicherte er: Nec author, nec assertor ullius novi dogmatis esse volo, quod non habet Ecclesiae veteris probata testimonia. Non enim contemno Ecclesiae Catholicae iudicium et authoritatem. Voraus schickte er eine Reihe von Sätzen, in denen er mit den Prüdikanten übereinstimmte: Tenemus fideliter hunc panem et hoc vinum esse corporis et sanguinis Christi Sacramentum, in cuius sumptione... filius Dei vere adest et testatur, se applicare credentibus sua beneficia et se assumpsisse humanam natu- ram propter nos, uf nos quoque sibi insertos fide membra sua faciat, et nos ablutos esse sanguine suo. Die Sakra- mente dienen der Stürkung des Glaubens, wirken aber nicht ex opere operato, sondern nur cum fide. Der Charakter des Abendmahls als einer eöxagıori« kommt ebenso zur Geltung wie der einer Gemeinschaftsfeier. Dann aber setzt sich die Confessio in Gegensatz zu den Gesinnungsgenossen West- phals, indem sie die These verficht: bonos tantum edere Christum. Die Autoritäten sind auch hier die alten Väter. Mit Origenes folgert Cnipius: Würe es anders, so wtirde Joh. 6, 51 hinfällig: quisquis ederit panem hunc, vivet in aeternum, Und mit Augustin und andern macht er den Unterschied: bonos et malos corpus et sanguinem Domini in sacra Coena pariter sumere sacramentaliter sen... sacra- mentotenus, bonos autem duntaxat revera corpus Christi edere. Oder: Deus... dat etiam plenum Sacramentum im- piis: at vero Sacramenti rem. .. impii habere non possunt, Unter Berufung auf die Väter definiert er: Sacramentum non

1) Nach dem Schreiben der Prädikanten an den Rat vom 18. April 1559 (Steitz S. 180) war er ,erstlich* bei ihnen sum Nachtmahl ge- gangen. Er selber schrieb am 18, September 1559 an Calvin: Non paucos hic egi annos cum literatis adolescentibus in schola nostra, et tamen & mensa dominica propter causas tibi non ignotas constanter abstinuimus. Calv. Opp. XVII, 642.

) Die Angabe von Steitz S. 199, ein zuerst angebotenes mtind- liches Glaubensbekenntnis habe den Prädikanten nicht genügt, ist nach dem Brief an Calvin zu berichtigen, demzufolge Cnipius ihnen die Wahl zwischen einem mündlichen oder einem schriftlichen Bekenntnisse ließ.. Die Confessio ist abgedruckt von Steitz, S. 289—244,

*) Corp. Ref, XXI, 479. Vgl. Steitz S. 241 Anm. 9.

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est reale et naturale seu verum corpus Christi, sed recte appellatum est corpus Christi propter analogiam et convenien- tiam inter Sacramentum et res Sacramenti, Auch des Syllo- gismus bediente er sich nach dem Vorbilde Melanchthons und wiederholte dabei den Schluß, mit welchem er bereits vor zwei Jahren!) Ritter in Verlegenheit gebracht hatte: Quicquid Christus confutavit, falsum, perniciosum et impium est. Christus confutavit opinionem illam de carnali mandu- catione veri ef naturalis sui eorporis. Igitur opinio illa de carnali manduocatione veri et naturalis corporis Christi falsa, perniciosa ef impia est, ao proinde ex Diabolo, qui mendax est mendaciique pater, profecta.

Was die Prädikanten unter einem Bekenntnis vom Abend- mahl verstanden, war dieses Schriftstück mit seinen Beweis- führungen nicht. Um Beweise und Gründe war es ihnen überhaupt nicht zu tun, sondern um feste Formeln. Deshalb verwiesen sie Cnipius auf die Wittenberger Konkordie und die Augustana und vertrösteten ihn mit seinen Argumenten auf ein künftiges Kolloquium. Da er sich indessen damit nicht abfertigen ließ, so kam es zu einer Aussprache Beyers und Ritters mit ihm, das zwar die Formen der Höflichkeit nicht überschritt, aber zu keinem Ergebuis führte. Er fand es daher jetzt angezeigt, sein Abendmahlsbekenntnis an Me- lanchthon zu schicken und sich die Korrektheit seines Stand- punktes bezeugen zu lassen. Auf Grund des Zeugnisses, das er daraufhin durch Peucer erhielt, wandte er sich dann?) mit einer Beschwerde an den Rat und bat, „sie wollten die viel- gemeldten Diener des Worts und Prädicanten dazu halten, daß sie mich samt den Meinen zum Nachtmahle lassen, wie andere Christenleute“. Er erreichte damit freilich nur, daß Beyer die Sache jetzt zum Gegenstande einer Kanzelpolemik machte und der Gemeinde predigte, die Sakramentsschwär- merei sei auch in die Schulen gekommen; von den hoch- gelehrtesten Bekennern des wahren Evangeliums, so zu dieser Zeit auf Erden lebten, redete er als von Schwärmern und Sakramentierern. Cnipius blieb die Antwort natürlich nicht schuldig. In seinem Schreiben vom 23. Mai erinnerte er den Rat mit Bezug auf den „greulichen capernaitischen Irrthum“ Beyers, Melanchthon und Bucer hätten „aus Gottes Wort und

1) Brief an Calvin vom 15. April 1557. Calv. Opp. XVI, 452.

3) Nicht „gleichzeitig“, wie Steitz 8. 200 geschrieben hat. An Melanchthon hatte er sich vorher („priusquam“) gewendet. Brief an Calvin vom 18. Sept. 1559. Calv. Opp. XVII, 642. Die Antwort aus Wittenberg lag ihm am 11. April vor. Vgl. seinen von diesem Tag datierten Brief an den jüngeren Johann von Glauburg, bei Steitz, S. 236.

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der alten Lehrer Schriften klärlich beweist, daß der recht natürlich Leib Christi nit ist in der Welt hie auf Erden, sondern er ist und bleibt im Himmel bis zum jüngsten Tag. Auch haben sie nachmals geschrieben, daß keine ungläubige Gottlosen des lebendigen Gottes Tempel seien. Daraus folgt unwidersprechlich, daß ein geistliche Nießung des wahren Leibs und Bluts Christi im Abendmahl des Herru ist und empfähet der ungläubig Gottlose nur das äußerlich Sacrament zum Gericht.“ Auch das gab er zu bedenken: „So Lutherus sein liebstes und bestes Buch, die Postill, schier alle Jahr verändert und gebessert, und damit das vorige antiquirt, das ist abgethan und verworfen hat, daß man unbillig, ja wider Gott und Recht die frommen Christen schmähet und lästert, welche nach erkannter göttlicher Wahrheit irgend einen Artikel menschlicher Schriften oder Vereinigung ver- lassen und verwerfen.“

Da es die Prädikanten vorzogen, statt diese Gedanken- gänge als irrig zu erweisen, lieber die ihnen geläufigen Ketzernamen auf Cnipius anzuwenden, fand es dieser jetzt an der Zeit, mit einer deutschen Ubersetzung seines Abend- mahlsbekenntnisses und sechs ausführlich begründeten Thesen!) an den Bürgermeister Humbracht heranzutreten, der diese Schriftstücke im Rate verlesen ließ. Aber nur quinque pie docti erklärten sich mit ihnen einverstanden. Sie wurden überstimmt durch die homines indocti stolidique. Die Losung kam bezeichnend für die Gestaltung der Lage von der Handwerkerbank, deren Wortführer schalt: non esse concedendum ut invitis eeclesiastis, receptae confessionis Augustanae propugnatoribus unus ludimagister ecclesiam reformaret et civitatem. Daß sich Cnipius bei dieser Ent- Scheidung nicht beruhigte, sondern sich in lateinischen und deutschen Schriften an seine Gesinnungsgenossen wandte, war selbstverständlich.

1) Calv. Opp. XVII, 649 sq.: Primus articulus erat: de vero et naturali corpore Christi non in terra quaerendo, sed in coelo. Secundus demonstrabat aliud esse panem Dominum, aliud vero panem Domini Tertius articulus habebat veram expositionem verborum coenae ex capite 6 Joannis et probatissimis ecclesiae doctoribus desumptam et quod contra praedicta omnia sacris eloquiis confirmata vanum et ab- surdum sit opponere argumentationem de omnipotentia Dei. Quartus erat articulus de spirituali cibo et potu corporis ot sanguinis Domini. Quintus docebat hunc a nullo homine, i. e. nallius ministri manu posse dari sed ab ipso Christo Domino per spiritum sanctum. Sextus articulus evincebat sacramenta quidem piis et impiis convivis mensae Domini communia esse sed rem et virtutem eorum ad impios non pervenire.

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Inzwischen hatte der Handel noch ein Nachspiel für Humbracht. Als dieser im Spätjahr zum Abendmahl gehen wollte, hielt er es für ein Gebot der Ehrlichkeit, den Priidi- kanten zu erklären, er könne ihre Lehre vom Abendmahl nicht in allen Teilen für richtig halten. Den Prädikanten war es wohl nur willkommen, gerade an dem Bürgermeister der Stadt ein Exempel zu statuieren und vor aller Offent- lichkeit zu zeigen, daB nicht die Gesinnungsgenossen Me- lanchthons unter den Laien, und wären sie noch so hoch gestellt, sondern allein sie selber über den dogmatischen Charakter der Stadt zu entscheiden hätten. Sie wiesen dem- gemäß Humbracht vom Altar zurück!) Es war umsonst, daß Johann von Glauburg an die christliche Milde Ritters appellierte, und ihn warnte, zum Urheber von Spaltungen zu werden. Das Ministerium beharrte bei seiner Entscheidung. Humbracht konnte nur brieflich seinen Gefühlen Luft machen: „Wie ganz anders unser Hirte und Meister, den sie doch preisen! Wenn der eins von seinen Schäflein verloren hat, läßt er es nicht fahren, sondern läßt die neunundneunzig zurück und rastet nicht, bis er das verlorene gefunden. Mögen sie immerhin mich ausschließen, mit Gleichmut trage ich ihre papistische Anmaßung, halte ich mich doch Über- zeugt, von Christo nicht ausgeschlossen zu sein, und freue mich, mit seinen Erwüblten sein Angesicht zu scbauen?).*

Coipius blieb inzwischen nicht müßig. Zunächst sorgte er dafür, daB sein Abendmahlsbekenntnis auch anderswo be- kannt wurde. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in England und der Schweiz ließ er sich seine Verbreitung an- gelegen sein“). Dann ging er daran, eine deutsche Schrift über das Abendmahl zu schreiben, deren Vollendung er am 11. November Johann von Glauburg mitteilen konnte. Er war so zufrieden mit ihr, daß er sie drucken ließ: ,Kurtzes Bekenntnis vom Nachtmahl des Herrn“ (21. Januar 1561)*). AuBerdem verüffentlichte er noch im Jahre 1560 zwei latei-

1) Brief des Cnipius an Calvin vom 18. Sept. 1559. Calv. Opp. XVII, 648.

*) Steitz, Hartmann Beyer S. 129f , wo jedoch die Zeitangabe (wie öfters bei Steitz) fehlt.

9) Vgl. den Brief an Johann von Glauburg vom 11. November 1559. Bei Steitz, S. 235. Aus dem Vergleich des Datums dieses Briefes mit dem folgenden (an den jüngeren Glauburg, vom 11. April) ergibt sicb, daß diese Versendung seiner Confessio nicht, wie Steitz S. 200 annahm, gleichzeitig mit dem Schreiben an Melanchthon, sondern erst im Sprit- jahr erfolgte.

) Vgl. Act. eccl. IV. 4 vom Jahre 1561,

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nische Schriften tiber den gleichen Gegenstand unter dem Titel: Christiana confessio de coena Domini exhibita nuper quibusdam Théologis und De coena Domini veritas Catholica, in gratiam studiosae juventutis methodice tractata!) Die erste Schrift war, wie der Titel zeigt, eine Überarbeitung seiner Konfession, in der er jetzt den Stoff in vier Artikel gegliedert hatte: 1. Christi Leib ist nicht allgegenwürtig. 2. Der Genuß des wahren Leibes und Blutes Christi ist ein geistlicher. 3. Die Ungläubigen können darum den wahren Leib und das wahre Blut Christi nicht in sich aufnehmen. 4. Gott, der tiber alle Kreatur ist, kann nicht mittelst kreatürlicher Stoffe bei uns Wohnung machen. In der Be- gründung des ersten Artikels kehrte dasselbe Argument wieder, dessen sich einst schon Poullain mit Erfolg gegen Matthias Ritter bedient hatte“): Christi natürlicher Leib ist eine Kreatur; die Allgegenwart kommt aber nur Gott und der göttlichen Natur zu; also kann der wahre und natürliche Leib Christi nicht allgegenwärtig sein. Die zweite Schrift kleidete er in die Form von Fragen und Antworten, wobei er die herkömmlichen logischen Kategorien auf seinen Gegen- stand anwandte: „er fragt nach seinem Begriff, seiner be- wirkenden, anlaßgebenden, materialen, formalen und finalen Ursache sowie nach seinem Effect; und unterwirft darnach die verschiedenen abweichenden Auffassungen desselben einer eingehenden Kritik“ (Steitz).

Da ihm an der Ueberwachung des Druckes offenbar ge- legen war, eine Druckerlaubnis in der Stadt aber nicht in Frage kam, so machte die Drucklegung Schwierigkeiten. Schließlich fand sich ein welscher Buchdrucker bereit, die Schrift ohne Angabe des Druckortes zu veröffentlichen gegen die Zusage von Cnipius, ihn im Falle der Anzeige schadlos zu balten?) Cnipius bediente sich auf dem Titel des Pseudonyms Johannes Candidus. Trotzdem gelang es der Findigkeit der Prädikanten, wohl mit Hilfe Peter Brubachs, Verleger und Verfasser zu ermitteln. In ihrer Eingabe vom 21. August 1560*), in der sie sich über eine Schrift von

1) Bei Steitz S. 203. Ein Bruchstück von dem Manuskript der ersteren Schrift findet sich in den Act. eccl. IV, 140a vom Jahre 1560, ein Druck in den Act. ref, V, 114 a.

N Brief Poullains an Calvin vom 16. Juli 1556. Calv. Opp. XVI, 230 qq.

3) Act. ref. I. Bl. 179. Hieran scheitert die Vermutung von Steitz S. 217, die Schrift sei in der Druckerei Christian EgenoHs, des Freundes Melauchthons, erschienen, in der der jüngere Cnipius tätig war.

*) F. R. II. Beil. 30, S. 289.

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D. Justus Velsius zu äußern hatten, zeigten sie dem Rate an, daß der Schulmeister zu den Barfüßern in den zwei pseudonym von ihm veröffentlichten Büchlein die rechte Lehre vom hl. Nachtmahl nicht allein heftig anfechte, sondern auch wohl lästere, obwohl ihm der Rat mehrmals befohlen habe, seiner Schulen zu warten und der Prüdikanten Lehre und Amt, darüber er keinen Befehl habe, zufrieden zu lassen. Im Hintergrunde sahen sie die Gönner von Cnipius, die auch zu Zank und Unruhe neigten und solches hießen und för- derten: ein Ausfall gegen die Philippisten im Rate, der be- weist, wie sehr deren Eiufluß, zumal seit dem Ausschlusse Humbrachts vom Abendmahl, zur Bedeutungslosigkeit herab- gesunken war. Während aber die übrigen Wünsche der Prüdikanten sämtlich erfüllt wurden, sah man voa irgend welchen Mafregeln gegen Cnipius völlig ab!) Das hatte seine Berufung auf Melanchthon doch bewirkt, daß man Be- denken trug, sich mit einer Entscheidung gegen ihn dem Scheine auszusetzen, als verurteile man seinen Meister, der 80 lange Jahre das höchste Ansehen bei dem Rate genossen hatte.

Unter der Hand freilich scheint man ihm nahe gelegt tu haben, seinen Frieden mit den Prüdikanten zu machen. Wenigstens machte er im Januar 1561 noch einen letzten Versuch, seine Zulassung zum Abendmahl zu erwirken. Wieder kam es zu langen Verhandlungen, .die sich zuletzt doch zerschlugen?). Ein Jahr später erbat er seine Ent- lassung aus dem Dienste der Stadt, die ihm am 26. Februar 1562 gewährt wurde’). Seine weiteren Schicksale sind un- bekannt, Mit ihm war der letzte Rest des philippistischen Sauerteiges aus Frankfurt ausgefegt.

3. Das Verbot des reformierten Gottesdienstes).

Am 18. September 1559 schrieb Cnipius an Calvin: Tali in statu res nostra ecclesiastica diu perseverare non poterit’). Es war in der Tat auf die Dauer kein haltbarer Zustand, daß die weitherzigen Ideen der Humanisten mit

) Vgl. die Ratschlagungen vom 14. und 22. April 1561. Act. ref. I. Bl. 178f.

2) Steitz S. 205.

3) Ebenda S. 206.

*) Vgl. für die Einzelheiten meine Dissertation: Die Einstellung des reformierten Gottesdienstes in der Reichsstadt Frankfurt a. M. im Jahre 1561. Münster i. W. E. Obertüschen. 1925.

5) Calv. Opp. XVII, 613.

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den festumrissenen Tendenzen der lutherischen Zeloten in beständiger Fehde lagen. Die Entscheidung, auf welche die Verhältnisse drängten, ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Sie fiel freilich ganz anders aus, als Cnipius er- wartet hatte. Die Prädikanten setzten es schließlich durch, daß den Fremden die Weißfrauenkirche wieder entzogen wurde.

Beyer und seine Kollegen ertrugen es auf die Dauer nicht, daß durch den Frankfurter Rezeß ihrer Polemik gegen die Fremden der Boden entzogen worden war. Sie benutzten daher das von ihnen eingeforderte Gutachten tiber „die Summa Christlich Lehre und Lebens" von Justus Velsius, das sie am 21. August 1560 dem Rate tbergaben!), um nicht nur über Cnipius, sondern auch über die Fremden - ihre alten Klagen wieder vorzubringen: Dieweil sie sähen, daß der Neuerung und Rottierang in dieser Stadt noch kein Ende sein wolle, und es ibnen Amts halben gebühre, auf die Herde Christi allbie acht zu haben, müßten sie den Rat von dieser Sachen etwas weiter erinnern. Unter Hinweis auf den Bauernkrieg und die Vorgänge in Münster malten sie ein düsteres Bild von der nächsten Zukunft: „Alle jrrige Geister, die sonst nirgendt bleiben können, die finden sich hieher, vnnd haben Ihren vnderschleyff vnder Ihren Brüdern, vnnd aller Pöbell, der sonst auß andern vrsachen vertrieben wirt, kompt vnder dem schein des Euangelii, vnnd verkreucht sich vnder die andern, . .. sie feiren nit, unnd jhre Lehr, wie der Apostel schreibt, frisset vmb sich, wie der Krebs, wie wir wohl an vnßerer Kirchen spuren, derhalben besorgen wir, woh man nit wirt drein sehen, so werde man erfaren müssen, wie inn kurtzer Zeit ein grosser theyl vnDerer Burgerschafft inn Ihre Irthumb werden gerathen, vnnd vnsere Kirche dagegen abnemen, alßdann werden auch grosse spal- tung vnd vneynigkeyt folgen müssen, daß zu fürchten, daß alßdann solch vneynigkeyt ein Oberkeyt dieses Orts (als die wol selber darüber mag zertrennet werden) nit mehr stillen künnen, vnnd wol ein frembder Gewalt solche werde ent- setzen müssen.“ Um das zu vermeiden, empfahlen sie, die Fremden auf die Augustana und zur Annahme der Frank- furter Zeremonien zu verpflichten oder ihnen, falls sie sich dessen weigerten, die Kirche zu schließen. l

Der Rat legte diese Eingabe einstweilen zurück, bis der schwer erkrankte Bürgermeister Völcker wiederher- gestellt war. Wenn Dathenus?) daneben noch von anderen

33 F. R. II. Beil. 30. S. 288—290. ) Erzehlung. Cap. 3. 83. F. R. II. Beil. 16. S. 150,

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Gründen für die Verzögerung der Entscheidung redet, so werden wir dabei vor allem an die neuen Bemühungen um eine Einigung der deutschen Protestanten zu denken haben, die za dem Naumburger Fürstentag führten.

Der Frankfurter Rezeß hatte nicht die erhoffte Wirkung gehabt. Trotzdem war der Herzog Christoph von Württem- berg in seinem Eifer um das Einigungswerk nicht erlahmt. Erst neuerdings (1560) hatte er bei einer Zusammenkunft in Hilsbach den Kurfürsten von der Pfalz, den Herzog von Sachsen und den Pfalzgrafen Wolfgang für den bereits früher gemachten Vorschlag gewonnen, die Augustana von 1530 mit neuer Vorrede und Schluß von allen Kurfürsten, Fürsten, Grafen, Herren und Städten unterschreiben zu lassen und dem Kaiser zu übergeben. Die ersten Vorbereitungen zu einem solchen gemeinsamen Schritte, an dem jedoch die Theologen nicht beteiligt sein sollten, hatten gerade statt- gefunden, als die Schrift der Prädikanten bei dem Rate ein- traf. Es lag daher für diesen nahe, zunächst den Verlauf dieser Verhandlungen abzuwarten, die vom 21. Januar bis zum 7. Februar 1561 in Naumburg stattfanden. Sie führten dazu, daß die Fürsten sich aufs Neue unterschriftlich zu der Augustana bekannten, und zwar sowohl zu der Invariata, als auch zu der Variata, von denen die eine die Auslegung der anderen sein sollte. Uber das Abendmahl wurde in Anlehnung an den Frankfurter Rezeß nehen der Verwerfung der Transsubstantiation erklärt: „Daß im Abendmahl des Herrn Christi ausgeteilet und empfangen werde der wahre Leib und Blut des Herrn Christi, nach Inhalt der Worte im Evangelio: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib usw. Und daß der Herr Christus in der Ordnung solches seines Abendmahls wahrhaftig, lebendig, wesentlich und gegenwärtig sei, auch mit Brot und Wein, also von ihm geordnet, uns Christen sein Leib und Blut zu essen und zu trinken geben und sowohl nichts Sakrament sein kann außerhalb dem Brauch der Nießung, wie es von dem Herrn Christo selbst eingesetzt. Also lehren auch gleichergestalt diejenigen un- recht, welche sagen, daB der Herr Christus nicht wesentlich in der NieBung des Nachtmahls sei, sondern daß dieses allein ein äußerlich Zeichen sei, dabei die Christen ihr Bekenntnis fun und zu kennen seien.^!) Wie den übrigen oberdeutschen Städten, wurde die Augustana mit der Naumburger Präfation durch den Kurfürsten von der Pfalz auch an Frankfurt be- kannt gegeben. Hier verfolgten auch die Fremden aufmerk- sam den Gang der Verhandlungen und bedauerten, dab die

1) Calinieb, Der Naumburger Fürstentag 1561. S. 170.

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Stände zu den Artikeln, denen sie nur mit Vorbehalt zu- stimmen konnten, keine genauere Erklärung gegeben hatten !). Der Rat aber war infolge der Schwierigkeiten, die sich be- reits in Naumburg ergeben hatten, gegen das ganze Einigungs- werk mißtrauisch. Daß die Aufforderung zur Unterschrift gerade von dem Pfälzer Kurfürsten kam, der in Naumburg mit seiner calvinistisch - melanchthonischen Anschauung zu- letzt ganz isoliert dagestanden hatte, mußte die Bedenken naturgemäß nur noch vermehren. Und als nun der kur- pfälzische Rat Eheim sein Ansuchen vorbrachte, fand man es zunächst geraten, die verbesserte Konfession einer ge- nauen Prüfung zu unterziehen und die ganze Frage einer gründlichen Beratung zu unterwerfen“). Auch hielt man es für gut, festzustellen, welche Stände die Konfession unter- schrieben und besiegelt hätten. Das Ergebnis der Beratungen wurde dem Kurfürsten am 4. September mitgeteilt*). In den Kirchen des Hats sei, wie allgemein bekannt, die rechte und wahre, lautere evangelisch - christliche Lehre nach der Augustana seit mehr als dreißig Jahren unwandelbar ge- predigt worden. Auch auf den Reichstagen und sonstigen Versammlungen habe die Stadt zu diesem Bekenntnisse sich einmütiglich gehalten und ebenso vor Kaiser Karl, seinem Nachfolger, allen Ständen und zuletzt noch in dieser Fasten- messe vor dem püpstlichen Legaten, der sie zur Beschickung des Konzils habe bestimmen wollen, sich unverbrüchlich dazu bekannt. Sie hielten hiernach die weitere Erklärung und Unterschrift der Augustana nicht für nötig. Der Kurfürst müge es ihnen daher zugute halten, wenn sie ihm in dieser Sache nicht zu Willen seien. Sie gedüchten dabei nicht, sich von den übrigen Augsburgischen Konfessionsverwandten abzusondern, auch sei ihnen die Naumburger Prüfation und Schluß nicht zuwider. Die ganze Antwort entsprach der vorsichtigen Haltung, welche der Rat von jeher in seiner Kirchenpolitik beobachtete, und die ihm gerade jetzt umso mehr geboten schien, als er die kirchliche Lage nach wie vor für äußerst uusicher ansah*)

1) Optassemus ipsos Principes, quemadmodum proxime Naum- burgi constitutum esse intelligimus, Augustanae Confessionis locos aliquos obscuros exposuisse, schrieben sie dem Rate am 19. Juli 1561. F. R. I. Beil. 89. S. 72.

) Vgl. Bürgermeisterbuch vom 24, und 29. Juli 1561. Bl. 49 —50 a. 51a. 53a. Ratschlagungsprotokoll vom 1. August 1561. Bl. 191 b—193a.

3) F. R. I. Beil. 49. S. 82.

*) Charakteristisch für die Skepsis, mit der man in Frankfurt auch nach dem Augsburger Religionsfrieden noch den kirchlichen

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Diesen Hintergrund der allgemeinen kirchlichen Ver- hältnisse muß man im Auge behalten, wenn man die Ent- wickelung der Dinge verstehen will, die sich gleichzeitig in Frankfurt vollzog.

Hier kam der Stein ins Rollen durch Streitigkeiten in der französischen Gemeinde, die aus Anlaß der kirchlichen Erneuerungswahlen zu Beginn des Jahres 1559 ausgebrochen waren und sich hauptsächlich um die Kirchenzucht drehten!). Der Rat, an den die Sache gelangte, setzte eine Kommission ein, die im September 1560 im Einvernehmen mit dem Rate ihr Urteil sprach. Damit war indessen die Angelegenheit noch nicht erledigt. Am 18. März 1561 kam der Rat noch- mals auf sie zurück und stellte das Urteil der Kommission den Advokaten zur Außerung zu. Gleichzeitig beschloß er, „den Welschen Ihre Kirch, so sie ein Zeit hier ingehabt, zu- schließen, doch die Execution deßelben auß bewegenden vrsachen bif nach Ostern einstellen vnd beruhen lassen“ ), man fürchtete offenbar unliebsames Aufsehen auf der Ostermesse.

Indessen trug man doch Bedenken, diesen Beschluß, der „ein raw Ansehens haben möchte“, uneingeschränkt auf- recht zu erhalten. Man kam daher am 14. April nochmals auf die Angelegenheit zurtick, wobei man sich besonders auf die noch unerledigte Eingabe der Prädikanten bezog. Indem man jetzt auf einen gelinderen Weg sann, hielt man es für ratsam, „dz ftir das erst den welschen Predicanten (welche zu solcher Vnruhe nit die geringste Vrsach gegeben) gesagt werden soll der Cantzel vnd deß Predigens bib auff EErb. Raths weitteren Bescheid mtissig zu stehen. Daß auch die Welschen füro hin kein Predicanten mehr vffstellen sollen, Sie haben denn zuvorderst lhres glaubens Lehr vnd Cere- monien halben gegen EErb. Raths Predicanten Ihre Bekennt- nus gethan vnd seyen durch dieselbe examinirt worden vnd

Verhültnissen gegenüberstand, sind die Verhandlungen vom 6. No- vember 1559 über die Frage, ob nicht das Vermögen des Katharinen- und Weißfrauenklosters eingezogen werden solite, um davon die Pr&di- kanten, Schulen und andere christliche Ministeria zu erhalten, Die Advokaten rieten davon ab, u. a. mit der Begründung, „das solche sachen mit ordentlichem rechten nit mochten erhalten noch verteidigt werden, vnd ob schon deswegen bei dem Pabst vmb Consens ange- halten oder etwas erlangt, das es doch zu andern Zeiten, wan sich die leufdt endern solten, dan sich nit halten wurde*. Rat- schlagungs-Prot. 1551—1568. Bl. 178—179.

!) K. Bauer, Die Beziehungen Calvins zu Frankfurt a. M. S. 601f.

*) Laut Bürgermeisterbuch. Vgl. Act. ref. I. Bl. 176.

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zu solchem Ampt geschickt vnd tuglich geachtet. Also soll es auch mit jetzigem Ihrem Predicanten, ob sie anders vermeinen wider auffzustehen vnd zu predigen, gehalten werden“ ). Demgemäß wurde am 22. April beschlossen, die welschen Prädikanten hätten sich fortan des Predigens gänz- lich zu enthalten, bis sie sich mit den hiesigen Prädikanten in allen Stücken gänzlich verglichen und vereinigt hätten“). Dieser Beschluß wurde sogleich am andern Tag den Pre- digern und Altesten der beiden Gemeinden durch den Bürger- meister Völcker eröffnet, der noch hinzufügte, sie dürften auch keine Altesten und keine Kirchenzucht mehr haben, sondern müßten alles, was sie da zu verhandeln pflegten, vor ihn und den Rat bringen?)

Als einen vollen Sieg konnten die Prädikanten den Be- schluß vom 22. April nicht buchen. Es war ihnen nicht ge- lungen, ein bündiges Verbot des Gottesdienstes der Fremden zu erwirken, wie cs am 18. März in Aussicht genommen worden war. Soweit hatte der Einfluß der Minorität doch gereicht, daß der Gottesdienst nur auf Zeit verboten wurde. Der Rat ließ die Frage, welche Seite Recht habe, als nicht lokalen, sondern prinzipiellen Charakters tiberhaupt offen und stellte sich, worauf der wallonische Prädikant Philippi bald genug aufmerksam machte*), lediglich auf den Standpunkt, daß es nicht angehe, in einer und derselben Stadt zwei ver- schiedene Kulte zuzulassen, die beide behaupteten, dem lau- teren Evangelium zu entsprechen. Hierin stimmten die Fürsten- berger mit den Glauburgern, die Geschlechter mit der Hand- werkerbank überein. Indem man sich aber so schließlich auf einen Kompromiß einigte, mußte man auch alle Nach- teile eines solchen mit in Kauf nehmen. Nachdem man ein- mal auf das am 14. April ins Auge gefaßte Glaubensexamen vor den Prädikanten verzichtet hatte, fehlte es vor allem an einer klaren Bestimmung darüber, wie die wünschenswerte „Vergleichung und Vereinigung“ zustande kommen sollte. Die Fremden strebten sie für den Fall, daß sie nicht all- gemein von einer Synode herbeigeführt würde, auf dem Wege einer gegenseitigen Aussprache an. Die Prädikanten ihrerseits verlangten, daß die Fremden sich ohne Vorbehalte und Umschweife einfach auf die Augustana verpflichteten,

1) Act. ref. I. Bl. 177—178,

2) Act. ref. I. Bl. 179.

3) La défense usw. 1--3. Dathenus, Erzehlung Cap. III. 8 3. F. R. II, Beil. 16. S. 150.

*) In der Widmung seiner (anonymen) Schrift La défense an den Kurfürsten von der Pfalz.

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so wie diese von der Westphal- Beyerschen Richtung ver- standen wurde. Es blieb der Zukunft vorbehalten, ob man auf die Bedingung des Glaubensexamens zarückkommen wollte.

Daß in der Tat ganz entgegengesetzte Kräfte und An- schauungen hinter dem Beschlusse des Rates standen, zeigen die Gutachten der beiden Advokaten Fichard und Burck- hardt, die zu dem Schreiben sich zu äußern hatten, mit welchem die Fremden zu dem Ratsdekret am 7. Mai Stellung nahmen.

Fichard!) erkannte, dab man den Fremden, wenn man sie in der Stadt behalten wolle, wie bisher ein eigenes Kirchenwesen zugestehen müsse, und prüfte deshalb die Frage vor allem unter dem theologischen Gesichtspunkte. Den Hauptgegensatz fand er in den beiden Fragen, 1. ob Leib und Blut Christi nicht bloß wahrhaftig, sondern auch wesentlich, d, h. leiblich und fleischlich im Abendmahl gegen- wärtig sei, und 2. ob die Gottlosen ebensowohl, als die Gott- seligen des Herrn Leib und Blut nicht bloß sakramentlich, sondern wahrhaftiglich empfingen. Er riet, die Fremden auf Artikel 10 der Augustana und, da sie doch nicht für die Apologie zu gewinnen sein würden, auf die Wittenberger und Frankfurter Konkordie zu verpflichten, wobei er noch darauf aufmerksam machte, daß die Wittenberger Konkordie nicht von den Gottlosen, sondern von den Unwürdigen rede. An den Zeremonien der Fremden fand er es ärgerlich, daß sie das Abendmahl mit Oblaten, die sie brachen, und mit Gläsern feierten, wodurch sie den Verdacht erweckten, sie würdigten es herab und hielten es für lauter Brot und Wein. Da die Zeremonien selbst dem Werke nichts gäben oder nähmen, so sei es am besten, sich in ihnen der Frank- farter Kirche anzuschließen, die fast mit dem ganzen evan- gelischen Deutschland übereinstimme. Den Gemeinden ihre Kirchenzucht zu nehmen, hielt Fichard nicht für rätlich, da durch sie dieses Volk in Furcht, Zucht und Gehorsam ge- balten werde. Jedenfalls aber müsse an den Rat appelliert werden können, und ebenso müsse der Rat tiber Anstellung und Entlassung der fremden Prädikanten befinden. Die Regelung der bürgerlichen Fragen wie Aufnahme in das Bürgerrecht überließ Fichard dem Rate.

Burckhardt erklärte sich?) zwar eingangs mit seinem Kollegen völlig einverstanden. Tatsächlich aber ist sein Gutachten ganz auf den Ton der Prädikanten gestimmt.

!) Act, ref. I, Bl. 214—217.

9) Act, ref. I, Bl. 218—921.

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Wie diese, so hält auch er den Unterschied der Sprachen nieht für Grunds genug, um ihnen, ein paar alte Franzosen etwa ausgenommen, ein eigenes Kirchenwesen einzuräumen. An ihrer Lehre wüßte er mehr auszusetzen als Fichard, will aber keine Bedenken geltend machen, wenn sie die Augustana ohne Betrug annähmen und unterschrieben. Nur bezweifelt er, daß sie das tun würden, „nachdem sie on Caluini vor- wissen vff dessen opinion sie so hoch alß vnsere vff Lutheri vnnd Brentzii bawen, nicht zuuerwilligen pflegen.“ Er stellt in diesem Zusammenhange fest, das gemeine Volk unter ihnen werde nicht anders unterwiesen, als daß die Lehre der Frankfurter Prüdikanten das rechte Papsttum sei, das die Fremden verlassen hätten, um sich unter das Evangelium zu begeben. Daher sei es soweit gekommen, daß sie großen- teils die Frankfurter Kirche für unrein und abgöttisch, ihre eigene Versammlung aber für eine reformierte christ- liche Kirche hielten?) Die Kernfrage ist für Burek- hardt der Artikel von der Realpräsenz Christi im Abend- mahl. Aber diese Frage ist ihm gut juristisch ent- schieden durch die Wittenberger und Frankfurter Konkordie, und nicht ohne einen Anflug von fides implicita bekennt er von sich selbst: auch er verstehe den Vorgang nicht, er über- lasse das, was seinem Verständnisse zu hoch sei, den Frank- farter Prädikanten, welche ordnungsmäßig zum Ministerium berufen seien. Demgemäß läuft denn auch sein Gutachten auf den Rat hinaus, nichts Endgiltiges zu beschließen ohne den Rat der Prädikanten, damit nicht das Feuer an einem Ort gestillt und an einem anderen angezündet werde.

Wie sehr dem Rate an dem Zustandekommen der in seinem Beschlusse vom 14. April erwähnten Vereinigung gelegen war, bewies er, indem er am 5. Juni auf die Gut- achten der Advokaten hin einen Ausschuß einsetzte, dem außer den Advokaten noch der Schöffe Hans Steffan, sowie Fulgentius Rücker und Hans Schott angehörten. Auch die Fremden sollten etliche Personen zu ihren Prädikanten dazu verordnen. Als Grundlage der Vereinigung stellten die Advo- katen drei Thesen?) auf: Die Fremden sollten 1. sich zu der

!) Hier begegnet uns erstmals die Bezeichnung „reformierte Kirche" für die Anhünger Calvins.

*) F. R. I. Beil. 87. S. 63 f.: Ad constituendam in utrisque Ecclesiis nostra et Peregrinorum concordiam, necessarium videtur, ut inprimis Vnitas sit in Confessione fidei, Ea vero cum luculenter et pie sit comprehensa in illis Articulis, qui Caesareae Maiestati Anno MDXXX & Principibus et Statibus aliquot Imperii sunt Augustae exhibiti, vulgo Confessio Augustana nuncupati, et illara Confessionem Senatus quoque

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Augsburger Konfession samt der Apologie und der Witten- berger und Frankfurter Konkordie bekennen, 2. alles ver- werfen, was der Augustana zuwider sei, und 3. die Frank- furter Kirchengebrüuche annehmen.

Es ist nicht schwer, den Anteil der beiden Advokaten an diesen drei Sätzen festzustellen. Der erste und der dritte gehen offenbar auf Fichard zuruck, dem es die Fremden zweifellos auch zu verdanken hatten, daß man nicht mehr auf das Verbot ihrer Kirchenzucht zurtickkam, die ihnen doch der Bürgermeister Völcker, obne von dem Rate dazu auforisiert zu sein, hatte absprechen wollen. Die Hand Burekhardts zeigt sich aber schon sogleich in dem ersten Satze, wo gegen den Vorschlag Fichards im Sinne der Prädi- kanten auch die Apologie, die in der Purgatio von den Ge- meinden abgelehnt worden war, neben der Augustana und den beiden Konkordien als Norm der Lehre bezeichnet wurde. Vor allem aber geht die Forderung, alles zu ver- werfen, was nicht im Einklang mit den bezeichneten Be- kenntnisschriften stehe, ganz unverkennbar auf Burckhardt zurück, Gerade diese Forderung ist ein charakteristisches Zeichen für die Wandlung, die sich während der letzten Jahre in der Stadt vollzogen hatte. Denn sie zielte im Wesentlichen darauf, daß die Gemeinden sich von Calvin lossagen sollten, auf den Burckhardt deshalb in seinem Gut- achten ausdrücklich exemplifiziert hatte. Trat hiernach im Ganzen der Einfluß Burckhardts gegen denjenigen Fichards zurück, so war er doch immerhin stark genug, um einige Bestimmungen in den Entwurf hereinzubringen, die für die Gemeinden unannehmbar waren.

Die Verhandlungen, welche zuerst auf dem Wege eines Schriftenaustausches !), dann in mündlicher Aussprache?)

noster jam olim receperit, et deinceps quoque perpetuo (Deo adiuvante) se observaturum profiteatur, petitur ab Ecclesiis Peregrinorum, ut eam cum Apologia tum etiam Wittebergense et Francofortense Concordia ipsae quoque expresse recipiant, subseribant, retineant, idque publice profiteantur. II. Ut improbent quicquid buic Augustanae Confessioni contrarium ab aliis, quicumque sint illi, et quibuscumque in Articnlis id eontingat, publice vel privatim, Scriptis sive ore traditum sit, aut doceatur, III. Denique ut ad tollendam omnem dissensionis suspitionem, Ecclesiae Peregrinorum in administrandis Sacramentis utantur Caere- moniis et ritibus in nostra Ecclesia receptis et usitatis,

1) Schreiben der Fremden vom 16. Juni. F. R. I. Beil. 38. S. 64f. Schreiben der Prüdikanten vom 26. Juni. F. R. II. Beil. 83. S, 303 ff. Schreiben der Fremden vom 17. Juli, F. R. I. Beil. 89. S, 65ff.

) Gegenbericht. 8 111ff, F. R. II. Beil. 14. S. 96 fl.

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zwischen dem französischen Prädikanten de la Riviere und Matthias Ritter stattfanden, zeigten ebenso sehr den guten Willen der Fremden zu einer Verständigung, wie die prak- tische Unmöglichkeit einer solchen. Die zweite These lehnten sie ab. Der dritten stimmten sie nur mit Einschränkungen zu. Aber auch ihre Erklärungen zu der ersten These waren für die Prädikanten nicht befriedigend. Wenn die Apologie von „Messe“ und „Verdienst“ redete, so war das den Fremden anstößig; mit einer Fürbitte für die Toten wußten sie, da sie nicht an das Fegfeuer glaubten, nichts anzufangen; bei der Heilsnotwendigkeit der Taufe machten sie Vorbehalte; einen Zwang zur Privatbeichte wollten sie nicht anerkennen; die Abendmahlslehre kommentierten sie unter Ablehnung der Westphalschen Doktrin. So kamen die Verhandlungen bald auf einen toten Punkt.

In diesem Stadium der Angelegenheit erstand den Ge- meinden noch einmal ein Fürsprecher in dem Kurfürsten Friedrich III, von der Pfalz. Dieser nahm die Sendung seines Rates Eheim, der eben damals die Unterschrift des Rates zu der Naumburger Vorrede der Augustana erwirken sollte’), zum Anlaß, um die auch ihm vielfältig bekannt ge- wordenen Unrichtigkeiten zwischen den einheimischen und fremden Prädikanten in Religionssachen zu erwähnen mit der Bitte, den Fremden die Kirche wieder zu eröffnen und sie zu ihrem Ministerium kommen zu lassen. Eheim empfahl gleichzeitig den Fremden, sie sollten die Augustana mit der Naumburger Vorrede auch ihrerseits unterschreiben: dasselbe Verfahren, das sich vor drei Jahren bei dem Frankfurter Rezeß mit so gutem Erfolge bewährt hatte. In einem zweiten Schreiben?) gab der Kurfürst den Frankfurtern noch besonders zu bedenken, „was es bey meniglichen für ein Ansehen haben werde, who man sie von wegen ihrer Lehre und Confeßion, die vor so viel stattlichen Chur- und Fürsten, deren gelerten Theologis und Euch selbst zu Franckfurth für genugsam er- kant und approbirt, auch sie so lang vff ehedachter Chur- und Fürsten vorbittlich Ansuchen und erfolgter gehörter Sub- scription, Vertröstung und Zusagung, in euer Statt vnan- gelochten gedultet worden, in das Elend zu ziehen verur- sachen wolte, zugeschwelgen das auch solche Handlung ein mercklechen Anstoß und Verhinderung, dem Evangelio in Franckreich und Engelandt, auch Hispania und Italia ge-

7) Die beiden Schreiben an Bat und Bürgermeister der Stadt vom 21. Juli 1661 finden sich Act. ref. I. Bl. 948—244, Vgl. Bürgermeister- buch 1560, Bl. 49a—50a, Donnerstag, den 24. Juli 1561.

3) Vom 12. August. F. R. I. Beil. 47. S. 79f.

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beren. Und vnsern Widersachern zum Schimpff, Spott und Calumnien vrsach geben, auch euch selbst zu allerhand be- schwerlichen Nachreden, die whir euch nit geren.“

Die Antwort des Hates, ein Werk der Advokaten, er- ging am 4. September!) Sie betonte, daß den Fremden ihre Kirche „bis zu gütlicher Vergleichung der Sachen zu- gethan worden" sei. Die erhoffte Verständigung sei indessen nicht erfolgt, namentlich weigerten sich die fremden Prädi- kanten, die Augustana ohne besondere Auslegung und Kon- dition anzunehmen, die Prüdikanten des Rates aber verharrten vornehmlich darauf, daß sie sich simpliciter erklären sollten. Bei dieser Sachlage könne der Rat den Fremden die Kirche noch nieht wieder üffnen, beiden Teilen zugleich künne er auch nicht helfen, er müsse daher einstweilen seiner Bürger und gemeiner Stadt Wohlfahrt für diesmal mehr als die der Fremden bedenken, wolle aber doch nach Gestalt und Ge- legenheit der Sachen auch gegen die Fremden sich aller Gebtübre erzeigen.

Als dieses Schreiben verfaßt wurde, war die endgültige Entscheidung über das Geschick der Fremden bereits gefallen. Das letzte Schreiben der Fremden vom 17. Juli hatte der Rat bis in den August zurückgelegt, um abzuwarten“), welche Aufnahme die Naumburger Prüfation bei den übrigen evan- gelischen Ständen finde. Was man aber darüber zu hören bekam, war nur für die Prädikanten erfreulich. Mit einer Wiederzulassung des reformierten Gottesdienstes befürchtete der Rat bei dieser Sachlage sich dem Scheine auszusetzen, als stehe er nicht mehr fest auf dem Boden der Augustana, und damit hätte er sich leicht der Wohltat des Religions- friedens beraubt. So wurde am 28. August mit 25 gegen 9 Stimmen beschlossen, „daß Ihnen Ihr Kirch noch zur Zeit nit zu öffnen seye, so lang sie sich zuvor mit den hieigen Predicanten vereinigen und vergleichen werden“ ).

Damit war der Beschluß vom 22. April verewigt. Es war vergeblich, daß die Wallonen gegen Ende des Jahres durch ihren neuen Pfarrer Arnold Banc ein Glaubensbekennt- nis einreichten, das sich den Formulierungen der Frankfurter Prüdikanten anzupassen suchte‘); vergeblich, daß sie am 4. März 1562 die soeben in Heidelberg gedruckte deutsche Übersetzung der Confessio Gallicana dem Rate als ihr Be-

1) F. R. I. Beil. 49. S. 81 ff. 3) Vgl. Gegenbericht. 8 117. F. R. II. Beil. 14. S. 100f. 3 F. R. I. Beil. 45. S. 78. Über die Abstimmung vgl. Scharff, F. A. N. F. IL (1863). S. 257. 4 F. R. II. Beil. 37. 8. 327 fl. Archiv für Beformationsgeschiehte. XXIL I. 6

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kenntnis übergaben !) vergeblich, daß sie sich von den Uni- versitäten Heidelberg?) und Marburg?) günstige Gutachten verschafften und auf dem Römer vorlegten; vergeblich, daß nicht nur der Kurfürst von der Pfalz“), sondern auch der Landgraf von Hessen, den die Prädikanten erst jüngst noch für ibren Gesinnungsgenossen ausgegeben hatten"), Für- sprache für sie einlegten. Bei der ablehnenden Haltung, welcbe die Prädikanten allen diesen Schritten gegentiber be- obachteten, verharrte der Rat bei seinem Verbote und ver- fügte®): „Welche hieüber hienweg ziehen wöllen und Ab- schied begeren, denen soll man in gemeiner Form Abschied mittheilen.“ Die Folge war eine große Abwanderung nach Frankental. Der Bruch zwischen den Fremden und den Prädikanten war jetzt perfekt und wurde auch von Calvin so angesehen’). Soweit der Bekenntnisstand der Stadt bis- her unklar gewesen war, war jetzt eine völlig klare Situa- tion geschaffen. Der Übergang zum Gnesioluthertum, an dem die Prädikanten so lange und so zielbewußt gearbeitet hatten, war jetzt vollzogen.

Was fehlte, war dasselbe, was dem lutherischen Deutsch- land damals überhaupt fehlte: eine klare Norm des dog- matischen Standpunktes. Sie zu schaffen, war die Aufgabe in der letzten Phase, in welche die Entwicklung jetzt eintrat.

4. Die Kirchenpolitik des Rates im Zeitalter der Konkordienformel.

Westphal beglückwünschte Beyer zu dem Erfolge, den die Auswanderung eines großen Teils der Fremdengemeinden für seine Partei bedeutete: Ecclesiam vestram liberatam esse ab inquietis Sacramentariis, et in meliorem statum restitutam vobis gratulor .... Spero vestrum Senatum posthac prudenter prospecturum, ne tales hostes recipiat).

Der Rat entsprach nun freilich diesen Erwartungen des Hamburger Superintendenten nicht. Das zeigte sich bei Ge-

1) F. R. I. Beil. 50, S. 88ff.

) Gründlicher Bericht. 8 14. F. R. I. S. 17.

) F. R. I. Beil. 51. 8. 85f.

4) Am 25. März 1562.

5) Schreiben vom 1. Januar 1562, F. R. II. Beil. 88. S. 834.

*) Am 31. März 1562. F. R. I. Beil. 58. S. 87.

7) Vgl. seinen Brief an Dathenus vom 18. Juni 1562. Calv. Opp. XIX, 461—463.

) Brief vom 15. August 1563 in der Briefsammlung Hartmann Beyers auf der Frankfurter Stadtbibliothek. MS. III, 21.

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legenheit des Augsburger Reichstages 1566. Der Frankfurter Gesandte wurde nämlich am 8. März dahin instruiert!), mit den Gesandten der anderen Städte dabin zu arbeiten, daß ihnen auch möchte freigestellt werden, in Religionssachen ihres Gefallens Anderung vorzunehmen, oder wenigstens, falls das, wie zu besorgen, nicht zu erreichen sei, dahin rat- schlagen und fördern zu helfen, daB der alte Religionsfriede wieder erneuert werde. Und diese Instruktion wurde offen- bar unter Berücksichtigung einer Eingabe der französischen Gemeinde vom 5. März, die die Hoffnung aussprach, „daß etwan vff eym Reichs- oder sonst Versamlungs- Tage der Stände Augfpurgischen Confeßion, eyn gottselige Vergleichung in den strittigen Puncten des H. Nachtmals und andern vor- gefallenen Irrungen, eruolgen, oder durch E. E. W. und F. W. vns hynfürters darinnen gnedige Vergünstigung beschehen solte“) am 13. März dahin präzisiert“), daB ein Recht der evangelischen Städte anzustreben sei, andere, so der Augsburger Konfession nicht verwandt, bei ihnen zu dulden oder nicht. Damit trat der Rat der kaiserlichen Kirchen- politik entgegen, die es als durchaus notwendig bezeichnete, daß keine verführerische Sekte geduldet werde, die sich von der alten Religion oder vom Augsburgischen Bekenntnis ab- sondre‘). Der Frankfurter Instruktion entsprach dann auch die Deklaration, mit der die Stände es am 19. Mai ab- lehnten, solche, die wie der Kurfürst von der Pfalz in ein- zelnen Artikeln von ihnen abwichen, außerhalb des Religions- friedens zu setzen und den armen betrübten Bekennern des Wortes Christi ihr Kreuz schwerer und ihre Verfolgung größer zu machen, zumal es den Augsburger Konfessions- Verwandten durchaus nicht gebühren wolle, jetzt oder künftig darüber Gericht zu halten, ob die Meinungen anderer dem wahren Sinne der Augustana entsprächen oder nicht“). Diese Deklaration wurde wenige Tage später noch dahin erläutert, daß jetzt gar viele fromme Christen in Frankreich, Spanien, Italien und den Niederlanden in großer Betrübnis seufzten, welche in den Grundlehren des Evangeliums von der Drei- einigkeit, von der Rechtfertigung, vom Unterschiede des Ge- setzes und des Evangeliums, von der wahren Reue und Buße, von der Taufe, der weltlichen Obrigkeit usw. mit der Augs-

1) Ratschlagungsprotokolle 1551—1568. Bl. 215 b.

3) F. R. I. Beil. 60, S. 96.

3) Ratschlagungsprotokoll Bl. 217 b.

) Heppe, Geschichte des deutschen Protestantismus in den Jahren 1555—1581. II, 125.

5) Ebenda S. 129. 6*

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burger Konfession durchaus tibeteinstimmten, deren Lehrer aber teilweise tiber die Gegenwart des Herrn im Abendmahl Zwinglisch oder Calvinisch dächten. Allein es sei doch an- zunehmen, daß unter jenen Christen sich viele an die ein- fachen Worte Christi hielten und die wahre Gegenwart seines Leibes und Blutes im Sakramente glaubten. Wolle man nun alle diese Christen ungehört als Calvinisten ver- dammen, so verstoDe dies durchaus gegen^die Weise der ehristlichen Kirche.

Es war der Geist Melanchthons und Bucers, der in diesen Sätzen sich noeh einmal ein würdiges Denkmal ge- setzt hat, und wie im Reiche, so hatte dieser Geist auch in Frankfurt noch immer angesehene Vertreter. Da diese sich aber in der Minderheit befanden, so gaben neben dem Toleranzgedanken für die Entscheidung sehr praktische Er- wügungen den Ausschlag. Man schielte nach dem Geld- beutel der Fremden, an dem sich die mißlichen Finanzen der Stadt immer wieder erholen konnten. Ganz unverblümt kam dieser Gesichtspunkt zur Geltung, als man 1572 be- schloß: Was wahrhaftige stattliche Personen wären, die solle man zu Bürgern annehmen, „andere aber so noch nit Bürger und armes gesindtleins und schier meistentheils Posament- und Schnurmacher seien (deren man nit viel Nutzens habe) solle man aus der Stadt ziehen lassen“ !). Die Begründung der Frankfurter Börse 1585 unter starker Beteiligung des reformierten Elementes sprach natürlich sehr dafür, die Steuerkrüftigen Elemente dem städtischen Gemeinwesen zu erhalten, auch wenn sie nicht allen Anforderungen der lutherischen Dogmatik entsprachen. Der Toleranzgedanke dagegen verlor in demselben Zeitraume merklich an Kraft. Als im Herbst 1572 viele Niederländer vor dem Herzog Alba eine Zuflucht in Frankfurt suchten, fand man sich mit der unbequemen Pflicht, sich der elenden Glaubensgenossen ge- mäß Matth. 25 anzunehmen, durch die Feststellung ab, diese Leute seien im Grunde nicht wegen der Religion, sondern wegen Rebellion landflüchtig geworden?).

Dieser Umschwung in der Haltung des Rates war be- dingt durch einen Wechsel der maßgebenden Persönlichkeiten. Schon Cnipius hatte Ende der fünfziger Jahre geglaubt, einen dominierenden Einfluß der Masse auf die Pfarrer feststellen zu können“). Für Aufrechterhaltung des Kirchenverbotes hatte

1) Scharff a. a. O. 8. 260.

2) Ratschlagungsprotokoll vom 5. November 1572. Bl. 219.

5 Pendent rabiosi blaterones (die Prädikanten) ab imperita multi- tudine. Brief an Calvin vom 18. September 1559. Calv. Opp. XVII, 643.

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am 28, August 1561 die Handwerkerbank den Ausschlag gegeben, von den Patriziern hatte die Mehrzahl einen weit- herzigeren Standpunkt eingenommen. Jetzt starben die Freunde der Fremden in den Geschlechtern aus. Zuerst starb von den bekanntesten unter ihnen Johann von Glauburg, 1571. Ihm folgte zehn Jahre später der Stadtadvokat D. Johann Fichard und wieder ein Jahr später D. Konrad Humbraeht. An die Stelle dieser Männer traten die gesinnungstüchtigen Schüler Beyers und Ritters. Gleichzeitig ergänzte sich das Prediger- ministerium bei jeder neuen Vakanz durch Vertreter der scharfen Tonart. Unter ihnen waren auch Geistliche, die um ihres lutherischen Bekenntnisses Heimat und Beruf ver- loren hatten, als ihre reformierte Obrigkeit eine sehr gelehrige Schülerin lutherischer Intoleranz geworden war. So kamen 1584 Petrus Patiens und Konrad Lautenbach aus der Kur- pfalz, 1595 Johann Corvinus aus dem Hananischen nach Frankfurt. Natürlich war bei diesen neuen Pfarrern keinerlei Neigung zu einer irgendwie entgegenkommenden Haltung zu den Reformierten in Frankfurt vorhanden. So verschärfte sich der Gegensatz zuschends!).

Wie groß das Mißtrauen gegen den fremden Zuzug war, erfuhren die Niederländer, die bei der Kapitulation von Ant- werpen 1585 als legitime Fortsetzung der dortigen Gemeinde Augsburger Konfession nach Frankfurt übersiedelten. Mit dem größten Mißtrauen wurden sie aufgenommen. Die Prädi- kanten beargwöhnten sie als ,Sakramentierer" und „Rotten“. Den Zünften galten sie überdies als lästige Konkurrenz der einheimischen Handwerks. Erst im Jahre 1592 konnten sie kirchliche Anerkennung und das Recht, eigene Gottesdienste zu balten, erlangen. Zu einer Sonderexistenz hat es ihre Ge- meinde nicht gebracht. Sie bildete einen Bestandteil der lutherischen Stadtgemeinde, von der sie sich nur durch die Sprache unterschied).

Die Pläne des Rates gingen damals noch weiter. Um das reformierte Geld nicht zu verlieren, hatte er den Refor- mierten seit Schließung der Weißfrauenkirche stillschweigend

1) Vgl. Dechent, Kirchengeschichte von Frankfurt a. M. seit der Reformation I, 267.

2) Vgl. über sie: J. Lehnemann, Historische Nachricht von der vormabls im sechzehenden Jahrhundert berühmten Evangelisch-Lnthe- rischen Kirche in Antorff, und der daraus entstandenen Niederländischen Gemeinde Augípurgischer Confession in Franckfurt am Mayn. (Frank- furt, J. F. Fleischer. 1725.) G. E. Steitz und H. Dechent, Geschichte der von Antwerpen nach Frankfurt a. M. verpflanzten Xiederlündischen Gemeinde Augsb. Confession. (Frankfart a M. A. Nenmann, 1885)

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einen Privatgottesdienst zugelassen. Jetzt versuchte er auf Anregung der Prädikanten nach dem Tode des Pfarrers Olivier Wallin von der französischen Gemeinde (1592), einen ausländischen Lutheraner als Pfarrer für sämtliche Fremden- gemeinden anzustellen und auf diese Weise die Reformierten mit den Antorffer Lutheranern zu verschmelzen und mit der einheimischen lutherischen Gemeinde organisch zu verbinden. Er berief zu diesem Zwecke Anton Serrarius aus Mömpel- gard. Zu dessen Antrittspredigt fanden sich indessen nur sehr wenige Reformierte ein, und diese wurden von ihrem Pfarrer, dem bekannten Franz Gomarus, so scharf zurecht- gewiesen, daß sie künftig vorzogen, den Konvertitenpredigten fern zu bleiben!) Serrarius entwickelte sich in der Fo zu einem der entschiedensten Gegner der Frankfurter Refor- mierten. Gegen diese ergriff nun der Rat seit dem 25. Juli 1592 scharfe Maßregeln, indem er zunächst Gomarus auswies, gleichzeitig auch dem welschen Schulmeister aufsagte und am 11. August 1596 dem reformierten Gottesdienst in der Stadt „ein betrübtes Ende machte“ ).

Mit der milderen Richtung des Luthertums hatten sich die Prüdikanten schon ein Vierteljahrhundert früher ausein- andergesetzt, ohne sich dabei freilich mit viel Ruhm zu be- decken. Den Anlaß dazu hatte ihnen der Consensus Dresdensis “) 1571 gegeben, in welchem die kursächsischen Theologen auf Wunsch des Kurfürsten ein „gut lutherisches" Bekenntnis ibrer Auffassung vom Abendmahl hatten geben sollen. Indem der Konsensus aber die mündliche Nießung des Leibes Christi überhaupt überging, die Lehre von der Ubiquität ablehnte und es im Hinbliek auf den Artikel ascendit in coelos et sedet ad dextram patris der Allmacht Gottes überließ, wie er uns Leib und Blut Christi darreiche, reproduzierte er die philippistische Anschauung. Auch die Formel Luthers, „das Sakrament des Nachtmahls sei der wahre Leib und Blut unseres Heirn Jesu Christi, unter dem Brot und Wein uns

) Steitz-Dechent S. 59.

2) Vgl. die Schilderung in der ungedruckten Chronik von Abraham Mangon im Archiv der deutschen reformierten Gemeinde.

*) Kurze, christliche und einfältige Wiederholung der Bekenntniß der Kirchen Gottes in des Churfürsten zu Sachsen Landen von dem hl. Nachtmahl sammt den zu dieser Zeit in Streit gezogenen Artikeln von der Person und Menschwordung Christi, seiner Majestät, Himmel- fahrt, Sitzen zur Rechten Gottes, in der christlichen Versammlung zu Dreßden gestellt den 10. October mit einhelligem Consens der Universi- täten Leipzig und Wittenberg, der drey geistlichen Konsistorien und aller Superattendenten der Kirchen dieser Lande. Dreßden. 1571. 4°.

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Christen zu essen und zu trinken von Christo selbst ein- gesetzt,“ wurde mit den Worten: vel quod idem est dahin erläutert, „das Sakrament sei nach den Worten Pauli die Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi, worin uns der Herr mit den sichtbaren Zeichen des Brotes und Weines seinen Leib und sein Blut wahrhaftig darreiche und uns dadurch seine Verheißungen bestätige, daß er uns um seines Todes willen unsre Sünden vergeben und wahrhaftig krüftig in uns sein wolle,“ das „Unter“ sollte also im Sinne Melanch- thons nur die Beziehung der äußeren Elemente zu der un- sichtbaren Gnadengabe bedeuten. Eines Gegensatzes gegen Luther waren sich die Verfasser des Konscnsus nicht bewußt, wollten vielmehr der alten, in der kursächsischen Kirche von Anfang an üblichen evangelischen Lehre ergeben sein und formulierten demgemäß ihre Abendmahlslehre dahin, „daß der Herr Christus in dieser Ordnung seines heiligen Abendmahls wahrhaftig, lebendig und gewiß gegenwärtig ist, also daß er seinen wahren Leib, für uns am Stamme des Kreuzes aufgeopfert, und sein wahres Blut, für uns vergossen, mit Brot und Wein in diesem Sakrament übergibt und hier- mit bezeugt, daß er uns annehmen, zu Gliedmaßen seines Leibes machen und uns mit seinem Blute reinigen und Ver- gebung der Sünden schenken und wahrhaftig in uns wohnen“ und kräftig in uns sein wolle?).

Die kursächsischen Theologen ernteten für ihre Mühe wenig Lohn. Wie alle Vermittelungstheologen, wurden auch sie von zwei Seiten angegriffen. Den strengen Lutheranern genügten ibre Darlegungen natürlich in keiner Weise, und sie fühlten sich gedrungen, in einer Reihe von Schriften“) öffentlich Zeugnis wider sie abzulegen. Auf der anderen Seite fühlte sich der Kurfürst von der Pfalz verletzt, weil bei dem Dresdener Kolloquium seines Katechismus gar un- gütlich gedacht worden war. Da von dem Dresdener Kon- sensus inzwischen auch in Frankfurt ein Nachdruck?) er- schienen war, so beschwerte sich der Kurfürst am 19. Januar 1572 bei dem Rate‘).

Die Fama hatte inzwischen die Reformierten der Stadt, die mit den Formulierungen des Konsensus tibereinstimmten,

!) Heppe II, 410f. Vgl. Planck, Geschichte der Entstehung, der Veränderungen und der Bildung unseres prot. Lehrbegriffs vom An- fang der Reformation bis zu der Einführung der Konkordienformel. V, 2. S. 587fl. ö

*) Verzeichnet bei V. E. Löscher, Historia motuum. III, 148.

5) Nicht erwähnt in dem Verzeichnis von Planck S. 590. Anm. 329.

*) Act. ref. II, 200ff.

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mit der Frankfurter Ausgabe desselben in Verbindung ge- bracht, und so beeilten sie sich, dem Rate zu versichern, daß sie dieser Veröffentlichung völlig fern ständen). Sie erboten sich zu jeder Verantwortung, was man ihnen auch vorwerfe, und baten namentlich um ein Kolloquium mit den deutschen Theologen. Ein solches kam freilich auch jetzt nicht zustande. Dagegen traten die Frankfurter Prädikanten mit einer Schrift?) hervor, in welcher sie zwar eine eigent- liche Kritik des Konsensus selbst, wie sie namentlich die Theologen in Jena vornahmen, unterließen, dagegen aber ihre alten Frankfurter Gegner angriffen, weil diese sich zum Erweise ihrer Rechtgläubigkeit auf die Dresdener Kund- gebung beriefen. Zur Abwehr dieses Angriffes erschien Petrus Dathenus auf dem Plane, indem er in einer gründ- lichen Streitschrift“) nachwies, daß er und die fremden Christen zu Frankfurt eben dasselbige hielten, glaubten, be- kennten und lehrten, was die kursächsischen Theologen in der Wiederholung ihres Bekenntnisses und in ihren andern Schriften bekennten und lehrten. Dann aber holte er zum Gegenschlage aus, indem er fortführ: „Dieweil die gemelten Predicanten nur vom heiligen Abentmal gefragt, die andere Artickel aber, als da seind von der Menschwerdung Christi, von der Maiestet und herrligkeit unnd Himmelfart Christi und sitzen zur gerechten Gottes, dar auff die bekantnus der Sächsischen Theologen vom heiligen Abentmal fürnemlich gegründet steht, feinlistig fürtüber gehn, so wil die notturfft erfordern, daß gemelte Predicanten ...... etliche notwendige fragstück, so eben diese der Sächsischen Theologen bekant- nus antreffen, ihnen fürstellen, damit der gemeine Mann

1) Ebenda 164 (latein.) und 206f. (deutsch).

5) Antwort auf das Fürgeben ettlicher Sacramentirer Daß sie mit dem Bekenntniß, von den churfürstlich sächsischen Superintendenten den 10. October dieses 1571. Jahres gestellt, allerdings eines Bekennt- nisses seien, kurze und christliche Probe der christlichen Gemeine zu Frankfurt. Zur Warnung geschrieben durch der Augsburger Confession zugethane Prediger daselbst. Basel. 1572. 40.

3) Bestendige Antwort etlicher Fragstück, so die Predicanten zu Franckfurt am Mayn, zur prob, über die jüngst zu Dreßden der Chur- fürstlichen Sächsischen Theologen gestelte bekandtnuß, in truck zur warnung haben außgehen lassen, durch Petrum Dathenum verfertiget. Gedruckt in der Churfürstlichen Stadt Heydelberg, durch Johannem Meyer, im Jahr 1572, Motto: 1. Petri 3 Seid aber allezeit bereit zur verantwortung jederman der grund fordert der hoffnung die in ench ist. Auszüge bei Sudhoff, C. Olevianus und Z. Ursinus, S. 373 ff. und Th. Ruys, Petrus Dathenus, S. 269—274.

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wissen könne, ob die Predicanten zu Franckfurt auch mit der Prophetisshen und Apostolischen Schrifft, und folgends auch mit dieser bekantnus zustimmen oder nicht.“ Dem- gemäß legte er den Frankfurter Theologen zwei Dutzend peinliche Fragen tiber die Person Christi vor, die sämtlich an dem Gesichtspunkt orientiert waren, daß man von den Sakramenten nicht recht reden könne, wenn man nicht das Fundament, das Bekenntnis von der Person Christi, recht gelegt habe. Es sollte sich zeigen, daß in allen diesen Fragen ebensosehr ein Gegensatz zwischen den (znesio- lutheranern und den Reformierten, wie eine Übereinstimmung zwischen diesen und den Wittenberger Philippisten bestehe. In den Kreisen der Gnesiolutheraner empfand man die Schrift von Dathenus als eine rechte Verlegenheit, und der Philosophieprofessor Valentin Erythräus in Straßburg suchte durch Beyer wiederholt eine Antwort des Frankfurter Prediger- ministeriums zu erwirken i). Dieses aber hüllte sich in ein vielsagendes Schweigen und überließ es der Zeit, tiber die ihm unbequeme Anzapfung die Schatten der Vergessenheit zu breiten.

Indessen auch wenn die Herren künftig unter sich blieben, so wurden ihnen doch dogmatische Verdrießlich- keiten im eigenen Lager nicht erspart. Der Streit mit Philippisten und Reformierten tiber das Abendmahl wurde abgelöst durch einen Streit tiber die Flacianische Erbsünden- lehre. Am 14. Oktober 1566 hatte sich Flacius von Beyer ein Zeugnis“, ausetellen lassen, daß er ein geeigneter Prediger für die Gemeinde in Antwerpen sei, obwohl er schon damals mit seiner Lehre hervorgetreten war, durch den Fall Adams sei die Erbsünde zur Substanz der menschlichen Natur ge- worden. Einen Gesinnungsgenossen hatte er in Frankfurt an dem Rektor zu den Barfüßern, Henricus Petreus*), der bereits 1572, noch vor seinem Eintritt in die Frankfurter

1) Brief vom 19, Mai: Magis opto, ut adversus stolidi et insani Datheni sycophantias et criminationes vestram viderem responsionem; quaestiones vestras nondum vidi, Brief vom 6, Juli: Utinam ad Datheni dyrepwrijuara vestra exeat d-coxoíow. Sed de his rebus alias, Brief- sammlung Hartmann Beyers, Frankfurter Stadtbibliothek, MS. III, 91, Die Jahreszahl fehlt bei beiden Briefen, kann aber nicht zweifelhaft sein.

N) Act, eccl. IV. 1566. 104,

3) Vgl. über ihn Liermann, Henricus Petreus Herdesianus und die Frankfurter Lehrpläne nebst Schulordnung von 1579 und 1599. Pro- gramm des Frankfurter Goethegymnasiums 1901. Herdesianus nannte sich Petreus nach seinem Geburtsorte Hardegsen.

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Verhültnisse, mit seiner Anschauung öffentlich hervorgetreten war. Verdächtig wurde Petreus erst, als er 1577 die Witwe des Flacius beiratete, Immerhin blieb er bis zum März!) 1580 unangefochten. Als er aber jetzt dem Rate sein „Bekandniß des Artikels von der Erbsünde*?) einreichte. wurde er durch die Prädikanten von der christlichen Gemeine und Gebrauch des heiligen Nachtmahls abgewiesen. Eine Beschwerde hier- über bei dem Rate?) blieb angesichts der Erklärungen, die die Prädikanten abgaben*), ebenso erfolglos wie die Vorlage einer Druckschrift von Cyriacus Spangenberg, der mit Flacius in Antwerpen gewesen war“). Petreus begnügte sich in- zwischen nicht damit, seine Sache vor dem Rate und den Prädikanten zu führen, sondern er machte für sie auch bei seinen Lateinschillern Propaganda, und als das Ministerium deswegen bei den: Rate vorstellig wurde, präsentierte er das Zeugnis, welches Beyer noch 1566 der Rechtgläubigkeit des Flacius Anbekummert um dessen Erbsundenlehre ausgestellt hatte*). Die Verhandlungen, die sich das ganze Jahr fort- setzten, verleideten dem tüchtigen und verdienten Schulmann die Wirksamkeit in Frankfurt in einem Maße, daß er gegen Weihnachten dem Rate die Wahl ließ, entweder für die Schule größere Aufwendungen zu machen, oder auf seine ferneren Dienste zu verzichten). Der Rat fand es zweck- mäßig, durch Schonung der städtischen Finanzen einem un- fruchtbaren dogmatischen Streit ein Ende zu bereiten, und ließ Petreus ziehen“), der dann in Göttingen und Wolfen- büttel noch mit großem Erfolge gewirkt hat.

Kurz bevor der Streit um die Erbsündenlehre in Frank- furt ausbrach, hatte der Rat Stellung zu der Konkordien- formel zu nehmen, die 1577 als das Ergebnis langjähriger

) Nicht April, wie Dechent S, 251 angibt. Act, eccl. IV. 1580. Nr. 83 ist bereits vom 31. Mürz datiert.

Y) Act. eccl, IV. 1580. Nr. 91.

*) Ebenda Nr. 86. Vgl. Ratsprotokoll vom 19. April 1580,

) Ratsprotokolle vom 21. und 28. April 1580, Act. eccl, IV. 1580. Nr. 98 vom 28. April 1580,

8) Vom Fluch Gottes Wider die Sophistische Lere: Erbsünde ist ein Accidens . . . Und vom Segen Gottes Uber die ware Lutherische Lere: Erbsünde ist die verderbte Menschliche Natur und Wesen, M. Cyriacus Spangenberg. MDLXXIX.

) Act. eccl. IV. 1580, Nr. 117.

) Ebenda. Nr. 196 vom 20. Dezember. Er beantragte Anstellung eines weiteren Lehrers oder Erhöhung seines Gehaltes.

*) Vgl. Act. eccl. IV. Nr. 204 vom 28. Dezember und Nr. 199 vom 29. Dezember.

—— D2[Ui a

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Verhandlungen zustande gekommen war und die mannig- fachen Kontroversen zwischen den Augsburger Confessions- Verwandten schlichten sollte.

Am 30. September 1579 wandte sich der Pfalzgraf und Kurfürst Ludwig wegen der Bergischen Konkordie an den Frankfurter Rat!) Ausgehend von den ärgerlichen Lehr- streitigkeiten zwischen den lutherischen Theologen, die den Gegnern Anlaß zu der Nachrede gegeben hätten, es seien nicht zwei Theologen oder Prädikanten zu finden, die in allen Artikeln der Augustana miteinander übereinstimmten, bezeichnete es der Kurfürst als dringend notwendig, eine Einigung zu betreiben, und berichtete über die Schritte, welche Kurfürst August von Sachsen in dieser Richtung be- reits unternommen, indem er etliche angesehene Theologen, nicht nur seiner Lande, nach Torgau berufen habe, die sich miteinander von den bisher strittigen Artikeln christlich unterredet und einer Richtschnur und Begriffs einhellig ver- glichen hätten. Diesen Begriff habe dann der Kurfürst dem Pfalzgrafen und den vornehmsten andern Ständen Augsburger Konfession zur Begutachtung durch ihre Theologen über- sandt. Diese Gutachten seien dann etlichen gelehrten Theo- logen in Berga zur weiteren Behandlung übergeben worden. In Berga sei hierauf ein anderes Buch verfaßt worden, wie künftig durch Gottes Wort zu predigen, das eingefallene hochschädliche und ärgerliche Gezänk gänzlich beizulegen und durch Gottes Verleihung wiederum eine rechte christ- liche Einigkeit in Schulen und Kirchen zu stiften und an- zurichten sein möchte. Dieses Bergische Buch habe der Pfälzer Kurfürst von Kursachsen und Kurbrandenburg nicht nur zur Einführung in seinen Landen erhalten, sondern auch zur Empfehlung an die ihm benachbarten evangelischen Grafen und Herren, auch Reichsstädte des Rheinländischen Kreises. Der Kurfürst, seiner kirchlichen Pflichten sich be- wußt, habe von seinen Theologen ein Gutachten über das Bergische Buch erhoben, und diese hätten sich mit dem Buche selbst, wie mit der zur Erläuterung nötigen Präfation, die von aller evangelischen Ständen unterschrieben werden solle, einverstanden erklärt. So schicke er nun eine Ab- schrift des Bergischen Buches dem Frankfurter Rate, daß er es nicht allein selber mit allem Fleiß und in Gottesfurcht durchlese, erwäge und an der Hand des alleinseligmachenden Wortes Gottes prüfe, sondern es auch seinen reinen Theo- logen zur Begutachtung Übergebe. Sollten sich dabei für

1) Beilage zu Act, ecel. IV. Mglb. A 6. Nr. 36. Frankfurter Stadtarchiv.

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diese oder den Rat selbst Bedenken gegen das Buch oder die Präfation ergeben, so wolle sie der Kurfürst durch seine Theologen gerne beseitigen lassen. Die Außerung des Rates erbat er sich innerhalb sechs Wochen. Um ihm den Ent- schluß zur Unterschrift zu erleichtern, fügte er seinem Schreiben die Namen der Stände bei, die bereits unterzeichnet hatten. Der Rat übergab das Buch samt der Präfation zur Be- urteilung zunächst seinen Prädikanten, die beide Dokumente in ihrem Konvente einer eingehenden Prüfung unterzogen und geneigt waren, ihre Zustimmung auszusprechen. Ihr Gutachten wurde am 17. November im Rate verlesen!), wo- rauf beschlossen wurde, man wolle „solch Buch anstatt des Gesetzes zu Rath verlesen lassen vnnd alßdann beratschlagen vnnd bedencken, was hierJnn zuthun vnnd zuwilligenn sei“ ?). Diese Verlesung füllte die nächsten Sitzungen aus. Dann wurde die Angelegenheit einer Kommission tiberwiesen. Die Frage, ob es für den Rat empfehlenswert sei, die Bergische Konkordie und die Präfation zu unterschreiben, wurde von dieser Kommission mit der größten Gründlichkeit am 14. Dezember erwogen®). Dabei wurde zunächst darauf aufmerksam gemacht, daß neben den Unterschriften von Ständen, Städten und Theologen, die das Verzeichnis auf- weise, wohl noch mehr Fürsten, Herren und Städte fehlten, die vielleicht überhaupt nicht unterschreiben würden, näm- lich Landgraf Wilhelm zu Hessen, desgleichen Anhalt, Hol- stein, Dänemark und die Pfalzgrafen, ebenso etliche vor- nebme Städte, sonderlich Nürnberg. Bezüglich des Gut- achtens der Prüdikanten stellte die Kommission fest, daß es allein auf das bloße Werk und den Inhalt der Konkordie simpliciter sehe, dagegen den darunter gesteckten eventum und gesuchte politische Konföderation und derselbigen Konse- quenz gar nicht bedenke, noch merke. Sie hielt es ihrer- seits für nötig, daß der Rat das Schreiben des Landgrafen an den sächsischen Kurfürsten höre und dessen Argumente und Inhalt wohl und fleißig betrachte. Denn es sei zweifels- ohne noch in etlicher Herren frischem Gedächtnis, welcher- maßen die Schmalkaldische Konföderation unter dem Vor- wande der Augsburger Konfession bei den Reichsstädten re- praktiziert und was solche Konföderation genutzt oder ge- schadet. So werde vermutlich durch den äußerlichen schönen praetextum dieser Bergischen Konkordie eigentlich gleichwohl vor erlangter Subskription dissimulanter eine gleichfürmige

!) Ratsprotokoll vom 17. November 1579. 1) Bürgermeisterbuch vom gleichen Tage. ) Ratschlagungsprotokolle 1568 1583. Bl. 185 ft.

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beschwerliche und gauz schädliche Liga oder Bündnis ge- sucht, und daß derselben Konkordie ausschreibende Kur- fürsten seien Pfalz, Sachsen und Brandenburg, derhalben wohl zu beachten!). Was aus der Subskription für Unrath und Nachteil erfolgen und erwachsen móchte, wenn die- jenigen Stände und Städte, die nicht unterschrieben, von den Unterschreibenden aus solcher Konkordie und Ver- einigung und derselben eingesteckten lnkonvenienzien und Konsequenz ausgeschlossen würden, und sich also künftiger Zeit die ausschreibenden Kurfürsten wider dieselben der- halben opponieren und etwas absentieren sollten, daß als- dann diejenigen Stände und Städte, so unterschrieben, dar- unter um Hilfe ersucht werden möchten, wie sorglich und nützlich wohl solches dem Rate künftiger Zeit fallen möchte, habe man auch wohl zu betrachten. Zudem sei auch wohl zu bedeuken, daß der Rat, weil reichsunmittelbar, des (Glaubens und der Lehre halben niemand anders denn dem Kaiser Rede und Antwort zu geben schuldig sei. Es sei auch wohl zuzusehen, daß dem Rate durch solche Subskrip- tion nicht auch begegne, was der Stadt Regensburg wider- fabren, welche nun solch Konkordienwerk zum dritten Male unterschrieben habe und doch gewärtig sein müsse, dab solch Konkordienbuch auch keinen Bestand habe und also ihre Subskriptionen alle vergeblich seien. Item dieweil ein Ehrbarer Rat auch hievor sich zur Augsburger Konfession neben anderen Ständen und Städten vor vielen Jahren be- kannt und dieselbige bisher in dieser Stadt Frankfurt der- maßen einhellig und öffentlich geführt, gelehrt, getrieben, exerciert, bekannt und erkannt, daß des Ministerii und Kirchenamts halben allhie keine Trennung oder Irrtum uud Zwiespalt bis auf diese Stunde vorgefallen, derwegen man auch solcher neuen eaptiosae*) (wann man's politice, wie notwendig, hindenken wollte) Concordiae Subscription allhie gar nicht nötig sei, so habe man auch unter anderen hoch- wichtigen Argumenten wohl zu betrachten, daß solch Kon- kordienwerk nicht pure theologicum, sondern in effectu auch politicum sei. Das babe zur Folge: Wer die Konkordie unterschreibe, der kondemniere auch die annexas antitheses und konfirmiere die affirmativas. Dawider doch allbereits

1) Man vermutete also eine durch Herbeiführung einer lutherischen Majorität im Kurfürstenkollegium (vgl. den bald darauf einsetzenden Kölner Reformationsversuch) zu bewirkende Änderung der Reichsver- fassung und im Zu ammenhange damit die Schalluny eines evange- lischen Kaisertums.

*) „Verfänglichen“.

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so vieler hochgelehrten, trefflichen und hochverständigen und ansehnliehen anderen Fürsten und Herren Theologen censurae hinwieder geschrieben und viel contrarietates da- gegen demonstriert und angezeigt worden, also daB solchs Konkordienbuch noch nicht also beständig und qualifiziert sei, daß alle der Augsburger Konfession verwandten Stände und Städte damit zufrieden oder solehs komprobierten. Uber- dies möchte aus solcher Subskription auch die beschwerliche Konsequenz entstehen, daß sich ein Ehrbarer Rat aus dem alten Religionsfrieden selbst ausschließen und in Unfrieden oder in große Gefahr und Nachteil cum summo etiam ludi- brio, Spott und Schimpf setzen würde, und wenn alsdann auf zutragende Fülle sich die Sache zur Reue schicken sollte, daß alsdann der Kaiser sagen möchte: Wer hat's euch geheißen? Auch die Advokaten gaben ihre Gutachten ab und brachten in ihnen soviel wichtige, erhebliche argumenta, Umstände und Ursachen bei, daß der Protokollführer darauf verzichten mußte, sie nachzuschreiben. Offenbar auf ihren Antrag gelangte die Erklärung des Landgrafen von Hessen an den Kurfürsten zu Sachsen über die Konkordie zur Ver- lesung. Im Anschlusse hieran wurde noch Folgendes zu er- wägen gegeben: Dieweil noch viel Personen im Rat seien, welche gewißlich des Buchs Inhalt nicht verstünden und doch gleichwohl solch Werk der Subskription ihrer jedwedes Gewissen und Seelenheil mitbegriff, daß demnach dieselben sich vorhin wohl und genugsam besännen und erinnerten, mit was Gemüt und Gewissen sie solch Buch unterschreiben sollten, könnten und wollten. Nachdem sodann noch Fichard den Entwurf seiner Antwort an den Kurfürsten von der Pfalz mitgeteilt hatte, wurde die Ansicht der Kommission mit einer an Einmütigkeit grenzenden Mehrheit!) dahin fest- gestellt, daß mau aus politischen Gründen die Subskription nicht empfehlen künpe.

Am folgenden Tage erstattete die Kommission über ihre Verhandlungen und deren Ergebnis dem Rate Bericht, wo- rauf die Verlesung der von Ficbard beabsichtigten Antwort an Kurpfalz folgte. Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes verschob man die endgültige Beschlußfassung bis zum 18. De- zember). Sie führte zur Billigung des Fichardschen Entwurfes, der dann mit Datum vom 15. Dezember abgeschickt wurde?).

) Die Advokaten stimmten Fichard bei. Die anderen Mitglieder der Kommission waren gleichfalls „vast alle einmütig“ seiner Meinung.

*) Vgl. die Ratsprotokolle vom 15. und 18. Dezember 1579.

5) Beilage zu Act. eccl. IV. Mglb. A 6 Nr. 36. Abgedruckt zum Teil bei Heppe IV, 186. Anm. 1.

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Der Rat begrüßte in seiner Antwort zunächst das Unter- nehmen der evangelischen Kurfürsten. Für den Frankfurter Bekenntnisstand bezog er sich auf die Bucersche Konkordie von 1542 sowie auf die prophetischen und apostolischen Bücher, die altkirchlichen Symbole, die Hauptkonzilien, die Augustana, die Apologie, die Schmalkaldischen Artikel und Luthers Großen und Kleinen Katechismus. Zum Zeugnis dafür, daß man in Frankfurt immer bei diesen Normen der Lehre geblieben sei, berief sich das Schreiben auf den Pre- diger Petrus Patiens, der erst jüngst von Fraukfurt in die lutherisch gewordene Pfalz übergesiedelt war, aus der er vor Jahren vor dem reformierten Regiment nach Frankfurt ausgewandert war. Was aber die erbetene Unterschrift zu der Präfatio der Augustana betraf, so wollte es den Frank- furtern ganz bedenklich fallen, solch Buch und seine Vor- rede, ehe und zuvor es in seine gewisse und beständige Perfektion, dabei es unwandelbar bleiben solle, gebracht worden, zu approbieren und zu subskribieren. Da auch noch viel ansehnlicher hochgelehrter Gönner und Theologi sich nicht in das Bergische Buch richten könnten, noch dasselbige approbieren wollten, bäten sie den Kurfürsten, ihnen noch länger Bedenkzeit zu geben und ihnen zugute zu halter, daß sie diesmal nicht subskribiert hätten. Sie seien der Meinung, dieses hochwichtige Werk wäre billig zuvörderst durch einen gemeinen Synodum und einhellige Approbation aller Stände und Theologen Augsburger Konfession geschlossen worden.

Es war die letzte Kraftprobe, auf die es der greise Stadtadvokat Fichard dem Predigerministerium gegenüber hatte ankommen lassen, und sie war ohne jeden Abstrich zu seinen Gunsten ausgefallen. Es war für die Prädikanten von vornherein nicht günstig, daß man das bevorstehende Jahr

mit der Ausgabe des Konkordienbuches zu einer Jubelfeier

der Augustana ausgestalten wollte. Das weckte unwillkür- lich die Erinnerungen an den Schmalkaldischen Bund, der auf die Augustana gegründet worden war, und diese Er- innerungen waren für Frankfurt in hohem Grade schmerz- lich, sie waren unlösbar verknüpft mit der Belagerung der Stadt im Jahre 1552 und der dadurch verursachten Zerrüttung der städtischen Finanzen. Vor einem Wege, der zu einem ähnlichen Ziele führen konnte, glaubte Fichard nicht ein- dringlich genug warnen zu können. Vielleicht hat er des- halb die Zukunftsmöglichkeiten noch um eine Schattierung schwärzer gemalt, als er selber sie tatsächlich sah. Was die Zionswächter diesen Erwägungen etwa entgegensetzen mochten von Forderungen einer reinen Lehre und eines Zu- sammenschlusses aller Augsburger Konfessions-Verwandten,

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das machte auf ibn nicht den geringsten Eindruck. Er be- stritt nicht die Ricbtigkeit ihrer dogmatischen Urteile, er bestätigte sie auch nicht, er ließ sie eben einfach als prak- tisch belánglos auf sich beruhen. Maßgebend waren für ihn allein die politischen Rücksichten. Daß ihm dieser letzte, entscheidende Sieg über seine alten Gegner eine gewisse Genugtuung gewährte, nachdem er oft genug mit seinen be- sonnenen Vorschlägen an ihrem dogmatischen Starrsinn ge- scheitert war, ist nicht unwahrscheinlich.

Daß es gute Bahnen waren, in die er mit seinem Votum den Frankfurter Bekenntnisstand lenkte, wird nicht zu be- zweifeln sein. An der lutherischen Rechtgläubigkeit der Stadt hat er freilich nichts geändert!), das lag auch nicht in seiner Absicht. Aber indem er die Einführung der Kon- kordienformel als offizieller Norm des Bekenntnisstandes zu verhindern wußte, hat er einem späteren Geschlechte, dessen Dogmatik nieht mehr auf den Voraussetzungen des Bergischeu Buches beruhten, den Weg eröffnet zu einer Neuprügung der dogmatischen Begriffe, ohne daß diese Arbeit auf Kosten der persónlichen Wahrhaftigkeit und mit einem gebrochenen Ge- wissen hütte geschehen müssen.

Schluß.

Am 14. März 1588 starb Matthias Ritter nach sechsund- dreißigjähriger Wirksamkeit als Pfarrer in Frankfurt. An den Hauptdaten seines Lebens?) lassen sich die Hauptmomente in der Geschichte des Frankfurter Bekenntnisstandes im Zeit- alter der Reformation aneinander reihen. In demselben Jahre 1536, in welchem er als zebnjähriger Knabe seinen Vater verlor, kam unter Beteiligung Frankfurts die Wittenberger Konkordie zustande; es war die Zeit, in der die Einführung der Reformation in der Stadt endgültig vollzogen worden war und der Anschluß an den Schmalkaldischen Bund statt- gefunden hatte. Sechs Jahre später, als er die Universität Witteuberg bezog, um Luther und Melanchthon zu hören,

!) Dies kommt darin zum Ausdruck, daß (nach Becker, Über die Kirchenagenden der ev.-luth. Gemeinde zu Frankfurt a. M. 1848, S. 16) die Prüdikanten seit 1589 bei ihrer Ordination auf die Konkordien- formel verpflichtet wurden, Das war aber nur ein Zeichen des An- sehens, dessen sich die Konkordienformel bei den Theologen der Stadt erfreute, vielleicht zugleich ein Protest gegen die Entscheidung dee Rates vom 18. Dezember 1579. Aber der offizielle Bekenntnisstand der Frankfurter Kirche wurde damit nicht alteriert.

) Ritter, Ev. Denkmal S. 418 ff.

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setzte Bucer die Frankfurter Konkordie auf, diese grund- legende Bekenntnisschrift der Stadt, unter deren Pfarreru er dann im folgenden Jahre eiue „Vereinigung“ aufrichtete. Wieder sieben Jahre spiiter, als er in Straßburg für den jüngeren Justinian von Holzbausen eine Oratio de arte disse- reudi aufsetzte, stand Frankfurt im Zeichen des Interims: es war die Peripetie, die den Rückgang des Bucer-Melanch- thonschen Einflusses einleitete, das künftig tonangebende Gensioluthertum wartete seit dem Jahre des Consensus Tigurinus nur noch auf sein Stichwort und seinen Protago- nisten. Das Jahr 1552 brachte beides: in ihm trat Ritter in den Frankfurter Kirchendienst ein, wo er neben Hartmann Beyer und mit der Zeit noch mehr als dieser an die Spitze des exklusiven Luthertums trat, und gleichzeitig rollte West- phal mit seiner l'arrago das Banner auf, um das sich fortan aueh in Frankfurt die genuinen Lutheraner scharten. End- lieh in demselben Jahre 1554, in welchem die Fremden- gemeinden entstanden, trat Ritter mit seiner ersten Luther- biographie hervor!), um die Frankfurter, bei denen, wie im gauzen Westen, Luther bis dahin wenig gegolten hatte, mit dem Reformator vertrauter zu machen und sie für den säch- sischen Typus der Reformation zu gewinnen: ein Unter- nehmen, das er bei seinem Tode als völlig gelungen be- trachten konnte,

Matthias Ritter ist ein typischer Repräsentant: der Refor- mation in Frankfurt und für das Verstündnis der Entwick- lung, den die kirchlichen Dinge damals hier genommen haben, will es beachtet sein, daß die führende Persönlich- keit ein Mann wie er gewesen ist. Er gehürt weder zu den bahnbrechenden und grundlegenden Geistern der ersten Zeit wie Luther und Zwingli, die die großen, schöpferischen Ge- danken in ihr Zeitalter warfen und die Kräfte eines neuen religiösen Lebens entbanden, noch auch zu den ersten Schtilern der Reformatoren, wie Bucer, Calvin und a Lasco, die die vielfältigen Anregungen theologisch zu verarbeiten und für den Neubau des kirchlichen Lebens praktisch zu verwerten suchten. Er gehört vielmehr erst jener dritten Gruppe an, die nur die Gradheit und Fesfigkeit des persön- lichen Charakters aufzuweisen hat, im übrigen aber den Mangel an Großzügigkeit in religiöser, theologischer und kirchlicher Beziehung nur höchst unvollkommen ersetzt durch die strenge Korrektheit der Dogmatik und die straffe Dis-

!) Einer deutschen Übersetzung der Vita Melanchthons mit einigen Beilagen, die 1564 eine zweite Auflage erlebte, Vgl. Ritter, Ev. Denk - mal S. 422.

Archiv für Beformationsgeschichte. XXII. I. 7

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ziplin der Partei. 80 wenig wie irgendein anderer seiner Frankfurter Amtsbrüder oder einer der Streittheologen jenes. Zeitalters überhaupt, ist er imstande gewesen, den lebendigen Pulsschlag evangelischer Frömmigkeit zu erfühlen, wenn er ihm unter anderen als den ihm gelüufigen Formen begegnete, was doch Luther nicht nur bei Melanchthon bis zuletzt, son- dern selbst bei Bucer, von dem er sich so oft enttäuscht füblte, immer wieder vermocht hat. Deshalb mußte er stets erst die Uebereinstimmung der ihm ungewohnt klingenden dogmotischen Formeln mit der ihm von Westphal inter- pretierten Augustana nachpriifen, und an die Stelle des kon- genialen Verständnisses für jeden evangelischen Glauben, der nur mit anderen Ausdrucksmitteln dieselbe Wahrheit bezeugen wollte, trat bei ihm eine neue Scholastik mit der ganzen Enge und Sprödigkeit ihrer Begriffe und mit der ganzen schroffen Unduldsamkeit der Sehule.

Daran liegt es wesentlich, daB der Frankfurter Refor- mationsgeschichte die eigentlichen Höhepunkte fehlen und der Eindruck, den sie schließlich hinterläßt, nichts Erhebendes, sondern eher etwas Bedrückendes hat. Sie weist keinen Heros des evangelischen Bekenntnisses auf. An ihrer Spitze sehen wir einen Rat, der sich lediglich von den Rücksichten poli- tischer Klugheit leiten ließ. ln dem Predigerministerium aber geht die Führung an Eiferer über, die in ihrem eng- herzigen Fanatismus die Träger eines kraftvollen, unter Leiden und Verfolgungen bewährten Protestantismus nur für „Mär- tyrer des Satans“ ansehen wollten und ihren eigenen Stand- punkt mit solcher Selbstverständlichkeit in die Anfangszeit der Frankfurter Reformation zurückdatierten, daß sie gar nicht merkten, wie sie dabei verbrannten, was ihre Vorgünger an- gebetet, und anbeteten, was ihre Vorgünger verbrannt hatten.

Denn das darf als Ergebnis unserer Untersuchung fest- gestellt werden: Die lutherische Orthodoxie ist trotz der gegenteiligen Behauptung ihrer Wortführer nicht von Anfang an die Norm des Frankfurter Bekenutnisstandes gewesen. Sie war es auch noch nicht, als die Fremdengemeinden ent- standen. Welch ein Weg von dem ersten Vorkommen des Namens ,Lutheraner* bei Johannes ab Indagine, der darin nur die Verwirklichung der sittlichen Seite des Evangeliums. ausgesprochen fand, bis zu den Entscheidungen, welche die Konkordienformel in den verschiedenen innerprotestantischen Kontroversen traf! Und dieser Weg ist nicht geradlinig in der Richtung auf das schließlich erreichte Ziel verlaufen. Der Lutheraner Cellarius ist 1525 als Pfarrer abgelehnt worden. Luther selbst erhielt 1533 auf seinen Warnungs- brief eine deutliche Absage. Joch mehr als zwei Jahrzehnte

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später konnte Cnipius von seinen Anhängern als von den coaxantibus adhuc in Stoicorum luto ranis spottweise reden. Nicht von Wittenberg, sondern von Straßburg aus ist die Frankfurter Kirche in den dreißiger und vierziger Jahren bestimmt worden, Capito und Bucer waren ihre Autoritäten, und soweit neben die Straßburger auch Wittenberger Ein- flüsse traten, kamen sie nicht von Luther, sondern von Melanchthon. Wenn ein Schüler Bucers wie Poullain 1554 dem Rate von seinen Wallonen schrieb: „Die sind euerer Religion“, so war das keineswegs eine Verschleierung der Wahrheit, wie man uns seitdem bis auf unsere Tage immer wieder hat glauben machen wollen, ohne sich der Mühe einer dogmengeschichtlichen Feststellung zu unterziehen, son- dern es entsprach einfach den Tatsachen, denn der Bekennt- nisstand Frankfurts, wie er durch die beiden Konkordien von 1536 und 1542 normiert war, stellte lediglich den Typus des Bucerschen Unionsprotestantismus dar, dem auch Poullain obne Einschränkung und Vorbehalt huldigte, und denselben Standpunkt vertrat der Frankfurter Kompromißkatechismus von 1541. Erst seit der Mitte der fünfziger Jahre hat sich ein Umschwung vollzogen, für den die Verlegenheit der Prädi- kanten gegenüber Calvin bei seinem Besuch im September 1556 symptomatisch ist. Durch seinen Verleger Brubach ge- wann Westphal Einfluß auf Hartmann Beyer und damit auf das Predigerministerium überhaupt. Beschleunigt wurde der ProzeB dureh das Miftrauen gegen die Fremden, das West- phal säte, namentlich gegen Micronius, dem er bereits in Hamburg entgegengetreten war. Als retardierendes Moment wirkten wenigstens noch eine Zeitlang die humanistisch ge- sinnten Freunde Melanchthons und Calvins auf dem Römer, deren Einfluß indessen, zumal seit der Enttäuschung des Seigerhandels 1557, nicht stark genug war, die alten Tradi- tionen der Stadt auf die Dauer aufrecht zu erhalten. Die allgemeinen politischen Verhältnisse spielten gleichfalls nit herein, bald im Sinne der Prüdikanten (der Augsburg er Religionsfriede und der Naumburger Fürstentag), bald im Sinne des PhWlippismus (der Frankfurter RezeB und die Auf- nahme der Konkordienformel) Mit dem Tode Melanchthons und dem Verbote des reformierten Gottesdienstes in der Weißfrauenkirche, mit dem zeitlich sehr bezeichnend das erste Vorkommen des Wortes „reformiert“ in dem uns seit- dem gelüufigen Sinne zusammenfällt, war der Übergang Frankfurts in das Lager derer um Westphal besiegelt, und dieses Ergebnis wurde, auch wenn die Stadt sich aus poli- tischen Gründen weigerte, die Konkordienformel zu unter- zeichnen, wenigstens von dem Predigerministerium für die 7 +

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Zukunft als maßgebend für den Bekenutnisstand der Piarrer angesehen.

Bei diesem Ergebnis ist es dann während der nüchstei: Jahrhunderte geblieben. Namentlieh die Frontstellung gegeu die Fremdengemeinden wurde beibehalten. Aber das Bewußt- sein um den dogmatischen Kontroverspunkt verschob sich, und während man gewohubeitsmüDig die alte Polemik und die unduldsame Praxis fortsetzte, kam tatsächlich eine innere Annäherung zustande Man erklärte die Bucer-Calvin-Me- lanchthonsche Position der Reformierten kurzweg für Zwinglia- nismus und rückte selber in ihre dogmatische Position ein unter gleichzeitiger Preisgabe der lutherischen Abendmalils- lehre. Hatte Poullain einst gerade dadurch so großen Au— stoß gegeben, daß er die Lehre Luthers von der Impanation ablehnte, so erstand ihm ganz unvermutet zweihundert Jahre später ein Gesinnungsgenosse in einem Geguer seiner Ge- meinde, dem lutherischen Senior Fresenius. der gegen den Wortführer der Frankfurter Reformierten, den Duisburger Professor Withof, die Behauptung aufstellte, die Impanation sei von den Lutheranern nie gelehrt worden!).

Erst das Reformationsjubiläum 1817 rückte den (tie- danken an eine grundsätzliche Annäherung des beiderseitigen. Bekenntnisstandes in den Vordergrund. Doch war die größer: dogmatische Unbefangenheit und Weitherzigkeit auch jetz: wieder auf der Seite der Reformierten. Denn wihrend di- Lutheraner nach jahrelangen Verhandlungen zuletzt doch von dem Projekte einer Union zurücktraten?), beschlossen sic 1829, bei den künftigen Pfarrwahlen nicht nur reformierte. sondern auch unierte und lutherische Bewerber zuzulassen. falls sie dem Glaubensbekenntnisse Poullains von 1554. diesem Kompendium der Bucerschen Theologie, zustimmten“).

1) D. J. Ph. Fresenii Actenmäsige Anmerckungen Über Herr: J. H. Withofs, P. P. O. zu Duisburg, Ungegründete Nachricht, Wie es mit Valerando Pollano, Erstem Reformierten Prediger zu Franck- furt am Mayn, Und Dessen Aufnahm daselbst, zugegangen. Franck- furt am Mayo, In der Andreäischen Buchhandlung, 1852. S. 22 f.

3) Ehlers, Ein Kirchenverfassungsversuch für die vereinten evang. Gemeinden zu Frankfurt a. M. 1822—1826, Frankfurt a. M. (M. Diester - weg). 1887. S. 26.

3) (Frankfurter) Reformiertes Kirchenblatt. 2. Jahrgang. Nr. s vom 15. April 1921. S. 9.

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Verzeichnis der Abkürzungen.

Lersner. Der Weit-berühmten Freyen Reichs- Wahl- und Handels- Stadt Franckfurt am Mayn Chronica, Oder Ordentliche Beschreibung der Stadt Franckfurt Herkunfft und Auffnehmen, wie auch allerley denckwürdiger Sachen und Geschichten, so bey der Römischen Königen und Kayser Wahl und Crönungen, welche mehentheils allhier vorgenommen worden, vorgegangen, nebst denen Verände- rungen, die sich in Weltlich- und Geistlichen Sachen, nach und nach zugetragen haben. Anfänglich durch Gebhard Florian, an Tag gegeben, Anjetzo aber Aus vielen Autoribus gezieret, und per modum Annalium verfasset, und zusammen getragen. Durch Achillem Augustum von Lersner, Patricinm Nobilem, Civitatis Francofurtensis, (Zwei Foliobände: 1706 und 1734.)

Ritter. Evangelisches Denckmahl der Stadt Franckfurth am Mayn, Oder Ausführlicher Bericht von der daselbst im XVI. Jahr-Hundert ergangenen Kirchen-Reformation, Mithin von dem Anfang, weitern Fortgang, und der Bestättigung des wieder hervorgebrachten Heiligen Evangelii in besagtem Ort, aus bewährten schrifftlichen Documenten und andern Urkunden verfertiget von Johann Balthasar Ritter, Evangelischen Predigern daselbst, Franckfurth am Mayn, Bey Johann Friedrich Fleischer. 1726.

F.R. Franckfurtische Religions-Handlungen, Welche zwischen Einem Hoch-Edlen und Hochweisen Magistrat und denen Reformirten Burgern und Einwohnern daselbst Wegen des innerhalb denen Ring-Mauren dieser Stadt gesuchten Exercitii Religionis Reformatae Publici, Bey dem Höchstpreißlichen Kayserlichen Reichs-Hof-Rath gepflogen worden, Worinnen hauptsüchlich die wichtige Materie des Teutschen Staats- Rechts Von der Reichs-Stünden Jure circa sacra erlüutert, und von dem wahren Verstand des Articuli VIT. Instrumenti Pacis Westphalicae Und denen Annis decretoriis MDCXXIV. & MDCXLVIII. gehandelt, auch von einigen zu der Franckfurter Reformations- und Kirchen-Historie gehörigen Sachen gründliche Nachricht ertheilet wird. Nebst denen darzu gehörigen und gróstentheils ungedruckten, theils vor geraumer Zeit in Druck ausgegangenen aber nunmehro sehr rar gewordenen authentischen Beylagen. (Vier Foliobände. Frankfurt a, M. 1735 ff.)

Kirchen-Geschichte usw. Kirchen-Geschichte von denen Refor- mirten in Franckfurt am Mayn. (1761)

F. A. Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. (N. F. Neue Folge.)

Uffb. Mscr. Uffenbachsche Manuskriptensammlung im Frankfurter Stadt-Archiv.

Act. Eccl. Akten des Frankfurter Stadtarchivs über Religion und Kirchen wesen.

Act. Ref, Dsgl. uber das Niederländische und Französische Kirchen wesen.

B. B. Bürgermeisterbuch

R.P. Ratsprotokolle im Frankfurter Stadtarchir.

Rschl. P. Ratschlagungsprotokolle |

Zur Wittenberger Universitätsgeschichte des 16. Jahrhunderts.

Von J. Jordan.

G. Nätebus, der verdienstvolle Herausgeber des Register- bandes zum Album academiae vitebergensis 1502—1602, weist in der Einleitung zu ihm auf das Unsichere und Un- zureichende der Matrikeleintragungen wiederholt hin. Zu dem schon von ihm herangezogenen weiteren Material, also anderweitigen amtlichen Quellen und sonstigen Vorarbeiten aus der Gelehrtengeschichte, dürften aber auch die Stamm- bucheintragungen Wittenberger Studenten aus jenem ersten Jahrhundert der Leucorea gehören, und ich bin in der glücklichen Lage, aus dem Besitz der alten Universitäts- bibliothek Wittenbergs ein studentisches Stammbuch vor- legen zu können, dessen Eintragungen jedenfalls in ihrer weitaus größten Zahl sicher auf Wittenberger Studenten der Jahre 1563—157: sich zurückführen, für dessen weitere Eintragungen wohl sämtlich der gleiche Schluß mehr als nahe liegt, auch wenn sie nicht im Album verzeichnet sind oder zu sein scheinen.

Haben diese Eintragungen, schon wenn sie keinerlei Abweichungen gegenüber dem Album zeigen, aber erst recht in ihren geringeren oder größeren Abweichungen in der Schreibweise wie in den Orts- und Heimatsangaben, ihren geschichtlichen Wert, so gibt auch ihr weiterer Inbalt zu mancherlei interessanten Feststellungen Anlaß. So wird eine genaue Veröffentlichung und Besprechung nicht ohne In- feresse sein.

A.. Das Stammbuch liegt heute in einem mäßig starken Quartband vou 177 numerierten Seiten vor. Der ur- sprüngliche Bestand ist das nicht. Der alte Einband ist dureh einen neuen ersetzt; auf seine Innenseiten ist vom Buchbinder je eine Stammbucheintragung eingeklebt, Eine Reihe von Blättern sind schon vor der Paginierung entfernt gewesen (vor S. 3; zwischen S. 9 u. 11); auch waren zwei Seiten schon damals zusammengeklebt, zwischen S. 151 und 153, und der Paginator hat nicht versucht, die Blütter von- einander zu trennen, obwe^l die eine Seite deutlich be-

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schrieben ist; beute wäre eine Trennung erst recht nur durch starke Beschädigung der Seiten möglich. Aber auch nach der Paginierung sind noch Verluste eingetreten: S. 45 —52; 75, 76; 149, 150; 161, 162.

B. Der Besitzer des Stammbuches war Claudius Tertor, laut Album II. 65, b; 21., am 15. April 1564 inskribiert als Gallus Allobrox. Die Widmungen der Eintragungen Nr. 49, 64, 83, ergeben die nühere Bestimmung: Geneuenis; so liegt schon hier eine Weiterführung über die Notiz des Albums vor. Zwei weitere biographische Angaben ergeben sich aus den Daten der ältesten ünd der jüngsten Eintragung, jene vom 15. 4. 1563 (Nr. 21), diese vom August 1573 (Nr. 41). Hiernach ist T. schon mindestens 1 Jahr vor seiner Inskribierung in Wittenberg anwesend gewesen und hat mindestens 10 Jahre, davon 9 Jahre als inskribierter Student, also recht geraume Zeit, „Studien halber“ in Wittenberg sich aufgehalten. Ein Hinweis darauf, daß er irgendeinen akademischen Grad sich erworben hätte, findet sich nirgends. Die Apostrophierung geht inhaltlich über das übliche doctrina, pietate, virtute praestantissimo, über das amico carissimo, conmensali, sua- vissimo, perpetua fide colendo nirgends wesentlich hinaus. Eine Ausnahme bildet die Eintragung Nr. 74, insofern hier ursprünglich philosopbo insigni et mathematico solertissimo geschrieben war; aber die Worte sind dann durchgestrichen. Auch das Gedicht auf T., das sich bei Nr. 67 findet, ergibt nichts weiteres. Die Stammbucheintragungen selbst ver- teilen sich sehr ungleich auf die einzelnen Jahre: 1563: 1; 1564: 5; 1565: 7; 1566: 35; 1567: 7; 1568: 12; 1569: 3; 1570: 5; 1571: 3; 1572: 0; 1573: 3. Soweit es sich um Eintragungen von im Album nachweisbaren Verfassern handelt, sind sie mit Ausnahme von Nr. 21 sümtlich nach der In- Skribierung erfolgt; mehrere (Nr. 9, 16, 18, 27, 56) geben Sich ausdrücklich als kurz vor dem Abgange von der Uni- versitit geschrieben. Sümtliche sind von Wittenberg datiert, nur Nr.46 von Magdeburg. Ihrer Landsmannschaft nach gehören die Schreiber allen deutschen Gauen an; irgend- eine Bevorzugung dieser oder jener Gegend ist nicht zu er- sehen. Adelige Namen stehen Nr. 11, 12, 19, 39, 49, 70, 84, 85 neben bürgerlichen. Auffallender Weise fehlt, wenigstens im gegenwärtigen Bestand des Stammbuches, jedwede Eintragung eines akademischen Lehrers; Magistri sind auch nur wenige vertreten. Angaben über die Zu- gehörigkeit zu einer der vier Fakultäten fehlen mit Aus- nahme von Nr. 30 überall.

Was sich anderweitig (s. u.) feststellen läßt, ist auch wenig. Irgendwelche sicheren Schlüsse zur Lebensgeschichte

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T.s ergeben sich von hieraus schwerlich. So ist das bio- graphische Ergebnis gering.

Um so bemerkenswerter ist, daß ich bis jetzt wenigstens vier Bücher aus seinem Besitz nachweisen kann: sie gehören heute, wie das Stammbuch selbst, zum Bestand der alten Universitätsbibliothek; und zwar sind es folgende: Euclidis elementorum libri XV. graece et latine, Paris 1557; Galeni de urinis liber, Lutetiae s. a.; Hippocratis Aphorismorum genuina leetio, Basel 1547; Martialis epigrammaton libri XIV, Paris 1539. Sämtliche sind mit zahlreichen Randbemerkungen versehen; ein eigentliches Vorlesungsexemplar ist nicht dar- unter; die Euelidausgabe ist durchschossen, und die, ein- geschossenen weißen Blätter sind über und über mit Notizen. geometrischen Figuren und Berechnungen bedeckt; die Hippo- cratesausgabe trägt den Vermerk: 1563 in Wittenberg er- worben. Mit letzterer Angabe ist also das Jahr 1563 für das Eintreffen T.s in Wittenberg erneut festgelegt. Haben wir also bier einen sicheren Fall dafür, daß die Inskribierung keineswegs immer sofort nach dem Eintreffen in Wittenberg erfolgt ist, worauf ja mancherlei Mahnungen in den Rektorats- anschlägen jener Jahre hinweisen? Dann wäre hier ein weiteres für die Universitätsgeschichte wichtiges Ergebuis festgelegt. Im übrigen darf man wohl aus dem fleißigen Gebrauch der Bücher einen Rückschluß auf ihren Besitzer machen. Aber auf alle weiteren Fragen, die an diesem Bücherbesitz und an sein Schicksal sich anschließen, also etwa nach Vorbildung und Berufswahl und Studiengang seines Besitzers, oder auf welche Weise Bücher und Stamm- buch in den Besitz der Universitätsbibliothek gekommen sind, vermag ich aus dem, was vorliegt, auch hier keine sichere Antwort zu geben. Sicher ist, daß T. nicht in Wittenberg gestorben ist.

In den mir zur Hand befindlichen alten und neuen Nach- schlagebtichern ist sein Name nirgends genannt.

C. Ich gebe nun zunächst ein alphabetisch geordnetes Verzeichnis sämtlicher Namen, unter Hinzufügung der ent- sprechenden Angaben des Albums, und gelegentlicher anderer Hinweise. Wie im Registerband ist unter C auch K ein- gestellt; die erste Zahl gilt als Ordnungszahl; die zweite, in Klammern gesetzte, nennt die Seitenzahl des Stammbuches; A bedeutet Album; Suevus Akademia Wittenbergensis ab Anno fundationis 1502— 1655 ... editore G. Suevo; Buch- wald = Wittenberger Ordinierten Buch, 2 Bde., hrsg. v. G. Buchwald.

1, 8. 68 2... 2. (S. 109) Basilius Aczinger Lambacensis Austriaeus 1564.

ome»

105

[A II 3b, 37; 13. 6. 1560 Acinger () Basilius Lambatensis (= Lambach, Oberösterreich)].

. 141) Johann Altib. . a Castello; s. a. [A? Suevus: 7. . 170) Georgius Aperbachius Erphurdensis 1566. [A 7]. . 172) Johan. Rupelus Bacherus Flander. 1570. [A?]. . 169) Laurentius Besler Brygensis 1567 [A II 8 b, 25;

16.5.1560. Besler, Laurentius, Bregensis (= Brieg, Schlesien) gratis inscriptus].

. 129) Dauid Binvald Prutenus 1566 [A II 103a, 29;

20. 5. 1566. Dauid Binewaldt (!) Prutenus].

. 168) Petrus Boquetius Andinus (= Andes, Bene-

dietinerkloster b. München?) 1567 [A? Suevus 7.

121) M. David Bramerus Brunsuicensis discedens 1566

[A 1349 b, 27; 25. 9. 1558. David Bramerus Brunsuicensis. Vgl. Buchwald II 3582].

. 175) Joan. Khlingler Austriacus 1566 [A II 90 b, 4;

19. 9. 1565. Johannes Klingler (!) Stirzensis].

10) Anthonius, Herr von Kietlitz 1571 [A? ob Student? ob Vater von Nr. 12 7.

10) Johannes a Kitlitz, Baro. 1571 [A I 354 a, 36; 3. 12. 1558. Nobilis et Generosus D. D. Johannes Baro a Kitliez et Dominus in Crain inscriptus. Ebs. Suevus 1558].

81) Eusebius Cleber Memmingensis 1566 [A 1I 88 b, 6; 4.7.1565. Eusebius Kleper(!) Memmingensis].

. 115) Dauid Klemmius Tilsenus Borussus 1564 (A ?]. . 108) Jobannes Knozer Stirius Eisenerztensis 1566

[A II 3 b, 35; 13. 5. 1560. Johannes Knozer Vernodensis ex Styria].

. 69) Laurentius Collinus (a. c. matre A. W. discedens)

1566 [A II 216, 40; 14. 6. 1561. Laurentius Laureocensis (Lorch, Oberüsterreich) Austriacus].

. 69) David Crusius Hamburgensis 1568 [A II 15 b,

41; 10.4. 1560. David Krause () Hamburgensis].

. 170) Vitus Cyranius Tyrolensis (paulo aute discessum)

1568 ?).

. 140) Caspar à Dauwiez de Jonstorff 1568 [A lI 24 b,

31; 17.10.1561. Caspar a Danwiez a Jans- dorff nobilis Silesius vgl.Suevus: C.. a Danwitz..].

. 112) Andreas Ditmarus Brunsuicensis 1566 [A I 345 a,

36; 7. 5. 1558. Andreas Ditmarus Brunsuicen.].

.111) Daniel Donersperger Stirius 15. 4. 1563 [A II

51 b, 22; 12. 5. 1563. Daniel Donnersberger () de Leoben Styrus].

22.(S.164ff.) Catharinus Dulcis Allobrox 1568 [A II 137 a,

41; 5.4. 1567. Catharinus Dulcis Geneuensis].

106 23.

24.

25. 26.

27.

38.

(S. 93) Joachim Einpacher Stirius 1566 [A II 51 a, 21; 3. 5. 1563. Joachimus Einbacher (1) Graizensis Styrius].

(S. 163) Elias Tesbitius Moravus 1568 [A II 14a 7; 19. 10. 1560. Elias Brodensis (= Böhmisch Brod. Moravus. Vgl. Buchwald II 1027].

(S. 101) Michael Ezechius Ungarus 1565 [A II 54 b, 3; 17. 7. 1563. Michael Ezechias Hungarus].

(S. 154) Henricus Faber 1571 [A II 45b, 25; 1563. Hen- ricus Faber Quedlinburgensis? II 85a, 36; 1565. H. F. ex Tabernis montanis (Bergzabern)? II 170 b, 38; 1570. H. F. Magdeburgensis 7]

(S. 64) Johannes Faustinus Prostanensis, (rediturus in patriam) 1569 [A Il 121 a, 10; 11. 4. 1566. Johannes Faustinus Brostanen. (= Prossnitz) Moravus].

(S. 179) Hermannus Ficcius Rigensis 1565 [A II 23b,

10; 24. 8. 1561. Hermannus Fictius (!) Rigensis].

. (S. 175) Johannes Fleischer Vratislauicensis 1567 [A I

533 a, 28; 5. 10. 1557. Johannes Fleischer Vratislauien. Vgl. Buchwald II 1250].

168) David Fleischmann pastor in pago Plauen 1570 [A 1I 103b, 5; 23. 5. 1566. Dauid Fleischmann Dresdensis. Vgl. Buchwald 1I 1010].

P mn d.

. (S. 102) M. Balthasar Floeter Saganus Silesius 1565 [A II

78 a. 3; 1.11.1564. M. Baldasar Floeter Sagensis].

2. (S.142f.) M. Adamus Franciscus Caruovius 1566 [A 1 364 b,

13; 28. 9. 1559. Adamus Frantzky (ö!) Caruo- nensis Silesius. Vgl. Buchwald 11 1207 M. Adamus Franciscus Jagerdorfii . .]

. (S. 99) Martinus Haggaeus Holsatus 1565 [A 7]. . (S. 174) Simon Händl Austriacus 1566 [A 1 333 b, 22;

12. 8. 1557. Simon Hendel, Adorfensis (= Adorf im Voigtlande, sächs. österr. Grenze) gratis in- seriptus].

. (S. 147) Valentinus Hellopaeus Pannonius 1567 [A II 29 b.

20; 12.1.1562. Valentinus Hellopaeus Ungarus].

(S. 126) Simon Hermannus Mediensis 1567 [A II 97 a,

24; 26. 4. 1566. Simon Herman Mediensis (= Mediasch, Siebenbürgen)].

. (8. 104) Johan. Hesterbergius Hamburgensis 1567 [A 1

246 b, 13; 16. 5. 1549. Johannes Hesterberg Hamburgensis ? A 1 396 a, 27; 30. 4. 1557. Jo- hannes Hesterbergius Hamburgensis ?]

(5.114) Rudolphus Hoyer Campensis 1566 [A II 87 a. 6; 33. 5. 1565. Rudolphus Hoyer Campensis]

39.

40.

41.

42.

43.

C vi

107

(3.136) Philippus ab Holdinckheussen 1570 [A Il 178b, 7; 13. 6. 1570. Philippus ab Holdinckhausen Hessus].

(5.176) Georg Innerhofer Austriacus 1566 [A 11 906, 3; 19. 9. 1565. Georgius Innehofer (!) Stirensis].

(5. 153) M. Johan. Lehman 1573 [A II 70b, 39; 3. 6. 1564. Jobannes Leemann llenburgensis? A II 121 a. 9; 11.4. 1567. Johannes Lehmann Boleslaniensis?]

(S. 27) Conrad Marius Rinckgauiensis 1571 [A I 210b, 31; April 1544. Conradus Marius Rinckariensis (= Rheingau) adser.: Ma(gister) Heid(elbergensis)].

(S. 91) Andreas Mater Austriaeus 1566 [A II 95 b, 13; 6. 12. 1565. Andreas Mader (!) Hypolitanus (= St. Pölten) Austriacus].

. (5.88) Georgius Mauritius Noribergensis 1566 [A I 361 b,

14; 30. 5. 1559. Georgius Mauritius Noren- bergensis].

5. (8. 117) Dionysius Melander Cassellanus 1564 [A Il 75a,

14; 10. 5. 1564. Dionysius Melander Casselius].

. (S. 171) Johannes Meyendorffius Germanus Meyde-

burgensis 1567 [A 1 299 a, 29; 25. 10. 1554. Joannes Meyendorff Magdeburgensis].

. (5. 106) M. Petrus Michaelis Suecus 1564 [A 1 354a, 14;

28. 11. 1558, Petrus Michaelis Suecus (= Schweden)).

(. 57) Franciscu: Morenberger Vuratis. Siles. 3. 9.1570

[A. II 816. 36; 29. 4. 1565. Franciscus Moren- berger Wratislanien.? A II 181a, 3; 6. 10. 1570. Johannes Morenberger, Vratislanien.?]

(S. 87) Baldasar a Moshaim Stirius 1566 [A II 376, 40;

28.9.1562. Baldazar a Mosham Styrius nobilis. vgl. Suevus].

. (8. 107) Johannes Neodicus Elbing 1564 [A I 306b, 37;

14. 5. 1555. Johannes Jungschultius Elbingen?].

. (8. 120) Michael Paxius Vngarus 1565 [A II 103a, 30;

20. 5. 1566. Michael Paxi Vngarus].

2. (S. 1571.) Michael Petraeus 1566 [A I 336a, 29; 2. 12.

1557. Michael Petreus Hammelbargensis].

3. (S. 132) Georgius Peper Hamburg 1568 [A I 90b, 28;

2. 10. 1565. Georgius Piper () Hamburgensis].

(S. 92) Sebastian Pengelius Patauiensis 1566 [A II 56a,

16; 12. 10. 1563. Sebastian u. Ambrosius lPoigel () frates Passauienses].

(S. 73.) Johannes Praetorius Joachimieus 1568 [A I 329b,

36; 16. 5. 1557. Johannes Praetorius Vallensis Matthesii affinis].

108

56. (S. 155) Joachim Quenstadius Quedlinburgensis discedens

57.

58.

59,

60.

6l.

62.

63.

64.

65.

66.

67.

1571 [AI 178 a, 4; W. S. 1539/40. Joachimas Quenstedt Quedlinburgensis]. |

.177) Dauid Rahauserus 1570 [A 11.153b, 10; 24.3.

1569. Dauid Rabauserus Colladensis (= Cöl- leda)].

.137) Joan Lucas Ramminger, Augustanus 1568 [A 1I

87b, 2; 2. 6. 1565. Joannes Lucas Ramminger Augustanus].

.197) Henricas Regius Brunsuicensis 1566 [A I 345 a,

37; 7. 5. 1558. Henricus Regius Bruuauicensis].

63) M. Christoph Reschueh [Keschuch?] Gotlebensis

(-Gotleubar) 1569 [A? Suerns 7].

177) David Rhuteuus Vratislaviensis Silesius 1566

[A II 47a, 12; 16. 4. 1563. Dauid Ruttenus (!) Wratislanien.].

.1) Johannes Richthauser Noribergensis 1565 [A I

365a, 3; 6. 10. 1559. Johannes Rithauser (!) Noribergensis].

.71) Abraham Rörer Stausrietten 1566 [A II 3b, 31;

13. 5. 1560. Abraham Rörer ex Stausrida prope Straubingam],

.103) Joannes Rhorerus Esslingensis 1564 [A ? Buch-

wald II 686: Johannes Rhor. Esslingensis, ordi- niert 12. 3. 1567. 7]

.83) Joannes Reichovius Lubec. 1566 [A Il 6b, 3;

4.7.1560. Johaunes Reichovius (geändert aus Ruxhofius) Lubecensis].

.119) Gregorius Sasuarius Ungarus 1565 [A II 44b,

35; 9.11. 1562. Gregorius Sasuari Ungarus Transyl.].

.113) Georgius Schirmerus Dantiscanus 1564 [A II

5la, 30; 5. 5. 1563. Georgius Schermerus () Dantiscanus].

145) Laurentius Scholtz Vratisl. Siles. 1573 [A IL 214a,

21; 6.5. 1572. Laurentius Schultz (!) Vratis- lauiensis].

.97) Georgius Sehulezius Holsatus Flensburgensis

1565 [A II 37a, 31; 27. 8. 1562. Georgius Sehultz Flensburgen.-Holsatus].

.85) Caspar à Seidlitz 1566 [A I 333a, 33; 15. 10.

1557. Casparus Seidlitz Silesius. Vgl. Suevus: C. Seidlitz].

.131) Hermannus Soltau Ham. 1568 [A I 185b, 13;

19. 11. 154%. Hermannus Soltu Hamburgensis].

83.

81.

AS.

. 162

109

56) Arnoldus Stein Pomer. Strals. 1569 [A II 161b, 40; 23. 6.1569. Arnoldas Stein Stralsunden. Pome.].

.151) Jodocus Stichenpockh Patauiensis 1566 [A II

46b, 2; 94. 3. 1563. Jodocus Stichenbock Passauiens.].

173) Caspar Straub Chemnicensis 1566 [A II 95a, 35;

14. 11.1565. Caspar Straub Kemnicensis].

.65) Simeon Theophilus Turnouicensis Bohemus 1568

[A II 36a, 28; 12. 7. 1562. Simeon Theophilus Turnouiensis Bohemus].

.146) Matthias Thurius Vngarus 1568 [A II 105a, 18;

30. 7. 1566. Matthias Thurius Vngarus].

.95) Jacobus Tylinge Flensburgensis Holsatus 1565

[A II 53b, 24; 5. 7. 1563. Jacobus Tillingus (ö) Flensburgensis Holsatus].

.80) Jacobus Varnbieler, Badensis 1566 [A II 88b,

7; 3. 7.1565. Jacobus Farenbiler (!) Badensis].

. 110) Dauid Venator Brunsuiacensis 1566 [A II 88b, 5.

Dauid Venator Brunsuiacensis].

.53) Paulus Vetzerus Lipsensis 1570 [A II 164a, 25;

29. 9. 1568. Paulus Fertzerus () Lipsensis].

.67) Johannes Vogelius Dresdensis M. 1568 [A II

62a, 33; 8. 2. 1564 Johannes Vogelius Dres- densis. Vgl. Buchwald II 820].

. 13f) M. Geor. Weigelius 1573 [A 1 349a, 43; 14. 9.

1558. Georgius Weigelius Noribergensis? A II 164n. 35; 1. 10. 1568. Georgius Vueigelius Sagan. iles.?].

84) Joan. a Wentzke 1566 [A II 105b, 20; 2. 10.

1566. Joannes a Wentzk, Silesius. Vgl. Suevus: J. a. Wentzke].

.134) Albertus Fridericus a. Wernsdorff 1566 [A lI

103a, 24; 20. 5. 1566. Albertus Fridericus a Vuernsdoríf, Prutenus, Suevus: ?].

.130) Wolfgang a. Wernsdorf Borussus 1566 [A II 103a,

25; 20. 5. 1566. Wolfgang a Vuernsdorf Pru- tenus. Vgl. Suerus!].

.59) Petrus Vuesenbecius 1570 [A II 169a, 4; 27. 10.

1569. Petrus Wesenbeccius Antuerpianus].

m) Johannes Wetken Hamburgensis 1568 [A [ 139b.

37; 12. 7. 1530. Joannes Wetgeh d) Ham- burgen. 7].

Petrus Witte Holsatus 1568 [A II 128b, 32

26. 8. 1567. Petrus Witte Ezohen. Holentus]

110

89. (S.77) Cyriacus Wolfius Hoxariensis 1666 [A II 256 a, 4; 6. 5.1550. Cyriaeus Wolf Hozariensis].

90. (S. 55) 1569. Schriftzüge nicht sicher deutbar: Mons. (?) D. Johannes vom Berge Dessauiensis (A I 173a, 14; Nov. 1538)?

91. (S. 79) s. a. Hebraeische Buchstaben: jochanan herman hakkoteb Johannes Scriba (A II 15b, 23; 3. 4. 1560 Rinckauiensis? A II 86b, 23; 19. 5. 1565 Schleusigensis?) oder Johannes Schreiber (A II 34b, 39; 29. 5. 1562. Vite- bergensis?).

Demnach handelt es sich um 89 (91 Nr. 1 und Nr. 90) mehr oder weniger sicher zu deutende Eintragungen. Von ihnen scheint Nr. 11, die einzige Eintragung, die nur den Namen des Eintragenden mit dem Zusatz „mit eigner Hantt^ zeigt, wohl als eine nicht studentische aus- zuschalten zu sein; sie hängt wohl mit der ihr auf der- selben Seite unmittelbar vorangehenden Nr. 12 zusammen. Nr. 64 ist nach der Eintragung im Ordinierten Buch zwar in Wittenberg ordiniert worden, aber nicht inskribiert ge- wesen. Die Einzeichnung ist wohl dadurch zu erklären, daß der Schreiber ebenso wie der Stammbuch-Besitzer beide der schola Geneuensi angehört haben (Buchwald II S. XXVI Nr. 686). Von den verbleibenden 87 Eintragungen sind nicht weniger als 8 (Nr. 3, 4, 5, 8, 14, 18, 33, 60) im Album nicht nachweisbar (ca. 9 °/,), 7 (Nr. 26, 37, 41, 48, 51, 82, 91) nicht sicher zu identifizieren; auch bei Nr. 15 und 34 kann wegen der Abweichung in der Ortsangabe ein Zweifel an der Identifizierung obwalten, desgleichen bei Nr. 42, 56, 71, 87 angesichts der sonst festzustellenden abnormen Länge ihres Wittenberger Aufenthalts,

Demnach verbleiben als sicher festzustellende 65 Ein- frapungen; und von ihnen variieren in der Schreibweise der Namen in geringerem Maße (d.h. so, daß in dem alphabe- thischen Namensverzeichnis des Registerbandes keine Ver- schiebung einzutreten hat), 19, 36, 39, 49, 51, 56, 63, 66, 69, 71, 73, 83, 86, 89, also 14 Eintragungen (über 21 °/,), in stärkerem Maße (d. h. so, daß eine Aenderung in der alphabethischen Anordnung nötig wird,) 2, 7, 10, 13, 21, 23, 28, 32, 40, 43, 53, 54, 61, 62, 67, 68, 77, 78, 80, 87, also nicht weniger als 20 Eintragungen (uber 30 %)); zwei- (drei-) mal ist der lateinische Name für den deutschen des Albums eingetreten (17, 50; 90?) einmal die hebräische Ueber- setzung (91).

Die Adelsbezeichnung fehlt bei Nr. 70.

111

In der Ortsbezeichnung ist das Stammbuch naturgemäß dem Album unterlegen; genauere Angaben hat das Album bei Nr. 12, 16, 19, 21, 22, 23, 24, 30, 32, 39, 40, 43, 52, 67, 63, 66, 70, 83, 84, 86, 88, also in 21 Fällen; dagegen ist das- Stammbuch ausführlicher bei Nr. 10 und 68, also nur in. zwei Fällen; in den Angaben, zumeist freilich nur in der Sehreibweise, variieren Nr. 2, 6, 19, 27, 31, 35, 39, 43, 45, 46, 54, 55, 73, also 13 Fälle.

D. Abschließend reihe ich einige kulturgeschichtlich interessanten Beobachtungen aneinander.

I. Als Magistri zeichnen Nr. 9, 31, 32, 41, 47, (60 s. o.) 81, 82. Von ihnen ist Nr. 31 schon als Magister im Album. eingetragen. Die Übrigen dürften als Wittenberger Magistri anzusprechen sein. Ftür Nr. 32 ist sowohl die Tatsache wie: auch ihr Jahr (1564) aus der Eintragung im Ordinierten- Verzeichnis sicher zu stellen; für Nr. 29 wenigstens das Jahr: 1567 (Buchwald II Nr. 1252 und 1260) Nr. 42 ist im Album als Mag. Heidlbg. eingetragen, zeichnet aber im Stammbuch nicht als Magister; auch bei Nr. 44 und 89 fehlt das ihnen zustehende M.

II. Ueber den späteren Lebenslauf der sich eintragenden. ist nur in einzelnen Füllen etwas festzustellen.

Unter den sieben in Wittenberg ordinierten ist Nr. 9 David Bramer vielleicht mit dem 1591 in Felsberg + D. B., dem Vater des Architekten Benjamin B., identisch (ADB. III 234) (Jöcher nennt für dieselbe Zeit einen in. Saalfeld amtierenden Superintendenten M. D. B.); Nr. 29 Johannes Fleischer ist der als Inspektor der Kirchen und Sehulen in Breslau und D. th, Wittenbergensis 1593 t Theo- loge (Jöcher); Nr.81 Johannes Vogelius ist wohl der 1599 als Pfarrer in Zittau f J. V. Dresdensis (Jöcher). Nicht im Wittenberger Ordiniertenbuch verzeichnet, aber nach Erdmann, „Die Diakonen Wittenbergs“, worauf ich durch Hrn. M. Senf, Wittenberg, aufmerksam gemacht bin am 18. 5. 1575 zum 4. Diakonus in Wittenberg ordiniert ist Nr.89 Cyriacus Wolfius, 1559 M., 1577 Dekan der philosophischen Fakultät. Die übrigen Nr. 24, 30, 39, 64 werden in den mir zugänglichen Nachschlage- btüchern nicht erwähnt.

Für die weiteren Eintragungen glaube ich folgende Identifizierungen vorschlagen zu können. Für Nr. 23 (Catha- rinus Dulcis)!) vgl. Jöcher: „geb. 1540, ist nach Constantinopel, Palästina, Kopenhagen, Schweden, Polen, England, Frank- reich und Italien gereist, hat zu Cassel und Marburg die

1) Vergl. Friedensburg, Gesch. d. U. V. S. 875.

112

fremden Sprachen dociert^. Für Nr. 44 (Georg Mauritius? vgl. ADB. XXI 79: geb. 1539, 1562 M. und Adjunkt der philosophischen Fakultät Wittenbergs, 1600 Rektor der Schule zum heiligen Geist in Nürnberg, $ 1610, Verfasser von 10 deutschen Sehuldramen. Für Nr. 45 (Dionysius Melander) vgl. vielleicht ADB. XXI 279; mit seinem Sohn Otho, Heraus- geber lateinischer Schwanksammlungen. Für Nr. 55 (Johannes Prütorius) vgl. vielleicht ADB. XXVI 519: der berühmte Mathematiker, 1571—1576 Prof. der Mathematik in Witten- berg, seit 1576 in Altorf, T 1616. Für Nr. 68 (Laurentius Scholtz) vgl. ADB. XXXII 229: Dr. phil. u. med., Arzt, seit 1580 in Freystadt bei Glogau, seit 1585 Breslau, 1596 ge- adelt als Scholtz v. Rosenau, 1 1599. Endlich, für Nr. 86 (Petrus Vesenbeck) ) vgl. Jöcher: geb. 1546, Professur der Rechte 1574 in Jena, 1587 in Wittenberg als Nachfolger seines bertihm- ten Vetters Matthäus., 1592 in Altorf; 11603 als Hofrat in Coburg.

Bei der Unsicherheit der Identifizierung von Nr. 82 (Georg Weigelius) erübrigen sich bier alle Versuche.

Das Ergebnis ist: 8 Theologen, 1 Jurist, 1 Mediziner, 3 Philologen, 1 Mathematiker,

III. Dadurch, daß Nr. 9, 16 (18. s. o.), 27, 56 sich als unmittelbar vor dem Verlassen Wittenbergs geschrieben kennzeichnen, läßt sich für sie der Aufenthalt an der Leucorea mit Sicherheit feststellen; er beträgt 8, 5 (? s. o.), 3, 31 Jahre. Dadurch, daB für Nr. 9, 24, 29, 30, 32, (64), 81 das Jahr der Ordination bekannt ist, ergeben sich als Aufenthaltszeit an der Leucorea, bzw. als Zeit zwischen Inskribierung und Ordination die Jahre 8, 10, 15, 4, 13, (? 8. o), 4. Die eigenen Angaben im Ordiniertenverzeichnis sind zu Nr. 9: 4 Jahre; zu Nr. 39: 14 Jahre; zu Nr. 30: 4 Jahre; zu Nr. 32: 13 Jahre; zu Nr. 81: 4 Jahre. Doch will zu Nr. 32 an- gemerkt sein, daß in diesen 13 Jahren nicht nur die Er- langung der Magisterwürde sondern auch eine 4jührige Lehrtätigkeit an der Leucorea liegt; zu Nr. 27, daß in diese 10 Jahre wenigstens 7 Jahre fallen, in denen E. an ander- weitigen Orten, z. T. in niederen kirchlichen Diensten geweilt hat; desgleichen zu Nr. 29, daB von den 14 Jahren aus ähnlichen Gründen etwa 2!/, Jahre, bei Nr. 32 etwa 1 Jahr ausscheiden. Die so zunächst sich darbietenden Zahlen sind also für die Berechnung des eigentlichen Universitätsstudiums nur von relativer Bedeutung.

Da ähnliche Verhältnisse auch sonst vorgekommen sein mögen, so sind auch die weiteren Zahlen, die über den Aufenthalt an der Leucorea sich aus den Daten der

1) ausführlich Frieden , urg l. c.

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Stammbucheintragungen verglichen mit den Inskribierungs- Daten ergeben, nicht ohne weiteres tragfäbig für weiter- greifende Behauptungen. Doch wird auch mit diesem Vor. behalt die folgende Zusammenstellung nicht ganz ohne Wert sein, die sich allerdings nur auf die 36 Fülle bezieht. wo die Spanne schon mehr als 3 Jahre beträgt. Ich zähle also in je 4 Fällen 4 Jahre, 5 Jahre, 6 Jahre; in 6 Fällen 8 Jahre; in je 3 Fällen 7 Jahre, 9 Jahre, 13 Jahre; in je 1 Fall 10, 11, 15, 16, 18, 27 (Nr. 42), 28 (Nr. 71), 31 (Nr. 56) und 38 (Nr. 87) Jahre. Mit einer Ausnahme stammen die 10 und mehrjährigen Fälle sämtlich aus Städten, die noch heute innerhalb des deutschen Reiches liegen.

Ueber das Lebensalter bei der Inskribierung ergibt sich aus keiner Stammbucheintragung irgend etwas, aus den bier in Frage kommenden Eintragungen im Ordiniertenbuch nur eine Angabe, nämlich für Nr. 32, wonach Fr. mit 19 Jahren zum erstenmal nach Wittenberg gekommen ist.

IV. Noch einige inhaltliche Zusammenstellungen über die Eintragungen selbst!

a) Die alles bestimmende Sprache ist das Lateinische. In den Widmungsworten überwiegt sie weitaus; hin und wieder mit Einmengung griechischer Wörter; einmal ist sie deutsch (Nr. 11), einmal hebräisch (Nr. 91) Das Monatsdatum wird überwiegend deutsch gegeben. Bei den Zitaten tritt das Lateinische in weitaus den meisten Fällen auf; nur zweimal (Nr. 43, 58), macht es dem Griechishen Platz. Dagegen sind Zusammenordnungen lateinischer und anderssprachlicher Zitate nicht selten. In 23 Fällen gesellt sich das Griechische, in 4 Fällen das Deutsche, in je 1 Fall das Hebräische bzw. das Böhmische ihm zu. Auch drei Sprachen treten nebeneinander auf, Lateinisch, Griechisch. Hebräisch in 2 Fällen (Nr. 35, 75), Lateinisch, Griechisch, Französisch in einein Fall (Nr. 33). Etwas besonderes ist die Eintragung Nr. 22 (s. o.), die zum Lateinischen noch Deutsch, Französisch, Euglisch, Italienisch, Spanisch, Neu- griechisch hinzufügt.

b) Zitiert wird aus der Bibel; zumeist mit Angabe der Stelle; hebräisch nach dem Grundtext, Psl. 37, 37 (Nr. 75), Psl. 96, 5 (Nr. 35), Psl. 119, 1 (Nr. 91); griechisch nach dem Grundtext Rö. 8, 15 ff. (Nr. 58), Rö. 11, 20 (Nr. 32), Glt. 2, 19 f. (Nr. 32); lateinisch 1. Chro. 29, 15; (Jes. 63, 7); (Psl. 92, 14): Eccl. 6, 14; Sir. 3, 31 ff; 6, 14—17; (14, 3); Sap. 3, 4. Mitth. 5, 10 (10, 32); Luc. 10, 20. Rö. 8, 33 ff; ] Kor. 13, 4 ff; 1 Tim. 4, 8. Hin und wider ist bei den letzteren der zugrunde gelegte Text nicht mit Sicherheit zu erschließen.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXII. 1. 8

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Zitiert werden griechische Schriftsteller und lateinische Schriftsteller, heidnische und christliche, in den allermeisten Fällen ohne nähere Stellenangabe; und zwar von heidnischen, griechischen Schriftstellern griechisch: Aeschines, Athenaeus (mit lateinischer Uebersetzung), Kallimachus, Melander, Pbilemon, Pindar, Plato (zweimal), Sokrates, Xenophon; lateinisch: Aristoteles, Epichar(mus), Euripides, Hippokrates, Lykurgos, Pythagoras, Pindar, Plato (dreimal), Xenophon. Von christlichen griechischen Schriftstellern griechisch: Athanasius, Basilius, Epiphanius (zweimal), Gregor v. Nazianz (mit lateinischer Uebersetzung), Theodoret (mit lateinischer Uebersetzung); lateinisch: Chrysostomus, Gregor v. Nazianz, Von heidnischen lateinischen Sehriftstellern: Cicero (neunmal), Juvenal, Martial (zweimal), Ovid (zweimal), Plutarch (zweimal), Quintilian, Sallust, Seneca, Terenz. Von christlichen lateinischen Schriftstellern der alten Kirche und des Mittel- alters: Augustinus, Bernhard, Hieronymus, Isidorus Hispal., Tertullian; von sonstigen christlichen lateinischen Schrift- stellern der älteren Zeit: Ausonius, Prudentius. Von Männern der Reformationszeit: I. Camerarius, P. Eber, H. Göden (hervorragender Jurist in Wittenberg, t 1521), Melanchton (viermal, z. T. griechisch und lateinisch), I. Stigel (zweimal), Vitus Theodorus sen.; von sonstigen Schriftstellern der Reformationszeit: Budäus (f 1540), L(ancinus) Curtius (f 1511), Janus Pannonius (um 1508), Mantuanus (d. h. Joh. Bapt. Spagnoli, } 1518), Marcellus Palingenius (d. h. Pier Angelio Manzolli, 16. Jahrhdt.), Petrarka (zweimal).

Wiederholt finden sich sowohl griechische wie nament- lieh lateinische Zitate, in Prosa wie vor allem in Distichen, ohne Angabe des Verfassers. Die Vermutung ist nicht ab- zuweisen, daß namentlich im letzeren Falle auch eigenes Gut der Eintragenden hier vorliegt.

c) Ihrem Inhalt nach handelt es sich bei den Zitaten zum größten Teil um religiös-sittliche Stoffe. Etwas be- sonderes ist es dabei, wenn in Nr. 21 eine Auslegung P. Ebers zu Jes. 49 zu lesen ist, in Nr. 32 Ovidii versas lib. IV. Trist. Elogia 1X. in einen Preis Christi und Gottes um- gewandelt werden, in Nr. 59 über die Frage ,facies Christi, quot et quales habeat adspectus?“ gehandelt wird; auch bei Nr. 16 findet sich ein Lobgedicht auf Jesus. Selbstverständlich hat auch der Ruhm der Freundschaft aeine Stütte; wohin auch die obne nähere Stellenangabe angeführte Bitte des Königs Antigonus an die Götter um Schutz vor falschen Freunden (Nr. 72) gehört. Ausnahmen gegenüber diesen Stoffen sind etwa, wenn in Nr. 47 den Quaestiones universales des Plutarch ein Hochpreis der Geometrie entnommen wird,

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oder bei Nr. 51 die lateinischen Epitaphien der ungarischen Könige S. Bela und Matthias Corvinus im Wortlaut mit- geteilt werden, oder wenn in Nr. 38 ohne nähere Stellen- angabe eine Episode aus dem Leben des Philosophen und Mathematikers Aristipp (Rettung aus Schiffbruch) erzählt wird, oder in Nr. 53 aus Athenaeus, in griechischem Text und in lateinischer Uebersetzung durch Budaeus, die Er- zählung von Menedemus und Asklepiades vorgelegt wird, welche beide, als Studenten der Philosophie in Athen, ihren Lebensunterhalt durch Nachtarbeit beim Ausladen der Schiffe im Piraeus sich verdient haben. Eigenartiger noch ist das lange Privilegium Studiosorum und das Encomium Ad voca- torum bei Nr. 52 oder die Pacis preconia aus Palingenius (8. 0. bei Nr. 54, denen unter der Ueberschrift de eadem versibus elegiacis alio authore weitere Distichen an- geschlossen werden. Das eigenartigste jedenfalls ist, daß C. Dulcis (Nr. 22) ein langes Empfehlungsschreiben für sich seitens eines gewissen Demetrius Marmartus, im neu- griechischen Text und in lateinischer Uebersetzung mitteilt,

d) An sprichwortartigen Sentenzen notiere ich aus dem Deutschen: (Nr. 15:) „all genug in gottes nam". (Nr. 22:) „forcht dir nit vor ein Ding, davor du nit flien kanst. Wann bistu reich? wann du dich bentigen läßest. Wann bistu arm? wann du ein geitziges Hertz hast.“ (Nr. 33:) Ich hoff auff godt ehr wirt mir nicht verlassenn Ihm Meiner noth.^ (Nr. 65:) „Hab acht. Vorbedacht, was nnachmals mag vnd khann khommen bringtt manichem groß frommen;* aus dem Lateinischen: (Nr. 4:) „Audendo atque agendo!“ „Fide Deo et curis cetera liber age.“ (Nr .7:) „Vive amici memor." (Nr. 17:) ,Sors omnia versat" (Nr. 21:) „Pios fovet dominus.“ (Nr. 22:) „Omne solum forti patria est.“ (Nr. 44:) „Fata viam inveniunt." (Nr. 47:) „Ingenium mathematizis probatur uf ignibus aurum.“ (Nr. 48:) „Par est fortuna labori.^ (Nr. 77:) „De absentibus nil nisi bonum.“ (Nr. 81:) „Pietas post funera durat.“ (Nr. 83:) „vive ut post vivas;* aus dem Französischen (Nr. 19:) „tout dieu aytant;“ aus dem Griechischen: (Nr. 37:) závra Sv iv yovvaoı xeivat, (Nr. 48:) sw tóvq Arvoxgivera u. (Nr. 49: ye olg Oe Obo k Y Pivrvyct; aus dem Neugriechischen: (Nr. 22:) „Quemadmodum asinus minoris est pretii, quam equus et argentum nihil est auro et aqua vino, sic panis et omnia terrena viliora sunt virtute.“

e) Zeitgeschichtlich interessante Einzelheiten! Aus dem kirchlichen Kalender wird nur in Nr. 48 zitiert (,die angelorum castorum“). Bei den Jahresangaben finden sich dreimal nähere Bezeichnungen: 1566 in tempore pestis

8

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(Nr. 15); 1567 in hac calamitosissima aetate nostra (Nr. 46); 1570 anno novissimi temporis (Nr. 5). In Nr. 73 wird Pilatus als de natione Teutonicae gentis erucifixor omnipotentis be- zeichnet. Eigenartig ist auch die Auseinandersetzung in Nr. 20: Italus ad Germanum: „Germani cunctos possunt tolerare labores; utinam possent suum bene ferre sitim!“ Germanus in Italum exprobrantem illi ebrietatem: ,Ut me dulce merum! sic te Venus improba vexat. Lex lata est Ueneri Julia: nulla mero." Die bedeutsamste Eintragung aber liegt wohl bei Nummer 59 vor: „M. Martinus Chemnitz ad cap. 4 scpta ad Rö. Brunsuigae feria quarta Ultima die Julii, in Templo D. Catharinae palam ... dixit et proba- vit: „Panem coenae esse corpus Christi, et vinum sangui- nem utque vulgariter verum atque verum, wesentlich, wesentlich.“ Si hane sententiam de coena domini hue expressam recipimus, necessario transsubstantiationem papi- sticam nos admittere oportet, quae ex diametrico pugnatur doctrina in saeris libris nobis tradita, uti hodi a doc- tissimis viris quam plurimis ipsoque a. D. D. Luthero (cujus sententiam hic et ipsius similes inordinis retinere videri volunt), rejecta est et penitus explosa. Hier ist der „erypto- calvinische Geist“ 1566! der Leucorea mit Händen zu greifen.

e) Meiner Deutung entziehen sich die nicht selten Nr. 4, 18, 19, 30, 39, 43, 44, 48, 50, 65, 80, 83 sich fiudenden einzelnen großen Buchstaben, so etwa zu Nr. 4: J. W. F. G. F. G. oder zu Nr. 83: W. S. M. V.

Seltene Schriften gegen den Konkubinat der Kleriker aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts.

Von O0. Clemen.

Gustav Knod hat in der Vierteljahrsschrift für Kultar und Literatur der Renaissance 2 (1887), 267 ff. eine kleine Druckschrift behandelt, die gegen einen Verteidiger des Kon- kubinats der Geistlichen, d. i. gegen den Baseler Pfarrer und Professor Matthias Sambucellus, gerichtet und „wenn nicht voll- ständig, so doch vorzugsweise" von Jakob Wimpfeling verfaßt ,und daher wohl auch von diesem selbst oder unter seiner Mit- wirkung ediert^ ist. Joseph Knepper, Jakob Wimpfeling, Freiburg i. Br. 1902, S. 203 A. 1 schließt sich der Vermutung Knod's betreffs der Autor- und Editorschaft Wimpfeling's an und bestätigt sie durch einen Brief, den Wimpfeling in StraD- burg am 10. Juli 1512 an die drei in Paris studierenden Söhne des Baseler Buchdruckers Joh. Amerbach Bruno, Basilius und Bonifazius (Allgemeine Deutsche Biographie 1, 398) geschrieben hat. Er brauche sie nicht erst zu einem tugendbaften Lebenswandel zu ermahnen, da sie schon von selbst aus einem angeborenen Triebe dazu neigten, „haud illarum similes, qui vicia expurgare moliuntur et sub typo fieti thartareique coniugii ad se individuas introducant con- cubinas, qualis inter vestrates unus (— Sambucellus) est, qui litteras saeras ad libidinem suam palliandam transtulit, pu- dore cum pudieicia perdito. Hoc bominum genus fugitote, his pestiferis monstris ne sitis communes ... Quod si quis- piam a vobis se pre debilitate carnem vincere diffideret, est libertas concessa nubendi in Domino. Ad id institutum videbitis accomodati versiculos et prosas cum rythmis Ger- manicis genitori a me traditis, quos si impressioni dari conti- gerit, exemplar unum impressum remitti oro; sin argumentum hoc (etsi sanctissimum) non videbitur incudi calcographie tradendum, scriptam hoc, ut in manus meas redeat, plurimum efflagito, neque enim alioquin mihi illius apud me copia relieta est“ (S. 359). Das Schriftchen wurde aber schließ- lieh nieht in Basel, sondern, wie die Typen beweisen. hei Joh. Prüf in Straßburg gedruckt.

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Knod kennt von dem „höchst seltenen Werkchen“ nur das Exemplar in einem Sammelband der Straßburger Uni- versitätsbibliothek, Knepper verweist außerdem auf die Hand- schrift L 171 derselben Bibliothek: „9 Blätter, fremde Hand, vorgebunden einem Bande Wimpfelingscher Schriften, als Ge- sehenk W.s bezeichnet, das Ganze im allgemeinen übereiu- stimmend mit dem Inhalte von Carmina, prosae et rithmi“ (S. XVI) leider macht er nicht genauere Angaben über das Verhiltnis zwischen Handschrift und Druck. Die Zwickauer Ratsschulbibliothek besitzt in zwei wertvollen Sammelbänden zwei Exemplare unserer Druckschrift (19. 8. 14,, und 24. 11. 22.) Da das Straßburger Druckexemplar, wenn anders Kood uud Knepper recht berichten, iu der Anordnung der Gedichte und vielleicht auch in andern Kleinigkeiten von unsern Exemplaren abweicht, ferner zur Zeit unzugänglich ist, endlich die Interpunktion in dem Original zum Teil sinn- los ist und das Verständnis sehr erschwert, gebe ich hier einen modernisierten Neudruck der kleinen Flugschrift:

Carmina Profe et Rithmi || editi in laudem pudicie [!] Sacer- dotalis con- tra Prosam excusare conantem || Scandalosissi- mum || coneubinatum || +ff. 4" 4b weiß.

[la] Reverendus Germaniae quidam Episcopus, ut par fuit, interdixit elero suo concubinatum. Mox unus ex suis cleri- eis prosam sequentem sub melodia sequentiae „Laetabundus exultet“!) edidit, conatus excusare scandalosissimum concu- binatum: '

Vulgus odit, et fiscalis clerum rodit, Alleluia!

Jura frangunt iam multi, quae eleros tangunt, res miranda!

Non sunt consilia clara nec prudentia velut stella.

Clerus iam deluditur, concubina capitur die clara.

Ceu iudeos tenes clerum. Liceat proferre verum: pari forma,

Concubinas dum propellis, uxor tua cum puellis fit corrupta.

Nemo potest vivere. nisi Deus det, caste valle nostra.

Si clerum deficere vides, non mirabere: carne sumpta

Non est sieut angelus neque velut spiritus. Lege tua sis cautus, ne sit caeca:

Membra quam debilia, corpora quam fragilia, omnia con- sidera haee praedicta!

Quae rumpit milia, virgines et scorta, non damnatur gens misera,

Sed, quae puerulum parit in saeculum, aera dat multa

puerpera.

Qua prosa lecta alii boni castitatis et coelibatus ecelesiastici zelatores carmina, prosas et rithmos sequentes ediderunt ad

!, Wackernagel, Kirchenl‘. ! 1, 125 Nr. 193,

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laudem pudicitie [2 a] sacerdotalis et explodendi concubinatus iustissimam sanctionem extollendam:

Ad melodiam sequentiae de Resurrectione, quae incipit „Mundi renovatio":

Mundi inquinatio mala parit plurima.

l'etulanti clerico competuleant omuia,

Elementa vindicant et auctores indicant, Quam sit indignatio.

Ignis crepat acrius, aör flat minacius,

Undant aquae saepius, terra tremit saevius,

Pestis fremit crebrius, fames bellat febribus Ob eleri scorticia.

Caelum pestilentius, mare fit horridius,

Spirat aura gravius, sterileseunt omnia,

Tenebrescunt lumina, Lugent caeli eulmin» Sacerdotum vitia.

Gelu mortis irruit, mundi princeps ingruit,

Et eius ostenditur in clero imperium,

Dum sustentant perperam prolem ef puerperau, Coneubinas nutriunt.

Viam dat praecipitem ad canem tricipitem

Symonia tam frequens iuncta meretricio,

Vita detestabilis cunctis fit odibilis,

Cum elerus deterior vivit, plebe vilior. Praesul, clerum corrige et melodiam porrige, Ne suum excidium quaerat clerieidium!

Saphieum extorris ad Sambucellum sub melodia hv mni „Ut queant laxis*!):

Si nequis castus fore, Sambucelle,

Sponsa iamdudum fuit eligenda.

Liberos haec non spurios dedisset, [2b] Forte salaces.

Natus ex clero sequitur parentes:

Aut salax fiet, erit aut superbus.

Aut sacedotum ferus et perhennis Hostis et osor.

Scorta si tecum. bone vir. morantur,

Devorant, dandum «uod erat misellis,

Tot gaens de te. pueri, puellae Seaudala sument.

e n Ag ——

1) Wackernagel 1, ^5 5r 127.

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Rumpis uxorem, yiolas puellam,

Dos erit vulnus manus aut resecta,

Dos erit contus, gladius, securis, Pugio, cuspis.

Quando te carnis reprobae pruritus

Vexat aut noster inimicus, acer

Daemon immittit cerebro furorem Vincere tentans,

Vulnerum Christi memorare supplex, Virginem pulsa precibus Mariam, Sis memor mortis stygiaeque flummae, Otia vitans! Litteras sacras lege, non Nasonem, Foeda qui scribunt, fugito, poetas, Nec tuis laedas studiis ephebos, Esto sacerdos!

Accedit Petrus Bolandus!):

Tentationi non potes, Homo, reniti, parvule, Effusione sanguinis Quae non eget, sed gratia, Quam nemini negat Deus, Sed omnibus communicat, Et masculis et foeminis, Qui castitati militant. Consueta pauci deserunt, Sed si metu confixeris Carnes eorum, protinus Peccare, Christe, desinent.

[3e] Carmen seu Rithmus Conradi Burenschu, Poetae Theutonici, non tamen larvati:

O got, ich clag dir dise sach,

Das unser lieb dir so schwach Ist worden, das ietz nieman mer Kein acht hat syn nach deiner ler In weltlich und geistlich stat.

Und so schon ieman willen hat, Offen sünd und schand zeweren, Auch recht und erbarkeit zeleren, Als ich hör einen bischoff nennen, Der wolt gern von einander trennen Sein priester und ire concubinen, So thüt ein suw darwider grynen Und meint, es sein güt sachen,

ı) „Er gehörte zu Wimpfelings treuesten Jüngern und tritt wiederholt mit Beiträgen in den Schriften unseres Humanisten auf:“ Knepper 133!, Vgl. auch Zarncke, Die deutschen Universitäten im Mittelalter, 1. Beitrag, Leipzig 1857, S. 218,

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Das man sy in der kotlachen

Laß lygen, sust möcht nieman bleiben

Fry von tóchtern und ewyben,

Wan man in sorgen müst ston.

So wißt ich yn kein bessern lon,

Wan den die Galli geben hant,

Ee der recht glauben kam in ir lant

Und baten noch die apgót an:

Noch wolten sie kein priester han, Er müst vorbyn verschnitten sein.

Das wer auch ietz die meinung mein:

Welcher bet im ein pfrund zelyhen,

Der müsst sich also lassen wyhen,

So dórfften wyb und töchter nit fliehen

Vor denen, die wir müssen ziehen.

[3b] Pfy dich, du suw, scham dich vor got Der grossen schand, laster und spot, Die du der priesterschafft legest in! Gedenk, was schaden, schmach und pen Gemeiner priesterschafft daruf kem, Wan es die heilig burschafft vernem, Man würd üch wyhen als die schwyn. Darumb laß dein schreiben syn, Oder gedenk, wa du wöllest lenden, Es möcht sich sust nit glücklich enden.

Cuntz burenschuch.

Das man dir nit muß dein testes vBschneiden, Dan so magst du dein hürery vertreiben!

Capuciatus, non nebulo, castitatis hosti ac scanda- losissimi concubinatus defensori:

O plene omni dolo et omni fallacia, fili diaboli, inimice omnis iustitiae, non desinis subvertere vias domini rectas?!) Non credis divinissimo Paulo dicenti: Fidelis est Deus, qui non patietur vos tentari supra id, quod potestis, sed faciet etiam cum tentatione proventum, ut possitis sustinere °)? Fragilitatem tuam et furentem libidinem non potuist per XXIV -annos experiri? Quis te ad sacerdotium coégit? Liber eras! Amplexus es coelibatum sacerdotio annexum, servare me- mento! In XXIV. aetatis tuae anno te primum (si saeris canonibus satisfecisti) sacerdotio initiatum credo. Sciebas a sacratissimis conciliis continentiam sacerdotibus indietam.

7) Apg. 18, 10. ) 1. Kor. 10, 13.

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[4a] Deum roga, qui tibi det caste vivere, ne pudorem cum pudicitia perdideris!) meretricium convietum excusans, in his praesertim, quorum sors Christus est, de cuius patri- monio vivunt, qui excellentissimum eucharistiae sacramentum contrectant ac sumunt filiumque Dei in ara pro totius ecclesiae salute sacrificant, quorum non est ad scorta mox redire sibi cohabitantia et foedis amplexibus coniungi. Id si feceris, cave, ne infamis fias, ne divinis suspensus irregularitatem contrahas, neve ad tartara dimergaris, concubina tua super- stite novam venerem prosecutura, gulae, vanitati volupta- tibusque dedita, dum tu flammam patiere sempiternam.

Qui faciebat Nicolaus Lebzelter Gundelfingius V. et T.?) eiusque vero ministro casto sacerdoti placere studuit, habens susque deque faeculentam eorum linguam, qui tristi et sacro concubitu Christi contaminant cubile. Net).

Der gleich zu Anfang genannte deutsche Bischof ist der Baseler Christoph von Utenheim, sein Konkubinats- verbot sind die von Wimpfeling verfaßten und veröffentlichten Baseler Synodalstatuten von 1503 (Knepper S. 173), und der „unus ex suis clericis“, der den Konkubinat entschuldigte, ist Sambucellus. Sicher ist mir ferner, daß das Saphicum extorris (W. damals in Freiburg) von Wimpfeling gedichtet ist; die Mittel, die er hier zur Unterdrückung der Fleisches- lust anrüt, sind dieselben, wie in seiner Schrift De integri- tate von 1505 (Knepper S. 185). Andererseits ergibt sich aus dem oben wiedergegebenen Briefe Wimpfelings au die Gebrüder Amerbach, daB er erst 1512 die Carmina in Druck geben wollte. Ich möchte annehmen, daß alle in der kleinen Druckschrift vereinigten Gedichte aus der Zeit bald nach 1503 stammen und Jahre lang in Wimpfelings Pult lagerten, bis ihm aus irgendeinem Grunde die Veröffentlichung an- gezeigt erschien. Mit Knod anzunehmen, daß er auch das deutsche Gedicht verfaßt habe, verbietet mir die Ueber- schrift: „Carmen .. . Conradi Burenschu, Poétae Theutonici, non tamen larvati“; auch kann ich Wimpfeling nicht die Verwechslung der Galli d. i. der verschnittenen Kybele- priester mit den alten Galliern zutrauen. Auch die auf das deutsche Gedicht folgende prosaische Apostrophe möchte ich nicht Wimpfeling zuschreiben. Warum soll das Stück nicht von einem Nikolaus Lebzelter aus Gundelfingen herrühren?

) Vgl. die oben zitierte Stelle aus Wimpfelings Briefe an die Gebrüder Amerbach.

2) Diese Abkürzung weiß ich nicht zu deuten.

) W. = Unterschrift Wimpfelings?

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Der Tendenz und dem Inhalt nach verwandt mit diesen Carmina, wohl auch fast gleichzeitig mit ihnen entstanden, aber in der Anlage und Ausführung grundverschieden von ibnen ist eine andere gegen die Konkubinatswirtschaft ge- richtete Druckschrift, die nach Freytag, Adparatus litterarius t. I, Lipsiae 1752, p. 183, I. A. Riegger, Amoenitates litte- rariae Friburgenses, Ulmae 1875, p. 301, Ch. Schmidt, Histoire littéraire de l'Alsace à la fin du XV* et au commencement du XVI* siècle, Paris 1879, 2, 325 auch von Wimpfeling verfaßt worden ist, während Gödeke, Grundriß, 1, 2. Aufl, 402 Nr. 60 sie Joh. Geiler von Kaisers- berg zuschreibt (weil sie in dessen Sermones et varii trac- tatus. Straßburg, Joh. Grüninger (1515 oder) 1518 Gódeke S. 403 Nr. 27 wiederkehrt) und Joh. Janssen, Geschiehte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters 1, 17. u. 18. Aufl. 711*, sie ,aus dem Kreise Geilers und Brants“ herleitet. Knod, Zentralblatt für Bibliothekswesen 5, 465 f. und Knepper 184! haben richtig erkannt, daB die Schrift von Wimpfeling nur 1507 neu herausgegeben ist Nikolaus Paulus, Zeitschrift f. d. Gesch. des Oberrheius N. F. 18, 51 ff. hat Arnold von Tongern als den Verfasser erwiesen. Die Zwiekauer Ratsschul- bibliothek (24. 10. 17,,) besitzt ein Exemplar einer dem Impressum zufolge am 12. November 1507 bei Hieronymus Höltzel in Nürnberg erschienenen Ausgabe: Auiſamentũ be con |; cubinarij nd abfefuebi8 quibuſcũqz: ac || eorü periculis Qqiplurimis. A theologis Golonicfibué ap: || probatü cum additiv- nibus facratiffimorü canonü, || (Es folgt die Stelle Tib. 2, 1, v. 11 —14, daun ein Zitat aus Hieronymus, endlich:) The- rentius. || Veritas odium parit. || Hefdras. || Sed sub iusto iu- dice vincit. || (darunter ein Holzschnitt: Ein Teufel hält einem knienden Weibe einen Spiegel vor; hinter dem Weibe steht ein zweiter Teufel, der mit der Rechten zwei Hündchen hält, die Linke aber aufhebt, um das Weib zu packen!)). 10 fl. Lb und 10b weiß. 10a unten: || Impreſſum Nurem: berge p Hieronym KHölgel. || Anno quo fupra. Die vo. rij. Menfis Nouembris. || Gódeke S. 402 Nr. 60 und Knod 466! weisen indes noch eine frühere, nämlich Mitte Mai 1504

!) Nach Knepper 181! findet sich dasselbe Bild in Wimpfelings Adolescentia (duch wohl der 2. Ausgabe, Straßburg, Joh. Knoblauch. 20. Febr. 1505, vgl. Knepper 119? u. XII, auch P. Kristeller, Die Straßburger Bücher-Illustration im 15. und im Anfange des 16. Jahr- hunderts, Leipzig 1888, S. 120 Nr. 340). Nach Dodgson, Catalogue of Early German and Flemish Woodcuts I, London 1903, 506 Nr. 4 ist es von Wolf Traut.

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bei Quentell in Köln erschienene Ausgabe nach. Da auch die Nürnberger Ausgabe das „a theologis Coloniensibus approbatum“ auf dem Titel aufweist, werden wir jene Kölner Ausgabe als die Originalausgabe anzusehen haben. In unsrer Ausgabe endet das Avisamentum: „Vale ex Argen- tina. Anno 1507". In der Kölner Ausgabe lautet der Schluß einfach: Vale.

Während es sich bei den Carmina um ein paar rasch hingeworfene Gelegenheitsgedichte handelt, wird in dem Avi- samentum alles mit größter Ausführlichkeit und unter An- fübrung zahlreicher Beweisstellen aus der heiligen Schrift und den Kirchenvätern, den Scholastikern, Juristen, Moralisten erörtert). Zuerst werden vier Thesen verteidigt, die darauf hinauslaufen, daß ein Beichtvater unter keinen Umständen einen Konkubinarier eher absolvieren dürfe, als bis dieser seine Konkubine verstoßen habe; darauf läßt der Verfasser ein ganzes Heer von Gefahren Leibes und der Seele herauf- zieben, die der Konkubinarier tiber sich heraufbeschwöre, wenn er seinen schändlichen Lebenswandel fortsetze; endlich richtet er an die im Konkubinat lebenden Kleriker eine be- wegliche Ermahnung, durch Verstoßung ihrer Konkubinen Leib und Seele zu erretten, wobei er noch einige Ein- wände abfertigt, die gemacht werden könnten: ein junger Mann könne nicht enthaltsam leben; wenn einer einmal mit seiner Konkubine in Liebe verbunden sei, könne er sich nicht von ihr trennen; eine (womöglich mit ihren Kindern) auf die Straße gesetzte Konkubine werde zur Verzweiflung, ins Bordell oder zum Selbstmord getrieben. Mit welchem Fanatismus der Verfasser seine Forderung erhebt und auch vor den äußersten Konsequenzen nicht zurückschreckt, er- kennt man besonders gut aus der resoluten Art, wie er diese Einwände zurückweist: „Und wenn die Welt dureh Ver- stoBung deiner Konkubine za Grunde ginge, würdest du dennoch gehalten sein ipsam abicere et dimittere te ipsum prae caeteris salvando.“ Angehängt ist ein auch ander- wirts*) begegnendes Distichon:

.Felix plebanus felizque parochia, sub qua

Nec Naaman, Abraham, Sem, nec vivit Helyas.

Es hängt mit dem Avisamentum nur locker zusammen, da mit Naaman (vgl. 2. Kön. 5, 1 ff) Aussätzige, mit Abraham Juden, mit Sem große Hansen oder deren Offiziale, mit

!) Über dieses Verfahren, „einen Beweisgang nicht selbständig aus- zuführen, sondern ibn zusammenzubauen aus lauter Zitaten, teils philo- sophischer, teils klassischer Autoritäten“, vgl. Zarncke a. a. O. S. 955.

*) Flugschriften aus deu ersten Jahren der Reformation 8, 43.

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Helyas Mönche, insbesondere Bettelmönche, gemeint sein sollen, von Konkubinen aber gar keine Rede ist.

In sehr erweiterter Form!) kehrt der Inhalt des Avi- samentum in dem in dem betreffenden Zwickauer Sammel- band unmittelbar folgenden, 1508 bei Quentell in Köln er- schienenen Druckwerk wieder: Drectoriũ cos || cubinariorü ſaluberrimũ quo || quebà ſtupeda et ob tanti fceles || ris impu- nem tolerantiä quali inaudita pericula || ex propria pha- retra sed auctoritatibus & rati || onibus irrefragabilibus

gzapertissime resoluütur || ... Therentius. || Veritas odium parit. | Efdras || Sed iufto fab iudice vineit 40 ff. 40b weiß. 39b unten: || Impreſſum eft Doc Directorium ccu⸗

binari: || orum primitus Agrippine Anno poft virgines || um partum. M. D. viij. Am Schluß lesen wir über die Entstehung des Werkchens folgendes: „Praesens materia pro salutifero directorio coneubinariorum in hoc breve compendium corro- gata est per diversos illuminatissimos viros, primum tamen per sacre theologie et utriusque iuris professores et doctores in utroque foro consultissimos." Nach Paulus, der dabei auf Joh. Butzbach fußt, ist der Kölner Arnold von Tongern auch der Verfasser dieser Schrift. Selbstverständlich darf man hieraus nicht folgern, daß gerade unter dem Klerus am Niederrbein besonders schlimme sittliche Zustände geherrscht hätten.

Bereits in die Reformationszeit versetzt werden wir durch eine dritte hierher gehörige Schrift, die 1523 von Michel Buchführer in Jena gedruckt worden ist: Dialogus von Zweyen pfaffen || Köchin, Belangendt den abbruͤch des opffers, vnnd || nyderlegung der vorgengfnis*). || Im Jar M. D. sriij. || (Blättchen, darunter ein ursprünglich gewiß gar nicht übel gezeichneter, aber schlecht geschnittener Holz- schnitt, darstellend die eifrig spinnende ältliche Frau Else und die modisch gekleidete, hoffärtige jugendliche Frau Karstin.) 4 ff. 4°. Jede Seite ist rechts mit einer Leiste geschmückt. Bl. A ij^ ist ein Holzschnitt eingeschoben: Zwei Pfaffen sitzen einander an einem Spieltisch gegenüber, da- hinter trinkt ein Weib ein groBes Glas aus (Weller, Reper- torium typographicum Nr. 2396 *; Zw. R. S. B. 17. 9. 2,,).

1) So bestimmt schon Joh. Gottfr. Weller, dem die Exemplare der Zw. R. S. B. vorlagen, richtig das Verhältnis der beiden Druck. schriften: Altes aus allen Theilen der Geschichte 1, Chemnitz 1762, S.899. Paulus S. 58 bezeichnet das Directorium ala eine neue und sehr vermehrte Ausgabe des Avisamentum.

1) Begüngnis, Seelmesse.

5) Eine andere Ausgabe bei Weller, Suppl. I S. 29.

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Der Inhalt ist kurz folgender: Frau Karstin trifft Frau Else beim Spinnen und fragt sie, warum sie sich so abmtihe; ihr Pfaffe müsse sie doch unterhalten, er sei wohl zu Tod geschlagen. Frau Else: „Er sitzt dahinten in der Kammer, beklagt sein Elend und seinen Jammer; man will nicht mehr zum Opfer gehn, kein Jahrgedächtnis mehr abhalten lassen; Gaben, wie sie früher zu Ostern, Pfingsten, Weihnachten und an den Marien- und Heiligenfesten reichlich eingingen, bleiben jetzt aus; auch zur Beicht kommt niemand mehr; die Leute sagen, der Pfaffe plaudere es aus, was man ihm anvertraue:

Vnd er dach gar dar von nit redt, Es wer dan des nacht ym betth

Die Bauern meinen, er solle zu Dreschflegel und Pflug greifen. So sehe ich ein ungewisses und trübes Schicksal vor mir, werde mich aber wohl bald verheiraten.“ Frau Karstin: „Mein Pfaff ist morgens und abends voll; Doppeln und Spielen ist seine Art, all sein Sinn steht auf die Kart. Wenn er aus der Kirche in die Pfarr kommt, wütet und tobt er wie ein Narr,

Wirfft das korhempt hyn und her, Brummet vnd murret wie ein Ber.

Ich hab aber schon mein Schäfchen ins trockene ge- bracht, habe Mantel und Rock, Schafe, Ziegen, Kühe, Külber, Schweine für mich auf die Seite geschafft; das will ich brauchen, wenn's mich geltistet. Sollte ich mit ihm darben, wo ich's so viel besser haben kann? Ein Dompfaff oder was er ist aus der Stadt hat mich in sein Haus locken wollen, aber der spekuliert nur auf mein Hab und Gut, so dumm bin ich nicht.“ Zum Schluß klagt sie wieder tiber ihren Pfaffen, der ein Trunkenbold und Liedrian sei und durch seine Eifersüchteleien und sein Schimpfen und Poltern sie zur Verzweiflung treibe.

Gewiß ist dieser Dialogus nicht eigentlich ein Ausdruck sittlicher Entrüstung über die Konkubinatswirtschaft, auch nicht eine Ermahnung an die im Konkubinat lebenden Kle- riker, ihren Lebenswandel zu ändern, aber er zeigt doch, wie das nach dem Einzug der Reformation zunächst im Thüringschen an und für sich schon schier unerträglich gewordene Dasein der einfachen, ungebildeten Dorfpfaffen sich noch bedeutend verschlechterte, wenn sie eine nur auf ihren Privatvorteil bedachte „Köchin“ auf dem Halse hatten. Man kann in dem Dialogus recht wohl einen Nachklang der um 1500 in Heidelberg von Paul Olearius gehaltenen Rede de fide concubinarum finden, auf die ich nicht eingegangen

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bin, weil Friedrich Zarncke sie neugedruckt und erläutert bat (Die deutschen Universitäten im Mittelalter, 1. Beitrag, Leipzig 1857, S. 88 fl., 242 fl.) ).

1) Ein Exemplar der Editio princeps der beiden Reden De fide concubinarum und De fide meretricum (— Zarncke 8. 942 A Weller 4065; Basel Michael Furter, nicht Ulm, Ludwig Hohenwang, 1501: Max llgenstein, Zentralblatt f. Bibliothekswesen 1, 236 fl., 2, 840 gegen Haßler, Die Buchdruckergeschichte Ulms, Ulm 1840, S. 71ff.), leider defekt, in der Zw. R. S. B. (9. 5. 21,). Hier auch die Ausgabe Weller 4068 (Quentell; 24. 9. 16,,), ferner der unter Weller 4075 er- wähnte spätere Kammerlandersche Druck De fide concubinarum in suos pfaffos (16, 11. 16,) und der bei Weller gleich folgende De generibus ebriosorum, nur mit 1565 im Titel, beigebunden (und mit denselben Typen gedruckt und derselben zierlichen Arabeskeneinfassung ge- schmückt) der bei Böcking, Operum Hutteni supplementum, tomi posterioris pare prior, p. 14 Nr. 9 beschriebenen Ausgabe der Epistolae obscarorum virorum von 1557 (27. 11. 23 1.3). Die Drucklegung der beiden Reden erfolgte nach einer von Wimpfeling besorgten Abschrift (Knepper 107°). Beide Reden stehen auf dem Venetianischen Index von 1554 (Reusch, Der Index der verbotenen Bücher 1, Bonn 1883, S. 948).

Die Ablasspredigten des Leipziger Domi- nikaners Hermann Rab (1504—1521).

Von D. Georg Buchwald.

Je klarer das Bild ist, das wir von der Frümmigkeit am Ausgange des Mittelalters gewinnen, um so besser werden wir die Reformation, die Widerstünde, die sich ihr entgegen- stellten, aber auch die Empfindungen der Befreiung, mit denen sie begrüDt wurde, verstehen, und umsomehr werden wir den alten Fehler überwinden, daß man zwischen dem „dunklen“ Mittelalter und der Reformation einen dicken Strich zieht, ohne die vielen feinen Fäden zu berücksichtigen, die beide verbinden, und ohne die religiösen und kirchlichen Anschauungen zu berücksichtigen, in denen die aufwuchsen und lebten, die dann die Gedanken und Segnungen der Reformation ergriffen. Wiederholt und eindringlich ist auf die Arbeit hingewiesen worden, die auf diesem Gebiete noch zu leisten ist.

Die Frömmigkeit wird beeinflußt durch die Predigt und spiegelt sich wieder in der Predigt. Vielleicht ist es nicht zuviel behauptet, wenn man sagt, daß die Erforschung der mittelalterlichen Predigt auf deutschem Boden noch nicht gar weit über die Anfänge heraasgekommen ist. Es wird hier darauf Wert zu legen sein, daß es nicht nur die großen Prediger gewesen sind, die Einfluß auf die Frömmig- keit gehabt haben, wenn auch die Predigt der anderen viel- fach von ihnen abhängig gewesen ist oder in ihren Spuren zu wandeln versucht hat. Wir müssen uns bemühen, auch die Jokale Predigt möglichst zu erforschen, ohne Rücksicht da- rauf, daß wir es hier nicht mit Geistern erster Größe, auch nicht mit originalen Persönlichkeiten zu tun haben. Zu diesem Zwecke ist eine gründliche Beschäftigung mit den in den Bibliotheken ruhenden handschriftlichen Schätzen unbedingt nötig. Mag diese Beschäftigung manchem zunächt recht lang- wierig, vielleicht auch langweilig erscheinen: je liebevoller er sich ihr widmet und je tiefer er eindringt, je mehr sich Stein an Stein zu einem Gesamtbilde fügt, um so interessanter und befriedigender wird sie werden.

Eine Fülle von Material auf diesem Gebiete enthält die Leipziger Universitütsbibliothek, Aus ihr schöpfte bereits

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1838 Hermann Leyser seine „Deutschen Predigten des 13. und 14. Jahrhunderts“, seit 1886 Anton E. Schön- bach seine „Altdeutschen Predigten“, 1907 Adolph Franz die ,Predigten des Frater Ludovicus". Zu bereits aus andern Bibliotheken veröffentlichten Predigtsammlungen entdeckte ich in der Paulina wertvolle Parallelhandschriften, so zu dem „Schwarzwälder Prediger“ (Handschrift Nr. 687 ), zu dem St. Georgener Prediger“ (Handschrift Nr. 759°), zu den Predigten Hartwaigs (Heinrichs?) von Erfurt (Handschrift Nr. 761*). Eine noch völlig unbekannte Predigtsammlung bietet die Handschrift Nr. 1663 (geschrieben 1385 von Dithe- riche von Gotha).

Unser besonderes luteresse beanspruchen diejenigen Predigten, die uns an bestimmte Orte und auf bestimmte Kanzeln unseres Sachsenlandes führen. Zu diesen gehüren u. a. die Predigten des Altzeller Abtes Ludegers (Handschrift Nr. 452, 453, 454*), Altzeller Predigten aus den Jahren 1493 und 1494 (Handschrift Nr. 756)°), Predigten des Leip- ziger Propstes Johannes Grundmann (Handschrift Nr. 614) und die zahlreichen Universitütspredigten?), sowie die zahl- reichen Predigten des Leipziger Dominikaners Hermann Rab”), eines Mitkonventualen und Freundes des Ablaß- predigers Johann Tetzel. |

Hermannus Rab de Bamberga wurde im Sommersemester 1486 in Leipzig immatrikuliert. Paulus läßt ihn „gegen Ende des 15. Jahrhunderts als Mitglied des Leipziger Domi-

1) Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung Vaterländischer Sprache und Altertümer in Leipzig. 11. Bd. 1. Hälfte 8. 52 ff., 2. Hälfte S. 7ff.

1) Der sog. St. Georgener Prediger. Herausg. von Rieder, Berl. 1908.

3) Vgl. Preger, Geschichte der deutschen Mystik II, 91 ff.— Realeneykl.“ III. 709. Werner, Jacob, Aus Züricher Handschriften. Zürich 1919, 3. 8ff.

) Vgl. Neues Archiv für sächs. Geschichte, Bd. 18, S. 212. Michael, Gesch. des deutschen Volkes vom 13. Jahrh. usw. Bd. 2, 8.115 u. 1. Meinen Artikel: „Abt Ludeger von Altzelle als Prediger“ in Beitr. s. Sächs. Kirchengesch., 83/35, Heft S. 1—62.

) Beitr. z. Sächs. Kirchengesch., 29. Heft S, 9—84.

© Vgl. Neues Archiv für sächs. Geschichte. Bd. 35, S. 25 ff. Zeitschr, für Kirchengesch. Bd. 86, S. 62 fl.

) Ueber ihn vgl. Nikolaus Paulus, Die deutschen Dominikaner im Kampfe gegen Luther (1518—1563). Freiburg 1908. 8. 9 ff. Francke, H. G., Das Nonnenkloster zu Weida (Mitt, des Vereins für vogtl, Ge- schichte u. Altertumskunde 1920 (3. 89, 40, 41).

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nikanerklosters^ erscheinen!) Auf Grund der noch unge- druckten Matricula ordinatorum des Hochstifts Merseburg läßt sich das Datum genauer bestimmen. Das Verzeichnis, auf das sich Paulus stützt“), nennt unter den ,Novicii^ einen gewissen Johannes Altenstein. Dieser ist identisch mit Johannes de Aldensteyn, der als frater ordinis praedieatorum Lip- ezenzis am 18, Dezember 1490 die Akoluthenweihe, am 12. Dezember 1493 die Diakonenweihe empfängt. Mithin kann jenes Verzeichnis nicht später als 1490 entstanden sein. Da Rab aber in diesem Verzeichnis bereits unter den Kon- veutualen steht, muß er schon vor 1490 in das Klöster ein- getreten sein. Im Jahre 1506 wird er als Vikar, wohl als Distriktsvikar erwähnt“). Im Jahre 1507 begegnet er uns als Hermaunus pater subprior conventus sancti Pauli unter den Magistern, die an einer Disputation im Lektorium der Leip- ziger Theologen teilnehmen*). Kurz vorher war er, von Hiero- nymus Ochsenfart präsentiert, zum Kursus zugelassen worden“).

Inzwischen hatte Rab bereits eine emsige Predigttätig- keit entfaltet. Deren Zeugnisse liegen uns in den Hand- schriftenbänden Nr. 1511, 1512, 1513 der Leipziger Uni- versitätsbibliotbek vor.

Rabs Predigten umfassen die Zeit von 1504 bis 1521. Aus dem Jahre 1512 tinden sich keine Predigten zwischen Pfingsten und Weihnachten, aus dem Jahre 1513 liegen überhaupt keine Predigten vor; aus den Jahren 1517, 1518 und 1520 nur wenige, aus dem Jahre 1521 nur eine. Die meisten Predigten sind in Leipzig, und zwar im Dominikaner- kloster, mehrere aber auch in der Nikolaikirche und im Schlosse gehalten. Ein Zyklus von AblaDpreuigten führt uns nach Torgau, ein solcher von Fastenpredigten nach Rochlitz. Ferner finden sich Predigten, die Rab in Pegau, Halle, Wurzen, Eilenburg, Halberstadt, Ulm, Freiburg, Eger, Berlin und Nordhausen, sowie in den Nonnenklöstern®) von Cronschwitz, Weida und Wiederstädt gehalten hat. Außer Predigten de tempore und de sanctis enthalten die vor- liegenden Bände zahlreiche Kasualpredigten: bei Primizfeiern, bei Feiern der Rosenbruderschaft zu St. Pauli, bei Exequien, bei der Rezeption von Nonnen, bei einer Abtweihe.

1) a. a. O. S. 9.

*) Förstemann, Urkundenbuch der Stadt Leipzig. III. S, 246.

) Fürstemann, a. a. O. S. 197.

t) Fürst-Georgs-Bibliothek in Dessau. Band J.

5) Brieger, Die theologischen Promotionen auf der Universität Leipzig 1428—1539. Leipzig 1890. S. 21.

*) Vgl. Weim. Ausg. der Werke Luthers Bd. 30 lIJ, 404f.

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Wie nicht anders zu erwarten, ist es die strenge tho- mistische Theologie, die der Prediger vortrügi Kaum eine Predigt findet sich ohne Zitate aus Thomas, seinem Sentenzen- kommentar oder seiner Summa. Auch Aristoteles und Petrus Lombardus werden angeführt. Dazu gesellen sich die Kirchen- väter und eine lange Reihe kirchlicher Schriftsteller, ins- besondere Prediger. Ausgiebiger Gebrauch wird von den Sermonen des Jacobus de Voragine (t 1298 als Erzbischof von Genua) gemacht, die nebst dessen Quartagesimale sich der weitesten Verbreitung erfreuten, ebenso von dem großen unter dem Titel Socei Sermones verbreiteten Predigtmagazin aus dem 14. Jahrhundert, den Sermones discipuli des in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts lebenden Jobann Herolt, den Predigten des niederländischen Franziskaners Heinrich Herp und von den auch auf deutschen Kanzeln viel benutzten Leetiones super Sapientiam Salomonis des englischen Domini- kaners Robert Holkot (} 1349). Dazu kommen die Predigten des Dominikaners Johann Nider (f 1438), auch des schwä- bischen Theologen Nikolaus Dinkelsbühl ( 1433) und des bekannten Tübinger Theologen Gabriel Biel (T 1495). Ins- besondere benutzte Rab für seine Fastenpredigten die Quadra- gesimalien des Minoriten Johann Gritsch und des Passauer Predigers Paul Wan. Damit ist aber die Zahl der homi- letischen Werke, die Rab heranzog, keineswegs erschöpft. Als Quellen für die eingestreuten Geschichten und Exempla dienen unserem Prediger nächst der Legenda aurea und den Vitis patrum u. a, Valerius Maximus, Cüsarius von Heister- bach und der Formicarius des bereits genannten Johann Nider.

Die Predigten sind sicher deutsch gehalten, aber latei- nisch konzipiert. Dabei fehlt es nicht an Einstreuungen in deutscher Sprache, insbesondere wo es sich nm kraftvolle, volkstümliche Ausdrücke und um Sprichwörter handelt. Von letzteren sei erwähnt: „Die gedancken seyn zcolfrey* (13, 2992), „Von gober geselschafft wirt der man heuptsich* (13, 308b), „Eyn nar macht yr zcehen, eyn narrin zcehen“ (11, 143b), „Huth dich, meyn pfert schlecht dich" (12, 4a), „Das fleisch ist uf seynem mist“ (12, 78b). Mehrfach ver- wendet Rab das Sprichwort „nach Emmaur gehen" (12, 76 b ff.), d. b. die Reue und die guten Vorsätze bald wieder vergessen. Gern läßt er das Volk selbst reden: „Ich weyß bereyt wol, was der munch predigen will, ich sal die sunde meyden und das arge und das gute thun“ (11, 48a), „Morgen ist gut beichten“ (11, 227 a), „Ich muß mich meyner jungen tage auch ergotzen und fro machen“ (13, 1662). Auch Verse verwendet der Prediger, so den bekannten: „Wahrheit ist geschlagen

9*

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tot, Gerechtigkeit leidt große Not“ (Wander s. Wahrheit nr. 240). Wir lesen hier: ,'Ubi est veritas? sie ist gestorben und ist todt, iusticia die leyt grosÜe nodt“ (13, 300 a). Mit Vorliebe bringt Rab krüftige Worte in deutscher Sprache: Die nicht zur Predigt kommen, denen ,hath der tewfel die oren abegeschniten" (11, 47b); sie sind ,hellische braten, die do musBen braten zcu ewigen zceyten* (11, 47b). x redet von den „falschen zwifeldigen lugenern und gleißnern, der fyndt man yezt alle lande, stedt, gasßen und heußer voll“. Je schlechter eine Sache ist, um so schneller wird sie geglaubt, „und eyn solche große petzere lugen, wen man sie an eyn wandt [wirft], Bo mocht sie dor an cleyben, dorff nicht meber dan eyn eynigen dichters und anhebers, Bo breydt mans auß durch landt und stedt pey fursten und herren und leugí ymmer eyner dem andern noch ꝛc. und die selben lugen dichter lasßen sich beduncken, wen sie landt und leudt affen und narren und fursten und herrn und prelaten, frawen und junckfrawen, geistliche und auch andere schimpflich und nachredlich yn die meuler gegeben, Bo haben Sie eyn rum ergagt, sie weren werdt solche puben, das man sie durch die packen brendt“ (13, 297a). Oft versteht es Rab, volkstümliche Töne anzuschlagen; so, wenn er in einer Kirchweihpredigt, veranlaßt durch das Evangelium von Jesu Einkehr im Hause des Zachäus, sagt: Jesus „wolt eyn kirmeD- gast seyn mit seyn jungern und es heth nymandes kirmeb speyB bereyt" (11, 95 a), oder wenn er in einer Predigt über das Evangelium vom kananäischen Weibe den Frauen rät: „wen euch die menner schelden, Bo nempt ewangelisch wurtzeln der pacientz yn den mundt, Bo verwart es euch vill schleg“ (11, 194a). Am volkstümlichsten dürfte wohl eine am dritten Pfingstfeiertag 1508 gehaltene Predigt mit vielen Anspielungen auf das Vogelschießen sein. Zu Pfingsten, sagt Rab, habe er seinen Zuhörern versprochen, „daß wir heute wollen zu dem vogel schißen“. Dreierlei Leute sind beim Vogelschießen zu unterscheiden: die einen sind die Schützen, die treffen, aber nicht alle gleich: einer trifft den Kopf, ein anderer den Schwanz, einer die Flügel, einer die Brust, und diese alle machen einen Gewinn, „soll auch einer die Sau gewinnen“. Die andern schießen wohl auch, aber treffen nichts, und gewinnen mit all- ihrer Mühe nichts als Spott. Die dritten sehen zu, stehen müßig da und vergeuden ihre Zeit; das sind solche, „die do haben affen feyl, die Knobloch nauß tragen und bringen zwibel wider". Der Vogel ist der h. Geist, der in Gestalt einer Taube vom Himmel kam. „Zu dem vogel sollen wir alle schien und treffen. Dazu gilt es sich dreifach zu bereiten: durch Herzens-

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reinigung, durch wahre Demut und durch Barmherzigkeit, Denen die Herzensreinheit fehlt, „die schißen nach der hellischen saw“, die mit ihren Metzen zum Aergernis der Kirche „bey den schlopsecken“ sitzen, „die schißen nach dem raben, wan sie“ statt zu beichten „yn das Cras, cras kummen. Solch bubenvolck scheyt sich nymmer mehe. Yn das gezelt gehoren auch die mussigen pflastertreter, die winckelsturer, die nochtraben, die gassirer, die gassenrauber“, die Tag und Nacht herumlaufen und der Keuschheit nach- stellen, „und wenn die selbigen zuffen den vogel abgeschossen haben und haben die pouch vol gemacht, Bo laßen siß sitzen und eyn andern die kynder zihen“, In dieses Zelt gehören aber auch jene Weiber, die ihr Fleisch verkaufen, die in Wahrheit des Teufels Vogelfängerinnen sind, durch die der Teufel unendlich viel Vögel, d. h. Seelen, fängt. „In dem netze seyn die allerstercksten, klugsten und heyligsten ge- fangen wurden, mit den pfeylen scheust der teufel ytz pabst, Cardinal, bischoff, munch und pfaffen.“

Rab stellt für den Dominikaner selbstverstündlich die Predigt sehr hoch. „Die Predigt ist in der heiligen Kirche Gottes nötiger als selbst die Feier von Messen. Wohl ist beides nötig. Aber gesetzt den Fall, daß eine Zeitlang beides unterbleiben müßte, so würde in der Kirche ein größerer Schaden erwachsen aus dem Mangel des Wortes Gottes als aus dem Nichtfeiern der Messe“ (1512, 85 a). »Wenn ein Volk zwanzig Jahre keine Messe, aber die Predigt hürte, würde es besser um das Volk stehen, als wenn es zehn Jahre Messe, aber keine Predigt hörte“ (1513, 211b).

Einige der von Rab aufgezeichneten Predigten geben uns einen deutlichen Einblick in den äußeren Gang derselben. Auf das Schriftwort!) folgt die Einleitung, die mit dem Vater- unser und dem Ave Maria schließt: „daß mir Gnade ge- geben werde zu reden und auch euch zu hören, fliehet mit mir zu Christus, der am Kreuze hüngt, und zu der Jungfrau, die unter dem Kreuze steht, und sprecht andüchtigen Sinnes und Herzens ein Vaterunser und Ave Marie“ (1513, 245 a). Statt des Ave Maria läßt er auch die Gemeinde ein deutsches Gebet sprechen: „Dir sei Lob, dir sei Ehre, dir sei Dank- sagung, o du allerliebster, o du allersüßter, o du aller- gütigster Herr Jesu Christo, für alle deine heiligen Bluts- tropfen, die du für uns vergossen hast aus deinem aller- heiligsten Leichnam, in deiner heiligen Beschneidung, in

1) Einer einzigen Predigt liegt statt einer Bibelstelle eine Anti- phone zugrunde (Laurentius bonum opus operatus est Kloster- predigt 1504 am Laurentiustag 1518, 81b).

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deiner heiligen Blutvergießung, in deiner heiligen Geißlung, in deiner heiligen Krönung, in deiner heiligen Kreuzigung und der Oeffnung deiner heiligen Seiten und deines süßen und göttlichen Herzens. Amen.“ (1513, 262a, 263b)'). Dann wird aus der Schriftstelle das „Thema“ genommen, d. h. einige Worte aus derselben gewählt, die Disposition ange- geben, und die einzelnen Teile werden behandelt. In einer Weihnachten 1510 in Rochlitz gehaltenen Predigt verweist Rab auf das von der Gemeinde gesungene Lied: „Wer das kyndleyn nicht geporn, Bo wer wir allzumal verlorn", „wie yr gesungen habt“ (1511, 71 b)).

Die Predigten sind sehr verschieden. Die ültesten tragen ein sehr starkes akademisch-scholastisches Geprüge, uud zwar nicht etwa nur die, die im Kloster gehalten siud. Sie stellen eine conclusio oder eine quaestio oder ein dubium auf. So wird in der Predigt dominiea 20. Lypezk. Anno 1504 (13, 54 fl.) über Matth. 22, 2 ff: , Venite ad nupcias" die conclusio an die Spitze gestellt: sicut fide, prole et sacramento nupeiae carnales excusantur, ita fide, opere et charitate ut veste nupeiali spirituales decorantur. Diese conclusio wird dann in den beiden Korrelarien behandelt: Quicunque ad nupeias carnales volunt venire, fidem, prolis intencionem et sacramen- talem unionem debent observare und Quicunque cum Christo spirituales nupeias voluerit celebrare, debet fide, opere et charitate se decorare. Die Behandlung eines Themas er- streckt sich mehrfach auf eine ganze Reihe von Predigten. Am Schlusse der Predigt am 1. Advent (29. November) 1506 kündigt Rab seinen Zuhörern an, daß er in der nächsten Zeit davon predigen will, wie sie Christus entgegengehen und sich auf den Tod vorbereiten sollen. Am folgenden Tage werde er ihnen die conclusio fundamentalis illius materiae vorlegen (1513, 165 b). Da aber der folgeude Tag der Andreastag ist, spricht er auf Grund von Matth 21, 5: Ecce rex tuus venit erst von Andreas, der „diesem unsterb- lichen König“ diligenter, obedienter. pacienter entgegenging. Dann wird die conclusio aufgestellt: Quamquam omnium terribilium terribilissimum mors esse censeatur, utile tamen est Christiauo, quod semper eius memoria babeatur. Rah erörtert aber nur den ersten Teil der conclusio. Erst am folgenden Tage, am Dienstag, kommt er zum zweiten Teil und behandelt die Frage, wozu es dem Christen nützlich ist an den Tod zu denken: weil dieses Gedächtnis ihn veranlaßt

1) Dasselbe Gebet fiudet sich in den Predigten Tetzels.

*) Dasselbe Lied in der Predigt am Stephaustage 1514 in Leipzig (1511, 185a).

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die Sünde zu meiden, ibn reizt zu guten Werken und ibn austacbelt, Buße zu tun. In der Predigt am 3. Advent knüpft er hieran wieder an, insbesondere an die dort auf. gestellte Frage, ob jemand noch am Ende seines Lebens Buße tun könne. Am folgenden Tage schildert er die teuflischen Versuchungen, die dem Sterbenden drohen. Aber da entsteht die Frage, womit der Teufel überhaupt einen Sterbenden noch versuchen könne, da dieser ja nun alles verlassen müsse. Aber des Teufels Versuchung bezieht sich auf den Glauben ob es ein ewiges Leben, eine Hölle, Vergebung der Sünden gebe auf die Hoffnung der Sterbende könnte an Gottes Erbarmen verzweifeln, wenn der Teufel ihm alle seine Sünden ins Gedächtnis zurückruft und ihm Gottes Gerechtigkeit vorbält —, auf die Beichte und das Sakrament der Teufel redet ihm ein, er sei noch nicht so schwach; dabei unterstützen ihn die Aerzte und Verwandten, die sich scheuen, einen Priester zu rufen; „dan sie laen sich beduncken, sie musßen palde sterben, wenn sie beichten oder communicirten“. Noch drei weitere Pre- digten setzen diese Erürterungen fort.

Gern stellt Rab als. Thema seiner Predigt auch eine Frage auf. So am 3. Osterfeiertag 1505 in einer Konvents- predigt tiber Pax vobis (Luk. 24, 36) die Frage: Cum omnes ereaturae pacem ament, quaerant et in ea delectentur, cur et propter quid tot dissensiones, discordiae et turbaciones in mundo (1513, 94a). Am Tage Innocentium 1506 über den Kindermord von Bethlehem die Frage: Cum Christus venit in hune mundum peccatores salvos facere per mortem et passionem suam, quare hodie fugit, cum sciret futurum esse, quod Herodes occideret omnes pueros, et ipse per mortem suam praevenire potuisset tantam stragem tot innocentum puerorum ? (1513, 190b). In einer Predigt vom 23. Sonntag nach Trinitatis 1506 (1513, 161 ff.) über Matth. 22, 19: Osten- dite mihi numisma census will Rab erklüren, was seine Zu- hórer nach ihrer Seele seien. Aber er meint, sie würden es nicht verstehen, wenn er ihnen die Meinungen der !’bilo- sophen und Theologen auseinandersetzte, und will deshalb Antwort auf die Frage geben, die seine Zuhörer stellen könnten: „Warum ist's mir nötig zu wissen, was ich bin“?

Anderer Art sind Predigten aus späteren Jahren 1514 und 1515. Sie zeigen die Zweiteilung: literale fundamentum und morale documentum. So die Predigt vom Sonntag Reminiscere 1514 über Matth. 15, 22: Miserere mei, domine, lili David, filia mea male a demonio vexatur (1511, 123 ff). Der erste Teil behaudelt die historia sancti Ewangelii. Dabei wird die lrage, warum Christus erst nach dem langen

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Schreien des Weibes sich erbarmte, dahin beantwortet: erstens, um ihr Verlangen zu mehren, zweitens, um ihre Tugenden zu offenbaren, nämlich ihren großen Glauben, ihre Geduld und ihre Standhaftigkeit. Das documentum morale findet der Prediger darin, daß die, deren Gewissen denn dieses ist unter der Tochter zu verstehen vom Teufel gequält wird, zu Christus ihre Zuflucht nehmen sollen. In der Predigt am Palmsonntag 1515 über Matth. 21, 5: Ecce rex tuus venit tibi mansuetus (1511, 250 ff.) spricht Rab zunächst tiber Christi Einzug in Jerusalem und stellt dann als das morale documentum auf, daß man hieraus erwägen soll, wie schnell die Herrlichkeit dieser Welt vergeht, und daß man lerne, daß alle, die dem Herrn dienen, von ihm ins himmlische Jerusalem eingeführt werden: die unschuldigen Kinder, „die Esel, die Christum tragen Tag und Nacht mit ihrem Dienst, wie die Religiosen*, die Apostel, nämlich die „Prälaten, die lehren und mit Wort und Beispiel wohl vorstehen", die Zweige von den Bäumen schlagen, nämlich gute Beispiele aus dem Leben der Heiligen.

Auf Ersuchen des Ordensmeisters des deutschen Ritterordens Markgraf Friedrich von Sachsen (1490 - 1510) hatte Alexander VI. im Jahre 1503 einen Ablaß zu einem Heerzug gegen die Russen bewilligt!) Noch ehe es zur Verkündigung dieses Ablasses kam, widerrief Alexanders Nachfolger Julius II. zunächst den gewährten Ablaß, bestätigte ihn aber dann doch auf ein erneutes Gesuch des Deutschordens und verlängerte ihn Ende 1506 auf drei weitere Jahre, indem er für die Kirchenprovinzen Köln, Mainz und Trier, sowie das Bistum Meißen einen neuen Jubelablaß bewilligte*). Unter den Subkommissarien, die mit der Verkündigung desselben beauftragt wurden, finden wir an hervorragender Stelle den Leipziger Dominikaner Johann Tetzel. Was wissen wir von der Art seiner und seiner Unterkommissare Ablaßpredigt? Wir dürfen wohl darauf schließen von dem, was uns aus der ein Jahrzehnt später einsetzenden Ablaßpredigt für die Peterskirche bekannt ist, die die Veranlassung zu Luthers 95 Thesen gegeben hat. Denn was Mykonius, von 1504—1510 Schuler der Latein- schule zu Annaberg, von dem Auftreten der Ablaßprediger dort erzählt, gibt uns wohl ein anschauliches Bild davon,

1) Ein Ablaßbrief mitgeteilt in Zeitschr. f. Kirchengesch. Bd. 29 S. 603 ff. Derselbe ist unvollständig. Wir bringen im Anhang einen vollständigen zum Abdruck (Ernest. Gesamt-Archiv Weimar Nr. 45).

2) Paulus, Johann Tetzel der Ablaßprediger. Mainz 1899, S. 6ff,

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wie jene den Ablaß in der Stadt aufrichteten, aber läßt uns nieht in die Predigt selbst blicken, abgesehen von einigen Ungeheuerlichkeiten der marktsehreierischen Beredtsamkeit Tetzels!) Wir besitzen einige Anweisungen, die Tetzel den Ablaßpredigern gab. Also solle man zu den Leuten sprechen, damit sie für die große Gnade die Augen auftaten: selig geien die Augen, die sehen, was sie sehen, die wahrnehmen, daß sie hier sichere Geleitsbriefe haben, um die Seele durchs Tränental und das wilde Meer der Welt ins selige Vater- land des Paradieses zu führen; alle Verdienste des Leidens Christi seien ihnen darín verschrieben; sie sollten wissen, daß man für jede einzelne Todsünde, deren man oft an einem Tage so viele begehe, auf die Zerknirschung und Beichte hin noch sieben Jahre lang hienieden oder im Fege- feuer zu büßen schuldig sei, mit diesen Briefen aber vollen Erlaß aller bisher verdienten Strafen erlangen könne; ob sie denn nicht für einen Viertelsgulden diese Briefe an- nehmen wollten, durch deren Kraft sie ihre göttliche, un- sterbliche Seele sicher und ohne Gefahr ins paradiesische Vaterland bringen könnten. Beichte und Zerknirschung zum Behuf der Vergebung -isí nicht ganz vergessen; es wird gesagt: „man will, daß jeder, der, nachdem er gebeichtet hat und zerknirscht ist, das Almosen in den Kasten wirft, vollkommene Vergebung aller seiner Sünden haben wird“. Für den Ablaßkauf zum Besten Verstorbener aber galt ohne eine sittliche Bedingung, daß „sobald der Groschen im Kasten klinge, die Seele aus dem Fegefeuer zum Himmel auf- auffahre“?). Wenn Paulus“) im Blick auf diese Anweisungen sagt, man könne daraus ersehen, „wie der Ablaß unmittel- bar vor Luthers Auftreten dem Volke gepredigt wurde“, so dürfte damit doch zu viel behauptet sein. Insbesondere bleibt die Frage, wie wochenlang hierüber gepredigt werden

1) Scherffig, Friedrich Mekum von Lichtenfels, Leipzig 1909, S. 0ff. Hingewiesen sei auf das, was in der Leichenpredigt Dietrichs von Starschedel (1561) über das Auftreten Tetzels in Mützschen er- zählt wird: „macht die Hölle mächtig heiß, wie so große Finsternis, Kälte, item Hitze und Marter darin wäre und die ewig währte, sagte auch, was ewig wäre, mit einem Gleichnis: wenn ein Mohnberg da so groß wäre, als die ganze Welt, und käme alle 1000 Jahre ein Zeißig und holte ein Körnlein davon, so wäre es noch nicht ewig :c. lehrte aber, daß man solcher ewigen Pein los würde, so man einen Ablaßbrief lósete". Sächs. Kirchen- und Schulblatt 1872, S. 293.

2?) Lutbers Werke. Erl. Ausg. op. var. arg. 1,255ff. Vergl. Köstlin, Lutber I, 150f.

3) a. a. O. S. 86.

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konnte, ohne daß stete Wiederholungen das Auftreten der Prediger langweilig machten.

Um so wertvoller sind die Ablaßpredigten, die uns in den Handschriften unseres Hermann Rab vorliegen. Hier gewinnen wir in der Tat ein völlig getreues Bild der Ablaß- predigt unmittelbar vor der Reformation, das für uns um so wichtiger ist, als diese Predigten uns gerade nach Sachsen führen.

Rab predigte in Torgau!) im Jahre 1509 vom Sonntag lnvokavit (25. Februar) bis zum Sonntag Kantate (6. Mai), und zwar bis Mittwoch nach Palmarum (4. April) täglich mit Ausnahme des 7. März, an dem er zu Ehren des h. Domini- kus predigte, und des 26. März, an dem er mit seiner Predigt die Verkündigung Mariä beging, und des Palm- sonntags, an dem der Pleban „die Inhibitionen predigte“, über den Ablaß, dann bestieg er die Kanzel wieder an den drei Osterfeiertagen. Am Sonntag Quasimodogeniti schloß er mit einem Dankeswort die Ablaßpredigt. In der letzten, am Sonntag Kantate gehaltenen Predigt ermahnte er die Ge- meinde, sich im Gnadenstande zu erhalten (1512, 1— 85).

Alle Predigten knüpfen an das Evangelium des betr. Tages an. Nur die beiden ersten Predigten legen die Invokavitepistel 2. Kor. 6, 1 f. zugrunde, die auch allen weiteren Predigten als Eingangswort dient. Die Predigten am Dienstag und Mittwoch nach Palmarum bildeten die Fort- setzung der Montagspredigt, und schließen sich wie diese an das Montagsevangelium an.

Die erste der in gratia cruciatae et jubilaei gehaltenen Predigten bietet die sorgfältig ausgearbeitete Einleitung des großen Predigtzyklus. Sie geht von der Invokavitepistel aus: „Wir ermahnen euch, daß ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfanget“. „Meine Liebsten, der h. Paulus hat diesen Brief und diese Worte an die Korinther geschrieben. Er schickte zu ihnen die ansehnlichen Boten Titus und Lukas und ermahnte sie, an die Heiligen in Jerusalem, die, weil sie alles zu den Füßen der Apostel niedergelegt hatten, verarmt waren und von den Ungläubigen verfolgt wurden, cine Kollekte zu senden. Zuerst aber belehrt er sie im allgemeinen über alles, was zum Heile nötig ist. Darunter ist das erste und hauptsächliche die Gnade des allmächtigen Gottes, die vom Herrn verordnet ist zur Beseitigung der Sünden und zur Wirkung alles Guten“. Die Beseitigung

1) Hier befand sich eine Terminei des Leipziger Dominikaner- klostera, Förstemann a. a. O. III, 104.

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der Sünden ist nach Thomas!) gleichbedeutend mit der Säuberung oder Reinigung oder Rechtfertigung und kann nur durch die Gnade geschehen. Von der Stinde aufstehen und von der Sünde lassen ist nicht dasselbe. Denn von der Sünde aufstehen ist nur die Wiederherstellung dessen, was der Mensch durch die Sünde verloren hat. Durch sie ‚erleidet der Mensch einen dreifachen Mangel: Befleckung, Verderbnis des natürlichen Guten und die Schuld ewiger Strafe. Die Befleckung besteht in der Beraubung des Schmuckes der Gnade. Hierdurch ergibt sich in der Seele ein Hindernis des Einflusses der göttlichen Gnade, das Gott allein zu entfernen vermag. Die Verderbnis des natur- lichen Guten zeigt sich in der Concupiscenz, zu deren Be- seitigung der Mensch des Lichtes der Gnade bedarf. Auch die Sehuld der ewigen Strafe kann Gott allein hinweg- nehmen. Trotzdem aber ist der Mensch verpflichtet zur Genugtuung“) hier oder nach diesem Leben. „Er muß Ge- nugtuung leisten für alles bis zum letzten Heller und alle Sünden müssen durch Genugtuungsstrafen gereinigt werden, weil nichts Beflecktes zum ewigen Leben eingehen kann“. Nun wendet sich der Prediger wieder zum Thema:

„Die Gnade Gottes liegt vor euren Augen. Denn der aller- heiligste Herr, unser Vater, Jesu Christi Stellvertreter, hat euch allen und jedem insonderheit seinen unbegrenzten Schatz aufgetan, zu dem alle und jeder kommen und aus ibın empfangen kann, soviel ihm nötig ist. Dieser Schatz ist das unendliche Verdienst des Leidens unseres Herrn Jesu Christi, des Mitleidens der gebenedeiten Jungfrau und der Bußwerke aller heiligen Märtyrer und aller auserwählten Heiligen“), die für ihre Sünden in tüberschtissiger Weise und Über ihre Verpflichtung Genugtuung geleistet haben. Das, was dabei überschüssig war, ist in den Schatz der Kirche gelegt, uud dieser Schatz ist unendlich und von unendlichem Werte wegen der Würde der Person, und wer diesen Schatz braucht, wird teilhaftig der Freundschaft Gottes. Die Schlüssel zur Verteilung dieses Schatzes hat "Christus unser Heiland nach Matth. 16, 19 dem bh. Petrus und seinen Nachfolgern übergeben. Darum hat für dessen Verteilung allein der Papst die Vollmacht und er kann daraus geben, wie viel er will, die Bischöfe aber nur so viel, als ihnen vom Papst zugestanden wird*. „Diesen Schatz

) Summa 214 113 2.

*) satisfactio condigna. Nach Petr. Lomb. IV d. 15.

9) Vgl. Bratke, Luthers 95 Thesen und ihre doginenhistorischen Voraussetzungen. Göttingen, 1884 S. 293.

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nun verkündige ich als euch allen jetzt offenstehend. Alle, die ihr Gott verschuldet seid, wie groß auch die Strafe sei, ewig oder zur Genugtuung, und wenn du so viel Jahre im Fegefeuer bleiben müßtest, als Sterne am Himmel, Sand des Meeres, Blätter an den Bäumen sind, siehe, da hast du den geöffneten Schatz! Da liegt deine und aller Menschen Genugtuungsstrafe. Also, wenn du nur willst, kannst du sofort in einer einzigen Stunde gereinigt werden von allem Fehl und aller Schuld, unter der Voraussetzung, daß du tust, was in der Bulle steht. Da mußt nämlich init deinem Almosen den armen Leuten in Livland zu Hilfe kommen, wo die Ungläubigen Jünglinge und Jungfrauen, Priester und Greise ermordet oder fortgeschleppt, die Kirchen zerstört und das heilige Sakrament mit Frevlerhänden betastet haben, ja noch heute zu größerer Schmach sich rüsten !). Und damit niemand von der Erwerbung des Ablasses aus- geschlossen werde, hat der Papst seine Vollmacht den Beichtigern übertragen und tut alle Wege zu diesem Schatze auf. Siehe, der Schatz ist auf öffentlichem Markt, die Tür zum Himmelreich ist aufgetan, wenn ihr nur wollt, alle Wege stehen euch offen. So ermahnen wir euch nun, daß: ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt. Denn die Stunde wird kommen, da ihr, hättet ihr hundert Welten, diese dahin geben würdet, könntet ihr nur ein einziges Mal diesen Schatz berühren. Aber dann sind vielleicht die Pforten verschlossen, wie den törichten Jungfrauen (Matth. 25, 10ff) gesagt wird. Und siehe, jetzt ist euch der Schatz aufgetan nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft, da ihr durch die Briefe, die ich verteilen lasse, einmal im Leben vollkommene Vergebung habt und im Augenblick des Todes, so oft er euch droht, ja sonst so oft. ibr wollt, das Recht euch einen Beichtiger zu wählen, und damit die Teilnahme an allen Gütern der ganzen heiligen Ki:che, wortiber ich ein andermal ausführlicher reden will. Aufgetan ist endlich der Schatz allen euern Liebsten, die in Christo abgeschieden sind und Fegefeuerstrafen erleiden,. die sich selbst nicht helfen können, selbst die, die bis zum Tage des jüngsten Gerichts Genugtuungsstrafe leisten mtißten. Die könnt ihr erlósen binnen einer oder zwei Stunden, und ohne Zweifel strecken sie ihre geistlichen Hünde nach euch aus und schreien aus ganzem Herzen: ,Erbarmt euch mein, erbarmt euch mein, ihr meine Freunde“ (Hiob 19, 21). So ermahnen wir euch nun, daf ihr die Gnade Gottes nicht

1) Zum Teil wörtlich nach der Bulle; vgl. Löscher, Reformations- acta I, 494,

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vergebens empfangt. Und, meine Liebsten, ich ermahne euch: Sollten Widerchristeu unter euch sein, wie es nach 1. Job. 2, 18 schon viele Widerchristen gibt, die gegen das Verdienst Christi und sein und der Märtyrer Blut reden’), hört nicht auf sie, die in Wahrheit Boten des Teufels sind, der der Gnade Feind ist und, was er selbst nicht vermag, dureh seine Boten vollbringt. Ich verdamme euch „ihr Kläffer, die do wollen reden von allen sachen“. Ihnen gilt das Urteil des Bannes, wie in der Bulle steht“). „Hüt dich, mein Pferd schlägt dich!“

Am nächsten Tage verweist der Prediger im Eingange noch einmal auf die Gnade, die der Stadt widerfährt. „Gestern habe ich euch gesagt, daß der Stellvertreter Jesu Christi, unser allerheiligster Herr Vater, euch, ja uns allen den unendlichen Schatz aufgetan hat, in dem niedergelegt sind die unendlichen Verdienste und Genugtuungswerke unseres Herrn Jesu Christi und seiner jungfräulichen Mutter Maria, die sie, niemals eine Tod- oder vergebbare Stinde begehend, auch in unendlichem Maße hinzufügte, und aller Märtyrer, Bekenner usw. Diese Gnade, ermahne ich euch, sollt ihr nicht vergebens empfangen. Denn gewißlich „jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils“ (2. Kor. 6, 2), da ihr Gott genug tun könnt für alle eure Sünden bis zum letzten Heller“.

Bevor aber der Prediger nun von der Vorbereitung zur Erlangung der Gnade reden will, fühlt er sich veranlaßt, die Frage zu erörtern: „Da die Leichtigkeit, mit der Ver- gebung der Sünden erlangt wird, ein Anreiz zum Stindigen sein könnte, darf der Papst leicht bereit sein allen vollen Ablaß (plenissimas indulgentias) zu gewühren?"*) Der Prediger stellt zur Lösung der Frage zunächst einen Funda- mentalsatz auf:, Obgleich jeder an sich selbst durch wahre Reue die Sünde strafen muß, so kann doch einer für den andern genugtuende Strafe leisten. Mit den Worten des Lombarden*) zeigt Rab, daß der barmherzige Gott dem Reu- mütigen vergibt und ihm keine Strafe für die Ewigkeit behält. Die Gerechtigkeit aber läßt nichte ungestraft. „Ent-

1) Vgl. Sachs. Kirchen- und Schulbl. 1872, S. 293: „Das glaube ich nimmermehr, daß Gott das Geld so sehr liebet, daß er mich in der Hölle um eines heillosen Groschens willens sollte ewig martern lassen. Singen wir nicht im Osterlied: Der die Hölle zerbrach und den leidigen Teufel darinnen band? Welcher Zimmermann hat sie wieder gebauet?"

) Löscher a. a, O. I, 8. 429.

3) Vgl. Cajetan bei Bratke a. a. O., S. 164f. *) IV d. 20.

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weder straft der Mensch oder Gott, der Mensch mit der Buße, Gott, indem er Strafe fordert. Die Buße ist eine innere und eine äußere. Ist die erstere so groß, daß sie als Strafe der Sünde gentigt, so fordert Gott, der dies weiß, keine weitere Strafe. Genügt sie aber nicht, so fügt Gott, der Art und Maß der Sünden und Strafen kennt, eine genügende Strafe hinzu.“ Dem Menschen aber bleibt das verborgen, so daß er keine Gewißheit hat, ob seine Reue zur Tilgung der Strafe und Schuld genügt. Darum ist jeder gehalten zu beichten und Genugtuung zu leisten. Zur Buße gehören wesentlich drei Stücke: Beichte, Reue und Genug- tuung. Reue und Beichte ist die Sache jedes Menschen für sich selbst. Die Genugtuung aber kann einer für den andern leisten; insbesondere, wenn er in der Liebe steht. Je größer seine Liebe ist, um so mehr ist sein Werk Gott angenehm und genugtuend. Das gilt im höchsten Grade von Christus, der für uns alle in reichlichstem Maße Genugtuung geleistet hat, insofern er Gott den Preis für unsere Erlösung zum Opfer brachte, nämlich sein teures Blut. Nun hätte bereits ein Tropfen seines Blutes zur Erlösung der ganzen Mensch- heit genügt!). Aber Christus opferte sein Leben bis zum letzten Blutstropfen für uns. Jenen Schatz der Genugtung hat Gott seinem hóchsten Stellvertreter, der ihn in allem vertritt, zur Verteilung überlassen. Dabei darf der Papst nicht leichtfertig verfahren, damit nicht die Sehlüssel der Kirche verachtet und die Genugtuungswerke entkräftet werden. So ergibt sich nun die weitere Frage, wann und wem er diesen Schatz öffnen darf. Die Gültigkeit des Ab- lasses setzt dreierlei voraus. Zuerst kommt es darauf an, wozu er dienen soll: zur Ehre Gottes oder zur Not oder zum Nutzen der Kirche. Der Prediger verweist auf das Laterankonzil von 1215 und den dort durch Innocenz Ill. gewährten Kreuzzugsablaß und fährt fort: „Wenn nun damals die Kirche ihre große Notlage ansah und das Kreuz predigen ließ, wenn man damals sah, wie viele, die sich mit dem Kreuz hatten bezeichnen lassen, zum Himmel aufflogen, wenn ein Prediger, der sich weigerte, das Kreuz zu predigen, aufs Schwerste gestraft worden ist, hat dann nicht der höchste Priester mit der Versammlung der Kardinäle Grund genug, diesen so reichlichen Ablaß zu genehmigen, da, wie der höchste Priester auf die glaubhafte Nachricht von Königen und Fürsten hin schreibt, Livland, das Erzbistum Riga und Dorpat durch die ketzerischen Russen und Tataren verwüstet, die Kirchen zerstört, die Heiligenbilder geschändet, das

) Vgl. Thomas, Summa 3 q. 46 a 5 ad 3.

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heilige Sakrament mit schänderischen Händen angefaßt, die Glocken kleingeschlagen und daraus vielleicht Kugeln ge- gossen, Menschen ohne Zahl in schrecklichste Sklaverei weggeschleppt, die aber nicht fortgehen wollten, Junge und Alte, aufs Entsetzlichste und Grausamste an Pfähle ge- schlagen worden sind, und was weiter diese bejammerns- werten Menschen weiter zu erwarten haben!) In Rücksicht auf das Elend dieser armen Leute, nicht aus Leichtfertigkeit, nicht aus Geldgier, sondern in Ansehung der Not hat Christi Stellvertreter den Schatz der heiligen Mutter Kirche geöffnet, damit ihr um dieser Not willen und, wenn ihr sonst euch nicht zum Mitleid bewegen lassen wollt, wenigstens, um Ablaß zu erlangen, euer Herz der Barmherzigkeit öffnet. Darum, meine Liebsten, wenn euch der höchste Priester den unendlichen Schatz auftut, vernachlässigt nicht euer Heil, geht nicht mit hartem Herzen und unbeschnittenen Ohren und Augen dran vorüber! Denn jene Elenden reden durch mich und andere Prediger za euch von ihrem Hunger, Durst, Trübsal und Gefängnis und verheißen euch den Segen des Vaterlands, des himmlischen Reichs, wie Christus im heutigen Evangelium zu solchen Barmherzigen spricht (Matth. 25, 34 ff.): Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters usw. Fürchtet euch aber vor dem ersehrecklichen Urteil, das über die Schmähsüchtigen mit ihrem harten und unbeschnittenen Herzen ergeht: Geht hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln und solchen unbarmherzigen Leuten. Denn wahrlich in das Gericht, von dem das Evangelium redet, begleiten euch keine zeitlichen Güter und keine Freunde, sondern nur eure guten Werke und besonders die Werke der Barmherzigkeit. Die werden für euch reden. Wir ermahnen euch also, daß ihr Gottes Gnade nicht vergeblich empfanget!"

Im Eingang der dritten Predigt (Dienstag nach Invo- kavit) wünscht der Prediger, veranlaßt durch das Evangelium von der Tempelreinigung (Matth. 21, 12 f.), seinen Zuhörern, daß sie selbst als ein Tempel Gottes gereinigt würden „durch eine Beichte“. Sonst ist es unmöglich, „den geringsten Tropfen göttlicher Gunst von Gott zu erlangen“. „Wenn du die Gnade des allerheiligsten Jubel- und des heiligen Kreuzablasses erlangen willst, dessen Schatz Christus aus seiner grenzenlosen Barmherzigkeit durch seinen Stell- vertreter, den obersten Priester, mit reebtem, vernünftigem und genügendem Grunde, wie ibr gestern gehört habt, geöffnet hat, genügt es dir nicht, daß du dich mit dem Kreuze

) Nach der Bulle Löscher a. a. O. I, 424.

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zeichnest, wie in der Bulle steht, oder in den Kasten ein- legst oder Kirchen besuchst, obgleich auch das verlangt wird, wie ihr, so Gott will, zu seiner Zeit hören werdet, sondern jenes, die Beichte, ist das allererste, was seitens derer, die Ablaß verdienen wollen, verlangt wird. Wer Ablaß verleiht, muß dazu Vollmacht besitzen. Wenn Ablaß erteilt werden soll, muß eine Not oder ein Nutzen der Kirche das begründen. Wer Ablaß erwerben will, muß Liebe und die rechte Beschaffenheit haben. Das meint der oberste Priester, wenn er in der Bulle sagt: solchen, die gebeichtet haben und ihre Sunden bereuen. Darum ists das Erste, was vor Allem nötig ist, daß eure ganze Stadt von wahrer Reue bewegt werde. Diese macht euch fühig zum EinfluB der Gnade und zur Erlangung des Jubelablasses. Darum will ich nun von dem Dreifachen reden: von der Notwendigkeit der Rene, von der Reue Art und von der Reue Frucht und Nutzen.“

In dieser Predigt wird noch der erste Punkt, die Not- wendigkeit der Reue, behandelt. Mit der Stinde verläßt der Mensch Gott, um sich der Kreatur zuzuwenden. Gott aber ists, der der Seele durch die Gnade das Leben einflößt. Geschieht das nicht mehr, so gleicht der Mensch einem Klotz. Stirbt er, so taugt er zu nichts als zur Speise der Würmer. Der Mensch verbleibt so lange in jenem Zustand, als er die Stinde nicht vernichtet. Darum ist die Reue nötig allen, die gerecht gemacht werden wollen. Wenn jemand gerecht gemacht werden soll, bedarf es zuerst des Einflusses der Gnade Das kann nur Gott gewähren. Aber „dies Werk ist so groß, daß Gott allein es nicht vollbringen kann, sondern dazu unsrer Mitwirkung und Hilfe bedarf“. Der Mensch muß sich also für den Einfluß der Gnade vorbereiten, indem er das beseitigt, was den Einfluß der Gnade ver- hindert, und dies Hindernis ist die Sünde. Aber wodurch wird dies Hindernis beseitigt? Durch das Mißfallen, durch den Haß und durch die Verabscheuung der Stinde, und augenblicklich, sobald dir die Sünde mißfällt und du Gnade begehrst und der freie Wille sich zu Gott hinbewegt, erfolgt die Vergebung der Sünde. Aber du mußt mit Gott zu- sammen wirken, wie Augustin sagt: „der dich ohne dich geschaffen hat, wird dich nicht ohne dich gerecht machen“ ). „Dann ist der glorreiche Gott so gut, so freundlich und barmherzig, daß, sobald wir uns vorbereiten und aufseufzen, er uns in demselben Augenblick den Quell der Gnade und

1) Sermo CLXX, 18. Migne PL 88, 929. Luther setzt sich mit diesem Worte auseinander WA. 15, 115; vgl. Drews, Disputationen 8. 47.

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Barmherzigkeit Öffnet und all unsrer Missetat und Un- gerechtigkeit vergißt.“ Zum Schlusse erzählt der Prediger zum Beweise hierfür eine Geschichte aus dem Leben der Altväter!): Ein Altvater, der die Gabe hatte, „aus dem Ansehen derjenigen, welche in die Kirche gingen, die guten oder bösen Gedanken, die sie im Herzen führten, zu er- kennen“, sah ihrer viele mit einem schönen Angesicht und mit fröhlichem Gemüt hineingehen, wie auch die heiligen Engel, die ihre Pflegekinder mit Freuden begleiteten. Einen aber sah er hineingehen, der ganz schwarz und finster war und von den Teufeln an einem Zaum geführt und hin und her gezerrt wurde. Sein heilger Engel aber folgte ihm ganz traurig. von weitem nach“. Als aber die Leute die Kirche verließen, sah der Altvater eben jenen Menschen ganz fröhlich und rchneeweiß herausgehen; die Teufel zwar olgten ihm von weitem nach, sein heiliger Engel aber ging ganz fröhlich und freudevoll neben ihm“. Auf Befragen erzählte jener Mensch: er habe lange Zeit in Lastern gelebt, in der Kirche aber habe er das Wort Jes. 1, 16—19: „Waschet, reiniget euch, tut euer böses Wesen von meinen Augen“ usw. gehört. Da sei er in sich gegangen, habe seine Missetat bekannt und zu Gott gesprochen: „Ich sage jetzt ab aller Ungerechtigkeit und von nun an will ich dir, mein Gott, mit einem reinen Gewissen jederzeit dienen Nimm deshalb in dieser Stunde mich armen Büßer wiederum auf!“ Der Prediger schließt: „Aber in diesem Jubelablaß könnt ihr gänzlich erneuert werden nicht nur in Hinsicht auf die Schuld, sondern auch auf die Strafe“.

Nach einem kurzen Blick auf die Worte aus dem Tagesevangelium Matth. 12, 50: „Wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, derselbige ist mein Bruder, Schwester und Mutter“ und dem Hinweis auf 1. Thess. 4, 3: „Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung“, ermahnt Rab in der nächsten Predigt wiederum seine Zuhörer, daß sie die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangen, in der sie wieder Er- neuerung finden können. Das kann aber nur auf dem Wege der Reue geschehen, weil diese das erste Heilmittel gegen die Krankheit der Stinde ist. Ja, Gott kann nach der Ordnung seiner Macht die Gnade nicht eingießen und gerecht machen ohne die Reue des Menschen! Von der Beschaffenheit der Reue ist nun im folgenden die Rede. Zur wahren Reue gehört dreierlei: sie muß sich auf jede begangene Tatstinde erstrecken, sie muß mit dem Vorsatz

1) VII, 99. Migne PL LXXIII, 1046. Gern in der Predigt benutzt; vgl. Franz, Drei Minoritenprediger S. 180 f,

Arehiv für Beformationsgesehlchte. XXIL 1. . 10

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der Genugtuung und mit großem, wenn auch in vernünftigen Grenzen sich bewegendem Schmerz verbunden sein und sie muß bis ans Ende des Lebens währen. Der Prediger stellt dann vier Regeln zur Erkenntnis der wahren Reue auf: 1. der Schmerz muß so groß sein, daß er zu dem Entschlusse drängt, lieber jede Strafe auf sich zu nehmen, selbst den leiblichen Tod zu erleiden oder betteln zu geben, als wieder in eine Todsünde zu willigen. 2. Man muß bereit sein, denen, denen man Unrecht getan hat, Ersatz zu leisten. 3. Man muß bereit sein, jede Beleidigung zu vergeben. 4. Man muß bereit sein, jede Gelegenheit zur Sünde zu fliehen. „Darum sind Buhler, die ihre Buhlerinnen nicht verlassen, Würfelspieler u. a. nicht zu absolvieren, wie auch öffentliche Weiber; denn sie haben keine rechte Reue und hinken nach zwei Seiten: auf der einen Seite möchten sie zwar Gott dienen und ihm anhängen, aber auf der anderen der Welt und dem Teufel. Niemand aber kann zwei Herren dienen und der Herr will nicht das halbe, sondern das ganze Herz: Bekehret euch zu mir mit euerm ganzen Herzen (Jer. 27, 4).

Nun könnten manche einwenden: „Wir hätten gern vollkommene Reue über alle Sünden, aber wir haben sie nicht im Gedächtnis“. Der Prediger beantwortet den Ein- wand mit Worten aus Tbomas: Anfangs muß sich die Reue auf die einzelnen Sünden erstrecken, die man im Gedächtnis hat, zuletzt aber muß die Reue eine allgemeine sein. Wer alle Sorgfalt darauf verwendet, dem gießt Gott die Gnade ein und gibt ihm Vergebung aller Sünden. „Siehe welch eine wunderbare Ordnung Gottes, die uns nicht selig machen und uns nieht Gnade schenken will ohne unsre Zustimmung und Bereitschaft. Aber siehe, jetzt ist die angenehme Zeit und der Tag des Herrn, da der höchste Priester in uns wahre und vollkommene und reine Reue wecken will, indem er aus gerechter und vernünftiger Ursache, nämlich zur Ehre Gottes, zum Nutzen und zur Hilfe der Kirche, den Schatz der Kirche auftut. Darum ermahnen wir euch, daß ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt. Denn es werden Tage kommen, an denen ihr nur einen Augenblick dieser Zeit wüuschtet, aber dann ists nicht mehr Barmherzigkeits-, sondern Gerechtigkeitszeit. Nutzet die Zeit aus, denn es ist böse Zeit!“ (Joh. 5, 16). |

In der fünften Predigt spricht Rab davon, daß die rechte Reue mit groDem, wenn auch in vernünftigen Grenzen sich bewegendem Schmerz über Sünde, mit Haß und Mib- fallen derselben verbunden sein muß. Hierfür werden fünf

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Gründe angeführt’): 1. weil wir Gott über alle Dinge lieben müssen, müssen wir von größtem Schmerze erfüllt sein, wenn wir die aus jener Liebe fließenden Güter verlieren; 2. weil die Sünde ein solches Gewicht in sich hat, daß sie aus einer zur andern zieht, wie sióh an David zeigt und wie jeder es an sich selbst erfährt: „ein iglicher ziehe sich selbst bei der Nasen“; erst tut man Stinde mit Erröten, dann mit Freude und Lust; 3. weil die Sünde befleckt, „der Flecken bleibt auch nach der Sünde und kann in Ewigkeit nieht getilgt werden, auch wenn er mit dem ganzen Meer und den Tränen aller Heiligen gewaschen würde. Nur durch die eigenen Tränen und die göttliche Gnade, „wenn die zwei Wasser zu haufen“ kommen iu der Reue, dann wird die Seele gereinigt: „daram du mußt das Wasser selbst holen und zutragen;* 4. weil der Mensch mit der Sünde die Schuld ewiger Strafe auf sich lädt; 5. weil durch die Sünde der Mensch den Zustand der Unschuld verliert (abgesehen davon, daß er Gott, Gottes Reich, die Gemein- schaft der Engel, die Gnade und alle Tugenden verliert). „Die wertvollste Zeit ist die Zeit der Buße und Genugtuung. Aber ach, wie gering ‚schätzen wir den Verlust der Zeit „und tun dies und jens vor die lange Weil“. O wenn die Seelen eurer Eltern eine einzige Stunde oder einen einzigen Tag von eurer Zeit hätten, meinst du, sie würden es versäumen, sich jenes allerheiligsten Ablasses teilhaftig zu machen? Aber siehe, weil sie außer der Zeit sind, da sie ihn erwerben können, strecken sie die Hände nach euch aus und schreien nach euch mit erbärmlicher Stimme, die ihr von ihnen Leib und Leben und euer Gut empfangen habt: Erbarmt euch meiner, erbarmt euch meiner, o meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich angerührt! Und das ist eine der größten Fegefeuerstrafen, daß sie Schmerz empfinden über den Verlust der Zeit. Ihr aber denket an ihr Gericht! Sie trafs gestern, morgen kann's dich treffen. Oeffnet ihnen die Hand der Barmherzigkeit; denn ihr könnt, ohne selbst Verlust zu erleiden, ihnen die größte Hilfe leisten, ihnen den Schatz der Kirche auftun und sie von ihren Strafen befreien,“

Im Eingange der sechsten Predigt deutet Rab das Tagesevangelium Joh. 5, 1ff. Das Hinuntersteigen in den Teich ist die wahre Reue. Das Wasser wird jetzt bewegt durch den Engel, d. h. durch den apostolischen Boten. So lange das Ablaßkreuz aufgerichtet ist, kann jeder hinunter-

!) ratione contrarietatis, dispositionis, maculationis, incursionis,

amissionis. 10

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steigen und das volle Heil seiner Seele erlangen. „Aber wenn er hinuntersteigen will, muß er die Krankenhallen seiner fünf Sinne verlassen und sich im Teiche baden, d. h. mit dem Quell seiner Tränen und Reue, wie ihr gehört habt; denn das ist nötig, weil ohne Reue dich Gott nicht rein waschen will.“ Dann spricht der Prediger von dem Dritten, das zur rechten Reue gehört, nämlich, daß sie das ganze Leben hindurch währen muß. Er beweist das zuerst mit Gründen der Vernunft: das Leben ist ein Pilgern nach dem himmlischen Vaterland. Der Wandrer muß alles ab- legen, was ihn hindert, nämlich seine Sünden, und zwar während der ganzen Zeit seiner Wanderung. Aber auch deshalb müssen Reue und Schmerz über die Sünde das ganze Leben hindurch währen, weil der Mensch gegen den ewigen Gott gesündigt und ewige Strafe verdient hat. Weiter beweist der Redner jene Forderung mit „Autoritäten“: Matth. 5, 4 spricht Christus: „Selig sind, die da Leid tragen: denn sie sollen getröstet werden“. „Die Seligkeit muB sich immer fortsetzen, also auch die Trauer“. Endlich bringt Rab Beispiele für anhaltende Reue: Maria Magdalena, die 30 Jahre in der Wüste Buße tat!), und Petrus, der zu weinen anfing, sobald er den Schrei des Hahnes hörte).

In der nächsten Predigt frägt Rab im Hinblick auf das Tagesevangelium von der Verklärung Christi (Matth. 17, 1 fl.): „Wer, meine Liebsten, wird steigen auf den Berg des Herrn oder wer wird stehen an seinem heiligen Orte? Denn viele sind berufen, aber wenige auserwählt, und Christus nahm nur drei mit sich; denn dieser Berg ist hoch, der Weg ist schmal und unbetreten, der zur Pforte führt, und die Pforte ist eng, und wenige sind es, die sie finden (Matth. 7, 13 f.). Das wird bezeichnet durch Petrus, Johannes und Jakobus. Petrus bedeutet die Ehelichen. „Im Ehestand könnt ihr eben so gut selig werden wie die Religiosen. Aber ihr müßt die Ordnung und eure Regel d. h. den Glauben halten, „ihr müßt nicht aus den Silen treten“®), ihr müßt auf Nachkommenschaft sehen und nicht unordentliche Lust suchen. Dann könnt auch ihr auf den Berg des Herrn steigen“. Mit Johannes sind die Jungfrüulichen bezeichnet, mit Jakobus die Bußfertigen. Das wird aber auch an- gedeutet dadurch, daß die Jünger auf das Antlitz niederfallen, aber der Herr rührt sie an, richtet sie auf und spricht zu ihnen: Stehet auf, fürchtet euch nicht! Darum, meine 1) Leg. aur. 418.

) Leg. aur. 870, 3) Sielen-Geschirr des Zugtieres.

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Liebsten, seid ihr in eurem Stande gelallen, sehet, der Herr ist da, bereit euch aufzurichten und wieder zu versetzen in die alte Gnade. Nur müßt ihr aufstehen in wahrer Reue, die auf die einzelnen Stinden sich erstrecken, mit großem Schmerz verbunden und dauernd sein muß“. Am Schlusse der Predigt verweist Rab noch einmal auf die vier Regeln zur Erkenntnis der wahren Reue (vgl. oben 4. Predigt).

In der dritten Predigt war gesagt worden, daß von der Notwendigkeit, der Art und endlich von der Frucht und dem Nutzen der Reue gehandelt werden sollte. Nachdem der Prediger nun die beiden ersten Stücke erledigt hat, kommt er in der Predigt des Sonntags Reminiscere zum dritten, mit dessen Erörterung diese und die beiden folgenden Pre- digten sich befassen.

Das Sonntagsevangelium (Matth. 15, 21 fl.) veranlaßt den Prediger zu der Frage, warum Jesus sich lange weigert, die Bitte des kananäischen Weibes zu erfüllen. Er findet dafür zwei Gründe. Erstens wollte Jesus dem Weibe das höchste Gut schenken. Das mußte diese aber in großer Demut, Geduld und Bebarrlichkeit erstreben; denn je größer das Verlangen nach einem Gute ist, um so fähiger wird der Mensch zu dessen Aufnahme. Zweitens sollte uns das Weib als Vorbild dienen: „wenn ihr geheilt werden wollt und eure Tochter krank ist und vom Teufel geplagt wird, d. h. wenn euer Gewissen von dem Sündenteufel gequält wird, müßt ihr aus den Grenzen von Tyrus und Sidon durch wahre Buße und Reue herausgehen.^ Frucht und Nutzen der Reue ist dreifach: Schuld und Strafe werden nachgelassen, die Tagenden werden wieder hergestellt, die ertöteten Werke werden wieder lebendig gemacht. Von dem ersten Nutzen wird noeh in dieser Predigt gehandelt. Der Sünder handelt gegen die göttliche Freundschaft, die den Menschen teil- nehmen lassen will an der ewigen Seligkeit, und gegen die güttliche Gerechtigkeit, die dem Menschen alles auf Erden zum Gebrauche überließ, Die Verletzung der göttlichen Freundschaft und Gerechtigkeit fordert, daß das, was Gott entzogen worden ist, ihm wiedererstattet wird. „Was aber in der ganzen Welt können wir finden, was Gott cbenso gefällt, wie ihm die Beleidigung mißfallen hat? Siehe, nichts finde ich als das eine Opfer, nämlich einen zerschlagenen Geist und ein demütiges Herz zugleich mit dem Verdienste des Leidens Christi. Das nimmt Gott an und vergibt und vergißt alle Sünden.“ Vgl. Ezech. 18, 21.

Der zweite Nutzen der Reue wird in der nächsten Predigt behandelt Im Tagesevangelium (Joh. 8, 1ff) ist die Rede von den Juden, die tot in Sünden sind, und weil

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sie an Jesus nicht glauben, ihn kreuzigen wollen. Das trifft auch uns, die wir Christus mit unsern Sünden gekreuzigt haben. Er will uns retten, aber nicht ohne unsern Willen. Zu unserer Rettung gaber uns Gebote, Räte und Mittel: Gebote, die allen den Weg zeigen, so daß sich niemand entschuldigen kann; evangelische Räte, an die nicht alle gebunden sind, wie Jungfräulichkeit, Armut und Gehorsam zu bewahren; Mittel, nämlich die heilsamen Sakramente, die aus seiner Seite geflossen sind. In der Taufe wird .allen volle Vergebung der Sünden gewährt. „Das ist das hoff. gewaut, das im der herre Jesus gibt und ane zeucht, das darnoch mag gen hoff ghen und mit dem herrn essen die speyß seynes heyligen fronleichnams.“ „Dieses Mittel ist allen gemein. Er will also alle Menschen selig machen, und es isí in unsern Willen gestellt: Tuen wir so viel, als an uns ist, so ist Gott immer bereit zu tun, was an ihm ist; aber ohne unsern Willen will er uns nicht selig machen.“ Mit der Sünde stellen wir aber ein Hindernis entgegen und geben das Hofgewaud preis; ja die Sünde tötet die Gnade mit allen Tugenden. Weil aber durch die Reue, wie gestern gesagt ist, alle Sünden vergeben werden, wird dadurch auch die ange- nehm machende Gnade und alle Tugenden wieder hergestellt. In der folgenden Predigt (Dienstag nach Reminiscere) zeigt Hab an dem Tagesevangelium (Matth. 23, I ff.), daß jeder darüber zu wachen habe, „das unsere werck nicht wormstichig werden oder faul“. „Aus jedem Diug wird das geboren, was es zu nichte macht: aus dem Holz der Wurm, der es zerfrißt, aus dem Kleid die Motte, die es zerstört, aus dem Kohl die Raupe, die ihn verzehrt. So aus jedem guten Werke der eitle Ruhm, der es ansteckt^ Wie der eitle Ruhm allgemein der Feind guter Werke ist, so tötet jede Todsünde alle guten Werke, verdienstliche und genug- fuende. In lüngerer Ausführung spricht der Redner von der Verdienstlichkeit der guten Werke. Ohne die Gnade vermag kein Mensch weder ex condigno noch ex congruo das ewige Leben zu verdienen, weil in keiner Weise sich das Werk und das ewige Leben vergleichen läßt. „Wenn der Mensch vom Anfang der Welt bis zum Ende lebte, könnte er nicht verdienen, in diesem Reiche auch nur eine halbe Stunde zu sein. Aber nach seiner grenzenlosen Güte hat Gott es so bestimmt, weil der Mensch nar Menschliches und Gott nur Güttliches tun kann: mit jedem guten Werke, was der Mensch tut, mag es noch so gering sein, auch weun du nur einen Schluck kalten Wassers gibst, wenn du mit deinem Almosen den Armen in Livland zu Hilfe kommst, wenn du für die Seelen im Fegefeuer einlegst, wenn du die

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andern Gnaden kaufst, die der Allerheiligste dir anträgt, verdienst du dir auch ex condigno das ewige Leben. Nicht weil dein Werk an sich, nach dem Inhalte der Tat, derart würe, sondern es hat diese Kraft erstens!) auf Grund der göttlichen Ordnung, weil es Gott so geordnet und festgesetzt hat. Gott aber ist unveränderlich und wahrhaftig. Darum auf Grund der göttlichen Bestimmung wird uns für jedes in Liebe und um Gottes Willen getane Werk das Verdienst des ewigen Lebens gegeben werden, und ehe das Wort dieses Herrn verginge, eher würde Himmel und Erde zu- grunde gehen. Denn obgleich das Werk des ewigen Lebens nicht wert ist, so ist es doch entsprechend (congruum), daß, wenn der Mensch getan hat, was Gott geordnet hat, auch Gott tut, was er verheißen bat. Zweitens hat es jene Kraft ex condigno, weil der Mensch, der in der Gnade steht, in seinem Herzen den heiligen Geist hat, der ihn zu heiligen, guten und verdienstlichen Werken bewegt. Darum werden jene Werke angesehen als Werke des heiligen Geistes, die aus der Bewegung des heiligen Geistes eine unendliche Kraft in sich tragen, und es ist wert (condignum), daß unendliche Werke mit unendlichem Lohne bezahlt werden. So belohnt Gott seine eigenen Werke in uns. Drittens wohut jene Kraft in den guten Werken, weil der Mensch durch die Gnade der göttlichen Natur teilhaftig und zu einem Kinde Gottes angenommen wird. Also gebührt nach väterlichem Recht, weil der Wille des Vaters erfüllt wird, solchen, die ex condigno verdienstliche Werke tun, das ewige Leben, und soviel ein Mensch solche Werke hat, soviel mal ver- dient er ex condigno et congruo das ewige Leben. Darum heißen unsere Werke lebendig, weil sie uns zu dem letzten Ziel, der Seligkeit führen können.“ Aber alle diese guten Werke werden getötet durch die Todstinde. Einem Menschen, der in der Todetinde verharrt, nützen die Werke nichts zum ewigen Leben; denn die nachfolgende Sünde hindert ihn am Eintritt ins himmlische Vaterland. Durch die Buße aber werden die toten Werke wieder lebendig. Denn sie beseitigt das Hindernis der Sünde, das nicht ins Himmelreich gelangen läßt.

Am Mittwoch, 7. März, unterbricht Rab die Reihe der Ablaßpredigt. Am Tage des hl. Thomas predigt er tiber die Worte: Hic magnus vocabitur (Matth. 5, 19) wegen des Sieges über das Fleisch, wegen des Zuströmens der Weisheit, wegen der Menge der Verdienste.

Am folgenden Tage kehrt er zu seinem Gegenstand zurück. Das Tagesevangelium vom reichen Mann und dem

!) Das Folgende nach Thomas, Summa 1 II d. 114.

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armen Lazarus (Luk. 16, 19 fl.) gibt ihm willkommene Ver- anlassung, erneut den Ablaß anzupreisen. „Vr hatt den margkt vor der thur“. „Unser allerheiligster Herr, Papst Julius II. zeigt euch die Schwären. des armen Lazarus d. h. der elenden Personen in Livland, von denen manche in die Ge- . fangenschaft weggeschleppt, manche getötet worden sind, die satt werden möchten von den Brosamen, die von euren Tischen fallen. Sehet, sie begehren nicht euer ganzes oder auch nur euer halbes Vermógen, soüdern nur Brosamen d. h. was ihr vermögt gemäß der Bestimmung eurer Beicht- vüter. Für diese Almosen tut er euch auf den allerkost- barsten Schatz des allerheiligsten Jubelablasses, und zwar nicht nur euch, sondern auch euren Eltern und Freunden, ja euch mit den Beichtbriefen auch für die Zukunft. Aber allerdings, wie ich schon gesagt hahe, steht dieser Schatz nicht allen offen, sondern nur denen, die sich dafür bereiten, und das erste bei der Bereitung ist die Reue, über die nun genug gesagt worden ist“,

„Da möchtest du nun sagen: genügt auch schon die innere Reue? Ich antworte kurz: nein. Denn der oberste Priester fügt hinzu: „nur die gebeichtet haben“. Mithin ist's nötig, daß du beichtest oder den Vorsatz hast zu beichten, wenn du vollkommene Vergebung haben willst. Du mußt also volle Reue haben und eine reine und vollständige Beichte hinzufügen. Von dieser Beichte will ich nun sprechen, und zwar von drei Stücken: von ihrer Notwendigkeit, von ihrer Vollständigkeit und von ihrer Vorbereitung.

Die Notwendigkeit der Beichte wird von manchen Ketzern geleugnet, weil Gott die Sünde vergebe, sobald der Sünder aufseufze, und weil nichts von der Beichte des Petrus, des Paulus und der Magdalena geschrieben ist. Auch könne man sich selber eine Buße zur Leistung der Genugtuung auferlegen. Aber, entgegnet Rab, die Reue ist nicht wahr, wenn nicht der Vorsatz besteht zu beichten und Genug- tuung zu leisten. Petrus, Paulus usw. haben auch gebeichtet, trotzdem wir nichts darüber lesen. Eine selbstauferlegte Buße, wäre sie auch noch so groß, wäre ungenügend. Für Tilgung der Erbsünde bedarf es der Taufe, zur Tilgung der Todsünde der Beichte. Wie beim Sakrament der Taufe sich der Mensch den Dienern der Kirche zu untergeben hat, so muß er beim Sakrament der Buße, wenn anders er Ver- gebung aller Sünden haben will, zum Priester gehen und ihm vorlegen alle seine Krankheit, weil er Arzt ist, und seine ganze Sache, weil er Richter ist.

(Fortsetzung folgt.)

Mitteilungen.

Neuerscheinungen.

Zum 18. Juni 1925. Als Festgabe zur 400. Wiederkehr der Vermählung Lnthers mit Katharina von Bora bringt Agnes Bartscherer eine Schilderung des Lebensausgangs Katharinas (Frau Käthe Luther in Torgau. Torgau 1925, 19 8. Druck und Verlag Paul Schiemann). Die Darstellung, die durch Studien hauptsächlich im Torgauer Stadtarchiv unterbaut ist, möchte besonders zeigen, daß die Witwe des Reformators einen erbaulichen Tod wie auch ein ehrenvolles Begräbnis gehabt habe, Eine Abbildung des Grabsteins ist beigegeben. Aus gleichem Anlaß ist die weitaus wertvollste Lebensbeschreibung Katharinas, E. Krotter, Katharina von Bora, Martin Luthers Frau. Ein Lebens- und Charakterbild (1. Aufl. 1906) soeben in 2. Auflage (mit 7 Bildbeilfgen) ausgegangen, Das treffliche Buch, das nur in Einzelheiten verbessert oder ergünzt wieder erscheint, bedarf keiner Empfehlung mehr. Zwickau, Joh, Herrmann. 1925. 1V, 975 S. (geb. M. 4,80).

Zeitschriftenschau.

Allgemeines, Viktor Schultze, Das Bild im Dienste der Reformation (in Allg. Ev.-luth. KZ. 1924, Nr. 44—46), zeigt die mancherlei Wege, die die prot. Kunst des 16, Jahrh. gegangen ist und die mancherlei Mittel, die sie aufgewendet hat, um in Holzschnitt, Kupferstich und Denkmünze, von dem ein- fachen Porträt des Reformators bis zum Passionale Christi et Anti- christi Cranachs, dem Totentanz Holbeins, den vier Aposteln Dürers, ihre Aufgabe an der und für die Ref. durchzuführen, ebensowohl zur Erbauung und Kräftigung der unter dem Wahrzeichen des Evangeliums Stehenden, wie zu Zwecken des Kampfes und der Abwehr wider den Katholizismus und das Papsttum, den „Endchrist“.

J. Wolf, Ein bisher unbekannter Spottdruck auf das Augs- burger Interim, macht auf eine Reihe von vier, vielleicht in Magde- burg entstandenen bezügl. Holzschnitten in der Musiksammlung der Preuß. Staatsbibliothek in Berlin aufmerksam: Zbl. f. Bw. 42, 1925, S. 9—19.

Luther und seine Zeitgenossen. Aus der Verzerrung, die sie auf Grund der Melanchthonischen Formulierung in der ortho- doxen Theologie des 17. Jahrh. und der noch immer von ihr bestimmten

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Lehrüberlieferung gefunden hat, führt Fr. Loofs Luthers Bechtfertigungslehre in ihre ursprüngliche Gestalt zurück, indem er zeigt, was Luther unter Gerechtfertigtwerden verstanden hat, und weist es als töricht ab, die Stärke des Glaubens und den Ernst persönlichen Christentums bei sich und anderen an dem Für- wabrhalten von Dogmen und biblischen Geschichten messen zu wollen. Luther, Mitt. der Lutherges. 1924, Heft 6, S. 88—90,

Luthers Gottesdienstreform 1528—1526 und ihre Lehren für die Gegenwart bespricht K. Eger ebenda 1925 Heft 1, S. 2—11. Ebendort finden wir S. 11—19 das schon gewohnte Luther- Kalendarium G. Buchwalds für d. J. 1525.

Luthers Staatsauffassung behandelt Jul. Binder in Beitrr. z. Philos. d. deutschen Idealism., Beih. 18, 84 8. (1924),

Mit der Entstehungszeit des „Lutherliedes“ beschäftigt sich G. Stuhlfauth in zwei Abhandlungen. Indem er (Monatsschr. f. G. u. k. K. 27 S. 182—192) das Kirchenlied des (im übrigen unbekannten) Ludw. Heilman „Lobt Gott, ihr frommen Christen“, unter dem Ein- druck des 2. Nürnberger Reichsabschiedes (7. Februar 1523) entstanden sein läßt, glaubt er (Z. f. Bücherfr. 16, 1924, S. 99—108 und 140 bis 142) in diesem Liede Anklänge an „Ein feste Burg“ zu finden, dessen Entstehung danach im J. 1521 mindestens sehr wahrscheinlich wäre; doch wird wohl nicht jeder die vermeinten Anklänge als völlig über- zeugend ansehen.

Daß Luther in dem die Messe behandelnden Abschnitt von De captivitate Babylonica ecclesiae seinen Sermon von dem neuen Testament stark benutzt hat, zeigt W. Niesel in N.kirchl. Z. 35, 10 S. 478—481.

In N. kirchl. Z. 85, 9 S. 887—416 stellt L. T h e o b a l d zusammen, was in Luthers Tischreden über den kleinen Katechis- mus beigebracht wird.

Die frühen Lutherbildnisse L. Cranachs teilt mit und erörtert kritisch Joh. Ficker im Anbang zur ZVKG. Prov. Sachsen 20, 1/2. Er vervollständigt damit seinen Beitrag „Aelteste Bildnisse Luthers^ in Jahrgang 17 (1920) der n&mlichen Zeitschrift.

Aus Cod. Vat. lat. 6106 veröffentlicht K. Schellhaß in Mis- cellanea Fr. Ehrle V, S. 478—488 einen Brief des P. Canisius an Kard. Morone von 1577, dem er sein Opus Marianum tibersendet, und bespricht das Zustandekommen dieses Werks,

Im Jahrbuch d. Evang. V. f. westfäl. KG. 25 S. 86—89 teilt Th. Wotschke einen Brief P. Ebers an Bürgermeister und Rat von Lemgo v. J. 1556 mit.

Wie groß und mannigfaltig die Schwierigkeiten waren, unter denen Herzogin Elisabeth von Calenberg, geb. Markgräfin von Brandenburg, ihr Ziel, die Aufrichtung der Herrschaft des Evan- geliums in ihrem Fürstentum, unverrückt verfolgt hat, zeigt der in- haltreiche Aufsatz Ad. Brennekes im Niedersächs. Jahrb. I,

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8. 103—145 „Uber die polit. Einflüsse auf das Reformationswerk der Hgio. Elisabeth im Fürstentum Calenberg-Göttingen (1588 bis 1555)“. Über das Leben und die Schriften des Johann Holtheuser von Hildburghausen (nachweisbar von 1519—1564) der u. a. den Lutherschen Kleinen Katechismus in lateinischer Sprache poetisch bearbeitet hat, berichtet O. Clemen in BBK. 31, 2 8. 50—57.

P. Kalkoff, Der geschichtliche Ulrich von Hutten, wiederholt das abgünstige Urteil über H., das er anderwärts schon ausgesprochen hat. Augenscheinlich ist K. in Gefahr, indem er der früheren Überschätzung des Ritters mit Recht entgegentritt, ihn in allzu schwarzem Lichte zu sehen. Auch die Bezeichnung Sickingens als „des großen Räubers und grausamen Bandenführers" mutet doch sehr einseitig an. Mit vollem Recht dagegen widerlegt K. eine Auf- fassung, die in Hutten und Sickingen die mächtigen Schutzpatrone der beginnenden Reformation sah. Sehles. Jahrb. f. Geistes- u, Naturwiss. Jahrg. II, 4 S. 229—243.

Einen Brief Barthol. Bergners an Georg Karg vom 11. Jan. 1546 nebst K. s Antwort teilt K. Se hornbaum in Th. St. u. Kr., Jahrg. 95, Heft 3/4, S. 299—809 mit.

Ein Gutachten des Dekans Gregor Burmann zu Lehrberg über die Auffassung G. Kargs vom Abendmahl veröffentlicht als Beitrag zur Geschichte des Kargschen Katechismus K. Schornbaum in BBK. 31, 8 S. 111—118.

Ein Lebensbild des calv. gesinnten Heidelb. Diakonen Wilhelm Klebitz, dessen Gegnerschaft T. Hesbusius seine Generalsuperinten- dentur kostete (1559), entwirft A. A. van Schelven im Jahrg. 1928 der Bijdragen voor vaterlandsche Gesehiedenis en Oudheidkunde.

Aus der Briefsammlung Stefan Roths auf der Zwickauer Rats- schulbibl. veröffentlicht O. Clemen in ZKG. 44 (NF. 7) S, 98—105 fünf an Roth gerichtete Briefe des aus Bamberg gebürtigen Georg Kryaner, der in Magdeburg anscheinend als Kantor an der neuen evangelischen Johannesschule lebte, aus den Jahren 1527 bis 1530 mit mancherlei Nachrichten zur Zeit- und Reformations- geschichte.

Die ausführliche Abhandlung von Fr. Roth, Die geistliche Be- trügerin Anna Laminit von Augsburg (ca. 1480— 1518) läßt helle Streiflichter auf das Kulturleben in der Stadt Augsburg am Vorabend der Reformation fallen: ZKG, 43 (NF. 6), Heft 2, S 355—417,

Ebenda, S. 417—422 ergünzt E. Hirsch seine Darstellung der Theologie Osianders an der Hand der von Gußmann in den Quellen u. Forsch, z. G. des Augsb. Glaubensbekenntnisses 1911 veröffentlichten, lange verschollen gewesenen sog. „Schirmschrift“ Osianders.

Ein Brief Georg Kargs an Konrad Praetorius aus Ans- bach vom 27, Dezember 1543, den K. Schornbaun in BBK. 31, 3 S. 88—90 aus den Ansb. Religionsakten des Nürnb. Staatsarchivs mit- teilt, ist u. a. dadurch bemerkenswert, daß er über den fast der Ver-

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geesenheit anheimgefallenen Empfänger, ehemals lateinischen Schul- meister zu Ansbach, dann Pfarrer za Alerheim (1555) Licht verbreitet.

In Zeitschr. f. Buchkunde I, 2 S. 79—89 gibt O. Clemen Er- gänzungen zu den Drucken der Offizin Georg Rhaus in Wittenberg nebst Nachrichten über dessen Leben und Familie.

In HZ. 181, 1 S. 19—40 stellt A. Stern sorgfältig die zer- streuten Nachrichten über den Spanier Gabriel Salamanca Grafen von Ortenburg, den Günstling K. Ferdinands (+ 1589) zusammen, „vielleicht den merkwürdigsten Repräsentanten jener Klasse zu Reich- tum und Macht emporgestiegenen Finanzgrößen des Zeitalters, in dem das Geld seinen Siegeslauf durch die Welt anhob".

Ein von Th. Wotschke aus dem Dresdener HStA. abge- druckter Erlaß des Kurfürsten August von Sachsen vom 80. April 1576 lehrt uns einen durch Cyriakus Spangenberg „verführten“ Eis- leber Bürger Anton Richter kennen. ZVK. Prov. Sachsen 20 1/3, S. 118.

Über Matthaeus W esenbeck und andere Reformierte, die nach 1579 noch in Wittenberg nachzuweisen sind, handelt Th. Wotschke in ZKVG. Prov. Sachsen 20 1/2, 8. 44— 55 unter Mitteilung einiger einschlägigen Dokumente.

Den Entwurf der nicht zum Vollzug gelangten „Reformation und Gottesdienstordnung des Markgrafen-Erzbischofs Wilhelm von Riga“ vom März 1516 veröffentlicht aus dem Königsb. Staatsarchiv P. Karge in Mitt. der Ges. f. G. u. A. zu Riga Bd. 22 Heft 2 (1924), S, 120—161. Einleitend wird die kirchliche Politik des Mark- grafen gewürdigt unter Aufzeigung der Hindernisse, die sich der Durchführung der Reformation iu seinem Erzstift entgegenstellten.

Über Konrad Wimpina (Leben und Stellung zur Ref., Charakter) handelt O. Scriba in Bil. Württ. KG. NF. 28 (1921) S. 143—103.

Landsckaftliches. „Zur Reformationsgeschichte von

Dinkelsbühl aus dem Nachlaß Prof. Bürkstümmers“ veröffentlicht K. Schornbaum in BBK. 81, 9 S. 57—61 fünf Briefe von 1491

und 1581, die zugleich für Nördlingen, Rothenburg und Schwäbisch- Gmünd von Bedeutung sind.

Über Melanchthons Heilbronner Schwester (geb. 1499, t um 1550, nacheinander mit zwei Heilbronner Bürgern ver- mählt) handelt, auf Grund der Akten des Heilbronner Stadtarchivs, M. von Rauch in einem auch für die Reformationsgesch. von H. fruchtbaren Aufsatz des Schwäb. Merkurs (1994 Nr. 4).

In BBK. 81, 1 S. 1—28 (1924) behandelt Fr. Loy den Regens - burger Wucherstreit von 1587—1588, d. i. eine viel Staub auf- wirbelnde Entzweiung unter den Geistlichen der Stadt tiber die Auf- fassung des „Wuchers“, im besonderen die Frage, ob der reichs- gesetzlich gestattete 5% -Zins christlich sei. Der Rat zog die Frage or sich, rief auch Joh. Andre& als Vermittler herbei; doch verloren fünf Geistliche infolge dieser Bewegung ihre Posten.

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H. Clauß, Aus Gunzenhäuser Visitationsakten des 16. Jahrhunderts verbreitet sich auf Grund der bezeichneten, seit 1567 fließenden Quelle über die Pfarreien und Pfarrer des Diakonats G. unter Mitteilung von Auszügen aus einer Reihe von Pfarrlebensläufen, das (vieler Orten sehr dürftige) Pfarreinkommen, den äußeren Zustand der Pfarrhäuser und Kirchen, das Heiligenvermögen. Es sind vielfach noch unfertige Zustände, die die strengere Aufsicht und geregelte Verwaltung der Landesregierung dringend erforderten. BBK. 81, 8 8. 101—110, Die Fortsetzung ebenda 82, 1 S. 83—39 behandelt das Schulwesen (Abdruck der ältesten Leges scholasticae von Gunzen- hausen 1580) und die Kuferen Zustände in der Gemeinde. (Schluß folgt.)

H. Kuhn, Beformationsgeschichte im Kloster Módingen (bei Dillingen) zeigt die außerordentliche, im vorliegenden Falle übel angebrachte Milde, mit der Pfalzgraf Ottheinrich bei der Reformierung seines Landes vorging. Im genannten Kloster fanden die Visitationen Pfalzgraf Wolfgangs noch 1567, 25 Jahre nach Einführung der Kirchenordnung Ottheinrichs, die Nonnen sámtlich dem katholischen Glauben ergeben. BBK. 81, 8 8. 76—88.

In ZGOberh, NF. 39, 1 S. 68—83 teilt G. Batzer „Neues über die Ref. in der Landvogtei Ortenau sowie in den Städten Gengen- bach und Offenburg" mit.

Auf das Exemplar der Konkordienformel für die Grafschaft Castell, einen der wenigen fränkischen Kreisstünde, die jene an- nahm, im fürstlichen Kanzleiarchiv weist K. Schornbaum in BBK. 32, 1 S. 89 hin.

Daß A. Amrheins (Refgeschichtl. Mitt, aus d. Bist. Würzburg) Behauptung, der Würs burger Weihbischof Pettendorfer sei nicht zum evangel. Glauben übergetreten, auf Unkenntnis der Literatur be- ruht, zeigt K. Schornbaum im BBK. 81, 2 S. 611.

Von Laurentius von der Mülen, der im Zusammenhang mit Hermann ven Wieds Reformationsversuch die älteste Druckerei in Bonn gründete, und seinen Drucken handelt A. Piel, ,Gesch. des ältesten Bonner Buchdruckes, zugl. ein Beitr. zur rhein. Reformations- geschichte und -Bibliographie“. Rhein. Archiv Bd. 4 (119 S., mit Abb.).

In den Monatsh. f. Rhein. KG. 18, S. 61—68 erhärtet Forst- hoff seine früher dargelegte Ansicht, dad die Klevischen KOO. «on 1589,88 Zeugnisse nicht erasmischen (wie Hashagen will), sondern eines entschieden evangelisch gerichteten Geistes seien.

M. Wähler, Die Blütezeit des Erfurter Bachgewerbes (1450—1580) würdigt such die Druckertätigkeit in Erfurt unter Aufsählung der aus den einzelnen Pressen, u. a. eines Wolfgang Schenck, Nikolaus Marchalk hervorgegangenen Werke. Mitt. V. G. u. A. von Erfurt Heft 42 (1921), 8. 5—58.

Einen Klagebrief der Benediktinerinnen des im Bauernkriege gestärmten und geplünderten Klosters Holsszeile im Mansfeldischen an den Kaiser vom 19. November 1596 gegen die Grafen Gebhard

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und Albrecht von Mansfeld, die inzwischen die Hand auf das Kloster gelegt hatten und die Herausgabe der geretteten Kleinodien und Schriften verweigerten, veröffentlicht Th. Wotsche ans der Landesbibl. Gotha in ZVKG. Prov. Sachsen 20, 1/2 S. 111—118.

Über Merseburger Archivalien des 15. und 16. Jahrh. (1482— 1549), die in Büchereinbänden der Leipziger Univ.-Bibl. auf- gefunden worden sind, gibt R. Scholz in Thür. Sächs. Z. f. G. u K. XII, 2 S. 89—108 Auskunft. Der Hauptteil stammt aus der Kanzlei des Koadjutors Fürst Georg von Anhalt (1548 49), anderes aus dem Archiv des Klosters S. Petri in Merseburg. Die Mehrzahl der Stücke bezieht sich auf die kirchlichen Verhältnisse in den Pfarrdörfern der Merseburger Diözese in der Reformationszeit; andere Stücke beleuchten die Verfallzeit vor den Beginn der Reform; insbesondere über die Ver- hältnisse des Petersklosters vor dieser erhält man manche Einblicke.

Wittenberger Stammbucheinträge teilt aus der Bayerischen Staats- bibliothek München W. Krag im Zbl. f. Bw. 43, 1 S. 1-8 mit. Sie enthalten u. a. Melanchthoniana, auch einen Bucheintrag Bugenhagens.

Über die älteste Gestalt der Calenbergischen Landes- kirche handelt Ad. B r e nn o k ein ZGes. f. niederskchs. KG. 28, S, 1—8. | Österreich. Unter tunlichst vollständiger Verwertung der betreffenden Archive und Bibliotheken gibt G. Loesche im Jahrb. d. Ges. f. d. Gesch. des Prot. im ehemal. und im neuen Österreich Jahrg. 45/40, S. 47—266 reichhaltigste Beiträge sur Geschichte des Protestantismus in Ober-Üsterreich in den 250 Jahren von den Anfängen bis zum Toleranspatent. Er gibt zunächst S. 47—78 einen kurzen, durch Anmerkungen erläuterten allgemeinen Überblick (die Habs- burger, der evangelische Adel, die Städte, die Prädikanten usw.); daran schließen sich chronologisch geordnete Regesten zur allgem. Gesch. des Prot. im Landl: (S. 74—128, 1528—1781), dann Regesten zur Gesch. des Prot. in den einzelnen, alphabetisch geordneten Orten (S. 128—928); den Schluß bilden Verzeichnis der Abkürzungen, Orts- und Personenweiser. Die mühevolle Arbeit schließt sich den vorauf- gegangenen grundlegenden Schriften des unermüdlichen Verf. sur Gesuch. des österr. Protestantismus würdig an.

Am gleichen Orte S. 1—46 schildert auf archivalischer Grund- lage C. F. Bauer die Schicksale der evangelischen Landschafts- schule in Lins von ihrer Begründung (1550) bis zu ihrer durch roheste Gewalt 1629 herbeigeführten Aufhebung. Ihr Aufkommen zeigt, wie der dem Humanismus und der Reformation verdankte Auf- schwung des Schulwesens auch Österreich zugute kam.

K. Schellhaß, Zum richtigen Verständnis der Brucker Beligionspacifikation vom 9. Febr. 1578, sucht gegen Loserth (in MJÓG. XVIII, 1897) nachzuweisen, daß die bei Hurter Ferd. II, 8. 619—039 Nr. 81 abgedruckte besügliche Aufzeichnung keine Fälschung des Hofvisekanslers Wolfgang Schranz gewesen sei. Auch wenn das zutrifft, ist damit doch Loserths Behauptung, daß Schranz.

159.

bestechlich und als Denunsiant berüchtigt gewesen sei, nicht wider- legt. Quellen u. Forsch. aus ital, A. u. B. XVII, 9 8. 266—277.

Schweiz. Aus den ,Zwingliana, Mitteil. z. G. Zwinglis und der Ref.“, berausg. vom Zwingliverein in Zürich, vermerken wir: 1999, Nr. 1 (Band 4, Nr, 8), 8. 065—841 eine eingehende gelehrte Unter- suchung von F. Jeo klin über den „Sinn des Cymbalum mundi von Bonaventura des Périers", einer 1588 in Paris erschienenen Spott- schrift gegen Calvin. Das Cymbalum mundi (= ,Weltreklameglocke") bleibt denkwürdig, weil es in den Jahren der großen Scheidung der Geister „die Stimme eines der ganz seltenen Humanisten darstellt, die offen zur Skepsis übergingen“. Ebendort S, 82—84 weist der Nämliche nach, daß die sog. Ilanser Artikel von 1581 („Artikel gemeyner dry pünthen“), die nach Wernle eine Kopie des zweiten Artikelbriefes von 1526 sein sollten, vielmehr teilweise eine Ueber- arbeitung der ursprünglichen Fassung darstellen. Im Anschluß daran prüft J. R. Truog S. 84—90 die Entstehungszeit der 1528 vom Obern- und Zehngerichtenbunde nebst Chur usw. aufgestellten wirk- lich ersten Artikel, im Zusammenhang womit sich für Comanders Amtsantritt in Chur und damit gleichsam als Geburtsstunde der Reformation in Graubünden der 24. Februar 1523 ergibt. S. 90—92 weist A. Bonomo auf Spuren von zwei Selbstlebens- beschreibungen Bullingers in einer Hs. der Züricher Zentralbibl. hin. Das Heft bringt endlich eine Kopie eines Miniaturbildes Oeko- lampads, über das Joh, Fickers bezügl. Aufsatz in Zw. 1921, Nr. 1, S. 4ff. zu vergleichen iat.

1932, Nr. 2 (Bd. 4, N. 4) S. 97—111, fortgesetzt und beendet 1923, Nr. 1, S. 129—144 und 1928, Nr. 2, S. 161—178, behandelt J. Wipf Michael Eggenstorffer, den letzten (82) Abt des (Benediktiner-)Klosters Aller Heiligen und die Anfänge der Refor- mation in Schaffhausen. E., seit 1501 Abt, früh der Reformation geneigt, hat letzterer Tür und Tor geöffnet, endlich selbst die Abts- würde niedergelegt, geheiratet und als einfacher Bürger in Schaff- hausen gelebt (} 1552). Die Dokumente, auf die sich die Darstellung stützt, sind mitgeteilt, In Zwingliana 1922, Nr. 2, S. 125—138. gibt ferner R. Hoppeler nach Materialien des Züricher Staats- archivs Lebensnachrichten über den Embracher Stiftsherrn Niko- laus Engelhard, der sich Anfangs der 20er Jahre der Züricher Reformbewegung anschloB. Ebenda 1928 Nr. 1 (Bd, IV, Nr. 5) S. 145—152 gibt A. Corrodi-Sulzer ebenfalls nach Züricher Archivalien Beiträge zur Biographie des Berner Pfarrers Joh. Haller aus d.J. 1547—1550. Auf ein neu zum Vorschein ge- kommenes Kollegienheft eines Zuhörers Biblianders, das eine wertvolle Erg&nzung zu den vorhandenen bildet, macht Else Gut- knecht S. 154 aufmerksam. In den Miscellen S. 155f. äußert sich W. K(öhler) zu der (von ihm geteilten) Behauptung G. Stuhl- fauths, daß Joh. Fabri von Leutkirch Dominikaner gewesen sei.

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10988, Nr. 2 (Bd. IV., Nr. 6) ist G. Meyer von Knonau zum 80, Geburtstag (5. VIII. 1998) gewidmet und mit einem Bilde des -Gefeierten ausgestattet. 8. 174—188 untersucht A. Corrodi- Sulzer Zwinglis Vermögensverhältnisse und zeigt, ‚gestützt auf die Vogtrechnungen für Zwinglis Kinder 1589—1519, be- sonders die erste, entgegen der landläufgen Annahme, daß Zwingli Frau und Kindern ein immerhin ausehnliches Erbe, dessen Größe nach heutigem Geldwert allerdings genau nicht zu bestimmen ist, hinterließ. Persönlich nicht reich, hat er das ansehnliche Vermögen seiner Frau and Kinder als guter Hausvater verwaltet, Ein genaues Inventar des Zwingli’schen Nachlasses (einschließlich des Hausrats) ist S. 180 ‚bis 182 mitgeteilt. Daß Bullinger die Witwe und die Kinder in sein Haus aufgenommen habe, scheint spätere, unbegründete Tradition. Als Beitr. zur Reformationsgesch. von Valendas bei Ilanz druckt E. Kamenisch S. 188—192 einen „Spendebrief“ von 1586 ab. Heft 1924, Nr. 1 (Bd. IV., Nr. 7) ziert die Abbildung eines dem Zwinglimuseum geschenkten zeitgenössischen Ölbildee Melanch. thons nach dem Dürerschen Stich von 1596 (vgl. S. 198f) S. 191—911 bringt D. Fretz urkundliche Mitteilungen zur Lebens- geschichte des Chronisten Bernhard Wyss (1463—1581). 8. 211—918 behandelt E. Bernoulli Joh. Fries d. A., Petrus Dasypodius (Hasenfrats) und Aeg. Tschudi als musikfreundliche Humanisten.

Die Anfänge der Reformation in Freiburg i. U. (1528 1525) schildert A. B ũ e h i. Peter Grod und der Ausbruch der Reform- bewegung in Fr., in Z Schw. Gesch. 18 (1924) 8. 805—828.

K. Gauß, Therwil und Ettingen in der Zeit der Reformation and Gegenreformation (Basler Jahrb. 1925, 8. 107—169) schildert .das gegenreformatorische Wirken des Bischofs J. Chr. Blarer.

Niederlamde. Über den Leidener Buchdrucker Jan Beverss, der, als erstes Opfer der von Karl V. eingerichteten Zensur, 1594 wegen einer von ihm gedruckten reformatorischen Schrift („Summa der godliker scriftenen oft een duytsche Theologie“) zur Ver- mügenskonfiskation und Verbannung verurteilt wurde, handelt M. E Kronenberg, Lotgevallen van Jan Severss, Boekdrukker te Leiden (oa. 1503—1534) en te Antwerpen (ca 1527—1530). SA. aus Het Boek, Jan. 1934 (S'Gravenh. Nijhoff 1924).

Polen, In D. wiss. Zeitschr. f. Polen, Heft 4, 8, 1—26 stellt Th. Wotschke die Beziehungen Hsg. Albrechts von Preußen zu dem führenden poln. Magnaten Graf Andreas Gorka dar.

Druek von C. Schulse 4 Oo. G. m. b. E., Gräfenhainichen.

Die Ablasspredigten des Leipziger Domi- nikaners Hermann Rab (1504-1521). II.

Von D. Georg Buchwald.

Daß den Zuhörern die Ueberzeugung von der Not- wendigkeit der Buße beigebracht wird, ist so wichtig, daß der Prediger sich auch in den folgenden Predigten ausführ- lich damit beschäftigt. Zunächst veranlaßt ihn das Evan- gelium des nächsten Tages von den bösen Weingürtnern (Matth. 21, 33 ff) zu folgender Anwendung des Gleichnisses: „Meine Liebsten, ihr und eure Seele seid der Weinberg, den der Herr mit eigner Hand gepflanzt hat, den kein Engel, kein Mensch, keine Kreatur zu pflanzen vermag. Und in diesem Weinberg pflanzt er Weinstöcke, nämlich den Verstand, das Gedüchtnis und den Willen, die vernünftige und mensch- liche Früchte bringen sollen. Diesen Weinberg umgab er mit einem Zaun d. h. mit der Macht der Engel. Auch grub er darin die Kelter des göttlichen Wortes oder des Gesetzes Gottes, das die Seele nötigt Frucht zu bringen und die gute Frucht des Werkes auszupressen, und er baute den Turm unsres Glaubens, von dem wir in das ganze Land des oberen Lebens und in die Strafe der Hölle schauen können. Seht, meine Liebsten, diesen Weinberg tat er uns gleichsam als den Weingärtnern aus, damit wir Frucht bringen zu seiner Zeit d. h. zur Zeit der Gnade. Darum ist's an uns, zu arbeiten und diesen Weinberg zu bebauen. Denn wenn der Weinberg nicht gebührend bebaut und die Weinstöcke nicht ordentlich beschnitten und die Steine und das Gesträuch nicht beseitigt werden, gibt's keinen guten Wein, sondern wilde Reben. Jetzt müssen wir naturgemäß im Weinberg arbeiten, die Weinstöcke beschneiden, die Erde umgraben und alles Ueberflüssige beseitigen. Und gerade jetzt ist die Zeit da, da ihr arbeiten und die Steine herauswerfen sollt, die während des ganzen Jahres in euren Weinberg ge- kommen sind. Sonst, wenn ihr's nicht tut, werdet ihr das ganze Jahr hindurch keine Frucht guten Weins bringen können. Darum ermahne ich euch, daß ihr die Gnade Gottes

Arehiv für Reformationsgeschiohte. XXII. 3/4. 11

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nicht vergeblich empfangt. Denn Christus, euer Heiland, ist da, euch zu helfen und gänzlich euern Weinberg zu erneuern. Vr must aber den Garten vor erst reynigen, die steyn und die poßen reben zuhauffen pynden’ durch wahre Reue und sie dann völlig hinauswerfen durch wahre, mündliche Beichte, wenn ihr der Vergebung eurer Stinden und der Gnade des aller- beiligsten Jubelablasses teilhaftig werden wollt“. Und nun erweist der Prediger die Notwendigkeit der Beichte zunüchst aus dem Gesetze der Natur.

Das natürliche Gesetz erweist die Notwendigkeit der . Beichte dreifach: in Hinsicht auf die Leitung, auf die Er- zeugung und die Heilung!) Zu 1: „Das natürliche Gesetz leitet den Menschen zu allem, was ihm zum Heil der Seele nötig ist, und lehrt ihn, daB von Natur Gott über alle Dinge zu lieben ist. Gegen dieses Licht der Natur handelt der Sunder, indem er Gott die Ehre versagt und die Liebe, die Gott allein gebührt, auf die Natur überträgt. Es entspricht weiter dem Gesetze der Natur, daß jeder, soviel er vermag, für die Erhaltung seines Lebens und Seins arbeitet und alle Hindernisse überwindet. Darum sagt man gemeiniglich: ‘der krank, der werd gern gesund’. Gegen dieses Gesetz handeln die Stinder; denn sie töten ihre Seele; ja, so oft der Mensch eine Todstinde begeht, hängt er sich an dem Galgen der Hölle auf.“ Daraus ergibt sich, „daß es auch dem Gesetze der Natur entspricht, daß der Mensch alles haßt, was ibn an der Liebe verhindert, und alles sucht, was seine Seele lebendig macht“. Das geschieht aber in der Beichte. Zu 2: Zur Erzeugung gehören zwei oder drei. Fehlt eins, so tritt die Erzeugung nicht ein. ,Zur Gerechtmacbung ge- hört Gott, das Verdienst Christi, der Priester und der Sünder.“ Das kann aber nicht geschehen ohne die Beichte. Zu 3: Wenn der Kranke gesund werden will, muß er seine Wunde aufdecken. Mithin muß auch der Mensch alle seine inneren Wunden dem Beichtvater offenbaren.

Die folgende Predigt erweist die Notwendigkeit der Beichte aus dem göttlichen und evangelischen Ge- setz, indem sie vom Tagesevangelium (Luk. 15, 11 ff.) aus- geht: Alle menschliche Beredsamkeit vermag nicht die Größe der Barmherzigkeit Gottes genügend zu preisen. Sie offen- bart sich im Gleichnis vom verlorenen Sohn. „Darum er- mabne ich euch, meine Liebsten, daß ihr die Gnade Gottes picht vergeblich empfanget; denn seht, mit ausgebreiteten Armen ist jetzt der Herr am Kreuze bereit zur Barmherzig- keit und hat alle Quellen seiner Barmherzigkeit aufgetan und

!) ratione directionis, pruductionis et sanationis.

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wil euch wieder in den früheren Zustand der Neuheit ver- setzen und euch das erste Kleid reichen. Aber dazu ist nötig, daß ihr zuerst umkehrt, indem ihr euch selbst demütig erkennt, über eure Stinden weint und in der Beichte nach- sprecht: Vater ich habe gestindigt in den Himmel und vor dir!“ Auch das göttliche und evangelische Gesetz fordert solches. Zum Beweise hierfür zieht der Prediger Luk. 17, 14 an, da Christus zu den Aussätzigen spricht: ,Gehet hin und zeiget euch den Priestern!“ Christus versprach Petrus die Schlüssel des Himmelreichs und ftigte hinzu: „Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein; und alles, was du auf Erden lósen wirst, soll auch im Himmel los sein.“ (Matth. 16, 19; 18, 18) und nach seiner Auferstehung sprach er zu den Jüngern (Joh. 20, 23): „Welchen ihr die Sünde erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.^ Da- mit hat Christus das Sakrament der Buße und Beichte ein- gesetzt und die Beichtväter bestellt. Die Apostel und ihre Nachfolger sind zu Richtern tiber die Seelen und die Gewissen eingesetzt. Dann aber müssen sie auch alles klar und deutlich erkennen. Mithin müssen die Stinder alle ibre Sünden dem Priester offenbaren.

Es entsteht weiter die Frage: „Wann oder wie oft ist das nötig?“ Mit ihrer Beantwortung beschäftigt sich die folgende, am Sonntag Okuli gehaltene Predigt. Auch sie geht vom Tagesevangelium (Luk. 11, 14ff.) aus. „Gestern habt ihr von mir gehört, wie groß die Barmherzigkeit Gottes sei, daß, wenn alles sich in Zungen verwandelte, sie diese doch nicht zum Ausdruck bringen könnten. Aus dem heutigen Evangelium aber können wir schließen, wie groß die Bosheit der Teufel ist. Denn wie alles Streben Gottes und Christi dahin geht, dass alle Menschen selig werden, so das ganze Streben des Teufels, der umherschleicht wie ein brüllender Lówe und suchet, wen er verschlinge (1. Petri 5, 8) dahin, daß er den Menschen, sobald er zum Gebrauche der Ver- nunft kommt, in seine Schlingen einfüngt. Unter tausend mal tausend wird kaum einer gefunden, der jenen Schlingen zu entgehen vermag. So liest man im Leben der Altväter: Der hl. Antonius sah in einer Vision auf der ganzen Welt Stricke gelegt. Als er den Herrn fragte: Wer, meinst du, kann diesen Stricken entgehen ? antwortete dieser: die Demut). Aber, wenn wir auch tausendmal fallen, immer

1) Vitae patrum V. 15. Migne PL. LXXIII, 958. Leg. aur. 105. Diese Geschichte wird außerordentlich oft zitiert. Auch von Luther W. A, 47, 599.

11*

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ist der so barmherzige Gott bereit uns wieder anzunehmen und immer, so lange wir leben, ist der Quell der Barm- herzigkeit offen. Aber wir können nur auf dem Wege der Buße zu ihm gelangen, und dieser Weg ist nie in diesem sterblichen Leben verschlossen. Manche Ketzer wollen sie freilich beschränken und sagen, die Buße dürfe nicht wieder- holt werden. Das ist falsch und ketzerisch. Aber freilich der Zugang zur Barmherzigkeit steht immer nur offen durch Buße, Reue und Beichte, wie ich das aus natürlichem und göttlichem Gesetz nachgewiesen habe. Nun könnte ah, jemand zweifeln und fragen: „Wie oft oder wann ist dies nötig?“ Der Prediger antwortet: Es gibt eine zweifache Beichte, eine innere und eine mündliche. Die innere geschieht vor Gott und ist wie die Rene stets nötig. Die mündliche geschieht vor dem Menschen. lhre Notwendigkeit ergibt sich aus der Sünde des Menschen oder aus der Satzung der Kirche. Was das Erstere anbetrifft, ist der Mensch ge- bunden zu beichten, so oft er eine Todsünde begangen hat diese Beichte bis zur Sterbestunde aufzuschieben, ist gefährlich —, so oft er das hl. Abendmahl genießen will, falls er in einer Todstinde ist, und so oft ihn sein Ge- wissen drängt, besonders wenn ihm ein Beichtvater zur Ver- fügung steht und die Zeit gelegen ist. Was das Letztere anbetrifft, so hat die Kirche ihre Satzungen aufgestellt um der Not derer willen, die der Beichte bedürfen, wegen der würdigen Vorbereitung zum Abendmahl in der Osterzeit und um der Unterscheidung willen, damit die Hirten die Herde unterscheiden können, auf daß nicht Wölfe sich unter die Schafe mischen und das Osterlamm verzehren.

Von dem Beichtgebot gibt es keinen Dispens. Das setzt die nächste Predigt auseinander. Aus dem Evan- gelium Luk. 4, 23 ff. ist zu ersehen, daß dort Christus wegen des Mangels der notwendigen Voraussetzungen) bei seiner Umgebnng kein Wunder tun konnte und wollte. Das Wunder der Gerechtmachung kann nur bei denen geschehen, die ulles entfernen, was die Voraussetzungen dieses Wunders im Menschen verhindert. Das geschieht aber in der Beichte.

„Aucb der höchste Priester könnte euch keinen Dispens er- teilen, daß ihr ohne sakramentale Beichte Vergebung der Sunden erlangte.“ Ja, „der höchste Priester samt allen Kardinülen und dem Konzil kónnte euch nicht dis- pensieren oder solche Briefe erteilen, daß ihr nicht zu beichten brauchtet. Denn die Beichte ruht auf göttlichem Gesetz. Der höchste Priester aber hat

1) propter indispositionem.

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dieses nicht gegeben, sondern ist dessen Diener. Wie er nicht vom Sakrament der Taufe oder den Artikeln des Glaubens dispensieren kann, so auch nicht von der Beichte.“ „Fragt man aber, wer denn den vielen Hurern, Ehebrechern, Neidischen Dispens erteile, die entweder gar nicht oder nicht recht beichten, so antworte ich kurz: jener Teufel schickt seine Boten tiber die ganze Erde und erteilt solchen Dispens. Aber er verkauft seine Briefe und seinen Dispens sehr teuer, nicht für einen halben oder ganzen Gulden, sondern für die wertvolle Seele, die Christus mit seinem teuern Blut erlöst hat, und kümmert sich sonst um nichts, wie wir lesen 1. Mos. 14, 21, wo der König von Sodom spricht: Gib mir die Seelen, die Güter behalte dir!“

Der Prediger kommt nun auf das Zweite zu sprechen, was er in der 12, Predigt angekündigt hat, auf die Voll-. ständigkeit!) der Beichte, d. b. auf die ihr nötigen Eigen- schaften. Vor dem Tagesevangelium (Matth. 18, 15 ff.) sagt Christus (V. 11), weshalb er in die Welt gekommen sei: uns zu suchen und unsere Krankheit und Schwüche hinweg- zunehmen. Aber damit sich nicht begnügend hat er auch jedem Menschen aufgetragen, seinen Bruder dureh brüder- liche Zurechtweisung zu suchen. Das soll aber nicht will- kürlich geschehen und zu einer Ausforschung werden. In- sonderheit hat Christus dem hl. Petrus und seinen Nachfolgern und den Priestern aufgetragen, die Brüder zu suchen, nicht . nur sieben, sondern siebenzig mal sieben mal. „Siehe, wie sehr sucht uns Christus, 'ader?*) eB ist von noten, wir musßen uns lasBen fynden mit eyner rechten waren rew und wol. geschickten peicht und pußfertigen leben, als dan wen ewer zweyn d. h. der Priester und du miteinander eins werdef und ihr seid versammelt, so ist Christus in eurer Mitte und was ihr bitten werdet, wird euch geschehen. Daß aber die Beichte von rechter Eigenschaft ist, dazu gehört zuerst, daß sie durch die Liebe geregelt ist, d. h. daß du beichtest, nicht nur, weil die Kirche es gebietet oder aus Furcht vor Strafe oder um nicht verachtet zu werden, sondern daß da es tust aus reiner und aufrichtiger Liebe und mit großer Reue des Herzens und Verschmähung aller Sünden und daß du alles vollständig mit allen beschwerenden und erleichternden Umständen sagst. Sonst nützt dir die Beichte nichts, Denn der Priester sitzt da an Christi Statt als Arzt, und weil Christus nur den ganzen Menschen

1) integritas. 1) = aber.

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haben will, und wenn du also heilsame Medizin zu empfangen begehrst, mußt du deinem Beichtvater deutlich alle deine Krankheit zeigen. Sonst nimmt dich Gott weder an noch heilt er dich. Ja, wenn du mit Heuchelei oder Verdeckung herzugehst, begehst du eine neue Todstünde und wirst keine Gnade finden, auch wenn du tausendmal an einem T beichtetest. Weil aber der Teufel weiß, daß ohne vollständige Beichte die Sünden nicht vergeben werden, bemüht er sich, die Menschen mit höllischen Ketten zu fesseln, zumal in dieser Zeit, und sie an reiner Beichte zu verhindern.“ Da- zu erzählt der Prediger eine Geschichte aus dem Leben der Altväter: Der Teufel erschien einst unter den Büßenden. Als man ihn fragte, was er da täte, sagte er, er stelle wieder her, was er genommen habe, nämlich die Scham. So bindet er gemeiniglich die Leute mit der Scham, daß sie ihre Sünden verdecken.

Nochmals betont der Prediger am folgenden Tage die Notwendigkeit der Vollständigkeit der Beichte. Das Evan- gelium Matth. 15, 1 ff. veranlaßt ihn zunächst von der phari- säischen Urteilssucht zu reden. Wenn das Urteil ein Akt der Gerechtigkeit sein soll, ist nötig, daß es aus Lust an der Gerechtigkeit stamme, daß es auf Grund einer Vollmacht gesprochen und daB es nicht eher gefüllt werde, bevor nicht alles erforscht ist. „Wenn wir bei uns selbst Einkehr hielten, würden wir sehen, wieviel Böses dort wohnt, wir wurden wol sehen, was unßer hercz vor eyn mortgruben wer, wie mancher ebrecher, unkeusch, zwifach morder da- rynne lege, cleffer, wescher, wucherer, betriger, frawen- schender, strasßen und gasDenrawber usw. Also in Wahr- heit, wenn wir nicht mit den in unseren Herzen verborgenen Räubern gefangen, gefesselt und au! ewig in das höllische Gefüngnis geworfen werden wollen, müssen wir sie durch reine Reue und Beichte austreiben, so daß nicht ein einziger zurückbleibt.“ Zweitens aber muß die Beichte „tränen reich und bitter und mit dem Vorsatz verbunden sein, in Zukunft auf immer von allen Sünden abzustehen, nicht nur in jener heiligen Zeit“. Es gilt Gott nicht nur mit den Lippen zu ehren, wobei das Herz fern von Gott ist (Matth. 15, 8). So tun die, „die nur, um mit den andern kommunizieren zu können und nicht als Ketzer erfunden zu werden, beichten und versprechen, allen Stolz, eitles Wesen und Neid abzu- legen, und im Grunde ihres Herzens nichts davon fühlen“.

Aber weiter gehört zur rechten Beichte der Glaube. Davon redet Rab in der nächsten Predigt, anknüpfend an das Evangelium Luk. 4, 38 fl. Was dort sichtbar geschehen ist, muß bei unserer Heilung unsichtbar geschehen. Die

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Kranken sind unsere Seelen. Diese können ohne den Ein- fluß der Gnade nicht geheilt werden. Christus allein ist der Arzt, den Gott der Vater in die Welt geschickt hat, zu heilen und zu retten. Dieser Arzt besitzt die Heilmittel gegen alle Krankheiten der Seele. Darum kennt er bei der Heilung keinen Unterschied. Mit gleicher Leichtigkeit heilte er Aus- sätzige, machte er Blinde sehend, Stumme redend und weckte Tote auf. Mit dem allen aber ist die innere Heilung der Seelen angedeutet. Diese aber erlaugt nur, wer zu Christus kommt. Das geschieht durch den Glauben: ‘dan wan eyner nicht eyn glauben ader getrawen zu eym artz hat, Bo wirt er schwerlich gesundt’ Wer also gerecht gemacht, geheilt und erneuert werden will, muß zu allererst glauben; denu „wer zu Gott kommen will, der muß glauben“ und „ohne Glauben ist's unmöglich Gott zu gefallen“ (Hebr. 11, 6). „Der erste Grund eurer Heilung ist, daß ihr glaubt, daß ihr geheilt werden könnt im Blute unseres Heilandes Christi, und dann müßt ihr in Betreff eurer Heiligung und Reinigung ganz gewiß sein.“ „Wenn ibr Vergebung eurer Sünden haben wollt, ist es also nötig, daB ihr den ganz festen Glauben an Gott habt, daß er in diesem Sakrament eure Herzen reinigt, und wenn ihr daran zweifelt, seid ihr noch nicht in der ersten Bereitung zum Empfang der Gnade, auch wenn ihr Reue hättet!) und hättet ge- beichtet, zweifeltet aber, daß ihr Vergebung der Sünde und die Gnade des Jubelablasses empfangen könnt, sei es für euch oder für die Seelen.“ Hierauf geht der Prediger zu der dritten Eigenschaft über, die die Beichte haben muß. Sie muß „diskret und nackt“ sein: „Du mußt dich wohl vorbereiten, alles unterschiedlich za ordnen und nackt und klar mit allen Umständen zu sagen, nämlich: quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando?) und quotiens. Weitere Ausführungen bierüber fehlen.

In der nächsten Predigt wird die vierte Eigenschaft der Beichte behandelt. Sie muß demütig und anklagend sein. Das Evangelium Joh. 4, 5 ff. zeigt Christus an der Quelle sitzend, bereit, auf unsere Bitte lebendiges Wasser zu spenden, das die Kraft besitzt, jeden Durst zu löschen. Das ist der Paradiesesfluß, von dem ein Tropfen größer ist als das Meer. Einen Tropfen aus diesem Fluß hatte Paulus empfangen und er wandelte sich aus einem Wolf in ein

1) gi essetis attriti.

5) Diese Zusammenfassung der philosophischen Kategorien stammt also nicht erst von dem 1791 gestorbenen Philosophen Joachim Georg Daries.

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Lamm —, Matthäus und er wurde aus einem Räuber zu einem Verächter des Reichtums —, Maria Magdalena und er tilgte in ihr alle Schwelgerei, so daß aus einem schwarzen Raben eine weiße Taube wurde. Weder zeitliche oder fleisch- liche Güter noch Ehren können den Durst der Seele löschen. Mit dem Golde kommt die Furcht es zu verlieren und die Sorge, es zu bewachen. Die Fleischeslust gleicht der Hydra: wird ibr ein Haupt abgeschlagen, so wachsen drei andere (Ovid, Metam. 9, 69 ff). Ehren sind Schatten und Eitelkeiten. „Darum ermahne ich euch, daß ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfanget. Denn der Herr ist bereit, euch das Wasser der Gnade zu spenden, das eure Seelen satt machen kann.“ Christus sitzt in eurer Mitte am Brunnen der Barm- herzigkeit. „Aber ihr müßt das Gefäß offen und in Bereit- schaft haben; denn Gott gießt diesen kostbaren Schatz nur in ein gereinigtes Herz; das aber kann nur geschehen durch reine Reue und wahre Beichte, die, wie ihr gehört habt, vollständig, von gutem Vorsatz begleitet, diskret und nackt sein muß. Aber das genügt noch nicht. Es muß als vierte Eigenschaft hinzukommen, daß sie demütig und anklagend ist. Sie muß mit demütigem Herzen geschehen und diese Demut mußt du bekunden in Wort, Kleidung, Auftreten und mußt dich fürchten vor Heuchelei. Du mußt in Demut dich beschuldigen und Barmherzigkeit erwarten, aber dich in deinen Stinden nicht entschuldigen mit deiner Natur oder mit deinem Umgang. So tat Adam, der seine Sünde auf das Weib und auf Gott schob, das Weib aber auf die Schlange. So tun heute noch viele, die sich mehr bemühen sich zu entschuldigen als sich zu beschuldigen und die Schuld auf Gott schieben, daß er sie so schwach geschaffen habe, oder auf den Teufel und seine Versuchung, oder auf den Nüchsten und seine Verführung. Das ist alles falsch. Denn bei allen deinen Handlungen hast du einen freien Willen, ja gegen dein Gewissen bist du nicht verpflichtet zu gehorchen dem Gatten oder der Gattin oder deinen Oberen oder deiner Gesellschaft, in allem mußt du Gott mehr gehorchen als den Menschen. Darum darfst du, wenn du's vermeiden kannst, in der Beichte keine Person nennen; denn nicht anderer, sondern deine Sünden sollst du beichten!).*

Mit der folgenden Predigt schließt. Rab ab, was er über die Beichte zu sagen hat. Er geht aus von dem Evangelium Joh. 8, 1ff. Die Pharisäer glauben, daB der Herr ihnen nicht ausweichen kann. Spricht er das Weib schuldig, so

ı) Vgl. Geffcken, Der Bilderkatechismus des 15. Jahrh. usw. Leipz. 1855. Beil. S. 10.

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ist er unbarmherzig. Spricht er sie frei, so handelt er gegen das Gesetz Mosis. Schweigt er, so ist er feig. Aber sie vermögen doch nichts gegen ihn. Er lehrt das Gesetz halten, er erweist sich barmherzig. So gehen sie beschümt einer nach dem andern hinweg. So standen die Pharisäer am Brunnen der Gnade und erkannten ihre Sünden, erlangten aber doch keine Barmherzigkeit, weil ihr Herz von Stolz, Neid, Heuchelei und Zorn erfüllt und verhärtet war. Aber der Ehebrecherin gewährte er volle Verzeihung und Ver- gebung aller ihrer Sünden und legte ihr keine Buße auf, sondern entließ sie erbarmungsvoll, weil sie vor allem Volk in tiefster Reue Buße getan hatte. „Darum, meine Liebsten, ermahne ich euch, daß ihr die Gnade Gottes nicht ver- geblich empfanget; denn dazu ist der Herr in den Tempel gekommen. Mögen auch, wie ich nicht zweifle, einige Pharisäer sein, die Gottes Werk und Barmherzigkeit schmähen, so wird doch Gott der Herr nicht aufhören, den Quell der Barmherzigkeit denen offen zu halten, die darnach verlangen. Aber nun will ich beschließen, was ich von der Beichte zu sagen hatte. Wenn ihr so, wie ich gesagt habe, mit wahrer Herzensreue, mit demtitiger, vollständiger, anklagender Beichte zum Gerichte der Barmäerzigkeit Gottes unter dem Kreuze kommt, dann verspreche ich von Gott dem Allmächtigen aus, daß alle eure Sünden, mögen sie auch noch so schwer und groß sein, vor diesem Richterstuhl getilgt werden, daB Gott ihrer jetzt und in Ewigkeit nicht mehr gedenken wird. Ja sie müssen mit zum Guten wirken, weil denen, die Gott lieben, alles mitwirkt, insoweit ihr jene durch die Kraft und das Sakrament der Buße und das Verdienst Christi getilgt habt, so daß kein Teufel sie in Ewigkeit mehr wissen wird.“ Zuletzt erzählt der Prediger die Geschichte von einer Römerin, die von ihrem eigenen Sohne empfangen hatte und aus Scham es nicht beichtete!).

Die Predigt von Sonntag Lätare bildet den Uebergang zu der Darstellung des dritten Stückes des Bußsakraments, der Genugtuung. Die Kirche will in der Fastenzeit zu Werken der Buße veranlassen, um die Gläubigen auf den Weg des Heils zurückzuführen und in ihnen die alte Ge- sundheit wieder herzustellen. Bisher ist von der Reue und Beichte die Rede gewesen. Nun ist noch von der Genug- fuung zu sprechen. „Alles, was heute in der Kirche ge-

1) Ex rosario de utilitate confessionis. Gemeint ist wohl „Der beschlossen gart des rosenkrantz Marie“. Vgl. Hasak, Der christliche Glaube des deutschen Volkes beim Schlusse des Mittelalters. Regens- burg 1868. S. 298 ff.

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handelt wird, stellt Freude dar. So durch das ganze Amt der Messe. Im Introitus heißt es (Jes. 66, 10): ‘Freue dich, Jerusalem" und im Evangelium ist die Rede von der freudevollen Erquickung der Menschen. Heute bringt auch der höchste Priester eine gewisse Freude in besonderer Weise zum Ausdruck mit der goldenen Rose, die er in der Prozession trägt, in der Moschus und Weihrauch sich birgt!), und erteilt den Segen tiber alle, die durch das rote Meer aus Egypten gezogen sind, d.h. die Reue empfinden und gebeichtet haben und auf dem Wege zur Genugtuung sind, damit sie mit Freuden den Weg der Wanderung ins hl. Land vollenden. Wir sollen uns also heute freuen um dreierlei Dinge willen: erstens wegen der Tilgung aller Sünden, die getilgt sind dureh das Verdienst des Leidens Jesu Christi und abgewaschen durch sein Blut, weil Gott ihrer jetzt und in Ewigkeit nicht mehr gedenken will, wie Ezechiel (18, 22) spricht: Es soll aller seiner Uebertretung, so er begangen hat, nicht gedacht werden’. Siehe, sie sind getilgt aus dem Gedüchtnis und dem Buche Gottes jetzt und ewiglich, ja Gott versetzt uns wieder in den früheren Zustand und die Paradiesespforte ist uns wieder aufgetan. Sie sind aber auch getilgt aus den Büchern der Engel, die alle solche Taten sorgfältig aufgeschrieben haben und zu diesem Zwecke uns beigegeben sind. Heute aber sind aller Bücher ver- bessert, durch die wahre Buße sind alle Sünden getilgt, darum ist große Freude auch im Himmel; denn wenn dort Freude ist über Einen Sünder, der Buße tut (Luk. 15, 7), so auch über die zahllosen Tausende von Beichtenden. Sie sind aber auch getilgt aus dem Buche unseres Feindes, der alles, auch das Kleinste, aufs Sorgfältigste aufzeichnet?). Nun sind sie aber getilgt durch die wahre Buße, so daß er sich auf keine mehr besinnen kann. Dazu wird die Geschichte von einer Vision Augustins erzählt“). Zweitens dürfen wir uns freuen wegen der Gewißheit und Erleichterung, die unser Gewissen erfahren hat. Drittens sollen sich heute ganz besonders alle freuen, die sich dieses allerheiligsten Jubel- ablasses teilhaftig gemacht haben, weil sie nicht nur von der Schuld, sondern auch von der Strafe befreit worden sind.

Im Eingange der folgenden Predigt geht Rab vom Tages- evangelium (Joh. 2, 13 ff.), der Tempelreinigung aus. Wenn Christus jenén Tempel in so hoher Ehre gehalten haben wollte, welche Ehre fordert er für den Tempel, in dem er nicht nur ein- oder zweimal, sondern immer kommt, wenn

1) Vgl. RE? 17, 148 f. 2) Vgl. Weim. Ausg. 32, 174, 12. *) Entnommen dem rosarium de utilitate confessionis.

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das heilsame Sakrament konsekriert wird! Ja, da kommt er mit seinem ganzen himmlischen Hofe. „Darum ermahne ich euch, meine Liebsten, sehet zu, daß ihr vorsichtig hier- her kommt, damit ihr nicht, wo ihr Verzeihung und Ver- gebung der Sünden empfangen sollt, Sünden begeht, um deren willen ihr wert wäret, daraus vertrieben zu werden.“ Nun ist noch nötig vom Wege der Genugtuung zu reden, die zur Reue und Beichte hinzutreten muß. Zum Beweise dafür beruft sich der Prediger erstens auf Augustin !): „Es genügt nicht, nur die Sitten zu verbessern und von den alten Sünden abzutreten, wenn nicht auch betreffs des Ge- schehenen Gott Genugtuung geleistet wird durch den Schmerz der Buße, durch das Seufzen der Demut, durch das Opfer eines reuigen Herzens unter Mitwirkung von Almosen und Fasten“, zweitens auf die Ordnung der göttlichen Ge- rechtigkeit: „Denn wenn Gott die Sünden nicht strafte, würde folgen, daß Gott ungerecht wäre“. Das zu sagen ist aber ein Irrtum und wäre gegen die hl. Schrift. Das Maß der Strafen richtet sich nach dem Maße der Schulden, ja, die göttliche Gerechtigkeit fordert, daß sie die Gerechten belohnt und die Ungerechten bestraft. Deshalb ist Genugtuung nötig.

Die nächste Predigt geht von der Frage aus, wie es komme, daß man so sehr um das Wohl des Leibes und so wenig um das Wohl der Seele besorgt ist. Es kommt da- her, daß der Mensch den Wert der Seele nicht kennt. Das Tagesevangelium (Joh. 7, 23 ff.) zeigt, daß Jesus niemand am Leibe heilte, bevor er nicht die Seele gesund gemacht batte. Damit wollte er uns lehren, zuerst die Gesundheit der Seele zu suchen. Den Wert der Scele erkennt man an dreierlei: an ihrer Bewachung, an ihrer Erlösung, an ihrer Verherrlicbung. Zu 1: Je edier ein Ding ist, um so sorg- fältiger wird es bewacht. Nichts wird so bewacht wie die menschliche Seele. Gott gab ihr den Nüchsten zum Wüchter, dem er brüderliche Zurechtweisung befahl, aber auch be- sonders geistliche und weltliche Obere (Ezech. 33, 7 ff.), und zudem den Schutz der Engel, so daß jeder Mensch von Geburt an seinen besonderen Engel hat. Endlich bewacht auch Gott selbst die, die ihn lieb haben. Zu 2: Wir sind nicht mit vergünglichem Silber oder Gold erlöst, sondern mit dem teuren Blute Christi (1. Petri 1, 18f): ,frage ihn, wenn du unter dem Kreuz stehst: O du Guter, warum hüngst du da durehbohrt, mit ausgebreiteten Armen und Beinen, und dein Herz wird verwundet? warum weinst dn? warum

) Sermo 351. Migne PL XXXVIII, 1549, Vgl. Decr. II. 3. dist. 1. c. 63. i

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betest da? Und er wird antworten: Ich bin zu dem Kreuz gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren war.“ Zu 3: Gott hat der Seele bereitet, was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört hat usw. (Jes. 64, 4; 1. Kor. 2, 9). „Aber, meine Liebsten, zu dieser Herrlichkeit wird niemand kommen können, der nicht ganz gesund gemacht worden ist. Denn der Herr will in seinem Reiche keinen Kranken oder Unreinen haben. Darum ist es nötig, daß ihm zuvor Ge- nugtuung geleistet wird und wir völlig gereinigt werden, sei es hier durch Genugtuungswerke, sei es anderwürts durch die Fegefeuerstrafe.“

Auch die folgende Predigt führt die Darstellung noch nicht weiter. Das Tagesevangelium Joh. 9, I ff. zeigt, daß, wenn wir nicht erleuchtet werden, dies nicht an Gott, sondern an uns liegt: wir nehmen das Licht nicht auf, weil wir unsere Fenster verschließen, sei es aus Vorsatz oder aus Nachlässigkeit, weil wir den Weg Gottes nicht kennen. Aber auch Unkenntnis entschuldigt nicht, ,Darum ermahne ich euch, meine Liebsten, daB ihr die Gnade Gottes nicht ver- geblich empfanget. Ihr seid nun von Christus durch mich erleuchtet worden, wie ihr gehalten seid, für eure Sünden Genugtuung zu leisten. Geschieht das hier nicht vollständig, so werdet ihr im Fegefeuer zu büßen haben. Das muß uns bewegen hier Genugtuung zu leisten; denn nicht Gott, sondern ihr seid daran schuld, wenn ihr's versäumt. Und dazu dienen auch die apostolischen Briefe. Denn, wie wir lesen, steht nur dreierlei Menschen der Himmel unmittelbar offen: denen, die eben getauft sind, den Mürtyrern und den Vollkommenen, nämlich allen, die in Wahrheit Buße tun, nämlich die Buße erfüllen.“

Zu den Werken der Barmherzigkeit, die zu den genugtuenden Werken gebüren, führt das Evangelium des nächsten Tages von der Auferweckung des Jünglings zu Nain (Luk. 7, 11 ff). „Darin hat er uns sicher lehren wollen, wie sehr wir alle geneigt sein sollen, mit unsern Nächsten Mitleid zu empfinden so, daß wir deren Elend gewissermaßen uns ius Herz prügen und es mit der Liebe, als würe es das eigene, vertreiben, und dazu hat er uns auch die ganze Kreatur als Vorbild vorgestellt. Denn der Himmel samt allen Sternen müht sich unsere Mängel zu vertreiben in dieser ganzen Zeit, die Sonne am Tage, der Mond mit den Sternen bei Nacht. Und wieviel Elend vertreiben Feuer, Luft, Wasser und Erde! Ja alle Tiere öffnen uns in ge- wisser Weise ihre Barmherzigkeit und lehren uns und rufen uns auf zur Barmherzigkeit und zum Mitleid.“ Diese Werke aber stellen Genugtuung für die Sünden dar, verdienen

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das ewige Leben, und wir sind zu ihnen verpflichtet durch göttliches Gebot. Dreierlei genugtuende Werke stellen die Lehrer auf: Gebet, Fasten und Almosen. Letztere sind Gott besonders angenehm. Denn wer Almosen gibt, verpflichtet den Empfänger zum Gebet und zum Fasten und anderen guten Werken für ihn, und sicherlich leisten zwei oder drei mehr Genugtuung als einer. Ferner ist das um Gottes willen gespendete Almosen wie ein Opfer: ein Opfer aber hat Gebetskraft; wieviel du also Almosen spendest, so viel Gebete tust du und so viel Beter bestellst du für dich, ja diese Werke selbst treten für dich vor das Angesicht des Höchsten, daher gibt Daniel (4, 24) dem König den Rat: „Mache dich los von deinen Sünden durch Wohltat an den Armen.“ Jene Werke verdienen aber auch das ewige Leben nach Matth. 25, 31ff. Endlich sind wir zu ihnen verpflichtet durch göttliches Gebot. „Aber, obgleich ihr allen nach Ort und Zeit zu Hilfe kommen müßt, so doch denen vor allem, die in größter Not sind. Ich könnte euch z. B. an die Armen in Livland erinnern, aber ich setze euch jetzt als Beispiel die armen Seelen, die im Fegefeuer gehalten werden, die verstoßen sind in den härtesten Kerker der Genugtuung, wo sie die allerschwersten Strafen leiden. Und diese Strafen werden noch dadurch erschwert, daß sie damit nichts vom Lohne des ewigen Lebeus verdienen können, weil sie außerhalb der Grenze des Verdienstes sind. Denn wenn der Mensch stirbt, ist er in dem Zustande, da er empfängt nach seinen Werken und nicht mehr verdienen kann. Ja, auch dadurch wird ihre Pein erhöht, daß sie der Vergessenheit anheim- fallen seitens derer, die sie im Testament bedacht haben, ihrer Freunde und Verwandten. Darum schreien sie ohne Unterlaß mit starker Stimme. Aber seht, jetzt ist euch der Schatz des Verdienstes Christi und der Genugtuung aufgetan und sie sind in der größten Not, ohne sich selbst helfen zu können. Ich weiß nicht, wie ich euch von der Uebertretung dieses Gebotes entschuldigen könnte, wenn ihr ihnen nicht zu Hilfe kommt. Darum ermahne ich euch, daß ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfanget.“

In diesen Gedanken fährt die folgende Predigt, an- kuüpfend an das Evangelium von der Auferweckung des Lazarus (Joh. 11, 1 ff.) fort. „Darin will uns Christus lehren, wie herzliches Mitleid wir haben müssen mit den ärmsten Seelen, die im Fegefeuer beschlossen und begraben, an Händen und Füßen gebunden sind, d. h. die sich nicht selber durch gute Werke helfen können, da sie sich außerhalb des Verdienststandes befinden, und die vom heißesten Verlangen

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und Durst nach dem Genuß des ewigen Gutes und dem Wasser des himmlischen Vaterlandes gequält, ja von den Teufeln verspottet werden, weil sie allen diesen Strafen durch das Verdienst des Leidens Christi hätten entgehen können und haben’s nicht getan. Ja auch ihre Füße sind gebunden, daß sie nicht zu uns kommen können, uns ihr Elend mit- zuteilen, ‘und also seyn sie angeschmidt mit henden und frÜen und sitzen mitten yn dem höllischen Fewer, Denn dieses Feuer unterscheidet sich vom hellischen Feuer nur durch die Dauer, weil es nicht wie jenes ewig währt. Und dort müssen sie bleiben, bis alles, worauf sie gebaut haben, verzehrt ist.“ Der Prediger führt den letzten Gedanken weiter aus, indem er sich mit 1. Kor. 3, 12f. beschäftigt. „Wir sind alle Bauleute, die Gott den Tempel bauen sollen, in dem er ewig wohnen will, dessen Grund Christus und der Glaube ist. Aber die Bauleute sind dreifacher Art. Manche zerstóren diesen Tempel, indem sie in Todstinden leben. Von ihnen spricht Paulus (1. Kor. 3, 17): So Jemand den Tempel Gottes verderbet, den wird Gott verderben. Andere bauen darauf Gold, Silber und Edelsteine, nümlich das Gold der glühenden Liebe Gottes ihnen ist es leicht alles zu tun, alles zu leiden um Gottes willen —, das Silber der Liebe zum Nüchsten und Edelsteine, d. h. die Werke aller Tugenden; und wenn jene auch bisweilen vergebbare Sünden begehen, so ist doch das Feuer der Liebe in ihnen 80 groß, daß es sogleich die vergebbaren Stinden verzehrt durch Gebete, Wachen, Fasten und Gottesdienst. Andere aber bauen darauf Holz, Heu und Stoppeln. Das sind die, die in der Liebe sind, sich aber so von den weltlichen Dingen, von fleischlichen Gentissen und von Ehren einnehmen lassen, daB, wenn sie auch nicht gegen Gott und die Liebe handeln, ja lieber den Tod erleiden würden, als eine Tod- Sünde begehen, sie doch Holz, Heu und Stoppeln aufbauen, d. h. vergebbare Sünden und diese werden selig, aber nur durch das Feuer, sagt Paulus. Darum müssen sie dort sitzen, bis alles Holz, Feuer und Stoppeln verzehrt ist, und, weil sie gebunden sind, kónnen sie dieses Feuer nicht aus- lóschen. Aber weil sie uns durch die Liebe verbunden sind und, so lange sie hier lebten, es um uns verdient haben, daß ihnen unsere Werke nützten, liegt es in unserer Macht ihnen zu helfen und dieses Feuer auszulöschen durch die Fürbitten, die für die Verstorbenen geschehen.“

Von der Verführung durch die weltlichen Dinge spricht die folgende Predigt weiter. Aus dem Evangelium Joh. 8, 12 ff. erkennen wir, daß wir das Licht des Lebens für unsere irdische Pilgerfahrt brauchen. Der Weg ist voller Stricke

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wieder wird auf jenes Gesicht des Antonius!) verwiesen. Das wird an den zeitlichen Dingen und ihrer Verführung gezeigt. Wären wir vom göttlichen Lichte erleuchtet, so würden wir erkennen, wie die ganze Kreatur uns zu Gott erheben sollte. Dafur wird ein Beispiel aus dem Leben der Altväter angeführt, wo ein Vater Gott dankt, daß er so viele, unzählige Geschöpfe geschaffen hätte, die ihn lehrten Gott zu loben.

Außerhalb des Zusammenhanges bebandelt die Predigt am Sonntag Judika die Frage, ob Jemand noch am Ende seines Lebens Buße tun könne. Im Sonntagsevangelium Joh. 8, 46 ff. ist vom Tod die Rede. Es gibt eine Ver- schiedenheit des Todes wie des Lebens: Wie einer gelebt hat, so stirbt er“). Wie das Leben der Gerechten gut, trefflich und lobenswert ist, so ist auch vor des Herrn Antlitz der Tod der Heiligen köstlich (Ps. 116, 15). Der Tod der Sünder aber ist sehr schlecht; denn er ist zweifach, zeitlich und ewig, Darum muß unser ganzes Streben zeitlebens dahin gerichtet sein, daß wir lernen wohl zu sterben, wie ein heiliger Vater sagte, als man ihn fragte, was er in der Wüste tue, er lerne zu sterben. ‘Dan jar schwerlichen als das Leben ist, 60 ist auch der todt? „Bei dieser Ge- legenheit frage ich, ob jemand noch am Ende seines Lebens Buße tun könne?“ Rab gibt darauf nach den Lehrern der Kirche folgende Antwort: „Gott verleiht jedem die Gnade, der tut, was an ihm ist®), und der sich auf die Gnade be- reitet zu jeder Stunde und in jedem Augenblick, bevor er im Bösen verstrickt ist. Und weil der Mensch auch noch am Ende seines Lebeus den Gebrauch des freien Willens haben kann, braucht man an keinem zu verzweifeln, so lange noch die Seele im Leibe ist. Denn wenn der Schächer am Kreuze Gnade erlangte, warum nicht auch andere? Ja, ich halte sogar dafür, daß die Mehrzahl der Menschen durch späte Buße selig werden, die vielleicht in 30 oder 40 Jahren nicht recht gebeichtet haben, aber vielleicht Beichtbriefe be- Sitzen und mit wachsender Hoffnung auf jene Briefe zur wahren Herzensreue durch die Kraft des Sakraments ge- langen. Aber trotzdem, wenn auch die Buße nicht zu spät sein künnte, gelingt es doch selten, daB diese Beichte oder Buße eine wahre ist. Dafür gebe es viele Gründe, von denen ich nur zwei anführen will: die Leiden, die den Menschen zerstreuen, und die Verführungen durch den Teufel,“ Der

) Vgl. oben S. 163 n. 2. ı, Sieut aliquis vixit, ita et ınorixit, ) cui libet facienti, quod in se est.

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Prediger verweist nun auf die Predigten, die er am 3. Advent 1506 und den folgenden Tagen gehalten hat!). Er wird also das, was er dort verzeichnet hat, in Torgau wieder ver- wendet haben. Da redet er davon, daß ein Schmerz den andern bindere. Auf der einen Seite fühle der Sterbende den Schmerz der Sünde, auf der anderen den Schmerz des Todes und der Krankheit. Wie sollte er in einer Stunde das Feuer auslöschen, das er während seines ganzen Lebens angezündet habe, und die Knoten der Sünde lösen, in denen er seine Seele verstrickt habe? Die Versuchungen aber, mit denen der Teufel den Sterbenden quält, erstrecken sich auf den Glauben, auf die Hoffnung und auf die Beichte. Der Teufel bringt ihm Zweifel über ein neues Leben oder über die Höllenstrafen oder über die Vergebung der Sünde bei: 80 versucht er seinen Glauben. Er ficht weiter seine Hoffnung an, daß er daran zweifelt, daß Gott sich seiner erbarmen könne und wolle. Weil die Hoffnung aus guten Werken kommt, ruft der Teufel alle Sünden ins Gedüchtnis und macht sie schwerer, erinnert ihn an Gottes Gerechtigkeit, so daß es ihm unmöglich sei bei der Menge seiner Stinden Buße zu tun und vor allem am Ende seines Lebens. Endlich sucht der Teufel den Sterbenden von der Beichte abzuhalten, indem er ihm einredet: du bist noch nicht so krank! Da nimmt er die Aerzte und Verwandten zu Hilfe, die es ver- schmühen den Geistlichen oder Priester zu holen, ‘dan sie lasßen bedunken, si musßen palde sterben, wenn sie beichten ader kommunicirten'*).

Am folgenden Tage, 26. März, wurde die Reihe der Predigten durch die Feier der Verkündigung Mariü unter- brochen. Als Text wühlte der Prediger Luk. 1, 38. Das Thema lautet: Dreierlei haben diese Jungfrau für die gütt- liche Empfängnis geeignet gemacht, ihr so kräftiger Glaube, ihre so tiefe Demut und ihre unbegrenzte Liebe.

Die nächsten Predigten stehen in loserem Zusammen- hang mit dem großen Predigtplan. Eigentlich hätte sich schon jetzt die Behandlung des Abendmahls anschließen müssen. Da aber der Prediger sich dies für die Charwoche, für die Zeit unmittelbar vor der Abendmahlsfeier, vorbehalten hat, sucht er sich für die in der Zwischenzeit noch zu haltenden Predigten einige andere, mehr an der Peripherie liegende Stoffe oder berührt bereits Behandeltes von neuem.

Das Evangelium des Dienstags nach Judika (Joh. 7, 1 ff.)

) Band 1513 Bl. 176 ff.

2) Darauf folgt: Exemplum de anglico milite. Welche Geschichte meint er?

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veranlaßt Rab darauf hinzuweisen, daß, während sonst viele ein offenes Bekenntnis von Jesus ablegten, jetzt in Jerusalem, aus Furcht vor den Pharisäern und Schriftgelehrten Niemand ein solches wagte (v. 13). ,So band sie die Furcht vor der Welt, daB sie nicht wagten, die erkannte Wahrheit zu be- kennen, obgleich sie seine Wunder schauten und im Geheimen sagten, daß er gut wäre.“ Daraus ziebt der Prediger die Lehre: ,Es genügt nicht, daB der Christ im Herzen glaube, sondern es ist heilsnotwendig, daß er ihn auch bekenne*. Wer selig werden will, muß Glauben und Tugendcharakter!) besitzen. Auf doppeltem Wege gelangt man zum Heil: durch cigenes oder durch fremdes Verdienst. Auf dem letzteren Wege die Kinder, „denen in der Taufe der allgemeine Tugendcharakter (der bei ihnen allerdings nicht zur Tat kommt) eingegossen wurde. Für sie tritt das Verdienst Christi ein, dessen sie zu ihrem Heil in der Taufe teilhaftig werden. Aber die, die den Gebrauch des freien Willens haben, sind gehalten, dem Verdienste Christi das eigene hinzuzufügen in Tugendhandlungen. Diese aber hängen ab von der Handlung des Glaubens, der die Absicht leitet, der muß uns den wegk weyßen’. Der Glaube ist also heilsnotwendig.“ „Gott läßt keinen im Stiche, der das Heil sucht“). Ja, wenn er auch im Walde geboren würde, aber täte, was an ihm ist, so würde Gott ihm einen Lehrer oder Engel schicken, wie es viele in Betreff der b. Barbara annehmen, und wie der innere Glaubensakt heilsnotwendig ist, so auch das Bekenntnis des Glaubens. Ein wahrer Christ muß also alle Furcht ablegen.“ Wie Christus um unsertwillen körperlich Leiden nicht fürchtet, um uns vom Tode zu erlösen, so dürfen wir keine Furcht haben und müssen bereit sein, selbst den Tod zu erleiden. „Gegen den Glauben handeln die, die aus Furcht vor dem Tode zu Beschwörungen und abergläubischen Handlungen ihre Zuflucht nehmen, um zur Verdammnis ihrer Seele den Leib zu retten.“

In der nächsten Predigt spricht Rab noch einmal vou der Gefahr, in die sich die begeben, die ihre Bekehrung bis zur Todesstunde aufschieben wollen. Der Haupt- teil der Predigt behandelt das Tageserangelium Joh. 10, 92 fl. Darin zeigt Christus den Unterschied zwischen seinen Schafen und denen des Teufels. Christi Schafe hören Christi Wort, d. h. sie gehorchen den göttlichen Geboten, werden dadurch erquickt und folgen Christus nach. Die

) habitum fidei. % Nach Thomas, III d. 25g 2a 1.

Archiv tür Heformationsgeschichte. XXII. 8,4. 12

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anderen „sind mit Teufelsspeise erfüllt und haben einen Abscheu vor der Speise Christi.“ „Darum ermahne ich euch, meine Liebsten, daß ihr jetzt in dieser Gnadenzeit die Gnade Gottes nicht vergeblich empfanget, daß ihr als Christi Schafe seine Stimme hört und gern seine Gebote und Befehle erfüllt, nicht aber bis zur Todesstunde wartet und erst dann zur Gemeinschaft der Schafe Christi kommen wollt, das yr al ewer lebtage wolt füren eyn wulffisch leben und am Ende mit einem Leben als Schafe den Schluß machen solltet. Und wenn das auch möglich sein. sollte, so ist's doch geführlich und zweifelhaft wegen dér Versuchnng des Teufels, wie ich früher auseinander gesetzt babe.“ Nochmals erinnert Rab daran, wie der Teufel in der Sterbestunde zu Mißglauben und Verzweiflung zu führen sucht.

Auch die folgende Predigt berührt das Gefährliche, die Bekehrung bis ins Sterben zu verschieben. Im Hinblick auf das Tagesevangelium Luk. 7, 36 ff. erklärt der Prediger, daß, was der Pharisäer an Jesus tat, diesem nicht gefiel,

weil die Liebe fehlte Daraus folgert er die Lehre, daß, „wollen wir nicht die Frucht der guten Werke verlieren, wir sie im Feuer der Liebe kochen lassen müssen“. Nachdem er das an manchen Beispielen, auch am Amte des Predigers gezeigt hat, wiederholt er die alte Mahnung, die Gnade Gottes nicht vergeblich zu empfangen und recht oft, aus Liebe, nicht aus Furcht oder gezwungen zum Kreuze Christi zu kommen. „Und darum sagen die Lehrer, daß es ge- fübrlich sei, dies bis zur Todesstunde aufzuschieben, weil es dann, wie anzunehmen ist, nicht aus Liebe, sondern aus Furcht geschieht.“ Zuletzt wird die viel verwendete!) Ge- schichte von dem Magister Silo erzählt. Diesem erschien ein verstorbener Schüler und berichtete ibm von den Fege- feuerqualen. Als der Magister diese für gering hielt, ließ ihn jener Schüler die Hand ausstrecken: da fiel ein Schweiß- tropfen darauf, der schneller als ein Pfeil unter furchtbarem Schmerz die Hand durehbohrte. Jener aber sprach: So bin ich ganz. Hierüber erschrocken, beschloß der Magister ins Kloster zu gehen ).

Die beiden folgenden Predigten behandeln die Not- wendigkeit .des Opfers Christi. Die erstere geht von

) Z. B. auch von Capistrano in Leipzig vgl. Beitr. z. sächsischen Kirchengesch. 26, 150. Auch der Leipziger Propst Johann Grunde- mann führt die Geschichte mehrfach an (seine Predigten sind noch nicht bearbeitet), -

*) Leg. aur. 783,

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dem Tagesevangelium Joh. 11, 47ff. aus und spricht von den drei Konzilien, die die Juden tiber Christus hielten: das erste im Texte, das zweite am Palmsonntag, das dritte mit Judas. Dann wird die Frage aufgestellt, „ob es nötig war, daß ein so Heiliger, so Göttlicher, so Gerechter, so Unschuldiger, in dem kein Betrug war, in dessen Munde auch kein Betrug erfunden wurde, getötet wurde zur Er- lösung des Menschengeschlechts, da doch ohne Zweifel der glorreiche Gott unzählige andere Weisen hätte ausfindig machen können zur Erlösung der Menschheit?“ Die Antwort lautet: „Wohl hätte Gott auf unzählige Weisen die Menschheit erlösen können. Aber in Anbetracht dessen, daß die ganze Menschheit in ihren ersten Eltern gefallen und nicht nur zum zeitlichen, sondern auch zum ewigen Tode verurteilt worden ist, war es infolge der Notwendigkeit der Ueber- einstimmung und der Unwandelbarkeit, weil es Gott von Ewigkeit her so beschlossen hatte, nötig, daB die Wieder- herstellung durch den heiligsten und unschuldigsten Menschen erfolgte, den Gott erschaffen konnte.^ Das entspricht aber auch der göttlichen Güte: die Menschheit war wiederher- stellungsfähig; darum gebührte es sich auch, sie wieder- herzustellen und der göttlichen Gerechtigkeit, die die Weise der Genugtuung fordert.

Die andere Predigt spricht im Anschluß an das Tages- evangelium (Joh. 12, 10ff.) davon, daß Jesus, nachdem er den Vater mit seinen Predigten und Wundern verklärt habe, „bitte, daB er nun verklärt werde in seinem bittersten Leiden, damit die ganze Welt an seinem Leiden und Sterben ihn als den wahren Sohn Gottes erkenne“. Darum wird die in der vorigen Predigt gestellte Frage wiederholt und näher darauf eingegangen, daß die göttliche Gerechtigkeit dieses große Opfer forderte. Die Sünde der ersten Menschen barg kraftmäßig') in sich die Stinden aller Menschen, somit war sie unendlich: erstens wegen der Unendlichkeit der göttlichen Majestät, die durch den Ungehorsam verletzt wurde, zweitens wegen der Unendlichkeit des Gutes, dessen die Menschen beraubt wurden, drittens wegen der ver- derbten, der Unendlichkeit fähigen Natur. „Darum kann keine reine Kreatur, weder Engel noch Menschen, noch auch alle zusammen Gott Genugtuung leisten für die Sünde der ersten Eltern. Ja, jede Kreatur schuldet bereits sonst Gott alles, was sie hat, und die Handlung und Genugtuung jeder Kreatur ist begrenzt und beschränkt. Darum war es nötig, daß Gott uns einen solchen Menschen gab, der Gott so viel

1) virtualiter. 12*

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leisten konnte, als die Beleidigung erforderte, und dieser mußte wahrer Gott und Mensch sein, so daß er fähig war, Genugtuung zu leisten, und daB er unbegrenzte Kraft und Wirkung hätte. Das ist Christus, unser Heiland und Mittler.“ Der Prediger schildert nun Christi Leiden und Sterben: „Auf dem Wege des Opfers brachte er Gott dem Vater sein allerheiligstes Leben mit dem Ausflusse seines ganzen Blutes dar aus unbegrenzter Liebe und Gehorsam mit der Allge- meinheit seiner Leiden. So brachte er Gott mehr dar, als die Beleidigung durch die ganze Kreatur erforderte, erstens wegen der Größe seiner Liebe, mit der er litt, zweitens wegen des Wertes seines Lebens, das er zur Genugtuung gab, das das Leben der Gottmenschen war, drittens wegen der Allgemeinheit seines Leidens. Somit war sein Leiden nicht nur genügend, sondern übergenügend!) (1. Joh. 2, 2). Darum hat Gott der Vater das Opfer angenommen, die Pforten des Paradieses aufgetan und aller Beleidigung vergessen."

In den drei Predigten Montag, Dienstag und Mittwoch nach Palmarum behandelt Rab endlich das heilige Abendmahl?). Diese drei Predigten bilden gewissermaBen ein Ganzes, da sie sich sämtlich an den Montagstext Joh. 12, 1ff., Jesu Salbung im Hause von Bethanien, durch Maria, anschließen. „Meine Lieben," beginnt die erste Predigt, „ich ermahne euch von Herzen, daß ihr den Quell der Gnade, der wahrhaftig und wirklich in dem heilsamen Sakrament des Abendmahles enthalten ist, nicht empfanget vergeblich, d. h. nieht ohne seine Frucht und seinen Erfolg, die bestehen in der Einverleibung in Christus, der Erhaltung im geistlichen Leben, der Vermehrung der Gnade, der Wiederherstellung des Verlorenen, insofern die Sünden und Strafen nachgelassen werden, der geistlichen Erquickung wegen des Vergessens der vergebbaren und der Todsünden, der Entnahme aus dem Fegefeuer. Von dem Allen kann ich jetzt nicht reden, Das würde zu viel Zeit erfordern, wenn ich es darlegen wollte. Darum entschuldige ich mich wegen der Unvollständigkeit; denn ich will nur von dem reden, was zur Vorbereitung auf das ver- ehrungswürdige Sakrament nötig ist.“ Einmal wenigstens im Jahre ist der Erwachsene verpflichtet „in Bethanien, d. h. im Hause des Gehorsams“ das Mahl zu bereiten. In der ersten Kirche geschah es täglich, dann dreimal im Jahre.

) superabundans.

2) In die palmarum non praedicavi, sed plebanus praedicavit in- hibitiones, d. L. er gab bekannt, wer vom Abendmabl ausgeschlossen si (vgl. über dio Passionspredigten?.

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Es bedarf dazu sorgfältiger Vorbereitung; denn „nicht der römische König noch der Papst oder ein Bischof oder ein Fürst, sondern die göttliche Majestät“ kommt „und bringt mit sich die Speise seiner Göttlichkeit, seines Leibes und Blutes, am Kreuze vergossen. Es muß dabei sein „Martha, die dient, Lazarus, der da liegt, und Maria, die salbt“.

In jeder der drei Predigten wird an einer dieser Per- sonen ein Stück der rechten Bereitung nachgewiesen. „Martha heißt die Herrschende!). Darunter ist der Glaube zu verstehen, der die Vernunít beherrschen und gefangen nehmen muß, damit man das, was das Gesicht nicht sieht, das Ohr nicht hört, die Vernunft nicht faßt, mit dem Lichte des Glaubens festhält und glaubt, daß Christus unser Heiland da ist, so wie er von der Jungfrau geboren ist, wie er im Tempel gepredigt hat, wie er mit Martha, Lazarus und Maria zu Tische saß, wie er am Kreuze hing, wie er zur Rechten des Vaters sitzt und wie er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Toten, und daß nicht nur Leib und Blut gegenwärtig ist, sondern die Göttlichkeit Christi, die Seele Christi. Dafür lassen sich freilich keine Vernunft- gründe anführen, auch kann das der Verstand nicht fassen. Darum muß der Glaube den Verstand gefangen nehmen, muß herrschen und bei Tische da sein, wenn wir in ver- dienstlicher Weise mit Christus erquickt werden sollen. Wohl aber kann alles erwiesen werden durch die Autorität des Erlósers, der dieses Sakrament einsetzte und, indem er es seinen Jüngern gab, sprach: Nehmet hin und esset, das isí mein Leib' auch durch die Vernunft also: wenn Gott alles aus nichts schaffen konnte, so kann er auch aus Brot seinen Leib machen. Ferner: wenn die Natur einen Stoff in den anderen umwandeln kann, warum nicht Gott? Denn wenn die Erde in Bäume, Gold, Silber, Metalle, Balsam dureh die Kraft des Himmelskürpers verwandelt wird, warum könnte nicht durch Gottes Wort die Verwandlung des Brotes in Christi Leib und des Weines in Blut geschehen °)?“

Aber auch Lazarus muß da sein. Lazarus bedeutet: der, dem von Gott geholfen ist). Lazarus wurde aus dem Grabe herausgerufen und von allen Fesseln befreit. Nun saß er bei Tische und stank nicht mehr. So ruft Christus in dieser ganzen Zeit jedem zu: 'Lazarus, komm heraus! und bei Beginn der Fastenzeit hieß es (Joel 2, 12): Be-

1) dominans (Isid. etym. VII c. 10).

) Der Prediger verweist auf Beispiele bei Antonius Vercellensis in sermone 4*e feriae post Palmarum.

®©) adjutus (Isid. I. e.).

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kehret euch zu mir von ganzem Herzen" So hat die Kirche am Aschermittwoch getan, da sie uns aus dem stinkenden Grabe der Sünden rief, daß wir in der Osterzeit bereit würen, Christus das Mahl zu bereiten. ,Wenn du einen so süßen reinen Gott in deine Herberge führen willst, mußt du zuvor alle seine Feinde austreiben, Hoffnung, Geiz, Seblemmerei, Haß und Neid und alle Todsunden hinauswerfen. Sonst lädst du in Wahrheit Christus nicht zur Erquickung ein, daß du ihn und er dich erquicke, sondern dazu, ihn von Neuem zu töten und zu kreuzigen, dich selbst in deiner Seele zu tóten und zu ewiger Strafe zu laufen*. Dazu wird uns die Geschichte von einem Wucherer erzühlt, dem der Teufel das Sakrament aus dem Munde schlug ).

Endlich muß als dritte Person Maria Magdalena ein- geladen werden. Der Name bedeutet: die Erleuchtete*). Das Haus des Gewissens und der Seele muß erleuchtet und geschmückt werden mit den Gott besonders wohlgefälligen Tugenden der Demut und der Liebe, und Christus muß ge- salbt werden mit dem Oel andüchtigen Gebetes und guter Werke. Hierzu wird eine gern gehürte Geschichte*) aus dem Leben der Altvüter erzühlt: Ein Eiusiedler begrub auf Befehl eines Engels, der dabei stand, einen, der schon vier Tage tot war. Wegen des Gestanks des Leichnams stopfte sich der Einsiedler die Nase zu, aber nicht so der Engel. Da ging ein schöner wohlbekleideter Jüngling vorüber, und der Engel stopfte so lange seine Nase zu, bis jener sich weit entfernt hatte. Als nun der Einsiedler den Engel fragte, warum er nicht vor dem Gestank des Leichnams, aber vor dem Jüngling seine Nase zugestopft habe, ant- wortete dieser: weil ich diesen leiblichen Gestank nicht empfinde; aber die Seele dieses Jünglings ist abscheulich und stinkend und ihren Gestank konnte ich nicht ertragen.

Nacbdem am Ostersonntag die Frage behandelt worden ist, warum Christus am dritten Tage auferstanden ist (zum Beweise der güttlichen Gerechtigkeit, zur Stürkung unseres Glaubens, zur Aufrichtung unserer Hoffnung) kommt Rab in der Predigt vom Ostermontag noch einmal auf Reue, Beichte und Abendmahl zu sprechen. Abgesehen von solchen, die so tot sind, daß sie überhaupt nicht mehr auf- erweckt werden können und wollen, gibt es eine dreifache Auferstehung der Menschen: Erstens eine scheinbare und erheuchelte das gilt von denen, die gebeichtet und das

!) Als Quelle ist angegeben Antonius Vercellensis sermo 60. ) Maria = illuminatrix (Isid. Etym VIT, c. 10). ) Sie findet sich auch in den Predigten des Propstes Grundemann.

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Sakrament empfangen haben, nur um den Anderen ähnlich zu sein und nicht verachtet zu werden. Zweitens eine wahre, aber unvollkommene das gilt von denen, „die ihre Sünden bereut, die gebeichtet und den Vorsatz hatten, Genugtuung zu leisten und ihr Leben zu bessern, weshalb sie auch eifrig an jenen Tagen wachten und die Passions- predigten hörten, aber gleich noch in jenen Tagen kommt der Teufel, und erstickt Gottes Wort ‘und leßt nicht zu krefften, das do bereyt angehoben hath zu wachßen’ und erstickt es wieder durch Fleischeslust und bringt dan eyn successive widerumb uff den bubensteyk, Bo geth man gen Emauß!), so ist die raw auß, Bo gewynt der mensch eyn grawe von dem Hymelbrot’ und müht sich wieder nach Egypten zu gehen, daß er Fleisch, Pfeben und Zwiebeln essen könnte, ‘Bo geths dan dohyn und kummt der teuffel salsybendt und werden die letzten dyng erger wegen der Undankbarkeit ‘den die ersten'*. Die Dritten sind die, „die unsterblich und sündlos auferstehen so, daß sie nicht mehr tödlich sündigen. Und ich zweifle nicht, daß wir alle hoffen wahrhaftig auferstanden zu sein, denn, wie ich annehme, yr seyt noch nicht gen Emauß gangen’.“ Die Gedanken der Ostermontagspredigt werden am Dienstag fortgesetzt”). Eine Aufzeichnung darüber liegt nicht vor.

Am Sonntag nach Ostern schließt Rab die Predigtreihe ab. Ohne auf den vorangestellten Sonntagstext (Job. 20, 19 ff.) weiter einzugehen, wendet er sich sofort zu einem Rückblick. „Ihr habt, meine Liebsten, in dieser ganzen Zeit gehört, wie ich ench mit dem seligen Apostel Paulus ermahnt habe, daß ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangen sollt. Und das war mein Bemühen und herzliches Verlangen, daß ihr alle Gott gewonnen würdet. Dabei folgte ich dem Rate des seligen Apostels Paulus, der da spricht (2. Tim. 4, 2): ‘Predige das Wort, halte an, es sei zu rechter Zeit oder zur Unzeit, strafe, drohe, ermahne mit aller Geduld und Lehre! Gott ist mein Zeuge: wenn ichs mit meinen Predigten vermocht hätte, es wäre mein innigster Wunsch gewesen, euch alle gen Himmel zu erheben und vor das Antlitz des Allerhöchsten zu stellen. Aber in meinen Pre- digten mußte ich bald warnen, bald schelten, bald barsch sein; denn ich war allen verpflichtet, nicht nur den Guten,

1) Vgl. Wander, Sprichwörterlexikon I, 812: Im Bapstumb giengen die Leut auff den Ostermontag hinaus Spatzieren, welches eie (Luc. 24, 18 fl.) hiessen: Nach Emahus gehen. Vgl. 1511, 1005: Vix inter mille unus reperitur, qui non vadat in Emaus, qui perseveret in gracia.

5) Feria 3 paschae continuavi eandem materiam.

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sondern auch den Mürrischen: deun ein Prediger des Wortes muß mancherlei Weise brauchen, die Guten heranziehen, die Bösen schrecken, damit sie alle selig werden. Bin ich nun zuweilen in meiner Rede zu hart erschienen, so war es meine Absicht, auch die, die ferne stehen und unwillig sind, durch die Güte und Barmherzigkeit Christi zu locken, ob sie nicht docb endlich auf den Weg der Gerechtigkeit zurückkehren wollten. Das wird auch bezeugen meine Arbeit und tägliches Anhalten, und euch alle rufe ich zu Zeugen auf, besonders die, die alle meine Predigten gehört haben, wie mein Herz war, ob ich euer Geld oder eure Seligkeit gesucht habe. Neiu, von Anfang bis heute habe ich den Frieden eurer Herzen gesucht. 'Wie man mich aber gedacht hat zu belohnen, das geb ich got von himele zu richten, der mich uud uns alle richten wirt!).'

Nun muß ich aber meine Predigten beschließen. Wahrhaft würdig und recht, billig und heilsam ist's, daß wir danken dem Herrn unserm Gott immer und Überall). Denn so groß sind Gottes Wohltaten gegen uns, daß, auch wenn wir ohne Unterbrechung nicht aufhörten, Gott zu loben, wir jetzt und in Ewigkeit ihn nicht genug loben und danken könnten. Ich will jetzt übergehen und davon schweigen, daß wir dazu verpflichtet sind, weil er uns, da wir noch nicht waren, aus nichts geschaffen hat. Ich will schweigen davon, da er uns durch sein teures Blut von Neuem geschaffen und wiederhergestellt hat, da wir ver- loren waren. Ich will schweigen davon, daß er aus vielen Tausenden von Ewigkeit her uns dazu bestimmt hat, daß wir mit ihm im Glauben vereinigt und im Blut seines ein- geborenen Sohnes in den heilsamen Sakramenten gewaschen, ja ihm so einverleibt würden, daß wir alle Glieder seines ein- geborenen Sohnes heißen. Ueber dies alles hat er jetzt auch allen den Quell seines Blutes aufgetan, darin ihr weiß gewaschen werden könnt. Und das hat er rein und frei in euren Willen gestellt. Denn nicht einen einzigen Menschen hat er davon ausgeschlossen, mag dieser ihn auch noch so schwer beleidigt haben, wie aus dem ganzen Texte der Bulle hervorgeht, außer denen, die der Gnade widerstreben. Denn mit Recht wird sie jenen nicht gegeben, die wider sie streiten; und doch, auch wenn sie ihr widerstritten haben sollten, so sie noch umkehren, ist Gott bereit sie anzu- nehmen und ihnen Gnade zu erteilen.

1) Leider fehlen uns über die schlimmen Erfahrungen Ver- leumdungen usw. alle näheren Nachrichten, Vgl. weiter unten. ) Worte aus der Präfation des Meßkanons,

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Meint ihr, meine Liebsten, daß dies ohne Gottes vorher- gehende Ordnung und Vorsehung geschehen sei? Gott setzt ja alles fest nach Zahl, Gewicht und Maß uud hat alle Zeiten gezählt, gewogen und gemessen von Ewigkeit her, was, wieviel und zu welcher Zeit er von jenen Gütern uns spenden will; denn er ist der, der alles versieht!). Da hat Gott es von Ewigkeit her verordnet, daß in dieser Zeit jener unendliche Schatz auch aufgetan würde, aber nicht der Teufel, wie einer am ersten Tage, als die Gnade eingeführt wurde, gesagt hat: bath der teufel die gnad her gefürt? hath man nie keyn guad gesehen?’ Der Teufel hat sie wahrhaftig nicht hergeführt; denn der wollte, daß der Quell der Gnade allen Menschen verschlossen bliebe. Es ist also nieht die Absicht des Teufels, daß jene Gnade zu euch kam und euch ausgeteilt würde, sondern Gott der Herr hat sie für euch von Ewigkeit her versehen. Die sie bekämpfen, bekämpfen mithin nicht nur den heiligen apostolischen Stuhl, sondern auch die ewige Vorherordnung und Vorherbestimmung Gottes, der wollte, daß durch diese Gnade unzählige Tausende zur Herrlichkeit gelangten. Was kann dem Menschen denn gnadenreicheres gesagt werden als dies: ‘deine Sünden sind dir vergeben und du wirst frei von aller Schuld und Strafe, so daß, wenu du so stirbst, du sogleich aufführst?'. Wir müssen also Gott dankbar sein für ein Vierfaches. Erstens dafür, daB er uns aus so starken Fesseln befreit hat, die er allein zerreißen kann. Ps. 116, 16f.: Du hast meine Bande zerrissen; dir will ich Dank opfern.“ Zweitens: weil wir, so oft wir gesündigt haben, so oft zur Schuld ewiger Strafe verpflichtet gewesen wären. Zeit seines Lebens würde ein zum Tode Verurteilter seinem Befreier dienen. Drittens: weil er uns aus einem Feind zum Freund und Erben des ewigen Lebens gemacht hat. Viertens: weil er vielleicht viele Tausende in den Todsünden ließ, dich aber befreit hat.

Diesen Quell der Gnade aber hat Gott nicht nur uus, sondern auch allen entschlafenen Gläubigen, die in der Gnade abgeschieden sind, aufgetan. Sie rufen nun in Wahrheit: ‘Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Kraft und Stürke sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit!" (Off. 7, 12). Das sind die, ‘die gekommen sind aus großer Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen im Blute des Lammes' (Off. 7, 14). Wie, meint ihr, werden die erst Dank sagen, heilige Männer und heilige Frauen, die jetzt bei diesem allerheiligsten Jubelablaß aus dem

*) Universalis provisor. Nach Thomas, Summa 1 q 22a 2.

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Fegefeuer befreit worden sind? Meint ihr, ihre Befreinng wäre die Folge eines Teufelswerkes? Wahrhaftig nein, sondern Gott hat ihnen von Ewigkeit her dieses Mittel vorherbestimmt, dadurch er sie aus ihrer Trübsal be- freien wollte!

Endlich hat er auch den -Quell der Gnade in den apostolischen Briefen aufgetan, in denen euch zugesprochen wird die Teilnahme an allen Gütern der Kirche, in denen euch verheißen wird vollkommene Vergebung einmal im Leben und sonst so oft, wie oft in anderen!) und im Augen- blick des Todes öffnet sich euch wiederum jener Quell der Güte, so oft ihr in Todesgefahr seid*) Meint ihr, daß dieses Mittel nicht von Ewigkeit her euch vorgesehen sei für das Heil eurer Seelen? Wahrhaftig, wenn nicht die h. Schrift falsch ist, wenn nicht euer Glauben falsch ist, wenn nicht Gott und alle heiligen Lehrer lügen, dann legt euch Gott dies vor zum Zeichen eurer ewigen Vorherbestimmung, und wie viel mehr Briefe ihr habt, um so viel mehr sind die Zeichen eurer Vorherbestimmung.“ Hierauf deutet die Niederschrift eine Geschichte an ‘von einem, der in Jüterbogk Beichtbriefe zu nehmen verschmähte und schließlich im Augenblick des Todes nicht wert war, daß sie ihm vorgelesen wurden, obgleich seine Frau sie insgeheim gekauft hatte.

Aber wie sollen wir dem Herrn vergelten, was er uns geschenkt hat? Mit Danksagung wollen wir das Kreuz in Umtragung des Sakraments*) niederlegen und Gott und seinen Heiligen durch die einzelnen Stationskirchen hin danken und Lob- und Andachtslieder von jenen Heiligen Singen. Und als Danksagung sprechet ihr: ‘Dyr sey lob, dyr sey ere, dyr sey danksagung, o du aller libster, o du

1) Wohl zu ergänzen: Todesgefahren.

2) Plenissima absolutio semel in vita et alias totiens quotiens, in aliis et in articulo mortis iterum aperitur vobis fons ille pietatis totiens quotiens estis in mortis periculo. Hierzu vgl. den ZKG 29, 80f. mitgeteilten Beichtbrief (12. Dezember 1506 in Glauchau ausge- stellt). Dort heißt es am Ende: Forma absolutionis in vita totiens quotiens... Forma absolutionis et plenissimae remissionis semel in vita et mortis articulo. In einem Beichtbriefe von 1482 (Zwickauer Batschulbibliothek) stehen nach der Forma absolutionis noch die Worte: Item in mortis articnlo adiungenda est haec clausula: Si tamen ab ista egritudine non decesseris, plenariam remissionem et indulgentiam tibi eadem auctoritate in mortis articulo conferendam reservo. (ZKG 19, 360f) Vgl. auch den Beichtbrief Löscher Ref. Act. I, 871.

2) in delatione sacramenti,

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aller süster, o du aller gütigster Herre Jhesu Christe, vor alle deyne heylige Blutstropfen, die du vergosßen hast auß deynem allerheyligesten leichnam yn deyner heiligen Be- schneidung 2c.!" „Darnach werde der Segen erteilt allen, die sich der Jubelgnade teilhaftig gemacht haben, wie er steht 5. Mos. 28, 3 ff.: Seid gesegnet in euren Häusern, auf euren Áeckern usw. Und so sei geschlossen: Der Segen Gottes des allmächtigen Vaters und des Sohnes und des h. Geistes komme auf euch und bleibe immer bei euch! Amen. Dann sollen Danksagungen geschehen den Bischüfen, den Herzügen, dem Rat, den Priestern, dem Volke usw.“

Drei Wochen später, am Sonntag Kantate (6. Mai) be- stieg Rab noch einmal die Torgauer Kanzel, um der Ge- meinde zu zeigen, wie sie sich in dem erlangten Gnadenstande erhalten sollte. Ohne zunächst weiter das vorangestellte Wort aus dem Tagesevangelium Joh. 16, 8 zu berücksichtigen, verweist er auf die vorangehende Predigt: „Meine Liebsten, ich habe euch schon als ich das letzte Mal predigte gesagt, daß nach dem Ausspruch des h. Thomas?) und anderer Lehrer Gott der Herr nicht nur die, die nach seiner Vorherbestimmung selig werden sollen, sich von Ewigkeit her auserwählt und ihnen das ewige Leben be- reitet, sondern ihnen auch von Ewigkeit her alle Mittel und Wege vorgesehen hat, mittels denen sie zur ewigen Seligkeit gelaugen können, und daß Gott der Herr euch auch diesen Jubelablaß und diese Gnade als Mittel und Weg seiner Vorherbestimmung vorgesehen hat, ebenso den Seelen im Fegefeuer, von denen, wie ich hoffe, ungezühlte Tausende durch diese Gnade hier und anderwürts befreit worden sind, und auch viel tausend Menschen, die durch das Verdienst Christi und des in den Beichtbriefen zuerteilten Jubelablasses in der Todesstunde zur Rettung und Befreiung kommen werden. Und weil ich nunmehr gänzlich den Schluß zu machen habe mit diesem apostolischen Geschäft und wieder zu dem, der mich gesandt hat, zurückkehren muß, möchte ich gern, daß ihr in jenem heiligen Vorsatz und Entschluß und in der Gnade bleibt, die ihr ohne Zweifel erlangt habt, dem meine ganze Arbeit gilt, wie Gott mir bezeugen wird. Einem jeden eine Weise und Regel zu geben, wie er in seinem Stande leben muß, ist mir in so kurzer Zeit nicht möglich. Aber damit ich euch allen in Kürze eine Regel, in der erlangten Gnade zu leben und zu bleiben gebe, will ich euch die Worte des Textes übergeben, die drei Kapitel enthalten.

1) Vgl. oben S. 133. *) Summa 1 q 22 f.

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Erstens: Wer jetzt und in Zukunft vom h. Geist nicht um der Sünde des Unglaubens verdammlich gestraft werden will, muß sich mühen, Gottes Wort fruchtbarlich zu hören, obne Verachtung und mit Freuden. Zum besseren Ver- ständnis dieser Regel ist zu merken, daß der glorreiche Gott von solcher Güte gegen die Menschen ist, daß er nicht nur alles um des Menschen willen geschaffen hat, sondern er gub auch allen Kreaturen, Tieren und Pflanzen die Samkraft, so daß alles in seinem besonderen Sein um des Menschen willen erhalten und von Jahr zu Jahr immer wieder erneuert wird, wie Korn, Weizen, Wein, Tiere, und das alles ge- schieht um des Menschen willen. Weil aber der Mensch nicht nur einen Körper hat, der zu erbalten ist, sondern auch eine Seele, so hat Gott auch für diese gesorgt, daß sie in ihrem Sein und geistlichen Leben erhalten werde. Das aber geschieht durch den Samen des güttlichen Wortes und in Wahrheit, wenn nicht Gott der Herr uns diesen Samen überlassen bätte, wären wir wie Sodom und Go- morrha (Jes. 1, 9). Ich frage euch, meine Brüder, sagt mir, was dünket euch mehr: Christi Leib oder Christi Wort? Wollt ihr recht autworten, so müßt ihr sagen, daß Gottes Wort nicht geringer ist als Christi Leib. Darum, die gleiche Sorgfalt, mit der wir uns bei der Verwaltung des Leibes Christi hüten, daß nichts verloren gehe, muß dem Worte Gottes gelten. Gottes Wort hat in sich die Kraft, daß sehr oft bei einer einzigen Predigt und dem einmaligen Anhören des Wortes Gottes unzählige Sünden vergeben werden, wenn sich die Menschen zu wahrer Reue anregen lassen. Das ergibt sich aus einem Beispiel iu dem Leben der Altväter, da erzählt wird, wie Paulus der Einfältige die Leute in die Kirche gehen und einen Sünder gerecht gemacht wieder herausgehen sab. Dort wird tatsächlich der Mensch von Sünden gereinigt, der Verstand auf dem Wege Gottes erleuchtet, die Heilsbegierde angefacht, die Gnade vermehrt und die Seele genührt!) Darum ist die Predigt in der heiligen Kirche Gottes nötiger als das Feiern von Messen. Nötig ist zwar beides. Aber gesetzt den Fall, daß eine Zeitlang beides unterbliebe, so würde in der Kirche ein größerer Schaden aus dem Mangel des Wortes Gottes als aus dem des Feierns geschehen. Sagt nur, wann seid ihr im ganzen Jahre rechtschaffener gewesen als zu der Zeit, da ihr in den Fasten Gottes Wort hört! Daram lasse ich euch dies zum Abschied. Wenn ihr wissen wollt, daß

1) Es wird dann verwiesen auf Decr. Greg. IX. lit I. tit. 31, c. 15.

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ibr in der Zahl der Vorherbestimmten seid, so achtet darauf, ob ihr gern Gottes Wort hört und bewahrt, wie Augustin in dem Buche von der Vorherbestimmung sagt!). Unter dem Anderen ist das das Wichtigste.

Zweites Kapitel: Wer vom h. Geist nicht um der Ge- rechtigkeit willen gestraft werden will, gebe sich Mühe, den Weg der Gerechtigkeit gegen Gott und den Nächsten sorg- sam nachzuahmen. Diese Regel wird vom Herrn bestätigt, der, von einem Reichen befragt, was er tun sollte, daß er das Reich Gottes besitze, antwortete: ‘Halte die Gebote! (Matth. 19, 17), daß nämlich in gerechtem Verhalten gegen Gott und den Nächsten Gott und dem Nächsten das Schuldige gegeben und nicht unterlassen werde, und zwar nicht nur mit dem Wort, sondern auch mit der Tat; denn der Feigen- baum, der nur Blätter, aber keine Früchte hat, ist verflucht (Luk. 13, 6ff.). Die Werke der Gerechtigkeit sollen aber andauernd geschehen (1. Chron. 28, 7; Ezech. 18, 24), warm, nicht kalt (Offenb. 3, 15) und nicht mit Eitelkeit, um hier Lohn zu erhalten (Matth. 6, I fl.). |

Drittes Kapitel: Was du tust, tue klug und bedenke das Ende’?); denn du wirst genauste Rechenschaft ablegen müssen von allen deinen Werken, in welcher Absicht du sie getan hast. Bedenke auch in Allem das Ende, nämlich die ewige Vergeltung, die Seligkeit oder die Verdammnis, das Ende des Todes, das Ende des Gerichts. Handle so, als solltest du eben sterben, als müßtest du eben darüber Gott Rechenschaft ablegen, als solltest du eben deinen Lohn dafür empfangen. So handelnd, wirst du in Ewigkeit nicht sündigen. *Was du tust, bedenke das Ende, so wirst du nimmermehr Uebles tun’ (Sir. 7, 40).“

Anhang ?).

Vgl. Zeitachr, f. Kircheng. Nr. 22, 600. Francke, H. G., Das Nonnen- kloster der glückseligen Maria Magdalena zu Weida (Mitt. des Vereins f. vogtl. Gesch. 1920) S. 23. Ges. Arch. Weimar Nr. 45.

Pergament durch Stockflecke verdorben und fast durchgerissen, nur Siegelschnur noch vorhanden.

Universis et singulis presentes litteras inspectnris Ever- hardus Szelle decretorum doctor in Burtninge et Christia- nus Bomhower in Ruien locorum Rigensis et Trabecensis dyocesis parrochialium ecclesiarum rectores sanctissimi iu Christo patris et domini nostri domini Julij divina providencia

1) Gemeint ist wohl PL XLIV, 972.

*) Quicquid agis, prudenter agas et respice finem.

) Vgl. oben S. 136.

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pape secandi accoliti capellani et eiusdem ac sancte sedis apostolice ad Magdeburgensem, Bremensem, Rigensem pro- vineias illarumque et Pomeranie neenon Livonie civitates diocesis apida, terras ac dominia eciam stagnalis et defensa nuncupatis nunctij et commissarij specialiter quilibet in soli- dum deputati salutem in domino. Notum facimus, quod sanctissimus dominus noster prefatus pro pocioris cautele remedio sacratissimas jubilei et cruciate plenissimas indul- gencias cum nonnullis alijs facultatibus, gratijs et clausulis per quondam felicis recordacionis dominum Alexandrum papam sextum ad effectum pie ac nummerarie subvencionis huiusmodi datas et concessas, prout litere desuper confecte clarius exprimunt suis reintegrato[...] literis validando ae firmissime n ivocando denuo largiens cunctis utriusque sexus Christi fidelibus, qui pro nummerario Livonie predicte sub- sidio in orthodoxe fidei nostre defensionem contra Ruthenos, hereticos et scismaticos ac Tartaros infideles eis adherentes eiusdem fidei erudelissimos innimicos iuxta debitam ordi- nacionem per se vel alium manus porrexerint adiutrices ultra plenissimas indulgencias et alias gratias prenarratas, quas Christi fideles huiusmodi consequuntur, prout in literis apostolicis desuper confectis continetur, misericorditer con- cessit, ut aliquem ydoneum presbiterum secularem vel cuius- vis ordinis regularem in suum possint eligere confessorem, qui vita eis comite in casibus dicte sedi reservatis preter- quam offense ecclesiastice libertatis criminum, heresis et rebellionis aut conspirationis in personam vel statum Romani pontificis sero sedem predictam falsitatis literarum apostoli- carum supplicacionem, invasionem et commissionem, depre- dacionem, occulpacionem et devastacionem terrarum et maris Romane ecclesie mediate vel immediate subiectorum offense personalis in]. . . Jum vel alium prelatum prohibicionem, devo- lueionem causarum ad Romanam curiam delacionem armo- rum et aliorum prohibitorum ad partes infidelium semel dum- taxat in vita in al[.. .]vero quociens fuerit oportunum confessio- Dibus eorum diligenter auditis pro commissis sibi debitam absolucionem impendat et iniungat penitenciam salutarem neenon vota quecumque ultra ..... liminum apostolorum Petri et Pauli Sancti Jacobi in Compostella ac castitatis et religiosis votis dumtaxat exceptis in alia pietatis opera commutare valeat, quod confessor quem quilibet eorum duxerit eligendum omnium peecatorum suorum de quibus contriti et ore confessi fuerint, eciam semel in vita et in mortis articulo plenariam remissionem eis in sinceritate fidei et unitate dicte Romane ecclesie ac obedienciam et devo- eionem persistentibus auctoritate apostolica impartiri possit,

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indulsit quoque idem dominus noster sanctissimus [om]nes et singulos Christi fideles predictos et eorum parentes et benefactores defunctos, qui cum caritate decesserunt in omnibus precibus, suffragijs, elemosinis, jeiunijs, orationibus, missis, honis canonicis, disciplinis, peregrinacionibus ef ceteris omnibus spiritualibus bonis, que fiunt et fieri poterunt in tota universali sacrosancta Christi ecclesia militante et omnibus membris eiusdem in perpetuum fieri participes et quia devote sancte monialis ordinis predicatorum in Weyda videlicet sorores Margaretha Tossin priorissa, Dorothea Pragerin, suppriorissa, Margaretha de Heyda, Gerdrudis Kospotin, Margareta de Polnitz, Barbara Kertzschin, Gerdrudis Wildin senior, Gerdrudis Wildin junior, Anna Wyldin, Wal- purgis de Polnitz et Katherina Belerin!) ad ipsius fidei piam subvencionem iuxta praetactam sanctissimi domini nostri et nostram debitam ordinacionem se grate exhibuerunt et libe- rales, prout per presentes litteras in buiusmodi testimonium a nobis sibi traditas approbamus, ideo eadem auctoritate apostolica nobis commissa et qua fungimur in hac parte ipsis ut dictis gratijs et indulgentijs uti et eisdem gaudere possint et valeant merito constat esse concessum. Datum Liptzk sub sigillo per nos ad hec ordinato die tertia [me]nsis Junij anno domini millesimo quingentesimo quinto.

Forma absolucionis in vita tociens quociens: Misereatur tui etc. dominus noster Jesus Christus per sue passionis meritum te absolvat auetoritate cuius et apostolica mihi in hac parte commissa et tibi concessa Ego te absolvo ab omnibus peccatis tuis in nomine patris et filij et spiritus sancti amenn.

Forma absolucionis et plenissime remissionis semel in vita et in mortis articulo.

Misereatur tui etc. Dominus noster Jhesus Christus per sue passionis merita te absolvat. Ego auctoritate ipsius et apostolica michi in hac parte commissa et tibi concessa te absolvo primo ab omni sentencia excommunicacionis maioris vel minoris si quam incurristi, deinde ab omnibus peccatis fuis conferendo tibi plenissimam omnium peccatorum tuorum remissionem remittendo tibi penas purgatorii in quantum claves sanete matris eeclesie se extendunt. In nomine patris et filij et spiritus sancti amenn.

1) Vgl. J. G. Franke, das Nonnenkloster der glückseligen Maria Magdalena zu Weida (Mitt. des Vereins f. vogtl. Gesch. 1920) S. 23.

Aus dem Briefarchiv des Justus Menius. Von Walter Friedensburg. I. 16 Briefe Veit Dietrichs an Menius (1532 1548).

Die Hs. Cod. boruss. 201 fol. (Cod. Seidel) der Berliner Staatsbibliothek enthält neben sonstigen Briefen des 16. Jahr- hunderts eine größere Anzahl von Originalschreiben Ver- schiedener an Justus Menius, darunter auch die nachfolgend mitgeteilten Veit Dietrichs. Aus ihrer Zahl hat Th. Kolde in seinen Analecta Lutherana (Gotha 1883) drei mitgeteilt (s. u. Nrr. 1, 3, 5); die tibrigen sind meines Wissens noch ungedruckt.

Bekanntlieh wirkte Justus Menius, geboren in Fulda 1499, seit 1529 als Prediger in Eisenach. lm Jahre 1532 scheint er Wittenberg besucht zu haben!) Hier traf er unter anderen auch Veit Dietrich an, der, 1506 in Nürnberg ge- boren, als Student der Leukorea in ein näheres Verhältnis zu Luther getreten war, dem er längere Jahre hindurch in der Eigenschaft eines Privatsekretürs diente. Auch während der Koburger Zeit 1530 war Dietrich um den Reformator. Die zwei Jahre später in Wittenberg erfolgte nähere Be- kanntschaft zwischen Menius und Dietrich führte alsbald zu einem, von Dietrich durch den Brief Nr. I. eingeleiteten ), bis in die letzte Lebenszeit des Nämlichen fortgesetzten Brief- wechsel. Auch daß Dietrich 1536 von Wittenberg in seine Vaterstadt zurückkehrte, wo er als Prediger zu St, Sebald wirkte®), unterbrach den Briefwechsel mit dem Freunde in Thüringen nicht. Leider sind es nur geringe Bruchstücke dieses Gedankenaustausches, die sich a. a. O. erhalten haben; vor allem fehlen sämtliche Gegenschreiben des Menius. Manches Sttick mag noch in irgendwelcher Bibliothek oder Handschriften- sammlung der Auferstehung harren; vielleicht veranlaßt diese

1) S. u Nr. II.

2) Kolde a. a. O. S. 181 f.: ignosce temeritati mese, qui primus humanitati tuae meo scripto volui molestus esse.

*) Menius seinerseits verließ Eisenach 1540, um als Nachfolger des Myconius als Superintendent nach Gotha zu übersiedeln.

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kleine Veröffentlichung andere Forscher, etwaige Spuren er- gänzenden Materials weiter zu verfolgen.

Den Inhalt unserer Briefe bilden Nachrichten persün- licher Art oder aus der näheren Umgebung des Schreibers; auch ergeht sich der Briefwechsel über die kirchlichen und politischen Ereignisse und Zustände und die allgemeine Zeit- lage. Einen breiten Raum nehmen endlich Mitteilungen und Erörterungen Über den Dienst am Evangelium und die praktische und literarische Wirksamkeit ein.

Die der Erklärung bedürftigen Anspielungen und Hin- weise der Briefe habe ich, so weit es die mir zugängliche Literatur ermöglichte, aufzuhellen mich bemüht; bei der Lückenhaftigkeit des Materials muß jedoch manches wohl unaufgeklärt bleiben. Auch die Handschrift Dietrichs (s. die Probe bei Mentz, Hss. der Reformationszeit, Bonn A. Marcus u. E. Weber 1912, Tafel 162) gibt zuweilen Rätsel auf.

I. 1532 August 31 Wittenberg.

Sendet einen Brief Luthers ). Literarische Bekämpfung Georg Witzels durch Menius und Jonas). Literarisches aus Wittenberg. Wohlbefinden Luthers und der Seinigen.

Cod. 201 Nr. 17. Gedruckt Kolde, Analecta Luthe- rana (Gotha 1883) S. 181. (Statt virum, S. 181 Z. 6 v. u., l. vicinum; Witzel lebte damals in Vacha).

II. [1532]°) Oktober 25 Wittenberg.

Menius’ schwere Erkrankung: Freude über seine Wiederherstellung. Die im Druck befindlichen Summarien. Menius' Dank für den Lutherbrief. Bitte um Zusendung eines Briefes Luthers aus der Veste Coburg über die Taufe eines Juden. Die Commentarien Melanchthous. Die Bibelübersetzung (der ,Prediger Salomonis*).

1) Ohne nähere Angaben ist kaum festzustellen, um welchen Brief es sich handelt.

*) Ueber die Polemik zwischen Jonas und Witzel s. Kolde a. a. O. S. 181 Anm. 3 und 185 Anm. 2 und 3.

5, Der Brief füllt augenscheinlich zwischen Nr. 1 (erste An- knüpfung des Briefwechsels durch Dietrich) und Nr. 8, worin Dietrich auf die Danksagung des Menius für einen eben von D. übersandten Lutherbrief zurückkommt; zweifellos ist der Brief gemeint, den I), seiner Nr. 1 beilegte. Gleichzeitig dankt wiederum (in Nr. 8) Dietrich dem Menius für Uebersendung eines Briefes, nümlich des in dieaem Schreiben (Nr. 2) erbetenen Lutherbriefes de Judeo baptizando. Daraus bestimmt sich die fehlende Jahreszahl auf 1533.

Archiv für Reformationsgeschichte. XXII. 5/4. 13

194

Salutem in Christo. quemadmodum omnibus nobis, qui tui studiosi ac amantes sumus, maximum dolorem fama de periculoso morbo, quo implicitus fuisti, attulit, ita nune, cum restitutam valetudinem primo nuncius, post litere tue, testes magis fidedigni, nunciarent, incredibili gaudio sumus affecti. ego igitur quamquam nullum hoc tempore te dignum argu- mentum occurreret, gratulari saltem tanti periculi evasionem tibi volui et testari me non minus tuo discrimine, quam si meum fuisset, commotum esse. quod cum ita feliciter dis- missum sit, non possum non hune animi mei affectum signi- ficare et una tecum ob restitutam valetudinem gaudere. porro de libris ita ut mandasti diligenter curatum est. ita enim Lufftus mibi retulit. Summariorum partem te jam ante babere divinamus. interim autem haud seio an quaternio accesserit. quare si quantum excusum est, habere voles, signifieabis quot quaterniones habeas!) de libello in Wezelium doctori indicavi. is ut te ad absolvendum ceptum opus hortarer jussit; promittit enim sibi nescio quid majoris diligentiae quam a D. Jona, homine et eloquentissimo et diligentissimo, prestitum est. de epistola Lutheri transmissa non opus erat tam aceurata et amıbiciosa graciarum actione. ut autem intelligas quam libenter eo in genere officiorum tibi gratificari velim, vicissim abs te, quamquam fortasse impudenter facio, peto ut literas, quas doctor Coburgi ad quendam parochum apud voa in vicinia de Judeo bapti- sando seripsit?), mittas. nomen loci excidit, ubi habitet. existimo tamen et hominem et causam tibi notam esse. apud nos nihil novi est. dominum Philippum credo in aliquibus locis commentarios suos, quos ob nundinas Lypsienses properare coactus fuit, locuplecius instructurum esse. D. Lutherus cum D. Pbilippo et Crucigero laborat in Ecclesiastico vertendo, qui liber mirum quantum negocii eis faciat. bene vale cum ecclesia tua et dome- sticis tuis,

Wittenb. 25. octobris. T. b. dd. Vitus Diethrich.

) Vgl. hierzu den undatierten Brief des Menius an Luther, in dem er diesen zur Vollendung der Summarien zu den Psalmen be- glückwüuacht: Kolde, Analecta S. 183, von dem Herausgeber in den Anfang d. J. 1533 verlegt. Ueber Luthers Summarien zu den Psalmen vgl. Köstlin-Kawerau. Luther II* S. 265

*) Gemeint irt der bekannte Brief Luthers vom 9 Juli 1530 an den Pfarrer zu lchtershansen in Thüringen, Heinrich Gnesius, über die Taufe eines Judenmädchens (Enders VIII Nr. 1904).

195

Salutant te omnes nostri, imprimis M. Crucigerus. Venerabili in Christo viro domino Justo Menio, ecclesiae ]senacensis pastori fideliss., domino et amico suo.

Codex Nr. 15.

III. 1533 Mürz 23 Wittenberg.

Luthers Befinden. Dank für einen Brief. Abwehr der Angriffe Witzels!) Codex Nr. 23. Gedruckt Kolde Analecta Lutherana S. 184 f.

IV. 1535 September 24 Jena.

Empfiehlt ihm für die zweite Lehrerstelle an der Eisenacher Schule Moritz Waldheim. Bevorstehende Reise. Der Kurfürst in Jena.

Salutem. Memini, vir optime, te mecum agere de quo- dam vestre schole hypodidascalo?). quia autem excidit, cujus- modi eum esse velles, an mediocrem primarum arcium cogni- torem aut supra aliquid requireretis, existimavi non ingratum tibi fore, si de adolescente quodam bono et mediocriter in primis artibus versato tibi significarem. quia enim is a quibusdam tuorum civium liberis admonitus a me hoc requi- Sivit, gessi eo libeneius ei morem, quod ad annos duos me preceptore sit usus. quod ad mores attinet, certo promittere possum facile eum tibi satisfacturum. in scholasticis autem operis facile, eciamsi quid desiderares, diligencia et assidui- fate supplere poterit. est autem satis bonus musicus et magnam optimarum concionum habet copiam. quare eo quoque nomine tibi graciorem fore puto. nomen est Mauricio Waltheim?). si igitur facere periculum de ejus diligencia voles, significabis per d. Conradum Lagum*) ego proximo die veneris ingressurus sum iter. dominus fortunet, ut et ad suam gloriam ef reipublicae utilitatem profectio ista cedat. amen.

) Die Schrift des Menius gegen Witzel, deren Dietrich hier (und in Nr. 2) gedenkt, ohne sie gesehen zu haben, ist nicht bekannt.

9) D. i. zweiter Lehrer.

*) Nach Förstemaun, Album acad. Witt. I S. 148b Nr. 85 wurde Moritz Waldheym im Wintersemester 1531/82 in Wittenberg immatri- kuliert; seine Heimat ist nicht angegeben.

) Ueber Konrad Legus, Magister in der Artistenfakultät su Wittenberg, s. meine Geschichte der Universität Wittenberg (Halle 1917) 8. 208 f.

18*

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Vale in Christo feliciter et memineris mei in tuis precibus, ego paria facturus sum. Jhene 24 septemb. 1535. heri vesperi huc venit princeps.

Tuus totus Vitus Diethrich Norib. Venerabili in Christo viro D Justo Menio evangelii ministro et pastori Isenacensi; suo chariesimo et amieo singulari.

Codex Nr. 18.

V. 1638 Oktober 30 Nürnberg.

Ueber die ibm aus der Herausgabe von Luthers Summarien zu den Propheten erwachsenen Sehwierig- keiten und Anfechtungen. Will sich fortan nur noch mit Sprachen und Philosophie beschüftigen. Kriegerische Bewegung in Nürnberg aus Anlaß der Unbilden des Markgrafen Albrecht von Kulmbach.

Codex Nr. 24. Gedruckt Kolde Analecta Luthe- rana S. 331f.

VI. 1539 September 30 Nürnberg.

Die Herausgabe von Luthers Annotationen zu den Propheten. Wiederaufnahme der Herausgabe der psalmi graduum durch Dietrich. Menius' Enarratio in Sumuelis librum priorem. Bitte um Zusendung unedierter Sehriften des M.

Salutem. Cum Georgius Creutzeburgen. ad te rediret. ita eram occupatus, mi Moeni, ut nihil ad te possem scribere. nam cum Osiandro et Vinceslao!) ruri fueram et cum sub multam noctem rediissem domum, mane, quando veniebat Georgius jam jam abiturus, coneionandum mihi erat. feci itaque quod tum potui, ut sine literis annotationes nostri patris in prophetas ad te mitterem. de iis quid consilii ceperis nescio; quod si tuo labore putas eeclesie edendas. consilium non improbo ac te eciam ad id hortor. quid ego secutus fere sim, vestigia primi numeri ostendunt. te optarinı integrum laborem sumere; quia autem tres illi quos edidi?), depravatissime sunt excusi, libenter eos recognoscam, ut con- jungantur omnes. ego nunc hortatibus tuis, mi Moeni. ct

!) Andreas Osiander und Wenzeslaus Link wirkten, jener seit 1592, dieser seit 1525 zu Nürnberg im geistlichen Amt,

*) Die Enarratio D. M, L. in tres prophetas Johelem, Ainos et Aldiam wurde 1536 von Dietrich herausgegeben.

197

aliorum excitatus sum in edendis psalmis graduum!). quod si non aliquid interveniet incommodi, fortasse sub paschatis nundinas?) prodibunt. nam tercia tantum operis pars restat. non existimo me posse plus facere quam si bona fide Lutheri enarrationes vulgem. nuper admodum legi tua in Samuelis librum commentariola*). mi Moeni, cur non absolvis totam regum historiam? si quid habes praeter id quod edidisti et famen edere non voles, quaeso mitte ad me, sicut ego istum prophetam ad te. bene vale in Christo, qui te servet diu incolumem.

Date Noribergae postridie Micielis 1539.

Vitus tuus. Venerabili in Christo ob pietatem ct doctri- nam viro D. Justo Menio, suo amico observando,

Codex Nr. 26.

VII. 1540 Januar 8 [Nürnberg].

Ein von Myconius nicht übergebener Brief. Die Arbeit an den Propheten. Rupert von Mosheim. Der Kaiser im Begriff, in die Niederlande zu kommen. König Ferdinand und die Nürnberger; -Dietrich wider jenen. Bitte, hiiufiger zu schreiben.

Salutem. si Myvonius*) non reddidit literas, sane ex- postulabo cum eo: nam ne quid dubites, per affinem meum eas Lypsiam dedi ac certo scio Fridrico oblatas. de prophetis sic est, ut me longe plus tuis literis deterrueris ab hoc labore. si enim tu, ut scribis, tantum laborem suscipere non audes, quid ego faciam, cui preter reliqua ne etas quidem satis matura est his laboribus? itaque doleo nune quod repetivi chartas. nam etsi aliquid me facturum non plane recuso, tamen nihil possum promittere melius quam tres antea editi prophete habent. in quibus eciamsi typographi opera merito reprehenditur, tamen satis scio quid ego prestare possum. eum ineruditum, negligentem et obmissum laborem si tu

) Die sog. Stufenpsalmen (Luther: „Psalmen im höheren Chor“) d. i. Ps. 120—184. Dietrichs Ausgabe erschien 1540,

*) Im Jahre 1540 fiel das Osterfest auf den 28, März.

5) In Samuelis librum priorem enarratio Justo Menio auctore, gedruckt Wittenberg, 1532.

) Friedrich Myconius (Mecum), 1491—1546, seit 1524 Prediger und Snperintendent in Gotha.

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probas, mi Meni, non recuso. sed mihi nunquam hoc pro- baveris, te non idem multis modis posse melius. de hoc respondebis! :

De monstro Pätavino!) sic est: clam se subduxit, venit ad Palatinum. is non paulo quam nostri egit sapiencius; ablegavit enim hominem ad Moguntinum, se dictitans senem et sacrarum rerum imperitum. in aula Moguntini primo sane in admiratione fuit atque id eo modo callide effecit: sicut apud nos primum in papatum invectus est, ita apud ipsum primo in Lutheranos exquisitissimis conviciis paravit sibi auditores; sed cum postea papistica quoque reprehenderit, explosus est. nune est apud Coloniensem. respondimus ei ac refutavimus Somnia ejus?) sed accusat nos impios sacrilegos ef nihil non conviciorum in nos evomit.

De Cesare certo affirmant eum brevi in Belgico futurum. occurret ei rex Romanorum?) is a nostris sperat viaticum. adornantur hic multa ad pompam, qua tanquam rex Roma- norum excipietur. ego nuuc bis a senatu ideo compellatus sum, quod perstrinxerim eum publice tanquam persecutorem evangelii, speciem habet quod rex est, sed coetera displicent. mei enim nimium videntur eum amare. sed dominus faciat, ne plus ament homines quam deum, sicut promittunt multi boni viri quaeque*) malorum majorum copia. hec breviter respondere tibi volui. te oro, quoniam sepe per literas possumus colloqui, ut id facias per ocium crebrius. bene in Christo vale. die veneris post Epiphanie 1540. Man wurdt dem konig’) ein fassnacht halten, sicut quidam divinant.

Vitus fuus. Codex Nr. 19.

1) D. i. der Passauer Domdechant Rupert von Mosheim (1493 bis 1543), der, wegen heretodoxer Schriften seit 1539 aus Passau flüchtig, zuerst nach Nürnberg gegangen war und mit den dortigen Theologen disputiert hatte, dann die rheinischen Kurfürsten für sich zu gewinnen suchte, Schließlich wollte jedoch niemand etwas von seinen phantastischen, angeblich auf die Versöhnung zwischen den Konfessionen abzweckenden Ansichten etwas wissen und Rupert endete sein Leben in der Gefangenschaft des Kurfürsten von Mainz.

5) In der Epistola theologorum Norimbergensium ad D. Rup. a Mosheim, erschienen November 1539.

) In Dendermonde bei Brüssel begegneten einander die Brüder gegen Ende Februar 1540: Nuntiaturberichte aus Deutschland 1. Abt. Bd. V. S. 96,

4) So? (zweimal die übliche Sigle für quae).

5 So?

199 VIII. 1540 November 24 Nürnberg.

Menius Abwesenheit von Hause. Sein Epigramm. Tod des Budaeus und des Eoban Hessus; Wertschützung der Loci communes Melanchthons durch den ersteren. Dietricb beschäftigt sich mit dem Propheten Micha und der Genesis. Sein Brief an Melanchthon Über seine Familie. Ein in Paris aufgeführtes Schauspiel de ecolesia. Grüße.

Salutem in Christo. gaudeo, optime mi Juste, quod sanus et incolumis in tanto doctissimorum hominum numero nunc vivis?) etsi enim ab ecclesia et domo tua fortasse non sine molestia abes, tamen Philippus et reliqui facile hoc incommodum aut mitigant aut tollunt suis eruditis et suavibus colloquiis. cum voluptate legi epigramma tuum ad collegas vestros. itaque existimavi gratiam aliquam hisce literis reddendam esse.

Nova apud nos non multa sunt. de Budei morte novisti*). is testamento hoc sanxit uf noctu funeraretur sine illa super- sticiosa ratione, quae in divitum funeribus habetur. sed amici ob metum regis id non sunt ausi. ajunt eum in morbo semper habuisse ad manus Locos communes Philippi nostri ac sepius dixisse, in tota bibliotheca sua nec meliorem nee cariorem librum se habere. profecto insignia literarum lumina amisimus in Eobano nostro et Budeo. itaque magno studio peto, uf dominus vos longius nobis servet. E

Memini te petere editionem prophetarum minorum. itaque ne nune nihil agerem, Micham in manus sumpsi, quanquam eciam noster Georgius“) cum Genesi satis me exercet, Scripsi proxime Philippo de familia mea. itaque eam quoque tuis precibus commendo. bene et feciliter vale in Christo. datae Norib. 24 novembris 1540.

Missum est hic argumentum scenici ludi habiti Parisiis de ecclesia. te quaeso interroga Bucerum aut Sturmium, quomodo hic ludus sit habitus et significa. saluta amanter

!) Menius weilte als einer der kursächsischen Verordneten (neben Melanchthon und Cruciger) in Worms auf dem Religionsgespräch. Auch die weiterhin im Briefe genannten Staatsmänner und Theologen waren als Teilnehmer des Religionsgesprächs in Worms.

*) Guillaume Budé, geboren in Paris 1467, + 22. August 1540 ala Bibliothekar des Königs, unter dem Verdacht des Calvinismus, den später Witwe und Söhne bekannten. Eubau Hessus starb in Marburg Am 6. Oktober 1540.

3) Georg Rörer.

200

Crueigerum, Franciscum cancell et Chilianum?), dominos et amicos meos observandos. Christus te et totum ecelesic vestre servet et defendat. amen.

Vitus tuus.

Optimo et doctiss. viro

D. Justo Menio

evangelii Christi diligenti et fideli preconi, suo amico et fratri observando.

Codex Nr. 25.

IX. 1543 März 29 [Nürnberg].

Das Wirken des Menius in Mühlhausen. Uunbefrie- digende Gestaltung der Dinge in Nürnberg auf dem Reichstage. Eberhard von der Thann. Der Rat ver- hindert den katholischen Kultus der Fremden. Grüße an Hieronymus Wolff.

Salutem in domino. gaudeo, mi Meni, gratum fuisse officium meum ac precor dum domo abes?) ut ecclesia, quam Christo plantas, rite sumat inerementa per tuam fidelem operam. apud nos*) de republica nihil deliberatum, sed ea negligitur strenue ef interim aguntur alia. adversarii occa- sionem belli a Juliacensi*) oblatam nolunt negligere. et nostri impediuntur, quominus contra Turcam possint conferre vires. ita perit discordiis patria et vere regnum in se divisum desolatur5) itaque commendamus tanto majore studio eccle- siam Christo, cujus resurrectio ut eciam hac in parte con- spiei possit, admodum his temporibus necessarium est.

Domino Eberarto?) familiariter utor ac non possum non probare virtutem. ego hie non careo periculis, sicut olim ex eo audies, quod libere Satane regnum oppugno. nam

!) Franz Burkhard, kurfürstlicher Kanzler, und Kilian Goltstein, Dozent in der juristischen Fakultät, auch Mitglied des Hofgerichts und des Konsistoriums zu Wittenberg.

7) Menius war von 1542—1544 in Mühlhausen in Th. mit der Durchführung der Reformation der Stadt und ihres Gebiets beschüftigt.

*) In Nürnberg tagte damals, unter dem Vorsitz König Ferdinands, ein Reichstag.

) Herzog Wilhelm von Cleve.

5) Ev. Luc. 11 V. 17.

) Eberhart von der Thann (1495—1574), kurfürstlich-sächsischer Rat und Amtmann, gehörte der Reichstagsgesandtschaft Kurfürst Johann Friedrichs, der selbst dem Reichstag fernblieb, an.

201

rex ceremoniis suis publice in arce utitur. tentarunt idem Granvela et Augustanus episcopus!), sed senatus serio id eavit. itaque propter liberam confessionem ego eos et laudo et amo impensius. nam quod rex facit, facit in sua domo, nam arx immediate Cesaris est.

Queso te, mi Moeni, saluta doctissimum juvenem Hiero- nymum Wolfium?), quem ita tibi commendo, ut in me eollatum putem quod in ipsum contuleris. doctus est preclare et est timens dei et excellenti modestia preditus. invidit eum mihi fortuna, alioquin Mulhusii non esset). bene et feliciter vale. dafae donnerstag post Pascha 1543.

Vitus tuus. Excellenti eruditione et pietate viro domino Justo Menio evangelii doctori Mulhusii, domino et fratri suo observando.

Codex Nr. 22.

X. [1543]‘) Dezember 16 Nürnberg.

Ruhe im Lande. Der Kaiser. Der nächste Reichs- tag. Die Türken in Ungarn. Podagra Dietrichs. Seine Arbeiten an den conciones domesticae Luthers, der Genesis und den kleinen Propheten. Hieronymus Woltf.

Salutem in Christo. Cui proximas tuas ad me dedisti, amicissime Meni, se nobis, cum ad vos rediret, non indicavit. itaque spero te et Wolfium nostrum me culpa liberaturum, quod nullas receperitis. ita autem nunc sunt, quod ad novos rumores attinet, omnia tranquilla, ut nihil vobis significare possim. Cesar nihil aliud fecit hac estate quam ut sua defenderet, hosti?) prorsus nihil nocuit. Camera-

1) Otto von Truchseß, seit 1543 Nachfolger Christofs von Stadion auf dem Augsburger Bischofsstuhle, 1544 Kardinal der römischen Kirche.

*) „doctiss. Wolfium“ von Dietrich unterstrichen.

3) Ein Hieronymus Wolff aus Oettingen wurde im Sommersemester 1588 in Wittenberg immatrikuliert. Fürstemann Alb. I S. 169 b, 19. Ueber ihn vgl. auch die folgenden Stücke.

*) Da8 der Brief, dem die Jahreszahl fehlt, in das Jahr 1543 gehört, zeigt der Inhalt ohne weiteres.

5) D. i. König Franz von Frankreich; des siegreichen Feldzuges Karls gegen den Herzog von Cleve, dem er das Herzogtum Geldern abnahm, ge-.enkt Dietrich als eines allgemein bekannten Ereignisse“ nicht ausdrücklich.

202

censis episcopus!) quod Gallum commeatu adjuverat, magna pecunie vi a Cesare est multatus, retinet tamen epis- copatum. de comiciis silencium altissimum est, ideo ut de loco quoque dubitetur. nam Speirae pestilitas dicitur minari advenis’). apud Pannonios post occupata prae- sidia et urbes aliquas Turee quiescunt. habes paucis, optime Meni, quae nunc*) feruntur. de me si scire optas, satis omnia sunt commoda, nisi quod pedum dolores indies redeant acriores. itaque non raro intercipiuntur studia mea, que ad ecclesie utilitatem libens conferrem. congessi hoc anno in unum volumen domesticas Lutheri conciones, quas ego quidem excepi*) et videbam?) hisce nundinis partem Genesis, quam ut absolvam ipse Lutherus me hortatus est. itaque etsi ingens labor sit, tamen eum propter ecclesiam exhauriam, si volet dominus. Oseam quoque nune in manibus habeo et absolvi pene ae perrec- turus eciam ad sequentes prophetas; sed Genesis impediet me. tu, mi Meni, Christum pro me et familia mea ora; nam non levia indicia sunt pestilitatis crudelius grassaturae. Hieronymum meum amanter salutabis. commendo tibi eum quam possum diligentissime. nondum abjeci spem retrahendi eum ad nos; nam cum jam pedagogo in hospitali liberalius solvatur stipendium, ea condicione optime apud nos esse posset. bene vale in Christo. datae Norib. 16 decemb. l Vitus tuus.

Mitto tibi meum scriptum contra Ingolstadienses sub

alieno nomine editum.

Venerabili in Christo viro D. Justo Menio, ecclesiae Molhusiensis fidelissimo doctori, domino et fratri suo obser.

In seinem abwesen M. Hieronymo Wolff in Molhusen schulmeister.

Codex Nr. 16.

XI. 1544 Mai 1 Nürnberg.

Ist im Begriff sich nach Wildbad zu begeben. Die Angelegenheit des Hieronymus Wolff. Vom Reichstage. Selbstsucht der Fürsten.

1) Robert de Croy 1519—1556. i

2), Der Reichstag fand in den ersten Monaten d. J. 1544 in Speier statt.

*) So?

*) Die sog. Hauspredigten Luthers wurden von Dietrich 1544 nach seinen Nachschriften herausgegeben. Köstlin-Kawerau, Luther II’, 8.284.

) So?

203

Salutem in Christo. carissime Meni. responsurus eram ulterius et tibi Hieronymo nostro; sed nunc comparo me ad longinquum iter in thermas Neronias, que a feris nomen habent!) ac, quod faustum ac felix sit, cras hino movebo, itaque Hieronymi negocium, ut certi aliquid responderem. expedire non vacavit et abest quoque Hieronymus Baum- gartnerus, cujus opera in hae re mihi opus erit, si eum, ut volo, perficere cupio?). quod ad victum attinet, laute tracta- bitur Hieronymus et, ut spero, conficiam praeter mensam et alia, quibus domi opus est, aureos quadringentos. quod veretur puerorum, ut ad me scribit, pertinaciam et maliciam, non solum nos medebimur ei malo, sed migrarunt qui tales fuerunt, et cepta nune est acrior disciplina. quod pretexit de tradendis preceptis, eciam eum risu legi; nota enim mihi ejus non tantum vcreeundia et pudor, sed eciam pusillanimitas est. ego de tota ratione ejus collegii instituendi mutanda cum affine cogitabo, quem habebit non tantum gubernatorem, sed et ztapgaordrm».

De comieiis nihil novi nisi quod imperabitur tributum, sicut ante annum, contra Turcam et Gallum. dominus excitet virum, qui serio de republica cogitet. principum avaricia et luxus non ipsos solum, sed totum imperium per- det ao habent adjumento licenciam, que in rebus publicis est et, ut summatim dicam, singuli conferunt ad eam rem suam symbulum?).

Precor tibi omnia felicissima, mi Moeni, ut dominus te et familiam tuam servet. pro me precator, ut therme sint salu- tares dominus me defendat in omnibus periculis. Hierony- mum meum amanter cupio salutari. scribere ei non potui in tot occupationibus. date Norib. Philippi et Jacobi 1544.

Vitus tuus.

Vero pio fideli et erudito antistiti ecelesiarum Christi D. Justo Menio, nunc docenti Christum Molhusii, suo majori. Mulhausen.

Codex Nr. 27.

1) Wildbad im Schwarzwald.

3) In dem von O. Albrecht und P. Flemming aus dem sog, Manuscriptum Thomasianum veröffentlichten Briefwechsel Dietrichs mit Hieronymus Baumgartner (Archiv Bd. XII und XIII) wird Hieronymus Wulff nicht erwähnt.

3) So?

204

XII. 1514 Dezember 11 Nürnberg.

Versorgung Wolffs in Nürnberg. Keine Zunahme der Pest, Reichstag in Aussicht. Die protestantischen Fürsten und Nürnberg. Dietrich erliutert den 2. Psalm auf Grund der Vorlesung Luthers. Arbeit an der Genesis. Körperliche Leiden. Geburt eines Sohnes.

Salutem in domino. puto Lycium apud nos esse et cum sua voluptate et multorum commodo. sed ipse de suo judicio ad te scribet, mi Moeni, de quo etsi mihi non constat, tamen quid ego existimem et quid mihi significaverit, referre volui. hoc omnino verum est, genus vite esse quiecius inulto quam si in schola esset. nam quatuordecim tantum sunt quibus preest et adoleverunt hi in literis, adeo ut eciam exercicium non molestum, sed utile sit.

Apud nos dei gracia satis bono loco suut omnia. nam pestis nihilo cepit post autumni tempus sevire magis quam antea. comicia nune in spe sunt!) ibi, audio, eciam vestri optimi viri captivi?) Hieronymi negocium tractabitur. quod vestri principes, quia nos foedere cum eis juncti non sumus, tam putant ad se non pertinere ac si Turee essemus, quasi non conjuncti religionis vinculo. id cur scribam, mi Moeni, scio; sed nobis licet queri de ipsis?) emendari in tanta perversitate et corruptela morum non possunt.

Te cupio recte valere ac gratum feceris, si ostenderis quid nunc mediteris aut scribas; nam ociosum te esse non credo. ego sub hoc tempus sumpsi describendum et enar- randum ecclesiae nostrae secundum psalmun, sicut eum Lutherus legit publice in schola. post ad 13. caput Genesis redibo. nam eum laborem ut absolvam, tota ecclesia me monet et movet. deus suppetat vires et arceat podagram, quae eciam manibus insultatur. in ea re tu quoque me precibus apud deum adjuves. bene vale in domino cum tua domo. superate*) septena dominus auxit familiam meam filiolo. datae Norib. 11 decembr. 1544.

Vitus tuus. Optimo et doctissimo viro D. Justo Menio Isenacensis ecclesiae pastori fideli, suo in domino fratri.

Codex Nr. 28.

1) Ein neuer Reichstag war nach Worms berufen worden (ver- gleiche auch Nr. 13). 5 So? 9g *) So?

205

XIII. 1545 September 22 Nürnberg.

Besorgung von Musikliteratur im Auftrage des Menius. Die Seuche in Nürnberg hält sich in mäßigen Grenzen. Genesis- und Prophetenstudien. Der Reichstagsbeschluß. Der Kaiser uud der Anschluß der Stadt Donauwörth an das Evangelium. Die literarische Tätigkeit Johannes Funcks. Gruß an Myoonius.

Salutem in domino. oum tue litere afferrentur, Hierony- mus in patriam migrarat. veritus igitur, ne rediret tardius et, que fu scripseras, non. conficerentur, tum ipsius tum tua fretus, mi carissime Moeni, familiaritate resignavi epistolam ac postea emi musicos libellos. extant alii quoque a Petreio !) editi (misse, item germanice conciones); sed cum pecunia non sufficeret, pro duobus joaebimicis hosce delegi. graciam tibi habeo, quod video de salute te nostra solicitam credo autem sermonibus nunciari atrociora quam res est. nisi enim in- valescet malum, prorsus tolerabile est; nam hoc toto tempore, quo contagium serpere animadvertimus, uno die non plus quatuor aut quinque hominibus periit. id autem in tam frequenti loco perexiguum est. dominus porro quoque nos servet ae tueatur. quod horteris ad Abrahe historiam pertexen- dam, etsi gravior is labor est quam quisquam estimat, tamen, si dominus vitam et vires dabit, gratificabor ecclesiis. nunc Joëlem in manibus habeo, conveniens enim argumentum est his perturbatis temporibus. de comiciis supervacaneum est scribere, postquam decretum Wormaciense editum ). et fortasse Mazencius turbabit aliquid, connivente imo favente Carolo, qui duriter expostalavit eum Werdensibus ob mutatam religionem ê). nuncius ejus negocii fuit cardinalis Augustanus episeopus. noster senatus, consultus ab eis, etiam a me, postulavit eos ut consolarer, id quod feci quantum dominus dedit.

Etsi de Funcio scribet Hieronymus, tamen existimavi de mea sentencia quoque tibi significandum, hoc opus, quod edidit, vere ipsius esse et non Osiandri, cum quo' communi- cavit quedam, sed diligenciore inquisitione (huic enim uni rei vacavit jum multis annis) invenit cerciora multa. nune pertexit historiarum annotationes usque ad nostra tempora,

1) Jobannes Petrejus, einer der angesehensten Nürnberger Drucker der Zeit, der such Musikalien druckte (+ 1550).

) Der Abschied des Wormser Reichstags trägt das Datum des 7. August 1546.

) Die Reichsstadt Donauwörth wurde kurz darauf in den Schmalkeldischen Bund der Evangelischen aufgenommen, nämlich auf dem Frankfurter Bundestage (Dezb. 1545 bis Febr. 1546)

206

idque ut Apocalypsin, quod sibi pollicetur, aperiat!) bene in domino vale, mi suavissime Meni, cum tuis omnibus. date Noribergae postridie Mathei 1546. ad Myconium cum Seribes, salutabis eum reverenter de me.

Vitus tuus.

Venerabili in Christo viro D. Justo Menio ecelesie Isnacensis pastori fidelissimo, domino ef amico suo observ.

Codex Nr. 30.

XIV. 1546 Dezember 13 ohne Ort.

Ein Sohn Dietrichs geboren. Arbeiten an den Psalmen und der Genesis. Podagraleiden. Hieronymus Wolff.

Salutem in domino. spero tibi nostras redditas, mi suavissime Moeni. nunc cum tam anxie cupias scire de nostra salute, saltem ideo volui scribere, ut tibi et tuis precarer faustum et felicem annum. de peste nune silencium, pene exulat jam. mihi autem auxit deus domum donato filio, qui tanto mihi est carus in quanto cerciore periculo mater fuit?). deo sit laus et gloria. nunc secundum psalmum pene absolvi. postea ad Abrabamum me conferam, quem jam ex Aegypto cum Sara sua incolumem et reote defensum a domino reduxi ad Chananitas. interim) orato pro mea valetudine, que quotidie mihi minatur lectam, adeo pedes prorsus nihil valent. bene vale in domino, optime Meni, eum tuis. Hieronymum puto scripturum. valetudo ejus quoque satis afflicta est.

Datae 23 decemb. 1545. Vitus tuus.

Dem erwirdigen herrn

Justo Menio zu Eisenach

pfarherrn, meinem sonder

lieben herrn und bruder zu handen.

Codex Nr. 21.

1) Funck, damals noch Pastor in Wöhrd bei Nürnberg, gab 1545 den ersten Teil einer Chronologia ab orbe condita (bie 1545) und 1516 das sog. Chronicon Carionis, das zuerst Melanchthon veröffentlicht hatte, mit einer Fortsetzung heraus (vgl. unten Nr. 15).

*) Dietrich hatte sich im Anfang seiner Nürnberger Wirksamkeit mit Kunigunde Leysio, einer Nürnbergerin, vermühlt, die ihm fünf Kinder gebar.

So?

207

XV. 1547 Juni 28 Nürnberg.

Die Lage. Standhaftigkeit des gefangenen Johann Friedrich. Dietrich vom Amt suspendiert; Gründe. Seine Arbeit an der Genesis. Funcks Chronicon; ist vom Magistrat abgesetzt, sucht ein Unterkommen. Osiander. Hieronymus Wolff. Bugenhagens Schwiegersohn aus der Gefangenschaft befreit.

Salutem in domino. gracias ago filio dei, gubernatori ecclesiae, quod te et cives tuos servavit. nam reliqua que acciderunt, deplorari possunt, corrigi non possunt ac judica- mus omnes, aliam tocius negocii futuram catastrophen quam nune apparet imprimis autem consolatur nos principis optimi!) constans et fortis animus, qui e&J9vuógroc?) hanc fortunae procellam in se motam hactenus talit. de ecclesiae nostrae statu quod queris, aliquid turbatum est. mihi enim interdictum publico nomine est, ne doceam amplius, dum senatus iterum jusserit. causa impositi sileneii non simplex est arripuerunt meum quoddam dictum, quasi reprehenderim ordinaria tributa. deinde aceusatus sum a quodam regio consiliario, praefecto vallium, quod ipsum una cum rege notarim publice, reprehendens novas et inusitatas usuras, quas princeps in senatu exercet. cum igitur ille se rem ad regem delaturum minaretur, hoe putarunt nostri remedium, si me juberent tacere. fero injuriam et ecclesiae causa dissimulo, quae facile irritaretur. sed graviter peccat mundus, fantum sibi sumens juris et potestatis contra ministerium, quod dei est. quis futurus finis sit, nescio, si volent prae- finire leges docenti, quantumvis manibus et pedibus laborans deseram hune locum.

Hodie cepi scribere inicium XVI. capitis in Genesin de Sara. Funcius, ut audio, absolvit chronicon, sed caret im- pressore. nam officine librarięe in nostris rebus publicis omnibus nune sunt ociose, veretur enim magistratus periculum. eoeterum Funcius penitus a ministerio est amotus propter levicalam sane causam, quod metuens Hispanos aliquandiu binc se subdnxit clam senatu. si ei locus alicubi apud vos esse posset, eciam exiguam condicionem acciperet’). eruditus qualis sit, nosti et est bene facundus. vale felix

1) Johann Friedrich von Sachsen.

1) Soviel als «29v4oc (guten Mutes).?

s) Wenige Monate später begab sieh Funck, von Dietrich empfoblen, zu Herzog Albrecht von Preußen nach Königsberg, wo er Ende Oktober 1517 eintraf, einer glánzenden, aber auf dem Ricbtblock endenden Laufbahn entgegen.

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in domino cum tuis et meçi stoð äpyovsos aixuakAwrov rescribe aliquando, si quid habes d&oÀóyov. Datae Norib. pridie Petri et Pauli 1547. Osiandrum compellari jussi de responso; sed negavit se nunc habere quid scribat.

Wolfius noster sue melancholię indulgens penitus nos deseruit. est nunc in patria. eo mittam tuas literas. miser est et tamen non patitur sibi consuli.

[Am Rande.] Pomerani gener, captus ab Octavio pontificis nepote in vallibus Joachimieis, feliciter cum divina ope liberatus est. Tuus.

Dem erwirdigen

herrn Josten Menio

zu Gottha, meim sonder

lieben herrn und freunde zu eigen handen.

Codex Nr. 29.

XVI. [1548] August 16 Nürnberg.

Nürnberg widerstrebt dem Interim; die kirchlichen Neuerungen dort halten sich in engen Grenzen. In Augsburg ist alles papistisch. Mißglückter Anschlag der Kaiserlichen auf Konstanz Brenz’ Aufenthaltsort unbekannt.

Salutem in domino. adhue dei gratia retinemus veterem ecclesiae formam, quanquam non desunt qui assiduo solli- citent literis et mandatis ad impiam mutationem. audio autem nostrum senatum publice profiteri, quod non consen- serit in totum Interim. itaque nihil videntur facturi aliud quam ut plus festorum dierum instituant et quibusdam diebus macellum oceludant. quidam mussitant etiam de restituenda elevatione.

Augustae omnia sunt papistiea. relictum est civibus tantum unicum templum et audio conciones omnes inter- dietas, ne qua scilicet sit occasio dissensionum reliqua. Caesariani ex insidiis sexta Augusti conati sunt occupare Constantiam, sed conatus irritus fuit. dux ipsorum cum ducentis interfectus est, civium autem circiter centum ocou- buerunt!) parum abfuit quin civitas caperetur. hoc ini- tium putatur belli novi si quid comperero, quod vos scire referat, significabo. Brentius ubi sit nes-

!) Zu dem Anschlag auf die Stadt Konstanz vgl. auch Nuntiatur- berichte aus Deutschland, 1. Abt. Bd. 11 8. 69 f.

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cio!). benevale, doctissime et idem mihi charissime Meni, et ora pro me valetudinario ).

Datae Noribergae 16 augusti. Vitus tuus.

Reverendo in Christo viro D. Justo Menio eeclesiae Gotthorum doctori . ..

Codex Nr. 13a.

1) Brenz, durch den Umschwung infolge des Schmalkaldischen Krieges aus Sohwäbischhall vertrieben, führte längere Zeit hiudurch ein unstätes Flüchtliugzsleben.

*) Dietrich erlangte seine Gesundheit nicht wieder völlig zurück. Er starb nach längerem Krankenlager schon am 25. März 1549, erst 48 jährig.

Arehiv für Roformationegesohiohte. XXIL 8/4. 14

Die Reichsabtei Fulda am Vorabend

der Reformation. Von Paul Kalkoff.

Schon die Romantik hat über die Ritter- und Kloster- geschichte des ausgehenden Mittelalters einen verklärenden Schimmer gebreitet. Dann hat die katholische Geschicht- schreibung unter dem Vorgang Kampschultes und Janssens sich planmäßig bemüht, für diese Zeit einen Aufschwung des kirchlichen Lebens, eine Blüte der Wissenschaft und Kunst, eine Hebung der allgemeinen Sittlichkeit, eine Befriedung des innern Lebens in Stadt und Land nachzuweisen als berrliche Früchte des herrschenden kirchlichen Systems, der Verhindung püpstlicher Allgewalt mit der Unfehlbarkeit der scholastischen Methode. Alles das ist durch das Auftreten Luthers mit seinem revolutionären Anhang von raubgierigen Fürsten und zügellosen Literaten jählings zerstört worden. Dabei werden die kirchlichen Einrichtungen und ihre Würden- träger nach einem bestimmten Schema gezeichnet, und, wo der quellenmäßige Befund zu diesem character indelebilis nicht stimmt, wird er mindestens mit Stillschweigen über- gangen. |

Auch die Gescbichtschreibung des Hocbstifts Fulda von dem Jesuiten Chr. Brower!) und dem fürstlich fuldaischen Historiographen J. Fr. Schannat (gest. 1739) an bis auf den fleiBigen Forscher und Herausgeber Fuldaer Geschichts- quellen G. Richter?) macht davon keine Ausnahme, zu- mal in der Darstellung der wildbewegten Regierung des Abtes Hartmann und seiner Persönlichkeit, für dessen Tatendrang die durch ständische Rechte eingeengten Ver- hältnisse einer Reichsabtei offenbar zu eng waren. Man hat dabei Bchon die Angaben einer bereits von Brower gekannten Quellenschrift vorsichtig aus dem Spiele gelassen, die man

) Fuldensium antiquitatum Il. IV. Antwerpen 1612.

3) „Ulrich v. Hutten und das Kloster Fulda" in mehreren Heften der Fuldaer Geschichtsblütter. Ztschr. des F. Geschichtsvereins hrag. von @. R. Bd. VIIf. Fulda 1908, In den zahlreichen späteren Veröffentlichungen des Vereins und dieses seines Leiters warden. Quellen für die Zeit Huttens nicht mehr mitgeteilt.

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jedoch eifrig benutzt hat, um die Legende von Hutten als dem ,entlaufenen Mönche“ zu bekrüftigen. Denn da dieser sich darauf beruft, daß man ihm keinen Propst oder Dechanten nennen könne, unter dem er Profe getan haben solle, so verweist man auf die Chronik des Apollo von Vilbel, der diese Würden in Fulda bekleidet habe und bei der Er- wühnung von Huttens Tode sein Mönchtum bezeuge !). Aber dieser aus der Wetterau stammende Prälat ist erst seit 1508 in Fulda nachweisbar, wo Hutten nur von 1499 bis 1505 weilte, und gehörte wohl vorher dem Kloster Limburg an, wo er 1536 als dessen Abt verstarb. Er ist also keineswegs ein „Zeuge“, wie ihn Hutten fordert, und schrieb seine Er- innerungen erst 1531 nieder, darunter auch, was er von Huttens Gegnern gehört hatte“). Sein angebliches Zeugnis wird aber bei genauerem Zusehen noch dadurch entkräftet, daß für ihn und seinesgleichen das Wort, monachus Fuldensis“ nicht den schlichten Benediktinermönch, den bürgerlichen Konventualen bedeutet, sondern den adligen Inhaber der reich ausgestatteten Dignitäten und besonders der stattlichen Propsteien. Und nur zur Versorgung mit einer solchen hatten Huttens Eltern, der harte Raubritter mit seiner als Schwester Mangolds von Eberstein gewiß auch nicht sentimentalen Mutter, den Knaben nach Fulda gebracht. Die in der Regel des hl. Benedikt und der ältesten Ordensgeschichte bezeugte Sitte der „oblatio“, die das bei Hutten nicht nachweisbare Gelübde bei dauernder Zugehürigkeit in spüterer Jugend rechtskräftig ersetzt haben soll, war hier mit andern ehr- würdigen Erbstücken lüngst in Vergessenheit geraten. Dazu aber gehürte beinahe auch die ehedem so berühmte und zahlreich besuchte Klosterschule, die nur noch ein kümmerliches Dasein fristete und der die jugendlichen Anwärter auf Kapitelstellen, die Söhne des rings im Buchenlande sitzenden Adels, nicht ohne weiteres zugezählt wurden. Diese genossen wie die Domizellare an den bischöflichen Stiftskirchen größere Freibeit, wurden oft schon sehr zeitig zum Genuß von Pfründen zugelassen und zu zweijährigem Universitätsbesuch be- urlaubt. Der siebzehnjährige Hutten hatte also gar nicht

ı) Die Widerlegung ausführlicher im II. Kap. meines Buches „Huttens Vagantenzeit und Untergang“, das eine Ergänzung der Arbeit über „Ulrich v. H. und die Reformation“ (Leipzig 1920) und den ersten Teil des Gesamtwerkes: „Der geschichtliche Hutten und seine Umwelt“ darstellt. Hier angeführt mit HB.

) Die Chronik des A. v. V., hrsg. von Jos. Rübsam. Ztschr. des Vereins für hessische Gesch. u. Landeskunde. N. F. XIV, 196 fl., 289.. Kassel 1889, Weiter angeführt mit HZ.

14*

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nötig, „aus dem Kloster zu fliehen“, sondern folgte nur seinem unbändigen Drang zu xügellosem Leben. Wie es aber mit der aus Fulda mitgebrachten Bildung nach den dortigen Verhältnissen aussehen konnte, das verrät Apollo von Vilbel mit einem von G. Richter übersehenen Wörtchen: Hutten sei „als gekrönter Dichter und im Besitz großer Gelehrsamkeit gestorben, obwohl (quamvis) er vorher ein Fuldaer Mönch war“. Er hat dann, getreu den räube- rischen Ueberlieferungen seiner Familie die von einem bürgerlichen Konventualen bestens geordnete und einge- richtete Bücherei um drei wertvolle Handschriften bestohlen, die sich in seinem Nachlasse vorfauden!). Im übrigen hatte er durch seine Entfernung und sein Vagantenleben die Gunst der Kapitelherren keineswegs verscherzt, da diese nur seine Herkunft und standesgemäße Gesinnung im Auge hatten: die Heichsabtei war eben, wie das Kölner Dom- kapitel für den hohen, so ihrerseits dus „Hospital“ für den bucbonischen Adel. Der Chronist berichtet denn auch in der Hauptsache nur, welche Pfründen seine Ordensbrüder innehatien, wie sie sich als „große Bauherren", besonders durch Errichtung behaglicher Wohnhäuser und reichgefüllter Speicher auszeichneten und hie uud da unter dem ,morbus Gallicus“ zu leiden hatten, darunter er selbst und Huttens gepriesener Gönner Frank von Mürlau. Das waren die „saerifiouli idiotae et paene analphabetae“, mit denen, wie der arme Lateinlehrer Crotus Hubianus klagte, kein Verkehr möglich war, wenn mau nicht „trinken und spielen, Wucher und Liebschaften pflegen wolle". Er hat sich für die ver- lorene Zeit entschiidigt. indem er sie samt dem „upollinischen“ Latein in den ergötzlicbsten Gestalten seiner obskuren Brief- schreiber“), wie dem Magister Konrad von Zwickau, porträtierte,

In dieser Umwelt hat sich also der beranwachsende Hutten bewegt, als er zu „verständigen Jahreu kam und das Leben ein wenig kennen lernte“. Und es muß ihm bei seiner wilden Sinnesart bier um so mehr behagt haben, als es auch uuter dem tüchtigen und kriegserfahrenen Abte

1) Nachgewiesen von G. Richter, Fuld. Gesch. Bl. (FGB ) VIII. 86—40.

*) Als geschichtliche Quelle sind die Epistolae obscurorum viro- rum also eine Kombination der Fuldaer Zustände mit dem Verlauf der Reuchlinschen Fehde, eine Frage, die W. Brecht ausdrücklich beiseite gelassen hat. Die scholastischen Theologen wurden dadurch entlastet, Eingedenk des „Malum dabunt Metelli^ hat Crotus seine Satire ausschließlich in bürgerliche Kreise verlegt.

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Johann noch unruhig genug zuging. Die „Fuldaer Mönche“ waren und blieben die Söbne des gewalttätigen und selbst- tüchtigen Adels, der seit Jahrhunderten den Nacbfolgern Sturmis hart zugesetzt hatte. So war Heinrich VII. wegen seiner Schuldenwirtschaft 1370 erst der Pflegschuft zweier Kapitularen unterworfen, daun aber abgesetzt worden. Konrad III. wurde nach zablreichen Fehden erst einem ständischen Ausschusse untergeordnet und dann 1483 er- mordet; ein anderer soll „getürangelt* worden sein. Besonders bezeichnend aber ist der Bericht, den jener Abt Johann 1472 seinein Bruder, dem Grafen Wilhelm von Henneberg, ab- stattete, Er war selbst als Hauptmann des Stifts empor- gekommen, indem sein Vorgänger, Graf Reinhard von Weilnau, iho im Kampfe gegen Hessen und die Herrn von Riedesel in seinen Dienst genommen und dann zum Koadjutor bestellt hatte. Bei dessen Rücktritt sträubte sich zwar das Kapitel, ihn als Abt anzuerkennen, fügte sich dann aber. Der neue Abt, der alsbald mit der Kutte und der Tonsur auch eiuen der Ordensregel entsprechenden Lebenswandel annahm. be- mühte sieh nun, auch die im Stift eingerissenen Mißbräuche abzustellen, wobei er auf den heftigen Widerstand der adligen Kapitelherren stieß. Er lud nun auf den 15. August 1472 den Dechanten Johann von Romrod, die Pröpste der um- liegenden Kirchen uud die übrigen Mitglieder des Kapitels zu einer Beratung iiber die Reform des Klosters zu sich. Als nun der Dechaut und der Propst auf dem Petersberge den Abt noch allein in seinem Speisesaale autrafen, bemerkte dieser, dab der Propst unter seinem Kleide ein Beil uud ein Schwert verborgen hatte. Er war sich sofort klar darüber, was die beiden, die schon unter seinem Vorgünger der Reform heftig widerstrebt hatten, im Schilde fübrten, and lieb den Propst sofort verhaften. Selbstverstäudlich traten nun der Dechant und das ganze Kapitel für den Verdüchtigen ein, gelobten aber schließlich mit Handschlag, derartige Anschläge nicht zu wiederholen, so daß der Abt sich bereit finden ließ, den Propst wieder freizugeben !).

Die Familie Huttens hat nun auch nach seinem Weg- gang fort und fort in nahen Beziehungen zum Stifte Fulda gestanden; seiu Vater verzichtete keiueswegs auf die Aus- sicht, ibn dort noch staudesgemäß zu versorgen. Nachdem er 1614 als Agent des Mainzer Domkapitels in dem von revolutionürer Leidenschaft durchwüblten Erfurt jene furcht- bare Rolle gespielt hatte, die Strauß irrtümlicherweise seinem

1) Cyriacus Spangenberg, Chron. Henneberg. bei Schanuat, Hist. Fuldensis. Leipzig 1729. IT, 343 sq.

914

Sohne zugewiesen hat!), begleitete er im Dezember den neuen Abt Hartmann als dessen „Rat von Haus“ noch einmal auf einer diplomatischen Sendung nach der Hauptstadt Thüringens. An diesen hat in jener Zeit der kurmainzische Hofmeister Eitelwolf von Stein die Mabnung gerichtet, den begabten Schriftsteller nicht zum Eintritt in den Orden zu drängen („Tune hoc ingenium perderes?“), wohl in der Be- sorgnis, daB er in dieser Gemeinschaft noch schneller und rettungslos verwildern würde. Der Poet hat dann wieder- holt die Gastfreundschaft des Klosters in Anspruch genommen und muß also auch von den späteren Vorgängen Kenntnis gehabt haben. Um so auffälliger ist es, daß dieser Vor- kämpfer für nationale Freiheit und sittliche Besserung der Kirche, der sich rühmte, er sei geboren, Tyrannen zu be- fehden und zumal die bösen Kurtisanen mit heiligem Zorn verfolgte, zu allen diesen Dingen geschwiegen hat. Denn gerade diesen Typus des eigenmächtigen, habgierigen Prälaten, des „Kurtisanen“, der, mit päpstlichen oder kaiserlichen Vollmachten ausgerüstet, die Rechte der heimat- lichen Kirchen und ihrer Pfründner verletzt), vertritt der Abt Hartmann mit seltener Rücksichtslosigkeit. Die nüchternen Tatsachen, die uns Über seine kurze, aber stürmische Herrschaft überliefert sind, werden durch die Klagen des Fuldaer Dechanten und Bruchstücke seines Briet- wechsels im Familienarchiv belebt. Dieses Bild ist auch für die Reichs- und Reformationsgeschichte von Wert, da der vertriebene Würdenträger auf dem Wormser Reichstage zu den eifrigsten Mitgliedern der papistischen Gruppe, den tätigsten Werkzeugen Aleanders gehörte, deu er schon bei der verunglückten Bücherverbrennung in Mainz gegen die von Hermann von dem Busche nicht von Hutten! angeführten Studenten beschützt hatte. Zweifel- Jos ist er auch für die erschlichene Annahme des Wormser Edikts mit verantwortlich zu machen“). Zugleich ermißt man, wie wenig zutreffend G. Richter es begründet, daß „zu Zwangsmitteln" gegen den „entlaufenen Mönch“ vam w enigsten

) Vgl. das V. Kapitel von ,Huttens Vagantenzeit“.

) Luther führt das Ueberhandnehmen der „Stifteräuber und Ptründendiebe, der Kortisanen“, als eines der Vorzeichen des jüngsten Gerichts iu der verweltlichten Papstkirche an. Vorrede sur Apoka- Ivpse, 18. Kap. Erlanger Ausg. 63, 158.

) Deutsche Reichstagsakten. Jung. Reihe (DRA) II. 741, 98. P. Kalkoff, Der Wormser Reichstag von 1521. München 1922 (weiter zitiert mit WR.) S. 58f 278. Den Abschied vom 26. Mai hat er noch persönlich bewilligt.

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ein Mann wie der Koadjutor Hartmann geneigt sein konnte, in dessen Händen seit 1507 hauptsächlich die Verwaltung der Abtei lag, der aber selbst der Richtung der jüngeren Humanisten so nahe stand und sich von ihnen als Mäzen feiern ließ“ i).

Ursprünglich hatte in Fulda Gütergemeinschaft zwischen dem Abt und dem Kapitel bestanden, das sich aus dem Klosterkonvent unter dem Dechanten und aus den Prälaten, den Vorstehern der zwölf faldischen Eigenklöster, auch der Frauenklöster (den Pröpsten) zusammensetzte?. Schon um 1300 war die Trennung der Abtsgüter von den Konvents- gütern durchgeführt worden, und im 16. Jahrhundert wurden wieder die Güter der adligen Prüpste und Kapitularen von denen der bürgerlichen Konventualen, die im Hauptkloster lebten, gesondert*). Die Ritter des Buchenlandes hatten schon seit dem 13. Jahrhundert die Kapitelstellen für ihre Söhne in Anspruch genommen, ein Vorrecht, das auch bald in den Statuten der Hauptkirche, des alten Benediktiner- klosters zu S. Salvator, festgelegt wurde. Sie allein waren wahlberechtigt, und schon seit 1222 war so die Abtswürde ein Vorrecht des Adels geworden; doch blieb sie seit der Mitte des 15. Jahrhunderts dem hohen Adel, den Grafen- häusern von Weilnau, Henneberg u. a vorbehalten‘). Später standen die adligen Kapitelherren nur formell auf Grund ihrer Profeßablegung in loser Verbindung mit dem Kloster.

Bei den Kämpfen, in denen sich im Laufe des 14. Jahr- hunderts die ständische Verfassung des Fürstentums heraus- bildete, handelte es sich im wesentlichen um die Verfügung über die Stiftsgüter, so daß die Gläubiger des Abtes kein Pfäudungsrecht au den Eiukünften des Konventstisches haben sollten. In den Statuten von 1395 war bestimmt worden, daß der Abt bei wichtigen Regierungshandlungen nicht nur an den Rat, sondern an die Zustimmung des

1) FGB. VII, 68. VIII, 28. 57.

1) Das folgende nach der gründlichen Arbeit von K. Grossart, Die Landstände in der Reichsabtei F. und ihre Einungen bis z. J. 1410. FGB. XII (1918), 118 fl. 155 ff. 161 ff. XIII, I ff. 46 fl. 77 fl. 90ff.

3) FGB. VII, 88 ff. 88.

1) K. Arnd, Gesch. des Hochstifts Fulda. Fulda 1860, 8. 67ff. Die Zahl der bürgerlichen Konventualen, die im 18. Jahrh. für das Hauptkloster auf 58 festgesetzt war, schmolz immer mehr zusammen. Die Pröpste der Sekundärstifter hielten sich gewöhnlich nur einen bürgerlichen Mönch, der die Seelsorge übernehmen mußte. Im 16. Jahrh, bestand die Abtei aus etwa sechs Adligen und nicht viel mehr Bürgerlichen. Wetzer-Welte, Kirchenlexikon IV, 2106.

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Kapitels gebunden sein sollte. Doch gehörte dieses im Unterschied von andern Territorien nicht zu den Land- stiinden, sondern es bildete einen Teil der Landesherrschaftt. Denn wenn die Vertreter des Landes, Ritterschaft und Städte, zugezogen wurden, traten diesen „Abt, Dechant und Konvent“ als Landesherren gegenüber. Die Städte waren dabei zu- nächst in starker Abhängigkeit vom Abte, der sie schwer besteuerte und ihre Verfassung und Verwaltung beeinflußte;_ doch traten sie bei den schon angedeuteten Kämpfen am Ende des 14. Jahrhunderts gleichberechtigt neben Kapitel und Ritterschaft. Diese hatte sich seit Ende des 13. Jahr- hunderts fast unabhängig gemacht; denn aus den Ministe- rialen war ein freier Lehnsadel geworden, der in zahlreicher. Fehden mit den Aebten seine Verbindung mit dem Stifte immer mehr loekerte, besonders seit er auch von andern Herren Lehen empfangen durfte. Seine Kriegsdienstpflicht war 80 gut wie wertlos, da das Stift den ganzen Unterhalt bestreiten und Schaden ersetzen mußte. Der Adel kümmerte sich überhaupt nicht um seine Pflichten. wahrte aber um se eifersüchtiger seine Rechte, vor allem das Febderecht, der Gerichtsstand vor dem Abte, doch nur nach dem Spruch von Standesgenossen, die eigene Gerichtsbarkeit über die Mintersassen und die Freibeit von Steuern, besonders von der Bede.

Aber trotz seiner glänzenden wirtschaftlichen Stellung, die es mit sich brachte, daß die Aebte besonders bei ihrer Ritterschaft verschuldet waren !), zeigte sich diese unersittlich, wobei besonders die Hutten sich hervortaten: so hatte unter dem Abte Friedrich von Romrod ein Mitglied der Stolzen- berger Linie die Stiftslande schwer bedrängt, die Kirchen gebrandschatzt, die Bauern beraubt und erschlagen, die Bürger von Fulda überfallen?) Schließlich wurden in den schweren Kiümpfen am Ende des 14. Jahrhunderts die Aebte mehrmals gezwungen, die Verwaltung an ständische Ausschüsse abzutreten, und so bildete sich aus dieser Einungen und den Landfriedensbünden jene ständische Ver- fassung, die in den Statuten von 1395 und 1419 enthalten ist. Dabei hatte sich das Stiftskapitel eine über- ragende Stellung mit dauerndem Einfluß auf die Geschäfte

1) Das Dorf Müllenroth wurde 1889 an einen Hutten verpfündet 1878 erwarben diese Stolzenberg, Soden und Sal münster für 5400 Pfund von einem andern Ritter, dem sie der Abt um diese Summe ver- pfändet hatte. FGB. XIII. 22. Vgl. anch Schannat, Fuld. Telnhof Frankfort 1726. S. 115—117,

1) Arnd. 8. 90.

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gesichert. Es bildete einen förmlichen Staatsrat, der bindende Beschlüsse fassen konnte. Der Abt, der auf diese Urkunde als seine Wahlverschreibung verpflichtet wurde, durfte sich auch durch den Papst nicht von diesem Eide entbinden lassen. Und eben so entschieden wahrte das Kapitel seine Macht den weltlichen Ständen gegenüber, wobei jedoch der Adel insofern begünstigt war, als die Kapitularen aus seinen Reihen hervorgingen und den Vorteil ihrer Familie im Auge bebielten.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts scheinen sich unter der lungen Regierung Johanns II. (1476 —1507) die inneren Zustände gebessert zu haben, wenn auch immer noch Fehden gegen den Abt vorkamen, der nach wie vor nicht ohne viele Verpfändungen auskommen konnte. Doch hören wir von Versuchen zur Reform der Klostergeistlichkeit, von Pflege der Baulichkeiten und Klosterschulen. Und so konnte unter ihm als Kustos der Hauptkirche und Kaplan des Abtes der Frater Joh. Knötel (gest. 1505), also ein bürgerlicher Konventuale, ein Mann von großem Fleiß und gründlicher Bildung, auch die altberübmte Bibliothek in guten Zustand versetzen und künstlerisch ausstatten. Dabei hatte er eine zweckmäßige Aufstellung vorgenommen, wie man noch zur Zeit der Abfassung der Chronik Vilbels beobachtete, und ein stattliches Register angefertigt, so daß jedes Buch so- gleich zu finden war!).

Doch wurden diese friedlichen Bestrebungen immer wieder durch schwere Fehden unterbrochen, in die der Abt durch die Zugellosigkeit des niedern Adels und die Begehrlich- keit benachbarter Dynasten verwickelt wurde. So war gerade in den Jabren, als der Knabe Ulrich die Kloster- schule besuchte, das Stift von Waffenlärm erfüllt. Schon um das Jahr 1475 batte der Abt mit den Ganerben des Hauses Buchenau?*) einen schweren Strauß auszufechten gehabt. Ein Mitglied dieser Sippe, der Ritter Engelhard, vergeudete dann seine Habe mit einem ehrlosen Weibe und verkaufte seine im Stift belegenen Güter an den Landgrafen Wilbelm den Jüngeren in Marburg. Da er aber mehr ver- kauft hatte, als sein eigen war, erwirkte der Abt eine kaiserliche Entscheidung, die den Kauf rückgängig machte, worauf der hessische Hofmeister in das Stiftsgebiet einſiel und ein Dorf niederbrannte. Nun zog der Abt selbst gegen den Hauptschuldigen, jenen Ritter von Buchenau, zu Felde,

) HZ. S 218.

*) Ein Otto von Buchenau starb 1504 als Propst von S. Michael. HZ. 8. 918.

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der zahlreiche Kuechte angenommen hatte. Doch siegten die Fuldischen in einem blutigen Scharmützel uud nahmen den Ritter gefaugen. Da aber traten 1499 dem Landgrafen auch der Pfalzgraf und Herzog Erich von Braunschweig zur Seite, während der Abt von Landgrafen Wilbelm in Spangenberg unterstützt wurde. Die Herzöge von Sachsen suchten zwar zu vermitteln, aber der Abt konnte erst auf- »tmen, als i J. 1500 sein schlimmster Bedränger, der jüngere Landgraf, auf der Jagd tödlich verunglückte?).

Aber noch in den letzten Lebensjahren Johanus, schon unter der Regierung des energischen Koadjutors Hartmann, sollte das Stift nicht zur Ruhe kommen. Im Herbst 1512 klagt Mutian, daB Crotus, der durch sein Lehramt an Fulda gefesselt sei, ihn besonders deswegen nicht einmal besuchen könne, weil unter den Mönchen, d. h. den adligen Kapitel- herren, ein Zwist ausgebrochen sei und eine Fehde zwischen dem Abte und den Rittern von Riedesel wütete. Mutian ruft daher dem neuen Abte zu, als dieser im nächsten Früh- jahr inthrouisiert wurde:

„Ergo, pater felix, equites compesce protervos!“ Und in einer Beglückwünschungsrede führt er aus, wie der alte Abt sich besonders deshalb nach einem tüchtigen Nachfolger um- gesehen habe, weil die ungezügelte Wildheit des Adels der Leitung der Stiftsherren widerstrebte und seine Habgier und Neuerungssucht den Bestand der Fuldaer Kirche gefübrdete*).

Und so hatte der Abt Johann sich auch bitter getäuscht, wenn er von der Stiftung eines Ordens des hl. Simplicius sich eine Hebung der Hitterschaft in sittlicher Hinsicht und eine Minderung des Fehdewesens versprach. Die Mitglieder, die vier Ahnen mit Helm und Schild belegen mußten, sollten durch eine silberne Kette mit dem Bilde des Heiligen ausgezeichnet werden; aber das Mittel, das gleichzeitig an manchen anderen Stellen wie in Brandenburg mit dem Schwanenorden, versucht wurde, zeigt nur, daß man das Uebel wohl richtig erkannt hatte, aber zu seiner Bekämpfung obnmüchtig war.

Ein greifbarer Erfolg aber dieser Regierung, die An- sammlung eines Schatzes“) als Zeichen wirtschaftlicher

1) Spangenberg bei Schannat, im II. Bd., der Hist. Fuld, dem Codex probationum p. 815 sq.

*) K. Gillert, Briefwechsel des Mutianus Rufus. Halle 1890. I, 304, 889, 341.

*) Nach Spangenberg hinterließ er 10000 Gulden bar, von denen er 1000 Gulden drei benachbarten Stiftskirchen vermacht hatte. Cod. prob. p. 346.

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Hebung des Huchstifts, wurde durch deu Nachfolger zerstört, der diese Mittel in unnützen Ausgaben vergeudete, so daB die Fuldaer Kirche, die sich vou dem geschäftskundigen Manne das Beste versprochen hatte, nur Unglück und Schaden von ihm hatte,

Dieser Abt Hurtmaun genoB bei seiner Erhebung zum Koadjutor groDes Ansehen als ein tatkrüftiger, gründlich unterrichteter Manu von hervorragender Gewaudtheit und Redegabe!). Der Zweig der Burggrafen von Kirch- verg, dem er angehörte. war schon unter seinem Groß- vater Dietrich VI. während des sächsischen Braderkrieges in Vermügeusverfall geraten, sodaß das Stammgut Cranich- feld verkauft werden mußte und schon sein Vater Albrecht IV. sich heimatlos in fremdem Kriegsdienst oder als Begleiter fürstlicher Personen auf Wallfahrten durchschlagen mußte. Schließlich ließ er sich in Erfurt nieder, wo er das Bürger- recht erlaugte und 1471 starb. Seine beiden Söhne wurden von einem Stiefvater erzogen und studierten dann von den Resten ihres Erbgutes in Erfurt, wo der jüngere 14965 starb, während Hartmann (geb. 1465) schon 1484 nach der Unsitte der damaligen Universitäten die Würde des Rektors be- kleidete und 1487 auch ein Kanonikat an der Mainzer Domkirche und die Würde eines Doctor legum erlangte )). im J. 1494 war er in kirchlichen Geschäften in Rom, wo er sich in die Bruderschaft der deutschen Nationalkirche, der „Anima“, aufnebmen ließ); 1501 wurde er als Assessor an das Reicbskummergericht nach Nürnberg berufen. Daun trat er als Rat und Auditor in die Dienste des Kardinal- legaten Raimund Peraudi, als dieser in den nächsten Jahren Deutschland zur Vertreibung des Jubelablasses bereiste*). Wenn er nun 1507 von Abt Johann II. als Koadjutor au- genommen wurde, so ist außer der Zustimmung des Kapitels auch die Empfehlung des Kaisers vorauszusetzen, an dessen Hofe der Abt von Fulda die Ehrenstelle eines Erzkanzlers der Kaiserin bekleidete. Er suchte dann auch schon im

) Nach Vilbel, HZ. S. 221.

) Die genaueren Nachweise in dem auf reichem archivalischen Material beruhenden Werke von H. F. Avemann, Beschreibung der Reichs- und Burggrafen von Kirchberg. Frankfurt a. M. 1747, S. 234 ff. G. Bauch, Die Universität Erfurt im Zeitalter des Frübhumanismus. eslau 1904, S. 117.

3) [C. Jaenig]. Liber confraternitatis B. Mariae Teutonicorum de Urbe. Rom 1875. p. 89: als Kleriker der Diözese Naumburg.

1) Ablaß für das Kirchbergische Dorf Farnrode, d. d. Braun- -chweig. 1503, März 7. Avemann, Anbang S. 170 ff.

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nächsten Jahre den Kaiser wieder auf, um die Regalien zu empfangen, und erhielt durch Breve vom 5. März 1508 die Bestätigung Julius Il’). Daraufhin legte er am 17. Febr. 1510 im Kloster zu Fulda Profess ab und wurde vom Kapitel nach dem Tode Georgs von Sehaumberg mit der Propstel von S. Michael versorgt.

Nach der älteren Ueberlieferung hätte er i. J. 1511 eine kaiserliche Gesandtschuft an den Hof des Polenkönigs Siegmund und des Hochmeisters Albrecht von Brandenburg geführt, um zwischen beiden zu vermitteln. In der Tat war er schon 1510 au Verbandlungen in Posen beteiligt gewesen und wurde nun von Seiten der Markgrafen von Ansbach dem Kaiser für diese Sendung vorgeschlagen“). ‚Auch erließ Maximilian gleichzeitig ein Mandat an die größeren norddeutschen Fürsten mit der Aufforderung, wenn Polen die Werbung des Kondjutors nicht berücksichtige, dem Ordenslande nötigenfalls mit den Waffen beizustehen. Aber da Maximilian um seiner eigenen politischen Zwecke willen es mit Polen nicht verderben wollte, unterblieb die Sendung. Wenn also auch nicht auf der Rückkehr aus dem Osten, so muß doch Hartmann in dieser Zeit ander- weitig als Vertrauensmann des Mainzer Domkapitels mif dem Kurfürsten Joachim I. in Berührung gekommen sein. So konnte er seinen Auftraggebern die günstigen Aeuße- rungen überbringen, die diese veranlaßten, die Berufung des jugendlichen Markgrafen Albrecht auf den erzbischöflichen Stuhl ernstlich ius Auge zu fassen. Es handelte sich dabei um den Wunsch des Domkapitels, für das durch die An- sprüche Kursachsens gefährdete Erfurt den Schutz Branden- burgs zu gewinnen. Hartmann, der mit den schwierigen Verhültnissen der durch innere Unruhen zerrissenen Bürger- schaft vertraut war, eignete sich für diese Verhandlungen

) Abgedruckt im Cod. prob. p. 837 sq.

*) Aus Ulm vom 8. Mai 1511 ist die Instruktion datiert, nach der Hartmann versucheg sollte, den König zum Verzicht auf die Forde- rungen zu bewegen, die er an den neuen Hochmeister auf Grund des zweiten Friedens von Thorn gestellt hatte. Auf seine Drohungen hin hatte sich dieser an den Kaiser gewendet, der die Bedingungen ebenfalls für unannehmbar hielt und nun dem Polen erklären ließ, daB das Ordensland dem Reiche unmittelbar unterstehe und des gemeinen Adels Zuflucht und Aufenthalt sei. Wenn Polen also auf die Verhandlungen nicht eingehe, werde das Reich den Hoch- meister unterstützen. E. Joachim, Die Politik des letzten Hoch- meisters in Preußen, Albrecht v. Brandenburg. Leipzig 1892. I, S. 13f. 188f.

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um so mehr, als der Abt Johann von Fulda in dem Kampfe zwischen Sachsen und Mainz auf des letzteren Seite ge- standen batte!) Im J. 1512 erschien Hartmann auf den Reichstagen von Trier und Köln, und im folgenden Sommer (2. Juli) wurde er nach dem Ableben Johanns II. durch den Mainzer Weihbischof unter Mitwirkung der Aebte von Hers- feld and von Schlüchtern ordiniert. Dabei schien es ein übles Vorzeichen zu sein, daß der Gesang des „Te deum", der doch in täglicher Uebung war wie das Vateruuser, durchaus nicht angemessen durchgeführt werden konnte: einzelne schwiegen, audere sangen falsch, und so wurde der Lobgesaug nur mit größter Nachlässigkeit und ärgerlichem Mißklaug zu Ende gebracht. Uud in der Tat war das Un- beil schon im Zuge! Nebenbei läßt sich die Folgerung kaum abweisen, daB die einfachen Mönche mit der Wirt- schaft der adligen Herren sehr unzufrieden waren, daß ihre Belieferung mit Speise und Trank viel zu wünschen übrig ließ und daß sie nun ihrem Mißmut deutlichen Ausdruck gaben. Bald aber hatten auch die Kapitelherren über die Verschwendung und Prunksucht des neuen Abtes zu klagen, Es mochte noch hingehen, da6 er für das Haupt der bl. Beatrix einen silbernen Behälter anfertigen ließ. Dann aber ließ er den „Volksgarten“, in dem von altersher die Pilger zu lagern pflegten, mit einer Mauer umgeben und in herrliche Anlagen verwandeln mit einem köstlichen Wein- berg und einem Fischweiher, Eine alte schöne Inful ließ er zerschlagen und eine neue herstellen, mit den Fransen, kostbaren Steinen und Perlen der alten aber eine Chorkappe verzieren).

Diese kostspieligen Liebhabereien würden zwar einen Abt von Fulda nicht zu Grunde gerichtet haben; aber der ebr- geizige Mann batte sieh nun schon in ein Unternehmen verstrickt, das seine Kräfte überstieg und seinen Sturz nach sich ziehen mußte,

Der Abt von Hersfeld, Volbert Riedesel von Bellersheim, hatte sich mit der Stadt in einen heftigen

1) Frits Mehl, Die Mainzer Erzbischofswabl vom J. 1514 und der Streit um Erfurt, Bonner Diss. 1905. S. 69f.

*) Für seine Familie sorgte er, indem er am 29. April 1514 als „Abt der Stifte Fulda und Hersfeld“ seinem einzigen Vetter Georg v. K. auf Farnrode (gest. 1519) den Hof Burbach „nach feldischem Lehorecht* übertrug. Avemann, Anhang, S. 127. Da die Familie nur durch dessen Sohn Siegmund furtgepflanzt wurde, waren Nepoten im Dienste der Kirche, also hier mit Propsteien, nicht zu versorgen.

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Streit über das Geleitsrecht verwickelt, der zu einem teuern ProzeB am Reichskammergericht führte und das Stift in Schulden stürzte’). Um sich an den Bürgern zu rächen, verabredete er nun mit Hartmann von Kirchberg, daß er zu dessen Gunsten abdanken würde, wenn Papst und Kaiser die Einverleibung seines Stiftes in das vou Fulda genehmigten; dabei sollte Volbert mit der Propstei auf dem Andreasberge hei Fulda entschädigt werden, die er bis 1540 innehatte; die Stadt aber wurde dann zur fuldaisehen Landstadt.

Hartmann muß nun über ausgezeichnete Verbindungen am kaiserlichen Hofe wie an der Kurie verfügt und was die Hauptsache war an beiden Stellen mit dem Gelde nicht gespart baben, denn unter dem 6. Mai 1513 ließ Leo X. zwei Bullen ausstellen?), durch die Hersfeld der Kirche von Fulda inkorporiert und der Koadjutor bzw. Abt Hartmaun mit der Verwaltung von Hersfeld betraut wurde: bei der ehrwürdigen Geschichte und der reichsrechtlichen Stellung

1) Vgl die Darstellung in der Chronik des Wiegand Lauze. HZ. II. Suppl. (Kassel 1841), T, 11ff. Eine durch den Kaiser ange- ordnete Vermittlung der Stadt Frankfurt war gescheitert, ,Das Kammergericht hatte dann die Privilegien der Bürgerschaft bestätigt und den Abt zu etwa 8000 Guldem Unkosten verurteilt.

?) Bisher war nur die zweite Urkunde bekannt. „Ex aposto- licae^ .. Abgedruckt im Cod. prob. p 347. Der Papst erwähnt, daß Abt Volbert durch seinen Prokurator freiwillig sein Amt in die Hand des Papstes gelegt und daß er auf die Darlegungen des Kaisers und des Koadjators von Fulda hin das verwahrloste Stift Hersfeld nur durch Vereinigung mit dem benachbarten Stift Fulda glaube er- halten zu kónuen. Er habe daher durch eine andere Bulle dio Ein- verleibung vollzogen. Diese Urkunde bat daun der Abt später an Hessen ausliefern müssen. Sie ist im vatikanischen Archiv erhalten mit dem Eiugang: „Ad ea, quae ecclesiarum et monasteriorum“ , . (Regesta Leonis X. ed. J. Hergenröther. Freiburg 1884. Nr. 2458. Die nächste Nummer entbält einen Fiugerzeig dafür, wer die Inkor- poration sollizitiert hat: da werden die Dechanten von S, Johann in Mainz, vom Neuenmünster in Würzburg und von S, Severi in Erfurt beauftragt, die Rechte des Sollizitators der apostolischen Briefe und päpstlichen Famiiiaren Johann Fabri aus Fulda, Klerikers der Diözese Mainz und Propstes von S, Maria in Gotha, wahrzunehmen. Dieser Kuriale war schon mindestens seit zwanzig Jahren in dieser einflußreichen Stellung tätig, also dem Abte Hartmann schon von seinem eigenen Aufenthalt in Rom her bekannt. Denn schon 1495 hat er sich in dem erwähnten Bruderschaftsbuch (Jaenig p. 89) eintragen lassen als Chorherr und Scholasticus von S. Peter in Aschaffenburg und Geschäftsträger des Erzbischofs Berthold von Mains.

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der betroffenen Abtei ein unerhürter Akt der Willkür, der die Leichtfertigkeit des neugewählten Papstes und die Bestechlich- keit seiner Umgebung grell beleuchtet. Dieselben Vorwürfe aber muß man mit doppelter Schärfe gegen den Kaiser und seine habgierigen Räte erheben, denu schon am 15. De- zember desselben Jahres wurde Hartmann von Maximilian I. in Augsburg mit Hersfeld belehnt. Nun kamen ja derartige Vereinigungen geistlicher Stifter in der verweltlichten Kirche sehr häufig vor, um habgierigen Würdenträgern, besonders Kardinälen die Ausbeutung mehrerer Pfrtinden zu erleichtern; sie wurden diesen meist als Kommenden überwiesen oder einer schon kommendierten Kirche einverleibt oder mit ihr „uniert“. Besonders in den romanischen Ländern war dieser Brauch im Schwange, desgleichen in den mit reichen Klöstern gesegueten Niederlanden. Hier aber handelte es sich um zwei Reichsfürstentümer und zwar die beiden, die an der Spitze der reichsunmittelbaren Prälaturen

Im nächsten Jahre schon erscheint er als Sollieitator literarum apostoli- earum und hat 1497 auch eine Stelle in dem Kollegium der einträglichen Collectoria plumbi erworben (Diarium Joh. Burchardi ed. L. Thuasne. Paris 1883—85. II, 286. 871. 479). Zweifellos hatte er in dieser lang- jäbrigen Praxis und bei wachsendem Pfründenbesitz ein schönes Ver- mögen erworben, denn für den Neubau der deutschen Nationalkirche, der 8. Maria deli’ Anima, zeichnete ,loh Fabri, Sollicitator bullarum und Propst von Gotha“ 50 Dukaten (9. November 1509; F. Nagl und A. Lang, Mitteilungen aus dem Archiv des deutschen Nationalhospizes. Röm. Quartalschrift. XII. Supplementheft. Rom 1899. S. 72). Noch unter Leo X. erwirbt er einige kleinere Pfründen, so 1514 die Vikarie von S. Katharina an der Leprosenkapelle bei seiner Heimatstadt, während er 1518 die Pfarre von 3. Jakob in Taufkirchen, Erz- bistam Salzburg, resigniert (Hergenröther Nr. 5475. 18076.) In der Schilderung des Kapitels der Gothaer Stiftskirche hat der Herausgeber des Briefwechsels Mutians, des Kanonikus von S. Maris, nur den Dechanten als Leiter nachweisen können (Gillert S. XXVIIff.) Mutian erwähnt nun in einem Briefe vom 13. August 1514 (II, 75) ein Schreiben aus Rom von Job. Fabri, „dem römischen Propst unseres Kollegiums“. Nach seiner Grabinschrift in der Anima starb er in Rom am 19. Juni 1518 als Propst der Kirche S, Caeciliae in Raschdorf und Scholaster der Kirche von S. Peter und Alexander in Aschaffenburg (L. Schrader, Monumenta Italiae. Helmstedt 1542, fol. 146 b). Die Fuldaer waren also durch diesen Landsmann an der Kurie ausgezeichnet vertreten. Die delikate Frage, wie der Papst die Aufhebung der durch ihn ver- fügten Inkorporation von Hersfeld aufgenommen hat, beantwortet sich einfach dahin, daß man in Rom sehr wohl verstand, unangenehme Vor- gänge, die der Kurie keinen fühlbaren Nachteil brachten, zu ignorieren.

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standen !), und wenn auch die beiden Stifter seit Jahrhunderten in Eifersucht und Hader miteinander gelebt batten, so war doch diese Vergewaltigung der Schöpfung des hl. Lullus durch die Nachbarin ein arger Frevel. Und dem entsprach die jähe und brutale Ausführung, während die gewiß nicht einfache Vorbereitung des Streiches an beiden höchsten Stellen sich im tiefsten Geheimnis vollzogen hatte.

Anfang September 1513 erschien zunächst der fuldaische Kanzler, Lie. Melchior Küchenmeister, Propst zum Johannisberge?), setzte den Hersfelder Dechanten Andreas Marschall ab und bestellte den Fuldaer Prülaten Philipp Schenk von Schweinsberg zum Oberhaupt des wergewaltigten Kapitels. Beide Herren hießen nun am 9. September die Hersfelder Kapitulare huldigen, wobei nur ein Mitglied, der spätere lutherfreundliche Abt Kraft Myle (Crato Mylius) Einspruch erhob: auch ein Zeichen, wie gut die Intrige vorbereitet war. Wenn Hartmann später diese Stimme damit zu entwerten suchte, daß nur ein Bürgerlicher Sich widersetzt habe, so verschwieg er wohlweislich, daf man nur die adligen Kapitelberrn zu entschädigen für nötig befunden batte, Der neue Dechant batte sich der Hersfelder Propstei Frauensee- bemächtigt; der bisherige Hersfelder Dechant erhielt statt der dortigen Propstei auf dem Peters- berge die auf dem Franenberge bei Fulda. Adolf von Biedenfeld der ältere, Propst des Nonnenklosters von Thulba, erhielt die Propstei Allendorf bei Salzungen“). Der jüngere Vetter desselben Namens wurde Propst des Benediktinerinnen- klosters iu Zella, Heilmann Weiß“) erhielt das Augustinerinnen- kloster Hoest bei dem hessischen Schlosse Breuberg. Zwei adlige Anwärter auf Hersfelder Pfründen, also Domizellare, wie Ulrich von Hutten in Fulda gewesen war, nämlich Philipp von Riedesel und Sittich Birgel, wurden von dem Fuldaer Kapitel übernommen; nur der zweite trat später

1) Nach der Reichsmatrikel von 1521 war Fulda mit 14 Reitern, 46 Fußknechten und 180 Gulden veranschlagt, Hersf-Id mit 2 Reitern, E. Knechten uud 60 Gulden. DRA. II. 480.

2) Diese adlige Familie hatte eine starke Stellung im Kapitel: 1499 starb Wilkiu K., Propst vieler Klöster und ein großer Bauherr, and 1510 der Diakon Philipp K. HZ. 8. 215. 290.

*) Diese war schon 1515 wieder Gegenstand eines heftigen Streites zwischen Frank von Mörlau und einem von den sächsischen Herzögen begünstigten Bewerber. Vgl. unten S. 286 Anm. 3.

% Die Weiß von Feuerbach waren damals in der Wetterau dureh einen tüchtigen Reubritter (Johann W.) vertreten. WR. S. 289

nach Hersfeld zurück'), während dem Riedesel schon dureh die Verräterei des Abtes Volbert dieser Weg versperrt war. : So war alles treffiich vorbereitet; auch alle Kostbarkeiten und die wichtigsten Urkunden wurden sofort nach Fulda überführt; das tübrige verfiel bei der herrschenden Ver- wirrung dem Verderben. Am folgenden Tage schon erschien der siegreiche Abt selbst und ergriff Besitz von dem be- festigten Schlosse, „zu den Eichen“, dem Wohusitze der Hersfelder Aebte, wo er sich durch die Beamten und die umwohnenden Bauern huldigen lieB. Zugleich beschied er dazu auch die Bürger unter dem Vorgeben, daB er sich mit der hessischen Regierung als der Inhaberin der Sohirmvogtei verständigt habe. Aber, wie auch der gelehrte Abt Jobann Tritheim berichtet, der vou seinem Würzburger Kloster aus die Vorgänge beobachtet hat?), ließen sich die Bürger nicht irreführen, sondern schlossen sofort die Tore und hielten ihre Mauern von nun an dauernd besetzt, da sie sich mit dem Stilteräuber im Kriegszustand betrachteten. Die Reisigen, von denen sich Hartmann batte begleiten lassen, fingen darüber an, zu plündern. Der Abt aber drohte mit den K irchenstrafen und mit Beschwerde beim Kaiser und ließ alsbald und allenthalben das Hersfelder Wappen, das Doppelkreuz, austilgen “).

Bis dabin begleitet der Fuldaer Chronist, der als der damalige Dechant dabei keine geringe Rolle gespielt baben ‚kann und jedenfalls als Mitwisser zu betrachten ist, das beillose Unternehmen mit unverhoblenem Beifall. Er berichtet, ‚daß der Papst das benaehharte Stift dem seinigen einverleibt habe, weil es „durch die Nachlüssigkeit oder richtiger die Ohnmacht der leitenden Personen“ in Verfall geraten sei). „Mit Zustimmung des Abtes und aller Kapitularen emp- &ngen wir die gebührende Obedienz unter Uebergabe der -Abtswohnung und des Schlosses Eichhof, wo wir auch die Huldigung der Bürgerschaft entgegennahmen. Dann aber :baben einige Mönche gegen den unserm Abte geleisteten

1) HZ. S. 225.

?) Am Schluß seines großen Werkes über die Geschichte des Kloster» Hirschau Joh Trithemii abbat. Sponheim. annales Hirsaug., tom. II, 689 aq. St. Gallen 1690.

|. 9 W. Lauze a a O. 3. 12. Die Darstellung bei K. Arnd L. 1011f. ond J. C. Vigelins (Denk würdigkeiten von Hersfeld 1888. S. 47 fl.) -lätt sich aus den Quellen mehrfach ergänzen.

) HZ. 8. 995. Der Ausıruck, daß Hersfeld „propter incuriam Fel potius impotentiam“. seiner Leiter beruntergekommen sei, ist wörtlich der Bulle „Ex apostolicae* entleh.t,

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Eid, vom Geiste der Eifersucht und Bosheit getrieben, die Landgrüfin Anna angerufen, die der Fuldaer Kirche allen diesen Besitz mit List und Gewalt wieder raubte. Daraus aber entstand viel Unheil . . .*

Wie unwahr diese Darstellung des bochwürdigen Herrn ist, geht schon aus den angeführten Tatsachen hervor; wie parteiisch und seines Standes als Benediktinermönch un- würdig aber seine Beurteilung des Vorganges ist, zeigen die Worte des Abtes Trithemins: „Es ist eine Schande, daß diese edle königliche Abtei, die so viele Jahre in fürstlichem Ansehen ruhmvoll geblüht hat, durch einen untüchtigen, um nieht zu sagen unverstündigen Abt auf immer in Schmach und Verderben gestürzt wird. Nach meinem Urteil ver- diente er selbst samt seinen Mönchen mit lebenslänglicher Kerkerhaft bestraft zu werden, wie ich kurz begründen werde. Denn erstens haben diese Verächter der mönchischen Lebensregel von jeher so leichtfertig, so gottlos und laster- haft gelebt“ die Ansicht des bürgerlichen Gelehrten und reformierten Mönchs über das Treiben der adligen Prälaten „daß sie das einst überaus reiche Kloster in die äußerste Armut gebracht haben. Ferner soll die Nachwelt erfahren, wie gerecht das Urteil jedes wackern Mannes ist, wenn er das unvernüuftige Verhalten solcher Aebte und Mönche ver- wünscht. Denn als der Abt von Fulda das Schloß Eichen in Besitz nahm, fand er zahlreiche Urkunden des Stifts, die mit Strob vermischt den Hunden hingeworfen waren, zum Teil zerrissen, zum Teil noch unversehrt; er ließ sie sammeln und noch eine Kiste voll davon nach Fulda bringen. Ferner sind es kaum dreißig Jahre, daß die Hers- felder Klosterbibliothek noch mit vielen kostbaren Büchern ausgestattet war, wie ich aus dem mir übersandten Ver- zeichnis entnebmen konnte: von diesen sollen heute nur noch sehr wenige vorhanden sein, Endlich ist der schlimmste von allen diesen Uebelständen, daß diese völlig entarteten Mönche samt ihrem Abte einen solchen Widerwillen gegen Zucht und Ordnung, gegen die durch die Ordensregel vor- geschriebene Lebensführung zur Schau tragen, daß sie lieber das Kloster völlig zugrunde gehen lassen wollten, als in eine Reform willigen“). Aber da bei so verstockten Sündera

) Trithemius gehörte mit dem ibm unteratellten Kloster S, Jakob zu der Bursfelder Kongregation, also zu den reformierten Benediktiners. Das Hersfelder und Fnidaer Beispiel aber beweiat nur wieder, wie notwendig diese Reformbewegung war. Beachtenswert ist auch, daß der eine der beiden Hauptschuldigen, der Abt von Fulda, noch dasw der Primas aller Benediktinerklöster in Deutschland war.

a n eei er m on cm ovem

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keine Ermahnungen fruchten, muß ich dem Urteil Gottes anheimgeben, die sich durch frommes Zureden nicht bessern lassen wollen“.

Leider lernen wir die Meinung des ehrwürdigen Ordens- mannes über die weit schlimmeren Vorgänge der nächsten Jahre nicht mehr kennen, da Trithemius seine Chronik mit dem Jahre 1513 ubschloß und im Jahre 1516 starb. Das schlechte Gewissen des Fuldaer Dechanten Vilbel aber verrät sich auch in der sehr lückenhaften und einseitigen Bericht- erstatiung über die nun folgenden Ereignisse.

Durch die erlittene Vergewaltigung wurden nämlich Stift wie Bürgerschaft von Hersfeld zu engstem Anschlub an die landgräfliche Regierung gezwungen, die ein erbliches Sehirmrecht über die Abtei besaß und der sie dann 1525 förmliche Huldigung leisteten. Zunächst wandten sie sich an die energische und kluge Vormünderin und nahmen mit deren Hilfe den Eichhof wieder ein, während die Mönche den Propst von Frauensee, Georg von Westersbausen, zum Dechanten wählten. Dieser erließ nun unter dem 7. Februar 1514 eine notarielle Erklärung, in der er als Verweser des Stifts Hersfeld im Namen des Konyents gegen den Gebrauch der Siegel der Abtei, Dechanei uud des Konvents sowie der Hersfelder Propstei auf dem Petersberge durch Unbefugte Verwahrung einlegte, die diese Hoheitszeichen auf unbillige und listige Weise an sich gebracht und gegen andere vertauscht hätten.

Dagegen veröffentlichte nun wieder Hartmann als Abt der Stifte Fulda und Hersfeld am 9. März eine Darlegung), nach der die Inkorporation auf das dringende Ansuchen des Hersfelder Konvents und seines Abtes, des jetzigen Propstes von Neuenberg, erfolgt sei, die ihr Stift mit dem „geringen“ Rest seines Vermögens nicht mehr hätten erhalten können. Beide Kapitel hätten eingewilligt, künftig „ein Corpus“ zu bilden, und der Vertrag sei mit den Siegeln des damals

1) Mutian als Looredner Hartmanns ereifert sich in einem Briefe vom Mai 1514 über den Hersfelder Schulmeister Heinrich Sohallis, der seit 1603 in Erfurt studiert hatte und den er schon früher als einen anmaßenden Menschen (,bachantium arrogantivsimum et omnium bipedum gloriosissimum“) geschildert hatte. Derselbe habe sich nun erdreistet, diesem Georg zuzustimmen und den Abt Hartmann anzugreifen, als wären diesem „die Siegel des Stifts un- billiger Gestalt übergeben", Diese falache und erlogene Verüffentlichung habe Hartmann angegriffen, indem er den wahren Sachverhalt bekannt gemacht, auch die Lüge des Schallis widerlegt und zwei Mönche (Westershausen und Myle) angeklagt habe. Man könne nicht würdiger und wirksamer in solcher Sache schreiben. Gillert I. 398. II, 31.

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noch lebenden Abtes Jobann, des Koadjutors und des Kapitels von Fulda und zwei Notaren in „kapitularischer Versammlung" aller Mitglieder bekräftigt worden. Darauf babe Abt Volbert in die Hände des Papstes resigniert und dieser babe die Einverleibung vollzogen. Sobald ibm die Bulle nach dem Tode des Abtes Jobann zugegangen sei, babe er die Huldigung von geistlichen und weltlichen Unter- tanen des Stifts Hersfeld entgegengenommen und persöulich vom Kaiser die Hegalien empfangen. Die Siegel seien von dem bisherigen Abt und dem Dekan ordnung-gemäß über- geben worden; das Siegel des Konvents habe er, da doch beide Kapitel hinfort eine Körperschaft bilden sollten, bei dem Kapitel in Fulda hinterlegen lassen. Alle Hersfelder Kapitelberren bätten eingewilligt, auch die früheren Siegel mit den neuen, die unter drei Schlössern verwahrt würden, zu übergeben. Die Konventsmitglieder, die nicht zam Kapitel gehörten, also die nichtadligen Mönche zu dergleichen Handel zu berufen oder ibnen die Kapitelsgeheimnisse zu offenbaren, sei nicht nötig gewesen. Jener Georg von Westersbausen aber habe zwar anfänglich der Einverleibung nicht zustimmen wollen, dann aber sei er nach dem zum Hersfelder Stift gehörigen Kloster Kreuzberg zu ihm ge- kommen und habe demütig um Gnade gebeten. Dabei babe er feierlich erklärt, daß diese Mäßregel zweifellos von Gott und den heilgen Patronen beider Stifter vorgesehen und angeordnet worden sei, und habe in Beisein von Räten und Mitgliedern der Ritterschuft in die Hand seines nun- 'mehrigen Abts Gehorsam gelobt und damit die Inkorporation anerkannt. Sollten nun die ungehorsamen Mönche in ihrer mutwilligen Widersetzlichkeit sich ein neues Siegel an- sehaffen, so erkläre er alle damit beglaubigten Akte von voruberein für null und nichtig.

Dabei beging der Doppelabt die Unvorsichtigkeit, selbst den schwachen Punkt in seiner der Schutzherrschaft Hessen gegenüber befolgten Politik zu enthüllen und die Laodgrüfin auf die ihr drohende Gefahr aufmerksam za machen. Er betonte, daß er sich beizeiten durch Botschaften und Briefe mit dem Kurfürsten und den Herzögen von Sachsen als den obersten Kuratoren und Vormündern der beiden Landgrafen in Verbindung gesetzt und erklärt habe, dab die Einverleibung ibren althergebrachten Rechten an Hersfeld keinen Abbruch tun solle, obwohl es doch auf der Hand lag, daB diese durch den Uebergang der Landeshoheit an das miüchtigere, von Hessen unabhängige Stift so gut wie aufgehoben wurden. lu demselben Sinne habe er sich an den Landhofmeister und die anderen Regenten

der Landgrafschaft gewandt, Beides aber und zumal der letztere Schritt war geradezu eine persönliche Beleidigung der Landyrüfin Anna, die seit Jahren in einen heftigen Kampf mit den Wettinern und mit dem Landhofmeister Ludwig von Boyneburg und seinem Anhang verwickelt war, um mit ibren Rechten als Vormünderin zugleich die landes- fürstliche Stellung ihres Sobnes zu wahren. Verhängnisvoll wurde es nun für Hartmann, daß gerade in den nächsten Tagen, als er dieses trotzige Manifest erlassen hatte, in Hessen sich ein völliger Umschwung vollzog, die langjährige vähe Arbeit der Landgräfin mit einem vollen Siege gekrönt wurde. Im Mäsz 1514 wurde auf dem Landtage zu Kassel ihre vormundschaftliche Regierung von den Ständen aner- kannt, die alten Regenten wurden gestürzt und zu schweren Entschädigungskosten verurteilt; den Wettinern wurde ihre Obervormundschaft gekündigt und noch vor Ablauf des Monats wurden die festen Schlösser der alten rebellischen Regierung, Spangenberg, Ziegenhain und Marburg erubert. Die Hauptstadt Kassel unterwarf sich nach kurzem Tumult, und die Herzöge machten gute Miene zum bösen Spiel!). Der mit den alten Regenten verschworene Adel hatte nun die Ungnade der willenstarken und klugen Herrscherin zu tragen, und auch Abt Hartmann sollte bald erfahren, wie sehr er sich verrechnet hatte.

Denn er wandte sich in jenem Ausschreiben nun weiter- bin an die Ritterschaft, deren Interessen mit der Vor- herrschaft der adligeu Kapitel in beiden Stiften eng ver- flochten seien. Er hob hervor, daß die Geistlichen des Hersfelder Klosters alle, wie es ihnen ihrem heiligen Orden nach gebühre, Gehorsam geleistet hätten, bis auf den einen Kraft, der „nicht von Adel geboren sei“. Sollten nun die ungehorsamen Mönche und ihr Anhang Erfolg haben, so

1) Hans Glagan, Anna von Hessen, die Mutter Philipps des Großmütigen. Eine Vork&mpferin landesherrlicher Macht. Marburg 1899, Kap. VIlI. IX. Vgl. meine Besprechung in der Hist. Ztachr, 85, 338 ff: wo auf die Verflechtung dieser Umtriebe des hessichen Adels mit denen der benachbarten Landschaften hingewiesen wird. Auf dem Landtage wurde dem Hofmeister besonders vorgeworfen, daß er der Einnahme von Hersfeld darch den Abt von Fulda nicht rechtzeitig vorgebeugt habe, weil er selbst dessen Vasall sei. Glagau S. 125. Die Hersfelder Bürger hatten sich beizeiten au den Hofmeister ge- wendet, als es klar wurde, daß man in Fulda die hessischen Wirren benutzen wollte, um „im Trüben zu fischen“. Die Abtei Hersfeld hatte dem vorigen Landgrafen zu einem Kriege noch 300 Fußknechte end 1800 Gulden gesandt.

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würde das Stift Hersfeld, das von Päpsten, Kaisern und Königen dem gemeinen Adel und der Ritterschaft gewidmet worden sei, diesem entwendet werden und vielleicht nie wieder in seine Hände kommen, während diese seine her- xebrachten Rechte durch die Einverleibung nicht aufgehoben würden. Es möchten also alle Adligen bedenken, welcher Vorteil und Ehre ihren Kindern und Verwandten, die sich vielleicht nicht immer in weltlichem Stande bequem erhalten könnten, jetzt und in Zukunft daraus er wachse. Sie möchten ihm also ihr Vertrauen schenken, da er keine andere Absicht habe, als das Stift Hersfeld dem Adel zu erhalten und allen Lehnsleuten, edeln und unedeln, ihre Freiheiten unverkleinert zu belassen.

Aber auch die ritterschaftlichen Parteigänger auf der tiegenseite säamten nun nicht länger, die Feindseligkeiten zu eröffnen. Nach der wohl durchaus zutreffenden Ver- mutung Vilbels hätte die Landgräfin selbst den edeln Herrn Georg von Bischofsrode!) gegen den Abt und die Fuldaer Kirche aufgewiegelt, so daß er beiden vielen Schaden tat und dabei von Hessen geschützt wurde; er fing sechs Fuldaer Bürger weg, die jedoch auf die Verwendung des Erzbischofs von Mainz hin freigelassen wurden.

Den Drohungen Hartmanns begegnete Anna schließlich damit, daß sie sich mit ihrer Beschwerde an dessen Stände, Ritterschaft und Städte, wandte“). Gleichzeitig hatte der Abt sich die mächtige Fürsprache und Unterstützung der Mainzer Regierung dadurch gesichert, daß er jene Sendung nach Erfurt übernahm, die zugleich vom Dom- kapitel und dem stiftischen Adel gewünscht worden war, un durch Vermittlung zwischen den Parteien die mainzischen Hoheitsrechte zu befestigen. Am 15. Dezember 1514 war der Abt in Begleitung Ulrichs von Hutten, des Vaters. in Erfurt eingetroffen“). Dabei ist es recht bezeichnend, wie der schlaue Kirchenfürst den Argwohn der Gegner, der ernestinischen Beamten, zu täuschen verstand. In Eisenach hatte der Schultheiß Schwierigkeiten wegen des Geleits gemacht. so daß, als der Abt auf der Straße nach Erfurt ) Dieser wurde 1592 von Philipp als hessischer Amtmann über die dem mit Sickingen verbündeten Frowin v. Hutten entrissenen Orte eingesetzt.

2) Jedoch nicht an das mit«chuldige Kapitel, wie noch Vigelies 8. 48 annimmt.

5) FGB. VIII, 27 ff. G. Richter, Ein Gesandtschaftsbericht dee Fuldaer Fürstabtes H. v. K. an den Erzbischof Albrecht v. M. vom 2%. Dezember 1511,

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abreiten wollte, noch kein Geleitsmaun zur Stelle war; nur mit Mühe brachte ihn der alte Hutten, der als „Rat von Haus“ und fuldaischer Lehusmann seinen Landesherren begleitete, berbei. Als nun aber der Schultheiß ausdrücklich fragte, ob sie etwa mit den Erfurtern verhandeln sollten, da doch schon zwei mainzische Beamte voraufgegangen seien, erklärte Hartmann, er wisse vou nichts, sondern er selbst wäre uur unterwegs, um eine Wallfahrt zum heiligen Blut zu leisten. Aber während der andere au das Wunder von Wilsnack denken sollte, meinte er die Reliquie in der Kirche zum heiligeu Bronnen auf dem Roßmarkt in Erfurt!). Schließlich berichtete er aber am 7. Mürz 1515 ziemlich resigniert über seine Tätigkeit: viele Köpfe unter einen Hut zu bringen, wolle viel Zeit haben; doch tröstet er sich dumit, daB er sich in diese Mühe und Arbeit begeben habe, um sich den weiteren Schutz des Erzbischofs zu sichern, der ihn rechtlich vertreten und bei seinem Rechte erhalten werde. Auch von dem Oberhaupt der Kirchenprovinz wurde also die unerhörte Vergewaltigung der Hersfelder Kirche gut- geheißen, wobei das gespannte Verhältnis zwischen Mainz und Hessen, an dem auch die Zuchtlosigkeit des Stiftsadels Schuld war?), wit hineinspielte.

Eben damals verbesserte Hartmann seine Stellung uoch wesentlich durch seinen erneuten Eintritt in das Mainzer Domkapitel, Sein erstes Kanonikat hatte er 1493 an Martin Truchseß von Pommersfelden abgetreten, war aber 1496 durch den Verzicht des zum Bischof von Würzburg erhobenen Lorenz von Bibra wieder zu einer Stelle gelangt“), die er wahrscheinlich bei seiner Berufung zum Koadjutor oder seiner Nachfolge als Abt hatte aufgeben müssen, bis er sich die Genehmigung des Papstes zum Besitz mehrerer Pfründen erwirkt hatte, Schon im November 1514 findet sich nun in den Protokollen des Donikapitels eine Verhandlung über deu Vertrag des Abtes zu Fulda in seiuer Eigeuschaft als Domberr init dem Erzbischof über seine Residenzpflicht, die der Abt der Kosten und Versäumnis wegen bei den Reisen

3) Th. Kolde, Das religiöse Leben in Erfurt beim Ausgange des Mittelalters. Halle 1898. 8. 28. 50f.

3) Vgl. WR. 8. 288 fl. W. Lause u.a. O. S. 22 fl. (Niederlage ver Hessen bei Flersheim, wo sie von Frowin vou Hutten überfalleu wurdeu).

5 Macr. G. Hellwig, Annales archiepiscoporum ete, Staatsarch. Darmstadt. Mitteil. des Herrn Archivrats Dr. Herrmanu, dem ich

"such die folgenden Auszüge aus den Domkapitelprotokollen (DK.) verdapke, deren Ilerausgabe er vorbereitet hat.

von Fulda nach Mainz sich möglichst erleichtern möchte. Das Kapitel verweist auf die Statuten, will ihm aber, wenn er „mit Krankheit und Febden überladen wäre“, entgegen- kommen. Am 18. Norember hatte Hartmann seine Residenz fürs erste geleistet und trat nun bald darauf seine Heise nach Erfurt an. Erst nach der Rückkehr fand dann am 25. Mai 1515 seine förmliche Aufnahme in das Kapitel statt, indem er persönlich gelobte, das von den Domherrn nach dem Tode des Erzbischofs Uriel von Gemmingen 1514 ge- schlossene Bündnis treulich und in allen Punkten zu halten, und dann den herkömmlichen Eid auf das Evangelium leistete!), Gleichzeitig wurde ihm die freigewordene Kurie zum Hirschhorn eingeräumt, die er im Juli 1525 mit dem weit stattlicheren Hofe Nassau vertauschte.

Als nun am 3. Juli 1515 im Kapitel über das Einreiten des Erzbischofs in Erfurt beraten wurde, das man den sächsischen Herzügen zum Trotz recht bald ausgeführt zu seben wünschte, wurden den Deputierten auch die Dom. herren Hartmann von Kirchberg nnd Johann von Vilbel bei. gesellt. Bei dieser Gelegenheit bat Hartmann, dem Erz.. bischof auch vorstellen zu lassen, daß er als Abt von Fulda auch Feinde habe und täglich von den Hessen bedroht sei, Da Albrecht nun nach seiner Provinz Magdeburg reise, so möge er die Statthalter von Mainz beauftragen, ihm im Not- falle Hilfstruppen zu schicken. Dafür sei er bereit, sich der gerichtlichen Entscheidung oder der gütlichen Vermittlung des Erzbischofs zu unterwerfen?), während er auf jede Appellation verzichten wolle. Er erreichte nun in der Tat, daB sowohl der Erzbischof wie das Kapitel sich seiner Sache annabmen, weil beide fürchteten, daB sonst der hessische Einfluß auch im Gebiet der Abtei Fulda in einer für die Verbindung zwischen Mainz und Erfurt ge: fäbrlichen Weise zunebmen hónne, während die Macht des Abtes durch die Einverleibung von Hersfeld bedeutend ver. stärkt worden war.

Und so konnte Hartmann bald darauf nach Fulda zurückkehren, von wo er nun seinem Vetter Georg meldete, daß die Landgrüfin und ihre Räte die Fuldaer Ritterschaft und alle Städte beschrieben und ihn wegen des Stiftes Hers-

1) DRP. und Urkunde vom 1. Juni 1515 über das Gelöbnis des Abtes von Fulda und Hersfeld, betr. die Konföderation der Kapitularea Staatsarch. Würzburg, Mainz. neuregistrierte Urk. H. 2447. (Archir- rat Herrmann).

®) DKP. Bald darauf bat er um zwei Jahre Urlaub, mußte sio aber mit kürzeren Fristen begnügen.

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feld verklagt bätten. Deshalb habe er durch seinen Statt- balter Ritterschaft und Städte zu einem Landtage entbieten lassen, zu dem auch der Erzbischof von Mainz seine Hüte entsandt habe. Doch wisse er noch nicht, was dort be- schlossen worden sei. Gleichzeitig habe der Erzbischof eine Gesandtschaft nach Kassel geschickt, um den Hessen zu deren Verdruß mitteilen zu lassen, daß er ihn als seinen Zuge- wandten nicht im Stiche lassen könne, sondern ihn, so weit als möglich, gegen Gewalt schirmen werde“). Inzwischen war aber auch das Kapitel stutzig geworden und vereinigte eich mit den weltlichen Ständen dahin, daß man Vertreter nach Kassel schickte, Denn der Kleinkrieg war unterdessen weiter gegangen. Der Abt muß Erfurt schon Anfang Mai verlassen haben?) denn am 14. bis 16. Mai eroberte er zwei Burgen im Hesseulande, Heimbach, den Sitz seines schon erwähnten Feindes Georg von Bischofsrode, und die des Reinhard von Baumbach in Ulf, eines anderen räuberischen Gegners der Fuldaer, und ließ sie ausplüudern. Dafür überfiel dieser Ritter Georg am 20. August das fuldaische Saldorf mit 60 Reitern und 30 Fußknechten ; aber er wurde abgeschlagen, und die Bauern erbeuteten vier Pferde und viele Waffen, die sie in ihrer Kirche auf- hingen: in Fulda, wo sie in Prozession erschienen, wurde dieser Erfolg als ein sichtbares Wunder und ein Sieg der guten Sache gefeiert’).

Unterdessen geriet der Abt der Sebirmherrschaft von Hersfeld gegenüber immer mehr ins Hintertreffen. Unter dem Druck seiner Stände hatte er es nicht ablehuen können, den Schiedsspruch des Grafen Wilhelm von Henne- berg-Schleusingen zuzulassen; er traf sich dazu mit der Landgräfin auf einem Tage zu Vacha. Als man hier bei dem Trotze Hartmanns nicht zum Ziele kam, rief Hessen die Vermittlung des Bischofs von Würzburg und der Burs- felder Kongregation, also der reformierten Benediktiner an; aber auch weitere Verhandlungen in Schmalkalden scheiterten, da Hartmann auf die Entscheidung des Kaisers und des Papstes pochte; doch wurden deren Urkunden von den Hessen für erschlichen erklärt“). Nun schritt die Landgrüfin

1) Avemanı, S. 241f.

2) Mutian, der ihn nach Humanistenart umschmeichelt hatte, meldet am 1. Juni seine Rückkehr nach Fulda, scbweigt sich aber natürlich über alle diese schlimmen Dinge aus. Gillert IT, 169.

5) Nach Vilbel, HZ. S. 226. Ein Hermann von Baumbach war 1518 als Dekan von Fulda und Propst zum Petersberge gestorben. S, 220

) W. Lanze, a. a. O. S. 19.

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zur Tat: sie schickte ihren Kanzler, Dr. Johaun Feige, nach Hersfeld und ließ durch den Konvent den Dechanten Schenk von Schweinsberg absetzen und den Abt von Helmers- hausen, Ludwig von Hanstein, am 15. September 1515 zum Abte wählen. Dadurch ließ sich wieder der Fuldaer Abt zu einem frevelhaften Streiche fortreißen, der die schlimmsten Folgen haben konnte: er schickte vier Gruppen von Reitern aus, die den Gegner am 29. Sepiember auf der Reise nach Kassel „niederwerfen“ sollten; das sollte wohl zunächst seine Gefangennahme bewirken, konnte aber ebenso- leicht auf seine Ermordung hinauslaufen. Schließlich fiel er dem Daniel von Fischhorn in die Häude, der ihm bei Frithofen mit 40 Pferden auflauerte. Mit genauer Not konnte der Abt sich nach dem Friedhofe retten, wührend seine Begleiter und die Fuldischen „sich weidlich nach den Hälsen stachen“, bis zuletzt der hersfeldische Marschall Ernst Diede und zwei Herren von Boyneburg, Heinrich und Kaspar der Reiche, gefangen genommen wurden. Die Kunde von dem Gefecht war aber wohl von einem der Ueberfallenen eiligst nach Hersfeld überbracht worden, worauf die Bürger mit guter Rüstung auszogen und ibren bedrüngten Abt entsetzten!).

Jetzt aber wankte dem gewalttätigen Kirchberger in seinem eigenen Stift der Boden unter den Füßen, Ueber die einzelnen Vorgänge, die zu seinem Sturze führten, sind wir nieht ausreichend unterrichtet, da man auf beiden Seiten Ursache hatte, zu schweigen. Jedenfalls sah das Kapitel mit Besorgnis, wie das von dem Abte Johann hinterlassene Stiftsvermögen dahinschwand. Apollo von Vilbel berichtet darüber: „Da der Abt diese Mittel von Tag zu Tag leicht- fertig vergeudete, haben wir ihn, aufs höchste beängstigt, durch die Prälaten und Pröpste oft und immer häufiger, wie es nach der Regel des hl. Benedikt sich geziemt, in aller Demut ermahnt und fast unter Tränen bedrüngt, er möchte von diesem schändlichen Leben“) ablassen und nach dem letzten Willen seines Vorgängers mit dessen Nachlaß vielmehr verpfändete Güter des Stifts einlösen; aber er schlug das alles verächtlich in den Wind. Wir aber vermochten nun in unserer Angst keinen anderen Rat zu finden, als daß wir mit seiner eigenen Zustimmung alle Edelleute beriefen*), auf deren Entscheidung wir beiderseits

3) Han vergleiche damit die Bemerkung Mutians über dem Sekretär Hartmanns als einen Menschen „perditae vitae et le no domini“, Gillert IT, 118.

3) Es ist bezeichnend, daß der Prälat die verfassungsmäßige Mit- wirknng der Städte nuf diesem Landtage verschweigt.

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uns geeinigt hatten. Der Abt hatte sich verpflichtet, über alle einzelnen Ausgaben Rechenschaft abzulegen, und 80 wurden wir miteinander vertragen, so daß wir Gott dankten und der frohen Hoffonng waren, daß unserer Kirche aus diesem Abkommen großer Vorteil erwachsen werde. In- dessen täuschten wir uns, denn in der nächsten Nacht, am Sonntage Judica (9. März 1516) raffte der Abt alle vor- handenen Gelder, Kleinodien und Silberzeug nebst einigen Urkunden und Priestergewündern zusammen und entfloh beimlich nach Hammelburg“ an der fränkischen Saale, einer der fuldaischen Laudstädte, wo den Aebten die Burgen Saaleck und Amalienburg zur Verfügung standen.

Diese Handlungsweise des Abtes muß weithin beträcht- liches Aufsehen gemacht haben. In Erfurt schrieb ein an- gesehenes Mitglied der Universität, der Magister Johann Werlich, Pfarrer von S. Michael, der mehrfach Dekan der philosophischen Fakultät und 1512 auf 13 Rektor war, in seine Cbrouik!): „In der vergangenen Fastenzeit, im März, hat der Abt Hartmann von Fulda iu einer mir unbegreiflichen Geistesverfassung das Kloster seines Schatzes und seiner Kleinodien beraubt und mit der Beute zu entfliehen ver- sucht. Er wurde dann durch die Vasallen verfolgt und ein Teil der Beute zurückgebracht. Er selbst aber begab sich »ach Hammelburg, wo er, durch seine Anhänger verteidigt, eine Zeit lang sich verborgen hielt. Schließlich ist er im Vertrauen auf gewisse Beschützer auf seine Pfründe nach Mainz zürückgekehrt. Ueber die ganze Angelegenheit wird verschieden berichtet, so daß es besser ist, zu schweigen, als voreilig zu urteilen. Nichtsdestoweniger wird er jetzt auf dem Schlosse Aschaffenburg unter Berufung auf seine kirchliche Gehorsamspflicht festgehalten, so daß er dessen Schwelle nicht zu überschreiten wagt“. Dem Verfasser war also wohlbekanut, duß hinter dem Abte das mächtige Domkapitel stand; und so ist es deun auch nicht glaublich, daß cine zeitweilige Internieruug Hartmanns durch den Erz- bischof verfügt worden wäre, über die wir aus deu Proto- kollen des Kapitels etwas erfabren würden.

Ueber diese Vorgäuge besitzen wir nuu auch die eiu- gehende Darstellung des Abtes, dureh die er sich dem neuen „König“ Karl V. gegenüber zu rechtfertigen suchte, als er diesen noch vor der Krönung in Aachen bat, ihm wieder zur Verwaltung seines Stifts zu verhelfen uud ihm die mit frevelhafter Gewalt beschlagnahmten Schlösser,

1) Der „Erphurdianus antiquitatum variloquus“ hrsg. vos A. Thiele Geschichtsqnelleu der Prov. Sachsen XI. II. 220f. (Halle 1908).

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Aemter und Gerichte wieder zu verschaffen. Er erinnert dabei an seine den Vorfahren des Königs geleisteten viel- fähigen treuen Dienste und Reisen und bittet ihn zu er- wägen, was dem heiligen Reich und allen regierenden Stäuden für Schaden daraus erwachsen müsse, wenn es in der Untertanen Belieben stände, ihren Herrschaften alle Pflichten nach Gefallen zu kündigen (aufzuschreiben) und eich dermaßen gegen sie zu verschwören und zu empüren!),

Indem er von den Mängeln seiner Verwaltung schweigt, stellt der Abt bier als Ursache des Bruches die enge Ver- bindung seiner Ritterschaft und seines Kapitels mit einem vielgenannten hessischen Raubritter hin, mit Hektor von Mörlau, genannt Böhm, dessen nächste Bluts- verwandte zu den Fuldaer Prälaten gehürten?*) Dieser

1) Cod. prob. p. 852 sqq. Von Schannat und seinen Beuutzera zum Jabre 1517 gesetzt, aber erst nach der Landung Karls V. (1. Juni 1520) verfaßt,

*) Der oben 8.212 erwähnte Gönner Huttens, der Propst vos Allendoif, Frank von Mörlau, war sein Bruder. S-hannat, Hist, Fuld. p 219. Der Ritter behauptete nun in einem an das Reichsregiment am 26. April 1629 gerichteten Schreiben, er sei zu der Fehde gegen die Ernestiner gezwungen worden, weil diese 1515 seinen (nach Apolie v. Vilbel 1519) verstorbenen Bruder Frank die Propstei Allen: dorf (bei Salzungen a. d. Werra) streitig gemacht hätten. Sie hätten die Stelle nur „zu versprechen, aber nicht zu besetzen oder zu entserzen“, was nur dem Abt und der Herrschaft des Stifts Fulda zustehe, Die Herzöge aber hätten seinen Bruder ohne alle Ursache, ohne Klage und Untersuchung und gegen den Landfrieden vertrieben und gewaltsam spoliiert, was ihm viel Schimpf und Schaden bereitet habe. Auf seine Beschwerden babe er keine verträgliche Antwort erlangen können, daher er sich „aus brüderlichem Geblüt in die Fehde begeben habe". Er hatte nun in den nächsten Jahren die sächsischen Untertanen schwer geschädigt, so daß der Kaiser am 27. Januar 1518 die Acht gegen ibn aussprach; wie es in dem Antrag der Herzöge heißt, hatte er mit Michel Bodelwitz in ihrem Amt und Geleit Wartburg Kaufleute abgefangen und Lösegeld erpreßt; sein Spieß- geselle war dann verhaftet und gerichtet worden, worauf Hektor im freventlicher Eigenmächtigkeit sich einer mutwilligen Fehde angemaßt and ihre Untertanen „mit Nahme, Fahen, Wegfübren, Schatzen, Rauben, Mord und Brand“ vielfach geschädigt hatte. Besonders hatte er am 1. Oktober 1517 ihr Dorf Gumpershausen überfallen, „gepocht, geplündert“ und zum größeren Teil niedergebrannt, auch etliche Insassen gefangen und verwundet oder jämmerlich ermordet. Bei dem Rückhalt, den er an den Fuldaer „Mönchen“ hatte, war ihm nicht beizukommen. So batte er noch im Juni 1520 den sächsischen

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hatte die Dreistigkeit gebabt, den Ernestinern als den Erb- verwandten des Landgranfenhauses förmliche Fehde anzusagen, und sie jahrelang empfindlich geschädigt. Er hatte dabei Hilfe und Unterschlupf bei der Fuldaer Ritterschaft gefunden, wiihrend der Abt schon bei seinen Anschlag auf Hersfeld sich der Gunst der Herzöge zu versichern gesucht hatte. Vor allem aber mußte er als Mitglied des Mainzer Kapitels

RatEucharius von Rosenau mit mehreren Begleitern zwischen Würzburg und Rotenfels überfallen: das versprochene Lösegeld von 2066 Gulden wurde auch erlegt. aber vergebens wandten sich die Herzöge an den Bischof von Würzburg, in dessen Gebiet der Ueberfall erfolgt sei: es wurde von Konrad von Thüugen einfach be- stritten. Der Kurtürst bemühte sich daher auf dem Wormser Reichs- tage, gegen Hektor und „seine Gesellschaft“ aufs neue die Reichsacht zu erwirken, die am 6. Mai erneuert wurde (DRA II. 833f). Ver- mutlich hatte sich Hektor damals durch seine Freunde unter der kurpfälzischen Ritterschaft an Ludwig V. gewendet, der einen Ver- gleich berbeizufübren versucht habe, aber vergeblich. Eine Frevel- tat Mangolds von Eberstein, die in Nüruberg großes Auf- sehen erregte, begangen an einem Kaufmann aus Kärntben, ferner die am 13. März 152 erfolgte Ermordung des Fuldaer Propstes Küchenmeister bei dem Schlosse der Herren von Thünyen (s. unten), veraulaßte das Reichsregiment zum Eingreifen: Graf Georg von Wertheim wurde als Haupımann mit dem Vorgehen gegen die „Friedbrecher und Beschädiger“ beanitragt und zerstörte nun den südlich von Fulda gelegenen Brandenstein, vou dem Mangold sich zu Sickingen geflüchtet hatte. Dann wurde noch die Burg Zeitlofs bei Brückenau cinvenommen, die Fritz von Thüngen (DRA. II, 716. 720) gebörte, und nun zog der Graf auch „vor die Behausung Hektor Beheims", die der Abt von Fulda als sein Lehen in Anspruch nahm. Wertheim bedauerte daun dem kur- fürstlichen Gesandten Hans von der Planitz in Nüinberg gegenüber, daß kein Vertreter seines Herrn zur Stelle gewesen sei, da er dann den Burgherrn hätte nötigen köunen, die Fehde gegen Sachsen auf- zugeben. Dieser hatte sich nach dem Ganerbenschlosse Geln- hausen begeben, so daß, wie Wertheim meinte, seine Burg auf den etwaigen Wunsch des Kurfürsten au einem Tage mit geringen Kosten erobert werden könnte. Und auch Planitz war 21.—21. Mai der Meinung, wenn man jetzt „wirklich fortfabre, gegen die Fried- brecher zu handeln, so könne mit leichter Mühe der Friede im Reich erhalten und die Pıackerei zerstört werden“. Der Kurfürst Außerte am 1. Juni seine Befriedigung über das Vorgehen Wertheims und ver-prach, den Vorschlag mit seinem Bruder zu bedenken, da es für künftige Fälle mutwilhger Friedens-töruug eine nützliche Warnung sein würde. Hektor aber hatte die Dreistigkeit gehabt, sich am

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darauf bedacht sein, den in der Erfurter Frage bestehenden Gegensatz zwischen Mainz und Kursachsen nicht zu ver- schärfen. Er schrieb nun schon am 10. Mai 1516 aus Hammelburg an seinen Vetter, den Burggrafen Georg, er habe durch das Verbot, jenen Hektor von Mörlau za unter- stützen, den größten Unwillen seiner Mönche und Ritter er-

26. April an das Beichsregiment zu wenden (ohne Angabe seinoe Aufenthaltsortes!) und als ein „Armer vom Adel“ gegen „genugsamen Geleit“ sich zu rechtlichem Verhör zu erbieten, wobei jedoch alles, was „sich in Fehden und Zugriffen" begeben hätte, ausgeschlossen bleiben sollte. Da er keine Antwort erhielt, erneuerte er sein Gesuch am 9. Juni, und nun erkundigte sich das Reichsregiment bei Planitz, ob Beheim, der behaupte, eine begründete Ursache zu seiner Fehde gehabt zu haben, wirklich in der Acht sei (14. Juni). Beide Herzöge gaben nun am 5. Juli dem Regiment genaue Auskunft über den Ver- lauf der Angelegenheit: die von Beheim angeführten Gründe seiea falsch, dagegen sei er wegen der gegen sie verübten Frevel zwei- mal geächtet worden, und sie könnten auch nicht anf Ersatz des unter dem Schein einer Fehde angerichteten Schadens verzichten. Wenn er sich aber zuvor „aus der Acht wirken" würde. wollten sie sich zu rechtlicher Verhandlung bereit zeigen; weigere er sich jedoch nach Vorschrift des Landfriedens zu handeln, so möge ihn das Regiment zu Schadenersatz anhalten und seines Frevels wegen bestrafen. Das Regiment erteilte dem Gesandten auf seinen Vortrag eine zustimmende Antwort und übermittelte dem Ritter die sächsische Erklärung, wo- rauf dieser am 20. August erwiderte, daß er „keiner Acht geständig sei", auch bisher keine Vorladung erhalten habe. Die seinem Bruder angetane Schmach sei offenkundig und werde sich auch im Verhör herausstellen; die Fürsten hätten selbst gegen den Landfrieden ge- handelt, und wenn sein Angebot nicht angenommen werde, werde er sieh der „Gegenwehr bedienen, um seines Schadens Kehrung und Abtrag zu erlangen“. Am 4. September hatte inzwischen der Kur- fürst angeordnet, daß der Fiskal am Reichskammergericht wegen der an Rosenau verübten Erpressung Klage erheben solle; der aber fand die Beweise nicht genügend und fürchtete, in die Kosten verurteilt su werden, wenn jener nicht als Nebenkläger dafür hafte. Und se verlief die Sache vorläufig wieder im Sande, um erst nach Jahr- zehnten durch die Gefangennahme Hektors erledigt zu werden. H. Virck, Planitz-Berichte S. 151f. 172ff. 185 fl. 191. 208. Kalkoff, Depeschen Aleanders S. 287 Anm. Die von Virck erwähnte Be- arbeitung der umfünglichen in Weimar beruhenden Akten duroh Herrn Dr. Lämmerhirt ist leider nicht zustande gekommen. Es war wohl der von den Ernestinern eingesetzte Propst von Allendorf, Konrad von Biedenfeld, der später „zur lutherischen Partei abßel und eine Nonne heiratete" (HZ. B. 226).

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regt. Schon früher babe er den Kapitelherrn deswegen hart und ernstlich gedroht. Darauf hätten sie ihm im Kapitel entgegnet, sie wollten ihre Verwandten und Freunde um der Herzöge willen nicht im Stiche lassen, und der Abt dürfe es ihnen nicht wehren. Und nun hätten sich Prälaten und Ritter vereinigt, diese böse Handlung an ihm zu verüben“).

Auch in der Eingabe an Karl V. betont der Abt, dab sich Dechant und Kapitel gegen ihn empört hätten, weil er ihnen nicht gestatten wollte, denen, „die auf die Straße greifen, um Fürsten und andere zu schädigen, in den Klöstern des Stifts Vorschub zu leisten“. Und besonders sei der „empörerische Unwille seiner Mönche“ daher ge- kommen, daß ein Lehnsmann des Stifts, eben jener Hektor von Mörlau, sächsische Untertanen in fuldaischen Klöstern und Dörfern gefangen und beschädigt habe. Während er nun zunächst nur den Freunden Hektors dies verwiesen habe, hätten diese die Ritterschaft aufgewiegelt, als hätte er ihnen bei ihrer mönchischen Gehorsamspflicht gehoten, ihren angeborenen Freunden überhaupt keine Aufnahme und Beistand zu gewähren. Und so sei es dahin gekommen, daß Kapitel und Ritterschaft sich vorgenommen hätten, in einer andern Sache einen Landtag auszuschreiben. Die Beschwerden über seine Verwaltung seien also nur der Vorwand gewesen, um sich so lästiger Mahnungen zu ent- ledigen und jenes zuchtlose Treiben ungestört fortsetzen zu können. Da nun die Berufung des Landtags nur ihm als dem regierenden Herrn und Abte zustehe, habe er den Städten befohlen, die Versammlung nicht zu besuchen, und den Mönchen, dabei keine Verhandlung zu pflegen. Da dieses Verbot nichts fruchtete, sah sich Hartmann nach Beistand um, und so erschienen denn auch rechtzeitig kurmainzische und bischöflich-würzburgische Räte. Denn die ungehorsamen Mönche hatten inzwischen, um „desto kecklicher ihres freien Mutwillens pflegen zu können“, eine stattliche Versammlung der Ritterschaft und einer großen Anzahl der Städte zuwege gebracht, so daß „andertbalbhundert“ von ihnen dem Abte gegenüber standen. Den fremden Räten hatten zwar die Mönche wie die Ritterschaft bei Gehorsam und Eidespflicht versprochen, daß, wenn der Abt in den Zusammen- tritt des Landtags einwillige, dabei nichts gegen seine Person, sondern nur, was zur Ebre und Wohlfahrt des Stifts gereiche, verhandelt werden solle. Gleichwohl bestanden Mönche, Ritter und Bürger bei den „verdrießlichen und ganz un- billigen Verhandlungen, die sich drei Tage vom Morgen

1) Avemann. B. 249.

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bis zum Abend“ hinzogen, darauf, daß der Abt von dem Barbestand und allen Vorräten des Stifte bei seinen Kelle- reien und Amtern Rechenschaft ablegen solle. Dieser ver- Steifte sich darnuf, daB er weder durch kaiserliche noch durch päpstliche Bestimmungen dazu verpflichtet sei und auch durch seine Verwaltung keinen Aulaß zu solcher Forderung gegeben habe, da er das Stift seit dem Tode seines Vorgängers nicht geringert, sondern nur verbessert, auch nichts davon verpfändet oder veräußert habe. Da nun der Landtag auf seiner Forderung bestand, auch die fremden Rite nichts ausrichteten, eutnabm der Abt aus vielen äußer- lichen Anzeichen, daß, wenn er auch in die Rechnungslegung einwilligte, man daraus nur weitere Vorwände entnehmen würde, um gegen ihn vorzugehen. Er habe sich daher, um sich vor ibrem „ungestümen und bedenklichen Vornehmen“ zu retten, nächtlicher Weile aus seinem Schlosse in Fulda entferut und nach seiner Stadt Hammelburg begeben, die sich an der bösen Handlung nicht beteiligt hätte. Doch habe er seinem Marschall eine schriftliche Erklärung über- geben, in der er sein „Abreiten“ gerechtfertigt und sich zu weiteren Verhandlungen erboteu habe. Diese Schrift habe der Marschall noch in der Nacht den Ständen zugestellt. Dessen ungeachtet hätten die Priülaten mit Rittern und Bürgern sofort am frühen Morgen das Schluß belagert, Buchsen und Geschoß herangebracht und die Brücke, uber die er kurz zuvor ausgeritten sei, abgebrochen, weil sie glaubten, er wäre noeh im Schloß. Daun batten sie hinein- geschossen, obwohl der Marschall und andere ihnen wieder- holt zuriefen, dab der Abt ihnen gar nicht befohlen habe, das Schloß zu verteidigen. An diesem Tumult hätten sich die Kapitelherren selbst mit bewaffneter Iland beteiligt, Als ihnen dunn der Marschall das Schloß öffnete, hatten sie ihn und den Vetter des Abts unter Ehrenwort in einem -Gemach gefangen gesetzt, die Knechte und Diener geschlagen, einige in deu Turm geworfen, auch in den Stock gelegt uud ihre Häuser gepfändet. In der Burg hatten sie alle. verschlossenen Behälter zerschlagen und alsbald auch alle anderen Schlösser, Aemter uud Gerichte des Stifts beschlag- nahmt Etwa vierzehn Tage daranf wurden alle Amtleute des Abtes und alle Städte der ihm geleisteten Eide und Pflichten entbunden. Der juristisch gebildete Abt verfehlt nicht, ein solch gewaltsunes, eigenmiichtiges Vorgehen als einen mit geistlichem uud weltlichem Recht unverträglichen Frevel zu brandmarken.

Der geistliche Chronist, der doch an allen diesen stürmischen Auftritten beteiligt war, verschweigt natürlich

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alles, was sich hierbei mit den klösterlichen Sitten nicht verträgt. Die adligen Mitregenten des Stifts sollten aber bald zu der Einsicht kommen, daß sie und der gesamte geistliche Staat „den größten Schaden“ von dieser Wendung der Dinge hatten, denn, so fährt Vilbel fort, „die Bürger von Hammelburg benabmen sich in dieser Fehde (gwerra) so hart und grausam gegen ihre Herren vom Kapitel, denen sie doch als ihren rechten Erbherren eidlich verpflichtet waren, desgleichen gegeu Adel und Städte“, daß sie auch der Entscheidung des Landtages zum Trotz dem Fluchtling Unterschlupf gewährten. „Zunächst war ihm der Dechant Philipp von Schweinsberg mit einigen Mitgliedern des Kapitels und einigen Edelleuten nachgeeilt, angeblich in keiner andern Absicht, als Frieden und Eintracht zu wahren und den Abt zurückzurufen, dem sie versprechen wollten, ihn mit allen Ehren nach Fulda zu geleiten!). Aber die Bürger miDachteten ihren dem Kapitel geleisteten Eid und verwarfen nicht nur jenes Angebot, sondern verwehrten den Gesandten auch den Eintritt in die Stadt und zwangen sie, mit Schimpf uud Schande abzuziehen. Auch während des ferneren Streites erwiesen sie sich als feiudseliz und zwangen die adligen Mönche wie die Bürger von Fulda vor verschlossenen Toren- umzukehren und ihre höbnischen Schimpfworte noch in den Kauf zu nehmen. Unterdessen verbrauchte und verkaufte der Abt alles, was er in Hammel- burg au Wein und Feldfrüchten vorfand; das Schlimmste aber war, daß er mit Anna von Hessen, der damaligen Feindin des Fuldaer Stifts. Freundschaft zu schließen suchte, indem er ihr alle päpstlichen und kaiserlichen Urkunden über die Einverleibung von Hersfeld auslieferte und so dem Stifte Fulda auf immer entweudete".

Denn Hartmann war in der Tat klug genug gewesen, sich wenigstens vor weiterer Bedrünguug von Seiten Hessens zu sichern, indem er am 1. April 1516 zugunsten Ludwigs von Haustein auf die Abtei Hersfeld verzichtete uud ver- Sprach, die Angelegenheit auch bei Kaiser und Papst ordnen zu helfen. Da Ludwig bald darauf in Kassel verstarb, so wurde nun unter hessischem Einfluß am 19. September jener ebarakterfeste Crato Mylius aus Hungen in der Wetterau gewählt, seit Jabrhunderten der erste bürgerliche Abt?), der

) Hartmann tat wohl daran, ihnen nicht zu folgen. Die Mönche des Benediktinerklosters Homburg bei Laugensalza hatten ihren Abt Johann von Berka eingekerkert. „Mit Gottes Hilfe aber war er unversehrt ent- kommen und starb 1518 in Fulda als Kaplan des Abtes.“ HZ. 8. $35.

) W. Lauze a. a. O. 8. 13.

Archie für Reformationsgesebiohte XXIL /. 16

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dann durch seine lutherfreundliche Haltung er bereitete dem Reformator schon am 30. April 1521 auf der Rückreise von Worms einen ehrenvollen Empfang der Einführung der evangelischen Lehre Vorschub leistete, wenn er auch selbet bei der alten Kirche verblieb.

Zunächst verstanden nun aber die doppelt betrogenes Kapitelherren, sich auf eine empfindliche Art an Hartmaņa von Kirchberg zu rüchen!). Dieser hatte sich auf seine engem Beziehungen zur Mainzer Regierung verlassen, die denn auch durch ihre Kommissarien einen Tag in Aschaffenbur abhalten ließ, auf dem wenigstens ein vorläufiger Stillstand zwischen den Parteien verabredet wurde, der sich auch auf jenen Hektor von Mörlau bezog. Denn dieser hatte bald darauf den jungen Vetter des Abtes, Burggrafen Siegmund, den er nach Köln geschickt hatte, auf der Rückreise tiber- fallen und auf freier mainzischer Landstraße samt Knechten und Pferden in Gefangenschaft geführt. Hartmann wandte sich daher sofort (Hammelburg, 13. Juni 1516) an die erz- bischöflichen Statthalter, vorab den Grafen Eberhard von Königstein?) mit der Bitte, entweder selbst oder durch die Ganerben der Schlösser Friedberg, Gelnhausen und Lindheim eine Verhandlung zwischen ihm und dem von Mürlau anzubahnen, worauf denn auch die mainzische Regierung einen Tag zu Aschaffenburg, ihrem eigenen Woha- sitz, auf den 30. Juli ansetztc. Hektor aber redete sich darauf hinaus, daß er keineswegs dem Waffenstillstand zuwider gehandelt habe, denn er habe den Burggrafen nicht als Ver- wandten des Abtes, sondern als Untertanen der beides Ernestiner niedergeworfen. Auch die hessische Regierung, die sich daraufhin mit der Sache befaßte, konnte nichts weiter erreichen, als daß der Räuber erklärte, Burggrat Georg könne seinen Sohn nur „durch ehrliche Ausrichtung nach seinem Gefallen“, also durch ein von ihm zu bestim- mendes Lösegeld erretten. Desgleichen erlaubte sich Hang von Thann, ein Verwandter des Propstes von Holzkirchen (gest. 1518), das Haus des Burggrafen in Fulda, das mag sehon bei Hartmanns Flucht geplündert hatte, zu beziehen, weil es doch dem Kapitel gehöre“).

Auf dem Tage in Aschaffenburg erschien nun Hartmans

1) Das folgende nach Avemann S. 245 fl.

) Vgl. über diesen mein Buch „Die Kaiserwahl Friedrichs IV. und Karls V.“ bes. S. 188—148. |

3) Hartmann rüchte sich, indem er sich der Propstei Holskirchas bemächtigte, wo Reinhard von Thann ein schönes Wohngebäude ef- richtet hatte, HZ. 8. 286.

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persönlich, unterstützt duroh Räte des Bischofs von Würz- burg und der Landgräfin von Hessen, während die sächsischen Herzöge ihre Räte der Gegenpartei zu Hilfe geschickt hatten. Der Abt beklagt sich darüber in einem Schreiben an seinen Vetter mit dem heuchlerischen Vorgeben, daß er doch nur der Herzöge wegen aus seinem Stift verjagt worden sei, weil er den offenkundigen Helfershelfern Hektors nicht habe gestatten wollen, ihn aufzunehmen, um Streifzüge gegen ernestinisches Gebiet zu unternehmen. Aber diese Undankbarkeis der Herzöge erklärte sich daraus, daß ihnen Hartmann auf einem sehr viel wichtigeren Kampfgebiet, in dem Ringen am die Landeshoheit tiber Erfurt, entgegengetreten war. Der Abt erreichte denn auch in Aschaffenburg nichts weiter, als daß sein Haus in Fulda geräumt, seinem Vetter Pferde und Harnisch wiedererstattet werden sollten. Die Haupt- fragen, wie auch die Lösung Siegmunds wurden auf einen Tag zu Marburg verschoben, denn die dem Abte gestellten Bedingungen waren so ungünstig, daß seine Beistände ihm die Annahme widerrieten. Den furchtbarsten Schlag aber führte der im Kapitel vertretene Adel gegen ihn, indem er sich mit dem Grafen Wilhelm von Henneberg dahin verständigte, dessen Sohn zum Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge zu erheben und so den Abt matt zu setzen. Die beiden sächsischen Räte mußten also in Aschaffenburg in Beisein des Grafen Michael von Wertheim das Ansuchen an Hartmann richten, er möge in Anbetracht der alten Freundschaft zwischen den Häusern von Kirchberg und von Henneberg diesen jungen Grafen als Koadjutor und Nach- folger annehmen. Diese Zumutung verbat sich der Abt nun zwar als mit seiner Ehre unvereinbar: er wäre vielleicht bereit gewesen, vertraulich mit dem Grafen Wilhelm über diese Frage zu verhandeln; so aber würde es den Anschein kaben, als hätte er in offener Auseinandersetzung mit den

nern auf seine Würde verzichten müssen. Daraufhin schloß das Kapitel am 16. August 1516 einen Vertrag mis dem Henneberger, daß, wenn der jetzige Abt mit Tode ab- gehen würde, sein Sohn Abt und regierender Herr von Fulda

werden sollte!).

1) Gegenseitige Verschreibung wischen Dechanten und Kapital einer-, Graf Wilhelm andrerseits, die von der Versammlung der Bitter- schaft und Städte gebilligt worden war. Der junge Graf soll, sobald: er 14 Jahre alt ist, die Statuten des Stiftes beschwören. Bei deren Verletzung ist das Kapitel ohne weiteres berechtigt, einen anderen zum Abte zu wählen. Sein Vater verspricht Überdies, dem Stifte in seinen Irrungen mit dem Abte Hartmann jeden Beistand zu leisten. Cod.

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Indessen war ein Mann von dem Ehrgeiz und der Er- fahrung dieses vornehmen Kurtisanen doch nicht so leicht aus dem Sattel zu heben; und auch die Herrschaft des Kapitels scbeiut nicht sonderlich beliebt gewesen zu sein. Denn als Hartmann erfuhr, daß der Graf von Henneberg Reiter an- werbe und einen Anschlag gegen ibn im Schilde führe, empfing er von den Hammelburgern die Versicherung, daß sie Leib und Gut für ihn als ihren Herrn einsetzen wollten, und den Rat, auf keine schimpflichen Zumutungen einzugehen, wie sie ibm soeben in Ascbuffenburg gemacht worden seien. Und auch das Städtehen Vacha (a. d. Werra) sandte zwei Ratsmitglieder an den Abt, klagte, daB man sie schüudlich binters Licht geführt babe, bat feierlich uni Ver- zeibung und gelobte dem von Gott verordneten Stiftsoberhaupt ferneren Gehorsam. Wenn man hinzufügte, daß man keinen anderen Herrn anerkennen werde, so richtete sich das offenbar gegen die Machtgelüste der benachbarten Henneberger und wurde von diesen so gut verstanden, daß Graf Wilhelm später versuchte, das Städtchen zu überrumpelu; doch wurde er von den wachsamen Bürgern mit Schimpf und Schande abgewiesen“).

Auch ein Tag in Marburg, den die Hessen auf den 1. Oktober 1516 anberaumt batten. verlief ergebnislos, da Hartmann sich keines Rechtes begeben, die Stiftischen aber

prob. p. 351 sq. Auch durch diese kirchliche Würde seines Sohnes wurde der Graf Wilbelm (1480—1559) auf der altkirchlichen Seite fes!gehalien. Iu Worms suchte er Luther in seiner Herberge auf, erregte aber dann de-sen Zorn durch die Begünstigung der Wallfahrt zu dem Marienbilde vou Griumentbal. Den Baueruaufstand, der sein Gebiet besundera schwer betroffen batte, rücbte er im Bunde mit dem grausamen Bischof ven Würzburg durch furchtbare Bluturteile. Später aber legte er der Eiuführung der Reformation durch seinen Sohn Georg Erost keine Hindernisse mehr iu den Weg. Vgl. W. Höhn, Kurze Gesch. der Kirchenreformation in der gefürsteten Grafschaft H., Halle 1894 (Schr. f. das dent-che Volk 22). Der erziehliche Einfluß, den die Reformation auch auf den Adel ausübte, zeigt sich auch darin, daß mit den Ráüubereien der Ritterschaft auch deren Begün tigung durch die Kleinfür-ten anfhürte, Noch 1593 wurde Graf Wilhelm als eines der Hüupter des fränkischen Adels vom Schwäbischen Bunde durch ein energisches Schreiben aufgefordert, seine strenge Neutralität - bei dem Straizug gegen die Raubritter zu erklären, da noch die Abgesandten des Schweinfurter Rittertages der Bundesleitung gedroht hatten, der Henneberger wolle seine Bundesverwandten nicht verlassen (Planitz, Berichte, S. 471ff., 480 f). | 2) Vgl. WR. S. 289.

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ibm nichts weiter gönnen wollten, als ein Jahrgehalt auf Lebenszeit. Schließlich schlag die Regentin ein Schieds- gericht von 12 Personen aus Grafen, Prälaten, Rittern und Bürgern vor, das den Streit engültig schlichten sollte. Doch rief sie damit nur den Gegenantrag hervor, daB die Sache dem ganzen bessischen Landtage unterbreitet werden müsse. Dunn aber wurde sie in jenen langjährigen Kampf mit ein- bezogen, den die Landgrüfin gegen die Mitglieder der von ihr gestürzten adligen Regentschaft führte, hinter denen auch die buchonische Ritterschaft stand, die mit dem ehe- maligen Landbofmeister Ludwig von Boyneburg auch in dieser Frage Hand in Hand gehen wollte.

Dem Domkapitel in Mainz kam es daruber immer mehr zum Bewußtsein, daß Hessen nicht nur seine Stellung in Hersfeld zurückgewinnen, sondern auch in Fulda Fuß fassen wollte, was wegen der Verbindung mit dem thüringischen Besitz des Erzbistums recht bedrohlich werden konnte. Am 6. November 1516 beschlossen also die Domherrn, den Erzbischof zu bitten, daß er persönlich zwischen dem Abt und seinen Gegnern vermitteln möge, da die Mainzer Kirche einen offenen Krieg nicht ertragen könne. Dadurch sah sich nun wieder der Abt in Gefahr, seinen Hückhalt im Domkapitel zu verlieren, und so erschien er am 30. Dezember su einer eingehenden Darlegung. Er beriehtete zunächst über den Hergang seiner Vertreibung aus der Abtei‘) und rechtfertigte sich wegen aller ihm gemachten Vorwürfe. Dann wiederholte er sein Erbieten, in allen Punkten vor dem Erzbischof oder vor Dekan und Kapitel von Mainz zu Recht zu stehen und ihrer gütlichen oder richterlichen Entscheidung zu gehorchen, ohne den Vorbehalt fernerer Appellation. Nur müsse er zur Bedingung machen, daß er in seine Würde und Regierungsgewalt wieder eingesetzt werde und im Falle der Absetzung nicht za erscheinen brauche. Bei einer solchen Wendung behielt er sich also vor, den Streit vor einem andern Gerichtshofe, dem des Kaisers und des Papstes, weiterzuführen. Bald darauf muß nun der Erzbischof, bzw. der Statthalter Lorenz Truchsess die Gegner Hartmanns soweit gebracht haben, daB sie am 15. März zu einem Vergleichstage in der erzbischöflichen Residenz Steinheim bei Aschaffenburg erscheinen wollten, und nun bat Hartmann am 4. Februar 1517 das Domkapitel, ihm dazu zwei Mitglieder als Beistand mitzugeben. Am

1) „factom suae destitutionis ex ordine retulit... was nicht etwa als Verstoßung aus dem Benediktinerorden aufzufassen ist, de von einem solchen Schritte nichts verlautet.

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5. März aber erklärte er, daß er aus Gesundbeitsrucksichten und um der Gefährlichkeit der Wege willen nicht erscheinen könne; er habe den Erzbischof gebeten, einen anderen Tag an einem geeigneten Orte anzusetzen; das Kapitel möge ihn auch dann unterstützen.

Inzwischen hatte er noch gegen Ende des verflossenen Jahres durch eine Reise an den kaiserlichen Hof sich bei Maximilian l. in Erinnerung gebracht ) und zunächst erreicht, daß kaiserliche Räte sich im März mit Einigungsverhand- lungen bemühten, über die der Abt am 30. März im Kapitel berichtete. Er betonte dabei die engen Beziehungen (dic

„Union“) der Mainzer und der Fuldaer Kirche und beteuerte, daß er selbst stets das Wohl des Erzbistums im Auge ge- habt babe und dessen Schaden abzuwenden bedacht sei, damit man ihm später nicht vorwerfen könne, daß er als Mitglied des Kapitels gegen das Wohl der Maiuzer Kirche gehandelt habe. Er bat daher, ihu zu beraten, da er auf keinem andern Wege seine Wiedereinsetzung erreichen könne. Diese Berufung auf die gemeinschaftlichen Interessen der beiden geistlichen Fürstentüner hatte ihren Grund in einer für den vertriebenen Abt sehr bedrohlichen Wendung, von der er zweifellos schon Kenntnis erbalten hatte, denn zwei Tage später, am 1. April, erschienen vor dem Kapitel der Marschall Frowin von Hutten undDr. Sebastian von Rotenhan. erzbischöflicher Rat, mit einem Be glaubigungsschreiben Albrechts. Danach hatten Dechant und Kapitel, Vasallen und Untertanen der Fuldaer Kirche den Erzbischof um eine Erklürung gebeten, ob sie im Falle eines Ueberzugs durch ihre Feinde auf Hilfe rechnen könnten. Der Fuldaer Stiftsadel und seine geistlichen Vetters fürchteten also eine gewaltsame Zurückführung Hartmanns durch die Landgräfin von Hesseu, die energische Vertreterin landesftirstlicher Gewalt auch gegen die auswärtigen Standes- genossen ihrer eigenen rebellischen Ritterschaft. Daher die eifrige Verwahrung Hartmanns gegen die Besorgnis, als könne er etwas zum Nachteil der von den Mainzer Dom- herren vertretenen Standesinteressen, gegen die politische Stellung der mitregierenden Kapitel im Schilde führen. Es lag in der Tat ein Widerspruch darin, daB die Mainser Kapitularen ihn im Kampfe gegen sein eigenes Kapitel . seine Willkurherrschaft wiederherstellen helfen

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!) Dieser war im Oktober in Augsburg, dann in Tirol. und am Bodensee. Forsch. zur deutsch. Gesch. I, 380f. Vermutlich erwirkte H. bei dieser Gelegenheit such das unten erwühnte Vorgehen dea kaiserlichen Fiskals gegen die Städte der Abtei (8. 952).

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sollten. Daß Albrecht die Hand dazu geboten hatte, die Fuldaer Stände durch dieses offenbar von ihnen hewirkte Vorgehen seiner Räte zu unterstützen, ist nicht verwunderlich; er weilte damals noch in Halle und war wohl von den einzelnen Vorgängen nicht näher unterrichtet. Aber während er sich auf die Frage beschränkte, welchen Rat ihm das Kapitel erteile, suchten seine Räte es dabin zu bringen, daß dem Kapitel und Vasallen von Fulda die Hilfe der Mainzer Regierung zugesagt wurde, Es war nicht schwer, die ge- führliche Tragweite eines solchen Schrittes zu übersehen, and die Domherren waren sich längst darüber klar, daß eine kriegerische Entwicklung der Dinge vermieden werden müsse. Ihr Bescheid lautete also: da beide Parteien in die vom Erzbischof geplante gütliche Verhandlung gewilligt MÀátten, so möge dieser einen Termin zu friedlicher Bei- legung ansetzen; dann werde es nicht nötig sein, daß es zum offenen Kampfe komme. Auch am 3. April wurde tiber diese Angelegenheit beraten, doch ohne daß wir Näheres erfahreu. Am 1. Juli verlas danu der Abt aufs neue sein Erbieten und bat um den Rat des Kapitels, was er mit Ehren tun kónne. In dieser Formel aber war beschlossen, daß er seine Absetzung nicht anerkennen, also auch nicht freiwillig zurücktreten würde. Das Kapitel entschied, daß er über sein Angebot nicht hinauszugehen brauche, und nahm also entschieden für ihn Partei. Offenbar stand es sun so, daB sowohl Mainz wie Hessen versuchen mußten, dem Abte möglichst günstige Bedingungen zu verschaffen, um bei seiner Rückkehr sich seiner Anhänglichkeit zn ver- sichern oder wenigstens durch ihn auf die unzuverlässigen Fuldaer Stände einen Druck auszutüben. Und Hartmann verstand es vortrefflich, sich diese Lage zunutze zu machen.

Zunächst aber bot sich für ihn eine glänzende Gelegen- zeit, seine guten Beziehungen zum kaiserlichen Hofe sar Geltung zu bringen. Im Sommer 1517 begab sich Maximilian von den Niederlanden her nach Augsburg, wo- Wei er wegen seines gespannten Verhältnisses zu den Reichs- ständen die Stätte des von ihm nach Mainz einberufenen Reichstages geflissentlich umging. Er verweilte aber einige Zeit (13.—21. Juni) in Frankfurt!) wo er u. a. eine wichtige Besprechung mit dem Erzbischof von Mainz und seinem Bruder Joachim I. in der Frage der Königswahl hatte“).

Jj DRA. 1. 11. Chr. F. Stälin, Aufenthaltsorte Kaiser Maxi- milians I. Forschungen z. deutsch. Gesch. I, 889. H. Ulmann, Kaiser Maximilian I. Stuttgart 1891. IT, 650f.

*) WR. S. 98.

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Nun berichtet der spätere Kammermeister des Landgrafen von Hessen, Rudolf von Waiblingen!), am 3. August an den Burggrafen Georg, daß sein Vetter, der Abt von Fulda, den Kaiser bei seiner Durchreise in Frankfurt auf- gesucht habe. Daraufhin habe dieser dem Erzbischof von Mainz zwei seiner Räte zugeschickt mit dem Auftrag, die Angelegenheit unverzüglich vorzunehmen. Zugleich empfing der Abt einen hervorragenden Beweis der kaiserlichen Gnade, indem er durch Beglaubigungsschreiben aus Rotenburg a. T. vom 27. Juni bei den Reichsständen neben dem obersten Hofmarschall Leonbard Hauber, Freiherrn zu Blankenstein, als Kommissar und Vertreter des Kaisers bestellt wurde“). Nun wurde auf dem schlecht besuchten Reichstage, der sich ohnehin viel mit der Lage der Ritterschaft zu befassen hatte®), auch diese Frage und die damit zusammenhüngenden Umtriebe an mehreren Tagen erwogen; man wartete dann die Ankunft des jungen Grafen von Henneberg ab und suchte nun den Abt zur Annahme des Koadjutors zu bewegen. Bei seinem hartnäckigen Sträuben kam man über einen Vertragsentwurf nicht hinaus, dessen Annabme die hessischen Räte ihrem Verbündeten widerrieten. Die Gegner rächten sich dafür, indem sie zwar ihre Mitwirkung zur Befreiung des jungen Burggrafen in Aussicht stellten, aber zu einem Druck auf Hektor von Mörlau sich außer Stande erklärten.

Vom September bis gegen Ende des Jahres ist Hart- mann von Kirchberg neben dem Generalvikar Dietrich Zobel von Giebelstadt und Johann von Vilbel mit der

!) Dieser war früher ein Anhänger Boyneburgs (Glagau S. 176), war aber nun schon auf die Seite der Landgräfin tibergetreten, Nach dem Vertrag über die Abfindung Hartmanns von 1521 hatte Waib- lingen diesem ein Darlehen gewührt, das der Kosdjutor zurück- sahlen mußte. Auch eine weitere Verschreibung, vermutlich die Fuldaer Lehen Waiblingens betr., sollte ihm lebenslänglich gehalten werden. Cod. prob. p. 357. 865, Wie unten weiter ausgeführt wird, suchten die Hessen den Abt auch durch Beleihung seines eigenen. und des geraubten Silbergeschirrs an sich zu fesseln.

2) J. Ch. Lünig, Teutsches Reichs-Archiv, part. gen. continuatio II (Leipzig 1720), 816. Instruktion vom 26. Juni. Ulmann, Sickinges S. 74 Anm. 4.

23) HR. S. 300. Der Abt und Rauber sollten auch über Sickingee und Ulrich von Württemberg mit den Ständen verhandeln. Am 80. Juni begannen die Besprechungen, und noch am 1. Aug. gab ihnen dee Kaiser Weisungen in der württembergischen Frage. Frankfurts Reichs- korrespondenz, hrsg. von J. Janssen, Freiburg 1879. IT, Nr. 1156 S. 906. 994. 937.

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Erfurter Angelegenheit beschäftigt, in der Kursachsen einen vollen Erfolg erzielt hatte: die Deputierten des Kapitels reisen zum Erzbischof nach Steinheim; dieser schickt seine Räte zu Besprechungen mit dem Kapitel; schließlich sollen Zobel und Kirchberg eine Rechtsverwahrung aufsetzen (9. Dezember). Am 12. Januar 1518 aber berichtet letzterer wieder über die Verbandlungen mit seinen Gegnern vor dem Erzbischof und bittet das Kapitel um seine Beteiligung, damit „die Sache za Ende kommen könne“, was ihm denn auch zugesagt wurde.

Inzwischen aber hatte dieLandgräfin ihre konkurrierenden Bemtihungen fortgesetzt. Der Propst Apollo berichtet für dieses Jahr von einem Tage zu Gelnhausen, wo Hessen sich bemübt hätte, das Einvernebmen «wischen dem Abt und dem Kapitel herzustellen, doch ohne Erfolg!) Immer- bin war es den hessischen Räten schon gelungen, den Ent- wurf einer „concordia“ aufzustellen, den der Abt am 25. Januar 1518 dem Kapitel vorlegte mit dem bemerken, daß er auch jetzt noch die Vermittlung des Erzbischofs an- nehmen wolle wenn ihm dieser noch bessere Bedingungen verschaffe. Wenige Tage später verstärkte er diesen Druck durch die Mitteilung, er habe der Landgräfin so geschrieben, daß er von dem durch sie vereinbarten Ausgleich nicht gut mehr zurücktreten könne und daß er ihn vielmehr anzu- nehmen beabsichtige. Am 19. Februar erschien er mit der Bitte, die Urkunde tiber den Frieden mit seinen Fuldaer Gegnern genau zu prüfen, da es ihm scheine, als ob die Landgräfin einiges gegen den Wortlaut des Entwurfs ge- ändert habe; er habe zwar nichts genaueres darüber in Erfahrung bringen können; jedenfalls möge das Kapitel Vor- sorge treffen, damit nicht die Fuldaer Kirche von der Mainzer Kirche abfalle und sich an Hessen. anschließe, wogegen das Kapitel sofort Einspruch erhob. Er deutete also zum mindesten an, daß der in Aussicht genommene Koadjutor bei der Lage seiner väterlichen Graf- schaft sich bewogen sehen könnte, sich enger an Hessen anzuschließen, als der Mainzer Regierung lieb sein könne. Am 25. Februar endlich meldete er, Kapitel und Adel von Fulda bätten an die erzbischöflichen Räte also an Frowin von Hutten und Rotenhan geschrieben, der auf den 8. März angesetzte Tag zu gütlicher Verhandlung sei Über- flussig, weil der Abt der Landgrüfin schon versprochen habe, ihre Konkordie anzunehmen. Man möge ihn aber docb dahin za bestimmen suchen, daß er den früheren Entwurf

1) HZ. S. 999.

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der Hessen aufgebe, und die betr. Verspreehung zurück- nehme. Darauf erklärte nun der Abt, daß er dies mit Ehren nicht tun könne, und wenn man eich erinnert, daß er wit dieser Formel seinen Widerstand gegen völlige Ab- setzung oder Abdankung begründete, so war also in dem ersten Eutwurf seine Stellung dem unvermeidlichen Koadjutor gegenüber ungünstiger gewesen. Er erbot sich nun aber wieder, wenn seine Gegner ersch.enen, weiter zu verhandeln, und wollte lieber eineu vom Erzbischof und dem Mainzer Kapitel verinittelten Vergleich annehmen als den hessischen, vorausgesetzt, daß er keine schlechteren Bedingungen brächte.

Die hessischen Räte waren unterdessen eifrig am Werke und so konuten sie auf einem am 12. März 1518 in Vacha abgehaltenen Tage auch noch in einigen Nebenpunkten Ordnung schaffen: so sollte der Burggraf Siegmund endlich freigelassen werden gegen Erstattung der Verpflegungs- kosten, Zahlung von 325 Gulden und Lieferung von drei Hengsten!). An demselben Tage legte Hartmann dem Kapitel und den erzbischöflichen Räten den hessischen Vertrag vor und erklärte, daB man ihm auf den 23. März einen Tag in Frankfurt angesetzt habe zur Unterzeichnung der Konkordie, die er notgedrungen annehmen müsse. Nur wenn er der Gunst und Hilfe des Erzbischofs und des Kapitels gewiß sei, könne er sich entschließen, sie abzulebnen. Darauf ersuchte das Kapitel die Statthalter, sich sofort mit den erz- bischöflichen Räten zu besprechen, konute aber selbst am 13. zu keinem Eutschluß kommen. Nun aber drohte Kirchberg, sich über alle Rücksichten hinwegzusetzen und die Sache beim Papste anhängig zu machen, was den offenen Bruch mit Hessen und für die Abtei einen unübersehbaren und kostspieligen Prozeß an der Kurie bedeutete. Er bat am 18. März um Urlaub, da er sich nach Rom oder an die päpstliche Residenz begeben wolle. Inzwischen möge das Kapitel einen tüchtigen Ritter als Hauptmanu nach Hammel- burg setzen, dem er das Städtchen übergeben wolle, damit er es im Namen des Kapitels für diese Zeit bewache; er selbst wolle ihn mit Weizen und Wein, Hafer und Stroh versorgen, während das Kapitel, wie zu ergänzen ist, das bare Gehalt zahlen sollte. Danu wolle er keinen von dem Hessen vermittelten Ausgleich annehmen! Das erschien nun wieder dem Kapitel allzu gewagt, so daß es ablehnte, aber

1) Als dann Hektor von Mürlau 1528 von Freunden Kursachsens niedergeworfen und an Friedrieh ausgeliefert wurde, riet Hartmanm, sich durch diesen den Schaden ersetzen zu lassen, was jedoch nicht gelang. Avemann S. 268, 270.

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eich erbot, den Vorschlag beim Erzbischof zu unterstützen, wenn Kirchberg ihn bei diesem anbringen wolle. Denn selbstverstäudlich konnte bei dieser bedrohlichen Wendung ein Entschluß nur vom obersten Landesherrn selbst gefaßt werden. Ueber den Urlaub sei dann noch Zeit zu reden.

Nun aber wollte doch auch der schlaue Abt die Dinge sicht auf die Spitze treiben. Er machte sich also die guten Dienste des Marschalls Frowin zunutze, der ja mit einem Fulle im gegnerischen Lager stand, und die geschäftliche Gewundtheit des Sckretürs Dr. Georg Griecker!), der ihm ia Erfurt zur Seite gestanden hatte, und so gelang es bei den Verhandlungen in Frankfurt vor der Landgräfin, die hessische Konkordie noch ein wenig günstiger zu gestalten. Er konnte somit am 29. März 1518 erklären, daß er ihre Annahme versprochen habe, wenn das Kapitel ihm dazu rate. Dieses ernannte nun zunächst zwei Deputierte, die den Vertrag unter Zuziehung des Kanzlers Dr. Sunthausen und Dr. Grieckers reiflich erwägen und in eine augemessene Forın bringen sollten; dann werde man einen Beschluß fassen, über den der Abt sich frei entscheiden könne.

Bald aber mußte mau erfahren, daß die Lösung doch nicht so einfach zu finden -war. Der Abt stellte seine Be- schwerden über den Inbalt des Frankfurter Vertrages zu- «sammen, und da die Fuldaer Gesandten unter Führung des Dechanten Sehenk von Schweinsberg nach Mainz gekommen waren, so sah sieh der Mainzer Dechant Lorenz Truchsess von Pominersfelden genötigt, sich persönlich mit der heikeln Angelegenheit zu befassen. Am 21. April teilte er dem Abte im Kapitel mit, daß dieses den Frankfurter Artikeln nur zum Teil zugestimmt und die beanstandeten Punkte mit Hartmanns Einwendungen den Fuldaern übergeben habe. Diese antworteten nun darch den Mund Johanns von Thann, also jenes rücksichtslosesten Führers der Ritterschaft: der Abt habe die hessischen Artikel anzunehmen und zu be- siegeln versprochen; dann habe man nochmals in Frankfurt verhandelt: sie könnten und wollten also keinen andern Vertrag annehmen als den in Frankfurt vereinbarten; doch würden sie über die vom Kapitel vorgeschlagenen Artikel die 2 Uhr beraten.

Die Antwort zcigte, daß auch die Fuldaer endlich za einem Vergleich zu kommen wünschten. Sie fanden es nur bedenklich, daß die Statthalter der Abtei die Ueberschüsse des Stifts nur mit Rat and Willen des Abtes zur

) Bei der Kaiserwahl von 1519 als Notar beschäftigt. DRA. I. NO u. ö.

Tilgung der Schulden verwenden dürften; es genüge wohl, daß es mit Wissen des Abtes gescheben solle. Im übrigen wollten sie die durch Hessen schriftlich vereinbarten Artikel, wie sie unter Mitwirkung des Abtes uud seiner beiden Vertrauensmänner redigiert worden seien, im Namen der Stände des Stifts Fulda annehmen. Nur bezüglich der Propstei Holzkirchen könnten sie nicht mehr be- willigen als in dem früheren Vertrage, weil es das Verderben des Klosters sein würde, weın es in den Händen des Abtes belassen würde. Grundsätzlich sei es den weltlichen Ständen, der Ritterschaft und den Städten, auch beschwerlich, daß diese Vereinbarung nur von den geistlichen Behörden und ihren Mitgliedern, den Prälaten, abgeschlossen worden sei; doeh wollten sie sich immerhin die Vermittlung des Dom- kapitels gefallen lassen.

Dieser letzten Bemerkung gegenüber betonte der Abt, daB er den hessischen Vertrag und die Frankfurter Ab- machungen nicht anders angenommen habe als auf des Mainzer Kapitels Rat und Gutbedünken; was er mit Ehren tun könne, wolle er auch jetzt noch tun.

SchlieBlich weigerten sich die Fuldaer doch noch, den Vorschlügen des Domdechanten in betreff jener Propstei zu- zustimmen, und verlangten, daß die Städte des Stifts von dem durch Hartmann gegen sie erwirkten Vorgehen des kaiserlichen Fiskals ohne Entgelt freigestellt würden. Der Abt hatte also schon Klage beim Hofgericht erhoben und wollte die erfolgte Zitation nur rückgängig machen, wena die Städte sich bei ihm loskauften. Da gab es denn noch viel Arbeit und Kopfzerbrechen, aber am nächsten Tage hatte der Dechant die Parteien so weit gebracht, daß die Urkunde über den Vergleich ausgefertigt werden sollte. pDeo sint gratiae infinitae!" schließt der geplagte Protokoll-

rer.

So schien denn die peinliche Angelegenheit endlich geordnet zu sein: der zähe Jurist hatte sich im Besitz der Abtswürde und im Genuß stattlicher Einkünfte behauptet, nur daß er die eigentliche Regierung des Stifts den durch die Revolution erhobenen Statthaltern überlassen mußte. Indessen bei der Natur beider Parteien kam es bald wieder zu Reibungen, vor allem über das Kloster Holzkirchen. Am 16. August beschwerte sich Kirchberg, legte den Streitfall vor und rügte besonders, daß seine Statthalter sich nicht „Locumtenentes abbatis", sondern „ecclesiae Fuldensis* nennen wollten; eine Meinungsverschiedenheit, die staats- rechtlich wie praktisch von erheblicher Bedeutung war; die Gegner verfolgten eben nach wie vor das Ziel, ihn tatsächlich

von jedem Einfluß auf die Regierung auszuschließen. Die Verhandlungen über diese, den Kernpunkt des Streites berübrende Frage müssen sehr schwierig und ergebnislos gewesen sein, denn am 11. Februar 1519 beschloß das Kapitel, den Streit Kirehbergs mit den Fuldaer Statthaltern dem Erzbischoff zur Entscheidung vorlegen zu lassen, da dieser heute gerade im Mainzer Gebiet erwartet werde!). Bald darauf wurde der Urlaub des Abtes von Weihnachten bis Anfang März verlängert. Man war auf den toten Punkt gelangt, wo bei dem Starrsinn beider Teile und dem Un- vermügen des Kapitels, entscheidend auf sie einzuwirken, . ein Ausgleich unmöglich wurde.

Unsere sonstigen Quellen haben von diesem langwierigen Ringen wenig Kunde bewahrt: der Fuldaer Prälat Apollo berichtet nur, daß der Erzbischof von Mainz trotz der kaiser- lichen Mahnung nicht zum Ziele kommen konnte, da er mit Geschäften so überladen war, daß er die Sache seinem Dom- kapitel überwies. Inzwischen sei der Abt, „nachdem er in Hammelburg alles aufgezehrt hatte“, nach Mainz gegangen. Für diese Zeit aber hätten ihm der Bischof von Würzburg und die hessische Regierung versprochen, das Städtchen in gutem Gewahrsam za halten, uud letztere hatte sogar zwei Edelleute als Kommaudanten hingeschickt?), wie wir von Kirchbergischer Seite erfahren. Gemeint ist damit noch Bischof Lorenz von Bibra, der jedoch am 6. Februar 1519 starb, worauf Konrad von Thüngen gewühlt wurde, dessen Familie in engen Beziehungen zu dem rebellischen Fuldaer Adel stand*) Daraus dürfte sich auch erklüren, daß der Abt nicht nur den erwähnten Urlaub nahm, sondern daß sein Name nun ein volles Jahr hindurch aus den Proto- kollen des Domkapitels verschwindet, vou dem der geschäfts- kundige Mann sonst vielfach mit Auftrügen bedacht wurde, Offenbar lag ihm viel daran, persönlich in Hammelburg und Holzkirchen zu gebieten, um mit diesem Teil des Fuldaer Gebiets ein Faustpfand zu behalten, dessen er sich zur Er- langung besserer Bediogungen bedienen konnte.

Am 27. Februar 1520 erschien er aber wieder mit

ı) Am 7. Februar schrieb Albrecht auf der Reise nach Mains von Schleusingen aus an den Kurfürsten von Sachsen. Am 11. Februat meldeten die kaiserlichen Räte, er müsse jetzt im Stift Mainz sein, DRA. I, 198, 212, 31. In der Haupt-tadt wurde er erst am 17. März feierlich alg Kardinal eingeholt und nach der Martinsburg geleitet. Jak. May, Kurfürst Albrecht. München 1865, I, 912,

*) HZ, S. 429. Avemann 3. 249f.

5 Vgl. ZKG. XXXIX, 920f.

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einer umfassenden Klage gegen die Statthalter, die deu vom Kapitel vermittelten Vertrag in vielen Punkten verletzt hätten. Er halte sich daber ebenfalls nicht mehr für gebunden, liefere die Urkunde wieder aus und bitte nur um die Rückgabe seines Siegels. Für den Augenblick ließ sich weiter nichts erwidern, als daß er dies schriftlich erklären möge, damit man der Gegenseite davon Mitteilung machen könne. Nua rıuß sich der Erzbischof der verfahrenen Sache wieder an- genommen haben, denn am 22. September zeigte Kirchberg ap, daB die Gegner den vom Erzbischof angesetzten Tag abgeschrieben hätten; er wolle nun zum König gehen der sich ja damals in den Niederlanden zum Krönungstage in Aachen rüstete. Dann werde er vielleicht nach Rom reisen Diesmal aber zeigte sich das Kapitel bei Bewilligung des erlorderlichen Urlaubs schon schwieriger und wollte ihm nuz die üblichen kürzeren Fristen zugestchen. Als der Abt daram erinnerte, daß man ibm zu einer Romfahrt schon früher Ur- laub in Aussicht gestellt habe, hieß es, er habe soeben erst bis 13. Juli ein Jabr Urlaub gehabt und müsse daher im Notfalle ein neues Gesuch einreichen.

Aber dieser Schritt sollte sich als tiberflüssig erweisen, da Hartmann durch die Anrufung des Kaisers schließlich ae vorteilhafte Bedingungen zu erpressen verstand, daB er die Kurie nicht weiter heranzuziehen brauchte als zur Bestätigung des Vergleichs. Denn wenn er auch den neuen spanischen und burgundischen Machtbabern gleichgiltig war, so hatten doch während des Wormser Reichstages die alten Räte Mazi- milians in inneren und untergeordneten Fragen der Reiche- regierung noch großen Einfluß schon wegen ihrer Kenntnis der Personen und Verhältnisse. Und diese kaiserlichen „Kar- tisanen“ waren meist selbst gefürchtete Pfründenjäger oder dureh ihren Familienanhang in die Interessen der Hierarchie verflochten ). Jedenfalls wußte der frübere Assessor asa Reichskammergericht, daß er in diesem Kreise wirksame Fürsprache finden werde, da er beizeiten jene Beschwerde über seine rebellischen Stände einreichte und zugleich Sorge trug, seine Sache in Worms persönlich zu verfechten?) Er wird also dem Hofe auch bald nach Worms gefolgt sein, nachdem er dem Nuntius am 28. November in Mainz den schon erwähnten Liebesdienst erwiesen hatte. Auch während des Reichstages wird er seine Beziehungen zur päpstlichen Gesandtschaft gepflegt haben, denn am 13. Februar 1521

) Vgl. WR. Kap. II und III.

3) Schon Ende November hatte er sich in Worms eine Wohnung gesichert. DRA. II, 770, 20.

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verlas er vor den Reichsständen das an den Kaiser gerichtete Breve vom 18. Januar, in dem der Papst die Vollziehung des Bannes gegen Luther durch ein Heichsgesetz forderte, und in seinem Gefolge befand sich jener Mainzer Dominikaner Dr. Johann Burchard, der dann am 29. Mai in Aleanders Auftrag bei der Verbrennung der Schriften Luthers predigte !). Am 24. April durfte er als „ordentlicher Kaplan des Kaisers“ bei dem Hochamte zu Ehren des hl. Georg die Messe zele- brieren?); Cochläus rühmt dabei seine Beredsamkeit (vir disertissimus) und berichtet, daß der Kaiser die Aussöhnung des Vertriebenen mit dem Kapitel von Fulda bewirkt habe. In Fulda beobachtete man diese Schritte des geführlichen Gegners mit Bestürzung. Der Propst Apollo erhebt bittere Klage, daB der Abt, nachdem der Ausgleich in Mainz schon mit Brief und Siegel bekrüftigt war, nach kurzer Bedenkzeit wieder Schwierigkeiten gemacht und sich für nicht befriedigt erklärt habe. Und wieder habe er sich an den Kaiser ge- wandt und so die Wunde wieder aufgerissen und neue Schmerzen verursacht; eine wehleidige Anspieluug auf die wirksame Schilderung, die Hartmann von dem rebellischen Treiben seiner Prälaten und Ritter eutworfen hatte.

Selbstverständlich konnten sich der Kaiser und seine Staatsmänner nicht selbst mit dieser untergeordneten Frage befassen, doch ist es ein Beweis für die hohe Gunst, die Hartmann von Kirchberg hier genoß, daß der Bischof Wilhelm von Straßburg mit dem Ausgleich betraut wurde. Denn dieser, ein besonders rühriges Mitglied der papistischen Gruppe?) hatte dem Domkapitel als Kustos angehört und unterhielt auch die engsten Beziehungen zur Mainzer Regierung, der er bald darauf als Albrechts Statt- halter vorstehen sollte. Dazu stammte er als ein Graf von Honstein aus jener Gruppe der Harzgrafen und des hoben Thüringer Adels, der auch die Burggrafen von Kirchberg angehörten. Mit einem andern Mitglied des Mainzer Dom- kapitels, dem Dr. Dietrich Zobel, dem geistlichen General- vikar Albrechts, saß Hartmann im Ausschuß des Reichstages für Supplikationen und auch in den politischen Händeln der mächtigeren Stände erhob er einmal seine Stimme, um mit Mainz und Kurpfalz gegen die sächsisch-bessisehe Erb-

1) DRA. II. 459 f. 805, 7. 479, 39. Kalkoff, Depeschen Aleanders S. 17. 184.

) DRA. II, 560 Anm. 1.

) Vgl. WR. und Entstehung des Wormser Edikts nach dem Persomenverzeichnis, auch R. Wolff, Die Reichspolitik Bischof Wil- heims III. von Straßburg. Berlin 1909.

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verbrüderung zu protestieren!): ein Zeichen dafür, daß er der hessischen Unterstützung jetzt nicht mehr xp bedürfen glaubte.

Die eigeutlichen Verhandlungen wurden aber erst im ‚April ernstlich in, Angriff genommen?), als das immer näher rückende Ende des Reichstages die Parteien zwang, sich zu verständigen: Am 19. berichten also die Frankfurter Ge- sandten, der Streit zwischen dem Abt von Fulda und dem Stift samt dem Koadjutor würde geschlichtet und am 30, heißt es, sie seien miteinander vertragen worden. In der Tat war am 26. der Vertrag endgültig abgeschlossen und die Urkunde besiegelt worden“).

Der Fuldaer Chronist erwähnt von den Bedingungen nur, daß der Abt von jeder Regierungsgewalt ausgeschlossen wurde, so daß er nur den nackten Titel behielt und man wohl sagen könne, daß er zwar nicht abgesetzt, aber doch der Absetzung kaum entgangen sei. ludessen wenn auch Hartmann im wesentlichen seine Absetzung in der Form eines scheinbar freiwilligen Rücktritts von der Regierung anerkennen mußte, so hat der zähe Jurist mit Hilfe seiner Gönner doch den Schein gewahrt und noch manche vorteil- hafte Bedingung erpreBt.

Schon reiu verfassungsrechtlich wurde jener Anspruch des Kapitels, daß durch Verletzung der beschworenen Statuten der Abt seiner Würde und Rechte verlustig gehe, 80 duß es ohne weiteres einen anderen Abt wählen könne, stark eingeschränkt. Es blieb bei der berkömmlichen Form, daß Abt und Kapitel vertragsmäßig festsetzten und den Ständen miiteilten: der Abt habe wegen beginnender Altersschwäche“) und Todesgefahr den Grulen von Henne- berg als regierenden Koadjutor angenommen, dem die Nach- folge als Abt vorbehalten sei, vorausgesetzt, daB er vom Papste bestätigt werde. Abt Hartmanu erklärt, daß er auf alle Regierungsgewalt, Rechte und Einkünfte zugunsten deg Kcadjutors verzichte, und fordert die Stände und Unter- tanen auf, diesem unverzüglich zu huldigen. Für die Zwischen- zeit aber sollten sie dem Abte Hartmann mit allen Pflichten verstrickt bleiben. Diese von ihm und dem Dechanten und ‚Kapitel besiegelte Bekanntmachung sollte unter dem 13. Mai herausgegeben werden, wie schon in dem ersten Abkommen

1) WR. 8, 20. DRA. II, 885, 13. 22 f. 816, 84.

N Anfang April ist Kirchberg im Kapitel anwesend und erhält Urlaub bis Päuguten.

) DRA. II. 863, 89. 885 f. Cod. prob. p. 855—874.

*) In der gemeinsamen Eingabe an den Papst wird hier aus- ‚drücklich das Podagra angeführt. Cod. prob. p. 878.

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yom 8. April festgelegt wurde. Dieses wurde dann noch in mehreren Haupt- und Nebenpunkten ergänzt, So wurde am 4. Mui durch den Bischof von Straßburg beglaubigt, dab alle Briefe und Urkunden unter dem Titel des Abtes und des Koadjutors ausgefertigt und mit einem Siegel bekräftigt werden sollten, das unter dem Schilde des Stifts Fulda das Kirchberger und das Henneberger Wappen zeigen müsse!) Der Abt übertrug dem Koadjutor auch die geistliche Disziplinargewalt, besonders die Visitation der Klöster und verzichtete auf seine Propstei Holz- kircben. Die weltlichen Lehen sollte der Koadjutor, doch uuter dem Titel des Abtes Hartmann, vergeben. Auch zu den geistlichen Lehen, die in den bischóflichen Mouaten erledigt würden, sollte er geeignete Personen nach Gefallen nominieren; doch sollten sie dem Abte präsentiert werden, der dabei auch im Falle eines Pfründentausches eine Kanzlei- gebübr von drei Gulden, bei Verleihung einer Propstei aber füuf Gulden erheben dürfe.

Wenn der Koadjutor vor dem Abte mit Tode abgeben würde, sollten Abt und Kapitel binnen zwei Monaten einen andern Koadjutor wählen und postulieren, der aber vor Anerkennung dieses Vertrags nicbt zur Regierung zugelassen werden dürfe. Auch blieb Hartmann dem Reiche gegenuber“) noch der Träger aller Rechte und Pflichten eines Unmittel- baren, doch sollte der Koadjutor und das Stift ibn beim Besuch von Reichstagen oder Ausschreibung von Steuern vollkommen schadlos halten. So waren also in reichs- rechtlicher und kirchlicher Hinsicht die Spuren der Vorgänge von 1516 leidlich verwischt und duch die Hauptsache, der Uebergang der Regierung auf ein neues Oberhaupt, gesichert. Doch machte nun die finanzielle Abfindung des verdrängten Abtes noch Schwierigkeiten, die erst in einer erweiterten, vom Kaiser und Erzkanzler am 26, April unterzeichneten Urkunde“) behoben erscheinen. Danach mußte das Stift dem Abte für die Abtretung aller Rechte uud Einkünfte ein jährliches Gehalt von 600*Guldep

2) Cod. prob. p. 870.

*) Iudessen überlicß er es dann doch der Kosten wegen dem Koadjutor, das Stift auf den nächsten Rrichstagen zu vertreten: die Abschiede vom 9 Februar 1523 uud 18. April 1594 sind von dessen Vertretern, Rudolf von Waiblingen, bzw. von dem Mainzer Kansler Dr. Kaspar Westhausen unterzeichnet worden. Geleyentlich hatte anch jener hessische Politiker Lodwig von Boyneburg die Vertretung. DRA. III, 757, 26 f. IV, 619, 7f. 712, 26,

3) Cod, prob. p. 860—366.

Archiv für Reformationsgeschiohte. XXII. 3/4. 17

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gewübren und die Bulle über die päpstliche Genehmigung solcher Reservation auf seine Kosten erwirken. Für die lebenslüngliche Zahlung und genaue Einhaltung der Fristen mußte der Graf von Henneberg sich am 5. Mai für seinen Sohn verschreiben, und vier Grafen, Bernhard von Solms, Wilhelm von Nassau-Dillenburg, Philipp von Nassau-Wies- baden und Georg von Wertheim als Bürgen und Selbst- schuldner angeben!) Wenn auch diese Sicherheit versagen würde, sollte der Verzicht des Abtes hinfällig werden und die Regierung des Stifts wieder an ibn heimfallen.

Endlich sollte das Stift dem Abte binnen zwei Monaten eine Abfindungssumme von 1900 Goldgulden in seinen Hof nach Mainz tlbermitteln lassen, um ihn für alle seine Sehulden und Auslagen besonders seine Verpflichtungen gegen die Stadt Hammelburg zu entschädigen. Davon aber sollten 276 Gulden abgezogen werden, die zur Lösung des vom Abte entführten Silbergeschirrs verwendet werden würden. Diesen Silberschatz, von dem ihm nur etwa die Hälfte (für 149½ Gulden) gehörte, hatte er nach seiner Aussöhnung mit Hessen an einen der führenden Rite der Landgrifin, den Rentmeister und nunmehrigen Amtmann in Gießen, BalthasarSchrauten b ach’), versetzt, denselben, der auf dem Landtage von Kassel den Sturz Boyneburgs herbeigeführt hatte. Das Silberzeug sollte auf den 8. September nach der Herberge zum Heinerhof in Frankfurt gebracht werden, wo jede Partei die ibr gehörigen Stücke an sich nehmen könne ).

Schließlich wurde auch über eine Reihe untergeordneter Fragen, wie die Entschädigung der Diener nnd Beamten Hartmanns, die Rückgabe des Kirchbergischen Hauses in Fulda, die Besetzung einiger kleiner Pfründen eine Einigung durch den Bischof von Straßburg herbeigeführt (4. Mai).

Der gesamte Ausgleich dieser „Irrungen nnd Spiine- spielte sich ab in der Form einer Verhandlang vor dem kaiserlichen ,Kammergericht**) und wurde zunächst von

) Cod. prob. p. 359, 59, 364, 372.

*) Vgl. über ihn Glagau a. a. O. S, 165 fl. 118, 123. Wenn dieser ibu erst seit Juni 1521 unter dem ihm von dem Landgrafen Philipp verliehenen Adelstitel . on Weitolehausen" nachweisen kann, so ist er unter diesem Namen schon in der Priüsenzliste des Wormser Reichs- tags verzeichnet. DRA. IT, 994,

*) Cod. prob. p. 361, 369.

) Nach dem Wortlaut der Eingabe an den Papst ((od. prob. p. 378): „coram imperialis camerae iudicio"; richtiger ist es aber, von dem kaiserlichen Hofgericht zusprechen, wie auch der Bischof von Straßburg vou „gerichtlicher Erkenntnis vor kais. Maj. Räten“ (p. 369). sprieht. da das Reichskammergerich. damals noch nicht wieder eröffnet war

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dem Abte und seinem Gegner, dem Dechanten Schenk von Sehweinsberg als dem Vertreter des Kapitels, durch einen auf das Evangelium geschworenen Eid bekrüftigt; der Koadjutor tat es durch eine am 4. September, also unmittel- bar nach seinem Regierungsantritt ausgestellte Urkunde; die Vertreter der beiden Stände sollten am 20. Juni vor dem vom Kaiser am 30. April bestellten Kommissar, dem Mainzer Domdechanten Lorenz Truchsess, erscheinen und durch feierlichen Eid sich gleichfalls auf das Abkommen verpflichten. Bezeichnenderweise war dabei die Ritterschaft vertreten durch Dietrich von Mörlau, also einen Verwandten jenes Oberhauptes der rebellischen Vasallen; die Städte Herbstein, Lauterbach, Hünfeld und Geisa hatten einen ehrsamen Bürger, die Stadt Hammelburg aber den Bürgermeister Konrad Dotscheler entsandt, der jene Er- klärung des Abtes vom 9. März 1514 beglaubigt hatte. Bei der Vereidigung und Huldigung des Koadjutors, die am 1. und 2. September stattfand, war der Abt Hartmann selbst in Fulda erschienen und unterzeichnete am 4. als erster die von 15 Mitgliedern des Kapitels unterschriebene Ein- gabe an den Papst!)

Er ist dann im Genuß der ihm verbtürgten stattlichen Rente als Domherr und Erzpriester von Mainz am 1. April 1529 dort verstorben).

So wurde, schließt Vilbel, der Fuldaer Kirche der Friede wiedergegeben, indem sie nun durch den Abt und zwei Herren vom Kapitel, die den Titel „Statthalter“ führten, regiert wurde. Aber bis dahin hatten die Edelleute dieses. Landes viele Stiftsgüter gegen das Versprechen, Frieden

1) Cod. prob. p. 368, 865, 870sqq. 372 q. Anwesend waren außer dem Dechanten die Pröpste von Johannisberg, Andreasberg, Frauenberg, unser Chrorist als Propst vom Petersberge, die von Thulbe, Rohr und Blankenau; als Inhaber von Aemtern werden der Camerarius curiae, der Portarius, der Operarius, der Cantor und ein anderer Camerarius angeführt. Außer den Namen der handelnden Personen sind folgende adlige Familien damals im Kapitel vertreten: von Buchs, von Lüders, Marschalk, von Ertal, von Biedenfeld, von Ruckingen, von Weyhers, von Hundelshausen.

3) Am 7. Juni 1521 bewilligte ihm der Erzbischof um seiner guten Dienste willen die freie Einfuhr von jährlich 20 Fuder Wein, . 900 Malter Korn, 100 Malter Weizen und 200 Sack Hafer. Mainzer Ingrossaturbuch Nr. 52f. 140. Mitteilung des Herrn Archivrats

Dr. Herrmann, 17*

S. r

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zu halten oder Hilfe zu leisten, an sich gerissen '). Sie hatten viel verbeißen,aber wenig gehalten. „Denn nur so weit die welt- lichen Mittel des Stifts ausreichten, sie zu befriedigen, hatten wir auf ibren Beistand zu rechnen, so daß wir mit Jeremias, Klagelieder 5,8 sagen müssen: „die Knechte herrschen über uns“.

Ein blutiges Nachspiel dieses Kampfes um die Abtei erfolgte dann noch im Frühjahr 1522. Der Zusammenhang ergibt sich daraus, daß Hartmann früher durch die bischöfliche Regierung von Würzburg unterstützt worden war, so daß deren Lebnsleute darin einen Vorwand erblicken konnten, sich an Fuldaer Besitz zu bereichern. Nun berichtet der Chronist, daß der Dechant Schenk von Schweins- berg und der Propst von S. Johann, Melchior Küchen- meister, einen Zug nach Holzkirchen, jener Fuldaer Propstei, unternommen hatten, die dem alten Abte zugehört hatte. Da wurden sie auf der Rückkehr am 13. März von einem Diener des Hans Georg von Thüngen, der bei dem dieser Familie gehörigen Schlosse Keußenberg*) mit mehreren Bewaffneten im Hinterhalt lag, überfallen. Jener Hans Georg betrieb insgeheim eine Fehde gegen die Kirche von Fulda; und obwohl er keine gerechte Ursache dazu hatte und keine Absage nach dem Brauch der Ritter- schaft bei Eröffnung vou Feindseligkeiten voraufgeschickt hatte, ließ er die beiden Prälaten plötzlich angreifen. Man rannte auf sie los, durobbohrte den Propst mit dem Speer, so daß er auf der Stelle tot wor, und nahm zwölf Kuechte gefangen. Der Dechant entrann mit Gottes Hilfe, rettete aber nur mit genauer Not sein Leben*).

!) So batte Frowin v. Hutten 1517 dem Abte die Huldigung für Romstbal verweigert. K. Arnd S. 104.

) Schon Abt Juhaon II. batte dieses Schloß wegen der Gewalt- taten seiner Iuhuber einmal belagert und zur Uebergabe geswungen. Cod prob. p. 8406.

) HZ. S. 987f. Im nächsten Johre legte Philipp Schenk wegen plötzlichen körperlichen Verfalla das Amt des Dechanten nieder, blieb aber noch erster Rat des Abtes Jobann IIL, nach dessen Tode ein anderer Philipp Schenk von Schweineberg Abt von Fulda wurde; 8. 261. Nach der Fuldaer Ueberlieferung (Schaunat, Hist. Fuld. p. 258) hätte dann der Abt den Reußenberg belagert und zerstört, was jedoch das Werk des Schwäbischen Bundes war. Für die gefangenen Verschwörer, besonders für Hans Georg von Thüngen, legte der Markgraf Kasimir von Ansbach Fürbitte ein, so daß nur drei untergeordnete Helfershelfer bingerichtet. wurden. Man erinnert sich bei diesem Vorfall der Ermordung des Bischofs Melchior Zobel vom Würzburg durch die Bpießgesellen des Ritters Wilhelm v. Grumbach(I 550).

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Der Koadjotor erhob nun sofort Klage beim Reichs- regiment in Nürnberg und ließ zunächst den Besitzer von Reußenberg, Kaspar von Thüngen ein Konrad von Thüngen war damals Bischof von Würzburg!) vorladen, damit er sich von dem Verdacht befreie, seinem Vetter Hilfe oder Rat bei der Ermordung des Propstes gegeben zu haben. Dieser hat sich nun am 13. Mai „mit aufgerecktem Finger* eidlich gereinigt. Am 23. Mai aber wurden auf Betreiben des fuldaischen Gesandten Hans Georg von Thüngen, Junker Hans, genannt Han, Marsilius Vogt von Salzburg und ein Knecht in die Acht gesprochen und öffentlich auf der Gasse vor dem Rathaus „unter dem Himmel“ durch den Statthalter Pfalzgrafen Friedich darin erklärt). Es waren also drei fränkische Edelleute an der Untat beteiligt, und wir bören nicht, daB die Acht an ihnen vollstreckt, daß sie von Reichswegen weiter zur Strafe gezogen worden wären. Einer von ihnen, Marsilius Vogt, begegnet dann unter den Helfershelfern des berüchtigten Rüubers Hans Thomas von Absberg und unter den letzten Mitkämpfern Sickingens, die auf dem Landstuhl gefangen genommen wurden?) ein weiterer Beweis dafür, welche zweifelhaften Elemente sich diesem angeblichen Oberhaupt der Ritterschaft angeschlossen hatten.

Ibrer Strafe entgingen die Herrn vou Thüngen nicht ganz: denn bei dem Feldzug des Schwäbischen Bundes gegen. die fränkischen Raubritter im Sommer 1523 wurde die ihnen zugehörige Sodenburg bei Hammelburg völlig, Reußen- burg nur zu einem kleinen Teil zerstört. Der Bischof von Würzburg hatte 30000 Gulden geboten, um die beiden „berühmten Raubhäuser“ seinen Verwandten zu retten. Und an den Grafen Wilhelm von Henneberg, den Vater des Koadjutors von Fulda, erging die Aufforderung, sich schriftlich zu verpflichten, daB er den Angegriffenen nicht weiterhin Unterschlupf gewähren werde, wie ja auch Hutten in seinem Pfaffenkrieg sich auf Hennebergisches Gebiet zurückzuziehen gedachte‘).

Mit welchen Empfindungen der hochmtütige alte Jurist

1) Ueber dessen Haltung in der lutherischen Sache und die Zu- stände im Domkapitel und im stiftischen Adel vgl. meine Untersuchung “ber „die Vollziehung der Bulle ‚Exsurge‘, insonderheit im Bistum Würsburg“, ZEG. XXXIX, 17 ff., XL, 150 ff. Vagantenzeit 8. 886 f.

5) Virck, Planitz-Berichte 8. 151, 166,

) H. Ulmanu, Franz v. Sickingen. Leipzig 1872, S. 884 Anm. 3 ua Huttens Vagantenseit, S. 888.

4) Virck, Planitz-Berichte 8. 465, 471, 481. HR. S. 278 Anm >.

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den Unfall seiner führenden Geguer, vermutlich der beiden Statthalter jener Jahre, aufgenommen haben wird, läßt sich aus seinem Schreiben vom 21. Dezember 1525 ermessen!), in dem er seinem Vetter Siegmund triumphierend mitteilte, wie bei der damaligen Bedrüngung des Stifts durch den Landgrafen von Hessen?) die ganze Landschaft, Geistliche und Weltliche, besonders aber die Ritterschaft der Buchen, und zwar gerade dic, die ihn vormals mit übermächtiger Gewalt verjagt, verhóhnt und beraubt hätten, seinen Beistand angerufen habe. Der Abt war denn auch bereit, sich 20 dem eben damals in Augsburg versammelten Reichstage zu begeben und den Schutz des Kaisers ftir die bedrohte Reichs- freiheit des Stifts anzurufen. Mit abstoBender Heuchelei stimmt er dabei ein Loblied an auf die Gnade Gottes, der „seiner armen Kreatur“ im 60. Jahre und bei großer Anfechtung durch das Podagra noch „solche fröhliche und ergötzliche Botschaft“ habe zukommen lassen: denn wie köune er einem Menschen auf Erden größere Gnade er- zeigen, als wenn er seine gefährlichsten und ärgsten Feinde Jahin bringe, daß sie den, den sie zuvor verachtet, wieder aufsuchen und um Trost bitten müßten“. Und so kann man den rachstichtigen Mann von einer mittelbaren Schuld an der blutigen Tat nicht freisprechen. Nachdem er seine Parteigänger unter dem zuchtlosen fränkischen Adel durch seine ganze Haltung, zumai wührend seines Aufenthaltes in Hammelburg, ermutigt hatte, sich am Eigentum des Stifts uud seiner Untertanen zu vergreifen, kann es nicht Wuuder nehmen, wenn jene schließlich auf den Plan verfielen, seine siegreichen Gegner zu beseitigen. Besonders aber sein hinterlistiger Ueberfall auf den Abt Ludwig von Haustein belastet ibu auch in diesem Falle schwer.

Die Geschiehte des Stifts bei Lebzeiten Huttens liefert also in der Tat mehr als einen Beweis dafür, dab „das Reich trotz ein vierzig Landfriedens noch immer eine Mörder- grube war“. Aber dieser Abt von Fulda ist mit dem harmlos eiufültigen Prälaten iu Goethes „Götz vou Berlichingen“) nicht entfernt zu vergleichen, wenn nicht sein Podagra an den Spott der Hofschranzen über „das Weinfaß von Fald“ erinnern sollte. Wohl aber tritft es zu, dab „bei einer nühern Bekanntschaft mit diesen Herren der Nimbus von Ehrwürdigkeit und Heiligkeit arg schwindet, die die neb-

!) Avemann S. 251 f. *) Cod. prob. p. 375—409. ) Akt I, „Im bischöflichen Palast zu Bamberg".

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lichte Ferne“ romantischer oder ultramontaner Geschichts- vetrachtung „um sie herum lugt“.

Zugleich ergibt sich, was von dem Mäzenatentum eiues derartigen geistlichen Geschüftsmannes zu halten ist, der nach G. Richter der „Partei der sogenannten jüngeren Humanisten sogar persönlich nahe gestanden haben soll“, oder von den devoten Wendungen des Mutianus Rufus, der in seinen Briefen von Hartmann „wiederholt mit der größten Begeisterung“ rede. Daher habe auch Hutten die weitere Gewährung seines Jahresgehults „nach seiner Ausschließang von Mainzer Hofe gewiß nur seiner Zugehörigkeit zam Humanistenbunde verdankt, dessen Rache nicht weniger selürchtet wurde, als ein Lob aus diesen Kreisen gesucht war“. Aber einmal wird hier nur die boshafte uud ver- logene Denunziation Aleanders gegen die harmlosen „Sodali- täten” der Gelehrten, die damals schon wieder eingeschlafen waren, nachgesprochen!) und dann hatte gerade ein Mann wie Hutten bei seiner Uuverträglichkeit wenig Talent, sich einer solchen „Sekte der Akademiker mit gemeinsamem Besitz und gleicher Lebensführung“ einzugliedern. Und in den herrschenden Schichten war man von der Ohnmacht dieser „lausigen Grammatiker* viel zu gut unterrichtet, um sie zu fürchten. Mau braucht daher auch nicht die in Fulda bestehende Herrscherlosigkeit heranzuzieben, um zu erklären, wie „solche Männer wie Hutteu und Crotus sich dort treffen und ibre revolutionären Pläne schmieden konnten" ). Aber die „Verschwörung“ der beiden Humanisten hatte schon im Frühjahr 1520 in Bamberg stattgefunden, obwohl dort ein durchaus nicht mäzenatisch veranlagtes Oberhaupt, der energische Bischof Georg Schenk von Limburg, regierte. Ende August aber bei der Beratung mit Crotus in Fulda, war Hutten schon auf der Flucht vor dem Banne des Papstes und dem Haftbefehl des Mainzer Generalvikars*). Für die Stellung des vertriebenen Abtes zu der lutherischen Beweguug aber bedarf es kaum „des Zeugnisses des Legaten (!) Ale- ander“, um zu verstehen, daß Hartmaun „die Bestrebungen der beiden Humanisten auf kirchlichem Gebiet nicht geteilt“ nd als . Mann" bei Zeiten die richtige Stellung

!) Vgl. Kalkoff, Depeschen Aleanderé S. 210 Anm. .

3) FGB. VIII, 35 Anm. 2, 56 f. Es sei kein eigentliches Ober- waupt der Abtei vorhanden gewesen, weil Hartmann wegen Zwistig- Xeiten mit dem Kapitel und der Ritterschaft 1519 das Stiftsgebiet habe verlassen müssen, Aber Haınmelburg, wohin er schon 1516 flüchtete, gehörte doch wohl zum ,Stiftagebiet".

3) HR S. 4 Anm. 167 f., 289 f.

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zu den beginnenden Kämpfen eingenommen hat. In der Tat, die Kirche durfte auf diesen Getreuen stolz sein!

Ueberhaupt sind die Nachrichten über Beziehungen dieses juristisch gebildeten Kirchenfürsten zu den Trägern humanistiseher Bildung sehr spärlich. Der Baseler Buch- drucker Joh. Froben hat ibm 1518 den Traktat des Dinkonen Agapetus „über die Pflichten eines Königs“, ge- richtet an Kaiser Justinian, gewidmet. Doch erklärt sich das hinlänglich daraus, daß jener aus Hammelburg stammte, wo Hartmann eben damals residierte, also etwa der Familie Frobens eine Gunst erweisen konnte. Völlig nichtssagend ist es, wenn der Italiener Richard Sbrulius ihn einmal als „Verehrer der Musen“ bezeichnet; „archi- grammateus der Kaiserin“ ist die gesuchte Umschreibung für den Titel „Erzkanzler der Kaiserin“, den Hartmann seif 1507 als künftiger Abt von Fulda führte. Daß ihn Crotus Rubianus im Jahre 1512 auf einer Reise begleitete, verbürgt ebenfalls nicht, daß er den gewandten Stilisten, den er wohl für seine Korrespondenz gut gebrauchen konnte, seine „unentwegte Gunst“ zuwandte; sonst hätte er dem armen Klosterlehrer eine etwas bessere Bezahlung verschaffen müssen!) Endlich gebt es wahrlich nicht an, von einer „Humanistenfreundschuft“ zu sprechen, wenn Hartmann dem von 1503—1607 in Leipzig lehrenden Hermann von dem Busche für die Uebersendung seiner Epigramme dankt und ihm dabei das Rezept zu einer Augensalbe schickt, worauf der arme Poet, der von „Husten, Rheuma und Kopf- schmerzen“ geplagt ist, in der üblichen überschwenglichen Weise das Lob des Prälaten verkündet“). Wenn man daze nimmt, daB dieser das letzte Jahrzehnt seines Lebens, von Regierungssorgen befreit, als Domherr mit einer stattlichen Fuldaer Rente in Mainz lebte, ohne daß wir von einer Berührung mit der literarischen Welt hören, so ergibt sich doch, daß der Sinn für die Wissenschaften auf seiner Seite geringer war, als der Hunger der armen Gelehrten, die

) Bauch, Universität Erfurt S. 148. Vagantenseit S, 105 Anm. 3.

) Zu Bauch S. 117 Anm. 2. Die beiden Briefe aneh bei Ave- mann S. 336 und Anhang S. 218 f. Bauch spricht von der Uebersendung „des versprochenen Collirius", und Buschins dankte für die „Descriptio Collirii“, als ob es sich um eine gelehrte Schrift, etwa eines antiken Autors handelte, den es jeoch nie gegeben hat. Schon der Wertlaut: „Collirium, quod me tibi destinaturum spopondi“. . . zeigt, daß ven einem „collyrium“, einer Salbe, die Rede ist, Nebenbei ersieht maa aus dem Briefe Hartmanns, daß er sehon 1504. lange vor seiner Wabí zum Koadjutor in Fulda weilte.

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gern die Füße unter dem Tische eines reichen Gönners hatten!).

Und so ist denn die „Begeisterung“, mit der Mutianus Rufus den Abt bei seinem Erscheinen in Erfurt begrüßt haben soll“), darauf zurückzuführen, daß der alte Priester von ihm den endgültigen Sieg der klerikal-demokratischen Bewegung erwartete und auf seine Empfehlung bei Bestätigung einiger Pfründen rechnete, die er gern durch eine weitere Erfurter Stelle ergänzt hätte. Denn der gastfreie Humanisten- fübrer war darauf angewiesen, das Einkommen, von dem er einen so würdigen Gebrauch machte, durch eine, wenn auch in bescheidenem Umfange betriebene Pfrüindenjagd zu ver- bessern. Daher empfahl er auch dem Crotus, den Mann zu verherrlichen, der ihm nützen könne, was dieser indessen nicht getan hat. Mutian selbst aber verfaßte etwa eine Rede zur Inthronisation Hartmanns oder sprach in einem Briefe über die von Leo X. beabsichtigte Kalender- reform offenbar weil er wußte, daß der Abt sich für literarische Fragen wenig interessierte. Die längsten Briefe richtete er an ihn, um dem bedrängten Eobanus Hessus endlich eine Professur und damit ein sicheres Einkommen zu verschaffen. Da wird -der Kirchenfürst unter wortreicher Lobpreisung an seine Pflichten als „Mäzen“ gemahnt, während im vertrauten Briefwechsel mit Crotus oder dem Georgenthaler Klosterbruder Urban“) gelegentlich über das hochmtütige und gespreizte Auftreten Hartmanns gespottet wird. So tadelt Mutian den allzu scharfen und leidenschaftlichen Ton einer Streitschrift Reuchlins gegen die Dominikaner und erwähnt, wie er mit der Schlaubeit und Uberbebung eines geübten Advokaten den Inquisitor Hochstraten als den „Bruder Jakob“ behandle, während er von sich selbst rede, wie nach der Schilderung des Crotus sein Abt Hartmann zu tun pflege: stets „in honorificabilitudinationibus*)". Dann aber bemüht er sich wieder, die gute Laune des einflußreichen Mannes dureh eine gelehrte Plauderei zu wecken, wenn es gilt, einem jungen Freunde dessen Fürsprache zur Erlangung eines Notariats zu verschaffen: er erzählt mit gutem Humor, wie die Gothaer Augustiner den Chorherrn die Ostereier wegschnappten, und vergleicht den Vorgang witzig mit der 9) HR 8.85.

* G. Richter, FGB. VIII, 28.

5 Gillert I, S. LIV. 153, 346 fl. 353, 11, 194, 189, 148 fl. y.

4) Ein alter Schulwitz, der noch heute bei der katholischen Geistlichkeit fortlebt: so scherzt Karl Jentsch über das feierliche Auftreten eines Prülaten, der immer „in pontificabilitutinitatibus" sei. (Wandlungen des Ich im Zeitenstrome.)

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antiken Fabel vom Käfer und den Adlereiern!) All das aber beweist sehr wenig für das wissenschaftliche Interesse des Abtes; es erhebt sich kaum tiber die Rolle, die Liebe- iraut in der Tafelrunde der gelangweilten Priülaten zu Spielen hat.

Hutten dürfte mit Hartmann von Kirchberg kaum in Berührung gekommen sein. Erst befand er sich in Italien, dann stand er als Mitglied des buchonischen Adels in den heihen seiner Gegner. Um so auffälliger ist es, daß er diese Vorgünge nieht erwühnt, die seine Anklagen gegen die verweltlichte Klerisei, die habgierigen Kurtisanen, die rünkevollen Juristen so trefflich zu begründen geeignet waren. Er schwieg aber aus Rücksicht auf seine Standes- genossen, die diesen Kampf auch nicht mit reinen Händen geführt hatten. Aber auch zu seinem HaB gegen Priester und Mönche kann er hier nicht gekommen sein, wo er dank der Gunst leichtlebiger Prälaten bequeme Schuljahre ver- lebt hatte und wo ihm im Kreise der adligen „Mönche“ ein behagliches Dasein in Aussicht gestellt wurde. Und diese hatten auch keine Ursache, mit Rom unzufrieden zu sein, denn man hat dort nicht versucht, Dignitäten des Hochstiftes und der zugehörigen Klöster an päpstliche Beamte zu ver- geben oder die vornehmen Benediktiner mit Prozessen su behelligen. Der schlimmste Eingriff iu die Verhältnisse des Ordens, die Aufhebung der Selbstündigkeit Hersfelds, erfolgte zugunsten eines kaiserlichen „Kurtisanen“?) und deutschen Standesherrn unter dem selbstsüchtigen Beifall des Fuldaer Kapitels.

Dagegen bietet diese gefürstete Abtei ein Musterbeispiel fur die rücksichtslose Duchführung und die verderblichen Folgen des Adelsmonopols in der deutschen Kirche, das der Geschichtschreiber der Päpste mit Recht für viele der schlimmsten und offenkundigen Schäden verantwortlich gemacht hat“). Es wird auch durch das Beispiel Fuldas bestätigt, daß gerade diese „Spitäler“ des Adels von allen kirchlichen Anstalten die zuchtlosesten waren. Nur daß hier keineswegs mit „Vorliebe die Mißgestalteten und für die Welt Unbrauchbaren, selbst Labme und Blinde“ untergebracht wurden, sondern der jüngere Nachwuchs schlechthin und in erster Reihe aus wirtschaftlichen Gründen. Und weiter trifft es durchaus und so auch hier nicht zu, daß „gerade diese zuchtlosen Ordensleute massenhaft zu der neuen Lehre ab-

1) Gillert II, 189f.

) Vgl. HR. 8, 96 fl. und die Beispiele in WR. Kap. IT u. III.

$) L. Pastor IV, 1, 201 fl., 9001.

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fielen, ibr Gelübde brachen und alles, was ihnen bisher heilig gewesen war, über Bord warfen“. Denn wenn auch später die buchonische Ritterschaft sich überwiegend evan- gelisch gesinnt zeigte, so vermag doch unser Chronist unter den adligen Mönchen seiner Zeit nur einen Abtrünnigen anzuführen 1). Ulrich von Hutten aber war weder Mönch noch Lutheraner °).

ÀÀ—E

1) S. oben S. 938. ) Das mehrfach erwähnte Buch ,Huttens Vagantenzeit“ ist in-

zwischen in Weimar 1925 erschienen, O. Clemen, der den historischen

Roman von D. Fr. Strauß als ein über alle Kritik erhabenes Geschichts- werk 1914 neu herausgegeben hatte, hat nun in der mit einigen nasachlichen Vorbehalten ausgestatteten Besprechung (D. Lit.Z. 1926, Sp. 301 f.) das ebenda (1932, Sp. 139 fl.) noch verteidigte „herkömm- Jiche Urbild" des ,ritterlichen Reformatore" preisgegeben. Doch bo- streitet er noch, daß H., durch sein stark ausgeprägtes Standesbewußtsein pich habe bestimmen lassen, über die Zustände unter den adligen Kapitularen zu schweigen", und möchte den oben (S. 212; Vaganten- zeit S. 26 f. 108 ff) wiederholten Vorwurf der Entwendung von Hand- schriften entkräften. Aber daß manche Gelehrte die Zurückgabe von Büchern einfach vergessen haben, daß ein von Reuchlin 15 19 entlieheuer Band erst in seinem Toderjahre aber doch vielleicht noch auf seine Anweisung hin wieder in Basel eintraf, kaun einen Hutten nicht entlasteu, weniger weil dieser seinen späteren Aufenthalt jp Fulda 1520 nicht zur Zurückgabe benutzte, sondern weil er als unverbesserlicher Spieler und Schuldenmacher, schließlich als Erpresser ünd Straßenräuber das einem harmlosen Gelehrten gewährte Vertrauen icht verdient. Uberdies wird seine Verfehlung durch das oben ge- -ehilderte Betragen des ihm versippten Adels nur um so wahrschein- licher, wenn es auch standesgemäßer war, sich Herden und Feld- {rtichte, Äcker und Wiesen widerrechtlich anzueignen.

Markgraf Georg Friedrich von Branden- burg und die ev. Stände Deutschlands 1570—1575.

Von Dr. Schornbaum.

Nach dem Augsburger Reichstag 1566 legte sich den Deutschen evangelischen Fürsten der Gedanke eines engeren politischen Zusammenschlusses immer näher. Ein eifriger Förderer dieser Bestrebungen war Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg, auch in dieser Hinsicht eines Sinnes mit seinem Schwager Christoph von Württemberg. Wenn 1570 schließlich dann auch alles resultatlos endete, so hatte er sich doch überall Vertrauen erworben. Darum wandten sich die ev. Stände auch in den folgenden Jahren immer wieder an ihn. Er wußte dies zu würdigen. Bereitwillig ging er auf alle Anregungen ein. Seine Maßnahmen und Ratschläge bedeuteten um so mehr, als sie immer auf einer gemeinsamen Stellungnahme der drei Höfe von Brandenburg, Württemberg und Baden beruhten.

Zuerst begehrte seinen Rat Herzog Joh. Wilhelm von Sachsen. Wigands Schrift gegen Flacius „Von der Erbstinde, Lere aus Gottes Wort. . .“?) hatte nicht zur Beruhigung in seinem Lande gedient; er hoffte durch die „Zensuren etlicher christlicher Kirchen“ zur Klarheit über die nötigen Schritte zu kommen; Brandenburgs Rat erschien ihm um 80 wichtiger, weil seine „Theologen als gottselige, treue Lehrer des seligmachenden Gotteswortes“ gerühmt wurden?). Diesen, dem alten Generalsuperintendenten Gg. Karg an ihrer Spitze, lag allerdings nichts ferner, als der Lehre des Flacius bei-

1) Schornbaum, Die Bündnisbestrebungen der deutschen evan- gelischen Fürsten und Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg- Ansbach 1666—70, Zeitschrift für Kirchengeschichte 88. Bd. S. 263 ff.

*) W. Preger, Matthias Flacius Illyricas und seine Zeit. Er. langen 1861, IT, 859f.

3) d. d. Weimar 12. 10. 1571. Nürnberger Kreisarchiv. Ansbacher Religionsakten. (A. R. A.) Tom. suppl. II, 986.

supflichten; andererseits mochte man auch Wigand nicht in allen Punkten Recht geben, so sehr man seinen grundsätz- licben Standpuukt billigte; vor allem aber hatte man keine Freude an den theol. Kämpfen und ihren Auswirkungen in Sachsen. Darum beschränkten sie sich am 23. Nov. 1571 darauf, kurz ihre prinzipielle Zustimmung zu Wigands Aus- führungen zu geben!) Wohl um nicht in theol. Kämpfe verwickelt zu werden, trat Georg Friedrich diesmal nicht mit Württemberg und Baden ins Einvernehmen; er kannte die impulsive Art Jakobs Andreä gut genug?) Er war daher nicht besonders erfreut, als sein Neffe Ludwig von Württemberg um sein Urteil über das Gutachten der Tübinger Theologen über Wigands Buch ersuchte. Karg und Stifts- prediger Konrad Limmer*) beschränkten sich auch jetzt auf eine kurze Zustimmung zum prinzipiellen Standpunkt des- selben „und haben darinnen soviel statum causae uud die bauptsach betrifft, kein Bedenken“). Doch rügten sie neben formalen Mängeln vor allem das Festhalten an der aristote- lischen Definition des Accidens“). Um weiteren Erörterungen aus dem Weg zu gehen übersandte Georg Friedrich kurzer- haud sämtliche Gutachten an Karl von Baden*) und Ludwig von Württeniberg?); beide konnten merken, daB er keinerlei Briefwechsel darüber mehr wüuschte; sie waren wohl voll- kommen damit einverstanden; eine andere Angelegenheit beschäftigte viel mehr die Theologen und Staatsmänner. Die Herausgabe des Katechismus und der Grundfeste hatte die Wittenberger Theologen bei den Lutheranern bald in den Verdacht des Calvini-mus gebracht®). Kurfürst August berief daher beunruhigt durch die beständigen Angriffe von allen

) A. R. A. I. c. II, 288 Dek. Uffenheim: Uffenheimische Refor- mations-, Religions- und Kapitulsskte 1523—1687 fol. 70. gedruckt als Beilage I.

1) Dank Joh. Wilhelms für Übersendung des Ansbacher Be- denkens. d. d. Weimar 1. I. 1572. A. R. A. I. c. II, 290.

) Beiträge zur bayr. K. G. 21, 180. 215.

4) A. R. A. T. suppl. II, 544 f. gedruckt als Beilage IL

5) Fr. H. R. Frank, die Theologie der Concordienformel. Erlangen I. 68.

*) d. d. 1. 1. 1572. A. R. A. I. c. II, 546.

7) d. d. Ansbach 81. 19. 1571. A. R. A. I. c. II. 540.

5) H. Hep pe, Geschichte des deutschen Protestantismus. Marburg 1858. II, 403 fl. R. Calinich, Kampf und Untergang des Melancbtho- nismus in Kursaehsen. Leipzig 1866. S. 36 ff. J. F. A. Gillet, Crato von Crafftheim und seine Freunde. Frankfurt a. M. 1860. I, 416 fl.

1858

270

Seiten die Wittenberger und Leipziger Professoren sowie die. meisten Superintendenten seines Landes im Oktober 1571 nach Dresden und befahl ihnen „ein gut lutherisches“ Zeugnis ihrer Auffassung vom bl. Abendmahl vorzulegen !). Mit ihrer „kurzen, christlichen und einfältigen Wiederholung dem sogenannten Consensus Dresdensis war er vollkommen zufrieden und glaubte damit, alle Beschuldigungen und An- griffe auf ihre Rechtglüubigkeit genügend widerlegen zu können. Neben andern Fürsten übersandte er ihn am 22. Okt. 1571 auch seinem Neffen Georg Friedrich in der Erwartung, an ihm eine tatkräftige Unterstützung hierbei zu finden ). In Ansbach war man aber andrer Ansicht. Karg und Ko. Limmer wiesen sofort darauf hin, daß der Consensus nber den wichtigsten Punkt, die manducatio indignorum oralis: „den Unterschied der geistlichen und leiblichen oder sakramentlichen Nießung“ beim heiligen Abendmahl mit Stillschweigen hinwegginge. „Luther habe doch alle die fur Schwärmer gehalten, die nieht lehrten, daß der Leib und das Blut Christi unter Brot und Wein mit leiblichem Mund beides von Guten und Bösen empfangen werde." Ent. schieden trat man für die Ubiquität des Leibes Christi ein, wenn man auch merkbar von der dogmatischen Formulierung der Württemberger abrückte: „Denn weil Christus nicht Mensch allein, sondern auch wahrer Gott ist und derhalben zur Rechten Gottes des Vaters sitzt nach beiden Naturen, so kann er tun, was er will, und leisten, was er zusagt, und kann demnach auf eine besondere bimmlische Weise. die uns Menschen weder begreiflich noch aussprechlich ist, seinen Leib und Blut mit Brot und Wein laut seiner Worte zu essen und trinken geben; und hindert ihn hieran die Ungleichheit der zweien unterschiedlichen Naturen in seiner Person oder auch sein Himmelfahrt gar nicht.)“ Man be- stätigte deshalb am 19. Nor. 1571 nur kurz den Empfang der Sendung und suchte Füblung mit Württemberg‘) Hier herrschte große Erbitterung gegen Wittenberg*). Schon die

1) Daniel Greser an Nik. Selneccer 3. 10. 1571. A. R. A. T. suppl. II, 280. 289. Heppe II, 409. Gillet I, 438.

*) d. d. Augustenburg A. R. A. 38 pare I fol. 2. Der Consensus daselbst fol. 4 ff.

5) A. R. A. 88, I, 38. Gedruckt als Beilage III.

) Räte an G. Fr. d, d. Ansbach 18. 11. 1671. G. Fr. an August vos Sachsen 19. 11, 1571. A. R. A. 88, I, 26. 97.

) Joe. Andreae an J. Marbach, Eßlingen 7. 19. 1571, Witten bergemsium impietatem patefaciunt ecclesiae Saxonicae et nos illie minime deesse debemne. Ego in scripto suscepto pergo et spero, me

271

„Grundfeste* batte Andrei xu einer energischen Abwehr veranlaßt; jetzt faßte man den Entschluß, nachdem man die zwiespältige Ausdrucksweise des Consensus Dresdensis klar erkannt hatte, Kurfürst August offen über die Gesinnung seiner Theologen aufzuklären. Am geeignetsten erschien Andrei dazu Georg Friedrich. Die Abordnung einer be- sonderen stattlichen Botschaft etlicher lutherischen Fürsten unter seiner Fuhrung erschien ihm allerdings nicht rätlich. Er wußte, wie sehr Kurfürst August für seine Person jede Hinneigung zum Calvinismus ablehnte; der Markgraf stände aur in der Gefahr, seinen Unwillen zu erregen. Ebensowenig Melt er eine persönliche Fühlungunhme desselben mit dem Kurfürsten für nützlich, unmöglich könnte er auf alle Ein- wände gefaßt sein. Da er auch von einer aufklärenden Schrift von Seite der Theologen im voraus schon nicht den geringsten Nutzen erwarten konnte, dünkte es ihm am besten, von Ansbach einen „vertrauten Rat“ nach Dresden zu senden. Dieser hätte den Kurfürsten vertraulich davon in Kenntnis zu setzen, daß in Oberdeutschland immer mehr die Rede von seinem Abfall vom Luthertum Platz greife. Ursache dazu hätten die Schriften seiner Theologen gegeben. Er brauche nur zwei Bedenken wohl die Schriften Andreäs gegen die Grundfeste?) und den Consensus Dresden- sis?) zu lesen. Sollte der Kurfürst sich dadurch noch nicbt überzeugen lassen, sondern für seine Theologen eintreten, so hätte der Rat ihm den Vorschlag einer kurzen Besprechung zwischen sächsischen und brandenburgischen Theologen zu unterbreiten. Beide sollten nicht Recht oder Unrecht der bisher veröffentlichten Streitschriften erörtern, sondern allein drei Fragen behandeln: 1. Warum Luther und die sächsische

brevi absoluturum. D. D. Chemnitius ad me scribit, ipsorum scriptum jam edi (Heppe II, 406) fortassis ad nundinas Lipsienses proximas habebimus, Interim et noster absolvitur, J. Fecht, hist. cesl. sec. 16. Supplementum . . . Durlaci 1864 S. 409. Pridie Cal. Sept. (81. 8] 1672: Quod ad Witebergenses attinet, tractavi illos ego pro dignitate. Nec erubui eos publice proditores veritatis appellare. Constitui autem, quaecunque argumenta opposita sunt, in debitam formam redigere et munc cum meis solutionibus disputationi adjuncta demum edere, ot omnes videant quid oppositum et quid responsum sit. Quodsi deinceps vel Wittebergenses vel Heidelbergenses sese mihi opponere voluerint, inveniant nie, domino volente, in omnem eventum paratum S. 187. Heppe II, 414. cf. Beilage S, 136.

) Heppe II, 414.

N A. R. A. T. 38, I, 69ff. (trägt die Tom. suppl. II, 275 genannte Signatur ,A*). |

272

Kirche nunmehr über 40 Jabre gegen Zwingli gestritten babe, ob nicht Luther die Erklärung des Artikels von der Person Christi, seiner Himmelfahrt, seinem Sitzen zur Rechten Gottes zur Bestätigung des einfältigen Verstandes der Worte Christi im Abendmahl gebraucht, uud damit die Zwinglianer zurückgewiesen habe; 2. Ob Luther in den Lehrschriften eine andere Lehre als in den Streitschriften gebraucht habe; 3. wenn Lutber in beiden Schriften gleich gelehrt habe, ob die ,Grundfeste^ und der „Consensus Dresdensis^ damit übereinstimme. Von einer solchen Erörterung erhoffte Andres vollen Erfolg, war doch der Kurfürst immer der Meinung Luthers Lehre allein in seinen Landen herrschen zu lassen. Auch wußte er bereits, wer unter den markgräflichsten Räten am geeignetesten dazu war: Georg von Wambach !). Falls es diesem gelingen würde, die Berufung des Dresdener Superintendenten Dan. Greser und des Pfarrers von Pirna Dr. Joh. Stößel zu seiner Audienz und den daran sich knüpfenden Besprechungen zu erreichen, glaubte er an einen vollkommenen Erfolg dessen Mission. Wambach ,wisse es besser zu richten, als er schreiben könne“. So kam es ihm vor allem darauf an, den Markgraf für seine Gedanken zu gewinnen. Er übernittelte ibm nicht nur die Erklärung . der Niedersachsen gegen die Grundfeste: „Wiederholte, ehristliche gemeine Confession . .**), sondern stellte auch sein persönliches Kommen in Aussicht“). Herzog Ludwig unterstützte seine Schritte; er übersandte 5. März 1572 die Eiklärung der Württemberger gegen die Gruudfeste: „Der württembergischen Theologen Wiederholung . . .) sowie

1) Zuerst in Bambergischen Diensten. 1566 in Augsburg als br. Rat 1579 Landrichter Nürub. Kreisarchiv Rep. 117a, 285b, 289. W. Hotzelt, Veit II von Würtzburg. Freiburg 1919. 180, 202. K. H. v. Lan g, Neuere Geschichte des Fürstentums Baireuth. Nürnberg 1811. III, 26, 31, 82, 50, 66, 215, 871. K. F. Jung, Kurze, doch g'ündliche Anweisung, was die comicia burggraviae seyn. Onolzbach 1785. II, 4. Zeitschrift f. K. G. I. c. 8. «63. |

) Heppe II, 408.

3) Bedenken Andreüs. d. d. 6. 8. 1572. Stuttgart. A. R. A. "Tom. suppl. II, 275 fl., u1vff. Andre& an Georg Friedrich. 8. d. et l. A. R. A. Tom. suppl. II, 271. Andreä an Georg Wambach. Stuttgart 6 8. 1572. A. R. A. 83, I, 86f. Andrei an Georg Friedrich d. d, 4. 8. 1574, A R. A. 88, I, 29. G. Fr. an Andrei. Ansbach 165. 8. 1579. A. R. A. 88, I, 81. cf. such den Brief Andres an Karg d. d. 6. 8. 1572, Stuttgart. Blätter für Württemb. Kirchengesch. XIV, 161 (Statt- gart 1910).

) Heppe II, 411.

273

auch eine eingehende Darstellung der Zwiespältigkeit in der Lebre des Consensus Dresdensis!).

Gg. Karg u. Konr. Limmer gaben Andrei in der Haupt- eache recht; nur hielten sie eine schriftliche Vorstellung für besser; „eine Person könne man leicht abweisen; eine schriftliche Antwort müsse man beraten“ (14. März 1572). Doch wollten sie alles unterlassen haben, was den Argwohn des Kurfürsten erwecken konnte; darum waren sie gegen die Übermittlung der von Andrei tbersandten Gutachten und konnten die Drucklegung der Erwiderung auf die Grund- feste nur dadurch rechtfertigen, weil letztere scharfe An- griffe gegen Württenberg enthielt“). Georg Friedrich wußte nun nicht, was er tun sollte. Er beschloß die heikle Auf- gabe andern zu Überlassen. Sein Rat David Hosmann?) mußte sich nach Berlin zu Kurfürst Joh. Georg begeben und an diesen die Bitte zu richten, in dieser Angelegenheit persönlich mit Kurfürst August zu unterhandeln. Hosmann sollte sich bereit erklären, ibn zu begleiten; auch dann sollte er kraft eigner Vollmacht nach Dresden gehen, falls J. Georg durch Zuordnung eines Rates ihn unterstützen würde; für den Fall, daß auch dies in Berlin nicht gebilligt würde, sollte er ein gemeinsames Schreiben anregen (7. April 1572)*). Jobann Georg aber lehnte jedes gemeinsame Ansinnen ab und schlug vor, gesondert sich an Sachsen zu wenden; nur meinte er, diesem Schritt mehr Nachdruck dadurch geben zu können, wenn man auch Herzog Ulrich von Mecklenburg ins Vertrauen züge.

So blieb denn dem Markgrafen nichts übrig, als selbst die nötigen Schritte zu unternebmen Denn das, was Kurfürst Friedrich von der Pfalz wünschte, eine Inhibierung der von Württemberg ins Auge gefaßten Drucklegung weiterer Streit- schriften, konnte er nach dem herausfordernden Tone der Grundfeste nicht für gut heißen; eine Klärung schien ibm, wenn er auch die Kampfweise des Andrei nicht im allem billigte, nötig“). Am 11. Mai 1572 teilte er Kurfürst August

1) A. H. A. T. 88, I, 62 fl. Ludwig an G. Fr. Stuttgart 5. 8. 1579. A. R A. Tom. suppl. II, 292.

N A. R. A. Tom. suppl. II, 820. Über Wittenberg war man in Ansbach gut unterrichtet s. J. Hertel an G. Karg 6. 6. 1571. B. B. K. XIX, 185f.

) Br. Rat. s. Lang III, 81. 61. Blätter für Württemb. Kircheng. 14, 160.

1) A. R. A. Tom. suppl. II, 394 ff, 334 fl.

) Fıiedrich von der Pfalz an G. Fr. d. d. Heidelberg 23. 4. 1572. Antwort des letzteren d. d. Ansbach 14. 5. 1572. A. R. A. T. suppl. II, 846. 352.

Arebiv für Beformationsgeechichte. XXII. 8/4. 18

2. TE ——

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unter Berufung auf Chemnitz „Wiederholte christliche gemeine Confession... mit, daB seine Theologen allenthalben im Verdacht des Zwinglianismus stünden; darin werde man bestürkt, weil sich die Calvinisten und Zwinglianer an der sächsischen Erklärung vom Abendmahl sich genügen ließen. Er bat, für Einigkeit in der ev. Kirche zu sorgen!). August war sichtlich unangenehm dadurch berührt; er lebte ja in der festen Überzeugung, in seinem Lande nur Luthers Lehre vertreten zu sehen. So wies er denn in seiner Antwort voin 30. Mai 1572 darauf hin, wie entschieden er in der letzten Zeit noch Beza entgegengetreten sei; wie die Universitäten den strengen Befehl bekommen hätten, in den Buchläden keine ketzerischen Bücher zu dulden; wie an die Schulen zu Meißen, Pforta und Grimma die Weisung ergangen sei, nur Luthers Katechismus im Unterricht zu benutzen, Gegen einen Konvent sprach er sich, weil nutzlos, ganz entschieden aus; er bleibe bei der Augsburgischen Konfession. Mit dem Consensus Dresdensus sei der Landgraf zu Hessen ebenso zufrieden gewesen, wie etliche Theologen des Markgrafen selbst. Er schloß mit folgenden eigenhändigen Worten: „Ich verstehe E. L. Schreiben und Erinnerung in dieser hoch- wichtigen Sache ganz freundlich und wohlgemeint, nimm es aueh zu gutem Dank und Gefallen an und bitte E. L. freundlich, da etwas dergleichen mehr an E. L. gelangt, Sie wollen mich dessen jederzeit ungescheut freuudlich berichten, auch in dieser Sache kein Mißtrauen in mich setzen, als ob ich der Zwinglischen, Kalvinischen oder Bezae Meinung im Abendmahl des Herrn wäre, sondern gewiß glauben, daß dies mein endliches und gänzliches Gemüt ist, wie ich mich hiermit gegen E. L. rund und ausdrücklich erklärt).“

Die ganze Aktion war damit gescheitert; zwar versuchte (ivorg Friedrich noch einmal Kurfürst Joh. Georg von Brandenburg, dem er schon am 14. Mai 1572 von seinem Sehreiben Kenntnis gegeben hatte“), nunmehr zur Erfüllung seines Versprechens zu veranlassen (27. Juni 1572) ), tand aber wenig Entgegenkommen. Joh. Georg wollte nunmehr

) A. R. A. Tom, suppl. II, 318. d. d. Ansbach cf. Calinich S. 95.

*) d. d. Dippoldiswalde 30. 5. 1572. pr. 12. 6. 1572. A. R. A 53, I, 11. Calinich S. 95. nebst Beilagen: August an Beza d. d. Dresden 22. 5. 1572. A. R. A. 33, I, 49. Calinich 91. Heppe II, 115. Gillet T, 426 und Angust an die Schulen zu Meißen, Grimma, Pforta. d. d. Dresden 23. 5. 1572. A. R. A. 33, T, 51. Calinich S. 95.

* d. d. 14. 5. 1579. A. R. A. T. suppl. IT, 354. Antwort J. Georgs d. d. Cóln an der Spree 17. 6. 1572. A. R. A. 33. T, 38.

) d. d. Ansbach A. R. A. 33, I, 40.

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ein persönliches Zusammentreffen mit August gelegentlich dessen Rückkehr von Dänemark abwarten; in Wirklichkeit aber ging er der ganzen Sache aus dem Weg!). Dem Markgraf blieb nichts anders übrig, als den Gang der Ent- wieklung ruhig abzuwarten. Rat Nik. Stadtmann?) wurde beauftragt, über die kirchl. Lage in Sachsen gelegentlich seiner Reisen sich immer zu orientieren, und der Regierung Bericht zu erstatten. Noch ist einer seiner Berichte aus Erfurt vom 24. Okt. 1572 erhalten“). Er batte Kunde davon bekommen, wie Kurfürst August von deu Theologen zu Wittenberg und Leipzig eine genaue Darstellung der Unterschiede zwischen Consensus Dresdensis und Heidel- berger Katechismus eingefordert batte, nachdem sein Sch wieger- sohn Pfalzgraf Joh. Kasimir ihm mitgeteilt hatte daB doch in der Substanz beider Theologen einig wären*). Auch war es Stadtmann gelungen, eine der Antworten der sächsischen Theologen zu erhalten; er war damit so zufrieden, daB er an ihrer Rechtgläubigkeit keinen Zweifel mehr hegte, um 80 mehr, als sie sieh auch auf das Zeugnis des Joh. l'isto- rius von Nidda „des letzten Augsburgischen Coufessiouisten“ berufen konnten. Die Heidelberger hätten jetzt keinen Grund mehr, die Wittenberger als Gesinnungsgenossen zu bezeichnen, nachdem der sächsische Katechismus in seiner vom Kurfürst angeordneten Neuauflage?) beim zweiten Artikel die vieluinstrittenen Worte „uportet Christum coelo capi“

1) d. d. Bezeau Mo. n. Vinc. Petri (4, 8.) 1572. A. R. A. 39, 1, #1.

) T 2. 8. 1607. M. J. Geret, natalem vicesimum quintum serenigsiuae atque celsissimae principissae dominae Fridericae Ludovicae

. invitat . . . praemissa perillustri Nic. Stadtmanni vita...

28. 9, 1788. Dr, Fr. W. A. Lagriz, Ausführliche Geschichte der öffentlichen und Privatstipendien für Baireutische Landeskinder Hof 1804 I, 912 ff. Archiv f. Geschichte und Altertumskunde von Ober- franken. Bayreuth 1916. 26. Bd, 2. Heft, S. 15. Nürnberger Kreisarchiv Rep. 117, 986, 295 b, ?96bg. M. H. Priester, Unoldum in requie. ibidem Oberamt Ansbach. St. Onolzbach. Job. Kirche Nr. 46, K. H. Lang, III, 39, 62, 63, 81, 84, 16, 49, 00, 85, 93, 97, 108, 128, 197, 240, 349, 386. Totenmatrikel der Pfarrei St. Johannis in Ansbach „ein wohlverdienter Mann um dieses Land“. J. V. Andreae, Fama Andreana reflorescens sive Jacobi Andreae Waiblingensis . . . vitae . . recitatio. Straßburg 1030 S. 4t (studiert zu Tübingen).

9) A. R. A. T. 33, I, 53.

) Calinich, S. 88 f. Gillet I, 4945, 11, 515f. A. Kluckhuhn, Briefe Friedrich des Frommen. Braunschweig 1870 II, 438.

5) Stadtmann tibersandte ein Exemplar. «f. Gillet I, 127, 517 fl.

18*

—ů —ſTD—

276

mit Luthers Worten näber erläutere 1). Durch die gewordenen Aufschlüsse vollauf befriedigt, glaubte er zuversichtlich, daß jetzt Friede würde. „Unser lieber Herr uud Gott, Vater unsers lieben Herrn Jesu.Christi wolle sich unser erbarmen und die Lehre seines heiligen seligmacbenden Wortes bei uns rein erhalten auch auf unsere lieben Nachkommen das väterlich kommen lassen.“ Dieser Wuusch war nur allzu berechtigt. Offenbar kannte er sich nur wenig iu den theol. Erürterungen aus. Sonst hätte schon die Tatsache, daß gerade die von den Württembergern und Niedersachsen aufs schärfste bekämpfte passive Fassung der Stelle Act. 3, 21 in dem Katechismus aufgenommen war, ihn höchst arg- wühnisch machen und bedenklich stimmen müssen. Noch klarer wird dies, wenn wir einen kurzen Blick a

das oben erwähnte „Verzeichnis der Fragepunkte, derinnen Ungleichheit nnd Unterschied zu befinden zwischen unserm zu Dresden jüngst wiederholtem Bekenntnis und dem Heidel- bergischen Katechismus“ ?) werfen. Es werden hier eigent- lich nur formale Unterschiede berührt. Im Consensus Dresdensus wird die ganze Lehre vom Abendmahl gründlich besprochen, soviel zum christlichen Unterricht gottaeliger Herzen nötig ist und soweit man bisher in den Bekennt- nissen der Kirche gegangen ist; der Heidelberger Katechis- mus enthält dagegen keine vollkommene Erklärung der ganzen Lehre vom hl. Abendmahl. (P. 1). Oder: wenn im zweiten Punkt darauf hingewiesen wird, daß die Anordnung bei beiden Schriften verschieden sei. Der Conseusus Dresden- sis redet vom rechten Grund der Gegenwart des Leibs und Bluts Christi im Abendmahl und vom rechten Verstand der Einsetzungsworte; schließlich bringt er eine notwendige Beschreibung oder Definition des heiligen Abendmahls aus den Worten Christi und Pauli; der Heidelberger Katechis- mus beschreibt weder das Sakrament, noch erklärt er die Worte Christi, sondern stellt gleich die Frage: de fine coenae dominicae vel de fructu sumptionis. Der Cons. Dresd. gebraucht sagt Punkt 5 nur solche Worte, welche im corp. doetr. oder in den Bekenntnissen der Kirche ge- braucht werden, der Heidelbergische Katechismus „besondere Art und Weise“, „die mit ausländischen Schriften überein-

) S. Laur. Dürnhofer an Heinrich Bullmger Nürnberg 25. 8. 1579. Zach. Ursinus an Heinrich Bullinger 23.8.1578. Heppe II. Beilagen 8.139f, 133f. Ersterer Brief nebst einem ergänzenden vom 16, 6. 1572 im C. L. M. 114704 fol. 199b u. 204 206 der Staatsbibliothek München.

9) A. R. A. T. 33, I, 57fl.

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stimmen“. War denn aber nicht gerade dus corpus doctrinae Misnioum den Lutheranern eiu großer Stein des Anstoßes ?

Und weun man die Verschiedenheit im Kultus die Plälzer, sagt Punkt 5 noch, hätten sich auch hier au aus- indische Kirchen angeschlossen benutzte, um seine

Recbtylüubigkeit zu beweisen, so konnte jeder einsehen, wie wenig stichbaltig dieses Argument war. Eine Verschiebung der Streitpuukte war es auch, wenn im Punkt 4 darauf bin- gewiesen wurde, daf man im Heidelberger Katechismus im Unterschied vom Consensus Dresdensis zu wenig vom ,un- würdigen Genuß des heiligen Abendmahls“ finde. E handelte sich doch um die manducatio indignorum. Nur der dritte Puukt ging auf den Kern der ganzen Frage ein. Die süchs. Theologen erklärten: „Der Consensus Dresdensis lebrt, daß der Herr Christus in dieser Ordnung des hl. Abendmahls wahrhaftig und wesentlich gegenwärtig ist, so daß er mit äußeren und sichtbaren Zeichen Brot und Wein seinen wahren Leib, für uns am Stamme des Kreuzes geopfert, und sein wahres Blut, für uns vergossen, uns gewißlich in diesem Sakrament gibt und mitteilt und hiermit anzeigt, daß er uns zu Gliedmaßen seines Leibes macht, uns mit seinem Blut reinigt und Vergebung der Studen schenkt, wahrhaftig in uns wohnt und kräftig in uns wirkt;“ dazu führe der Cons. Dresd. zwei Regeln an: „nichts kann Sakrament sein außer dem eingesetzten Ge- brauch“ „Der Herr Christus ist wahrhaftig und gewißlich gegenwärtig bei dem Nachtmahl, gibt uns bei diesem Ge- nießen mit Brot und Wein seinen Leib und sein Blut, appliziert uus sich selbst und seine Verbeißung, macht uns zu GliedmaBen seines Leibes und wirkt Leben und Trost in uns.“ Der Heidelberger Katechismus rede im Unter- sehiede davon zu wenig von diesen Dingen. Aus der Frage desselben: ,Wie wirst du im heiligen Abendmahle erinnert und versichert, daB du an dem einigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gütern Gemeinschaft hast", könnte man den Verdacht schöpfen, als ob die Sacramente nur „Denkzeichen“ nicht zugleich signa exhibitiva und appli- cativa seien. Wie derartige Ausführungen Stadtmann so beruhigen konuten, ist schwer verstündlich. Es ist kaum denkbar, daß man sich in Ansbach ihm anschloß. Allerdings mochte es gerade damals dem Markgrafen am geratensten erscheinen, seine zuwartende Haltung vorerst nicht aufzugeben. Die von Frankreich nach der Bartholo- mäusnacht drohende Gefahr batte er völlig erkannt; er war einer der wenigen Fürsten, die dem Rufe Kurfürst Friedrichs von der Pfalz folgten und den Tug von Heidelberg in

Iis —— or f

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September 1572 besuchten; aber die ablehnende Haltung des sächsischen Kurfürsten lies auch ihm das angestrebte Defensivbündnis als nutzlos erscheinen; das wiederholte Scheitern solcher Versuche lähmte aueh seine Energie (14. Nov. 1572) ).

Im folgenden Jahre drohte Ansbach in die Flacianische Wirren hineingezogen zu werden. Von Regensburg ersuchte man um Auskunft, was die brandenburgischen Theologen fiber die Begriffe substanz, accidens, qualitas lehrten ; ob man sie in dem Unterricht der Schulen gebrauchen solle; ‚ob ein Unterschied zwischen der verderbten Substanz des Menschen und der Erbstinde; wieviel Gutes noch an Menschen Substanz nach dem Falle sei; wie man gegen irrige Kirchendiener vorgehen solle; mit kurzen Worten: die ganze Flacianische Lehre von der Erbsünde wurde hier aufgerollt (13. Okt. 1573)°). Karg und seine Kollegen be- zeugten aber keine Lust, sich tiefer mit dieser Angelegenheit zu befassen; man befürchtete das Entfachen erbitterter Streitigkeiten im eigenen Lande; darum verwiesen sie kurz darauf, daß für sie durch dic eben mit Nürnberg geschlossene norma doctrinae et judicii*) der ganze Streit cntschieden wäre, die Erbstinde sei keine Substanz, sondern zugerechnete Übertretung unserer ersten Eltern. Regensburg könnte allem Streiten aus dem Wege gehen, wenn es sich ihrem corpori doctrinae anschlósse*). Dazu zeigte man in Regensburg allerdings aus guten Gründen nicht die ge- ringste Geneigtheit 5).

Gegen Ende dieses Jahres lief in Stuttgart eine heftige Beschwerde des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz über Jakob Andrei ein. Entgegen den Abmachungen vom Juni1567*) „beschmeiße er“ in seinen Predigten die Kirche und Schnle zu Heidelberg nicht nur mit dem Namen „Zwinglianer und e sondern beschuldige sie auch des „Arianismus“,

1) 4. Kluckhohn, Briefe. Braunschweig 1872 II, 490. 191 Aum. 493 A. 3, 198 f., 510ff., 516 fl. Der Abschied 289 fl., cf. 523 Aum. 1, ^25. Friedrich der Fromme. Nördlingen 1877. S. 355. Fr. v. Bexold, Briefe des Pfalzgrafen Johann Casimir. München 1882 I, 89f,

*) A. R. A. Tom. suppl. II, 356, wiederholt 14. 19. 1578. fol. 865.

3 Lang III, 878. G. Tb. Strobel, Beytrüge zur Litteratur besonders des 16, Jahrhunderts. Nürnberg n. Altdorf 1784 J S. 865 fl.

) A. R. A. T. suppl. II, 862, 85, 114 (von Francisci) geschrieben, zedruekt Beilage IV.

5) G. Fr. an Kümmerer und Rat zu Regensburg 14. 19. 1578, A. R. A. T. suppl. JI, 866. Antwort d. d. 19. 12. 1573. fol. 871.

e) Heppe II, 188, 247, 380. Gillet T, 894,

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„der türkischen und mohammeduuischen Greuel“; ja er habe, um die Gleichheit der Lehren des Korans mit den Lehren seiner Kirche zu beweisen, einen Abschnitt aus ersterem in einer Versammlung zu Memmingen vorgelesen. Diesen Vorwurf könne er nicht auf sich ruhen lassen. Er hoffe, daß Herzog Ludwig an solchen „beschwerlichen Diffamationsschriften und unchristlichen blutdürstigen Ver- hetzuugen und Beschreiungen keinen Gefallen habe, gegen den unerträglichen Verleumder und Aufwiegler andern zum Exempel ernstlich vorgehe“ 23. Dez. 1673!). Am gleichen Tage setzte er auch andre ev. Fürsten wie Kurfürst August von Sachsen“), Markgraf Georg Friedrich von Ausbach?) von dieser Beschwerde in Kenntnis. Die Erregung des Kurfürsten läßt sich verstehen; war er doch eben erst allen anti- trinitarischen Bestrebungen mit aller Entschiedenheit ent- gegengetreten t); genau ein Jahr vorher war Sylvanus zu Heidelberg Öffentlich hingerichtet worden. Was lag dieser Beschwerde zugrunde?°) Auch in Memmingen war der latente Zwiespalt zwischen Calvinern und Lutheranern, Eusebius Kleber und M. David Künlin akut geworden. Zur Beilegung der Streitigkeiten wurde Jakob Andrei vom Rat berufen. Bei den verschiedenen Unterredungeu handelte es sich um die Vereinigung beider Naturen in Christus. Eusebius Kleber wollte zwar zu- gestehen, daß der Mensch Jesus Christus allmächtig sei, aber nur nach seiner göttl. Natur; die Menschheit Christi sei von der menschlichen Natur aller andern Heiligen nur durch eiue unendlich reiche Fülle von Gaben des heiligen Geistes unterschieden. Darauf erklärte Andrea, das sei ja gar nichts anderes als die Lehre des Korans und las zum Beweise folg. Stelle vor: Omuium prophetarum alio super alio per me sublimato et eoram quibusdam eum deo locutis Christo Mariae filio animam nostram proprie conferentes vim atque virtutem prae ceteris praebuimus. Kleber wurde zum Schlusse ab: gesetzt; der Gemeinde gab aber Andre& auf der Kunzel von 1) d. d. Heidelberg. A. R. A. 38, 1, 74. Kluckhohn II, 617, Nr. 725. J. Döllinger, Die Reformation. Regensburg 1818. 11, 382, N) Kluckhohu II, 726, S. 618. 5 3 A. R. A. 88, 1, 83. ) K. Sudhoff, C. Oleviauus u. Z. Urainus. Elberfeld 1857, S. 358 fl. H. Heppe Il, 359. Hauck R. E. XX, 353. Kluckhohn, Fr. der Fromme, S. 378 fl. Gillet II, 141. É | 5) F, Braun, J. Andreäs Wirksamkeit iu Sachen der Reichs- stadt Memmingen. Theol. Studien ans Württemberg TX. Ludwigsburg 1888, S. 1f. 191ff.

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der ganzen Angelegenheit Kenntnis; er unterlieB es dabei nicht darauf hinzuweisen, wie leicht derartige Irrlehren zu arianischen und türkischen Irrtümern führen könnten ). Die zwei Predigten wurden später auch unter dem Titel: „Zwo Christliche Predigen Von Gottseliger ei- || nigkeit der Kirchen diener: von || der Majestät des Menschen Christi zur Rechten | der Kraft Gottes und von warhaftiger Gegen- wärtigkeit seines Leibs uud || Bluts im h. Abendmahl || ge- halten zu Memmingen durch Jacobum Andreae. MDLXXVII“ gedruckt. Am Schlusse las man in dem anhangsweise bei- gegebenen „kurzen Summerischen Begriff des ganzen Handels von dem b. Abendmahl Christi . . .^ „daraus endlich der türkisch mobammedanische Glaube folgt, der Christus Marien Sohn für einen puren lautern Menschen gehalten, welcher wohl mit höhern Gaben des heiligen Geistes gezieret denn andere Heilige, mit der allmächtigen Kraft aber, unendlicher Weisbeit, göttlicher Majestät und Wirkung des Sohnes Gottes mit der Tat und Wabrbeit kein Gemeinschaft habe, wie leider in Siebenbürgen, Polen und zu Heidelberg solche verdammten Lehrer endlich in diesen erschrecklichen gottes - lüsterlichen Irrtum geraten. Davor der barmherzige Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi alle frommen Herzen bebüten wolle. Amen.)“

Am Württemberger Hofe wußte man offenbar von der ganzen Sache zu wenig; es blieb nichts übrig, als Andres. zur Rechenschalt aufzufordern. Dieser sandte eine ein- gehende Schilderung der Vorgänge in Memmingen. Weit wies er von sich, die Ehre des Kurfürsten angetastet zu haben; er habe vielmehr seiner immer in Ehrerbietung ge- dacht; auch habe er keineswegs die Kirche in der Pfalz in üblen Ruf bringen wollen, er habe vielmehr an Silvanus und Neuser gedacht. Er verwies auf Bernhard Ochino, Georg Blandratra, Franz Davidis und Val. Gentilis, die auf dem Umweg über den Zwinglianismus zum Ariauismus ge- kommen seien. Die Schrift lehre, daB aus einem Irrtum immer ein andrer koınme. Er hätte viel mehr Grund zu klagen als die Pfälzer. In Eppingen, Brettheim, Oppenheim werde offen auf den Kanzeln gegen ihn gepredigt; die Württembergischen Theologen würden als IIbiquitisten

!) Bericht des Andreä an Herzog Ludwig. A. R. A. 38. T, 216 U Heppe II, 376 fl. Braun S. 194ff.

) Exemplar. A. R. A. 33, I, 89 fl. mit eigenhündiger Widmung J. Andres an Mag. Joh. Stecher. Auf S, 166 in einer Randnote: Etliche zwinglische Prediger den Türkischen Glauben ange nommeo Heidelberg. Poln. Siebenbürgen.

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Sakramentsschwärmer öffentlich bezeichnet. In der von Heidelberg übersandten Streitschrift „Acta concordiae | das ist | : Was sich in dem Tra- | ctat und Handel der Corcor- dien oder | Vereinigung zwischen dem Herrn Luthero . . .* sei sein Name auf dem ersten und zweiten Blatt ausdrücklich in dem Text und auf dem Hand zu lesen!), wührend er in den Predigten den Namen Heidelberg nur ad marginem setze. Herzog Ludwig beschloß daraufhin, Andreä möglichst zu schützen ; er wollte den Kurfürsten darauf hinweisen, daß er von Andreä mit keinem Worte angegriffen worden wäre; er habe ja auch durch die Tat bezeugt, wie er Arianismus und Mobammedanismus in seinem Lande nicht Platz greifen lasse: wenn man an das Büchlein „acta concordiae“ denke, bitten die Theologen Württembergs vielmehr Grund zur Beschwerde; seien doch etliche von ihnen mit Namen ge- nannt worden. Bevor er aber dieses Schreiben absandte, unterbreitete er es den Vormündern Karl von Baden und Georg Friedrich von Ansbach )).

Hier war man froh, endlich Einblick in die ganze Affaire zu bekommen. Theologen und Räte waren überein- stimmend der Ansicht, daß Andreü zu weit gegangen war. Sehon die Gleichstellung von Siebenbürgen und Polen mit Heidelberg mußte erbitternd wirken; überhaupt hätte er die Pflicht gehabt, Sylvanus und Neuser mit Namen zu nennen. Die Theologen meinten sogar, daß die schriftliche Auf- klärung, die Andreä gegeben habe, durchaus nicht genüge; vielmehr sollte sie im Druck veröffentlicht werden. Soweit wollten die Hüte aber doch nicht gehen. Sie billigten wie Karl von Baden im allgemeinen die von Herzog Ludwig vorgeschlagene Antwort, fügten aber die ernste Mahnung hinzu: in Religionssachen mehr Bescheidenheit zu gebrauchen

1) Acta concordiae | das ist |: Was sich in dem Tra- | etat *nnd Handel der Concordien oder | vereinigung zwischen dem Herrn Luthero vand | den Euangelischen Stetten in Schweitz vber dem Streit des heiligen Nachtmals Christi vom sechs vnnddreyssigaten big | in das acht vnnd dreyssigst jar nach dem Marpur- | gischen vertrag in schrifften vnd wider schrifften | auch sonst verloffen vnd warauff die Con | cordi entlich bestanden sey etc. Item | ob und wie Johannis Calvini Lehr | mit der alten Kirchen | deßgleichen Herrn Luthe- | ri und Johannis Brentii Lehr, die sie vor zeiten geführt | vberein:tiinmen : Allen, so die Wahrheit vnnd Frieden lieben, vnnd | nicht betrogen sein wöllen jetsiger Zeit nützlich und not | wendig zu lesen 1572. 2. Auflage: auffs neuve vermehrt und gebessert. Heidelberg MDLXXV. Der Verfasser ist Chr. Herdesianus s. Gillet II, 76.

5) A. R. A. 33, T, 80 ef. Heppe II, 380.

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als bisher (27. April 1574) 1). Eben war ja auch eine pfälzische Gegenschrift, die scharf gegen die Ubiquitiit Stellung nahm: .Bekanntnuf der Theologen und Kirchendieuer zu Heidel- berg von dem einigen wahren Gott in dreyen Personen..“ eingelaufen. Man schien am Beginn neuer erbitterter Kämpfe zu stehen ?).

Diese Sehrift, die Antwort der Heidelberger auf Andreiis Predigten), war natürlich auch nach Wiürtteinberg ge- kommen. Balth. Bidembach, Lukas Osiander, Wilh. Holder und Joh. Stecher fanden darinnen viele zwinglische Irrtümer; um nicht einfache Leute irre werden zu lassen, hielten sie eine Beantwortung für nötig; besonders weil im Schlusse die Württemberger scharf angegriffen worden waren. Diese sollte Andrei verfassen, nachdem doch die ganze Sache von der Memminger Affaire ihren Ausgang nebme. Um aber den Zwiespalt zwischen beiden Ländern nicht noch zu ver- größeru, solle Andreä die Antwort in seinem Namen aus- gehen lassen; auch solle er die namentliche Nennung der Heidelberger umgehen ; nachdem auch Bullinger sich in den Streit gemischt habe, könnte dann seine Schrift als Antwort auf beide gelten (27. April 1574) “). Herzog Ludwig trug aber Bedenken, den Wunsch der Theologen zu willfahren; er fürebtete ein „unendliches Libellieren“ und erneute Ver- bitterung. Eine offizielle Schrift aber hielt er doch noch fur das kleinere Ubel, weil sonst Privatschriften in Masse von den Theologen veröffentlicht würden, deren Schärfe dann nicht mehr zu zügeln war. So ließ er die ganze Sache wieder nach Baden und Ansbach gelangen, nachdem die Theologen selbst einer Beratung der Sache auf der nächsten

1) Karl von Baden sandte 4. 8. 1574 die projektierte Antwort Ludwigs an Friedrich von der Plalz, ein Exemplar der in Memmingen gehaltenen Predigten, die Verantwortung Andreäs und den Entwurf eine: Antwort an Ludwig. A. R. A. 88, I, 85; 80, 89, 216, 185. Be- denken der Ansbacher Theologen fol. 263 f., 269. Rückantwort Branden- burgs durch die Abwesenbeit des Markgrafen verzögert d. d. Ansbach 27. J. 1574 fol. 185.

* 1) d. d. Heidelberg 2. 4. 1574, präs. 10. 4, 1574. A. R. A. 38, I, 86. Braun, 8. 131ff.

3 Hauck, R. E. XX. 353. K. Sudhoff, C. Olevianus und

Z. Ursinus. Elberfeld 1857, S. 878ff. Heppe II, 381, Kluckhohn, Fr. d. Fromme 397, Briefe II, 619. Anm. 1, Gillet II, 142. l 4) A. R. A. 88, I, 187, 191. Bullingers Schrift ist wohl: „Uf sjben Klagartikel, so diser zyt mit großer ungestüme, unwarheit und unbescheidenheit von etlichen unruwigen Scribenten geklagt werdend“. braun 140 Anm.

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Generalsynode zugestimmt hatten!) (29. April 1574). In Ansbach ‚konnte man sich im Unterschiede von Baden nicht mit der Herausgabe einer neuen Sehrift befreunden; man lieB des- wegen die ganze Sacbe zunächst auf sich beruhen ?).

| Die vier Württembergischen Generalsuperintendenten Joh. Mayer, Abt zu Maulbrunn, Christhof Binder, Abt zu Adelberg, Georg Udel, Abt zu Lorch und Dr. Theodor Sehnepf entschieden sich auf der Synode vom 9. Juni 1574 für eine Beantwortung der Heidelberger Schrift. Es sollte kurz die Lehre vom Abendmahl und von der Person Christi dargestellt und dann die Verkehrungen von Seite der Zwing- lianer gebührend behandelt; deren Zwiespältigkeit in ihren Reden getadelt und offen gezeigt werden, wie deren Irrtümer den Weg zum Arianismus und Mohammedanismus bereiten. .Von den Heidelbergern solle man ganz schweigen und offen erklären, daß man die zwinglische Lehre nicht deswegen bekümpfe, um neue Verfolgungen zu erwecken, sondern um die Leute aufzuklären. Die Verabfassung wollter sie Andreä übertragen sehen?) Daraufbin willigten Statthalter und ge- heime Räte in die Beantwortung der Heidelberger Schrift; sie gaben zum Schlusse auch zu, daß diese Andreä in seinem Namen stellen sollte, nachdem die Generalsuperintendenten eben dadurch den Anschein vermeiden zu können glaubten, als ob man eine Fortsetzung des Streites mit der Pfalz wünsche. 10. Juni 1574. Daraufhin bekam Andreä den ent- sprechenden Auftrag.

Nach zwei Monaten hatte dieser seine Aufgabe voll- endet). Aber die Regierung war damit wenig zufrieden. Wohl hätte er die Heidelberger Theologen nicht genannt, aber der Tenor seiner Schrift verriete deutlich, daß sie ge- weint wären; auch wären am Rande immer die Seiten ihrer Schrift angeführt. Auch hätte er wieder auf die Memminger Verhandlungen zurückgegriffen und offen wenn auch mit

1) d. d. Stuttgart, A. R. A. 33, I, 272.

2) Bericht des Erkinger von Rechenberg, Amtmanns von Gunzen hausen präsentiert am 8. 5. 1574. A. R. A. 33, I, 297.

*) A. R. A. 38, I, 195,

*) Andreä an Marbach 23. 5. 1574: Ad Heidelbergenses, quod attinet tractabo illos pro dignitate brevi sed nervoso et perspicuo scripto et illorum impietatem toto terrarum orbi patefaciau. Responsum ad literas Electoris Palatini creentas nulli communicare audeo, sed argu- mentum ejus in refutatione recitabitur... Est sane spiritus cruentus neque cnim pejora a Papistis metuo, quam nuuc ab electorePalatino. Sed vita mea est in nomine Domini cni commendo et me et causam ipsam, Fecht, S. 495.

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Berufung auf cin Wort Luthers behauptet, daß die Zwingli- aner die Vorläufer des Arianismus und türkischen Glaubens wären, eine Behauptung, die die Heidelberger um so mehr treffen mtisse, nachdem unter ,Zwinglianern* ja nur sie im ganzen Schreiben verstanden seien. Die Regierung verlangte eine totale Anderung der Schrift: sie sollte allgemein von den Zwinglianern gestellt werden, die Anführung der Stellen aus der Heidelberger Schrift unterbleiben, die Worte vom Arianismus und Mohammedanismus gemildert werden. Auch griffen sie auf die Anregung zurück, die ganze Erwiderung auf eine breitere Basis zu stellen und nicht nur die Heidel- berger sondern auch Bullingers Schrift von Audreii würdigen zu lassen. Dabei blieben sie auch trotz der Vorstellunger Balth. Bidembachs, Lukas Osianders, Wilhelm Holders (30. Aug. 1574). Die Verzögerung der Drucklegung konnte sie nicht irre machen '); sie legten die ganze Frage im September den brandenburgischen und badischen Gesandten. als diese aus anderm Anlaß in Stuttgart weilten, vor. Da aber erstere gar nicht instruiert waren, blieb nichts übrig, ala das ganze Material am 5. Okt. 1574 nneh Ansbach av senden *).

Im Unterschiede von Karl von Baden, der einer Ver. öffentlichung unter Berücksichtigung der von den Württ Statthaltern gemachten Einwendungen zustimmte *), verhielt sich Georg Friedrich dagegen vorerst ganz ablehnend. Er fürchtete offenbar den Ausbruch eines neuen erbitterten Streites. Um so mehr begrüßte er den letzten Versuch, eine Beilegung der theologischen Streitigkeiten für den Bereich des gesamten Protestantismus herbeizuführen *).

Landgraf Wilhelm von Hessen schlug am 28. Sept. 1674 von Neuburg aus nach Rücksprache mit Andreä dem Kur- fürsten Friedrich vor, etliche Theologen beider evangelischen Parteien über alle Artikel der christlichen Lehre vollständig sich einmal aussprechen zu lassen?). Auf der Rückreise in sein Land besuchte er auch Ansbach. Georg Friedrich ging

!) Bedenken der Statthalter und geheimen Räte 38, T, 199, Dar Theolögen 207,

1) Ludwig v. Württemberg an Georg Fr. d. d. Stuttgart 5. Okt. 1674 A. R. A. 88, I, 278,

2) Karl von Baden an Georg Fr. d. d. Karlsberg 27. 9. 1571. A. R. A. 33, I, 261.

*) G. Fr. an Ludwig d. d. Ansbach 18. 13. 1574. A. R. A. 38, I. 207 u. 218.

) D. d. Neuburg a. d. Donau 98. 9. 1574. A. R. A. 88, I, 233 Kluckhohn, Briefe II, 723ff., cf. Heppe II, 449f, Kluckhohu.

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aul seinen Plan mit Eifer ein. Noch am 27. Nov. erklärte der Landgraf Dathenus zu Spangenberg: „und hätte der Herzog Georg Friedrich sunderlichen Lust zum Frieden, begehrte auch der Handlung beizuwohnen und die zu helfen diri- gieren“ 1). Als im Dezember noch keine Mitteilung eingetroffen war, wandte er sich nach Kassel um Aufschluß ?), erhielt aber Mitteilungen, welche seine Hoffnungen auf einen end- lichen Abschluß der Streitigkeiten stark herabstimmen mußten. Landgraf Wilhelm berichtete ihm zunächst am 1.Jan. 1575 von der Forderung einer Generalsynode für Lutheraner und Reformierte von Seite der Pfälzer und seinem dem Datbenus mitgegebenen Gegenvorschlag einer Besprechung zwischen J. Andreä, Chemnitz, Selneccer einerseits und Beza, Walther, Ursinus andrerseits“) uud daun am 5. März 1575 wie dieser ebenso abgelehnt worden wäre, der Kurfürst vielmehr die Hauptsache darinnen erblieke, daß sich die Fürsten in der wahren Lebre von der geistlichen Gegenwart Christi und Nießung seines gekreuzigten Leibs und vergossenen Bluts nämlich in der Annebmung des Herrn Christi und geiucs ganzen vollkommenen Opfers und Gehors:uns dureh den Glauben zusammenfänden ). Trotz dieser höchst un- günstigen Aussichten, trotzdem Ludwig von Württemberg bereits mitteilte, daß er eine Verständigung als unmöglich betrachte“), beriet Georg Friedrich doch mit seinen Theologen,

Friedrich d. Fromme 398f. In den Akten liegt auch noch das Prome- moria f. Herzog Ludwig 19. 9. 1574. 33, I, 210. gedr. Hoppe Il, Beilagen Nr. 22.

!) Heppe IL 419. Kluckhohn II, 769.

*) d. d. Ausbach 18. 12. 1674. A. R. A. 83, I, 289; er wieder- holte diese Bitte am 17. 2. 1575; der Bote Ludwigs war unterwegs gestorben. A. R. A. 33, 1, 238.

) A. R. A. 33, I, 216.

) A. R. A. 33, I, 229. Beilage A.: Friedrich au Wilhelm. Heidel- berg 21. 1. 1575. fol. 219. gedr. Kluckhohu II, 778 ff. Nr. 800; B.: Antwort Wilbelms d. d. 3.3.1575. ibidem 255. Kluekhohn II, 798 fl. Nr. 808. In den Akten liegt auch noch die Erklärung der Schweizer gegen ein Kolloquium s. 313. gedr, Heppe II, Beilage Nr. 25. Kluckhohn II. 8. 782 Anm. Der vom Kurfürst beigelegte Extrakt aus Brenz. A. R. A. 33, J. 241. Der Gegenextrakt des Landgrafen. fol. 213.

5 Ludwig an Gg. Fr. d. d. Stuttgart 26. 3. 1575. pr. 4. 4. 75. A. R. A. 33, I, 285 mit Beilagen: Wilhelm an Ludwig d. d. Kassel 5. 3. 1575. fol. 287; Ludwig an Wilhelm d. d. Stuttgart 26 3. 1575 fol. 289; Bedenken der Theologen fol. 293. cf. Kluckbohn 1], 5. 800 f. Anm.

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wie man vielleicht doch noeh zum Ziele kommen könnte. G. Karg, Ko. Limmer, Job. Unfug, Adam Francisci meinten nun, zunächst schriftliche Vorbereitungen vorschlagen zu sollen. Der Landgraf solle die strittigen Punkte in Artikel fassen lassen, dieselben deu Lutheranern und Calvinisten zur Begutachtung übersenden und dann die einlaufenden Gutachten dem Gegenteil übergeben. Dann ließe sich wohl ersehen, ob man ein colloquium mit Aussicht auf Erfolg an- stellen könnte). Am 18. April 1575 übermittelte er sie dem Landgrafen *). Dieser freude sich über solche Teilnahme um so mehr, als der Kurfürst hartnäckig auf seinem Standpunkt stehen blieb?) und auch andere Stände an einem Erfolg verzweifelnd ibm schon öfter geraten hatten, solche Versuche aufzugeben“). Es blieb aber auch ihnen beiden nichts anders übrig als die ganze Sache Gott zu befehlen; nur gaben sie sich das Versprechen, in ihren Landen unnötige, spitzfindige uud vorwitzige Fragen nicht mebr aufkommen zu lassen, sondern nur allein das Evangelium gemäß der Schrift und der Augsburger Konfession predigen zu lassen ).

Dies Schwinden auf einen günstigen Ausgang der von Ludwig unternommenen Aktion veranlaßte Georg Friedrich sich wieder mit der Frage der Drucklegung der Württem- bergischen Erwiderung des Heidelbergischen Bekenntnisses befassen. Im Einverständnis mit seinen Theologen empfahl er die Schrift allein in Andreäs Namen ausgehen za lassen; die Hinweise auf die einzelnen Seiten des Be- kenntnisses fand er nicht bedenklich, nachdem doch die ganze Schrift sich ınit demselben befasse auch die Warnung Luthers von Arianismus und Mohammedanismus wollte er nicht gestrichen haben. Dagegen suchte er alles zu

1) A. R. A. 33, 1, 267 fl., gedr. als Beilage VI.

*) d. d. Ansbach. ibidem fol. 281. cf. Heppe II, 452.

) Friedrich an Wilhelm d. d. Heidelberg 15. 5. 1575 und Wilhelm an Friedrich d. d. 7. 6. 1575 Kassel. A. R. A. 33, I, 800, (831) u. 309. cf. Kluckhohn II, 828 Nr. 823 u. 839 Nr. 824. Heppe II, 456,

*) So Ludwig von Württemberg, dem Wilhelm am 30. 5. 1576 von dem Schreiben Friedrichs vom 15. 5. 1575 Kunde gegeben hatte. Andreä sollte in die Sache Einblick bekommen, aber nichts für seine Schrift gegen die Heidelberger verwerten dürfen. Wilhelm au Ludwig d. d. Kassel 30. 5. 1575. A. R. A. 38, I, 829 mit den Schreiben Friedrichs vom 15. 5. 1575. fol. 331 u. s. Antwort vom 7. 6. fol 825. Antwort Ludwigs d. d. Stuttgart 4. 7. 1575. fol. 397. Am 7. 7. Georg Friedrich mitgeteilt. A. R. A. 33, I, 323.

) Wilbelm an G. Friedrich d. d. Kassel 20. 6. 1675. pr. 7. 7. A. R. A. 35, I, 297 und 6. Fr. an Wilhelm 21. 7. 1575. A. R. A. 33, I, 319.

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seitigen, was den Kurfürsten verletzen könnte). Auch da zeigte er. „daß er Lust zum Frieden hatte“ “).

Beilage I.

Bedenken der marggrevischen branden-

burgischen Theologen überJohannisWigandi

Buch von der erbsünde wider Flacium Illvri- cum ao 1571 ausgangen.

Durchleuchtiger, hochgeborner fürst. E. F. G. sein unser untertenige, schuldige und willige dienst iedezeit höchstes vleiBes zuvor bereit. Gnediger fürst und herr. Demnach E. F. G. uns Doctoris Wigandi buch von schwebender Controversien, ob die erbsünde ein substantia und der menschen seel und berz selbst sey oder nicht. derselben unser meinung davon anzuzeigen ubergehen laben, also haben wir dasselbige gelesen und seines Inhalts vernomen. Wiewol wir nun etliche anzügige reden des- selben buchs uf irem unwert beruen lassen, sagen und be- kennen wir doch, sovil den statum causae und hauptsachen betrift, daß die warheyt mit grund heiliger Schrift und be- werter lerer gezeugnis wider M. Fl. Illyricum und seine anbänger recht darinnen verteidiget und dagegen der von Manicheern erstlich eingefurte und durch Fl. Illyrieumver- neute grobe, ungeheure irrtum widerleget, verworfen uud verdampt wird nemlich dieser: das die erbsünde sey eine substantia und also die seel des menschen selbs und nicht nur ein zufelliger schade in der menschen substanz und wesen, die verkert und verderbt ist. Und sollen fromme ehristen, um der ere gottes und unsers herrn Christi uud um ir selbs und anderer leut seligkeit willen, sich vor solchem greulichem irrtum vleiBig fursehen und hüten, als der andere vil sehadliche irrtum gebiret und nach sich schleppet, wie solchs von gelerten in vielen schriften and zum teil auch in angeregtem buch D. Wigandi mit bestendigem grund der warheyt ausfürlich angezeigt, erkleren und erwiesen wird. Dieses haben E.F.G. auf derselbigen gnedig begeren wir in untertenigkeit kurzlieh und gleich als mit einem wort,

1) G, Fr. an Württemberg A. R. A. 33, I, 277. Räte au Georg Friedrich. Ansbach 18, 4. 1575. A. R. A. 33. J, 475. Bedenken der Theologen 265 gedruckt Beilage VII.

*) Kluchhohn II, 770. Die Württemberger Schrift erschien 1575. Kurzer, einfältiger und warhaftiger Bericht des Streits über dem h. Abendmahl und der Person Christi zwischen den reinen Kirchen und den Secramentierern. Tübingen 1575. Braun, S. 141.

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nachdem die sach an ir selbs richtig und offenbar und sonsten klerlich durgetan, in untertenigkeyt zu erkennen geben sollen und tun derselben uns biemit zu gnaden untertenig befelend.

Datum Mense Novembri 23die Anno 1571

E. F. G. untertenige Cuppelän allbie . Georgius Karg, M. Conradus Limmer, Johannes Unfug), Stephanus Notnagel °), Jacob Vögelein “), Stephanus Schnitzlein“), David Meder“), Bartholomaeus Wolochendorf “).

Dek. Uffenheim: Uffenheimische Religions- und Kapitals- akte ab 1523 1687 fol. 70. Nürnberger Kreisarcbiv, Ansb. Rel. Akta Tom. suppl. 11, 288.

) Dazumal Hofprediger, s. Beiträge 21, 264,

3) Von Weimar vertrieben, dann Hufkaplan in Ausbach, Kons. Akt: Pfarrei Roth I (1158-1639), Pf. Langenzenn I (1538—1658), Pf. Ansbach I (1526—1711), 1573—1600 Dekau in Langenzenn A. R. A. 31, 46. Einfalt, die Geschichte der Stadt, des Klosters und der Pfarrei Langenzenn. Ansbach 1910. S. 43, 52. A. R A. Tom suppl II, 288 steht: etwan gewesener caplan zu Weymar, jetzo aber Hofcaplan alhier. Ratsmanuale der Stadt Nüruberg im Nürnberger Kreisarchiv: 16. 12. 1567: Auf Stephan Notnagels des geurlaubten Predicanten balben von Weiumar, daß er Herzog Johann Friedrich zu Sachsen verpflichtet, wenn er von seiner fürstl, Gnaden oder der- selben Gemahl gefordert, denselben dienen müßte, soll man im 20 fl. vereren, doch sagen, da er solcher seiuer Verpflichtung erledigt und dessen einen Schein brachte, wollte man sich ferner mit ibm in Hand- zung einlarsen, ihm seine Predigten zustellen und sagen, dieselben an andern Orten drucken zu lassen. Predigten von ihm im Germanischen Museum zu Nürnberg. Bibl. Ms. 9723,

) 15 5. 1555 ordiniert in Wittenberg. G. Buchwald, Wittenberger Ordinier'enbuch Leipzig 1891 I, 102, 1556 Pfarrer in Frankenhofen Kr. Nürnberg Stift Feuchtwang I, 7, 997; später Pfarrer im Stift zu Ansbach. Beitiäge zur bayr. K.G. 21, 565. + Dez. 1610. (Sterbe- matrikel der Pfarrei St. Johannis Ansbach).

4) Aus Weißenburg. 1549 in Wittenberg, 1559 Pf. in Büchen- bach s. Kons. Ansbach, Pf. Büchenbach I (1552 1737) fol. 11. Bei- träge 16, 89. 1554 Kaplan in Schwabach. Schwabacher Geschichts- blätter I. Schwabach 1917, 8. 48. 1556 Pf. in Merkendorf. G. Muck, Geschichte von Kloster Heilsbronn, Nördlingen 1879 II, 49. 1568 Kaplan in Ansbach A. R. A. 84, 46; 1574—17.6 1602 in Weimersheim. Kons. Ansbach, Pfarr-i Weimersheim I. (1518-1789) J. M. Groß, des historischen Lexici evangelischer Jubelpriester 8. Teil. Schwa- bach 1716. S. 299.

*) Von Osterfeld in Sachsen. 1568 Kaplan in Ansbach, 1574 Pfarrer in Lautershausen, 1577 Stiftsprediger in Öhringen, 1595 in

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Beilage II.

Ansbacher Bedenken ber das Gutachten der Württemberger über Wigands Buch von der Erbstünde. 1571.

Durchleuchtiger hochgeborner furst, gnediger Herr. Aus bevel E.F.G. haben wir der Würtenbergischen Herrn Theologen bedenken uber D. Wigands buch von der erbsünde wider MatthiamFlacium Illyricum gelesen und haben darinnen soviel statum causae und die haupt- Sache betrifft, kein bedenken. Denn sie die rechte ware in Gottes Wort und bewerter lerer schriften wolgegrunde meinung von der erbsünd, welche D. Wigandus ver- teidigt, approbirn und fur recht erkennen und dagegen Illyrici irrige opinion ganz verwerfen.

Daneben aber felt uns gleichwol bedenklich fur, das gedachte Herrn Theologen’ das ganz buch D. Wigandi durchaus mit worten approbirn und doch nicht desto weniger etliche fel darinnen auzeigen. Als erstlich: das der spruch S. Pauli2 Cor 5 im 39 argument nicht wol gefurt werde; darnach, das sie die alte definitionem „accidentis“, so D. Wigan dus verworfen, gut heißen und loben. Und ist zwar die er- innerung von angezogenem spruch Pauli nicht unzeitig. Was aber betrifft definitionem accidentis ist es unsers erachtens gefehrlich eben gnug, dieselben in dieser disputation von der erbsünde zu gebrauchen. Denn es heiße gleich das wort corruptio in Philosophia eine zerstörung, durch welche die Substanz gar vergeht, vertilgt und zu nicht wird, so heist es doch in theologia eiue verderbung, durch welche die substanz nicht gar zerstört, abolirt und abgetan, sondern nur verkert und verderbt ist, als da man sagt, natura est corrupta

Naumburg, 1 1616 zu Nebra a. d. Unstrut. Kons. Ansbach. Pf. Lenters- hausen I, Pf. Kattenhochstadt I (1529—1634) fol, 237, Weimersheim I fol. 117. J. Chr. Wibel, hohenlohische Kyrchen- und Reformations- historie. Onolzbach 1752, S. 397. J. A. Vocke, Geburts- und Todten- almanach Ansbachischer Gelehrten, Schriftsteller und Künstler. Augs- burg 1796 I, 193. Zeitschrift des Vereins für das Württem- bergische Franken. Weinsberg 1873 IX, 398,

) Von Neustadt a, Orla. 1570 Diakon in Ansbach, 1578 Dekan in Crailsheim, 1594 Abt in Heilsbronn, T 1601. J. L. Hocker, Hailsbronnischer Antiquitätenschatz. Onolzbach 1731, S. 153. G. Muck, Geschichte von Kloster Hailsbronn, Nördlingen 1880 III, 9. Bei- träge 21, 266.

Archiv far Reformationsgeschichte. XXII, 3/4. 19

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item corruptio naturae. Solt nu die sünd ein accidens ge. nennet werden, welches praeter subjecti corruptionem im menschen sein könte, so müßte volgen, daß des menschen Substanz und wesen nicht verderbt, und also naturalia, wie etwa die schullerer davon gered, noch integra weren, welches unrecht und falsch ist. Darum achten wir, das gemelte definition den philosophis zu laßen und in "Theologiam sonderlich in dieser disputation von der erbstind nicht ein- zufüren noch zu gebrauchen sei. Und halten, daB sie D. Wigandus nicht unbillich hindangesetzt habe, ob er sie wol sonsten weiter ausdenet, denn sie von gelerten in philosophia und in artibus de naturalibus accidentibus substantiarum gebraucht wird, auf die schedliche und tötliche krankheiten, welche auch accidentia sind, und so nicht den menschen gar zerstören, doch oftermals den leib verderben; daran aber nicht viel gelegen, sondern solehs Wigando wol zu gut zu halten ist. Wolten derhalben raten, die Herrn Theologen umgingen diese disputation de definitione accidentis ganz und gar und ließen in irem bedenken aus den 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. und 14. paragraphum in be- trachtung, daß der warheit nichts begeben und einigkeit gefordert würde, da sonst streit dadurch mocht erregt werden, sintemal Wigandus nicht gerne weichen würde, wie er auch unsers erachtens zu weichen und nachzugeben nicht ursach hat. Und blieben demnach die Herrn in irem be- denken nnd mit irem urteil bei der heubtsach ohne justi- ficierung des ganzen buchs, welche im 15 paragrapho deutlich gesetzt ist. Denn wiewol das urteil sovil desto fuglicher auf das ganze buch gestellt möcht werden, das auch in diesem Stück definitiones accidentis betreffend dem autori beifall geschehe, wolten wir doch, wenns unsere eigene sach were, deshalben das buch nicht gar justificieren, das etliche controversiae darinnen angezogen und damit auf andere sonderlich sovil die Antinomiam der definition des evangelii halben betrifft (anderer streit aller zu geschweigen) ungutlich und one ursach gestochen wird.

Es möchten auch ferner propter cohaerentiam der 15. 16. und 17. paragraphus, als darinnen nur praecedentia repetirt, fuglich ausgelaßen werden.

Dieses haben E.F.G. wir in untertenigkeit christlicher wolmeinung aufs kürzest erinnern sollen, denn das nicht proprie oder eigentlich genug gered ist substantia peccati pro eo, quod peccatum sit substantia, das gibt kein streit.

Bitten aber Gott den Vater unsers Herrn Jesu Christi, das er ware christliche einigkeit zu aufbauung seiner kirchen

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unter den lerern anrichten und erhalten wolle und tun E, F. G. uns hiemit in untertenigkeit zu gnaden befelen.

E. F. G. untertenige gehorsame caplän

Georg Karg, Cunrad Limmer,

Original von Kargs Hand im Nürnberger Kreisarchiv Ansbacher Religionsakta, Tom suppl. II, fol. 544f.

Beilage III.

Bedenken der Ansbacher Theologen über den consensus Dresdensis 1571.

Durchleuchtiger hochgeborner furst. E. F. G. sind unser untertenig schuldig und willig dienst jeder zeit hochsts vleiß zuvoran bereit. Gnediger furst und herr. Wir haben der sachsischen churfurstischen theologen in irer versammlung zu Dresden gestelt bekantnus gelesen. und wiewol wir uns davon zu urteilen viel zu gering erkennen, haben dennoch E.F.G. auf derselben gnedige begern wir unser einfeltigs bedenken on einige ausflucht in untertenigkeit kurzlich an- zeigen sollen.

Der Haubtpunkt ist vom heiligen hochwürdigen sacra- ment des waren leibs und bluts unsers herrn Jesu Christi, um welches willen die andern hiebei angehenkte artikel auch in streit gezogen werden. Wir hielten aber dafur, wenn die reine lere von gegenwertiger gemeinschaft, aus: teilung und nießung des waren leibs und bluts unsers lieben Herrn und Heilands Jesu Christi in seinem h. nachtmal ohne versetzung und bementelung bliebe und bekannt wurde, es sollt der andern artikel halben so gar nicht not haben.

Nun reden die sächsischen herrn theologen in dieser irer bekantnus und auch in andern zuvor hievon ausge- gangnen buchern vom abendmal des herrn beede, was die substanz und den brauch desselben betrifft, recht und wol. allein ist dieser mangel daran, daß sie den unterscheid der geistlichen und leiblichen oder sacramentlichen nießung still- schweigend ubergehen und nicht ausdrücklich setzen. Da- rüber doch D. Lutherus seliger und heiliger gedechtnus je und allwegen so heftig gestritten, daß er alle diejenigen fur schwermer gehalten, die nicht glauben und lehren, daß der leib und blut christi unter brod und wein mit leiblichem mund beede von guten und bosen christen empfangen werde, wie das neben andern seinen streitbuchern sonderlich auch in seiner letzten bekanntnus, die er kurz vor seinem abschied

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aus diesem leben ausgehen laßen, klerlich zusehen ist!); und auch in Schmalkaldischen artikeln solche mundliche nieß ung von ime rund gesetzt und darauf die formula Concordiae in diesem handel sampt jetzt gemelten Schmalkaldischen artikeln von den furnemsten theologen in der versammlung zu Schmalkalden anno 37 approbirt und fur recht erkannt worden, wie es auch die grundliche meinung ist der Augs- purgischen confeßion und apologia und demnach E. F. G. kirchenordnung also einverleibt.

Wiewol aber nu eegedachte herrn theologen der leiblichen oder mundlichen nieBung des leibs und bluts christi aus- drücklich nicht gedenken noch auch weder des Zwinglianismi noch Calvinismi meldung tun, wollen wir doch hoffen, weil sie sich so oft auf D. Lutherum berufen und daß sie anders nicht vom h. Abendmahl halten denn wie Herr Lutherus davon gelert bat, mit vielen worten bezeugen, es sey also ir eigentliche meinung und gar kein falsch noch widerrede dahinder verborgen.

Die andern artikel gehören anders nicht zu des Herrn abendmal, denn wie sie Herr Lutherus gebraucht hat, den christen dadurch zu bezeugen, daß sie der verheißung christi im nachtmal von gegenwertigkeit seines leibs und bluts desto sicherer glauben möchten. Denn weil Christus nicht mensch allein, sondern auch warer Gott ist und derhalben zur rechten Gottes des vaters sitzt nach beeden naturen, so kann er tun, was er will und laisten, was er zusagt und kann demnach auf ein sondere himlische weis, die uns menschen weder begreiflich noch ausprechlich ist, seinen leib und blut mit brot und wein laut seiner wort zu eDen und zu trinken geben. und hindert in hieran die ungleichheit der zweien unterschiedlichen naturen in seiner person oder auch sein himmelfart gar nicht. wie wir zwar die himlische wonung, wo die sey, und wie es darinnen zugehe, nicht zu beschreiben wißen, sondern halten davon nach dem ge- schrieben steht, das Gott neu Himmel und erden zurichten oder schaffen werde, in denen gerechtigkeit wone?), und: „das kein auge gesehen habe und kein ohre gehört und in keines menschen herz komen sei, was Gott bereitet hat deneu, die in lieben“ ?). Und gedunkt uns die herrn theo- logen gehn diesfalls schier etwas za weit, indem sie die stel- oder ort der himlischen wonung auDer und uber das firma, ment setzen und Christo einen raum iu demselben zueiguen.

© Kurz Bekenntnis D. Martin Luthers vom heil. Sakrament. 1541. 2) 2. Petr. 3, 13. 1. Cor. x 9.

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Was sonst mer in dieser ganzen tractation bedenklich ‚der zweivelich und disputirlich sein mag, das wird die Zeit zu erkennen geben. Für unser person wißen wir sonderlich nichts mehr, das ein geferlichen streit oder zwitracht billich geben und geberen sollt. laßens derhalben zu diesem mal bey diesem kurzen einfeltigen bericht und bedenken wenden. Und bitten untertenig E.F.G. wöllens von uns einfeltigen kirchendienern gnediglich aufnemen, denen wir uns hiemit zugnaden untertenig bevelen.

E.F.G. untertenige gesorsame eaplün

Georg Karg, Cunrad Limmer, Johannes Unfug, Stephanus Notnagel, Stephanus Schnitzlein, Jacobus Vögelein, David Mederus, Barthol. Wolschendorf.

Ansbacher Rel. Acta Tom. 33 p. I, fol. 32ff. (geschrieben von Karg).

IV. Beilage.

MarkgräflichesBedenken tiber die Erbsünde. Ansbach 19. Okt. 1573.

Gestrenge, edel hochgelerte ernvest, hochachtbare gnedige und günstige gebietende Herrn. An den durchleuchtigen hochgebornen unsern gnedigen fürsten und herrn ausgangen schreiben eines erbarn rats zu Regensburg haben wir gelesen und seines inhalts vernomen, darinnen sie begeren, das s. f. gn. bei dero theologen diese gnedige anstellung tun wöllen, damit sie in der furcht Gottes nicht allein, wie bei inen von der erbsunde allen umstenden nach gelehret, sondern auch ir iudicium uber die vocabula substantiae und Accidentis oder qualitatis und ob dieselben in die Kirchen und schulen einzuführen, ob und was für ein unterschied sei zwischen der erbsünde und der Menschen verderbten substanz, und ob noch etwas gutes an des menschen natur nach dem fal sey; item ob die kirchen und schuldiener, so mit irriger meinung in diesem artikel von der erbsünde behaft an iren conditionen zu dulden seien, anzeigen sollen. Nu denn E. G. u. G. unser bedenken hierin erfodern, erkennen wir uns dasselbig anzuzeigen schuldig und ist unser mainung:

Nachdem hochermelter unser gnediger furst und Herr mit zeitigem rat aus guten christlichen erheblichen ursachen in seiner f. g. furstentumb und lande kirchen ein corpus doctrinae und Normam judicii neulicher zeit ange- ordnet hat und die lehre von der erbsünde in demselben eorpore doctrinae richtig und also erklert ist, das daraus unzweivenlich zuverstehn, daß die erbsünde kein substantia,

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sondern zugerechnete ubertretung unser ersten eltern und zufelliger schad ist in des menschen natur, um welches willen der mensch für Gott schuldig und nicht allein zeit- licher sondern auch ewiger straf wert ist und deswegen ein großer bekantlicher unterschied ist zwischen des menschen natur, substanz oder wesen und zwischen der erbsünde, in maßen dann gelerter leut und namlich auch des Flacii bester freund judicia wider ine Flac ium allbereit ain- helliglich ergangen sind, und also die haubtsach keiner sondern erklerung mehr bedarf, so referirn und ziehen wir uns, weisen auch die zu Regens purk und andere auf jetztgedacht corpus doctrinae und sind urbietig zur antwort allen denen, so christlicher meinung bericht von uns begeren werden, in was artikeln stücken oder punkten desselben corporis doctrinae es sein möchte. Hielten auch dafür, wenn ein erbar rat zu Regensburg irem christlichen erbieten nach, das sie nemlich mit den kirchen dieser lande in der lehre gleiche correspondenz begern zu halten, solch corpus doctrinae mit iren kirchen und schuldienern annemen und willigen, es wurde inen dieses streits und sorge allerding abgeholfen sein und wurden ire kirch und schulen nochmals, wie zuvor, und ehe dieser greuliche manicheische und vor viel hundert jaren verdampte irrtumb durch M. Flacium wider verneuert und eingefürt worden, bei gesunder heil- samer lehre göttlichs worts in diesen und andern artikeln mit allen der augspurgischen confeßions verwandten stenden mit Gottes Hilf bleiben. Achten demnach, dass sie von E. G. u. G. anstat hochgedachts unsers g.f.u.b. zur bewilligung und subscription corporis doctrinae mit ubersenduug ordenlicher verzeichnus aller desselben bücher auf der stat Nurnberg exempel bescheidenlich zuvermanen und gunstig darum zu ersuchen sein sollen. Auf solchen fall wurde alsdann ferner rat zufinden sein, wie es mit den wider- und eigensinnigen kirchen und schuldienern gehalten werden sollt, in maßen dieser punkt auch mit Nurnberg abgehandelt und erörtert worden ist. Bei diesem unsern bedenken on einige geferliche weitleuftigkeit bleibt es billich noch zur Zeit. Welchs E.G.u.G. wir in untertenigkeit anzuzeigen nicht unterlaßen sollen und stellen diesen ganzen handel zu derselben fernern gefallen. E.G.u.G. untertenige gehorsame diener

Georg Karg, Conrad Limmer, Johann Unfug, Adam Franciscus*).

Ansbacher Religionsakte T. suppl II, 362. geschrieben von Unfug) T. XXXV, 114 (vom 19. Okt. 1573, geschrieben von Franzisci).

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Y. Beilage.

Markgräfliches Bedenken über die Angriffe Andreüs auf die Pfalz in Memmingen 1573.

Gnedige und gunstige gebietende Herrn. Wir haben der chur- und fursten pfalz! Württemberg?) und Baden“) schreiben und dann auch der pfalzischen*) und Wurtembergischen Theologen“) Bücher ge- lesen und laben die controversiam in der lehre billich auf ir selbs beruhen. Was aber belangt des churfursten am Rhein gefaßte ungnad wider D. Jacobum Andreae und ob D.Jacob auf der heidelbergischen theologen bekant nus antworten soll oder nicht, halten wir, daB hochstgedachtem churfursten zu solcher ungnad ursach genug gegeben worden sei; Dann obwol D.Jacob sich warhaftig entschuldigt, daß er nicht die gantze kirehen und schul zu Haidel- berg, sondern allein die zwen abtrünnigen theologen Sylvanum und Neuserum gemeint, hat er doch Heidelberg und nicht die Theologen genennt, und also gesetzt, als ob die mahometische lehre ja so wol zu Haidelberg, als in Poln und Sibenburgen ohne scheu gefurt werde. Daran er ser unbedechtlich gehandelt. Denn weil er nicht kirchen und schul zu Haidelberg, sondern nur die zwu personen verstanden, sollt er die personen und nicht die stat genennt, viel weniger aber neben Polen und Sibenburgen, in welchen landen dieselbige lehre platz hat und geduldet wird, gesetzt haben. Nun ers aber also zusamen gefaßt, kann der leser, dem die handlung

) Damals Kollege des Pfarrers. M. Wenzeslaus Gurk- felder, de vita Adami Francisci primi à condita schola abbatis Vit. 4. 1594. J. H. Falckenstein,S.151, J. A. Vocke II, 44f, Layris, 8.49. Beiträge XIX, 124 ff. XVII, 62 ff. XXI, 175. Muck III S. 7ff. Kons. Ansbach, Akta: Stadtpfarrei Ansbach 1526— 1711. K. H. Lang III, 31. 8545. 376. 879, 28. 9. 1559 in Wittenberg immatrikutiert. G. Buchwald, Wittenberger Ordiniertenbuch. Leipzig 1895 II, 177.

1) An Ludwig 23. 12. 1574 A. R. A. 88, I, 74, an G. Fr. s. e. d. et 1. 83.

*) An Friedrich d. d. Stuttgart 28.2 1574. fol. 80.

3) Karl v. Baden u. Statthalter zu Ansbach d. d. 10. 3. 1574. A. R. A. 33, I, 185.

4) Die „Acta concordiae" und „Bekanntnus der Theologen“.

) Die „zwo christlichen Predigen“ A. R. A. 33, I, 89.

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mit den zweyen theologen zu Haidelberg unbekant, anders nicht gedenken, denn es werde mit der lehre da- selbsten zu Haidelberg wie in Poln und Siben- bürgen gehalten; können derhalben nicht hoffen, daß der churfurst mit D. Jacobs schriftlicher entschuldigung wol zu friden sein werde oder auch könne, wo nicht die er- klerung auch offentlich im druck fur die leut gebracht wird. Nachdem aber die haubtsach wichtig und derhalben doctori Jacobo billich zugelaßen wird, sein Gegenantwort mit christlicher Bescheidenheit non personalia sed realia tractando aufs kurzst, als sich immer leiden will, und doch mit gutem grund auf die heidelbergische bekanntnus zu tun, als halten wir, daß er auch zugleich ein erclerung zu seiner entschuldigung tun und anhenken oder mit einmengen sollte.

Was betrift M. Benedictum Thalmann auch jetzt angeregter schwebender langkwirigen hochschedlichen controversien halben halten wir zwar, das die herrn rate auf dem Gebirg weislich gehandelt haben. Dieweil sich aber gedachter Thalmann!) auf seine praeceptores die theologen zu Wittenberg referirt und sich bei denselben ferners berichts zu erholen begehrt, hielten wir, es sollte im auf widerstellen vergunstigt und hierzu zwen monat oder sechs wuchen gegeben werden. Als dann wurde auf solchen bedacht und unterrede mit den theologen oder auch der- selben unterricht sein und der andern stipendiaten halben mit dem churfursten zu Sachsen desto fuglicher und statt- licher zu zuhandeln und die notturft mit den stipendiaten in gemein zu verschaffen sein.

Und stellen wirs in E. G. u. G. rütlich bedenken und zu derselben gefallen, ob sie ime Thalman auf solchen fall ein schreiben an die theologische facultet zu Wittenberg neben uberschickung seiner bekantnus um abhelfung des gefaßten irrtums mitgeben wollen.

E. G. u. G. untertenige gehorsame

Georg Karg, Cunrad Limmer, Johann Unfug.

Original von Kargs Hand Ansb. Rel. Acta Tom 33 p. I, fol. 263 f.

1) S. K. H. Lang III, 375.

VI. Beilage.

Bedenken der markgräflichen Theologen über den Verständigungsvorschlag Wilhelms von Hessen. 1575.

Durehleuchtiger hochgeborner furst, gnediger Herr. Diese des churfursten bey Rhein!) und landgraf Wilhelms schreiben?), so E. F. G. uns um unser Bedenken zustellen laßen, betreffend weg und mittel zur Concordien in dem langwierigen hochschedlichen streit vom heiligen Abend- mal unsers lieben Herrn und Heilands Jesu Christi, haben wir gelesen nnd halten fur ein fürstlich, christlich weık, das die bede chur- und fursten inen diese sach etwas ernstlich laßen angelegen sein, wie wir auch unsers teils nichts liebers sehen wolten, denn das durch Gottes gnad und schickung ein christliche einikeit getroffen und angericht werden mochte, welche gleichwol in diesem schwachen gebrechlichen alter der welt und bei so großen confusionibus entweder gar nicht oder doch schwerlich zu hoffen. Und tragen sonderlich sorg, es werde noch zur Zeit mit dem synodo, so wol speciali als generali, ungetan sein, wie zwar generalem synodum zu convieirn und zu halten in eines oder zweier fursten macht nicht steht, alle aber schwerlich darein willigen werden, sonder hielten dafur, das zuvor durch schriftliche tractation ein vorbereitung solte gemacht werden, solcher gestalt, das der landgraf als unterhendler die lehre, darumb es in diesem streit zu tun, in propositiones und artikel faßen ließe, wie es aufs formlichst und beste geschehen und zur einigkeit am forderlichsten geachtet werden möcht, und alsdann dieselbigen schrift und begriff bederseits deputirten theologis um ir judicium zuschickte und ubergebe, also das bede die Lutherischen und Calvinischen tbeologen samptlich doch jedes teil besonder in iren an sondern orten versammlungen ir meinung und bedenken darauf anzeigen und volgends jeder teil auf des andern meinung, so bald ime dieselbige hernach behendigt, sich ferner ercleren solten. Alsdann, wann solches geschehe, wurde zu sehen sein, wie nahe die Parteien beieinander und wie weit sie noch voneinander weren und wurde ferner darauf das eolloquium und freundlichs gesprech und unterrede, wovern etwas fruchtbarlichs zu hoffen, anzustellen sein. Es konde doch auch ein colloquium und collation beber nicht angestellt werden, den so den eolloeutorn ein kurtzer richtiger begrifi

d. d. 21. 1. 1575 A. R. A. 33, I, 249" d. d. 2. 1. 1575 A. R. A. 38, I, 246°

der sachen in schriften forgelegt wurde. beßer aber were es, daß solches angeregter maßen zuvor geschehe und wenn hernach nichts guts zu hoffen, das colloquium unterlaßen und nicht ubel erger gemacht wurde. Will sich auch sonderlich nicht schicken ein colloquium im Wilbad zu- felliger weis zu halten, weil man sonsten alle hend vol mit zu tun haben wird. Aber wie dem allem, so mogen Chur- und fursten wol zusehen, das durch dieses gezenk im römischen reich der religionsfried kein loch noch rys gewinne; an den auswendigen ist Deutschland sovil nicht gelegen als an den stenden des reichs. Derhalben mit sonderm vleiß darnach zu trachten, daß dieselben, soviel dero evangelisch, in der religion einig seien und keine spaltung unter inen selbs ein- reißen lassen, sondern wo irrunge und zwiespalt sich ereiget, dieselben nicht nur im schein, sondern vom grund heraus schleinig zu guter einigkeit bringen. Dis unser einfeltig bedenken haben E.F.G. auf dero gnedigs begern wir in untertenigkeit anzeigen wollen, denselben uns zu gnaden unterthenig bevelend.

E. F. G. untertenige gehorsame Georg Karg, Cunrad Limmer, Johann Unfug, Adam Franciscus.

Original von Kargs Hand Ansb. Rel. Acta 33 p. I, fol. 267 f.

VII. Beilage.

Markgrüfliches Bedenken über die beab- sichtigte Widerlegung der heidelbergischen Schrift: „Bekanntnuß der Theologen —“ 1575.

Durchleuchtiger hochgeborner furst, gnediger Herr. Auf E. F. G. gnedigen befel haben wir der Würten- bergischentheologen schrift und antwort auf der heidel- bergischen büchlein!) auch etliche daruber gestellte bedenken?) gelesen und sollen E. F.G. derengnedigen bevel nach unser bedenken darauf unangezeigt nicht laßen.

Und sovil eratlich die frag betrifft, ob zu antworten sei oder nicht, haben wir hievon vor dieser Zeit unser bedenken angezeigt, nemlich, daf es der sachen wichtigkeit erfodere mit bestendigem grund heiliger Schrift und doch auch mit christlicher bescheidenheit und aufs kurzest, als imer muglich, realia von personalia tractando zu antworten, und dabei auch, weil D. Jacobus Andreae in seinen zu

1) Bekanntnus der Theologen und Kirchendiener zu Heidelberg. *) ARA. 33, I, 187, 195, 199, 207.

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Memmingen gethanen predigten Heidelberg neben Poln und Sibenburgen den Arianismum und Maho- metismum betreffend, unbedechtlich gesetzt und schier damit verglichen und also den churfursten bey Rhein dadurch heftig wider sich erbittert, eine entschuldigung und erclerung, welcher maßen es von ime gemeint, anzuhengen sei, sintemal der churfurst mit einer privatentschuldigung, wie zu be- sorgen, nicht zufriden sein werd noch könne, wie solchs in unsern ubergebnen bedenken weiter zu ersehen. Wie nu zum selbigen mal unser bedenken dahin gestelt, also ist es noch unser meinung.

Ob aber die Antwort in D. Jacobi allein oder in der Wurtembergischen theologen namen ingemein gestellt werden soll, wiewol nicht groß darangelegen, halten wir doch, weil D. Jakob mit benennung der Stat Heidelberg anstat der zweyen apostaten den churfursten zu Zorn bewegt und derhalben seine entschuldigung billich offentlich tut, das auch die antwort vollend in seinem namen geschehen und ausgehen soll; sonderlich auch in betrachtung, daß der chur- furst sich viel weniger zu beschweren haben wurde, wenn einer allein und eben der, so zu solcher ungnad und er- bitterung ursach gegeben, antwortet, denn wenn sie alle samptlich sich des gezenks teilhaftig machten, welchs gewiß das ansehen haben wurde, als ob man sich wider die heidelbergischen vottirn und ein neues libelliren und gezenk erst recht anfahen wolte, das auch der herzog zu Würtenberg sich selbs gegen dem churfursten sovil deste statlicher zu entschuldigen hette, als daß solche ant- wort der entschuldigung D. Jacobi, welche dem chur- fursten in alweg zum besten gemeint, anhengig were, wie denn die entschuldigung auch one D. Jacobi verkleinerung, sintemal es nur ein erklerung und kein wideruf, ganz wol- geschehen kan.

Solt auch unsers bedunkens gar kein nachteil bringen, aller ding ohne gefar sein, wenn er nicht allein die wort erzelet, sondern auch die blütter des heidelbergischen buchleins anzeigete, weil doch die antwort ohne das auf dasselbig buchlein furnemlich gestellt sein, das werk und schrift selbs bezeugen wird und keineswegs vermentelt werden kan. i

So mochte gleicher maßen auch die gesetzte warnung wider den Arianismum und Mahometismum aus Lutheri schriften bleiben und derselben obgedachte entschuldigung am fuglichsten angehenkt und einverleibt werden.

Was dann ferner den streit an ime selbst betrifft, ist es zwar ein jemerlioher handel und hoch zu beklagen, daß

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derselbige in so langen jarn nicht allein nicht hingelegt oder gerichtet werden können, sondern auch noch teglich zunimpt und gemehret wird, wie denn nicht allein uber dem h. hochwirdigen abendmal Pfalz mit andern stenden des römischen reichs sondern auch Wirtenberg mit Sachsen uber der person unsers heilands Jesu Christi noch heutigs tags und bis auf diese stund strittig ist. Aber solchs mußen wir, wiewol mit schmerzlichen gedanken Gott bevelen und jeden teil seine sach, so gut oder böse ers macht, verantworten laßen.

Eines möchten wir aber doch gerne sehen und wißen in der Würtenbergischen schrift: nemlich das die gegenwertigkeit unsers herrn Christi im abendmal, ob sie in den gläubigen bestendig oder nicht, desgleichen auch der unterscheid geistlicher und sacramentlicher niessung des leibs und bluts christi ausfürlich, eigentlich, grundlich und recht erelert wurde.

Dieses ist gnediger fursí und Herr unser einfeltig be. denken, ob und welcher gestalt auf der heidel- bergischen buchlein und beschwerungsschrift von D. Jacobo Andreae zu antworten und wie furgelegte schrift der Wurtembergischen Theologen zu emendiren und zu beßern sein möchte. Und halten in unser einfalt genzlich darfur, es wurde vil weniger weitleuftigkeit geberen, und das mehr ist, viel mehr zu gutem fried und nachbar- Schaft der chur- und fursten gegeneinander gereichen, wenn dem also nachgegangen, denn so es gestellter maßen etlicher gutachten nach verfertigt wurde. Doch steht es zu E. F. G. Gefallen und Verbeßerung, denen wir uns zu gnaden hiemit untertenig bevelen.

E. F. G. unfertenige gehorsame Georg Karg, Cunrad Limmer, Johann Unfug, Adam Franciscus. Orig. v. Kargs Hand Ansb. Rel. Acta T. 33 p. I, fol. 265.

Brentiana und andere Reformatoria X. Von W. Köhler. 38. Ein Gutachten des Breslauer Reformators Johann Hess tiber das Abendmahl,

Dieses Gutachten des Breslauer Reformators Johann Hess ist seinem Biographen Jul. Köstlin unbekannt geblieben. Aber derselbe erwähnt in Zeitschrift des Vereins für Gesch. u. Altert. Schlesiens Bd. 12 S. 419 eine Abendmahlsschrift des Breslauers unter Berufung auf den Brief Bucers an Zwingli vom 14. Mai 1530 (Zwingli opera ed. Schuler u. Schulthess 8, 452). Hier heißt es: opinor antehac nos tibi scripsisse Vratislaviae tertium ex primis Concionatoribus pro concione rectam de. Eucharistia fidem defendisse. Das ist zwar zunächst unmittelbar auf eine Predigt (pro concione) zu beziehen, und es bleibt fraglich, ob dieselbe schriftlich fixiert wurde. Möglich ist letzteres, und ebenso möglich, daß das im folgenden abgedruckte „Gutachten“ den Inhalt dieser Predigt wiedergibt. Jedenfalls dreht sich das „Gutachten“ um ein ganz bestimmtes Problem: Kann das Abendmahl rein geistig im Glauben genossen werden oder ist die äußer- liche Handlung notwendig? Daß die im letzteren Sinne von Hess getroffene Entscheidung eine polemische Spitze hat, sagt das „contra Sacramentarios“ in der Ueberschrift ausdrücklich. Unter diesen „Sakramentierern“ sind zweifel- los die Schwenckfelder zu verstehen, denen gerade dieses zum Vorwurf gemacht wurde, daß die äußeren Handlungen (Predigt, Taufe und Abendmahl) für sie überflüssig seien. Schwenckfeld selbst hat freilich die äußere Handlung fest- gehalten, aber eine überzeugende Begründung konnte ihm bei seiner schroffen Entgegensetzung von AeuBerlichem und Innerlichem nicht gelingen. (Näheres und Belege ausSchwenck- felds Schriften bei E. Hirsch: Zum Verständnis Schwenckfelds in Festgabe für K. Müller 1922, S. 166 ff). Vielleicht darf man angesichts dessen dem „volentes“ der Ueberschrift einen Nachdruck geben. Hess wirft nun den Spiritualisten die ganze Wucht der kirchlichen Tradition entgegen. Er benutzt die Gelegenheit, sich überhaupt über „das Aenßerliche* des Abendmahls im weitesten Wortsinne auszusprechen,

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konstatiert dabei Differenz der Kirchenväter in den ,Cere- monien, gebreng oder äußerliche zierd“, vermeidet aber seinem Zweck entsprechend jedes Eingehen auf die Lehrfrage. Vielleicht hat das zu dem günstigen Urteil Bucers über ihn beigetragen. Zeitlich wird man dieses Gutachten auf ca. 1530 ansetzen dürfen, selbst wenn Bucers Worte sich nicht auf es beziehen. Auch die Stellung innerhalb des Codex Suevo- Hallensis spricht für diese Zeit.

De cena domini Hessus Vratisla. sagi contra Sacra- mentarios volentes externum cene usum abiicere. probat impium esse; nam et veteres, eciam heretici, servarunt.

Von dem eusserlichen brauch des Nachtmals Jesu Christi auß den alten vettern zusamengetragen, nemlich auß Augustino, Hieronimo, Ambrosio, Cypriano, Tertuliano, Chrisostomo, Paulino?) Eusebio in eccle. histo., Trypartita histo. Cyrillo, Pascasio ) etc.

Der eusserlich brauch des nachtmals Christi ist alzeit beliben und bey keiner gmein, auch bey den offentlichen Ketzern, als da waren die Ophiter, Cataphryger und die Manicheer etc. nie abgethon, davon Augustinus de heresib. ad Quod vult deum.

Es haben sich auch solchs eusserlichen gebrauchs nit geeusert die Masaliani oder die Euchete, die doch lerten, das das sacrament zu nemen weder schaden noch nutz brecht. Davon Tipart [I] histo. Lib. 7 ca 11).

Es hettens auch die Christen bey der Zeit Tertuliani, der gelebt hat nach dem todt Christi 160 Jar, gut ursach gehabt, sich allein geistlich zu speysen und den eusserlichen brauch gar abzuthon, dieweil sie bezichtigt wurden, sie richten das brot zum nachtmal Christi zu mit eins unschuldigen Kindleins blut, welches sie derhalben erwurgten. Tertu. in Apolog. adversus gentes ea 7.

Darauf abzunemen, das die alten nit allein die geist- lichen niessung nach dem 6. capitel Johannis, sonder auch den eusserlichen gebrauch den Cristen von notten geacht, Darvon Augu. de peccatorum meritis et remiss. et ad Mar- cellum li. 1 cap. 24.

Was grosser miracul und wunderwerck die vetter dem

1) Pontius Paulinus v. Nola, dessen Werke 1516 erstmalig in Paris erschienen.

*) Paschasius Radbertus, ven dem Jan. 1528 eine Ausgabe bei Joh. Secer in Hagenau erschienen war. Vgl. mein Buch: Zwingli u. Luther, ihr Streit um des Abendmahl I, 1994, S. 567, 2

5) a.a. O. Ea tempestate Messalianorum, quos cbj trag id est Orantes appellant, haeresis est exorta.

303

eusserlichen gebrauch zuschreyben, wer gar lang alhie zu- erzelen. Sihe darvon Cyprianum sermo 5 de lapsis et lib. 1 epistola 3 ad Cornelium Papam. Augusti. de civitate dei lib. 22 ca 8.

Wie Serapion von Alexandria on di sacrament nit hat ersterben mogen, besihe ein wunderbarliche historien davon Euseb: in Ecoles, histo. li. 6 ca. 34.

Es seind auch als glider Christi von der kirchen durch dise eusserliche entpfahung angenomen, die von den Ketzern unrecht getauft wurden. Davon Euseb. in Eccles histo.

li. 7 ca. 8. In Summa:

Welche zum nachtmal Christi zugelassen sein oder nit, findestu darvon Augustinum adversus Faustum li. 13 ca. 16. Et libro de fide et operibus. Item Hierony. in Ezechielem prophetam capite 18. Dis alles bezeugt, das das nachtmal Christi auch in seinem eusserlichen gebrauch unabgethon verliben sey. Auch in den zeitten der grossen ketzereyen, verfolgung der Christen; darvon schreiben Paulus Orosius li. 7 histo., Philastrius de heresibus.

Es haben auch die alten vetter nach der leer der heilgen Apostel drey [seil. ding] zu disem nachtmal für nötig anzeigt.

Zum ersten.

Den Catechismum ein getreuwe gmeine leer und under- weysung der notigen artickel einem Cristen zur seyligkeit zu wissen; mit solchen leertaffeln hat vor andern vil zuthon gehabt Augusti. li. de Catech. rudibus.

Zum andern.

Ein offentlicher ban und abtheilung von der gmein umb eins uncristlichen bekennens willen oder ergerlichen lebens oder boser that, niemandts verschonet, als wir sehen an den zweyen grossen kaysern Philippo et Theodosio. Davon Esebium [I] lib. 6 ca. 25, Tripar. histo. li. 9 ca 30. Das urteyl aber uber geist und hertz, ja, uber die heimlichen verborgen heuchlerey, dem menschen noch unerfarn, behelt im gott allein; derhalben mussen sich die geistlichen diener der kirchen wol fursehen, das sie got das verschlossen kestlin (darzu er noch niemandt den schlüssel geben hatt) nit angreyfien, darvon Pasca.!) de Cena domini ca 8.

Wie bey solcher gmeiner außteylung einer dem andern offentlich abgebeiten und vergeben hatt, was sie widder einander gethon haben. Davon Chrisosto. in oracione pro beato Philogonio.

1) Paschasius, vgl. Anm. 2 vor. Seite,

304

Zum dritten.

Ein gmeine almusen versorgung der elenden durftigen; dan bei den Zeiten Paulini in der kirch ein aigner disch gesetzt ward, den man nent den Tisch des hern, von welchem wir heut noch haben das geweicht saltz und wasser, welches auch die gericht alle sein fur die armen. Darvon Poneius Paulinus in libello de Gasophilacio.

Wie bey solcher gmeiner außteylung einer den andern offentlich gebetten und vergeben hatt was sie wider ein- ander gethon haben, darvon Chrisostomus in oracione pro beato philogonio.

Diese drey stuck haben fleissig und ordenlich gehalten die cristen bey den Zeitten Tertuliani. Darvon im apo. [logetico] ca. 2 et 39.

Was aber fur Ceremonien, gebreng, oder eusserliche zierd und Ererbietung bey den ersten kirchen nach den aposteln gehalten und furgenomen seind, kan man ein- trechtig nit zusumen lesen auß den buchern der alten vetter, die bey uns seindt.

Zum ersten von der Stell.

Haben etlich das nachtmal in der gmein offentlich ge- halten. Darvon Tertulianus li. 2 ad uxorem.

Auff einem Altar, darvon Augustinus libro 1 retract. ca. 2 et 12 adversus Hilarium tribunitum.

Auff ein Tisch, darvon Augustinus tractatu 84 in ca. Juvenis 16.

Bey den Grebern der merterer, darvon Augustinus lib. 6 Confes. ca. 2, et tractatu in Johan. 84.

. Etlich aber daheim in iren aigin heusern. Darvon Eusebius Eccle. histo. lib. 6 ca. 34. Item Hieronimus in Apologia ad Pammachium et contra Jovinianum.

Zum andern, von der Zeit.

An welchem tag man es wirdig entpfaht, darvon Chrisosto. in oratione de beato Philogonio.

Allen fag haben sie das sacrament entpfangen zu Rom und in Hispanien. Darvon Hieronimus ad Lucinum et in apol. ad Pammachium.

Zu morgens fru haben die das sacrament gnossen, nit umb das nachtmal, wie Christus mit sein Jüngern. Darvon Tertulianus libro 2 ad uxorem et Augustinus in epistola ad Januarium de consuetudinibus ecclesiarum.

Zum dritten von Personen, die es entpfangen haben.

Nit allein den alten, verstendigen menschen, sonder auch den kleinen Kindern haben Cyprianus und Augustinus das sacrament gereicht. Darvon Cyprianus de lapsis, Augustinus

306

de Trinitate li. 3 eap. 10. Et de baptismo parvulorum ad Marcellinum lib. 1 ca. 20 Et adversus Julianum in multis locis.

Item Hymnos haben sie bey dem altar gelesen. Augustinus lib. 1 retract. cap. 11 contra Hilarium.

Iten [! wen man das sacrament hielt, ehe man es reicht, schri einer auß den Dienern: Sancta Sanctis, Darvon Cyril. in ca. 20 super illud Johannem: [!] NoH me tangere; Die das Sacrament entpfingen antworten: Amen. Euse. li. 1 ca. 8.

Die personen, so das Sacrament gereicht haben.

Dise, die das Saerament gereicht haben, seind gewesen die furseher der gmeindt, aus welcher henden die gmeind das Sacrament entpfangen. Darvon Tertulianus de corona militis. Dise haben muBen frome menner, grosses verdinsts, vol gutter werck sein. Hieronimus in Sophoniam oa. 3 et Ambrosius de viduis. Wiewol auch etlich auß iren selbs henden das sacrament entpfangen haben. Darvon Ambrosius ad Theodosium imperatorem in tripartita historia li. 9 ca. 30. Cyprianus sermo 5 de lapsis, Eusebius li. 6 ca. 34.

39. Fragstuck küngin Marie von Ungern zu samptD. Martini Luthers antwort. Anno 1530.

Ueber diese Fragstücke und ihre Beantwortung ist das Nötige schon von Enders: Luthers Briefwechsel Bd. 8 Nr. 1732 vgl. Nr. 1742 bemerkt worden. Der Codex Suevo-Halensis kommt nur zu der dort verzeichneten handschriftlichen Literatur hinzu. Da er nun aber auf den gleichzeitigen Papieren von Brenz u. a. fußt, erhebt sich die Frage, ob die Bezeichnung des deutschen Textes als ,Uebersetzung" durch Enders richtig ist und nicht vielmehr der deutsche Text der ursprüngliche ist? Die Originale sind verloren. Für die Antwort Luthers dürfte die Kennzeichnung des deutschen Textes als Uebersetzung richtig sein (vgl. zu Punkt5 die Wiedergabe des lateinischen multo minus mit dem un- gelenken „vil weniger gnug^); für die Fragstücke selbst halte ich das Gegenteil nicht für unmöglich. Die Frage müßte auf Grund der handschriftlichen und gedruckten Ueberlieferung neu geprüft werden. Auffallend ist, daß im deutschen Texte Frage 4 und 5 mit dem Coelestinschen Texte (bei Enders a. a. O.) stimmt. Im Interesse künftiger Lösung des Problems gebe ich die inhaltlich schon bekannten Texte im Wortlaut,

Fragstück küngin Marie von Ungarn zu sampt D. Martini Luthers antwort. Anno 1530.

Archiv für Beformationsgeschiehte. XXIL */. 90

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L Zum ersten, ob es gnug sei das Saerament under der gstalt des brots allein zu nemen und nicht von noten aus dem kelch zu drincken sey, dieweyl mans verbotten hatt, auß dem kelch zu drincken.

2. ltem wan eins beide 8 im den kelch nit reichen will, obs vor gott entschul und gnug sey allein under der gstalt des brots zu nemen, oder obs weytter ziehen soll, da mans im gern gibt.

3

Oder ob mans heimlich in der kamern nemen muge und nicht offenlich bekennen durffe.

4.

Item dieweyl an etlichen ortern durch die oberkeit so hoch verbotten auß dem kelch zu drincken, obs fur got gnug und auf geredt sey, das auß gehorsam oder sorg der straff underlassen oder nur under der gestalt des brots zu nemen.

5.

ltem wen eins nit sonder verlangen beyder gestalt zu entpfaben, obs gnug sey under gestalt des brots bey gemeinem gebrauch zu beleyben.

Antwort D. M. L. von Wittemberg gen Augspurg geschickt.

Quare non respondetis ipsi vos ad questiones missas ad me? Sed der krenckst muß das liecht halten.

Aufs erst wo yemant des gwiß ist, das beyder gstalt brauch des Sacraments ein gotliche ordnung und bevelch ist, und das einer gestalt brauch des sacraments ein gotliche ordnung und bevelch ist, der selbig, dieweyl er gottes bevelch so gwib weyß, sol nicht achten, das man die ein gestalt verbotten hatt; dan man muß got mer gehorchen dan dem menschen.

Auffs ander, wu yemand den kelch begert und im ver- sagt wurdt, ists nit gnug, das er die ein gestalt nem, sonder ist besser, er gang dahin, da mans im gern reicht; oder wu er das nit thon kan, ists besser, er las ein gestalt farn und nieß des Sacraments dieweyl geistlich, nemlich mit dem glauben, sich sterck durch die wort des sacraments und betrachtung des hern leidens.

Auffs drit soll man das Sacrament nicht lassen heimlich oder in geheim reichen oder entpfahen; dan Christus hats eingesetzt zum offentlichen ampt, sein dabey mit predigen und bekennen zu gedenken, wie er spricht: solchs thut zu meinem gedechnus, das ist, wie es Paulus deuttet, 1 Cor. 11: den todt des HERRN zu verkündigen,

307

Auffs vierdt: Niemandt ist damit entschuldigt, das im sein oberkeit so hart den kelch verbeut, als solt hie der gehorsam und forcht der straf uns außreden mogen, dan widder gottes wort soll man kein gehorsam leysten einiger Creatur, den das wir die creatur uber got gesetzt.

Auffs funft wan einer nicht sunder verlangen hatt beyder gstalt zu entpfahen und mocht wol im lassen an der einen gstalt allein gnugen, das ist vil weniger gnug; dan das Sacrament ist nicht eingesetzt zu brauchen, nach dem wir verlangen oder nicht verlangen darnach haben, sonder es soll gebraucht werden nach dem bevelch und gottes wort, den es steet nicht in unser macht, noch auff unserm werck oder verlangen, sonder in gottes befelch und auff seinem wort.

40. Anfzeichnungen und Gutachten zur Abendmahlsfrage 1530.

Diese Quellenstücke hängen mit den von Bucer ge- führten Unionsverhandlungen zwischen den Lutheranern und Zwinglianern zusammen. Die beiden ersten handeln von der communio sab utraque, das zweite ist ausdrücklich als von Melanchthon herrtihrend bezeichnet, das erste, anonyme, bedeutet eine Quellehsammlung, z. T. an Ort und Stelle aufgenommen. Den in C. R. 1I Nr. 864 abgedruckten pro- positiones folgen die bei Enders 8 Nr. 1761 als Beilage mitgeteilten propositiones, mit dem Zusatz: quos scripsit Bucerus, cum ín hospicium suum rediisset, priores (vgl. C. R. II. Nr. 864) mutans. Vgl. zu demselben die von Enders a. a. O. Nr. 1760 Anm. 5 beigebrachte Stelle aus dem Briefe Bucers an den Landgrafen vom 27. August. Da Brenz bei der Unter- redung zwischen Bucer und Melanchthon zugegen war, er- klürt sich das Vorhandensein der propositiones im Cod. Suevo- Halensis ohne weiteres. Wir haben hier die älteste Version der für die Abendmahlskontroverse wichtigen Artikel. Das rechtfertigt den Abdruck.

Cusanus!) epistola [die Zahl ist ausradiert] ad Boemos de Sacramento Cene sic scribit:

[Ine:] In primitiva ecclesia omnes Christiani quottidie . ...[Explic.] Calicis tantum benedictionem.

Cusanus 3 epistola ad Boemos. |

[Ine:] Christum Johannis 6 non loqui de Sacramentali Mandueacione [Expl.] in sexta generali synodo positam. |.

Verba Concilii Basiliensis?) [Ine:] Non est intencionis sacri concilii permittere

1) Nic. v. Cusa, dessen Werke mir in Zürich nicht zugänglich sind. Es muß sich um die RE? IV 861 erwähnten epistolae handeln, 1514 waren in Paris die Werke des Cusanus in drei Bänden erschienen.

2) Vergl. Hardouin: Concil Collectio VIII p. 1944.

20°

‚308

communionem sub duplice specie. [Explic.] digne sumenti- bus atilis et salutaris.

Auguste in Bibliothepa -s. Mauricii?) reperiuntur hec verba in libro, eui titulus est: Racionale divinorum).

[Ine:] Sciendum est omnibus et stricte tenendum, quod per totam istam hebdomadam omnes Neophyti.. [Expl.] et in mortis articulo tribuatur.

Cusanus in 2. Tomo scribit, quando approbatum sit, quod una fantum species sacramenti laicis detur, videlicet Anno 1215. Nam ita ait: Dico, quod magna et plenari tocius [ etc. Explie . . .]per C. Omnis utriusque Sexus approba

Sed quando incepit, hoc non scribit. Pro utraque specie Philippus Melanchton.

Sunt quedam de utraque spezie raciones producte leves et inepte citatis scripturis.

1. Cesarea Maiestas cogitet his racionibus non tolli ius divinum. i

2. Itaque nos non possumus consentire, ut altera species prohibeatur.

3. abönosg i. e. exageracio, quia non sitinordinacionibus divinis temere aliquid imutandum aut inmutanti consenciendum.

4. Multominus hec probare possumus, quod illiscripserunt, esset abusus dare utranque speciem. Hoc exaggaretur. Non est abusus voeandus institutum Christi.

5. In eonclusione addatur: Qui solverit unum de mandatis minimis, minimus erit in regno celorum. _

Pro utraque specie.

1.Quia estcelarus textus Evangelistarum et Christi institucio.

3. Quod sie servatum est in tota ecclesia sanctis patribus et episcopis ultra mille annos.

3. Neque liquet a quibus.

Proposiciones,quas scripsit Bucerus, cum in hospicium suum rediisset priores mutans. 1.

Transsubstanciacionem negamus.

2.

Item negamus corpus Christi localiter esse in pane, ut si quis imaginetur ita in pane contineri corpus, sicut vinum in vase aut flammam in ferro candenti.

3.

Interim tamen affirmamus Christi corpus in cena vere adesse et Christum reipsa presentem vero corpore suo veroque

!) Ueber die 8. Moritzkirche in Augsburg vgl Fr. Roth: Augs- burgs Reformationsgesch. 2. Aufl. 1901 S. 296.

) Gemeint ist Guilelmus Duranti: Rationale divinorum officiorum, von dem es zahlreiche Ausgaben gab, vgl. dort lib. 6 cp. 89.

309

sanguine nos pascere verbis ad hoc suis, que ministri reci- tant, et sacris simbolis pane et vino tentem. 4.

Ut in baptismo virtutem regeneracionis, ita symbolis Eucharistie ipsum Christi corpus et sanguinem exhiberi con- fitemur.

5.

Pereipi vero hec dicimus xa: quj xoi dinritrw more, ut Cyrillus inquit!) Et si non abhorreamus ab his Chry- sostomi?) verbis: „O ingens miraculum, o magnam dei benevolenciam erga nos! Is qui sedet supra cum patre, illa hora omnium manibus detinetur. Et dat se volentibus circumdare et complecti.“ Et si que sunt similia, verum ea quemadmodum hie idem docet?) sic intelligimus, ut abiecta omni carnali cogitacione in celestibus hec geri et nuda anima puraque mente cerni dicamus.

e

Fatemur quidem cum D. Augustino?) Christum esse in loco aliquo celi propter verum corporis modum; nihilominus famen vere ac re ipsa et in cena presentem agnoscimus, non localiter tamen, sed modo huie sacramento proprio (per verba, sed credita, et Symbola, sed fide percepta). Utrinque enim confitemur sacramenta in usu tantum esse.

7. i

Pactum enim, quo credimus pane et vino proposito nobis adesse et porrigi Christi corpus et sanguinem, istuc cum his solam esse inicium*), pro quibus hec immolata sunt, verba Evangelistarum testantur.

8.

Fatemur tantum eciam eos, qui fide prediti sunt, ita se posse circa hec sacra non ex fide habere, uf nihilominus rei evadant corporis et sanguinis domini, non absencium, sed presencium.

9.

Omnino namque Christianorum sacramenta presentis

Christi, non absentis signa suní et testimonia.

4l. Strasburg, Costnitz, Memmingen Lindaw bekantnus von dem Sacrament des leibs und bluts Christi. = Confessio Tetrapolitana cp. XVIII

) Cyrillus Alexandr. ad obiectiones Theodoreti, zitiert in Oe*^- Jampads Dialogus.

1) De dignitate sacerdotum ebenfalls bei Oekolampad.

5) tract. 80 in Joh.

*) sic! Lies: initum.

310

(Müller: Bekenntnisschr. S. 72, mit geringen Abweichungen,

nämlich: |

13. Von Christi] Von disem

18. solichs fehlt P

19. nement vnnd essent

20. Trinckend darauß alle Diser kelch ist das neuw testa- ment in meinem blut ete.

31. zu drinoken

22. bleib

33. durch ihn fehlt

24. ewiger

27. solicher ] diser

29. heilgen. unnd [rvor: seien] fehlt; auch under uns

36. verkern vnd zerreyssen

37. abentmal vnd also heilig] hochwirdig

38/39. mit grossem vleiß unnd ernst] fleyssig lern sofchs wort einfeltigs

40. glos

41. eingesetzt der] irer

43. seins] seyen ofternmal

44. merer

45. darbey

47. in andern weyttern

Ulmenses propriam confessionem obtulerunt t).

Nurnbergenses

Reutlingenses

Campidonenses

Heilbronenses

Wintzheimenses

Weyssenburgenses

Subseripserunt confessioni principum.

J Vgl. dazu Th. Kolde: Die älteste Redaktion der Augsburger Konfession, 1906, S. 118: Joh. Rurer an Althamer: Uima sola aliam et & nostra et Argentinensi Apologiam exhibuit, Vgl. Anm. 4 ebenda, woselbst weitere Zeugnisse, Ferner W. Gussmann: Quellen und Forschungen sur Geschichte des Augsburgischen Glaubensbekenntnisses 11911, S. 188 fl. (Hier alles Nähere über die Ulmer confessio.)

Mitteilungen.

Neuerscheinungen.

Daß Karl Müller an die Neubearbeitung seiner „Kirchen- geschichte“ herangetreten ist, ist auch im Hinblick auf die Refor- mationsgeschichte zu begrüßen, auch wenn der Verfasser zunächst an die älteste Kirchengeschichte die bessernde Hand angelegt hat; handelt es sich doch um die Entstehung jener Kirche, gegen deren spätere Entartung Luther in die Schranken trat und die er zur ursprünglichen Einfachheit und Reinheit zurückzuführen trachtete. Die vorliegende 1. Lieferung, die die Zeit bis Konstantin (1. Urchristliche Kirche auf dem Boden des Judentums und seines Anhangs; 3. Entstehung der altkatholischen Kirche) umfaßt, liegt in völlig neuer Gestalt vor; wie Verfasser selbst sagt, sind kaum ein paar kleine Sätze oder Satszteile von der ersten vor 82 Jaliren erschienenen, wesentlich kompendiöser gehaltenen, Auflage stehen geblieben. Welch’ eine gewaltige Arbeits- leistung das bedeutet, sieht ein jeder. Möge dem verehrten Verfasser seine Arbeitskraft und Frische auch für die Fortsetzung treu bleiben! Tübingen, Mohr (P. Siebeck) 1994. XII, 316 S. (= Grund- riß der theol. Wiss. 2. Abteilung Kirchengeschiehte I, 1).

G. Lens, Die Bedeutung des Protestantismus für den Aufbau einer allgemeinen Staatslehre (Tüb., Mohr [P. Siebeck] 1994. 47 S. = Samml. gemeinverst. Vorträge usw. 112) stellt in weit ausgreifender Untersuchung (such über die Anfänge Roms wird in eigenem Exkurs gehandelt) die protestantische Idee als Erkenntnis- prinzip der politischen Welt hin.

Die feinsinnige Studie von K. Aner, Das Vaterunser in der Geschichte der evangelischen Frömmigkeit verzichtet darauf, ähren Stoff durchweg periodisch anzuordnen. Sie schlägt statt dessen den typologischen Weg ein und betrachtet nacheinander den kate- chistischen, symbolistischen, spekulativen und monumentalistischen Typus. Ihren Ausgangspunkt aber nimmt sie von Luther, wie ja das Gemeinsame der evangelischen Vaterunserbewertung der Gegensatz ‚gegen die kultische Formelhaftigkeit der katholischen Kirche ist. „Und ist Jammer über Jammer“, sagt Luther, „daß solch Gebet solches Meisters soll also ohne alle Andacht zerplappert und zer- klappert werden in aller Welt“ usw. Wie dem gegenüber in der evangelischen Kirche das Vaterunser gleichzeitig oder nacheinander als ein Mustergebet, als ein Ansporn und Leitseil frommer Meditation,

312

als Inbegriff des gesamten Christentums, als Ansdruck idealistischer Religions- und Moralphilosophie, endlich als ein Denkmal von Klassi- zität und Einzigartigkeit, ein Letztes, Unüberbietbares, zu dem unser Gebet aufsteigt, erscheint, zeigt der Verfasser an den Zeugnissen der Hauptvertreter evangelischer Frömmigkeit. Tübingen, Mohr (P. Siebeck) 1924. 48 S. (Samml. gemeinverst. Vorträge u. Schriften aus dem Gebiet der Theologie u. Religionsgesch. 109).

Den Reichtum der in der Bibliothek der ev. Nikolauskirche in Isny vorhandenen Drucke aus den Jahren 1518—1529 erschließt O. Lenze durch sein allen Anforderungen gentügendes Verzeichnis dieser Drucke. Es enthält 340 Nummern, darunter ist Luther 69, Zwingli 21, Erasmus 19, Melanchthon 17, Oekolampad 15, Franz Lambert 9, Karlstadt 7 mal vertreten. Auch Bugenhagen, Schatzger, Jakob Strauß u.a, sind mit einer Mehrzahl von Werken vorhanden. Als Druckorte stehen Basel, danach Straßburg und Wittenberg in vorderster Linie. Eine Anzahl der Büchertitel ist abgebildet. Ianyer Reformationsdrucke ... im Auftrag des Kirchengemeinderats bearb. von O. L., Isny, Selbstverlag des ev. KGR. 1924. VIII, 138 8.

Mittels Darbietung einer sich auf das wichtigste beschrünkenden Auswahl aus der Fülle der Lutherbriefe das evangelische deutsche Haus mit diesen eigentlich erst bekannt zu machen, ist der Zweck der von G. Buehwalds Kennerhand dargebotenen Sammlung. Sie bringt, die lateinischen in flüssiger Übersetzung, 478 Nummern, die uns den Reformator von seiner ersten Messe (aus Erfurt 22. April 1507 an Joh. Braun) bis in die letzten Tage seines Lebens (aus Eisleben 14. Februar 1546 an die Gattin) vorführen und sozusagen seine ganze Persönlichkeit unmittelbar vor unser Auge bringen. Den Texten folgen die notwendigstea Erläuterungen und, besonders willkommen, ein alphabetisches Verzeichnis der Briefempfünger, bei deren jedem in aller Kürze das Notwendigste über seine Beziehungen zu dem Brief- schreiber binzugesetzt wird. D. Martin Luthers Briefe, ausge- wählt von D. Georg Buchwald. Mit 1 Bildn. und einer Hs. Leipzig- Berlin, B. G. Teubner, [1924]. V, 837 S. geb. M. 7,—.

Auf den von der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle ia Rot- und Schwarzdruck sorgfältig veranstalteten Faksimile-Neu- druck des Enchiridion (Der kleine Catechismus für die gemeine pfarher und Prediger D. Mart. Luther. Wittenberg. Gedruckt Nick. Schir[lenz] 1586) mit zahlr. Holzschnittbildern und -Initialen seien Lieb- haber derartiger Nachbildungen hingewiesen. 1888, 89. 1924. M.6,—.

Der neueste, dem vorigen nach vier Jahren gefolgte Teil des Standard-Werkes unseres Landsmannes jenseit des Weltmeers, J. M. Reu, über die „Quellen der Geschichte des kirchlichen Unterrichts in der evangelischen Kirche Deutschlands zwischen 1580 u. 1600" bringt (als Schluß der Katechismen von Ost-, Nord- und Westdeutschland) die Katechismen von Ostfriesland und die rheinisch-westfülischen Ausarbeitungen. Dazu kommen Nach-

313

träge zu den in allen drei Teilen von Ost-, Nord- und Westdeutschland dargebotenen Katechismen. Ihre volle Würdigung werden diese literarischen Schütse ja erst finden können, wenn die historisch- bibliographische Einleitung vorliegen wird, die, wie zu hoffen, mittler- weile in Druck gegangen ist. I. Teil Quellen: 8. Band (Ost-, Nord- u. Westdeutschland), 2. Abt. (Texte), 8. Teil mit Nachtr. zu allen Bänden,

Gerhard Ritter, Luther, Gestalt und Symbol. München, F. Bruckmann Ad., 1925. 164 S. (kart M. 4—, Lwb. M. 5,—.) In sehöner eindringlicher Sprache, unter reichlicher Verwendung der Kernsprüche seines Helden selbst, schildert uns der Verfasser unsern Dr. Martin Luther, wie er, in langsamem Ringen über das Mittelalter herausgewachsen, in die zerspaltene, kampfdurchtobte deutsche Welt eintritt, das Wort Gottes aus den ursprünglichen Quellen zurückholt und, in Rom zum Ketzer gestempelt, zum Helden seines Volkes wird, als solcher in der Schicksalsstunde zu Worms die volle Schwere der ungeheuren Verantwortung für sein Tun und dessen eine Welt erschütternde Folgen auf sich nimmt. Dann das „tiefe Atemholen" auf der Wartburg, bevor die Sturmjahre hereinbrechen, die die Zeit der großen Hoffnungen beenden, ohne doch Luther von sich selbst und seinem Werk zum Abfall zu bringen. Klangfarbe und Tonart seines Auftretens haben sich zwar seit 1525 fühlbar verändert, aber das Thema ist das gleiche geblieben und bleibt das gleiche in dem „grauen Alltag“ der letzten 20 Jahre, unter dessen Druck er eine ständig zunehmende Riesenlast getragen hat, ohne daß doch diese oder die schweren Entscheidungen, vor die sich der Reformator noch ge- stellt sah (Marburg 1539), noch die mancherlei Enttäuschungen, durch die er hindurchging, die Zuversicht seines Glaubens erschüttern oder den Reichtum seines Gemüts zu ersticken vermocht haben. Welt- überlegen steht er da, weil im Innerstén ibm ewige Sterne leuchten, aber eben darum auch festen Fußes sich aufstemmend auf dieser Erde. Und so ist Luther wir selbst, ist der ewige Deutsche und nur wir Deutschen vermögen seine Bedeutung ganz zu erfassen, weil nur, wer seines Blutes und Geistes ist, ihn aus der Tiefe seines Wesens ver- steht, Dem krüftigen Buche, das wie ein Weck- und Mahnruf sich an unser tief gedemütigtes Volk wendet, werden zahlreiche Leser sicherlich nicht fehlen.

Henri Strohl, L'épanouissement de la pensée religieuse de Luther de 1515 à 1520. An eine frühere Studie über Luthers innere Entwicklung bis 1515 anschließend, behandelt Verfasser an der Hand der Schriften Luthers, neben denen auch die äußeren Umstände und Zeitbegebenheiten nicht außer acht bleiben, die Entstehung des Kommentars zum Römerbrief, den Ablaßstreit, endlich die Heraus- bildung des Kirchenbegriffs Luthers bis 1520. 424 S, (= Etudes d'histoire et de philosophie religieuses, publiées par la faculté de théologie protestante de l'université de Strasbourg fasc. 9. Straßb. u. Paris 1924 Librairie Istra).

314

„Für Luther ist sie die rechte Frau gewesen und erst in der Ehe mit ihr ist er der ganze Luther geworden. Der gewaltige Dr. Martinus . . . hätte ja keiner Katharina von Bora bedurft, um die weltgeschieht- liche Persönlichkeit zu werden, die er ist; aber der liebe Herr Doktor, an dessen trenem deutschen Gemüte wir uns erfreuen, ist ohne seine Käthe undenkbar.“ In diese Worte klingt E. Krollers schönes Buch über Katharina von Bora, Martin Luthers Frau, Ein Lebens- und Charakterbild aus, das im gegenwärtigen Gedenk- jahre der Eheschließung Luthers in 2. Auflage erschienen ist, ohne grund- legende Anderungen, aber im einzelnen sorgsam durchgesehen un- streitig das beste und gediegenste bringend, was über die Lebensgefährtin Luthers gesagt werden kann. Zwickau, J. Hermann 1925. IV, 2798.

Otto Sartorius, Die Nachkommen D. Martin Luthers. Mit Anhang eines seiner Äste und Zweige (Schede) bis zur Gegenwart. Zum 400. Ehejubiläum des Ref. 21 8. 1925. Selbstverlag (50 Pf). Stellt in Fortführung der Forschungen Aug. Nobbes, Vfs. des „Genealogischen Hausbuchs der Nachkommen des D. Martin Luther“ (zuletzt 1871) fest, daB gegenwärtig in 198 Orten unter 116 verschiedenen Familiennamen fast 500 Nachkommen Luthers vorhanden sind und gibt die genaue Liste der Abstammung des Zweiges ,Schede". Die Nachkommen des Ref. mit dem Namen „Luther“ sind 1759 erloschen. Dazu tritt ein von dem Nümlichen aufgestelltes alphabetisches Namensverzeichnis der 485 ermittelten lebenden Nachkommen L's. („Die heutigen Nachkommen D. M. L.“, 1925, 20 8. Selbstverlag, 40 Pf.).

Für die Loci communes Melanchthons ist man noch gegenwärtig an die Ausgabe gewiesen, die zuerst 1864 G. L. Plitt veranstaltete und die dann Th. Kol de in 2. (1889) und 3. (1900) Auflage in wesentlich umgearbeiteter Gestalt wieder vorlegte. Nun hat der Verlag von der letsten Auflage einen Neudruek veranstaltet Die loci communes Philipp Melanchthons in ihrer Urgestalt nach G. L. Plitt. "Von neuem herausgegeben u, erläutert von D. Th. Kol de. 4. Aufl. Leipzig. Deichert [W. Scholl] 1925. VIII. 267 S. M. 4.50). Es handelt sich um die ursprüngliche Fassung der klassischen Schrift und zwar liegt seit der 8. Aufl. die Oktavausgabe von 1521 zugrunde, Dem Text geht Koldes Skizze der theologischen Entwicklung Melanchthons bis 1521 vorauf. Da eine Neubearbeitung des Loci von anderer Seite in absehbarer Zeit schwerlich zu erwarten ist, so wird die bewährte Arbeit der beiden verstorbenen Lutherforscher sicherlich auch in Zukunft, besonders den Theologiestudenten, gute Dienste tun.

Von dem ursprünglich geplanten Gesamtwerk ,Der geschichtliche Hutten und seine Umwelt", das zugleich als eine Art Einleitung in die Geschichte des 16. Jahrh., zumal der deutschen Reformation gedacht war, hat P. Kalkoff zunächst 1920 als besonderes Buch „Ulrich ron Hutten und die Reformation" veröffentlicht (vgl. diese Zeitschr.

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XVII 8, 987 f). Daran schließt sich nun das Werk „Ulrich von Huttens Vagantenzeit und Untergang“, das einerseits den Lebensumständen des Ritters nachgeht und sein Verhalten würdigt, andererseits den kulturgeschichtlichen Hintergrund aller der Lebens- kreise, in denen Hutten sich bewegt hat, zeichnet. Die unvergleichliche Quellenkenntnis, die Kalkoff über diesen Zeitraum besitzt, ermöglicht ihm, das bisher bekannte Bild mit einer Fülle neuer Züge zu be- reichern, ja zum Teil ganz neu zu gestalten, vor allem vielfach un- geahnte Verbindungslinien zu ziehen. Verwiesen sei u. a. auf die Schilderung der Zustände der Reichsabtei Fulda im 2. und die der Universität Mainz und des damaligen Humanismus im 6. Kapitel. Ein 1. Kapitel behandelt die Entstehung der „Legende“ von Hutten und Sickingen, deren Vernichtung ja eins der Hauptziele des Vf. ist, Auf- fällig bleibt, daß letzterer einer Betrachtung der literarischen Tätigkeit und Bedeutung Huttens sich im Zusammenhang durchaus entschlägt, so daß von einer abschließenden Würdigung Huttens als Gesamt- erscheinung durch Kalkoff nicht die Rede sein kann. Weimar, H. Böhlaus Nachf. 1925. XII, 423 3,

Aus den nämlichen Stadien P. Kalkoffs ist ferner die kurz nach ,Huttens Vagantenseit" herausgegebene Schrift erwachsen „Die Kaiserwahl Friedrichs IV, und Karls V.* (Weimar, H. Böhlaus Nachf. 1925. X, 307 S.) Das Werk (von dem der Vf. in kurzer Zusammenfassung das Wesentliche schon in dem Aufsatz „Die Kaiserwahl Friedrich des Weisen am 97. Juni 1519“ in unserer Zeitschr. XXI S. 138 ff. mitgeteilt hatte) gipfelt in dem Nachweis, daß am genannten Tage Kurfürst Friedrich in rechtegültiger Weise sum römischen König gewählt worden ist und diese Wahl (die er durch Abgabe seiner Kurstimme für sich selbst herbeiführte) auch angenommen hat. Innerhalb weniger Stunden aber wandelte sich dann das Bild, indem die spanische Partei, der das verräterische Ge- bahren des Kurfürsten-Erzbischofs von Mainz im Einverständnis mit dem Stiftsadel den Aufenthalt und die Festsetzung in seinem Erzstift uneingeschränkt gestattet hatte, Gelegenheit fand, ihre Drohungen mit Gewaltmaßnahmen bis unmittelbar in die Wahlstätte gelangen zu lassen und so zunächst den „Umfall“ des Pfülzers herbeiführte, der die Abdankung Friedrichs zur Folge hatte, Kalkoff betont, daß dem Sachsen als römischem König drei europäische Mächte, Frankreich, der Papst und die Eidgenossen zur Seite gestanden hätten, er auch des Wohlwollens Englands und Venedigs und einer starken Partei unter den Reichsständen sicher gewesen wäre, nicht minder auf die finanzielle Unterstützung des deutschen Bürgertums hätte rechnen können. Die sonstigen Folgen der Behauptung Friedrichs, des Schützers Lathers, an herrschender Stelle und der Ausschließung des Habsburgers von Deutschland, dem Karl so verhünguisvol geworden ist, lassen sich ja kaum ausdenken! Daß auch im übrigen die Geschichte jener Königswahl, der darauf einwirkenden Verhältnisse und in sie

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hineinspielenden Fragen durch K.s eindringende Forschung gefördert wird, bedarf kaum der Erwähnung.

Die bedeutsame Rolle, die in dem Ehehandel Landgraf Philipps Martin Bucer, derjenige Theologe, der dem Hessen unter allen am nächsten stand, gespielt hat, ist zwar im einschlägigen, fast überreichen Schrifttum keineswegs tibersehen, aber doch noch .nicht für sich allein behandelt worden. So glaubt Hastings Eells eine Lücke auszu- füllen durch seine eingehende Studie The attitude of M. B. toward the bigamy of Philip of Hesse (Yale, Historical Publications, Miscellany XII vol. 7: London, H. Milford (New Haven, Oxford) 1924. VI, 253 S.) Verfasser kommt, auf dem Briefwechsel zwischen Philipp und Bucer und den Schriften des letzteren fufend, unter Berück- sichtigung des wichtigeren Schrifttums zu dem Ergebnis, daß Bucer seine (bedingte) Zustimmung zur Doppelehe eben auch aus Mitleid mit der Seelenpein des Landgrafen gegeben hat, Daß politische Erwä- gungen seine Haltung bestimmt haben, ist nicht nachgewiesen, wie denn Bucer in dieser Angelegenheit persönlich durchaus rein und unanfechtbar dasteht.

Hans Baron, Calvins Staatsanschauung und das kon- fessionelle Zeitalter. München u. Berlin, R. Oldenbourg 1924. VIII, 121 S. (Beiheft I der Histor. Zeitschr.).

Aus der Schule Friedr. Meineckes hervorgegangen, untersucht die Abhandlung zuerst die Grundlagen von Calvins Staatsanschauung und sodann die Staatslehre Calvins, um als Ergebnis den Calvinismus neben der Renaissance als eine der Quellen des modernen Staats- gedankens in Anspruch zu nehmen; dem Calvinismus fiel in der Ent- wicklung der europäischen Staatsanschauung aus dem hierokratischen in den Aufklärungsgeist die wichtigste Rolle zu; zugleich bezeugt gerade er am besten, daß das konfessionelle Jahrhundert etwas anderes war als bloß ein neuerstandenes „Mittelalter“. Nicht nur die alte katholische Vorstellung einer Gliederung der Christenheit in Laien- schaft und (diese vor Gott mit vertretenden) Klerus war, bei Calvin wie bei Luther, durch die individualistische Tendenz des allgemeinen Prestertums zerstört, sondern dessen individualistisch-freiheitlicher Geist strömte bei Calvin (weit über Luthers Meinung hinaus) nun in das ganze breite Leben des sosialen und staatlichen Daseins ein. Als Anlagen folgen kürzere Ausführungen über 1. den Zusammenhang des religiösen und weltlichen Persönlichkeitsbegriffs bei Calvin; 2. „christliches Naturrecht“ und „ewiges Recht“ und 8. das Verhältnis

von Staat und Kirche im calvinischen Genf. P. Brunner, Vom Glauben bei Calvin; darge- stelltauf Grund der Institutio, des Catech. Genev. und unter Heranziehung exegetischerund homile- tischer Schriften. Tübingen, Mohr (P. Siebeck). 1925. 162 8. Die Abhandlung, mit der Verfasser die theol. Lizentiatenwürde erworben hat, ist durchaus theologisch eingestellt. Unter Absehen

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von den historisch-biographischen Problemen wird untersucht, was Calvin zu den theologischen Fragen der Gegenwart zu sagen hat; durch die Erinnerung an den klassischen Ursprung unseres theolo- gischen Denkens in der reformator. Bewegung hofft Verf. beizutragen, die verworrene innere theologische Lage der Gegenwart zu klären.

Fr. Hünermann, Gasparo Contarini. Gegen- reformatorische Schriften (1580 c.—1542) Corpus Catho- licorum 7. (Münster, Aschendorff, 19283. XL, 76 S. M. 3,756). Wir erhalten hier sorgfültige Neuausgaben folgender Schriften des Vene- tianers: Confutatio articulorum seu quaestionum Lutheranorum (btr. die Confessio Augustana u. Confutatio), die Epistola de justiflcatione, Regensburg 1541, in der Contarini für die vereinbarte Formel über die Rechtfertigung, den 5. Artikel des sog. Regensburger Buches, ein- tritt; de potestate pontificis (Gelegenheitsschrift aus der venetianischen Zeit); endlich de praedestinatione (hervorgerufen durch die reforma- torische Bewegung in Modena). Der Ausgabe sind die Handschriften oder die Erstdrucke zugrunde gelegt; die in den Venetianer Aus- gaben von 1578 und 1589 von der Zensur besonders an der 2. und 4. Schrift vorgenommenen Anderungen teilt die Vorrede mit.

1. K. D. Schmidt, Studien zur Geschichte des Konzils von Trient. Tüb., Mohr (Siebeck) 1935. 220 S.

2. H. Rückert, „Die Bechtfertigungslehre auf dem Tridentinischen Konzil. Bonn, A. Marcus & E. Weber, 1925. VIII, 981 8. Holl u. Lietzmann, Arbeiten zur Kirchengesch. 3).

1. Die von C. Mirbt angeregte Studie zerfüllt in zwei getrennte Untersuchungen. Der erste Teil geht den Nachwirkungen der spät- mittelalterlichen Reformidee während des ersten Zeitraums des Konzils nach, um festzustellen, dak in diesem Zeitraum in Trient Konziliaris-. mus im strengsten Sinne der spätmittelalterlichen Doktrin nicht ver- treten worden ist und daß die einzelnen Fülle, in denen Konsils- teilnehmer das Eigenrecht des Konzils der römischen Kurie gegen- über betont und sich der Beschränkung der Rechte des Konzils ent- gegengesetzt haben, durch die überlegene Geschicklichkeit der vor- sitzenden Legaten zu einer dem Papsttum günstigen Entscheidung ge- bracht worden sind und somit nur dazu gedient haben, das Konsil immer fester in ihre Hand und unter den Einfluß Roms zu bringen. Daran schließt sich eine Untersuchung über „Schrift und Tradition“ in Trient, eingeleitet durch einen Rückblick auf die bezüglichen An- schauungen im kirchlichen Altertum, im Mittelalter und in der be- ginnenden Beformationszeit, woranf die Verhandlungen der Kirchen- versammlung bis zur 4. Session und dem Dekret über die kanonischen Schriften und die Tradition („Sacrosancta“) verfolgt werden, Das Dekret, wiederum ein Werk der Legaten, besonders Cervinis, führt auf eine Bestimmung des Decretum Gratiani (Gleichwertigkeit der Schrift und der apostolischen Tradition) surück; seine Bedeutung liegt darin, daß von nun an die Behauptung von der hl. Schrift als alleiniger

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Quelle des Christentums Ketserei war! Als Normaltext wurde gleich- zeitig die Vulgata festgesetzt; indem aber ihre Auslegung der „Kirche“ und dem Konsens der Väter anheinlgestellt wurde, blieb eine Lücke, insofern man es (aus kurialpolitischen Gründen) unterließ, den Begriff der ,Kirche" zu definieren.

2. Auch diese suf K. Holl zurückgehende Schrift zerfällt in zwei Teile. Im ersten (kaiserlich-päpstliche Politik 1546 usw.) wird verfolgt, wie die Kurie die dogmatischen Fragen in den Vordergrund schob, um der Verhandlung der Kirchenreform zu entgehen, wührend dann die längere Zeit bestehende Unmöglichkeit für die Legaten, die von Anfang an beabsichtigte Verlegung der Versammlung in das kuriale Einflußgebiet gegen den Widerspruch des Kaisers durchzusetzen, für den dogmatischen Stoff Raum und Zeit zu ausführlicher Verhand- lung gewührte. Verfasser findet nicht mit Unrecht starke Worte gegen die kuriale Partei, im besonderen die Legaten, die die Verhandlungen über die Rechtfertigung zu einem dienenden Glied im politischen Kampf herabwürdigten. Daran schließt sich ein dogmengeschicht- licher Teil über die Auseinandersetzung mit Luther und der Scholastik in der Rechtfertigungslehre, Luther wird abgelehnt; innerhalb der katholischen Dogmatik aber tut das Konzil in dieser Frage einen wichtigen Schritt aut dem Wege fort vom Nominalismus zum Thomis- mus, der, damals noch als via antiqua geltend, sich in Trient anschickt zur via moderna zu werden. Willkommen ist die beigegebene tabellarische Übersicht über die Verhandlungsperioden, Sitzungstage und Dekretentwürfe des Konzils vom 21. VI. 1546 bis 18. I. 1547.

In seiner kritisehen Abhandlung ,Selbstbezeugungen des Kardinals Bellarmin. Beiträge zur Bellarminforschung* (Untersuchungen zur Gesch. u, Kultur des 16. u. 17. Jahrh. herausg. von P. M. Baumgarten und G. Buschbell, Heft I; Frz. Aker, Krum- bach. XVI, 114 S.) rechnet der katholische Historiker G. Busch- bell mit jesuitischen Tendenzschriften ab, die, zur Verherrlichung des 1928, zwei Jahre nach der Dreihundertjahrfeier seines Todestages, seliggesprochenen, aus dem Jesuitenorden hervorgegangenen Kardinals Roberto Bellarmin (1542—1621) erschienen, die historische Wahrheit nicht in allem zur Richtschnur genommen haben. Demgegenüber zeigt Buschbell, ohne die Verdienste des neuen ,Seligen" zu verkennen oder zu verhüllen, auf Grund der eigenen Äußerungen jenes in Briefen und Schriften und in seiner sog. Selbstbiographie, daß Bellarmin keines- wegs ohne menschliche Schwächen, insbesondere persönlicher Eitelkeit sehr zugänglich gewesen ist, auch z. B. seine Erhöhung zum Kardinalat in einer für Ordensmänner kaum erlaubten Weise angestrebt und gefördert hat. Welch’ ein unduldsamer Geist in jenen jesuitischen Geschichts- klitterungen (eines C. A. Knellen und P. Tacchi-Venturi) herrscht, zeigen die von Buschbell mitgeteilten Proben der ebenso unsachlichen, wie maß- losen, in öde Schimpferei ausartenden Polemik, die ein paar frühere Ab- handlungeu von ihm zur Bellarminfrage in jeuem Lager entfesselt hat.

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Ankündigung einer Calvin-Auswahl-Ausgabe. Eine auf das Notwendigste beschrünkte, aber das Notwendige wirklich bietende, wissenschaftlich zuverlässige und verhältnismäßig billige Ausgabe Calvins in den Originalsprachen zu bieten ist die Absicht der von dem Verlage Chr. Kaiser in München angekündigten Textausgabe ausgewählter Werke Calvins in 5 Bänden, deren Besorgung Pfarrer Peter Barth in Madiswil (Kt. Bern), Schweiz, übernommen hat, Zugrunde gelegt ist das Corpus Ref., doch sind, um einen fehlerfreien Druck zu liefern, ältere Drucke verglichen worden. Auch sollen Calvins Anmerkungen durch genaue Nachweise der von ihm angezogenen Stellen ergünzt werden, Der Verlag hat eine Subskription auf die fünf Bände eröffnet unter Herab- setzung des Einzelverkaufspreises um 20 v. H.

Entgegnung.

Zu meinem offenen Briefe an den Prüsidenten des lutherischen Konsistoriums in Warschau, Herrn Glass, (, Archiv“ Jahrg. 30, S. 75f.) bemerkt die Reformacya w Polsce, Herr Glass habe den Wunsch aus- gesprochen, seine Erwiderung nicht zu veröffentlichen; er erkläre, „daß seine Bemerkungen sich am wenigsten auf D. Wotschke beziehen, sondern auf die gesamte Atmosphäre der Vereinigung der Pastoren in Großpolen, da diese in naher Verbindung mit dem ev.-unierten Konsistorium in Posen steht, das mehrfach mit dem verrufenen Verein zur Unterstützung des Deutschtums in den Ostmarken mitgewirkt hat.“ Ich bemerke hierzu, daß H. Glass mich tatsächlich angegriffen hat, indirekt, weil meine Arbeiten vornehmlich die Posener Jahrbücher füllen, direkt, weil er eine meiner Arbeiten ausdrücklich namhaft gemacht hat. Ich bedaure es, daß H. Glass uns seine eingehende Rechtferti- gung vorenthalten hat; doch wird er ja wissen, weshalb er es getan. Wenn er jetzt jedoch seinen Angriff zu erklären sucht durch die ge- samte Atmosphäre unseres kirchengeschichtlichen Vereins, so darf ich als ein Mitbegründer dieses Vereins und sein jetziges Ehrenmitglied wohl fragen: Woher kennt H. Glass die Atmosphüre unseres Vereins? Er ist nie ein Mitglied unseres Vereins gewesen, hat nie an einer seiner Sitzungen teilgenommen, hat 50 Meilen weit von uns entfernt gewohnt, daß ihm auch Frau Fama von unserem in der Stille wissen- schaftlich arbeitenden Verein nichts zugetragen haben kann. H. Glass hätte es ruhig zugeben sollen, daß lediglich sein Groll gegen deutsches Wesen und die unierte evangelische Kirche ihn zu dem Angriff auf unsere wissenschaftliche Arbeit getrieben hat, sein Groll, der auch jetzt wieder in der haßsprühenden Wendung gegen das um die evan- gelische Kirche im Posener Lande so unendlich verdiente Konsistorium und den Ostmarkenverein zum Ausdruck kommt.

D. Dr. Theodor Wotschke, Pratan.

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Aus dem „Verein für Reformationsgeschichte*.

Der Stand der Arbeiten des Vereins ist zur Zeit folgender:

1. Von den „Schriften“ werden für 1925 noch ausgegeben werden: 1. Nr. 138 Löscher--Schule, Kirche und Obrigkeit in Sachsen; 2. Nr. 189 Hj. Helmquist-Lund, Die schwedische Reformation 1528—81, übersetzt von Frau H. Jablonowski-Heidel- berg, revidiert vom Verfasser und Prof O. Scheel-Kiel. Für 1996 stehen in Aussicht: 1. Walther Stolze-Königsberg, Reformation und Bauernkrieg; 2. Otto Pohrt, Baltische Reformations- geschichte. Endlich ist für 1927 bestimmt: F. Pischel-Weimar, Das Armen wesen der Reformationsseit.

2. Größere Veröffentlichungen. Als Bd. VII der „Quellen und Forschungen" erscheint in kurzem: Joh. v. Staupitz, Predigten in Tübingen gehalten, herausg. von G. Buchwald-RBochlitz unter Mitwirkung von O. Scheel. Das Ganze zerfällt in zwei Teile: &) Text; b) theologische Untersuchungen. Von den „Täuferakten“ bearbeitet G. Bossert-Stuttgart den 1. Bd. = Württemberg (mit Hohenlohe); der Druck soll in diesem Winter beginnen. Fast voll- endet in der Handschrift ist Bd. 2 Baden und Pfalz, begonnen von (}) O. Winckelmann, fortgeführt von Archivrat Krieger-Karls- ruhe. Mit Bd. 3 (Schweiz) ist Dr. von Muralt betraut worden; Bd. 4 Bayern hat Dekan D. Dr. Schornbaum-Both übernommen und wird zunächst einen Arbeitsplan über die Erhebung des Materials vorlegen. Bd. 5 Thüringen, von Archivdirektor Dr. Tille-Weimar, muß vorläufig zurückgestellt werden. Noch kein Bearbeiter ist für die Schwäbischen Reichsstädte gefunden worden.

3. Süddeutsche Städteakten aus der Reformationszeit. Für .den von H. v. Schubert-Heidelberg bearbeiteten ersten Doppelband, Spengler und die Reformation in Nürnberg, ist das Material nahezu beisammen und die Redaktion kann beginnen,

4. SupplementsMelanchthoniana: Briefwechsel, herausg. von O. Clemen-Zwickau, vorläufig bis 1529. Der Herausgeber schätzt die gesamte Ausgabe auf 4 Bände zu je etwa 40 Bogen. Der Druck des ersten Bandes (bzw. Halbbandes, bis 1525 einschließlich) ist im Gange,

5. Das „Archiv für Reformationsgeschichte" soll zunächst weiter in zwei Doppelheften je zebn Bogen jährlich erscheinen. Es wird ebenso wie der Briefwechsel Melanchthons von der Notgemein- schaft der deutschen Wissenschaft unterstützt.

Der Jahresbeitrag für den Verein beträgt noch 3 M.

(Nach dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 27. September 1925 in Jena).

Druck von C. Bahulse & Co., G. m. o. H., Gräfenhainichen.

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