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ARCHIV FUR. REFORMATIONSGESCHICHTE,

TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.

In Verbindung mit dem Verein für Reformationsgeschichte

herausgegeben von

| Walter Friedensburg.

m Jahrgang Heft 1. 1.

Die Publizistik des Schmalkaldischen | Krieges I

von

0. Waldeck.

Rörers Handschriftenbände und Luthers Tischreden II.

von

Ernst Kroker.

Meinungen

(Der Speierer Reichsta abschied von 1526 und die religiöse. "^ Frage. Zeitschriftenschau. Neu-Erscheinungen.)

Leipzig " "Verlag von M. Heinsius Nachfolger 1910.

Ausgegeben im Januar 19106 ty

Preis für Subskribenten 3,50 M., einzeln is 540 M. (o H o

Verlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig.

Archiv für Reformationsgeschichte.

Erster Jahrgang 1903/04 (Heft I—IV): Subskriptionspreis M. 11.60.

Heft I: Die Vermittelungspolitik des Erasmus und sein Anteil an den Flugschriften der ersten Reformationszeit. Von Oberlehrer Dr. P. Kalkoff- Breslau. —-Antonius Corvinus ungedruekter Bericht vom Kolloquium zu Regensburg 1541. Von D. Dr. Paul Tschackert, Professor in Góttingen. Einzelpreis M. 4.40.

Heit II: Aus dem Briefwechsel Gereon Sailers mit den v gemi Bürgermeistern mer Herwart und Limpricht Hofer (April bis Juui 1544) von Prof. Dr. F. Roth- Augs TR Zur Geschichte der Packschen Händel von Univ.-Prof. Dr. G. Mentz- Jena. Ein Brief von Johannes Bernhardi aus Feldkirch von Lic. Dr. Otto Clemen-Zwickau i, S. Einzelpreis M. 4,20.

Heft III: Die Briefe G. Spalatins an V. Warbeck, nebst ergänzenden Aktenstücken von Univ.-Prof Dr. G. Mentz-Jena. Zur Biblio aphie und Textkritik des kleinen Lutherischen Katechismus von Pastor Lic. O. Albrecht-Naumburg a. S. Das perste Plakat“ Karls V. gegen die Evangelischen in den Niederlanden von Prof. Dr. P, Kalkofi-Breslau. Einzelpreis M. 4.60.

Heft IV: Zur Kirehengüterfrage in der Zeit von 1538 bis 1540 von Prof. Dr. F. Roth- Augsburg. Eine deutsche Predigt des Humanisten Johannes Caselius von Ober- schulrat Prof. D. Dr. Friedrich Koldewey-Braunschweig. Der Dialogus bilinguium ae trilinguium von Lic. Dr. Otto Clemen-Zwickau i, S. Zur Bigamie des Landgrafen Philipp von Hessen von Univ.-Prof. D. Dr. Nikolaus Müller-Berlin. Giovanni Morone und der Brief Sadolets an Melanchthon vom 17. Juni 1537 von Walter Friedensburg. Zu den römischen Verhandlungen über die Bestätigung Erzbischof Albrechts von Mainz i. J. 1514 von Professor Dr. P. Kalkofí-Breslau. Zur Geschichte Ottheinriehs von Pfalz-Neuburg (1544) von Dr. Adolf Hasenclever-Bonn. Einzelpreis M. 4.80.

Zweiter Jahrgang 1904/05 (Heft V—VIII): Subskriptionspreis M. 11.50.

Heit V: Die älteste Instruktionen-Sammlung der spauischen Inquisition I von Univ.- Prof. Dr. Ernst Schäfer-Rostock. Neue Untersuchungen über Augustana- Handschriften von Univ.-Prof. D. Dr. Paul Tschackert-Göttingen. Die Lutherisch Strebkatz von Lie. Dr. Otto Clemen-Zwickau. Einzelpreis M. 4.60.

Heit VI: Die älteste Instruktionen-Sammlung der spanischen Inquisition II. (Schluß.) von Univ.-Prof. Dr. Ernst Schäfer-Rostock. Zur Einführung der Refor- mation in Weimar von Lic. Dr. O. Clemen-Zwickau. -- Vom Vorabend des Sehmalkaldisehen Krieges von Prof. Dr. M. Wehrmann-Stettin. . Analekten zur Geschichte Leos X. u. Clemens VII. von Univ.-Prof. Dr. H. Ulmann -Greiís- wald, Eine vergessene Schrift Luthers? von Hilisbibliothekar Dr. Karl Wendel-Greifswald. Einzelpreis M. 4.40.

Heft VII: Zur Bibliographie und Textkritik des kleinen Lutherischen Katechismus II von Pastor Lic. O. Albrecht-Naumburg. Zur Geschichte des Reichstags zu Regensburg im Jahre 1541 | von Prof. Dr. F. Roth-München. Einzelpreis M. 5.10.

Heft VIII: Waldeekische Visitationsberichte von 1556, 1558, 1563, 1565 von Univ. Prof, D. Viktor Schultze-Greifswald. Ein Bild vom kirchlichen Leben Gót- tingens a. d. J. 1565 von Univ.-Prof. D. K. Knoke-Göttingen. Invietas Martini laudes intonent Christiani von Lic. Dr. Otto Clemen-Zwickau. Ein Brief des Ritters Hans Lantschad zu Steinach an Kurfürst Friedrich den Weisen 1520 von Pfarrer Dr. G. Berbig-Neustadt (Coburg). Zwei Briefe des Petrus Canisius, 1545 und 1547 von W. Friedensburg. Einzelpreis M, 3.75.

Dritter Jahrgang 1905/06 (Heft IX—XII): Subskriptionspreis M. 11.40.

Heft IX: Der Bericht des Mykonius über die Visitation des Amtes Tenneberg im Márz 1526 von Konsistorialrat Dr. P. Drews-Gießen. Zur Geschichte des Reichst zu Regensburg im Jahre 1541 Il. von Professor Dr. F. Roth-München. mische Urteile über Luther und Erasmus im Jahre 1521 von Prof. Dr. P. Kalkoff- Breslau. Bugenhagens Trauformulare von Lic. Dr. Otto Clemen-Zwickau. Einzelpreis M, 4.26.

Heft X: Stanislaus Lutomirski, ein Beitrag zur polnischen Reformationsgeschichte von Lic. Dr. Theodor Wotschke-Santomischel, a zur sächsischen Refor- mationsgeschichte [I—IV von Otto Clemen-Zwickau. Die Himmelstedter Kloster- ordnung von 1513 von Dr. Otto Heinemann -Stettin. Mitteilungen. (L. Pastors „Leo X.“ vom Standpunkte der Reformationsgeschichte, von P. Kalkoff-Breslau,) Einzelpreis M. 4.65.

Heit XI: Zur Bibliographie und Textkritik des Kleinen Lutherischen Katechismus Saina von Pastor Lic. O. Albrecht-Naumburg a./S. Zur Gegenreformation m Salzkammergut von Prof. D. Dr. Georg Loesche-Wien. Einzelpreis M. 4.90.

Heit XII: ‚Ohne Hörner und Zähne‘, eine Untersuchung von R. Meißner. Die erste kursächsische Visitation im Ortsland Franken 1. von G. Berbig. Fünf Briefe des Professors der Theologie Franziscus Stanearus aus den Jahren 1561, 1552 und 1553 von F. Koch. Einzelpreis M. 4.20,

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ARCHIV

RERORMATIONS GESCHICHTE

TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.

In Verbindung mit dem Verein für Reformationsgeschichte

herausgegeben von

Walter Friedensburg.

VII. Jahrgang. 1909/1910.

oQo

Leipzig | Verlag von M. Heinsius Nachfolger 1910.

. 2 2. m.

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Inhaltsverzeichnis.

0. Waldeck, Dr. phil. in Kassel, Die Publizistik des Schmalkaldischen Krieges I . E. Kroker, Dr., Stadtbibliothekar in Tepas, Rörers Handschriftenbände und Luthers Tischreden II P. Vetter, Dr., Gymnasialprofessor in Dresden, Ein un- gedruckter Brief des Justus Jonas 1537. : V. Schultze, D., Geh, Konsistorialrat, Universitätsprofessor in Greifswald, Das Tagebuch des Grafen Wolrad II zu Waldeck zum Regensburger Religionsgesprüch 1546 L II . . . 00. 5. 5 . S. 135-—184; N. Müller, D. " Uhiveraitätspröfessor.i in Berlin, Die Witten- berger Bewegung 1521 und 1522 IV, V, VI S. 185—224; 233—293; Fr. Roth, Dr., Gymnasialprofessor a. D. in München, Zur Verhaftung und zu dem Prozeß des Dr. Rotae Alfonso Diaz 1546. Mitteilungen: W. Friedensburg, "Der ee Reichs. abschied von 1526 und die religiöse Frage S. 93—95; Ein Verwendungsschreiben für Alfonso Diaz S. 439 bis 440. G. Berbig, Dr., Pfarrer in Koburg, Das Testament Nik. Nentwigs S. 225—227. J. Trefftz, Dr., Archivdirektor in Weimar, Karlstadt und Glitzsch S. 348—350, G. Bossert, D., Kirchenrat a. D., Judaeus Dulcius S. 440. W. Friedensburg, Aus Zeitschriften S. 95—116; 440—455. Neuerscheinungen S. 116—120; 227 bis 232; 350—352; 456—460.

56—92

121—134

294—347

853—412

413—438

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Die Publizistik des Schmalkaldischen Krieges I.

Von Oskar Waldeck.

Schon 1864 hat Droysen!) es ausgesprochen, daß alles das, „was mit Recht und Unrecht Publizistik genannt wird, den Schätzen der Archive in mancher Hinsicht ebenbürtig zur Seite“ zu stellen sei. Es ist auch nicht bei der theoretischen Anerkennung geblieben, sondern eine Reihe Untersuchungen haben sich der Publizistik früherer und späterer Epochen zugewendet. Ihre volle Bedeutung erreichte die Publizistik natürlich erst nach Erfindung der Buchdruckerpresse, die zum erstenmal im 16. Jahrhundert einen gewaltigen Einfluß auf das Leben unserer Nation ausübte. Dieser Erscheinung hat die historische Forschung auch längst ihre Aufmerksam- keit zugewendet und die Tätigkeit führender Publizisten, wie eines Luther, Hutten, Eberlin von Günzburg, eingehender Untersuchung gewürdigt. Das gleiche läßt sich nicht sagen von der Publizistik des Schmalkaldischen Krieges, obwohl sie eine sehr rege ist, denn gewaltig war die Erregung, der sie als Sprachrohr diente. Zwar sind manche zu ihr gehörigen Schriften an verschiedenen Stellen, namentlich bei Hortleder und Lilieneron, wiedergegeben, auch von den Historikern bereits mehr oder weniger berücksichtigt worden, aber es fehlt an einer annähernd vollständigen Zusammen- stellung und eingehenderen Besprechung. Eine solche dürfte aber wohl doch nicht ganz ohne Interesse sein, wenn auch nicht zu verkennen ist, daß hinter manchen anderen Quellen diese Flugschriften an historischem Interesse zurückstehen. Die folgenden Blätter sollen ihnen für die Zeit etwa vom Regensburger Reichstag 1546 bis zu Landgraf Philipps Gefangennahme in Halle gewidmet sein.

1) Forschungen zur deutschen Geschichte IV S. 15 ff. Archiv für Beformationsgeschichte VII. 1. 1

2 2

Dabei berücksichtige ich nur solche Schriften, von denen entweder mir selbst ein gleichzeitiger Druck vorlag, oder von denen ich doch nachweisen kann, daß sie damals im Druck erschienen sind. Schriften, von denen letzteres zweifelhaft ist, wie solche z. B. bei Hortleder vorkommen, bleiben ausgeschlossen, ebenso bloße Neudrucke oder Über- arbeitungen von Schriften früherer Jahre, und selbstverständ- lich solche Publikationen, die mit dem Kriege nur ganz indirekt zusammenhängen, z. B. Melanchthons Ausführungen, warum die Protestanten nicht das Tridentinische Konzil an- erkennen könnten. Diese ganze Begrenzung mag als will- kürlich bezeichnet werden, zumal damals die handschriftliche Publizistik neben der gedruckten zweifellos noch eine große Rolle spielte. Gewiß, aber aus naheliegenden Gründen glaubte ich meinem Thema nicht zu weite Grenzen stecken zu dürfen und ganz ohne Willkür wäre es dabei wohl in keinem Falle gegangen. Innerhalb der selbstgesteckten Grenzen aber habe ich meine Nachforschungen nach Flugschriften soweit als mir möglich war ausgedehnt’). Daß ich mich nicht für absolute Vollständigkeit des gebotenen Stoffes verbürgen kann, ist für jeden selbstrerständlich, der die Schwierigkeit der Arbeit auf diesem Gebiete kennt. Ist es mir doch noch nicht einmal gelungen, alle in Betracht kommenden Schriften, deren Titel bei Goedeke, Weller oder Maltzahn verzeichnet sind, aufzufinden. Manches scheint uns ganz verloren. Das geht hervor aus den bekannten Briefen Sleidans!) und aus dem Erhaltenen selbst. Ferner fehlt öfter jede Datierung und auch aus dem Inhalte ist nicht immer mit Sicherheit festzustellen, ob die Schrift der Zeit des Krieges angehört. Mag nun auch noch diese oder jene einzelne Schrift gefunden werden, so hoffe ich doch mit meinen Nachforschungen so weit gegangen zu sein, dab dadurch das Gesamtbild, dessen Zeichnung ich versuchen will, schwerlich sehr geändert würde. Dabei habe ich durch-

1) Brief vom 3. September 1546 an Philipp von Hessen und vom 25. Januar 1547 an Kardinal Du Bellay bei Baumgarten, Sleidans Briefwechsel.

2) Den Verwaltungen der Bibliotheken, die mich durch liebens-

würdiges Entgegenkommen dabei unterstützt haben, sei herzlicher Dank an dieser Stelle ausgesprochen.

3 3

gehends Drucke der Jahre 1546 und 1547 selbst heran- zuziehen gesucht, nur bei den von Lilieneron abgedruckten Stücken glaubte ich darauf verzichten zu dürfen).

Welche Arten von Flugschriften finden sieh nun vor- wiegend im Reformationszeitalter, wenn man von der Masse der theologischen ganz absieht? Einen sehr breiten Raum nehmen die eigentlichen „Neuen Zeitungen“ ein die Be- zeichnung „Zeitung“ kommt bei den verschiedensten Arten Flugschriften vor —, die lediglich berichterstattend die ver- schiedensten interessanten Dinge, wie Wundererscheinungen, Prunkfeste oder Todesfälle in fürstlichen Häusern, politische und militärische Neuigkeiten erzählen und in letzterem Falle oft genug tendenziös gefärbt sind.

Eine dunkle Zukunft suchte man zu entschleiern mit Hilfe von allerhand phantastischen Prophezeiungen, die häufig unter der Bezeichnung „Praktiken“ auftreten.

Neben diesen beiden Arten populärer Publizistik erreichen zwei andere, deren Spuren sich auch schon in früheren Jahrhunderten finden, im Reformationszeitalter ihren Höhe- punkt, das historische und politische Lied und die Schmäh- schrift, letztere vielfach unter der Bezeichnung Pasquill. Sie findet sich in gebundener Rede und in Prosa und bevorzugt die Form des Dialogs.

Diese Arten von Flugschriften bereichern allerdings in den seltensten Fällen wesentlich unser Wissen von dem, was geschah, sie führen uns auch nicht ein in die Geheim- nisse der Kabinette, aber sie zeigen, wie die mitlebende Generation Ereignissen und Personen gegenüberstand, sie sind gewissermaßen der Chor, der die Handlungen der Schauspieler auf der politischen Bühne begleitet. Man darf sie gestrost als Zeugnisse für die Stimmung nicht einzelner, sondern der ganzen Nation betrachten, denn auf Markt und Gassen und in Wirtshäusern wurden sie gelesen, besprochen und gesungen?) und wenn ihnen nicht eine starke Kauflust

1) Die den einzelnen Kapiteln der Arbeit vorgesetzten Verzeich- nisse der in ihnen besprochenen Schriften verfolgen keine biblio- graphischen Zwecke, sondern wollen nur zu jeder Schrift eine Biblio- thek nachweisen, die ein Exemplar besitzt.

2) Vgl. das Antwortschreiben König Ferdinands an Prag vom

20. Februar 1547. Hortleder Bd. II (1645) Buch III Kap. 83 S. 789. 1*

4 4 des Publikums entgegengekommen wäre, hätten sie nicht so zahlreich, manche in einer ganzen Reihe von Ausgaben er- scheinen können. Auch in den sozial höherstehenden Schichten wurden sie beachtet. Man sandte sie einander zu und machte in Briefen darauf aufmerksam, ja Fürsten ver- schmähten es nicht, in Liedern, die auf den volksmäßigen Ton gestimmt waren, für ihre Sache werben zu lassen. Überhaupt bedienten sich die Regierungen bei wichtigen Angelegenheiten neben den offiziellen Flugschriften offenbar gern anonymer in Poesie und Prosa, um die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Daher muß man bei jeder Schrift nach Möglichkeit festzustellen suchen, welchem engern Partei- oder Ideenkreise sie angehört, und ob sie etwa von Diplomaten stammt oder wenigstens unter ihrem Einfluß entstanden, oder ein naives Zeugnis der Volks- stimmung ist.

Neben der bisher charakterisierten, populär gehaltenen Publizistik ging aber noch eine wesentlich anders geartete her, die auch im 17. Jahrhundert noch eifrig gepflegt wurde. Gern bediente man sich der Presse zur Publizierung diplo- matischer Noten und Aktenstücke, und auch für das Refor- mationszeitalter dürfte Hallers') Vermutung zutreffen, daß vielfach gleich die Redaktion der betreffenden Schriftstücke unter Rücksicht auf beabsichtigte Veröffentlichung erfolgte. Sehr beliebt sind ferner bei allen Streitigkeiten umfangreiche Deduktionen und Gegendeduktionen, die „wahrhaftigen und gegründten Ausführungen“ oder „kurzen, doch gründlichen Berichte“, die, wie Haller mit Recht spottet, sehr gründlich, aber gar nicht kurz zu sein pflegen, ja um so länger zu werden scheinen, je gewalttätiger der Akt selbst war, den sie rechtfertigen sollen. Endlich setzt im Reformationszeit- alter die Erörterung des Verhältnisses der Reichsstände zum Kaiser ein. Die Veranlassung dazu war gegeben, sobald Karl V. seine Feindschaft gegen die neue Lehre klar gezeigt hatte. Denn damit erhob sich die Frage, inwieweit die evangelischen Stände gegebenenfalls berechtigt seien, ihrem Oberherrn bewaffneten Widerstand entgegenzusetzen. Diese

1) Haller: Die deutsche Publizistik in den Jahren 1668—1674.

5 5

Frage aber wird in erster Linie nach den Geboten der Bibel beantwortet, und selbst Juristen, die sie auf Grund des rö- mischen Staats- und deutschen Lehnsrechts zu entscheiden suchen, verfehlen nicht, die theologischen Argumente wenig- stens mit zu berücksichtigen. Dabei wird uns die Eigenart der Publizistik des Reformationszeitalters im Gegensatz zu der späterer Jahrhunderte deutlich. Durch die tiefgreifenden religiösen Streitigkeiten war die Bibel in den Brennpunkt des Interesses gerückt und mit Vorliebe entlehnt man auf Seiten der Protestanten und diese lieferten den größten Teil der Publizistik die Maßstäbe, mit denen man die Gegenwart auf fast allen Gebieten mißt, aus ihr. Politische Auffassung und Erörterung fehlen zwar nicht ganz, treten aber weit zurück hinter einer durch religiöse und rechtliche Gesichtspunkte gebundenen Anschauung. Im 17. Jahrhundert ist das Interesse für Politik ungleich reger und freier und dadurch unterscheidet sich seine Publizistik wesentlich von der des Reformationszeitalters, ein Unterschied, den Wentzke!) mit Recht betont.

Aus Schriften der angeführten Arten besteht natürlich auch die Publizistik der Jahre 1546 und 1547. Sie erhält aber ihr besonderes Gepräge dadurch, daß sie völlig be- herrscht wird von dem Streit über den wahren Grund und Zweck des Krieges. Religionskrieg oder nicht? Diese Frage klingt fast in sämtlichen Schriften an. Eine Anzahl aber, von denen manche amtliche, alle übrigen aber wohl auch unter dem Einfluß und auf Anregung der Regierungen entstanden sind, sind ihr fast ausschließlich gewidmet, und auf sie soll die Aufmerksamkeit zuerst gelenkt werden. Von der Beantwortung dieser Frage hing zum Teil die der schon erwähnten nach dem Recht des bewaffneten Widerstandes gegen das Reichsoberhaupt ab. Diese Frage war ja durch den Krieg akut geworden, und den neuen Erörterungen, die sie dadurch hervorrief, soll das zweite Kapitel gewidmet sein. Einzeln zu besprechen sind einige wenige anonyme, rein agitatorische Schriften mit verschiedenem Inhalt und

) P. Wentzke: JohannFrischmann, ein Publizist des 17. Jahrhunderts, Straßburger Dissertation 1904, S. 10.

6 6

verschiedener Tendenz. Die Stimmung der Nation während des Donaufeldzugs wird der Gegenstand des vierten Kapitels sein. Die Schriften zum sächsischen Kriege bilden von selbst eine gesonderte Gruppe, die wenigen Zeitungen werden in einem Anhang besprochen werden.

Erstes Kapitel.

Schriften zur Frage nach dem Grunde des Krieges.

Sehriftenverzeichnis.

1. Rómischer Kayserlicher Maiestat Declaration Wider Hertzog Johans Friderichen Churfürsten von Sachsen / vnnd Landtgraff Philipsen von Hessen MDXLVI. |

München, Universitätsbibliothek. Hortleder IIT, Kap. XVI.

2. Ain new lied zu eren rómischer kaiserlicher majestat Caroli des fünften. v. Liliencron, Historische Volkslieder der Deutschen Bd 4 Nr. 532.

3. Ein schön new gemacht lied zu lob und eer von gott auf- gesetzter obrigkait von iez schwebenden aufrürischen geschwinden practiken und kriegsleufen.

Lil. a. a. O. Nr. 538.

4. Rómischer Kei. Mayestet Ausschreiben / an etliche Stedt des Reichs / Beschehen am XVII Junij. MDXLVI Breslau, Universitütsbibliothek.

5. Copei eynes schreibens / So der Churfurst zu Sachsen / Vnd der Landtgraff zu Hessen / etc. An die Römischen Keyserlichen Maiestat / von wegen jrer Maiestat yetzo fürhabenden vnpillichen Kriegsrüstung / gethan / Darinne sich auch jre Chur / vnd F. G. entschuldigen / Das sie zu solchem Thun / keyn vrsach gegeben etc.

Anno MDXLVI Gedruckt zu Marpurg. München, Universitätsbibliothek.

6. Der Durchleuchtigst / vn Durchleuchtigen Hochgebornen Fursten vnd Herren / Herren Johans Friderichen / Hertzogen zu Sachsen / Vnnd Herren Philipsen / Landgrauen zu Hessen /.

1 | 7

Warhafftiger bericht vnd Summari aussfürung / Warumb jnen zu vn- schulden aufgelegt wirdet / das sy Rö. Kai. Ma. vngehorsame Fürsten sein solte / ...

München, Universitütsbibliothek. Hortleder III Kap. XI weicht in der Anordnung, nicht im Inhalt etwas ab.

7. Warhafftiger Abdruck vr Copey / einer Abschrifft / So vnlang der Antichrist der Bapst zu Rom / an die dreizehn Ort in Schweitz gethan.

München, Unversalbibliothek. Mit einer Vorrede Moerlins in Berlin, Kgl. Bibliothek. Hortleder III Kap. XII.

8. EPISTOLA AD TREDECIM CIVITATES Helvetiorum scripta

a PAULO PAPA TERTIO. - Anno 1546

Bamberg.

9. Des Bapsts vnnd Kaiserlicher Maiestat Bündnuss / aus dem Latein / ins Teutsch transferiert. | München, Universitätsbibliothek. Hortleder III Kap. III.

10. BVlla des grossen Ablasz / welchen der Bapst Paulus der Dritte / zu diesem Zuge vnd Ausreuttunge der Lutherischen Ketzereyen

gegeben hat. MDXLVI

Dresden, Kgl. Bibliothek. Hortleder III Kap. IX und X.

11. // Abtruck der verwarungsschrifft / der Chur vnd Fürsten / auch Grauen / Herren / Stette vnnd Stende der Augspurgischen Confession Ainungsverwandten / Irer yetzigen . . . Kriegssrüstung halben / an Kaiserliche Maiestat aussgangen / vnd beschehen

Anno MDXLVI

Augsburg. Hortleder III, Kap. XXIV.

12. BEstendiger / gegründter vnd warhafftiger bericht / auif die vnrechtmessige / vermainte / nichtige vn vnbestendige Achts Erclärung im Namen Carols / der sich einen Kaiser nennet: Wider die Durch- leüchtigsten / Durchleuchtigen / Hochgepornen Fürsten vnd Herren /

Herrn Johans Fridrichen / Hertzogen zu Sachsen /| .. . Vnnd Herrn Philippsen / Lanndgrafen zu Hessen / . . . auüganngen.

VDMLE

MDXLVI

Karlsruhe. Hortleder III, Kap. XXIX.

13. Der Durchleuchtigst vnnd Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vn Herren / Herrn Johans Friderichen Hertzogen zu Sachssen / . . . Vnd Herrn Philipsen / Landtgrauen zu Hessen / . . . Bestendige unde warhafftige / verantwortung / auch im Rechten gegründete wider- legung / Warumb die vermeinte vrsachen derwegen Karl / so sich

8 | 8

des Namens den Fünfften / Römischen Kaiser nennet / Ire Chur vnd F. G. vor vngehorsame Chur vnd Fursten / zuuerleumen vnderstanden / In facto vnd in der that nicht war |...

Karlsruhe. Hortleder III, Kap. XXX.

14. Meiner genedigsten vnnd genedige Herrn / Hertzog Johans Friderichen Churfurste zu Sachsen etc. Vn Herren Philipsen Landt- grauen zu Hessen etc. warhafftige auszfürung / das Marggraue Hansen von Brandenburg nit geburt / sich in der Key. May. dienst / wider jhr Chur vnd Fürstliche gnad / vnd ander derselben Religions ver- wandte / einzulassen / noch darinn zuuerharren.

1546 München, Universitätsbibliothek. Hortleder III, Kap. XIV.

15. Warhafftige beständige vnnd gegründte Verantwortung / Vnser von Gottes Gnaden Johansen / vnnd Albrechts / Gevettern / Marg-Graffen zu Brandenburgk / ................... ees Etlieher Puncten halben / darunt Wir von denen / so sich nennen: der Chur Fürst zu Sachsen / vnd Landt Graff zu Hessen in einem Schreiben / newlicher Tage wider die Römisch. Keyserlich. Majest. ... Vnseren aller gnüdigsten Herrn / von jhnen auszgangen / beschwerlich vnd ohne Fug / angezogen werden.

Anno Christi 1546 den 29. July

Hortleder III, Kap. XVII.

16. Ein kurtzer bericht aller ergangener handelunge auff dem Reichstage zu Regensburg . .. Gießen, Universitütsbibliothek. Hortleder III, Kap. II.

17. Newe Zeittung wie Keys. May. sich mit dem Bapst vereiniget hat / des jetzigen Kriegs halben wider das Deutschlandt, . . . München, Universitütsbibliothek.

18. Zeitungen. Aus Welschlanden: Daraus ein jder klar vor- stehen kan / das der Babst / vnd seine geistlichen / den Keyser / zu dem jtzigen Kriege bewegt / und die anfaher desselben Kriegs seind / . . .

Anno MDXLVI Gießen, Universitätsbibliothek. Hortleder III, Kap. XIL

19. Wie newlich zu Newburg in Beyern einer genandt Alphonsus Diasius seinen Bruder Johannem grausamlich ermordet hat / alleine aus hasz wider die Einige / Ewige / Christliche lehr, wie Cain den Abel ermordet.

Frankfurt a. M., Stadtbibliothek. Vgl. Hortleder II, Buch III, Kap. I.

20. Zwai Decret des Trientischen Concili / Warauff die leere vnd haltung jrer Kirchen stehn solle. Erkandt auff den achten Aprilis diss Jars.

Gießen, Universitätsbibliothek.

9 9

21. Newe Zeytung auss dem Niderland. Welche anzaygen die grausame vnd vnchristliche Tyranney / wider die armen Christen vmb Gotes worts willen / Ausz denen man klürlich befindet / Das des Kaysers Kriegssrüstung nicht ist fürgenomen vmb etlicher Fürsten vngehorsam / Sonder das Evangelion vnd Gotteswort vnder zutrucken.

Augsburg, Stadtarchiv. Hortleder III, Kap. VIII.

22. Epitome Belli Papistarum Contra Germaniam atque Patriam ipsam Caesare Carolo V duce. . MDXLVI Augsburg, Stadtarchiv.

28. Ain kurtzer bericht dess Pfaffen Kriegs. Den kaiser Carl der fünft wider Teutsche Nation vnd das Vaterland gefürt hat: im MDXLVI jare. Aussem Latin / verteüscht.

Gießen. |

24. Der Römischen Kaiserlichen Maiestat Edict / wider D. Martin Luther / seine Anhenger / Enthalter vnd Nachuolger. Frankfurt a. M., Stadtbibliothek.

Karl V. hat mit dem Schmalkaldischen Kriege zweifel- los religiöse und politische Ziele zugleich verfolgt!) aber die ersten waren für ihn die bestimmenden. Das spricht er selbst aus in zwei Briefen an seine Schwester Maria und seinen Sohn Philipp vom 9. und 10. August 1546?). Solchen Beweisen gegenüber müssen die Versuche moderner Forscher, den Sehmalkaldisehen Krieg zu einem Kampf lediglich für die bedrohte Autorität des Kaisertums zu stempeln?) von vornherein aussichtslos erscheinen. Karl erklärt selbst in den genannten Briefen den Ungehorsam einiger Reichsfürsten für einen Vorwand zum Kriege. Warum bediente er sich eines solchen?

1) Vgl. hierzu auch Nuntiaturberichte aus Deutschland, 1. Ab- teilung Bd. 8 und 9 (Gotha 1898 und 1899).

2) Auf diese bei Lanz, Korrespondenz Karls V. 2, S. 486 ff. und Maurenbrecher, Karl V. und die deutschen Protestanten 1545—55 S. 47, abgedruckten Briefe hat besonders nachdrücklich hingewiesen Maurenbrecher in der Hist. Ztschrft. Bd. 17, S. 139 ff. und die wichtigsten Stellen in deutscher Übersetzung mitgeteilt.

5) IBleibim Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig. 2. Jahrgang S. 1ff. Die gleiche Anschauung verficht Pastor in den Historisch-politischen Blättern Bd. 141 S. 225 ff.

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Er wußte wohl, daß er der zu energischer Kriegs- führung geeinigten Macht aller protestantisch gesinnten Stände Deutschlands schwerlich gewachsen gewesen wäre und daß er ihnen selbst die Waffen gegen sich in die Hand gedrückt hätte, wenn er offen das mächtigste Interesse der Zeit, das religiöse, das zudem in den meisten Fällen mit dem staat- lichen bereits untrennbar verwachsen war, gegen sieh auf- | rief. Er mußte daher ableugnen, daß der Krieg der Religion gelte, und unter kluger Benutzung seiner überlegenen Stellung als Kaiser und des Antagonismus innerhalb des feindlichen Bundes ihn zu sprengen suchen, um zunächst die gefähr- liehsten Gegner isoliert niederzuwerfen. Dazu konnte er sich freilich nur in beschränktem Maße der Presse bedienen. Seine von fernher einleitende, einheitliche und zielbewußte Politik arbeitete mit andern Mitteln. Populär konnten ihre Ziele nicht werden, packende, fortreißende Schlagworte hatte sie nicht in die Massen zu werfen. So erklärt es sich, daß auf kaiserlicher Seite die Federn der Publizisten in der ersten Zeit des Krieges nicht sehr tätig waren.

_ Umgekehrt lagen die Verhältnisse bei den Schmal- kaldenern. Diese verschiedenen Elemente, Nord- und Std- deutsche, Landesfürsten und mächtige Kommunen mit all ihren divergierenden Sonderbestrebungen wurden im Bunde zusammengehalten nur dureh die Notwendigkeit, sieh bei der neugewonnenen religiósen Erkenntnis zu sehützen. Nur wenn sie diese bedroht sahen, ließ sich erhoffen, daß alle trotz politischer Engherzigkeit, Kurzsichtigkeit und Eigennutz zu gemeinsamem Kampfe gegen Karl V. sich einigen würden. An diese Bedrohung glaubten viele Mitglieder des Bundes " selbst im Augenblick drängender Gefahr noch nicht. Schon drang der Lärm der kaiserlichen Rüstungen in das Be- ratungszimmer der Bundesgesandten zu Regensburg, als sie Hessen noch eine sehr bescheidene Forderung zu Rüstungs- zwecken abschlugen. Augsburg, ja Philipp selbst schwankte in seiner Haltung, wenn auch nur momentan, noch in zwölfter Stunde. Wohl überstand schließlich der Bund im wesent- lichen die Krisis und erwies sich fester, als Karl geglaubt hatte, aber die trennenden Momente’ blieben deshalb doch, und ihnen gegenüber mußte bei dem langen, Opfer heischen-

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den Kriege das gemeinsame große Ziel immer wieder be- tont werden.

Und keineswegs das ganze protestantische Deutschland, selbst abgesehen von den Bundesgenossen des Kaisers, er- griff bei Ausbruch des Krieges ernstlich die Waffen. Manche beteiligten sich nur lau, mehr zum Schein, andere standen ganz untütig abseits, ließen vielleicht wie Kurbrandenburg für den Sieg des Kaisers gegen die Rebellen beten, oder verhehlten schlecht ihre Neigung, offen für ihn Partei zu ergreifen, z. B. weite Kreise des Adels. Überall üngstliche Bedenken, partikulare Erwágungen. Ihnen gegenüber galt es, die Wogen der religiösen Leidenschaft hochzutreiben, um nötigenfalls durch den Druck der breiten Massen, deren Sympathien man wohl überall sicher war, wider- strebende Regierungen mit sich fortzureißeu. Ein anderes Pressionsmittel stand den Schmalkaldenern nicht zur Verfügung. Aus diesen Umständen und aus der hoch- gehenden Leidenschaft des Volkes erklärt sich die rege Publizistik auf ihrer Seite. Sie entwickelte sich aber, so- weit sie in diesem Kapitel betrachtet werden soll, im Kampfe gegen die Verschleierungsversuche und Vorwände Karls. Deshalb wird es empfehlenswert sein, zuerst zu sehen, wie er selbst seinen Standpunkt präzisierte in der einzigen offi- ziellen Flugschrift, mit der er während des ersten Teils des Krieges an die Öffentlichkeit trat, in der Achtserklürung ^).

Gleieh in der Einleitung wendet sieh Karl der Kern- frage unseres Kapitels zu, sie verneinend, wobei er seine bewiesene Liebe und Zuneigung zu Deutschland und die Opfer, die er ihm namentlieh mit dem Verlassen seiner Erb- länder gebracht, betont. Seine jahrelangen Bemühungen sind nur auf des Reiches Ruhe und Wohlfahrt und auf Beilegung des religiösen Zwistes durch ein allgemeines christliches Konzil oder andere „gebührliche Mittel und Wege“ gerichtet gewesen. Niemaudem hat er den geringsten Anlaß gegeben zu dem Vorwurf, er wolle die wahre christliche Religion oder deutscher Nation Libertät schmälern oder unterdrücken, oder sonst zu Ungehorsam oder Rebellion. Der Kurfürst

! Verzeichnis Nr. 1.

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und Landgraf aber haben sich der Gehorsamsverweigerung und Auflehnung gegen seine Hoheit schuldig gemacht, andere Stände zu gleichem Ungehorsam und verwerflichem Tun bewogen und ihn dadurch an der ordentlichen Ausübung seiner kaiserlichen Gewalt mehrfach gehindert, ja sich die- selbe in frevler Weise angemaßt. Ebenso allgemein gehalten wie diese sind die folgenden Vorwürfe der Acht. Die einzelnen Fälle, die ihnen zugrunde liegen, werden nie bestimmt genannt, sondern müssen erraten werden. Eine große Rolle spielen dabei die Packschen Händel und das Vorgehen der beiden geächteten Fürsten gegen den Braun- schweiger. Der Kurfürst und der Landgraf haben wird etwa weiter ausgeführt reichsunmittelbare Stände und Adlige unter ihre Herrschaft gebracht, die Gebiete etlicher eingenommen und enthalten sie ihnen, entgegen kaiserlichem Gebote, noch vor. Andere hohe und niedere Stände haben sie ihrer Obrigkeit, Güter, Renten und Gülten entsetzt und fahren damit noch fort. Wieder andere Stände und Unter- tanen von solchen haben sie gegen den Willen des Kaisers und der ordentlichen Obrigkeit derselben durch verwerfliche Mittel unter dem Vorwand der Religion bewogen, sich in ihren Schutz und Schirm zu begeben, und tun das noch weiter in der Absicht, sie dem Reiche und ihrer rechtmäßigen Obrigkeit zu entziehen und sich zuzueignen. Ferner haben sie in frevler Weise andere Stände vom Besuch des hegens- burger Reichstags abgehalten, die Justiz gehindert und die Anerkennung des Kammergerichts verweigert. Die Religion, Frieden, Recht und deutscher Nation Libertät werden nur als Deckmantel gebraucht. In Wahrheit trachten sie nach des Kaisers Hoheit, Autorität, Krone und Zepter, um dabei ihren eignen, unrechtmäßigen Nutzen zu suchen und männig- lich unter ihr Joch und Tyrannei zu bringen. Zeugnisse ihres untreuen, aufrührerischen Gemütes sind ihre frevlen, vermessenen Reden und die Schand- und Schmähschriften und Gemälde, die sie verbreiten lassen, um den gemeinen . Mann dadurch gegen den Kaiser zu erbittern und zum Auf- ruhr zu reizen. Konspiration und Meuterei gegen den Kaiser und Aufhetzung fremder Potentaten gegen ihn unter Angebot ihrer eignen Unterstützung haben sie sich zuschulden

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kommen lassen. Auch weiß man von ihrem guten Willen, Deutschland wegen der Türken in Sorge und Gefahr zu setzen, genug zu erzählen. Durch das alles haben sie sich des Verbrechens der Majestätsbeleidigung schuldig gemacht. Die Nachsicht und Gnade, die Karl bisher dem Landgrafen und dem Kurfürsten namentlich zu Regensburg und Speyer gezeigt, in der Hoffnung, sie zu gewinnen, hat sie nur um so ver- stockter auf ihrem frevlen Vorhaben beharren lassen. Jetzt muß er einschreiten, auch im Interesse des Reichs, das sonst wenig Hoffnung auf Religionsvergleichung hat und beständigen Frieden und Recht entbehren muß.

Und dann folgt der volle Tenor der Achtserklärung.

Karl V. hat mit ihr bewiesen, daß er schärfer beobachtet hatte als die Berater Roms, dessen Forderung, den Glaubens- krieg offen zu proklamieren, nur auf völliger Unkenntnis der deutschen Verhältnisse beruhen konnte. Eine katholische Partei im Sinne Roms und Habsburgs gab es nicht mehr!) Hätte der Kaiser offen den Krieg als Kampf um den Glauben proklamiert, so hätte er nicht nur selbst die Protestanten zusammengezwungen, sondern er hätte auch bei den Katholiken wenig Unterstützung gefunden.

Der Gegensatz vieler Adligen zu den Schmalkaldenern war kein konfessioneller, sondern beruhte auf ganz anderen Grundlagen. Sie schenkten dem neuen .Glauben ihre volle Sympathie, fürchteten aber beim Fortschreiten der Evangeli- sierung die völlige Einziehung der geistlichen Güter, durch die so viele ihrer Söhne und Töchter Versorgung gefunden hatten, und die Unterdrückung des Adels durch die Über- macht von Städten und Fürsten. Nur durch den Anschluß an den Kaiser glaubten sie Existenz und Freiheit retten zu können. Diese Stimmungen gehörten zu den Hauptfaktoren,: mit denen am kaiserlichen Hofe gerechnet wurde. Ent- sprechend lagen die Verhältnisse bei der Geistlichkeit. Selbst die Kapitel, ja Bischöfe standen den neuen Lehren keineswegs abgeneigt gegenüber. Wohl aber waren die

1) Lenz: Die Kriegführung der Schmalkaldener usw. Hist. Ztschrft. Bd..49. Dieser Aufsatz ist auch für die folgenden Aus- führungen zu vergleichen.

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verschiedenen Abstufungen der Hierarchie jene hohen und niederen Stände, für die in erster Linie Entsetzung von Obrigkeit, Gütern, Renten und Gülten durch die Schmal- kaldener in Betracht kommen konnten. Sie und auch katholische Laienfürsten hatten erfahren, was es hieß, wenn Untertanen von ihnen wegen des Glaubens bei den Schmal- kaldenern Anlehnung fanden. Mit einem Wort: Auch im Lager der Altgläubigen fochten wenigstens die meisten für Stellung und Besitz, nicht für das Dogma, und den Schutz der erstgenannten Interessen unter Schonung der Über- zeugungen mußte der Kaiser auf seine Fahnen schreiben, wenn er ihre volle Unterstützung gewinnen wollte. Dadurch, daß er speziell für Heinrich von Braunschweig eintrat, gewann er noch dessen in Niederdeutschland mächtigen Anhang für sich, z. B. Hans v. Brandenburg-Küstrin und Erich von Kalenberg.

Doch hat Ranke!) mit Recht auch noch in einem anderen Sinne die Achtserklärung einen Akt der Politik Karls genannt. „Da nun einmal das Schwert gezogen wurde, mochte es ihm an der Zeit scheinen, das ganze Gewicht seiner kaiserlichen Autorität einzusetzen.“ Es war doch immer der Kaiser, der hier unter scharfer Betonung seiner Hoheit gegen Rebellen sprach und des Reiches Panier entrollte zum Schutze von dessen alten Einrichtungen und seiner Stände Libertät. Jahrhunderte alte, anerzogene Ehrfurcht, der ganze Zauber altehrwürdiger Überlieferung mußten wirksam werden.

Ferner war doch die Krone mit ihrer Summe von Rechten auf dem Haupte dieses Trägers eine Macht, mit der sich jeder Reichsstand auseinandersetzen mußte. Sie konnte Sonderbestrebungen, ehrgeizigen Wünschen viel ver- sagen, aber auch viel gewähren. .

Die Acht war, wie schon erwähnt, die einzige offizielle Schrift, mit der sich Karl an die Öffentlichkeit wandte. Aber noch zweimal ließ er im Liede seinen Standpunkt zu der Kernfrage des ganzen Krieges kennzeichnen. Was kann schlagender beweisen, welcher Faktor in der Rechnung dieses

1) Ranke: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation Bd. 4 (Berlin 1843), S. 422.

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Realpolitikers die öffentliche Meinung war, als wenn er die Klänge einer beliebten Weise benutzte und sich das Volk den Glauben an den göttlichen Auftrag seines Amtes zum Schutze des Volkes und der Freiheit und zur Bestrafung von Volksbedrückung, Rebellion, Lieb- und Treulosigkeit gleich- sam ins Herz singen ließ? Diese Auffassung vertritt das erste der Lieder’), die sogenannte Cantilena imperatoria, die offenbar noch verfaßt und verbreitet ist zur Zeit des Übergewichts der Schmalkaldener. Mochten auch die Zeit- genossen irren, wenn sie Karl V. selbst für den Dichter hielten, so hat doch Lilieneron mit Recht das Lied als eine Art kaiserlichen Manifestes bezeichnet. Zugunsten der Spanier und Italiener wurde es auch ius Lateinische übertragen und mit besonderer Sorgfalt verbreitet. |

Auch das zweite Lied?), das kurz nach dem Abzug der Schmalkaldener in Giengen entstanden sein muß, ist in seinem allgemein gehaltenen ersten Teil der Rechtfertigung und dem Preis des Kaisers gewidmet. Mit Recht hat Lilieneron darauf hingewiesen, daß schon die Wahl der Melodie: „Aus tiefer Not“ ebenso wie der Inhalt beweist, daß dies Lied in erster Linie auf Verbreitung unter den Protestanten berechnet war. Es ist ein interessantes Beispiel, wie der Kaiser zu agitieren suchte. Über seine Stellung zur Religion heißt es:

„Ich hoff er sei nit des gesinnt, zu helfen den misspreuchen,

so er allain gehorsam findt,

gar schon wirt ers vergleichen, damit nit alls in misprauch kum berufen ain concilium

dasselbig auszzustreichen.“

Also das verhaßte Konzil zu Trient wird stillschweigend ignoriert und lockend die Berufung eines neuen, den An- sprüchen der. Protestanten besser genügenden in Aussicht gestellt.

1) Verzeichnis Nr. 2. ?) Verzeichnis Nr. 3.

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Die wichtigsten Gegner, mit denen der Kaiser nach Beendigung des Donaufeldzuges fertig werden mußte, waren die mächtigen oberdeutschen Kommunen. Gegen sie ruft er in demselben Liede Klassen- und Interessengegensätze zu Hilfe, indem er an den seit Jahrzehnten in allen Schichten der Nation tief eingewurzelten Haß gegen die reiche Kauf- mannschaft appelliert, um gegen sie, deren Geld ihm doch so oft willkommen gewesen war, den Adel und das niedere Volk auszuspielen: Wenn der Plan der Schmalkaldener ge- glückt wäre, heißt es:

„die kaufleut wurden herren sein, der adel leiden schwere pein, mit diensten in verbunden.

Das iez der adel wenig tracht, so sich zu in thut geben,

. von wenn sie haben solchen pracht mit kostligkeit zu leben:

. ir wuchern noeh vil mer vermag mit elenmasz und auch der wag, müst merken ir gar eben.

Es ist kein jar so fruchtbar nie, si künnen reumen machen t),

es sei verdorben in der plie?), der arm man kans nit lachen; das meer wirt auch oft ungestum, verderbet in ain grosze summ, sagen von groszen sachen?).“

Die Achtserklärung, die selbstverständlich politisch wich- tigste der drei besprochenen Schriften, ist zwar vom 20. Juli datiert, tatsächlich publiziert und versandt aber erst im August. Die Verbündeten standen also bereits mit schlag-

1) „D. h. können Reime, Lügen schmieden.“

2) „In der Blüthe.“

3) „Oft muß auch vorgeblicher Seeschaden an ihren wucherischen Preisen schuld sein.“ Diese drei Anmerkungen sind entnommen aus Lilieneron Bd. IV S. 364 Anm. |

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fertigem Heere im Felde, als die offizielle Kriegserklärung des Gegners ihnen übersandt wurde. Sie hatten sie nicht erwarten dürfen, wenn sie sich nicht selbst aufgeben wollten, denn inzwischen waren doch auch den Ruheseligsten unter ihnen die Augen geöffnet worden. Den Kurfürsten scheint erst das Lachen stutzig gemacht zu haben, mit dem Karl am 13. Juni die Antwort der Protestanten auf seine Pro- position aufnahm!). Doch schon waren Nachrichten ein- getroffen, zum Teil durch den stets wachsamen Landgrafen nach Regensburg vermittelt, die keinen Zweifel mehr an den feindseligen Absichten des Kaisers ließen. Sein Beicht- vater und einige Bischöfe drängten, wie man hörte, auf Anstiften des Papstes stark zum Kriege. Die auswärtige Lage gab ebenfalls zu denken, Friede mit Frankreich, Waffenstillstand mit den Türken. Eine Interpellation des Kaisers am 16. Juni durch die Gesandten der Schmalkal- dener, denen sich Köln und Pfalz zugesellten, brachte eine unbestimmte Kriegsdrohung. Es war vom künftigen Un- gehorsam die Rede. Doch sprach schon der ganze Hof von der Züchtigung der ungehorsamen Fürsten?) Unmittelbar darauf erklürte sich auch Karl selbst deutlicher bei der Beantwortung einer nochmaligen Anfrage durch Friedrich von der Pfalz, namentlich aber in einem Briefe?), den er ‘unter dem 17. Juni an mächtige oberdeutsche Stände, wie Augsburg, Nürnberg, Ulm, Straßburg richtete, ihre Unter- stützung im bevorstehenden Krieg fordernd. Er erklärt hier unter reichlichen Beteuerungen seiner gnädigen Gesinnung gegen die Städte, daß er lediglich zur Erhaltung seiner kaiserlichen Hoheit, des Friedens, Rechts und der Einigkeit im heiligen Reiche gegen etliche einschreiten müsse, die unter dem Vorwande der Religion andere Reichsstände, nicht zuletzt die Städte, in Besitz und Libertät bedrohten. Von den Anklagen findet sich schon hier: Gewalttätige Be- raubung geistlicher und weltlicher Stände, Hinderung von Recht und Gericht, Antastung der kaiserlichen Hoheit, um

1) Ranke a.a. O. S. 412. 2 Ranke a. a. O. S. 413. *) Verzeichnis Nr. 4. Archiv für Reformationsgeschichte VII. 1. 2

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weiter alle Reichsstände, namentlich die Reichsstädte, teils mit Gewalt, teils mit andern „geschwinden Praktiken“ in ihre Botmäßigkeit zu bringen, mutwillige Reden, als seien sie gewillt, das Schwert gegen den Kaiser zu gebrauchen, und Verbreitung von Schmähschriften zur Aufreizung des ge- meinen Mannes.

Auch mtündliehe Verhandlungen fanden am 17. Juni durch Granvella und Naves mit den Gesandten der vier genannten Städte statt, um sie auf die Seite des Kaisers hinüberzuziehen. Das Schreiben überreichte Lazarus Sehwendi dem Rate von Augsburg am 21. Juni. Sofort wurde durch einen reitenden Boten eine Kopie an die Vertreter der oberländischen Bundesstände in Ulm gesandt, und eine andere Kopie sandte gleichzeitig Frólieh „in fliegender Eile“ durch Schertlins Vermittlung an den Landgrafen'). Sicherlich hat dieser das wichtige Schriftstück sofort im Druck publiziert. Wenn er die kaiserlichen Trennungsversuche der Öffentlich- keit unterbreitete, so nahm er ihnen damit einen Teil ihrer Gefährlichkeit. Aber in erster Linie war das Schreiben für ihn und den Kurfürsten aus einem anderen Grunde der Publikation wert. Daß sie, obwohl nicht genannt, doch mit den ungehorsamen Fürsten, von denen es sprach, gemeint waren, konnte niemand bezweifeln. Sie hielten mit ihm die kaiserliche Kriegserklärung in Händen, die ihren Rüstungen und weiteren Schritten zur Rechtfertigung dienen konnte.

Schon am 4. Juli sandten sie ihr erstes Entschuldigungs- und Protestschreiben?) an den Kaiser, das auch publiziert wurde und wohl gleich im Hinblick darauf redigiert war. Es ist noch durchaus im Tone konventioneller Höflichkeit

1) F. Roth: Augsburgs Reformationsgeschichte Bd. III S. 345. Am 24. Juni überreicht Lazarus Schwendi dies Schreiben in Straßburg. Vgl. Holländer, Straßburg im Schmalkaldischen Kriege S. 5.

Die Schmalkaldener scheinen auch noch aus anderer Quelle Mitteilungen über die Kriegsgründe, die der Kaiser vorschützte, er- halten zu haben, denn am 6. Juli schreibt Melanchton an Herzog Albert von Preußen, der Kaiser habe als Gründe seines Krieges gegen die Fürsten, die er aber noch nicht genannt habe, vorgegeben, ihre Contumacia, weil sie Bischöfe eingesetzt, Klöster eingezogen hätten und Fürsten gefangen hielten. C. R. VI.

?) Verzeichnis Nr. 5.

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gehalten, enthält aber schon die Grundgedanken ihrer späteren Polemik:

Sie verweisen auf den Gehorsam, den sie bisher in „Anlagen“ und Diensten geleistet, und auf die Verträge von Speyer und Regensburg. Das Vorgehen des Kaisers verstößt gegen die Bestimmungen seiner Wahlkapitulation, des Reichs- rechts und des Landfriedens. Es bedeutet gewalttätigen

Mißbrauch seines Amtes und seiner Autorität ohne göttliche

und menschliche Befugnis. Des Ungehorsams sind sie nicht schuldig, sondern der Krieg wird lediglich auf Anstiften des Antichrists zu Rom und seines unchristlichen Konzils zu Trient unternommen zur Unterdrückung ihrer wahren Religion und der Libertät deutscher Nation. Damit war die ent- scheidende Losung: „Kampf für die Religion und die deutsche Libertàt^ gewissermaßen amtlich ausgegeben, die nun allerdings unter ganz überwiegender Betonung des ersten Teiles in allen offiziellen Schriften der beiden Bundes- häupter weiter erklingt und auch in den meisten nicht offiziellen ihrer Parteigenossen.

Sie wird ausführlicher verfochten in der Schrift?) mit der die beiden genannten Fürsten am 15. Juli vor die Öffentlichkeit traten. Auch hier berufen sie sich auf die Verträge von Regensburg und Speyer, in denen alle vorher- gehenden Irrungen beigelegt seien, und betonen die Beweise gnädiger Gesinnung, die der Kaiser dem Kurfürsten und dem Landgrafen 1544 und 1546 zu Speyer gegeben hatte, um sein jetziges schroffes Vorgehen desto unverständlicher und unbegründeter erscheinen zu lassen. Besonders rechtfertigen sie sich noch wegen der Streitigkeiten mit Julius Pflug und Heinrich von Braunschweig, der Rekusation des Kammer- gerichts, ihres nicht persönlichen Erscheinens auf dem Reichs-

1) Verzeichnis Nr. 6. Der Brief vom 4. Juli ist nochmals wit abgedruckt. Angehängt ist ein Abdruck des Vertrages von Speyer 1514 mit der Ratifikation des Kaisers und Königs. Bei den einzelnen Artikeln ist in Zwischenbemerkungen angegeben, wie weit sie der Kónig gehalten habe oder nicht. Ebenso ist angehüngt ein Abdruck des Sequestrationsvertrages über Braunschweig. Gegen ihn hatte ja Herzog Heinrich im Jahre 1545 gehandelt und durfte deshalb nach den Bestimmungen des Vertrages selbst als Landfriedensbrecher be- handelt werden.

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tag zu, Regensburg und der Unterwerfung von Grafen und Herren innerhalb ihrer Gebiete unter ihre Hoheit, um zu folgern, daß man aus all diesen Dingen keinen Kriegsgrund gegen sie herleiten könne. Die Erklärung, der Krieg gelte nicht der Religion, ist nur ein Mittel zur Trennung, sind erst Sachsen und Hessen unterdrückt, wird man wegen dieser Erklärung leicht einen Ausweg finden. Der Kaiser wird dann leicht sagen können, er führe nicht Krieg gegen Gottes Wort oder die wahre Religion, sondern gegen im Trienter Konzil erklärte Ketzereien. Die Exekution sei seine Pflicht als Advokat der römischen Kirche und nicht gegen seine Zusage, denn verdammte Ketzerei sei nicht Gottes Wort, noch die wahre Religion.

Auch eine Anzahl direkter Beweise für den religiösen Charakter des Krieges werden angeführt, die teils aus Äußerungen der Gegenpartei, des Königs, eines Verwandten von ihm, Naves, etlicher Spanier bestehen, teils aus Meldungen von auswärts, aus Italien über Öffentliche Verkündigung des Krieges gegen die Lutherischen, aus Spanien über große Beisteuern des Erzbischofs von Toledo und der spanischen Geistlichkeit., Die Verurteilung Hermanns von Wied, zu dessen Nachfolger man einen Hauptförderer dieses Krieges, den Kardinal von Augsburg, machen wolle, wird ebenfalls ‘in diesen Zusammenhang gebracht und an den drohenden Reichstagsabschied von Augsburg 1530 erinnert. Am Schlusse findet sich noch ein Hinweis, der in den späteren Schriften wiederkehrt, nämlich daß der Kaiser trotz seiner zu Speyer übernommenen Verpflichtung, nach Beendigung des Feldzugs gegen Frankreich in eigner Person gegen die Türken zu ziehen, und trotz der Meldungen von starker Bedrohung Ungarns und Kroatiens durch dieselben das Blutvergießen in Deutschland vorgehen lassen wolle. Man muß dabei bedenken, daß für dies Geschlecht der Kampf gegen die Türken eine stehende Rubrik in den Angelegenheiten des öffentlichen Lebens bildete, und daß es als schwerer Frevel galt, diesem Feinde der Christenheit irgendwie Vorschub zu leisten. |

Merkwürdig ist, daß verschiedene Anklagepunkte, die schon der kaiserliche Brief vom 17. Juni enthält, in der

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Sehrift übergangen werden. Im wesentliehen aber sind die verbündeten Fürsten über die Kriegsvorwünde des Kaisers richtig unterrichtet und haben offenbar gute Fühlung bis in das Lager des Feindes hinein. Auch in den verschiedensten Orten Italiens, z. B. in Mailand und hom, haben sie ihre Berichterstatter, die sie rasch und gut bedienen!)

Eigentümlich genug ist ihre Lage in diesem Moment. Sie führen angriffsweise den Verteidigungskrieg gegen einen Gegner, der den Frieden tatsächlich noch nicht gebrochen hat und für dessen feindselige Absichten sie sich berufen müssen auf seine Erklärungen gegenüber den Gesandten der Städte am 17. Juni und auf den Brief vom gleichen Datum. Sie verteidigen sich gegen Anklagen, von denen doch nur ein Teil im Briefe vom 17. Juni angedeutet war, die aber sonst nirgends klar und offiziell gegen sie erhoben waren. Und doch haben sie das deutliche Bewußtsein, daß hier alte, unversöhnbar tiefe Gegensätze zur Entscheidung drängen, fühlen sich von der gewandten, im Stillen arbeitenden Politik des Kaisers umgarnt und bedroht und wissen, daß er falsche Kriegsgründe vorschützt, um sie zu isolieren. Dieser Un- klarheit der Lage war ein Ende gemacht, wenn es gelang, die ihres Erachtens wahren Ziele des Gegners zu beweisen, nämlich Unterdrückung ihrer Religion und der deutschen Libertät, letzteres Ziel wird wenigstens in jeder der offi- ziellen Schriften mit genannt. Aber die direkten Beweise, die sie für ersteres vorbrachten, ließen doch an Stichhaltigkeit zu wünschen übrig. Es lief alles auf unbewiesene Nach- richten von Mittelsmännern hinaus, die nicht genannt wurden. Da erhalten sie besseres Beweismaterial von einer Seite, von der sie es nicht erwarten konnten.

1) Über Zeitungen, die den Schmalkaldenern aus Italien zukamen, vgl.u.a. Kannengießer: Die Kapitulation zwischen Kaiser Karl V und Papst Paul III S. 214, und Kannengießer: Karl V und Maximilian Egmont, Graf von Büren, S. 148. In einem Konzept von Frölichs Hand im Archiv zu Augsburg wird der Weg auseinander- gesetzt, Nachrichten aus Italien zu erhalten durch einen Potesta oder Befehlshaber aus Mirandola. Herberger: Sebastian Schertlin von Burtenbach und seine an die Stadt Augsburg geschpenenen Briefe. S. 120, 121 Anm.

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In dem ausbrechenden Kampfe konnte die Haltung der Schweiz von ausschlaggebender Bedeutung werden und von beiden Seiten wurde daher um ihre Bundesgenossenschaft eifrig geworben. Uns interessiert dabei nur das Eingreifen des Papstes. Um nämlich die Schweizer zu bewegen, auf die Seite des Kaisers zu treten, sandte er zu einer bevor- stehenden Tagsatzung einen Nuntius, Hieronymus Frank, an sie ab und gab ihm ein vom 3. Juli datiertes Breve ') zur Übermittlung an die Eidgenossen mit, in dem er sich selbst als Verbündeten des Kaisers und den Krieg als Religions- krieg erklärte. Rasch genug erlangten die Sehmalkaldener Kenntnis von diesem wichtigen Sehriftstück. Am 25. Juli sandte Frank ein Schreiben mit einer Kopie dieses Breves nach Luzern, Zurich und Basel?), und bereits am 31. des- selben Monats übermittelten die Dreizehn der letztgenannten Stadt Absehriften davon an die Dreizehn von Straßburg’). Dank den vorzüglichen Postverbindungen*) der Sehmalkal- dener flog die wichtige Kunde raseh weiter. Am 7. August gaben die beiden Bundeshäupter dem Kurfürsten von der Pfalz Nachrichten über die Werbungen des päpstlichen Nuntius an die Eidgenossenschaft und überschickten Herzog Moritz von Sachsen eine Kopie des Breves?) Bereits einen Tag früher hatten Statthalter und Regenten von Neuburg dem erstgenannten Fürsten geschrieben: „der Bapst hat in Schweiz geschrieben und gebeten dem keiser beystand ze- thun, dann diese Sect werde sich anders nit dann mit langen Spießen und dem Schwert niederdrücken lassen. . Darob die Protestierenden nit erschreckt sondern des zum hochsten erfreut seyen, nachdem man hievor all hendl auf leugnen gestellt hat“®%). Am 9. August legte dann der Nuntius der eidgenössischen Tagsatzung zu Baden im Aargau, auf der über die Haltung der Schweiz entscheidende Beschlüsse 2! Verzeichnis Nr. 7.

?) Kannengießer: Kapitulation S. 235.

3 Kannengießer a.a. O. S. 241.

t) Vgl. darüber L. Müller: Nördlingen im Schmalkaldischen Kriege S. 65. | | E

5 E. Brandenburg: Politische Korrespondenz des Herzogs

und Kurfürsten Moritz von Sachsen II 759. 6) Hasenclever: Kurpfälzische Politik S. 93, Anm. 232.

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gefaßt werden sollten, das Breve und eine Abschrift des Bündnisses zwischen Papst und Kaiser vor. Die Baseler ließen von beiden Abschriften nehmen und sandten sie nach Straßburg!) Am 14. wurde dort eine allerdings nicht ganz korrekte Kopie des Bündnisses verlesen?). Vier Tage später ist eine solche wohl in deutscher Sprache in den Händen des Landgrafen und des Kurfürsten und offenbar ebenso eine nochmalige Kopie des Breves?) Philipp wird in den ersten Tagen des September im Besitze einer italienischen Kopie des Bündnisses und einer lateinischen des Breves gewesen sein, ebenfalls via Basel-Strafburg *).

Waren schon die beiden besprochenen Dokumente ge- nügend, den religiósen Charakter des Krieges zu beweisen, S0 kam bald noch ein drittes hinzu, das vielleieht noch besser geeignet war, dem gemeinen Manne die Augen zu öffnen und seinen ganzen Haß gegen Rom zu entflammen, nämlich eine päpstliche Ablaßbulle vom 15. Juli, durch die für Werke der Frömmigkeit, die Gottes Beistand für den bevorstehenden Krieg und zur Austilgung der Ketzerei ge- winnen sollten, außerordentlicher Ablaß gewährt wurde. Auch sie kam über die Schweizerstädte in die Hände der Schmalkaldener, die nicht zögerten, sie ebenso wie Breve und Bündnis der Öffentlichkeit zu übergeben?) Alle drei Dokumente erschienen noch im August im Druck*), doch ließen die beiden Bundeshäupter, vielleicht nach genaueren und zuverlässigeren Kopien, auch später noch neue Ausgaben veranstalten *).

g ) Kannengießer a.a. O. S. 238.

? Kannengießer a.a. O. S. 242. Eine andere deutsche Kopie traf am 20. August von Straüburg her im Hauptquartier der Verbündeten ein. E. Brandenburg a.a.0. II 775. Vielleicht war die am 18. August eingetroffene Kopie nicht ganz korrekt und lief am 20. August erst die berichtigte Fassung ein.

3) Vgl. den Brief Schertlins an Augsburg vom 19. August bei Herberger. ; |

1t) KannengiedBer a. a. O. S. 242, 243,

5) Verzeichnis Nr. .8— 10.

9$) Das beweist die Vorrede eines in Berlin befindlichen, nicht vollständigen Exemplars.

?) Sailers Brief vom 18. September. Lenz: Bucerbriefwechsel III S. 456 Anm.

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Dre Eindruck dieser Publikationen war außerordentlich, das beweist die Schärfe der Polemik, für ihre große Ver- breitung spricht die Zahl der verschiedenen Ausgaben. Sie sind alle ohne genauere Datierung, selbst die mit Vor- und Nachwort der beiden Bundeshäupter versehene Publikation des Breves vom 3. Juli, die sich übrigens gegenüber einem in Bamberg befindlichen lateinischen Exemplar als ziemlich freie Übersetzung erweist. Viele dieser Ausgaben, die schwerlich alle im offiziellen Auftrage erfolgten, sind mit Vor- und Nachworten oder Glossen versehen, die einen Hinweis auf die Bedeutung des betreffenden Dokuments oder auch leidenschaftliche Angriffe und Schmähungen gegen Rom enthalten. Es findet sich in ihnen auch wohl der Gedanke, der Papst wolle jetzt Rache nehmen für die Belagerung und Plünderung Roms durch Deutsche im Mai 1527. Gelegentlich schreiben Geistliche die Begleitworte zu einer Neuausgabe, so Moerlin zum Breve vom 3. Juli, Amsdorf zur Ablaßbulle.

Dieselbe Zeit, in der sie Kenntnis erhielten vom Breve des Papstes, brachte den beiden Bundeshäuptern auch Ge- wißheit über die Stellung des Kaisers zu ihnen. Zwar war die Acht noch nicht publiziert, lag aber gedruckt zu Regens- burg!) vor, und bereits am 3. August teilte der Nürnberger Syndikus, Dr. Gemell, Philipp mit, er hoffe ihm die Acht binnen zwei Tagen zusenden zu kónnen. Man darf wohl annehmen, daß das auch geschehen ist, und daß also am 6. oder 7. August die Verbündeten Kenntnis hatten von der - Acht und dem päpstlichen Breve, wenn auch noch nicht von Ablaßbulle und Bündnis. Das bedeutete aber gegen- über früherer Ungewißheit eine Klärung der Lage, die auch auf den Ton ihrer amtlichen Publizistik einwirkte.

In ihren ersten Publikationen hatten sie noch eine ge- wisse Mäßigung des Tones beobachtet. Wohl zieh man Karl V. widerrechtlichen, unkaiserlichen Vorgehens und warf ihm falsches Spiel vor, aber. man behandelte ihn doch als Oberherrn und Kaiser. Ja, wie zu seiner Entschuldigung sprach man von Mißgtinstigen, die einen Ungehorsam der

) Lenz a. a. O. III S. 443.

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beiden Fürsten ihm vorspiegelten. Jetzt aber zerschnitt der ganze Bund das Tischtuch zwischen sich und dem Kaiser völlig in dem Verwahrungsschreiben vom 11. August.

Nicht nur das Recht der Gegenwehr auf Grund des religiösen Charakters des Krieges wird hier verfochten, sondern der Standpunkt, daß Karl durch sein gegen seine Wahlkapitulation und das Reichsrecht verstoßendes Vorgehen sich selbst des Kaisertums entsetzt habe. Daher erklären sich die Verbündeten aller Pflichten gegen ibn ledig, „doch dem heiligen Reiche in allwege nicht allein unnachteilig, sondern auch zur Erhaltung desselben wohlhergebrachten Libertäten und Freiheiten“. Der Krieg, den sie Karl und seinen Helfershelfern ansagen, wird zur Pflicht, „dann umb Gottes und seines heiligen Worts Ehre und Glori und umb des heiligen Reichs Teutscher Nation Wohlfahrt und Liber- tät willen“ bekennen sie sich schuldig, Gut und Blut zu wagen.

Diesen Brief übersandten sie am 14. August!) durch einen Edeiknaben und einen Trompeter dem Kaiser. Dieser aber verweigerte die Annahme, bedrohte jeden weiteren Boten der Schmalkaldener mit dem Tode und ließ den Über- bringern die gedruckte Achtserklärung zustellen, mit dem Befehl, sie ihrem Herrn zu überliefern. Diese publizierten nun den Brief ?), wobei sie in einem Vorwort das Verhalten des Kaisers bei der Übersendung mitteilten und am Schlusse das Kapitel aus seiner Wahlkapitulation abdruckten, in der er sich verpflichtete, keinen Reichsstand ohne rechtmäßigen Prozeß zu ächten. Dieser Schritt erfolgte sicher unmittelbar nach dem 14. August, also zu einer Zeit, als noch alle Aus- sichten auf Erfolg auf seiten der Protestanten waren, die damals noch die beherrschende Stellung am Rhein und an der Donau und die numerische Überlegenheit über den Kaiser hatten. Die Publikation des Briefes war die Antwort auf die Achtserklärung, die zu derselben Zeit allenthalben im Reiche bekannt wurde. Seit dem 6. August hatte ihre

1) Brief des Christoph von Carlowitz aus Regensburg bei Branden- burg. Viglius. Dagegen Brief Schertlins vom 21. August bei Her- berger. S. 148.

2) Verzeichnis Nr. 11.

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Verbreitung von kaiserlicher Seite begonnen?) Die Idee des Reiches hatte Karl in ihr für sich angerufen, die Schmal- kaldener aber kehren den Spieß um und ihre Banner fliegen gegen ihn in des Reiches Namen.

Bereits kurze Zeit nach der Publikation des Absage- briefes veröffentlichten die beiden geächteten Fürsten auch eine umfangreiche Rechtfertigung?) gegen die Vorwürfe, die Karl, „der sich einen Kaiser nennet“, in der Acht gegen sie erhoben hatte. Zur Widerlegung seiner Beteuerungen verweisen sie auf das Bündnis zwischen ihm und dem Papst und die ganze unzuverlässige Doppelzüngigkeit seiner bis- herigen Politik, welche die den Protestanten gewährten Zu- geständnisse nicht länger gehalten habe, als bis diese jedes- mal die notwendige Reichshilfe geleistet hätten. So habe der Kaiser die Regensburger Deklaration dem Landgrafen gegenüber 1544 zu Speyer abgeleugnet und nach einer Äußerung des Bischofs von Hildesheim im offenen Fürsten- rat desselben Reichstags den katholischen Ständen versprochen, der damalige Reichstagsabschied solle nicht länger in Kraft bleiben als bis zur Beendigung des Feldzugs gegen Frank- reich. Granvella habe denn auch Philipp bei der letzten Begegnung erklärt, sein Herr wisse den Reichstagsabschied von Speyer bei den Katholiken nicht länger in Geltung zu erhalten. So habe Karl nur den rechten Zeitpunkt für die Ausrottung ihrer Religion gewinnen wollen, bis er sich vor den Franzosen und Türken Ruhe gesichert, mit dem Papst ein Bündnis geschlossen hatte und das Konzil zu Trient berufen war. Der Ungehorsam ist nur Vorwand. Es braucht hier nicht näher auf die Argumente eingegangen zu werden, mit denen die Vorwürfe der Acht einzeln zerpflückt und zurückgewiesen werden, da es sich bei den wichtigsten Punkten um frühere Verwieklungen handelt. Soweit nicht nach der Art des Vorwurfs nur ein Abstreiten oder auch Zurückgeben als Verteidigung möglich war, fußen sie im wesentlichen auf zurückliegenden Aussöhnungen und Ab- machungen, namentlich auf denen von Regensburg und Speyer.

!) Vgl. Viglius S. 54 und 65. An Herzog Moritz wurde am 8. August ein Exemplar gesandt, das der Adressat am 18. erhielt. 2) Verzeichnis Nr. 12.

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Die Zugeständnisse, die Karl V. früher unter dem Drange der auswärtigen politischen Verhältnisse den Protestanten gemaeht hatte, erheben sich jetzt gegen ihn.

Diese Rechtfertigungsschrift stammt aus der Feder des hessischen Staatsmannes Aitinger und muß ganz Ende August erschienen sein. Denn am 25. lag sie noch nicht gedruckt vor, wahrscheinlich noch nicht einmal am 29.!), vom 2. September aber ist bereits eine erweiterte zweite Ausgabe?) datiert, die auf Befehl des Kurfürsten dessen Kanzler Brück verfaßte und die in etwas schärferem Tone gehalten ist, sonst aber nichts bemerkenswertes Neues bringt. Was in der Hitze der Leidenschaft behauptet werden konnte, zeigt eine Stelle, die berichtet, der Kaiser habe einem Gesandten des Königs von Frankreich gesagt, seit zwanzig Jahren sei er mit dem Plan dieses Krieges umgegangen und habe eben deshalb durch geforderte Hilfeleistungen und den Verbrauch auf soviel Reichstagen die Deutschen so viel Mannschaft und Geld opfern lassen, um ihre Macht zu schwächen. Er wisse, daß sie jetzt an Geld fast erschöpft seien, und deshalb sei es die rechte Zeit für den Krieg. Zum Beweise für des Kaisers alte Feindschaft gegen ihre Religion wird auch auf das Wormser Edikt hingewiesen, das jetzt zur Ausführung kommen solle.

Datiert ist, wie erwähnt, diese zweite Fassung der Antwort auf die Acht von dem Tage, an dem die Kanonade vor Ingolstadt am heftigsten tobte und die Entscheidung auf des Schwertes Schneide stand. Als sie aber in Deutschland bekannt wurde, hatten die Schmalkaldener bereits bewiesen, daB sie die Gunst des Augenblicks nicht zu benutzen ver- standen, der Höhepunkt ihres Glückes war vorüber. Und diese Rechtfertigungsschrift ist denn auch die letzte gemein- same amtliche Publikation der beiden Bundeshäupter. Neu aufgelegt. wurde die von Aitinger redigierte erste Ausgabe allerdings noch im Oktober, denn in dieser Zeit besorgte Georg Frölich den Druck von mehreren 100 Exemplaren °).

1) Vgl. die beiden Briefe Philipps an Moritz unter den genannten Daten bei Brandenburg. | |

2) Verzeichnis Nr. 13.

3 Lenz a. a. O. III S. 524 u. 525.

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Diese eifrigen Bemühungen der Schmalkaldischen Bundes- häupter, den Krieg als Religionskrieg zur Geltung zu bringen, erschwerte natürlich sehr der geschickte Schachzug des Kaisers, sich von vornherein protestantische Bundesgenossen zu sichern, unter ihnen die beiden Markgrafen Hans von Küstrin und Albrecht Aleibiades von Brandenburg-Kulmbach. War auch die persönliche Gleichgültigkeit des letzteren in religiösen Dingen bekannt!) so war doch ersterer ein Fürst von unzweifelhafter evangelischer Gesinnung?). Jedenfalls mußte die Stellungnahme der beiden auf viele Protestanten verwirrend wirken, Grund genug zum Zorn des Kurfürsten und des Landgrafen gegen sie, der nur verstärkt werden konnte dadurch, daß sie beide in besonders engen Beziehungen zu ihnen standen. Bereits im Ausschreiben vom 15. Juli hatten sie einen kräftigen Seitenhieb erhalten und die nachdrück- liche Mahnung an die Verpflichtungen, die ihnen aus der Erbvereinigung der Häuser Sachsen, Hessen und Branden- burg erwüchsen. Noch vorher, am 4. Juli, an demselben Tage, von dem ihr erstes Schreiben an den Kaiser datiert ist, hatten der Kurfürst und der Landgraf mahnend an Markgraf Hans geschrieben und gedrobt, wenn er seinen Verpflichtungen gegen sie nicht nachkomme, ihn als bund- und eidbrüchig vor der Öffentlichkeit zu brandmarken. Diese Drohung führten sie aus in einer Flugschrift?), die jedenfalls nach dem 18. Juli erschienen sein muß, am kaiserlichen Hofe erst am 25. August?) bekannt wurde. Wieder berufen sie sich darin auf die Erbvereinigung. Daß der Kaiser in ihr ausgenommen ist, gilt in diesem Falle nicht, da er sein obrigkeitliches Amt, um dessen willen er ausgenommen ist, nicht regelmäßig, sondern mit ungerechter Gewalt gegen sie ausübt. Das schmalkaldische Bündnis aber dem Mark-

1) Viel zitiert wird in der Flugschriftenliteratur sein angebliches Wort: Er nehme Geld und diene dem Teufel.

?) Über die Motive der beiden zum Anschluß an den Kaiser vgl.Hasenclever, Politik Karls V und Landgraf Philipps, S. 70f. Für Markgraf Hans wirkte namentlich die Gefangenhaltung seines Schwiegervaters, Heinrichs von Braunschweig, bestimmend.

3) Verzeichnis Nr. 14.

4) Viglius.

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graf Hans angehörte bezieht sich nicht nur auf den Fall eines erklärten Religionskrieges, sondern bestimmt auch, daß, wenn einer der Verbündeten unter einem anderen Vorwande angegriffen werde, die übrigen aber ermessen kónnten, daf) es doch der Religion gelte, daß jeder dann sich der Sache so annehmen solle, als ob er selbst angegriffen sei. Nun ist aber keiner in ihrem Bunde, der diesen Krieg nicht als Religionskrieg auffasse. Zum Beweise dafür, daß er wirklich ein solcher sei, hatten sie schon vorher auf ihre Schrift vom 15. Juli und das Breve des Papstes an die Eidgenossen verwiesen. Mit veröffentlicht wurde ein Schreiben der eifrig lutberischen verwitweten Kurfürstin Elisabeth an ihren Sohn, Markgraf Hans, in dem sie ihn dringend mahnte, nicht dem Kaiser in diesem Kriege zu dienen, nicht, zumal bei so un- gewissem Ausgang, um zeitlicher Ehre und Gutes willen Seele. Leib und alles, was er habe, aufs Spiel zu setzen, und in dem sie ihm die Schuld vorstellte, die er durch sein Tun auf sich lade. Und gerade dieses mütterliche Schreiben machte auf das Volk großen Eindruck !).

Die beiden Angegriffenen rechtfertigten sich auch in einer Flugschrift?). Sie bestreiten darin natürlich, daß der Krieg der Religion gelte,. und zwar gestützt auf eine Er- klärung, die der Kaiser Markgraf Hans gegeben hatte, und auf die Achtserklärung. Auf dieser Auffassung fußend lehnt Markgraf Hans Verpflichtungen auf Grund des schmal- kaldischen Bündnisses, das sich nur auf den Schutz der augsburgischen Konfession beziehe, ab, betont vielmehr seine Gehorsamspflicht gegen den Kaiser. Gegen die Erbvereinigung gehandelt zu haben bestreiten beide Fürsten, da diese den Kaiser unbedingt ausnehme. Dabei stellen sie den Kaiser

1) G. Voigt: Kurbrandenburgische Politik im Schmalkaldischen Kriege S. 155 u. 156 Anm. Sitzungsberichte der Kgl. Sächs. Ges. d. Wiss. 1875 Phil. hist. Klasse. .

?) Verzeichnis Nr. 15. Von dieser Schrift ist mir allerdings kein gleichzeitiger Druck bekannt geworden. Daß sie aber im Druck er- schienen, beweist der Brief des Sabinus an Sleidan, Frankfurt a. O. Cal. September 1546. (Epistolae p. 474 ff.). Ich folge hier dem Ab- druck bei Hortleder. In den beiden letztbesprochenen Flugschriften sind gewechselte Briefe abgedruckt.

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als den Angegriffenen hin und Markgraf Hans läßt es nicht an einem. scharfen Hiebe auf das Vorgehen Sachsens und Hessens gegen seinen Schwiegervater fehlen. Er und Mark- graf Albrecht berufen sich endlich noch darauf, daß sie durch die Achtserklärung von allen aus der Erbvereinigung her- fließenden Verpflichtungen entbunden seien.

Datiert ist die Schrift vom 29. Juli, das ist aber offen- bar eine Rückdatierung, denn als man sie ausgehen ließ, muß die Acht bereits publiziert gewesen sein. Andererseits ist ihre Abfassung vor dem 25. August anzusetzen, da die vorher besproehene Flugschrift der beiden Bundeshäupter nicht erwähnt wird.

Die bisher besprochenen Schriften der Protestanten waren amtliche, in denen der Kampf um das wahre Ziel des Krieges mit offenem Visier geführt wurde. Sie sind aber nicht die einzigen und auch nicht die ersten. Sie sind ja zum großen Teile der Zurückweisung gegnerischer Vor- würfe gewidmet, und bevor sie erscheinen konnten, mußten die verschiedenen Gerüchte, die beim ersten, sichtbaren Auf- steigen des Unwetters die Luft durchschwirrten, sich zu festeren, glaubwürdigeren Nachrichten verdichtet haben. Es mußte aber den Protestanten, nachdem sie einmal durch den Verlauf der Dinge zu Regensburg und durch die von aus- wärts eintreffenden Nachrichten aufgeschreckt waren, daran liegen, die Öffentlichkeit möglichst rasch über die Lage auf- zuklären, um dem Gegner nicht Zeit zu lassen, seine weit- greifenden Rüstungen zu vollenden, und um den gefährlichen Machenschaften und Vorspiegelungen seiner Politik beizeiten entgegenzutreten. Deshalb machten sie noch vor dem Er- scheinen ihrer ersten größeren amtlichen Schrift das Wich- tigste durch den Druck bekannt. Bereits zwischen dem 18. Juni und 1. Juli erschien „ein kurtzer bericht aller er- gangener handelungen auff dem Reichstage zu Regensburg t)“ dessen unbekannter Verfasser den Kreisen der Diplomaten nicht ganz fern gestanden haben kann. Er berichtet die wichtigsten politischen Ereignisse in Regensburg bis zum 18. Juni und bringt Nachrichten, allerdings nicht sehr be-

1) Verzeichnis Nr. 16.

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stimmte, über den Beginn der beiderseitigen Rüstungen. Natürlich wird schon in dieser Schrift, die wir als die erste des ganzen Krieges betrachten dürfen, das Thema von Religionskrieg angeschlagen und als Beweis werden die hohen Beisteuern des Papstes angeführt. Daß alles, was als Ungehorsam erklärt werde, von der wahren Religion komme, zeige auch das Beispiel von Köln und Münster. Papst und Geistlichkeit erscheinen schon hier, wie mit wenigen Aus- nahmen in der ganzen Flugschriftenliteratur, als die Anstifter und Treiber bei dem ganzen Unternehmen, das sie gern schon 1545 ins Werk gesetzt hätten. Nur widerstrebend hat der Kaiser jetzt in den Krieg gewilligt, hauptsächlich bewogen durch Lügen und Hetzen seines Beichtvaters und der Kardinäle von Augsburg und Trient, eine Ansicht, die sich durch das vorsichtige Zögern Karls leicht bilden konnte. Man hat auch geraten, den Protestanten in ihren eigenen Gebieten Meuterei zu erwecken, und diesen Zweck verfolgten die Adelstage. Auch sie sind abgehalten worden auf Anstiften des Papstes und der Geistlichkeit, auf die man überhaupt überall ein besonders scharfes Augenmerk haben muß. Der ehrliebende Adel aber wird sich durch Vor- spiegelungen nicht blenden lassen.

Einen anderen Charakter als dieser Bericht, der doch eine ausgearbeitete Flugschrift ist, zeigt die „Newe Zeittung, wie keys May sich mit dem Bapst vereinigt hat!)". Es ist lediglich der Abdruck von Nachrichten, wie sie aus der Mailändischen Kanzlei eingelaufen waren. Ein kurzes Nach- wort sagt, daß sie von einem in Italien lebenden Deutschen stammten, der seine Kenntnisse von hohen Herren habe, die tief in die geheimen Pläne von Papst und Kaiser eingeweiht seien. Die Zeitung kann erst einige Zeit nach dem 18. Juni im Druck erschienen sein. Ulman Böcklin, der damalige Vertreter Straßburgs in Ulm, legte sie einem Briefe vom 3. Juli bei. In einer Nachschrift bittet er, sie ja geheim zu halten, sie stamme von einem, der dem Kurfürsten von der Pfalz „etwas mit pflichten zugethan“, aus der Kanzlei zu

1) Verzeichnis Nr. 7.

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Mailand!) Wenn wir einer andern gleichzeitigen Flugschrift glauben dürfen, suchte man ihren eigentlichen Gewährsmann in wichtiger Stellung in Rom, und muß die Kunde, die sie brachte, wie ein Lauffeuer das protestantische Deutschland durcheilt haben. Und das erscheint nicht als unwahrschein- lieb. Denn sie ist das einzige Flugblatt, das vor dem Be- kanntwerden ‘des Breves an die kidgenossen bestimmtere Nachrichten brachte über das päpstlich-kaiserliche Bündnis, durch Mitteilungen über die Abreise?) des Kardinals von Trient aus Regensburg, seine Ankunft in Rom, und die auf seine Anträge hin vom Papste sofort begonnenen Rüstungen und seine Geldbewilligungen an den Kaiser. Neben anderen Nachrichten über Truppenverschiebungen und Rüstungen in Spanien, Italien, Deutschland und den Niederlanden teilt sie auch den Kriegsplan des Gegners mit, der darauf basieren sollte, durch rasche und schwere Züchtigung Augsburgs Süd- deutschland zur Unterwerfung zu schrecken. Dann sollte Büren von den Niederlanden her Köln anfallen, und wenn die beiden Bundeshäupter dem Erzbischof und einander zu Hilfe kommen wollten, sollte der Krieg unter furchtbarer Verwüstung nach Hessen selbst und gleichzeitig von Böhmen her nach Sachsen getragen werden. Diese Nachrichten mußten um so eher Glauben finden, als sie durchaus im Einklang standen mit dem, was den Gesandten und Agenten der Schmalkaldener zu Regensburg berichtet wurde von kundigen Personen, die sich zum Teil in hoher Stellung befanden und Zutritt zu den Hofkreisen, aber auch irgendein Interesse an der Warnung der Gefährdeten hatten ë). Philipp berichtete noch am 16. Juli von zahlreichen Kundschaften, daß der Gegner aus den Niederlanden ihm ins Land ziehen wolle *). Höchstwahrscheinlich bat auch Karl im Anfang den Plan gehabt, die beiden Hauptgegner von verschiedenen Seiten her zu umklammern. Allerdings drang er schon ziemlich

!) Diese Mitteilungen verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Archivar Dr. Bernays in Straßburg.

?) Sie wird auf den 9. Juni angesetzt.

3) Lenz: Kriegführung S. 407.

t) Kannengießer: Karl V. und Maximilian Egmont, Graf von Büren S. 44 Anm. 136.

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Anfang Juni statt dessen auf móglichst schnelle Konzentration seiner Truppen ). Aber ob der ursprüngliche Plan schon endgültig aufgegeben war auch für den ersten Fall, daß seine lsolierungspolitik Erfolg hatte? Nicht ohne Grund bringt die Zeitung die Kölner Angelegenheit in engen Zu- sammenhang mit dem Kriege. Sie hatte Karl aufs höchste erbittert und nicht in letzter Linie zum Kampfe getrieben. Aber aussprechen durfte er das aus politischer Berechnung nicht?) und insofern ist die Meldung, als Kriegszweek solle angegeben werden die Befreiung des gefangenen Herzogs von Braunschweig und die Vertreibung des Erzbischofs von Köln, falsch. Falsch und doch nicht sehr gegen die gute Information unseres Berichterstatters sprechend ist auch die Behauptung, die wohl von dieser Zeitung aus in den „wahrhaften Bericht und summarische Ausführung“ vom 15. Juli überging, der Kardinal von Augsburg solle auf den Kölner Erzstuhl er- hoben werden. Man dachte in der Tat daran für den Fall, daß sich der Koadjutor, Adolf von Schaumburg, ungeeignet erwies?). Überraschen muß die Meldung, daß der Bayern- herzog dreißig Geschütze zum Heere des Kaisers stellen solle. Der Zeitungsschreiber scheint also bereits Kunde von dem Bestehen eines kaiserlich-bayrischen Bündnisses gehabt zu haben zu einer Zeit, als bei den leitenden Männern der Schmalkaldener darüber noch die verhängnisvollste Unwissen- heit bestand. Auch von Verhandlungen des Kaisers mit Herzog Moritz weiß der ungenannte Berichterstatter, nimmt aber an, sie seien gescheitert *).

Daß man auf die ganze Zeitung einen ziemlichen Wert legte, beweist auch der Umstand, daß sie mit Glossen ver- sehen neu herausgegeben wurde?) Und zwar muß dies Ende Juli oder Anfang August geschehen sein, denn die Heere suchen sich in Bayern und der Glossator kennt die

) KannengiedBfer a.a. O. S. 30.

?) Varrentrapp: Hermann von Wied und sein Reformations- versuch in Köln S. 268.

3) Vgl. Druffel, Viglius S. 224, und Varrentrapp a. a. O. S. 269.

*) Noch im September hatte man offenbar im Hauptquartier der Schmalkaldener ernste Hoffnung, diesen Fürsten zu gewinnen.

5) Verzeichnis Nr. 18.

Archiv für Reformationsgeschichte VII. 1. 9

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Acht noch nicht, hat aber gebört, daß sie zu Regensburg vorbereitet werde. Letzteres ließe vielleicht die Vermutung zu, daß er Beziehungen zum Hauptquartier der Verbündeten gehabt und sich wohl in höherer amtlicher Stellung befunden habe, wenn die Glossen irgendwie einen politisch Einge- weihten erkennen ließen. Das ist aber keineswegs der Fall.

Es war wohl nur natürlich, daß bei der Frage: Religions- krieg oder nicht? der Blick der protestantischen Zeitgenossen abschweifte auf die ganze Haltung, die das Kaiserhaus und die katholische Kirche bisher zu ibrem Glauben eingenommen hatten. Und da erschienen ihnen denn zwei Ereignisse in neuer und schärferer Beleuchtung, die schon einige Zeit vorher großes Aufsehen erregt hatten. Das eine war die Ermordung eines evangelisch gewordenen Spaniers, Johann Diaz, am 17. März zu Neuburg durch seinen eigenen Bruder und die Hemmung des Prozesses gegen den Mörder, der zu Innsbruck weilte; das andere war die Stellungnahme des Tridentinischen Konzils, für die schon die Dekrete sehr bezeichnend waren, die es in seiner vierten Sitzung am 8. April 1546 fafte. Und der Entscheidung dieses Konzils sollten sich doch nach der Forderung des Kaisers die Protestanten unterwerfen. Diese Dekrete waren ebenso wie die Berichte über die Bluttat zu Neuburg von den Protestanten schon vor dem Kriege, also ohne direkte Beziehung auf diesen, im Druck veröffentlicht worden‘). Aber sie gewannen jetzt bei seinem Ausbruch erhöhte Bedeutung, und oft genug begegnen uns in den übrigen Flugschriften Hinweise auf die in diesen Drucken mitgeteilten Tatsachen. Hinweise auf die Kölner Angelegenheit fanden wir schon mehrfach und die Verbreitung des Urteils über den Erzbischof im Druck wurde von den Protestanten jetzt eifrig betrieben °). Die erbitterte Feindschaft Karls aber gegen ihren Glauben ging klar hervor aus seinem Verhalten gegen evangelische Neigungen in seinen Erbländern. Viel gelesen wurde ein im Druck veröffentlichter und mit Glossen versehener Bericht

!) Verzeichnis Nr. 19 u. 20. 2) Lenz, Briefwechsel Landgraf Philipps mit Bucer S. 456 Anm. Brief Sailers v. 18. Sept.

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eines Bürgers von Antdorf über die den Niederlanden drohen- den Schrecken der Inquisition‘). Man wollte Deutschland ein Bild dessen vorhalten, was seiner nach einem kaiser- lichen Siege wartete. Doch nicht zufrieden mit den Beweisen, die die unmittelbare Gegenwart bot, ging man zurück in die Vergangenheit und sah diese jetzt vielfach in neuem Lichte. Schon der Bericht über die Ereignisse auf dem Regensburger Reichstage hatte erklärt, daß der Papst und sein Anhang schon längst zum Religionskrieg getrieben, und daß nur die ‘Angriffe bald der Türken, bald der Franzosen der armen Christen ,friedtschildt^ gewesen. Auf demselben Standpunkt steht eine unter dem 15. September erschienene Flugschrift, die „Epitome belli Papistarum*?), deren Verfasser ich im hessischen Lager suchen möchte. Sie ist nicht etwa, wie man nach dem Titel vermuten sollte, in erster Linie eine Darstellung der bisherigen Kriegsereignisse, diese nehmen vielmehr in ihr nur einen verhältnismäßig sehr geringen Raum ein, sondern sie sucht zu beweisen, daß der Papst und die katholische Geistlichkeit seit 1526 den Kampf gegen die Protestanten gewünscht. Sehr objektiv und überzeugend wird dieser Beweis allerdings nicht geführt. Dafür wird mit Schmähungen nicht gekargt. Die Schrift wurde auch aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt?) und fortgeführt bis zur Einnahme von Höchstädt, Dillingen und Laujngen durch die Kaiserlichen.

Wenn nun der suchende Blick immer weiter zurück in die Vergangenheit schweifte, so blieb er naturgemäß auf der ersten Regierungshandlung haften, durch die sich Karl in schroffen Gegensatz zu der mächtigen religiösen Bewegung der Geister gestellt hatte, auf dem sogenannten Wormser Edikt. Schon in der zweiten Redaktion der Antwort auf die Achtserklärung war nachdrücklich darauf hingewiesen worden. Es wurde aber auch mit Glossen, Vor- und Nach-

!) Verzeichnis Nr. 21. Die Flugschrift, die Voigt in Raumers Historischem Taschenbuche, neunter Jahrgang (1838) S. 480 auführt, ist mir leider ebenso wie andere in diesem Aufsatz genannte Flug- blätter nicht zugänglich gewesen.

2) Verzeichnis Nr. 22.

3) Verzeichnis Nr. 23.

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wort. versehen als Flugschrift neu herausgegeben!) und die Tendenz dieser Publikation gleich unter dem Titel vermerkt: Hie hastu das Recht / darauff ie ietzige Kriegsempörung gegründet ist. Im Vorwort und einem Teil der Glossen wird ausgeführt, daß das Edikt, an dem Karl tatsächlich immer festgehalten habe, jetzt erst riehtig zur Ausführung kommen solle. Es bleibe nur die Wahl zwischen völliger Unterwerfung unter den römischen Antichrist oder Vernichtung. Denn in dem Edikt erkenne der Kaiser selbst den Papst als eigentlichen Richter in Glaubenssachen an und bekenne sich schuldig, seine Dekrete und Bullen zu vollstrecken. Laut den Kaiser Friedrich von den Päpsten abgedrungenen Konstitutionen aber gehe diese Vollstreckung so weit, daß von der Erde vertilgt werden sollten ‘alle, die nicht glauben, dulden, leben und geben wollten, was ihnen des römischen Antichrists unendlicher Mutwille auferlegen möge. Die Strafen für Majestätsbeleidigung, die das Edikt allen Über- tretern androht, werden nochmals eingeschärft und in An-

merkungen zu den einzelnen Punkten des Edikts nachzu- weisen gesucht, daß durch Verfehlungen gegen sie alle Protestanten, ja fast die ganze Nation in des Reiches Acht verfallen sei und daß also das Damoklesschwert. drohend über ihnen allen sehwebe. Die Forderung, man solle Boten oder, Kommissionen des Papstes mit allem Eifer beistehen, wird als Anfang künftiger spanischer oder niederländischer Inquisition angesprochen, bei der fromme Leute, namentlich aber Wohlhabende, durch teuflische Mönche, die. ihnen in das Innerste ihrer Häuser dringen, nach Belieben dem Feuer übergeben werden würden.

1) Verzeichnis Nr. 24.

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Zweites Kapitel.

Schriften zur Rechtsfrage.

Sehriftenverzeichnis.

1. Ein Rhatschlag Doctoris Martini Lutheri / Ob dem Keiser / so er jmands mit g@walt / des Euangely halben / überziehen wolte / mit rechte wider standt geschehen möge / Etwan an einen Fürsten

geschriben. MDXLVI Gießen.

2. Erklerung D. Mart. Lutheri von der frage / die Notwehr belangend Mit Vorreden Philippi Melanthonis vnd Doct. Johan Bugenhagen Pomers / Pastors der Kirchen zu Wittemberg. Wittemberg Gedruckt durch Hans Luft 1547

Hortleder II, Kap. XXVIII.

Etliche Schlüsse D. Mart. Luth. Das man dem Bapst vnd seinem .

Sehutzherrn wider vnrechte gewalt vnd Kriege / widerstand thuen sol. MDXLVI Bamberg. Hortleder II, Kap. XXV.

3. Warnunge D. Martini Luther an seine lieben Deudschen / vor etlichen Jaren ge- schrieben auff diesen fall / so die feinde Christlicher Warheit diese Kirchen vnd Land / darinne reine Lere des Euangelij geprediget wird / mit Krieg überziehen vnd zerstören wolten. Mit einer Vorrede Philippi Melanthon. Gießen. Hortleder IT, Kap. XXIV.

4. Ein Brieff an den Cardinal / Ertzbischoff zu Meintz / vnter dem Reichstag zu Augsburg. Anno MDXXX. Geschrieben / durch D. Mart. Luther. Mit einer kurzen Auslegung des angor Psalms. In dieser zeit nützlich zu lesen.

Witteberg Gedruckt durch Hans Lufft 1546 Königsberg, Universitätsbibliothek.

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5. Das zwelffte Capitel Danielis / mit der Auslegung D. Martini Lutheri / zu diesen fehrlichen zeiten sehr nützlich vnd tröstlich zu lesen. Witteberg Gedruckt durch Hans Lufft 1546

Königsberg, Universitätsbibliothek.

6. Von der Notwehr vnterricht / Nützlich zu lesen. Durch Justum Menium | Wege deu ^ d -— h ^ -Mittemberg-. - eae -

MDXLVI Frankfurt a. M., Stadtbibliothek. Hortleder II, Kap. XXIX.

7. Von der defension vn Gegenwehre / Ob man sich wider der Oberkeit Tyranney vnd vnrechte Gewalt wehren / vnd gewalt mit ge- walt vertreiben müge.

Durch Regium Selinum | MDXLVI München, Universitätsbibliothek. Hortleder II, Kap. XXX.

8. Ewiger: Göttlicher / Allmechtiger Maiestat Declaration Wider Kaiser Carl / König zu Hispanien etc. Vnd Bapst Paulum den dritten. Gießen. Hortleder II, Kap. XXIII.

9. Warhafte und gegründte meldung und anzeigen der geschwinden tückischen bósen anschleg und praktik, so wider die lóblichen pro- testirenden stende und evangeliums einig verwanten durch die groszen feind gottes, den babst und seinen anhang fürgenommen und zu jemer- lichen unwiderbringlichen undergehen und verderben des deutschen lands erdacht sein. Item der genótigten und gedrungenen defension und gegenwehr, auch wie sich darinne zu halten sei.

Lil. Bd. 4, Nr. 521. Hortleder II, Kap. XXIII.

10. Warnung Erinnerung vnd Christliche Ermanung / sampt gründtlichem bericht ; von yetziger Kriegsyebung in Teütscher Nation. Dureh Johann Treulinger M-D-XLV Berlin, Kgl. Bibliothek. Hortleder I, Kap. XII.

ll. Praesidium Romani Caesariatus ex Euangelica et Apostolica

scriptura MDXLVII

München, Universitütsbibliothek.

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19. De Primatu et Excellentia Romani Caesariatus ac euisdem perpetua victoria, ex ipsis Ethnicorum literis. München, Universitätsbibliothek.

13. Antwort auf das Auffrürische büchlin / Welchs die Pro- testierende wider die Rö. Kayserliche Mayestat feindtlicher weise zu- ziehen vnd kriegen / furnemlich angehetzt. |

MDXLVI

München, Universitätsbibliothek.

14. DIALOGUS DE BELLO GERMANICO. Interloquuotores Ariovistus & Caesarius. München, Universitätsbibliothek.

Wir hatten gesehen, daß sich wenige Jahre nach Beginn der Reformation die Frage aufdrängen mußte, ob Widerstand gegen die Obrigkeit statthaft sei, und daß Theologen und Juristen diese Frage zu beantworten suchten!) Luther hatte sie schließlich bejaht unter der Voraussetzung, daß es sich um den Schutz des göttlichen Wortes handele?), und von hier aus fällt ein neues Licht auf die Bedeutung der im vorigen Kapitel behandelten Frage für die Schmalkaldener. War nun der Streit um das Recht der Notwehr gegen die Obrigkeit jahrelang eifrig geführt worden auf eine bloße Möglichkeit hin, so war es nur natürlich, daß er aufs neue entbrannte, als der gefürchtete Fall wirklich eingetreten war. Die ganze Frage hatte aber für die Schmalkaldener nicht bloß theoretische Bedeutung. War auch die tatsäch- liche Zwangsgewalt der Krone damals in Deutschland gering genug, so war doch das Kaisertum eine durch die Jahr- hunderte geheiligte, Ehrfurcht und Gehorsam heischende In- stitution, und der Nimbus, der die Sacra Caerarea Maiestas umgab, tibte immer noch auf sehr viele seinen starken Zauber

1) Vgl. den Aufsatz von F. Weber: : Hippolithus a Lapide. Hist. Ztschft. Bd. 29 S. 59 ff.

2) Über die verschiedene Beantwortung der Frage nach dem Recht des Widerstandes gegen die Obrigkeit vgl. L. Cardauns: Die Lehre vom Widerstandsrecht des Volks gegen die rechtmäßige Obrigkeit im Luthertum und im Calvinismus des 16. Jahrhunderts. Bonn 1908. Ranke a. a. O. Bd. 3 S. 181 ff. Bezold Geschichte der deutschen Reformation S. 611.

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aus. Weil es Widerstand gegen sie nicht für statthaft hielt, hatte einst Nürnberg den Beitritt zum Schmalkaldischen Bunde verweigert. Konnten nicht jetzt, in der Stunde der Entscheidung, gleiche Bedenken manchen lähmen?

Luthers Mund, der so manchmal in Gewissensnöten ein entscheidendes Wort gesprochen hatte, war ja vor kurzem verstummt und die Wucht seiner Persönlichkeit natürlich nicht zu ersetzen, aber seine Ansicht mußte noch immer schwer ins Gewicht fallen. Sie war nicht immer die oben angegebene gewesen. Noch am 6. März 1530!) hatte er nach Beratung mit Johann Bugenhagen und Melanchthon dem Kurfürsten Johann dem Beständigen auf eine Anfrage brieflich auseinandergesetzt, daß nach der Schrift Widerstand gegen die Obrigkeit nicht erlaubt erscheine, auch wenn sie frevle, da sie eine göttliche Einrichtung sei. „Summa, sünde hebt Oberkeit nicht auf.“ Solange der Kaiser Kaiser bleibt, sind der Fürsten Untertanen auch die seinen, und dürfen ebensowenig mit Gewalt gegen ihn geschützt werden, wie ein Bürgermeiser von Torgau gewaltsam die Bürger gegen den Landesherrn schützen darf. Auch würde Widerstand zur Verjagung des Kaisers und damit zu blutigem Hader unter deu Protestanten selbst führen, von denen dann jeder selbst gern Kaiser sein würde. Lieber aber soll ein Fürst drei Fürstentümer, ja dreimal das Leben verlieren, als solchen Jammer verschulden.

Dieser Brief wurde zu einem geschickten Streich gegen Sehmalkaldener benutzt. Er erschien nämlich im Druck?) offenbar gegen Ende des Jahres 1546 und zwar zu Leipzig. Statt der Datierung fand sich nur das Druekjahr 1546, und statt der Adresse ganz allgemein: ,Etwan an einen Fürsten geschrieben.* Zweifellos stand die Publikation im Zusammen- hang mit dem offenen aggressiven Vorgehen des Herzogs Moritz. Wie klug der Sehaehzug des Gegners berechnet war, sah man auch auf kursüchsiseher Seite und suchte ihm so- fort dureh eine andere Publikation zu begegnen, bei der

!) De Wette: Bd. III (Berlin 1827) S. 560 ff. 2) Verzeichnis Nr. 1.

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man Luther dureh Luther widerlegen ließ. Denn wieder ist es ein Brief von ihm, der veröffentlicht wird, diesmal durch Melanchthon und Bugenhagen, nämlich eine freie Übersetzung des Schreibens an Johann Lübeck, Pfarrer in Kottbus, vom 8. Februar!) 1539. Hier steht der Schreiber auf einem ganz anderen Standpunkt. Der Kaiser hat keinen Grund zum Kriege gegen die Protestanten. Einen solchen . könnte also nur der Papst erregen und sich dabei des Kaisers als Kriegers bedienen. Ist es nun aber recht, sich gegen die Türken zu schützen und zu wehren, um wie viel mehr gegen den Papst und die Seinen, die viel ärger sind als die Türken. Dient aber der Kaiser in einem solchen Kriege dem Papst, so muß er die Folgen tragen. Nur wenn beide, Papst und Kaiser, den christlichen Namen ablegen, will Luther wie früher lehren, daD man sie gewähren lasse und leide. Jetzt erscheint ihm auch das Verhältnis der deutschen Fürsten zum Kaiser nicht mehr wie das eines Bürgermeisters von Torgau zum Kurfürsten von Sachsen, sondern scharf betont er, daß sie mit ihm in gemeinsamem Rate das heilige rümische Reich regierten, der Kaiser aber kein Monareh sei und des Reiches Form und Herrlichheit nicht ändern könne. Versuche er es, so wäre es nicht zu dulden. Um wie viel weniger könne gelitten werden, daß er um fremder Ursache und des Teufels willen Krieg anfange.

Außer diesem Schreiben wurden noch publiziert: „Etliche Schlüsse Dr. Mart. Luth.?). Daß man dem Papst und seinem Schutzherrn wider unrechte gewalt widerstand thuen sol,“ Schlüsse, die er 1540 in öffentlicher Disputation verteidigt hatte. Hier wird zuerst zu beweisen gesucht, daß der Papst keinerlei Obrigkeit sei, und dann folgender Gedanke aus- geführt: Einem Werwolf im Dorfe muß jeder nachjagen, nötigenfalls auch gegen das Verbot des Richters und Schulzen. Wenn diese bei einem Versuche, ihn zu schützen, umkommen, so geschieht ibnen recht, denn sie müssen dieses Tieres

1) De Wette: Bd. V. S. 159ff. Hortleder erklärt, dieser Brief sei von Melanchthon interpoliert. Doch erweisen sich die Stellen, die er durch besonderen Druck als Interpolationen kennzeiehnet, gegenüber dem lateinischen Texte bei de Wette nicht als solche.

?) Auch sie sollen von Melanchthon überarbeitet und interpoliert sein.

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Natur kennen und es eifriger verfolgen als andere. So muß auch, wenn der Papst Krieg erregt gegen das Evangelium, jedermann zum Widerstand herbeieilen, selbst wenn Fürsten, Kónige, der Kaiser selbst für ihn streiten unter dem Vor- wande des Schutzes der Kirche. Sie müssen wissen, was die Kirche sei. Wer aber Räuber und Mörder verteidigt, er sei wer er wolle, muß der Folgen seines Tuns und der ewigen Verdammnis gewärtig sein.

In Vorreden zum Druck !) dieser beiden letztbesprochenen Stücke, deren zweite vom 20. Januar 1547 datiert ist, pole- misieren beide Herausgeber gegen den vom Gegner edierten Lutherbrief. Melanchthon mehr beiläufig: Er ist nicht ohne Zusatz geblieben. Denn wie der Name Bugenhagens, der zur Zeit der Abfassung in Lübeck weilte, hineingekommen ist, kann er nicht wissen. Schärfer ist Bugenhagen selbst. Er stellt, allerdings in nicht ganz klarer und unzweideutiger Weise, die Echtheit des ganzen Briefes in Frage und sucht zu beweisen, daB wenigstens die, jetzige Publikation auf Irreführung der öffentlichen Meinung berechnet sei: Schon vor 16 Jahren haben die Papisten Wert auf den Brief ge- legt, aber auch daran gezweifelt, ob er wirklich von Luther uud den Wittenberger Theologen stamme, und haben deshalb zu Lübeck durch einen angeblichen kaiserlichen Legaten bei ihm, Bugenhagen, auf den Busch klopfen lassen. Schon damals sagte man, Cochläus lasse den Brief drucken’). Ihm ist er aber erst zu Gesicht gekommen seit Martini 1546, und zwar in verschiedenen Exemplaren, die im Wortlaut nicht übereinstimmten, im letzten Exemplare waren ganze Abschnitte in falsche Reihenfolge geraten. Von den hand- schriftlichen Exemplaren, die ihm zukamen, war eins ohne Datum, zwei andere vom März 1530 datiert. Auch die Adressen waren verschieden: „An den Kurfürsten zu Sachsen“ und „An Kurfürst Hansen“. Gedruckte Exemplare sind erst nach Weihnachten in seine Hände gekommen. Und gegen

1) Verzeichnis Nr. 2.

2) Der Ratschlag Luthers, der geheim gebalten wurde, kam doch den Gegnern Luthers in die Hände und wurde 1531 durch Cochläus veröffentlicht. Vgl. zu der ganzen PolemikBugenhagens: Enders, Luthers Briefwechsel Bd. VII S. 239 ff.

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sie richtet sich nun hauptsächlich Bugenhagens Polemik, die ausführt, daß das Datum weggelassen und nur ein ganz unbestimmter Adressat angegeben sei, weil man den Glauben habe erwecken wollen, daß der Brief Luthers letzte, end- gültige Ansicht wiedergebe. Auch er wendet sieh ebenso wie Melanchthon gegen das Hereinziehen seines Namens in die Schrift, wo ihm auch der Doktortitel fälschlich gegeben werde. Doktor sei er erst füuf Jahre!) nach der Zeit ge- worden, in der der Brief geschrieben sein solle, und sei damals in Lübeck gewesen. Auch habe er schon vor etwa 23 Jahren eine ganz andere Ansicht über die strittige Frage gegen den damaligen Kurfürsten von Sachsen geüufert.

Auffällig ist-allerdings bei dieser Polemik, daß Melanch- thon wie Bugenbagen den Aufenthalt des letzteren in Lübeck zur Zeit der Abfassung des Briefes fälschlich behaupten, denn er weilte im März noch in Wittenberg und langte erst am 28. Oktober 1530 in Lübeck an. Beide irren sich also in der Zeit seiner Abreise um mehr als ein halbes Jahr. Leichter wäre es zu erklären, daß Bugenhagen leugnet, den umstrittenen Brief je gebilligt zu haben. Tatsächlich hat er schon vor 1530 tiber das Recht des Widerstandes gegen die Obrigkeit eine andere Ansicht vertreten als Luther?) Daher ist es sehr wohl möglich, daD, wie Enders meint, ein nur vorübergehendes Nachgeben gegenüber den Gründen oder auch bloß der Autorität Luthers bei einer der Abfassung des Briefes vorangehenden Beratung ihm nach fast siebzehn- Jährigem Zwischenraum entfallen war.

Beide Herausgeber der zuletzt besprochenen Flugschrift hatten auch in ihren Vorreden auf andere Schriften Luthers als den Brief an Johann Lübeck bingewiesen, in denen er nicht mehr unbedingte Unterwerfung unter die Obrigkeit forderte. So auf die „Warnunge D. Martini Luther an seine lieben Deudschen /^ vom Jahre 1531, in der er erklärte, wenn es zum Kriege komme, so wolle er den Teil, der sich

1) Stimmt nicht. Bugenhagen promovierte 1533. Vgl. K.AT. Vogt: Johannes Bugenhagen Pomeranus. S. 345. 2) Vgl. Hortleder: (Gotha 1645) II Buch II, Kap. 1 und 3.

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gegen die blutgierigen Papisten wehre, nicht aufrührerisch gescholten haben, sondern für ihr Handeln den Namen der Notwehr zulassen. Er wolle sie damit an die Juristen weisen. Diese Schrift hatte bereits am 10. Juli 1546 Melanchthon mit einer Vorrede versehen neu herausgegeben 1). Offenbar erfolgte in demselben Kampfe um Luthers Meinung, und wohl aueh von Wittenberger Theologen der Neudruek des zweiten Psalms, wie ibn einst Luther 1530 mit einer Aus- legung voll stolzen Trotzes und grimmigen Hohnes mit offenem Sendschreiben an den Erzbischof Albrecht von Mainz gesandt hatte?). Denn auf diese Schrift verweist Bugenhagen aus- drücklich in seiner Vorrede. Dagegen muß zweifelhaft bleiben, ob in denselben Zusammenhang gehört die Neu- herausgabe einer der schärfsten Verurteilungen der Papst- kirche durch Luther aus früheren Jahren, nämlich seine Aus- legung des zwölften Kapitels Daniels °).

Doch man kämpfte nicht nur um die Ansicht des toten Luther und mit ihr, sondern die lebenden Gelehrten griffen auch selbst zur Feder, um ihre Sache vor der Öffentlichkeit zu führen. Wieder ist es der unermüdliche Melanchthon *), der die Berechtigung der Notwehr vom theologischen Stand- punkt aus zu beweisen sucht. Allerdings erschien die Schrift nicht unter seinem Namen, sondern unter dem des Justus Menius, der der Autor einer früheren Fassung war. Doch scheint er die Beweisführung nicht tiefgründig und stichhaltig genug gestaltet zu haben, dafür aber mit Schmähungen und Angriffen um so freigebiger gewesen zu sein. Beides wider- sprach der Sinnesart Melanehthons. So sehen wir ihn denn vom November 1546 bis zum März 1547 °) mit der Schrift *)

1) Verzeichnis Nr. 3.

2) Verzeichnis Nr. 4.

*) Verzeichnis Nr. 5.

4) Über seine Tätigkeit während des Krieges vgl. Christmann: Melanchthons Haltung im Schmalkaldischen Kriege. Historische Studien Bd. XXXI. Vgl. dazu Hist. Ztschrft. 91, S. 104 ff.

5) Vgl. die Briefe vom 8. Dezember 1546 bis 17. Mürz 1547. CR. VI.

6) Verzeichnis Nr. 6. Literatur über Menius in der A.D.B. Diese Schrift bespricht ziemlich ausführlich G. L. Schmidt in seiner Biographie des Menius Bd. II S. 20 ff.

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beschäftigt, von der er anfangs nur den zweiten Teil, später aber das Ganze umarbeitete, so daß sie, wie er selbst ein- mal schreibt „verecundior et eruditior, doctis lectoribus for- tassisgratior“ wurde !)

Schon vorher war der Wittenberger Professor der Theo- logie Georg Maior mit einer kecken, aber ernste Ziele ver- folgenden Parodieschrift in die Schranken getreten: „Ewiger: Göttlicher, Allmechtiger. Maiestat Declaration Wider Kaiser Carl König zu Hispanien etc. Vnd Bapst Paulum den dritten ?).“ Es ist, wie schon der Titel sagt, eine mutatis mutandis gegen Karl selbst und den Papst gerichtete Umdrehung der kaiser- lichen Achtserklärung, wobei sich die Parodie nicht darauf beschränkt, Form und Tou derselben möglichst genau nach- zuahmen, sondern wo es geht, werden ihre Ausdrücke wörtlich übernommen. Den Theologen tritt der Jurist zur Seite, Basilius Monnerus, hier unter dem Pseudonym Regius Selinus, der gestützt auf zahlreiche Zitate juristischer Literatur, unter denen nattirlich die beiden bekannten Postglossatoren Bar- tolus und Baldus häufig zu finden sind, die Zulässigkeit der Notwehr gegen die Obrigkeit nach rómischem Staats- und deutschem Lehnsrecht zu erweisen sucht. Səine Schrift?) ist begonnen vor Anfang des Krieges, auf die bloße Mög- liehkeit eines solchen hin, aber erst naeh seinem Ausbruch vollendet. Sie lag im Dezember 1546 fertig vor ^).

Neue wesentliche Gesichtspunkte gegenüber der gauzen streitigen Frage sind, soviel ich sehe, in diesen Schriften nicht gewonnen, Menius-Melanchthon findet die Grenzen der Gehorsamspflicht gegenüber der Obrigkeit, indem er die Auf- gabe formuliert, zu deren Erfüllung diese von Gott eingesetzt ist. Sobald sie etwas befiehlt, was Gottes Geboten wider- streitet, hört die Pflicht des Gehorsams auf und die des Un- gehorsams tritt an ihre Stelle. Denn dann gilt der Spruch,

- 1) Brief vom 23. Januar a. a. O. Die Schrift wurde auch ins Lateinische übertragen. Vgl. den Brief vom 22. Mürz a. a. O. 2) Verzeichnis Nr. 7. Literatur über Maior in der A.D.B. Bd. 20 S. 109 ff. Verf. Wagemann. 3) Verzeichnis Nr. 8. Literatur über Monner in der A.D.B. Bd. 22 S. 171, Verf. Teichmann. ' *) Vgl. Melanchthons Brief die brumae a. a. O.

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der in der Streitliteratur des Schmalkaldischen Krieges so oft zitiert wird: Man soll Gott mehr gehorsam sein als den Menschen. Wer aber einer Obrigkeit gehorsam ist, die Ab- götterei einführt oder unterstützt, der sündigt mit ihr schreck- lich gegen das erste Gebot. Scharf eifert Melanchthon gegen die weltliche Epikuräerweisheit, die die eigene Ruhe suche und deshalb lehre, daß man um des Friedens und der Einig- keit willen auch einer Obrigkeit, die gegen Gottes Gebot handele, Gehorsam leisten solle. Aber Gehorsamsverweigerung ist doch noch keine gewaltsame Gegenwehr. Wie steht es mit ihrer Berechtigung? Heißt es nicht: Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung? Das gilt nur, lautet die Antwort, von der Obrigkeit in casu iustae iurisdietionis. Allen Menschen aber ist vorbehalten das natür- liche Recht, „welches auch ein göttliches Recht ist, nämlich ein Licht, das Gott selbst in die menschliche Vernunft ge- pflanzt hat“. Wenn also einem „öffentliche Grausamkeit“, atrox iniuria, zugefügt wird und die Obrigkeit hilft ihm nicht, dann ist ihm von Gott erlaubt, sich selbst zu schtitzen. Das Recht der Notwehr aber kann zur Pflicht werden, wenn es sich um den Schutz anderer handelt. Diesen Schutz soll jeder nach seinem Stande ausüben, ein Hausvater für sich, Weib und Kind, ein Fürst für sich und seine Untertanen. Daß ein Hausvater selbst leidet und sich töten läßt, um nicht um seinetwillen andere in Gefahr zu bringen oder größere Unruhe anzurichten, ist löblich, daß er aber das Schwert zückt, um Weib und Kinder zu retten, ist ein ge- radezu befohlenes Werk. Und eine weltliche Herrschaft, die sich und ihre Untertanen gegen „öftentlichen, ungerechten Mord“ schützt, übt ein Werk, das zum Amte gehört, und in dieser Lage sind jetzt Sachsen und Hessen. Dieser Gedanke der Schutzpflicht der Obrigkeit wird auch gegenüber dem. Beispiele Davids betont. Er hatte das Recht, Saul zu töten, tat es aber nicht, um Ärgernis zu vermeiden. Es handelte sich bei ihm nur um ibn selbst, er war noch Privatperson, nicht im Besitz des Amtes und hatte noclı keinen Befehl zum Schutz).

!) Das betont besonders scharf Selinu s.

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Schärfer formuliert Maior seine Ansicht: Zweierlei Obrigkeit gibt es, die eine Gottes, die andere des Teufels Ordnung. Die erstere soll ihr Regiment führen nach natür- lichem Recht und der Erkenntnis, der von Gott dem Menschen eingepflanzten Vernunft. Sie soll die Guten schützen und fördern, die Bösen aber strafen. Will sie christlich sein, so bat sie laut Deuteronomion 17 die Pflicht, rechte Lehre und rechten Gottesdienst zu pflanzen und zu schützen, alle falsche Lehre, Abgötterei und falschen Gottesdienst aber zu verbieten and abzutun. In entgegengesetztem Sinne hat Karl sein Amt verwaltet. Daher wird er als Bundesgenosse des Anti- christs zu Rom gegen Gott uud gegen seine heilige christ- liche Gemeinde abgeschnitten vom Körper der heiligen Kirche und daher ist er auch nicht die von Gott gesetzte Obrigkeit, sondern des Teufels Diener. Damit aber wird der Wider- stand zur Pflicht, nicht nur für die Obrigkeit, sondern auch für die Untertanen. Denn jeder ist schuldig zu helfen, dab Gottes Ordnung durchgeführt werde. Doch beschränkt Maior das Recht und die Pflicht des Widerstandes gegen die Obrig- keit auf den Fall, daß letztere Gottes Ordnung ganz und gar verkehrt, nicht nur, wie alle Menschen, in einigen Stücken Unrecht tut).

Derselbe Gedanke, auf dem die Beweisführung Melanch- thons und Maiors basiert, nämlich daß der Kaiser mit seinem Vorgehen gegen die Protestanten außerhalb, ja gegen die Pflichten seines obrigkeitlichen Amtes handelt, bildet auch den Ausgangspunkt für die Ausführungen des Selinus. Denn dadurch wird sein Tun unrechtmäßige Gewalt und Abwehr Pflicht. „Sintemal der, so einem anderen Gewalt und Un- recht geschehen läßt, wehret nicht, so er kann, der ist eben- sowohl sträflich, als wenn ers selbst getan hätte, sonderlich aber, wenn er im Amt und eine Oberkeit ist.^ Weder das römische Reich aber, noch die kaiserliche peinliehe Hals- gerichtsordnung schränken die Notwehr, die ja auch natür- lichen Rechtens ist, zugunsten der frevelnden Obrigkeit ein.

1) Daß hier ausnahmsweise auch dem Landvolk das Recht zur Gegenwehr zugesprochen werde, wie Cardauns S. 17 anzunehmen scheint, kann ich nicht finden. Hatte doch Melanchthon die Pflicht. des Schutzes auch dem Hausvater auferlegt.

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Das ist entscheidend. „Dann wo die Rechte keine Unter- schied der Personen machen, da sollen wir auch keine machen, sagen die Rechte.“

Gegenüber der aus dem Lehnsrecht berflieBenden Ver- pfliehtung betont Selinus-Monnerus den Grundsatz, daß Eid und Pflicht sich weiter nicht erstrecken, „dann zu dem, was recht und billig ist, auch nicht wider den selbst, der sie getan hat“. Ferner verwirkt der Lehnsherr das Eigentum am Lehen durch gewalttätiges Vorgehen ohne rechtsgültige Entscheidung gegen seinen Mann, „sintemal beide, der Lehens- herr und der Lehenmann, zu gleiche gegen einander ver- pflichtet und verbunden seind, so viel die Treu und Verwir- kung belanget, wie die Rechte sagen.“ Mit dem verwirkten Eigentum aber ist der Lehnsmann seiner Pflicht ledig und darf nach natürlichem Recht Widerstand leisten.

Unabhängig von der Beurteilung der Kontroverse nach deutschem Lehnsreeht war schon früher auf protestantischer Seite betont worden, daB die Untertänigkeit der deutschen Reichsstände dem Kaiser gegenüber keineswegs eine be- dingungslose sei. Und die Konsequenzen dieses Stand- punktes werden in der Entscheidungsstunde des Schmal- kaldischen Krieges gezogen. Selinus-Monnerus setzt gegen- über dem Einwurf, der Kaiser als oberster Herr stehe über dem Recht, auseinander, daß auch der höchste Herrscher, da er den Forderungen der Vernunft und des natürlichen Rechts unterworfen ist, an das Halten geschlossener Verträge und Karl V. somit an die Bestimmungen seiner Wahlkapi- tulation und des von ihm beschworenen Landfriedens gebunden sei. lhm erscheinen Kaiser und Reichsstände als gleich- berechtigte Kontrahenten bei einem Vertrage 1) Da nun Karl denselben gebrochen bat dadurch, daß er fremde Truppen ins Reich führte und Fürsten ohne Rechtsverfahren ächtete und bekriegte, so sind auch die Stände ihrer Verpflichtung gegen ihn ledig, müssen das Schwert, das ihnen vom Reich, wenn auch durch den Kaiser, gegeben ist, gegen ihn ge-

!) Die Wahlkapitulation Karls ‚charakterisierte sich selbst als einen Vertrag des Gewählten mit seinen Wählern“. F. v. Bezold: Das Bündnisrecht der deutschen Reichsfürsten bis zum westfälischen Frieden (Bonn 1904) S. 19.

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brauchen und sind berechtigt, ihn abzusetzen und einen neuen Kaiser zu wählen )).

Dieselbe Anschauung verfechten die Verbündeten in ihren amtlichen Publikationen. Den Rechtsboden zum Wider- stand finden sie natürlich schon in dem religiösen Charakter des Krieges. Aber in all ihren Rechtfertigungsschriften, namentlich der zweiten Redaktion der Antwort anf die Achts- erklärung, betonen sie auch nachdrücklich, daß, selbst wenn es sich um Ungehorsam in weltlichen Angelegenheiten handelte, des Kaisers Verfahren gegen sie widerrechtlich und er nur auf Bedingungen hin ihr Oberherr sei, die er jetzt verletzt habe. Darauf hatten sie gefußt, als sie, wie erwähnt, ihn in der Verwahrungsschrift vom 11. August mit aller Schärfe der kaiserlichen Würde verlustig erklärten und diesen Stand- punkt auch iu den beiden Antworten auf die Achtserklürung beibehielten.

Rechtliche Erörterungen, die in der ganzen damaligen Zeit sehr beliebt waren, finden sich sogar in poetischer Form. Einem Dichter, Johannes Schradin ?) aus Reutlingen, er- scheinen Ariovist, Arminius, Barbarossa und Frondsberg als Vorkämpfer Deutschlands gegen Rom und ihnen legt er in der Bedrängnis seines Herzens die Frage vor, ob es als Aufruhr zu erachten sei, wenn die Schmalkaldener jetzt dem Kaiser widerständen. Die Antwort lautet in bekanntem Sinne: „Dieweil der keiser von euch allen ist zu dem welschen babst gefallen, so seit ir auch von ihm ganz frei, dasz keiner im verpflichtet sei 5).*

Bei diesem Kampfe um das Recht der Gegenwehr gegen die Obrigkeit sind auch die Federn der Publizisten auf kaiser- licher Seite tätiger als sonst, ein Beweis, welches Interesse man der ganzen Frage entgegenbrachte Hier wie bei den Protestanten sucht man in erster Linie mit dem göttlichen

1) In einem anderen anonymen und undatierten Gutachten (Hort- leder a. a. O. Buch Il Kap. 8) wird Deutschland mehr als Aristokratie wie als Monarchie betrachtet und das Verhültnis des Kaisers zu den Reichsstünden verglichen mit dem des Dogen zu Venedig oder der Konsuln zu Rom zum Senat, oder eines Bischofs zu seinem Kapitel.

?) Über ihn vgl. A.D.B.

3) Verzeichnis Nr. 9. Vgl. über dieses Gedicht J. Voigt in Raumers Historischem Taschenbuche IX (1838) S. 488 ff.

Arcbiv für Reformationsgeschichte. VII. 1. 4

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Wort zu beweisen und wendet die scharf und kunstvoll inter- pretierten Wendungen der Bibel gleich spitzigen Waffen mit dialektischer Gewandtheit gegen den Gegner.

Eine unter dem Pseudonym Johannes Treulinger!) er- Schienene Schrift sucht ausführlich zu beweisen, daß David, obwohl ihm Saul Eide und Verträge mannigfaltig gebrochen und eine Tyrannei über die andere gegen ihn verübt hatte, sich doch nicht dazu hinreißen ließ, Saul, der rechtmäßig zum Thron gelangt, nicht mehr für seinen Herrn und König zu halten, sondern die Strafe gegen ihn Gott vorbehalten wissen wollte. Und dieselbe Schutzpflicht, auf der zum großen Teil die Protestanten fußten, nimmt Treulinger für den Kaiser in Anspruch und leitet aus ihr seine Pflicht des Einschreitens gegen Sachsen und Hessen her.

Ein lateinischer Anonymus?) stellt in Gegensatz Lehre und Tun Christi, der Apostel und Märtyrer und die Handlungs- weise der Schmalkaldener. Christus hat, obwohl er das Recht hatte, sich zum König der Juden zu machen, sich dem römischen Kaiser unterworfen, hat auch andere die Unter- werfung unter ihn gelehrt, als er ihm den Zinsgroschen zu geben befahl, er hat ihn und Gott zusammen genannt, als er sagte: ,Gebet Gott, was Gottes ist, und dem Kaiser, was

1) Verzeichnis Nr. 10. Hortleder teilt Buch II Kap. XXXI und XXXII zwei Antworten auf Treulingers Schrift mit, vielleicht vom kursächsischen Hofprediger Christoph Hoffmann stammend, aus denen es den Anschein gewinnen könnte, als sei Treulingers Schrift erst nach dem Kriege gegen Ende 1547 erschienen. Doch waren mir . die dortigen Angaben zu unsicher, um daraufhin die Schrift zu über- gehen, und ich möchte v. Druffels Ansicht (Viglius S. 94 ff) bei- stimmen, daß sie ihrem Inhalte nach mehr in den Anfang des Krieges gehórt. Sie beschüftigt sich nur zum Teil mit der Frage nach dem Recht des Widerstands gegen die Obrigkeit überhaupt, sucht dann Sachsen und Hessen der Rebellion zu überführen und ihre Behauptungen über des Kaisers wahre Absichten zu widerlegen. Lockend wird dabei Abstellung der zugestandenen Mißbräuche in der katholischen Kirche, auch die Milderung etlicher Kirchensatzungen in Aussicht gestellt. Der Verfasser scheint der gemäßigt katholischen Reformpartei &h- zugehören. Denn der ganze letzte Teil ist eine dringende Mahnung zur Einigkeit und Brüderlichkeit unter Führung des Kaisers, um desto

‘eher zur Religionsvergleichung und einer guten BOIOIIISUOR zu Sommen; 3) Verzeichnis Nr. 1f.

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des Kaisers ist.“ Der Anonymus so gut wie Treulinger aber weisen nachdrücklich bin auf den Spruch Römer 13, 1 und 2. Hier ist, führt Treulinger aus, kein Unterschied gemacht zwischen Religions- und Profansachen. Und als der Apostel dieses schrieb, lebten die Christen allenthalben unter heidnischer Obrigkeit, die sie gerade wegen ihres Glaubens verfolgte. Die Apostel und alle Märtyrer haben entsprechend diesem Spruche gehandelt und sich gefreut, daB Gott sie würdigte, um seinetwillen Verfolgung zu leiden. Der Anonymus aber betont, daß dieser Spruch nur die römische Obrigkeit meinen könne und nach ihm also Caesaro- machia und Theomachia zusammen fielen. Interessant sind seine Versuche, mit den Worten der Bibel die tiberragende Gewalt des Kaisers gegenüber den Fürsten zu beweisen. Paulus hat den römischen Kaiser Diaconus, ja Liturgus Gottes genannt. Petrus nennt ibn „Hyperechonta, id est ex- cellentem“ und Paulus bezeichnet seine potestas als „Hyper- echusan“. Die übrigen prinzipes aber nennt Petrus „Hege- mones, id est Praesides, uidelicet qui non a se ipsis ver- sentur in autoritate, sed qui per Regem illum Excellentem missi sint". An einer Reihe römischer Kaiser und unter ihnen tätiger Landpfleger oder Provinzverwalter wird dann der Unterschied ihrer Stellung hervorgehoben, um schließlich die kurze Anwendung auf die deutschen Verhältnisse zu machen: ,I tu nune et confunde ordinem asseuerans eiusdem esse Maiestatis Romanum Caesarem, qui mittit, faeitque et extollit Principes, et Prineipes ipsos, quotquot sunt, qui mittuntur a postestate Exellentiore.*

Ein anderer Anonymus oder ist es vielleicht der- selbe? holt sich die Waffen, mit denen er für die An- sprüche des Imperator Romanus kämpft, aus der Rüstkammer der Geschichte. Von den Fidenatenkriegen und Porsenna, ja von Aeneas und Turnus an bis auf spätrömische Kaiser werden eine lange Reihe von Aufstandsversuchen und Kriegen angeführt vielfach unter kurzer Aufforderung zum Ver- gleich mit der gegenwärtigen Lage —, die das Römerreich glücklieh beendigt hat. Nur freche Aufrührer und beute- lustige Gesellen konnten es wagen, dagegen anzukämpfen,

und seine Kriege waren glücklieh, weil sie gerecht waren. 4*

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Und was beweisen diese Römersiege für Karl V.? Alles! „Eandem enim Romanorum Aquilam adhue Romanus, Im- perator Carolus noster fert pro signo militari^)." .

Dies Verfechten der unbegrenzten Hoheit des imperium Romanum führt bis zur völligen Verleugnung des von den Humanisten so eifrig gepflegten nationalen Gedankens und

Stolzes auf die deutsche Vergangenheit. Unser Anonymus

kann an der Tat des Arminius nichts Großes finden, betont dagegen seine Undankbarkeit und Untreue nach dem Zeugnis römischer Schriftsteller. Ebenso urteilt über ihn eine andere anonyme Schrift?), die Schradins oben besprochenes, warm

1) Verzeichnis Nr. 12. Für die jüngere Vergangenheit treten an Stelle der alten rómischen Kaiser ohne allzu kritische Auswahl Deutsche bis auf Karl V., dessen Milde natürlich gebührend gepriesen wird. Gegen Schluß beschränkt der Verfasser seine Ausführungen überhaupt nicht mehr auf das Kaisertum, sondern zieht auch Siege anderer, z. B. des Königs von Frankreich und niedergeschlagene Aufstandsversuche gegen einzelne deutsche Fürsten in ihren Bereich. Die ganze Schrift erweckt den Verdacht, daß bei ihrer Abfassung Humanisteneitelkeit, die mit einer stattlichen Reihe zitierter Autoren zu prunken sucht, die Hauptrolle gespielt hat.

?) Verzeichnis Nr. 13. Der Verfasser verwirft entschieden, daß man den Krieg als einen Kampf gegen Papst und Papsttum darstelle, und richtet dann seine Polemik gegen die vier Helden in Schradins Gedicht. Gegen Ariovist und Arminius wendet er ein, daß sie Heiden seien. Der Träumer würde also ein heidnisches Regiment lieber sehen als das jetzige, wenn nur seine Sekte tun könne, was ihr beliebe. Mit Bebagen werden alle Schmähungen römischer Schrift- steller gegen die Genannten angeführt. Wie könne Barbarossa dem aufrührerischen Rate der beiden Beifall geben, der doch selbst römischer Kaiser und ein treuer Sohn der Kirche gewesen? Er wurde nur an- gebracht, weil er mit dem Papst in Kampf gelegen. Das sei aber jetzt Art der Lutherischen. Wer jemals mit der Person des Papstes Streit gehabt hätte, ob er sonst noch so treu zur römischen Kirche gehalten, der müsse jetzt gut lutherisch sein und ein geschworener Feind aller altgläubigen Fürsten, ebenso würde Frundsberg hier an- geführt, lediglich weil er ein Freund des Papstes gewesen, und doch habe kein Schwabe entschiedener zu Kaiser Karl gehalten, für den er ritterlich gestritten habe. Nicht schlimmer könne man ihn in seinem Grabe schmähen, als daß man ihn als Kaiserfeind ausschreie.

Interessant ist eine Klage des Verfassers über die „Neu zeitler“, die bestätigt, daß die Publizistik der Protestanten in den ersten Kriegsmonaten eine außerordentlich rege gewesen sei, und die be- hauptet, aus dem kaiserlichen Lager sei kein Blättlein gedruckt.

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nationales Gedicht bekämpft. Da Gott selbst die römische Monarchie in aller Welt angenommen haben wollte, wie die Prophezeiungen des Daniel und Ezechiel beweisen, so war es, erklärt der Verfasser, Frevel von den Deutschen, sich dagegen aufzulehnen. Besser hätten sie sich Caesar beizeiten unterworfen. Mit Behagen werden dann alle glücklichen Heereszüge römischer Herrscher gegen die Deutschen auf» gezählt, es wird mit den Worten römischer Historiker be- wiesen, daß die Deutschen Rebellen waren, und die klägliche Frage aufgeworfen, welchen Nutzen die Deutschen davon gehabt hätten, immer zu widerstreben anstatt zu gehorchen. Der Verfasser verwirft, daß man den jetzigen Krieg darstelle als einen Kampf gegen Papst und Papsttum.

Viel geringeres Interesse hat ein im Juli 1546 er- schienener Dialog zwischen Ariovist und Caesarius'), der die Frage nach der Berechtigung des Vorgehens des Kaisers behandelt, aber ohne einen bemerkenswerten neuen Gedanken zu bringen, das Ganze mehr ein Erzeugnis der Rhetorik als der Politik.

Die Auffassung von der Stellung des Kaisers, die in diesen Schriften herrscht, war im Jahre 1546 nichts Neues. Theoretisch erkannte das 15. Jahrhundert in Deutschland allgemein den Kaiser an als höchsten Gerichtsherrn, auf dessen Verleihung allein der Gerichtszwang eines andern beruhen konnte, und zugleich als rechtmäßigen Nachfolger der römischen Imperatoren, der von den Deutschen gesetzt wird. Schon im 13. Jahrhundert erklären die Kurfürsten einmal, sie nähmen die Stelle des römischen Senates ein?). Man hielt an dieser Idee der kaiserlichen Würde fest, weil man ihrer bedurfte, um.den tatsächlichen Verhältnissen die ideelle rechtliche Grundlage zu geben. „Sie gibt dem Rechte seine lebendige Bestätigung, dem Gerichte seine höchste Autorisation, dem deutschen Fürstentum seine Stellung in der Welt. Sie hat etwas für diese Zeit Unentbehrliches,

1) Verzeichnis Nr. 14. 2 Ranke a.a. O. Bd. I (Berlin 1839) S. 55.

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Heiliges?).“ Um so weniger war sie bisher angefochten worden, als bisher kein Kaiser den Versuch hatte wagen kónnen, die ideelle Machtfülle in tatsächliche umzusetzen. Trotz der theoretischen Unterordnung war die Selbständigkeit der deutschen Stände immer weiter entwickelt, die neue Zeit unaufhaltsam ihren Gang gegangen. Ein ganz anderes Aus- sehen aber gawann die Lage, als sich die altehrwürdige Cäsarenkrone auf das Haupt Karls V. senkte. Mußte nicht die Stellung des Hauses Habsburg, das über Länder gebot, mit deren Umfang sich kein anderes europäisches Reich messen konnte, in dem jungen Fürsten den Gedanken wach- rufen, den traumhaften Herrschaftsansprüchen dieser Sacra Caesarea Maiestas noch einmal volle Geltung zu verschaffen? Karl V. hat diesen Gedanken gefaßt. Die Kräfte aller seinem Szepter unterstehenden Reiche unter straffer Herr- schaft zusammenzufassen, die Kirche durch Befriedigung der Reformbestrebungen, soweit sie ihm berechtigt erschienen, zu beruhigen und neu zu kräftigen und als Ordner und anerkanntes weltliches Oberhaupt der ganzen abendländischen Christenheit neben dem Papst als geistlichem zu schalten, das waren Ziele, wie sie ihm vorschweben mochten?). In diesem Sinne hat man ihn wohl den letzten großen Vor- kämpfer des Mittelalters genannt. Dabei mußte er aber in Deutschland in unversönlichen Gegensatz geraten zu den Mächten der neueren Zeit, die ihm nicht widerstandslos weichen konnten. Auf dem Rechtsboden aber, den ihnen die alte Idee des römischen Kaisertums deutscher Nation gab, konnten sie den Kampf nicht aufnehmen, sie mußten sie in Trümmer schlagen. Daher tritt dieser Fiktion in den Schriften der Protestanten der Territorialstaat entgegen. Wie dessen Häupter tatsächlich, statt Beamte und Organe des Reichs zu sein, längst die volle Souveränität erlangt hatten?), so wissen sie jetzt auch in der Theorie nichts mehr

1) Ranke a, a. O. S. 56.

2) Vgl. Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegen- reformation I S. 20/21.

3) Wie das Bündnisrecht der Reichsfürsten, ein wesentliches Zeichen der Souverünitüt, sich gerade im Reformationszeitalter weiter entwickelt hat, darüber vgl. F. v. Bezold a. a. O. S. 21 ff.

55 55 davon, daß ihre Hoheit nur ein auf Verleihung beruhender Teil der kaiserlichen sei, sondern sie regieren kraft eigener Gewalt, sie sind die von Gott gesetzte Obrigkeit, der jetzt der Schutz der wahren Religion noch besondere Weihe ver- leiht. Karl V. aber ist nur auf Bedingungen hin, durch Vertrag zu seiner Stellung gelangter, also auch wieder ab- setzbarer Kaiser. Auch in der Theorie löst der Territorial- staat das alte Imperium auf. Darin liegt die Bedeutung dieser staatsrechtlichen Publizistik.

Rörers Handschriftenbände und Luthers Tischreden. Von Ernst Kroker.

II. Rörer und Sehlaginhaufen !).

Johann Sehlaginhaufens Nachschriften an Luthers Tische sind uns aus der von Preger veröffentlichten Münchner Hand-

schrift bekannt?); die bisher noch unbekannt gebliebenen :

Abschriften Rórers aus Schlaginhaufens Heft stehen in dem Bande Jena Bos. q. 243?), und zwar an fünf verschiedenen Stellen. Ich gebe zunächst eine Übersicht über diese fünf Abschnitte und lasse dabei die Reden, die in der Münchner Handschrift fehlen, nach Rörers Text hier abdrucken‘).

1. R. 41^ bis R. 46.

Überschrift: SERMONES IN MENSA. Darunter stehen R. 41b noch die Reden Schlag. 300 1-301 + 303, 304, 309, 311, 313 + 314,

R. 49: 316, 318, 319, 323 med. (R. 42b), 323 ex, 394, 395,

R. 43: 167, 168, 169, 172 (R. 435), 174-I-176--177 178-1179, 183,

1). Den ersten Aufsatz: Rörer und Mathesius, siehe in dieser Zeit- schrift V, 337 ff.

3) WilhelmPreger, Tischreden Luthers aus den Jahren 1531 und 1532 nach den Aufzeichnungen von Johann Schlaginhaufen (Leipzig, 1888). Im folgenden mit Schlag. zitiert; die Zahlen dahinter bedeuten die Nummer bei Preger.

3) Im folgenden mit R. zitiert; die Zahlen dahinter bedeuten die Blütter der Handschrift.

4) Nur registriert habe ich mehrere Stücke (R. 114—117 und R. 124b), weil sie sehr lang sind und für die Überlieferung der Tisch- reden nichts Neues bieten.

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R. 44: 234 (am Rande), 186-4188 ex. 189, 184 (am Rande), 327, 171, 256, 259 med., 290, 295 (R. 44b), 320, 321, 322, 173, 174, 180, 182, 187, 188 in, 181 (am Rande),

R. 45: 192 (am Rande), 191, 193, 194, 195, 197, 198, 200, 201, 202 (R. 45 b), 196, 204, 205, 206, 207, 209, 210, 211, 912, 213 (am Rande), 215, 178 zum zweitenmal 4179 zum zweitenmal, 218, |

R. 46: 219, 220, 222, 230 (am Rande), 223, 226 (am Rande), 224, 227, 229 (am Rande nochmals lateinisch: ‚Hie- rosolymae et Romae honestissimi ultimo supplieio affecerunt sontes.) 232, 233.

Hiermit schließt dieser kleine Abschnitt, und es folgt (Titel am Rande links): ,Vorrede D M L vber die Ser: D C Guttel.“ |

2. R. 55 und R. 56.

Diese kleine Abteilung hat keine Überschrift, Es gehen Gutachten vorher, und das letzte reicht noch bis auf die fünfte Zeile von R. 55; darunter ist ein langer Strich über die ganze Seite, und dann beginnen einige Abschriften aus Schlag. 263 (am Rande; ebenso: ‚Post coenam stabis, aut passus mille meabis.‘), 273 in. (am Rande), 264, 267, 272, 276, 277, 279 ex., 281, 282, 283, 285 ex, 286, 287, 288 (R. 55b), 148, 149, 150, 151 in. (am Rande), 151 ex, 152 in. + 154 --152 ex. 153, 155, 156 (R. 56), 157, 158.

3. R. 97.

Auf Blatt R. 96 b steht die Vorrede Luthers zu Melanch- thons Erklärung des Kolosserbriefs, 1529, dann folgt ohne jede Überschrift ein kleiner, ganz vereinzelter Abschnitt von Reden, die Schlaginhaufen als Pfarrer von Zahna bei einem Besuch in dem nur eine Meile von Zahna entfernten Witten- berg am 13. März 1533 an Luthers Tische nachgeschrieben hat:

13. Marcii 1533 Wittembergae fui apud Doctorem Mar- tinum Lutherum. Inter coenandum haec dixit!): ‚Ego gaudeo,

quod Deus privavit rusticos hoc ingenti dono et solatio, quod non audiunt musicam nec curant verbum.

t) Halb noch im Text, halb am Rande: J. Turb., das heißt Jo- hanni Turbicidae, also Schlaginhaufen.

58 58

Philippus Melanchthon dixit: „S. Veits tantz est mera obsessio Diaboli. Respondit Doctor: ‚Das gespenst nimpt seer ab.‘ Philippus Melanehthon: „Satan jam mutatur in aliud genus imposturarum.“

Judith gerit publicam personam, quae confitetur Deum). Nulla gens est sine poemate pro sua lingua. Wenns Verbum Dei hin weg ist, sequuntur fabulae. Initio non constat sibi Judith, in fine ists gut. Judith tragoedia est, Tobias comoedia. Finis tyrannorum in Judith est: Das ein weib sie todschlegt.‘

„Baruch ist ein guter einsidler.'

‚Liber proverbiorum habet regias sententias, Salomo hat mussen reden wie ein konig. Da sind kluge leute gewesen, qui exceperunt has sententias.‘

‚Syrach est liber politicus.‘

‚Jam est magna lux, inquit, ubi me?) percontatus fuerat de statu rerum mearum, ‚dafur mogen wir Gott daneken und im das liedlin singen: „Si bona accepimus, mala eur non sustineamus?“ Weil wir viel hatten und reich waren, non poteramus canere: „Si bona etc.“ Was schadets, das wir itzt arm sind, cum habeamus ea bona, quae neque Caesar, Turca etc. habent? Melius ergo est esse pauperem, quam divitem sine his bonis.

‚Nobis mortuis vastabitur Vittemberga‘ 16 decemb. 50 f. n. s. b.

Hiermit schließt dieser kleine Abschnitt. Es folgt: ,D An- tonij Barns bekentnis des glaubens.^ Daneben steht am Rande:

Quidam dixit: „Es wil nirgend hinaus, wie wir wollen.“ Respondit Doctor: ‚Das ist auch eben recht. Quare resig- nastis? voluntatem tuam Deo et quotidie oras: Fiat vo- luntas tua! | 4. R. 106 bis R. 130b.

Auf den ersten Zeilen von 106 steht noch der Schluß eines Briefes, den Katharina Hornung am 24. Mürz 1530 an Wolf Hornung geschrieben hat (vgl. Enders 7, 280 ff), aber darüber steht schon Colloquia und daneben am Rande links:

‚Welchen hund der Knutel trifft, der schriet.‘

Darunter steht nochmals links am Rande: Ser: conui- uales. Dann folgen zunächst Stücke aus Schlaginhaufen:

Schlag. 151, 152, 153, 154, 155, 156 (R. 106 b), 157, 158, 159, 161, 328 (am Rande), 329, 330, 163,

R. 107: 164, 165, 166, 333 (am Rande), (R. 107 b) 331, 336,

1) Eine Parallele ist Cord. 1298f. *) Also Schlaginhaufen. 3) sic.

59 59

R. 108: 337, 338 (am Rande), 339, 340, 341,

Psalmus 137. ‚Itzt leit vnser cultus darnidder, und sind hie in luetu. Insuper insultant nobis adversarii, qui capti- vos nos tenent: Cantate nobis! Non possumus, quia man- datum est, ut in laetitia colamus et celebremus Deum. Se- quitur prophetia: Ich wil kein ander freude haben, quam de Jerusalem reaedifieanda. Est consolatio, quod populus debeat ex hae eaptivitate liberari, id est, dem musse Gott gluck ge- ben, scilicet Cyro, etiam ad literam. 66. est consolatio, psal- mus captivorum. Populus wird (in) in!) captivitate gemacht haben. Habuerunt et alias consolationes ex prophetis et prae- cipue ex Jeremia.‘ :

Dominus in die irae suae?): ‚Er redt von konigen tod zuschlahen, wie von fliegen schlahen. Non compellat eos: Ir grosmechtigen (R. 108b) konige, sed sine honoris prae- fatione dicit: Et nunc reges intelligite, qui tamen sunt in ma- jestate mundi, immo seriptura ornat eos appellatione majes- tatis. A dextris tuis: Er setzt in seer hoch, nicht gen Rom noeh Constantinopel, sed: Sede a dextris meis. 2. et 110. psalmi valent ad consolandum magnifice contra hostes Christi et ecclesiae. Est et inter praecipuos 22. recensendus.‘

342, 343 4 344, 345, 346,

Unus est articulus et una regula theologiae, et qui hunc. articulum et hane regulam non tenet, non est theologus, scilicet vera fides et fiducia in Christum. In hune articulum omnes alii fluunt et refluunt et sine illo alii nihil sunt. Diabolus ab initio conatus est, eludere hune articulum et delere?) et loco illius suam sapientiam erigere. Perturbatis, adflietis, vexatis et tentatis, den schmeckt der Artikel, und die sinds, so das Euangelium verstehen.‘

Justitia^) est multiplex. Quaedam est politica, quam eaesar, philosophi et jureconsulti tractant. Alia est ceremo- nialis, et haec est duplex, quaedam necessaria, quaedam non necessaria. Eam sine periculo íraetant patresfamilias et paedagogi tamquam necessariam ad disciplinam morum, quia non tribuunt ei vim ad satisfaciendum (R. 109) pro peeeatis. Traditiones papae, quae tribuunt ei vim ad satis- faciendum pro peccatis, placandam iram Dei et promerendam gratiam, hane abjieiamus! Item est justitia decalogi aut legalis, quam Moses docet. Haec quoque docenda est post doctrinam seu justitiam fidei. Praeter has est justitia Chri- stiana seu fidei, quae et aliena et mere passiva justitia, et

1) Das erste „in“ fehlt im Text.

*) Am Rande: psalmus 110.

*) et delere übergeschrieben.

*) Scheinbare Parallelen sind Schlag. 415 und Cord. 1589.

60 | 60

haee praedicatur homini satis conterto, qui premitur lege, vexatur peccato, et qui sit consolandus. Sicut autem justitia est duplex, scilicet passiva et activa, ita homo etiam in scriptura dupliciter intelligitur, novus et vetus. Ad novum hominem nulla pertinet lex, nulla justitia activa; habet enim suos limites usque ad Christum. Ad veterem hominem tota pertinet lex, tota justitia activa; hune lex arguit, exercet !), coercet, disciplinat?), accusat, quousque homo manet et natus est ex carne ef sanguine. Itaque utrumque manet, donee hie vivimus. Caro homo est vetus; tandem hie vivit, accu- satur, exercetur, contristatur et conteritur justitia activa legis). Novus homo in his aerumnis ef tribulationibus regnat, laetatur, salvatur passiva et aliena justitia.‘

‚Die grosten sunde, die wider Gott geschehen, sind wider die 1. Tafel in den 3 ersten geboten begrieffen. Aber niemand verstehet noch fulet diese sunde, denn der den Heiligen Geist und gnad Gottes hat. Darumb ist iederman sicher, und so solche gleich Gott erzurnen und des Teuffels eigen worden sind, dennoch meinen sie, sie stehen mit Gott wol dran. Ja wenn sie sein wort und gebot verfolgen und verdammen, noch dencken sie in irem sinn, sie thuen Gott ein sonderlichen dienst dran. Exemplum: Paulus meinet nieht anders, er thet wol, das er das gesetz halff verteidingen; er hielt das gesetz Gottes fur das hochste kleinot auf erden, wie wir auch itzt das Euangelium haben, und wolt leib und leben dran setzen und druber lassen und kurtz umb das gesetz verteidingen, und mangelt am verstand, weisheit, ge- walt und gar an nichts, das er dazu bedórffte, aber ehe er sieh umbsahe, und da er meinet, sein sach stünde am besten, da kriegt er einen andern befelh und ward zu im gesagt, das all sein werek, sein thun, vleis, eiuer wider Gott were. Und hatte doch das beste ansehen bey den gelarten, ver- stendigen, heiligen, das iederman sagen must, Paulus handlete recht und thet gottliche werck, denn er eiuert umb Gottes ehr und sein gesetz. Er hatte auch die argumenta und den grund fur sich, welche im mit der vernunfft nicht kundten umbgestossen noch widerlegt werden. Aber Gott fand die solutio und schlug in an ein ohr, das er zu boden fiel und must hören: „Eben damit du meinest, du dienest mir, ver- folgestu feindlich mich, und das es war sey, so liese die lectio! Du rhumest dich, du habest mein wort und ver- stehest das gesetz, und wilt es ernstlich verteidingen, und iederman fellt dirs zu, und nimpst des Zeugnis von (R. 109 b)

1) exercet übergeschrieben. 2) disciplinat übergeschrieben. 3) Uebergeschrieben quam lex tradit.

61 61

den Obersten und den Schrifftgelerten und zeugst in dem

wahn sicher dahin. Ich hab aber in meinem gesetz befolhen: Wer den namen Gottes unnutzlich furet und misbraucht, der sol tods sterben.“ Paulus misbraucht und furet den namen Gottes unnutzlich, darumb straffe ich in billieh. Major probetur. Er verfolget Gottes Son und den rechten Messiam oder Christum, welcher der namen Gottes ist und heisst. Das argument kunde Paulus nicht soluirn, darumb must er zum creutz kriechen, sich schemen und sagen: Er hette das göttliche wort und gesetze nicht recht verstanden, und sein grosse sunde, mishandlung, auch den unglauben und unver- stand, ja blindheit bekennen und uber sich das urteil selbs furen, im were recht geschehen. Darumb spricht er auch: „Domine, quid me vis facere?“ Sihe, da bist du ein Meister des Mose und gesetzs und fragst erst, was du thun solt etc.?'

348, 347, 349, 350, 351,

R. 110: 352 (daneben am Rande: ,Albrecht von Sachsen habuit virtutes heroieas et actum (?) heroum.‘), 354, 355, 356, 357, 358, 359, 360 (R. 110 b), 361, 365, 367, 368, 369, 370, 372 ex. (am Rande), 373, 375, 376,

R. 111: 377, 379, 382, 383,

Ein!) toriehter hund wutet nur 9 tag. Herzog Georg?) wutet nu 9 jar. Wirds denn nicht schier ein ende werden?' Paulo ante relegaverat 9 cives zu Oschatz propter con- fessionem euangelii ete.

Wenn?) ich so andechtig were zu beten, als Peter Wellers Hund des morgens zu essen, so wolt ich erbitten, das der jungst tag bald keme, denn der hund denckt nirgend an denn auf die schussel.'

‚Wenn?) ich unserm Herrn Gott solt raten, so wolt ich im raten, das er der welt hin fort nichts mher umbsonst?) gebe, sondern wurde auch ein kremer. Er muste keinen kein weib, kein kind, kein auge, kein fuss, kein hand, heubt, maul, nasen, zeen, magen, miltz, leber, lungen und alle gliedmas, so der mensch hat, geben, er zelet im denn fur ein iedes stuck 100 fl. auf. So wolt ich unserm Herrn Gott auch 100 fl. ausrichten, das mein Kethe®) mher milch hette, und umb meins’) Wolffs inertiam (?).‘ (R. 111 b) Alius ad haee: ,Domine Doetor, wo wurden die armen bleiben, die

1) Ursprüngliche Parallelen sind VD. 121b und Cord. 1550; vgl. Kolde, Analecta 178.

2) Text: H. G.

3) Cord. 1551.

4) Cord. 1552.

5) Am Rande.

©) Uebergeschrieben uxor.

?) Uebergeschrieben famulus.

62 | 62

nicht so viel gelts hetten, zu keuffen? Hi cogerentur his omnibus carere.“ Respondit: ‚Sie musten alle gelts genug haben ad comparanda praedieta und nichts ubrigs an schatz zu legen. Aber ich halt, unser Herr Gott denck: Wenn ich inen schon alles gelt neme, so must ich ins doch wieder- . geben, umbsonst, denn dis gesindlein mus doch genug von mir haben; misericordia mea mus fur und fur wheren.

(Am Rande) Doetor fand ein raupen et dixit: ,Das ist incessus Satanicus et est varii coloris sicut Satan.‘

In horto dixit: ‚Das korn!) wird hin fort nimer so wol- feil, quia peccata nostra provocant iram Dei et merentur poenam; 2. so ist der leidige wucher und geitz zu gros.‘

eh [furcht]?), der Cardinal?) hab Herzog Georg‘) und Marggraf Joachim lassen gen Regensburg holen, auf das er dureh sie ein unlust practieir und anricht. Geschichts, so wil ich unsern Herrn Gott bitten, das der Landgraf Herzog Georgen*) ins land fall und straf in waidlieh, wie wol es nicht gut were). Ich sehe doch wol, das Herzog Georg *) nicht wil friede, sondern unfriede haben. Er ist doch zwar gar ein unglückseliger krieger, das sahe man wol im Phries- land. Er wurds aueh itzt nicht hin aus furen, das werd ir erfaren gewislich.‘

(Am Rande) ,Papistae quotidie oraverunt haee verba: Deus caritas est. Et nihil est remotius a caritate quam illi ipsi.‘

Filiolo ipsius Martino sugente ubera matris dixit Doctor: ‚Dem kind ist feind bapst, bischoue, Herzog Georg‘), Ferdi- nandus und alle Teuffel, das kindlin furcht sich nichts fur inen allen, sondern saugt den zitzen mit freuden, fragt nichts umb alle seine feinde, ist guter dinge und lesst sie zurnen, so lang sie wollen. Vere dixit Christus: Nisi effieiamini ete.‘ .

‚Zu Venedig) ist ein solcher hunger gewesen, das Cesar Pflug gesehen hat, das viel leute auf dem wege und strassen erhungert hin und wider gelegen sind. Zu letzt haben sie dem Turcken geschrieben, der hat inen etliche galen mit getreide geschickt. Da sie nu schier zu Venedig haben an- komen sollen, haben die Veneti angehaben zu schiessen und triumphirn; in solchem triumph sind die schiff mit getreid und leuten untergangen und alles ersoffen. Also kan Gott nieht leiden, wenn man im nicht in die hende sihet ete.‘

1) Cord. 1553.

2) Fehlt im Text. Eine ursprüngliche Parallele ist Cord. 1555. 3) Uebergeschrieben Moguntinus Albertus.

5) Text: H. G.

5) Uebergeschrieben: „umb vieler ursachen willen“.

6) Cord. 1556. |

63 63

‚Ferdinandus') nihil boni, nihil veri, nihil entis. Er ist niehts mher, denn das er schilt und helm furet und muntz schlecht. Man lesst in wol konig?) bleiben, aber mortuo fratre Carolo?) wird er nichts sein werden.‘

Vesperi in horto: ,Ehe*) ein mensch lernet 1. verbum in Mose, scilicet: Deus creavit coelum et terram, (R. 112) so ist er tod, und wenn er 1000 iar lebte, so wurde ers?) doch nicht auslernen. Aber dieses Creators und seins ge- schöppfs®) hat man so gar vergessen, das Gott auch seinen Son must senden in die welt, das er die welt erinnert und anzeig”) des Vaters gnad und wolthat in creatione et missione filii ete.‘

Sinus?) heisst proprie ein bosem, da einer etwas mag einschieben. Aber wenn der mensch nackend ist, so hat er keinen bosen. Wir haben kein recht deudsch uber das wort sinus, denn sinus heisst ein arm, wie ein muter ein kind fast mit henden, armen oder knien. Wir konnens aber nicht deudsch geben, reden. Also hat Lazarus gesessen in sinu Abrahae. Sie Christus in coena habuit Johannem in sinu, hat in an sein brust gedruekt, den arm umb in gelegt; magnus affectus in adulto.‘

384, 385, 386 (R. 112 b), 387, 388, 391, 389, 390, 392,

R. 113: 1.393, 394 (am Rande), 395, 396, 3974398 in, 398 ex, 399 (R. 1135), 400, 401 -+ 409,

"Waldenses sic argumentantur: Bonum est mulierem non tangere, ergo malum est ducere uxorem. Est argumentum Hieronymi contra Jovianum.‘

403 (R. 114), 404, 405, dann folgen annotationes in psalmos: Psalm 148 (R. 114b, daneben am Rande: Anno 1483 natus est Lutherus. Hans Schefer maguntinus primus calchographiae inventor Anno 1439.), Psalm 149, Psalm 34, (R. 150 und 150b), Psalm 113 (am Rande: Ein kurbis ist edler, reiner, frumer denn kein weib, quia. tactu solo perit.‘), (R. 116) Psalm 40, Psalm 39 und Psalm 56 (R. 116b und 117, daneben steht am Rande, durch ein rotes B. in den Text, wo ein rotes A. steht, eingeschoben: ‚Auch hett er mir, der Satan, viel zuschaffen geben, si non fuissem doctor. Non est levis res, mutare illam totam papae religionem.‘

1) Cord. 1558.

2) Text: K.

3) Text: C.

*) Cord. 1559.

5) Korrigiert aus „es“.

6) „und seins geschöppfs“ übargeschrieben. ?) „und anzeig‘‘ übergeschrieben.

8) Cord. 1560. E

64 | 64

Dixit Jonas!): „Valde mirum est, quod Satan vos impugnet, eum tamen conscientia vestra teste agatis negotium Dei.“)

Jam nihil boni et laeti videmus in nostris pastoribus et ministris conjugibus. Olim eum legerent missas, horas canonicas, circumirent templum in festis illis summis, item eireumgestarent panem, quanta reverentia excepti pagani sacerdotes a nobilibus, minoritae a principibus! Item quanta diligentia vulgus hoe unice egit, ut nocte nativitatis Domini audiret missam, multi omnes tres!

Man?) kan abominationem missae mit keiner zunge ausreden, mit keinem hertzen ergreiffen. Mirum, quod Deus jam?) dudum mundum propter eam non perdidit, ut procul dubio ignis incendio perdet.

apatus*) stehet auf der messe dupliciter: Spiritualiter erhelt sie seinen") cultum; deinde mundi prineipes erhalten papatum corporaliter. Missa est papistarum petra. In spiritu jam corruit, destruet Deus etiam brevi petram carnis.‘

‚Lesst®) mich unser Herr Gott am schelmen sterben, so thut Gott den papisten ein grosse schalekheit, das sie mich, den ergsten irer feinde, sollen nicht umbbringen noch ver- brennen. O0, wenn sie kondten, zerrissen mich mit den zeenen!‘

(R. 117 b) ‚Der Scheflimini ?) hat feinde, das mussen wir erfaren, das wirs fulen. Aber er wird fur inen wol bleiben sitzen, und wir in und durch in, das weis ich.‘

‚Teuffel®) kan das argument nicht soluirn: Justus fide sua vivet. Aber es leit daran, wers recht ergreiffen kan.

Jeh?) wil lieber vom Teuffel denn vom kaiser oder bapst sterben, so sterbe ich durch ein grossen herrn. Aber er sol ein bislin an mir gessen. haben, das im nicht wol be- komen sol; er sol es wider speien und des kein danck haben! Et apparente magno Deo die laeti et gloriosi ad- ventus sui wil ich in wider fressen.‘

Semen mulieris. ,Wer Christum zum konig und Gott hat, qui assumpsit nostram naturam, carnem et sanguinem et natus ex virgine, is certo habebit Diabolum infensissimum inimieum. Magna gloria est, quod nos miseri homines habemus dominum vitae et mortis!^) vestitum nostra carne

1) Text: D. Jo:

2) Cord. 619.

3) jam übergeschrieben.

*) Cord. 620; vgl. Cord. 1865.

5) „seinen“ übergeschrieben,

9) Cord. 620 ex.

?) Cord. 1387.

5) Cord. 1388.

?) Cord. 1389. - Pru

10) Uebergeschrieben: et omnium creat (orem). .

65 ! 65

et sanguine, sedentem ad dextram patris et interpellantem pro nobis!

‚Es ist kein buch in der schrifit, in quo tam bene deseribitur sacerdotium Christi ut in epistola ad Ebraeos. Magna est consolatio piis, das er pontifex und episcopus sey animarum nostrarum, cum tamen conscientia semper dictet, eum esse judicem.‘

406, 407,

R. 118: 408, 409, 409 ex. (R. 118b), 410, 411, 412, 413, 415 (am Rande),

R. 119: 414, 416, 416 ex.,

Wollen!) die grossen heubter, keiser, konige, fursten, ' bischoue auf den so vielen?) reiehstagen zum frieden nicht raten, sondern etc., sinamus eos in nomine Dei ipsorum, quo aguntur in fremitu, meditatione, correctione, projectione, con- sultatione, conatu ipsorum perire!

Quidam offerens Doctori librum conformitatum; ubi eum inspexit et passim quaedam obiter legit, dixit: ‚Ego non credidissem tam horrendam blasphemiam et tantam audaciam, temeritatem, inverecundiam?) esse in toto genere humano, ut sunt in illo libro.

(Am Rande) In horto dixit: ,Vogel*) und wilde thier in der lufft, wasser und auf erden essen mher denn die menschen. Ein wolf mus ein iar etwas viel haben ete. Sperling, luehs, fuchs, dachs, marder, iltis, geier, habicht, adler, sperber, faleke etc.‘

417, 417 ex. (R. 119b), 418, 420, 419, 421 in. (am Rande) 421 ex, 422 in. 422 ex., 426,

R. 120: 428, 429, 432, 434, 423-4425 in., 435 ex. (R. 120 b), 436, 438 + 439, 442,

Anno Domini 1532. die Julii 12., hoc est in vigilia Margarethae, corruit murus et trabes magna, quae sustentabat den saal, Sommer Rembder, in cella?) monasterii. Adstabat Doctor Martinus, uxor et aliae personae. Nisi Deus mira- biliter per angelum custodisset Doctorem et alios, oppressi fuissent eto.9)

‚Magna virtus Imperatoris Caroli V., quod non superbit de victoria parta contra regem Franciae. Im Niderland wolt man im ein tapet schencken, 14 tausent ducaten werd, cum

1) Cord. 1591.

3 „so vielen" tübergeschrieben.

3) inverecundiam übergeschrieben. *) Cord. 1595.

5) Uebergeschrieben: „Keller“.

$) Vgl. Cord. 1607.

Archiv für Reformationsgeschichie VII. 1.

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66 i 66°

autem nomina regis et nobilium essent adscripta, noluit accipere. Coacti sunt ergo, deletis autem nominibus accepit.‘ 1}

444, 446, 447 (am Rande, darunter: Lipothumia?) defectio annorum, syncopis defectio omnium membrorum,

R. 121: 449, 450, 451, 452, 453, 454, 455, 456 (R. 121b), 459, 460, 461, 462, 463,

R. 122: (Schluß von 463, am Rande weiter) 486, 496 (R. 122b), 464, 465, 467, 468, 469, 483 (am Rande), 485 (am Rande), 482 (unten am Rande),

R. Ts 470, 471, 472, 473, 477, 418, 479, 480, 474 (am Rande, daneben: 'Cum fieret mentio de Turca, dixit: ‚Wie offt ist der Turck gestorben und wider lebendig worden!), (R. 123 b) 481, 484, 487 + 488, 489, 490, 492, 493, 495, 497, 498, 499, 494 (am Rande), 500 ex. (am Rande),

R. 124: 501, 503, 504, 509, 510, 511, 512 -+ 513, 514, 515 (am Rande), 517, 518 (R. 124 b), dann folgt das lange Stück Imago Diaboli in homine impio), daneben steht (am Rande) 539, 541 und: ,Es*) were mein rat, das man itzt schlecht ein capitel lese, den blossen text, darnach betet und letzlich adhortirt populum ad moralia; das were am besten geordnet pro vulgo.‘

(Ebenfalls am Rande) ‚Wenn der linck zitzen verzagt ist, so thut der rechte nicht‘ Hoc dicebat de bellatoribus.

(Unten am Rande) In vigilia Matthaei?) obiit D. Sebaldi Catharina Anno 1532, eodem die et D. Stackmann.

R. 125: 520, 591,

‚Gott®) acht die konige, wie ein kartenspiel die Kinder achten. Weil sie spielen, haben sie sie in iren henden, dar- nach werffens in ein winckel, unter die banck oder ins kerich. Also tut Gott auch mit den Potentaten. Weil sie im regi- ment sind, helt er sie fur gut; aber sobald sie es ubermachen, deponit de sede, sturtzt er sie‘) und lest sie da liegen ut regem Daniae ete.‘

522 in, (am Rande: Augustinus. Puer etiamsi contra votum nascitur, amatur.), 519 (am Rande), 522 ex. (R. 125 b), 542 in. (am Rande: ‚Deus est sapiens?) et misericors, das er so schveigen kan und solang den ergsten buben zusehen und sie ungestrafft hin lesst gehen.‘), 523, 538, 540, 542 ex. 524,

1) Korrigiert; erst stand wohl da: Coacti sunt ergo, delere nomina, tunc accepit. |

2) AeınoFvuia.

3) In Schlaginhaufen hat es keine Parallele, wohl aber bei Cord. 786, Seiner Lünge wegen ist es hier nur registriert.

*) Rabe 28.

5) 20. September 1532.

9) Rabe 45,

?) Uebergeschrieben.

5) Uebergeschrieben: patiens

67 67 R. 126. É ‚Wir sind der art!), wenn wir ein å haben, so wollen wir gern ein fl, si 1 fl, hetten wir gern 100 ete. Wenn ich ein kandel bier habe, wolt ich gern das fas mit der?) bier gar haben. Sie faciunt rustici; wolten gern burger sein, burger edelleute, edelleut fursten ete. Das heist nicht sich gnugen

lassen in leiblichen sachen, viel weniger in geistlichen, davon gar wenig ein gedancken verlieren etc.‘

‚Wir®) haben aller tyrannisehen thier art an uns mit essen. Der wolf frisst schaf, wir auch; der fuchs huner, gens, wir auch. Habicht und geier essen vogel, wir auch. Hechte essen fisch, wir auch. Mit den ochsen, pferden (R. 126 b), kuen essen wir auch gras; mit den schweinen essen wir mist und dreck, sed interne, da wirds alle zu dreck.'

(Am Rande) ‚Fur Gott konnen wir nimer mher an ein

mittler, qui est Christus, qui est pontifex noster interpellans _

pro nobis. Rom. 8. Ebr. 5. Habentes pontificem ete. 1. Tim. 2.

529 (am Rande, desgl), 531 und 5332,

R. 196 b: 526, 527, 528, 533, 528 ex. (am Rande),

(Am Rande) Grossus in aqua major apparet quam extra. ' Cultellus in aqua videtur fractus. |

(Am Rande) Papa gibt im sacrament operi zu viel; sa- eramentarii nemen opus et sacramentum hinweg: nos incedi- mus regia via.

(Am Rande) Martinis a Marte nomen legis eAevreoog liber.

R. 127: 534, 535, 536, 537,

(Am Rande) Amor vincit omnia*) Du leugst, spricht pecunia; Wo ich, pecunia, nicht bin, da kompt amor selten hin. Qui caret nummis, Was hilffts, das er from ist? Qui babet in promptis, der macht wol schlecht, das krum ist.

(Am Rande) ‚Inenarrabile est, quam [mirabilis] ë) sit ocu- lus! Wolt man vielen blindgeboren davon sagen, es were ein mensch, de®) hette 2 augen, mit welchen er kunde uber viel meil sehen, so wurden sie es nicht gleuben. Wirden sie aber beredt, solchs zu gleuben, soltu von inen hören, was fur ein kostlicher schatz es umb ein auge were. Sed nos contem- nimus Dei dona sicut omnia alia ete.‘

R. 127b: 543, 545 (am Rande),

Contionator?) debet esse bellator et pastor. Er mus

1) FB. 1, 269 f. (4, 107). 3

*) Sic.

3) FB. 1, 220 (4,8).

*) Rabe 34. ds 5) Unleserlich, da zu straff gebunden.

) Sic. ?) Vgl. FB. 2,385 (22, 40). 5*

ğ i

68 68 zeen im maul haben. Docere ist die schwerste kunst, Paulus ut Petrus, sana doctrina exhortari et contradicentes arguere.

„Monachus quidam in Northausen, Doctor theologiae, hostiliter persecutus est euangelium, tandem in articulo mor- tis vocavit contionatores euangelicos, orans propter Christum veniam, ef confitebatur, se scienter impugnasse veritatem euangelii, dicens: „Ich habs gewust, das es die rechte warheit ist, und doch dawider gestanden!“ Tandem est erectus verbo et absolutus a fratribus piis, quos vocaverat ad se. Fuit in magna autoritate apud comites.‘

544, 546,

Ubi incidit sermo de fanaticis spiritibus, quod impugna- rent sabbatum Christianorum, respondit Doctor: ‚Es ist lauter hab und neid, das die schwermer sabbatum Sonnabendt heissen. Turea 5. feria.servat suum sabbatum. Adhuc non est determinatum, an Christus passus sit sexta die vel sabbato, licet Pomeranus!) bene scripsit prae ceteris de hac re, sed nondum est conclusum. Ibi Hineck?) dixit: „Tamen oportet servari decalogum, qui jubet sabbatum sanctificari.“ Respondit Doctor: ,Propter vulgus nolo mutare, alioqui ego (R. 128) aliter ordinarem decalogum, quia non gentibus, sed Judaeis est datus. Ego quaero, num Moses sit magister gentium an Judaeorum? Certe Judaeorum, non gentium; ergo non potest gentibus imperare. Gentes aeque docent, honorandos esse parentes, ac Moses. Si sabbatharii illi volunt servare sabbatum, tune cogentur etiam cireumeidi. Deus est omnium gentium Deus, sed dedit singulare mandatum Judaeis, ut in sabbato, ut audirent lectionem verbi sui, propter Christum futurum. Er hat den sabbat dem volekg, sonst nicht auffgelegt. Er wil ministerium verbi gehalten. Ideo jussit sabbatum sanctificari et omitti alias operas, sed non refert, quo die.‘

547, (daneben am Rande:) ‚Prineipum munera sunt signa gratiae (sicut baptismus et eucharistia); darumb verdreussts die fursten seer hart, wenn man ire munera gering acht.‘

„Scriptura multa dicit et tribuit medicis, licet etiam mentionem faciat de muliere emorrhoissa, quae omnia ero- gabat medicis. Item: Medice, cura te ipsum! Tamen est nobilis. Sed theologum facere, non est hominis, caesaris aut papae, sed solius Spiritus Saneti.

(Am Rande) ‚Was gut ist?), ist von Gott; was bos ist, ist vom Teuffel.‘

‚Facies mundi est quasi paradisus, facies eeclesiae Dei

1) Text: Pom: ?) Text: H: 3) Rabe 36.

69 69

et Christi turpissima coram mundo, sed tamen pretiosa coram Deo. Aaron in ornatu suo ist herrlich einhergangen!) und wol gerochen. Non est curandum, quid?) mundus de nobis judicet. Was frage ich darnach, quod .usurarii, nobiles, rustici, cives avari?) halten mich fur ein dreck? Ego tem- pore suo*) idem faciam. Ideo nihil nos moveat, quid sentiat mundus de nobis, sed virtus est placuisse bonis.

Unam eonseientiam?) desperabundam erigere est plus quam multa regna habere. Mundus vocat jam nos eversores doetrinae?), turbatores pacis. Certe erit sibi ipsi propheta, etsi magno dolore videamus. Sic de Christo Judaei: „Si dimittemus hune, venient Romani et tollent ete.“ Da sie aber Christum tod schlugen, da kamen sie nicht? Ja, ich mein, sie kamen und machten (R. 128 b) ein garaus mit inen. Sic contemptores et inimici verbi erunt perturbatores pacis et eversores Germaniae, quando sublati fuerimus, wenn uns unser Herr Gott hinweg genomen hat’). Ipsi sie volunt habere.‘

‚Herzog Georg?), alii principes und Junckherr Seharhans?) wurden nicht so stoltz sein, si non didieissent ex euangelio, magistratus officium esse ordinationem Dei ete. Et tamen persequuntur illud. Nu, werden sie es vertreiben, so sollen sie nicht lang bleiben, das wil ich inen ein eid schweren.‘

‚De quodam narratur dixisse eum: Si sciret certo, se esse baptisatum, tunc vellet perpetuo ridere Satanam. Nos nos!^) ita magnificamus divina haee dona, verbum, baptismum. Hine fit, si rustieus aut nobilis uns krum ansihet, wollen wir aus der haut!!), so wir uns doch frewen solten, juxta illud: Beati, eum probra jecerint ete.‘

. ,Sexus muliebris quando incipit amplecti doctrinam, ferventior est viris in fide, ut videtur in Anastasia; Magda- lena war hertzenhafftiger denn Petrus.‘

‚Christus tam erat egenus, ut non haberet locum, ubi eaput reclinaret moriendi in terris, sed in aere must er sterben, pendens in cruce.‘

„Nihil minus apparet in facie ecclesiae, quam quod dicitur: Sursum erigendi sunt oculi et non inspieienda juxta

1) Uebergeschrieben: „im tempel“. 2) Darüber: quomodo.

3) Darüber: centauri Schar, d. h. Scharrhansen. *) Darüber: in illo die

5) Rabe 37 + 38.

9) Ist übergeschrieben.

7) ,wenn—hat" übergeschrieben. 5) Text: H. G.

?) Rabe 52.

10) Sic.

11) Uebergeschrieben: „faren“.

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nostrum externum sensum et speciem, quia nos peccata sentimus et terrores Diaboli, sed juxta euangelii promissiones judicandum est.‘

‚Ego seio Christum vicisse mortem, peccatum +). Signum et sigillum habeo baptismum, coenam Domini, absolutionem, verbum. Utinam possemus perfecte amplecti haee verba: Christus est sponsus, so weren wir feine doctores und kunden die gulden kunst. Defectus non est in Christo, sed in nobis. Ideo haeremus et fluctuamus et Christum admodum frigide apprehendimus.'

¿Facies ecclesiae est adflieta, perturbata, sed vere in spiritu triumphat Christus. Fecit, inquit Paulus, nos con- sedere Christo in coelestibus. Sicut ergo sponsa est domina bonorum mariti sui, sic credens est dominus omnium rerum sponsi sui, quia est cum Christo resuscitatus in coelestibus. Non est ergo superbia, wenn wir trotzen contra Satanam de bonis Dei per Christum nobis partis, quae ipse amisit.‘

‚Deus nihil mali?) videt in sua ecclesia, quia tantum inspicit Christum, quem tamen impense amat, uf prae illo amore in sua sponsa nihil mali videat, quia eam mundavit in verbo. Ephe. 5.

(Am Rande) „Episcopi non sunt sponsi ecclesiae, ut gloriantur papistae, sed amiei sponsi. Baptista noluit esse sponsus.‘

(Am Rande) ‚Sacra scriptura nunc vilescit assiduitate, sed est summus et maximus thesaurus. Rom. 15.

(Am Rande) ,Medieorum non est disputare de conser- vanda sanitate, quia ipsis negotium cum aegrotis, sicut theologis cum peccatoribus.‘

(Am Rande) ,Galenus risit baptisma Christianorum. Vixit tempore Dioeletiani. Lex de conservanda sanitate est lex Adam ante lapsum.

(R. 129) „Judaei sciebant Messiam venturum et eum audiendum esse, sed Jesum esse hunc?) Christum, non poterant persuaderi, immo persecuti sunt et occiderunt eum, et tamen gloriantur se populum Dei esse.‘

Omnes universitates ignorarunt subjectam theologiae ante nostra tempora: Wovon sie reden sollen. Paulus nominat subjectum theologiae Rom. 1: Quem promisit Deus in scripturis per prophetas ete. Christus est subjectum theologiae, de quo dieitur subjectum adaequatum.'

(Am Rande) ‚Was der Teuffel tut, da druckt er alweg das sigel mit dem ars drauff.‘

1) Vgl. Rabe 39. 2) Uebergeschrieben. 3) Uebergeschrieben.

71 71

‚Lex justo non est posita etc. Adam est justus. Nego majorem. Probatur per Paulum. Hic quaeritur, an Paulus loquatur seeundum sententiam istius majoris? Adam non fuit adulter. homieida, ergo est justus. Paulus loquitur de lege justorum, quae fertur eontra injustos. Lex justorum est lex caritatis.: ‚Diabolus dixit ad me ex Marco Storck et Karlstadt: „Doctor Martin, ir solt zeichen genug sehen!“ Haee de seditione rusticorum. Sed ego tunc non intelligebam.‘

Justo non est lex posita; Adam fuit justus, ergo non est ei lex posita. Hoc argumentum credo a nullo sophista potuisse solvi. Paulus loquitur de lege peccati.‘

Psalmus 45. Quonjam ipse est Deus, et adorabis eum. ‚Magna est differentia inter donatorem et donum?) Pater dedit filium suum, non tantum legem et justitias legis, de qua lege multum gloriantur Judaei et papistae. Hoc voca- bulum ,adorare* tantum vero Deo aítribuitur. Hic psalmus unus est de praecipuis, qui probant Christum Deum verum et hominem verum ete. Et munit animos nostros contra Diabolum.‘ |

‚Nos®) stulti non possumus rationem indicare, quomodo oriatur sermo in ore nostro, quomodo verbum unius audiatur in auribus tot hominum, item quomodo color in oculis nostris fiat, item quomodo panis*) vertatur in sanguinem ef stercus in nobis, et volumus extra nos surgere et speculari de majestate etc. cum ea, quae apud et in nobis fiant, ignore- mus? Ideo consulendum et audiendum, quid verbum Dei dicat.‘

Hilarius ait: Nos sumus patientes de corporibus nostris, de Deo sumus impatientes, hoe est, wir mussen leiden ignorantiam nostrorum corporum, wie es mit uns zugehet, und wollen doch die Gottheit ausspeculirn. Ideo nolite dis- putare, denn so bald ir disputirt, fallt ir dahin.‘

Judaei non possunt ferre doctrinam illam, quod Christus rex sit Deus et homo. Ariani fuerunt omnium haereticorum (R. 129 b) stultissimi. Articuli fidei mussen judicirt?) werden per spiritum, non per rationem nostram). Ratio occiditur illis articulis et cogitur scripturam praebere captivam et dicere: Ista sunt mihi quidem?) incredibilia, sed quia Deus hoc dicit, ego credam.

1) Vgl. Cord. 1185.

?) Am Rande: Dona non regnant super nos, sed Christus.

3) Am Rande: Eadem materia usque ad parag. Deus curat. *) Uebergeschrieben: cibus.

5) Uebergeschrieben.

6) Uebergeschrieben: ad superiora pertinent.

?) Uebergeschrieben.

12 72

Omnes haeretici loquuntur aut fanatica aut philosophica. Noli ergo timere, terreri, si Satan vult") tibi inculeare, te idolatram esse, qui adoras Christum pro Deo, et contume- liosum esse eontra Deum, eum dieat scriptura, unum tantum Deum adorandum esse; eum autem Christus adoretur, non unus verus Deus adoratur, sed alienus Deus. Ibi Spiritus in psalmo dicit: Non sedueam te nee faciam te idolatram, sed dico, ut [audias, videas, inclines aurem tuam et]?) obli- viscaris domum patris tui, item ut adores hunc regem scilicet Christum, et si mihi hoc jubenti parueris, non errabis.‘

‚Optimum est, ut theologus sit bonus textualis. In divinis rebus non est disputandum, sed tantum audiendum, ut Spiritus hic?) monet; audis autem, quod Deus transfert cultum 1. praecepti in Christum filium suum et dicit: Adora eum!

Seer schwer wers, wenn Gott unser einen sine aliquo exemplo wolt faren wie Abraham, Isaac, Jacob etc. Nos etsi habemus multa et magna exempla proposita passim in scripturis, tamen fides admodum est languida.‘

‚Deus curat verbum ecclesiae suae, alioqui quis vellet docere euangelium, Christum praedicare? Item si omnes principes essent hostes verbi, ecclesia uno die non posset consistere. Sed Deus habet etiam inter principes, qui eum colunt et hospitia praebent ministris verbi; habet et quosdam in aulis impiorum principum, regum, episcoporum, qui eum adorant et multa consilia impiorum contra ecclesiam im- pediunt eto.'

eh halt, Gregorius sey der aller schedlichst Bapst ge- wesen. Is innexit in ecclesiam missam privatam, purgatorium, votum religionis, cultum Sanctorum. Credo tamen eum esse salvatum. Vir fuit vere humilis.‘

‚Fures Deus suspendit: 1. lesst inen ohren und nasen absehneiden, dureh die baeken brennen, mit ruten aushauen; 2. henckt er sie an durre galgen, nemlieh das sie durch untrewe diener geplagt werden; 3. hengt er etliche an hultzern galgen; 4. magnos fures, qui pauperibus non dant (R. 130) nee eos juvant, item impediunt, ne illis suecurratur, hengt er an feurige keten, sicut divitem in Luca eap. 16.'

‚Invocatio Sanetorum fugienda est propter abusum, qui inde venit in ecclesiam, et deletur vera invocatio, deinde non est praecepta, sed prohibita: Abraham non novit nos.‘

1) Uebergeschrieben: conatur.

2) Steht am Rande, ist aber durch Zeichen in den Text hinein- korrigiert.

3) Am Rande: Adorare Christum psalm. 45.

73 73

Sine me nihil potestis faceret). Hoc dicit Dominus eontra superbiam, justitiam et praesumptionem.'

Anno 33?) Doctor dixit: ‚Ich hab nu etlieh jar, alle jar zwier die Biblia ausgelesen, und wenn die Bibel ein grosser mechtiger baum wer und alle wort estlin, so hab ich an alle estlin angeklopfft und gern wollen wissen, was es were und vermocht.‘

„Sacramentarii?) nune sunt in ea opinione, corpus Christi vere esse eum pane et sanguinem Christi esse vere eum vino, sed corpus et sanguinem Christi neque a piis neque ab impiis manducari et bibi, nisi spiritualiter. Hanc de sacramento opinionem esse illorum spirituum fanaticorum, nobis omnibus praesentibus verbi ministris Wittenbergensis ecclesiae indicavit Dominus Doctor. et pater amantissimus. Et addidit hane sententiam in hae re in testimonium suae doetrinae, quod neque posset neque vellet istam illorum doctrinam aut admittere aut approbare, propterea quod sit eontra aperta verba Christi, quibus nos jubet manducare suum corpus, et quod Judas etiam aeque atque alii pii dis- eipuli corpus Christi manducavit; deinde quod doctrina ista non sit certa, proinde certas conscientias reddere non possit *). Istis duabus rationibus nobis assignatis, conclusit, malle se et etiam satius esse, ut maneat ista discordia inter nos et Schwermeros illos Saeramentarios, quam concordia aliqua ineatur, certis propositis conditionibus.“ Haec scripsit ad - me (Joh: Turbiceidam) Johannes Forsterus ex Wittenberga An: 34. 19. decembr.

(Daneben am Rande) ‚Terra sancta (Judaea) ist 20 meil wegs breit und 30 lang gewesen.

(Am Rande) 430, darunter: ,Man mus die hunde bellen lassen. Wers inen aber weren will, der mus mauch mal ein gantze nacht ungeschlaffen ligen.‘

(Am Rande) 437°).

‚Adam ante opera et sacrificia promissionem seminis accepit, ut stet veritas: Fide sine operibus justitiam et remissionem peccatorum obtineri coram Deo ex mera gratia. Hine recte Ebr. 11 fidem Habel in sacrificio ejus laudat, immo et in omnibus faetis et gestis sanetorum fidem ibidem commendat a Deo spectatam ante opera, immo per fidem et ex fide opera secuta esse.‘

Proinde non est admittenda separatio justitiae fidei et operum (R. 130 b), quasi sint duae diversae justitiae, more

! Am Rande: Joh. 15.

2) Uebergeschrieben. Vgl. zu diesem Stück FB. 1,48 (1, 43). 3) Vgl. FB. 8,389 (87,776).

*) Uebergeschrieben: queat.

5) Vgl. unten S. 79.

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sophistarum (alias vere separantur), sed est una justitia simplex fidei et operum, sicut Deus et homo una persona et anima et corpus unus homo. Si enim separes, mox perit fides et opera remanent, hypocrisis dupliciter impia. Si enim opera sunt, ex fide sunt et fiunt; si fides est, ipsa prodit et operatur. Joh. 15: Palmes in vite manens fructificat.‘

Opera sanctorum. ‚Unde sanctorum opera bona; si in scripturis speetentur separatim, sieut fit, dum in illis fiditur, ne ergo in iis fidatur! Utile est ea damnari et peccata fieri, sicut oportet, ubi separantur, tamquam via justitiae seorsum a fide. Cum autem fides natura sit ante opera, reete diei- mus, sola fide nos justificari, quia, ut eredamus, non fit per opera, cum nondum sint aut fiant, sed per verbum, quod pro- mittit gratiam et credentes declarat esse gratos et salvos, remissaque esse peccata. Tum per ipsam fidem fit, ut ope- remur, et ita fides ceu grassescit opere ef fit fere palpabilis. Quemadmodum divinitas sola, Christus et Dominus, facit, sed tamen assumpta carne erassatur et fit palpabilis, sicut 1. Joh. 1. dicitur: Verbum, quod palpamus etc., et: Quod habitavit in nobis. Mox ubi separaveris, nullus est alius usquam Deus, et caro erit bis perniciosa ete. Si enim justificaremur propter opera ex fide sequentia, jam non justificaremur ex ipsa fide propter Christum, sed propter nos ipsos, qui post fidem ope- ramur. Quod est Christum negare. Non enim Christus ap- prehenditur operibus, sed fide eordis. Ergo necesse est sola fide nos justifieari, sine, ante absque operibus, opera vero ipsa propter fidem probari, justa censeri et placere. Et sic justitia operum etiam fidei est, non operum. Quam falsum igitur est, justos propter opera futuri praedestinari, tam fal- sum est, propter opera fidei futurae justificari, sed sicut prae- destinationis gratia effieit postea opera, ipsa sola sine operi- bus eligens et vocans justificandum et operaturum, ita fides efficit opera ipsa sine operibus justificans et peccata delens, ante opera. Non siquidem fides propter opera, sed opera propter fidem fiunt, nee fides exspectat opera, ut justificet per ea, sed opera exspectant fidem, ut justificentur per eam, ut fides sit activa justitia operum, et opera sind passiva jus- titia fidei; alioqui (R. 131) opera essent causa justitiae, ut sine qua effectus justitiae non subsisteret etiam stante fide velut eausa sine effectu justitiae plane non eausa.

Hier schließt R. 131 dieser Abschnitt der Tischreden; es folgt ein Brief Melanchthons an den Hamburger Senat. Auf Blatt R. 130b stehen noch am Rande: 431, ferner: ,Das edlest und eltest geschlecht unter dem adel sind die hacken‘, ‚Inoculare, inserere, insitio‘, 443 und 502.

75 75

5. R. 383 b bis R. 387.

Vor diesem Abschnitt steht die kleine Tischredensamm- lung, die in meinem ersten Aufsatz (Rörer und Mathesius) vollständig abgedruckt ist. Darunter ist ein langer Strich über die ganze Seite gezogen, und dann folgt die Überschrift: Ex libello Johannis Turbi: pasto: Kót:

R. 383 b: 235, 236, 237,.

R. 384: 240, 239 (am Rande, in der kürzeren Fassung: Christus loquitur de re ardua cum Samaritana Joh. 4.; 8. Joh. absolvit adulteram, Luc. 7. peccatricem.), 242, 245, 246 (R. 384b), 248, 250-4251, 255, 252,

R. 385: 256, 257 in, 257 ex. (R. 385 b), 258, 259 (R. 386 und 386 b),

R. 387: 290, 293, 294, 295, 297, 296, 306, 309,

Die Abschriften schließen mit den letzten Worten von Schlag. 309 auf Blatt R. 387b. Es folgen Briefe. Auf Blait R. 387 steht noch unten am Rande: ‚Anno 1505 intravi mo- nasterium. 1524 exui ecucullum.'

Daß diese fünf Abschnitte Rórers von Sehlaginhaufen abhüngig sind, wird schon durch die Vergleichung des Textes mit Pregers Veröffentlichung bewiesen. Überdies versichert Rörer selbst vor dem fünften Abschnitt, er habe das Folgende ex libello Johannis Turbicidae pastoris Kötensis abgeschrieben; Rörer hat also wirklich Schlaginhaufens Heft vor sich gehabt. Von Pregers Handschrift ist das nicht bezeugt; zwischen ihr und Schlaginhaufens Heft liegen vielleicht mehrere Zwischen- glieder. Trotzdem kann sie einen guten und treuen Text haben, und sie hat ja auch bisher als eine feste Säule in unsrer Überlieferung von Luthers Tischreden dagestanden. Aber die feste Zuversicht auf ihre Zuverlässigkeit wird durch eine Vergleichung mit Rörers Text schwer erschüttert.

Rörers Text weicht in zahlreichen Stücken ganz erheb- lich von Pregers Veröffentlichung ab. Man vergleiche die folgenden Reden!):

Sehlag. 252. E R. 384b.

Nos volumus pati, modi ip- Non volumus pati, ut con- si negent Christum; sed in- culcentilli occulti hostes euan-

!) Sie enthalten unter Schlag. den Text von Pregers Handschrift, nicht Pregers Verbesserungsvorschläge.

16

terim praetexunt se Christi- anos et volunt tamen Chris- tum persequi nobis; das wol- len wir nicht wider, unnd solts alles zu drummern gehen; wir wollen in es sagen.

76

gelii et persecutores nostri, qui volunt tamen perhiberi fratres, modo ipsi fateantur, se tales esse, quales re vera sunt, hoc est, hostes esse Chris- ti et verbi ejus. Sed hoc non faciunt, immo gloriantur se esse amatores pietatis, cum tamen vere oderint Christum et occulte persequantur eum et verbum ipsius. Das wollen wir nieht leiden, solts auch druber zu drummern gehen, und wollen inen es durr er aus sagen und kein blat furs maul nemen.

Die Vergleichung der beiden Texte mit dem Text der deutschen Tischreden FB. 4, 14 f. (39, 13) beweist, daß Auri- faber Rörers Text vor sich gehabt hat.

Schlag. 406.

Omnes volunt suas fallacias praetextu euangelii. ornare. Nam Augustae hue seriptum est, sacramentarios ibi prae- dicatores fulminari contra euangelicos et elamare: , Nos sentimus cum Luthero et Phi- lippo, illi nostrae astipulantur doetrinae, vos ignoratis quod reprehenditis in nostra doe- trina.“ Also weil sie in Got- tes namen nicht unsere freund sein wollen, so sein sie es mit aller teufl nhamen, wie Judas Christi feindt waren.

R. 117b.

Omnis hypoerita ornat fal- laeias suas hodie praetextu euangelii. Ex Augusta huc scriptum est, contionatores il- lie, qui sententiam Cinglii tu- entur, fulminasse contra euan- gelicos et clamare): „Nos sentimus eum Luthero et theo- logis Wittenbergensibus, qui approbant nostram doctrinam; vos ignoratis, quid in nostra reprehendatis doctrina.“ Weil sie denn in Gottes namen un- sere freund nicht sein wollen, so sein sie es in aller Teuffel namen, wieJudas Christi freun- de war.

Auch hier hat Aurifaber FB. 3,388 (37,73) denselben Text wie Rórer vor sich gehabt, denn er zeigt alle die kleinen, aber charakteristischen Abweichungen, die R. von Schlag.

unterscheiden.

1) et clamare übergeschrieben.

77

Schlag. 481.

Johannes Fridericus, elector, Saxoniae dux, decessit 16.

Augusti intra horam IX. et X.

ante meridiem anno 1532 in Sehweinitz.

11

R. 123 b. Fridericus, elector Saxoniae, Anno Christi 1525. die 5 Maij, vixit annos 62., menses 3, dies 19., horas fere 4. Johannes frater, elector, Saxoniae dux,

decessit 16. Augusti infra 9. et 10. ante meridiem anno 1532. Johannes Fridericus elector hat im hulden lassen 24. Au- gusti Wittembergae, quo tem- pore Doetor Martinus Lutherus eontionatus est quinquies.

Welche Handsehrift hat uns hier den ursprünglichen Text Sehlaginhaufens besser überliefert, Schlag. oder R.? Bei dem ersten Stück Schlag. 252 R. 384^ werden wir von vornherein dazu geneigt sein, Rórers Lesart vorzuziehen, denn dieses Stück steht in dem fünften Abschnitt, über dem Rörer ausdrücklich bezeugt, er habe Schlaginhaufens Heft vor sich, und Rörer hat überall gut abgeschrieben, wie aus seinen Abschriften aus Mathesius und aus Dietrich hervor- geht. Ebenso werden wir in dem kleinen dritten Abschnitt Rörers Text, zu dem sich sonst nirgends Parallelen finden, als authentisch bezeichnen dürfen.

Aber in dem ersten, zweiten und vierten Abschnitt schweigt Rörer über die Quelle, aus der er schöpft. Nur in dem langen vierten Abschnitt nennt er gelegentlich einmal (R. 130) Schlaginhaufen als seinen Gewährsmann. Bei dem ersten und zweiten Abschnitt hat er aber schwerlich Schlagin- haufens Heft vor sich gehabt, denn mehrere Reden stehen in seinen Abschriften zweimal und mit abweichendem Text. Wir haben also in diesen Fällen drei verschiedene Über- lieferungen: Schlag., R. I. und R. IL Ein heftiger Ausfall Luthers gegen die Juristen zeigt folgende Abweichungen:

Schlag. 295. | R. 44, R. 387. Die iuristen kon- Die juristen kon- (Am Rande:) Der nen nichts unnd nennichts,undwenn Juristen kunst. Eo-

wenn sie vil wissen, so kunnens ein ku- chen und scheishaus

sie vil konnen, so konnens ein kuchen und scheishaus

rum professio tan- tumservithuiec vitae, aut sic impii sunt.

18

bauen unnd aufrich- ten; schmeckht es wol in der kuchen, so wirt es dester ubler stinekhen im scheishaus. Haec dixit de cura ventris iurisperitorum.

bauen und auffrich- ten;schmeckt es wol in der kuchen, so wird es deste ubler stincken im scheis- haus. Jaetans cu- ram ventris jurista- rum,

78 Venter est Deus eorum.

(Im Text:) Die Juristen konnen nichts, und wenn sie viel wissen, so kon- nens einkuchen und scheushaus bauen

und auffrichten; schmeckt es wol in der kuchen, so wird es dester ubler stin- cken auffm scheus- haus.

Aurifabers Text FB. 4,521 (66,35) steht R. 44 am nächsten.

Welchen Text sollen wir nun einer kritischen Ausgabe der Tischreden, wie wir sie von der Weimarischen Ausgabe von Luthers Werken erwarten dürfen, zugrunde legen? Seit zwanzig Jahren sind Schlaginhaufens Aufzeichnungen nur in Pregers Veröffentlichung bekannt gewesen und in dieser Gestalt zitiert worden, und dies fällt schwer ins Gewicht für die Meinung, Pregers Veröffentlichung sei beizubehalten, und der Text, den Rörer hat, sei mit seinen Abweichungen in die kritischen Anmerkungen zu verweisen. Aber in zahl- reichen Stücken ist das unmöglich, weil Pregers Handschrift einen schlechten, verderbten Text bietet, während Rörer offenbar den richtigen Text hat. Einige Beispiele werden auch hier nützlicher sein als lange Erórterungen.

Schlag. 457.

Dem H. G., Gilchen, sein 40 geull rasend worden, do er S. Anna Heubt aus einer capellen nam, also das ire wider must hinein thun.

R. 130 am Rande.

Dem h(erzog) von Gülch sind 40 geul rasend worden, da er S. Anna heubt aus einer Capellen name, also das ers must wider hinein thun.

Dieses kleine Stück wird überhaupt erst durch Rörer verständlich. Es ist nicht von einem beliebigen Gilg (Aegidius), sondern von dem Herzog von Jülich die Rede; das Haupt der heiligen Anna wurde in Düren im Herzogtume Jülich

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aufbewahrt !).

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Der Schreiber der Münchner Handschrift und

Preger haben nieht beachtet, daB in unsern Texten die Ab- kürzung h. oder H. sehr oft Herzog bedeutet.

Schlag. 438 -+ 439. Sectae Anabaptistarum Pin-

derischen (?) dicunt omnia

evangelia esse personalia h. e. tantum ad personas, quibus dieta, dieta esse. Sehwertlich isti admittunt adhue evange- lium (?). Perfectissimi sunt die steckhenbruder .nehmen ein steckhen in die hand et omnia relinquunt.

R. 120b,

Anabaptistarum secta gibt kindisch fur, omnia euangelia esse tantum personalia, hoc est, tantum ad eas personas pertinere, quibus dieta sunt. Schwerlich approbant magi- stratum. Perfecti sunt die steckenbruder, die ein stecken in die hand nemen, relinquunt omnia et deserunt suos.

Daß R. mit seinem „kindisch“ für „Pinderischen“ und magistratum für euangelium das Ursprüngliche hat, liegt auf der Hand.

Schlag. 437. R. 121 am Raude. Titum habent Rheniae in Titum Imperatorem habent eristallino. Romae in cristallino.

Preger sträubt sich mit Recht gegen das Rheniae in seiner Vorlage und denkt an Rettimo auf Kreta und an Titus, den Schüler des Apostels Paulus. Bei Rörer erzählt Luther von dem, was er auf seiner Romfahrt wohl selbst gesehen oder erfahren hatte, daß nämlich den Pilgern auf dem Aventin bei S. Alessio zwei unverweste (eingetrocknete oder einbalsamierte) Kórper als die Leichen des Kaisers Vespasian und seines Sohnes Titus gezeigt wurden. Niko- laus Muffel aus Nürnberg, der ein halbes Jahrhundert vor Luther in Rom war, berichtet hierüber in seiner Beschrei- bung der Stadt Rom?), S. 60: ,ltem auf dem perg Alesij, do ligen die zwen, vater und sun, Tytus und Vespasianus, noch unverwesen.“ |

!) E. Schaumkell, Der Kultus der Hl. Anna am Ausgange des Mittelalters (1898). S. 93 und in der Anmerkung S. 55 f. | 3) Herausgegeben von Wilhelm Vogt, Bibliothek des Licsrarisoiton Vereins in Stuttgart. 128. Bd.

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Sehlag. 546.

Ich hab mich oft verwundert, das unser herr gott sein wort in die untreuen werd (?) gen Wittenberg geben hatt; ich halt er habs darum gen Je- rusalem, Wittenberg und die gegent gegeben, das er am iungsten tag hab auf zu rucken ire undankparkeit.

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R. 127 b.

Ich hab mich offt gewundert, das unser Herr Gott sein hei- liges tewres wort in die un- treuen Wenden geben hat; ich halt, er habs darumb gen

Jerusalem, Wittenberg und

diese gegent geben, das er inen am jungsten tag hab auffzurucken ire undanck-

barkeit.

In diesen Stücken und an zahlreichen andern Stellen bietet Rórer zweifellos den richtigen Text. Sollen wir nun aber hieraus die Folgerung ziehen, Pregers Veróffentlichung sei zu verwerfen, und dafür habe in der kritischen Ausgabe Rórers Text einzutreten? Das ist aus drei Gründen nicht möglich.

1. Die Münchner Handschrift, die Preger veröffentlicht hat, gibt uns Sehlaginhaufens Aufzeichnungen am. vollstän- digsten wieder. Zu dem ganzen ersten Abschnitt Schlag. 1 bis Schlag. 147 (Lage I, II und III Pregers) hat Rörer über- haupt keine Parallelen; er setzt mit seiner Abschrift .erst bei Schlag. 148 ein, das ist das erste Stück der IV. Lage Pregers, und auch in den folgenden Lagen hat er nicht selten Lücken. | |

2. Die Münchner Handschrift hat die ursprüngliche chronologische Reihenfolge der Tischreden in Schlaginhaufens Nachschrift treuer bewahrt als Rörer. Die einzelnen Lagen der Handschrift sind jetzt zwar falsch gebunden, aber Preger hat sie durch eine scharfsinnige Untersuchung richtig ge- ordnet. Da Rörer in längeren Abschnitten dieselbe Reihen- folge hat, so kann man durch eine Vergleichung von R. und Schlag. feststellen, daß Preger bei der Trennung und Ver- bindung der einzelnen Lagen überall das Rechte getroffen hat. Wir haben in Pregers Veröffentlichung von Schlag. 1 bis Schlag. 548 wirklich eine Reihe von Reden, die uns vom November 1531 bis in den September 1532 führen. Doch ist diese chronologische Ordnung nur im großen und ganzen riehtig; im einzelnen ist es zweifelhaft, ob die Reden an der

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richtigen Stelle stehen. Sehlaginhaufens Aufzeichnungen enthalten überaus zahlreiche kleine Stücke, mehr Gedanken- splitter als Reden. Sie stehen in der Münchner Handschrift im Text, bei Rörer aber zu einem großen Teil am Rande; wahrscheinlich haben sie also schon in Rörers Vorlage und in Sehlaginhaufens Heft am Rande gestanden. Daß die Münchner Handschrift oder ihre Vorlage diese kleinen Stücke überall an der richtigen Stelle in den Text aufgenommen habe, daran darf man wohl zweifeln. Doch kommt gerade bei diesen Gedankensplittern auf eine genaue Datierung nicht viel an, und es genügt zu wissen, daB sie in die Jahre 1531 oder 1532 gehüren und daB sie von Sehlaginhaufen überliefert sind.

3. Die kritische Ausgabe von Luthers Tischreden soll die bisherige Forschung abschließen und zu neuen Forschungen den Grund legen. Da nun Schlaginhaufens Nachsehriften, wie schon erwähnt, zwanzig Jahre lang nur in Pregers Ver- öffentlichung benützt und zitiert worden sind, so darf man die Münchner Handschrift nicht ohne weiteres aus unserer Überlieferung entfernen.

Wohl aber wird sie sich starke Eingriffe gefallen lassen müssen. Es hat keinen Zweck, die greuliche Orthographie des Schreibers der Münchner Handschrift und seine ebenso greuliche Interpunktion gewissenhaft beizubebalten; die Ortho- graphie muß vereinfacht, die Interpunktion richtig gestellt werden. In den zahlreichen Stücken, in denen die Ab- weichungen Rörers geringfügig sind, werden die kritischen Anmerkungen der Platz sein, der Rörers Lesart aufzunehmen hat. Wo Pregers Vorlage unsinnig ist, während Rörers Text das Richtige hat, da wird Rörers Lesart in den Text einzu- setzen und Pregers Text in die kritischen Anmerkungen zu verweisen sein. In allen den Stücken aber, in denen die Abweichungen Rörers von der Münchner Handschrift sehr stark sind, wird nichts anderes übrig bleiben, als beide Texte abzudrucken, damit der Forscher die beiden hauptsächlichen Varianten unserer Überlieferung vor sich habe.

Rörer entschädigt uns für die Lücken, die er in Schlag- inhaufens Nachschriften hat, in seinem vierten Abschnitt

durch zahlreiche Reden, die in Pregers Veröffentlichung fehlen.

Archiv für Reformationsgeschichte VIL 1. 6

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Ich habe sie hier abdrucken lassen, weil ich: es für not- wendig halte, alle diese Reden in der kritischen Ausgabe von Luthers Tischreden an der Stelle, wo sie in Rörers Abschrift stehen, zwischen Schlaginhaufens Nachschriften ein- zuschieben. Ich muß das kurz rechtfertigen.

Nach 25 Reden, zu denen Pregers Veröffentlichung Parallelen hat, folgen in dem vierten Abschnitte Rörers R. 108 zunächst einige Psalmenerläuterungen. Dürfen solche Stücke überhaupt in eine kritische Ausgabe von Luthers Tischreden aufgenommen werden? Koffmane!) verneint diese Frage; er verlangt, alle Stücke, die nicht wirkliche Tisch-

. reden seien, müßten als fremdes, eingeschobenes Gut auf-

gespürt und ausgeschieden werden, und er rechnet hierzu: Briefe und Bedenken Luthers, ja Melanchthons; Berichte über Luthers Lebensumstände, die nicht über Tisch erzählt sein können, z. B. über Luthers Krankheit 1527; Auszüge aus Predigten und Trostreden; Abschriften aus Eintragungen Luthers in eigene Bücher; Inschriften in Bücher anderer; Stücke aus Kommentaren Luthers.

Derartige Einschiebsel müssen allerdings möglichst voll- ständig aufgespürt und als Einschiebsel gekennzeichnet werden; dürfen wir sie aber wirklich ohne weiteres aus unsern Texten ausscheiden? Nach meiner Überzeugung müssen wir auch hier zwischen Urschriften und Abschriften, zwischen den ursprünglichen Aufzeichnungen der Tisch- genossen und den späteren großen Sammlungen unterscheiden. Bei Aurifaber können wir manches Stück, das nicht unter die Tischreden gehört, ohne jeden Schaden für die Sache streichen, aber in den Urschriften müssen wir auch fremdes Gut stehen lassen. Oder sollen wir in meiner Veröffent- liehung von Luthers Tischreden in der Mathesischen Sammlung den Brief Luthers an den Juden Josel Rosheim Math. L. 777 aus dem Text herausnehmen? Dieser Brief wird durch das vorhergehende Stück Math. L. 776 inhaltlich festgehalten, und sein Datum ist erst dureh die Stelle, an der er in meiner Veröffentlichung steht, mit Sicherheit festzustellen;

1) Gustav Koffmane, Die handschriftliche Überlieferung von Werken D. Martin Luthers. 1. Bd. (1907), S. XVIII f.

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die verschiedenen Abschriften geben uns ja verschiedene Daten, den 11. Juni 1537 und den 10. Dezember 1537, und nur durch die Tischreden!) ist es möglich, das erste Datum als richtig zu bezeichnen. Ähnlich verhält es sich mit den langen Auszügen aus Ulrichs von Richenthal Buch über das Konzil zu Kostnitz Math. L. 738. Eine Tischrede ist das freilich auch nicht, aber durch die vorangehende Tischrede Math. L. 719 wird bewiesen, daß Richenthals Buch am 12. Dezember 1536 zum erstenmal in Luthers Hände gelangt ist, und die Stelle, an der Math. L. 738 steht, beweist, daß Luther in den nächsten vier Wochen dieses Buch exzerpiert und seine Auszüge den Tischgenossen mitgeteilt hat. Ebenso werden die beiden Einträge Luthers in zwei Büchern des Grafen Johann von Schaumburg den Tischgenossen an eben dem Tage vorgelegen haben, an dem Mathesius sie zwischen seine Tischredenaufzeichnungen eingeschoben hat.

Es würe ein Werk der Zerstórung, an solchen Stellen in den Text, der für uns die erste Überlieferung bedeutet, gewaltsam einzugreifen. „Man darf auch den Begriff der Tischreden niebt zu sehr pressen. Den langen Bericht über Luthers erste schwere Erkrankung im Jahre 1527 werden wir zwar nicht zwischen den Tischreden stehen lassen dürfen, aber nicht etwa aus dem Grunde, weil dieser Bericht ,nicht über Tisch“ erzählt sein kann, sondern vielmehr, weil er bei Rórer unter den Tischreden des Jahres 1540 steht, und dahin gehört er nicht. Ob der Tischgenosse aber wirklich an Luthers Tische oder im Garten oder in einem fremden Hause naehgeschrieben hat, das ist für die Überlieferung ziemlich gleichgültig. Wir wissen, daß fast alle Tisch- genossen zuweilen im Garten nachgeschrieben haben; sollen wir etwa alle diese Reden zwischen den Tischreden heraus- nehmen und unter einer besonderen Rubrik „Gartengespräche Doktor Martin Luthers“ zusammenstellen? Doch wohl nicht. Oder sollen wir den hübschen Bericht, den Mathesius am 16. oder 17. September 1540 in Melanchthons Hause nieder- geschrieben hat (Math. L. 403), aus Luthers Tischreden ent-

!) Das Datum von Capitos Brief (vgl. Enders a. a. O. 11, 228 ff. und 241, Annı. 1) ist für sich allein wohl noch nicht entscheidend. 6*

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fernen, weil er nicht an Luthers Tische nachgeschrieben ist und mit Luther überhaupt nichts zu tun hat? Wohl eben- sowenig. Dann liegt aber auch kein Grund vor, die Trost- reden, die Luther in dem Hause der Breunin!) und in den Wohnungen andrer Freunde und Freundinnen in Wittenberg ` gehalten hat, aus den Tischreden auszuscheiden. Und ebenso werden wir die kürzeren und lüngeren Kommentare Luthers zu den Psalmen und andern biblischen Büchern an der Stelle stehen lassen, wo sie in den Urschriften stehen. Eine deutliche Warnung vor willkürlichen Eingriffen ist die oben registrierte lange Erláuterung Luthers zum 56. Psalm, R. 116b und 117, wo Justus Jonas an Luthers Schlußwort eine Äußerung anknüpft; es ist wirklich eine Tischrede.

Bei dem Zustand unserer Überlieferung müssen wir die Hefte, die auf Dietrich, Cordatus, Schlaginhaufen, Rabe, Weller, Lauterbach, Mathesius und Rórer zurückgehen, vor- läufig als die Urschriften behandeln. Die ältesten Nieder- schriften sind nun einmal verloren gegangen, und Koffmane steckt das Ziel zu weit, wenn er verlangt, diese ültesten Niederschriften müßten wiederhergestellt werden; das können wir mit unseren Hilfsmitteln vorláufig noch nieht leisten. Es ist wohl aueh eine irrige Vorstellung von dem Zustande dieser ersten Niederschriften, wenn man annimmt, sie seien auf einzelne Zettel geschrieben gewesen?). Cordatus (Cord. 133) nennt seine eigenen Aufzeichnungen tabulas meas und tabellas, quibus solebam audita inscribere, und Melanchthon nennt sie chartae; das sind nicht Zettel, sondern Hefte, Taschen- bücher, vielleicht auch einzelne lose Lagen. Diese ersten Niederschriften sind wohl von sämtlichen Tischgenossen nach- träglich überarbeitet und geglättet worden, und im glinstigsten Falle?) liegen unserer Überlieferung diese ersten Über- arbeitungen zugrunde. Das festzustellen, muß die nächste Aufgabe sein, und es führt nur vom Wege ab, wenn man immer wieder auf die späten großen Sammlungen hinblickt;

1) Vgl. meine Beiträge zu der Geschichte der Stadt Leipzig im Reformationszeitalter. S. 881f. |

2) Koffmane, a. a. O. S. XIX.

3) Auch Dietrichs Heft in der Nürnberger Stadtbibliothek ist nicht.die erste Niederschrift, sondern eine. glüttende Überarbeitung.

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deren Entstehung und gegenseitiges Verhältnis zu erforschen, das sind curae posteriores.

Die hier abgedruckten Reden stehen nachweislich an der richtigen chronologischen Stelle zwischen Sehlaginhaufens Nachschriften: E i

R. 111 lesen wir Luthers Äußerung über die Vertreibung von neun Bürgern aus Oschatz, Worte, die Dietrich (VD. 181 b) viel ausführlieher aufgezeichnet und Cordatus (Cord. 1550) in einem wiohtigen Punkte mißverstanden hat. R. 111 steht zwischen Schlag. 383 und Schlag. 384; Schlag. 384 fällt auf den 9. Juni 1532, und R. 111 wird durch Dietrich auf den 8. Juni 1532 datiert. |

R. 120b, das kleine Stück über den Einsturz des Kellers, nennt als Datum den 12. Juli 1532. Das Stück steht zwischen Schlag. 442 und Schlag. 444, und Schlag. 390 fällt auf den 12. Juni, Schlag. 454 auf den 12. August 1532.

R. 124b wird die Vigilia Matthaei verzeichnet, das ist der 20. September 1538. Das Stück steht zwischen Schlag. 518 und Schlag 520 ebenfalls an der richtigen Stelle.

Nach dem letzten Stück, das in Pregers Veröffentlichung Schlag. 547 eine Parallele hat, folgen bei Rörer R. 128 ff. noch zahlreiche Reden. Sie gehören in den Ausgang des Jahres 1532 und in den Anfang des nächsten Jahres, denn R. 130 ist Anno 33 übergeschrieben; ebenda steht dann noch als Datum der 19. Dezember 1534, aber das ist das Datum eines Briefs. Rörers Abschrift aus Sehlaginhaufen reicht also tiber die Zeit hinaus, da Schlaginhaufen Luthers Tisohgenosse war. Schon im Herbst 1532 wurde er Pfarrer in Zahna und im Dezember 1533 Pfarrer in Köthen '), aber Zahna ist ja nur eine Meile von Wittenberg entfernt, und wie Rörers dritter Abschnitt beweist, hat Schlaginhaufen auch noch als Pfarrer von Zahna bei gelegentlichen Besuchen in Luthers Hause nachgeschrieben. Daß wir in den Reden des vierten Abschnitts bei Rörer R. 128 ff. wirklich noch Schlaginhaufensches Gut vor uns haben, dafür spricht auch die Stelle R. 130: Haec seripsit ad me (Joh.: Turbieidam) Johannes Forsterus etc.

7) Preger a. a. O. S. VII.

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Wie Schlaginhaufens Nachschriften in der Veröffent- lichung Pregers zahlreiche ursprüngliche Parallelen zu Dietrich und Cordatus enthalten, so finden wir auch unter den nur bei Rörer erhaltenen Nachschriften Schlaginhaufens zahlreiche ursprüngliche Parallelen zu Cordatus und zu der kleinen, noch nirgends gewürdigten Tischredensammlung Ludwig Rabes; ich habe alle diese Parallelen in den Anmerkungen verzeichnet. Die Entscheidung darüber, ob man ursprüng- liche, abgeleitete oder scheinbare Parallelen vor sich habe, ist freilich an. zahlreichen Stellen sehr schwer, ja fast un- möglich. Jedenfalls darf man nicht gleich, wo eine Über- einstimmung besteht, nun auch überall Abhängigkeit und Entlehnung vermuten. Vorsichtiger wird es sein, die einzelnen Stücke genau zu prüfen, ehe man behauptet: Hier hat Schlaginhaufen von Cordatus abgeschrieben, oder: Hier hat Cordatus von Schlaginhaufen abgeschrieben. © R. 111, das kleine Stück über die Vertreibung der neun Bürger aus Oschatz, hat nach meiner Auffassung bei VD. 121 b und Cord. 1550 zwei ursprüngliche Parallelen. Aus Dietrich kann Schlaginhaufen nicht abgeschrieben haben, denn Dietrich hat einen viel ausführlicheren Text und eine andere Fassung von Luthers Worten. Der Text, den Cordatus hat, steht Schlaginhaufen viel näher, aber aus Cordatus kann Schlag- inhaufen auch nicht abgeschrieben haben, denn Cordatus läßt den Herzog Georg diese neun Bürger aus Leipzig ver- _ treiben, während die erste Austreibung von Leipziger Bürgern erst in den September 1532 fällt). Cordatus hat wieder einmal nicht ordentlich aufgepaßt, aber sein törichtes ex- Lipsia beweist, daß er nicht die Vorlage Schlaginhaufens gewesen ist.. Wir haben hier drei ursprüngliche Parallelen vor uns.. |

Man vergleiche ferner Caesar Pflugs Erzählung von der Hungersnot in Venedig R. 111b mit Cord. 1556. Eine Ab- hängigkeit Schlaginhaufens von Cordatus ist ganz aus- geschlossen, aber Cordatus kann auch nicht von Schlaginhaufen abhängig sein, denn warum hätte er Caesar Pflugs Bericht ganz ausgelassen, und woher sollte er seine 24 Galleas

1) Vgl. meine Reiträge. S. 42, Anm. 5.

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haben, während bei Schlaginhaufen nur „etliche galen“ stehen? Auch das sind Abweichungen, wie sie nicht beim Abschreiben, sondern bei gleichzeitigem Nachschreiben vor- kommen. | |

'Ebensowenig kann Schlaginhaufen R.117 von Cord. 620 ex. abhängig sein. Wrampelmeyer quält sich mit seinem Text: „Las mich vnser hergott am Ahelm sterben.“ Was ist „Ahelm“? Rörer schreibt: „Lesst mich unser Herr Gott am schelmen sterben.“ „Schelm“ oder „Schalm“ ist die Pest. Hier könnte ja ein Schreib- oder Lesefehler des Schreibers von Cord. vorliegen, aber der Schluß der beiden kleinen Reden zeigt wieder solche Abweichungen, daß man auch hier unmöglich eine Abhängigkeit konstruieren kann.

Nur einmal, Schlag. 342, bezeugt Schlaginhaufen selbst seine Abhängigkeit von einem andern Tischgenossen, von Corvinus. In meiner Veröffentlichung von Luthers Tisch- reden!) habe ich mich leider durch Preger auf eine falsche Spur leiten lassen. Jener Corvinus, von dem Schlaginhaufen das kleine Stück abgeschrieben hat, ist nicht der hessische Theologe Antonius Corvinus, sondern der hallische Ratsherr Ludwig Rabe, 1535 als Flüchtling eine Zeitlang Luthers Tischgenosse, später. anhaltischer Kanzler. Von seiner Tisch- redensammlung ist in Gotha eine alte Abschrift erhalten, die nur 65 Nummern zählt. In einer späteren Umarbeitung ist Rabes Sammlung bereits veröffentlicht?); die Kenntnis der Gothaer Handschrift (Goth. Cod. Ch. B. nr. 153) verdanke ich Herrn Propst D. Gustav Kawerau, Bemerkenswert ist, daß in diesen Abschriften das -Stück Schlag. 342, das Schlag- inhaufen von Rabe abgeschrieben hat, überhaupt nicht vor- kommt; Rabes Sammlung muß also umfangreicher gewesen sein als die uns erhaltenen Abschriften. Bemerkenswert ist

1) Math. L. S. 10; verbessert in meiner Biographie Katharina von Bora. 8. 174f. Dagegen hat Pr. Smith, Luther’s Table Talk (1907), S. 27 f. meinen Irrtum beibehalten. |

?) Georg Loesche, Analecta Lutherana et Melanthoniana (1899). Nr. 414 bis Nr. 442 gibt uns die Rabesche Sammlung im grofen und ganzen richtig, im einzelnen aber vielfach umgearbeitet wieder. Loesche hat die gothaische Handschrift nicht gekannt, hat also nicht wissen können, daß seine Handschrift hier eine fast vollständige Ab- schrift Rabes enthält.

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ferner, daß die Stücke, die sich bei Rabe datieren lassen, nicht etwa ins Jahr 1535 fallen, also in die Zeit, da Rabe wirklich als Luthers Tischgenosse genannt wird, sondern ins Jahr 1532, also in eine Zeit, da Dietrich, Cordatus und Schlaginhaufen selbst an Luthers Tische eifrig nachgeschrieben haben.

Koffmane!) verlangt auch hier, man miisse in Schlag- inhaufens Aufzeichnungen festzustellen suchen, was aus Rabes Heft entlehnt sei; er nimmt also ohne weiteres eine Ab- hüngigkeit Sehlaginhaufens von Rabe an. Einige Beispiele mögen zeigen, was hiervon zu halten ist.

R. 127 am Rande. Rabe 34. Amor vincit omnia. Amor vincit omnia. Du leugst, spricht pecunia; Das leugstu, spricht pecunia. Wo ich, pecunia, nicht bin, Qui caret nummis,

Da kompt amor selten hin. Was hilffts, das er frum ist? Qui caret nummis, Qui me habet in promptis, Was hilffts, das er from ist? Macht schlecht, was krumpt ist. Qui habet in promptis, Der macht wol schlecht, das

krum ist.

Daß Rabes gekürzter Text nicht die Vorlage Schlagin- haufens gewesen ist, ist selbstverständlich. Eher könnte Rabe aus Schlaginhaufen abgeschrieben und dabei zwei Verse in seiner Vorlage übersprungen haben. Es ist doch auf- fällig, daß Rabe, der erst 1535 an Luthers Tische gesessen hat, so viele Reden aus dem Jahre 1532 bietet, Parallelen zu Schlaginhaufen; als anhaltischer Kanzler hat Rabe zu dem anhaltischen Pfarrer und Superintendenten Schlagin- haufen sicherlich in nahen Beziehungen gestanden. Sollte sich vielleicht Koffmanes Behauptung gerade in ihr Gegen- teil verkehren, daß nämlich in den meisten Stücken nicht Sehlaginhaufen von Rabe, sondern Rabe von Schlaginhaufen abgeschrieben hat? Oder ist Rabe schon 1532 einmal an Luthers Tische gewesen, und hat er da dieselben Stücke, die wir ähnlich bei Sehlaginhaufen lesen, selbst nach- geschrieben?

1) A. a. O. S. XX.

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Die Entscheidung, ob wir bei zwei Tischgenossen ur- sprüngliche Parallelen oder Abhängigkeit des einen von dem . andern vor uns haben, ist eben oft sehr schwer und wird

in vielen Fällen subjektiv bleiben.

Beispiele:

Schlag. 241.

Item de epiikia: Aves recta volant, ubi volunt, sed viator mus offt weit umb ein berg umbgehn oder zu einer bruck-

hen, quia non potest aliter

facere.

R. 138.

Unam conscientiam despe- rabundam erigere plus est quam multa regna habere. Mundus vocat jam nos ever- sores doctrinae, turbatores pacis. Certe erit sibi ipsi propheta, etsi magno dolore videamus. Sic de Christo Judaei: Si dimittemus hunc, venient Romani et tollent ete. Da sie: aber Christum todt schlugen, da kamen sie nicht? Ja, ich mein, sie kamen und machten ein garaus mif inen. Sie 'contemptores et inimici erunt turbatores pacis et ever- sores Germaniae, quando sub- lati fuerimus, wenn uns unser Herr Gott hinweg genomen hat. Ipsi sic volunt babere eto.

Man vergleiche folgende

Rabe 14 (Loesche Math. N. 416 ex.).

Gleich zu macht ein gueten reuter; gleich zu zurstosst den kopf gern. Ist beides recht suo loco, denn aves recte volant, ubicumque volant, sed wir muessen offt ein berck umbgeen. Ita fit in oeconomia et in republica: Es mus offt einner seinnen kopf nach einem andern richten, wo man will eins bleyben.

Rabe 37 +- 38 (Loesche Math.

N. 499 -]- 421 med.).

Mundus cum principibus et nobilibus putat se regnare, sed non regnat. Doctores theologiae non putant se reg- nare, sed regnant. Unam con- sclenfiam erigere plus est quam centum regna habere. Nobiles, die Junckern, glauben nieht, das sie die pfaffen erhallten. Wie die Juden meinten: Wann Christus bliebe, so wurden die Romer kummen. Do aber Christus von ihnen kam, da kamen die Romer! So wird es unsern scharr Hansen auch gehen; wann dj pfaffen von inen komen, so werden sy uber und uber gehen.

Mir ist es unmöglich, hier irgendeine Abhängigkeit des einen Tischgenossen von dem andern zu erkennen; nach

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meiner Auffassung haben wir in solchen Reden ursprüng- liche Parallelen vor uns. Andere werden anders urteilen, deshalb ist es das beste, die Entsoherdung jedem einzelnen zu ermöglichen.

Wie können wir aber alle diese Parallelen, diese wich- tigen Varianten unserer Überlieferung, der Forschung am leichtesten zugünglich machen? Für die kritische Ausgabe von Luthers Tischreden hat zunächst der Plan bestanden, die verschiedenen Parallelen gleich an der ersten Stelle ab- zudrucken, wo sie in Frage kommen. Voraussichtlich wird Dietrichs Heft den ersten Band der kritischen Ausgabe er- öffnen. Wo Dietrich also ursprüngliche Parallelen bei Cor- datus und Schlaginhaufen hat, da sollen diese Stücke aus dem Zusammenhange, in dem sie stehen, herausgenommen und gleich neben Dietrichs Text abgedruckt werden; bei der Veröffentlichung von Cordatus und Schlaginhaufen sollen dann diese Stücke nur registriert werden.

Für einen raschen Überblick wäre diese Anordnung der Parallelen wohl am bequemsten, aber sie würde zu einer argen Verstümmelung der Urschriften führen. Nach einer flüchtigen Zählung, die ich vorgenommen habe, wären einige zwanzig Stücke aus Sehlaginhaufen bei Dietrich und mehr als zweihundert Stücke aus Sehlaginhaufen bei Cor- datus abzudrucken, und von der ganzen Sehlaginhaufenschen Sammlung bliebe nur noch die größere Hälfte übrig. Außer- dem hätten wir bei diesem Verfahren große textkritische

Schwierigkeiten vor uns. Manches Stück, das aus Sehlagin- haufen herausgerissen werden müßte, hat ein festes Datum und ist deshalb für die Reihenfolge der einzelnen Stücke bei Schlaginhaufen wichtiger, als es seine Lesart für die Lesarten von Dietrich oder Cordatus ist. Andere Stücke sind nur im Anfang oder im Schluß Parallelen zu Dietrich oder Cordatus, und der übrige Text ist selbständig. Sollen wir da den Anfang oder den Schluß abschneiden und bei Dietrich oder Cordatus abdrucken, den Rest aber bei Schlag- inhaufen stehen lassen? Das wäre Willkür. Wenn wir aber das ganze Stück aus Schlaginhaufen herausreißen, so nehmen wir ihm etwas, was ihm eigentümlich ist.

Bei diesen Schwierigkeiten empfiehlt es sich wohl, alle

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Parallelen an der Stelle stehen zu lassen, wo sie in den Ur- schriften stehen, und nur überall für genügende Verweisun- gen Sorge zu tragen. | | Die Ursehriften sollten insofern unantastbar sein, als nichts herausgenommen werden darf. Einschiebungen dagegen sind gestattet, wenn andre Handsehriften als die zum Ab- druck bestimmten an den betreffenden Stellen einen vollstän- digeren Text haben, seien es nun Einschiebungen einzelner Reden oder ganzer größerer Abschnitte. Schon in meiner Veröffentlichung von Luthers Tischreden in der Mathesischen Sammlung habe ieh im sechsten Abschnitt (Lauterbaeh und Weller) die Leipziger Handschrift Math. L. und die Hand- schrift Ser. miteinander zu vereinigen versucht, um eine Reihe von Tischreden in der richtigen chronologischen Ord- nung vom Oktober 1536 bis zum Ende des Jahres 1537 wiederherzustellen; mein erster Aufsatz in dieser Zeitschrift bringt in ähnlicher Weise Ergänzungen zu der Sammlung, die Mathesius 1540 nachgeschrieben hat, und der hier vor- - liegende zweite Aufsatz versucht dasselbe für Schlaginhaufen und das Jahr 1532 nachzuweisen. Selbstverständlich müssen solehe Einschiebsel in der kritischen Ausgabe kenntlich ge- macht werden, und am leichtesten ist das zu erreichen, wenn man eine doppelte Numerierung durchführt. Die erste Nu- merierung läuft von eins bis in die Tausende durch alle Ab- teilungen weiter; nach dieser Numerierung soll künftig zitiert werden. Dahinter steht in Klammern die zweite Numerie- rung, nämlich die Nummer, nach der das Stück bisher zitiert worden ist; wo aber Einschiebungen vorgenommen worden sind, steht in der Klammer die Handschrift und die Seite, wo die eingeschobenen Stücke zu finden sind. Um eine Probe zu geben: Schlaginhaufen Nr. 341 würde in der kri- tischen Ausgabe die Nummer!) 1234. [Schlag. 341.] tragen; das nächste Stück, das aus Rörer eingeschoben ist, würde die Nummer 1235. [R. Bos. q. 24 s, 108] erhalten, das nächste Stück, das ebenfalls aus Rörer eingeschoben ist, die Nummer

1) Die erste Zahl ist aus der Luft gegriffen, da ich noch nicht weiß, welche Ordnungszahl dieses Stück in der kritischen Ausgabe erhalten wird.

92 92 1236. [R. Bos. q. 24s, 108], das nächste Stück aber, das zu Sehlaginhaufen zurückführt, die Nummer 1237. [Schlag. 349. In der kritischen Einleitung müßte die Bedeutung dieser Numerierung kurz klargelegt werden. Auf diese Weise wird es leicht sein, nach alten Zitaten das betreffende Stück auch in der kritischen Ausgabe von Luthers Tischreden wiederzufinden.

Mitteilungen.

Der Speierer Reichstagsabschied von 1526 und die religiöse Frage. Die ältere Auffassung des Speierer RA. von 1526, wonach dieser den evangelischen Ständen das Recht der Reformation gegeben haben sollte, hat neuerer aktenmäßiger Forschung nicht standgehalten; es darf als völlig ausgemacht gelten, daß die bekannte Formel, es solle in Sachen des Glaubens und des Wormser Edikts sich jeder Stand so halten, wie er es vor Gott und dem Kaiser zu verantworten wisse, jenen Sinn durchaus nicht hat. Überraschender- weise greift jetzt aber kein geringerer als Th. Brieger auf die ältere Auffassung zurück und glaubt in längerer Abhandlung, die allerdings keinerlei neues Material benutzt!), zeigen zu können, daß die evangelischen Stände auf Grund des RA. zur Evangelisierung ihrer Lande förmlich berechtigt gewesen seien. Sehen wir zu, was von diesem Versuche zu halten ist; es wird, glaube ich, nur einer kurzen Betrachtung bedürfen, um zu erkennen, ob es Brieger gelungen ist, die alte Auffassung wieder zu Ehren zu bringen.

Die entscheidende Wendung am Reichstage trat ein, als in den ersten Augusttagen Erzh. Ferdinand, der als Reichsstatthalter und Vertreter des Kaisers dem Reichstag präsidierte, den Ständen von einer kaiserlichen Weisung vom 23. März d. J. Kenntnis gab, die ihnen strikte verbot, über die Religionsfrage zu verhandeln, da diese ihrer Kompetenz nicht unterliege. Durch die Kundgebung dieser kaiser- lichen Willensmeinung hoffte der Erzherzog zu verhindern, daß der eben ernannte sog. „große“ Ausschuß der Stände die Religionssache berate und, wie Ferdinand befürchten zu müssen glaubte, Beschlüsse fasse, die den Evangelischen bis zu einem gewissen Grade entgegen- kämen. Indem nun aber die Stände über die durch Ferdinands Da- zwischentreten veränderte Sachlage berieten, war ein beträchtlicher Teil von ihnen doch nicht willens, sich ohne weiteres den Mund ver- bieten zu lassen, so unter den sechs Kurfürsten Sachsen, Pfalz und Köln, während die drei anderen, Mainz, Trier und Brandenburg, aller- dings das kaiserliche Verbot als maßgebend betrachteten. Es standen

1) Der Speierer Reichstag von 1526 und die religiöse Frage der Zeit. Ein geschichtlicher Umriß. Leipziger Universitätsschrift 1909, 79-8. 4.

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. also drei gegen drei, und Majorisierung war unmöglich. Man wollte unter diesen Umständen anfangs die Entscheidung verschieben; aber das ließen die übrigen Stände nicht zu, die einer sofortigen Er- klärung der ersten Kurie entgegensahen. So blieb nur der Weg eines Kompromisses übrig; ein solcher erfolgte auf der Grundlage, daß die Partei Mainz usw. von grundsützlichem Widerspruch gegen die Ver- handlung des Anbringens des Erzh. absah, wogegen die Gruppe Sachsen usw. darauf verzichtete, daß ohne weiteres an die Beratung der Religionssache herangetreten würde. Der Beschluß der Kff. be- sagte also, dem Erzh. sei zu antworten: daß man zuvörderst sich noch nicht mit der Religionssache befasse; komme man aber zu dieser, so werde sich jeder Stand so zu halten wissen, wie er es vor Gott und dem Kaiser zu verantworten hoffe In der Fürstenkurie, der man dieses Kompromiß sogleich mitteilte, war nur die Hälfte der Stimmen dafür; aber da die Kff. einig waren, so genügte dies, um jene Formu- lierung zum Beschluß der zwei oberen Kurien, d. h. des Reichstages überhaupt, zu erheben. |

Auf diese Vereinbarung, die dergestalt innerhalb weniger Stunden am 4. August erzielt wurde, legt Brieger das allergrößte, das ent- scheidende Gewicht; er versteht sie dahin, daß „einem jeden Stande die Freiheit gewährt wurde, die Religionsfrage in seinem Sinne zu lösen“. Ist diese Auslegung zulässig? Wir sind sicher: nein! Man bedenke zuförderst, daß es sich gar nicht um eine materielle Entscheidung handelt, sondern nur die Taktik des ferneren Vorgehens des Reichstages zur Beratung steht; und da hierüber, wie begreiflich, die Ansichten auseinandergehen, so sucht man nach einer Formel, die niemandem präjudizierlich, also möglichst vieldeutig, oder, anders ausgedrückt, möglichst nichtssagend sei. Und mittels dieser Formel sollen nun uach Brieger denn geringeres besagt seine Auffassung nicht! an jenem 4. August zwischen Frühstück und Mittagbrot die Stände einig geworden sein, die 700jährige Organisation des heiligen römischen Reiches aufzulösen, das katholische Kirchentum in Stücke zu schlagen, die Christenheit zu zerreißen und dem sieggekrönten Kaiser, dem mächtigsten Herrscher seit Karl d. Gr., der soeben klar und schroff seine Willensmeinung kundgetan, den Gehorsam aufzukündigen, ihn zu eliminieren, ihm den Stuhl vor die Türe zu setzen. Man braucht sich diese logisch notwendigen Konsequenzen der Auffassung Briegers nur klar zu machen, um zu sehen, was von ihr zu halten ist.

In Wahrheit war der taktische Beschluß vom 4. August ganz nebensüchlich. Erst am 7. August gelangte die fragliche Formel zu einem gewissen materiellen Dasein, nachdem nämlich am 5. August auf Vorschlag der Reichsstädte vom gesamten Reichstage beschlossen worden war, von Reichs wegen eine Gesandtschaft an den Kaiser, der in Spanien weilte, auszurichten und ihn um Abänderung seines Er- lasses vom 23. März usw. zu bitten (also einen Tag, nach dem man nach Briegers Ansicht über diesen Erlaß und den Kaiser überhaupt zur Tages- ordnung übergegangen war!). Aus diesem Beschluß ergab sich nun aber

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die Notwendigkeit, zu bestimmen, wie es für die Zeit, die vergehen mußte, . bis jene Gesandtschaft zum Vollzug gekommen war, die einzelnen Stände in der kirchlichen Frage halten sollten. Und hierfür griff man nun auf jene bequeme Kompromifformel vom 4. August zurück, die also jetzt eine gewisse, aber eben, wie jedermann sieht, lediglich interi- mistische Bedeutung gewann. Daß sie, wie immer man sie inter- pretieren móchte, kein Definitivum darstellen sollte, liegt ja unmittelbar in der Natur der Sache; man konnte doch auch unmöglich den Evange- lischen das Recht geben, für ein paar Monate aus der abendlündischen Kirchengemeinschaft auszutreten!

Das Hóchste, was die Formel von 1526 den Evangelischen zu gewähren vermochte, war ein vorläufiges tatsächliches Gewührenlassen: auch das schloß selbstverständlich einen ungeheuren Gewinn für die evangelische Sache in sich, nur gab es keinen Rechtstitel, keinen Schatten eines jus reformandi, wie die Sachlage und die begleitenden Umstände mit aller erdenkbaren Deutlichkeit ergeben. W. F.

Aus Zeitschriften).

Allgemeines. Die 1528 zuerst gedruckte sog. ,Refor- mation des Kaisers Friedrich III.“ sucht H. Werner in sehr bemerkenswerter Weise als ein Produkt der westdeutschen Reichs- . ritterschaft zu erweisen, indem er sie in nüchste Beziehung zu dem aus der Geschichte Franz! von Sickingen bekannten Rittertage zu Landau (August 1522) setzt und nachweist, daß die Tendenzen der Schrift, insbesondere ihr antiklerikaler Charakter, durchaus den An- schauungen und Zielen entsprechen, die auf jenem Tage vertreten und erstrebt wurden. Ja, Werner macht es wahrscheinlich, daß die „Re- formation" das Programm für eine durchgreifende Reichsreform ist, das von jenem Rittertag aufgestellt wurde, bisher aber unbekannt blieb, da man es in unserer Reformation eben nicht erkannte. Redigiert ist letztere allem Anschein nach von Hartmut von Cronberg, von dem uns bezeugt wird, daß er an jenen Verhandlungen regen Anteil nahm. Hartmut selbst hat darüber an Luther einen (vorliegenden) Brief ge- schrieben, in dem er auch einer mitgesandten programmatischen Schrift gedenkt: man hat letztere bisher für verloren betrachtet; es handelt sich aber nach Werner eben um die ‚Reformation‘. Soweit der- artige indirekte Beweise auf Grund sachlicher wie formeller Über- einstimmungen, Interpretation urkundlicher Zeugnisse, sowie der all- gemein und speziell passenden Situation usw. überzeugend sein können, scheint uns Werner in der Tat erwiesen zu haben, daß die „Reformation“

1) Die Redaktion ersucht höflichst um Zusendung einschlügiger Zeitschriftenartikel usw. zur Anzeige an dieser Stelle.

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als die neue Reichsordnung anzusehen ist, die von Franz von Sickingen mit Unterstützung der Reichsritterschaft nach durchgeführter Sükulari- sation vorgenommen werden sollte. Ein in Aussicht gestellter zweiter Artikel wird die Quellen der Schrift untersuchen. (Westd. Ztschr. Jahrg. XXVIII, 1 S. 29—70.) ' N. Paulus bemüht sich abermals, augenscheinlich aber wiederum ohne großen Erfolg, gegen J. Hansen die Echtheit der zweiten dem Hexenhammer vorgedruckten Approbation zu erweisen und sucht desgleichen den Hexenhammer nach Kräften von der Schuld zu ent- lasten, den Hexenwahn auf das weibliche Geschlecht zugespitzt zu haben. H.Jahrb. 20 559—574 (vgl. ds. Ztschr. 5 S. 319£.; 6 S. 243).

Zu Knellers Gesch. der Kreuzwegandacht bringt N. Paulus einige Ergänzungen bei, besonders in betreff der Ablässe, die für diese Andacht verliehen wurden. ZKTh 33 S. 148—148.

Die Geschichte der sozialen Politik und des Armenwesens im Ref.ZA. führt L. Feuchtwanger im Jahrb. f. Gesetzg. Verw. usw. 83, 1 S. 094—228 zu Ende. Er behandelt: 2. Die Ordnung des Unter- stützungswesens in den ev. Gebieten (Luthers Anschauung, Bugen- hagens Organisationen, Rückbildung zur kirchlichen Armenpflege); 3. Sozialethische Wirkungen und Potenzen des Protestantismus (die Kirche als autoritative Erziehungsanstalt und die transzendentale Deutung des Sittlichen; die Rechtfertigungslehre; die „methodische, rationale Lebensführung“); 4. Die Restaurierung des Katholizisınus und ihre Wirkung auf das Armenwesen (Regensburg, Köln, Trient; Giberti und Wimpina; die theologisch - literarische Fehde gegen Vives und den Rat von Ypern) Das Ganze ist bestimmt, einen Teil einer größeren Arbeit über „Die Grundlinien zu einer Geschichte der sozialen Politik und des Armenwesens" zu bilden.

Die Frage: Was verstand man in der Reformationszeit unter Pelagianismus? beantwortet A. Th. Jörgensen dahin, daß Luther darunter die Lehre von der justitia hominum verstand, ‚von der anti- göttlichen Gerechtigkeit, der eigenwilligen Selbstbestimmung und vom Selbstkultus des Menschen; gegen Biel und Occam faßt er also den P. als eine anthropologische, nicht theologische Ketzerei auf. Die Gegner haben denn auch nach Jörgensen diesem Standpunkt Luthers Rechnung getragen, sie erkennen den P. als eine anthropologische Ketzerei an, und bemühen sich zu zeigen, wie weit entfernt von dieser Ketzerei die katholische Anthropologie sei, klagen aber. konsequenter- weise Luther nun auch nicht des Pelagianismus, sondern des Manichü- ismus an ein deutlicher Beweis meint J. des anthropologischen Gesichtspunkts auch bei den katholischen Verfassern. L.’s Anthro- pologie sei auch für sie seine Hauptlehre, denn nur sie lasse sich so verzeichnen, daß sie als manichüisch aufgefaßt werden könne. ThStKr. 1910, 1 S. 63—82.

J. Mgebroff bespricht ferner ,Schriftstellernde deutsche Frauen der Reformationszeit (vgl. ds. Ztschr. 5 S. 319). Es handelt sich um Frauen, die in den Anfüngen der Reformation zur Kloster-

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frage das Wort ergriffen haben. Auf evangelischer Seite begegnen zwei anonyme Klosterfrauen (Weller 2322; 3166) und Herzogin Ursula von Münsterberg (Erl. Ausg. 75, 131ff.); auf katholischer Katharina und Veronika Rem (Panzer II 2040), eine Nonne von Marienstein bei Eichstädt (das. II 2464) und Charitas Pirkheimer aus Nürnberg. Kirchl.Ztschr. d. ev.-luth. Synode v. Jowa usw. (Chicago) 38 S. 221—227, 280—286, 325—332. Der nämliche Verf. handelt in Allg. Ev.-luth. KZ 1909, 20 S. 463—468 über Anna Bijns, eine holländische Pamphletistin der Reformationszeit.

Seine „Beiträge zur Geschichte der evangelischen Bekenntnis- und Bündnisbildung 1529/30" (vgl. ds. Zeitschr. 5 S. 88f.) setzt fort und beendet H. von Schubert in ZKG. 30 S, 28—78, 228—270, 271—351. Er behandelt. die Vorstufen des süchsisch-frünkischen Bekenntnisses; das Marburger Gespräch als Anfang der Abendmahlskonkordie; die Sprengung der protestantischen Einigungsversuche durch das sächsisch- fränkische Bekenntnis (die sog. Schwabacher Artikel) auf dem Tage zu Schmalkalden 2./3. Dez. 1529; Bucers Gegenbekenntnis zu den Schwabacher Artikeln, vertreten durch Jakob Sturm und Sams Glossen; die Frage nach dem Recht des Widerstandes gegen den Kaiser und der Briefwechsel zw. Philipp v. H. und Georg von Br.; die Sonder- verhandlungen zw. d. Kf. von Sachsen und dem Kaiser vor dem Rt. zu Augsburg. Die wichtigsten ungedr. Belegstücke sind dazwischen eingestreut. Das Ganze ist auch unter d. T. „Bekenntnisbildung und Religionspolitik 1529/30 (1524—1534), Untersuchungen und Texte" mit einigen Ergänzungen im Texte und einer vermehrten Anzahl un- gedruckter Urkunden, als Buch erschienen. Gotha, Perthes, VI, 980 S. (M. 6.—).

Beiträge zur Geschichte Pauls III. gibt V. Schweitzer in Rö. Quartalschr. XXII, 2, S. 132—142, und Beiträge zu den kirch- lichen Reformarbeiten unter Paul III. St. Ehses in Hist. Jahrb. 29 S. 597—608. Beide Autoren beschäftigen sich haupt- sächlich mit dem consilium delectorum cardinalium von 1537 und den von W. Friedensburg darüber neuerdings gebrachten Aufschlüssen, die sie teils berichtigen, teils ergänzen und erläutern. Außerdem teilt Schweitzer ein noch unveröffentlichtes Gutachten des ..Kardinals Guidiccione über die Frage der Rückverlegung des Konzila, > vom August 1547, :mit.

L. Cardauns fährt in seinen Beiträgen zur internationalen Geschichte der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre 16. Jh. fort (vgl. ds. Ztschr. 5 8.317); als Beiträge zur Geschichte Karls V. 1586—38 bespricht er die vergeblichen Versuche einer näheren Allianz mit dem Papste. und die Mission :des Vizekanzlers Held in Deutsch- land (1538).- Vielleicht allzustark betont Vf. die Abneigung Karls V., den Protestanten gegenüber die Waffen zu ergreifen, eine Abneigung, die in dem Augenblick schwand als Karl zu der Ansicht kam,: der Stärkere zu sein.:: QuFPrJ 12, 1 S. 189-211; dazu Arbiyalische Bei-

lagen. ebendas. 12, 2.8. .321—367.. Archiv für Reformationsgeschichte VII. 1. T

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. Die Origines de la Nonciature de France untersucht

P. Richard in RQuH. 93,1 (169) S. 5—40. Anknüpfend an seinen Artikel Débuts de la représentation permanente au temps de Leon X. (ebendas. 1906), behandelt R. jetzt die Zeiten Adrians und Clemens’ VII., um festzustellen, daß in dieser Periode die ständige Nuntiatur in Frankreich noch nicht zu entscheidendem Durchbruch gekommen ist; der unruhige Charakter der Politik Clemens’ hat sie verhindert, definitive Gestalt zu gewinnen. Auf Richards Untersuchungen fußt ein Artikel von Ch. Samarau über den Ursprung der Nuntiaturen in Rev. d'hist. dipl. 23, 1. . . Einen Brief des Augsburger Pania Wolf Andr. Rem aus Augsburg 30. Dez. 1549 an den Jesuiten Claudius Jajus, den er zur Eröffnung seiner Wirksamkeit in Ingolstadt beglückwünscht, mit Nachrichten über das Konklave in Rom, veröffentlicht J. B. Mund- willer in ZKTh. 32 S. 610—612. |

Ein kurzes Gutachten, das die Jesuiten Nadal und Canisius 1566 in Dillingen dem durchreisenden päpstlichen Nuntius Pavesi über- reichten, wird aus dem Ordensarchiv von O. Braunsberger S. J. veröffentlicht und besprochen; es schlägt insbesondere Förderung der Veröffentlichung und Verbreitung von Werken katholischer Autoren vor. Hist. Jahrb. 30 S. 62—72.

„Ein Bruchstück des Diariums der Grazer Jesuiten 1574 bis 1589, 1596, 1597" veröffentlicht K. Uhlig in Beitr. z. Erf. Steir. G. 26 (N. F. 4) S. 51—67. Das in den Kollektaneen des Jesuiten Anton Steyerer im Wiener H.H.StA, enthaltene, im Auszug schon früher be- nutzte Diarium läßt namentlich die engen Beziehungen zwischen dem Orden und der Familie des Erzh. Karl erkennen; auch auf die kirchlichen Verhältnisse (Gegenreformation) fällt manches Licht.

Biographisches. Im dritten Stück seiner „Lutherana“ behandelt P. Vetter „Luthers Stellung im Streite Jakob Schenks mit Melanchthon und Jonas 1537“. Verf. möchte zeigen, daß auch Luther sich gegen Schenk habe einnehmen lassen, der doch nur dadurch mit den Wittenbergern in Zwist gekommen sei, daß er auf seinem exponierten Posten in Freiberg das strengste Luthertum vertreten habe. Im An- hang druckt V. einen Zettel Brücks als Beilage zu seinem Schreiben: an den Kf. (Corp. Ref. III p. 427 sq.) vom 10. Oktober (so ist das Datum festzustellen) und ein wichtiges Schreiben Schenks an den Kf. vom 5. Oktober 1537 ab. NASG. 30 S. 76—109.

In Studierstube 6 S. 5—10, 79—85, 136—143 behandelt A. Risch Luther als Erzieher zum geschichtlichen Verstündnis der Heiligen: Schrift.

G. Freybe, War Luther tolerant? (Protestantenbl. 1909, 37 S, 882—885), rübmt im Anschluß an Hermelink (s. ds. Ztschr. 6 S. 260) Luthers Verdienste um das sieghafte iba E des Toleranz-. - .gedankens und der Toleranzgesinnung.

Unter der Aufschrift ,Lutherstudien in ihrer Bedeutung für die Gegenwart“ streift W. Braun kurz einige in der Luther-

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forschnng der Gegenwart behandelte Fragen, und zwar erstens solche, bei denen es sich um Luther als geschichtliche Größe handelt (seiné Grobheit, seine Anfechtungen, L. als religióser Genius, Stellung zu Mittelalter und Neuzeit), zweitens die religiós-praktischen Fragen, in denen unsere Gegenwart ein wertvolles Erbe von Luther angetreten und zu verarbeiten hat; hier sucht B. zu zeigen, daß „das Evangelium in der reformatorischen Fassung und die moderne Welt, die Menschen der Gegenwart, zusammengehören“, weder sei die reaktionäre Rück- stándigkeit der positiven Theologie, noch der Unglaube der Modernen so arg wie man gemeinhin die eine wie den andern hinstelle. NkirehlZ. XX, 5 S. 829—360. | |

Eine F. B. unterzeichnete Untersuchung: Hat sich Luther zum /:'4- Jw Synergismus Melanchthons bekannt? zieht sich in sechs Abschnitten u" da A pm durch die Spalten von „Lehre und Wehre“ Bd. 54 (1908), ohne noch abra zum Abschluß zu gelangen; den Anfang brachte anuerarneite sehon der voraufgegangene Land.

' Luthers soziale Tätigkeit in Ehesachen würdigt Jiertwig

in Allg. Ev. luth. KZ. 1908, 10 S. 712—719.

W. Braun, Der neuentdeckte Rómerbriefkommentar Vothora aus dem Jahre 1515/16, bespricht die Bedeutung, die das Studium des Römerbriefs für die innere Entwicklung Luthers hatte, insbesondere inbetreff der Justitia Dei, des Wesens der Sünde und.der Heilsgewiß- heit, und zeigt, wie weit schon der Kommentator des Römerbriefs in der Einsicht in die Schäden des herrschenden Systems in Staat und Kirche vorgeschritten war. „Ohne Kenntnis des Römerbriefkommentars konnte. es so scheinen, als ob Luther, der demütige Klosterbruder, der noch den unterwürfigen Brief an Papst Leo X. schreiben konnte, erst dureh die Gegner auf die Bahn herber Kritik gedrüngt wurde. Wir sehen jetzt aber, wie Luther lüngst vorher mit dem püpstlichen Wesen gebrochen hat. Es ist nicht so, als wäre ihm Schritt für Schritt die Reform. abgenótigt worden, sondern er sah lange voraus, wie es kommen mußte. Und so war seine Zurückhaltung nicht ein Mangel an Einsicht, sondern weise Selbstbeherrschung;" jedenfalls ist L. nicht aus Zerstörungslust zum Reformator geworden. N.kirchl. Z. XX, 9 S. 780—754.

„Neue Kateciitemusstudiei bringt O. Albrecht (vgl. dse. Ztschr. 6 S. 249): er behandelt mit gewohnter Gründlichkeit die Luther zugeschriebenen Fragstücke für die, so zum Sakrament gehen wollen; ThStKr. 1909 S. 592—648.

Die Entstehung der Katechismen Luthers entwirft in kurzen Zügen, insbesondere auf die neueren Untersuchungen Buchwalds ge- stützt, J. Harzer in Lehre und Wehre 54 (1908) S. 145—156.

Über Sprache und Reim der Lutherlieder als Kriterium ihrer Entstehungszeit entwickelt A. Risch manche beachtenswerte Gesichts- punkte; dazu gibt er ein Verzeichnis aller unreinen Reime in den Lutherliedern, die mit dem Gemeindeutsch, dessen sich L. schließlich bedient hat, in Widerspruch stehen, also vielleicht auf Entstehung zu

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einer Zeit hinweisen, da noch die Mundart bei L. Geltung hat. Monatsschr. f, G. u. k. K. 13, 5 S. 153—160.

Einen historischen Beweis. für das Entstehen des Luther- liedes („Ein’ feste Burg“) im Jahre 1521 (neben dem seiner Ansicht _ nach von Spitta erbrachten hymnologischen Beweis hierfür) glaubt J. Adam gefunden zu haben, nämlich in Anklüngen an das Lutherlied, die in Mathias Zells Verantwortungsschrift von 1528 wider die Anklage wegen Ketzerei vorhanden seien. In der Tat sind diese Anklünge, wenn auch nicht gerade zwingend, .so doch recht auffallend (man beachte Wendungen wie: wie grausamlich sie sich jetzt.wider mich stellen; nehmen sie mir schon alles was ich hab; wie greulich sie und ires- gleichen sich jetzund stellen; nun werden sie uns dennocht aus der herr- schaft Christi nit vertreiben usw.). Monatsschr. f G. u. K. 14, 1 S. 6—9.

In Kirchl. Ztschr. 33 S. 302—304 bespricht. M. R..Luthers spütere Ansicht über den Jakobusbrief. Er sieht. darin, indem L. vieles, was er gegen J. einzuwenden hatte, nicht óffentlich aussprach, ein Beispiel seiner großen Gewissenhaftigkeit und seiner Beflissenheit, Ärgernis, soweit immer möglich, zu vermeiden.

Die unleserliche Unterschrift im Lutherbriefe ei Enders 10, 137 f., in der bekanntlich Evers’ Konvertitenhaß ein „doctor plenus“ hatte sehen wollen. möchte Kl. Löffler „doctor "parvus Hans Luther lesen, was allerdings einen Ausweg aus den Schwierigkeiten bieten kann. Hist. Jahrb. 30 S. 217 f.

An ,eine vergessene Verüffentlichung Luthers“ erinnert. O. Clemen in ThStKr. 1909 S. 298—305. Es handelt sich um den von L. besorgten und mit einer spóttischen Vorrede und ironischen Randglossen versehenen Abdruck der Bulle, mittels der P. Paul III. das nach Mantua ausgeschriebene Konzil vertagte (vom 20. April 1537). C. fand zwei Ausgaben dieser Publikation in der Zwickauer Rats- schulbibliothek; ebendort findet sich auch, wie C. bei diesem Anlaß mitteilt, der von L. besorgte Neudruck eines Abschnittes. aus des Dominikaners Giovanni Nanni von Viterbo ,Glosse zur Apocalypse".

In Auseinandersetzung mit H. Barge und K. Müller untersucht M. von Tiling nochmals den ,Kampf gegen die missa privata in Wittenberg im Herbst 1521“. Abweichend von Müller definiert er missa privata als die Messe; in der der Priester ausschlieBlich sich selbst kommuniziert, wo keine Gemeindekommunion stattfindet. Auf Grund dieser Definition erürtert v. T. weiter den Grad der Überein- stimmung zwischen Luther und den Wittenbergern bei den damals auftauchenden Gedanken und Wünschen und kommt zu dem Schluß, daß nicht. ausschließlich lutherische Gedanken: in den Wittenbergern leben, sondern in den Anfängen der Bewegung gegen :die ‚Messe eine Vermischung von: Lutherischen ‘und Karlstadtschen .Reformgedanken und Forderungen. herrsche, was .aber nach v. T. nicht ausschließen soll, daß Karlstadt und die Wittenberger in ihren Anschauungen über dag Wesen der Messe. und die Notwendigkeit von Reformen durchaus von Luther abhängig gewesen seien... NkirchlZ. 20, 2. $:85—130.':

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" H; Barge, Der Streit über die Grundlage der religiösen Er- neuerung in der Kontroverse zwischen Luther. und Karlstadt 1524/25 (in: Studium Lipsiense, Ehrengabe f. Karl Lamprecht, S. 192 bis 213) polemisiert gegen die Auffassung Scheels in „Individualismus und Gemeinschaftsleben in der ee L. s. mit K." (vgl. ds. Ztsehr. 5 S. 92).

Mit Luthers Ratschlag an Kf. Johann von dachadh vom 6. März 1530 über die Frage des Widerstandes gegen den Kaiser (Enders VII, 239 ff.) beschäftigt sich O. Clemen in ThStKr. 1909 S. 471—483; er konstatiert, daß das Original verschollen ist, geht den ältesten Abschriften und Drucken nach und gedenkt des Wieder- auflebens des Gutachtens zu Anfang des Schmalkaldischen Krieges und des Auftretens Melanchthons und Bugenhagens. gegen die Ver- wertung und selbst die Echtheit jenes.

Eine recht hübsche Entdeckung hat Joh. Hau ssleiter gemacht, er bat das Gutachten Luthers und Bugenhagens zum Regens- burger Buch vom 29. Juni 1541, das Luther in seinem gleichzeitigen Briefe an den Kf. (de Wette V, 3876—78; Erl. 55, 321—323) erwähnt, das aber die neuen Ausgaben nicht enthalten, so daß man es für ver- loren halten sollte,: einem Winke Veesenmeyers folgend in Flacius’ Lutherbriefausgabe von 1549 wieder aufgefunden und druckt es hier- nach ab, um: dann kurz zu untersuchen, wie weit davon die von Melanchthon verfaßte Erklärung der evangelischen Stände beeinflußt . worden ist. ThLtbl. XXX, 17 Sp. 193—197.

In betreff der Zustimmung Luthers zur Nebenehe Philipps von Hessen wendet sich Th. Brieger mit Recht gegen das Urteil A. Hausraths u. a., daß Luther aus politischen Gründen zugestimmt habe und zeigt, daß Luther vielmehr hier in alttestamentlichen Vor- stellungen befangen gewesen ist: ,das ist ja ein hervorstechender Charakterzug jenes .bei L. erklürlichen, nach dem heutigen Stande der Wissenschaft verwerflichen Biblizismus, dessen üble Art auch heute noch nur zu sehr im religiósen Leben der Laienwelt, und nicht bloß der ungebildeten, sich geltend macht, daß Erzählungen der Bibel, auch des Alten Testaments, ohne jede geschichtliche Würdigung naiv für das religiöse und sittliche Leben verwertet werden". Preuß. Jahrbb. 1909, 1 S. 35— 49.

.M. Reu, Zur Entstehungsgeschichte des lutherischen Haupt- gottesdienstes; zugleich ein Beitrag zur Agendenfrage (Kirchl. Ztschr. 33 S. 437—454) zeigt, wie langsam und allmählich Luther den evangelischen Gottesdienst von der Norm des Ordo Romanus löste und wie unter dem Einfluß seiner Formula Missae bzw. seiner Deutschen Messe, z. T. aber auch unter Einfluß der Ordnung Zwinglis in Deutschland der evangelische Gottesdienst zur Ausbildung kam.

: Gegen F. Spitta, der in Herzog Albrecht von Preußen den Dichter hervorragender geistlicher Lieder erblickt (vgl. ds. Ztschr. 6 S. 250), erhebt P. Tschackert (Hrzg. Albrecht v. Pr. als angeblich be- deutender geistlicher Liederdichter der Reformationszeit: Altpr.

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Monatsschr. 46, -1 S. 58—82). scharfen Widerspruch; er bezeichnet Spittas Aufstellungen fast durchweg als Konstruktionen und Will- kürlichkeiten, denen keinerlei Beweiskraft innewohne. Wenn jedoch zugegeben werden mag, daß Spitta zuweilen allzu rasch bei der Hand ist, dichterisehe Produkte des Herzógs zu finden, so schüttet doch Tschackert das Kind mit dem Bade aus. So bei dem vor den Glaubens- wechsel Albrechts fallenden „Lied, wie der Hochmeister in Preußen Mariam anruft“, das methodisch so lange Albrecht zugesprochen werden muß, als nicht wesentliche Gründe gegen seine Autorschaft bei- gebracht sind. Letzteres ist aber Tschackert unleugbar nicht gelungen, während Spitta (der in der Monatsschr. f. G. u. K. 14, 2 S. 66—68 sich gegen Tschackerts Polemik in dieser Angelegenheit im allgemeinen verwahrt) in einem neuen Aufsatze („Beiträge zur Frage nach der geist]. Dichtung des Hrzg. A. von Pr. I: Altpr. Monatsschr. 46, 2 S. 253— 277) die Annahme, daß Albrecht Vf. sei, doch mit recht beachtenswerten Gründen zu stützen vermag ; nicht übel sind Parallelen zu den Gedanken und selbst Wendungen und Ausdrücken des Liedes aus gleichzeitigen politischen Kundgebungen des Hrzg. herangezogen worden. Darf man aber Albrecht in diesem Falle wenigstens mit Wahrscheinlich- keit als Dichter ansehen, so verstärkt sich das Fundament Spittas, der übrigens noch weitere Einzeluntersuchungen verheißt, dadurch nieht unwesentlich. Zu beachten ist auch ein Aufsatz Spittas in Monatsschr. f. G. u. K. 14, 6 S. 186—187, wo er aus den Königs- berger Archivalien einige anscheinend der Jugendzeit A.s, angehörige Gebete beibringt als Belag dafür, daß der Trieb zur Schriftstellerei sich bei A. schon früh geregt habe.

Desgleichen sucht Fr. Spitta, „Die ungarischen Königs- lieder. Ein Blatt aus der hymnologischen Gesch. der Reformationszeit", Hrzg. Albrecht von Preußen als Dichter mehrerer Marie von Ungarn zugeschriebenen Lieder, vor allem des innigen Glaubensliedes „Mag ich Unglück nit widerstan“, nachzuweisen. Monatsschr. f. G. u. k. K. 14, 11 S. 825—313.

. Zwei Fülle, in denen Hrzg. Albrecht v. Preußen nachdrücklich und mit Erfolg kirchliche Übergriffe der Ermländischen Geistlichkeit abwehrte (1558—1561), behandelt Th. Wotschke auf Grund der Akten. Altpreuß. Monatsschr. 46, 3 S. 459—464.

. In das von Th. Wotschke vielfach (auch in ds. Ztschr.) be- handelte Kapitel „Hrzg. Albrecht von Preußen und Polen“ gehört auch ein kleiner Aufsatz des Genannten in Altpr. Monatsschr. 46, 3 S. 480—489 über Hrzg. Albrecht und den Grafen Raphael von Lissa (eins der eifrigsten Glieder der Unität in Groüpolen) Die Beziehungen zwischen ihnen beginnen erst 1558; 1560 lieh der Graf dem Herzog 8000 Taler; aus den Verhandlungen hierüber entsprang eine von W. mitgeteilte Relation des hzl. Rates Aulack, die auch für die polnischen Verhültnisse von Interesse ist.

L. Paquiers Veróffentlichung: Lettres familiéres de Jéróme Aléandre kommt im Jan./Febr.-Heft des Jahrg. 75 der Revue des

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ét. hist. S. 52—66 zum Abschluß. Im ganzen brachte P 100 Briefe, die von 1510 bis 1540 reichen.

Nikolaus von Amsdorfs „Antwort, Glaub'.und Bekenntnis auff das schöne und liebliche Interim“, einer der schürfsten Angriffe gegen letzteres, wird in Lehre und Wehre 54 N S. 346—355 und 392 bis 400 aufs neue abgedruckt (gez. K.). |

Eine kurze Skizze des Lebens und jes Taten des Ritters Goetz von Berlichingen gibt W. Nestle in Württ. Vierteljh. N. F. 18, 3 S. 373—397; er zeigt und begründet hier u. a., daß Goetz der luthe- Tischen Lehre . innerlich zugetan war und ihr lebendiges Interesse entgegenbrachte. |

In der Wiss. Beil. zur ‚Germania‘ 1909 Nr. 26 S. 201—204 be- handelt N. Paulus in seiner bekannten Art das Thema: J ohannes Brenz und die Hexenfrage.

Einen Brief (Nachschrift) ER EN vom 29. kni 1536, 'worin er dem Kf. Johann Friedrich den Wunsch einer gewesenen Nonne, Margarete von der Lochau, zur „Markgräfin“ zu kommen, übermittelt, teilt F. Bode aus dem Weimarischen Archiv mit. N. Mitt. a. d. G. hist.-ant. Forschr. 24, 1 S. 100. i RT

„Aus einem selten gewordenen Büchlein Johann Bugenhagens“, nämlich der 1557 in Wittenberg gedruckten Schrift „Von den unge- born Kindern ... und sonst von der Tauffe“ gibt Lehre und Wehre 54 (1908) S. 247—255 einen Auszug (gez. K). Es handelt sich haupt- sächlich um die äußere Art der Vornahme der Taufe, ob ins Wasser eintauchen, mit Wasser übergießen oder nur oben auf dem Kopfe taufen, gegen welche letztere Art sich B. entschieden erklürt.

„Thomas Campanella, ein Reformer der ausgehenden Renais- sance“, wird von J. Kvačala gewürdigt (N. Stud. z. G. d. Th. u. K. VI, 154 S). Er behandelt: den Bildungsgang Cs., seine Reform- schriften, seine Wissenschaftsreform und Weltanschauung, seine Theo- logie, endlich die Erfolge.

In einem besonderen Aufsatze (Protestantische zeli Polemik gegen Campanella vor seiner Haftentlassung) weist J. Kvadala auf unbekannte oder nur zum Teil bekannte protest. Auseinander- setzungen mit Campanella zur Zeit seiner Haft in Neapel hin und zeigt, daß sich jene Prot. zwar gegen C.s römisch-kurialistisch gefärbte . Reformdoktrinen sträubten, sich aber dem Reiz der mit so großem Aplomb verkündeten Naturgemüfheit nicht verschlossen (aus: Acta et commentationes univ. Jurieviensis, 48 S. 11).

Gegen -F. Bahlow in ds. Zeitschr. 4 S. 367—369 tritt P. Seve- rinsen für die Identität des Nikolaus Tech (Tecius) mit dem von Hüstedt als Verf. der Lieder ,Allein Gott in der Hóh sei Ehr* und „O Lamm Gottes, unschuldig“ bezeichneten Nikolaus Decius ein und sucht die Bedenken wegen der Verschiedenheit des Namens sowie wegen der oberdeutschen Herkunft des Tech zu entkrüften. Monatsschr. f. G. u. K. 14, 5 8. 155—157.

. Das Werk eines gelehrten bayerischen Geistlichen J ohannes

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Philonius Dugo, der in vielen Punkten den Evangelischen nicht. fern stand, jedenfalls ein Mann des Friedens und der Vermittlung war, die ,libri institutionum christianarum quatuor", fand bei den Zensoren der Stadt Augsburg, insbesondere Gereon Sailer und Bonifacius Wolf- bart, eine. günstige Aufnahme, wie G. Bossert nach einer Notiz des Dugo selbst mit Nachrichten über diesen mitteilt. BER 15, 5 S. 209—218. "

Emser als Kritiker Luthers wird von H. Wäschke ge- würdigt,. nämlich in der Kritik der Lutherschen Bibelübersetzung. W. zeigt, daß Emser ein ganz unzulänglicher Kritiker war; seine Sprachkenntnisse waren ganz äußerlich, seine Methode ganz irrationell; er stützt sich fast allein auf den Text der Vulgata; seine Angriffe gegen Luthers Übertragung sind demnach, auch wo sie nicht ganz aus der Luft gegriffen oder offensichtlich tendenziös sind, mit ver- schwindenden Ausnahmen völlig unbegründet. ZVKGS. 6: S. 81—90,

Gegen das Urteil Rankes, daß Erasmus schwächlich und der Todesfurcht unterworfen gewesen sei, wendet sich Fr. Thudichum; Erasmus von Rotterdam; ein Wort der Würdigung wider seine Ver- kleinerer. Monatsschr. d. Comeniusges. 18, 5 S. 132—138.

In N. Jahrbb. f. d. klass. Alt. usw. Bd. 24, 6 S. 312—329 würdigt L. Enthoven die Institutio principis christiani des Erasmus als Beitrag zur Theorie der Fürstenerziehung; er erblickt in der Schrift eins der bedeutendsten pädagogischen und moralphilosophischen Werke aller Zeiten. |

Auf Grund von Akten des Archivs Gonzaga in Mantua stellt A. Luzjo einige Daten aus den letzten Lebensjahren Georgs von Frundsbergs richtig, die sich zumal auf sein freundschaftliches Ver- hültnis zu Mf. Friedrich von Mantua und auf seinen Wunsch einer fried- lichen Verständigung mit P. Clemens VII. nach dem „Sacco“ beziehen. D, Revue 1909 (Febr.) S. 288—241.

Der Veranstaltung und Herausgabe einer Übersetzung der Chrouik Joh. Cuspinians durch Kaspar Hedio zu Straßburg i. J. 1541 gedenkt E. Wymann und beschreibt ein in der Bibliothek des Priesterkapitels von Uri zu Altdorf befindliches Exemplar mit eigenhändiger Widmung H.s an den kurpfälzischen Kanzler Haß sowie Randglossen von Lesern. . Z8chwKG. II S. 303 f.

G. Richter bespricht die Beziehungen Ulrichs von Hutten zum Kloster Fulda (1514— 20); u. &. weist er die Teilnahme Huttens an einer von dem Abte von Fulda in kurmainzischem Auftrag nach Erfurt ausgeführten Gesandtschaft nach (1514—15), erörtert die Funde alter Schriften auf der Fuldaer Klosterbibliothek durch H. und gibt von einem Briefe H.s an Capito von 1520 Kenntnis, worin jener die Mahnung C.s zum Frieden mit der Kirche zurückweist (der Brief ist 1907 durch eine Auktion nach Paris gokommen). Fuld. Geschbll. vin Nr. 1—4.

Die Bedeutung von , Absenz oder Präsenz“ in dem Schreiben Kf. Friedrichs d, W. über die Bitte Karlstadts, nach Orlamünde gehen

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zu dürfen (K. Müller, Luther und . Karlstadt = 140 A. 1) erörtert Müller näher in ZKG. 30 S. 178—180. |

Nach einer Äußerung Luthers hat sich Johann Friedrich über die erzieherische Tütigkeit seines ehemaligen Lehrers Alexius Krosner ungünstig ausgelassen. P. Vetter sucht zu zeigen, daß das Urteil des Kf. über K. wohl aus dessen zweideutiger Rolle gegenüber Hz. Georg (vgl. die in ds. Ztschr. Bd. 5 S. 487 f. besprochene Schrift Clemens über Krosner) zu erklären sei; zugleich teilt er zwei K. be- treffende Drucke mit. NASG. 30 S. 140—144. (Ebendas. S. 173—176 setzen sich Clemen und Vetter über die oben angezogene Schrift des ersteren auf Grund ihrer Besprechung durch V. ib. 29, 352—354 aus- einander.)

.Eine systematische Übersicht über den Inhalt der Kirchen- ordnungen des Johannes Laski für 1. Ostfriesland und 2. London eingeteilt nach: Verfassung, Verwaltung und kirchliches Leben gibt Naunin in DZ. f. Kirchenr. 19 S. 24—40, 196—236. Besonderes Interesse bietet die Londoner Kirchenordnung (1550), die Laski nach seinen eigenen Ideen in voller Freiheit ausgestalten konnte.

Aus der hzl. Bibl in Gotha teilt O. Clemen einen Brief von Wenzeslaus Link in Nürnberg an Friedrich Myconius vom 11. März 1535 mit; er handelt von L.s Familie und Krankheit und von der Fortdauer der Irrungen zwischen Osiander und den übrigen Nürnbergern über die Absolution. BBK. 15, 4 S. 199f.

Friedrich Rot, ,Zum Katechismus des Joh. Meckart in Augsburg“ teilt den Passus über die Neuausgabe des Katechismus von 1558 aus einer ungedruckten Augsburger Chronik (beschrieben bei Zapf, Augsb. Bibliothek I S. 44) sowie das gehüssige Urteil eines Gegners, seines Kollegen G. Malhorn, eines Vertreters der ,jungen* . Prediger, der Augsburger Konfessionisten strengster Observanz, mit. BBK. 16, 1 S. 27—38.

Ein Schreiben Melanchthons und Ebers. an die Dekane von Gunzenhausen und Wassertrüdingen Seb. Stiller und Georg Schagk vom 13. November 1554, in der Frage der Elevation, erhalten in Ab- schrift von Ebers Hand in der Gothaer Bibl., druckt P. Fleming in BBK. 16, 1 8: 39—41 ab.

Die hzl. Bibliothek in Gotha enthält ferner das von Eber ge- schriebene und von Melanchthon korrigierte Konzept des Ordinations- zeugnisses für Hier. Nopus, Pfarrer und Superintendent zu Regens- burg, vom Jahre 1543, das ebenfalls Fleming abdruckt und mit Er- läuterungen zur Lebensgesch. des Nopus begleitet. BBK. 16, 1 S. 41—46.

Dr. Johann Oldendorp als ein Jurist des Reformations» zeitalters wird von A. Vorberg in Ev. KZ. 1909, 20, 393—898 und 21, 401—403 geschildert.

Auf Grund der Quellen (zwei Druckschriften und einige z. T. noch. ungedruckte Briefe) schildert O. Clemen das Leben und Wirken des Arztes Georg Pylander (Thormann) aus Zwickau, der 1581 in

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Wittenberg immatrikuliert wurde und 1544 in Italien starb. Er er- scheint in näheren Beziehungen zu Luther, Melanchthon, Roth usw.; der Vorrede zu seiner Hippokratesübersetzung sind wertvolle Notizen über den damaligen Stand der Medizin und des Ärztewesens zu ent- nehmen. Den Schluß machen zwei ungedruckte Briefe P. s. NASG. 30 S. 835—848.

C. Franklin Arn p Zur Geschichte and Literatur der Schwenckfelder, knüpft an das Erscheinen des:ersten Bandes des Corpus Schwenckfeldianoram (1909) einige Wünsche, erörtert Calvins Stellung zu Schwenckfeld und gedenkt der älteren Geschichte der Sekte in ihrem schlesischen Ursprungslande. ZVGSchles. 43 S. 291 bis 303. o

Über den Aufenthalt des Benediktiners Wolfgang Sedelius in Augsburg von 1550/51, der dort gegen die Lutheraner wirken sollte, nach kurzer Wirksamkeit aber durch Hz. Albrecht von Bayern abgerufen wurde, bringt Fr. Roth einiges urkundliche Material aus Sem RA. zu München bei. BBK. 16, 1 S. 33—38. Tu

Den Schluß des in ds. Ztschr. 5 S. 825 —Ü Aufsktres von W. Holtz, Cyriacus Spangenbergs Leben und Schicksale als Pfarrer in Schlitz 1580—90, bringen die Beitr. hess. KG. Hl, 4 S. 266 —296, mit archivalischen Beilagen.

Eine Nachlese seiner Abhandlung über Paulus Sparatus’ Her- kunft usw. (vgl. ds. Ztschr. 5, S. 97) bringt J. Zeller in Württ. Vierteljh. N. F. 18 S. 180—185, die sich À Banden auf Sparatus’ Tätig- keit in Salzburg bezieht.

Über den ersten ae Pfarrer in Biedenkopf Gerlach Walther (1526—1573) bringt W. Diehl einige Hinweise in Beitr. hess. KG. 4., 1 S. 87f.

Territoriales. Unter der Aufschrift Zur süddeutschen . Katechismusliteratur 1530—1600 bespricht O. Clemen kurz das „Stimmenbüchlein“ des Jakob Grieübeutel (des ersten Priesters, der sich in Augsburg verheiratete), in zwei Ausgaben von 1584 und 1586, Augsburg, nachweisbar; die „Teutsche Kindertafel“- des Leonhard Culmann von Crailsheim (Nürnberg 1534), und weist Johann Tetel- bach, Vf. des „goldenen Kleinods“ als Diakonus in Dresden 1540—1547 nach. BBK. 15, 5, S. 283— 286.

Als „Miszellen zur Württembergischen Geschichte am Vor- abend der Reformation“ bringt W. Ohr Exzerpte aus Weimarer Akten zur Geschichte des Tübinger Landtags von 1514, und aus Würzburger Akten zum Huttenschen Handel, sowie eine Korrespondenz über Tübinger Studentenschulden von 1519. Württ. Vierteljh. N. F. 18 8. 270—981.

Ein Aufsatz von Stadtpfarrer Metzger ,Die Schillingspfründe .in Neuffen“ behandelt die Einziehung dieser von der adeligen Familie Schilling in Cannstatt 1351 gestifteten Pfründe durch Hz. Ulrich i. J. 1535 und die erfolglos gebliebenen Bemühungen der Schillings um die Restitution ihrer Pfründe. Der Aufsatz läßt interessante Blicke

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auf Bestand und Zusammensetzung des Kirchenguts sowie das Ver- fahren -bei der Säkularisation allen: Württ. Vierteljh. N. F. 18 S. 196—210,

Die Rechnungsbücher der Liebfrauenkirche in Ingolstadt 1519 bis 1523, die-Cl. Schlecht in Altbayr. Monatsschr. 8 S. 75—83, 116 bis 133 behandelt, verzeichnen u. a. Einnahmen aus Gnaden- oder Bettelbriefen, Erträge von:Sammlungen; die Ausgaben beziehen sich auf den Bau der gen. Kirche. Im ganzen reichen diese Rechnungs- bücher von 1497—1546. -

Aus dem Original im Fugger-Archiv veröffentlicht P. Dier eine

Aufzeichnung („Gedächtnisbuch“) des Johannes Faber, Generalvikars der deutschen Dominikanerköngregation, über diejenigen Personen, die zum Bau der Dominikanerkirche in Augsburg (1518—1515) bei- getragen haben (außer Papst, Kaiser und Herzog Georg von Sachsen meist Augsburger Bürger), und über die Summen, die er selbst her- nach als Prior für den Bau verwandt hat. ZKV. Schr. Neub. 34 (1908) S. 164—178. | Die Aufzeichnung Wolfgang Merz’ über da auf Veranlassung des Kaisers angestellte Examen der 43 Augsburgischen Schul- meister wegen ihrer Stellung zum Interim, von der Schelhorn nur Auszüge gegeben hatte, teilt F. Roth aus Schelhorns Quelle, Cgm 1324, mit in BBK. 15, 5 S. 217—297.

Eine Untersuchung von F. Graf tiber die soziale und wirtschaft- liche Lage der Bauern im Nürnbergischen zur Zeit des Bauern- kriegs zeigt, da8 die Bauern dort weniger Grund zu Beschwerden hatten als in den umliegenden Gebieten, ‚weshalb sie auch an der Bewegung von 1525 geringen Anteil nahmen. 56. JB. d. HV. f. Mittel- franken.

Den Beginn der Reformation im Altmühltale schildert auf Grund der Akten K. Schornbaum (BBK 16, 1 S. 1—27) Es zeigt sich, daB es hier über ein Menschenalter gedauert hat von etwa 1525 bis 1561 oder selbst 1565 —, bis der katholische Gottes- dienst völlig beseitigt und allérorten das Evangelium eingeführt war. Das Bistum und Domkapitel Eichstüdt, die Grafen von Pappenheim und Oettingen, dazu manche Amtleute der Markgrafen selbst er- schwerten und durchkreuzten each die RL und An- ordnungen der letzteren.

Ein Bücherverzeichnis des letzten katholischen Pfarrers von Ansbach, Joh. Mendlein (1507—1523) teilt H. Schornbaum im 56. JB. d. HV. f. Mittelfranken mit.

Über Pfarrverhültnisse in Wassertrüdingen (Mittelfranken) kurz vor der Reformation und wührend dieser handelt K. Schorn- baum in BBK. 15, 5 S. 201—208.

Die Balaton des Klosters Wülzburg (bei Weißenburg in

Mittelfranken) stellt K. Schornbaum im Unterhaltungsbl. zur Fränk. Zeitg. 1909 Nr. 64/66 dar. Das ganz heruntergekommene Kloster wurde, noch ehe hier die reformatorische Bewegung eingesetzt hatte,

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1524 wom Mfen. Casimir tatsächlich aufgelöst und bestand nur dem Namen nach fort; aus dem Benediktinerstift wurde dann offiziell eine Propstei; ein Versuch das Mfen. Friedrich, eine katholische Reaktion herbeizuführen, glückte nur teilweise.

H. Haupt, Ein Gießener Geistlicher des 15. Jahrh. im Kampfe gegen kirchl. Mißbräuche, behandelt Joh. Koch oder Coci und die Streithändel, die dieser infolge einer 1450 in Gießen gehaltenen Predigt gegen die „Meßfrüchte“ zu. bestehen hatte mit einem Aus- blick auf die unbeeinflußt von der Haltung des Landesherrn 1526 er- folgte Zuwendung Gießens zur Reformation. Beitr. hess. KG. IV, 1 S. 78—86. |

Aus den kobiri ger Visitationsakten von 1529 teilt G. Berbig die Bestimmungen mit, die über die Einnahmen des „geminen Kasten“ wie über die Verwendung dieser Einnahmen getroffen wurden; es ergeben sich interessante Einblicke in die Neuordnung des Kirchen-, Schul- und Armenwesens im lutherisch gewordenen Koburg. . DZ. f. Kirchenr. 18 S. 394—419.

Die wirtschaftliche Lage und die sozialen Bewegungen im Kft. Trier im Jahre 1525 behandelt en P. Hanstein im Trierischen Archiv Bd. 12 und 13.

Einen Beitrag zur Geschichte des en des Grafen Adolf von Neuenahr, Kóln für den Protestantismus zu gewinnen,. bietet P. Bockmühl, Ein Brief aus Köln nach der zweiten Predigt bei Mechtern (unw. Köln), in Theol. Arb. a. d. Rhein. wiss. Predigerverein N.F. XI S. 118—121.

Ein Aufsatz von Fr. Meyer, Ziel, Organisation und Stoff des Unterrichts im Jesuitengymnasium zu Kóln in den ersten Jahren nach der Eróffnung (1557) in Mitt. Ges. Erz. u. Schulgesch. 19,1 S. 35—68 ist sowohl für die Geschichte der bezeichneten Anstalt wie für den frühjesuitischen Unterricht überhaupt wertvoll.

Ein Bild von den gottesdienstlichen Zustünden in den nieder- rheinischen Gemeinden des 16. Jahrhunderts* zeichnet H. Basser- mann in Prot. Mh. XIII, 7 S. 259—267 auf Grund der Einleitung, die E. Simons. dem ersten Bande des von ihm und seinen Mitarbeitern herausgegebenen ,Urkundenbuchs zur rheinischen Kirchengeschichte“ (Synodalbuch. Akten der Synoden und Qnartierkonsistorien in Jülich, Cleve und Berg 1570—1610) vorangestellt hat.

Beiträge zur Gesch. der ref. Gemeinde Wülfrath (unw. Elber- feld) im 16. Jh. gibt M. Goebel. Er weist nach, daß die Anfänge einer evangelischen Gemeinde in W. zwischen 1550 und 1565 zu setzen sind; vom gemilderten Katholizismus. geht es hier über die Augs- burgische Konfession zum entschiedenen Kalvinismus, an den der An- schluß 1595 erfolgt eine Entwicklung, die für eine Reihe bergischer Gemeinden typisch ist. Theol. Arbeiten a. d. Rhein. wiss. Prediger- verein, N. F. XI S. 122—139.

Die Wahlen der drei. protestantischen Bischöfe von Osnabrück Hz. Heinrich von Sachsen-Lauenburg (1574—1585), Graf. Bernhard

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von. Waldeck:(1585— 1591) und Philipp Sigismund von Braunschweig (1591—1632) und: die Eigentümlichkeit ihrer Stellung behandelt auf dem Grunde der kirchlichen und politischen Zeitverhältnisse die in- struktive Studie von B. Krusch in Mitt. V. a u. L. v. Osnabr. 30 S. 217—974. |

Die Paderborner Fürstbischöfe im Zeitalter der Glaubens: neuerung behandelt L. Leineweber. Der erate Teil führt von Bischof Erich (1508—1532) bis zum Tode Remberts von Kerssenbrok (1568); obwohl auch Archivalien benutzt sind, werden wesentlich neue Ergebnisse nicht gewonnen; die Darstellung geht auch nicht in die Tiefe: der Standpunkt ist einseitig katholisch. Z. f. vaterl. G. u. A. 66,9 S. 77—158. p „Der Monsterschen ketter bichtbok", eine Satire ‘aus der Wiedertäuferzeit, untersucht H. Bitter in Z. f. vat. G. u. A. 66,1 S. 1—38 insbesondere mit Bezug auf den Verf. Es ergibt sich ihm, daß Hermann Kerssenbrok, den die einzige Hs. des Werkes (von 1754) als Verf. nennt, in der Tat das bichtbok verfaßt haben muß. Letzteres ist vor der Einnahme der Stadt Münster durch den Bischof (25. Juni 1535) entstanden und trotz seines Charakters als katholische Tendenzschrift durch vielerlei Detailangaben als Geschichtsquelle wertvoll. |

Exzerpte aus Redeckers Chronik (18. Jahrhundert) über die Ein- führung der Reformation in Hannover (1524—1536) und über Synoden in Pattersen und Minden (1544 und 1545) bieten die Hannov. Geschbll. II (1908) S. 32—44, 48.

Die Einführung der Reformation in Wegeleben (Bist. Halber- stadt) behandelt der dortige Pastor Reyländer auf Grund neu auf- gefundener Aktenstücke des Pfarrerchors. Die erste evangelische Predigt in W. hat danach am 9. Oktober 1543 durch einen aus Halberstadt. verschriebenen Prediger stattgehabt, der dann zunächst als Kaplan bei dem katholischen, aber dem Evangelium nicht ab- geneigten Pfarrer von W. eintrat. ZVKGS. 6 S. 11—24.

' R. Steinmetz behandelt die Generalsuperintendenten von Calenberg seit der Gründung der Generalsuperintendantur (1579). ZGNdsKG 18 S. 25—267. Ebendort S. 268—286 teilt K. Kayser aus dem Hannoverschen Staatsarchiv das Protokoll der Herzberger Synode von 1594, mit allgemeiner Einleitung, mit.

"= 'K. Pallas behandelt auf Grund der. in ds. Zeitschrift Bd. S. 917—812 veröffentlichten Aktenstücke‘ die „Visitationsreise | des B. Johann VI. von Meissen im Kft. Sachsen 1522“ in züsammen- hängender Darstellung. Daß Friedrich der Weise „in seiner Abneigung gegen die nicht von der Gesamtkirche gebilligten Neuerungen sich bis an sein Lebensende’ getreu‘ Eee sei“ , ist nicht zutreffend. ZVKGS. 6 8. 25—80. . ^.

‚Von :zwei. ehemaligen Wallfahrtsorten - in. der. Nähe Leipzi gs handelt O. Clemen in. Studium Lipsiense (Ehrengabe fi K. Lamprecht). S. 185—192, nämlich der ,Eiché^ (bei Naunhof). und*dem „Birnbaum“: (bei: Theka südl: von Rötha). -Sie standen :kurg: vor. der "Reformation.

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in Blüte; bald nach deren Beginn aber hörten die Wallfahrten auf; in Eiche bestand 1580—1532 evangelischer Gottesdienst, an dem viele Leipziger teilnahmen.

„Schlesische Bauernunruhen 1527/28“ TET A. Kern in

Schles. Gbll. 1909, 2 S. 25—29. Es handelt sich um eine in der

späteren Tradition stark entstellte Auflehnung der Bauern von Peter- witz gegen ihren Erbherrn Friedrich von Nimpsch wegen zu zahlender Zinsen. Bemerkenswert ist die Milde und Vorsicht, mit denen die adligen Herren damals wie auch in einem Gerichtshandel von 1528 den Bauern gegenüber verfuhren.

Über die ersten Anfänge einer evangelischen Schule im Posen- schen, die bis in Melanchthons letzte Jahre zurückgehen, macht Th. Wotschke in seiner Geschichte des evangelischen Progymnasiums zu Bojanowo (ZHG. Prov. Posen 24 S. 93ff.) einige Angaben.

Des flüchtigen Auftretens von Unitariern in Posen (zwischen 1556 und 1572) gedenkt Th. Wotschke in Monatsbll. HG: Prov.

Posen X S. 33—36.

Quellenuntersuchungen über die drei "m Kate- chismen und das Enchiridion von Bartholomaeus Willent gibt R. Traut- mann in Altpreuß. Monatschr. 46, 2 S. 217—981 und 3 S. 465—479.

| AAusserdeutsches. Das Jahrb. d. Ges.f. d. G. d, Prot. in Öster- reich ed. Loesche, Jahrg. 30 (244 S.) enthült folgende uns interessierende Beiträge: S. 1—20 J. Scheuffler, Die in Wittenberg von 1539— 1579

ordinierten österr. evang. Geistlichen. S. 21—28 F. Selle, Éine Be- kenntnisschrift der Stadt Steyr von 1597 (Forts.). S. 29—64 J. Lo-

serth, Zur Reformation und Gegenref. im Markte Ligist (in Steiermark). S. 65—82 A. Kern, Die Matriken der protestantischen Stiftskirche in Graz als Quellen für d. G. des Prot. in Steiermark. S. 94 bis 120 W. A. Schmidt, G. der Gegenref. in St. Canzian in Krain.

S. 181—137 A. Schmidt, Beiträge z. G. d. Gegenref. in Bielitz.

S. 138—156 J. Kvačala, Die Beziehungen der Unitüt zu Flacius und Laski (1. Art). Endlich bieten am Schluß S. 192—243

G. Loesche und G. A. Skalsky die gewohnte reichhaltige dit.

Rundschau über die den Prot. Öst. 8 betr. Veröfftl. d. J. 1908.

A. Gümbel veröffentlicht aus den Rechnungen und Almosen-

registern der Klöster Heidenheim und Heilsbronn „Exulanten- verzeichnisse", d. h. Zusammenstellungen der Posten, die sich auf durchziehende evangelische Flüchtlinge, Opfer der Gegenreformation in Österreich, beziehen; der Hauptteil der bis 1651 geführten Auszüge fällt ins 17. Jahrh., doch reichen sie bis 1545 zurück. BBK. 15 Heft 4/6 S. 193—199, 240—946, 268—975.

In den Beitrr. z. Erf. Steir. Gesch. 36 (N. F. 4).8. 1—50.

veröffentlicht J. Loserth den Bericht über die Ergebnisse einer Studien- reise in den Archiven von Linz (oberösterr. Landesarchiv, Musealarchiv,

Diözesanarchiv) und Steyeregg (gfl Ungnad-Weigenwolfsches A.), mit einem Anhang von Urkundenauszügen. U. a. betreffen die ver-

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zeichneten Archivalien den Bauernkrieg, die Verhältnisse der Klöster in der Ref,-Zeit, Hans Ungnad, .Gegenreformatorisches aus Steiermark.

Daß auch im Salzburgischen am Ende des Mittelalters die Kirchenzucht arg zerrüttet und Kirche und Klerus mit zahlreichen Mißbräuchen behaftet waren, zeigt K. Hübner, Die Provinzialsynoden im Erzbistum-Salzburg bis zum zus d. 15. Jahrh., in DGeschbll. 1909, Mai, S. 187—230. | J. Zukal, D. Einführung der Reformation in Toner schildert auf Grundlage der Akten, wie das Evangelium langsam, aber unauf- haltsam sich in Troppau durchsetzt, wie Kirchen und Schulen evan- gelisch werden und Ende der 60er Jahre die Stadt, nachdem sie den Bischof von Olmütz durch förmlichen Aufruhr verjagt, als durchaus evang. Gemeinwesen dasteht. Besondere Verdienste um die Durch- setzung der Reformation hat sich der Sprottauer Martin Zenkfrei erworben, der von 1565 bis 1568 in Tr. wirkte. ZGK. Oest. Schles. 2 S. 168 ff.

F. Schenner, Zur Geschichte der Reformation in Znaim, ver- öffentlicht eine Anzahl von Aktenstücken aus verschiedenen Archiven von e. 1590—1610; besonders interessant sind die Stücke, die den Prediger Franz Mimmer in Znaim betreffen (1607 und 1610). ZddVfG. Mährens und Schles. 12 S. 310—337.

A. Büchi veröffentlicht die Eingabe von sieben Konventualen des Klosters von St. Alban zu Basel an den Rat der Stadt im Jahre 1513, aus der sich der günzliche Verfall der Klosterzucht ergibt, hernach hat dann hier auch frühzeitig die Reformation Wurzel ‚gefaßt. ZSchwKG. 2 S. 226—228.

F. Rüegg macht auf eine Eintragung in die Wiener Universitäts-

matrikel aus. dem Wintersemester 1498/99 aufmerksam: Udalricus Zwinglii de Glaris, daneben: exclusus, und folgert daraus, der Refor- mator Zwingli sei schon 1498/99 zum erstenmal in Wien immatri- kuliert, aber wegen schwerer sittlicher Verfehlungen (zu denen das haßgeschwollene Zeugnis eines. 100 Jahren späteren Pamphletisten herangezogen wird!) exkludiert worden. Vor allem bleibt wohl zweifel- haft, ob jener ,Zwinglii de Glaris" mit dem ,Udalrieus Zwingling de Lichtensteig“ vom Sommersemester 1500 identisch ist. R. weiß freilich sogar, daß Zwingli sich einer äußerst demütigen Abbitte habe unter- werfen müssen, ehe er aus besonderer amade wieder zugelassen wurde.. ZSchwKG II. S. 214—219. . |.

| In der Schweiz. theol. Ztschr. 26, 1, 1—12. and 2, 49—62 be- handelt E. Burkhardt die le der En lachon Fondue (Vortrag). |

. Mit großem. "Pathos rennt N. Paulus wieder einmal offene Türen ein, indem er zeigt, daß Zwingli kein Vertreter der Toleranz: nach moderner Auffassung gewesen ist. HPBIl. 148, 9 S. 645—6665. nach demselben Rezept. wird: von dem . nüinlichen DEVISE ERI ab- gehandelt: ebendas 149, 11 S. 805—826, .. :

A. Mailhet gibt. einen: Abriß. des- Lebens: und der Tätigkeit

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G. Farels, mit besonderer Berücksichtigung seines reformatorischen Wirkens im Dauphiné. Rev. Chret. 56 (4 Serie, I) S. 241—252, 821—381.

In einer Studie über den Protestantismus in Clay (n der Brie, zwischen Paris und Meaux) von 1554—1700 gibt J. Pannier u, a. urkundliche Details über das Aufkommen und die ersten Schicksale des Protestantismus daselbst. Bull. Soc. Hist. Prot. Fr. 58, 3 S. 193—224.

Einer Familie Commelin in Douai, die sich durch die An- hünglichkeit ihrer Mitglieder an den Protestantismus auszeichnete, gedenkt J. Meyhoffer, um dann speziell das Geschick des Jehan C. zu verfolgen, der als Kaufmann in Gent ansüssig war, 1567 aber der Glaubensverfolgung durch Alba zum Opfer fiel; er wurde nebst seinem Sohne in Brüssel enthauptet. Bull. Soc. Prot. Fr. 58, 4 S. 820—827.

Giovanni della Casa e i suoi tempi lautet das Thema, das L. Campana auf Grund der von ihm im Archive der Marchesi Ricci- Paracciani in Rom aufgefundenen politischen Akten Casas eingehend in Studi storici 16 und 17 behandelt. Von besonderem Interesse sind in vol. 17 die Darlegungen über die Inquisition im Venezia- nischen und ihre Handhabung durch Casa (u. a. im Prozeß gegen P. P. Vergerio).

Aus dem hsl in Freiburg i. Schw. verwahrten Itinerarium Hierosolymitanum des Stadtpfarrers von Freiburg i. Schw. Sebastian Werro (1555—1614) teilt E. W. die Partie mit, die von Erzbischof Carlo Borromeo von Mailand, seinem Wirken und seiner Metropole handelt. ZSchwKG II. S. 131—137.

Aus dem Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis, Nieuwe Serie VI sind mehrere Artikel zur niederlündischen . Refor- mationsgeschichte anzumerken, nümlich: P. G. Boos, De Groningsche wederdooperswoelingen 1534 en 1535 mit urkundl. Beilagen aus dem Marburger Archiv (S. 1--47); F. S. Knipscheer, De vestiging der Gereformeerde Kerk in Noord-Holland 1562—1608, Schluß aus den zwei vorigen Jahrgg. (S. 139—173); L. Knappert, Petrus Audomarus over de Kalvinisten (S. 226—250); P. Bockmühl Twee vordere stukken amgaaende Jóh. Anast. Veluanus (S. 291—296; vgl. Bibl. ref. Neerl. IV); L. Knappert, Een brief van Jan Canin (S. 297—801); W. G. Goeters Waar. een der Werken van Joh. Anast. Veluanus gedruckt werd (S. 304—305); J. S. van Veen, Mededeeling over de gevangenschap van Joh. Anast. Veluanus te Hattern (S. 871—372); Derselbe, Kettersche geestelijken op de Veluwe en. 1548 (S. 406—407). Zu vgl. ist ‚auch die Übersicht über die Neuerscheinungen. zur niederländ. Pen ns ehe (1908) am Schluß des Bandes (S. 408—444).

"Über die englischen. Litaneien Heinrichs VIII. handeln J. Gairdner und: F.: E. ne im Lt HR. Nrr. 91 und 93 uide '28 f). poule NE

. Wenig ` objektiv. "schildert: Ath. Zihme rmann S J. Elisabeth and die Aufrichtung der englischen .Stäatskirche“.“ Er sucht be- sonders, iv Anlehnung: an: eine (mir nicht vorliegende) Darstellung

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des Benediktiners Birt zu zeigen, daß die Katholiken, zumal die Priester, in weit größerer Zahl als gewöhnlich angenommen wird, ihrem Glauben treu geblieben seien. Daß die Teilnehmer an der Rebellion von 1569 nach deren Niederwerfung mit Konfiskation, Kerkerhaft oder dem Tode bestraft wurden, berechtigt doch den Verf. nicht von einem „fürchterlichen Blutbad“ und „barbarischen Strafen“ zu sprechen; oder welche Ausdrücke müßte man dann wählen, um etwa das Wüten der Kirche gegen die besiegten Albigenser adäquat zu bezeichnen? RöQu. Schr. 22, II S. 81—107.

Einen ersten Artikel über la réconciliation de l'Angleterre avec le S. Siège sous Maria Tudor bringt R. Ancel O. S. B. in RHE. 10, S. 521—536; er behandelt die Legation des Kard. Pole nach England (1553—54) auf Grund. der vatikanischen Archivalien.

Aus der schwedischen Kyrkohistorik Arsskrift 1909 (Jahrg. 9) ist folgendes zu erwähnen: S. 29—123 O. Theding, M. Luthers lila Katekes i dess tidigaste svenska drükt (Luthers Kl. Katechismus in seiner frühesten schwedischen Gestalt) S. 137—148 J. Collijn, Nigra svenska Katekesfynd (neue schwedische Katechismusfunde), betrifft Ausgaben von 1572 und 1622, S. 152—156 Derselbe, Munkfisken. Ett nyfunnet flygblad frän reformationstiden (Der Mönchs- fisch, ein neuaufgefundenes Flugblatt aus dem Reformationszeitalter). Betr. ein Flugbl. von 1546, gefunden in der Lübecker Stadtbibl. S. 157—108 Derselbe, En plattysk Copia af ett hittalls okändt Karl V:s Plakat mot Luthers Skriften 1526 (eine plattdeutsche Kopie eines bisher unbekannten Plakats Karls V. gegen Luthers Schriften 1526). Gefunden ebendaselbst, datiert Antwerpen 21. Febr. 1525 (d.i. 1596). Endlich in Meddelander och aktstycken S. 54—84 gibt H. Lund- ström einen Auszug aus Erik Jóransson Tegels hsl. Chronik (auf der Stockholmer Königl. Bibl) über den Prozeß gegen Olav Petri und Laurentius Andreae in Örebro 1589—40 (wegen Irrlehre und Aufruhr).

Aus der Zeitschriftenliteratur zum Calvinjubi- Iäum 1909. In einer Abhandlung, die den Titel hat: Calvin an epigone of the middle ages or an initiator of modern times wendet sich E. Dou- mergue in scharfer Polemik gegen Ritschl (Pietismus), Troeltsch und Max Weber (Prot. Ethik) nebst ihren Anhängern wegen ihrer Auf- fassung von einem noch wesentlich mittelalterlich orientierten Calvin, um dem seine Überzeugung gegentiberzustellen, wonach die Reformation im allgemeinen und der Calvinismus im besonderen, indem sie mit Romanismus und Pelagienismus brechen und wieder an Paulus und des Christentum des Evangeliums und Christus anknüpften, das Mittel- alter absehlossen und die moderne Zeit heraufführten. The Princeton Theol. Rev. vol. 7, 1 S. 58—104.

Calvins, des ,Theologen und Organisators der Reformation", „Bedeutung in der Geschichte des Christentums“, d. h. einer- seits neben Luther und Loyola, andererseits im Verhältnis zu den Mäanern der „zweiten Reformation" (Kant, Fichte, Schleiermacher) erörtert E. Sulze in Prot. Monatsh. XIII, 6, $. 209—221, Calvin

Archiv für Reformationsgeschichte VII. 1. 8

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ist nach S. der modernste der Reformatoren, insofern als der Gottesglaube für ihn eine selbstündigere Bedeutung hatte als sonst im kirchlichen Leben seiner Zeit. Unseren Gottesglauben aber hat er nicht erreicht. Wir wissen, daß Gott die allmächtige Gerechtigkeit, aber zugleich was für Luther besonders wichtig war die all- mächtige Liebe ist, unser Richter und unser Erlöser.

K. Baum betrachtet „Calvin als Organisator“. Er schildert Genf in der Zeit, als C. hier eintrat, zeigt wie letzterer für die ihm hier winkende Aufgabe herangereift war, schildert die in Genf von C. getroffenen Organisationen und betrachtet dann sein Hinausgreifen über Genf, endlich gedenkt er des Gewinns, den der organisierte Calvinismus auch der lutherischen Kirche gebracht. „Von dem Ge- danken, „alles zu Gottes Ehre" erfüllt, gab C. durch Ordnungen und Persönlichkeiten Kitt und lebendige Bausteine zum Ausbau der evangelischen Kirche." N. kirchl. Z. XX, H. 7, S. 501—524.

Die in ZThK 19, 5 S. 329—346 abgedruckte Rede K. Beths bei der Calvinfeier der ev. theol. Fakultüt zu Wien behandelt Johann Calvin als reformatorischen Systematiker, unter Betonung des Umstandes, da8 Calvin, obschon Dogmatiker von streng logischer Konsequenz, dennoch bereit war, über die dogmatischen Differenzen hinweg nach der allgemein-protestantischen Vereinigung auszuschauen.

Fr. Loofs veröffentlicht seine bei der Hallenser Universitäts- feier gehaltene Gedüchtnisrede auf Calvin in ThStK. 1910, 1, S. 110 bis 187. Loofs legt den Ton auf Calvins Beziehungen zu Deutsch- land, sein Eingreifen in die deutschen Verhältnisse, sein Verhältnis zu Luther und namentlich zu Melanchthon; ferner zeigt er, wie das Lutherthum ohne den Calvinismus nicht imstande gewesen würe, der Gegenreformation zu widerstehen; der Calvinismus aber würe nicht das in der weiten Welt geworden, was er geworden ist, ohne Calvins persönliche Energie, ohne den Impuls, der von diesem Manne aus- ging, der, wie wenige andere, ganz Wille war. Mit Recht betont L. auch, daB man sich die "konfessionellen Gegensätze zwischen Luthertum und Calvinismus nicht zu früh ausgeprügt denken darf: noch in den fünfziger Jahren des 16. Jahrh. gab es in Deutschland keine Lutheraner und Calvinisten im Konfessionssinue. Es gab nur Bekenner der Augsburgischen Konfession, zu denen sich auch Calvin rechnete, |

Calvins liturgische Bedeutung erörtert E. Stricker in Monatsschr. f. G. u. K. 14, 7 S. 218—227; ebendaselbst befindet sich S. 212 ein noch nicht publiziertes (spüteres) Bild Calvins nach, einem

im Privatbesitz befindlichen Ölgemälde; ferner gibt S. 218 f. Smend

eine Übersetzung von ,Calvins Gedanken über das heilige Lied“ nach O's Vorwort zu den Psalmen Marots und zu der Forme des priéres (1543).

Calvins Lehre von der Buße in ihrer späteren Gestalt erörtert H. Strathmann in ThStKr. 1909, S. 402—447; es handelt sich um

-a e.

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einen Teil einer später zu veröffentlichenden Studie über „Calvins Lehre von der Buße, ihre Entstehung und Entwicklung“.

Die von Genf aus erfolgte Denunziation des in Vienne lebenden Michael Servet bei Lyoner Katholiken, die dann die dortige kirch- liche Behörde auf ihn aufmerksam machten, nach dem Erscheinen seiner ,Christianismi restitutio^ (1553), und die Rolle, die Calvin bei diesem Handel gespielt, untersucht N. Weiß im Bull. Soc. Hist. Prot. Franc. 57, 5 S. 887—404; er zeigt, daß die Annahme, Calvin habe die Denunziation geradeswegs veranlaßt, um Servet zu verderben, mindestens nicht als erwiesen gelten kann. Dagegen wendet sich N. Paulus in einem Aufsatz mit dem geschmack- vollen Titel: Calvin als Handlanger der päpstlichen Inquisition, um in tendenziöser Verwertung der vorliegenden Tatsachen Calvins Verhalten möglichst ungünstig erscheinen zu lassen. HPBIl. 143, 5, S. 829— 345. |

Daß Calvins ,Sündenbekenntnis^ (Confession des pêchés) schon 1587 in ein katholisches Gebetbuch (Thesaurus precum) über- gegangen ist, zeigt H. Dannreuther in Bull. Soc. Hist. Prot. Fr. 58, 2, S. 158—162. |

P. de Félice macht wahrscheinlich, daß Jérôme Bolsec, der 1577 ein Pamphlet gegen Calvin und sein Werk veröffentlichte, schon 1552 mit der Niederschrift begonnen und es nach und nach ver- vollständigt habe. Bull. Soc. Hist. Prot. Fr. 58, 1, S. 66—72.

Die Revue Chrètienne, Augustheft 1909, enthält: J. Viénot, Jean Calvin l'homme (S. 611—616); W. Monod, Calvin théologien (S. 619—621); Septemberheft: J: E. Roberty, L’oeuvre de Calvin (S. 694—698); Ch. Lelièvre, La doctrine de la justification par la foi dans la théologie de Calvin (S. 699—710); Schluß im Oktoberheft (S. 767—-776).

Die Princeton theological Review (Juliheft 1909) bietet die Ar- tikel: J. de Witt, John Calvin the man (S. 369—380); B. B. War- field, Calvins Doctrine of God (S. 381—-436); H. Bavink, Calvin and Common Grace (S. 487—465); E. Doumergue, Music in the work of Calvin (S. 529—552). B. B. Warfield, C.s Doctrine of Trinity (S. 553—662). !

In der Allg. Ev. luth. KZ. 1909 behandelt J. Leipoldt Calvin (Nr. 27 S. 681—033, Nr. 28 S. 652—660), und H. Borgschüttmann den Calvinismus im Lichte lutherischer Geschichtsbetrachtung (Nr. 28—380 S. 660/63, 677/80, 702/08). Die Evang. KZ. 1909 bringt einen Ar- tikel Kropatscheks, „Zum Gedächtnis Calvins (Nr. 28 S. 541/47); ebendaselbst handelt Henschel über Renata von Ferrara, als Beitrag zur Würdigung Calvins (Nr. 37 S. 729/82).

Die Beziehungen Calvins zu Lausanne behandelt H. Vuillem mier in Rev. de theol. et phil. 41 Nr. 4. |

Calvins (und Bezas) Beziehungen zum Posener Lande schildert

kurz Th. Wotschke in Monatsbli. HG. Prov. Posen X, 7 S. 101—111. g*

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Über die Literatur zum Calvinjubiläum unterrichtet G. Ficker in Theol. Rundschau (Juli 1909) und N. Weiß in Bull. Soc. Hist. Prot. Franc. 58, 8 S. 264—278 und 4 S. 888—400; vgl. auch von demselben ebenda S. 874—388: le jubilé de Calvin: en Angleterre, aux Etats-Unis, en Allemagne, en Suisse, en France et à Genéve; ferner wird das Calvinjubiläum u. a. behandelt von Ed. Montet, Le quatrième cen- ténaire de la naissance de Calvin (Rev. de l'hist. des rel. 60 Nr. 1), und von O. Veeck in Protbl. 1909 Nr. 27 S. 032/58.

N euerscheinungen.

Allgemeines. Es war ein früchtbarer Gedanke von Fried- rich Lepp, die Schlagwortforschung auf das Reformationszeitalter ans- zudehnen, wo schon der flüchtigste Blick in die Schriften der Epoche eine Fülle originaler „Schlagworte“ zeigt, in denen sich die welt- erregenden Ereignisse widerspiegeln (F. Lepp, Schlagwörter des Reformationszeitalters Berbig, Qu. u. Darst. VIII; Leipzig, Heinsius 1908. 144 S. M. 4.50). Die Einleitung gibt die allgemeinen Gesichtspunkte an, die den Verf. geleitet haben; die Disposition unter- scheidet: 1. Schlagwörter des ganzen Zeitalters (Reformation); 2. Partei- wörter; 3. Sekten und Spaltung; 4. Schlagwörter aus dem Bereich der Bibel; 5. Verächtliche Bezeichnungen alter und neuer Theologie (Romanist, Papist, Simonist usw.); 6. Formgruppen (Bildungen mit los, mit Schänder, mit Prediger, mit Bauch nsw.). Mit umfassender Belesenheit werden unter den einzelnen Rubriken die betr. Schlag- wörter chronologisch nachgewiesen, getrennt bei Protestanten und Katholiken. Den Schluß macht ein alphabetisches Verzeichnis der be- sprochenen Schlagwörter. Natürlich haftet der Auswahl letzterer stets ein subjektives Moment an; absolute Vollständigkeit ist auch un- möglich wenigstens im ersten Anlauf zu erreichen; gegen die Disposition ließen sich auch wohl Einwände erheben; gleichwohl ist in dem Schriftchen ein gut Teil brauchbarer Arbeit zum besseren Ver- ständnis des Reformationszeitalters geleistet.

A. Goetze, Volkskundliches bei Luther, ein Vortrag (Weimar, Böhlau Nf. 1909. 35 S. M. 1.—), gibt, als eine Nebenfrucht siebenjähriger Mitarbeit an der W. A., einige Winke über das, was bei der Durcharbeitung der Schriften Luthers für Volkskunde zu ent- nehmen ist: wie daraus Licht gewinnen das alte volksmäßige Schau- spiel, das Märchen, das Sprichwort; was sich an lebendigem Aber- glauben des Volks bei Luther findet, was dessen volkstümliche Zoologie, sein weitherziges Verständnis für Sitte und Brauch des Volks (Hochzeitssitten, Familienleben, Vorstellungen der Kinder, Handwerks- sitten, Volksfeste usw.) ergibt u. dgl. m.

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Als drittes Heft seines Schriftenzyklus „Das Erbe der Reformation im Kampfe der Gegenwart" behandelt W. Walther die christ- liche Sittliehkeit nach Luther (Leipzig, Deichert 1909 VIII, 187 S. M. 2.80). Das Vorwort wird von einer wenig erquicklichen Polemik gegen D. Gottschick eingenommen. Das Ergebnis der Unter- suchung ist, daß man bei Luther Glaube und Sittlichkeit nicht trennen dürfe; auch wo er sagt, daß es nur auf den Glauben ankommt, sei das nicht zu verstehen, als ob das Sittliche bei Luther selbst immer eine Nebenerscheinung des christlichen Lebens bleibe; bei Luther gehe vielmehr die wahre Sittlichkeit ganz von selbst aus dem Glauben hervor. Weil aber Luther als der einzige die Scheidung von Glauben und Sittlichkeit nicht kenne, so sei er der einzige, bei dem das ganze Christentum zu einer wirklichen Einheit geworden sei. „Christ sein heißt nach Luther Gott haben. Das ist die Einheit, deren beide Seiten wir als Religion und Moral, als Glaube und Sittlichkeit be- zeichnen."

Quellem. Das 4. Heft des III. Bandes der ,Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation“ bringt, von G. Bossert herausgegeben, die bedeutsame Schrift von Johannes Brenz: „Von Milderung der Fürsten gegen die aufrührischen Bauern.“ Sie ist höchstwahrscheinlich Anfang Juni 1525 verfaßt und zuerst von Simpert Ruff in Augsburg gedruckt worden. In Druck gegeben und bevorwortet ist sie von Bartholomäus Westheimer aus Pforzheim, der 1525—1527 Pfarrer in Rastatt und vielleicht ein Heidelberger Studiengenosse von Brenz war. Besonders interessant ist, was Brenz über Luthers Schrift: ,Wider die rüuberischen und mörderischen Bauern“ schreibt: sie sei aus einer anderen Situation heraus entstanden, vor der Entscheidung, als die Obrigkeit das Schwert noch nicht. wieder fest in die Hand genommen hatte und die Untertanen noch im Mutwillen und Ungehorsam staken. „Er wurd freylich [— sicherlich] anderst schreyben, so sich die vnderthon haben ergebenn vnnd die oberkayt ir schwerdt widerumb in der hand tregt." (S. 178. Zu „Luthers Haltung im Bauernkrieg“ vgl. neuestens Barge, Frühprotestantisches Gemeindechristentum in Wittenberg und Orlamünde, Leipzig 1909, S. 332 ff.) Das 5. Heft enthält den echt volkstümlichen Dialogus zwischen Petro und einem Bauern aus dem Jahre 1528. von Balthasar Stanberger, der zu den ersten Evangelischen in Weimar gehürte und im Schlosse daselbst irgendwie beschäftigt war. In der Einleitung werden aus einer anderen, ähnlichen Flugschrift Stanbergers, dem vielleicht noch ins Jahr 1522 gehörenden Dialogus zwischen einem Prior, Laienbruder und Bettler, reichlich Proben mitgeteilt. Der Drucker beider Flug- schriften ist Michael Buchführer in Erfurt, der auch noch eine an ihn gerichtete Epistel Stanbergers ,von der Lieb Gottes und des Nächsten“ vom 26. Januar 1523 gedruckt hat. -— Im 6. Hefte bietet A. Götze eie kritische Ausgabe des „Kegelspiels* (Weller 2113). Einen getreuen Textabdruck (mit ungenügendem

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Kommentar) hatte 1904 E. Voß in der amerikanischen Modern Philology II 17—28 gegeben. Das Gedicht ist 1522 von Melchior Ramminger in Augsburg gedruckt worden, verfaßt aber ist es von einem Schweizer (in Konstanz oder Lindau) für Schweizer. Der Augsburger Druck hat dem alemannischen Manuskript dadurch zu weiter Verbreitung zu verhelfen gesucht, daß er es dem Ideal einer mittel- deutschen Schriftsprache näher brachte (S. 234). Götze hat nun das Gedicht in seiner ursprünglichen Gestalt wiederhergestellt; nur ein eng ersten Ranges wie er war dazu imstande. O. Clemen.

Das 9. Heft von Berbigs Qu. u. Darst. enthült: Johann Bugen- hagens Katechismuspredigten gehalten 1525 und 1532, aus den Hss. (Rórers und eines Unbekannten) zum erstenmal hrsg. von D. G. Buchwald, eingeleitet von O. Albrecht (Leipzig, Heinsius 1909. VI, 94 S. M. 3.—). Aus dem J. 1525 sind es 15 Predigten; sie sind die ältesten Katechismuspredigten B.’s vor seiner Wittenberger Gemeinde, die sich erhalten haben. Inhaltlich zeigen sie durchweg Anklänge an die gleichartigen Predigten Luthers von 1523, die Bugen- hagen augenscheinlich als Hörer aber in freier Weise sich an- geeignet hat; außerdem greift er auf die einschlägigen Druckschriften L.’s zurück. Selbständig ist aber B. in der neuen Abgrenzung des Katechismusstoffes wie in Einzelheiten der Ausführung. Seine Predigten beleuchten unter reichlicher zeitgeschichtlicher Polemik in lebhafter geist- reicher Art die die Hörer bewegenden religiös-sittlichen Fragen. Die Nachschrift von 1532 faßt eine Anzahl nicht mehr einzeln erkenn- barer Predigten als „Catechismus a domino Jo. Pomerano praedicatus“ zu einem Ganzen zusammen.

Darstellungen. Der 2. Band von G. Einikes „Zwanzig Jahre Schwarzburgischer Reformationsgeschichte 1521 bis 1511" (im Selbstverlag des Vf., 221 S. M. 6.—), der d. Jahre 1581 bis 1541 behandelt, ist mit gleichem Fleiß und gleicher Treue wie der erste (s. ds. Ztschr. 2 S. 407) ganz aus den Akten gearbeitet, der sprüde Stoff wird aber jetzt vom Verf. besser disponiert und geschickter bewültigt. Der Bd. behandelt die Regierungszeiten erst des evan- gelischen Grafen Heinrich XXXII., der bereits zur Säkularisation der Stiftsgüter schreitet und 1533 die erste Kirchen- und Schulvisitation veranstaltet, dann des katholischen Günther XL., der aber der Ent- wicklung zur Reformation sich nicht mehr entgegenzustemmen ver- mag und schließlich selbst von ihr fortgerissen wird. Die Darstellung

greift auch auf die Reichsgeschichte hinüber (Arnstüdter Protestanten- . tag 1539); andererseits schildert das letzte Kapitel die inneren Ver- hältnisse der Grafschaft unter dem Einfluß der neuen Ordnungen. Beigegeben sind die Visitationsprotokolle von 1538 und 1539 und ein fleißig gearbeitetes Namen- und Sachregister.

Die formvollendete, gedankenreiche Rede über Johannes Calvin, die K. Holl bei der Calvinfeier der Berliner Universität ge- halten (erweiterte u. mit Anm. verseh. Ausgabe, Tüb. Mohr 1909;

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IV, 59 S. M. —.80) geht davon aus, daß calvinische Gedanken auch bei uns wirksam sind; sie schildert Calvins „Bekehrung“ (dazu längere krit. Anm.), seinen Übergang zur Theologie, sein theologisches System, sein Organisationswerk in Genf, das über alle Widerstände trium- phierte und sich.— der unwiderleglichste Beweis für seine Trefflichkeit nach C.s Tode anderthalb Jahrhunderte hindurch unversehrt behauptete; weiter wird der Calvinismus in seiner Bedeutung für die Gesamt- geschichte der Reformation, die er vor dem Versanden rettete, die in ihm zutage tretende Werbekraft eines folgerichtig ausgestalteten Dogmas und die erzieherische Macht einer selbständig organisierten Kirche gewürdigt. Endlich behandelt Holl das Verhältnis von Kirche und Staat bei Calvin (wobei er mit Recht hervorhebt, daß in dem -calvinischen Genf von Theokratie, einseitiger Vorherrschung der Kirche nicht eigentlich die Rede sein könne, so wenig wie C. auch sonst den staatlichen „Einfluß ausschließen will), den städtisch-bürgerlichen Charakter des Calvinismus und dessen Verdienste um Schule und Wissenschaft.

„Johann Calvins religiöse Entwicklung und sittliche Grundrichtung" behandelt Friedr. Seiffert in der Festrede der Bonner Universität (Leipzig, Haupt 1909. 44 S. M. —.80). Unter religiöser Entwicklung meint S. die sog. „Bekehrung“ Calvins; er sucht durch die Annahme, daß diese zuvörderst nur in der Herstellung einer Gelehrigkeit, d. h. einer Möglichkeit, sich bekehren zu lassen, bestanden habe, in dem allerersten schwachen Anfang einer fort- schreitenden Entwicklung, einer stufenweise unter verschiedenen Ein- flüssen (Erasmus, Lefévre, Olivetan, der evangelisch Gesinnten von Orl&ans usw.) erfolgten Hineinwachsens in die reformatorische Er- kenntnis zu erklären, wie es geschehen konnte, daß bei einem so entschlossenen Charakter wie C. zwischen der ersten ,Bekehrung" und der entschiedenen Zuwendung zur Reformation Jahre vergehen konnten. Das letzte Wort hierüber ist wohl auch von S. nicht gesprochen. Weiter betrachtet letzterer C. im Verhältnis zur Kultur und hebt, ohne zu verkennen, daß C. auch hier ein Kind seiner Zeit war, seine Zugänglichkeit für die Schönheiten, Reize und Ergötzlich- keiten der Natur, seine Gestattung fröhlichen Lebensgenusses selbst mit Entfaltung eines gewissen Grades von Luxus, seine Wertschätzung des Berufs, wie der weltlichen Wissenschaften, sein Verständnis für Handel und Wandel, die selbständige Bedeutung, die er dem Staate beimißt, hervor; endlich weist er auf die stark entwickelte soziale Seite im Calvinismus sowie auf die aus diesem hervorgegangene Toleranz hin.

Ebenfalls eine Gabe zum Calvinjubiläum ist das gehaltvolle Buch von G. Loesche, Luther, Melanchthon und Calvin in Öster- reich-Ungarn. (Tüb. Mohr 1909. XVI, 371 S. M. 13.—.) Hier schildert der Verf. auf Grund seiner eingehenden Kenntnis der Geschichte des österreichischen Protestantismus die persönlichen Beziehungen der Genannten (mit einem Seitenblick auch auf Zwingli) zu Österreich-

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Ungarn, um weiterhin ihren Fußspuren bis zur Gegenwart nach- zugehen und endlich die Frage aufzuwerfen, was jene noch der Gegenwart sein können und sollen. Beachtenswert ist auch der An- hang: eine Zusammenstellung tschechischer, polnischer, slowenischer und madjarischer Übersetzungen von Schriften Luthers, Melanchthons, Zwinglis und Calvins.

Auf Grund einer Bulle Sixtus V. von 1585 hatten die deutschen Bischöfe, wie alle übrigen, regelmäßig über die kirchlichen Zustände ihrer Diözesen an die Konzilskongregation in Rom zu berichten. Diese Relationen, die noch heute großenteils im Archiv der genannten Kon- gregation vorliegen, werden in dem Werke von J. Schmidlin, Die kirchlichen Zustände in Deutschland vor dem Dreißigjährigen Kriege nach den bischöflichen Diözesan- berichten an den h. Stuhl 1. Österreich (= Pastor, Erll. und Ergg. VII, 1.2. Herder, Freiburg 1909. XLVI, 187 S. M. 6.—) zum ersten Mal in umfassenderer Weise für die Forschung nutzbar gemacht, in- dem Schm. auf dieser Grundlage zusammenhängende Übersichten über die kirchlichen Zustände in den österreichischen Diözesen in der Epoche von c. 1590—1620 gibt. Es erhellt daraus, daß die Rela- tionen über die speziellen wie allgemeinen kirchlichen Verhältnisse der betreffenden Diözesen reiche Auskunft geben; daß sie nicht objektiv sind, sondern den einseitigst katholischen Standpunkt vertreten, liegt -in der Natur der Sache; auch würde man öfter doch lieber den Ur- text kennen lernen, als das Referat Schmidlins.

Ein ungedruckter Brief des Justus Jonas aus dem Jahre 1537.

Von Paul Vetter.

Im dritten Teile meiner Lutherana!) habe ich auf die eigentümliche Rolle aufmerksam gemacht, die Jonas im Jahre 1537 gegenüber dem Freiberger Superintendenten Jakob Schenck, einem der begabtesten unter den jüngern Schülern Luthers, spielte. Jonas’ Verhalten gegen Schenck entspricht ganz und gar dem gegenüber Cordatus, als er im Jahre 1536 mit seiner Anklage gegen Melanchthon und Crueiger hervortrat?), und es ist wahrlich nicht sein Verdienst, daß Cordatus damals der Reformation nicht verloren ging. Auf das eigentümliche Verfahren gegen Witzel hat erst Jüngst Kawerau in seinem ausgezeichneten Artikel in der Realenzyklopädie?) wieder hingewiesen. Auch hier ist es Jonas, der einen verhängnisvollen Anteil an der Herbei- führung der Entfremdung zwischen Witzel und Wittenberg gehabt hat. Es läßt sich nicht leugnen, daß von den älteren Freunden und Mitarbeitern Luthers insbesondere er dessen Vertrauen mißbraucht hat, um die einflußreiche Sonderstellung in der neuen Kirche zu monopolisieren und aufstrebende, jüngere Kräfte zurückzudrängen. In besonderem Maße ist dies bei Jakob Schenck *) geschehen, der 1536 nach Freiberg als Hofprediger an Herzog Heinrichs Hof gesandt worden war und sich bald durch sein Verhalten im Streite Luthers?)

!) Neues Archiv f. Süchs. Geschichte XXX S. 76 ff. *) Köstlin-Kawerau: M. Luther II 446 f. *) Theologische Realenzyklopüdie XXI S. 401 ff, vgl. auch IX S. 8406 u. Zeitschrift f. Kirchengeschichte XIII 287 ff, 4) Die Literatur über ihn: N. Archiv f. Sáchs. Gesch. XXX S. 76f. 5) N. Archiv f. Sächs. Gesch. XXIX S. 89 ff. Archiv für Reformationsgeschichte VIT 2. 9

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mit dem Herzoge sowie durch seine allzugroße Selbstündig- keit bei den Wittenbergern miBliebig gemacht hatte. Als er Anfang 1537 sieh dann an seinen Lehrer Jonas wandte, um gegenüber der wenig glücklichen Fassung der Visitations- artikel von 1528 an ihm einen Rückhalt zu haben, da hatte Jonas sich aalglatt der durchaus berechtigten Forderung zu entziehen gewußt und einen Streit heraufbeschworen, in den schließlich auch Melanchthon verwickelt wurde. Im Verlaufe dieses Federkrieges hat Jonas, immer mit Luthers Autorität sich deckend, in wenig schöner Weise seine Stellung als Vizerektor der Universität benutzt, um Schencks Bruder Michael seine Predigtübungen in Wittenberg zu verbieten. Wie- weit sein Anteil an der Entfernung Kargs aus seiner Stellung als Schloßprediger!) geht, ist nicht nachweisbar. Durch einen Machtspruch des Kurfürsten wurde schließlich der Streit beendet und 1538 nach der Ernennung Schencks zum Hofprediger Johann Friedrichs ein wenigstens äußerlich leidliches Verhältnis zu den Wittenbergern wiederhergestellt. Im geheimen freilich wucherte der mühsam unterdrückte Groll weiter, und Luthers Tischreden?) geben uns ein an- schauliches Bild von der Art und Weise, wie gegen Schenck gehetzt wurde. Von besonderem Interesse ist das von Loesche?) mitgeteilte Tischgespräch, das Ende 1539 oder Anfang 1540 anzusetzen ist; denn Schenck ist noch unverheiratet und bewirbt sich um Bugenhagens Tochter. Die ersten beiden Sätze enthalten ein Urteil des Jonas über Schencks Predigten, die hauptsächlich deshalb getadelt werden, weil er sich nicht darauf beschränkt, den Inhalt der loci Melanchthons oder einer Predigt Luthers wiederzugeben, sondern eigne Gedanken in seinen Kanzelreden entwickelt. Nach Luthers erklärenden Worten: „Herr Doktor, es ist ein alter Groll“ spricht Jonas schadenfroh die Hoffnung aus, Bugenhagen werde Schenck die Hand der Tochter verweigern. Aus der Antwort Luthers erkennen wir, daß die Verhetzungen zwar nicht ganz ohne Erfulg gewesen sind, daß sein gerader Sinn sich aber doch auch dem vielangefeindeten Manne gegenüber ein selbständiges = 1) N, Archiv f. S. Gesch. XXX S. 93 u. 101.

..' .?) Förstemann: Dr. Martin Luthers Tischreden III S. 872 u. a. 3) Loesche: Analecta Lutherana et Melanchthoniana. S. 56.

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Urteil vorbehált. Die Vermutung Loesches, daß die Lesart von B 168 in de magistro Georgio umzuändern sei, ist schwerlich richtig. Der Prozeß Kargs!), den Schenck durch seine Anzeige herbeigeführt hatte, war längst beendet, und Karg hatte sich gerade dank seiner Gegnerschaft einer überaus milden, entgegenkommenden Behandlung seitens der Wittenberger erfreuen dürfen. Er befand sich damals, mit Luther versöhnt, in Öttingen in angenehmer Stellung. Eine Veranlassung für Schenck, die längst abgetane, heikle Sache wieder hervorzuholen, ist nicht einzusehen. Die Notiz der Handschrift bedarf einer Verbesserung auch gar nicht. Am 17. April 1539 war Herzog Georg von Sachsen gestorben. Es ist recht wohl denkbar, daß Schenck seiner als eines Verfolgers des Evangeliums oder sonstwie in einer seiner Predigten gedachte’).

Von noch größerer Bedeutung als die vereinzelten Spuren seines Hasses, die uns in den Tischreden entgegen- treten, ist die Rechtfertigungsschrift, die Jonas am 18. Ok- tober 1537 an den Kurfürsten richtete. Von glühendem Hasse gegen den einstigen Schüler erfüllt, wird sie zu einer Anklage Schencks, dem freilich nur Undank und Hochmut vorgeworfen werden können. Sie enthält nicht die Ver- - teidigung eines in seinen Rechten schwer gekränkten Mannes, sie ist das Schriftstück eines geschickten Advokaten, der durch allerlei rhetorische Künste eine schlechte Sache zu verbrämen sucht.

1) Seidemann: Schenk S. 28f. Wilke: Karg S. 17 ff.

2) Kroker: „Luthers Tischreden“ zerlegt S. 84 ff. seiner Hand- schrift folgend die Stelle bei Loesche in zwei Teile und bringt sie in umgekehrter. Reihenfolge als selbständige Tischreden. Hier haben Math. N und B 168 sicher das Richtige. Der erste Teil der Mathe- siusschen Tischreden bei Kroker enthält übrigens nicht-nur solche aus dem Jahre 1540, sondern auch aus früherer Zeit (so z. B. 29, 32, 71 u.a). Auch er bringt also nicht nur Selbstgehórtes, sondern es sind die Berichte anderer bereits in ihm mitverarbeitet.

9*

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Jonas an den Kurfürsten.

Original. Die Unterschrift von Jonas’ eigner Hand. Weimarer Archiv.

Jhesus.

Durehlauehtigster, hochgeborner churfurst. E. Ch. G. seind mein vntherthenige, gehorsame dienste zuuoran alzeit bereit. Gnedigster churfurst vnd her. Es het E. Ch. G. rath vnd eantzler, doctor Bruck, neulieh d. doctori Martino, d. Philippo, d. Caspar Creutziger vnd mir eine schriefft?) zugestellet, in welcher doctor Jacob Schencke kegen E. Ch. G. sich entsehuldigen wil, warumb er bysanher vf so genedigs begeren vnd schreiben, so E. Ch. G. aus sondern christ- lichen bedencken gethan, anher gegen Wittembergk zu kommen, aus seinem eygen bedencken vnderlassen. So dan gemelter doctor, welcher sich aus grosser demuth vnsern discipel nennet, in gemelten seinen schrifften mit mir auch ye etwas zu thuen haben will (wy ehr dan d. doctoris Martini selb nit verschonet vnd klaget vber inen in eynem wichtigen artickel, nemlich ehr habe seine, d. Jacobs aus Freiberg zugeschickte briffe ander leuthe lesen lassen), bit ich vntherthenigklich, domit doetor Jacobus im ersten jhar seines doctorats vf sein schriefft nit ane antwort bleibe, mein vntherthenigen berieht gnedigklich zuuornemen.

Erstlich weys ich, gnedigster churfurst vnd her, nit, wie doctor Jacob Schenck seinem predigampt vnd grosser, schweren vocation, nemlieh da ehr beruffen ist, wider den grewel des babstumbs das heilig euangelion in Meyssen vnther etlichen vielen boesen geystern vnd mensehen (so hoch wider vnser lere vorbittert sind) zu predigen, gedeneket ein anfang zu machen, ob das der richtige nehste wegk sol darzu sein, das ehr erst vns prediger vnd lectores zu Wittembergk, sonderlich d. philippum, der ime vil woltat ertzeiget hat, vor feynde achte vnd halte vnd aus freunden zu widersachen mit furgefasten, gesuchten mutwillen mache, oder das ehr alhieher allein seinen bekanten freunden, forderern vnd praeceptoren trotzige stoltze brieffe ane noth schreibe. Des bin ich aber gewis, wan man in so hohen, wichtigen, got- liehen sachen sol etwas grosses ausrichten, das es wol vf andere weyse mit allen propheten vnd aposteln zugangen, vnd das gottes geyst vnd christliche demut auch darzu ge- horet. Vud Paulus sagt selbs, ehr achte der prediger nit

t) Der Brief ist verloren gegangen. Vgl. N. Archiv f. S. Gesch. XXX S. 95.

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sehr, so furchtet sich Satan auch nit seer vor jenen, die erstes anfangs vf sich selbs so vil setzen, so prechtig hohe rede furen; dan I. Corinth. 4 sagt er: Ich wil kurtzlich zu euch kommen vnd erlernnen, nicht die wort der aufgeblasenen, sondern die krafft; dan gottes reich stehet nit in wortten, sonder in krafft. Do meynt S. Paulus also, das werck solle den meyster loben, vnd wil der apostel, mit wortten sey es nit ausgericht, sondern wan gottes wort krefftig gehrt, wan geyst vnd gnad reichlich da ist, das viel hertzen von irtumb vnd stricken Satane erlediget werden, wan vielen hertzen vnd gewissen rechtschaffnen, bestendigen trost empfahen, wan ein feyn wacker glaube, freidickeyt vnd stercke des heyligen geists, recht gottesfurcht, recht christliche demuth vnd sannífmut gegen jederman, rechte sorge vnd vleys, rotten vnd die hohen ergernis zu meyden, in predigern selbs ist, das sind zeichen eins treuen und rechtschaffen predigers. Was doctor Jacob mit seinem vnnótigen stoltz vnd trotz gegen vns vnd viel leuthen vor nutz geschafft, wirt entlich offenbar werden.

Es hat doctor Jacobus vor vier jharen vngeuerlich von mir durch den jungfrauschulmeyster alhie lassen bitten ein modum studendi et discendi in theologia, denen ich ime clar aufgezeichnet vnd treuer, christlicher mainung mit- getailet. Dofur hat ehr mir offte gar freuntliche vleissige dancksagung gethaen, mit so grosser demuth sich erbotten vnd so hoch vf sich genhomen, der vnd ander vntherrichtung nymmer ewicklich zuuorgessen, das ich nit gemaint, das ehr in so kurtzer zeit die sprache gegen vns itzo in Meyssen vorandern solt, vnd mag, gnedigster her, mit warhait sagen, das doctor Jacobus wird machen, das ich alle vordechtig werd haben, welche so vf barfussermunche weyse mit vb- rigen, erbitlichen, demutigen wortten sich hören lassen. Were nu dieselbige sein demuth rechtschaffen gewesen, vnd wu ime vber das, das alle junge doctor (auch in weltsachen) ehr khune vnd trotzig sein dan ander, nit ein naturlich vbermuth anhinge, so het er es kunnen vbers hertze bringen vnd die Wittemberger (in ansehung, das dannoch ein junger doetor in solehen sachen raths wol bedarf) ime in ange- fangenem wercke helffen lassen. Aber der Titus bedarf keins Pauli, oder villeieht ist er ime selb in seinem synne ein Paulus vnd darf keyns Titi ader Timothei. Ich mainte, doctor Jacob, nachdem ehr erst vor wenig jaren angefangen in theologia zu studieren vnd ieh seinen ersten anfang, mittel vnd ende wais, auch alle seiner kunst gewichte byß vf quintlein erkehent, solt noch zur zeit gerne das organum sein vnd die drometh (wie S. Hieronymus schreibt, das Titus Pauli organum gewesen) doetoris Martini vnd der Wittem-

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berger leer.. So hat ehr sich in so kurtzer zeit so eben mit dem doctorpirret im spygel besehen vnd findet sich im ersten jar so reich von gaben, gelert, erfaren vnd gantz ge- schickt, das ehr drauen widder pfeiff noch harff zu sein gedenckt, sondern ehr wil der musicus, cytharedus, drometer wider Wittembergische gelerten vnd alles gar selb sein. Wan ehr nu, gnedigster herre, derselbig man gewis were, den er sich so zeitlich dencken lesset, so hetten gotfurchtige hertzen des weniger zu seufzen, vnd were die kyrche zu Meyssen (daran vns viel gelegen) dest besser bestellet, aber wieweyt es ime mangele, wirt in die zeit vnd erfarung, der gemaine, starcke schulmeyster, leren, wan er nu von most des neuen doetorats nuchtern wird.

Dieses lang geschwetz wollen mir E. Ch. G. zu gut halten. Den es ist ye gewis war (wie auch diejenigen be- kennen, so ime anhangen), das doctor Jacob ane alle not sich zu vns genotigt vnd vns mit trotz begegnet, vnd habe sorge, ime sei bange gewest, wie.er sunst, ein solcher doctor. ein nhamen vnd gerucht erliffi wan er sich mit fluchs wider die von Wittembergk setzte. Were doctor Jacob warhafftig im hertzen so freuntlich vnd demutig gewesen, als er sich erstlich vnd sonderlich gegen mir stellet vnd munchisch ge- perdet, vnd wer berait, etwas arbeit, muhe oder fahr (wie er so auffgeblasen prechtig rümet) vf sich zu nehemen, vnd het sich der muhe nit lassen verdryssen, were, ehe vnd zuuor ehr mit den brieffen vnd kartten vmb den grossen doctornhamen vnd Teuerdanck mit vns Wittembergischen spylet, ja wer ehr bei tag vnd nacht gegen Wittemberg ge- raisset, hette freuntlich, bruderlich rath gesucht, oder hette vns zu im gefoddert, zu underreden von artickeln, vom sacrament oder andern, wolte wir ime mit allem vleis, freuntlich bruderlich geratten haben; (wu es von noten ge- wesen) wolte wir ime gerne der kyrchen zu Freibergk vnd Meyssen zu gut. mit schreiben, vnterrichten, predigen, leren treulich geholffen haben. Nun hat ehr vber alle vrsache, vber alles, das er vnsere gutwillig, bruderlich treue gemuth vnd hertz gegen ime wol alhie erkhant, vber alle vnser freuntlich erbiten, auch vber alle bitten vnd vermanen aus seinem heupt (dorynne villeicht viel vngelescht hyrn ist) diesem hohen wercke des ortts diesen anfang gemacht, welcher eyns auffgeblasen neulings furnhemen gleich siehet, herschet vnd waltet seins gefallens diesen tag vnd hort nit auf, ane rath, ane gottesfurcht vnd demuth aus seinem aigen heupt prediger zu setzen vnd abzusetzen, vnd ist nun in den gedancken geratten, des babstumbs feuer sei dort durch inen, einen solehen man, vber die helfft geleschet, aber zu Wittembergk gebuere ime, als eynem neuen doctor, (obwol

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doctor Martinus auch ein wacker statwechter ist) zu wachen vnd zu weheren. Mit demselbigen aber seinem vnbedechtigen furnhemen, welehs auch vielen verstendigen zu Freiberg vbel gefellt, die itzt schweygen, gibt ehr vrsach an alle not zu vielen reden, beschwerung vnd ergernis, das seine zuhorer das hertz von im abwenden, die widersacher eyn freude vnd. wolgefallen haben. Ob das nun doctor Jacob den grossen schaden, welchen ehr dadurch verursacht, alles vor gott vorantwortten wyrdet, konnen E. Chur. G.: aus hohem christlichen verstand abnehmen vnd hat bei allen gotfurchtigen billichs bedencken.

Es kan, gnedigster churfurst vnd her, doctor Jacobus mit warheit vnd grunt nit sagen, das wir ime nit freuntlich vnd bruderlich erstlich im anfang vf sein schrieffte geantwort hetten; dan wiewol wir in E. Ch. G. vniversitet (da ein groß zal der studenten sind) vnd der kyrehen Wittembergk dermassen hie offt verhindert, das wir (ob doctor Jacobo nit allzeit nach der lenge antwort begegent) billieh solten entschuldiget sein, so hab ich im doch erstlich gantz bruder- lich, vortraulich vnd freuntlich widergeschrieben vnd gebeten, nit vngefallens zu tragen; ich achtet, alhie zu Wittembergk weren wol die artickel an besten zu conferiren, vnd alsdan wolt ich aigentlieh eyntrechtiglich sampt doctori Martino ime mein bedeneken zu erkennen geben; hab inen auch getrostet, wir wolten vor inen bethen, dort helffen predigen, wen er von vns begert. Vf solche freuntliche, vortrauliche sehrieffte, bitten vnd hoch erbieten hat der.liebe junge doctor (der in seinem synne Paulus ist) vns armen Titos vnd Timotheos von stund an verachtet vnd bald trotzige, hoffertige briffe geschriben, das d. Martinus vnd wir alle vns gesegnet, hoch verwundert, was ime doch gescheen were, das ebr yn eyner stunde vorgessen hette, wer hie an der elbe zu Wittembergk predigt; vnd hat mir mein tage keyn gelertter, der doch etliche namhafftig feind vnd freund zu vns geschrieben, nye so plótzlieh vnd vnuorursaeht mit hertickeit vnd trotz geschrieben. Derhalben haben wir (als auch schreiber) wie handwercksrecht vnd gewonheit ge- antwort vnd inen noch zu vberflus vermanet, er wolte ane vrsach nit solch ergernis anrichten; dan alles, was er in sehrifften fraget, kónd er am allerbequemesten in beisein doetor Martini selbs mit vns albie reden. Was aber, gne- digster her, sein gethan sehreiben an E. Ch. G. belanget, da er sich also entschuldiget, er konne derhalben auch vf E. Ch. G. gnedigs begeren gein Wittembergk nit komen, dan vor der widerkunfft m. g. h. hertzog Heynrichs von Wolckensteyn habe er nit konnen von der kyrchen Freiberg ab sein, vnd es woll auch der gemain zu Freibergk schwer

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fallen, auch ferlich sein ete, konnen E. Ch. G. aus hohem christlichen verstandt, alle gottfürchtigen, denen die religion- sachen mebr hertzlich vnd ernst ist dan doctori Jacobo, leichtlicb abnehemen, was das fur ein kalt, kyndisch ex- eusation ist Dan, gnedigster her, was solt da fur ein schad vnd fhar vffstehen, ob das lant zu Meyssen ader Freibergk ein tagk oder zween doctorem Jacobum nicht hett? Ob er sich wol aus hohem vbermuth Paulum achtet, wurden doch viel fromer, christlicher leut, denen got durch seinen gaist das hertz geoffnet, die christliche leer zu lesen vnd zu horen, darumb nit Galatae werden. Wir wolten auch mitler zeit (wan ehr so viel bruderlichs gutten hertzen kegen vns haben kont), ehr aus Wittembergk doctor Cruciger oder der pře- diger eynen hinsehicken, domit dieweil der predigtstuel ver- sorget mocht sein. Auch so ehr ein danekbar freuntliche ader gut gemut truge gegen Wittembergk, so hette ehr d. Martinum vnd vns andern ken Torgau bescheiden konen oder ken Belgern, Leißnick, Colditz, wolten wir willig gerne komen sein. Do were aber villeicht durch den heyligen gaist vnd durch christlich, vetterlich einreden d. Martini dem neuen doctori Jacobo der wegk vorzeunet vnd vorbauet worden, das des jungen, neuen doctors roßleyn noch ebrn nit hette so schnel vnd hurttig lauffen konnen.

Ich wolt aber nicht gerne sein schult tragen, domit er sich alberait mit dem groben schertz fur got beladen hat; den was sinds vor rede? M. g. h., hertzog Heynrich war vfm Wolckenstein, item Freibergk kont meiner zwen tage ane schaden nit entperen, darumb mus ich, doctor Jacob, ergernis, scandala, geschrey, rede, klage vnd gerucht an- richten, die meiner zeben, ja hundert nit stillen konnen.

Es het doctor Jacobus, gnedigster her, billich bedencken sollen, das ein solch jung man d. Martins rath alle stund wol in solcher gelegenheit bedarf, vnd das er vns danckbar zu sein schuldig ist, vnd so bitter gemuth aus eytelm amechtigen!) ehrgeitz nit fassen, als het ime die Wittem- berger nit ein doctorpirret, sondern ein gluend eyssenhut vffgesetzt. Paulus selb, der ein wenig ein hoher doctor ge- wesen vnd andern malfasier gsehanekt, dan doctor Schenck ?), setzt warlich so hohe sachen nit vf sich allain trotzlich oder stoltzlich, bittet vnd flehet Titum vnd Timotheum, das sie wollen helffen erbeyten, weren vnd wachen wider den Sa- tanam, helffen trosten, vermanen, tragen vnd leiden, bethen, gen hymmel ruffen, ane vnterlas anhalten, vnd vf die weyse gehets an pflantzung des euangelii. Homuth that nie keyn

1) schwach.

2) Eine Anspielung auf Schencks Doktorschmaus; vgl. Seidemann: Schenk S. 11 u. 98, sowie Drews: Disputationen Dr. M. Luthers S. 99.

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guth. Als er, doctor Schenck, ein man ist, vnd als starcken wein in geystlichen sachen er noeh schencket, het er sich dem exempel nach soleher demuth nit schemen dorffen, solt sich aber viel mehr gegen E. Chur. G. furnemlich, als den hochuorstendigen, christlichen churfursten, allen gelerthen vnd vorstendigen ewiglich sehemen des plotzlichen vnd vn- uorsehelichen !) vbermuths kegen Wittembergk. Wir mügen wol mit Paulo sagen: Was haben wir in doch gethaen? Alles gutts haben wir ime gethan. Nu das wol er vns vor- zeyhen, ehr hette ye (so rechte gottesfurcht in ime were) bedeneken sollen vnd ernstlich zu hertzen furen, das sein abwesen zwen oder dreyer tage von Freibergk viel ein geringer naehteyl oder schade were, dan mit solehenzuuotigen (!) vnd trotzigen schreiben ane not (so man ime freuntlieh vnderredung im anfang angebothen) in diesen verliehen - zeyten zu abschrecken vieler gotfurchtigen, beschwerung, er- gernis vnd so grossen scandalis vrsach geben. Aber das hat ehr anfengklich gesucht, das er ehre erliffe vnd des neuen doctors name bekant werde; es kan aber kain seuge- kindt oder knab kein korißer sein, mus doch erharren, das er erwechst; also mus d. Jacobus harren, das in got aufwaehsen lasse, zu seiner lenge wirt er kein fingerbreit selb setzen konnen.

Wo er nu vber alle vnser erbiten vnd e. ch. g. gnedigs begeren anherzukomen sieh beschweret, auch nit leiden mag, das wir alle im zu ehren, im ersten jar seins doctorats kegen Belgern enkegen ziehen, gedenckt die sache dahin zu erbeyten, das d. Jacob Seheneke in buchladen kome, so werden wir dermassen schreiben, das wir fur got vnd alle welt furantwortten wollen; dan ich far meyn person scheu des widersachers nit.

Das aber doctor Jacobus weitter in der schrifft an E. Ch. G. anzeigt von seiner person mit diesen wortten: „Den es sol mir, d. Jacobo, zu Wittemberg schult gegeben werden, wie ich es alles woll allein sein vnd ane ir hulff ausrichten, hab auch das babstumb ane irn rath, wissen vnd mithulff abgethan, welchs nun auch zu Freibergk statruchtig“ (diese sint d. Jacobi wort). Aus diesen wortten merckt man wol, das d. Jacob Schencke sich vor ein man achtet, wiewol er gar noch vnerwachssen zum ernste vnd rechten ritterspiel, von dem leuth zu Parys, Lóuen, Wittembergk vnd andern berumpten schulen vielen vergeblich rede treiben.

Vnd ich hab einmal von d. doct. Martino ein apologum gehort, das sechs starcke reyssige hengste haben auf ein zeit ein lastwagen im sommer in durrem sande gezogen,

1) oder vnuorstehelichen.

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ist ein. groß staub -auffgangen, das man wider furman ader pfert wol hat sehen konnen. Do ist ein nasse flige oben gesessen an den wagenbeumen vnd hat sich vordechtig ge- halten, als hab sie den staub erwecket, vnd hat daruber geschwitzt vor angst. Also mag villeicht in dem stuck der doetor sorge tragen der dinge, der niemands inen vordenckt; den er hat sich viel hoher verdechtig von schaden zu thuen, dan jemands dencket, das ehr willen habe zu thun oder zu wircken mit allen krefften vermoge.

Weitter, gnedigster her, das der doctor Jacob die sachen seins bruders Michel Schencken E. Ch. G. auch furbringet vnd in derselbigen supplieation mit vnsers hergots vnd der religion sachen allein ein blat, aber mit des bruders sachen sechs gantz bletter zubrenget vnd es vmb den bruder gar lesset zu thun sein, welchen ehr als an vaters vnd preceptors stadt ime hochlich vnd ewigk zu eheren furnimbt!), das las ich E. Ch. G. vnd allen vorstendigen zu bedencken stehen vnd wil mit d. Jacobo seins bruders halben, ader ob er eyner besoldung eynes predigers zu Freiberg oder andern ortten wirdig sey oder nicht, nit groß fechten, er mag khinder, schmiedknecht oder schichtmeyster zu predigern aufstellen, weys ers vor got zuuorantwortten. Seiner oder mein bruder mit iren solden vnd prebenden bleiben, wu sie wollen, so sollen billigh die sachen der ersten taffel decaloge, gotts wort, gotts dinst, vermeydung ergernis belangend fur- gehen.

Doetor Martinus vnd ich habe seinem bruder Michel Schencken (welcher ein schichtmeyster im Tall?) gewesen) diesen beuehel geben, das er zwei jar studieren solte, dar- nach sieh examiniren lassen; sei er alsdan zu predigen geschickt, solle er zum predigambt gefordet vnd gebraucht werden. Vnd was ich vor mein person als vicerector oder sunst mit Michel Schencken schichtmeyster geredt oder ge- handelt oder mit wissen d. Martini reden lassen, bin ich erbütig, mundtlich, wan ich erfordert werde, vntertheniglichen, claren bericht zu thuen, wie dan d. doctor Martinus E. Ch. G. allbereit zum tail gethan °).

Das aber doctor Jacob im selbigen ausgebreyteten schreiben vom bruder (das auch ime seer anligt) vnter an- dern diese wort braucht: ,Der her probst hat mein bruder etwa lassen zu sieh foddern vnd in einem schwinden, grimmigen, vnheymlichen zorn bedrauet, er wolle mich darzu halten, das ich weitter an inen vnd an Philippum nit schreibe,

1!) Vel. hierzu Burkhardt: Luthers Briefwechsel S. 284. ?) Joachimstal vgl. N. Archiv für S. Gesch. XXX S. 90 f. 3) In Lochau Anfang Oktober. N. Archiv f. S. Gesch. XXX S. 99.

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sunst wurde es vns beyden vbel gehen.“ item als sol ich gesagt haben, ich konne. der sachen ane zorn nit gedencken, item das ich mir hab sollen gefallen lassen, das Michel Schencke im dorf Brate +) gepredigt, so er zuuor von niemands examinirt, dieses alles hat d. Jacob E. Ch. G. so neydisch vnd mit so gantz vnguttigen wortten furgetragen, das ich mich verwunder, das er in brieffen an vns so offte sein todt vmb Christi vnd des euangelii anbeutet vnd vmb seiner aigennutzigen haus- oder küchensachen willen mit so ge- schwinden zorn, neidt vnd haß sich mercken lesset.

Es ist d. Jacobo an der religionsachen viel gelegen vnd ist im doch am schichtmeyster, dem bruder, auch etwas gelegen; das er aber vormeldet, sein bruder hab im dorf Brata drei predigten nach eynander gethan vnd domit seinem, Jacobi, exempel gefolget, der die erste wochen seines an- hebens funf predigten gethan, domit er das erste schrecken vberwunde, hat sein bruder heymlich ane d. Martini oder der visitator beuehel ime vorgenhommen zu predigen, darumb ists im auch vnthersaget. So ists auch nit wunder, das d. Jacob viel predigten kurtz vffeynander thuen kan; dan er hat sieh zu Freibergk vernhemmen lassen, wan er das buch ansehe, so hab er ein predig gefasset. Warlieh der rumb ist nieht niederick, wo er anders nit zu hoch ist. Ferner das d. Jacob aus dem milden, guttigen gemut, so er gegen seinem forderer vnd preceptorn tregt, angezeigt, ieh sol geredt haben, es sei den von Wittembergk ein sehandt, das sie ein schichtmeyster leren solle, sind mir abermal mein wort warlich vnfreuntlicher weyse vmbgekhert. Ich halt aber dannoch, E. Ch. G. werden doctor Martinum lieber hie vor eyn prediger wyssen, dan ein fischer oder schichtmeister, es weren dan fiseher wie S. Peter.

Das doctor Jacob auch claget, sein bruder sei wider im latein noch christlicher lere gefragt worden, ist ehr die zeit zu kainem examen bescheiden, «nd bin erbutig vrsach anzuzeigen, warumb man demselbigen schichtmeyster oban- gezeigten beschait (predigens sich zu enthalten) geben hat. Ob aber d. Jacobus seinen bruder aus geneigtem willen ge- lerter grumet?) mit vielen prechtigen wortten dan sieh selbs in gotliehen sachen, lassen wir ein seinem werd; wan wir nit offentlich mirakel sehen vnd feurige zungen, wie am pfingstag, so bleiben wir bei der heiligen schrifft vnd lere doctor Martini vnd halten in E. Ch. G. schule strack schul- recht, lassen keynen fischer noch schichtmeyster zum predig- ambt, wir horen erst, ob er etwas vom latein, grammatiken

1) Pratau bei Wittenberg. 2) gerühmet.

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vnd biblien kan, vnd thut darzu nichts, ob Cicero durch die kunst nit in hochsten himmel erhoben ist. Dan wan auch kunste vnd latein solte gantz vmb der schichtmeister vnd fischer willen veracht werden, so wurde es regimenten, guten, nutzlichen gesetzen, legibus vnd iuribus vnd kyrchen- sachen nit geringen schaden thuen, vnd ein junger doctor, der noeh nagelneu ist, solt billich dem hantwerck vnd allen ehrlichen kunsten zu eheren anders von sachen schreiben, sunderlich E. Ch. G., welche itzunt in deutzscher, welscher nation, vielen landen vnd kunigreichen berumbt sind, das sie eruditionem veram zu pflantzen vnd byß vf die nach- kommen zu forderung der religion vnd waren gottesdienst zu erhalten, viel vnd hoehsten vleis furwenden.

Dan es hebet auch nit hoch in hymmel, wan eyner gleich, Ciceroni vngleich, vngelert, vngeubt, allen schulen vnd kunsten (dy arbeit vnd vleis erfodern) feind ist; vnd von doctor Jacob ists mir ein selizam rhum, das eyn schicht- ınaister (weyl er sein bruder ist) so hohen rumb in spiritualibus bei ime hat, vnd das doctor Martinus vnd alle Wittemberger so sperlich gelobt werden. Was doctor Jacobus seins ge- fallens vom hohen rectorampt aber aus seiner gewonlichen danekbarkeit kegen vns houisch meldet, will ich vbergehen; dan er thut mir vnrecht. Dan was ich mit seinem bruder vnd m. Jeorg Karck seinthalben etlieh mal geredt habe, bin ieh vntherthenigklich erbutig, gutten gnungsam bericht zu thuen. inl

Entlich so gemelter doctor ein gelerther vnd gewisser theologus durch nit stilschweigen vnd vyl schreiben gedenekt zu werden (welehs dannoch ehr nit vngereymbt bedacht hat) wolten wir ime auch wunschen, das ehr E. Ch. G. gnediger, schrifftlicher vorynnerung!) volgete vnd etwas aus den veteribus: Augustino, Hieronymo vnd andern kyrchen- hystorien tuglichs wider das babstumb zusamenbrecht vnd sein vnerschrockene tapfere manheyt er erst an feinden be- weysete.

Wie dem nu allen, g. ch. vnd her. so haben E. Ch. G. (wie ich aus E. Ch. G. gnedige schriefft an doctor Jacoben vormarckt) diese sachen vil vleyssiger (dan ich itzunt daruon anzaigen kan) auch gantz furstliceh vnd christlich bedacht vnd gemelten doctor zu foderlicher mundtlicher vnterredung vnd vormeidung alles gezeugnis (!) vnd vorbitterung (wie auch S. Paulus sein christen warnung thut) gnedigklich forbescheiden. Nachdem auch E. Ch. G. ime clar mit deut- liehen vnd geigen vns Wittemberger gantz gnedigen wortten in sehriefften anzeygen, das ehr, mit nicht stilschweygen

1) N. Archiv f. S. Gesch. XXX S. 96.

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eyn gelerfher vnd gewisser theologus zu werden, bequemer

seins schreibens widder vnser adversarien brauche muge dan wider vns, sint wir E. Ch. G. vnterthanig dancksagung schuldig. Vnde zu beschlus auch fur mein person bit ich auch gantz vnderthenigklich, E. Ch. G. wollen gnedigklich bedeneken, das vnser hergot vast vor zweintzigk jharen (da doctor Jacob noch etwas junger geweßen) des seligk liecht des heyligen euangelii dureh doetor Martinum hat erfurbracht, vnd das von dem ersten reiehstag an zu: Àugspurg zan zeitten Maximiliani vnd von dem ersten Wurmischen reichs- tag an bys vf dieses XXXVII. jhar sint d. Philippus, d. Pommeranus vnd ich doctoris Martin? discipel vnd jünger gewesen, mitlerzeit neben doctor Crutziger vnd andern allen vleis gethan, in den schulen vnd kyrehen vielen zu gut reyne christliche lehr zu erhalten; wollen auch got noch vleissig bitten, das er vns gnade vorlei, bei dem heyligen euangelio vnd E. Ch. G. confession, auch bey E. Ch. G. leib vnd leben vnd alles zuzusetzen, damit die reyne christ- liche lere, rechtschaffner vnd gewisser trost der selen vnd gewissen ausgebraitet vnd erhalten werde. Vnd bitten auch also: E. Ch. G. wollen gnedigklich vorschafen vnd daran sein, das, wan wir hie zu Wittembergk mit predigen, lesen, schreiben, vieler mube, allerlei kirehen- vnd schularbeit E. Ch. G. gehorsamlich dienen, auch andern kirchen, landen vnd steten zu gut, so viel vns got gnad geben, burden tragen, vns in vnserm alder vorthin nit ein itzlicher solcher doctor, vnser discipel, vberrumpele vnd seins gefallens mit hartten schrifften vnuorursacht belade. Dan wiewol Dauid im psalter von sieh selber redt vnd von andern gotfurch- tigen, so geistliche weyßBheit reichlich haben, saget: Super senes intellexi. so seint doch alle junge doctor nit Dauid. Wan es nutz vnd gut sein solt vnd wir nit lieber die kirche Freibergk vnd gantz Meyssen vfs best erbauet, dan im anfang zertrennet sehen, were dem jungen doctor mit schrifften wol stercker vnd gerusteter zu begegnen, den ehr noch geritten ist. E. Ch. G. werden an allen zweifel, ergernis zuuorhutten, gnedigk einsehen haben; dan vornemlieh kan ich doctor Jacobi halben des herrn doctor Martini erkentnis allzeit wol leiden, vnd so es auch not were, konnen wir Wittem- berger (wie vns doctor Jacob etwa als fremde Indianer oder Hispanier, ime gar vnbekant nennef) auch leiden, das E. Ch. G. als der christlich, hochloblich churfurst, alle fursten vnd etende dem euangelio verwant, alle gelerthen: Brentius, Ur- banus Rhegius, Osiander et eetera, ader auch aus fremden andern nationen (so der religion mit vns nicht vneynigk) diese sache anhören vnd orttern. Beuele mich hiemit E. Ch. G., bin derselbigen in aller vnderthenigkeit vnd gehorsam allzeit

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zu dienen willigk vnd geflissen. Datum Dornstagk nach Burckardi?) anno dni 1537. |

E. Ch. G. vntertaniger williger diner Justus Jonas doetor p. Vittembergk. s.

1) 18. Oktober.

Das Tagebuch des Grafen Wolrad II. zu Waldeck zum Regensburger Reli- gionsgespräch 1546. I.

Von Victor Schultze.

Das Religionsgespräch zu Regensburg i. J. 1546 ist nur eine Episode in dem letzten Akte der politischen und militärischen Vorbereitungen Karls V. zur gewaltsamen Ver- nichtung des deutschen Protestantismus. Mit der allgemeinen politischen und kirchenpolitischen Lage ist es daher aufs engste verknüpft. Hieraus und weiterhin aus den scharfen Dissonanzen, in denen es verlief und endete, erklärt sich, daß es in einem reichen Quellenmaterial überliefert ist. Der Verlauf selbst ist von einer lebhaften Korrespondenz beider Parteien begleitet, die noch längst nicht in ihrem ganzen Umfange erhoben ist. Gleich nach dem Abschluß traten Protestanten und Katholiken mit Berichten, die ihren Standpunkt verteidigen sollten, in die Öffentlichkeit. Eine wertvolle Quelle, den gemeinsamen Bericht der protestan- tischen Teilnehmer an ihre Mandatare, hat Friedrich Roth in dieser Zeitschrift (V 1908 S. 1f£; 375 ff) bekannt ge- macht. Hermann von Caemmerer hat mit Erfolg besonders Wiener Akten!) aufgeschlossen.

Ich füge im Folgenden eine bisher unbekannte, von mir aufgefundene Quelle hinzu, die schon durch ihre Form als Tagebuch Interesse weckt, durch ihren Inhalt aber sich als eine höchst wertvolle Ergänzung unseres bisherigen Be- sitzes erweist. | ium

1) Das Regensburger en im Jahre 1546. Berlin 1901 (Dissertation).

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Der Verfasser dieses Tagebuches ist Graf Wolrad II, der seit 1539 in einem kleinen Teil der Grafschaft Waldeck regierte. Landgraf Philipp von Hessen erwählte 1545 den damals Sechsunddreißigjährigen als „Auditor“ für das Regensburger Religionsgespräch neben dem als „Adjunkt“ abgeordneten hessischen Theologen Johannes Pistorius aus Nidda. Die Wahl, welche der Graf in seiner bescheidenen Selbstbeurteilung nur widerstrebend annahm!), war eine überaus glückliche. Durch gelehrte, besonders theologische Bildung alle seine Standesgenossen weit überragend, von lebendigstem und tätigstem Interesse für die evangelische Sache, aber auch aufgeschlossen den geistigen Bestrebungen der Zeit, verbindlich in der Form, fest in seinen Grundsätzen und vornehm in seiner Denkweise, erwarb er sich bald in Regensburg bei beiden Parteien Achtung und Vertrauen’). Wie unter den Theologen Butzer die führende Rolle hatte, so unter den Laien Graf Wolrad, durchgehends aber er- scheint er als der Vertrauensmann der Protestanten. Kein Geringerer als Butzer selbst urteilt über ihn in einem Schreiben an den Landgrafen: „E. f. g. haben warlich wol gethon, das sie m. g. herren von Waldeck zu diesem handel haben verordnet, dann er nit allein wol gelehrt, recht gottselig und dieser sachen gentzlich verstendig ist, sonder auch gantz geduldtig und gelassen uff den herren sicht und seines beruffs mit großem vleiß und trawen außwartet, auch mit einem recht evangelischen leben und halten wol zieret. Gott gebe e. f. g. deren herren und rehte fil. Amen?),“

Am 5. Dezember 1545 trat Graf Wolrad von der Burg Waldeck aus die Reise an; in Vach an der Werra stellte sich Pistorius ein. Am 17. Dezember erreichten sie Regens- burg, wo Wolrad bis zum 21. März 1546, als das Gespräch

1) Itinerarium Augustanum, her. v. Troas u. d. T.: „Des Grafen Wolrad von Waldeck Tagebuch wührend des Reichstags zu Augsburg" Stuttgart 1861 (Bibl. d. litt. Ver. LIX) S. 146: me invito et repug- nante animo. |

?) Näheres über sein Leben und seine Persönlichkeit in meiner „Waldeckischen Reformationsgeschichte“, Leipzig 1908, bes. S. 111 ff.; 418 ff.

3) Briefwechsel Landgraf Philipps von Hessen mit Bucer. her. von M. Lenz II S. 397 (18. Jan. 1546).

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sich auflöste, verblieb. Am 2. April ritt er wieder in seiner Burg ein. - |

In dieser Zeit hat er regelmäßig und eigenhändig ein Tagebuch in lateinischer Sprache geführt. Natur und Ge- schichte, geistiges und wirtschaftliches Leben, Weltliches und Geistliches, Personen und Dinge, mochten sie in eigenen Be- obachtungen oder in schriftlichen oder persönlichen Ver- mittlungen an ihn herantreten, haben in diesen Aufzeichnungen Beachtung gefunden. Den breitesteu Raum nehmen selbst- verständlich die religiösen Angelegenheiten und unter ihnen das Religionsgespräch selbst ein. Gerade in Beziehung auf letzteres tritt zu dem, was wir schon anderswoher wissen, eine reiche Fülle von bisher unzureichend oder gar nicht bekannten Einzelheiten. Wir werden unmittelbar in den Kreis der handelnden Personen geführt. Der Graf ist ein feiner Beobachter, der vortrefflich, nicht selten mit einem Anflug von Humor, Menschen und Dinge zu zeichnen versteht. Öfters war ihm Gelegenheit geboten, intime Verhandlungen mit der Gegenpartei zu führen oder mit ihren Häuptern privatim sich zu unterreden. Darüber unterrichtet er uns in diesem Tagebuche.

Aber wir gewinnen auch erst auf diesem Wege einen Einblick in die freundschaftliche, vertrauliche Weise des Verkehrs der evangelischen Deputierten untereinander. Wir hören von den Erwägungen, Hoffnungen und Sorgen, die sie im Gespräch austauschen, sowie von den eintreffenden Nach- richten über Fortgang oder Hemmung des Evangeliums nah und fern. Das evangelische Regensburg tritt in deutlichen Umrissen in unsern Gesichtskreis. Männer wie Juan Diaz, Claude de Senarelens, Franciscus Stancarus erscheinen als Vertreter des romanischen Protestantismus.

Es entsprach der schlichten, ernsten Frömmigkeit des’ Grafen, wenn er die Tagesaufzeichnungen mit einem Gebete schließt, und gelegentlich auch sonst, um eine Stimmung zu lösen, Gebete eingeschaltet sind. An den Sonntagen be- suchte er nieht nur regelmäßig mehrere Gottesdienste, sondern berichtet auch über Prediger und Predigt.

Überhaupt ein flinker Schreiber, aber mit außerordentlich schwer zu lesender Handschrift, hat er fleißig Tagebücher

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geführt; mehrere derselben, starke Foliobünde, sind im Fürst- lichen Landesarchiv!) erhalten. Eines derselben, das Itine- rarium Augustanum, ist nach einer Reinschrift in der Herzog- lichen Bibliothek zu Wolfenbüttel im Jahre 1861 von Tross veröffentlicht worden?). Es enthält die Beschreibung der dornenvollen Reise nach Augsburg, wohin Wolrad im Jahre 1548 wegen seiner Beteiligung am Schmalkaldischen Kriege zur Verantwortung und zur Demütigung vor dem Kaiser zitiert war.

. Das Regensburger Tagebuch besteht aus 162 Quart- blättern; am Schluß fehlen drei Blätter. Vorgebunden ist ein in Nürnberg durch „Hans Guldenmundt den Eltern“ gedruckter Culmbacher Kalender („Almanach“), in welchem hier und da kürzere oder längere Notizen von Wolrad eingetragen sind. Beide Teile sind in einem Pergament- umschlag zusammengeheftet, dessen zweites Blatt auf der Innenseite von Wolrads Hand geschrieben die Worte trägt: „Alleyn Godt sye ere.“

Die vollständige Wiedergabe des Tagebuches in der Originalsprache ist von mir erwogen, aber fallen gelassen worden. Denn in diesem Falle hätte manches Nebensächliche, das keinerlei geschichtlichen Wert hat, mitgenommen werden müssen, und der nicht glatte lateinische Stil und andere Eigenarten der Sprache wären der Verwendung der Quelle sicherlich hinderlich gewesen. In letzterer Hinsicht mußte mich schon das unverdiente Geschick des Itinerarium Augustanum, das trotz seiner Fülle von reizvollen und lehr- reichen Details aus der Verborgenheit kaum herausgetreten ist, warnen. So entschloß ich mich, den Inhalt je nach seiner Bedeutung in der Form des Referats, der Übersetzung und des Originaltextes wiederzugeben, Unwesentliches aber ganz auszuscheiden. Falsche Namenschreibungen sie sind häufig habe ich stillschweigend verbessert. Die Anmerkungen, welche bestimmt sind, zu erläutern und weiterzuführen, werden, so darf ich hoffen, willkommen sein.

Noch in Regensburg hat Graf Wolrad ein weiterer

1) Augenblicklich befinden sich diese mit dem größten Teile des Fürstlichen Landesarchivs zwecks Katalogisierung im Staatsarchiv zu Marburg. ue | ' Zn

2) Oben S. 16, Ann. 1.,

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Beweis seines tiefen Interesses an den Verhandlungen ein Urkundenbuch in schöner Kanzleischrift angelegt, das einen stattlichen Folioband in künstlerischer Leder- pressung bildet, in dem sieh u. A. eine Kopie des vorhin erwähnten, von Fr. Roth veröffentlichten Gesamtberichtes der Protestanten befindet. Auf diese Urkunden pflegt da, wo sie im Tagebuche zur Sprache kommen, mit den Worten „Cujus argumentum alio deseriptum est“ oder mit eiuer ähn- lichen Formel verwiesen zu werden. Ein Teil dieser Ur- kunden wird als besonderer Anhang gedruckt werden +).

In domini misericordia virtus mea. Eubulus ?) profi- eiscens anno domini 1545 et 1546.

Am 5. Dezember 1545 brach Graf Wolrad von der Burg Waldeck auf. Seine stattliche Begleitung bildeten Konrad Milehling von Schönstadt, Adrian von Zertzen, der Sekretär Johann Nelle, der Junker Johann Friedrich von Hesperg, Kaspar Coman und mehrere Diener. Die Regierung des Landesteils während der Ab- wesenheit war dem Kanzler Hermann Nelle, dem Amtmann Johann Milchling von Schönstadt und dem Ritter Hermann von Wolmeringhausen anvertraut’). -

In Homberg, wo zuerst Quartier genommen wurde, mufte Wolrad wegen Überfüllung der Gasthüuser bei einer armen Witwe einkehren. Von. hier ging unter Führung eines landgräflichen Soldaten die Reise gerade auf Hersfeld

!) In der Benutzung der Handschrift sind mir die waldeckischen Behörden in außerordentlicher Weise entgegengekommen, wofür ich an dieser Stelle, insbesondere dem Landesdirektor, Herrn Prüsidenten von Glasenapp, meinen verbindlichsten Dank wiederhole.

2) Eößovkos gräcisiertes „Wolrad“,

3) Über diese Genannten ist zu vergleichen meine Waldeckische Reformationsgeschichte S, 486, 148 u. sonst, sowie die sorgfältigen Angaben von Leif, Studierende Waldecker vom 18. bis 19. Jahr- husidert (Geschichtsblütter für Waldeck und Pyrmont Bd. IV—VI (1904—1905). In seinem handschriftlichen Diarium: v, J. 1571 S. 105 zählt Wolrad seine Begleiter mit kurzen Notizen über sie nochmals auf.

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an der Burg Wallenstein vorbei, wo einst des Grafen Groß- - vater Philipp Il. dureh Götz von Berlichingen einige Tage gefangen gehalten war. Am 6. Dezember gegen Abend Ankunft in Hersfeld. Geis, Fulda und Haune, durch Holz- brücken verbunden, umfließen die Stadt.

Am 7. Dezember wird Vach an der Werra erreicht, wo noch an demselben Tage auch Johann Pistorius von Nidda auf einem Wagen anlangt. Wolrad erhielt den Besuch des durch Gelehrsamkeit und Frömmigkeit ausgezeichneten landgräflichen Amtmannes Alexander von der Thann, dessen sich der Landgraf hernach zu verschiedenen Gesandt- schaften bediente und der auch zweimal Pistorius auf Religionsgespräche begleitete. Die Stadt bot den Ehrentrunk.

Noch an demselben Tage setzten sie die Reise fort, wurden aber durch Vereisung der Straße gezwungen, im ` Kloster Herrenbreitungen zu übernachten, einst dem Abte von Hersfeld, jetzt aber den Grafen von Henneberg zu- gehörig. Unter hennebergischem Geleite erreichten sie am 8. Dezember Meiningen, wo sie auf das freundlichste vom Rat aufgenommen und mit dem Ehrentrunk bewillkommet wurden. Auf der Weiterreise traten rechts die Burgen Henneberg und Maßfeld, links Grimmental hervor, ubi olim populus idolo divae virginis Mariae litabat. |

Am 9. Dezember Ankunft in Römheld, Burg und Stadt des Grafen Bertold von Henneberg, wo ein Bote Briefe der Braut Anastasia von Sehwarzburg und ihrer Mutter abliefert. Im Namen des Landesherrn werden alter und junger Wein sowie Hafer angeboten; desgleichen von dem Amtmann Friedrich von Obernitz. Das Geleit kehrt zurück. Am 10. Dezember Aufbruch nach Ebern zu. Glücklich durch- schritten sie die zum Teil offene, zum Teil mit Gebüsch und Nadelwald bedeckte sog. „Ledderhecke“, einen berüchtigten Schlupfwinkel von Wegelagerern latronum ae raptorum Franeoniae receptaculum und übernachteten in Ebern.

Am 11. Dezember langen sie vor Bamberg an. Est autem Bamberga civitas vetusta et celebris, multis templis canonicorum et coenobiis referta. Der Senat begrüßt sie mit dem Ehrentrunk. Doch unterlassen sie ob recentem pestis cladem, die Stadt zu besichtigen. Der Bischof

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Weigand von Redwitz läßt sie durch einen von Raven- stein und einen andern Herrn laden, doch bitten sie um Entschuldigung. Der Bischof residierte damals auf der Burg. Nam mos, ut episcopo, nisi sollemniter introductus pro ejusdem eeclesiae et urbis consuetudine fuerit, urbem latius intrare non liceat. Im Dom ruhen die Leiber des Königs Heinrieh und der Königin Kunigunde.

Am 12. Dezember Weiterreise nach Forchheim, von wo am 13. Dezember, nachdem Pistorius das Wort Gottes gepredigt, nach Nürnberg aufgebrochen wird. In Baiersdorf Geleit durch den Amtmann des Markgrafen Albrecht.

Um 2 Uhr nachm. Ankunft in Nürnberg und Begrüßung durch den Rat mit dem Ehrentrunk. Am folgenden Tage lädt Wolrad die städtischen Prediger zum Frühstück; aus- drücklich genannt sind: der ehrwürdige Doktor Veit Dict- rich, Andreas Osiander und Thomas Venatorius. In der Dominikanerkirehe hört er eine Predigt. Hausierer jeder Art bieten, auch unaufgefordert, ihre Waren an. Bei dem Goldschmied Rótger „auff der Borck“ (Burg) wird ein silbernes Schmuckstück in Auftrag gegeben. Mehrere Nürn- berger suchen den Grafen auf und bitten ihn, bei dem Bürgermeister Fürsprache für einen Verwandten einzulegen, damit ihm wenigstens das Leben geschenkt würde. „Es schien mir inhuman, diese Bitte abzuschlagen, und ich über- mittelte sie daher durch unsern Wirt Wolf Kreell an den Bürgermeister. Dieser ließ antworten, daß er sie vor den Rat bringen werde.^ Obwohl Wolrad keinen Wunsch dieser Art geäußert hatte, so bot man ihm doch die Besichtigung der Befestigungen und der Geschütze und was sonst sehens- wert sei an. Besuch des Hieronymus von Baumgärtner, der von dem Ritter von Rosenberg gefangen gewesen war) Der Zeugmeister Paulus Günther übernimmt die Führung dureh die Befestigungen und das Arsenal Veit Dietrich schickt dem Pistorius Wein (vinum meraeum) und Nürn-

1) Die Tatsache ist bekannt; vgl. u. a. Lenz in der Zeitschr. f. Kirchengesch. IV (1885) S. 150 ff. Zwischen den Zeilen ist noch ein- getragen: Rosenberg, a Judaeo quodam, qui mercede ad hoc conductus erat, catapultae globulo (?)ictus est, cui tamen plurimum fidebat.

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berger Bier und sendet dem Grafen 'brieflich einen Gruß. Baumgärtner und Günther speisen mit ihm. |

Am 15. Dezember Abreise von Nürnberg in der Richtung auf Neumarkt unter dem Geleite des Markgrafen Johann von Brandenburg. Der Weg windet sich zwischen Fichten- wüldern hin. Neumarkt hat ein schönes Schloß und breite Straßen. Von hier am 16. Dezember nach Hemau, einem am Bergabhange gelegenen Städtchen mit nur einer sehr breiten Straße. Die Landschaft ist gebirgig und felsig und trägt weder Äcker noch Weinberge.

Morcnabuts

. 17. Dez. Ankunít in Regensburg!) ,Hier erfuhren wir, daf von den Fürsten nocli keiner eingetroffen sei und überall die Pest wüte. Gott gebe den Dingen einen gltück- lichen Fortgang.“ | | 18. Dez. „Martin Butzer ließ Pistorius zu sich rufen, dann besuchten Martin Butzer und Johann Frecht mich und beglückwiinschten mich zu der glücklichen Ankunft. Darauf legte Butzer die ganze religiöse Streitfrage (omne negotium controversiarum in religione) klar und kurz dar und führte aus, welche Punkte jetzt zur Entscheidung stehen. Zugleich bat er, über unsere Instruktion unterrichtet zu werden. Nachdem wir darüber uns kurz ausgesprochen, er- klärte er sich durch unsere Antwort für befriedigt und Senke zu seinen Genossen zurück.“

Der Rat und der Kämmerer (Bürgermeister) der Stadt begrüßten die Angekommenen mit einem Ehrentrunke von italienischem und ungarischem Weine und mit den besten

Wünschen. - Von den papistischen Kollokutoren ist außer

dem einen und dem andern Mönche noch: Niemand da.

. 19. Dez. Besuch von Butzer, Frecht, Brenz, Schnepff. NM

20. Dez. Mehrere Prediger worden gehört. In der

1) Die hessischen Gesandten nahmen Wohnung und Verpflegung

im Gasthaus zum Einhorn bei Georg Perger, dessen Name unter

einer Bittschrift v. J. 1542 an den Rat um öffentliche Zulassung der Abendmahlsfeier unter beiderlei Gestalt sich findet. l

Anr bea Æ S 8 27 3

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Dominikanerkirche predigte vormittags Doktor Nopp') „ebenso erbaulich wir gelehrt“ über das Zeugnis Johannis des Täufers. Weniger befriedigte die Mittagspredigt im Dome. Nach der Predigt begleiteten Brenz, Butzer, Frecht und Schnepff den Grafen in seine Herberge, und man Sprach an zwei Stunden vertraulich miteinander. |

21. Dez. Wolrad wohnt der Predigt des Magisters Nicolaus Gallus?) bei und trifft am Nachmittage mit den eben Genannten und Pistorius in der württembergischen . Herberge zusammen. |

22. Dez. Besuch des Klosters St. Emeram. Dem Grafen wird eine kostbare Evangelienhandschrift vorgelegt, die unter Karl d. Kahlen im Kloster St. Denis bei Lyon angefertigt ist?) Auch die Grabstätten fürstlicher Personen, so des Königs Arnulph, und des Bischofs WOHERUE sowie der goldene Tragaltar*) wurden besichtigt.

23. Dez. „Wir hatten die Absicht, einen Boten zu Wagen abzuordnen, aber wegen der Ankunft des Cochläus, der an Stelle des Julius Pflug zum Kollokutor der Gegen- partei ernannt ist, ließen wir denselben noch einen T ag warten 5). Wolrad läßt die Donaubrücke Runs; ihre Lünge beträgt etwa 400 Schritt. i

1) Nopp, der als erster vom Rat bestellter evangelischer Pfarrer am 27. Februar 1543 seine Antrittspredigt hielt, kam, von Luther und Melanchthon aufs wärmste empfohłen, aus Wittenberg, wo-er sich auch vop Regensburg. aus hernach die Doktorwürde holte Vgl. [K. Th. Gemeiner] Geschichte der Kirchenreformation in Regensburg, . Regensburg 1792 S. 141 ff.

2) Nicolaus Gallus (Hahn) aus Cöthen kam gleichzeitig mit Nopp nach Regensburg. Er hat sich wie Nopp auch literarisch betätigt, über- ragt ihn aber weit. Infolge des Interims mußte er 1548 Regensburg verlassen und hat dann in Wien noch eine lange und erfolgreiche Tütig- keit entfaltet. Vgl. Kawerau in PRE? VI S. 361 f. Sein Bildnis bei Geyer, Die Einführung der Reformation in Regensburg, Regens- burg 1892 S. 42.

5) Der jetzt in der Hofbibliothek - in München befindliche Sog. Codex argenteus.

*) Jetzt in der Reichen Kapelle in München.

5) Über die langwierigen Verhandlungen über Auswahl und Er- nennung der Kollokutoren vgl. Hasenclever, Die Politik der Schmal- kaldener vor Ausbruch des Schmalk. Krieges, Berlin 1901 S. 217 ff.

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24. Dez., heiliger Abend. Butzer, Frecht, Schnepff, Balthasar von Gültlingen und Juan Diaz aus Cuenca’) besuchen Wolrad confabulandi gratia. „An demselben Tage trafen einige Mönche und Priester (sacrificuli) ein, die ihre Namen zunächst verheimlichten, doch wurden genannt: der Spanier Doktor Petrus de Malvenda und der Provinzial Doktor Eberhard Billick aus Köln,“ |

25. Dez, Weihnachtsfest. Pistorius legt dem Grafen und dem Wirt das Evangelium aus, dann hört jener eine Predigt des Doktor Nopp in der Dominikanerkirche, endlich wohnt er in.der Kirche zur schönen Maria?) (nam ejus ido- lum eo loco coluerunt) der Abendmahlsfeier bei: Nach dem Frühstück besuchen ihn Butzer und Schnepff, „die den

großsprecherischen (megaloronta) Mönch aus Kolmar (Johann -

Hoffmeister) donnern gehört hatten?)“.

26. Dez. Predigt des Magisters Gallus im Domini- kanerkloster. Zum Frühstück sind Butzer, Brenz, Frecht und Schnepff geladen; Gültlingen befand sich nicht wohl. „Es wird berichtet, daß der Mönch aus Kolmar heute scharfe Geschosse in das Wort des Herrn gemischt habe.“

27. Dez. „In der Kirche zur schönen Maria, welche der Regensburger Rat aus wohl erwogener Ursache für die Abendmahlsfeier eigens bestimmt hatte, empfing ich ge- meinsam mit Butzer, Frecht, Brenz, Schnepff, Pisto- rius und vielen Christgläubigen beiderlei Geschlechts den Leib und das hochheilige Blut des Herrn. An dieser heiligen Handlung nahm auch der erste Konsul der Stadt (Andreas

Wulff) teil. Alles vollzieht sich in dieser Kirche mit christ-

t) Ed. Boehmer, Spanish Reformers I S. 187 ff. Er war mit Butzer deputiert.

2) Diese auf der Stätte der bei der Judenaustreibung 1519 zer- störten Synagoge errichtete Kapelle kam 1542 als erstes Gotteshaus in den Besitz der Evangelischen. Die in der Kirche befindliche Marienstatue, welche ihr den Namen gab und sie zu einem besuchten

Wallfahrtsorte machte, ein Meisterwerk (Abb. bei W. Geyer, Einführung -

der Reformation S. 11), ließ Nopp zerstören. Während des Interims 1548—52 wurde sie den Evangelischen genommen, ist aber dann bis heute (Neupfarrkirche) in ihrem Besitze geblieben.

3) Über seine Predigttätigkeit in Regensburg vgl. N. Paulus, Johannes Hoffmeister, Freiburg 1891 S. 214 ff. !

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licher Würde (christiana quadam reverentia) und lobens- werten Zäremonien.“

Mos is est nune Ratisbonae, ut doetor Nopp pro pa- rocho urbis habeatur ae in eoenobiis Dominieanorum ef Franciscanorum conciones solemnes habeantur, inde coenae dominicae partieipaturi sacellum supradictum adeant. Ibi saera ritu evangelico perficiuntur.

Nach dem Gottesdienste begleitet der Pfarrer Erasmus Zollner!) den Grafen in seine Herberge.

28. Dez. Gültlingen, Schnepff, Butzer, Freeht, Brenz und Wolrad sind von Doktor Hiltner’) in seine Wohnung zu einem üppigen Mahle geladen.

An demselben Tage trafen Sekretäre des Königs Ferdinand ein mit dem Auftrage, Quartiere vorzubereiten; ` nach ihrer Meinung würden der König und die Königin innerhalb zehn Wochen anlangen. Sie berichten, daß die Gesandten des Kaisers und der Könige von Frankreich und England von den Türken zurückgekehrt seien; der helden- mütige Leonhard von Felss, der hervorragende Verteidiger der österreichisch-ungarischen Länder gegen den Türken, habe sich, um sich von einem Kopfleiden zu befreien, die Kopfhaut mit einem Messer bis auf den Schädel in Form eines Kreuzes durchschneiden lassen, aber durch Hinterlist des einen Arztes sei der Schnitt zu tief gezogen, so daß er zum großen Schmerze Ferdinands und der Seinen verstarb.

'29. Dez. Predigt in der Kirche zur schönen Maria. Zur Mahlzeit sind der Reichshauptmann von Regensburg (Georg von Luxau) und königliche Beamte geladen. „Ber-

1) Erasmus Zollner, Benediktiner, vordem Pfarrer an St. Emeram und Benefiziat mehrerer Kapellen, zählt zu den ersten Verkündigern evangelischer Lehre in Regensburg und übte als Prediger eine große Wirkung aus (Gmeiner S. 111; 115 ff).

2) Johann Hiltner, Rechtskonsulent des Rats, tritt schon in den Anfängen der Regensburger Reformationsgeschichte als ein kluger und erfolgreicher Förderer der neuen Lehre hervor. Er gehörte zu des Rats Gesandten zum Speierer Reichstag 1526 und war mit Am- brosius Amman der Vertreter der Stadt in anne 1530. Sein Bildnis bei Geyer S. 19.

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nardino Ochino, der sieh jetzt in Augsburg aufhült!), er- zählt, daB der Papst Paul Ill. ihn gebeten habe, in seiner Nähe zu leben (ut. cum eo permaneret) „Der Grund ist, weil jener Bernardino viele Italiener zur reinen Lehre Christi geführt hat. . . . Aber dieser, ein gewitzigter Kopf, merkte die Fuchskünste und wandte sich, auch auf Rat des Kardinals Contarini, der schon den Sokratestrank geschluckt hatte, nach Deutschland. Über Paul urteilt er: quiequid natura astutiae habuerit, in hunc solum id efudisse.* Wolrad fügt hinzu: Confundat Deus DpRmIHR Maximus atheorum sapientiam. Amen. 30. Dez. Pistorius fühlt sich unwohl und läßt sich die Ader schlagen. Eodem. die venit triste, sed vanum de " principe nostro (Landgraf Philipp) nuncium.

31. Dez. In der Kirche ‘zur schönen Maria predigt Zollner vortrefllich über den Goldschmied Demetrius in Ephesus Aet. 19: in Anwendung auf die Gegenwart. „Der Herzog Wilhelm von. Bayern hat den Pfarrer in Deggen- dorf. wegen evangelischer Lehre verjagt?) und auch dem Amtmann und den Bürgermeistern (consulibus) der Stadt seine wtütende Gesinnung gegen das Evangelium offen zu erkennen gegeben?) Viennae Austriae -cum senes non an- diant, deus per infantes loquitur). An demselben Tage besuchten Butzer, Frecht, Schnepff und Brenz den erkrankten Pistorius und wünschten mir Glück zum kommenden neuen Jahre.*

Der Bischof von Eichstädt t), der nach kaiserlicher V Ver- fügung dem Kolloquium präsidieren wird, soll angekommen sein.

1) Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte III, München 1907 S. 340 ff.

2) Es war Oswald Ruland. (Rolandus); - vgl. Kolde in den Beitr. zur bayer. Kirchengesch. III, 1897 S. 184.

3) Den besonderen Vorgang, auf den diese Worte offenbar an- spielen, konnte ich nicht feststellen. .' :

1) Moritz von Hutten (1539—1552), der Karie unbedingt ergeben und von vornherein ein Begünstiger dér Jesuiten bei ihrem ersten Auftreten in Deutschland (Pastor, Geschichte der Püpste. V S. 448). Butzer charakterisiert ihn in einem Straßburger Berichte: ,wolgelert und einer frenkischen freundtlichkeit, aber doch leider ein bischove dieser zeit und des papstes“ (Lenz II S. 396 Anm. 2); ebenso Brenz

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Knaben singen das Lied: „Nu driben wir den papst hinaus.“

Herzog Wilhelm von Bayern hat der Witwe von Stauff!), weil sie in Regensburg das heilige Abendmahl empfangen hat, das Vermögen konfiszieren wollen, doch nahm er schließlich Abstand davon. |

1. Januar 1546. Pistorius predigt in der Herberge. Dann hört Wolrad Doktor Nopp und um 12 Uhr Zollner: Der Bischof von Eichstädt und Graf Friedrich von Fürstenberg zeichnen im Dom ihren Kolmarer Mönch durch ihre Anwesenheit aus. Butzer macht dem Pistorius einen Krankenbesuch. Simul et Nicolaus, medicus Vratislaviensis. Juan Diaz nune d. Martini Buceri elerus überreicht . eigenhändig niedergeschriebene Erläuterungen zu der Weis- sagung Jesaias von Christus. Es verbreitet sich das Gerücht, daß der Kaiser in Herzogenbusch am Podagra erkrankt sei. Donet Deus juxta bonitatem misericordiae suae tragediae huic felicem exitum.

2. Jan. Es stellt sich heraus, daß Graf Friedrich noch nicht angekommen ist. „An diesem ganzen Tage hat mich keiner der Unseren besucht.“ -

3. Jan. Pistorius wollte auf Bitten eines königlichen Beamten in der Herberge predigen, da er jedoch diese Ab- Sieht aufgab, besuchte Wolrad die Predigt des Doktor Nopp und später des Magisters Gallus. Auf Anregung Butzers beriefen Wolrad und Pistorius um 2 Uhr Gültlingen, Schnepff, Brenz und Frecht in die hessische Herberge, um darüber zu beraten, ob die evangelisehen Delegierten oder Beauftragte derselben sich zu dem Bischofe begeben sollten, um über die Ordnung des Kolloquiums sieh: unterriehten zu lassen, hauptsächlich aus dem Grunde, weil jener, wie man hüre, vom. Kaiser zum Präsidenten ernannt sei. und das Gerücht

(Pressel, en Brentiana, Tübingen 1868 S. 253) in einem Briefe án Melanchthon: .. . apparet vir esse humanus et ad conciliandas controversias ferum civilium non incommiodus, ‚sed auoe s ad Peona attinet, hyspanizei xa? dwnaniteı.

© ' 1) Gemeint ist die bekannte Argula von Stauff, damals verwitwete Gräfin Schlick, in der Geschichte des Protestäntismus die erste mutvoll öffentlich ‘hervortretende Frau- (Th. Kolde in PRE! XVII, 781 ff).

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umlief, daB er wieder abreisen werde, unter dem Vorwande, in Hinblick auf die Abwesenheit Melanchthons und der Nürnberger Gesandten, daß die Evangelischen das Kolloquium verzögern. Indes, nachdem die Einzelnen sich geäußert, kam man zu dem Ergebnis, die Deputation vorläufig zu verschieben und „noch einige Tage den Fortgang der Fabel abzuwarten“, damit nicht der Gegenpartei ein neuer Verdachtsgrund ge- boten werde. „Haec dies decima tertia, quod nihil certi de ratione colloquii post nostrum huc adventum seire potuimus." An demselben Tage läßt der Bischof den Grafen zum Frühstück am 4. Januar einladen. Er wohnt bei Christoph Barsberger neben der alten Kapelle. | 4. Jan. Gültlingen und Wolrad fanden an diesem Tage gegen 9 Uhr den Bischof beschäftigt, den Neubau seiner Kurie!) zu besichtigen. Er begrüßte sie freundlich, führte sie in das Haus eines Eichstädter Kanonikus und ließ sich ihnen gegenüber so aus: ihm sei vom Kaiser das Amt eines Präsidenten übertragen, obwohl er alles versucht habe, daß ein anderer damit betraut werde?) Er wolle aber nun alle seine Kräfte‘ dahin richten, daB eine fruchtbare Einheit zu Stande käme. Dann fragte er, ob die Unseren alle da seien. Während des ziemlich opulenten Mahls gibt er sich mit großer Liebenswürdigkeit. Nach demselben bittet er seine beiden Gäste, es sich nicht verdrießen zu lassen, noch einige Tage zu. warten, hauptsächlich darum, weil er selbst noch einige „Kaiserliche“ erwarte und ohne seinen Kollegen Friedrich von Fürstenberg nichts tun könne, „indes werde er in kurzem bewirken, daß das Gespräch seinen

1) Die Eichstädter Bischöfe besaßen seit Jahrhunderten in Regensburg einen eigenen Hof.

2) Butzer zählt in einem Schreiben an den Landgrafen vom 5. April 1546 (Lenz II S. 421) zu den „Beschwerden“ des Kollo- quiums: „erstlich, das zum obersten presidenten verordnet worden ist, der ins colloquium nicht bewilligt, sich vilmals beclagt, das er der sachen nicht verstendig sei und sich auch oft bezeugt hat, das er sich dieser hendel mit nichten beladen wolle, wie er denn auch gethon.“ Auch Cochläus in einem Schreiben an Cervino 1. Febr. 1546 aus Regensburg: qui valde inviti huic intersunt negocio (Friedensburg, Beiträge zum Briefwechsel der kath. Gelehrten Deutschlands im Re- formationgjahrhundert, Zeitschr. f. Kgsch. 18 (1898) S. 600).

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Anfang nehme“. Als Tischgenossen hat der Bischof Kaspar von Kaltenthal'), der auch als Auditor bestimmt ist, den Dompropst Daniel Stieber aus Würzburg?) und einen in die papistische Häresie zurtickgefallnen Mönch aus Rehdorf, der gegen die Priesterehe geschrieben hat. Wolrad und Gültlingen beriefen sofort nach der Rückkehr die Ihrigen, teilten ihnen die Äußerungen des Bischofs mit und stellten zur Beratung, ob man dem Kurfürsten von Sachsen oder Melanchthon die Anwesenheit des Bischofs melden solle. Die Meinungen gingen auseinander, und so kam es zu keinem Beschluß.

5. Jan. Predigt des Mag. Gallus. Dann gemeinsamer Spaziergang mit Brenz und Pistorius. Im Dome fiel Wolrad eine Darstellung der hl. Dreieinigkeit auf, welche die drei göttlichen Personen in menschlicher Gestalt, je durch ein Symbol unterschieden zeigte. Butzer erklärte, das diese Weise gegen die päpstlichen Bestimmungen selbst verstoße 3).

6. Jan. Predigt Nopps und Zollners. Beide sind gelehrte und fromme Theologen, doch ist dieser von Natur . mit größeren rednerischen Gaben ausgestattet. Brenz be- gleitet den Grafen nach Hause und verweilt in traulichem Gespräch bei ihm. Besuch des Juan Diaz. Dieser erzählt von einer Verfolgung der Waldenser durch den König von Frankreich auf Anstiften des päpstlichen Legaten am 20. April 1545. Diese Waldenser sollen 15 Dörfer und drei oder vier Städte bewohnt haben. Geistliche erbaten sie sich von Calvin. Es sollen an 2000 teils verbrannt, teils ertränkt, teils mit dem Schwerte gerichtet sein; nicht einmal die schwangern Frauen wurden verschont‘). Ihre

1) Domherr und bischöflicher Offizial in Augsburg. Butzer nennt ihn: „ein spitziger widerwertiger des Evangelii und dieser stenden“ (Lenz II S. 390).

?) Über seine versöhnliche Persönlichkeit vgl. die Äußerungen von Brenz bei Pressel, Anecdota Brentiana S. 255, 257.

3) Das ist richtig; vgl Otte, Kunstarchäologie des deutschen Mittel- alters 5. A. I, 512, wo allerdings nur spätere Verbote angeführt sind.

t) Soldan, Geschichte des Protest. in Frankreich, Leipzig 1855 S. 191ff. (die Zahl der Opfer ist hier noch größer angegeben); H. Martin, Histoire de France, Paris 1858 VIII S. 326 ff.; z. vgl. auch Lenz I S. 522.

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Städtlein (oppidula) wurden zerstört und ihre Dörfer verbrannt. Als der Franzose. bemerkte, daß diese Maßregel viele empörte, heuchelte er, daß er diese Leute nicht der Religion wegen, sondern als Aufrührer ausgerottet habe.

Malvenda hat versucht, Juan Diaz miteinschmeichelnder Rede zu seiner papistischen Lehre zurückzubringen, doch bis jetzt vergeblich 1).

Diaz erzählt, dab die Genfer Kirche nun ganz ge- reinigt sei (jam purgatissimam esse), und dort Calvin unter den Geistlichen den ersten Rang einnimmt. uL

Bernardino Ochino hat viele, in italienischer Sprache geschriebene Bücher nach Genf geschickt. „Es heißt, daß der Bischof von Paris, Kardinal Jean Bellay, der Bruder des Herrn von Langey?), dem Evangelium günstig gesinnt ist; ebenso der Kardinal von Toulouse?) Die Königin von Frankreich, die Schwester des Kaisers, hat durch jenen den Wunsch geäußert, daß Juan Diaz ihr Einiges vorlese."

„Malvenda hat versucht, Diaz zu überreden, sich vom Umgang mit Butzer zurückzuziehen und sich an den Beicht- vater des Kaisers zu halten, denn das sei der einzige Weg, auf dem er bei der römischen Kirche wieder zu Gnaden gelangen könne. O, Ahitophel!“ | |

„Malvenda, beklagt sich, daß Diaz unter den Pro- testanten verkehrt und seine Wohnung nur Spionierens halber betritt. Denn ihm erscheine es frevelhaft, daß drei oder vier verschiedene Sekten die so volksreiche orthodoxe römische Kirche verlassen. Sic vulpina pelle usus est Malvenda, donec illi ex re visum erit, leoninam assumere.“

„An demselben Tage verbreitete sich das Gerücht, daß der Kaiser in Herzogenbusch in Brabant nicht nur an schmerzhaftem Podagra, sondern auch am Fieber leide.“

'„Man erzählt, daß Herzog Wilhelm von. Bayern gegen die Anhänger der evangelischen Lehre wüte.“

„Vom Kolloquium hört man nichts als verschiedene

1) Vgl. aueh Böhmer I S. 190.

?) Beide sind in der franzósischen Reformationsgeschichte als reform- und protestantenfreundliche Männer bekannt. Zu

3) Erzbischof Odet von Coligny, der später zum Protestantismus übertrat (Polenz, Geschichte d. franz. Calvinismus I S. 399 ff).

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Klagen (preter querelas varias) so wie jeden .seine Not drückt (ut sua quemque premit necessitas).

7. Jan. Gottesdienst in der Kirehe zur schönen Maria. Dann mit Pistorius und - Andern reichliches Frühstück (mensa non vulgariter parata) bei Butzer und Frecht. Auch Doktor Hiltner non minimus rei evangelicae fautor ist anwesend. Gegen Abend soll der Mainzer Kanzler Doktor Zacharias mit Begleitung eingetroffen sein.

Es tritt das Gerücht auf, daß sowohl der König von Frankreich ‘als auch der Kaiser rüsten. In Beziehung auf das Gespräch keine Hoffnung.

„Der, welcher alles weiß, wolle gnädig alles nach seinem Willen richten durch Jesum!“

8. Jan. Spazierritt außerhalb der Stadt. Nach dem Frühstück Besuch von Butzer und Frecht und Spaziergang mit ihnen zur Donaubrücke. Zur Mahlzeit Gäste. Geschenk eines Büchleins von Aventinus durch Butzer und. Frecht.

„Ich habe Auftrag gegeben, alle Schriften von Brenz für mich zu kaufen.“

9. Jan. „Am Vormittag nahm ich den Sarkophag Aventins in St. Emeram in Augenschein; das Epitaph habe ich anderswo niedergeschrieben. Butzer und Brenz teilten mir .eine für den Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen und den Landgrafen Philipp von Hessen bestimmte Schrift Luthers mit, in welcher diese treulich ermahnt werden, Heinrich von Braunschweig nicht frei zu geben!)

Eadem Joannes Brentius, precibus nostris vietus, tractatulum Lutheri latinitate condonare pollicitus est. Was das Gespräch anlangt, so haben wir darüber niemanden auch nur mucksen hören.

Eingetroffen ist auch der kaiserliche General Freiherr Wilhelm von Schwarzenberg in Privatangelegenheiten, wie ich glaube, der früher in Diensten Ferdinands stand.

10. Jan. Pistorius predigt in der Herberge. Dann im Gottesdienst bei Nopp und bei Zollner, Besuch von Butzer und Brenz. „Ein Venetianischer Kaufmann namens Felice Cesare (oder Cesario?) erzählt, dab der Papst von

2) Sendschreiben wegen Herzog Heinrichs von Braunschweig (E. A. 26, 229 ff.) |

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Krankheiten befallen sei und kein Glied an ihm heil sei als die Zunge.“ Pistorius entwickelt ihm den Inhalt der evangelischen Lehre, wozu dieser dann bemerkt: er sei ein Venetianiseher Kaufmann, der mit einem kleinen Fahrzeuge die Länder befahre, aber es fehlen ihm Ruderer, Mastbaum, Rahen, um ein so weites und großes Meer von Gerümpel zu verladen, wozu Wolrad bemerkt: Homo Italici ingenii. CDTTCM!). Nihil sani expeetatur.

11.Jan. Wolrad gibt Brenz ein von diesem auf sein Symbolum angefertigtes deutsches Gedicht in eigonnuadiger Abschrift zurück.

Konrad Offenbach aus Frankfurt?) übersetzt ein deutsches Pasquill über den Herzog von Braunschweig als einen Judas Ischariot aus dem Deutschen ins Lateinische und überreicht es Frecht als Geschenk.

„Der König Ferdinand soll auf Bekehrung Pauli in Preßburg einen Landtag angesagt haben, während dem warten wir hier zwischen Fels und Stein auf das Kolloquium, da weder die Sachsen noch Melanchthon noch die Nürn- berger anwesend sind.“

12. Jan. Predigt des M. Gallus. Butzer überreicht einen Brief Bernardinos über die Lage in Italien, in welchem er u. A, über den Verkauf (kirchlicher Güter) durch Paul III. berichtet ë). Der Buchhändler Valentin leiht Wolrad ein Buch, die Geschichte des Leonhard Kaiser, den der Bischof von Passau in Rücksicht auf den Papst dem Herzog von Bayern zum Feuertode auslieferte $).

Narraverunt multas eonfabulationes, sed adhuc nihil de eolloquio christianae religionis ergo.

1) Wolrads Symbolum: Confige, domine, timore tuo carnes meas (Ps. 119, 120); vgl. meine Wald. Ref.-Gesch. S. 491. _

2) Konrad von Offenbach (Uffenbach) Rechtsgelehrter und Assessor am kaiserlichen Kammergericht. (Jócher IV S. 1561.)

3) Der Brief im Urkundenbuche in Abschrift, auch Lenz II S. 397 Anm. 3. . . *) Über diese in der Protestantischen Märtyrergeschichte bekannte Persönlichkeit vgl. F. Roth, L. Kaiser ein evangelischer Märtyrer aus dem Innviertel, Halle 1900 (Schriften des Vereins f. Ref. Gesch.) Das Büchlein wird die von Luther Ende 1527 herausgegebene Schrift (a. a. O. S. 35 u. Anm. 16) sein. |

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13. Jan. Gültlingen kommt zum Frühstück. Bald darauf erscheint unerwartet Diaz und der Savoyarde Clau- dius aus der Begleitschaft Butzers!). Kaum ist die Mahlzeit beendet, so finden sich auch Butzer, Frecht, Sehnepff zu einem Besuche ein. Darauf wird auch Brenz gerufen. Als die Besucher sich entfernt haben, kommt für Wolrad und Pistorius eine Einladung des Bischofs auf morgen zum Frühstück. Man hofft bei dieser Gelegenheit Näheres über das Kolloquium zu erfahren. Von Veit Dietrich trifft ein Brief ein. O domine Jesu, da et velle et posse et memento nostri ip bonum. |

14. Jan. Gottesdienst in der Kirche zur schönen Maria. Zollner predigt über den Aufruhr in Ephesus und nimmt dabei Bezug auf das Einigungswerk. Den rechten Weg dazu kann man nur finden an der Hand der hl. Schrift, be- sonders des Neuen Testamentes. Wählen solle man dazu gelehrte und vom hl. Geist erfüllte Männer, die alle ihre Kräfte an diese Aufgabe zu setzen gewillt seien. Den hl. Geist, den einzigen und wahren Lehrer, solle man instándigst anrufen und niehts als die Ehre unseres Erlósers Jesu Christi und der Kirche Wohlfahrt ohne Rücksicht auf Vorteil und Gunst suchen. |

An demselben Tage bewirtete der Bischof von Eichstädt Wolrad, Schnepff, Butzer, Pistorius und Brenz und Gültlingen. (Frecht war nicht eingeladen.)

Nach dem Mahle führte der Bischof seine Gäste in sein Hybernaculum, redete viel von der ihm gewordenen Komission und äußerte, daß er schon längst die Absicht gehabt habe, die Kollokutoren und Gelehrten unserer Partei zusammen- zurufen, aber er habe bisher auf Melanchthon gewartet. Dann tat er so, als ob er sie deshalb hauptsächlich berufen habe, um ihnen Ermahnungen zu geben. Man müsse, so wandte er sich an Wolrad und Gültlingen „als seine Kollegen", die Sache so angreifen, daß alles im Hinblick auf Christus

!) Claude de Senarclens, ein junger savoyardischer Edelmann, mit Calvin befreundet, der ihn zu einer Sendung nach Wittenberg und Straßburg gebrauchte. Von Straßburg kam er mit Butzer nach Regensburg. Bekannt ist er als Biograph des Juan Diaz. (Böhmer, I S. 202 ff.)

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und seine Ehre geschehe, und der heiligen Kirche und unseres Deutschlands Einheit endlich wieder hergestellt werde. „Er versuchte auch mit vielen schönen Worten uns zu über- reden, im festen Vertrauen auf des Kaisers und des Papstes Wohlwollen uns nach Trient zu begeben und dort vor den fremden Nationen von unserm Glauben und unserer Lehre Rechenschaft zu geben!). In dieser Darlegung erging er sich in allerlei Sprüngen, aber als er merkte, daß wir seine Künste durchschauten, lenkte er das Gespräch auf ein anderes Thema. Als einzelne von uns die Frage stellten, wie er sich den Verlauf des christliehen Unternehmens denke, veränderte er wie eiu Chamäleon die Farbe. Sed faxit Deus, ut eandidum (sel. colorem) etiam in Christi puritate et rubeum in proximi amore assequi possit. Er entließ uns, nachdem er uns seine Autorität gründlich dargelegt und hinzugefügt hatte, daß die Entscheidung vor allem bei uns liege. Daher sollten wir alles christlich und freundlich vortragen und die Hilfe des heiligen Geistes anrufen. In Eichstädt habe er einen Stell- vertreter zur Verwaltung des Bistums zurückgelassen und bekleide jetzt hier das Amt eines Präsidenten und eines Auditors, das zu übernehmen der Kaiser ihm anbefohlen habe. Was für Antworten der Bischof hierauf von mir und Gültlingen erhielt, ist ihm wohl bekannt.“

Nichts wurde mitgeteilt über den Beginn des Gesprächs. Longam texuit telam, si ex animo locutus est, adsit illi Christus, si pontifieias technas struit, confunde domine, con- silium Ahitophel?).

Briefe aus der Grafschaft und von der Braut.

15. Jan. Butzer hält es für angebracht, daß Wolrad an den Landgrafen sehreibe und ihn über den Stand des Gesprächs unterriehte. Doch wurde hernach davon Abstand genommen.

Ankunft des Ju li ius Pflug, der als Kollokutor bestimmt ist.

Der Kaiser soll den Herzog. Wilhelm von Cleve mit

1) Der Bischof empfand wie alle entschiedenen Katholiken die Tatsache eines Religionsgespräches gleichzeitig mit dem Konzil von Trient als unkatholisch und mindestens als zwecklos.

2) Dazu die vortreffliche Berichterstattung von Butzer bei Lenz II S. 390 fi.

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dem goldenen Vließ ausgezeichnet und mit einigen Tausend Goldgulden beschenkt haben. „So sind aus Feinden plötzlich die engsten Freunde geworden.“

Malvenda verbreitet das Gerücht, daß Kaiser Karl nicht eher nach Regensburg kommen werde, bis er den Kurfürsten und Erzbischof von Köln!) et etate et sapientia ac syneera pietate grandevum —- zur Unterwerfung unter seinen Willen gezwungen habe.

16. Jan. Butzer bittet, daß die Gesandten des Pfalz- grafen Otto Heinrich von Wolrad eingeladen würden, so- wohl um mit ihnen vertraulich reden zu können, als auch weil diese wegen Annahme des Evangeliums bei den andern weniger beliebt seien. Doch konnte nur der Sekretär Christoph Arnold erscheinen. Nach der Mahlzeit eröffnete dieser in vertraulicher Ausprache dem Grafen und Gültlingen, daß sein Herr auf der Versammlung der evangelischen Stände zu Frankfurt. infolge dringlicher Geschäfte weder selbst habe erscheinen noch Abgesandte schicken können. Daher bitte er Gültlingen und den Grafen, wenn bei dem Herzoge von Württemberg und dem Landgrafen die Rede auf seines Herrn Abwesenheit kommen sollte, diesen zu entschuldigen unter Hinweis vor allem darauf, daß die Politik des Pfalzgrafen sieh auf die Förderung der evangelischen Sache richte ?). Gültlingen und Wolrad geben die gewünschte Zusicherung.

„Eck®) ist der Schrecken von ganz Bayern. Dem Herzog Wilhelm gilt er als Koryphäe und gegen das Wort des Herrn ist er der wahre Ahitophel. Denn sein Rat gilt dem Herzog als Ausspruch der Sibylle. Auf dem bayerischen Landtage hat er fast den ganzen bayerischen Adel dahin zu bestimmen versucht, daß auch diejenigen, welche sich zur evangelischen Lehre bekannten, zu dem papistischen Aber- glauben zurückkehren sollten. Viele hatte er schon dafür gewonnen, aber der barmherzige Gott hat den Plan Ahitophels vernichtet, so daß nicht nur der Pfalzgraf Otto Heinrich,

1) Hermann von Wied. Diese Angelegenheit befand sich gerade damals im Brennpunkte. .. *) Vgl. dazu Butzer an Philipp v. Hessen bei Lenz II S. 395. *) Der Kanzler Leonhard von Eck.

11*

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sondern auch der Kurfürst von der Pfalz, wie man erwartet, dem evangelischen Bunde beitreten werden!)^ Gebet.

„Als wir uns nach Gewohnheit zum Nachtrunk hin- gesetzt hatten, traf ein Bote des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen mit einem Schreiben an die in Regensburg in Sachen des Religionsgesprächs anwesenden Auditoren, Adjunkten und Kollokutoren Augsburgischer Konfession ein. Darin wurde uns u. a. mitgeteilt, daß Philipp Melanch- thon zur Zeit vom Kurfürsten nicht entsandt werden könne. Das Schreiben war vom Kurfürsten eigenhändig unterzeichnet ?). Das war uns eine sehr betrübende Mitteilung. Über den sonstigen Inhalt berieten wir?)“.

17. Jan. Gottesdienst in der Herberge durch Pistorius, dann in der Predigt in der Dominikanerkirche und in der Kapelle zur schönen Maria. „Nach dem Frühstück traten auf Veranlassung Butzers Frecht, Gültlingen, Sehnepff, Brenz mit uns zu einer Beratung zusammen. Wir beschlossen, andern Tages Gültlingen, Butzer und Brenz zum Bischof von Eichstedt abzuordnen und ihm im Namen unserer Kollo- kutoren, Auditoren und Adjunkten zu eröffnen, daB wir zum Kolloquium bereit seien.

Übergeben war auch ein Schreiben des Kurfürsten an die Präsidenten. An demselben Nachmittage traf auch Graf Friedrich von Fürstenberg ein, der angeblich schon seit einem Monat anwesend sein sollte.“

Dem Malvenda soll ein Verzeichnis mit den Namen der evangelischen Prediger und aller, die sich in Regensburg zum Evangelium bekannt haben, übergeben sein. Darin soll Zollner voranstehen.

„Herr Jesu, Tröster der Betrübten und Trauernden, be-

1) Zu diesem Kapitel: Hans Rott, Friedrich II von der Pfalz und die Reformation, Heidelberg 1904 S. 261f. u. A. Hasenclever, Die kurpfülzische Politik in den Zeiten des schmalk. Krieges, Heidel- berg 1905.

3) Bei Neudecker, Merkwürdige Aktenstücke II S, 667 ff.

3) An seine Räte schrieb Wolrad an diesem Tage: „es ist hier noch wenig geschafft. Die Zeit wird lang. Aber wir müssen alles zum Herrn stellen, der wirds wohl versehen, wie es gut wird.“ (Fürstl. Landesarchiv.) |

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kehre die rasenden Papisten und entreiße alle ngchuldigen mit Macht ihrer Hand!“

18. Jan. „Gültlingen, Butzer und Pistorius werden zum Präsidenten, Bischof von Eichstädt entsandt, um ihm zu sagen, daß wir von unsern Auftraggebern vollgültige Er- mächtigung haben, das Gespräch zu beginnen; wenn also seine Herrlichkeit geneigt sei, über die Anordnung desselben zu verhandeln, so seien wir bereit. Der Bischof erwiederte kurz, daß er, was seine Person angehe, gern die Sache be- schleunigen wolle, aber er müsse über das, was er soeben gehört, erst mit seinem Kollegen, dem Grafen von Fürsten- berg, und andern, die es angehe, Rücksprache nehmen. So- bald sie beraten hätten, werde er uns rufen lassen. Sic pariunt montes, nascetur ridieulus mus. Auch müsse er die Entscheidung des Kaisers abwarten, d. h. eine Deklaration, in welcher Weise dieser die Angelegenheit behandelt haben wolle.“ |

Butzer, Pistorius und Wolrad berichten an den Landgrafen?) „Das wie ich glaube nicht unbegründete Gerücht über die Pest verstärkt sich. In einem Briefe des Petrus Martyr aus Straßburg wenig erfreuliche Nachrichten über den Bundestag in Frankfurt. Gebet.

19. Jan. Predigt des Mag. Nikolaus Gallus. Ab- fertigung eines Boten mit dem gemeinsamen Bericht von Butzer, Wolrad und Pistorius an den Landgrafen. Besuch von Diaz und Brenz. Dieser bringt ein Schreiben Luthers an den Kurfürsten Johann Friedrich und den Landgrafen betrefis Aufrechterhaltung der Gefangenschaft des Herzogs Heinrich von Braunschweig?).“ Gebet.

20. Jan. Ein Schreiben des Landgrafen an Wolrad, Pistorius und Butzer trifft ein; dazu Briefe von Verwandten mit Familiennachrichten. Frecht, Sehnepff und Brenz, die von dem landgräflichen Schreiben erfahren haben, glauben in jenem Schreiben eine Aussicht auf ein baldiges Ende des „Exils“ zu finden. Doch ist darin von dem Kolloquium nur

!) Butzers Bericht bei Lenz II S. 389 ff. (ein „Extraktum“ in Wolrads Urkundenbuch); derjenige der hessischen Abgesandten bei Neudecker II S. 665 ff.

?) Kóstlin-Kawerau, Luther II S. 611 ff.

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nebenbei die Rede, indem die Erwartung ausgesprochen ist, daß sie bald beurlaubt werden könnten. Zu der Äußerung, daß man also in derselben Unsicherheit sei wie vorher, be- merkt Brenz: hoc saltem habemus certius, ut dominum Jesum. in euius negotio hie degimus, ardentioribus votis pulsemus, ut felices successus harum rerum daret.

Man erzählt, daß Herzog Wilhelm von Bayern sieben Bauern seiner Herrschaft aus keinem andern Grunde fest- gesetzt habe. als weil sie in Regensburg ihren Lebensunterhalt gesucht. „Täglich wächst die Grausamkeit dieses Herzogs gegen die Lehre Christi und die Diener des Wortes.“

21. Jan. Wolrad hört Zollner aus Act. 19 predigen: de fractione panis papistica eximie requirentem; a puellis nostris, quae tantum catechesim addiciseunt, superari eos posse, affabre disseruit. Einladung zu Brenz. Daselbst wird ein Brief vorgelegt, in dem u. a. mitgeteilt ist, daß der Kaiser ein Heer sammelt und naeh vielen Anzeichen keine Hoffnung in Beziehung auf das Gespräch und den Reichstag ist usw. Gebet.

Man hört, daB die Gesandten des Kurfürsten Johann Friedrich angekommen seien. Als Pistorius über den Marktplatz ging, hörte er zufällig eine Frau sagen: „diesen guten Mann habe ich mehrmals hier in Regensburg gesehen; er ist wahrhaftig ein frommer Gelehrter und ein bei den Fürsten beliebter Mann.“ Ein zufällig vorübergehender „papistischer Oberpriester“ ruft scheltend dazu: „im Gegen- teil, der Satan ist er!“

22. Jan. „Gegen 4 Uhr schickte Dr. Zoch. der Ge- sandte des Kurfürsten von Sachsen, einen kurfürstlichen Diener zu mir, ließ mir guten Tag wünschen und seine und seines Kollegen Ankunft am gestrigen Tage melden und bat, daß ich ihm eine Stunde bestimmen möchte, in der er mich besuchen könne. Ich erwiederte ihm, daß ich seinen Besuch sofort entgegennehmen könne, da ich am Nachmittag vielleicht durch wichtigere Geschäfte abgehalten werden könnte. Ehe der Bote die Bestellung ausrichtete, ließ ich unsern Kollegen Butzer kommen. Bald erschien auch Doktor Zoch. Wie es üblich ist und die Rücksicht auf seinen Fürsten erfordert, ging ich ihm entgegen und führte

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ihn in unser Hybernaculum. Hier berichtete er in Gegen- . wart von Butzer und Pistorius, daß er vor elf Tagen wenn ich mich recht erinnere gemeinsam mit Georg Major von seinem durchlauchtigsten kurfürstlichen Herrn nach Regensburg beordert sei, aber wegen rauher Witterung und Nebel und des dadurch verursachten ewigen Wartens habe er nicht so zeitig hierher aufbrechen können, als er gesollt!?. Man möge ihm das nachsehen, um so mehr, da den Unsern aus dieser Verzögerung noch kein Nachteil er- wachsen sei. Er habe von dem durchlauchtigsten Kurfürsten den Auftrag, gleich nach seiner Ankunft die von dem durch- lauchtigen Landgrafen von Hessen domini sui electoris charissimo fratre et huius negotii primario collega Ab- gesandten aufzusuchen und sich über den Stand des Gesprächs genau zu informieren: was bisher in der Sache geschehen sei oder ob anläßlich der vor einigen Tagen eingetroffenen Schreibens des Kurfürsten etwas erfolgt sei usw. Er legte alles in großer Redekunst dar. Auf diese wohlwollende Rede erbaten wir uns eine kurze Frist zur Beratung. Dann antwortete in unserm Namen Butzer: wir seien erfreut über ihre Ankunft und nehmen ihre Entschuldigung an, um so mehr, da wir aus den andauernden Regenfällen und der Kälte die Schwierigkeit der Reise uns vorstellen könnten, obwohl wir lieber gesehen hätten, daß sie zeitiger vom Kurfürsten deputiert wären, weil gewisse Leute wegen dieser Verzögerung in nichtigen Reden uns verdächtigt hätten, als wollten wir dem Kolloquium uns ent- ziehen. Dann begann Butzer alles Einzelne der Reihe nach ihm darzulegen, zuerst, wann die ersten von unserer Seite hier eintrafen, ebenso von der gegnerischen Partei, ferner daß der Bischof von Eichstädt vor einigen Tagen Gültlingen und mich empfangen, was er mit uns gesprochen, daß der Kaiser ihm das Präsidium übergeben, was er über die Abwesenheit Melanchthons geäußert, ferner, wie Gült- lingen, Butzer, Brenz, Schnepff und ich (denn Martin Frecht war nicht geladen ich weiß nicht aus welcher

1) Vgl. dazu den Bericht Majors an Luther und die Mitteilungen bei Kolde, Analecta Lutherana S. 425.

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Ursache) am 14. Jan. vom Bischof zum Frühstück gebeten seien, indem er alles anführte, was in der Unterhaltung vom Bischof und uns berührt wurde, ferner, daß wir vom Kur- fürsten am 16. ein Schreiben erhalten und auf Grund des- selben durch Butzer, Gültlingen und Pistorius in aller Auftrage mit dem Bischof uns besprochen hätten.

Dies alles legte Butzer mit allen einzelnen Umständen kurz, richtig und gelehrt dar, indem er schloß: so sei die Lage; wenn aber Doktor Zoch es für gut hielte, nach dem Frühstück auch die übrigen Herren zu berufen, so stehe das in seinem und unserem Belieben.

Der Doktor erklärte, daß er alles nötige erfahren habe und ganz richtig verstanden sei. Im Namen seines durch- lauchtigsten Fürsten billige er, daß der Bischof durch uns gemahnt worden sei, und erkenne an, daß uns keine Schuld an der Verzögerung des Gespräches treffe; die übrigen nach dem Frühstück zu berufen, sei nicht nötig, aber er wolle Gültlingen, mit dem ihm eine alte Freundschaft verbinde, zu gelegener Zeit aufsuchen, ebenso die andern; im übrigen sei er bereit, zugleich mit seinem Georg Major, so oft eine Beratung über Einzelheiten nötig sei, mit uns und den andern sich zu besprechen. Mit Gruß trennten wir uns. Zoch sagte noch, daß er Jemanden zu dem Bischofpräsidenten schicken werde, der seine Ankunft und die Bereitschaft zum Beginn des Kolloquiums melden solle.“

Unmittelbar nach seinem Weggange traf der Sekretär Gültlingens ein, welcher meldete, daß der Bischof am selben Nachmittage alle Deputierte zu sich entbieten lasse.

In einer Besprechung beschlossen die Evangelischen, als ihre Vertreter Zoch, Butzer, Pistorius und Gült- lingen zum Bischof zu entsenden. !

Dieser empfing sie freundlich und entwickelte folgende Gedanken: es sei immer seine Absicht gewesen, die An- gelegenheit zu beschleunigen, aber es sei ihm und seinem Kollegen, dem Grafen Friedrich von Fürstenberg nötig er- schienen, die Ankunft der kursüchsisehen Gesandten ab- zuwarten, um so mehr, da diese durch Schreiben des Kur- fürsten in nahe Aussicht gestellt sei. Nunmehr sei er mit seinem Kollegen der Meinung, daß man an das Gespräch

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herantrete; sie möchten das an die Ihrigen mitteilen, damit diese bereit seien.

Nach kurzer Beratung antwortete Zoch, ehde er das verspätete Eintreffen der Sachsen höflich entschuldigt hatte: er und seine Partei seien bereit, an allen Handlungen zwecks Beseitigung der Kontroversen mitzuwirken. Dazu habe er von seinem Kurfürsten Auftrag; er zweifele aber auch nicht an der gleichen Gesinnung der andern, die er von dem Gehörten in Kenntnis setzen werde.

Auf die Frage nach Ort und Stunde der Zusammenkunft, erwiderte der Bischof, daß er die unsern zur Zeit davon in Kenntnis setzen werde.

Während dieser Verhandlungen unterhielten sich Georg Major, Schnepff, Frecht, Brenz und Wolrad über Württembergische Dinge, bis die Deputierten zurückkamen und ihnen Bericht erstatteten. Dann löste sich die Ver- sammlung auf. Kaum war dies geschehen, so traf eine Einladung des Bischofs zum Frühstück auf 9 Uhr morgens am folgenden Tage ein.

„Georg Major erzählte, daß Philipp Melanchthon heftig vom Steine gequält werde, so sehr, daß er vor einigen Tagen vier Stückchen unter großem Schmerze durch die Harnröhre ausgestoßen habe. Sicher sei dies der Grund, daß der Kurfürst ihn nicht habe hierher senden wollen. Dagegen sei der treffliche (praeclarissimus) Philippus trotz seines so schlechten Befindens bereit gewesen, zu kommen, wenn er hier von Nutzen sein und der Kirche dienen könne.“ Georg Major brachte einen Brief Melanchthons an Pisto- rius mit!. Gebet. Spaziergang zur Donau, wo die Insel mit ihren Fischerhäuschen und den Mühlen in Augenschein genommen wird.

23. Jan. Wolrad und Gültlingen begeben sich zum Frühstück zum Bischof, bei dem sie auch Zoch und Major treffen. Anwesend ist ferner Graf Friedrich von Fürsten- berg. Nach dem Mahl begleiten die Sachsen und Gültlingen den Grafen in liebenswürdiger Weise cum reverenti gratia zur Donaubrücke, wo der Strom mächtig flutet

1) Abschrift in Urkundenbuch; danach Lenz IV S. 401 Anm. 5.

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und Schiffstrümmer und Kähne der Mühlen mit sich trägt. Wilhelm von Fürstenberg hat sich mit 46000 Goldgulden aus französischer Gefangenschaft losgekauft.

Gültlingen war der Meinung, daß am nächsten Sonntag oder Montag die Unsern zusammentreten müßten, um sich über die Wahl geeigneter Protokollführer schlünig zu machen. Pistorius wurde beauftragt, Butzer darüber zu hören. Gebet.

Nach dem Abendgebet (a vespertinis precibus) erschien Butzer bei Wolrad und sie führten ernste Gespräche.

24. Jan. In der Herberge legt Pistorius das sonn- tägliche Evangelium aus. Im Gottesdienst betet M. Gallus auf Wunsch der Evangelischen für einen glücklichen Verlauf des Kolloquiums. „Noch in der Kirche meldet Gültlingen in froher Stimmung, daß Herzog Ulrich von Württem- berg ihm gestern durch einen reitenden Boten mitgeteilt habe, daß der Kürfürst Friedrich von der Pfalz und unser Landgraf, heute, also am 24. Januar, zugleich in Frankfurt am Main eintreffen würden, und der Kurfürst pedibus vel potius pio animo dem evangelischen Bunde beitreten werde.“ |

Den Sachsen und den tibrigen der Unsern wurde an- gesagt, um 1 Uhr in der hessischen Herberge sich zu ver- sammeln. Es kamen demgemäß Butzer, Brenz, Zoch, Major, Frecht, Schnepff, Gültlingen. Nach reifer Überlegung einigte man sich dahin, den Nürnberger Veit Dietrich zu bitten, das Amt eines Protokollführers zu über- nehmen. Butzer brachte auch Juan Diaz zum Vorschlag. Auch andere Dinge wurden beschlossen. Gebet.

95. Jan. Veit Dietrich und sein Gefährte hatten gestern ein Mahl für sich in ibren Herbergen in Regensburg bestellt aber bis zur sechsten Stunde wußte man noch nichts Bestimmtes über ihre Ankunft. Die protestantischen Theo- logen versammelten sich bei Brenz zur Beratung über die von Diaz niedergeschriebene Protestation ^).

Als bei Johannes Brenz die Rede darauf kam, daß der Kurfürst von der Pfalz dem evangelischen Bündnisse beigetreten sei, meinte er, er fürchte, daß es uns ebenso

1) Siehe unten.

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gehen könne wie dem heiligen Petrus; denn als dieser mit seinem Netze eine Überfülle von Fischen aus dem Meere zog, zerriß das Netz. Quid apotegma signare, qui legit, intelligit.

Zoch und Major begleiten die Mutter ihres Wirtes, die in der Nacht vorher im Herrn entschlafen ist, in Ge- meinschaft mit ihren Verwandten zu Grabe.

Der Bürgermeister und Rat lassen bei den hessischen Abgeordneten anfragen, ob ihnen ihr Wirt genehm wäre. Wenn sie mit ihrer Unterkunft nicht zufrieden seien, würde der Rat uns eine andere besorgen. Wolrad antwortet dankend, daB man gut aufgehoben sei und tiber diese Aufmerksamkeit dem Landgrafen Bericht erstatten werde.

„In Nürnberg wurde erzählt, daß der Kardinal von Augsburg) mehrere Weinfässer, mit goldenem und silbernem Gerät gefüllt, heimlich nach Italien zu schaffen versucht habe. Doch die Augsburger Domherren, die augenblicklich in Dillingen residieren, hätten diesen Trug des Bischofs er- fahren, die Fässer zerstört und, ich weiß nicht, was gegen den Kardinal beschlossen.“

Gegen 4 Uhr werden Wolrad und Pistorius von dem Bischof auf den folgenden Tag zum Frühstück eingeladen. Sie hoffen dort sämtliche Deputierte beider Parteien an- zutreffen. Gebet.

26. Jan. Anwesend sind beim Bischofe außer dem Grafen Friedrich von Fürstenberg Graf Wolrad, Gült- lingen, Zoch, Butzer, Brenz, Schnepff, Pistorius, Major. Frecht ist wiederum übergangen (cum saepius nos ceteros communes exceperit, nunquam tamen Frectus vocatus est). Nach dem Frühstück führte der Bischof zugleich mit dem Grafen Friedrich seine Gäste in das Hybernaeulum und redete sie an: |

„Nachdem neulich Gültlingen und der Graf zu Waldeck mit meinem Kollegen Friedrich bekannt gemacht worden sind, schien es mir angemessen, auch euch Übrige einzuladen, damit Ihr und mein Kollege Euch gegenseitig kennen lerntet. Da euch bekannt ist, was ich bei anderer Gelegenheit zu

!) Bischof Otto Truchseß von Waldburg (Fr. Roth, Augs-

burgische Ref.-Gesch. III München 1907 S. 214 ff.; Deutsche Biographie Bd. 24 S. 634 ff).

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euch gesprochen habe, und ihr wißt, welcher Auftrag mir von unserem siegreichen Kaiser gegeben ist, und nunmehr Zeit ist, daß wir an die so ernste Angelegenheit herantreten, so möchte ich euch, wie schon früher, ermahnt haben, das Gewicht der Sache wohl zu erwägen und euch billig und willig zu der Einigung bereit finden zu lassen (vosque equos et faciles ad concordiam praestatis). Denn ich glaube, daß es hauptsächlich auf euch ankommt. Gehet also vor allem Gott mit euren Gebeten an, denn ich hoffe, daß die Dinge noch nicht so weit verfahren sind, daß sie. nieht wieder in Ordnung gebracht werden könnten, wenn sie nur in billiger und friedensliebender Gesinnung behandelt werden. Laßt euch also angelegen sein, daß die Ehre Gottes vor allem gesucht, dann daß unserm gemeinsamen Vaterlande Germanien der Friede wiedergegeben werde. Was mich an- betrifft, so werde ich für meine Person nichts unterlassen,

Kurz erwiederte darauf in unserm Namen Zoch: wir seien den Herren Präsidenten, vorab dem Bischof, für ihre große Freundlichkeit (pro humanitate et comitate) dankbar und zu allem, was dem Worte Gottes und der Einigkeit dienlich sei, bereit und von derselben Gesinnung beseelt be- züglich der Aufrechterhaltung des Friedens im gemeinsamen Vaterlande. |

Der Bischof fragte auch, ob von den Auditoren und Kollokutoren unserer Partei Niemand mehr fehle, worauf geantwortet wurde, daß allerdings die Nürnberger wegen Überschwemmung und anderer Wegehindernisse noch nicht da seien, indeß erwarten wir heute oder doch morgen. ihre Ankunft. Im Übrigen würden wir trotz ihrer Abwesenheit, wenn wir berufen würden, unserseits das Gespräch beginnen.

Darauf sagte der Bischof kurz noch: „Einer von unsern Auditoren fehlt auch noch; ich vermute, daß er aus dem- selben Grunde, den ihr eben angegeben habt, ausgeblieben ist. Aber das wird uns kein Hindernis sein.“

Darauf reichte man sich die Hand, wünschte sich gutes und trennte sich. Die Evangelischen begaben sich in ihre Quartiere, nachdem sie vorher eine Zusammenkunft um 3 Uhr verabredet, um über die Protestation und andere Dinge sich zu besprechen.

45 165

Nürnberger Freunde haben nicht unterlassen, uns zu warnen, dem Bischofe Moritz zu sehr zu vertrauen.

In der Kirche zur schönen Maria predigt M. Gallus über das Gebet Christi für die Seinen Joh. 17 und ermahnt darin zu ernstem Gebet, daß Gott denen, die von beiden Parteien zum Kolloquium berufen sind, in Gnaden einen solchen Geist verleibe, daß sie nicht das, was ihnen als richtig erscheine, sondern, was das Wort Gottes befiehlt, vor- tragen und darnach alles prüfen. Loci et horae colloquii nulla hactenus mentio.

Der alte Kleriker Butzers, der zum Landgrafen gesandt war, ist unterwegs infolge Nebels von einem hohen Berge herabgestürzt; doch hat sich nur das Pferd verletzt.

In der Beratung nach dem Frühstück wurde die Pro- testation verlesen, beraten und beschlossen, sie ins Reine zu schreiben und zwecks definitiver Redaktion den Einzelnen zuzustellen 1. Gebet.

„Bis gegen 9 Uhr nachts sind weder Ort noch Stunde des Gesprächs bekannt gegeben."

27. Jan. Die Präsidenten, der Bischof und Graf Friedrich, begaben sich in früher Morgenstunde gegen 7 Uhr in den Dom. „A multis saerificulis missarum papi- sticarum solemnia peracta (sunt). Zwischen 8—9 Uhr kehrten sie zurück. In ihrer Begleitung befanden sich Petrus Malvenda, Kaspar von Kaltenthal, Billick, bicolor earmelita Coloniensis, der Augustinerprovinzial Johannes Hoffmeister in schwarzer Kutte, Cochläus, wegen seines Hasses gegen die Wahrheit bei Jedermann verhaßt und verachtet (omnibus ob odium veritatis invisus et ;éonter psu) Noeh fehlt ihnen ein Kollokutor.

„Als sie schon im Rathause waren, obwohl uns nichts gestern oder heute über Ort und Stunde angezeigt war qua ratione, noverit deus schickten die Präsidenten den Kämmerer (Bürgermeister) Andreas Wulff?) und den bischöflichen Sekretär zu den Einzelnen unserer Partei und zwar zuerst zu den Sachsen, dann zu Pistorius and mir, die uns im Namen der Präsidenten sagen sollten: „die Herren

1) Urkundenbuch. ?) Dieser zählte zu den Evangelischen (oben S. 24).

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Präsidenten hätten allerdings geglaubt, daß uns die heutige Stunde des Kolloquium angezeigt sei, aber da sie nunmehr erfahren, daß dies nicht geschehen, so bitten sie für diese ihre oder ihrer Leute Nachlässigkeit um Entschuldigung und ersuchen außerdem, da sie nun einmal versammelt seien, daß auch wir uns herbeilassen möchten, zu kommen, damit man endlich einen Anfang des Gesprächs gewinne. Wir, ihnen gleichsam Gehorsam leistend, stellten uns zusammen ein. Beim Eintritt in das Rathaus fragte der Kämmerer Wulff: wenn wir vielleicht vorher uns beraten wollten, ehe wir von den Präsidenten gerufen würden, so würde er uns in ein besonderes Zimmer führen. Das geschah auch. Bald schon erschien der Kanzler des Bischofs mit dem Auftrage, zu den Präsidenten zu kommen. Wir durchschritten zuerst das Hypocaustum, welches den Gegnern zur Beratung vor- behalten war, und gelangten dann in ein enges Winterzimmer, wo wir die Herren Präsidenten mit den Auditoren, Kollo- kutoren und Adjunkten der Gegenpartei fanden. Nachdem die Präsidenten uns freundlich begrüßt, forderten sie uns auf, an dem Tische, der eingangs des Hybernaculums für die Verhandlungen hergerichtet war, Platz zu nehmen.

Die Plätze waren so verteilt: die Herren Präsidenten saßen rechts vom Eingange allein an einem Tische; der Bischof nahm den ersten Platz ein, zur Rechten hatte er den Kanzler, der ihm sufflierte. In der Mitte des Zimmers war ein länglicher Tisch aufgestellt, neben ihm rechts und links Bänke. Auf der ersten Bank vom Tische zunächst saßen die Kollokutoren, so dab sie sich auflehnen und schreiben konnten. Hinter dieser Bank stand eine andere in einem Zwischenraum, der den Auditoren bequemen Zugang gestattete. Wir saßen nach festgesetzter Ordnung so: zur Rechten des Bischofs auf der hinteren Bank Georg von Loxan, Reichshauptmann in Regensburg!) Kaspar von Kaltentbal und der königliche Rat Georg Ilsung in Regensburg. Ein Auditor fehlte den Gegnern noch. In der

1) Deutscher Vizekanzler des Königreichs Böhmen und Befehls- haber der kaiserlichen Truppen in Regensburg. Ein Bericht von ihm an den Kaiser über das Eindringen der Reformation in Regensburg bei Lanz, Korrespondenz Karls V. II S. 367.

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dem Tische näheren Bank nimmt zur Rechten des Bischofs den ersten Platz ein Petrus Malvenda, dann Johannes Billick, naeh diesem Hoffmeister, zuletzt Cochläus, Zur Linken des Grafen auf der entfernteren Bank saß zu oberst Doktor Zoch als Vertreter des Kurfürsten, dann Graf Wolrad, nach diesem Balthasar Gültlingen (denn der Nürnberger ist noch nicht da) als Auditoren; an der nächsten Bank zuerst Martin Butzer ob conditionem et Georgii Majoris rogatu nach ihm Georg Major, dann Eberhard Sehnepff und Brenz als Kollokutoren. Daniel Strieber, Probst in Würzburg, und ein Móneh standen als Berater zur Seite. Hinter mir Pistorius und Frecht.

Nachdem alle Platz genommen, ergriff der bischöfliche Kanzler das Wort.

Er entschuldigte zuerst die Präsidenten uns gegenüber, daB weder Ort noch Zeit des Gesprächs uns angezeigt seien. Dann hub er an: der Kaiser habe seinen Herrn, den Bischof Moritz von Eichstädt und den Grafen Friedrich von Fürsten- berg zu Präsidenten in dem Kolloquium ernannt; in dieser Eigenschaft würden sie alle Bemühungen dahin richten, daß das Kolloquium in Gemäßheit des kaiserlichen Mandats glück- lich angefangen und durchgeführt werde. Daher richten sie an die Anwesenden die Bitte, daß sie ohne Streit, in aller Milde nichts als die Ehre Gottes und des gemeinsamen Vaterlandes Germanien Eintracht und Nutzen suchen.

Zoch ergriff darauf kurz das Wort, um im Namen der Evangelischen zu erklären, daß jene Entschuldigung nicht nötig sei. Im übrigen sei man zu allem willig.

Der Kanzler forderte nun namens der Präsidenten auf, das Gespräch zu beginnen. Nachdem auch Malvenda kurz die Bereitwilligkeit seiner Partei und das Versprechen, amice et christiane zu verhandeln, zum Ausdruck gebracht hatte, wurde die kaiserliche Resolution betr. die Geschäftsord- nung!) verlesen. Nachdem die. Evangelischen sich für ihre Stellung dazu eine kurze Beratung erbeten und erhalten hatten, gaben sie durch Butzer folgende Erklärung ab: sie dankten dem Vater unseres Herrn Jesu Christi, daß er dem

1) Urkundenbuch. uL.

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Kaiser, ihrem Herrn, den Gedanken gegeben, auf diese Weise die Religionsstreitigkeiten zu diskutieren. Diesen Dank sprächen sie auch aus im Namen der evangelischen Stände Sie dankten auch den Präsidenten für ihr Wohl- wollen und seien bereit, an die Verhandlung heranzutreten zur Ehre Gottes und in Gehorsam gegen die kaiserliche Majestät ohne jede Sophisterei und bösen Willen. Jedoch in Rücksicht auf den reichen Inhalt, für dessen Fixierung das Gedächtnis nicht ausreiche, bitte man die Präsidenten, anzuordnen, daß alle Reden und Handlungen (omnia dicta et acta) durch Protokollführer aufgenommen würden, um so mehr da unsern Auditoren nicht weniger als den Herren Präsidenten die Pflicht obliege, der kaiserlichen Majestät und den Reichsständen über alle Vorgänge des Gesprächs treuen Bericht zu erstatten. Die Präsidenten erklärten durch den Kanzler sich damit einverstanden. Doch sei nicht nötig, daß die Notare Wort für Wort niederschrieben, denn das würde ein unermeßliches Meer von Worten (immensum ver- borum pelagus) ergeben, sondern nur das, worüber man in den einzelnen Artikeln übereingekommen sei. Wo eine Einigung nicht erzielt sei, solle gestattet werden, daß die Partei, welche den vorliegenden Artikel bestreitet, ihre Meinung schriftlich vorlegt, eigenhändig unterschreibt und darauf den Notaren übergibt, und daß diese hierüber treu referieren. Da ferner bei frühern Religionsgesprächen Mit- teilungen über diesselben in das Volk gelangt wären, noch ehe die Entschließung getroffen war, so bitte man, darüber nachzudenken, wie es einzurichten sei, daß nichts vor der Beschließung öffentlich werde, was für die Teilnehmer nur unrühmlich sein könne.

Die Evangelischen erbaten sich Bedenkzeit. Damit wurde die erste Sitzung geschlossen und die nächste auf den 28. Januar angesetzt!)

. Um 2 Uhr, nach dem Mittagsmahl, versammelten sich die Evangelischen zur Beratung. Sufficit igitur unicuique diei molestia sua. Gebet. |

28. Jan. Gegen 7 Uhr begaben sich die Präsidenten

!) Der amtliche gemeinsame Bericht A.R.G. V S. 6—10.

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in das Rathaus. Nachdem die Evangelischen hereingerufen waren, fragte sie der Bischof, wie sie sich zu den gestrigen Vorschlägen stellen wollten. Butzer antwortete klar und beredt ut est homo multis gratiis a deo maxime ornatus im Namen der übrigen: Sie wiederholten ihren gestrigen Antrag, daß, weil die Arbeit eine so mühsame sein würde, und sie andererseits, wie die Herren Präsidenten dem Kaiser, den Reichsständen und Fürsten, von denen sie deputiert seien, von allen Verhandlungen „Bericht erstatten müßten, ihnen zwei Notare bewilligt wurden, die alles aufnehmen, damit wir einen zuverlässigen und vollständigen Bericht geben können. So sei uns auch im Wormser Abschiede aufgetragen und durch die Kaiserliche Majestät und unsere Stände gestattet. Er las darauf aus dem Abschiede die ein- schlägigen Artikel mit deutlicher Stimme vor und erläuterte die einzelnen Worte genau. Quod tametsi haec exceptio dictorum omnium moram ae molestiam adferre posset, tamen haee eausa fuit de summa nostra salute; nos nullae rei rectius tempus impendere quam huie maxime, eum quicquid temporis hujus miserae vitae sit, ab uno illo religionis verae haberemus auctore.“ Was die Verschwiegenheit anbetrifft, so antwortete er: „Die unseren seien nicht so unzuverlässig (futiles), daß sie ausplaudern würden, und sie versprechen den Herren Präsidenten, wie sich ziemt, sich zu verhalten. Dagegen können sie dem Wunsche des Bischofs, daß die Notare nicht alles aufnehmen, nicht beitreten. Sie müßten darauf be- stehen, daß alles niedergeschrieben würde gemäß dem Wormser Abschiede und dem Befehle ihrer Fürsten und Stände. Anders auch sei eine ausführliche Berichterstattung nieht möglich. Daß dies nicht anders gehe, legte er deutlich vor aller Auge dar. Was die Zeit der Zusammenkunft an- betreffe, daß diese nämlich um 7 Uhr vormittags stattfinden solle, die Entscheidung darüber überlassen sie den Herren Präsidenten.“ |

Butzer sprach höflich (cum honestissima eorum nämlich praesidentium mentione et reverentia), klar (di- lueide) und gründlich (probatissimis argumentis). Die Präsi- denten berieten darauf lange unter sich und mit ibrer Partei, wührend die Evangelischen sich in ein anderes Zimmer be-

Archiv für Reformationsgeschichie VII. 2. 12

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geben hatten. Endlich, als die Zeit des Frühstücks ge- kommen war, ließen sie sagen, daß sie mit ihren Beratungen noch nicht zu Ende gekommen seien. Unter Hinweis auf das Frühstück ersuchten sie daher die. Evangelischen, am andern Tage um 7 Uhr sich wieder einzufinden. Et hie secundus actus! Gallus speist bei Wolrad.

Um 2 Uhr nachm. versammelten sich die Evangelischen und wählten Frecht und Pistorius zu Protokollführern. Diese nahmen an. Gebet.

Pistorius beschenkt den Grafen mit Melanchthons loci communes.

29. Jan. Um 7 Uhr früh begab man sich wieder zum Rathause. Die Präsidenten schickten ihre Auditoren und Kollokutoren hinaus, reichten den Evangelischen bei ihrem Eintritt die Hand und luden sie zum Sitzen ein. Darauf nahm der Kanzler das Wort:

Die Präsidenten hätten die vier gestern von uns vor- gelegten Artikel richtig verstanden und daraufhin die kaiser- liche Instruktion genau durchgelesen, ebenso den Wormser Abschied, aber weder in jener noch in diesem hätten sie etwas von Notaren gefunden. Da sie aber andererseits ein- sehen, daß es unmöglich sei, die Verhandlungen im Ge- dächtnis zu behalten, so hätten sie vorgeschlagen, daß sie, die Präsidenten, Notare zur Niederschrift wenigstens des wichtigsten berufen. Weil sie jedoch bemerkt hätten, daß wir damit nicht einverstanden seien, so scheine es ihnen nicht unbillig, da sie von Herzen (ex animo) einen guten Fortgang des Gesprächs wünschten, daß auf beiden Seiten ein Kollokutor das Protokoll führe. Ihre Kollokutoren seien damit einverstanden, und die Präsidenten nehmen an, daß auch uns dies angemessen erscheine, damit nicht durch unsere Schuld eine so wichtige Angelegenheit Verzögerung erleide. Die unsern möchten sich dem auf einige Tage unterziehen, denn in wenigen Tagen müsse die von ihnen schon lange erwartete kaiserliche Resolution eintreffen, nach der sie dann alles ordnen würden!) _

!) Es handelt sich um eine von Malvenda vor Beginn des Gesprächs erbetene Instruktion in Ergänzung der ihm schon früher zugestellten (Caemmerer S. 49, 56 f.).

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In Rücksicht auf die Wichtigkeit der Sache erbaten sich die Evangelischen Bedenkzeit, die ihnen der Bischof mit den Worten bewilligte: id justum est. Nach der Beratung gab Butzer in ihrem Namen folgende Erklürung ab:

„Sie seien aufs tiefste bewegt (graviter percussos). Niemand unter ihren Kollokutoren wolle oder könne das Amt eines Notars übernehmen, sondern die einem jeden von ihnen von ihren Fürsten und Obrigkeiten aufgelegte besondere Last sei mehr als genug.* |

In geschickter Weise (egregie) suchte Butzer die Präsi- denten dazu zu bringen, wenigstens Pistorius und Frecht als Notare gelten zu lassen, um so mehr, da sie nicht als Fremde anzusehen seien, da der eine einst als Kollokutor fungiert habe, und der andere von seiner Stadt hierher ab- geordnet sei; auch sei uns von unseren Herren aufgegeben, ihnen alles, was hier verhandelt wird, mitzuteilen und ihres Rates uns zu bedienen. Auch das möchten die Herren Präsi- denten erwägen: da auf den Reichstagen zu Worms und Speier unsere Fürsten mit allem Nachdruck bei den Kaiser darauf bestanden hätten, daß mehrere Kollokutoren ernannt würden, was die Folge sein würde, wenn aus unserer Reihe ein Kollokutor als Protokollführer fungieren müsse? Was den Umfang des zu Protokollierenden angehe, so sei ihre Meinung nicht, daß alles und jedes einzelne, was während der Disputation etwa gesprochen würde (ut omnia et singula, quae forte inter disputandum alicui exciderent) aufgezeichnet würde, sondern ,nur um das bitten wir dringend, dab alles, was zu Sache und Beweis gehört, aufgeschrieben wird.“ Dieser Umstand werde eine heilsame Rückwirkung auf Über- legung und Ausdrucksform der Redner ausüben; man werde sich bemühen, daß das Wort nicht auf den Lippen, sondern im Herzen sich bildet. „Auch ist unsere Sache keine solche, die das Licht zu scheuen habe, sondern wir wollen, daß sie nicht nur vor den Reichsständen, sondern auch vor der ganzen Welt, ja vor dem Herrn Christus selbst offenbar sei. Quae omnia Bucerus eo decore protulit, ut majus quiddam quam in scribis et sacrificulis in hoc viro admirari posses.“ Die Präsidenten baten darauf die Evangelischen, ein wenig abzutreten, und nachdem sie lange beraten, ließen sie jenen

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durch den Kanzler und Daniel Stieber eröffnen, daß auch sie wünschten, uns zu Willen zu sein, „aber wir könnten uns selbst leicht vorstellen, daß, obwohl sie eine Kommission vom Kaiser haben, diese nicht endlos, sondern bestimmt um- schrieben sei; die Präsidenten könnten aber nicht annehmen, daß wir ihnen zumuteten, etwas zu unternehmen, was von der kaiserlichen Majestät nicht gestattet sei; sie bitten also, daß wir ihnen keine Schwierigkeiten darin machen, daß einer unserer Kollokutoren als Notar fungiere, damit nicht durch uns das Gespräch hinausgezogen werde. Übrigens wenu wir darüber noch Rats pflegen wollten, so sei uns gestattet, unsere Herberge aufzusuchen. Die Evangelischen indes baten die beiden Beauftragten, ihnen eine kurze Frist zur Beratung an Ort und Stelle zu gestatten. Darnach sandten sie Gültlingen und Butzer zu den Präsidenten, die nun zum drittenmal die Bitte vorbrachten und zwar in schärferer Tonart (verbaque cum salibus asperiora dantes) Sed quid agas, ubi surdo fabulam narraveris? |

Schließlich schiekten die Präsidenten die obengenannten wiederum zu den Evangelischen, um ihnen sagen zu lassen: „Die Präsidenten hätten unser Anliegen an die Kollokutoren übermittelt; diese würden darüber beraten, indeß weil schon die Stunde zur Stärkung des Leibes (refieiendis corporibus) gekommen sei, so wollten die Präsidenten zum Frühstück gehen, was wir auch dürften.“ Nach dem Frühstück würde die Zeit der nächsten Zusammenkunft bekanntgegeben. In der Tat wurde hernach Zoch benachrichtigt, daß man morgen zur gewohnten Stunde anwesend sein möge). Eadem theologi nostri in palestra sua se exercuerunt, ita ut inter se locum quempiam ex prophetis aut aliis canonicis scripturis hebraiee, graece et latine pertraetarent; consuevere et pa- pisticum quoddam argumentum in medium proferre, ut quis- quam suis argumentis ex seriptura confutaret.

30. Jan. Zur festgesetzten Stunde begaben sich die Pro- testanten zum Rathause und wurden erst nach langem Warten zugelassen. Dann redete sie der Kanzler an: die Präsidenten hätten mit den Auditoren und Kollokutoren der „alten Religion“

1) Der amtliche Bericht a. a. O. S. 10.

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(haec enim illis epitheta tribuit) beraten, und diese seien der Meinung, daß für die Forderung der Protestanten be- treffend die Notare keine rechtliche Unterlage bestehe; sie könnten demnach auf keine Weise ihre Zustimmung dazu geben, daß jene Notare gewährt würden, wenn nicht einer der Kolloquenten dieses Amt übernebme. Weil aber die Herren Präsidenten sehr darauf aus wären, daß mit dem Gespräche ein Anfang gemacht werde (avidis animis colloquii negotium ineipi vellent), hätten sie sich entschlossen, Pisto- rius als Notar anzunehmen. Da jedoch ihnen allein der Auftrag geworden sei, über die Vorgänge Bericht zu er- statten, so schlügen sie Folgendes vor:

Was die beiderseitigen Notare aufgezeichnet haben, wird nach Schluß jeder Sitzung in einer zu diesem Zwecke hergestellten Truhe verschlossen und zwar, damit kein Ver- dacht entstehe, mit drei Schlüsseln, deren einen die Präsi- denten, die andern beiden aber die Auditoren jeder Partei in Verwahrung nehmen.

Die Evangelischen berieten kurz unter sich und ließen darauf durch Butzer und Gültlingen den Präsidenten sagen: sie bäten, daß entweder ihrem Antrage auch jetzt noch Folge gegeben, oder ihnen bis morgen Frist zur Über- legung gewährt werde. Die Präsidenten waren mit letzterem einverstanden unter der Bedingung, daß die Antwort dem Bischof in seinem Quartier oder am nächsten Montag im Rathause übermittelt würde. Denn am Sonntag sollte die Angelegenheit ruhen'). |

Butzer nahm das Frühstück bei dem Grafen Wolrad. ‚Um 2 Uhr fand bei diesem eine Versammlung statt, in welcher eingehend über die den Präsidenten zu erteilende Antwort beraten wurde. Man kam zu keinem einheitlichen Beschluß, erinnerte sich aber gegenseitig daran, daß Tauben- einfalt und Schlangenklugheit nötig seien.

Vom Rat zu Nürnberg trifft ein Brief ein, welcher die Krankheit Veit Dietrichs und seines Kollegen meldet; so- bald sie ihre Gesundheit wieder erlangt hätten, würden sie sich einstellen. |

!) Der amtliche Bericht a a. O. S. 11.

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„Der Kurfürst von der Pfalz Friedrich hat sich Gott sei dank als Anhänger unserer Religion entschlossen, unserem Bunde beizutreten.“

Einige Bischöfe in Trient, die sich Bücher der unsern gekauft haben, um die Waffen der Gegner kennen zu lernen, „sind von diesen Büchern so angesteckt, daß sie den Sauer- teig menschlicher Lehre ausgefegt haben und nur aus dem Brunnen der heiligen Schrift trinken wollen, unerschrocken Christum bekennende, mutige Zeugen der wahren Religion“.

Sic Bileam cogitur benedicere etiam mutus. Gebet.

31. Jan. Pistorius predigt in der Herberge des Grafen. Darauf nimmt dieser an dem öffentlichen Gottesdienste des M. Gallus teil. Nach der Predigt versammeln sich die Deputierten bei ihm zur Beratung, die zu diesem einhelligen Beschlusse führte: „Damit nicht mit Grund die Verzögerung einer so wichtigen Sache uns vorgeworfen werden kann, erbieten wir uns den Herren Präsidenten dahin, daß wir aus eigener Bewilligung (ex propria nostra permissione) zu- lassen wollen, daß sie ihre Notare für sich haben und ihre eigenen Akten für sich bewahren mögen, aber auch uns gestatten, daß die von unserem Notar geschriebenen Akten nach den einzelnen Sitzungen versiegelt und so bei uns verwahrt würden. Wenn sie damit nicht einverstanden seien, so seien wir bereit zuzugeben, daß die Akten in eine Truhe verschlossen würden, und diese Truhe dem Rat von Regensburg zur Bewahrung (custodienda) in dem Beratungs- zimmer übergeben werde, so jedoch, daß die Herren Präsi- denten und die Auditores beider Parteien die Schlüssel hätten. Wenn sie dem zustimmten, so wollten die unsern ` das Gespräch nicht hinziehen, quamquam nos toti terrarum orbi nostram confessionem et disputata palam fieri euperemus.“

Nach der Beratung speiste man bei dem Grafen. Nach der Mahlzeit wurde beim Bischof angefragt, ob er eine Ab- ordnung empfangen wolle. Dieser ließ sagen, daß man möglichst bald kommen möge. Delegiert wurden Zoch, Butzer, Brenz und Gültlingen. Sie trugen den Präsi- denten eindringlich (omnem moventes lapidem) die Sache vor, aber sie erhieiten nur die Antwort, daB sie es sich

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überlegen wollten und das Ergebnis bekanntgeben würden; die Stunde würden sie melden.

Zur Abendmahlzeit waren Gültlingen, Butzer und Wolrad bei dem Bischofe. Anwesend waren auch Graf Friedrich von Fürstenberg, Kaspar von Kaltenthal, Johann Hoffmeister und Daniel Stieber. Gebet. |

1. Februar. Am ganzen Vormittag wurde gewartet, ob nicht die Präsidenten die Stunde der Zusammenkunft ansetzen würden. Doch umsonst. Bei dem Grafen speist der Regensburger Geistliche Stephan, homo senecta vene- rabilis. Er erzählt über Trinken und Betrunkenheit bei den Ehrenmahlzeiten des Kaisers oder des Königs im Rathaus.

Ein Kaufmann aus Passau namens Jostus Fretter be- richtet, daß die Ungarn in dem den Türken unterworfenen Gebiete mit Erlaubnis des Großherrn dem Evangelium an- hängen und treue Diener des Wortes haben. Auch Georg Major hat ihm berichtet, daß in Wittenberg viele Ungarn Theologie studieren (multi ex Pannonia rei Mieotogioe ope- ram dant). Gebet.

2. Februar. Predigt des Pistorius in der Hebeis Nach längerer Erkrankung predigt auch Nopp wieder. Adrian von Zertzen?) zählt im Dom mehr als 488 Kerzen, die pro more papistico am Tage von Mariä Reinigung an- gezündet sind. Die beiden Präsidenten trugen vier bren- nende Kerzen; qua vel superstitione vel ratione, viderint. Jemand erzählt, daß der eine der Präsidenten, nämlich der Graf von Fürstenberg, kein Lateinisch verstehe.

Zum Frühstück wurden die. Abgesandten von den Sachsen geladen. Der Empfang war der freundlichste. In negotio eolloquii per triduum plus meditatum quam locutum est. Pistorius erhält einen Brief aus Frankfurt a. M. Um 3 Uhr kommt eine Aufforderung des Bischofs, morgen 7 Uhr uns im Rathaus einzufinden. Zufällig betritt Wolrad die Kirehe zur schónen Maria. Sie ist ganz gefüllt. Es war ein Gottesdienst. Anwesend waren mehrere Ratsherren auch Hieronymus Hiltner homo nulla non virtute praeditus, non minus moribus ae aetate carus und der

1) Vgl. Lenz II S. 402 Anm. 7. 2) Oben S. 19.

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Bürgermeister. „Denn das Lob muß billigerweise den Regensburgern gegeben werden, daß sie nicht nur Mühe daran setzen, daß das Evangelium Christi ordnungsmäßig (rite) und dureh geeignete Diener unter ihnen gelehrt wird und alles in der Kirehe in Ordnung und Würde vor sieh geht, sondern auch die Ratsherrn selbst wohnen den Gottes- diensten bei, obwohl sie sich dem Scheine aussetzen, daß wir die Ursache seien." |

Um 3 Uhr erfolgt die lang erwartete Einladung des Bischofs auf den folgenden Tag um 7 Uhr in das Rathaus. Butzer erhielt einen Brief aus Trient vom 13. Jan, Inhalt: quibus ceremoniis concilium inchoatum fuerit, item quod haetenus non nisi unum consessum habuerint, item praeludia faciant, de rebus ipsis parum aut nihil agentes, item quod cardinalis quidam Calabrie!) egregie ac libere in vitium prelatorum invexerit, item quod 4 die huius Februarii se- eundum habitum fuit consessum. ltem papam simulare nihil serio posse illie agi, nisi Germaniae prelati et regum legati adsint. At qui hie perscripsit, verebatur papam in hoe in- eumbere, ut omnia perturbentur. Gebet.

„Die Päpstler (papicolae), obwohl sie sich als Freunde gegen uns als ihre Freunde verstellen, so gebrauchten sie doch auf allen Reichstagen die List, daß sie die Bekenner und Anhänger der Augsburgischen Konfession zwar ertragen oder sogar mit ihnen leben wollen, so daß diejenigen, die in unserer Zeit für die evangelische Lehre ihren Namen gaben, ihre Lehre frei bekennen lassen, auch die, welche jetzt Bekenner derselben sind, für die Zukunft aber weder in Lehre noch in Glaube dergleichen zulassen wollen. O Crocodolinam pietatem! Justificata est sapientia a filiis suis (Matth. 11, 19).*

„Der Fürst Wolfgang von Anhalt führt in Merseburg das Amt eines geistlichen Administrators, zufrieden mit diesem Titel und 3000 Goldgulden, während Herzog August von Sachsen Bischof heißt und die Einkünfte genießt. Hie dominus Georgius a multis laudatissimis viris hoc elogium meruit, quod sit moribus optimus et imprimis rei theologicae

) Der Kardinal Pole. Die admonitio bei Ehses, Concil. Trid. IV, 548. |

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doctus. Ipse subinde populo Mer(se)burgensi verbum domini syncere serit ac restaurandae illius ecclesiae ad evangelicae doetrinae normam remis velisque intentus suae etiam rei haereditariae impendio ipsa vita reformationem episcopis Germaniae praefigens testis Doctor Georgius Major.“

3. Februar. Um 7 Uhr erschienen die Protestanten im Rathause. Nach fast dreistündigem Warten ließ man sie eintreten. Der bischöfliche Kanzler entschuldigte dies mit der Langwierigkeit der Beratungen; die Präsidenten hätten die Proposition vom Sonntag mit den kaiserlichen Auditoren und Kollokutoren nach allen Seiten hin erwogen und hätten diese Artikel abfassen lassen!) Sie zweifelten nieht, dab diese von beiden Parteien ohne Umstánde angenommen . würden. Die Protestanten baten sich Erwägung aus; da sie jedoch sahen, daß die Präsidenten sich erhoben, um das Frühstück einzunehmen, so erklärten sie sich zu sofortiger Antwort bereit, wenn die Artikel ihnen nochmals vorgelesen würden. Indes die Präsidenten bemerkten: prandii horam instare, doch würden sie ihnen eine Abschrift zustellen, da- mit sie die Artikel zu Hause um so bequemer einsehen könnten; die Antwort möchten sie dem Bischof ins Haus senden. Mutuo igitur data dextra discessum.

Um 2 Uhr hielten die Protestanten eine Sitzung auf Grund der ihnen tbermittelten Abschrift. „Böse, unfähige und gottlose Theologen quälen, wie ungelehrte Ärzte den Körper, die Seele,“ äußert Butzer.

Gültlingen und Butzer werden zum Bischof delegiert, um im Namen der andern Protest gegen die Artikel zu er- heben; doch würde man sich unter Vorbehalt dem Colloquium nicht entziehen ?).

Eadem item litterae allatae de tyranniea regis Angliae reformatione. —- Gebet. |

Von den Präsidenten ist erst wieder auf Freitag eine Sitzung anberaumt.

4. Februar. Predigt Zollners in der Kirehe zur schónen Maria. Habet non parvam ecclesiam hic dominus

1) Urkundenbuch und Butzer S. 19. 2) Urkundenbuch und Butzer S. 20.

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schwierigen Lage. Wegen ihres Eifers für Gottes Wort sind der Kaiser und der römische König gegen sie ein- genommen. Andererseits besitzt sie einen Bischof, Domherrn und den reichen Abt von St. Emeram. Der Herzog Wilhelm von Bayern, der treue Bundesgenosse des römischen An- tiehrists, behandelt sie feindselig adeo ut et mechanicarum artium artifices nihil vendere queant. Denn er hat den Bauern verboten, mit Wagen zur Stadt zu fahren. Attamen hie populus domino leto corde servit, ministros evangelii satis eommode tractat et aperte fidem suam operibus ostendit.

Die Präsidenten trugen Sorge für Aufstellung der Truhe im Sitzungssaale.

Der Markgraf Albrecht von Brandenburg sammelt ein Heer. Zu welchem Zwecke, ist noch ungewiß. Wolrad und Pistorius speisen bei Gültlingen. Nach dem Frühstück Spaziergang mit Butzer, Pistorius und Gültlingen zur Donaubrücke, wo sie zufällig mit Pelargus!) zusammentreffen.

„In der Mitte ungefähr der Brücke steht eine Ciconia avis, den unsere Bauern als „Sterk“ (Storch) bezeichnen würden, die Griechen aber pelargus (zreÀegyóc) nennen: ein Mensch von der Farbe eines Storches, was die Kleidung anbetrifft, denn über der weißen Kutte trug er etwas Schwarzes. Als die Unseren diesen erblickten, näherten sie sich ihm, doch dieser stellte sich, als ob er Niemanden von uns kenne, und rüstete sich zum Weggehen. Als ich diese seine Frechheit bemerkte, trat ich an ihn heran und fragte ihn: warum er da stehe? Ich hätte gehört, daß er von der Mosel und Eifel komme; er möge mir also zu Gute halten, über einiges von ihm Auskunft zu erhalten. Ich fragte ihn also, ob er aus Trier sei und dort wohne. Er antwortete: er wohne dort. Weiter fragte ich ihn, ob er etwas Zu-

1) Ambrosius Storch, gräc. Pelargus, aus Nidda in Hessen, Do- minikaner in Trier und Lehrer an der Universität dort, schon auf dem Religionsgespräch in Worms verwendet, jetzt als Assistent in Regens- burg, beim Erzbischofe hoch angesehen, der ihn „für ein groß rabbi haltet und allenthalben nit genug rhumen kann“ (Butzer bei Lenz I S. 189). Z. vgl. N. Paulus, Die deutschen Dominikaner im Kampfe . gegen Luther, Freiburg 1903 S. 190—212 (Erlüut. u. Ergünz. zu Janssens Gesch. d. d. Volk. IV) und St. Ehses in Pastor bonus 1897 S. 329 ff.

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verlässiges aus der Eifel und die Grafen von Manderscheid sagen könne. Er antwortete, er kenne zwar den alten Grafen Theodor und seinen Sohn, aber er wisse nichts weiter tiber ihre Angelegenheiten. Indes die Geschichte dieses Mönches wird noch besser verstanden werden, wenn sie durch die folgenden Gedichte erläutert ist. |

DM

Impuro gloritans certaminis ore Pelargus, Quid contra superos bella nefanda geris? Pessima quoque bonis profers mendatia veris, Nee tibi justitia est nec tibi nata. fides. Frivoloque vaniloquo mendatia gutture jactas Nee fieri melior nee bonus esse studes, Seripturis blateras sacris . te . . probare Atque seriptura scisque probasque nihil.

Kilianus Jurisperitus . . .(?)

In mentem veniunt quoties mihi monstra Gygantum, Qui eontra superos impia bella movent.

Nausea, Coclea, Sorbonicus!) atque Pelargus. Nomina sunt ipsa quae metuenda sono.

Exeutit illecebris ipsa indignatio . : .

Inque hostes mitti fulmina saeva peto

Et cupio ipse meis aliquos configere telis,

Pellere sie . . . fortia corda decet. -

Da er auch jetzt noch nicht auf den Kampfplatz hervor- treten wollte. fragte ich ihn, ob ihm Herr Johann von Isenburg, Chorbischof von Trier und Propst von St. Paulini, bekannt wäre, worauf er antwortete: gewiß sei ihm dieser erlauchte Graf bekannt, ja er sei sein Kollege gewesen vor zwei Jahren auf dem Konzil in Trient?) und auf der Rück-

1) Malvenda. | l

2) Et hunc collegam ejus fuisse annis ab huc duobus in concilio Tridentino. Weder Ehses noch Paulus wissen etwas von dieser Mission des Pelargus zum Konzil, sondern allein von seinem Erscheinen in Trient im Mai 1546. Nun weiß man aber aus dem Beglaubigungs- schreiben seines Erzbischofs, welches Pelargus mitbrachte (abgedr. im Pastor bonus a.a. O. S. 324), daß jener schon in den ersten vor- bereitenden Stadien nuntii et procuratores entsandt hatte; zu ihnen muß demnach Pelargus gehört haben, was allerdings bisher nicht bekannt war. |

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reise sei ihm in Straßburg etwas Unangenehmes zugestoßen; aber er wollte, obwohl wiederholt befragt, nicht sagen, worin dieses Übel bestände. Doch genug hiervon. Alsich ihn endlich befragte, ob nichts Neues an der Mosel oder an der Eifel passiert sei, antwortete er: gar nichts, außer daß die Trierer Domherrn über einen Coadjutor ihres Erzbischofs beraten hätten; denn der Bischof Ludwig von Hagen sei sehr kränklich usw. Es war aber nicht möglich, heraus zu be- kommen, wer nach seiner Meinung Coadjutor werden würde ut sint Vertumni illi eallidiores —, doch rede man von einem gewissen Herrn von Kriechem(?) 5), aber diesem Protheus darf man gar keinen Glauben schenken ... Als auch Butzer ihn anredete, leugnete Pelargus, daß er sie (nämlich die Anwesenden einschließlich Butzer) kenne, so daß Butzer wiederholte: num nos nosti? Darauf erklärte Pelargus: certe mihi in mentem venit, alias vidisse Bucerum, at rebar, te honestiori pireto (bireto), ut ipse dicebat, et veste viri (?) dulato indutum. Darauf sagte ich: si non notus hie tibi est ex scriptis ad Latomum, facile notior tibi fiat.“ Dann trennte man sich.

N G

Caesar habet naves et grandia vela, quibuscum Ingressus pelagus perdidit inparem?).

5. Februar. „Zur gewohnten Stunde waren wir im Rathause. Dort ließen uns bald die Herren Präsidenten dureh Doktor Matthias Lucas, den bischóflichen Kanzler, und Daniel Stieber zum Eintreten und Sitzen auffordern. Nachdem der Kanzler einige einleitende Worte gesprochen, ließ der Bischof auch die Assistenten eintreten. Von einem Eide war nieht die Rede. Darauf sprach der Bischof: ut Caesareo mandato satisfiat et honori Dei ae Germaniae con- cordiae consulatur, ineipite colloquium in nomine Domini, et vos, qui eaesarei collocutores estis, primum de articulo justi- fieationis disserite.

!) Tatsächlich wurde der oben genannte Archidiakon Graf von Isenburg 1547 Nachfolger des Erzbischofs Ludwig. 2) Anspielung auf Naves und Gravella.

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Tune Petrus a Malvenda Hispanus assurgens ora- tionem instituit, dicens?):

Germaniam per triginta annos jam misere vexatam fore ac deo gratias ipsum agere, quod dederit imperatorem, quo nullum vel sanetiorem vel magis ad pacem inelinatiorem unquam habuisset plus justo imperatorem extollens. Ehren- voll erwähnte er auch die Präsidenten; er und seine Partei seien ihnen für ihre Mühe sic enim diligentiam eorum nominabat zu Dank verpflichtet. Er führte weiter aus, in welcher Absicht und Gesinnung er und seine Genossen zum Gespräch gekommen seien. Er wolle nun zuerst tiber den Artikel von der Rechtfertigung handeln. Er zählte die einzelnen Punkte mit viel Formalismus, Altes und Neues untereinandermischend, auf, und kam sich dabei eindrucksvoll vor. Alles las er aus einer Niederschrift ab. Butzer unter- brach ihn öfters und protestierte bei den Präsidenten gegen dieses Verfahren, das weder vom Kaiser noch von den Präsidenten angeordnet sei; die unsern beanspruchten, daß ihnen nun auch erst Gelegenheit gegeben werde, das für das Gespräch Notwendige vorzubringen?) Malvenda erhob Widerspruch. Nachdem man eine Weile hierüber hin und her gestritten, meinte schließlich der Bischof, man solle Malvenda weiter sprechen lassen; die Gegenpartei könne morgen darauf antworten. Diese war damit einverstanden. Und nun begann Malvenda wieder mit weitschweifigen Aus- führungen, aber: eandem fere cantilenam canens. Alle seine Worte wurden von den Protokollführern aufgenommen und das Protokoll in die eiserne Truhe mit den drei Schlössern niedergelegt. Von den Schlüsseln nahmen einen die Präsi- denten an sich, den zweiten. die kaiserlichen Auditores, den dritten Graf Wolrad.

Beim Frühstück hatte dieser als Gast Franciscus Stancarus aus Mantua, der, von dem römischen Könige

1) Die Rede bei Butzer Disputata p. 21 ff, und Urkundenbuch, dazu der amtliche Bericht a. a. O. S. 14 fi.

2) Im amtlichen Bericht wird der Inhalt genauer angegeben: „unser vorred, protestation und antzaige von rechter ordnung des gesprächs“ (S. 15).

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aus Wien vertrieben, als Exilierter nach Regensburg ge- kommen war.

Nachher fand eine Zusammenkunft aller Protestanten statt zwecks Beratung über die morgen zu erteilende Antwort, dann eine gesonderte Sitzung der Theologen.

Der Herzog August von Sachsen hat in München um die Hand der Tochter des Herzogs Wilhelm von Bayern geworben, doch vergeblich. Gebet. Die Nürnberger sind noch nicht eingetroffen.

6. Februar. Gegen 7 Uhr begaben sich die Protestanten zur Sitzung. Nach kurzem Warten konnten sie eintreten. Butzer verlas nach ernster Anrufung göttlicher Hilfe!) die Protestation und überreichte sie darauf?). Sofort erhob sich nun Malvenda und sprach nach den Präsidenten hin: Reverendissime et generose dominus, posteaquam in hae protestatione aliqua esse intelligo, quae ipsum imperatorem concernant et praeter id munus, quod mihi injunetum est, seilicet colloeutor caesarianus (nam hoe verbo usus est), mihi incumbit, ut de his caesarem Certiorem faciam nec ul- terius in hoe negotio colloquii progredi, anteaquam Caesaris animum de his exploraverim. Butzer gab zur Antwort: nulla praeter decorum Caesaris mentio facta est. Quid igitur interrumpit sermonem? und protestierte zugleich gegen die Unterbrechung durch Malvenda. Gestern habe man dreimal die Rede desselben unterbrochen, um zu sagen, was zu sagen nötig war. Dennoch habe er nicht geschwiegen, und es sei ihm, auf Befehl der Präsidenten, dem die Gegenpartei sich fügte, gestattet worden, seine Worte in die Welt hinaus- zusprechen. Jetzt begehre er dieselbe Freiheit. Nichts- destoweniger redete Malvenda laut auf die Präsidenten ein.

Die Präsidenten hoben die Sitzung für einige Zeit auf, um zu beraten, und ließen beide Parteien abtreten. Nach längerer Beratung eröffneten sie den Protestanten, daß sie die Zwischenreden des Spaniers ungern vernommen, und da sie ihres Amtes in Gerechtigkeit walten wollten, so würden sie, wie sie gestern Malvenda angehört, so heute uns Gehör schenken; sie bitten, daß wir das begonnene Gespräch fort-

1) Urkundenbuch und Disputata p. 29 mitgeteilt. 2) Urkundenbuch und Disputata p. 30 f

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setzen. Die Protestanten erklärten sich bereit dazu unter der Bedingung, daß Malvenda nicht wieder unzeitig sich ein- mische, denn wenn sie ihre Rede zu Ende geführt, bleibe jenem immer noch Zeit genug, zu antworten.

Butzer nahm seine Rede wieder auf, ging auf alle Einzelheiten des Vortrags Malvendas ein und ließ nichts außer Acht, was für die Sache Christi und unserer Fürsten und Städte förderlich war. Er bestritt den Gegnern das Recht, sich Katholiken zu nennen, forderte sie auf, von dieser Bezeichnung abzulassen, und wies überzeugend nach, daß die Evangelischen die wahrhaft Katholischen seien. Er be- tonte den über den Artikel von der Rechtfertigung zwischen den Kollokutoren beider Parteien erzielten Consensus unter Zustimmung des Kaisers und der Reichsstände, indem er Julius Pflug, der jetzt in Regensburg weile‘), zum Zeugen aufrief. Auch in deutscher Sprache redete er die Präsidenten an, weil der eine von ihnen (Graf Friedrich von Fürstenberg) des Lateinischen „weniger kundig“ sei, und bat sie, bei der von ihnen selbst vorgeschriebenen Ordnung zu verbleiben’).

Malvenda darüber ärgerlich unterbrach wieder, doch diesmal weniger schroff, die Rede Butzers; er bat, das ganze Sehriftstück,in welchem die Geschäftsordnungniedergeschrieben sei, dem Grafen Friedrich vorzulesen, worauf Butzer einging. Endlich wurde auch noch der Artikel von der Recht- fertigung durch Georg Major ex libro reconciliationis?) vor- gelesen. Dann brach Butzer seine Rede bis auf morgen ab.

„Als die Protestation (gegen die Geschäftsordnung) ver- lesen wurde, runzelte Malvenda die Stirn. Billick erklärte: haee non est protestatio, sed eriminatio. Die Andern murmelten, ich weiß nicht was.“ Unter den Assistenten befanden sich heute auch Pelargus und Diaz. Das Frühstück nahmen die protestantischen Teilnehmer bei Gültlingen, der in Rücksicht auf die sächsischen Abgesandten das Mahl luxuriös gestaltete (nos sybaritice satis refecit). Danach erging man sich an der Donan.

!) Julius Pflug hatte an dem Regensburger Religionsgespräch 1541 teilgenommen.

2) Butzer S. 49 ff.; amtlicher Bericht S. 16 f.

*) Das sogen. Regensburger Buch.

184 | 64

„Aus der Geschichte von Regensburg ist folgendes be- merkenswert. Die Stadt war früher das Emporium für Bayern und von böhmischen Kaufleuten zahlreich besucht. Die einstige Blüte der Stadt ist noch an verschiedenen Bauten ersichtlich. Als aber die Böhmen durch das Konzil zu Konstanz für Ketzer erklärt waren, da schlossen unklug genug die dem siebenköpfigen römischen Tiere (Apok. 17, 3) anhängenden Bürger die Böhmen von der Stadt aus. Dagegen erlangten die schlauern Nürnberger von dem damaligen Kaiser, nach- dem sie durch eine nicht zu verachtende Geldsumme, die sie dem Papste anboten, den Cerberus mit diesem honigstiDen Bissen vergiftet hatten, daß ihnen gestattet wurde, mit den Bóhmen Handel zu treiben. So hat die Stadt Regensburg, indem sie der römischen Kirche schmeichelte, den Markt verloren. Jetzt aber, da sie den wahren und einzigen Hirten selbst, Christum, angenommen hat, ist sie ihren Nachbarn eine Schande (opprobrium) geworden, aber der Herr weiß denen, die ihn fürchten, alles so zu fügen, daß es ihnen zum Besten gereicht. Ihm sei Lob, Ehre und Ruhm.“ Gebet. | (Fortsetzung folgt.)

Die Wittenberger Bewegung 1521 und 1522.

Von Nikolaus Miller. (Fortsetzung.

Nachtrag.

Nr. 103. Lorenz Schlamau an Kurfürst Fried- rich den Weisen, Wittenberg 1521 November 14.

[Adresse weggelassen. ]

Durluchtigester [sic], Hochgeborner Chürfurst, gnedigisther herre. Meyn vnwirdigs gebeth zcu gote, dem almechtigisten, vndertenig vnd gantz willig dinst allezeeyt zeuuor. Gnedigisther Churfurst, Ich gebe vnderteniglieh E. Churfurst. g. zcu er- kennen, wie das ich naeh dem todtlich abscheidt Ern vrbans seliger gedechtnud, eyn viearius der kirchen omnium sancto- rum gewesth +), auß beuel des [sic] herren des Cappitels vnd kirchen, probsts?, Doctoris karstadts [sic], Archidiaconi, vnd ander prelaten vnd herren des Cappittels, Dar an die er- welung eyns vicarien gefallen, Die entledigite vicaria eynem Magistro, ytzt schulmeister bie vns zeu wittenbergk?), dureh vorbethe eyns Erbaren rats das [sic] selbst*) vmben gots willen gutlich gelegen habe, mir auch von wegen der kirehen ju kegenwertigheit gnanter herren, gehorßam zcu seyn vnd alle burden mit statuten gelde zcu geben, Die

1) Urban Rauch. Vgl. über ihn vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 65 Anm. 3.

2) Justus Jonas.

3) Georg Mohr (Mor).

*) Die Namen der damaligen Mitglieder des Wittenberger Rats 8. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 29 Anm. 6.

Archiv für Reformationsgeschichte VII. 2. 18

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statuten vleissich zcu halten, hantgelobte getan'!). Nhu hore ich, wie etzliche vnd villichte von der kirchen sollen willens seyn, in von E. Curfurst. g. des kors fryheit zeu erwerben, Do mit, wue eyn solchs gesehege, als ieh doch nicht vor- hoffe, gots lob vnd Ere, auch der kirchen, Dar auff E. Chur- furst. g. gantz vele vorwanth, vnd ezall der personen wurde vormynnert, Auch die Rente der vicarien widder den lesthen willen des stiffters vorruekt vnd vorstrowt. Bitt ich der halben Ewer Churfurst. g., als meynen gne- digisthen herren vnd Churfurst, von wegen der kirchen, wie eyn solchs an E. Churfurst. g. gelangen wurde, eyn solchs nieht naeh zeugeben, nach zeu gestaten widder die ordenung der gantzen cristenheit. Eyn solehs gegin E. Churfurst. g. mit meynen armen dinsten vnd vnwirdigen gebet gegin goth, dem almechtigen, alle meynes vormogens zeu vordinen vnd vorbitten, wil ich vleissieh vnd trawlich gefunden werden. Datum zcu wittenbergk Am dornstag Nach Briecii Anno domini 2c. xxi. vnder meyn pitzer.

E. Churfurst. G. Vnderteniger Cappllan Laureneius slamowe, Doctor, Dechandt der befryeten stifft kirchen wittenbergk.

| Eingelegter Zettel.]

Auch, gnedigisther‘), gebe ich E. Churf. g. vndertenig- lichen zcu erkenne [sie], wie die Cappllanen jn den [sie] kleynen Chör?) in etzliehe wochen keyne messen geleBen haben, Dar

a) Fehlt herr oder herre.

1) Gemäß dem 2. Kapitel der Statuta Ecclesie Collegiate Omnium Sanctorum wittenburgensis, betitelt „De juramento prestando Et statutis soluendis". Das Statutengeld betrug für einen Vikar fünf Gulden. Vgl. Weimar a.a. O Reg. O pag. 90. AA. 2. Konvolut.

2) Am 11. November 1506 stiftete Friedrich der Weise „Der hochgelobten himel konigin ... Sandt Marien, Vnnd sunderlich jren heiligen festenn, Wie die durch das jhar in der heyligen Cristlichen kirchen ausgesatzt sind, Vnnd allem himelischen here zu Eren" usw. in der Wittenberger Schloßkirche, ,hynden vnder der Boerkirchen, jn dem hindersten fenster gegen dem Nydergang der sonnen, fur dem Altar aller glewbigen selen, Von den festen vnnd gezeitten Sand Marien, der kewschen gebererin gots, mit teglichen singenden vnd lesenden Messen" den kleinen Chor. Zur Abhaltung des Marienoffiziums und der Messen bestimmte er drei Priester, einen Organisten und vier Chorschüler. Vgl. Halle, Wittenberger Archiv, Trésor Nr. 64. Im Jahre 1520 bestand das Personal des kleinen Chors aus dem Dekan Christoph Blanck, drei Kaplünen, fünf Chorschülern und sechs nhorknaben. Vgl. Spalatin, Die antzal aller heiligen kyrchen zu Wittenberg person, 1520, Weimar a. a. O. Reg. O Nr. 204.

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vmben ich dann mit dem licenciaten Blaneken'), auch mit etzlichen Cappllanen geredt, aber ich vorneme keyne anderung. Die weile ich aber keynen cezwanck ober sie nicht habe, Auch von mirs nieht annemen wollen, Bitt ich, E. Churf. g. wolt mir gnedigliche vnderriehtung lassen thun, wie ich mich dar ynne halten solle.

Original. Papierfolioblatt und -zettel. Siegel Schla- maus erhalten. Weimar a. a. O. Reg. Kk Nr. 1388.

Nr. 104. JustusJonasanKurfürst Friedrich den Weisen, Wittenberg 1521 November 18.

Dem Durchlauchtigsten, Hochgebornen Fursten vnnd Hern,

Hern Friderichen, des Heiligenn Romischen Reichs Erez-

marschalh Vnnd Churfursten ?c., Herezogen zcu Sachsenn,

Landgrauen jn Doringen vnnd Marggrauenn zcu Meissenn, meynem gnedigsten Herren.

Jesus.

Durehlauchtigester, Hochgeborner Furst. Ewrn Chur- furstlichenn gnadenn seint mein vndertanige, gantz willige dinnst hochsts vleiß zeuuoran bereyt. Gnedigster Herr, Nach dem dy leufft des sterbens sich hir zeu Wittenberg der maß einlassenn?), das víf e. ch. g. gnediges vorgonnen auch sich vileicht dy vniuersitet an ander vnnd sicherer stellen vnnd ort begebenn mocht?), seint mir an das auch jezo ge-

schefft vorgefallenn, der halb mir woll von nothenn, jn mein.

vaterland gein Northusenn zeureisenn.

Ist der halb an e. ch. g. mein vndertanig Ditt, e. ch. g. wollenn mir drey ader viehr monat, ob es mein sachenn erfordernn wurdenn, außen vnnd von Wittenberg zcu seynn,

snedicklich erlaubenn. Will ich mich jn aller vndertanickeit

beuleissigenn, dan ich ye nitt so hohe das sterben schewh,

vffs forderliehst vnnd eylendst, als mir ymer muglich, wider: alher zeu e. ch. g. vniuersitet vnnd kirehen zeuuorfugenn vnnd.

1) Christoph Blanck, der damalige Dekan des kleinen Chors. S. über ihn hernach 2. Teil.

2) Über die damals in Wittenberg herrschende Pest vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 65 Anm. 1.

3) Die Universität beantragte wegen der Pest die Verlegung der Hochschule und schlug dabei drei Orte vor. Der Kurfürst trat am

20. November 1521 ihrem Antrag bei und entschied sich für Herzberg.:

Vgl. das Reskript des Kurfürsten an die Univeraitüit vom 20. No- vember 1521, Regest, Halle, Wittenberger Archiv VI, 5, g Bl. 47b, Es wurde indessen hernach von einer Verlegung der Hochschule abgesehen.

13*

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als dan mitt lesenn, disputirn vnnd predigen, als vill mir Goth vorleiht, mein ampt widerumb des vleisiger zeuuor- sehenn. Disses meins anregens wollen e. ch. g. nitt vngefallen tragen, das byn jeh jegen e. ch. g. mitt meynenn vnder- tanigenn, gantz willigenn dinsten, der gleichen meynem armen gebeth jegen Goth vmb e. eh. g. heil vnnd wolfart zeuuordynenn, all zeeit geflissenn, Ewr churfurstlichenn gnaden mich jn vndertanickeit befelend. Geben zeu Wittenberg montags des achten Martini Anno c. XXI.

E. Ch. G. Vndertaniger Jodocus Jonas, Theolo. doctor, probst zu Wittenberg.

Original. Papierfolioblatt. Siegelspuren erhalten. Weimar a. a. O. Reg. Kk Nr. 1389.

Nr. 105. Friedrich der Weise an Justus Jonas, Lochau 1521 November 20.

Frid x.

Vnsern grus zuuor. Erwirdiger, hochgelarter, lieber Andechtiger, wir haben euer schreiben, darynn ir bitten tut, Euch der sterblichen leuft vnd ander euer geschefft halben drey oder vier Monat gein Northausen zu vrlauben 2c., alles inhalts vernomen. Nu wist jr, das ainem Brobst nach ordnung vnd vermog der Statuta bey der kirchen zusein geburt.') So haben wir auch auf die werbung, die Doctor Cristannus?) am jungsten von vnsern wegen an ain Ca- pitel getan, noeh kain Antwurt?) der sie sich vnsers ver- sehens ausserhalben euer nit entschliessen werden. Wo vns nu dieselb antwurt zeukomet vnd der Sterb zu witenberg ye vberhandt nemen wurd, als wir nit hoffen, Sind wir als- dan gneigt, euch ain zimliche zeit zu vrlauben. Das haben wir euch, dornach zuriehten, gnediger meynung nit verhalten wollen. Datum Lochaw Mitwoch vigilia presentationis marie virginis Anno 2c. xxi.

An Brobist zu wit.

Konzept von der Hand des kurfürstlichen Kanzlei- beamten Johann Feyhel.* Weimar a. a. O.

1) Vgl. Statuta Ecclesie Collegiate Omnium Sanctorum witten- burgensis, Kapitel 2, 3 und 9. Vgl. Weimar a. a, O. Reg. O Nr. 209.

2) Christian Beyer.

3) Vgl. vorher Nr. 19, 20, 26 und die Antworten der Stifts- kapitulare Nr. 48—51.

4) Uber Feyhel vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 10 Anm. 2.

69 189

Nr. 106: Gregor Burger!) an Kurfürst Friedrich den Weisen, Wittenberg 1522 Februar 25.

[Adresse weggelassen.)

Durchlauchtigister, Hochgebornner Churfurst, genedigister Herr, Auf des gestrengen vnd ernvhesten Herrn Hawbolden von einsydels befeleh?) obersende ieh e. c. f. g. hiebey ein vorzceichnus Alles einkommens des awgostiner Closters, whelehs sy selber aufgezceichent So Hat der Radt zew wittembergk ein vorzceichnus der jnuentarien Baider

Closter). .... wittemberg dinstag Noch Sanct mathis Anno domini xvCxxii. E. C. F. G.

vndertheniger diener regor burger. Original. ?5/, Papierfolioblatt. Siegelspuren erhalten. Weimar a. a. O. Reg. Kk Nr. 1434.

Vntterricht der Augustiner von dem Ab- gethanen Bettel sampt des Closters ein- khommen.

Auf bevhel Churfurstlicher Rethe zu Eilenburg*) vnnd forderung des Sehossers zu Wittenburg’) Geben Diacon vnnd versamlung des Augustiner Closters zu Wittenburg®) auf den nachgelassen bethel vnnd abgethan Terminey diese volgende vntterricht.

1) Uber Burger vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 51 Anm. 3.

*) Vgl. vorher Nr. 97.

3) Vgl. daselbst. Die folgenden Mitteilungen drucke ich nicht ab, weil sie mit der Wittenberger Bewegung nicht in Verbindung stehen.

*) Vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 60 Anm. 1, 4. Heft S. 70 Anm. 3.

5 Gregor Burger. Vgl. über ihn vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 51 Anm. 3.

^ Auffällig ist die Bezeichnung Diacon usw. Früher standen am Eingang ähnlicher Schriftstücke die Namen des Priors und Sup- priors, z. B. „Wyr, bruder Wentzeßlaus lincke, der heylgen schrifft doctor, Prior, Martinus Lüder, auch der heylgen schrifft doctor, Supprior :c., vnd samptlieh der gantz conuent Augustiner Aynsidler ordens jn der Churfurstlichen stadt Wittenberg". Vgl. Weimar a.a. O. Reg. Kk Nr. 1429 und danach gedruckt Reindell, Doktor Wenzeslaus Linck 1. Teil S. 250. Da der Verfassung der Augustiner ein Diakon an der Spitze ihrer einzelnen Klöster fremd ist (vgl. Kolde, Die deutsche Augustiner-Congregation S. 18ff. und die dort angeführte Literatur), muß man annehmen, daß der Mönch, der nach Konrad Helts Weggang (vgl. vorher Nr. 98) die Leitung des Wittenberger Konvents übernahm, den Titel Diakon führte. "Vermutlich waren die alten Bezeichnungen Prior und Supprior mifliebig geworden. Jeden- falla aber war der neue Titel nur vorübergehend im Gebrauch. Denn im Mai 1522, also noch vor dem Generalkapitel der Augustiner zu Grimma, hatte das Wittenberger Kloster wieder einen Prior, Vel Enders, Luthers Briefwechse] 3, Band S. 358. i

190 70

Nachdem Betteln von got verpoten, sunderlich vnder sevnem als christlichem volek, jnhalts der sehrifft, sagent: Es sal gar kein bettler ader durfftiger vnter eueh seyn, Vff das dir got, dein herr, gebenedey ), Das dan forderlich zu halden. Wue die leute, dauon man bitt, sunst schmale narung haben, neherlichen auf enthalt vnnd von yrer sawern arbeit lebenn, jn massen das jn der gegent zu Wittenburg, vnnd darumb schemlich zu befinden, Ist es gemelthem Diacon vnnd versamlung beschwerlich vnd yren gewissen zu wider, hinfurt Termineyen zu haltenn ader zu betheln.?) Dar zu haben yre obersten jn nehster vorsamlung trium Regum schyrst vorschienen zu Wittenburg nach gehaldnem Rat ausgesatzt vnnd verordent, Das kein bruder jrer vorsamlung fur an betheln sal, sonder von dem eiukhommen seyns elosters, So das begifftet vnd mit Rennthen vorsehen, enthalt haben vnd leben. Im vhall, wo des Closters einkhommen nieht gnug, Sal ein yder sieh mit predigen, so er darzu geschiekt, Wa nit, mit arbeit seyner hende nach eins ydern gelegenheit vnd notturft erneren. 3) Dieser ordenung wollen Diacon vnd samlung obberurt geleben vnnd nachkhommen. Ap wol hiruber Burgermeister vnnd Rathe zu Wittenberg mit bemeltem Diacon vorschafft, den Bettel und Terminei furbas hin zu vnterlassen, So ist dach die schrift vnnd gepot yrer obersten grosser zu aehten vnnd mehr zuhalden.

Zum Andern, Was die rennth betrifft, Volget des Closters einkhommen vnd rennth, Dargegen seyn ausgeben vnd zins, damit das eloster beschwert:

Eynnahm.

122 fl. 12 gr. von Gunther von Staupitz vom [sie] dem dorff Dabrun, vff katherine |25. November] zu antworten.*)

') Vgl. 5. Mos. 15, 1.

?) Das Wittenberger Augustinerkloster erlitt infolge der Ein- stellung des Bettels nach Luthers Schätzung eine Einbufe von jährlich 300 Gulden. Vgl. Enders a. a. O

3) Vgl. vorher Nr. 67.

1) Wie der nachstehende Lehnbrief besagt, überließ Friedrich der Weise dem neuerrichteten Augustinerkloster zu Wittenberg einige im Amt Wittenberg gelegene Dörfer usw. Diese verkauften Prior und Konvent des Klosters am 16. Januar 1509 Günter von Staupitz, dem Bruder des Generalvikars Johann von Staupitz, für einen jährlichen Zins von 124 Gulden. Vgl. Kolde a. a. O. S. 211 Anm. 1. Über die Belehnung des Günter Staupitz und seines Bruders mit Dabrun usw. durch Friedrich den Weisen gibt die folgende Urkunde Auskunft:

„Von gots gnaden Wir, Friderich, hertzog zu sachssen vndt khurfurst x. Nachdem wir vormals auf besondern gnaden, Auch vnnsern Eldern vndt vorfaren, vnser vnnd vunser Nachkhomen selen zu hail vnd trost vnnd zu auffbrengung des Newen klosters in vnser

71 | 191

90 fl von Cristoff von Breßen von dem dorff Motterwitz vnd Muschaw!) vff Natiuitatis christi von wegen Gunther Staupitz.

27 fl. von Appel von Arres zu Marschwitz?) vom Fhorberg?) vnnd dorff poltitz*) uff Martini [11. November], auch von wegen Gunther Staupitz.

stadt Wittenbergk, Welchs got dem almechtigen zu Lobe, seiner keuschen gebererin, der hiemelkonigin, sand Marien, allem hieme- lischem here Vnndt sanndt Augstin [sio] zu Eren gebawen, diefe nachgeschrieben dorffer, in vnnser pflege Wittenbergk gelegen, mit nhamen Dabrun vnd Zerbischen, mit sampt der wusten margk Rotsch mit triften, gehultz vndt vischereien, auch mit allen vnd jglichen zinsen, Renten, fellen, gerichten, obersten vnd nidersten, gerechtigkaiten, gewonhaiten, dartzu die Trifft auff der halben wusten margk Bosse, mit Freiem, wolbedachtem mute vnd Rechter wissen, Wie wir das jnnegehabt, genossen vndt gebraucht, nichts dauon auß- geschlossen dan allein die sehen, Nemlich den zehen ruten kulck, die kaine bode, den pappel kulck vnnd den Eussersten Born kulck, die wir fur vnns, vnser Erben vnnd nachkomen außgezogen vnndt vor- behalten, geeigent vndt gegeben haben. Wan aber solch dorffer mit angezaigten jrn zugehorungen durch prior vnndt conuent bemelts Nawen klosters mit gunst vnndt vorwilligung jrer obersten vnnserm lieben getrewen Gunthern von staupitz verkaufft, Demnach Be- kennen wir mit diesem brieffe Fur vnns vndt vnser Erben gegen meniglich, das wir die obberurten dorffer mit den wusten Margken ` Vnd andern angezaigten jren zugehorungen genantem Gunthern von staupitz vndt seinen Rechten Leibülehens Erben zu Rechtem manlehen geraicht vnndt geliehen mit allem Rechten, so wir doran zuuorleyhen haben, Reichen vnndt leyhen jne [sic] gegenwertiglich vnndt genediglich mit diesem brieffe... Wir haben auch auß besondern gnaden vnnserm lieben getrewen Rampholten staupitz vnnd sein Leibßlehenserben mit den obgeschrieben dorffern vndt angezaigten jren zugehorungen sembtlich, mit jme belehnt Vnnd belehnen sie in sambt wissentlich mit diesem brieffe, Also, wo genanter von staupitz ane Leibülehens Erben abginge, das alßdan ‚solch dorffer mit jren zu- gehorungen an genanten Rampfolten von staupitz vndt sein Leibßlehens Erben komen vndt gefallen sollen... Geben zu Witten- bergk am dinstag vnser Lieben Frawen hiemelfart tag [15. August] Nach Cristi 2v. Anno domini 2c. xviiio.^ Amtliche Abschrift. Weimar a. &. O. Kopialbuch B8 Bl. clxviij2ff.

Günter von Staupitz wurde seinen Verpflichtungen den Augustinern gegenüber nur in sehr mangelhafter Weise gerecht. Deshalb beklagte sich Luther im Namen des Klosters, dessen hervor- ragendste feste Einnahmequelle gerade Dabrun war, in den Jahren 1519 bis 1521 wiederholt über ihn. Vgl. de Wette, Luthers Briefe usw. 1. Theil S. 444 f, Enders a. a. O. 2. Band S. 11, 4. Band S. 81, 132, 251, 931.

1) Motterwitz und Muschau im heutigen Amtsgerichtsbezirk Leisnig. Breßen bereitete mit seinen unregelmäßigen und un- genügenden Zahlungen den Wittenberger Augustinern eher noch mehr Verdruß als Staupitz, wie Luthers vielfältige SP dr be- weisen. Vgl. Enders a. a. O. 1. Band S. 372, 450, 2. Band S. 8, 4. Band S. 246 f., 256, 327, 331, 365.

?) Marschwitz im jetzigen Amtsgerichtsbezirk pus g.

3) Vorwerk.

*) Polditz im jetzigen Amtsgerichtsbezirk Leisnig.

192 72

5 fl. von den Edelleuten von Hayn vnd Mortzan bey der Newstat, jns funffte jar hinterstellig blieben vnd schwerlich furbaß zu vberkhommen.

Obgenanthe ztins von Cristoff von Breßen vnd Appel von Harres, angewießen von Gunther. von Staupitz, werden vberantwort mit grosser muhe zu vnrechter tagtzeit vnd bößer betzalung.

Summa der zins 244 fl.

Darzu gibt ein itzlieh bruder Stewer, der auf andern Clostern ghein Wittenburg. geschickt wirt, acht gulden, derselben seint itzund dertzeit darjnnen achte, die diese Stewer geben. Bleypt der Diaconus von wegen seins Ampts vnd Regens studii vmb der lection willen, So das closter auß krafft der Stifftung schuldig zubestellen, vnbeladen. Vber diese ztehen personen seynt ander zwen closter bruder jn das conuent gehorig vnd nit frembdling!); diese seynt auch von dießer Stewer gefreyet. Ob aber acht gulden zu der person auf enthalt nicht gnug, wurt die stewer erhöcht, Bis solanng dassie [sic] zu der bruder enthalt reychen mag.

e

Ausgab.

20 fl. jn den cleynen chor aller heyligen Stifft zu Wittenburg, ztehen Johannis baptiste [24. Juni] vnd tzehen Natiuitatis christi. ?)

20 fl. ghein Meidburg?) den Testamentariern Heyssen : faleken vf ostern.

18 fl. dem Lieentiaten Amstorf^) Catherine virginis [25. November]. |

Was douon vbrig, dauon muĝ man das Closter jn bew- lichem weßen erhalten. Was die vbermaß, kompt den brudern zu gute.

——— —— —9 —————— .

1) Wenn nach dieser Notiz der Augustinerkonvent um 25. Fe- bruar 1522 zwölf Mönche beherbergte, so ergibt ein Vergleich mit den Angaben unserer Nummern 80 und 98, da8 die Zahl fünf bis sechs um 2. Februar hernach einerseits eine EinbuBe von drei Mónchen erlitt, andererseits aber auch eine Zunahme infolge der Rückkehr solcher Mönche erfuhr, die vorher das Kloster verlassen hatten.

2) Im Jahre 1509 oder 1510 lieh der kleine Chor der Schloß- kirche zu Wittenberg (vgl. über ihn vorher S. 66 Anm. 2) aus seinen Erübrigungen den Augustinern 400 Gulden zu 5°, Zinsen. Vgl. Weimar a. a. O. Reg. O Nr. 159 Bl. 59 ff., Cleiner Stifft, Rechnung Von der Stifftung Vnser lieben frawen usw. 1593 wurde das wegen seiner uneinbringlichen Ausstände in Schwierigkeiten geratene Augustiner- kloster von dem Dekan und Prokurator des kleinen Chors, Christoph Blanck, zur Zahlung der Zinsen gedrängt. Vgl. Enders a. a, O. 4. Baud S. 247, 256.

ee Magdeburg.

*) Nikolaus von Amsdorf,

73 193

Summa der Ausgab 58 fl. Restat jm vorrath 186 fl.

Original. Papierfoliobogen. Weimar a. a. O.

Nr. 107. Christoph Blanek an Kurfürst Fried- rich den Weisen, Wittenberg 1522 Mürz 18.

[Adresse weggelassen.]

Durchlauchtigster, Hochgeborner Churfurst, mein ynniges gebett, vnderthenige, schuldige vnnd gehorsame dinst seyen e. c. f. g. zuuor; gnedigster her. Ich fueg e. c. f. g. vnder- thenig wissent, das nun vast ein halb jar langk mangel ist gewesen eins Caplans der Nawen Stifftung, So jn e. c. f. g. Stiffikirchen zw Wittembergk von dem leyden Christi gesungen vnd gelesen wirdt 2c.), Vnd hoehsten vleyss, einen andern priester zubekomen, bisher vorgewandt, doch keinen mógen erfragen, hab doch auss vndertheniger, guter meinung die andern mess, so von solchem priester solt ge- halten werden, damitt die nich [sie] vnderblib, durch andere, der kirchen vorwandt, bestalth. Hath nun der ander priester, so anher allein in gemelter Stifftung gestanden, auff yetz vorschine quatember?^) auch vrlab genomen. Diss alles hab ich dem wirdigen vnd hochgelarten Ern Laurentio Sehlammaw, Dechant 2c, welchem dan durch e. c. f. g. . reth obberurte Stifftung in acht zuhaben auch befolhen, vor- gebalten, das er sych dan andere priester zwbestellen hoch- lich gevlissen. Ist derhalben mein vnderthenig bith, e. c. f. g. wolten mir gnedigklieh zuerkennen geben, weleher gestalt es mit den acht Chorschulern gehalten solte werden.3) Des- selbigen will ich mich neben dem Dechant vntherteniges gehorsames willen halten. Vnnd solehs gegen gott vor e. ec. f. g. fridlieh vnd gluicksälig regirung ynnigklich zu- uorbitten, nymer vnderlassen. Datum wittemberg dinstag naeh Reminiseere Anno ?c. xxij.

E. C. F. G. Vntherteniger Caplan Christoff Blanck, Licentiat.

Original. Papierfolioblatt. Siegel erhalten. Weimar

a. a. O. Reg. Kk Nr. 1392.5)

1) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 61 und S. 61 f. Anm. 4 über die Stiftung von der Betrachtung des Leidens Jesu.

2) D. h. Quatember nach Invokavit (12.—15. März).

3) Außer zwei Priestern waren acht Chorschüler für die Stiftung von der Betrachtung des Leidens Jesu angestellt. Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 61 Anm. 4.

*) Wenn mit der Berücksichtigung von Nr. 102 und 107 die zeit- liche Grenze, die ich mir für meine Arbeit gesteckt, der Tag der Rück- kehr Luthers nach Wittenberg, überschritten ist, so hat dies darin seinen Grund, weil die beiden Schreiben Nachrichten auch über die Vorgänge vor dem 6. März 1522 enthalten.

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9. Teil. Personalien.

Nur die kleinere Zahl der in den voranstehenden Briefen, Akten u. dgl. genannten Männer kann als hinlänglich bekannt gelten. Dagegen sind die meisten entweder von der Refor- mationsgeschichte noch garnicht erreicht worden, oder sie führen in deren Literatur ein nur schemenhaftes Dasein. Zum Beweise brauche ich bloß an den von E. L. Enders be- arbeiteten Briefwechsel Luthers zu erinnern, das Werk, das in den letzten Jahrzehnten wie kein anderes die Kenntnis der Personalien der Reformationszeit gefördert hat. Freilich, je mehr der Reformationshistoriker dem verewigten ge- lehrten Pfarrer von Oberrad Anerkennung und Dank zollt, um so weniger wird er sich darauf beschränken, ihn in allen biographischen Nöten als Nothelfer anzurufen, vielmehr sich gedrungen fühlen, dessen Forschungen zu erweitern und zu vertiefen. Am notwendigsten erweist sich die Fort- : führung der biographischen Arbeit auf den Gebieten großer geistiger Strömungen. Bedeuten doch hier die Namen viel- fach Programme, und erschließen sich die von den einzelnen Personen vertretenen Ideen dem Verständnis gewöhnlich nur in dem Maße, als man ihren Lebenslauf und besonders ihren geistigen Werdegang kennt.

Demnach wollen die folgenden biographischen Skizzen namentlich den Lebens- und Entwicklungsgang sowohl der Vertreter und Verteidiger der mittelalterlichen Kirche, als auch der Träger und Anwälte der religiösen und kirchlichen Neuerungen in und um Wittenberg nach Möglichkeit ans Licht stellen. |

Ein besonderes Recht auf eine solche Berücksichtigung haben die neuerungsfeindlichen Mitglieder des Stiftskapitels der Wittenberger Schloßkirche. Denn sie sind von der seitherigen Forschung am stiefmütterlichsten behandelt worden. Gilt es somit Versäumnisse nachzuholen, so zeitigen meine Unter- suchungen zugleich auch das in seiner Tragweite weit über

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die Geschichte der Wittenberger Bewegung hinausreichende Ergebnis: Die drei Stiftsherren, die am längsten und hart- näckigsten gegen die Einführung des Evangeliums in die Schloßkirche gekämpft haben, Matthäus Beskau, Georg Elner und Johann Volmar, sind als Anhänger der Reformation aus dem Leben geschieden und dürfen des- halb nicht mehr wie bisher zu deren Feinden, sondern müssen zu deren Kronzeugen gezählt werden.

Wenn die nachstehenden biographischen Skizzen einen recht verschiedenen Umfang aufweisen, so hängt dies mit der Zahl und der Ausgiebigkeit der mir zugänglich ge- wordenen Quellen zusammen. Zwar haben mich meine früher erwähnten archivalischen Studien !) vieles neue Material zur Aufhellung der Lebensgeschichte auch der an dieser Stelle nicht behandelten Personen der Wittenberger Be- wegung gewinnen lassen, aber die Rücksicht auf den Raum bestimmt mich, es bei anderen Gelegenheiten zu verwerten. Im Interesse der Übersichtlichkeit verteile ich die folgenden Personalien nach ihrem Wohnort auf zwei Gruppen und ordne dabei die in Betracht kommenden Namen nach dem Alphabet.

A. Die Wittenberger.

1. Otto Beckmann?) wurde in der westfälischen Stadt Warburg geboren. . Sein Vater war der langjährige Ratsherr Anton Beckmann, der außer diesem Sohn mindestens noch vier andere besaß.°) Den ersten Unterricht empfing der Knabe in der Domini- kanerschule seiner Heimat.*) Sodann besuchte er die unter der Leitung des bekannten Humanisten Alexander Hegius stehende Lehranstalt in Deventer.? Seine Universitäts- studien begann Beckmann in Leipzig, wo er im Sommer-

1) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 3.

?) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 58, 66, 3. Heft S. 1, 18, 26, 31, 34, 41, 42, 50, 4. Heft S. 26, 71.

3 Vgl. Rosenkranz in: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde N.F. 6. Band S. 31, 35.

4 Vgl. daselbst S. 31. |

5 Vgl. Hermanni Hamelmanni Opera Genealogico-Historica De Westphalia etc., Lemgoviae 1711, p. 264, 338, Rosenkranz a.a. O.

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semester 1500 intituliert und im Winterhalbjahr 1501/2 zum Bakkalar der freien Künste promoviert wurde.) Wahr- scheinlich hielt er sich hernach eine Zeit lang in Halber- stadt auf. Denn hier besaß er eine geistliche Pfründe, deren bereits im Winter 1507/8 Erwähnung geschieht, und die ihm auch noch späterhin verblieb.?) Seit dem Sommerhalbjahr 1507 setzte er seine Studien an der Wittenberger Universität fort, an der im gleichen Semester ein anderer Halberstädter Vikar, Dietrich Bloch, seine Tätigkeit als Professor der Medizin eróffnete.?) Immatrikuliert wurde Beckmann von Christoph Seheurl*), mit dem ihn bald eine schwürme- rische Freundschaft verband. Im Winter 1507/8 unter die Wittenberger Bakkalare rezipiert, erlangte er am 21. Fe- bruar 1508 die Magisterwürde und im Sommerhalbjahr 1510 die Aufnahme in den Senat der Artistenfakultät.°)

Im Jahre 1510 übernahm der Westfale das Haus, das bisher sein Kollege Karlstadt besessen hatte.) Diese Tatsache und die soeben erwähnte Rezeption in den Artisten- senat lassen keinen Zweifel, daB er im gleichen Jahre zu Wittenberg eine Lebensstellung fand. Nach Hamel- mann und seinen Nachfolgern verschaffte ihm Hermann

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Auffällig ist, daß Johann Butzbach unter den Schülern des Hegius den Beckmann nicht zu nennen scheint. Vgl. Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 7. Band S. 240 ff.

1) Vgl. Erler, Die Matrikel der Universität Leipzig 1. Band S. 433, 2. Band S. 384.

..) Vgl. Köstlin, Die Baccalaurei und Magistri der Wittenberger philos. Fakultät 1503—1517 S. 8, Beckmanns Schreiben an Fried- rich den Weisen vom 25. Januar 1523," Weimar, Reg. O. Nr. 248. Hier wie im folgenden ist unter Weimar das S. E. Gesamtarchiv zu Weimar zu verstehen.

3) Vgl. Foerstemann, Album Academiae Vitebergensis p. 21, 23.

t) Vgl. ibidem p. 21.

5) Vgl. Kóstlin a. a. O. S. 8, 23, 25.

®% Vgl. Wittenberger Kümmereirechnung 1510/11, Einnahmen aus Sommer- und Winterschoß. Danach zahlte Karlstadt noch den zum 1. Mai 1510 fälligen Sommerschoß, „Magister otto“ dagegen schon den zum 29. September fälligen Winterschoß im Betrag von 17 Groschen. Karlstadt erhielt das fragliche Haus zwischen Herbst 1508 und Frühjahr 1509. Vgl. die Kämmereirechnung von 1508/09, wo er noch nicht erscheint, und diejenige von 1509/10, wo er bereits aufgeführt ist.

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von dem Busche die neuerrichtete Professur für die Be- redsamkeit. Allein diese Angabe beruht auf einem Irrtum. War doch Busch selbst der erste öffentliche Lehrer der Poetik und Rhetorik in Wittenberg'), aber zu Beekmanns Zeit Balthasar Vach dafür angestellt?); neben diesem hielt auch Richard Sbrulius über die gleichen Fächer eine Zeit lang öffentliche Vorlesungen?). Vielmehr erlangte Beckmann den Lehrstuhl für die Grammatik, den 1507 und vermutlich bis zu seinem Ausscheiden aus der Artisten- fakultät der 1510 zum medizinischen Doktor promovierte Simon Stein verwaltete‘) Gleich diesem las Beck- mann noch im Sommersemester 1516 um 3 Uhr „in Gram- matica“. Dafür wurde ihm ein jährliches Gehalt von 20 Gulden gezahlt.5)

Wenn nicht schon früher, so beschäftigte sich Beck- mann spätestens 1512 auch mit der Rechtswissenschaft. Denn im August dieses Jahres hofften sein Freund Seheurl und dessen Vater ihn als Nachfolger oder Gehilfen des alten Syndikus nach Nürnberg ziehen zu können, ihm also zu einem Posten zu verhelfen, für den juristische Kenntnisse notwendige Voraussetzung waren.) 1512 und 1513 plante Beckmann eine Studienreise nach Italien, um sich, wie es scheint, den juristischen Doktorhut zu holen.) Allein der beliebte Universitätslehrer®) kam nur dazu, im Herbst 1513 einen Abstecher nach Nürnberg zu unternehmen.)

1) Vgl. u. a. Bauch, Die Universität Erfurt S. 74.

?) Vgl Grohmann, Annalen der Universität Wittenberg 2, Theil S. 83f., Muther, Zur Geschichte der Rechtswissenschaft S. 292, Weimar, Reg. O. Nr. 234, Halle, Wittenb. Archiv IIT, 1943 Bl. 82, 11a, 14a, 16b, 22b usw., Bauch a. a. O. S. 230 Anm. 1.

3) Vgl. Beckmann, Oratio in laudem philosophiae etc. (Titel s. hernach S. 84) Bl. b 4b.

t) Vgl. Grohmann a a. O. S. 83, Wittenb. medizinisches De- kanatsbuch Bl. 20b.

5 Vgl. Muther a. a. O. S. 291. _

9) Vgl. Bauch in: Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch- antiquarischer Forschungen 19. Band S. 427.

?) Vgl. von Soden und Knaake, Christoph Scheurls Briefbuch l. Band S, 97, Bauch a. a. O. S. 435f.

*) Vgl. Bauch a. a. O. S. 423.

*) Vgl. daselbst S. 442.

i98 i8 Im darauf folgenden Wintersemester stand er als Dekan an der Spitze der Artistenfakultät.')

Nachdem kurz vor dem 13. Mürz 1514 der Senior im Stiftskapitel der Schloßkirche, Konrad Lobenherbst, mit Tod abgegangen war?) nominierte der Universitätssenat am 11. April 1514 Beekmann für dessen Pfründe, die jährlich 66 Gulden 3 Gr. 11 Pf. abwarf?) Mit der An- nahme dieser Wahl zum Kanonikus verpflichtete sich der noch nicht dem Priesterstand Angehörige statutengemäß, sich zum Priester weihen zu lassen.) Für die 1515 gehaltene Primiz schenkte dem Neopresbyter sein Freund Scheurl ein Missale. Sollte die von Lobenherbst besessene Präbende ,hinfurder pro Sindieo bleybenn“®) und war dem- gemäß Beckmann als Syndikus des Stiftskapitels in Aus-- sicht genommen, so traten doch voresst im Schoß des Stifts- kapitels und der Universität keinerlei Veränderungen ein. Denn jenem gehörte Beckmann als einfacher Kanonikus und dieser als Lehrer der Grammatik an’), während nach wie vor der von der Universität im Sommersemester 1513 relegierte®) Syndikus Paul Penckau unter dem Schutz des Bischofs von Brandenburg sein Stiftsein- kommen verzehrte?) und dessen Pflichtvorlesungen über die Institutionen Kilian Reuther hielt!?) Dieser merkwürdige

1) Vgl. Köstlin a. a. O. S. 15, 26, 29.

2) Friedrich der Weise nimmt in einem Reskript vom 13. März 1514 auf den kurz vorher eingetretenen Tod des Lobenherbst Be- zug. Vgl. Halle, Wittenberger Archiv V, 52.

3) Vgl. Bauch a.a.0. S. 444, Weimar Reg. Kk Nr. 1370, Reg. O Nr. 200.

4) Vgl. hernach S. 91 Anm. 2.

5) Vgl. Bauch a. a. O. S. 447.

9$) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 200.

1) Vgl. der Vninersitet zu Wittenberg bericht usw. vom 9. April 1516, Weimar, Reg. O Nr. 233. Noch am 13. Mai 1517 war Beck- mann einfacher Kanonikus. Vgl. das notarielle Instrument Niko- laus Sybeths vom gleichen Tag, Weimar, Reg. O Nr. 209.

5) Vgl. Foerstemann, Album etc. p. 47.

?) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 254, Doctor Hennyng [Göde] mit anzaig doctor Benckaw absterben usw., Reg O pag. 91. A A. n. 20a.

1) Vgl. der Vniuersitet zu Wittenberg | bericht usw., vorher Anm. 7, Muther a. a. O.

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Zustand erfuhr erst nach dem am 5. November 1515 zu Ziesar erfolgten Tode Penekaus!) eine Änderung. Zwar hätte Christoph Blanck des Verstorbenen Pfründe gerne gehabt, aber es. wurde von mancher Seite geltend ge- macht, diese komme einem Theologen zu.?) Trotzdem er- hielt sie schließlich der Nicht-Theologe Beekmann, von dessen auf Penckaus Stelle gerichteten Absichten Seheurl bereits am 13. Juli 1513 wußte?) Kurz bevor die lang- wierige Personalfrage ihre Erledigung fand, unternahm Beckmann einen Ausflug zu seinen humanistischen Freunden in Erfurt. Bei dieser Gelegenheit wurde sein Name der dortigen Universitätsmatrikel einverleibt.^)

Im September 1517 konnte Spalatin seinem kur- fürstlichen Herrn melden: „Das Syndicat sol vnd wil ma- gister Otto annemenn vnd verwalten, Vnd die Lection der Instituta wird von dem [sie| Incorporation des Syndicats zw Schmidberg bestelt^.?) Gleich darauf, nämlich noch vor dem 30. September, ließ sich Beckmann von Christian Beyer zum juristischen Lizentiaten promovieren.®) Ver-

1) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 56 Anm. 3 und Doctor Hennyng [Göde] usw. vorher S. 78 Anm. 9.

?) Vgl. Doctor Hennyng [Góde] usw., vorher S. 78 Anm. 9.

*) Vgl. Bauch a. a. O. S. 488.

4) Vgl. Weissenborn, Acten der Erfurter Universität 2. Theil S.297, Kampschulte, Erfurt I. Band S. 248, Enders a. a. O. 1, Band S. 106. Jedoch ist es falsch, wenn von den beiden letzten behauptet wird, Beckmann habe die Universität Erfurt bezogen. Beweist doch die Notiz Luthers und die Zeit Lizentiatenpromotion Beekmanns (s. hernach), daß er sich nur mehrere Wochen in Erfurt aufhielt. Wenn Weissenborn a. a. O. den bei seiner Intitulation noch nicht zum Lizentiaten kreirten Wittenberger Gelehrten als Lizentiat be- zeichnet, so erklärt sich dies daraus, daß die Matrikelreinschrift erst spüter d. h. naeh Beckmanns Graduierung hergestellt wurde.

5) Vgl. Weimar, Reg. O- Nr. 181. Auf die Übernahme des Syndi- kats durch Beckmann bezieht sich auch der Glückwunsch Scheurls zur nova dignitas. Vgl. v. Soden und Knaake a. a. O. 2. Band S. 26.

9) Vgl. das Wittenb. jurist. Dekanatsbuch Bl. 148*, Wenn sich daraus nur entnehmen läßt, daß Beckmann im Sommersemester pro- movierte, so erhellt aus Weimar, Reg. Qq pag. 627 B 4539, daß seine Promotion nicht nach dem 29. September 1517 stattfand.

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pflichtete die Bulle des Papstes Julius lI. für die Witten- berger Universität den jeweiligen Inhaber des Syndikats und Institutionenprofessor zur Erwerbung der Doktorwürde!) so begnügte sich Beckmann nicht bloß fürs Erste, sondern für immer mit dem Lizentiatengrad.

Über die Wirksamkeit des Syndikus und Rechtslehrers, der mit seinen Vorlesungen über die Institutionen?) den An- fängern unter den Rechtsbeflissenen sich zu widmen hatte, verlautet wenig. Wie es scheint, war der Eifer dieses Pro- fessors nicht eben gróDer als der seiner nicht besonders fleißigen juristischen Kollegen. Denn in einem Bericht über seine Tätigkeit im Jahre 1518 wird bemerkt: „Institueiones habenn geruet vonn Trinitatis bis vff weinachtenn, das nihe keine stunde publice gelesenn. Liceneiatus Otto hatt ein zeitt Febrieitiret vnnd sunst mit niemandt bestalt zw- lesenn, Des die nawen scolares Juris, die irst anfahenn vnnd zum teil nit meher horenn dan dieselb leetion, also vor- seumett, hochlich besehwerth* 5).

Als 1521 der neue Propst des Wittenberger Stifts- kapitels, Justus Jonas, sich nicht entschließen konnte, dem mit seiner Prälatur verbuudenen Lehrauftrag, über kanonisches Recht zu lesen, zu genügen, ging Spalatin mit der Absicht um, Karlstadt oder Beekmann auf die Propst- stelle vorrücken und des so Befórderten Pfründe Jonas zukommen zu lassen.) Während es sich 1521 nur um einen vorübergehenden Plan handelte, wurde der Syndikus am 9. April 1523 tatsächlich von dem Universitätssenat mit Stimmenmehrheit zum Dekan, dem zweithöchsten Würdenträger des Wittenberger Kollegiatstifts, gewählt.) Freilich war er nicht der erste, der als Nachfolger des verstorbenen Lorenz Sehlamau in Betracht kam, vielmehr hatte zunächst Jonas seinem Freund Crotus Rubeanus das Dekanat zugedacht®),

1) Vgl. Meissner, Descriptio Ecclesiae Collegiatae Omnium Sanctorum Wittebergensis (1668) p. 50.

2) Vgl. ibidem.

3) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 307.

*) Vgl. Drews in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 19. Bd. 8.71.

5) Vgl. das Schreiben der Universität an Friedrich den

Weisen vom 11. April 1523, Weimar, Reg. O Nr. 241. €) Vgl. Enders a. a. O. 4. Band S. 8l.

TE 201

und am 14. März 1523 der Universitätssenat dem Kurfürsten den Senior des Kapitels, Nikolaus von Amsdorf, no- miniert!, der jedoch aus Gewissensgründen am 17. März endgiltig ablehnte?). Als weiterhin Beckmann erkoren wurde, erbat er sich bis zum 4. Juni Bedenkzeit, ließ aber diese Frist verstreichen, ohne sich zu äußern. Unter solchen Umständen sah sich der Universitätssenat schließlich Mitte Juni 1523 genötigt, zu einer neuen Wahl zu schreiten, aus der Matthäus Beskau hervorging.?)

Beekmanns Wahl erfolgte, als er in seiner westfälischen Heimat weilte.*) In der Fastenzeit 1523 verließ er nämlich die Universitätsstadt. Hatte er nur für vier Wochen Urlaub erhalten, so ließ er damals Wittenberg und sein Doppel- amt in Wirklichkeit für immer im Stich. Da wiederholte Aufforderungen zur Rückkehr bei ihm nichts fruchteten, wurde er wegen Vernachlässigung der Residenzpflicht am 20. Juli 1524 abgesetzt.5) Die letzten Monate, die Beckmann in Witten- berg verlebte, wurden ihm durch seinen Streit mit dem Pfarrer in Sehmiedeberg, Nikasius Claii, verleidet. Dieser war infolge der von Papst Julius II. bestätigten Einverleibung. seiner Pfarrei in das Syndikat des Stiftskapitels verpflichtet, alljáhrlieh zwanzig Gulden an Beckmann abzuführen, entzog sich jedoch je länger, desto mehr seiner Verpflichtung, so dab der Geschädigte schließlich die Hilfe des Kurfürsten anzu- rufen sich genötigt sah.) Daneben mußte Beckmann das Vorkommnis in der Christnacht 1522, wo er, im Begriff die

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1) Vgl. das Schreiben der Universität an den Kurfürsten vom gleichen Datum, Weimar, Reg. O Nr. 196. Nach Chronicon sive annales Spalatini, J. B. Menckenii Scriptores rerum Germanicarum tomus II col. 625, wurde Amsdorf am 13. März 1523 gewählt.

3) Vgl. den Brief Amsdorfs an Friedrich den Weisen vom gleichen Datum, Weimar a. a. O.

3) Vgl. das Sehreiben der Universitát an Friedrich den Weisen vom 16. Juni 1523, Weimar, Reg. O Nr. 198. Chronicon sive annales Spalatini l. c. wird fülschlich der 17. Juni als Tag der Nomination Beskaus bezeichnet.

4) Vgl. Chronicon sive annales Spalatini l. c.

5) Vgl. das Schreiben Hans von Taubenheims an Friedrich den Weisen vom 2. Oktober 1524, Weimar Reg. O Nr. 181.

9) Ausführlicheres siehe hernach unter Nikasius Claii.

Archiv für Reformationsgesohlchte VII. 2. 14

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Messe zu halten, von einem als Priester verkleideten jungen Menschen verhöhnt und verspottet wurde, aufs Tiefste betrüben.') Seine erwähnte Behausung veräußerte er zwischen 29. Sep- tember 1522 und 1. Mai 1523 Johann Agricola.?) Lange, ehe man Beckmann in Wittenberg absetzte, hatte er ein neues, freilich gering dotiertes Amt in seinem Ge- burtsort erlangt. Dank dem Entgegenkommen des Johann Reuß zu Mainz wurde er vor dem 4. Februar 1524 Pfarrer der Kirche St. Johanns d. T. zu Warburg.) Neben dieser Pfarrstelle besaß er eine Familienkommende zu Östrich.‘) - Im Jahre 1527 wählten ihn die Nonnen des Klosters St. Ä gidien in Münster i. W. zu ihrem Propst." Ein Jahr später nahm er bei Disputationen Gelegenheit, das Papsttum gegen- über den protestantischen Geistlichen Gerhard Hecker und Liborius Missing zu verteidigen.) 1530 erschien er als Gesandter seines Gónners, des Bischofs Erich von Osnabrück und Paderborn, auf dem Reichstag zu Augsburg.?) Es ist nicht viel, was über seine dortige Tätigkeit verlautet. Melanehthon war am 26. Juli fest davon überzeugt, daß Beckmann die katholischen Fürsten zum Frieden mahne.5) Allein die beiden Briefe, die dieser am 4. und 5. September an jenen richtete, mit der mehr als nachdrücklichen Be- tonung seiner alten Freundschaft, seines fortdauernden Wohl- wollens für Wittenberg, seiner Aufrichtigkeit usw. einerseits und mit dem plumpen Versuch, den damals gerade besonders ängstlichen Melanchthon durch das Gespenst eines un- - mittelbar bevorstehenden großen Religionskrieges zu einer ganz unmöglichen Nachgiebigkeit zu bestimmen andererseits,

1) Vgl. Chronicon sive annales Spalatini l. c. col. 618.

2 Beckmann wird noch zu Michaelis 1522 als Hausbesitzer gė- nannt, dagegen zum 1. Mai 1523 an seiner Stelle Agricola. Vgl. Wittenberger Kümmereirechnungen 1522/28 und 1523/4.

3) Vgl. Beckmanns Precatio dominica contra impios et seditiosos Lutheranorum errores (den genauen Titel s. hernach S. 85 f.) Bl. Aiij.

*) Vgl. Rosenkranz a. a. O. S. 35.

*) Vgl. Hamelmanni opera p. 225, Rosenkranz a. a. 0).

*) Vgl. Hamelmanni opera p. 1130.

?) Vgl. G. Coelestin, Historiae Comitiorum anno MDXXX. Augustae celebratorum tomus III, 1577, Bl. 122®.

5) Vgl. Corpus Ref. vol. II col. 298,

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machen den Eindruck, als seien sie nicht von einem friedens- liebenden Mittelsmann, sondern von einem listigen Mäkler geschrieben.?)

Während, wie erwähnt, der Propst von St. Ägidien einem Hecker und Missing mutig entgegengetreten war, wagte er es nicht, mit Bernhard Rothmann sich zu messen, als dieser in Münster gegen die römischen Mißbräuche disputierte.?) Ja, er scheint hernach sogar angesichts der immer höher gehenden Wogen des Münsterschen Aufruhrs ebenso wie die übrige Klerisei auf und davon gegangen zu sein.?) Jedenfalls wurde bei der großen Katastrophe des Jahres 1535 seine Habe, und darunter auch seine literarische, dureh die Feuersbrunst zerstört. *)

Beckmann starb 1556 uud hinterließ einen natürlichen Sohn, Anton, der der erste Nutznießer einer von seinem Vater begründeten Studienstiftung war.?)

Der westfälische Gelehrte machte sich auch als Dichter und Schriftsteller einen Namen. Seine erhaltenen ersten lateinischen Verse sind an Hermann von dem Busche gerichtet.*) Andere lateinische Gedichte veröffentlichte er u.a. in dem 1508 gedruckten Dialogus des Andreas Meyn- hart?) in der 1509 publizierten Oratio doetoris Scheurli attingens litterarum prestantiam neenon laudem Ecclesie Collegiate Vittenburgensis®) und in dem 1514 erschienenen Cursus physicus des Martin Polich?) Für das letzte

1) Vgl. Corpus Ref. l. c. col. 341 sqq. Die beiden Briefe, deren Verfasser von dem Herausgeber des Corpus Ref. nicht erkannt ist, rühren sicher von Beckmann her. Dies beweisen besonders die Be- zugnahmen auf Wittenberg.

? Vgl. Hamelmanni opera p. 1191 sq.

3) Vgl. Rosenkranz a. a. O. S. 36.

4 Vgl. von Soden und Knaake a. a. O. 2. Bd. S. 175,

5 Vgl. Rosenkranz a. a. O. S. 37,

6) Vgl. Bauch, Geschichte des Leipziger Frühhumanismus S. 170.

? Vgl. Haufleiter in: Neue kirchliche Zeitschrift XIV S. 86. Die Gedichte stehen auf Bl. N ij^ff. des Dialogus.

5) Die beiden in Betracht kommenden Gedichte finden sich Bl. C 5»f. |

?) Vgl. Bauch in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte usw. 18. Band S. 327. |

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Werk, dessen Herausgabe ihm die Reformatoren der Witten- berger Universität übertragen hatten, lieferte er außerdem eine Vorrede.!) Ferner bevorwortete er am 8. Oktober 1515 die Baptisati Cuiusdam Judei Joannis Pepercorni . . . historia?) und im Jahre 1519 den In epistolam Pauli ad Galatas M. Lutheri commentarius?)

In Buchform ließ Beckmann 1509 erscheinen: „Pane- gyrieus Othonis Becfman Vuartbergii || Artiü ,pfelloris in peonium Reueredilfimi in || chrilto patris ac Illuitriffimi Principis & düi: || dii Erici dei gra Electi Padebornenlis ac ad- || miniftratoris Ofnaburgenlis EcclefiaR du- || eifq; Bruni- uiecenlis &e. nuper suggerente & || precipiente Calliope per fomnia: in famigera || tillima Academia Vittenburgefi. tumul- tua- || rio eurrentiq; carmine effusus. | .. ... || Ofnaburgiacü: non fine laude: folum. || * Titelrückseite bedruckt, 12 Blätter in Quart. Auf der letzten Seite nur ein fast blattgroßer Holzschnitt mit einem Mann zu Pferde; auf der vorletzten Seite der Druekvermerk: ,€| Inpreilum lDittéburgii per Ioanne Viridi-||montanü. Anno. M.D.IX.|| * Die Vorrede des Autors ist 27. März 1509 datiert. | Am 11. März 1510 hielt Beckmann an Stelle des verhinderten Kilian Reuther die Rede bei der Promotion der artistischen Bakkalare*: „ORATIO OTHONIS BECK- MAN VuART || bergii artiu ae philofophie doctoris in laudem || philofophiæ ae humanioru litterarum ad patres || eonleriptos & pubem famigeratiffimze || Academie Witten- bergenlis habita || ANNO M.D.X. || Richardus Sbrulius Italus eques || foroiuleus humanioß litteraR & || phīæ pfellor in Aca- demia Vuit- || tenbergeñ candido lectori. || (folgen 14 Zeilen, : worunter 61at. Distichen) || *. Titelrückseite bedruckt. 12 Blätter in Quart. Am Schluß der Druckvermerk: ,Impreffum Witten- berge per Ioannem || Gronenberg. Anno. M.D.X. || *. Der an der Spitze stehende Widmungsbrief gilt Erzbischof Ernst von Magdeburg, Bischof Erich von Paderborn

" Vgl. Bauch a. a. O. S. 326.

2) Vgl. den Druck, Berlin, Kgl. Bibliothek De 2401, Bl. Ab,

3) Vgl. Weimarer Lutherausgabe 2. Bd. S. 437, 443 ff.

*) Zu dieser Promotion und ihrem Datum vgl. Kóstlin, Die Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 10.

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und Osnabrück usw. und trägt das Datum des 27. Februar 1510.')

Noch ein zweites Mal bestieg Beckmann im Jahre 1510 das Rednerpult der Hochschule Diesmal hielt er in der Schloßkirche anläßlich des Namenstags der St. Katharina, der Schutzpatronin der Artistenfakultät, die von den Statuten der Universität und der genannten Fakultät vorgeschriebene Festrede.?) Sie liegt gedruckt vor in: „DRAEIO MA- BISTRI OTHONJS || Sefman lluartbergij ad patres coferiptos et pube Uca: || demie Uuittenbergenfis in laudes fanctiffime Parthenices || Catharine tocius reilitterarie dee Tute- laris: Habita || XXiiij. Houembris. Anno M.D.X. | UD LECTOREN Diftichon. || Coftidis en duras lector cognofcere pugnas || Si velit [fo]. hoc noftrü fepe reuoluat [fo]?) opus. | (Holzschnitt mit einer statuarischen Darstellung der St. Katharina‘) || ^. Titelrückseite bedruckt. 10 Blätter in Quart. Auf der vorletzten Seite der Druckvermerk: „Imprelfum Vuittenberg& per Ioannem || Gronenberg. Anno düi. M.D.X. || An der Spitze steht ein Widmungsbrief, der sich an Henning Göde, Johann Holtupperheide und Johannes Thus wendet und am 24. November 1510 ab- gefaßt ist. Hinter ihm und vor der Rede stehen lateinische Distichen B eck man ns.’)

Als vierte in Buchform gedruckte Arbeit Beckmanns ist zu nennen: „PRECATIO || DOMINICA, CONTRA IMPI: ||

1) Dieses Datum ist auffällig; denn nach dem philosophischen Dekanatsbuch fand die Promotion, bei der die Rede gehalten wurde, am 11. März 1510 statt. Vgl. vorher S. 84 Anm. 4.

2) Vgl. Nik. Müller, Die Gesetzgebung der Universität Witten- berg S. 4, 74.

3) Auf dem mir vorliegenden Exemplar der Göttinger Universitäts- bibliothek sind die „t“ in „velit“ und „reuoluat“ handschriftlich her- gestellt.

4) Derselbe Holzschnitt findet sich in: Dye zaigung des hoch-, lobwirdigen hailigthums der Stifft kirchen aller hailigen zu wittenburg (Wittenberg 1509) Bl. ca.

5) Das Exemplar der Göttinger Universitätsbibliothek trägt auf seiner Titelseite die von Beckmann herrührende handschriftliche Widmung „Doctori Stubbeler^*, d. i. Ulrich Stubeler, Doktor beider Rechte und Kanonikus zu Halberstadt.

206 86 os & feditiofos Lutheranorum errores, || per eruditiffimum Othonem Beck: || mannum. || (Holzschnitt mit dem Wappen des Bischofs Erich von Paderborn und Osnabrück) || Colonie. Expenfis honefti ciuis Petri Quentell. || Anno. M.D.XXV. Mene Iunio. ||“ Titelrückseite bedruckt, 40 Blätter, wovon die 3 letzten Seiten leer, in Oktav. Am Schluß der Druck- vermerk: Colonie, Euxpenfis honejti ciuis Petri Quen || tell. Anno M.D.XXV. Menje Iulio. || *. Ob auch. die anonym erschienene „Missa de nuptiis Andreae Carolstadii etsacer- dotibus matrimonium contrahentibus“ von Beckmann stammt, steht dahin, scheint mir aber angesichts der Tatsache, daß er selbst Concubinarius war, nicht gerade wahrscheinlich zu sein. Die von ihm verfaßten commentarii Monasterienses, "um deren Drucklegung Seheurl am 23. Dezember 1536 anhielt?), dürften unveröffentlicht geblieben sein.

Schüler namentlich des Hermann von dem Busche, war Beckmann eine der Säulen des Humanismus zu Witten- berg. Spielte er schon neben seinem Gesinnungsgenossen und Freund Christoph Scheurl eine tonangebende Rolle, so hatte die Elbuniversität in der Zeit zwischen des Nürn- berger Patriziers Abschied und Melanchthons Ankunft keinen angesehenern Humanisten aufzuweisen als ihn. Es war darum mehr wie ein Spiel des Zufalls, wenn der ,kleine Grieche“ die Druckausgabe seiner vielbewunderten pro- grammatischen Antrittsrede de corrigendis adulescentiae studiis gerade dem Syndikus und Institutionenprofessor zu- eignete.?) Fragt man nach den Gründen, auf denen das Ansehen des westfälischen Humanisten beruhte, so sind seine Liebenswürdigkeit im Verkehr, sein Sinn für Freund- schaften u. dgl. vor allem zu betonen. Denn diese Eigen- schaften drängen sich dem Leser der Briefe, die sein Intimus Scheurl an ihn richtete, oder worin er ihn erwähnte, ganz besonders auf. Dagegen vermißt man sowohl in dem

!) Barge a. a. O. 1. Teil S. 366 ist geneigt, diese Schrift Beckmann zuzuweisen.

2) Vgl. v. Soden und Küsdkes a. a. O. 2. Band S. 176.

3) Vgl. Corpus Ref. vol. I col. 53 sq.

^) Vgl. die zahlreichen Briefe v. Soden und Knaake, Scheurls

Briefbuch, und Bauch in: Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen 19. Band S. 423 ff.

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brieflichen Austausch, als auch in den literarisehen Ver- öffentlichungen Beckmanns ein mutiges, kräftiges, ziel- strebiges und opferfreudiges Eintreten für den Humanismus gegenüber seinen Widersachern, sowie bemerkenswerte Ver- suche zur Lösung der von den Häuptern des Humanismus aufgeworfenen großen Fragen. Noch mehr Enttäuschung erlebt derjenige, der in dieser Koryphäe der Wittenberger Humanisten einen energischen Vorkämpfer für das huma- nistische Bildungsideal und einen geschworenen Feind des scholastischen Universitätsunterrichts sucht. Denn solange Beckmann am Ruder saß, wurden keine einschneidenden Änderungen in den Wittenberger Hochschulgesetzen und namentlich in den Examensbestimmungen für die Bewerber um die Grade der Artistenfakultät vorgenommen, ja nicht” einmal kräftige Anläufe zur Entthronung der herrschenden Schulphilosophie gemacht. Und, als Luther und Karlstadt im Verein mit Spalatin seit dem Wintersemester 1517/18 je länger, desto mehr die Scholastik aus den Wittenberger Hör- sälen verdrüngten, scheint ihnen Beckmann keine wesent- liche Hilfe geleistet zu haben. Jedenfalls wird seines Namens in den von den erwähnten drei Männern gepflogenen Ver- handlungen nicht besonders gedacht. Umgekehrt aber brachte es der gefeierte Held des Wittenberger Humanismus fertig, mit der Herausgabe, Bevorwortung und Empfehlung der Physik des Martin Polich nicht nur der Scholastik Schlepperdienste zu leisten, sondern sogar auch gegen seine eigene Farbe zu Felde zu ziehen. +)

Die hier zutage tretende Halbheit und ihre letzte Ur- sache, der Mangel an Charakterfestigkeit, lassen es unschwer verstehen, daß der anfängliche Mitläufer Luthers hernach von ihm sich trennte. Denn die Reformation verlangte mehr als halbe Menschen und liebenswürdige Allerweltsfreunde. Wenn Beckmann aueh erst 1523 Wittenberg verließ, so bestand doch schon im Februar 1519 zwischen ihm und Luther eine tiefe innere Kluft, die dieser insbesondere durch seine Stellung zum Papsttum aufgetan hatte.?) Freilich

! Vgl. Bauch in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte

18. Band S. 326, 2) Vgl. den Brief Beckmanns an Spalatin vom 24. Febrnar 1519,

Kolde, Analecta Lutherana S. 6f.

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andere Eindrücke, die Beckmann von dem Reformator und der Sache, die er vertrat, empfing, waren zu stark, als daß sie der seiner westfälischen Heimat Zurückgegebene hätte sofort wieder verlieren können. Ja, sie brachten ihn sogar in den Verdacht der Ketzerei, wie seine Precatio dominiea erkennen läßt.

2. Martin Berger !)

war ein Wittenberger Stadtkind. Er lieB sich im Stiftungs- semester der heimatliehen Hochschule an ihr als Student immatrikulieren?) und erwarb sich im Winterhalbjahr 1503/4 den Grad eines Bakkalars und am 10. Februar 1506 den eines Magisters der freien Künste?). Als Fachstudium erkor er sich die Arzneikunde und erlangte am 13. September 1518 in Wittenberg den medizinischen Doktorat. In den darauf folgenden Wochen, jedoch vor dem 18. Oktober, in den Senat der medizinischen Fakultät aufgenommen, stand er als Dekan an deren Spitze im Sommerhalbjahr 1526.*)

Der Wittenberger Stadtsohn nahm seit 1513 an der Leitung des Gemeinwesens seiner Heimat teil. Er gehörte dem regierenden Rat in den Jahren 1513/4, 1515/6, 1524/5 und 1527/8 an.) Auch war er Mitglied und 1512/3 Schützen- meister der Bruderschaft St. Sebastians.) Berger starb frühzeitig, nämlich schon kurz vor 31. Oktober 1529.°) Er war verheiratet und hinterließ eine Witwe, die am 19. März 1538 beerdigt wurde. °)

1) Vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 18, 34. - 2) Vgl. Foerstemann, Album p. 3.

5) Köstlin a. a. O. 1503—1517 Bl. 3,83.

*) Vgl. Wittenb. mediz. Dekanatsbuch Bl. 21b, 24b.,

5) Vgl. Wittenb. Kümmereirechnungen 1513/4, 1515/6, 1524/5, Wittenb. Acta, die Raths-Wahlen und Landesherrl. Confirmationes ... betr., 1529—1694.

6) Vgl. Wittenb. Schützenrechnung 1512/3.

?) Vgl. Wittenb. Kastenrechnung 1529, Gemeyn Innahm: „9 gr. von Doctor bergerin entpfangen, Sontags nach Simonis vnd Jude, als fie die grosße glocke yhrem hern hat leuthen lassen“.

8) Vgl. Buchwald, Zur Wittenberger Stadt- und Universitäts- Geschichte S. 133.

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Berger besaß mehrere Häuser. Das in der Brüder- straße zwischen Benedikt Paulis und des Tischlers Nikolaus (Walekemüller?) Häusern gelegene verkauften die Eheleute Berger dem Wolfgang Kreys. Nach dessen Tod ging es an Michael Moller über, und fand seine Auf- lassung am 19. Februar 1535 statt.) Als die Magdeburger Dominikaner ihr ebenfalls in der Brüderstraße gelegenes Anwesen, das den in Wittenberg studierenden Prediger- mönchen als Wohnung gedient hatte, veräußerten, erstand es Berger und erhielt dessen Auflassung am 27, Juni 1527.) Den Wert dieses seines Besitztums veranschlagte Berger 1528 auf 87 Schock 30 Gr. Daneben besaß er im gleichen Jahr noch ein Feldstück im Wert von 7 Schock Gr.?)

Am 15. November 1537 errichtete die kinderlose Witwe Katharina Berger ihr Testament und bestimmte darin, daß nach ihrem Ableben ihr Haus verkauft und der daraus erzielte Erlös zu einer Stipendienstiftung verwendet werden solle, „Damit jerlichen ein armer gesell vnnd student, Der in der heyligen schreft studir alhier, Dann möge erhalten werden", *)

3. Matthäus Beskau.*)

Beskau®) stammte aus Torgau, wo sein Oheim Thomas Molitoris Pfarrer war’). Nach der Gepflogenheit der Zeit wurde er vielfach nach seiner Heimat Magister

7) Vgl. Wittenb. Handelsbuch 1520—1555 Bl. 333b, Wittenb. Gerichtsbuch 1528—1555 Bl. 1175.

2) Vgl. Nik. Müller, Beiträge zur Brandenburgischen Kirchen- geschichte usw. 2. Heft S. 2f. Anm. 7.

3) Vgl. Wittenberg, Rechenbuch, Vortzeichnus Vnnd Wirderung Der Ligenden Grunde usw. 1528 Bl. 16a.

^) Vgl. Halle, Wittenberger Archiv VI, A, 2 fol. 61sqq., Buch- wald a. a. O. S. 133ff.

5) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 58, 66, 3. Heft S. 1, 18, 33, 94, 41, 42, 50, 4. Heft S. 26, 29, 50, 71.

9) So bezeichnet er sich selbst z. B. 1521. Vgl. Halle, Wittenb. Archiv, Trésor Nr. 119.

?) Vgl. Wittenb. jurist. Dekanatsbuch Bl. 130», 1831s, Bauch in: Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch- SI qURHSOher For- schungen 19. Band S. 414.

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und später Doctor Torgau oder Torgensis genannt.!) Zu- nächst studierte er außerhalb Kursachsens auf einer Hochschule, die mir bisher nicht bekannt geworden ist. Hier erwarb er sich auch den Grad eines Baccalaureus artium.

Die Eröffnung der kursächsischen Landesuniversität zog ihn wie viele seine Landsleute wieder in die Heimat zurück. Nachdem er zu Wittenberg im Wintersemester. 1502/3 außer seiner Immatrikulation?) auch seine Rezeption unter die dortigen Bakkalare bewirkt er eröffnete nach dem Dekanatsbuch die Reihe der Recepti —, erlangte er im Juli 1503 das artistische Magisterium®). Drei Jahre später, nämlich im Sommer 1506, verwaltete er zum erstenmal und im Winter 1509/10 zum zweitenmal das Dekanat der Artisten- fakultät.*) Innerhalb des Lehrkórpers dieser Fakultät war er nachweisbar im Sommersemester 1507 der Vertreter eines thomistischen Katheders. Er behandelte die Schriften des Aristoteles de coelo et mundo, de generatione et corruptione, meteorologica und die sog. parva naturalia") oder genauer die Kommentare über diese Schriften).

Als Berufsstudium erkor sich Beskau die Rechtswissen- schaft. Nach dem Sommer 1506 und vor dem Sommer 1508 scheint er sich den untersten juristischen Grad, den eines Bak- kalars, erworben zu haben. Am 10. Mai 1509 promovierte er zum Lizentiaten®) und zwischen 11. April und 2. Juni, ver- mutlich in der zweiten Hälfte des x 1514 zum Doktor beider Rechte?)

!) Vgl. u. a. Grohmann, Annalen a. a. O. S. 88, Halle, Witten- berger Archiv III, 194a Bl. 72a, 79a,

2) Vgl. Foerstemann, Album p. 6.

3) Vgl. Kóstlin, Die Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 1,21.

*) Vgl. daselbst S. 7, 10, 23, 24, 28.

5) Vgl. darüber Nik. Müller, Die Gesetzgebung der Universität Wittenberg S. 81.

$) Vgl. Grohmann a. a. O.

*) Während seines ersten artistischen Dekanats ist er noch nicht als juristischer Bakkalar bezeichnet. Kommt damit das Sommer- semester 1506 als obere Zeitgrenze in Betracht, so das Sommerhalb- jahr 1508 insofern als untere, als der Name Beskaus unter den da- mals Promovierten fehlt.

5) Vgl. Wittenb. jaristisches Dekanatsbuch Bl. 13323.

*) Diese Doktorpromotion ist nicht im Wittenb. jurist. Dekanats-

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Während Beskau mit den Vorbereitungen für seine Lizentiatenpromotion beschäftigt war, starb am 27. April 1509 seine Frau.!) Dadurch erfuhren seine ursprünglichen Lebens- pläne eine Änderung. Trat er doch, wenn nicht schon früher, so jedenfalls, ehe das erste Jahr seiner Zugehörigkeit zum Stiftskapitel der Schloßkirche abgelaufen war, in den Priester- stand.) Nachdem nämlich der Scholaster Konrad König seine Pfründe resigniert hatte, wählte der Universitätssenat am 11. April 1514 Beskau zu dessen Naehfolger?); und diese Wahl fand die Zustimmung Friedrich des Weisen. Demgemäß führte Beskau noch während seines Rektorats im Winter 1513/14 den Titel Kanonikus und Scholaster der Allerheiligen-Kollegiatkirche zu Wittenberg.) Da der Scholaster stiftungsgemäß zu Vorlesungen über das sechste Buch der Dekretalen oder die Clementinen verpflichtet war?), unterrichtete Beskau nach Ausweis eines Vorlesungsverzeich- nisses im Sommersemester 1516 um 12 Uhr in Sexto?) Einige Jahre später gab auch er, gleich seinen Fakultäts- kollegen, mit seinen vielen Vorlesungsversáumnissen zu Klagen Veranlassung. Dazu war sein Lehrerfolg ein geringer, weil die Studenten lieber den zur nämlichen Stunde lesenden Me-

buch eingetragen. Da aber Weimar, Reg. Kk Nr. 1370 und Halle, Wittenberger Archiv III, 194a Bl. 125, Beskau am 11. April 1514 noch Lizentiat und am 2. Juni 1514 schon Doktor genannt wird, erhellt daraus, daß er jn der Zwischenzeit den Doktorgrad erlangte. Dazu kommt, daß er als Rektor des Wintersemesters 1513/14 als utriusque juris Doctor bezeichnet ist. Vgl. Foerstemann l. c. p. 48.

1) Vgl. Wittenb. juristisches Dekanatsbuch Bl. 131».

?) Das 1. Kapitel der Statuten der Schloßkirche bestimmt: „Si quis autem a tempore adepte canonie aut prelature jnfra annum non fuerit sacerdos ordinatus, Elapso anno declaramus prebendam vacare Et in eius locum alium nominare volumus". Vgl. Weimar Reg. O pag. 90. AA 2. Konvolut.

*) Vgl. das Schreiben der Universität an Friedrich den Weisen vom 11. April 1514, Weimar, Reg. Kk Nr. 1370, v. Soden und Knaake a. a. O. 1. Bd. S. 118, 129.

1) Vgl. Foerstemann |. c. p. 48.

5) Vgl. Meissner, Descriptio Ecclesiae Collegiatae Omnium Sanctorum Wittebergensis p. 46 sqq.

*) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 284, Muther, Zur Geschichte der Rechtswissenschaft S, 291.

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lanchthon hörten.!) Nachdem schon im Januar 1521 die Rede davon gewesen war, daß Beskau von seinem Lehrauf- trag entbunden werden sollte,?) mußte er 1522 dem Kurfürsten die durch den Mangel an Zuhörern verursachte Einstellung seiner Vorlesungen melden. Dabei bemühte er sich zu zeigen, daß das fehlende Interesse für das von ihm behandelte Fach die Folge der nach Henning Gödes Tod unterbliebenen Wieder- besetzung der Lectio decretalium sei.?) In Wirklichkeit war jedoch durch die Reformation das kanonische Recht in solchen Mißkredit gekommen, daß die Studenten die Hörsäle der Vertreter dieser Disziplin mieden.

Der Scholaster-Professor Beskau bekleidete eine An- zahl von Ehrenstellen und Ämtern. Im Sommer 1517 war er anstatt des von Wittenberg abwesenden Stiftspropstes Henning Göde Vizedekan und im Winter 1519/20 Dekan der Juristenfakultät.*) 1517 hatte er den Posten des „Judex et Subconservator jurium, privilegiorum, libertatum, rerum et bonorum“ der Universität inne." Als der Kustos des Stiftskapitels und Thesaurarius der Hochschule, Peter Lupinus (Wolf), am 1. Mai 1521 gestorben war®), übernahm Beskau alsbald auch das Schatzmeisteramt der Universität”). Ebenso folgte er diesem im Amt eines Reformators der Hoch- schule, wobei er freilich anfänglich nur für ein Jahr bestellt wurde.®) In seiner Eigenschaft als Schatzmeister und Re- formator ist er noch 1529 nachweisbar.)

Da Beskau nicht nur während der Wittenberger Be-

!) Vgl. Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica S. 74.

2 Vgl. Enders a. a. O. 3. Band S. 76.

3) Vgl. Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation S. 312 Anm. 83.

*) Vgl. Wittenb. jurist. Dekanatsbuch Bl. 148a, 1505, Halle, Wittenb. Archiv IIT, 194a Bl. 36b, 575.

5) Vgl. Halle, Wittenb. Archiv, Trésor Nr. 94.

9$) Vgl. Balth. Mentzius, Syntagma Epitaphiorum, quae in inclyta... metropoli Witeberga... conspiciuntur (1604) Lib. I p. 65.

D Als Schatzmeister ist Beskau schon im Sommersemester 1521 nachweisbar. Vgl. Halle, Wittenb. Archiv III, 194» Bl. 67b.

5) Vgl. Hartfelder, Melauchthoniana Paedagogica S. 82, das Schreiben der Universität an Friedrich den Weisen vom 10, und 11, Dezember 1522, Weimar, Reg. O. Nr. 318. | |

?) Vgl. Halle, Wittenberger Archiv a. a. O. Bl. 121*f.

od —— 213

wegung 1521/2, sondern auch hernach genug Proben von seiner antireformatorischen Gesinnung gab, muß es auffallen, daß am 16. Juni 1523 der Universitätssenat, der doch damals in seiner Mehrheit aus Anhängern der Reformation sich zu- sammensetzte, gerade ihn Friedrich dem Weisen für die zweithöchste Dignität im Stiftskapitel, das Dekanat, vor- schlug.!) Ob dieser zeitweise eine reformationsfreundliche Haltung zur Schau trug und dadurch seinen Gegnern Sand in die Augen streute? Man kann eine solche Vermutung nieht ohne weiteres als irrig von der Hand weisen. Wahr- scheinlicher jedoch scheint es mir, daß der Senat den wegen seiner erwähnten Ämter einflußreichen Scholaster füglich nicht mehr zu umgehen vermochte, nachdem seine beiden früheren Kandidaten, der Kanonikus Nikolaus von Amsdorf und der Syndikus Otto Beckmann, Männer, die im Rang Beskau nachstanden, das Dekanat verschmäht hatten.?) Wie dem auch sein mag, genug, an dem vorhin bezeichneten Tage teilte die Universität dem Kurfürsten mit, daß sie Beskau „guter lere vnd lebens, vnßers achtens tuglich, der sich der statut halben der gebür halten wirdt, zum Dechant erwelt“ habe.®) Nach dieser Mitteilung richtete der Gewählte am 17. Juni ein Schreiben an Friedrich den Weisen, worin er sich bereit erklärte, der etwaigen landesherrlichen Präsen- tation Folge zu geben, und mit einem nicht mißzuverstehenden Seitenhieb auf seine reformatorisch gesinnten Kollegen be- züglich des Zustandes des Stiftskapitels betonte: „Dan keyn oder gar wenig statuta werden, wie sie solten, géhalden. Der beystand aber, des ich alhy zeugewarten, wirdt, alß zcuforchten, kleyn seyn, auch der jennigen, Bo mirh do tzu- helffen schuldig.^*) Im Hinblick auf die Erklärungen Beskaus, an den Statuten der Schloßkirche festhalten zu wollen, vollzog Friedrich der Weise, der noch immer

ı) Vgl. das Schreiben der Universität an Friedrich den Weisen vom 16. Juni 1523, Weimar, Reg. O Nr.198. Irrtümlicher- weise ist Chronicon sive annales Spalatini l. c. col. 625 der 17. Juni als Tag des Vorschlags genannt.

2) Vgl. vorher S. 80 f.

3) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 198, auch Chronicon sive annales Spalatini l. c.

5$) Vgl. Weimar a. a. O.

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Änderungen der alten Ordnungen zu verhindern sich be- mühte, so rasch die Präsentation des neuen Dekans, daß dieser bereits am 22. Juni 1523 vom Kapitel instituiert war.)

Beskau hielt, was er dem Kurfürsten versprochen hatte. Er trat ganz in die Fußtapfen seines Vorgängers Schlamau und bot, gestützt auf den Arm des Landesherrn, zusammen mit seinen Gesinnungsgenossen im Stiftskapitel, Georg Elner und Johann Volmar, allen- auf Änderung der kultischen Handlungen in der Schloßkirche gerichteten Ver- suchen und namentlich den in Wort und Schrift zum Aus- druek gebrachten Bitten, Drohungen u. dgl. Luthers noch nahezu anderthalb Jahre mit Erfolg Trotz. Wahrscheinlich wäre es ihm, der Seele und treibenden Kraft der Opposition, gelungen, die Neuerungen noch länger von der Schloßkirche fernzuhalten, hätte er nicht durch eine am 1. November 1524 vorgenommene Spendung des Abendmahls unter einer Ge- stalt seinen Gegnern eine wirksame Waffe in die Hand ge- geben. Denn im Anschluß an dieses Vorkommnis, womit Beskau gegen seine frühere Zusage verstieß, nahm Luther den Kampf gegen den Dekan und die genannten beiden Kanoniker wieder auf, und er nicht allein, sondern mit ihm auch die Universität, der Rat und die Gemeinde von Wittenberg. Dadurch, daß die letzteren die reformations- feindlichen Stiftsherren vor die Alternative stellten, Abschaffung der Mißbräuche oder Abbruch aller Beziehungen der Ein- wohnerschaft mit ihnen auch im täglichen Handel und Wandel, und vielleicht noch mehr durch die Zerstörung der Fenster an Beskaus Wohnung mittels Steinwürfen wurden schließlich die letzten drei Säulen des Katholizismus zu Wittenberg in solche Angst versetzt, daß sie ihren Wider- stanı aufgaben und, ohne die weiteren Entschließungen des Kurfürsten abzuwarten, der Einführung von Reformen in der Schloßkirche zustimmten.) Am Neujahrstag 1525 hielt

1) Vgl. das Schreiben der Universität an Friedrich den Weisen vom 22. Juni 1523, Weimar, Reg. O Nr. 209. |

2, Vgl. vorläufig Köstlin-Kawerau, Luther 5. Aufl. 1. Band S. 5961f, und die daselbst S. 780 verzeichnete Literatur. Ich gedenke auf die letzten Jahre des katholischen Stiftskapitels der Schloßkirche

im Anschluß an neue von mir zur Veröffentlichung bereitgestellte Aktenstücke an einer andern Stelle zurückzukommen.

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Beskau das Hochamt in deutscher Sprache!) und in den folgenden Monaten nahm er regelmäßig an dem umgestalteten Chordienst teil?). |

Der Dekan überlebte reichlich acht Jahre den Fall der von ihm verteidigten Festung. Er blieb auch hernach in Wittenberg wohnen und starb hier im Januar oder in den ersten Tagen des Februar 1533 eines plötzlichen Todes. ®)

Um 1521 hatte er ein Haus inne, das vorher Karl- stadt verschoßte und wohl auch bewohnte, dasselbe, das am 27. Januar 1503 von Agathe Morsyn infolge Kaufs dem Abt und Konvent des Cisterzienserklosters zu Lehnin auf- gelassen worden war. Dieses Haus lag „bey des Capitels huse an der ecke“.*) 1526 besaß Beskau ein „heuslein“ neben der Propstei und somit dem Schloß gegenüber. Nach- dem er dieses schon früher „auf sein leib erkaufft", ver- sehrieb es ihm Kurfürst Johann am 6. Mai 1526 zu erb und eigen, „also das es nun furder auff jne vnd seine freund erben s0l*.5

Während der Landesherr 1526 Beskau willfahrte, lieb er dessen vier Jahre später ihm vorgetragene Bitte un- berücksichtigt. Da nämlich Jodokus Mörlin, der In- haber der dem Dekanat inkorporierten Pfarrei West- hausen, bereits sechs Jahre lang die festgesetzte Abgabe von 40 Gulden nicht mehr gezahlt und Beskau „auch sunst ane das an der pension von der pfarre zu Wittemberg vnd auch am opffer vast bei 20 gulden jherlichen“ verloren

!) Vgl. das Sehreiben Gregor Burgers an Friedrich den Weisen vom 9. Januar 1525, Weimar, Reg. Kk Nr. 1400.

2) Vgl. das Schreiben Gregor Burgers an Friedrich den Weisen vom 24. April 1525, Weimar, Reg. O Nr. 204 u. 229.

3) Vgl. Wittenberger Kastenrechnung 1533, Einnahme vom Gelüute der großen Glocke bei Leichenbegüngnissen: „9 gr. Doctor Turgaw", - Clemen, Georg Helts Briefwechsel S. 43. Daß hier nicht Jakob Premsel, an den Clemen denkt, gemeint ist, geht schon daraus hervor, daß dieser noch 1535 lebte. Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 206.

4) Vgl. Wittenb. Gerichtsbuch 1487—1514 Bl. 5193, Wittenb. Retardatbuch 1521: „Doctor karnstat 923 gr. 35 halb Schoß vnd Baugelth, jm 9ten jar vorplieben am hauß des Apts von Lenyn, itzund Doctor Torgau".

5) Vgl. Weimar, Kopialbuch B 9 Bl. 429af,

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hatte, sodaß nach seiner Angabe sein Einkommen aus dem Dekanat fast um die Hälfte geschmälert war, suchte der Geschädigte am 10. November 1530 bei Kurfürst Johann eine Gehaltszulage aus den Mitteln der Schloßkirche nach. Dabei betonte er, „das ich in der Vniuersitet bald im an- fang gelesen vnd gearbeit hab Vnd mich in deme, so ich noch thuen kan, gerne gebrauchen wiel lassen*. Allein der Fürst lehnte am 15. November 1530 das Gesuch mit der Begründung ab, „weil vnnser vorwalter zu wittennbergk!) ane das zuerhaltung vnnser vniuersitet doselbst mit grosser ausgab beladenn^.?) Freilich geriet der abschläglich Be- schiedene in der Folgezeit keineswegs in Not. Dies beweist schon seine gleich zu erwähnende Stipendienstiftung. Könnte etwa vermutet werden, der letzte reformationsfeind- liche Prälat der SehloBkirehe habe nur darum seinen alten Wohnsitz beibehalten, um seine Pfründe nicht zu verlieren, und bloß deshalb der Universität auch noch später als Schatzmeister gedient, um keine Einnahmen einzubüßen, so würde er falsch beurteilt. Vielmehr legte er durch sein Legat von 200 Gulden zur Begründung eines Universitäts- stipendiums?) ein Tatzeugnis dafür ab, daB er in dem evan- gelischen Wittenberg und namentlich in dessen wissen- schaftlicher Hochburg des Protestantismus einen Gegenstand seines lebhaften Interesses und seiner kräftigen Förderung sah‘). Gewiß genügt Beskaus Stipendienstiftung allein schon, um zu erkennen, daß aus dem ehemaligen heftigen Feind der Reformation, ebenso wie aus seinen letzten Mit- kämpfern Georg Elner und Johann Volmar, im Lauf der Zeit ein warmer Freund und Anhänger der Sache des Evan- geliums wurde. Aber eine noch deutlichere Sprache reden

1) Christoph Blanck, der Verwalter des Vermögens der Schloßkirche.

2) Vgl. Weimar, Reg. Kk Nr. 1406.

3) Vgl. Grohmann a. a. O. 1. Theil S. 88, Meyner, Geschichte der Stadt Wittenberg S. 38.

*) Bezeichnend ist es auch, daß Beskau zum Verwalter und Kollator seiner Stipendienstiftung den Senat der Wittenberger Uni- versität bestellte. Wie die Hochschulrechnungen, beispielsweise Halle, Wittenb. Archiv XVIII, A, 37, an die Hand .geben, wurde das Sti- pendium von der Universitátskasse ausgezahlt.

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sein in Wittenberg und nach evangelischer Weise ge- haltenes Leichenbegängnis und die Trauer eines der treuesten Freunde Luthers, des Nikolaus Hausmann, über den Tod des „fidelis vir“, wie er den Heimgegangenen kurz kennzeichnet. ')

Beskau scheint keine schriftstellerische Arbeit in den Druck gegeben zu haben. Der Rede, die er als Dekan bei der Magisterpromotion am 5. Februar 1510 hielt, gedenkt Otto Beckmann. Er bemerkt dabei von dem Redner: „qui ita philosophiae laudes (preter adulationem loquor) attigit, ut omnibus philosophis, inquam, stupori admirationi- que esset, quare et suo iure vir ille philosophus dicere potest se nihil intaetum reliquisse, quod ad amplissima philosophiae preeonia attinet. ?)

4. Christian Beyer?), Peyer, Baier, Bayer, Baur, Baioarus, Bayoarius, Bavari usw.‘) wurde in dem fränkischen Kleinlangheim geboren’). Im Wintersemester 1500/1 veranlaßte er seine Intitulation an der Hochschule zu Erfurt.*) Hier erwarb sich „Cristannus beyer de blanckenhayn |so|“ bei der Herbst-

1) Vgl. vorher 95 Anm. 3.

2) Vgl. Beckmann, Oratio in laudem philosophiae etc. (Titel s. vor- her S. 84) Bl. a iiis. Zwar bemerkt Beckmann von Beskaus Rede nur, daß sie kurz vor seiner eigenen am 11. März 1510 gehaltenen zum Vortrag gelangte; aber diese Bemerkung genügt, um sie der aın 5. Februar 1510 vollzogenen Magisterpromotion zuzuweisen. Pflegten doch die Dekane der Wittenberger Artistenfakultät bei Gelegenheit der Magisterpromotionen die Festrede zu halten. Zum Datum der Pro- motion vgl. Köstlin, Die Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 24.

*) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 29, 41, 49, 50, 54, 55, 3. Heft S. 1, 6, 10, 12, 15, 17, 18, 19, 25, 32, 85, 41, 43, 54, 57, 58, 60, 61, 4. Heft S. 26, 67—72, 79, 80, 81, 83, 84, 85, 88, 96—99, 7. Jahrg. 2. Heft S. 68.

1) Er selbst bezeichnete sich gewöhnlich als Beyer. Vgl. z.B. vorher Nr. 22, 37, Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 97. Seinen Namen scheint er mit Bür in Verbindung gebracht zu haben. Denn sein Petschaft zierte ein stehender Bär. Vgl. die Siegel Weimar a. a. O.

5) Vgl. u. &. Scriptorum publice propositorum ... in Academia Witebergensi Tomus IV (1561) Bl. o 5a sq.

6) Vgl. Weissenborn, Acten der Erfurter Universität 2. Theil S. 217. ;

Archiv für Reformationsgeschichte VII. 2. 15

218 98

promotion 1502 den Grad eines artistischen Bakkalars.!) Seit dem Sommerhalbjahr 1503 setzte er seine Studien in Wittenberg fort.?) Nachdem er im Wintersemester 1504/5 unter die dortigen Bakkalare aufgenommen war, erlangte er am 12. August 1505 die Magisterwürde.?) Das Sommer- semester 1507 sah Beyer bereits unter den Privatlehrern der Artistenfakultät tätig. Er hielt Vorlesungen „in Literis secularibus extraordinarie^.*) Freilich war diese Fakultät für Beyer nur die Anfangs- und Durchgangsstation; denn er erwählte sich als Fachstudium das juristische. Wahrschein- lich im Sommersemester 1507 oder im Wintersemester 1507/8 wurde er in Wittenberg zum Bakkalar beider Rechte promoviert.? Im Winterhalbjahr 1509/10 erwarb er sich die Lizentiatur und im darauffolgenden Semester den Doktorat in beiden Rechten.) Da der Doctor juris utriusque Beyer bereits im Sommersemester 1511 zusammen mit den anderen Mitgliedern der Juristenfakultät erwähnt ist, muß seine Rezeption in den Senat dieser Fakultät vorher vollzogen sein.*)

Kurz nach dem 3. November 1510 gründete der neue Doktor mit Magdalene N. seinen Hausstand.?) Besaß er bei seiner

1) Vgl. Erfurt, Stadtbücherei, Matricula Facultatis Artium Liberalium Studii Erfordiensis Bl. 702».

2) Vgl. Foerstemann, Album p. 8.

*) Vgl. Köstlin, Die Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 5, 22.

1) Vgl. Grohmann a. a. O. 2. Theil S. 84.

5) Grohmann a.a. O. ist Beyer noch nicht als Baccalaureus bezeichnet. Für Sommer 1507 oder Winter 1507/8 spricht, daß hier das Wittenb. jurist. Dekanatsbuch eine Lücke aufweist, wührend es die im Sommer 1508 und Winter 1508/9 vollzogenen Promotionen ver- zeichnet, jedoch Beyer nicht erwähnt. |

9) Vgl. Fórstemann in: Neue Mittheilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen $5. Band 1. Heft S. 108. Die Bezahlung des Weingeschenks für die Lizentiatenpromotion geschah am 17. Dezember 1509.

*) Vgl. Wittenberger juristisches Dekanatsbuch Bl. 134,

*) Vgl. Inname Des opphers, in Der pharkirchen gefallen, An- gefangen Des Sontags Misericordia Domini 1509, Weimar, Reg. Bb Nr. 3114. An dieser Angabe ist festzuhalten gegenüber derjenigen Scheurls, der als Hochzeitstag den 18. November nennt. Vgl. v. Soden und Knaake, Scheurls Briefbuch 1. Band S. 62, 61. Der Vorname der Frau wird auch erwühnt daselbst S. 100.

9 519

Verheiratung noch keinen offiziellen Lehrstuhl der Juristen- fakultät, so wurde ihm ein solcher zuteil, als Christoph Scheurl im Jahre 1512 in seine Geburtsstadt Nürnberg sich zurückzog. Neben dieser Freude brachte ihm freilich das genannte Jahr auch manches Herzeleid; zwei seiner nächsten Verwandten starben, seine Frau wurde unglücklich entbunden, und sein Haus brannte ab.!) Wie Beyer in seinem Schreiben an Friedrich den Weisen vom 22. September 1517 hervorhebt, verlieh ihm dieser auf sein Ansuchen die erledigte Lehrkanzel für die Pandekten (Digestum novum) und die durch Scheurls Abschied ebenfalls freigewordene Beisitzerstelle im Oberhofgerieht und gewährte ihm dafür ein Jahresgehalt von 80 Gulden sowie Ersatz der Reisekosten zu den Sitzungen dieses Gerichtshofes.) Im Sommersemester 1516 las er um 3 Uhr.?) Zwar war auch Beyer wie seine juristischen Kollegen vielfach außerhalb Wittenbergs an fürstlichen Höfen u. dgl. als Rechtsbeistand tätig, aber, wenn er zu Hause weilte, zeichnete er sich durch großen Fleiß aus. Neben dem weltlichen Recht vertrat er eine Zeitlang auch das geistliche, indem er für den lange abwesenden Stifts- propst Henning Göde die Lectio decretalium versah. Damals hielt er im Tage anderthalb bis zwei Stunden Vor- lesungen. $)

Während nicht nur der ältere Amtsgenosse Beyers, Hieronymus Schurff, sondern auch der dienstjüngere, Johann Schwertfeger, für seine Professur und Oberhof- gerichtsstelle ein jährliches Gehalt von 160 Gulden bezog, mußte er selbst für die gleiche Tätigkeit bis über 1520°) hinaus mit 80 Gulden sich begnügen. Angesichts dieses Miß- verhältnisses kam er bei Friedrich den Weisen um eine

1) Vgl. v. Soden und Knaake a.a. O. S, 103, Bauch in: Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen 19. Band S. 429.

?).Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 234.

3) Vgl. daselbst, Muther, Zur Geschichte der Rechtswissen- schaft S. 291. i

*) Vgl. Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica S. 78 f.

5) Ein Vortzeichnus vom Hansen von Taubenheym usw,, Weimar, Reg. O Nr. 204, zeigt, daß Beyer 1520 ein Jahresgehalt von 80 Gulden hatte.

15*

220 100

Gehaltserhóhung ein und erreichte es dank der Fürsprache des nachmaligen Kurfürsten Johann auch, daß ihm eine Zulage von jährlich 20 Gulden gewährt wurde. Seine Bitte begründete Beyer u.a. durch den Hinweis auf die Kosten, die ihm infolge des Neubaus seines abgebrannten Hauses entstanden waren.!) Das so auf 100 Gulden gebrachte Gehalt bezog er auch nach der im Herbst 1525 vorgenommenen Neuordnung der finanziellen Verhältnisse von Universität und Schlofkirche.?)

Als Mitglied der Juristenfakultät verwaltete Beyer deren Dekanat im Winter 1512/3, Sommer 1519, Winter 1521/2 (?), Sommer 1527 und Winter 1527/8.?)

Seit 1513 widmete der Pandektenprofessor ein gutes Stück seiner Zeit und Kraft der Stadt Wittenberg, mit deren Einwohnerschaft er schon vorher mehr Fühlung ge- habt zu haben scheint wie die meisten seiner Hochschul- kollegen. Denn bereits 1512 ist er als Mitglied der be- sonders in. bürgerlichen Kreisen beliebten Bruderschaft Unserer lieben Frau nachweisbar.) Am 6. Februar 1513 trat er das Bürgermeisteramt an und verwaltete es bis zum 5. Februar 1514. Sodann war er der oberste Leiter des Wittenberger Gemeinwesens in den Jahren 1516/7, 1519/20, 1522/3 und 1525/6. Außerdem gehörte er dem regierenden Rat an in den Jahren 1514/5, 1520/1, 1523/4 und 1526/7.°)

Nachdem Beyer, wie auch die Wittenberger Bewegung 1521/2 zeigt, Friedrich dem Weisen und hernach Johann dem Beständigen und dem Kurprinzen Johann Fried- rich‘) als Rat gedient hatte, erfolgte im Jahre 1528 seine

! Vgl. Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 97.

2 Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 236.

3) Vgl. Wittenb. jurist. Dekanatsbuch Bl. 142b, 149», 1515, 152^, Halle, Wittenb. Archiv IIT, 194a Bl. 101b,

*) Vgl. die Rechnung der Wittenb. Frauenbruderschaft 1512.

5) Vgl. die Wittenberger Kümmereirechnungen 1513/4, 1519/20, 1520/91, 1599/8, 1523/4, 1525/6, 1526/7, Wittenberg, Acta, die Raths- Wahlen und Landesherrlichen Confirmationes . . . betr., 1529—1694, Kettner, Historische Nachricht Von dem Raths-Collegio der Chur- Stadt Wittenberg S. 7,

6) Im Sommer 1528 sollte Beyer mit Johann Friedrich nach Prag reisen. Vgl Buchwald, Zur Wittenberger Stadt- und Uni-

101 221

Berufung zum kursächsischen Kanzler. Veranlassung dazu gab nach von Seckendorf die Kränklichkeit des Kanzlers Gregor Brück, nach Koldes ansprechender Vermutung dagegen die Häufung der Geschäfte, der der bisherige einzige Kanzler nicht mehr Herr zu werden vermochte!) Da dem Zwickauer Stadtschreiber Stephan Roth die Ernennung des von Georg Rörer als archigrammateus bezeichneten Beyer noch am Anfang des Jahres 1529 unbekannt ge- blieben war?), trat dieser offenbar sein Amt erst Ende 1528 an. Am 21. Januar 1529 siedelten die Frau, die Kinder usw. des neuen Kanzlers zu ihm nach Weimar über.?) Wie einige erhaltene Öriginalquittungen Beyers aus den Jahren 1534 und 1535 an die Hand geben, erhielt er als Kanzler ebenso wie Brück‘) ein Jahresgehalt von 200 Gulden?).

Seinem arbeitsreichen Leben machte schon der 21. Ok- tober 1535 ein Ende.°) Seine Witwe folgte ihm 1536, und zwar vermutlich Ende November, im Tode nach.’) Beyer hinterließ mehrere Kinder, zu deren Vormündern er u. a. Melanchthon bestellt hatte.°) Ein Sohn, der wie sein Vater Christian hieß und an der Wittenberger Hochschule am 16. Oktober 1529 immatrikuliert wurde?) vermählte sich wahrseheinlieh 1541 mit der Tochter des Zwickauer Arztes Stephan Wild!?. Er starb am 18. Mai 1561 und seine

versitüts- Geschichte S. 63, wo freilich die Jahreszahl jn 1528. zu ändern ist. Diese Reise kam indessen nicht zur Ausführung. Vgl. Mentz, Johann Friedrich 1. Teil S, 67.

!) Vgl..Kolde in: Zeitschrift für die historische Theologie Jahr- gang 1874 S. 359 f.

2) Vgl. Buchwald a. a. O. S. 58.

3) Vgl. daselbst.

*) Vgl. Kolde a. a. O. S. 360.

5) Vgl. Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 97.

5$) Vel. Enders a. a. O. 10. Band S. 260 f., Corpus Ref. vol. II col. 961, 964.

?) Vgl. Wittenb. Kastenrechnung 1536, Innahm Testament: „21 8 ader 50 thaller... entpfangen Testament von der Doctor cristannin testament, Sontags post andree“.

5) Vgl. Corpus Ref. vol. IV col. 96.

?) Vgl. Foerstemann, Album p. 1306.

1) Vgl. Corpus Ref. vol. IV col. 96 sq.

232 102

Witwe Sibylle am 8. September 1563.) Christian, in Wit- tenberg wohnhaft und als ein ehrbarer und gelehrter Mann gerühmt?), erbte die liegenden Güter seiner Eltern, im einzelnen das von ihnen im Marktviertel erbaute Haus, das im Jahre 1542 2000 Gulden wert war, einen Garten, der auf 150 Gulden, und zwei Hufen in der Roten Mark, die auf 100 Gulden veranschlagt wurden.?) Außerdem verschrieb Kurfürst Jo- hann Friedrich am 5. Juli 1537 ihm die von seinem Vater besessenen Lehen.*) Seinen noch im Knabenalter stehenden Sohn Ascanius(?) erwähnt der Kanzler in einem 1533 an Justus Jonas gerichteten Brief.^ Eine Tochter, wohl Barbara mit Namen®), war mit dem Juristen Leonhard Stettner aus Freising verehelicht‘). Die Tochter Sibylle, die im Jahre 1542 ein verzinslich angelegtes Kapitalvermögen von 1506 Gulden besaß), stand noch zwei Jahre später unter der Vormundschaft Melanchthons, dem der Kanzler die Sorge für seine Kinder in besonderer Weise ans Herz gelegt hatte.) Ihre Verheiratung mit Kaspar Beyer, einem Neffen des Kanzlers Sebastian Heller, stieß anfänglich auf große Schwierigkeiten.!®)

Zur Kennzeichnung der Stellung Beyers innerhalb der Wittenberger Hochschule sei bemerkt, daß er schon als Artist es mit dem Humanismus hielt. Seine Freunde waren Männer

) Vgl. Scriptorum publice propositorum (Titel s. vorher 97 Anm. 5) Bl. o 5a sqq., tomus V Bl. sqq.

2) Vgl. daselbst.

3) Wittenberg, Rechenbuch, Vortzeichnus Vnnd Wirderung Der Ligenden Grunde usw. 1528 Bl. 22a, Weimar, Reg. Pp Nr. 355,8. Die beiden Hufen hatte der Vater von Georg Hanckow erworben. Vgl. Wittenberger Handels- und Gerichtsbuch 1520—1555 Bl. 2445.

4) Vgl. Dresden, Hauptstaatsarchiv, Copial 1289 Bl. 299a ff.

5 Vgl. Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas 1. Hälfte S. 197.

9 Vgl. de Wette, Luthers Briefe 5. Theil S. 721.

Vgl. Corpus Ref. vol. III col. 804, vol. VII col. 758.

*) Vgl. Weimar, Reg. Pp Nr. 355,8.

9) Vgl. Corpus Ref. vol. IV col. 96 sq., V col. 374, 396 sq., 479.

1) Vgl. u. a. de Wette a. a. O. S. 618 ff., 669, 676, 716, 721, Burkhardt, Luthers Briefwechsel S. 453 ff., Corpus Ref. vol. V col. 478sq., O. Mejer, Zum Kirchenrechte des Reformationsjahrhunderts S. 64 ff,

108 223

wie Christoph Scheurl und Otto Beckmann, für deren literarische Veröffentlichungen er auch poetische Beiträge lieferte. So bereicherte er die Oratio doctoris Scheurli attingens litterarum prestantiam necnon laudem Ecclesie Collegiate Vittenburgensis! und den Panegyricus Beck- manns zum Lob des Bischofs Erich?. Während aber die genannten Männer später von Luther sich trennten, trat Beyer äußerlich und innerlich dem Reformator nach und nach so nahe, daB er von diesem bei der Taufe seines Erstgebornen Johannes zu Gevatter gebeten wurde.°®) Aller- dings gingen ihre Anschauungen in kirehenrechtliehen Fragen auch noch später manchmal auseinander.* Ferner war Beyer mit Melanchthon und Justus Jonas innig be- freundet.°) Es kann nicht wundernehmen, daß er wegen seiner reformationsfreundlichen Haltung auch Angriffen, ja Spott ausgesetzt war. So bezeichnet ihn ein Pamphletist als Vertreter der Wittenberger Philosophenschule der „Cirenaiei“, d. h. derjenigen, die „voluptatibus indiseriminatim sine omni iudicio et electione fruuntur“.°)

1) Vgl. den Druck des Martinus Herbipolensis vom Dezember 1509 Bl. Cüjbf: Christanni Baioarii Lanckhaymensis, poli- cioris philosophie candidatus [so], in laudem et admirationem Luce Cronachii, ingeniosissimi pictoris Franci orientalis, sui conterranei ac familiaris, Extemporaneum carmen. Bl. Cis: Christanni B. L. Carmen in preconium Christoferi Scheurli, vtriusque censure Doctoris etc.

2) Vgl. Panegyricus (Titel s. vorher S. 84) Bl. Biii* ff.: Chri- stanni Baioarii Lanckhemen., artium et humaniorum literarum professoris, epigramma ad Othonem Vuarthber. in preconium An- tistitis Padebornensis.

3) Vgl. Chronicon sive annales Spalatini, J. B. Menckenii Seriptores rerum Germanicarum tom. II col. 657. Daher erklärt es Sich, wenn Beyer von Luther als Gevatter bezeichnet wird, Vgl. Enders a.a. O. 10. Band S. 52.

. *) Vgl. de Wette a.a. O. 4. Theil S. 410, Förstemann, Luthers Tischreden 4. Abt. S. 95. j

5) Bezüglich Melanchthons braucht nur daran erinnert zu werden, daß er von Beyer zum Vormund seiner Kinder bestellt wurde, und daß er für diese auch noch später in treuster Weise sorgte. Vgl. z. B. Corpus Ref. vol. VII col. 728, 753, 789. Für Jonas vgl. Kawerau a.a. O. 1. Hälfte S. 197 f.

*) Vgl. Bauch in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 18. Bd. S. 411.

‚234 104

Von einer Besprechung und Würdigung der vielseitigen Wirksamkeit des Kanzlers Beyer innerhalb und außerhalb Sachsens muß ich hier naturgemäß absehen. Nicht seine bervorragendste, wohl aber seine bekannteste Tat war 1530 die Verlesung des deutschen Exemplars der Augsburgischen Konfession vor Kaiser und Reich.)

Die Reste der juristischen Schriftstellerei Beyers der Vergessenheit entrissen zu haben, ist das Verdienst Theodor Muthers.?)

D) Vel. u. à, Enders a. a. O. 8. Band S. 81f, 83. Allerlei Material über die Tätigkeit Beyers ist zusammengestellt Kettner a. a. O. S. 8ff.. Über Beyer unter Johann Friedrich vgl. besonders Mentz, Johann Friedrich der Großmütige ó.

?) Vgl. Zeitschrift für Rechtsgeschichte 6. Band S. 211.

(Schluß folgt.)

Mitteilungen.

Das Testament Nikolaus Nentwigs, ehemaligen Franziskaners, in Coburg.

Im zweiten Band der in der Coburger Ratsbibliothek enthaltenen Urkunden befindet sich ein interessantes Schriftstück eines ehemaligen Franziskaners, namens Nicolaus Nentwig aus Coburg. Es ist eigen- händig geschrieben, versiegelt auf gelbem Wachs und ist wahrschein- lich um das Jahr 1530 abgefaßt worden.

Nachweislich wurde das an der Stelle der heutigen Ehrenburg, des Herzoglichen Schlosses, belegene einstige Franziskanerkloster, „das Haus der Barfüßer“ in Coburg, im Frühjahre 1525 dem Schutz der Stadt übergeben und sodann auf kurfürstlichem Befehl i. J. 1526 aufgehoben!) Der Verfasser des Schriftstückes, Nicolaus Nentwig, wird mit Namensunterschrift bei der Übergabe des Klosters i. J. 1525 bereits aufgeführt.

Das Schriftstück lautet:

Ich, Nicolaus Nentwigk, Bekenne vnd thue kunth offentlich vnd gen jdermenniglich, wenn diser brieff gelesen vnd zusehen fürkumpt, mit diser meyner eygen Handtschrifft, das ich eyn Zeyt lang im closter (wie wissentlich) der meynung gott zu dynen, vnd alda leyder meyne junge tag vorzert vnd zubracht habe, so lange bys sich gott der vatter aller barmherzikeit am ende diser vorgencklichen wellt, vber mich er- barmett, vnnd auf gnaden die claren sonn der heiligen Ewangelion wider lassen scheynen, vnd den vntergedruckten glauben, so ich aber durch gottes gnaden, auß dem heiligen Ewangelio genugsam vorstanden vnd gelernet habe, das mir meyn obengedacht Closterleben, nicht furderlich (wie ich gehofft), sunder vilmehr schedlich gewesen zu meyner selen selikeyt, Bynn ich verursacht worden, mich auf disem ferlichen standt widerumb in die welt zubegeben. Dye weil ich aber nymandts mhers, so mich angehortt vff erden, gehabt habe, dan meynen liben bruder, hab ich mich zu jme eingelassen vnd herberich bei Ime gesucht, wie ich dan etwan, do ich noch im Closter gewesen eyngedynt habe, vnd mich mit jm berett, vnd aug guttwillikeyt Jme vnd seinen Kindern zum gutt, meyn vetterlich vnd mütterlich gut vnd erbteyl. vorschriben, vnd vermacht habe, vor eynem Erbarn vnd Ersamen ratth, wie dan die gelassenen Kintter solche gütter vnd meynen Erbteyl, nach dem todtfall meynes bruders seyliger, vnter sich geteilt haben.

Aber nun will ich mir alles das furbehalten haben, so mir Gott mitt- ler zeyt beschert vnd gegeben hat, vnd mit dem selbigen zuthon vnd zu lassen macht hab wass ich will, vnd meyn erkauffte blunderln vnd kleider, hinwenden vnd vormachn, wann vnd wo ich hin will zu dem ich lust vnd lieb habe vnd trage, noch meynem wolgefallen on alle einreden. Und ob schon meyn vetter Osswalt einrede vnd eintrag thun wolt mit eynem zettelin meyner Handtschrifft, welches er etwann

1) Vgl. Berbig, Bilder aus Coburgs Vergangenheit, Bd. II S. 130 ff. Lpzg., M. Heinsius 1908.

296 106

von mir entpfangen vnd erlanget, da ich dazumal im closter Rötten') krank lag, vnd daselbst, meinem liben bruder seyligen, alle meyne kleider vormacht, wo ich todes halben, abging. Dye weil mir aber der almechtige gott wiederumb ausgeholfen, vnd mein Leben erstrecket hat, so will ich dasselbige obgewente zettelein mit diser meiner Hand- schrifft, dieweil es mit dem todt nicht versigelt ist sunder bei gesuntten leibe geschriben, vnd gemacht habe, so will ich solchs zettelein mit meyner Handtschrifft geschriben, revocirt vnd cassirt vnd gantz zu boden gestoßen haben, das es keyn krafft noch macht haben soll. Dan ich hoff ich hab Ime sunst genugk gethan. Dan do er der Osswalt sich vorherreth zu [verheirathen] furgehabt hett, hab ich Ime vnd seyner Hausfrawen Gertrut Schlosserin eyn golt gulden gelihen, vnd dar nach wider zu zweyen maln je ein mal zwen gulden gelihen, vnd alles an grober muntz, das es fünff gulden macht. Auch hab ich Ime eynen newen verschlossenen vnd beschlagenen disch, darzu auch eyn kyfer trohen (Truhe) gegeben, das soll jme bleiben und behalten. Dye weil die andern geschwister zimlicher weyss und gnugsam mit kleydung vnd ander hilf zur Hochzeit, vnd zu jren ehrn versorgt sind, gott lobe, zymliche nahrung haben, so sollen dye andere geschwistere in diesem fall enthon geseczt seyn, die weill sye vorhynn meinen erbtel geteilt haben unter sich. Aber die zweyen geschwistern Barbara und Doro- thea den vermache ich mit gutter vernunft vnd gesunttem leibe alles was ich habe jn meyner kammern, von Bettgewandt, kleider, vnd bücher, so ich erkaufft hab, die sollen sie mit rath des wirdigen Ern Johannsen Schmidt kirchendyn^v vnd capplan verkauffen vnd das gelt unter sie zwoe teylen, vnd in summa was ich hab, soll ir beyder sey, vnd hat mich vil dings darzu bewegt vnd verursacht, Erstlich das den zweyen geschwistern jn der teylung keyn ander erbstück zugedeilt worden ist, dann allein das bloße Haws, vnd zum teyl baufellig, zum andern, das sie mir auss guttwillikeyt mein lebenslangk herbrig (Her- berge) zugesagt haben vnd geben. Auch ein mitleydung mit mir haben; zum dritten, das sie mir alles gutten thun mit betthen, waschen, keren, kochen, etc. vnd sunst handtreiehung thun. Darumb ich auch in allen solches danksage. Des zu warer arkuntt hab ich mein ge- wonlich petschaft vntten auffgedrnckt vnd will es alszo gehalten haben nach meynem todt. Dan sich mein vetter Osswaldt gar nichts an mich kert, noch zu mir je ein mal nach dem todt seynes vatters zu mir kommen vnd gesagt, was machstu, oder wie gehet es dyr, als hett ich jme nyhe nichts guttes gethon, das ich nicht gehofft hett noch gemeint, für die wolthat die ich jme erzeigt habe. gott befholen.

Auf der Rückseite ist der Vermerk des Depositors:

Niclas Zeheners weyland zu róthen Predigers Donation.

Daraus geht hervor, daß Nentwig wohl auch den Namen „Zehner“ trug, und daß er, der frühere Gardian des Franziskaner-Barfüßerklosters zu Coburg, seit 1526 im früheren Benediktinerkloster Mönchröden, wohin die Barfüßer aus Coburg nachweislich gebracht worden waren, als Prediger der evangelischen Lehre verweilte. Später kehrte er nach Coburg, seine Vaterstadt, zurück und fand, wie sich aus dem obigen Schriftstück ergibt, Aufnahme bei seinen beiden Nichten, während sich sein Neffe wenig um ihn kümmerte. Das war auch der Grund zur Abfassung des Testaments, um die Nichten schadlos halten, die sich treu um den Erblasser verdient gemacht, ungerecht-

') Kloster Mönchröden bei Coburg, Benediktiner-Abtei, wo die Franziskaner aus Coburg i. J. 1526 untergebracht worden waren.

107. 227

fertigten Ansprüchen der Verwandtschaft gegenüber. Nentwig blieb unverheiratet, treu seinem alten Mónchsgelübde. Als einsamer Jung- geselle hauste er in seiner Kammer, nur von seinen Büchern um geben, die sein höchster, wertvoller Schatz waren. Daß dieser nicht in unrechte Hände kam nach seinem Tod, oder verschleudert wurde, war seine Sorge. So entstand mit zitternder Hand das geschriebene Testament, das eine Art Lebensgeschichte enthält, die Lebensgeschichte eines ein- stigen Franziskaners, der im Kloster sein Heil nicht gefunden, dort aber seine Jugend verzehrt hat, bis die Reformation den alten Bann gebrochen. Nentwig blieb sich selbst treu, treu bis im kleinen, in der fürsorglichen Anordnung seines letzten Willens, treuherzig und dankbar für empfangene Wohltaten, auch da, wo es sich wahrlich’ nicht um große irdische Güter handelte. Georg Berbig.

Neuerscheinungen.

Quellen. Das 7. Heft des III. Bandes der „Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation“ enthält das „überaus schön künst- lich Lied von der christförmigen Lehre Luthers samt seiner Neben- auslegung“, mit dem der Eßlinger Augustiner Michael Stifel Anfang 1522 (oder Ende 1521) in die Reihe der Reformationsschriftsteller trat; den Hauptwert der Schrift sieht der Herausgeber Wilhelm Lucke mit Recht „in der Kühnheit, mit der sie den Helden der Nation ver- herrlicht, indem sie ihn als den Engel der Apokalypse [7, 2] preist“ (S. 2970). In der Einleitung wird das Verhältnis der sehr erweiterten zweiten Auflage zu der ersten beide erschienen bei Joh. Schott iu Straßburg festgestellt. Daran schließen sich drei Kleinigkeiten: Absag oder Fehdschrift Lucifers an Luther (80, September 1524), zu- erst von Jakob Fabri in Speyer gedruckt, verfaßt wahrscheinlich von Erasmus Alberus; das meisterliche Gedinge des Abts von Chem- nitz, d. h. der Vertrag, den der vorletzte Abt des Benediktinerklosters zu Chemnitz, Heinrich von Schleinitz, am 13. Mai: 1522 vor seiner Amtsniederlegung mit dem Konvente schloß, mit boshaften Rand- glossen; Thomas Stór, Christliche Vermahnung an Antonius Thurler (1524). Stör und Thurler gehörten zu den ersten Evangelischen

Dresdens.

Den IV. Band eröffnet die berühmte Streitschrift gegen Murner: Karsthans, die seit Anfang 1521 rasch hintereinander zehn Auflagen erlebte. In der außerordentlich sorgsamen Einleitung zeigt der Heraus- geber Herbert Burckhardt gegen Bossert, daß der K. nicht in zwei Hälften mit zwei verschiedenen Verfassern zerfällt, daß nicht Matthias Zell, Joh. Sapidus, Nik. Gerbel, Martin Bucer als Verfasser in Betracht kommen können, daß der Dialekt nicht elsässisch, soudern

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schweizerisch ist und daß Vadian der Verfasser ist. Im Anschluß daran verfolgt B. die Geschichte des Wortes Karsthans, wobei be- sonders die 1528 und 1524 in Zwickau erschienenen Flugschriften Joh. Lochers von München und die Schicksale Joh. Murers von Frei- burg i. Br. gestreift werden. Das nächste Heft bringt eine schöne Vaterunserauslegung von Matthias Bynwalth, Prediger zu Danzig, verfaßt wohl 1524, gedruckt Anfang 1525 von Hans Weinreich in Königsberg (Herausgeber: Hermann Freytag), sowie ein zwischen 1524 und 1531 dreimal von Wolfgang Stóckel in Dresden gedrucktes, an Spriehwürtern reiches ,Haushaltungsbüchlein". O. Clemen.

Bibliotheca Reformatoria Neerlandica. Geschriften uit den tijd der hervorming in de Nederlanden, opnieuw uitgegeven en van in- leidingen en aanteekeningen voorzien door S. Cramer en F. Pijper. Vijfde deel: Nederlandsche Anabaptistica (geschriften van Henrick Rol, Melchior Hoffman, Adam Pastor, De Broederlicke vereeninge), bewerkt door S. Cramer. ’s Gravenhage, Martinus Nijhoff, 1909. XII, 664 blz. +)

Mit Recht äußerte vor kurzem H. Barge (Studium Lipsiense, Ehrengabe K. Lamprecht dargebracht, Berlin 1909, S. 194), „die einzigartige Bedeutung des Reformationszeitalters“ bestehe in „dem überquellenden Reichtum verschiedenartiger Gedankenrichtungen, die, einander kreuzend und ergänzend, sich durchzusetzen trachteten“, und der Historiker müsse bestrebt sein, „neben Luther und dem. Luther- tum“ die konkurrierenden religiösen Bewegungen „mit gleicher Hin- gabe. und Vertiefung zu erfassen“. Dazu müßte freilich erst eine Vorarbeit geliefert werden: die Schriften der Reformkatholiken, Eras- mianer, Spiritualisten usw. müßten gesammelt und geordnet und das Typische und Charakteristische daraus in kommentierten Abdrücken allgemein zugänglich gemacht werden. In den Niederlanden ist man uns darin weit voraus; der ,Bibliotheca Reformatoria Neerlandica", von der seit 1903 bis jetzt fünf starke Bände erschienen sind, haben wir nichts Ähnliches an die Seite zu stellen. Der kürzlich erschienene fünfte Band enthält ,Anabaptistica^; um den Band nicht übermäßig anschwellen zu lassen, sind jedoch vorläufig die aus den Kreisen der Münsterschen Täufer stammenden und die von David Joris und Ge- nossen verfaßten Schriften ausgeschieden worden.

An erster Stelle ist neu gedruckt: „Die Slotel van dat Secreet des Nachtmaels. Geschreuen doer eynen Henrick Rol. Item eyne rechte Bedijnckung, hoe dat Lichaem Christi van onsen lichaem tho underscheyden isz.“ Die erste Schrift ist wohl sicher von dem Wassen- berger Prüdikanten Heinrich Roll verfaßt, und zwar, ehe er nach - Münster kam, zwischen 1531 und November 1533. Die zweite Schrift stammt wahrscheinlich von einem anderen Autor. Beide Schriften wurden (überarbeitet) in einem Bändchen gedruckt von Pieter de Zuttere in Emden 1560—1573. Exemplare dieses Büchleins tauchten

1) Bd. 1—4 sind besprochen in dieser Zeitschrift I 4031f., II 406f., II 411f, IV 415ff. '

109 | 229

1735 in der. Bibliotheca Uffenbachiana, 1857 in einem Amsterdamer Antiquariatskatalog auf; das letztere Exemplar wurde von Cornelius benutzt und ging dann in den Besitz des theologischen Seminars zu Rochester, New York, über; gegenwärtig sind nur noch Exemplare in der Utrechter Universitütsbibliothek und der Züricher Stadtbiblio- thek nachweisbar.

Selbstverständlich kommt dann Melchior Hoffmann reichlich zu Wort. Zuerst stoßen wir auf „Die Ordonnantie Godts“. Die nieder- deutsche Originalausgabe ist verschollen; neugedruckt wird (nach dem Exemplar der Bibliothek der Mennonitengemeinde zu Amsterdam ein zweites befindet sich in der Universitätsbibliothek zu Löwen) eine 1611 in Amsterdam bei Claes Gerretsz erschienene holländische Über- setzung. Gleichfalls als Übersetzung aus dem Niederdeutschen (auf Grund einer Niederschrift oder einer Rede Hoffmanns) stellt sich dar die aus derselben Zeit (1530, 1531) stammende „Verclaringe van den geuangenen ende vrien wil", die sich nur in einem Exemplar ohne Titelblatt, jetzt auf der Utrechter Universitütsbibliothek, erhalten hat. Es folgt die noch 1583 erschienene niederländische Übersetzung der Streitschrift Bucers gegen Hoffmann, die an die Disputation zu Straß- burg vom 11.—13. Juni 1533 anknüpft; nur ein Exemplar in der Bibliothek der Mennonitengemeinde zu Amsterdam ist bekannt.

Danach werden wir genauer bekannt gemacht mit Adam Pastor, der, 1547 als Antitrinitarier gebannt und aus der mennonitischen Ge- meinde ausgestoßen, Haupt einer sich abzweigenden kleineren, aber anscheinend nicht unbedeutenden Partei wurde. Das Büchlein von ihm, das jetzt im Neudruck erscheint, fand A. M. Cramer in jener Amsterdamer Bibliothek und benutzte es zu seinem Werke: „Leven en verrigtingen van Menno Simons“ (1837); seitdem hatten es nur Professor Scheffer und S. Cramer gelesen. Das Büchlein enthält zwei Schriften von Pastor: „Vnderscheit tusschen rechte leer vnde valsche leer“ und: ,Disputation van der Godtheit des Vaders, des Soens vnde des hilligen Geistes.“ Die zweite ist ein Bericht über eine Disputation, die zwischen Pastor und „Menno mit synen vorwanten“ 1552 in Lübeck stattgefunden hat und nicht mit der von 1545 verwechselt werden darf. Einige Jahre nach 1552 sind die beiden Schriften verfaßt und im Druck ausgegangen.

Zum Schluß wird der Inhalt eines Sammelbündchens wieder- gegeben, das nach der ersten darin enthaltenen Schrift des Tüufers und Märtyrers Michael Sattler den Titel führt: „Broederlicke ver- eeninge van sommighe kinderen Gods.“ Zwei Ausgaben, von 1560 und 1565, sind bekannt, jede nur durch ein Exemplar in Amsterdam . vertreten. Das deutsche Original des Kerns dieses Sammelbändchens hat W. Köhler als 3. Heft des II, Bandes der „Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation“ (1908) herausgegeben.

Die Edition ist wieder tadellos. In den Einleitungen wird das Bibliographische, Sprachliche, Historische und Theologische mit gleich erschüpfender Sorgfalt und ruhiger Klarheit erörtert. 0. Clemen,

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Untersuchungen und Darstellungen. Die Quin- quennalfakultäten für die deutschen Bischöfe stammen erst aus der Mitte des 17. Jahrhunderts; daß sie aber nicht, wie bisher mit O. Mejer angenommen wurde, erst aus der durch den Westfälischen Frieden geschaffenen Lage hervorgegangen sind, sondern in ihren Wurzeln bis in die Reformationszeit zurückreichen, ist ein Haupt- ergebnis der von U. Stutz angeregten, sorgfältigen und scharfsinnigen Studie von L. Mergentheim, Die Quinquennalfakultäten pro foro externo. Ihre Entstehung und Einführung in deutschen Bistümern (= Stutz, Kirchenrechtl. Abhl. 52/53. Stuttg., Ende 1908. XX, 306 + 336 S. M. 11 + 12.—). M. unterzieht, um überall die Wurzeln und Vorstadien der späteren Quinquennalfakultäten aufzu- decken, die Bischofs- und die Nuntiaturfakultüten von ihrem Auf- kommen ab einer eindringenden Untersuchung; er zeigt, was die ersteren betrifft, wie in der Reformationszeit unter dem Zwang der Umstünde zu den Gnadenfakultüten, durch die bis dahin in einzelnen Füllen einzelne Bischófe ausgezeichnet worden waren, ,Reformations- fakultäten* zum Zwecke der Stärkung des bedrohten Katholizismus, dann „Gegenreformationsfakultäten“ als Kampfmittel wider den Protestantismus hinzutreten. Durchaus verschieden von den Fakultäten der Bischöfe sind die Fakultäten, mit denen die Nuntien teils im Inter- esse der päpstlichen Jurisdiktion, teils auch zur Aufbesserung ihrer Bezüge ausgestattet wurden. Der Entwickelung dieser mit den Nuntia- turen selbst auch ständig werdenden Fakultäten geht M. nach, aller- dings wesentlich mit Rücksicht auf die hier sich flndenden Elemente zu den Quinquennalfakultäten der Folgezeit; auch so aber bietet er auf Grund der neueren Veröffentlichungen („Nuntiaturberichte“ usw.) wie auch eigener archivalischer Studien eine willkommene Übersicht über das Fakultätenwesen der älteren ständigen Nuntiatur. Besonders eingehend behandelt M. die Episode von 1548, die Ausstattung dreier „Reichsnuntien“ (des ständigen Nuntius beim Kaiser Bischofs Bertano von Fano und der Bischöfe Lipomani von Verona und Pighini von Ferentino) mit außerordentlichen Fakultäten, die die Rückführung der Protestauten zur alten Kirche vermitteln oder erleichtern sollten eine Episode, über die der demnächst erscheinende elfte Band der „Nuntiaturberichte aus Deutschland“ (erste Abt.), der die Epoche 1548/49 behandelt, noch weiteres Licht verbreiten wird. Um einen kleinen tatsächlichen Irrtum des Verfassers aus der Welt zu schaffen, sei darauf hingewiesen, daß die Abkürzung Hie. car. Ghi. unter einer Reihe von Breven Pauls III., die Verfasser im Anhang mitteilt, den Kardinalsekretär der Breven Girolamo Ghinucci bezeichnet, nicht aber Ghisilerius (wie Verfasser stets druckt, ohne anzudeuten, daß der Name im Text abgekürzt ist) gelesen werden darf; Ghislieri, der spätere Papst Pius V., an den er augenscheinlich denkt, hie Michael mit Vornamen und wurde erst 1557 Kardinal. W. F.

A. Eekhof, De questierders van den aflaat in de noordelijke Nederlanden. 's-Gravenhage, Martinus Nijhoff, 1909. XVI, 108,

111 231

CXXIII blz. fl. 3.25. „Questierders“ waren Leute, die im Auftrage eines Klosters oder einer Kirche mit Reliquien umherreisten, Ablaß verkauften, durch Berührung mit den Reliquien Krankheiten heilten, Geld und Naturalien einsammelten. Das Quellenmaterial, auf Grund dessen Eekhof die Engagierung und die Tätigkeit dieser Leute schildert, stammt aus dem Utrechter Reichsarchiv. Es sind in erster Linie mehr als 150 Urkunden aus dem Archiv des Utrechter Doms. Dazu kommen das Urkundenbuch der Domfabrik, das abschriftlich einige jetzt nicht mehr im Original vorhandene Urkunden enthält, und außer einigen Einzelstücken die Rechnungen der Domfabrik. Der. Verfasser läßt uns auch in das Ablaßwesen, die Heiligen- und Reliquienverehrung der katholischen Kirche in den Niederlanden von heute hineinblicken ; von der Wunderstütte St. Hubert in den Ardennen gibt er z. B. eine auf Autopsie beruhende lebensvolle Schilderung. Möchte eine ähn- liche Arbeit über das Tun und Treiben der Quüstionierer in deutschen Landen recht bald folgen! Zu Joh. Schwebels ,Ermanung zu den Questionieren abzustellen überflüssigen Kosten“ (1522) vgl. jetzt Fr. Jung, Joh. Schwebel, der Reformator von Zweibrücken, Kaisers- lautern 1910, S. 20 ff. 153. Dabei wird auch die Frage zu lösen sein, in welchem Verhältnis die Quästionierer zu den Stationierern stehen; im wesentlichen sind sie wohl identisch; vgl. Liber vagatorum, W. A. 26, 650, Eberlin von Günzburg, herausgegeben von Enders, I 154 f., 160 f., Schade, Satiren und Pasquille I, 32, 185 ff.; II, 44, 13ff.; 184, 294; Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation III 59 usw. O. Clemen. Johannes Lindeboom, Erasmus, onderzoek naar zijne theologie en zijn gotsdienstig gemoedbestaan. Proefschrift ter verkrijging van den graad van Doctor in de godgeleerdsheid aan de rijksuniversiteit te Leiden. Leiden, A. H. Adriani, 1909. X 200 blz. In der Ein- leitung zeigt der Verfasser, inwiefern die bisherigen Arbeiten über die religiöse Stellung des Erasmus ungenügend sind; nur schade, daß ihm dabei die ganze neuere einschlägige deutsche Literatur unbekannt ge- blieben ist: K. Müllers Kirchengeschichte, Wernle, Renaissance des Christentums 1904, von Walter, Das Wesen der Religion nach Eras- mus und Luther 1906, Hermelink, Die religiösen Reformbestrebungen des deutschen Humanismus 1907, M. Richter, Erasmus und seine Stellung zu Luther 1907, Zickendraht, Der Streit zwischen Erasmus und Luther über die Willensfreiheit 1909. So bietet L. zwar keine Auseinander- setzung mit diesen seinen verschiedenen Vorgüngern, wohl aber eine eingehende, fleißige, objektiv-quellenmäßige Behandlung des Themas, die im ganzen zu einer Apologie des Erasmus wird. Die Einteilung in zwei Hauptabschnitte, in deren erstem des Erasmus Stellung zur Bibel, seine Kritik an der Kirche und ihren Einrichtungen, seine Vorstellungen über Glaube und Gnade, über die katholische Kirche und ihre Dogmen und über die Sakramente dargestellt werden, wührend in dem zweiten seine Religiösität im allgemeinen behandelt wird, bringt zwar den Vorteil mit sich, daß wir im ersten Teile immer festen

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Boden unter den Fügen haben und erst im zweiten auf Hypothesen und Konstruktionen stoßen, bewirkt aber auch manche Weitschweifig- keiten und Wiederholungen. O. Clemen. A. A. van Schelven, De nederduitsche vluchtelingenkerken der XVIe. eeuw in Engeland en Duitschland in hunne beteekenis voor de reformatie in de Nederlanden. 's-Gravenhage, Martinus Nijhoff, 1909. XXXII, 455 blz. fl. 5. Die Begrenzung seines Themas, speziell, daß er. „de Waalsche, Fransch- sprekende gemeenten“ ausgeschlossen hat, rechtfertigt der Verfasser damit, daß die Commission de l'histoire des églises Walonnes, die Huguenot Society und der deutsche Huge- nottenverein ihre Geschichte erforschen und daf die wallonischen Ge- meinden in England in F. de Schickler, Les Eglises du refuge en Angleterre (3 Tomes, Paris 1892) bereits ihren Geschichtsschreiber ge- funden haben. Im 1. Kapitel wird dargetan, warum die Emigration 1544 einsetzte und welche Umstände sie fórderten; es wird dann im all- gemeinen gezeigt, wohin die Emigranten sich wandten; endlich wird vorsichtig der Umfang der Emigration taxiert. In vier Gruppen ziehen dann die niederdeutschen Flüchtlingsgemeinden von ‘unsern Augen vorüber: Ostfriesland (Emden), England (London, Sandwich, Colchester, Norwich, usw.), Frankfurt und Pfalz (Frankenthal), Niederrhein (Köln, Aachen, Wesel, Goch, Emmerich). Im Schlußkapitel beantwortet der Verfasser die Frage, was die niederländische reformatorische Kirche im Exil gelernt hat: hinsichtlich des kirchlichen Lebens lernte man den Wert fester Organisationen und Ordnungen kennen und behielt seitdem die Unabhängigkeit von der staatlichen Obrigkeit und die Reinheit und Einfalt der apostolischen Zeit als Ideale im Auge; hin- sichtlich der Lehre schied man sich von Lutheranern und Anabaptisten und erfuhr man den Einfluß besonders a Lasco’s, Bullingers und 'Calvins. -Der Verfasser beherrscht nicht nur die gesamte einschlägige Literatur, sondern hat auch, besonders in Frankfurt a. M. und Emden, gründliche archivalisehe Studien getrieben; er schreibt schón und klar und mit innerer Beteiligung. O. Clemen.

Beriehtigung.

Die oben S. 119f. angezeigte Schrift von G. Loesche, Luther, Melanchthon und Calvin in Osterreich-Ungarn kostet nicht, wie irr- tümlich gedruckt ist, M. 13.—, sondern nur M. 4.—.

Die Wittenberger. Bewegung 1521 und 1522.

Von Nikolaus Müller.

(Fortsetzung.)

5. Christoph Blanck’,

Planck?) usw. stammte aus Ulm). Zuerst besuchte er die Universität Tübingen, die ihn am 9. März 1499 unter ihre Scholaren aufnahm.*) Sodann ging er nach Ingolstadt, wo er am 16. Juli 1502 immatrikuliert wurde.) Da die schwä- bische Hochschule der neugegründeten kursächsischen Uni- versität außer der Verfassung eine ganze Anzahl von Lehrern und Schülern geliefert hatte ©), kann es nicht weiter auffallen, daß auch Blanck, diesen folgend, nach Wittenberg zog und sich hier im Winterhalbjahr 1504/5 intitulieren ließ‘). Dank einer Empfehlung seines Landsmanns, des Ulmer Priors Ulrich Kollin, wurde Blanck mit Christoph Scheurl bekannt. Dieser nahm sich alsbald nach seiner Übersiedlung nach Wittenberg im Jahre 1507 des sehwübischen Studenten

1) Vgl. vorher 2. Heft S. 66, 67, 72, 73.

2) In einem Brief vom Jahre 1524 nennt er sich Blanck. Vgl Weimar, Reg. O Nr. 229. Diese Schreibung ist in den Schriftstücken aus seiner Wittenberger Zeit die gewöhnliche. Als Planck erscheint er . z B. Hermelink, Die Matrikeln der Universität Tübingen 1. Bd. S. 123.

3) Vgl. Hermelink a.a. 0., Foerstemann, Album etc. p. 16.

4) Vgl. Hermelink a. a. O.

5) Vgl. G. Wolff, Die Matrikel der Universität Ingolstadt 1. Hälfte Sp. 294.

6, Vgl. Nik. Müller, Die Gesetzgebung der Universität Witten- berg S. XIV ff. XLIV f.

?) Vgl. Foerstemann l. c.

Archiv für Reformationsgeschichte VII. 8. 16

234 2

an. Er fand dabei einen durchaus rechtschaffenen, sittsamen, fleißigen und guten Menschen, während andere bei dem in der Zurückgezogenheit Lebenden und dem Verkehr mit Freunden Ausweichenden die Humanität vermißten. Blancks Lage war damals so wenig glänzend, dab ihm Scheuer] acht Gulden leihen mußte. !) Nicht besser erging es ihm hernach. Hebt doch Johann Friedrich in einer noch zu erwähnenden Ver- schreibung hervor, daß Blanck viele Jahre an der Universität und Schloßkirche sich „enthalten“ und „ain redliche Summa geldes vnd vast denn mehren teill seins vaterlichenn Erbes dohin vnnd etwas douonn jn obberurte vnsere Stifftkirchenn gewant“ habe. ?) Leider können diese allgemeinen Angaben aus den mir zugänglichen Quellen nicht durch einzelne be- stimmte Tatsachen belegt werden. Höchstens erfährt man noch aus einer gelegentlichen Bemerkung Blancks, daß ihm sein juristisches Studium „auf etliche hundert Gulden“ zu stehen kam.5) Ä

Was über das Leben Blancks zwischen 1507 und 1515 zu ermitteln ist, beschränkt sich in der Hauptsache auf ein Doppeltes. Er erlangte in dieser Zeit den Grad eines Lizentiaten beider Rechte und eine Pfründe an der Schloß- kirche. Zwar verlautet nichts über seine Anstellung und die Art des ihm übertragenen geistlichen Dienstes, aber daß er schon vor November 1515 an dieser Kirche einen Posten inne- hatte vermutlich war er einer der Vikare oder Kapläne —, darf man aus seiner Bewerbung um eines der höheren Kanonikate im Wittenberger Kollegiatstift, das Syndikat, und aus der Unterstützung, die er dabei von dem Stiftspropst fand, schließen. Als nämlich der Syndikus Paul Penckau am 5. November 1515 zu Ziesar gestorben war, bemühte sich Blanck alsbald um dessen Offizium. Ihm trat Henning Göde an die Seite, indem er am 11. November 1515 Friedrich

-———

!) Vgl. v. Soden und Knaake, Christoph Scheurls Brief- buch 1. Band S. 47 f.

2) Vgl. Weimar, Copial F 14 Bl. 357b ff.

3 Vgl Förstemann, Luthers Tischreden 4. Abt. S. 485, Bindseil, Lutheri Colloquia tom. I p. 289. Am letztern Ort werden 1500 Gulden genannt. Aber eine so hohe Summe bedurfte kein damaliger Student.

3 235

dem Weisen schrieb: „Der licenciat Blanck hette Benckaws prebenn gernn, So sagen die andern, sye gehorc einem theo- logen. Dieweil aber vorhin vnd ane das 7 theologen yn die kirchen gehorn, liesß ich mich bedunckenn, Der Blanck solt gut sein, wan er 800 gulden von dem seinen der kirchen wolt zeufugen, wie er sich hadt horen lassenn. So mochten E. g. ynen auch bald zeu eynem theologen machenn durch E. g. priuileyen, doch muste das yn kein pact gebracht werden, anders were es Simonia, das nit seyn sall.“') Ob der Kurfürst vor der Simonie sich scheute, oder welch anderes Hindernis sich in den Weg stellte? Jedenfalls schlug Blancks Bewerbung fehl, und wurde schließlich der besondere Liebling der Universität und des Stiftskapitels, Otto Beckmann, Syndikus.?) |

Mehr Glück hatte der Lizentiat mit seinen Schritten behufs Erlangung des Dekanats und der Prokuratur im kleinen Chor der Schloßkirche. Am 29. September 1516 trat er als Nachfolger des Simon Funck, der sich zurückzog, sein Amt an, womit die Leitung und die Kassenverwaltung der von Friedrich dem Weisen vornehmlich zu Ehren der Jungfrau Maria ins Leben gerufenen Stiftung verbunden war.*) Als Dekan des kleinen oder Unser lieben Frauen-Chors gehörte Blanck auch dem Stiftskapitel der Schloßkirche

1) Vgl. Doctor Hennyng [Göde] mit anzaig doctor Benc kaw absterben usw., Weimar, Reg. O pag. 91. AAa. n. 20a, Daß Blanck Lizentiat nicht des kanonischen, sondern beider Rechte war, erhellt u. a. aus Weimarer Lutherausgabe 6. Bd. S. 181.

2) Vgl. vorher 2. Heft S. 79 f.

3) Vgl. Oppher, vf vnser lieben frawen vnd Sanet Annen altar gefallen, Weimar, Reg. O Nr. 200., `

*) Vgl. vorher 2. Heft S. 66 Anm.2. Sanctorum decanus wird Blanck von Scheurl, v. Soden und Knaake a. a. O. 2. Band S. 77, genannt, nicht „Scotorum decanus", wie:die Herausgeber fülschlich lesen. Einer der Chorschüler des kleinen Chors zu Blancks Zeit war Johann Agricola. Zum Zeichen des Danks für seine Aufnahme unter die Chorschüler und für sonstige erfahrene Wohltaten widmete Agricola am 13. Januar 1518 dem Dekan des kleinen Chors die von ihm hergestellte Ausgabe der Vaterunser-Predigten Luthers. Vgl. Kawerau, Agricola S. 131.

16*

236 | 4

an, und zwar rangierte er hier vor den sog. herzoglichen Kanonikern.?) z

Obwohl der Dekan außerhalb des Lehrkórpers der Universitüt stand und sein Name unter denen, die in den ersten Jahren der Reformation eine Rolle spielten, nicht angetroffen wird, muß er dech mit Verständnis und Teilnahme die neue Bewegung verfolgt und auf Luther einen besondern Eindruck gemacht haben. Zeichnete ihn doch dieser 1520 durch die Widmung seiner „Responsio ad condemnationem doctrinalem per Lovanienses et Colonienses factam“ vor aller Welt aüs.?)

Daß ein Blaneks Chor angehöriger Priester einer der ersten war, die in Wittenberg die römische Messe ein- stellten, und er selbst in der Zeit der Neuerungen 1521/2 noeh mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, erhellt aus den mitgeteilten Schriftstücken.?) Trotzdem hielt er mit echter schwäbischer Treue bis gegen Ende des Jahres 1524 auf seinem Posten aus und bemühte sich in dieser Zeit nach Kräften um die Fortdauer der von Friedrich dem Weisen für den kleinen Chor vorgeschriebenen Horen, Messen u. dgl., und dies in einer Weise, als ob ihn und seinen amtlichen Wirkungskreis der gewaltige Kampf zwischen Rom und Wittenberg gar nichts angegangen hätte. Denn es ist bc- zeichnend, daß keine der zahlreichen Eingaben, die die beiden Parteien des Stiftskapitels in den Jahren 1521 bis 1524 an den Kurfürsten richteten, die Unterschrift Blancks trägt. Noch mehr fällt es auf, daß Luther bei seinen verschiedenen gegen die reformationsfeindlichen Stiftsherren unternommenen Angriffen den Dekan nicht einmal nannte, geschweige denn befehdete, obwohl doch die kultischen Einrichtungen und Handlungen des kleinen Chors in seinen Augen nicht weniger anstößig sein mußten als die des großen. Wie mir scheint, ist der Grund für das Tun und Lassen der beiden Männer in der Lauterkeit der Gesinnung Blancks und in dem tiefen Respekt Luthers vor dieser Großmacht zu erkennen. Jener hielt sich geflissentlich von den beiden Parteien ferne

1) Vgl. u.a. Spalatin, Summa Der gestifften person zu Witten- berg in Aller Heyligen kyrchen 1519, Weimar, Reg. O Nr. 204.

?) Vgl. Weimarer Lutherausgabe 6. Bd. S. 181 ff.

3) Vgl. vorher Nr. 103, 107.

5 237

und leitete den kleinen Chor in der stiftungsgemäßen Weise, weil er mit seinem „täglichen Lesen und Nachforschen“ noch nicht zu einem abschließenden Urteil bezüglich der großen Zeit- und Streitfragen gekommen war, und dieser machte vor dem aufrichtig suchenden Mann halt und ließ ihm Zeit, sich durchzuringen. | Am 23. Dezember 1524 war der ehehehe Sakwa an dem entscheidenden Wendepunkt angelangt und gab seinem Landesherrn davon die bewegliche Kunde: „Ewern Churfurstlichen gnaden ist vnuerborgen, wie die lere, so ietzt gott an den tag lesst komen, dem brauch der Mess, als dieselb bißanher gehalten, entgegen ist, jn welchem ich dan ausserhalb e. e. f. g. befeleh kein verenderung jn e. c. f. g. Stifft bißher hab wollen furnhemen, auch yn solcher ferlichen sach nit vnbedechtig richten noch eylen. Nu aber ich dureh tegliehs lesen vnnd nachforschen sonil bericht empfangen, zwingt mich die nott meines gewissen, Das ich lenger nit ob der Mesß halten kan. Vnnd, ob schon dise ordination der Mess, wie bifher yn vbung gewest, vnstreff- lich, so ist doch solcher vngehorsam vnd freuel yn den be- stelten personen, das eyner newerung not wer. Denn ich befynde, das ettlich, zuweylen einer den kelch, der ander das brodt nicht eonsecrirt noch segent, Desshalb ich dann yr eins teyls geurlaubt, Dorumb das zubesorgen, gott mócht solchen mutwillen erschrecklich straffen .... Bitt derwegen vnther- teniglich, e. e. f. g. wolle hierynn eyn gnedigs einsehen haben, Dieweyl doch diß eyn rechter gots dienst ist, die armen Conseientz solcher burden entladen“ usw.!) Fried- rich der Weise antwortete zwar umgehend, aber er beschied nicht sofort Blancks Gesuch, sondern sagte nur zu, die „anzaig vnd suchung in bedencken (zu) nemen“.?) Inzwischen nahmen die Dinge in Wittenberg einen raschen Verlauf. Was insonderheit Blanck und den von ihm ge- leiteten Chor angeht, so berichtete darüber am 9. Januar 1525 der Schösser Gregor Burger seinem kurfürstlichen

7) Vgl. das Schreiben Blancks an Friedrich den Weisen vom 23. Dezember 1524, Weimar, Reg. O Nr. 229.

2) Vgl. das Reskript Friedrichs des Weisen an Blanck vom 21. Dezember 1524, Weimar a. a. O.

238 6

Herrn: „In die metthe, mhes vnd vhesper ghen alle person des eleinen Chorsch am heiligen obendt vnd am heiligen tage. Sunst.jst der cleine..chur..zugeschlossenn, vndt jst syder dem kindeltage [28. Dezember] nichten dor jnnen ge- songen wordenn. Leit gar dor nyder.“ und: „Der Techent des Cleinen Churs hette leiden konnen, das der gesang von vnser lieben frawen, Die weil man nicht wolde, das er douon singen solde, vorandert wher worden. Do woltten keine vor- schlege angenommen werden, wolt er: nicht vnlosts erwartten, so vnd zufriden sein, hat ers mussen alls nach lassenn.“?)

Nach der Abschaffung des kleinen Chors waren Blanck und sein Personal fürs erste gehalten, an dem umgestalteten Horendienst im großen Chor teilzunehmen. Setzten sich die zum kleinen Chor Gehörigen im Jahre 1520 aus dem Dekan, drei Kaplänen, fünf Chorschülern und sechs Chor- knaben zusammen, so zählte man am 24. April 1525 noch den Dekan, vier Chorschüler und vier Chorknaben und im Oktober des gleichen Jahres bloß noch den Dekan.?) Die Tätigkeit Blancks auf dem großen Chor endigte schon nach Monaten. In der zweiten Oktoberwoche 1525 wurde ihm, der bisher Prokurator des kleinen Chors gewesen war und offenbar in dieser seiner Eigenschaft in hervorragender Weise sich bewährt hatte, von den nach Wittenberg ent- sendeten kurfürstlichen Räten, Johann von Dolzig und Johann von Gräfendorf, die Verwaltung des Stiftskirchen- vermögens übertragen. Damit entsprach Kurfürst Johann dem Ansuchen der noch vorhandenen Kapitulare der Schloßkirche, die ‚Güter dieses Gotteshauses an sich zu nehmen und eine geeignete Persönlichkeit mit der Ein- forderung der Zinsen und Renten usw. zu betrauen. Der neue Vogt oder Kammervogt, wie man ihn nannte, erhielt die Aufgabe, die in Betracht kommenden Einkünfte einzu-

!) Vgl. das. Schreiben Gregor Burgers an Friedrich den Weisen, Weimar, Reg. Kk Nr. 1400.

?) Vgl. das Schreiben Gregor Burgers an Friedrich den Weisen vom 24. April 1525, Weimar, Reg. O Nr. 204 und 229, Spalatin, Die antzal aller heiligen kyrchen zu Wittenberg person 1520, daselbst, Reg. O Nr. 204, Ain kurtzer vngeuerlicher auDzug,

das einkomen vnd eroberung von den verledigten personen des stifts Wittenberg belangende usw., daselbst, Reg. O Nr. 236.

7 239

ziehen, zu verwahren und aus den Einnahmen die Pensionen und Gehälter der. Kirchen- und Universitätspersonen zu zahlen, sowie alljährlich zweimal Rechnung über Einnahmen und Ausgaben zu stellen. Für seine Mühewaltuug waren neben dem Einkommen seiner Dekanatspfründe, jährlich 52 Gulden und Naturalien, anfänglich nur 15 Gulden im Jahre ausgesetzt. Um 1529 bezog Blanck jedoch schon 40 Gulden, und im Jahre 1536 erhöhte Johann Friedrich, über die ihm von maßgebender Seite vorgeschlagene Punime von 60 Gulden hinausgehend, sein Jahresgehalt auf 80 Gulden.?)

Wie diese Gehaltserhóhungen, so lassen auch zwei Ver- schreibungen Johann Friedrichs erkennen, daß die oberste Regierungsstelle die Dienste und Verdienste Blancks hoch wertete. Am 28. Januar 1532 versehrieb nümlieh der Kur- fürst ihm und seinen Erben die Behausung dem Wittenberger Schloß gegenüber, die Friedrich der Weise für die Chor- schüler der Schloßkirche hatte erbauen lassen, und am 28. De- zember 1533 dem ,verwalter* der Stiftskirche und seinen Amtsnachfolgern eine Anzahl von Gütern und Zinsen im Amt Seyda.?) Ebenso zollte die Universität dem Verwalter und seiner Tätigkeit hohe Anerkennung. Wählte sie doch den auDerhalb des Lehrkürpers stehenden Mann für das Sommer- semester 1531 zum Rektor.*)

1) Vgl. Instruction gein Wittenberg auf Hansen von Doltzigk vnd Hansen von Grefendorff, Weimar, Reg. O Nr. 286, Ain kurtzer vngeuerlicher außzug usw. (s. vorher S. 6 Anm. 2), Die handelung der vorordentten rethe gegen Wittemberg usw., Weimar, Reg. O Nr. 236, Chronicon sive annales Spalatini, J. B. Menckenii Seriptores rerum Germanicarum vol. II col. 647, E. S. Cyprian, Der Andere und Letzte Theil zu Wilh. Ernst Tentzels Historischem Bericht vom Anfang und ersten Fortgang der Reformation Lutheri (1718) S. 376.

?) Vgl. Vortzaichnis des ksthemergeldes Reminiscere usw. 1599, Weimar, Reg. O-Nr. 207, Vnngeuerlich vortzaichnus, welcher gestaldt der Styfft vnnd Vniuersitet zu wittembergk solle fundirt usw. 1536, Weimar, Reg. O Nr. 237, Hering, Libellus Fundationis Academiae Vitebergensis a. MDXXXVI, Haller Universitätsprogramm 1882, S. 15.

5) Vgl. Weimar, Copial F 14 Bl. 857^ff. Das Haus Blancks ist erwähnt de W.ette, Luthers Briefe 4. Theil S. 7, 5. Theil S. 20, Corpus Ref. vol. III col. 1066, vol. IV col. 139, Dresden, Hauptstaats- archiv, Kopial 1289 Bl. 284 ff.

1t) Vgl. Foerstemann |. c. p. 141.

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Obwohl Blanck schon 1524 über „leibs blödigkeit, auch alter“ zu klagen hatte!), war es ihm doch vergönnt, über 15 Jahre lang sein Schatzmeisteramt zu versehen. Am 2. Mai 1540 versetzte ihn der Kurfürst in den wohlver- dienten Ruhestand. Dabei befahl er, dem Wunsch und An- trag der Universität entsprechend, den Greis auch weiterhin im Genuß seiner Pfründe und seines vollen Gehalts zu be- lassen.?) Freilich sollte er sich nicht einmal ein Jahr der Ruhe erfreuen dürfen; denn bereits am 19. März 1541 schlug seine Todesstunde?) Nach zwei brieflichen Nachrichten Luthers an Melanchthon starb „unser“ Blanck nicht etwa an Altersschwäche, sondern infolge von Diätfehlern, die er während seiner Erkrankung am Fieber beging.‘)

Schon aus diesen Nachrichten läßt sich erkennen, daß Blanek bis zu seinem Ende mit Lutber und Melanch- thon befreundet war. Von dem freundschaftlichen Verhält- nis legen ferner: die Tatsachen Zeugnis ab, daß Blanck zu Luthers Tafelrunde gehörte?) und noch lange nach seinem Tode von Melanchthon in einer TOHCSUBE als jue noster“ bezeichnet wurde).

6. Ulrich von Dinstedt’),

Dinsthet, Dhinstet, Dhinsthedt, Denstet, Denstat, Den- stath, Denstadt, Denstedt?) usw. war der Sprosse einer in

1) Vgl. das Schreiben Blancks an Friedrich den Weisen vom 23. Dezember 1524, Weimar, Reg. O Nr. 229.

2) Vgl. das Schreiben Johann Friedrichs an die Universität Wittenberg vom 2. Mai 1540, Weimar, Reg. O Nr. 241, Auszug Melanchthons aus einem kurfürstlichen Reskript, daselbst, Reg. O Nr. 243.

3) Vgl. Corpus Ref. vol. IV col. 139. .

*) Vgl. de Wette, .Luthers Briefe usw. 5. Theil S. 336, 338.

5 Vgl. Förstemann, Luthers Tischreden a. a. O., Bindseil l. c.

6) Vgl. Corpus Ref. vol. XXIV col. 939. Noch einige weitere Notizen über Blanck sind zusammengestellt von Kawerau a. a. O. S. 18 Anm. 1 und von Bossert in: Blütter für Württembergische Kirchengeschichte 3. Jahrg. 1888 S. 96.

?) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 58, 64, 66, 3. Heft S. 1,718, 33, 34, 4. Heft S. 26, 71.

8) Vgl. zu diesen Namensformen u. a. von Soden und Knaake, Scheurls Briefbuch 1. Band S. 57, 60f., 74, 2. Band S. 6, 93, 34,

9 241

Thüringen ansässigen Adelsfamilie! Seine Heimat war das bei Weimar gelegene Tiefurt?), das seit 14. November 1487 sein Bruder Michael, bekannt als Rat und Marschall Friedrichs des Weisen?) und vor diesem Georg und Kaspar von Dinstedt von den sächsischen Herzógen zu Lehen hatten.) Ulrich begann seine Universitätsstudien zu Erfurt, wo er im Sommersemester 1473 intituliert wurde.?) Später suchte er die bayrische Hochschule Ingolstadt auf. Hier lieB ,Udalrieus de Tynstet, plebanus in Orle- münd“ sieh am 4. April 1581 inskribieren und hörte ins- besondere die Vorlesungen des Sixtus Tucher.°) Weiter zog er tiber die Alpen und betrieb zuerst in Perugia und hernach in Rom kanonistische Studien.) Indessen galt der römische Aufenthalt nicht lediglich wissenschaftlichen Studien, vielmehr erzählt Scheurl von seinem Freund Dinstedt: „et apud Cardinalem Vrsinum obsceniorum [so!] seitissimus instructor fuit et ab eo propter morum elegantiam familiater [so] dilectus, sicut etiam apud vniuersos curiales ob experientiam et probitatem multa valuit auctoritate“.®)

Kawerau, Briefwechsel des Justus Jonas 1. Hälfte S. 70, Weimar, Reg. O Nr. 204. Neudecker und Preller, Spalatins hist. Nachlaß 1. Band S. 42. |

i) Über die Familie des Namens vgl. v. d. Gabelentz in: Mittheilungen der Geschichts- und Altertumsfors$chenden Gesellschaft des Osterlandes 6. Band S. 309 ff, 7. Band S. 142, Lommer in: Mittheilungen des Vereins für Geschichts- und Alterthumskunde zu Kahla und Roda 2. Band S. 105.

2) Vgl. Weissenborn, Acten der Erfurter Universität 1. Theil S. 852.

*) Vgl. u. a. v. d. Gabelentz a. a. O. 6. Band S. 312, Scheurl, Oratio attingens litterarum prestantiam necnon laudem Ecclesie Colle- : giate Vittenburgensis, mense Decembrio Anno a natali Christiano 1509. Egregius bibliopola Martinus Herbipolensis Lipsi imprimebat, Bl. Ci b.

*) Vgl. Weimar, Copialbuch D 1 Bl. Clxii* ff.

| 5$ Vgl. Weissenborn a. a. O.

9$ Vgl. G. Wolff, Die Matrikel der nier Ingolstadt 1. Hälfte Sp. 101, Schenri l. c.

N Vgl. Wittenb. jurist. Dekanatsbuch Bl. 125*. Meine Be- mühungen, in Perugia etwas über Dinstedts dortigen Aufenthalt zu erfahren, blieben erfolglos. Die Verwaltang der Eerngiaort Dur versitätsbibliothek konnte nichts ermitteln.

5 Vgl. Scheurll.c.

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Gemeint ist Battista Orsini, Kardinaldiakon 1483—1488 von S. Maria in Domnica und 1489— 1493 von S. Maria Nuova und seit 1493 Kardinalpriester von S. S. Giovanni e Paolo, der von Alexander VI. anfangs mit Gunstbezeugungen über- schüttete und später tödlich gehaßte, der am 22. Februar 1503 wahrscheinlich durch den Gifttrank der Borja endigte.!)

Nachdem Dinstedt auf den hohen Schulen von Ingol- stadt, Perugia und Rom an zehn Jahre zugebracht hatte?), ließ er sich in seiner thüringischen Heimat nieder. Hier hatte er sich schon vor dem Jahre 1482 so viele geist- liche Pfründen verschafft, daß er vor Heraog Wilhelm III. von Sachsen auf sein väterliches Erbteil Verzicht leistete. Aus dem gleichen Grund wurde er, als Friedrich der Weise und Herzog Johann am 14. November 1487 Michael von Dinstedt das Vorwerk und Dorf Tiefurt, einen freien Hof in der Stadt Weimar, sechs Hufen Feld vor Weimar usw. ‚verschrieben, nur für den Fall berücksichtigt, daß dieser sein Bruder vor ihm ohne rechte Leibeslehenserben sterben sollte?) Von den Pfründen, die Ulrich besaß, sind mir die Pfarreien Orlamünde, Eisfeld und Hildburg- hausen und eine Vikarie zu Neustadt v. d. H. bekannt ge- worden.*) Angesichts dieser Pfründenhüufung hat F. W.Krauß gewiß recht, wenn er meint, Dinstedt sei es nicht um das Amt, sondern um die Besoldung zu tun gewesen.)

Als Friedrich der Weise, um die von ihm gestiftete Universität nach der finanziellen Seite sicherzustellen, sich entsehloB, sie durch Inkorporation mit dem Wittenberger Kollegiatstift zu vereinigen, dieses zu erweitern und dessen hauptsächlich aus kirchlichen Mitteln besoldete

1) Vgl. Francesco Sansovino, De gli huomini illustri della casa Orsina, Venetia :1565, fol. 5bsq., Francesco Cristofori, Storia dei Cardinali di S. Romana Chiesa, 1888, p. 111, 294, 257, 336 sq. Pastor, Geschichte der Püpste 3. Band S. 265, 463 f. u. 6.

2) Vgl. Wittenb. jurist. Dekanatsbuch a. a. O.

3) Vgl. Weimar a. a. O.

t) Vgl. F. W. Krauß, Beytrüge zur Erläuterung der Hochfürstl. Sachsen - Hildburghäusischen Kirchen- Schul- und Landes-Historie ‚8. Theil (1733) S. 50, Berbig in: Archiv für Reformationsgeschichte 3. Jahrg. S. 882, 4. Jahrg. S. 394.

5 Vgl. Krauß a. a. O.

11 243

Kapitulare als öffentliche Hochschullehrer zu verwenden, lag es nahe, auch Dinstedt und die Kirche zu Eisfeld seinen Plänen dienstbar zu machen. Denn jenen mußte nicht nur das nahe Verhältnis seines Bruders zum kursäch- sischen Hof, sondern auch seine eigene im In- und Ausland er- langte Ausbildung empfehlen, und diese besaß ein Pfarrein- kommen, das allein schon den als Kanonikus-Professor in Aussicht genommenen Pfarrer und einen die Pfarrgeschäfte versehenden Stellvertreter (Vikarius) zu nähren imstande war. Von solchen Erwägungen aus dürfte der sparsame Kurfürst die Einverleibung der Kirche zu Eisfeld in die Prälatur der Kantorei an der Wittenberger Schloßkirche, die wie die sonstigen ähnlichen Inkorporationen in einer am 20. Juni 1507 erlassenen Bulle auch die Billigung des Papstes Julius IL erlangte!, und die Berufung. Dinstedts. zum Kantor im Stiftskapitel und Professor an der Universität bewirkt haben. Aber auch für diesen waren die Aussichten verlockend. Winkte ihm doch nicht nur der Prälatenstand, sondern auch eine neue Einnahmequelle, da er zu der Eis- felder Pfründe die bisher von Heinrich Harrer ANDERSEN? Wittenberger erhielt’).

Im Sommersemester 1507 wurde Dinstedt dis ,Domi- nus vdalricus de dinstat nobilisdioc. moguntinensis, pastor in eisfelt, canonicus et cantor ecclesie collegiate omnium sanctorum In Wittemberg“ von dem damaligen Rektor Christoph Scheurl inskribiert.®) Verpflichteten die er- wähnte päpstliche Bulle und die darauf fußenden Witten- berger Universitätsstatuten den jeweiligen Inhaber der Kantorei zum theologischen Unterricht‘), so sah man bei Dinstedt von dieser Verpflichtung ab. Zwar verlautet nichts über die hierfür maßgebenden Gründe, aber man wird annehmen dürfen, daß er sich oder andere ihn schließlich für einen Lehrer der Rechtswissenschaft tauglicher erachteten als für

!) Vgl. Meissner, Descriptio Ecclesiae Collegiatae Omnium Sanctorum Wittebergensis p. 46 sqq. |

2 Vgl. Barge a. a. O. 2. Teil S. 525 f.

3) Vgl. Foerstemann, Album p. 21.

*) Vgl. Meissner l. c. p. 51, Nik. Müller, Die Gesetzgebung der Universitüt Wittenberg usw. S. 42.

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einen der Theologie. Vermutlich war die nach der päpst- lichen Bulle unzureichernde Qualifikation Dinstedts auch die Ursache, weshalb der zur Nomination der Wittenberger Stiftsherren berechtigte Universitätssenat am 6. April 1508 den Kantor dem Kurfürsten noch nicht in Vorschlag gebracht hatte.) Indessen, wie dem auch sein möge, Dinstedt kündigte schon für das Sommersemester 1507 juristische Vorlesungen an?) und erlangte am 15. Juni 1508 die Lizen- tiatur, am 16. November des nämlicben Jahres den Doktor- hut im kanonischen Recht und drei Wochen später, nämlich am 9. Dezember, die Aufnahme in den Senat der Juristen- fakultät®). Über die Lehrtätigkeit Dinstedts schweigen sich die erhaltenen amtlichen Berichte der Universität und der an sie entsandten kurfürstlichen Kommissäre ebenso aus wie über die Predigten, die er als Kantor an den Sonn- und Festtagen in der Stadtkirche zu halten hatte*). Wahr- scheinlich versah er seinen Katheder nur im Anfang per- sönlich und übergab ibn bald hernach einem Stellvertreter: Jedenfalls amtierte ein solcher schon im Sommer 1510 für ihn.) ` Nach dem Zeugnis seines Freundes Scheurl war Dinstedt durch seine Gesundheitsverhältnisse gezwungen, nach einem Ersatzmann sich umzusehen.®) Von demselben Gewährsmann erfährt man auch, daß jener 1512 fußleidend

1) Vgl. das Reskript Friedrichs des Weisen an die Universität vom 6.«April 1508, Halle, Wittenb. Archiv V, 52, Nürnberg, Germa- nisches Museum, Scheurlsche Bibliothek, Cod. Alte Nr. 981, Neue Nr. kl. Fol. 71 Bl. 25b. B | mn

*) Vgl. Grohmann a. a. O. 2. Theil S. 82. ME

3) Vgl. Wittenb. juristisches Dekanatsbuch Bl. 125bf., 129b: Das Doktorprivilegium Dinstedts ist in Abschrift erhalten daselbst Bl. 67a ff. Aus diesen Quellen erhellt, daß er im kanonischen Recht promovierte. Auch Dinstedt selbst bezeichnet sich auf einer von ihm gesetzten Gedenktafel als Doktor des kanonischen Rechts; Vgl. hernach S. 15. Es ist darum falsch, wenn er Orationes Doctoris Christophori Scheurli Nurenbergensis et magistri Wolfgangi Polichii Mellerstadii etc. Bl. B4* als beider Rechte Doktor be- zeichnet wird. .

t) Vgl. Meissner l. c, Barge a. a. O. 2. Teil S. 528. -

6) Vgl. von Soden und Knaake a.a. O. 1. Band S. 60.

*) Vgl. daselbst. =

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war.!) Aber nicht bloß von seinem Katheder, sondern auch von Wittenberg zog sich der Kantor zurück. Er siedelte auf seine Pfarrei Eisfeld über und stellte sich nur von Zeit zu Zeit in der Universitätsstadt ein.?) Daraus erklärt sich auch, daß er niemals das Rektorat der Hochschule und das Dekanat der Juristenfakultät bekleidete.

Trotz der wenig verheißungsvollen Anfänge von Dinstedts Wirksamkeit in Wittenberg nominierte der Universitätssenat den außerhalb wohnhaften Kantor nach dem Tode des Propstes Johann Mogenhofer ein- stimmig zu dessen Nachfolger. Dabei ließen sich die Wähler namentlich durch seine persönlichen. Eigenschaften und die Absicht, die freiwerdende Prälatur der Kantorei, der päpstlichen Bulle, den Universitätsstatuten usw. gemäß, mit ‚einem Theologen zu besetzen, bestimmen.?) Jedoch lehnte Friedrich der Weise die Präsentation ab, indem er in seinem Reskript vom 7. Juni 1510 u. a. be- tonte: „So gepurt auch dem Brobst, die leecion ordinarienn zuuersehen, darzu Dhenstet seins leibs vnd Schwachhait- halben vngeschickt“.*) Wählte nunmehr am 25. Juni 1510 der Universitätssenat, dem Willen des Landesherrn sich fügend, Henning Göde zum Propst?, so kam nach dessen Ableben im Jahre 1521 Dinstedt für die höchste Prälatur im Stiftskapitel aufs neue in Frage. Diesmal wollte ihn Spalatin aufrücken lassen, um die Kantorei dem gegen die Übernahme des mit der Präpositur verbundenen kanonistischen Lehrauftrags beharrlich sich sträubenden Justus Jonas zu übertragen. Freilich war der alte Dinstedt .nur als Lückenbüßer gedacht, den nach seinem voraussichtlich nicht mehr fernen Tod eine inzwischen zu ermittelnde tüchtige

1) Vgl. Bauch in: Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch- antiquarischer Forschungen 19. Band S. 431.

2) Vgl. u.a. von Soden und Knaake a.a. O. S. 57 f., 2. Band S. 8, Bauch a. a. O. S, 426, 452.

3) Vgl. von Soden und Knaake a. a. O. 1. Band S. 60.

*) Vgl. das Reskript, Halle, Wittenb. Archiv V, 60, von Soden und Knaake a. a. O. S. 61.

5) Vgl, die Einladung zur Wahl vom 23. Juni 1510, Weimar, Reg. O. Nr. 186, von Soden und Knaake a. a. O.

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Persönlichkeit ablösen sollte.) Indessen brauchte man dem Plan Spalatins nicht näher zu treten, weil Jonas gestattet wurde, theologische Vorlesungen zu halten.

Zur Verrichtung seiner weniger bedeutenden kirchlichen Obliegenheiten in Wittenberg war Dinstedt, gleich den übrigen Prälaten und dem Inhaber des Offiziums (Syndikats) der Schloßkirche, verpflichtet einen Kaplan zu halten und mit 17 Gulden jährlich zu besolden.?) Dagegen wurde ihm die Stellung.eines Vertreters an der Universitüt schon vor dem Sommersemester 1515 erlassen.?) Dank dieser Ver- günstigung konnte Dinstedt das Einkommen seiner Pfründe, das am 27. Dezember 1514 aus 63 Gulden 8 Gr. 8 Pf. und etwas spüter aus 65 Gulden 20 Gr. 7 Pf. jührlichem Korpus- und Präsenzgeld und den 1508 auf 70 Gulden veransehlagten Jahreserträgnissen der Pfarrstelle zu Eisfeld bestand‘), ab- gesehen von den erwähnten 17 Gulden , unverkürzt ein- heimsen. Während jahrelang, wie es scheint, sein nur durch mehr gelegentliche Abstecher nach Wittenberg unter- brochener Aufenhalt in Thüringen und seine dadurch naturgemäß verursachte mangelhafte persönliche Amtsführung in der Schloßkirche unbeanstandet blieben, stellten die schon 1509 im Entwurf fertigen, aber erst 1517 abgeschlossenen Statuten der Wittenberger Stiftskirche wie an alle Kapitulare, so auch an den Kantor größere Anforderungen." In diesen Gesetzen sah Dinstedt eine namentlich für einen Freien und Edelmann unerträgliche Auflage und meinte, sie wollten die Stiftsherren zu Kartäusermönchen degradieren. Ja, er ent-

1) Vgl. Kawerau, Briefwechsel des Justus Jonas 1. Hälfte S. 69 f., .

Drews in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 19. Band S. 72,

?) Vgl. u.a. Barge a. a. O. 2. Teil S. 525, Das eynkomenn aller personen ym grossen choer usw., Weimar, Reg. O. Nr. 159 Bl. 47 ff., Vorzcaichnus des Eynkomens Allenn personen jm grossen Chor usw., daselbst, Reg. O. Nr. 200, Bauch a. a. O. S. 452.

3) Vgl. die Vorlesungsverzeichnisse Weimar, Reg. O. Nr. 234, wo nirgends von einem Stellvertreter Dinstedts die Rede ist, und von Soden und Knaake a. a. O. 2. Band S. 7.

4) Vgl. Das eynkomenn aller personen usw., Vorczaichnus des Eynkomens usw., vorher Anm. 2, Barge a. a. O. S. 526.

5) Vgl. u. a. Weimar, Reg. O. Nr. 208, 209, Barge a. a. O. 1. Band S. 64 f.

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rüstete sich über sie so sehr, daß er mit der Absicht um- ging, seine Prälatur ganz aufzugeben und bloßer Pfarrer in Eisfeld zu bleiben.) Daß er sich hernach jedoch mit ihnen abfand, beweist seine weitere Zugehörigkeit zum Wittenberger Kollegiatstift.

Noch am 24. April 1525 ist er als Mitglied dieses Stifts erwähnt?), dagegen wird im darauffolgenden September unter dessen inzwischen „gefallen vnd abgangen Tumbereyen vnd Personen“ auch die Kantorei genannt®). Da Nikolaus Kind im gleichen Jahre die Pfarrei zu Eisfeld erhielt“), starb Dinstedt, der sich schon 1515 in der Eisfelder Pfarr- kirche ein noch erhaltenes Kenotaph gesetzt und 1521 die Mittel zu einer Memorienstiftung in der Wittenberger Schloß- kirche bereitgestellt hatte°), vermutlich in der Zeit von Mai bis September 1525, |

Als Andreas Meynhart 1507 seinen Dialogus nieder- sehrieb, machte er auch vor dem neuen Kantor eine seiner vielen Verbeugungen. Er lobt ihn als „integre vite, opti- morum morum insectator, in quo quamplurime et pene in- numere relucent virtutes, Studiosis tamen precipue fauens“.®) Ungeführ zu derselben Zeit feierte ihn der Diehter Georg Sibutus als „vtriusque reipublice sapientissimus interpres".*) Eine fast schwärmerische Freundschaft unterhielt Dinstedt mit Christoph Seheurl, unter dessen Rektorat er immatri-. kuliert und unter dessen Dekanat und Vizedekanat er Lizentiat und Doktor geworden war. Nennt doch dieser jenen „amicorum meorum decus“, „mel et deliciae meae“, „eolumen istud canonicorum“ u. dgl.5) Beide standen lange !) Vgl. von Soden und Knaake a. a. O. 2. Band S. 7, 10, 31.

2) Vgl. das Schreiben das Gregor Burger an Friedrich den Weisen vom 24. April 1525, Weimar, Reg. O. Nr. 204 u. 299.

3) Vgl. E. S. Cyprian, W. E. Tentzels Historischer Bericht vom Anfang und ersten Fortgang der Reformation Lutheri usw. 2. Theil (1718) S. 372.

*) Krauß a. a. O. S. 91f.

5) Vgl. daselbst S. 50, Bau- und Kunstdenkmäler von Thüringen, Heft 30, Amtsgericht Eisfeld und Themar S. 20 f., Halle, Wittenberger Archiv VI, 5, g Bl. 84^ Nr. 6.

6) Vgl. Dialogus Bl. C 4a,

?) Vgl. Georgii Sibuti Daripini Silvula Bl. eiij*.

°) Vgl. von Soden und Knaake a. a. O. 2. Band S. 6, 33, 60.

248 16

im lebhaften Briefwechsel!) und besuchten sich öfters. ?) Seit 1517 nahm jedoch ihr brieflicher Verkehr ab, und an die Stelle der maßlosen Freundschaftsversicherungen traten nüehterne, ja frostige Umgangsformen.?) Sehe ich recht, so wurde dieser Umschwung durch die Verstimmung veranlaßt, die bei Dinstedt Platz griff, nachdem ihm der Nürnberger Freund sein Zetern und Wettern gegen die neuen Stifts- statuten mit unmißverständlichen Worten verwiesen hatte. Außerdem stand der Kantor den Freunden Seheurls, Jodokus Trutfetter und Otto Beckmann, nahe.*) Wertvoll wäre es zu wissen, ob er, der Gegner von Reformen im Jahre 1521/2, als Freund oder Feind der Reformation Luthers ins Grab stieg. Jedoch stehen mir keine Anhaltspunkte zu Gebote, um diese Frage genügend zu beantworten. Nur so viel ist sicher, daß in Eisfeld nicht er, sondern sein Nachfolger Kind der erste „instaurator et propagator“ der evangelischen Lehre war.?)

7. Johann Dólseh.9)

Vgl. Kropatschek, Johannes Dölsch aus Feldkirch,

Philosophische Doktordissertähion, Greifswald 1898, Zeit- schrift für Kirchengeschichte 21. Band (1901) S. 454 ff.

8. Johann Eisermann‘), Isermann?) führte nach der Sitte der Zeit auch viel-

1) Vgl. von Soden und Knaake a. a. O. Briefe Nr. 39, 42 f., 49, 119, 138, 148, 158, 176, 217, Bauch a. a. O. S..130 f., 181, 439, 452.

2 Vgl. von Soden und Knaake a. a. O. 1. Band S. 127, 2. Band S. 33, 60, Bauch a. a. O. S. 430, 440. `

3) Vgl. von Soden und Knaake a. a. O. 2. Band S. 41f., 115.

*) Vgl. u. &. daselbst 1. Band S. 57.

5) Vgl. Krauß a. a. O. S. 94.

9) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 13, 28, 29, 32, 35, 40, 41, 42, 46, 49, 50, 54, 3. Heft S. 17, 18, 26, 33, 35, 37, 41, 4. Heft S. 26, 29, 71, 79, 83, 86, 91, 93, 99, 105.

?) Vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 8, 15, 18, 19, 25, 34, 4. Heft S. 83, 88, 92, 95, 97, 99, 107.

*) Zum deutschen Namen vgl. u. a. Foerstemann, Album p. 32, Kóstlin a. a. O. 1503—1517 S. 12, 26, 29, Fr. Wilh. Strieder, Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten und Schriftsteller Geschichte 4. Band S. 91.

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fach den latinisierten Namen Ferreus und Ferrarius".. Seine Heimat war Amöneburg?) in Hessen. Aus seinem Geburtsland erklären sich die Namen Heß und Hessus und aus seinem Geburtsort der Name Montanus, unter denen er ebenfalls in der Literatur bekannt ist. Nachdem er die ‚Schule zu Münster i. W. besucht hatte‘), bezog er die Uni- versität Wittenberg, an der er im Sommerhalbjahr 1510 intituliert), am 18. März 1512 zum Baccalaureus, am 22. Februar 1514 zum Magister artium promoviert und im Sommersemester 1515 in den Senat der Artistenfakultät auf- genommen wurde. Das Dekanat dieser Fakultät verwaltete er im Winterhalbjahr 1517/8.9) War das zuletzt genannte Semester für dieWittenberger Hochschule insofern denkwürdig, als damals die Gegner der Sehulphilosophie den Sieg über die bisher in der Artistenfakultät herrschende Scholastik davontrugen und die Errichtung von mehreren neuen Kathedern durchsetzten 7), so erhielt Eisermann einen der letzteren mit dem Lehrauftrag, ein Jahr Aristoteles de animalibus und das andere Quin tilian zu behandeln®). Dafür wurde er 1520 mit 20 Gulden besoldet.? Im gleichen Jahre war Eisermann für das Fach der Rhetorik des Cicero in Aussicht genommen, ohne daß jedoch dieser Plan ausgeführt worden würe.! Nachdem am 31. Mai 1521 Johannes Aesticampianus verstorben war, wünschte Spalatin den von diesem innegehabten Lehrstuhl für Plinius mit Melanchthon besetzt zu sehen, während

1) Vgl. z. B. Foerstemann l. c. p. 108, Caesar, Catalogus studiosorum scholae Marpurgensis pars I p. 1, 9, 12 usw.

23) Vgl. u. a. Foerstemann l. c. p. 32, Adam, Vitae Ger- manorum Jureconsultorum et Politicorum, 1606, p. 54.

3) Vgl. beispielsweise Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica S. 76, 78, Halle, Wittenb. Archiv III, 1942 Bl. 665, 695.

14) Vgl. Adam l. c.

5) Vgl. Foerstemann l. c. p. 382.

€) Vgl. Köstlin a. a. O. S. 12, 26, 29, 1518—1537 S. 5, 16.

?) Vgl. u. a. Foerstemann l. c. p. 69.

8) Vgl. Spalatini vnderricht, Weimar Reg. O Nr. 204,

9) Vgl. Namen aller personn der Stifftkirchen vnd vniuersitet zu Wit. und Ein Vortzeichnus, vom Hansen von Paumen hayit entfangen zc., 1520, Weimar a. a. O.

10) Vgl. Hartfelder a. a. O. S. 76, wo Eisermann -— nicht Konrad Lagus, wie Hartfelder annimmt, gemeint ist.

Archiv für Reformationsgeschichte VIL 3. 17

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die maßgebenden Kreise in Wittenberg dafür Eisermann vorsehlugen.) Auch Melanchthon trat für ihn. warm ein, obwohl er neben ihm noch Balthasar Vach und Johann Cäsarius in Köln a. Rh. nannte.?) Und in der Tat erhielt Eisermann den Lehrauftrag für Plinius. Freilich genügte er ihm nicht in der erwarteten Weise. Deshalb mußte dem Hessen schon im Sommersemester 1521 ein- geschärft werden, der ihm gewordenen amtlichen Weisung gemäß, fleißig Quintilian und nach dessen Beendigung einige Bücher von Plinius de animalibus zu lesen; falls ihm aber dieser Schriftsteller nicht zusage, wenigstens so lange Vorlesungen über jenen zu halten, bis ihm der Kur- fürst einen andern Lehrauftrag erteile.®) Wahrscheinlich von dem Wunsch erfüllt, Eisermann von der ihm so lästigen Bürde zu befreien, nahm Melanchthon ihn: als Nachfolger des Physikprofessors Heinrich Stackmann in Aussicht.) Aber, da der letztere nicht, wie man in Witten- berg befürchtete, einem Ruf nach außerhalb folgte, sondern auf seinem Posten blieb?) wurde die Kandidatur Eiser- manns ganz von selbst hinfällig. Ob und wie dieser etwa hernach zufriedengestellt wurde, darüber verlautet in den mir zugänglichen Quellen nichts. Auch vermag ich nicht anzugeben, wann er seine Lehrtätigkeit in Wittenberg abbraeh. Bekannt ist nur, daß Melanchthon im Februar 1522 sich bereit erklärte, die Vorlesungen über Quintilian zu übernehmen‘), und daß Eisermann im Wintersemester 1521/2 das Rektorat der Hochschule verwaltete 7).

Von Eisermanns Wirksamkeit in der philosophischen Fakultät weiß man außer dem Bemerkten noch, daß er im alten Kollegium eine von ihm hergestellte Dichtung tiber

1) Vgl. Mentzius, Syntagma Epitaphiorum, quae in... Wite- berga ... conspiciuntur, 1604, lib. II p.19, Enders a.a.O. 2. Band S. 424.

?) Vgl. Corpus Ref. vol. I col. 2088q., wo jedoch das Schreiben falsch datiert ist. | | |

3) Vgl. Hartfelder a. a. O. S. 78.

4) Vgl. Corpus Ref. l. c. col. 443.

5 Vgl. hernach unter Stackmann.

6, Vgl. Corpus Ref. l. c. col. 547.

?) Vgl. Foerstemann |, e. p. 108.

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die hlg. Elisabeth in Privatvorlesungen behandelte und Gellius und griechische Gebete, worüber er die Vorträge Melanchthons gehört hatte, erklärte.?) | Zum Fachstudium erwählte sich Eisermann in Witten- berg die Theologie. Eine Probe von seinen in dieser Diszi- plin erlangten Kenntnissen liegt im biblischen Bakkalaureats- grad vor, den er sich am 21. September 1517 erwarb.?) Angeblich trieb ihn sein Wissensdurst auch dazu, sich mit der Medizin zu beschäftigen. Als Student der Arzneikunde soll er den Wittenberger Medizinern Heinrich Stackmann, Stephan Wild, Augustin Schurpff, Thomas Eschaus und Peter Burkhard besonders nahe gestanden haben und zum Lizentiaten der Medizin promoviert haben.?) Ob diese Angaben sich auf Tatsachen . stützen, muß dahingestellt bleiben. Jedenfalls fehlt im Wittenberger medizinischen Dekanatsbuch der Name Eisermanns unter den in der Medizin Graduierten. Auch bezeichnet er selbst sich, soweit ich sehe, niemals. als medizinischen Lizentiaten, während seines theologischen Grades wiederholt Erwähnung geschieht. *) . Um 1523 verheiratete sich der Hesse mit Adel- heid, der Witwe des wohlhabenden Marburger Bürgers Dornberger, für ihn die Veranlassung, seinen Wohnsitz zu Marburg i. H. aufzuschlagen. Von seinen Mitbürgern als- bald in den Rat der Stadt und damit auch zu richterlicher Tätigkeit berufen, beschäftigte sich Eisermann mit juristi- schen Studien. In kurzer Zeit verschaffte er sich auf diesem Gebiet solche Kenntnisse, daß der hessische Kanzler _ Johann Feige seine Ernennung zum Assessor des land- gräflichen Hofgerichts bewirkte. Als Philipp von Hessen 1527 die Universität Marburg errichtete, bestellte er Eisermann zum Professor des Zivilrechts (Institutionen) und zum Rektor der Hochschule." Zwar war er auch der erste, der in Marburg den juristischen Doktorhut erlangte, aber seine Promotion erfolgte erst in der zweiten Hälfte des

. Y) Vgl. Adam l. c. p. 54. 2) Vgl. Foerstemann, Liber Decanorum etc. p. 208g. 5 Vgl. Adam lc. *) Vgl. Caesar l. c. p. 9, 12, 20. 5 Vgl. Adam l. c. p. 55, Strieder a.a.0.8.92ff., Caesar l.c.p.1.

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Jahres 1533.1) Nicht weniger als achtmal sah die Mar- burger Universität Eisermann als Rektor an ihrer Spitze, nümlich 1527 bis 1529, 1. Juli 1532 bis 1. Januar 1533, 1. Juli 1536 bis 1. Januar 1537, 1. Juli 1540 bis 1. Januar 1541, 1. Januar bis 1. Juli 1545, 1. Juli 1549 bis 1. Januar 1550, 1. Juli 1551 bis 1. Januar 1552, 1. Januar 1557 bis 1. Ja- nuar 1558.7) Dazu war er neben dem Kanzler Feige seit 17. April 1536 Vizekanzler der Hochschule.) Eisermann starb am 25. Juni 1558.*)

Obwohl Humanist, trug Eisermann im Jahre 1514 kein Bedenken, seine Dichtkunst in den Dienst der Scholastik zu stellen. Denn wie Otto Beckmann und Heinrich Stack- mann verüffentliehte auch er Verse zur Empfehlung der Physik des Martin Polieh." Während hernach Leute wie Beckmann von der Reformation und deren Trägern je lünger desto mehr abrückten, trat Eisermann in die Fub- tapfen der letzteren, wie auch seine literarischen Arbeiten beweisen. Dahin gehören die Thesen, die er für eine am 30. August 1521 in Wittenberg gehaltene Disputation schrieb®), und sein unter dem Namen Nemo ausgegangenes

„Encomium Rubii Longipolli* usw.? Die sonstigen Ver- öffentlichungen Eisermanns aufzuzählen, würde zu weit führen. ê)

1) Vgl. Caesar l. c. p. 12.

2) Vgl. Caesar l. c. p. 1sq., 9, 22, 32, 46, pars II p. 7, 12, 31.

3) Vgl. ibidem pars I p. 20.

*) Vgl. Adam l. c. p. 55. :

5 Vgl. Bauch in: Aue Archiv für Sächsische Geschichte 18, Band S. 327.

6) Die Thesen sind gedruckt J. E. Kappens Kleine Nachlese usw. 2. Theil S. 476f. Vgl. dazu auch Kolde in: Göttingische gelehrte Anzeigen 1891 S. 886.

?) Vgl. Christiani Schlegelii Initia Reformationis Coburgensis in vita Joannis Langeri p. 10 ann. (r) und Enders a. a, O. 2. Band S. 157 Anm. 3 und die dort angeführte Literatur.

8) Vgl. darüber Adam 1. c. p. 55sq., Strieder a. a. O. S. 96ff., von Dommer, Die ältesten Drucke aus Marburg i. H. 8.34 f., 37, 45f., 81.

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9. Georg Elner!)

aus Staffelstein er bezeichnet sich 1521 als , Georgius Elner Staffelst“.2)— und darum oft kurzweg Staffelstein genannt?) studierte zuerst in Leipzig. Hier ließ er sich im Sommerhalbjahr 1495 intitulieren und im Sommersemester 1498 zum Bakkalar der freien Künste promovieren.*) Im Sommersemester 1504 bewirkte er seine Immatrikulation an der Wittenberger Hochschule." Nachdem er im gleichen Semester auf Grund seines Leipziger Grades unter die dortigen Bakkalare aufgenommen war‘), erlangte er am 12. August 1505 die Magisterwürde*) Hernach trat Elner in den Senat der Artistenfakultät ein.) Zweimal, nämlich im Sommer 1511 und Winter 1519/20, war er Dekan dieser Fakultät.) Zwischen die beiden Dekanate fällt das von ihm im Wintersemester 1514/5 verwaltete Rektorat.!®)

Da Matthäus Utzschmann und Einer im Jahre 1512 Vorsteher und Senioren der Wittenberger Priesterbruderschaft waren!!), so erhellt daraus, daß dieser schon früher die Priesterweihe erhalten hatte. Seit 1509 ist er auch als Mit- glied der Wittenberger Sebastiansbruderschaft nachweisbar.!?) Noch nach seiner Priesterweihe setzte Elner seine theolo- gischen Studien for. Denn. er promovierte im März 1512 zum Baccalaureus sententiarius und in dem darauf folgenden

1) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 58, 66, 3. Heft S. 1, 18, 34, 41, 42, 50, 4. Heft S. 26, 71.

*) Vgl. Halle, Wittenberger Archiv, Trésor Nr, 119.

3) Z. B. von Christoph Scheurl. Vgl. v. Soden und Knaake, Scheurls Briefbuch 1. Band S. 136.

*) Vgl. Erler, Matrikel der Univ. Leipzig 1. Band S. 109, 2. Band S. 362.

5 Vgl. Foerstemann, Album p. 13.

6) Vgl. Kóstlin, Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 4.

?) Vgl. daselbst S. 22.

5) Vgl. daselbst S. 28.

?) Vgl. daselbst S. 11, 25, 28, 1518—1537 S. 8, 17.

10) Vgl. Foerstemann |. c. p. 53.

11) Vgl. Wittenberg, Acta, Die vom Rathause zu Wittenberg ver- schriebenen Jährl. Erb- und wiederküuflichen Zinnßen Dem Gottes Kasten zu entrichten usw.

12) Vgl. Wittenb. Schützen-Rechnung 1509.

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Oktober zum Baccalaureus formatus.!) Vermutlich hatte er sich den Grad eines. Baccalaureus biblicus, den er bereits im Sommer 1511 besaß, ebenfalls in Wittenberg erworben.?)

1515 oder 1516 erlangte Elner ein Kanonikat im Stifts- kapitel der Schloßkirche.?) Freilich fielen ihm die Erträg- nisse der seinem Kanonikat einverleibten Pfarre zu Schal- kau erst zu, nachdem deren Inhaber, Jakob Gumper, kurz vor 28. Februar 1517 gestorben war. Bis dahin wurden ihm als Entschädigung von der Verwaltung der kurfürstlichen Kammer jährlich 20 Gulden gezahlt, ‘) :

Elner lehrte nachweisbar bereits im Sommersemester 1507 extraordinarie in der Artistenfakultät.°) In dieser Zeit pries ihn Andreas Meynhart als „humilis, Omnibus pius. et affabilis, cunctis pene virtutibus refertus, In omnibus scientiis plurasapiens Neo alicuius hominis doctrinas spernens“.®) Als Stiftskanonikus war er verpflichtet, ordinarie zu lesen. Er besaß den thomistischen Katheder für die kleine Logik oder Petrus Hispanus, somit denselben Lehrstuhl, den 1507 sein fränkischer Landsmann Kilian Reuther innehatte. Gleich diesem hielt auch er seine Vorlesungen 1516 und 1517 mittags um 12 Uhr.‘) Als die im Wintersemester 1517/8 anhebenden Wittenberger Universitätsreformen®) mit den

m —— M

1) Vgl. Foerstemann, Liber Decanorum Fac. Theol. p. 11, 13. ` ?) Vgl, Köstlin a. a. O. 1508—1517 S. 11, 25. Im theol. De- kanatsbuch ist diese Promotion nicht eingetragen.

. 5 In einem Verzeichnis der Stiftskanoniker vom 27. Dezember 1514 wird Elner noch nicht angetroffen. Vgl. Weimar, Reg. O. Nr. 159 Bl 47fi, Dagegen war er schon im Sommersemester. 1516 Inhaber eines Kanonikats. Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 284, Muther, Zur Ge- schichte der Rechtswissenschaft S. 292.

1) Vgl. Weimar, Reg. .O Nr. 234, Muther. a. a. O., Verzaichus [sic] des kathemergelds zu Wittenberg crucis Anno. domini 16179, Weimar, Reg. O Nr. 200, Prebend Magister Staffelsteins, Magister Feldkirchs usw., daselbst, Reg. O Nr. 185, Berbig in: Archiv für Reformationsgeschichte 5. Jahrg. S. 899. Über den Tod des Jakob Gumper berichtete die Universitüt dem Kurfürsten am 28. Februar 1517. Vgl. Weimar, Reg. O pag. 91. BB.

5 Vgl. Grohmann a. a. O. S. 84.

*) Vgl. Dialogus etc. Bl. C 4f.

?) Vgl. Grohmann a.a. O. S. 88, Weimar, Reg. O Nr. 234, Muther a. a. O. S. 292.

5) Vgl. u. a. Enders a. a. O. 1. Band S. 170f.

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scholastischen Vorlesungen je länger desto mehr aufgeräumt - hatten, wurde Einer 1520 für eine neu zu begründende Professur der Geschichte in Aussicht genommen'), gewiß ein Beweis dafür, daß er auf diesem Gebiete schöne Kennt- nisse besaß. Indessen wurde damals noch von der Schaffung einer solchen Professur abgesehen.

Mit Karlstadt befreundet, wurde Einer von diesem in seinem 1519 erschienenen Buch über Augustins de spiritu et litera durch die Zueignung eines besondern Nach- wortes ausgezeichnet.?) Hatten sich danach beide Jünger des. Thomas von Aquin von der scholastischen Theologie losgerungen, so war Einer freilich hernach weit davon entfernt, dem Reformer Karlstadt Heeresfolge zw leisten. Aber er verhielt sich nicht nur während der Wittenberger Bewegung den Neuerungen gegenüber ablehnend, sondern widersetzte sich auch späterhin den auf die Einführung der Reformation in der Schloßkirche gerichteten Bestrebungen Luthers. Ye "e | |

Während. von seinen gleichgesinnten Mitbrüdern im . Kollegiatstift Sebastian: Küchemeister und Otto Beckmann Wittenberg den Rücken kehrten, hielt Elner zusammen mit Matthäus Beskau und Johann Volmar im Kampf bis gegen Ende 1524 mannhaft aus?) und genügte hernach gleich diesen seinen Verpflichtungen als Kanonikus durch regelmäßige Teilnahme an dem im evangelischen Sinne umgestalteten Kirehendienst*). Er blieb. zeitlebens seinem alten Wohnsitz treu. Elners Haus, das kurfürstliches Eigen- tum war, lag in der Priester- oder Pfaffengasse.") Sein späteres Verhältnis zur Reformation kennzeichnet. der nahe Verkehr mit ausgesprochensten Anhängern Luthers. So war Johann Mathesius einer seiner Tischgenossen.*) Auch

1) Vgl. Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica S. 76.

?) Vgl. den Wortlaut Barge a. a. O. 2. Teil S. 586f.

3) Vgl. vorher 2. Heft S. 94.

*) Vgl. das Schreiben Gregor Burgers an Friedrich den Weisen vom 24. April 1525, Weimar, Reg. O Nr. 204 und 229.

5) Vgl. Nik. Müller, Die Kirchen- und Schulvisitationen im Kreise Belzig 1530 und 1534 S. 17. |

9) Vgl. Lósche, Johannes Mathesius 1. Band S. 42.

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nach der 1525 vollzogenen Säkularisation des Kollegiatstifts behielt er seine Pfründe. Sie brachte ihm jährlich 34 Gulden 4 Groschen 5 Pfennig aus dem Einkommen der Schloßkirche, 25 Gulden vom Rat zu Weißenfels sowie 238 Brote und 7 Gr. Semmeln aus dem Stift ein.” |

Mit Elner stieg 1543, jedoch nach dem 22. Februar dieses Jahres, der dritte von den letzten drei einst gegen die Sache des Evangeliums kämpfenden Kanonikern ins Grab.?) Indessen läßt seine letztwillige Verfügung, wo- durch er für eine das protestantische Armen- und Kirchenwesen fördernde Einrichtung, den Gemeinen Kasten zu Witten- berg, ein Legat beschied?), deutlich erkennen, daß er ebenso wie Beskau und Volmar als Freund der Reformation aus dem Leben schied.

10. Thomas Eschaus*)

so bezeichnet er sich selbst 15215) —, Eshaus®), Esch- hausen’), Esch?) u. dgl. stammte nach Georg Sibutus aus Münster?) und war nach Johann Agricola „ein Kölnisch man“!%). Dagegen bezeichnet die Matrikel der Universität Köln als seine Heimat Recklinghausen

(Westfalen).'') „Thomas Esehusen* wurde an der Kölner’

Hochschule am 28. November 1491 intituliert. 1?)

7) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 206.

3) Vgl. Wittenb. Kastenrechnung 1543, Einnahme aus Testamenten. Daß er noch am 22. Februar 1543 lebte, erhellt aus Weimar, Reg. O Nr. 244. |

3) Vgl. Wittenberger Kastenrechnung 1543, vorher Anm. 2.

*) Vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 18, 31, 34.

5) Vgl. vorher Nr. 44.

6) Vgl. Fórstemann, Album p. 2.

?) Vgl. Enders a. a. O. 3. Band S. 165.

5) Vgl. Kawerau, Briefwechsel des Justus Jonas 1. Hälfte S. 115.

?) Vgl. Georgii Sibuti Daripini . . . Silvula (Berlin, Kgl. Bibliothek Ac 8600) Bl. 5a: Fideli et àmando Thome N. monasteriensi, iurium et medicine Baccalaureo in primis docto et experto, Albiorene [so] Gymnasii notario benemerito.

1) Vgl. das Zitat Kawerau a. a. O. Anm. B.

11) Vgl. Kölner Universitäts-Matrikel III, 1822.

12) Vgl. daselbst.

25 257

Der Wittenberger Universität gehörte er seit deren Er- öffnung an, und zwar zunächst als ihr erster Notar.!) Dieses Amt verwaltete er noeh im Sommersemester 1507.?) Vor dem Wintersemester 1511/12 war dagegen schon Nikolaus Sybeth sein Nachfolger geworden.®) Eschaus erwarb sich vor dem Winterhalbjahr 1504/5 in Wittenberg den Grad eines Bakkalars des kanonischen Rechts.*) Als Haupt- studium betrieb er jedoch nicht die Jurisprudenz, sondern die Arzneiwissenschaft. Im Winter 1504/5 promovierte er in Wittenberg zum Bakkalar der Medizin") und hielt als solcher nachweisbar im Sommer 1507 „in Medieina extra- ordinarie“ Vorlesungen?) Nachdem er sodann an der gleichen Hochschule die medizinische Lizentiatenwürde er- langt hatte, wurde er ebenfalls hier am 13. September 1518 mit dem medizinischen Doktorhut geschmückt.) Im näm- lichen Sommersemester in den Senat der medizinischen Fakultät aufgenommen?), stand er an der Spitze dieser Fakultät als Dekan im Sommerhalbjahr 1519, in den Winter- halbjahren 1520/1, 1521/2, 1523/4, 1525/6 und im Sommer- halbjahr 1528 und als Vizedekan im Sommersemester 1521 °).

Nach dem Zeugnis Luthers war Eschaus noch in seinem Alter der tüchtigste Arzt Wittenbergs und auch als Lehrer der Medizin geschátzt.! Trotzdem mußte er sich zeitlebens auf private Vorlesungen beschränken und die öffentlichen anderen überlassen. Nachdem er im Sommer-

1) Vgl. Förstemann l. c. Über das Amt des Wittenberger Universitätsnotars vgl. Nik. Müller, Die Gesetzgebung der Universität Wittenberg S. 26.

2) Vgl. vorher S. 24 Anm. 9.

3) Vgl. Halle, Wittenberger Archiv IIT, 194a Bl. 4b. ——

*) Vgl. Wittenberger mediz. Dekanatsbuch Bl. 20a. Daß er zum Bakkalar des kanonischen Rechts promovierte, erhellt aus Grohmann a. a. O. S. 82 und dem Wittenb. medizinischen Dekanatsbuch Bl. 23a.

5) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch a. a. O.

9) Vgl. Grohmann a. a. O.

7) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 21? f.

8) Vgl. daselbst Bl. 215.

?) Vgl. daselbst Bl. 225 ff.

10) Vgl. Enders a. a. O. 5. Band S. 55 f.

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semester 1523 das Rektorat der Universität verwaltet hatte !), schien es im November 1524, als ob der Greis noch einen von den beiden medizinischen Kathedern, und zwar den für die praktische Medizin bestimmten, erlangen sollte. Denn für Esehaus legte namentlich Luther, der mit ihm und seiner Familie befreundet war und ihn auch auf der Wart- burg nicht verga?) Fürsprache ein?) Aber Heinrich Stackmann, dessen Nachfolger er werden wollte, gab seine Absicht, Wittenberg zu verlassen, auf“), und deshalb konnte auch der Reformator nichts ausrichten. Als die Verhältnisse der Universität Wittenberg im Jahre 1525 zum Teil neu geordnet wurden, sorgten freilich die maßgebenden Persön- lichkeiten dafür, daß Eschaus, der schon vorher krank war und keine große ärztliche Praxis mehr besaß, von den drückenden Sorgen um sein ferneres Auskommen befreit ward." Kurfürst Johann verlieh ihm nämlich ein Gnaden- gehalt von jährlich 30 Gulden „in ansehunge seiner grossen armut vnd alten dinst vnd vnuermugelichen, schwachen leibs“. Nach seinem Tod sollte dieser Betrag den beiden medizi- nischen Professoren zufallen.®)

Eschaus, der, wie Johann Agricola angibt, 1528 schon 90 (!) Jahre zählte”), starb zwischen April 15355) und 5. Mai 1536°). Aus der Erwähnung der „Eschaussina“ in einem

1) Vgl. Fórstemann l. c. p. 117.

2) Im November 1520 war Luther Gast in Eschaus' Haus. Vgl. Jacobs in: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und. Altertumskunde 1894 S.597. Die Grüße von der Wartburg siehe Enders a. &. O. 2. Band S. 365, 3. Band S. 165.

3) Vgl. daselbst 5. Band S. 55 f.

*) Vgl. daselbst.

5) Vgl. daselbst.

*) Vgl. Instruktion. für Hans von Dolzig und Johann von Grüfendorf, Weimar, Reg. O Nr. 286, Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica S. 87.

?) Vgl. das Zitat Kawerau a. a. O.

5) Vgl. Vorzeichnus Aller Einnham vnd Ausgabe der Stifftkirchen zw Wittemberg, Weimar, Reg. O Nr. 206. Hier wird er noch als lebend. erwähnt.

9?) Vgl. Vortzeichnis der Personen des stiffts tzu Wittemberg usw., Weimar, Reg. O Nr. 214.

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Brief Luthers vom 19. August 1535!) darf man sogar weiter schließen, daß er zwischen April und August 1535 aus dem Leben schied. Bei der von Luther genannten Frau liegt es am nächsten, an die Frau Eschaus’, Gertrud, oder an seine Tochter Margarete zu denken, die beide 1525 und noch 1539 nachweisbar sind.?) Eschaus besaß Haus und Hof „bey dem kirchoff gelegen“ d.h. in der Nähe - der Stadtkirche.?) Gegen dieses Grundstück tauschte die Witwe Eschaus 1539 ein anderes in der Töpfergasse gelegenes und dem Magnus Parschin gehöriges ein.*)

Noch sei erwähnt, daß Eséóhaus im .Jahre 1524 oder 1525 den erkrankten Luther behandelte. Seine damalige glückliche Kur‘ bewirkte, daß seine ‘Hilfe später auch Michael web in Nordhausen in Anspruch nahm.°)

gi Simon Heins?)

Heyns’) u. dgl. Side als. einer von. vier Brüdern, dei in Wittenberg studierten und von denen der Kanzler Gregor Brück der bekannteste ist?), zu Brück bei Belzig ge- boren und darum auch als Bruck und Pontanus bezeichnet. Sein wohlhabender Vater Gregor, der in Brück das Bürger- meisteramt verwaltete, siedelte später nach Wittenberg

1) Vgl. Enders a. a. O. 10. Bd. S. 190. 3) Vgl. Wittenb. Handels- und Gerichtsbuch 1520—55 Bl. aS Wittenb. Gerichtsbuch 1528—1555 Bl. 227a f. |

3 Vgl. Wittenb. Handels- und Gerichtsbuch a. a, O.

*) Vgl. Wittenb. Gerichtsbuch a. a. O.

5) Vgl. Kawerau a. a, O. S. 115, Enders a. a. O. 6. Bà. S. 1901.

*) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 64, 4. Heft S. 31, 88, 93, 95, 97, 105.

?) Heins nennt er sich in einer RE vom 29. No- vember 1522, Wittenberg, Acta, Die vom Rathause zu Wittenberg ver- schriebenen Jührl. Erb- und wiederküufl. Zinnßen Dem Gottes Kasten zu entrichten usw. Als „Simon Heyns von bruck“ bezeichnet er Sich in einem Brief, Weimar, Reg. O Nr. 817.

5) Melanchthon erwähnt nur drei Brüder. Vgl. Corpus Ref. vol. XII col. 352. Dagegen hebt Simon Heins hervor, daß sein Vater vier Söhne an der Universität Wittenberg habe studieren lassen. Vgl. Weimar a. a. O. Außer Simon und Gregor ist in der Wittenberger Matrikel noch eingetragen Christianus henisch. Vgl. Foerstemann, Album p. 5.

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über, ward hier Bürger, vermählte sich vor 8. August 1515 aufs neue mit Ursula Hemsendorf und starb daselbst kurz vor 26. Juli 1527.!) Nach Melanchthons Angabe ver- anlaßte den bereits ältern Mann zum Wechsel seines Wohn- sitzes der Wunsch, Luther zu hören. Tatsächlich besuchte er auch dessen Psalmenvorlesungen. ?) |

Simon Heins bezog die Universität Witienberg im Wintersemester 1502/3.3) Nachdem er hier um Pfingsten 1504 zum Baecalaureus artium promoviert worden war‘), wandte er sich nach Frankfurt a. O., dessen neugegründete , Hochschule ihn jedoch nur im Winterhalbjahr 1506/7 zu den Ihrigen zählte). Aus der Mark zurückgekehrt, ließ er sich 1507 zu Wittenberg dauernd nieder. Er erwarb in dem soeben genannten Jahr ein auf dem Elsterende gelegenes Haus, das bisher Peter Berkow besessen hatte und, das 1520 an Melanchthon überging.®) Am 16. August 1508 schloß Heins seine Studien in der Artistenfakultät dadurch ab, daß er Magister wurde.‘) Im Jahre darauf begehrte und erlangte er Aufnahme im Senat dieser Fakultät.) Im Sommerhalbjahr 1513 verwaltete er deren Dekanat.?) Wenn er für das Wintersemester 1512/3 über das Neue Kollegium der Universität Rechnung legte, so läßt sich daraus ent- nehmen, daß er bereits in dieser Zeit Konventor!?) desselben

1) Vgl. Wittenberger Handels- und Gerichtsbuch 1520—1555 Bl. 243a, 266a ff. Danach ist die Annahme Koldes, Zeitschrift für die historische Theologie Jahrgang 1874 S. 846, über die Zeit der Übersiedelung Heins’ nach Wittenberg zu berichtigen.

2) Vgl. Corpus Ref. l. c. -

3) Vgl. Foerstemann, Album p. 3.

4) Vgl. Kóstlin, Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 3.

5) Vgl. Friedlaender, Matrikel der Universität Frankfurt a. O. 1. Band S. 11.

© Vgl. Nik. Müller, Melanchthons Wohn- und Sterbehaus S. 12f. (im Druck).

% Vgl. Kóstlin a. a. O. S. 24. Wenn daselbst S. 21 ein späterer Leser des Dekanatsbuchs zu „Simon de Benick“ so steht im Original „Pastor Ecclesie Witebergensis“ schrieb, so beruht dies auf einem Irrtum.

5) Vgl. daselbst S. 28.

9) Vgl. daselbst S. 14, 26, 29.

1) Über die Konventoren vgl. Nik. Müller, Die Gesetzgebung der Universitát Wittenberg S. 87 tf.

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war, wie sicher im Sommerhalbjahr 1513 und wahrschein- lich auch im Sommersemester 1514, wo er von dem Dekan der Juristenfakultät Hieronymus Schurpff 4 Gulden zum Bau eines Hörsaals im Neuen Kollegium erhielt !).

Heins hatte acht Jahre lang einen von der kurfürst- lichen Kammer unterhaltenen Lehrstuhl der Artistenfakultät inne. Zwei Verzeichnisse aus dem Sommersemester 1516 und 1517 geben an die Hand, daß er damals im Winter um sechs und im Sommer um fünf Uhr die große Logik secundum viam Thomae las und dafür 20 Gulden Jahres- gehalt erhielt. 8)

Da Heins noch am 22. September 1517 im Amt wart), dagegen schon vor dem 23. Februar 1519 Jakob Premsel zum Nachfolger erhalten hatte’), kann es kaum einem Zweifel unterliegen, daß er den seitherigen Inhaber des Katheders für die thomistische große Logik, Karlstadt), ersetzte, als dieser anfangs Dezember 1510 Archidiakonus wurde und damit einen theologischen Lehrauftrag erhielt‘). Ferner darf man aus der Tatsache, daß Martin Polich nicht nur ein hervorragender Thomist, sondern auch der Verfasser eines 1512 auf Kosten der Wittenberger Hochschule gedruckten

1) Vgl. Halle, Wittenberger Archiv III, 194a Bl. 2a, 11s, 22b,

2) Vgl. das Schreiben des Heins an Friedrich den Weisen, Weimar, Reg. O Nr. 817. Es ist undatiert, stammt aber wahrschein- lich aus dem Frühjahr 1518.

*) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 224, Muther, Zur Geschichte cer Rechtswissenschaft S. 292.

*) Vgl. daselbst. Das eine von den beiden LESSE ED trágt das Datum des 22. September 1517.

5) Vgl. de Wette-Seidemann, Luthers Briefe usw. 6. Th. S. 14.

*) Vgl. Grohmann a. a. O. S. 82. Wohl wird hier. die große Logik als das Lehrfach Karlstadts nicht ausdrücklich genannt, ‘aber daß sie tatsächlich in Betracht kommt, erhellt aus einer Ver- gleichung von Grohmann a. a. O. S. 82 f. mit Weimar, Reg. O Nr. 284. Der erwühlte Archidiakonus Karlstadt wurde von Friedrich dem Weisen am 1, Dezember 1510 zur Instituierung prüsentiert. Vgl. Halle, Wittenberger Archiv VI, 5, g Bl. 52a Nr. 3. |

7) Vgl. Meissner, Descriptio Ecclesiae Collegiatae Omnium Sanctorum Wittebergensis p. 48, 50 sq. |

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Lehrbuchs der thomistischen Logik war!), schließen, daß Heins nicht ohne Zutun dieses vielvermögenden Mitbegründers der Elbuniversität zum Professor befördert wurde. Jeden- falls war das soeben erwähnte Buch, weil für Wittenberg offiziell, seit 1512 für seine Vorlesungen maßgebend. Wieder- holt zwangen Heins „scharpffe schwacheiten“ seines körper- lichen Befindens, sich in seinem Lehramt vertreten zu lassen.?) Vermutlich um Pfingsten 1518 mußte der Logikprofessor seine Stelle aufgeben. Veranlassung zu dem unfreiwilligen Rücktritt gaben seine damalige für mehr als auskömmlich erachtete materielle Versorgung und wahrscheinlich auch seine Kränklichkeit und seine nicht ganz genügende Be- fähigung. Denn diese Punkte berührt Heins in seinem Schreiben, womit er den Kurfürsten zur Zurücknahme der ihm von den Universitätsreformatoren zugekommenen Kün- digung zu bestimmen suchte." Jedoch beweist die schon erwähnte Ernennung Premsels, daß seine Vorstellungen niehts ausrichteten. | | Wenn die maßgebenden Persönlichkeiten das allzu hohe Einkommen des Heins beanstandeten, so hatten sie dabei aufer dem Professorgehalt hauptsächlich seine Bezüge als Pfarrer und Benefiziat im Auge. Zwischen dem 12. September 1515 und 25. September 1516 wurde er nämlich Nachfolger‘) des Stadtpfarrers (Konventor) Nikolaus Fabri von Grünberg?). Hatte es dieser bis zum theologischen Doktorhut gebracht), so erwarb sich Heins am 25. September 1516 wenigstens den ersten theologischen Grad, den eines Baccalaureus biblicus‘). Schon vor der Niederlegung seiner Professur besaß er zwei Meßbenefizien, „eyns von Edelleuten, das ander von eynem

1) Vgl. Bauch in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 18. Band S. 325. Daß das Werk Polichs auf Kosten der Universität gedruckt wurde, erfáhrt man aus Weimar, Reg. O Nr. 234.

2) Vgl. vorher S. 29 Anm. 3.

?) Vgl. daselbst. |

*$) Vgl. Foerstemann, Liber Decanorum etc. p. 17 sqq.

5) Vgl. über ihn hernach unter Schlamau. Daß Fabri am 29. September 1516 nicht mehr im Amt war, erhellt auch aus Weimar, Reg. Qq pag. 626 B 4537, wo der ,alde" Pfarrer genannt ist.

6) Vgl. Foerstemann l. c. p. 3.

?) Vgl. ibidem p. 19.

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burger“, die ihm jährlich 18 Gulden einbrachten. Daß darunter ein von der Wittenberger Familie Ztlsdorf her- rührendes Lehn war, läßt Heins’ am 29. November 1522 dem Rat über den Empfang von neun alten Schock Groschen ausgestellte Quittung erkennen. ')

Über die Tätigkeit des Stadtpfarrers Heins, der als soleher auch Mitglied des Stiftskapitels der. Schloßkirche war?) verlaufet wenig. Wie unsere Nr. 63 zeigt, ließ er es nicht nur zu, daß sein Amtsvorfahr auf dem. Katheder, Karlstadt, in der Stadt- und Pfarrkirche das Abendmahl sub utraque einführte, sondern er half selbst auch bei der Aus- teiling der Abendmahlselemente mit. Dieses Vorgehen er- klärt es auch, daß er bald danach die Messen, die er als Benefiziat zu halten hatte, einstellte. Denn das ist doch wohl der Sinn der Nachricht, daß er alle seine Lehen verlassen habe. 3) Wenn die bisherige Lutherforschung, sehe ich recht, durch W. E. Tentzel*) irregeleitet, Heins das Verdienst zuschreibt, er habe den Reformator bestimmt, für ihn regelmäßig in der Stadtkirche zu predigen, so beruht solches auf einem Irrtum). Mehr als seine pfarramtliche Wirksamkeit hielt wahrschein- lich der von Heins ausgeführte Neubau des „dem kirchhoff vnnd kirchen“ gegenüber gelegenen Pfarrhauses die Erinne- rung an ihn unter den Wittenbergern wach. Für diesen Bau wendete er mehr als 400 Gulden auf. Da das Stifts- kapitel den versprochenen Zuschuß von 210 Gulden nicht leistete, verpflichteten sieh die drei Wittenberger Rats- kollegien, nachdem mittlerweile der von ihnen erwählte Bugenhagen den Neubau bezogen hatte, diese Summe in Jahresraten von 20 Gulden den Heinsschen Erben zu zahlen. 9)

1) Vgl. vorher S. 27 Anm. 7.

2 Vgl. Weimar, Reg. © Nr. 200, 201.

3) Vgl. vorher Nr. 101. Daß er nicht auf die Einkünfte seiner Lehen verzichtete, beweist die erwähnte Quittung vom 29. No- vember 1522.

4) Vgl. W. E. Tentzels Historischer Bericht vom Anfang und ersten Fortgang der Reformation Lutheri, mitgeth. von E. S. Cyprian. Der dritte Druck (1718) S. 232 f.

5) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 63 f. Anm. 4.

6) Vgl. Wittenberg. Originalurkunde vom 26. November 1523.

264 32

Heins war der letzte Pfarrer Wittenbergs, der infolge der Einverleibung der Stadtkirche in die Schloßkirche von deren Stiftskapitel bestellt wurde.!) Dafür hatte er gleich seinenVorgängern Schlamau und Fabri eine jährliche Pension von 80 Gulden dem Kollator zu leisten.?) Freilich mußte das Stiftskapitel ihm zweimal die Pension. nachlassen.?)

Als Sebastian Fröschel im Jahre 1522 nach Witten- berg kam, ist Heins „ein krancker Mann gewest und durch seine Kranckheit also zugericht, daß er in der Kirchen nichts nütze gewest, allein daheim seiner Kranckheit ge- wartet; er hat auch nicht die geringsten, sondern die Für- nehmsten aus denen Studiosis, die zu ihm zu Tische giengen“.*) Er starb zwischen 23. April und 25. September 1523.°)

12. Konrad Helt?)

Heldt, Hilt, Hielt?) usw. Seine Heimat war Nürn- berg.5 Hier lebte noch 1525 seine Mutter und 1551 eine Anzahl von Verwandten?) Vermutlich schon in jungen

1) Vgl. Meissner l. c. p. 67 sqq. |

2) Vgl. hernach unter Schlamau, Weimar, Reg. O pag. 90. AA. 1. Convolut Bl. 59a ff.

*) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 196.

1) Vgl. Fortgesetzte Sammlung von Alten und Neuen Theo- logischen Sachen 1781 S. 689 f.

5) Er lebte noch am 23. April 1528. "Vgl. Wittenberg, Liber retardationum 15211f.: Die Schuld des „Petrus Apotekar“ im Betrag von 36 Gulden 17 Gr. 4 Pf. „Hat Er Simon heynis Brocke enth- richt dornstags Nach Misericordias domini jm 23.“ Dagegen war er am 25. September 1528 schon tot. Vgl. das Schreiben Friedrichs des Weisen vom gleichen Tag, Weimar, Reg. O Nr. 229.

6) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 23, 28, 55, 57, 8. Heft S. 2, 4, 4. Heft S. 68, 101.

?) Helt nennt er sich z. B. vorher Nr. 23, 28 und Sillib in: .Neues Archiv für die Geschichte der Stadt Heidelberg Band IV S..66. Die Form Heldt begegnet u.a. daselbst S. 69, Hilt u. a. Köstlin, Die Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 15, Hielt u. a. Sillib a. a. O. S. 141.

5) Vgl. z. B. Foerstemann, Album p. 49, Köstlin a. a. O. S. 15, 97. | |

?) Vgl. (Will), Historischdiplomatisches Magazin für das Vater- land und angrenzende Gegenden 1. Band (1781) S. 198, Sillib a. a. O. S. 69f. .

33 265

Jahren, wenn auch nicht vor seinem 18. Lebensjahre, wurde Helt Novize im Kloster der Augustinereremiten zuN ürnberg.!) Später bezog der Mönch die Universität Wittenberg, an der er sich am 26. November 1512 immatrikulieren und am 27. Juni 1514 zum Bakkalar und am 30. Januar 1516 zum Magister der freien Künste graduieren ließ.?)

Zwischen dem 4. Juni 1518 und 30. Mai.1519 löste Helt den Prior Adam Ulrieh in der Leitung des Witten- berger Augustinerkonvents ab.) Da er nach seiner eigenen Aussage vier Jahre lang diesem Kloster vorstand 5), trat er wohl gegen Ende des Jahres 1518 oder am Anfang des Jahres 1519 sein Amt an. Die 1519 niedergeschriebene Briefnotiz Luthers „Heltus noster satis bene regit et aedificat, sed eoquinam; ventrem enim adhue curat, curaturus et postea“ 5) deutet an, daß er nicht zu den Vertretern und Verteidigern der rigorosen mönchischen Askese zählte. Gleich den meisten deutschen Augustinern hielt es auch Helt bis über den Reichstag von Worms hinaus mit Luther. Dabei dürfte freilich ihn mehr der Stolz auf seinen weltberühmt ge- wordenen Konventualen, als die rückhaltlose Zustimmung zu den von dem Reformator vertretenen Anschauungen beeinflußt haben. Als 1520 nach dem Bekanntwerden der päpstlichen Bannbulle die Augustinerkirche die vielen Hörer der Predigten Luthers zu fassen kaum noch imstande war, besorgte Helt, „das folek werd im eynst das haus eindruckenn“.®) Für das Verhältnis des auf der Wartburg verborgen Ge- haltenen zu seinem Prior ist es bezeichnend, daß jener an diesen mehrere Briefe richtete und seine Dienste in Anspruch

1) Über das innerhalb der deutschen Augustiner- Kongregation von deren Novizen geforderte Alter vgl. Reindell, Doktor Wenzes- laus Linck 1. Theil S. 198 Anm. 54. |

2) Vgl. Foerstemann |. c, Köstlin a. a. O., wo S. 27 das Original jedoch nicht „vicesima“, sondern ,tricesima" darbietet.

3) Vgl. Enders a. a. O. 1. Band S. 207, Kolde, Die deutsche Augustiner-Congregation S. 814f. Anm. 3, de Wette a. a. O, 1. Theil S. 280.

% Vgl. Will a. a. O. S. 126.

5) Vgl. de Wette a. a. O.

6) Vgl. Muther, Aus dem Universitüts- und Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation S. 430.

Archiv für Reformationsgeschichte VII. 3. 18

266 34

nahm.!) In schwere Nöte geriet der ängstliche Helt seit Ok- tober 1521infolge der von seinen Untergebenen vorgenommenen Neuerungen.) Zwar trat auch er den Beschlüssen des um Epiphanias 1522 in Wittenberg gehaltenen Generalkapitels der deutschen Augustiner-Kongregation bei), aber daß er sie nicht aus vollem Herzen billigte, beweist sein spüteres Leben. In der zweiten Februarwoche 1522 fühlte sich der Prior den immer größer werdenden Sehwierig- keiten so wenig mehr gewachsen, daß er sein Kloster und Amt im Stich ließ und sich in seine Vaterstadt zurückzog.*)

Nachdem Helt nur kurze Zeit in Nürnberg geweilt hatte, mußte er aufs Neue, um mit seinen Worten zu reden, bei Fremden wohnen und hart dienen. Zunächst ging er nach Nordhausen und leitete als Prior das dortige Augustinerkloster ein Jahr lang. Sodann war er 26 Jahre hindureh Prior des Augustinerkonvents zu Heidelberg." Wenn die Ordensoberen, wie doch zu vermuten, von dem Nachfolger seines Landsmanns Martin Glaser?) hofften, er werde den schon weit gediehenen äußern und innern Verfall der Augustinerniederlassung der Neckarresidenz auf- halten, so sollten sie sich bald sehr enttäuscht sehen. Denn bereits im November 1526 war von den früheren 17 Unter- gebenen Helts nicht mehr die Hälfte vorhanden.) Dazu erreichten „vnordnung, hinleszigkeit vnd anders dergleichen“) im Heidelberger Augustinerkloster einen solchen Grad, daß

1) Vgl. de Wette a. a. O. S. 8, 12.

2) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 23, 28, 55ff., 3. Heft S. 2ff.

3) Diese Beschlüsse wurden einstimmig gefaßt. Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 43.

4) Vgl. daselbst S. 101.

5) Vgl. Will a. a, O. S. 126. Die von Will erwähnten und benützten Archivalien habe ich leider auf dem Kreisarchiv und Stadt- archiv in Nürnberg, dem Reichsarchiv in München, dem Stadt- und Pfarrarchiv in Altdorf, sowie auf der Hof- und Staatsbibliothek in München und der Universitütsbibliothek in Erlangen nicht zu er- mitteln vermocht.

6) Vgl. u. a. Sillib a. a. O. S. 141, Enders a. a. O. 2. Band S. 63f. Anm. 1.

?) Vgl. Sillib a. a. O. S. 139,

5) Vgl. daselbst S. 129.

35 267

der pfälzische Kurfürst Ludwig V. sich genötigt sah, ein- zuschreiten. Er erlie am 26. November 1526 eine Ordnung, die neben zahlreichen Vorschriften für die wirtschaftlichen Verhältnisse auch solche für das gottesdienstliche Leben der Heidelberger Augustiner enthält.) Indessen vermochte diese Ordnung nicht dem Kloster zu neuer Blüte zu ver- helfen, vielmehr wurde dessen Baufälligkeit immer bedroh- licher?) und leerten sich dessen Zellen je länger desto mehr, bis schließlich im Jahre 1547 nur noch Helt übrig war. Damit ein Vorgesetzter ohne Untergebene geworden, leistete der Prior auf seine Würde Verzicht und überließ am 13. Juni 1547 der Universität Heidelberg das Augustiner- kloster gegen eine lebenslängliche Rente von 110 Gulden.?)

Wie Helt im Jahre 1525 aus seiner einstigen Zuge- hörigkeit zum Nürnberger Augustinerkonvent Kapital zu schlagen suchte, so auch im Jahre 1547 und 1548. 1525 ver- langte er nach Aufhebung seines Mutterklosters von den Kastenherren zu Nürnberg eine Abfertigung oder Aus- stattung. Aber in seinem Schreiben vom 10. April 1525 führte der Ratssehreiber Lazarus Spengler ihm zu Gemtite, daß er nur für den Fall eine materielle Unterstützung zu erwarten habe, daß er seine bisherigen „faulen tag“ aufgäbe und sich als Prediger oder für ein sonstiges geeignetes Amt den Nürnbergern zur Verfügung stellte.) Obwohl durch das mittlerweile mit der Heidelberger Universität getroffene Abkommen vor Nahrungssorgen bewahrt, machte Helt in der Zeit seines Aufenthaltes in Nürnberg, Juni 1547 bis Mai 1548, aufs neue Versuche, um aus dem dortigen Gemeinen Kasten eine Rente zu erhalten. Diesmal begründete er seine Bitten mit dem Hinweis auf seine körperliche Ge- brechlichkeit, verursacht namentlich durch sein Stein- und Gichtleiden.) Allein die Nürnberger erachteten ver- mutlich die Pension, die die Heidelberger Hochschule Helt zugebilligt hatte, für mehr als ausreichend und wiesen darum

1) Vgl. Sillib a. a. O. S. 128ff.

2) Vgl. daselbst S. 16f. Anm. 3.

*) Vgl. daselbst S. 66.

*) Vgl. Will a. a. O. S. 126, 128f. |

5) Vgl. Sillib a. a. O. S. 69, Will a. a. O. S. 126f. 18*

268 36

den Bittsteller ab. Wie dem aber auch sein mag, jedenfalls gab der Exprior die Absicht, seine Tage in seiner Vater- stadt zu beschließen!), auf und trat an Pfingsten 1548 an- geblich „vmb wolfeiler zerung willen zu Heidelberg“ wieder den Rückweg dahin an. In der Neckarresidenz an- gekommen, mietete sich Helt bei dem Barbier ValentinN. ein, starb jedoch schon kurze Zeit danach, nämlich um Bartholomäi (24. August) 1548.?)

13. Paul Knod?),

wie er sich gelegentlich bezeichnet*), Knot, Knodt, Knothe, Quode u. dgl. stammte aus Eger’). Nach Luther war er als Knabe in der Kantorei eines fürstlichen Hofes beschäftigt.®) Genannt werden die Höfe des Kaisers Maximilian L und Friedrichs des Weisen, an denen er sich aufhielt.”) So- weit seine Tätigkeit in Sachsen in Betracht kommt, bemerkt Melanchthon, daß er in der Kanzlei Friedrichs des Weisen war), und hebt Kaspar Brusch hervor, daß er „des Chors Wittenberg lange Jahr Regent vnd Capell- Meister“ war?) Es liegt kein Grund vor, die Richtigkeit dieser Angaben anzufechten; andrerseits aber fehlt es mir an aktenmäßigen Zeugnissen, um ihre Richtigkeit nachzu- prüfen, und an Handhaben, um die Zeitdauer der durch sie bezeugten Stellungen Knods zu bestimmen. Unzutreffend ist es dagegen, wenn Enders ihn als Augustinermönch be- zeichnet.!®) | |

Am 4. Juli 1518 wurde „Dominus Paulus Knodt de

1) Vgl. Sillib a. a. O. S. 66.

2) Vgl. daselbst S. 69, Will a. a. O. S. 127.

*) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 105.

4) Vgl. Pallas, Die Registraturen usw. 2. Abt. 1. Teil S. 372.

5 Vgl. Foerstemann, Album p. 74, Caspar Brusch, Des Vichtelbergs ... gründtliche beschreibung, 1542, Bl. Biije.

6) Vgl. Lósche, Analecta Lutherana et Melanthoniana S. 333 f., Kroker, Luthers Tischreden S. 258.

?) Vgl. Lósche a. a. O. S. 223, Kroker a. a. O. S. 395.

8) Vgl. Corpus Ref. vol. VII col. 1085.

?) Vgl. Brusch a. a. O.

1) Vgl. Enders a. a. O. 6. Bd. S. 62 Anm. 2.

37 | 269

Egra“ an der Wittenberger Hochschule immatrikuliert.") Der seinem Namen vorgesetzte Titel deutet an, daß er da- mals schon dem geistlichen Stand angehörte. Zwar ist die Bezeichnung „dümherr“, die ihm der Verfasser der oben mitgeteilten Nachrichten beilegt?), sicher falsch, da Knod niemals Mitglied des für Wittenberg allein in Betracht kommenden Stiftskapitels der Schloßkirche war, aber gleich- wohl überhebt die irrige Bezeichnung zusammen mit dem erwähnten Titel Dominus über jeden Zweifel, daß der aus Böhmen stammende Priester in der Universitätsstadt an- gestellt war. Hält man unter den 1518 und vorher dort tätigen Hochschullehrern und -beamten und Geistlichen, die vielfach nur mit dem Vornamen genannt sind, Umschau, so wird nur ein einziger „Er“ Paul, und zwar in den Reihen der Priester der Schloßkirche, angetroffen. Dieser besaß nach- weislich schon am 27. Dezember 1514 eine der von Fried- rich dem Weisen begründeten sog. vier neuen Vikarien und bezog davon jährlich 39 Gulden 11 Groschen 9 Pfennig.?)

Mit Vor- und Zunamen begegnet Knod in den mir zugänglich gewordenen Geschichtsquellen der Schloßkirche und Universität zum ersten Male in einer Liste der aus der kurfürstlichen Kammer zum Quartal Reminiscere 1520 besoldeten „personn der Stiftkirchen vnd vniuersitet zu Wit.“*) Hier wird freilich „Er Paulus Knot“ weder unter den Uni- versitätslehrern, noch unter den Stiftspersonen, sondern neben den beiden Gruppen aufgeführt. Das gleiche gilt von einer Gehaltsliste zum Quartal Kreuzerhöhung (14. September) 1525, die Knod hinter dem Hofmaler Lukas Cranach und dem mit den Musterungen im sächsischen Kurkreise beauftragten Johann Mußmann namhaft macht." Nach diesen beiden

3) Vgl. Foerstemann |. c.

2) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 105.

3) Vgl. Das eynkomenn aller personen ym grossen choer usw., Weimar, Reg. O Nr. 159 Bl. 471ff.

1) Vgl. Namen aller personn der Stiftkirchen vnd vniuersitet zu Wit. usw., Weimar, Reg. O Nr. 204.

5) Vgl. Vortzaichnus des kathemergeldes usw., Weimar, Reg. O Nr. 236. Die Bestallung für Muf mann ist erhalten Weimar, Kopial- buch F 16 Bl. 113ff.

270 EE 38

Verzeichnissen zahlte die kurfürstliche Hofkammer Knod vierteljährlich vier Gulden. Bleibt hier die Art des von dem Besoldeten geleisteten Dienstes unerwähnt, so läßt eine aus dem Jahre 1525 stammende dritte Gehaltsliste erkennen, daß Knod die erwähnte Summe als einer von den kur- fürstlichen „Syngeren“, d. h. als Mitglied der von Konrad Ruppsch geleiteten Hofkapelle, erhielt. Denn es kann doch wohl nicht auf einem bloßen Zufall beruhen, daß in der dritten Liste die gleiche jährliche Gehaltssumme gebucht ist wie in den beiden zuerst angezogenen. |

Die soeben aus den Akten mitgeteilten Notizen lassen einige Fragen unbeantwortet. Man möchte insbesondere wissen, ob Knod zuerst Vikar und sodann Mitglied der Hofkapelle war, oder ob er beide Stellungen nebeneinander bekleidete. Ich möchte das letztere schon darum vermuten, weil diein Wittenberg 1520 und 1525 (Kreuzerhöhung)nachweislich erfolgte Auszahlung seines Gehaltes nicht wohl zu verstehen wäre, wenn er nicht hier seinen eigentlichen Wohnsitz ge- habt hätte. Dazu kommt, daß nur er und nicht etwa auch der Kapellmeister Ruppsch samt den sonstigen „Syngeren“ in den beiden an erster Stelle genannten Listen aufgeführt ist. Freilich verbietet die Entfernung Wittenbergs von dem Aufenthaltsort der Hofkapelle ganz von selbst die etwaige Annahme, Knod habe, wie in seinen jüngeren Jahren, so auch bis 1525 regelmäßig in dieser Kapelle mitgewirkt.

Einer Nebenbeschäftigung Knods gedenkt Melanch- thon. Er erzählte gelegentlich seinen Studenten, daß dieser beauftragt gewesen sei, Heiligenreliquien einzuwickeln und auf den so geformten Päckchen deren Inhalt zu verzeichnen, und dabei merkwürdige Wahrnehmungen gemacht habe.?)

1) Vgl. Vortzaichnis, was man nachfolgenden personen ydem eyn jar zu kathemergede [sic] geben usw., Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 6. : 2) Vgl. Historiae collectae Wittebergae ex lectionibus D. Prae- ceptoris Philippi Melanchthonis (über die Handschrift s. Nik. Müller, Beiträge zur Kirchengeschichte der Mark Brandenburg im 16. Jahrhundert 1. Heft S. 127£.): „Doctori [so] Paulo Knoden erat demandatum officium, vt reliquias sanctorum mandaret inuolucris et inscriberet singulorum sanctorum nomina. Ille affirmauit se in- uenisse os, in quo haesissent adhuc crines cum pelle; et tuerat de vitulo, vnd das solte sein cranium S. Sebaldi.“

39 271

Offenbar galt Knods Nebenbeschäftigung, zu der ihn seine schöne Handschrift besonders befähigte, dem „Heiligtum“ der Wittenberger Schloßkirche. Trifft meine Annahme zu, so war er vor 1522 in der von Melanchthon angegebenen Weise tätig.!) |

Einen Beweis dafür, daß Friedrich der Weise die Dienstleistungen Knods anerkannte, darf man in den ihm verliehenen geistlichen Lehen sehen. Knod besaß die Lehen des Altars Petri et Pauli im Chor der Kirche Petri und Pauli zu Torgau und des Altars Johannes des Evangelisten auf dem Schloß zu Liebenwerda. Jenes er- hielt er 1516. Dieses wünsehte 1526 der Pfarrer von Liebenwerda, Georg Koeler, nach Niederlegung seines Amtes auf dem Wege gütlicher Verständigung mit Knod an sich zu bringen, ohne jedoch mit seinem Wunsch durch- zudringen. Außerdem hatte Knod, angeblich vormals Vikar des St. Georgenstifts zu Altenburg, das Lehen der Kapelle zu Gerstenberg bei Altenburg, überließ es aber später Eberhard Brisger.?)

Deutlicher als die Zeit bis 1524 lassen sich die folgenden Jahre im Leben Knods überblicken. Auf der Suche nach einem geeigneten Mann für „die Vicarie der pfarr zu Orla- mundt“ bot der Wittenberger Universitätssenat die Stelle auch Knod an, aber dieser schlug kurz vor der Erntezeit 1524 das von Karlstadt hinterlassene und deshalb keineswegs verlockende Erbe aus.) Als im Herbst 1525 das Stift zu

1) Vgl. Kalkoff, Abla8 und Reliquienverehrung der Schloß- kirche zu Wittenberg S. 83ff. Daraus erhellt, daß Friedrich der Weise im Jahre 1522 nichts mehr für das Wittenberger ,Heilig- tum“ tat. l 2) Vgl. E. Knabe, Die Torgauer Visitations-Ordnung von 1529, Programm des Gymnasiums zu Torgau 1881, S. 16, Weimar, Reg. Mm Nr. 351, Reg. Ji Nr. 163, Löbe in: Mittheilungen der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes 7. Band S. 48, J. u. E. Löbe, Geschichte der Kirchen und Schulen des Herzogtums Sachsen-Altenburg 1. Band S. 530.

3) Vgl. den undatierten Zettel zu einem Schreiben Friedrichs des Weisen an die Universität Wittenberg, Halle, Wittenb. Archiv V, 52. Für die Datierung kommt die Stelle in Betracht: „Weyl es an der zeit, die frucht der pfarrn Orlamundt einzusameln“,

272 40

Wittenberg säkularisiert und Christoph Blank zum Ver- walter des Stiftsvermögens ernannt wurde, stellten die kur- fürstliehen Räte diesem Knod als Gehilfen an die Seite.)

Am denkwürdigsten ist die Tätigkeit, die Knod seit 1528 als Visitationsschreiber oder Notarius visitatorum, wie er sich gelegentlieh bezeichnet?), entfaltete?). - Er begleitete die Visitatoren des sächsischen Kurkreises und des Ort- landes Meißen auf ihren Reisen und nahm die Protokolle auf, arbeitete in Wittenberg die sog. Registrationen aus und stellte die benötigte Zahl Reinschriften davon her. Die häusliche Arbeit beanspruchte Jahre. Beispielsweise kamen die dem Landvogt Johann Metzsch behändigten Akten zwischen 1. Mai 1534 und 1. Mai 1535 zur Ablieferung‘), und lag das für die Stadt Wittenberg bestimmte Exemplar der Registration von 1533 erst am 5. März 1536 fertig vor"). Verdient des Visitationssehreibers Fleiß und Zähigkeit Bewunderung, so nicht minder die Schönheit und Genauigkeit seiner zahl- reiche Bände und Hefte füllenden Aufzeichnungen. Nach Beendigung der beiden ersten ordentlichen Kirchenvisitationen wurde Knod auch bei den „zufelligen“ Visitationen als Sekretär verwendet. Ebenso brachte er die gelegentlichen ehegerichtlichen Entscheidungen der Visitatoren zu Papier.)

Für seine Tätigkeit während der Kirchenvisitationen und

1) Vgl. Chronicon sive annales Spalatini l. c. col. 647, Der Andere und Letzte Theil zu W. E. Tentzels Historischen Bericht vom Anfang und ersten Fortgang der Reformation Lutheri usw. (1718) S. 876.

2) Vgl. Pallas, Die Registraturen usw. 2. Abteilung 1. Teil S. 872.

3) Vgl. dazu auch Nik. Müller, Die Kirchen- und Schulvisitationen im Kreise Belzig 1530 und 1884 S. 21f, 27 und die daselbst an- geführte Literatur.

*) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 2805, Auff Churfurstlicheu vnd seiner Gnaden Rethe Schrifftlichen beuehl: „12 gr. Paul Knotten Sonehn, das sie die registration der Visitacion dem Landuogt gebrocht haben". |

5) Vgl. Wittenb. Kastenrechnung 1536, Gemeynne Aufgabe: „42 gr. Er pauel quode geben Sontags Inuocauit vonn der registracion zcu schreyben".

9) Vgl. die Verschreibung der Visitatoren des sächsischen Kur- kreises vom 6. Dezember 1536, Weimar, Reg. Mm Nr. 351.

41 | 273

im Anschluß an sie erntete Knod hohes Lob!) und durch sie auch eine Verbesserung seiner und seiner Familie materiellen Lage. Nachdem er drei Jahre lang den Visitatoren ohne Entgelt gedient hatte, verschrieben sie ihm am 13. April 1531 die zu einem Schloßlehn zu Bitterfeld gehörigen 40 Scheffel Korn auf 15 Jahre. Diese Verschreibung dehnte Kurfürst Johann Friedrich, die besondere Fürsprache Luthers berücksichtigend, am 9. Juli 1545 auf die ganze Lebenszeit Knods aus.) Ebenfalls 40 Scheffel Korn wurden auf kur- fürstlichen Befehl dem Visitationssehreiber seit Martini 1532 aus dem Amt Wittenberg verabreicht.* Weitere 12 Scheffel Korn überwiesen am 22. September 1540 die Visitatoren ihm auf Lebenszeit aus einem zu Zahna in Erledigung gekommenen Schloßlehn.°) Um auch die Zukunft von Knods Weib und Kindern einigermaßen sicherzustellen, ordneten die Visitatoren des Kurkreises am 6. Dezember 1536 an, daß jene nach seinem Tode noch drei Jahre lang im Genuß der erwähnten Lehen zu Torgau und Liebenwerda bleiben sollten.°)

Wegen Knods Zuverlässigkeit wurden seine Dienste auch von Privaten gerne begehrt, so von Stephan Roth, Spalatin und Amsdorf, für die er geschäftliche Dinge besorgte.*) |

Wenn die oben mitgeteilten Nachrichten auf Knods Verheiratung hinweisen?), so ist zu bemerken, daß er mit Regina N. vermählt war?) Aus dieser Ehe gingen mehrere

7) Vgl. u. a. Corpus Ref. vol. VII col. 1085. .

2) Vgl. Pallas a. a. O. 2. Abt. 2. Teil S. 8f., 10.

3) Vgl. Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 876.

5) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 2799, Ausgabe korn.

5 Vgl. Pallas a. a. O. 2. Abt. 1. Teil S. 376.

6) Vgl. Weimar, Reg. Mm Nr. 351. l

?) Vgl. O. Clemen in: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen 44. Jahrg. S. 255, Enders a. a. O. 6. Band S. 62, Zeitschrift füf Kirchengeschichte 2, Band S. 161, auch Buchwald in: Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels XVI S. 174, Zur Wittenberger Stadt- und Universitäts-Geschichte S. 134.

5) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 105.

?) Vgl. Pallas a. a. O. 2. Abt. 2. Teil S. 8:

274 42

Kinder hervor. Söhne werden 1534/35 erwähnt.!) Eine Tochter starb im Jahre 1535.?) Am bekanntesten sind die Töchter Elisabeth und Esther. Jene wurde am 19. No- vember 1524 geboren und verheiratete sich am 25. August 1544 zu Jüterbog mit dem dortigen Propst Christoph Fischer.) Diese, die jüngere des Schwesternpaares, hielt am 8. Februar 1546 Hochzeit mit dem aus Oldenburg i. Old. stammenden Johann Reiner (Reiners)*), der, nachdem er zu Wittenberg am 31, August 1540 Student geworden war°), daselbst am 4. Juni 1556 zum Doktor beider Rechte pro- movierte und hernach in die Dienste der Witwe des Grafen Kuno von Ostfriesland trat").

Die Eltern erlebten nicht mehr den Ehrentag ihrer Esther. Der Vater, der schon im Frühjahr 1541 einmal schwer erkrankt war”), starb am 9. Oktober und die Mutter am 24. Oktober 154595) |

Die Eheleute Knod hinterließen ihren Kindern wenig Vermögen. Deshalb legten Luther und Bugenhagen am 20. Januar 1546 bei Johann Friedrich Fürbitte für sie ein, um ihnen den Nießbrauch der ihrem Vater ver- schriebenen Lehen zu Torgau und Liebenwerda noch für die nächsten drei Jahre zu sichern?) Wenn die beiden Fürsprecher ihr Gesuch mit der Bedürftigkeit der verwaisten Kinder begründeten, so steht damit die Angabe der Witten- berger Schatzungsliste für die Türkensteuer vom Jahre 1542 im

,

1) Vgl. vorher S. 40 Anm. 4.

*) Vgl. Wittenb. Kastenrechnung 1535, Einnahme aus dem Ge- läute der großen Glocke: „9 gr. von her pauell qwotten tochter“.

*)) Vgl. die autobiographischen Aufzeichnungen Christoph Fischers, enthalten in einem früher von J. K. F. Knaake be- sessenen Exemplar „Joannis Tauleri des heilig& lerers Predig... Getruckt Basel Anno M. D XXI".

*) Vgl. Corpus Ref. vol. VI col. 928q., 329sq. An der ersten Stelle ist fálschlich „Romero“ anstatt „Reinero“ gedruckt.

5 Vgl. Foerstemann, Album p. 182.

9) Vgl. Wittenb. jurist. Dekanatsbuch Bl. 156, Scriptorum publice propositoruni... in Academia Witebergensi tomus II, 1562, Bl. Cc 3b f.

?) Vgl. Corpus Ref. vol. IV col. 189.

5) Vgl. Fischer a. a. O.

9?) Vgl. Burkhardt a. a. O. S. 489f.

43 275

Einklang. Denn nach dieser besaß Knod außer einem im Marktviertel gelegenen Freihaus nichts Steuerpflichtiges.!) _

Knod. war einer von den Bürgern Wittenbergs, denen hoch und nieder Achtung und Liebe zollte.) Namentlich zählte Melanchthon zu den Bewunderern seiner hervor- ragenden Tugenden. Noch elf Jahre nach Knods Ableben war seine Lichtgestalt in der Erinnerung des Lehrers Deutschlands so wenig verblaßt, daß er dem heiligen und untadeligen Mann und seinen Verdiensten um die sächsische Kirche Worte höchster Anerkennung widmete.?)

14. Sebastian Küchemeister‘),

Küchenmeister, Archimagirus, Archimarus usw., der, wenn er den deutschen Namen wählte, sich als Kuchemeyster und Kichemeyster bezeichnete?), wurde in Freiberg i. S. wo seine Familie schon 1274 nachweisbar ist®), geboren. Zuerst besuchte er die Universität Leipzig, an der er sich im Sommersemester 1498 intitulieren und im gleichen Se- mester 1499 zum artistischen Bakkalar graduieren ließ.”) Hierauf studierte er an der neugegründeten Hochschule zu Wittenberg.) Nachdem er hier als Leipziger Bakkalar rezipiert war, erlangte er um 2. Februar 1504 die artistische Magisterwürde und auf Grund dieser hernach die Aufnahme in den Senat der Artistenfakultät.‘) Im Wintersemester

1) Vgl. Weimar, Reg. Pp Nr. 355, 8.

2) Vgl. Corpus Ref. vol. VI col. 22,

3) Vgl. ibidem vol. VII col. 1085, Scriptorum publice proposi- torum etc. l. c. Bl. Cc 4b.

4) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 58, 66, 3. Heft S. 1, 18, 33, 94, 41, 42, 50, 4. Heft S. 26, 71.

5) Vgl. Halle, Wittenb. Archiv, Trésor Nr. 119, Wittenberg, Acta, Die vom Rathause zu Wittenberg verschriebenen Jührl. Erb- und wiederküufl. Zinnßen Dem Gottes Kasten zu entrichten usw.

6), Vgl. Ermisch, Urkundenbuch der Stadt Freiberg i. S. 1. Band S. 25. | ?) Vgl. Erler, Matrikel 1. Band S. 423, 2. Band S. 369.

5) Vgl. Foerstemann, Album p. 4.

?) Vgl. Kóstlin, Die Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 22, 28. Eine Angabe über seine Rezeption unter die Wittenberger Bakkalare wird im Dekanatsbuch vermißt.

276 ‚44

1505/6 verwaltete er das Dekanat seiner Fakultät, das ihm weiterhin noch zweimal, nämlich für das Sommersemester 1510 und Wintersemester 1516/7 übertragen war.!)

Wie es scheint, war Küchemeisters erstes Öffentliches Amt das des Schulmeisters an der Wittenberger städtischen Schule, und erhielt er dieses im Jahre 1504.?) Trifft meine Annahme zu, so handelte es sich jedoch nur um eine vorübergehende Tätigkeit. Denn schon im Sommer .1507 besaß Küchemeister den skotistischen Universitätskatheder für die kleine Logik oder Peter Hispanus.?) Den jungen Professor feiert der um Worte nie verlegene Andreas Meynhart als „vir bone vite nee bonarum artium experi- mento carens, Qui almi gymnasii gloria non extitit minima". $) Länger als irgend ein anderer seiner Fakultätsgenossen vertrat er sein Fach. Noch im Herbst 1517 lehrte er die kleine Logik mittags um 12 Uhr?), und wahrscheinlich endigte seine Wirk- samkeit erst, als die insbesondere von Luther und Karl- stadt anfangs 1518 erstrebte Abschaffung der Vorlesungen des Petrus Hispanus u. dgl.9) Tatsache geworden war.

Während Küchemeister bereits in der untersten Fakultät dozierte, besuchte er die Vorlesungen und die sonstigen Unterrichtsveranstaltungen in der obersten und erwarb sich deren Grade bis zum Lizentiaten. 1507 pro- movierte er zum Baccalaureus biblieus, am 11. August 1508 zum Baccalaureus sententiarius, am 8. Dezember 1508 zum Baeealaureus formatus und am 28. sau 1512 zum Licentiatus. °)

Wenige Wochen nach seiner Lizentiatenpromotion wurde Küchemeister für das Wintersemester 1512/3 zum Rektor

1) Vgl. Köstlin a. a. O. S. 6, 10, 19£., 28, 25, 28.

2) Vgl. Wittenberger Kümmereirechnung 1504/5, wo unter der Rubrik Ausgabe „Zcur vrbete^ usw. als Nachfolger des Schulmeisters Magister Erhardus ein bereits im Oktober 1504 im Amt befindlicher Magister Sebastianus erwühnt ist.

3) Vgl. Grohmann a. a. O. S. 83.

4) Vgl. Dialogus etc. Bl. C 4b.

5) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 284, Muther, Zur Geschichte der Rechtswissenschaft S. 292.

9) Vgl. Enders a. a. O. 1. Band S. 147, 160f., 168, 170.

?) Vgl. Foerstemann, Liber Decanorum etc. p. 8, 4, 11.

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der Universität gewählt 1), die er auch als Vizerektor an Stelle des Rektors, Herzog Barnim von Pommern, im Sommer- halbjahr 1519 leitete?)

Als Friedrich der Weise 1507 das Stiftskapitel er- weiterte und dieses und die Universität zu einem Ganzen ver- einigte, wurde Küchemeister dasdritte von den neuerrichteten . fünf sog. herzogliehen Kanonikaten und der damit verbundene Lehrstuhl der Artistenfakultät, nämlich der schon genannte skotisiische für die kleine Logik, verliehen.?) Auf diese Weise bezog der Kanonikus-Professor seine Hauptbesoldung aus seiner Pfründe. Im Jahre 1508 hatte er 17 Gulden auf jer Heynrich Lósers gutern zw Dössenitz“, die Zinsen voh 200 Gulden ,hewptgelds auff Glawch vnd Doctor Lósers Testament“ und 10 Gulden von der seinem Kano- nikat inkorporierten Pfarrei za Wiederau.‘) Um 1515 belief sich sein Einkommen auf 70 Gulden 5 Pf, aus folgenden Posten sich zusammensetzend: 35 Gulden 16 Gr. Korpusgeld, nämlich 18 Gulden 12 Gr. von der „Gemeine des dorffs Mersewitz“, 5 Gulden „auf Hans Lauchs gutternn“, 2 Gulden von Valentin Polieh (Mellerstadt), 10 Gulden von der Pfarrei Wiederau und 34 Gulden 5 Gr. 5 Pf. Präsenzgeld.°) Wenn Küchemeisters Mitbrüdern im Kapitel und zugleich Kollegen in der Artistenfakultät für ihre Mühewaltung als Professoren außer ihrer Stiftspräbende noch ein jährlicher Zuschuß von 20 Gulden aus der kurfürst- lichen Kammer gewährt wurde, so bestimmten ihn die vor dem Antritt seines Doppelamtes mit ihm verhandelnden Ver- trauensmänner Friedrichs des Weisen, Martin Polich, Johann von Staupitz und der kurfürstliehe Beichtvater Jakob Vogt, mit Rücksicht auf sein Meßlehen in der Wittenberger Stadtkirche vorläufig sich mit 10 Gulden zu begnügen.5) Gemeint ist das Lehn der St. Barbara, das neben 3) Vgl. Foerstemann, Album p. 43.

2) Vgl. Halle, Wittenb. Archiv III, 194» Bl. 485, 52a. 57b,

*) Vgl. das Schreiben Küchemeisters an Friedrich den Weisen, Weimar, Reg. O Nr. 169.

4) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 159 Bl. 109aff, danach gedruckt Barge a. a. O. 2. Teil S. 526.

5) Vgl. Weimar, Reg. O. Nr. 149 Bl. 47ff., Reg. O Nr. 200. 6) Vgl. vorher Anm. 8.

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freier Wohnung im Jahr 10 Gulden abwarf, vom Rat zu Wittenberg verliehen wurde und 1507 von Ambrosius Dhene auf Küchemeister übergegangen war.') -Nachdem seine Besoldung aus der Kammer noch immer keine Erhöhung erfahren hatte, suchte Küchemeister kurz vor 8. März 1517 eine solche nach. Dabei begründete er seine dem Kurfürsten vorgetragene Bitte insbesondere mit dem Hinweis auf die Be- stimmung der neuen Stiftsstatuten, wonach er gleich seinen Mitkapitularen jede Woche drei Messen in der Schloßkirehe zu lesen verpflichtet war, und auf die daraus für ihn sich ergebende Nötigung, als Benefiziat der Stadtkirche sich in Zukunft durch einen andern von ihm bezahlten Priester vertreten lassen zu müssen.) Allein Küchemeisters :da- maliges Gesuch scheint ebensowenig von Friedrich dem Weisen berücksichtigt worden zu sein wie sein zweites am 19. März 1518 eingereichtes. Jetzt erbat er sich nämlich für ein Jahr Urlaub, um in dieser Zeit, einer aus Bautzen an ihn gelangten Einladung Folge leistend, den dortigen „predig stull“ zu versehen. ê)

Schon Luthers erstes reformatorisches Vorgehen miß- fiel Küchemeister. Während die ganze Universität Witten- berg die Ansichten des Augustinermünehs über die Gnade und die guten Werke teilte, war dieser so ziemlich der einzige, der sie ablehnte.*) Der Reformator erklärte sieh das Verhalten seines Widersachers aus dessen Starrsinn und verglich ihn in dieser Beziehung mit Herzog Georg von Sachsen.?) Unter solchen Umständen kann man sich nicht wun- dern, daß Küchemeister ein heftiger Gegner auch der Neuerer und Neuerungen von 1521 und 1522 war. Jedoch hielt er nicht wie seine Gesinnungsgenossen Beskau, Elner und Volmar im Kampfe für seine Anschauungen aus, sondern schüttelte bereits vor Herbst 1522 den Staub des ketzerischen Witten-

1) Vgl. vorher S. 45 Anm. 3 und Wittenberger Kämmerei- rechnung 1307/8 Bl. 87b.

2) Vgl. vorher S. 45 Anm. 3. i

3) Vgl. das Schreiben Küchemeisters an Friedrich den Weisen vom 19. März 1518, Weimar, Reg. Kk Nr. 1380.

1) Vgl. Enders a. a. O. S. 188.

5) Vgl. Seidemann, Anton Lauterbachs Tagebuch £ S. 147.

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berg von seinen Füßen. Er zog sich in das Herzogtum Sachsen zurück. Am 16. Oktober 1522 hielt er sich in Chemnitz auf.!)

Da Küchemeister ohne Erlaubnis des Stiftskapitels außerhalb Wittenbergs weilte und auf diese Weise gegen die Bestimmungen der Stiftsstatuten über die Residenzpflicht der Kanoniker verstieß, wurde er kurz vor 22. Juni 1523 von dem Kapitel „vmb seins nit residirens vnd vngehorßams“ seines, Kanonikats entsetzt.?)

Nicht solange wartete der Wittenberger Rat, um dem Abwesenden die erwähnte freie Wohnung zu entziehen. Schon 1522/3 nahm er das Haus „gegen Valtenn Eberhart vber, das licentiat Sebastian gehapt,“ in Besitz und ver- kaufte es hernach dem Tischlermeister Johann Gerlender (Geyrleyner) für 80 Gulden.) Außerdem maßregelte der Rat den seine Residenzpflicht Vernachlässigenden wahrschein- lich schon damals, sicher aber in den nächsten Jahren da- durch, daß er ihm den Teil seines Meßbenefiziums, der seither aus der Wittenberger Kämmereikasse gezahlt wurde, fünf Gulden im Jahre, nicht mehr verabfolgte.*)

Im Jahre 1524 wohnte Küchemeister in seiner Heimat Freiberg i. S. Ob er hier Mitglied des Stiftskapitels war oder sonst eine geistliche Stelle besaß, ist ungewiß. Da- gegen ist sicher, daß er als Prediger in der dem Freiberger Dom inkorporierten St. Peterskirche auftrat und durch seine Angriffe auf die Reformation und ihre Anhänger die Frei- berger Evangelischen aufs höchste reizte. Kam es doch vor, daß man am 20. November 1524 ihm die Kanzel vernagelte und daran eine Wage mit einem Fuchsschwanz und Kuhschwanz befestigte und am Sonntag darauf die Kanzel mit einem

1) Vgl. Küchemeisters Brief an den Rat zu Wittenberg vom 16. Oktober 1522, Wittenberg, Acta (Titel s. vorher S. 43 Anm. 5).

3) Vgl. das Schreiben der Universität an Friedrich den Weisen vom 22. Juni 1528, Weimar, Reg. O Nr. 209.

3) Vgl. Wittenberger Kümmereirechnung 1522/8, Rubrik ,Re- tardat im 22. iar", desgl. 1523/4, Rubrik ,Gemeyn Innahm“. ` Über Gerlender vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 104f. Anm. 3.

*) Vgl. Wittenb. Fommereitecupdngen 1520/ IM, Rubrik „Außgabe . Vorkauffter zcinfe Auf ein Widerkauff 20."

280 | 48

Raben und der Inschrift „Pfaff, leug nit und sag dy worheit“ schmückte.')

15 Andreas Meynhart?),

Meynhardt?, Meinhardi‘), Manhart°) Mayner*, Mynar‘) usw. als dessen Heimat Pirna und De- litzsch genannt werden?) und der auch als „Magister pirniß“ bezeugt ist), ließ sich an der Universität Leip- zig im Sommersemester 1493 intitulieren. Hier erlangte er im Sommerhalbjahr 1495 den Grad eines Bakkalars und am 28. Dezember 1501 den eines Magisters der freien Künste.!%) Zwar blieb der junge Magister auch nach seiner Promotion noch einige Jahre in Leipzig wohnen, aber er war mit den an der Hochschule herrschenden Zuständen unzufrieden. Dies erhellt aus einer Denkschrift, die er am 25. Oktober 1502 dem Herzog GeorgvonSachsen unter- breitete.!) Meynhart tadelte darin insbesondere den Unfleiß der Lehrer in den drei oberen Fakultäten und noch mehr die schier unzähligen Gebrechen in der Artistenfakultät. Wenn er dabei die jungen Magister, die mehr ,yn poesi“ als in den scholastischen Fächern unterrichten, in Schutz

1) Vgl. Ermisch in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 5. Band S. 329f.

2) Vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 9, 13, 4. Heft S. 50.

3) Meynhart nennt er sich u. a. auf einer im Wittenb. Stadt- archiv erhaltenen Originalquittung vom 2. April 1517 und Friedberg, Die Universitüt Leipzig in Vergangenheit und Gegenwart S. 147. Die Namensform Meynhardt findet sich z. B. im Original von Köstlin, Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 22.

4) So bezeichnet er sich in seinem Dialogus (Titel s. hernach S. 49) Bl. Abff.

5) Vgl. Foerstemann, Album p. 106.

9$) Vgl. Erler, Matrikel der Universität Leipzig 2. Band S. 350.

?) Vgl. daselbst 1. Band S. 399.

5) In den mir zugänglichen Quellen ist durchweg Pirna als Heimat genannt. Nur Foerstemann |. c. erwähnt Delitzsch. An Pirna darf man um so mehr festhalten, als Meynhart selbst, Dialogus (Titel s. hernach S. 49) Bl. Ab, sich als Pirnaer bezeichnet.

?) Vgl. Wittenberger Schützenrechnung 1509, Inname von jnkoffen.

10) Vgl. Erler a. a. O. 1. Band S. 399, 2. Band S. .350, 383.

11) Vgl. Friedberg a..a. O. S. 147f.

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nahm, so geht man gewiß mit der Annahme nicht fehl, daß er selbst zu ihnen zählte. Ebenso darf man füglich aus seiner Klage über das Verbot, wonach den jungen Magistern mehr als drei Stunden im Tage Resumtionen zu halten unter- sagt war, und über die auch von anderen') als große Härte empfundene Bestimmung, wonach die jungen Magister erst sieben Jahre nach ihrer Promotion in den Fakultätssenat aufgenommen wurden, den Hauptgrund herauslesen, wes- halb Meynhart den Wanderstab ergriff, um sein Glück an der jungen Elbuniversität zu versuchen.

Im Winterhalbjahr 1504/5 lie sich Meynhart zu Wittenberg intitulieren und im darauf folgenden Se- mester unter die dortigen artistischen Magister aufnehmen. ?) Im Rotulus Doctorum Vittemberge profitentium vom 1. Mai 1507 kündigte er für das Sommersemester 1507 Vorlesungen aus dem Bereich der litterae seculares an.) Im gleichen Semester (29. September 1507) entstanden seine beiden Widmungen zu einer größern schriftstellerischen Arbeit und vermutlich diese selbst. Auf Veranlassung des Martin Polich, des Mitbegründers, ersten Rektors und zu seinen Lebzeiten einflußreichsten Mitglieds der Wittenberger Uni- versität, schrieb er nämlich ein Buch, das, nach Art der humanistischen Schülergespräche in die Dialogform gekleidet, sich darstellt als ein Panegyrikus auf Wittenberg, die ihm von der Natur gewährten Vorzüge, seine Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten, besonders seine Schloßkirche und Universität, und als ein Lobeshymnus auf die Ernestiner, ihre Hauptberater und zahlreiche Wittenberger, nämlich Mitglie- der des Stiftskapitels, Universitätslehrer und Leiter des städti- schen Gemeinwesens. Diese Arbeit, Fremdenführer, Reklame und Schulbuch zugleich, trägt den Titel: „Dialogus illuftrate ac Augu || ftiffime vrbis Albiorene vulgo || Dittenberg dicte Situm Amenitatem ac Jlluftrationem || docens Tirocinia no: bilium artin iacentibus Editus. || Fast blattgroßer Holzschnitt mit dem von vier Engeln gehaltenen und auf ein geschlossenes

1) Dahin gehören Konrad Tockler, Lorenz Zoch. und Johann Lindholz. Vgl. Friedberg a. a. Q. S. 130f., 141. 2) Vgl. Foerstemann 1l. c., Kóstlin a. a. O. 3) Vgl. Grohmann, Annalen 2. Theil S. 84. Archiv für Reformationsgeschichte VII. 3. 19

282 50

Buch gestützten Wappen bezw. Siegel der theologischen Fakultät zu Wittenberg') || “. Titelrückseite bedruckt. 68 Blätter, wovon die letzte Seite leer, in Quart. Am Ende der Druekvermerk: „Œ mprefjum Lips p Baccalaureu Martinü Derbipolenfem || Anno a reconciliata dininitate diii quingetefimooctauo || ".?)

Je weniger die Lobeserhebungen, die Mey nhart allen nur irgendwie in Betracht kommenden Personen und Sachen angedeihen ließ, der nackten Wirklichkeit entsprachen, desto mehr dürfte er damit dankbare Anerkennung bei den Wittenbergern gefunden haben. Deshalb scheint es mir auch als eine unmittelbare Folge seines Dialogus an- gesehen werden zu müssen, wenn ihn die Leiter des Witten- berger Gemeinwesens zum Stadtschreiber oder Notarius wählten. Zwischen 17. März 1507 und 12. März 1508 starb der bisherige Stadtschreiber?), wahrscheinlich Bartholo- mäus Zemenaut). Sein Nachfolger wurde 1508 Meyn- hart’, der weit länger als seine unmittelbaren Vorgänger, nämlich bis zum Schluß des Rechnungsjahres 1524/5, d. h. bis zum 5. Februar 1525, im Amt war. Als festes Gehalt bezog

1) Von Hause aus war dieses mit dem Bild des St. Augustin, des Schutzpatrons der gesamten Hochschule (vgl. Nik. Müller, Die Gesetzgebung der Universität Wittenberg 8.4), geschmückte Wappen bezw. Siegel für die Universität bestimmt, wie die Siegelabdrücke zeigen, die die ältesten von der Hochschule ausgegangenen Schreiben u. dgl. tragen. Vgl. z. B. Weimar, Reg. Kk Nr. 1355. Hernach erhielt die theologische Fakultät das Universitätssiegel und die Universität ein mit dem Brustbild Friedrichs des Weisen, vier Wappen und In- schriften versehenes neues.

2) Auszüge aus dem Dialogus teilen mit G. Bauch in: Reper- torium für Kunstwissenschaft 17. Band S. 427ff. und J. Haussleiter in: Neue kirchliche Zeitschrift XIV S. 811ff, 190 ff.

3) Vgl. Rechenregister aller jnnham vnnd ausgoben Der pfarren kirchen vnnser liben Frawenn zu wittembergk 17. März 1507 bis 12. März 1508, Innham von der Grosßen Glocken: „5 gr. vom [sic] dem Stadtschreiber de presenti funere“, Weimar, Reg. Bb Nr. 3111.

*) Der Name findet sich in der Wittenberger Schützenrechnung 1505, Innam Inkaufl.

5) Am Anfang der Wittenberger Kämmereirechnung für die Zeit 5. Februar 1508 bis 4. Februar 1509 wird zum ersten Male „Andreas Meinhardt, Notarius“ genannt.

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er jährlich bloß zehn Schock Groschen, während sein Nachfolger Philipp Reichenbach mit 17 Schock 30 Groschen angestellt wurde. Vermutlich schied Meynhart wegen seiner Gesundheitsverhältnisse aus dem Amt. Denn er ver- starb bereits vor Ablauf des ersten Jahres seines Ruhe- standes.?) |

Meynhart verheiratete sich im August 1508?), mußte aber schon zwischen 9. und 15. Juni 1510 sein Weib zu Grabe tragen‘). Hernaeh schritt er zur Ehe mit Hanna Moshauer (?), einer Schwester von Johann Agricolas (Eislebens) ersten Frau Elisabeth. Hanna überlebte ihren Mann und vermählte sich aufs neue mit dem in Witten- berg wohnhaften Apotheker Ignatius Wolff, starb jedoch bereits im Herbst 1527.°) Von den Kindern Meynharts erwähne ich Andreas und Barbara. Diese führte der Professor der Theologie in Frankfurt a. O., Andreas Musculus, heim.)

Der Stadtschreiber, der nachweislich seit 1509 der in bürgerlichen Kreisen beliebten Bruderschaft des St. Se-

1) In den Wittenberger Kümmereirechnungen 1508/91f. und noch 1524/5 ist unter der Rubrik Ausgabe für Gesindelohn 10 Schock als Gehalt des Stadtschreibers gebucht. Dagegen findet sich in der ent- sprechenden Rubrik der Kümmereirechnung 1525/6 der Posten: „17 8 30 gr. Magister Philippo Reychenbach, Stadtschreyber, vber jhar zew lohn geben. Ist alfo durch alle drey rethe angenommen vnnd beschlossen, das man yhme des jhares 8o vill gewisses geldes geben soll.*

2) Daß Meynhart vor 4. Februar 1526 starb, erhellt aus der Wittenberger Kümmereirechnung 1525/6, Innahm An Alten Retar- datenn: „7 8 30 gr. von der Andres Meynhartin víf die retardat yhres mannes seligen".

3) Vgl. Wittenberger Kümmereirechnung 1508/9, Ausgobe Der Schencke des Radts von wegen Gemeyner Stadt. Danach erhielt der Stadtschreiber zu seiner Hochzeit ein Faß Bier.

4) Vgl. Inname Des opphers, in der pharkirchen gefallen, An- gefangen Des Sontages Misericordia Domini Anno :c. Decimo, Weimar, Reg. Bb Nr. 3114.

^ Vgl. Enders a. a. O. 6. Band S. 99f£, Kawerau, Johann Agricola S. 27. |

6) Vgl. Wittenberger Handels- und Gerichtsbuch 1520— 1555 Bl. 34^ und daselbst die Originalquittungen des Andreas Musculus vom 16. Dezember 1540 und 26. April 1541.

19*

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bastian (Schiützenbruderschaft) angehörte‘), faßte auch dadurch festen Fuß in Wittenberg, daß er sich ein im Coswigviertel gelegenes Haus, im Jahre 1528 600 Gulden wert, und drei Gärten vor dem Coswigtor, im genannten Jahre 120 Gulden wert, erwarb?. Indessen ilberschätzte vermutlich Meynhart gerade mit diesen Anschaffungen seine Kräfte. Denn er konnte schon bei Lebzeiten seinen vielen Verpflichtungen nicht mehr genügen?) und nach seinem Tode war man wegen seiner nahezu 500 Gulden be- tragenden Schulden gezwungen, die erwähnten Liegenschaften zu veräußern. Das Wohnhaus übernahm 1529 für 600 Gulden Ignatius, der Gatte der verwitweten, freilich damals schon verstorbenen Hanna Meynhart.* Von den drei Gürten erwarb einen Gregor Korn und die an der langen Bruchstraße gelegenen anderen zwei Mag. Martin Polich.*)

16. Georg Mohr,

(Mor).°) Vgl. überihn O. C le m en, Beiträge zur Reformations- geschichte 2. Heft S. 25ff, 3. Heft S. 106, Zeitschrift für Kirchengeschichte 19. Band S. 501f.

17. Tileman Plettner,

Platner usw.) Vgl. über ihn E. Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie 26. Band S. 262ff. und die hier an- geführte Literatur.

1) Vgl. Wittenberger Schützenrechnung 1509.

2) Vgl. Wittenberg, Rechenbuch, Vortzeichnus Vnnd Wirderung Der Ligenden Grunde usw. 1528 Bl. 11b, Wittenb. Gerichtsbuch 1525 bis 1555 Bl. 233b,

3) Vgl. vorher S. 51 Anm. 6, Schuldtbuch des Gemeynen Beutels 1524 Bl. 7a 10a, 15b, 24a,

1) Vgl. Wittenb. Handels- und Gerichtsbuch 1520—1555 Bl. 33a ff., Wittenb. Gerichtsbuch 1528—1555 Bl. 213af., 273b,

5) Vgl. Wittenb. Gerichtsbuch 1525—1555 Bl. 938b, 9715.

9) Vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 6, 7. Jahrg. 2. Heft S. 66.

7) us vorher 6. Jahrg. 2, Heft S. 29, 35, 40, 41, 49, 50, 54, 9. Heft S.

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18. Johann Raehals?),

Ragals stammte aus Gerolzhofen. Im Sommersemester 1485 wurde er Student in Leipzig”) Dem Franken wurde bald hernach Wittenberg zur zweiten Heimat. Denn unter den Besitzern und Nutznießern von Häusern dieser Stadt trifft man in deren Kämmereirechnungen Rachals bereits 1496 and) Das in den Steuerlisten seinem Namen vorgesetzte „Er“ läßt ersehen, daß er schon damals dem geistlichen Stand angehörte. Bis zum Jahre 1507 besaß er die Vikarie des St. Eulogius in der Schloßkirche, die ihm das Stiftskapitel dieses Gotteshauses verliehen hatte, und deren Korpusgeld jährlich 9 Schock Gr. abwarf. Daneben hatte er noch zwei Meßbenefizien, nämlich die Kommende der St. Maria Magdalena in der Kapelle zum heiligen Kreuz vor dem Elstertor und die Kommende St. Matthäi und St. Michaels auf dem Engelaltar der Stadtpfarr- kirche zu Wittenberg.*) Als die Elbuniversität eröffnet wurde, ließ sich der Vikarius und Benefiziat gleich den meisten Geistlichen Wittenbergs von dem Rektor Martin Polich inskribieren.) Wahrscheinlich erlangte er auch an der jungen Hochschule den Bakkalaureat der Rechte, in dessen Besitz ihn der erste Entwurf der Statuten des Wittenberger Stiftskapitels vom Jahre 1509 zeigt.) Die mit päpstlicher Erlaubnis von. Friedrich dem Weisen 1507

und 1508 ins Werk gesetzte Vereinigung von Schloßkirche

1) Vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 18, 34, 41, 42, 50, 4. Heft S. 26, 71.

2) Vgl. Erler, Matrikel 1. Band S. 347.

3) Vgl. Wittenberger Kämmereirechnung 1496/7.

5) Vgl. Barge a. a. O. 2. Teil S. 526, Erb-Buch des Ambts Witten- berg 1513 Bl. xxiijb, Dresden Hauptstaatsarchiv, Loc. 38129, wonach das Korpusgeld der Vikarie jedoch 10 Schock betrug; Prebend Magister Staffelsteins, Magister Feldkirchs usw., Weimar, Reg. O Nr. 185, Bericht des Fabian von Feilitzsch und Johann von Taubenheim vom 22. September 1517, Weimar, Reg. O Nr. 234, Vorzcaichnus des Eyn- komens Allenn personen jm grossen Chor usw., daselbst, Reg. O Nr. 200. Zu den Bezeichnungen der beiden Kommenden vgl. auch Pallas a. a. O. 2. Abt. 1. Teil S. 21.

.. 8) Vgl. Foerstemann, Album p. 3. | 9) Vgl. Weimar, Reg. O pag. 90. AA. 2. Convolut Bl. 123: ff.

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und Universität und die damit Hand in Hand gehende Er- weiterung des Stiftskapitels jenes Gotteshauses hatte für Rachals eine Rangerhöhung zur Folge. Denn seine Vikarie wurde zu einem sog. herzoglichen Kanonikat umgewandelt.!) Leitete Friedrich den Weisen bei der Reorganisation des Kollegiatstifts der Wunsch, möglichst viele von den Pro- fessoren seiner Universität aus kirchlichen Mitteln besoldet zu sehen, und waren deshalb die einzelnen Stiftsherren ver- pflichtet, in erster Linie der Hochschule als Lehrer zu dienen, so nahm Rachals eine Ausnahmestellung ein. Vermutlich wegen seiner Unfähigkeit war er „seyn lebenlang gefreyt, das er nicht lesen durffe“.?) So blieb er denn bis zu seinem Tod bloßer Kanonikus an der Schloßkirche und bis zum Jahre 1517 auch bloßer Altarist in der Stadtkirche und in der Kapelle zum hlg. Kreuz. Obwohl nämlich die Inkor- poration seiner beiden Kommenden in sein Kanonikat bereits 1508 beschlossene Sache war?), war sie doch am 22. Sep- tember 1517 noch nicht vollzogen‘). Erst hernach wurde das Versäumte nachgeholt.5)

Ob Rachals Humanist oder nur mit einzelnen Huma- nisten wie Christoph Scheurl befreundet war?) steht dahin. Dagegen ist sicher, daß er Gegner der Reformation war und auch als solcher am 10. Februar. 1523 starb.’) Er hatte eine Memorienstiftung in der Schloßkirche errichtet, aber schon vor dem 25. April des erwühnten Jahres ver-

1) Vgl. Barge a. a. O., Bericht des Fabian von Feilitzsch usw., vorher S. 53 Anm. 4, Orationes (Titel s. vorher S. 12 Anm. 3) Bl. C».

2) Vgl. Bericht des Fabian von Feilitzsch usw., vorher S. 53 Anm. 4.

3 Vgl. Barge a. a. O.

*) Vgl. Bericht des Fabian von Feilitzsch usw., vorher S. 53 Anm. 4, und Prebend Magister Staffelsteins, Magister Feldkirchs usw., Weimar, Reg. O Nr. 185.

5) Vgl. das Schreiben Friedrichs des Weisen an die Universitüt vom 23. April 1523, Halle, Wittenberger Archiv V, 52, Weimar, Reg. O pag. 91. AA». 15.

9) Vgl. Bauch in: Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch- antiquarischer Forschungen 19. Band S. 432, 438.

?) Vgl. Chronicon sive annales Spalatini, J. B. Menckenii Scriptores rerum Germanicarum tom. II col. 619, Enders a. a. O. 4. Band S. 90,

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langte sein Bruder Kunz das für die Stiftung ausgesetzte Geld wieder zurück, indem er darauf hinwies, daß die Memorien nicht mehr in der alten Weise gehalten würden.)

Rachals war bereits 1509 Mitglied der Wittenberger Sebastiansbruderschaft.?)

19. Johann Reuber?),

Raptoris*) stammte aus dem im Kreis Hanau gelegenen Bockenheim’) und wurde darum vielfach auch Bocken- heim genannt. Er studierte zu Erfurt. wo er sich im Wintersemester 1498/9 inskribieren ließ.®) Hier erwarb er sich im September 1500 den Grad eines Baccalaureus und 1507, und zwar zugleich mit Luther, den eines Magister artium ? sowie vermutlich auch den Grad beider Rechte, da diesen die Matrikel der Wittenberger Universität dem In- titulierten bereits beilegt®). In Erfurt scheint er Jodokus Trutvetter, wie hernach in Wittenberg dessen Freund Christoph Seheurl näher getreten zu sein.?)

Nach Wittenberg übergesiedelt, bewirkte Reuber seine Immatrikulation an der Universität und seine Rezeption in den Senat der Artistenfakultät im Sommersemester 1511.!°) Schon im darauffolgenden Winterhalbjahr erscheint er als Praepositus Collegii und als Conventor novi Collegii.!!) Vom

1) Vgl. das Schreiben des Justus Jonas und Johann Volmar an Friedrich den Weisen vom 25. April 1528, Weimar, Reg. O Nr. 229.

2, Vgl. Wittenberger Schützenrechnung 1509.

*) Vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 18, 19, 25, 34.

*) Raptoris ist er genannt z. B. Foerstemann, Album p. 35, Halle, Wittenberger Archiv III, 194a Bl. 155.

5 Vgl. Foerstemann l. c.

€) Vgl. Weissenborn, Acten der Erfurter Universität 2. Theil S. 206. |

? Vgl. Erfurt, Stadtbücherei, Matricula Facultatis Artium Libe- ralium Studii Erfordiensis Bl. 675, 170b.

5) Vgl. Foerstemann l. c.

9) Vgl. v. Soden und Knaake, Scheurls Briefbuch 1. Band S. 78, 81. |

1) Vgl. Foerstemann |. c, Köstlin, Baccalaurei usw. 1508 bis 1517 S. 25, 29.

1) Vgl. Halle, Wittenberger Archiv IIT, 194a Bl. 3b, 5b, „Der Probst jm Collegio“ war derjenige, „der die Personen in Collegiis

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Wintersemester 1515/6 an bis zum Wintersemester 1521/2 wird er als Kollegiat des Neuen Kollegs erwähnt. In dieser Zeit legte er oft, teils mit den übrigen Kollegiaten zusammen, teils allein, . über die Einnahmen und Ausgaben der beiden Kollegien, des alten und neuen, und der Bursa fontis vor den Universitätsreformatoren Rechnung ab?) eine Aufgabe, die die Wittenberger Statuten den Konventoren zuweisen’). Nach dem Wintersemester 1521/2 vermag ich zwar Bocken- heim unter dem Titel Kollegiat nicht mehr nachzuweisen, da er aber die Einnahmen und Ausgaben des Neuen Kollegiums und der Bursa fontis während des Winters 1521/2 und des Sommers 1522 sowie die des Neuen Kollegiums während des Sommers 1523 in der vorhin angedeuteten Weise berechnete 3), verblieb er offenbar in seiner bisherigen Stellung bis zu seiner Beförderung zum Scholaster im Stiftskapitel. |

An Reuber trat während seiner Kollegiatenjahre wieder- holt die Aufgabe heran, Bauarbeiten für die Universität aus- führen zu lassen. Außer der Instandhaltung und Erweiterung des Neuen Kollegiums*) lag ihm ob, als magister structurae den Neubau des Pädagogiums zu betreiben?) Nach der Fertigstellung dieses Gebäudes, das zur Unterbringung von Knaben und jüngeren Studenten diente, übertrug Friedrich der Weise 1518 die Leitung der neuen Anstalt Reuber und Jodokus Morlin mit der Verpflichtung, ihre: Zóglinge ,im anfang der dreyen vornemsten spraeh, der lateynischen,

speist“. Da der Propst nach einem Bericht der Universität vom Jahre 1516 von manchen wöchentlich nur drei Groschen für den Tisch er- hielt, fand sich niemand willig, die Speisung zu übernehmen; ,Vnd mussen die Magistri jtzt selber sich der muhe vnderstehen, die sel- bigen personen in Collegio mit essen vnd drinckeu zuuorsorgen vndt zuuorlegen.^ Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 284. S. auch Nik. Müller, Die Gesetzgebung der Universität Wittenberg S. 89. Über die Tätig- keit der Konventoren s. daselbst S. 87 ff.

1) Vgl. Halle, Wittenberger Archiv III, 194a Bl. 253, 29b, 37b, 42a, 465, 51a, 54b, 58b, 68b.

?) Vgl. Nik. Müller a. a. O.

3) Vgl. Halle, Wittenberger f tal III, 1942. Bl. 715, 74a, 79a.

4) Vgl. daselbst Bl. 255, 41b, 46a.

5) Vgl. daselbst Bl. 41b.

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judischen vnd kryechischen, vnd der grammatica zwvnter- weisen“. 1)

Ferner besorgte Reuber in den Jahren 1515—1518 den Verkauf der auf Kosten des Kurfürsten und der Uni- . versitüt gedruckten offiziellen scholastischen Lehrbücher, des Tartaret sowie der Logik und Physik Martin Polichs.?)

Reubers Tätigkeit im Pädagogium war nur von kurzer Dauer. Im Sommersemester 1520 bereits standen an der Spitze der Anstalt Johann Agricola (Eisleben) und Jakob Premsel, während Reuber einen von den Kathedern der philosophischen Fakultät, nämlich den für die große Logik, verwaltete und dafür ein Jahresgehalt von 20 Gulden empfing.) Damit war ihm freilich die Vertretung eines Fachs zugefallen, das sich überlebt hatte, und dessen Abschaffung, nach der bisherigen Entwickelung der Witten- berger Universität zu urteilen, nur noch eine Frage der Zeit war. Und in der Tat wurde Reubers Lehrkanzel, .weil sie „vonutz“ war und der Lehrer keine „schuler vnd zuhorer“ hatte, im Herbst 1521 abgeschafft.*)

Daß unter diesen mißlichen Verhältnissen jedoch Reubers persönliehes Ansehen keine Einbuße erlitt, davon legen seine wiederholte Wahl zum Dekan der Artistenfakultät und seine Kandidatur für einen der einflußreichen Universitätsreformator- posten Zeugnis ab. Denn wie im Sommersemester 1514, so war er auch im Sommerhalbjahr 1521 das Haupt seiner Fakultit?^) und ebenfalls im Sommer 1521 kam seine Er- nennung zum Reformator in Frage®). Schließlich wurden frei- lich Justus Jonas und Matthäus Beskau Reformatoren.‘)

") Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 204. S. auch daselbst Reg. O Nr. 154 und Foerstemann, Album p. 69.

?) Vgl. Halle, Wittenberger Archiv III, 194a Bl. 25b, 35a, 43a, 468. Vgl. über die genannten Bücher Bauch in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 18. Band S. 302 f., 325 ff. und über deren er- wühnten Verkauf auch: Zeitschrift für Kirchengeschichte 18. Bd. S. 399.

3) Vgl. Ein Vortzeichnus, von Hansen von Naubonheym entpfangen 2c. 1520, Weimar, Reg. O Nr. 204.

5) Vgl. Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica 8.77, Weimar, Reg. O Nr. 315.

5 Vgl. Köstlin a. a. O. S. 15, 97, 1518— 1537 S. 11, 18, 24.

*) Vgl. Hartfelder a. a. O. S. 82. ?) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 815.

290 58

Noch in seinen späteren Jahren setzte Reuber die früher begonnenen juristischen Studien fort und krönte sie zwischen seinem ersten und zweiten Dekanat in der Artisten- fakultät!), vermutlich im Sommersemester 1520?) mit der Erwerbung der Lizentiatur beider Rechte. Allerdings dürfte _ er mit seiner Promotion keine andere Absicht verfolgt haben, als sich bei gegebener Gelegenheit um eine Prälatur an der Schloßkirche zu bewerben.

Eine solche Gelegenheit bot sich ihm dar, als im Juni 1523 der bisherige Scholaster des Stiftskapitels, Matthäus Beskau, in die Prälatur des verstorbenen De- kans, Lorenz Schlamau, aufrückte.?) Jetzt wählte näm- lich der Universitätssenat Reuber zum Nachfolger Bes- kaus und machte davon dem Kurfürsten am 22. Juni 1523 Mitteilung.) Ohne Zweifel berücksichtigten die Wähler den Kollegiaten wegen seiner reformationsfreundlichen Gesinnung, die er ja schon am 12. Dezember 1521 offen bekannt hatte.) Dabei handelten sie jedoch nicht etwa unter dem Einfluß Luthers. Denn dieser betätigte sich an der Wahl Reubers, Johann Gunkels und Hermann Tulkens (Tulichius), welch letztere der Hochschulsenat ebenfalls 1523 zu Nachfolgern der Kanoniker Johann Rachals und Sebastian Küchemeister erkor, in keiner Weise, sondern beschränkte sich darauf, als er von den dreien um Rat gefragt wurde, ihnen zur Annahme der Wahl zu raten.) Der erwähnte Beweggrund des Senats blieb indessen Friedrich dem Weisen so wenig verborgen, dab er es aussprach, die Universität habe wohl darum die bisher

1) Während seines ersten Dekanats ist er noch als Baccalaureus, wührend seines zweiten dagegen als Licentiatus bezeichnet. Vgl. vorher S. 57 Anm. 5.

2) Im Sommersemester 1520 verzeichnet das Dekanatsbuch der Wittenberger juristischen Fakultüt keine Lizentiatenpromotion. Jedoch fanden nach Halle, Wittenberger Archiv III, 1942 Bl. 605, damals zwei solche Promotionen statt.

3) Vgl. vorher 2. Heft S. 93 f.

*) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 198, 209,

5) Vgl. vorher Nr. 42.

6, Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 209, 227, Enders a. a. O. 4. Band S. 256.

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dem Priesterstand noch nicht angehörenden Männer gewählt, damit sie die beabsichtigten Neuerungen in der Schloßkirche ,dester leichter auffrichten, erhaltenn vnnd vnnser stifftung dadurch jrs gefallenns zureyssenn mochten“.!) Eben deshalb war er aber nicht gewillt, die Präsentation der Genannten sofort zu vollziehen, vielmehr ließ er sich dazu erst herbei, nachdem diese befriedigende Erklärungen bezüglich der Be- obachtung der Stiftsstatuten abgegeben hatten.?)

Reuber versah als Scholaster zwar die mit seiner Prälatur verbundene juristische Professur des liber sextus Decretalium, hatte aber mit diesem veralteten Unterrichts- fach nicht mehr Glück als mit der vorher von ihm vertretenen großen Logik. Besaß er doch „wenig, beyweylen keyne auditores“. Auch sonst erlebte er an seinem neuen Amt wenig Freude. Bezogen seine Vorgänger von der der Scholastrie einverleibten Propstei zu Schlieben jährlich 30 Gulden, so war jetzt diese wichtige Einnahmequelle ver- siegt und damit Reuber unmöglich gemacht, den Statuten gemäß einen Kaplan oder Vikar zu halten und zu besolden.?) Völlig unhaltbar wurde aber seine, sowie Gunkels und Tulkens Stellung darum, weil sie sich nicht entschließen konnten, den mit ihren Kanonikaten verbundenen priester- lichen Verpflichtungen zu genügen. Wollten sie nicht abge- setzt werden, so mußten sie wohl oder tibel anfangs Juli 1524 vorläufig und am 22. Juli 1524 endgiltig ihre Pfründen resignieren.‘) |

Um die drei Gelehrten vor „eitel Schaden und Schimpf“ zu bewahren, wurden Hieronymus Schurpff und Luther am 8. Juli 1524 bei Friedrich dem Weisen mit der Bitte vorstellig, sie aus den von ihnen aufgegebenen Präbenden und Renten oder sonst zu versorgen. Zwar ließ sich der Kurfürst nicht bereit finden, dieser Fürbitte durch die Ge-

1) Vgl. Friedrichs des Weisen Schreiben an seine Räte vom 2. Oktober 1523, Weimar, Reg. O Nr. 227.

2) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 209.

3) Vgl. das Schreiben des Johann von Taubenheim an Friedrich den Weisen vom 2. Oktober 1524, Weimar, Reg. O Nr. 181.

*) Vgl. Corpus Ref. vol. I col. 662, de Wette a. a. O. 2. Theil

S. 529 f., das Schreiben Taubenheims, vorher Anm. 8. 5 Vgl. de Wette a. a. O.

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währung einer dauernden Entschädigung zu entsprechen, aber den dreien blieben wenigstens die augenblicklichen Nahrungssorgen dadurch erspart, daß ihnen das Korpusgeld ihrer Pfründen noch bis zum 29. September 1525 belassen wurde. !)

| Nachdem so auch Reuber noeh über ein Jahr lang das Korpusgeld der Scholastrie erhalten hatte, billigte ihm Kur- fürst Johann bei der Neuordnung der Besoldungen der Uni- versitütslehrer und -beamten im September 1525 ein Jahres- gehalt von 20 Gulden zu.?) Dafür sollte ihm späterhin noch eine entsprechende Gegenleistung angewiesen werden?), aber man scheint schließlich keine passende Verwendung für ihn gefunden zu haben. Reuber kam mit dem erwähnten Ge- halt nicht aus. Denn im Jahre 1527 schuldete er der Hochschule eine ziemlich hohe Summe, die die Universitäts- reformatoren ihm mit Rücksicht auf seine Armut zum Teil erließen.*) Angesichts dieser gewiß nichts weniger als glänzenden Lage erscheint es ungereimt, wenn ein anonymer Pamphletist Reuber innerhalb der Wittenberger Philosophen- schule der Peripatetiker, d. h. der „sordidi et avari homines", den ersten Platz anweist.°)

Reuber stand ein in der Priester- oder Pfaffengasse ge- legenes kleines Haus zu, das kurfürstliches Eigentum war und 1528 einen Wert von 30 Gulden hatte, dasselbe, das nach seinem Tod Anna Muschwitz, die Witwe des Torgauer Bürgermeisters, in Nießbrauch hatte und Johann Friedrich am 10. August 1536 dem Diakonus Sebastian Fröschel zu erb und eigen verschrieb.®) Jedoch bewohnte Reuber wenigstens 1530 nicht dieses Haus, sondern ein in der Bürger- meistergasse gelegenes.”)

1) Vgl. das Schreiben Taubenheims vorher S. 59 Anm. 3.

2) Vgl. Hartfelder a. a. O. S. 86.

3) Vgl. daselbst.

*) Vgl. Halle, Wittenberger Archiv III, 194a Bl. 98».

5) Vgl. Bauch in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 18. Bd. S. 411.

9) Vgl. Wittenberg, Rechenbuch, Vortzeichnus Vnnd Wirderung der Ligenden Grunde usw. 1528 Bl. 6s, Wittenberger Kümmerei- rechnung 1533/4, Einnahme zum Bau von Hüusern, Weimar, Kopial- buch F 17 Bl. 1735,

D Vgl. Wittenberg, Stadtbuch des Gemeinen Kastens Bl. 21a,

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Ende Oktober 1530 noch am Leben‘), starb Reuber vor 8. März 1531. Er hinterlie dem Gemeinen Kasten zu Wittenberg für die dortigen Armen seinen „schamlotht“.?)

1) Vgl. Wittenberger Kastenrechnung 1530 (Konzept), Rubrik ` „Gemein Innahm“: „7. gr. hot Licenciatus bockenheym gebenn vonn kindern zu begrabenn der bockenheymynn zu guthe am Sontag nach Simonis et Jude“.

2) Vgl. Wittenberger Kastenrechnung 1531, Rubrik „Gemeyne Innahm“: „4 fl. 10 gr. ader 1 34 gr. hot gebenn Ein kurßner vonn hall vor denn schamlotht, denn Licenciatus bockennheym dem armuthe testirt hot, am mitwoch noch Reminiscere*.

(Schluß folgt.)

Das Tagebuch des Grafen Wolrad II. zu Waldeck zum Regensburger Religions- gespräch 1546 II.

Von Vietor Schultze.

7. Februar. Pistorius predigt in der Herberge. Auch Bürger aus der Stadt sind anwesend. Dann im Gottesdienst bei Nopp und bei Zollner. Zum erstenmal sah an diesem Tage Graf Wolrad auf der Straße Julius Pflug in Be- gleitung der beiden Präsidenten und seines Geistlichen. Nach dem Früstück Beratung der Protestanten über Bericht- erstattung an die Fürsten. Butzer und Zoch erhalten den Auftrag, sie zu übernehmen. Ein Schreiben des Münsterschen Kanzlers Justinus Goblerus an Wolrad, datiert Frankfurt den 23. Januar, meldet, daß der Kurfürst Friedrich von der Pfalz und der Markgraf von Brandenburg in das evangelische Bündnis aufgenommen sind!) Einladung zu Georg von Loxan, wo unter anderen auch die Präsidenten, Julius Pflug, Malvenda, Zoch anwesend waren. Die Mahlzeit vollzog sich nach spanischer Gewohnheit. Vor dem Essen wusch man sich die Hände, ebenso nach dem zweiten Gange. Nach dem Essen spielte der Wirt mit einem Teile der Anwesenden

1) Bischof Franz von Münster war ein Graf zu Waldeck; daraus und aus persönlichen Beziehungen zwischen den beiden Vettern erklärt sich diese Korrespondenz.

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Würfel, während Wolrad, die Präsidenten und Pflug sich unterhielten. Dann führte Loxan seine Gäste in ein anderes Zimmer zu seiner Gattin, die sie in seidenem Gewande und in reichem Schmuck empfing. Auf dem Tische stand eine Orgel, welche die Gattin Loxans spielte; drei Personen mit Laute und Flöte wirkten mit.

Wolrad und Julius Pflug besprechen ernste Dinge.

Da domine, ut sie transeamus per temporalia, ut non amittamus aeterna, da Syrenas surda aure praecavere tibique soli adhaerere per Jesum Christum, dominum nostrum. „Julius Pflug verteidigt glänzend Gropper. Als ich ihm widersprach, sagte er, der Kölner Erzbischof sei unbillig gegen ihn gewesen, denn wenn der Erzbischof ihn auch be- reichert habe, so dürfe er deshalb doch nicht seine Seele in Gefahr bringen?)^ Item ajebat, religionem rem tam teneram, ut facillime vel ad sinistram vel ad dextram peccaveris. De testimonio, quod artieulus de justifieatione per ipsum et alios reconciliatus sit et per Imperatorem ac status Imperii receptus?, amphibologia eadem. Tamen dicebat, se sperare ruricolam aut saerifieulum aliquem nullius existimationis per- missu dei olim has controversias in ecelesia compositurum. Item se abhorrere a nominibus partialitatis sic enim vocabat catholicorum et protestantium epitheta. Item: collo- quium est, elicere fulmen; id sie interpretabatur, sed famili- ariter ageretur et nulla pars cristas erigeret.

Item: excusare conabatur saevitiam adversariorum. Et eum illi objicerem, me certe scire quosdam supplieiis affectos, qui nihil commiserant, nisi quod coram imaginibus tecto capite deambulassent, incidebat in me: se nunquam audiisse talia, verum eum non infitiari, aliquos punitos esse, qui imagines confregissent, namque pro violentia illis objectum esse ete.

IP Me. E B Gro. Man pluegs man moltz man eeglts man butz man grops man becks, noch wyll nichts dorauss werden?).

1) Vgl. Brieger, Joh. Gropper (Ersch u. Gruber IT. 92 S. 231 ff); Wolrad teilte offenbar das ungünstige Urteil Butzers über Gropper.

*) Vgl. I S. 183.

3) Verborgen sind in diesem Dictum die Namen Pflug, Me- lanchthon, Eck, Butzer, Gropper.

296 64

8. Februar. Als sich Gültlingen, Butzer, Schnepff, Major, Frecht, Pistorius und Brenz bereits zum Rathaus be- geben hatten, meldet der Sekretär des Bischofs dem Grafen, daß sein Herr durch wichtige Geschäfte und Unpäßlichkeit verhindert sei, uns daher bitte, das Gespräch auf morgen zu verschieben.

Aus Wittenberg brachte ein Bote einen Brief von Phi- lipp Melanchthon an Butzer, Brenz, Pistorius, Major und Zoch. Außerdem sandte Melanchthon für jeden einzelnen als Geschenk ein Exemplar der Rede des Lykurgus gegen Leokrates. Auch Erasmus Alber schickte ein deutsches Lied über den jüngsten Tag.

Von Frankfurt traf ein Schreiben des JTandersfen an Wolrad und Pistorius, ebenso an Butzer ein?) Weder Veit Dietrich, welchen heftiges Podagra quält, noch Vitus, der Diener Butzers, sind angekommen.

9. Februar. Sitzung im Rathause. Als Butzer seine Rede über die Rechtfertigung wieder aufnimmt, füngt sofort Malvenda an zu belfern: an ihm sei jetzt die Reihe. Die protestantischen Auditoren ersuchten das Präsidium, „der lästigen Geschwätzigkeit dieses Menschen ein Veto entgegen- zusetzen“. Die Präsidenten ließen daraufhin beide Parteien abtreten und nachdem sie ziemlich lange beraten, entsandten sie den Kanzler und Stieber zu den Protestanten, um diesen mitzuteilen, daß sie auch kein Gefallen an dem Verhalten des Spaniers hätten®). Indes habe er nur eine nach seiner Meinung für die Hörer notwendige Zwischenbemerkung machen wollen; die Herren Präsidenten bäten daher, sich dies gefallen zu lassen und der Ehre der Präsidenten nicht Abbruch zu tun. Trotzdem erhoben die Protestanten durch ihre Auditoren bei den Präsidenten energische Vorstellung

1 Goedecke, Grundriß der Geschichte der deutschen Literatur 2. Aufl. S. 441, i..

*) Lenz II S. 398 f.

3) Auf einem eingelegten Blatte teilt Wolrad aus einem am 8. Februar eingetroffenen Briefe Melanchthons an Schnepff mit: Novi hic nihil fertur nisi ducem Ernestum Lüneburgensem ex hac vita in aeternam Christi et ecclesiae coelestis consuetudinem evocatum esse. Ejus liberi, patria, ecclesiae valde lugent, se amisisse patrem pium et gıldoropyor.

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dagegen: weder könnten noch wollten sie das ungehörige - Benehmen dieses Mannes länger ertragen, und sie ersuchen daher im Namen ihrer Fürsten die Präsidenten, dafür zu sorgen, daß die angefangene Rede zu Ende geführt werden kónne; sonst dürften sich ihre Fürsten über eine wenig ge- rechte Nachgiebigkeit der Präsidenten zu beklagen haben. Gültlingen fügte noch einige feste Worte hinzu. Der Bischof versuchte in freundlichem Zureden eine Umstimmung; da ihm dies nicht gelang, gab er nach. Darauf kehrten die Protestanten in den Sitzungssaal zurück. Butzer nahm wiederum das Wort und sprach fast drei volle Stunden über die Rechtfertigung. Da aber inzwischen die Stunde des Frühstücks gekommen war, ordneten die Präsidenten unter dem Vorwande der langen Dauer der Rede an, daß die Fortsetzung auf morgen verschoben werde. Da stellten Zoch und Wolrad den Antrag, daß alles, was schriftlich über- reicht oder in die Feder diktiert war, eingeschlossen würde, denn das sei den Unsern verweigert worden. Der Bischof antwortete, daß er darüber erst Rats pflegen müsse).

Eadem d. Joannes Brentius litteras nobis exhibuit, quibus significabatur, pontifieios in concilio Tridentino non adeo concordes esse, cum de titulo concilii litigent. Vesulanus episcopus?) eum suis contendit, concilium nominari. debere synodum universalem, nomine totius ecclesie congregatum; huie pontifieii legati reluetantur, tenentes, si id concedatur, synodum posse aliquid durius in papam statuere; egerunt quoque de sessionibus et de lana caprina prescriptionibus. Simulant pontificii, se expectare quinquaginta episcopos ex Galliis et Anglia. Item: nuncius ad nostros quoque arces- sendos emissus dicitur. Quod si vero papa nostros Germanos adventare non experiatur, sibi proposuisse dicitur concilium ulterius in Italiam transferre. Francofordianus conventus dissolvi dicitur. N

10. Februar. Das Gespräch beginnt zur üblichen Stande. Butzer fährt fort, wo er gestern aufgehört hatte,

!) Amtlicher Bericht S. 17 f.

2) Faesulanus. Gemeiut ist der Bischof Martello Bracci . von Fiesole.

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über den Artikel de justificatione zu sprechen und zwar ad horam fere quartam. Dann wurde die Sitzung abgebrochen ?).

Auf der Rückkehr überreicht ein Bote auf dem Markte dem Grafen Briefe der Schwiegermutter und der Braut. Darin wird u. a. der Tod seiner Stiefmutter, der Gräfin Anna, geborenen Herzogin zu Cleve?) als Gerücht gemeldet. Si autem in vita adhuc degat sive excesserit, Jesum depre- camur, ejus euram gerere dignetur. Gebet.

Wolrad, der bischöfliche Kanzler, Stieber, Kaltenthal, Butzer und Brenz speisen bei den württembergischen Ab- gesandten.

Bucerus cogitabundus ac quasi aliquid dicere animo concepisset, taciturnus sedebat. Tum Gultlingus ad ipsum ait: quidnam tecum animo volves, mi domine Martine? dissere ergo nobis. Hic perpaulum abnuens, tandem in haec verba erupit: profecto cogitabam intra meipsum, miseret me, eum sodalitium hoc honestorum et tam proborum homi- num conspiciam, quod mentes nostrae in eo nón curant, in quo tamen ut maximo merito ejusdem consensus esse debere- mus, nimirum in verae religionis nostrae negotio. Sed om- nipotens deus cuneta juxta bonitatem suam procuret. Haec, inquit, mecum perpendebam.

11. Februar. Butzer brachte seine Rede zum Ab- schluß, indem er die Behauptungen Malvendas widerlegte und bezeugte, daB er ebenso wie die Seinen bereit seien, ihre Ansicht im einzelnen ausführlich vorzutragen und mit den Kollokutoren der andern Partei freundlich, wie es unter wahren Christen sein soll über die Kontroversen zu ver- handeln. Er rief die Hilfe des Vaters Jesu Christi an, daß er seine Kirche wiederherstellen und diejenigen, welche nach Samaritaner Art dem zu widerstreben versuchen, mit seiner Macht zwinge. Wenn etwa der Erfüllung dieser Wünsche unsere Sünden entgegenstehen sollten, so möge er wenigstens

1) Der amtliche Bericht S. 18 ff.

2) Anna von Cleve, die Tochter des Herzogs Johann II. von Cleve, 1519 vermählt mit dem Grafen Philipp III. von Waldeck, die Stiefmutter Wolrads, hochverdient um die Einführung der Reformation in Waldeck (vgl. meine Wald. Reformationsgesch. S. 76 ff., S. 412 ff. und sonst) In Wirklichkeit starb sie erst 1567.

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ans Licht stellen, wer die Lichtscheuen sind, und auf der andern Seite die, welche sein Wort aufrichtig ergreifen, damit nicht das elende Volk, welches der Herr Jesus mit seinem kostbaren Blute sich erkauft habe, von jenen lichtscheuen Lehrern verführt werde. Dann faßte er für den des Lateinischen weniger kundigen Grafen Friedrich alles auf den Artikel von der Rechtfertigung Bezügliche in gelehrter und eines Christen würdigen Weise (doctissime ac christano homine digne) in deutscher Sprache kurz zusammen.

Der Bischof richtete nun an die katholische Partei die Frage: quid vobis videtur? Darauf Malvenda: reveren- dissime princeps et generose comes, aequissimi praesidentes, vestrum est praescribere, nostrum obedire. Der Bischof . stellte eine halbe oder ganze Stunde für die Fortsetzung zur Verfügung; man kónne aber auch, wenn man wolle, morgen weiter verhandeln. Damit war man einverstanden, und die Sitzung wurde geschlossen !).

. Mahl bei dem Bischof zu Ehren des am 10. Februar eingetroffenen Landgrafen von Leuchtenberg?) Außer Wolrad anwesend der Graf von Fürstenberg, Julius Pflug u. a.

Gebet. | 19. Februar. In der Sitzung nahm zuerst Malvenda

das Wort namens der gegnerischen Kollokutoren und ver- suchte hauptsüchlich hinsichtlich dessen, was in der Pro- testation in Beziehung auf den Kaiser gesagt war, da er es nieht widerlegen konnte, den Kaiser zu entschuldigen. Nam Caesarianus et diei et videri vult, Über das andere werde Billick sprechen?) Egregie hi duo muli se interim mutuo scabentes nescio quos titulos invicem sibi tribuebant. Billiek also, in weißem Gewande alias, ut eum nostri judicarunt, et veste et mente ater begann mit einer captatio benevolentiae an die Präsidenten und die

1) Der amtliche Bericht S. 21. Bucer S. 100 ff. Vollständiger im Urkundenbuch.

3) Landgraf Georg von Leuchtenberg gehörte zur katholischen Partei und kümpfte in der Schlacht bei Mühlberg auf kaiserlicher Seite; vgl. Lippert, Reformation und Gegenreformation in der Land- grafschaft Leuchtenberg (Beiträge zur bayer. Kirchengesch. VIII, S. 181 ff).

3) Die Rede bei Bucer S. 105.

20*

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Auditoren und ging dann mehr mit versteckten als mit offenen Waffen zum Augriff. auf die Einzelheiten der Rede Butzers über?) Er bedauerte, daß die Unsern die schola- stischen Theologen zu verachten schienen, daß sie ihnen die Bezeichnung „katholisch“ nicht zugeben wollten; er und die Seinen seien Söhne der katholischen Kirche, in ihr geboren und unterrichtet, er wundere sich über die Zuversichtlichkeit der Gegner usw. Doch gelangte er nicht dazu, auf die eigentliche Sache einzugehen nam praesidentes prandium petebant! |

Bei Wolrad speisten Butzer, ein Magister Gregorius aus Leipzig aus der Umgebung des Herzogs August von Sachsen und der Sohn Georg Majors. Als nach dem Frühstück Wolrad, Butzer und Pistorius sich auf den Weg machten, um den mächtigen Eisgang der Donau zu beobachten, erhielt Butzer einen Brief von Wolfgang Museulus in Augsburg. Darin stand, da der Bundestag in Frankfurt aufgelöst und ein neuer auf April angesetzt sei. Ferner, daß der Hesse und der Pfälzer in Frankfurt sich freundlich begrüßten und der Erzbischof von Mainz, der Kurfürst von der Pfalz und der Landgraf von Hessen in Höchst Freundschaft geschlossen. Ferner: einige Mainzer Domherrn hätten in dem Maße die Lehre Christi „gekostet“, daD sie nichts mehr von der Messe wissen wollten; deshalb seien sie ihrer Pfründe beraubt und aus der Synagoge des Satans ausgestoßen. Ferner: der Franzose habe 15000 Engländer in einem Hinterhalte vernichtet. Ferner: der Kaiser stapele in Nymwegen Kriegs- proviant auf. Ferner: Billick habe Gropper und Eck hoch gerühmt. Die Protestanten versammeln sich im hessischen Quartier zur Beratung über eine angemessene Erwiderung

1) Der amtliche Bericht S. 21. Wie Billick das Religions- gespräch von vornherein berurteilte, darüber hat er sich offen in einem Briefe an den Nuntius Verallo anläßlich seiner Berufung ausgesprochen: tantum ut tempus lucrifaciant, poscunt colloquia, quo suos interim errores confirment etc. Ubi est Romae sententia et haeretici capitis damnatio?.. Ubi advocatus ecclesiae, Caesar, protector et denfensor fidei catholicae? Er war ein entschiedener Vertreter des Losschlagens (A. Postina, Der Karmelit Eberhard Billick, Freiburg 1901 S. 165 f. in Erl. u. Ergünz. zu Janssens Gesch. d. d. Volk. II).

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auf die Rede Billieks. Gebet. Der Landgraf von Leuchtenberg ist nach Hause zurückgekehrt. E

13. Februar. Obschon Billick gesprochen hat, ergreift Malvenda das Wort: multis quidem et praeter mentem sonis orat et tandem familiariter ore et aere in pugnam prodire voluit. Er spricht bis gegen 11 Uhr?) Gebet.

Johannes Lorichius?) schreibt, daß ein kaiserlicher Offizier (ducem), der vom Kaiser mit der Anwerbung von Truppen beauftragt war, in der Nähe des bayerischen Städtehens Kolden (Koldinum?) dureh den Sturz seines Pferdes verunglückt sei, honestis parentibus natus et rei militaris gnarus. Eine goldene Kette, ein Pack Briefe und seidene Kleider trug er mit sich. Christlich starb er mit den Worten: „Gott kommt.“ Adhuc bene hoc nomen illi Jacob; Wursen (Wurzen?) non procul Lipsia oriundus in exercitu peditaneo Caesaris aliquoties signa, quae vexilla vocant, ferens; cujus misereatur omnipotens.

Der Herzog Wilhelm von Bayern soll, gleichsam als Primas von Bayern, alle Bischöfe und Prälaten, die in Bayern oder in der Naehbarschaft wohnen, versammeln wollen zur Durchführung einer Reformation. Timendum autem, ne malus in Christum affectus dux prior sit reformatus. |

14. Februar. Predigt des Pistorius in der Herberge und Nopps. Ein Bote wird nach Rudolstadt und der Diener Christoph zum Landgrafen abgeschickt und zugleich von Wolrad, „eingedenk des lieben Vaterlandes und meines Sparta“, mit Briefen an die Seinen versehen. „Die Unsern, die der Predigt des Erasmus Zollner anwohnten, sagten, daß er mit Ernst für die Sache Christi eingetreten sei.“ Der Baumeister, welcher die Befestigungen des Königs Ferdinand in Wien errichtet, ist ein Italiener. Hiero- nymus Verallo, der Legat des Papstes Paul Ill. beim Kaiser, hat den Doktor Stancarus in Venedig 14 Monate und 15 Tage im Kerker halten lassen; mit 13 Schlössen war er eingeschlossen. Ducissa Ferrariae Renée?) nominis

1) Der amtliche Bericht S. 23 f.

2) Joliann Lorich aus Hademar, poeta laureatus, von 1542—1554, wo die Jesuiten ihn verdrüngten. Professor der Poesie und des

Griechischen in Ingolstadt. 3) Renata von Este.

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domino Francisco Stanearo beneficentiam exhibuit et palam Christum confitetur.

Um zwei Uhr versammelten sich die Evangelischen im hessischen Quartier. Der Türke soll sich wieder zum Kriege rüsten derisui interim nostros potentatus habens, quod precario pacem ab ipsis (o) precati sunt.

Gestern, als die andern Protestanten sich entfernt hatten und Butzer im Saale einen Augenbliek allein war, redete ibn Malvenda an: Quid? num tu ita nobis fides, ut solus nobiseum remaneas? Metuisne tibi de insidiis? Darauf Butzer: Ego nihil metuo presentibus hie reverendissimo et géneroso dominis praesidentibus. ^ Malvenda: Mihi ergo non fideris? Butzer: Melius hic tibi fidere audeam in nostra Germania quam in tua Hispania.

Als Frecht erzählt, daß Schnepff eine Predigt des Colmarer Mönches (Billick) angehört, meinte Butzer: „Wie konnte er etwas so Ekelhaftes hinunterschlucken“ (quomodo potuit tanti fastidii vorare)! Man erzählt, daß im Minoriten- kloster zu Mainz ein Prediger (ecclesiastum) das Evangelium , öffentlich von der Kanzel verkündige. Gebet.

15. Februar. Billick nimmt das Wort. In heftiger, anmafender Rede, so daß die Protestanten Einsprache er- hoben, kritisiert er die gegnerische Rechtfertigungslehre. Da er hierbei sich Fälschungen und Verdrehungen erlaubt, er- hebt Butzer Protest und legt den richtigen Sinn seiner Ausführungen dar.

'Malvenda beteuerte feierlichst (persanete juravit), daß er die Sache nicht verstehe, daher verhandelten Schnepff, Butzer, Major und Brentz persönlich mit ihm, aber er stellte sich, als ob er nicht begreifen könnte, und da dadurch die Angelegenheit in die Länge gezogen wurde, wurde die Sitzung aufgehoben 5.

Wolrad und Pistorius frühstücken bei Zoch und Major; nach dem Frühstück erscheint Stancarus und erzählt diese Geschichte:

1) Der amtliche Bericht S. 25. In einem Schreiben an seine Räte von diesem Tage äußert Wolrad: „Gott ist weise genug, man gehorche ihm und verlasse sich auf dieses Gespräch nicht viel“ (Fürstl. Landesarchiv).

71 | 303

Ein Bürger in Venedig, dessen Vater seinem Beicht- vater testamentariseh zehn Dukaten für sein Seelenheil und Befreiung aus dem Fegefeuer bestimmt hatte, hinterging den Priester in der Weise, daß er einen Ablaß, der damals über- all zu haben war, für denselben Zweck erwarb. Als nun der Priester das Legat erheben wollte, wies ihn der Bürger ab: er sei ihm nichts schuldig. Der Priester verwunderte sich über diese Antwort, da der letzte Wille des Vaters doch ganz klar sei. Der Bürger appellierte an den Patriarchen von Venedig. Hier weist er den Ablaßbrief vor, durch dessen Wirkung der Vater nicht nur nicht mehr im Fege- feuer gehalten werde, sondern schon in dem Himmel ein- gegangen sei. Er behielt recht.

Die Protestanten versammelten sich in der hessischen . Herberge, um über die „Raserei der Mönche“ zu beraten. Gültlingen fehlte. Laurentius Zoch gibt einige Reime zum Besten, in denen er die Kollokutoren der Gegenpartei ge- zeichnet hat.

Wolrad empfängt den Besuch des Juan Diaz, und dieser überreicht einen Brief des Franziscus Dryander!) aus Spanien, der um der reinen Lehre Christi willen Kerker- haft erduldet hat. Dieser habe ihn auch in Kenntnis gesetzt, daß der Herzog Alba vom Kaiser zum Statthalter der Nieder- lande ernannt werden würde, nachdem Donna Maria von der Regierung entfernt sei. Auch legt Diaz dem Grafen ein eigenhändiges Schreiben des französischen Kardinals du Bellay, seines Gönners, vor. Bernardino Ochino hat jedem der protestantischen Kollokutoren ein Exemplar seines Kommentars zum Römerbrief in der Übertragung aus dem Italienischen ins Lateinische zugeschickt?). Diaz will am folgenden Tage nach Neuenburg reisen, um das Buch Butzers gegen Latomus in die Presse zu geben?) Gebet. Als Malvenda sich stellte, als ob er Butzer nicht ver-

1) Francisco de Enzinas (Böhmer, Spanish reformers I E 131 ff). Der Brief im Urkundenbuch.

2) Gedruckt in Augsburg 1545 (Benrath, Bernardino Ochino 1875 S. 877 n. 18).

3) Über die Kontroverse zwischen Bartholomüus Latomus und Butzer Kawerau in PRE? XI S. 301.

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stehe, und Brenz schließlich in der ihm eigenen Liebens- würdigkeit (ut est miti ef suavissimo ingenio vir) alles noch- mals klar darlegte, da rief Malvenda, vom Eifer hingerissen, zu aller Heiterkeit, weil niemand dachte, daB er deutsch verstünde, aus: „Daß waß eyn andern dingk“. Butzer sagte: Nos eum catholica ecelesia per omnia consentimus relietis tantum iis, quae ab aliquibus patribus recepta sunt, de quibus liberavit nos Christus.

16. Februar. Billick redet fast drei Stunden. Vieles wäre besser nicht gesagt. Seine schön klingenden Worte waren von Lügen durchsetzt. „Nachdem die Präsidenten und die Auditoren zugleich mit den Kollokutoren von seiner Geschwätzigkeit betäubt waren, wurde die Sitzung auf- gehoben!.* Ehe er begann, ließen die Präsidenten den Protestanten mitteilen, daß sie über eine Aufnahme der Pro- . testation in das Protokoll, was jene wünschten, in ihrer In- struktion und in der kaiserlichen Kommission nichts fänden, doch hätten sie in Entgegenkommen beschlossen, daß die Protestationen beider Parteien in die Truhe niedergelegt würden. . Ihre Antwort betreffs des vereinbarten Artikels ließ die Protestanten erkennen, daß ihre Worte nicht ver- standen waren. Damit jedoch dadurch der Gang des Ge- sprächs nicht aufgehalten werde, versprachen die Protestanten, hernach darüber sich zu äußern. Dementsprechend berieten sie sich bald nach dem Frühstück und ordneten darauf Zoch, Butzer und Gültlingen ab mit der Bitte, daß das, was sie schriftlich überreicht hätten, in die Akten aufgenommen würde; sonst würden sie sich bei ihren Fürsten über un- gerechte Behandlung durch die Präsidenten beklagen müssen. Der poeta laureatus Johannes Paedioneus?) in Kel- heim überreicht Wolrad ein ihm gewidmetes Gedicht von 228 Versen und erhält dafür zwei Goldgulden und einen Taler. Der Bischof von Eichstädt ist ständiger Kanzler der Universität Ingolstadt

1) Der stiche Bericht S. 25 f. .

2) Er war 1545—1550 Professor der Rhetorik in Ingolstadt und stand auf katholischer Seite (Jöcher-Rotermund V S. 1781; Prantl, Geschichte der Ludwig-Maximilian-Universität in Ingolstadt, . Landshut, München I München 1872 S. 213).

73 305

Wolrad empfängt den Besuch des Stancarus. Man er- zählt, daß die Väter in Trient allmählich verschwinden: pedetemptim diffluere ae quisque suas latebras quaerere. Der Kardinal von Augsburg hat einen Magister Daniel hierher gesandt, um dem Kolloquium beizuwohnen, aber dieser. hat jenem vorher in die Hand versprechen müssen, nicht auf unsere Seite zu treten. Der Bischof behielt die Abgesandten zur Mahlzeit. Man hört, daß der Kaiser mit 6000 Spaniern auf dem Wege hierher sei. |

Die Meinung. des Spaniers Franziscus Dryander (Enzinas) über das Kolloquium ist: Imperator confirmavit animum in odium et vastationem coelestis doctrinae, quae sonat in ecclesiis Germaniae, et tamen, ut minore invidia hanc suam sententiam tueatur, indicit colloquium Ratisbonam, in quo, quantum promovebitur, declarabit exitus. Gebet.

Alphonsus Viruesius, episcopus Canariensis, impius Thraso, olim nostras fuit, nune seripsit Philippicas in domi- num Melancthon!). Gropperus et cum eo quidam saginatus poreus de grege Coloniensium. Juan Diaz hat an den Kaiser geschrieben.

17. Februar. Billick bringt seine Rede in der Sitzung zu Ende?). Butzer beginnt die Erwiderung, muß aber dann, da die Zeit abgelaufen ist, die EORSEIZUNE auf den folgen- den Tag verschieben. |

Wolrad und Pistorius lassen sich zur Ader. Stan- carus und der Spanier Georgius speisen mit ihnen; jener zeigt einen eines Christen würdigen Brief des Bischofs von Padua. Brenz besucht zur Unterhaltung den Grafen.

Der Nürnberger Ratsherr Georg Volkhamer reitet mit 20 Pferden und einem Pfeiffer an der Spitze in Regensburg ein, sucht Brenz auf, und begibt sich, da er ihn nicht an-

1) Alfonso de Virues, spanischer Benediktiner und Kaplan Karl V.,

später Bischof der Kanarischen Inseln, Erasmianer und darum wegen l protestantischer Gesinnung verdächtigt (vgl. Llorente, Geschichte der spanischen Inquisition, deutsch Gmünd II S. 12 ff.) schrieb gegen Melanchthon Philippicae disputationes, Coloniae 1542 (vgl. CR. II 8. 147). Die Notiz entstammt dem später mitzuteilenden Briefe des Franzisco de Enzinas.

2) Bucer S. 156 ff.; der amtliche Bericht S. 26.

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trifft (er war gerade bei Wolrad), zu den sächsischen Ge- sandten und von dort zu Wolrad, wo er in Gegenwart von Butzer und Brenz den Zweck seiner Gesandtschaft darlegt und um unseren Rat bittet, wo es nötig sein sollte. Seine Aufgabe sei, über den Stand der Verhandlungen an den Magistrat zu berichten. Ein durch Wissen und Benehmen ausgezeichneter Mann, brachte er Empfehlungsschreiben von Veit Dietrich an Butzer und Brenz mit. Er berichtete, daß der Kaiser wiederum einen Reichstag auf den nächsten März in Regensburg angesetzt habe und selbst am 26. März eintreffen werde. Gebet.

18. Februar. Sitzung im Rathause. Unter den Audi- toren jetzt auch Volkhamer. Butzer nimmt seine Rede wieder auf, um auf das „Geschwätz“ des Karmeliters zu antworten und beweist aus den Akten des ersten Regens- burger Gesprächs die Haltlosigkeit dessen, was der Mönch behauptet hatte?). Frecht, Pistorius, Brenz und Volkhamer wurden vom Bischof zum Frühstück geladen. Der. Savoyarde Claudius erzählt dem Grafen, daß der König von Frankreich und die Berner das Gebiet des Herzogs Franz von Savoyen 80 geteilt hätten, daß die Berner das Land diesseits, der König jenseits der Rhone in Besitz genommen (folgt weiteres hierüber). Das Gerücht geht, daß Paul III. gestorben sei. Brenz und Frecht besuchen Wolrad, und Brenz erzählt, daß, als beim Bischof die Rede auf die Wiederherstellung der religiösen Einheit gekommen sei, er zu diesem gesagt habe: reverendissime praesul, si res ad iudicium Celsitudinis tuae et meum referatur, facile coneordiae viam me inventurum sperarem, si modo Celsitudo tua domino non respicit. Nach- dem diese letzten. Worte ihm entflohen waren, schwieg er, der Bischof aber stellte sogleich die Frage: quem? quem? Darauf Brenz: papam et caesarem. Der Bischof fuhr fort: id faeere nequeo, utriusque enim juramento astrietus sum; attamen si causam penitius intelligam, forte non adeo eorum. respectum habiturus sum. „In Wahrheit kam etwas ganz anderes heraus.“

[Auf einem eingehefteten Zettel ist noch Folgendes hin- zugefügt: Der Bischof sucht mit sophistischen Worten Brenz

7) Der amtliche Bericht S. 26 f.; Bucer S. 185 ff.

15 307

zu umsírieken. Er sagte zu ihm: Certe, ut de rugosa matre eeclesia loquar, est interdum lapide quadrata egregie structa. Haee si modo in tecto aut alias ruinosa fuerit, num igitur tota domus demolienda foret? Sic et mihi videtur de ecclesia, ut si quid erroris irruperit, ne tamen ea tota concutiatur. Sehlagfertig erwiderte Brenz darauf: verum, reverende presul, si architectus quispiam conetur trabem in sartis tectis repo- nere, hospes domus hune innoxium morte plectetur? Der Bischof merkte die Spitze und schwieg.]

Ein glaubwürdiger Mann versichert, daD er jenseits von Rod(?)!) einen Türken gesehen habe, der sich ein Neues Testament kaufte, und als ihn der Buchhändler fragte: „warum kaufst du dir dieses Buch, da du es doch nicht verstehen kannst?“, antwortete der Türke: „vielleicht ver- stehe ich es besser als du.“ „Über Cochläus hat je- mand geäußert, es scheine ihm nützlich, wenn Pelargus (griechisch „Storch“) die Schnecke (cocleam) verschlinge; so würde das Kolloquium von beiden befreit werden.“ Gebet.

19. Februar. Sitzung im Rathause. Butzer setzt seine Rede fort und bemüht sich mit lauttönender Stimme die Begriffe klar zu machen, die in Frage standen, wie iustificari, sola fide beneficia Christi excipere, in scharf- sinniger Beweisführung, ut est homo dialectices gnarus. Zum Schlusse fordert er die Gegner auf, in die Arena herab- zusteigen, ihn zu bestreiten oder einen andern Sinn der Be- griffe aus heiliger Schrift zu erweisen. Die Mönche ant- worten, daß sie darüber erst beraten müßten; dagegen nimmt Malvenda das Wort und bemüht sich, von der Hauptsache abzulenken und die Fragen durcheinander zu werfen, und stellt sich wieder, als ob er die gegnerischen Thesen nicht verstehe. Daher entwickelte ihm Schnepff die Meinung der Protestanten so klar, daB sie mit Händen zu greifen war, doch fand Malvenda neue Ausflüchte nec erat anguillam eauda teneri?) Endlich wurde die Sitzung aufgehoben.

1) Einige Zeilen vorher heißt es: Rod oppidulum est ditionis Ferdinandicae, sedecim miliaribus a Vienna Pannoniae distans, ultra quod Turcarum imperator quicquid Ungarici regni est occupat. Ist vielleicht Buda gemeint?

2) Der amtliche Bericht S. 24 f.

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Pistorius speiste mit Gültlingen und Butzer bei Wolrad. Als das Gespräch auf die slavische Sprache kam, meinte Butzer, daß, wer die lateinische Sprache und ihre Töchter, nämlich die italienische, die französische und die spanische Sprache sowie das Griechische und seine Töchter und das Slavische verstehe, der könne einen großen Teil der Welt durchwandern und die verschiedenen Sprachen verstehen. „Er sagte auch, daß er vor dem Anblick der Donau gleich- sam erschrecke (subhorrere), da fast alle andern Flüsse Deutschlands, die Deutschland durchfließen, in das Meer ab- fließen, nur die Donau nach dem Orient hin in das Schwarze Meer sich ergieße und in die Türkei sich erstrecke. Er wollte damit zu verstehen geben, daß, wenn wir die großen Gaben Gottes nicht erkennen, wir einmal unter die Herrschaft der Türken kommen werden.“ Auf einem Spaziergange zur Donaubrücke trafen sie drei Mönche an die Mauer der Brücke gelehnt. Butzer redet sie an: „was macht ihr guten Brüder hier,“ worauf einer von ihnen antwortete: „wir sind von München“. Darauf fragte er: „der uns anredete, war wohl Butzer?“ Dann entfernten sie sich. Gebet.

20. Februar. Um 7 Uhr Fortsetzung des Gesprächs. Butzer erläuterte seine Aussagen vom vorigen Tage noch- mals und bot den Gegnern an, zu antworten, wenn sie seine Ausführungen für nicht richtig hielten. Zuerst trat der Karmeliterprovinzial (Billick) auf den Kampfplatz; ihm erwiderten der Reihe nach Butzer, Major, Schnepff, während Malvenda sich auf seine Seite stellte. Zuletzt trat auf unsere Bitte auch Brenz, tamquam veteranus miles, in den Kampf ein. Da die Gegner sahen, daß es nun ernst- haft würde, griff Malvenda wieder ein. Weitere Ausein- andersetzungen folgten zwischen Butzer und Billick. Dieser nümlich hatte sich aus Schriften Butzers, Bullingers und Melanehthons Auszüge gemacht, die er in seinem Sinne jetzt verwertete. Aber Butzer wandte den SpieD so geschickt um, daß der Mönch dem Harpokrates!) durch Schweigen seine Verehrung ausdrückte. Endlich, nachdem hin- und hergestritten war, schloß Butzer; dagegen zog es Malvenda

1) Der Gott des Schweigens.

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vor, lieber Absurdes vorzubringen, als den Anschein der Zu- stimmung zu erwecken 1).

Frühstück bei den Sachsen. Anwesend Volkhamer, Butzer, Brenz, Schnepff und Wolrad. Der Bischof von Eichstädt beschenkt Wolrad mit einem Rehbock. Hiltner erzählt, daß bei Bremen sich Fußvolk sammele. Aus Trient trifft ein Minorit Melchior Flavius nebst zwei Begleitern mit Briefen und Aufträgen an Butzer und Brenz ein und erkundigt sich, wann diese ihn empfangen wollen. Gebet.

In Straßburg ist ein, auch von vielen Geschichts- schreibern erwähnter Turm, dort hat der Künstler ein Stein- relief gebildet, das eine Messe darstellt: „ein Schwein spielt den Meßpriester, ein Wolf hat die Rolle des Diakonen, ein Fuchs des Subdiakonen. Man weiß bis heute nicht, was diese Hieroglyphe zu bedeuten hat“ ?). |

21. Februar. Pistorius predigt in der Herberge. Dann Besuch des Gottesdienstes in der Dominikanerkirche, den Gallus hält. Der Nürnberger Gesandte hat Brenz, Butzer, Schnepff, Pistorius und Frecht als Gäste zum Früh- stück. Bei Wolrad speiste Gültlingen. Nach dem Früh- stück kam Stancarus. Während des Frühstücks lassen Butzer und Brenz fragen, ob Gültlingen und Wolrad den Bericht des Franziskaners über das Trienter Konzil hören wollten, sie würden ihn dann in die hessische Herberge be- ordern. Sie nahmen das Anerbieten gern an. Es erschienen also Zoch, Butzer, Brenz, Schnepff, Major, Pistorius, Frecht, Volkhamer Der Mönch wurde geholt und von Pistorius mit seinen zwei Gefährten hereingeführt. Butzer redete ihn freundlich an: reverende domine, vos heri dedistis ad Bren- tium et me litteras, quibus significatum est, D. V. venire a Tridentino concilio ae nobiseum sermones conferre petere. Si quid igitur boni adfertis aut in mandatis habetis, indicate nobis, nam eum omnes, quos hic congregatos videtis, libenter

1) Der amtliche Bericht S. 28.

?) Die Abbildungen (nach Johann Fischart) dieser in religiósem Unverstande 1685 zerstórten Skulpturen bei F. X. Kraus, Kunst und Altertum in Elsaß-Lothringen I Straßburg 1876 S. 475—477. Wolrad, dessen Gewührsmann doch wohl Butzer gewesen ist, beschreibt tibrigens nicht ganz genau. Die Szenen befanden sich an dem ersten südlichen Triforium von der Vierung ab.

310 18

Christi negotium agere vellent, equum, omnes item vestram legationem audire. Der Mönch antwortete ungefähr: Von seinen Vorgesetzten mit der Visitation der Klöster seines Ordens betraut, habe er Deutschland und Italien durch- wandert, in Rom zweimal den Papst besucht und an der ersten Sitzung des Konzils in Trient teilgenommen. Als hier die päpst- lichen Legaten hörten, daß er auf dem Wege nach Deutsch- land sei, hätten sie ihm einen Gruß an Butzer und Brenz aufgetragen. Nam nomina vestra ex seriptis noverunt, ae se sperare, Bucerum miti suo ingenio Germaniam in cym- . bam ecclesiae redacturum esse. Ajebat et, Paulum 3 ponti- fieem illi injunxisse, ut, si quos doctos ecclesiastas in Ger- mania invenisset, eos Tridentum ire juberet, ac pontificem juramentum prestitisse, quod ad ipsum attinet, ne pilum ca- pitis illis adimere velle. Er erzáhlte auch, der Papst habe gesagt: einst gab es fünf Hauptkirchen, Jerusalem, Anti- ochien, Alexandrien, Rom und Konstantinopel. Da heute nur noch zwei übrig seien, so müßten die deutschen Kirchen entweder Rom oder Konstantinopel sich unterwerfen, denn sie könnten ohne Haupt nicht sein. Die Unsern aber sollten zusehen, daß sie nicht, während sie sich Rom entziehen, Konstantinopel anheimfielen. Nachdem man mehrere Stunden mit ihm verplaudert, fragte man ihn, ob er vom Papste oder vom Konzil Briefe oder irgendetwas für Butzer und Brenz habe. Er verneinte es und erklärte, daß die Sehnsucht, die gelehrten Männer Butzer und Brenz zu sehen und zu besuchen, ihn hergeführt. Was er im übrigen. ge- sagt habe, sei ihm von den päpstlichen Legaten zur Mit- teilung an sie aufgetragen. Auf die Frage, ob er geraden Weges nach Trient zurückkehre, erwiderte der Franziskaner, er beabsichtige nach Nürnberg und nach Utrecht und dann über Frankreich nach dem heiligen Lande zu reisen. Darauf Butzer: cum ergo veneris ad Tridentum, saluta nostri nomine purpuratos patres et primo die, ut dominum optimum maxi- mum orent, ut et ipsi et nos Christi negotium fideliter per- agere possimus. Deinde illis diceret, ut statuerent, con- eilium debere super papam esse utque episcopi ecclesiarum juxta canonem Tim. 3 eligerentur. Si de his duobus rite statuissent, id hie Melchior Flavius Tolosanus nostris per

19 | 311

schedulam significaret, tum et se velle Tridentum venire!) Damit wurde der Mönch entlassen. Gebet. Es wurde beschlossen, morgen wieder dictando zu antworten, da in der familiären Disputation, die man am 19. und 20. Februar befolgt hatte, jene „Sophisten“ nur immer schlimmer würden.

22. Februar. Sitzung im Rathause. Der Bischof forderte die Protestanten auf, ihre Antwort fortzusetzen. Als Butzer dietando begann, erbat sich Malvenda das Wort und ver- langte, daß man die familiäre Form des Gesprächs wieder aufnehme. Butzer erwiderte, daß die Seinen sich die Freiheit gewahrt hätten, im Falle die Disputationen fruchtlos bleiben, zu dieser Form zurückzukehren. Malvenda widersprach, aber die evangelischen Auditoren ersuchten Butzer, ut dictando rem persequeretur. Malvenda aber bestand immer heftiger und dringender darauf, daß die familiäre Form angewandt werde. Der Bischof legte sich ins Mittel: da man zwei Tage so verfahren hätte, könne man es auch noch einen dritten. Die Protestanten gaben nach, ea lege, ut nobis li- berum sit, crastino rursus dictando ad proposita respondere. Malvenda las nun von einem Blatte einiges herunter, wo- rüber man, wie er sagte, übereingekommen sei, dann führte er einige noch strittige Punkte auf und stellte Fragen: num, quotiescunque quis crederet, peccata sibi esse remissa, pec- cata illi remitterentur necne? Butzer antwortete: ita quo- tiescunque quis petit, peccata sibi remitti, ex vera fide in Christum, testimonium perhibente spiritu sancto, speretur illi remissa esse. Malvenda: quaerere se, num quis peccans peccato condemnanti exeideret a fide. Butzer: omnino. Malvenda: se velle probare, nostram fidem nihil esse praeter inanem persuasionem. Dafür brachte er allerlei törichte Beweise. Graf Wolrad warf hier ein: er glaube, de fide hie, non de inani persuasione agendum. Dazu ergriff der Präsident Graf Friedrich das Wort: in dem kaiserlichen Auftrage stehe, daß die Kollokutoren, nicht aber die Auditoren

7) Dazu Frecht im amtlichen Bericht S. 28f. mit dem Zusatz: „ist am andern tag uff ainem maulesel von hinnen mit zwaien barfo- tischen lackaien hinweg zogen; wird vielleicht etliche clöster utriusque sexus visitieren", Zu der beißenden Schlußbemerkung vgl. die Äuße- rungen Butzers über Hoffmeister und Billick bei Lenz II S. 410.

312 | 80 sprechen. Wenn jedoch diese den Präsidenten etwas zu er- öffnen hätten, so stehe ihnen dies frei. Collegi ergo me et obticui?) Inzwischen disputierten Butzer und Malvenda vor- trefflich (egregie). Während jener seine Sätze aus der Schrift erhürtete, so trug dieser nur Behauptungen vor; „er sang unentwegt dasselbe Lied, so daß das ganze Auditorium un- willig zu werden schien und endlich die Sitzung geschlossen wurde?).“ Unter den katholischen Auditoren saß zum ersten- mal Bartholomäus Latomus?).

Die Protestanten waren zum Frühstück bei den Württem- bergern, „wo wir an Speisen und fröhlicher Unterhaltung uns erfrischten“. Nach der Mahlzeit Spaziergang vor den Thoren.

Ein feuriger Drache mit verschiedenen Farben hing gegen eine halbe Stunde am Himmel, dann sah man ihn auf Regensburger Gebiet niederfallen. Gebet.

23. Februar. Sitzung im Rathause. Butzer antwortete dietando auf die Ausführungen Malvendas und Billieks, indem er auf Grund der hl. Schrift die Begriffe justificari und justifieatio deutlicher entwickelte. Er sprach bis gegen 1/10 Uhr. Von den Auditoren der Gegenpartei waren nur Ilsingen und Latomus anwesend. Die evangelischen Kollokutoren und Auditoren und Doktor Hiltner speisten hernach als Gäste in der hessischen Herberge. Nach dem Frühstück begleiteten Gültlingen, Butzer, Pistorius, Major und Brenz den Grafen zur Donaubrücke. Ein Brief aus Augsburg meldet, daß die Abgesandten der protestantischen Fürsten mit 50 Pferden den Kaiser in Utrecht erwarten. Ferner, daß die Frankfurter Tagung geschlossen und eine zweite in Worms auf den 1. April angesetzt ist, damit dort die Verbündeten bequemer sich treffen können. Der Kaiser soll mit 1000 Reitern hierher unterwegs sein.

Als vor einigen Tagen Malvenda eine größere Menge

1) Die Auseinandersetzung verlief viel dramatischer, als das Tage- buch angibt, wie aus dem Itinerarium Augustanum Wolrads zu ersehen ist (a. a. O. S. 146 f.) Wolrad zeigte sich bei dieser Gelegenheit in seiner ganzen evangelischen Entschlossenheit.

2) Der amtliche Bericht S. 29.

3) Wolrad gibt ihm irrtümlich den Vornamen Jacobus, ver- wechselt ihn also mit seinem 1514 gestorbenen Bruder, dem Theologen.

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die Dominikanerkirehe, wo Nopp und Gallus abwechselnd predigen, besuchen sah, rief er in papistischem Eifer aus: quid, diable, (hoc enim illis peculiare nomen) hi stulti tam frequenti multitudine haereticos ecclesiastas audire gestiunt? Als dies ein Gasthausdiener hörte, erwidert er ihm: „diese rechtschaffenen Leute sind keine Háüretiker.^ Malvenda aber schrie noch heftiger, daß sie doch Häretiker seien. Tandem res de verbis ad verbera devenit. Der Diener ergriff einen Leuchter und schlug damit „den Feind des wahren Lichtes“, Malvenda vor die Brust. „Was das Ende dieser Geschichte sein wird, bleibt noch verborgen, da Malvenda hier viele ihm Wohlgesinnte hat.“

21. Februar!) Der Kaiser hat aus Innsbruck vier eherne Geschütze über Augsburg nach den Niederlanden schaffen lassen; drei weitere sollen nachfolgen. Der Krieg mit England und Frankreich beginnt wieder, und der Eng- länder läßt am Rhein werben. Rosenberg?) soll mit einem Haufen Soldaten auf Raub ausgehen und auf eine kaiserliche Stadt es abgesehen haben. Bei dem Bischofe speisten Stancarus, Pelargus und Latomus. Als man in eine Diskussion über die Priesterehe geriet, nahm mit der hl. Schrift Stancarus offen den Kampf gegen die beiden andern auf, die von der Priesterehe nichts wissen wollten.

24. Februar. Predigt des Pistorius. Frühstück bei dem Nürnberger Abgesandten. Butzer fehlte wegen Unwohl- sein. Man erzählt, daß die kaiserlichen Fouriere eingetroffen seien. Der Regensburger Bürger Hans Wyb sucht die Ver- mittlung Wolrads für seinen Sohn Georg nach, der wegen Gotteslästerung im Gefängnis saß, damit dieser, zwar nicht von der Strafe, wohl aber von der Verstümmelung befreit werde. Wolrad sendet in diesem Sinne seinen Wirt und Konrad von Schönstadt?) zu. dem Kämmerer, um Fürbitte einzulegen, aber nur in der genannten Einschränkung, damit nicht der Schein erweckt werde, als ob er die Tat billige. Ein Kaufmann aus Augsburg. berichtet, daß Bernardino

1) Wenn das Datum in Ordnung ist, muß hier ein Nachtrag an- genommen werden, = 2, Oben I S. 141. 3) Oben I S. 139. | Archiv für Reformationsgeschichte. VII. 3. 21

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Ochino dreimal wöchentlich in Augsburg predige und daß Antonius Fugger den Predigten beizuwohnen pflege?) Gebet. | EE 25. Februar. Als die Protestanten zur Sitzung sich ein- gefunden hatten, erklürte ihnen der Bischof, daf) Briefe des Kaisers durch einen Eilboten eingetroffen seien, und da sie Zeit brauchten, um von dem Inhalte Kenntnis zu nehmen, so möchte man es sich gefallen lassen, daß die Sitzung ausfällt. Es blieb nichts übrig als zu gehorchen?. Weil aber einiges aus dem Vortrage Butzers, das der Bischof unserm Drängen entsprechend in die Akten aufzunehmen versprochen hatte, dennoch nescio quo consultore ge- strichen war, forderten wir jetzt Wiederherstellung und über- gaben das Material Der Bischof versprach Prüfung; er werde, wie er wörtlich sagte, untadelhafte Antworten geben.

Et hie hodie fuit actus colloquii, ut nostris de caesa- reanis litteris dubium- sit, ne quid acerbius dicam. Zum Frühstück ist Stancarus geladen. Der Bischof läßt durch seinen Sekretär melden, daß die Präsidenten zum Studium der kaiserlichen Briefe auch noch den Vormittag des folgenden Tages benötigten; sie möchten das nicht übel aufnehmen und nach dem Frühstück zum Rathaus kommen. Wolrad antwortet, dab es Sache der Präsidenten sei, den Termin festzusetzen; die Seinen würden sich gehorsam erweisen.

26. Februar. DButzer, Frecht und Volkhamer holen Wolrad zur Sitzung ab, die auf 1 Uhr angesetzt war. Den Versammelten läßt jedoch der Bischof sagen, daß er infolge Geschäfte erst eine Stunde später kommen werde. „Gegen 2 Uhr erschienen im Rathause aber nicht nur der Bischof von Eichstädt und Graf Friedrich von Fürstenberg, sondern auch Julius Pflug, ernannter Bischof von Naumburg an der Saale. Der Präsident teilte den Protestanten mit, daß er ihnen gestern angezeigt, daB sie Schreiben von der kaiser- lichen Majestät erhalten hätten. Daher müsse uns allen vor- gelesen werden, was in Beziehung auf uns der Kaiser ge- schrieben habe. Außerdem zeigte er einen an die Präsidenten

Vgl. Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte III S. 241 ff. ?) Der amtliche Bericht S. 30.

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und einen an die Auditoren und Kollokutoren beider Parteien gerichteten Brief. In dem für uns bestimmten Briefe schreibt der Kaiser den Unsern, daß er an die Herren Präsidenten ein Breve (Kredenzbrief) gerichtet, dessen Inhalt wir von .den Präsidenten selbst erfahren könnten, mit dem Ersuchen, den Anordnungen der Präsidenten Glauben zu schenken und Gehorsam zu leisten. Darauf befahl der Präsident die Verlesung des kaiserlichen Breve vor der ganzen Ver- sammlung). Der Bischof fügte hinzu: die Katholiken würden, obwohl sich weder in der kaiserlichen Kommission noch in dem Wormser Anstand etwas von Notaren finde, diese dennoch zulassen. „Hier haben wir das Blatt, aus welchem ihr die Meinung des Kaisers über diese Frage kennen lernen könnt ?).“ Darin war Julius Pflug zum Auditor ernannt; alles andere war so geordnet, daß man leicht erkennen konnte, daß es im Sinne des Bischofs (ex mentis conceptu praesulis) ge- schrieben sei, besonders hinsichtlich der Notare und des Eides auf Verschwiegenheit?).^ Die katholischen Auditoren und Kollokutoren zogen sich zur Beratung zurück, und auch die Protestanten begaben sich in das ihnen zur Verfügung stehende Hybernaculum. -

Dum ibi in consultatione una essemus, d. Georgio Majori per Nicolaum Amsdorffium, episcopum Numbergensem, mors Lutheri significata est, quod nuncium triste adeo omnes nostrorum animos percutit, ut pauci se a lacrimis cohiberent, Brentius vero, Major et Sneppius etiam fletu dolorem pre- ceptoris et parentis palam ostenderent; qua et de caussa nihil deliberatum hac die est, sed per Gultlingum, Eubulum, Volkamerum et Zog liberius deliberandi spatium a presidibus petitum ac in hospitia discessum est ea lege, ut, cum quid nobis in his faeiendum foret, nec ne (?) inter nos delibe- rassemus, presidibus indicaretur.

Eadem, ut dixi, reverendus dominus Nicolaus Amsdorffius, episeopus Numbergae ad Salam, domino Georgio Majori de

ı) Urkundenbuch. Datiert 3. Febr. 1546. Zum Datum Caemerer S. 78 f. | | ?) Die für das Schicksal des Gesprüchs entscheidende kaiserliche Resolution. Urkundenbuch. i 3) Der amtliche Bericht S. 376 f.

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rebus familiaribus scripsit, ad finem litterarum adjieiens, date 18. die februarii, qua et reverendus pater noster, doctor Martinus Lutherus obiit. De eujus morte haec certo accepimus per scripta ejusdem Amsdorffii, que oblata sunt Ratisbonae die videlicet hae ipsa 26. februarii. Germanice autem con- scripta erat sehedula, quae hec verba continebat):

Do er def morgns auffstundt vnd daB bein zum bete hinauß satzte, sprach er: Ach, ach, wy we yst mir, Doetor Jonas, wy enge yst mir vmb die brost. Ich werde alhier zu Isleven bliven. Alß er darnach in die stube kam, sprach er: Du himmelscher vatter, du lieber her Jesu Christe, du hast dich mir offenbaret, dich habe ich bekent vnd prediget, den alle welt vnd Gotlose lestern. Darnach sprach [er] ex Psalmo: Du bist eyn her mitten in Doet. Darnach: Also hat gode die welt geliebt ete. Jois 3. Item: Nu blieb ieh woll hyr zu Eysleben. Lestlich: Ich fare dahin in fride vnd freude?). Hec sunt sanctissimi viri novissima verba, eujus scripta

satis testantur, quid illi dominus revelarit ac quanta ineffabilia beneficia deus omnipotens, pater liberatoris nostri domini Jesu Christi, per hune virum prestiterit. Donet idem Deus, ut agnoscamus, quae vero et quanta hie athleta domini pro Christi gloria passus sit ac quam forti et constanti et animo et fide prineipatibus hujus saeculi restiterit.

Eadem cum Eubulus Brentium consolari conaretur, is apprehensa manu comitis manum ejus diuscule premens ait: mi, mi carissime domine comes, quantae incommoditates ex hujus viri obitu contingent! Et si nihil aliud Lutherus effecit, certe continuit multos in officio, qui jam laxis habenis turbas eient Non est nostrorum virum memoriae posteritatis tradere. Inter innumera autem tam constantis animi indieia hoe unum, ex quo tamquam leonem ex ungulis metiri (?) possis, perstringam literis. Pistorius, vir pius juxta ac doctus, testis ejus rei auribus et oculatus narravit. Cum ante annos aliquot eadem die domino Martino breve aposto-

1) Auch dem Berichte Frechts beigelegt (a. a. O. S. 918), doch mit einigen kleinen Abweichungen.

2) Von mir schon früher mitgeteilt und gewertet in der „Neuen kirchlichen Zeitschrift“ 1908 S. 566 ff.

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lieum ut vocant Leonis decimi papae, fulmen in Lutherum continens, et Caesareum mandatum, idem exequens, oblata essent, non solum hilari fronte accepit, sed ea abjiciens, „nihil, inquit, me haee terrent, domini negotium agitur; hie et nos et causam suam probe tuebitur^ ac barbiton corri- piens carmen aliquod lusit).

Hie egregius vir, Isleviae ditionis comitis a Mansfeldt oriundus, in eodem oppidulo et diem clausit extremum, summo suo bono seilicet, quia a fatis malitiae a domino collectus et a supremo illo pastore coronam immarescibilem gloriae absque ullo dubio consecutus sit, maximo autem omnium ecclesiarum Germaniae in his perturbatissimis temporibus malo. Et si nullum aliud fuit incommodum, quod is solus erat, qui ceteros in disciplina continebat.

Die schmerzlichen Empfindungen, die den Grafen be- wegen, bringt er in einem Gebete zu Gott zum Ausdruck: da ecclesiae tuae, quae de obitu servi tui Martini tristatur, ut dona, quae bonitate tua in eam contulisti, agnoscat et tuae doctrinae, per hune renovatae, sedulo insistat neque deserat. O domine, quos filius tuus Jesus sacrosancto et pretioso sanguine sibi comparavit, sanctum Spiritum tuum ministris verbi tui impartire digneris, ut, quod per servum tuum Martinum seminasti, ad maturam et felicem messam produeatur.

„Doktor Martin Luther ist 62 Jahre alt aus dem Leben geschieden; bei seinem Sterben waren zugegen Graf Albert von Mansfeld und dessen Gemahlin, Justus Jonas, Michael Cólius und Ambrosius, der Diener Luthers, auch seine Sóhne Martin und Paul. Er hat noch einen dritten Sohn namens Johannes."

Zoch, Major und Brenz bitten den Grafen, morgen um 7 Uhr eine Versammlung anzusetzen, worin dieser ein- wiligt. Regensburger Bürger wollen heute drei Sonnen und ein nach Ungarn gerichtetes Schwert am Himmel ge- sehen haben’).

1) Diese Mitteilung erweckt großes Interesse, da sie meines Wissens ganz Neues bringt, doch muß die Zeitbestimmung auf einem Irrtum Wolrads (oder des Pistorius?) beruhen.

2) Friedensburg, Nuntiaturberichte VIII S. 576 (Bericht des

318 86

Brenz erhält die Nachricht von dem Tode der Pfarrer von Nördlingen!) und von Rothenburg’).

Am 27. Februar gegen 7 Uhr Versammlung im hessischen Quartier, Beratung über die gestrigen Vorgänge und Beschluß, den Präsidenten eine Petition zu überreichen. Der Entwurf wurde Butzer und Zoch übertragen?)

Wolrad reitet zur Abwechslung mit Begleitung nach dem Kloster Prüfening auf bayerischem Gebiet, um den Abt zu besuchen. Da dieser jedoch verreist war und die Mönche wahrscheinlich durch die große Anzahl Reiter in Furcht ge- rieten, so war kein Mönch zu erblicken. Trotzdem stieg der Graf ab, besah sich die Kirche und das Kloster und fand im Kapitelsaal die Inschrift: Otto Bambergensis epis- copus anno MC nono Pommeranorum apostolus hoc coeno- bium fundavit regnante Henrico quinto. Der Herzog Wilhelm von Bayern erneuert das Verbot der Einfuhr von Nahrungsmitteln nach Regensburg. Der Kaiser soll in Maastricht wegen Waffenstillstands zwischen England und Frankreich verhandeln.

Es ist (hier) Sitte, daß während der kaiserlichen Reichs- tage Verbrecher zur Hinrichtung nicht an den Herbergen des Kaisers und des Königes vorübergeführt werden. Denn wenn es geschieht und sie ‘die Gnade des Herrschers an- rufen, so wird ihnen das Leben geschenkt. Nun geschah es, als 1540 Jemand von den Henkern vor dem Quartier des Königs Ferdinand vorübergeführt wurde, dieser beim Anblicke des Hauses mit lautem Heulen den König um Gnade anging. Da aber dieser sich in einem innern Raume des Hauses befand, konnte er das Geschrei des Unglück- lichen nicht hören, und dieser wurde daher geradewegs zu dem

Kardinals Otto von Augsburg an Farnese). Aus diesem Schreiben . erfahren wir, daß die Präsidenten und Malvenda den Kardinal über alle Vorgánge in Regensburg auf dem Laufenden hielten (li quali sempre m'hanno avisato d'ogni cosa). Diese Berichte sind bisher nicht gefunden; sie würden zweifelsohne eine wichtige Quelle sein.

1) Kaspar Löner. Er starb 6. Jan. 1546 (Allg. Deutsche Biographie XIX S. 152).

?) Sigismund Staudacher (Kolde in den Beitr. zur bayr. Kirchengesch. III 1879 S. 181; C. R. V1, 601).

3) Der amtliche Bericht S. 380 f.

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Hinrichtungsplatze geführt. Doch setzte darauf ein Kammer- diener den König von dem Geschehenen und der Regens- burger Sitte in Kenntnis, und da der König gerade keinen andern zur Hand hatte, so gab er seinem Barbier Befehl, schleunigst zam Richtplatze zu eilen. Er kam gerade an, als der Henker schon das blanke Schwert in der Hand hielt, Der Verbrecher wurde ins Gefängnis zurückgebracht, der König ließ sich Bericht erstatten und begnadigte ihn von der Todesstrafe, da er in Verteidigung des Lebens den Mord begangen hatte cum multi veram Christi doctrinam confitentes, ejus et suorum scientia innocentes, nocentes sint.

O domine, deus terribilis et auferens spiritus prineipum, erue animas servorum tuorum de ore Titanum Fer(dinandi) et Caroli, horum duorum, et da, ut aliquando ... oseulentur filium tuum et fiant pro persecutoribus nutricii ecclesiae tuae, ne, eum exarserit ira tua, pereant.

„Ein Kaufmann namens Burchart ird erzählte mir vor einigen Tagen, daß ein Mann namens Hans Swabe, der von dem Könige Ferdinand geschätzt wurde, ihm gesagt habe, als das Gespräch zufällig auf das Regensburger Gespräch gekommen sei: „es scheint mir, daß der Kaiser den Kollo- kutoren und Auditoren‘ Bedingungen auferlegen will, die weder gerecht noch erlaubt noch für jene ausftihrbar sind.“ Das waren aber jene vier Punkte, die in dem Schreiben des Kaisers von uns gefordert wurden.“ | 28. Februar. Predigten von Pistorius in der Her- berge und von Nepp in der Dominikanerkirche angehört, welcher letzterer aus Gesundheitsrücksichten eine zeitlang das Predigen ausgesetzt hatte. In dem Texte vom Sämann nimmt. er Anlaß, carnisprivalia et bachanalia festa mit Schrift- gründen seiner Gemeinde zu untersagen. Nach dem Frühstück ein Gottesdienst bei Gallus.

Am Nachmittage wird in dem hessischen Quartier der Entwurf Butzers verlesen und beraten. Man faßte den Beschluß, ihn morgen 7 Uhr vormittags in der sächsischen Herberge nochmals zu verlesen, dann ins Reine umzuschreiben und die Präsidenten um eine Zusammenkunft zu ersuchen. Zoch und Major verlesen die eingelaufenen Meinungs- äußerungen (consilia) des Kurfürsten sowie der Wittenberger

320 88

Theologen '), ebenso den Bericht des Justus Jonas in Halle und des Michael Coelius in Eisleben über den Tod des ehrwürdigen Vaters, D. Martin Luther?),“

„Der Kurfürst Herzog Johann Friedrich trauert in christlichem Schmerz über den Tod des Herrn Luther und hat durch Zoch alle auf sein Abscheiden bezüglichen Be- richte uns zustellen lassen.“ Gebet.

Brenz erzählt: den Markgrafen Friedrich von Brandenburg bat ein Rechtsgelehrter um Entlassung. Er fragte nach dem Grunde und erhielt die Antwort: „Du hast zwei Bücher. Wenn du fortfährst, sie zu gebrauchen, bedarfst du keines Rechtsgelehrten.“ Darauf der Markgraf: „welche Bücher sind dies?“ Sofort antwortete der Rechtsgelebrte: „das eine ‚betitelt sich Volumus, das andere Nolumus.^ Damit wollte er sagen: daß der Markgraf mehr von Stimmungen als durch Vernunft sich leiten lasse. | : |

l. März. „Graf Friedrich von Fürstenberg sendet einen Boten in Pergers Haus (hessische Herberge) mit dem Er- suchen, daß, wenn unsere Antwort abgefaßt sei, wir ihm eine Stunde vorher mitteilen möchten, wann wir ihn auf- suchen wollten.“ Wolrad läßt ihm nach dem Frühstück durch Konrad Milehling sagen, dab man morgen zu be- liebiger Stunde zur Verfügung stehe; jener kommt jedoch auf seinen frühern Vorschlag zurück.. Die Evangelischen ordnen nochmals einen Boten ab, der die Präsidenten in St. Emeram trifft; sie antworten, daß sie morgen rechtzeitig Stunde und Ort mitteilen würden. |

Bei Wolrad speist der Pfarrer Stephanus, der um des Evangeliums willen mehrfach Leiden erduldet hat?).

Im Verlaufe des Nachmittags tüberbringt der Sekretür des Bischofs von Eichstüdt die Aufforderung, morgen um 7 Uhr im Rathaus sich einzufinden.

Volkhamer meldet die Ankunft Veit Dietrichs. Es wird erzühlt, der neue Erzbischof von Mainz, Sebastian

!) Urkundenbuch. C. R. VI S. 54 n. 3390,

2) Wolrad sandte hernach ein gedrucktes Exemplar an seine Räte mit den Worten: „Gott helf seiner Kirche fortan" (Fürstl. Landesarchiv). |

3) Oben I S. 175.

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von Heusenstamm habe den Priestern die Ehe gestattet und das Abendmahl unter beiderlei Gestalt erlaubt, jedoch unter der Bedingung: quod ut non prohiberet, ita et non juberet. Er wolle indes aus diesem Grunde niemanden ahnden!). Die Sachsen und die Württemberger erhielten von ihren Fürsten Instruktionen.

Brenz teilt einen Auszug aus einem Briefe mit, den Joh. Heß in Breslau über den glücklichen Fortgang des Evangeliums in Ungarn und Siebenbürgen an Melanchthon gerichtet?) und auch Veit Dietrich mitgeteilt hatte, der mit dem Inhalte die Regensburger Theologen bekannt machte. . Gebet.

Auch in Konstantinopel wird das Evangelium Christi rein gepredigt und das Abendmahl unter beiderlei Gestalt gereicht: qui hae usus est amicus, mihi retulit et oratores nostri ad Tureos affirmant. | |

2. März. Zur festgesetzten Stunde begab man sich zum Rathause. Als die Evangelischen Platz genommen, schickte sich der Bischof an, durch seinen Kanzler uns etwas vor- zuschlagen, um, wie man annehmen durfte, der Gegenpartei zuerst das Wort zu erteilen, aber als Butzer anhub, die Ant- wort und Petition®) zu verlesen, heuchelte er und forderte Butzer auf, fortzufahren. Die Petition enthielt folgende Wünsche: 1. daß die protestantische Antwort betreffend den Artikel von der Rechtfertigung den Akten eingefügt werde; 2. daß ihnen der Notar bleibe; 3. daß sie durch keinen Eid beschwert würden; 4. daB die Akten da, wo sie sich jetzt befinden, aufbewahrt bleiben. Wenn ihnen diese Be- dingungen nieht bewilligt würden, so könnten sie ohne aus- drücklichen Befehl der Fürsten und Städte am Gespräch nieht weiter sich beteiligen.

1) An seiner Wahl war der Landgraf beteiligt (Lenz II S. 380); das Gesprüch Philipps mit ihm bei Neudecker, Merkwürdige Akten- stücke II S. 675 ff. Die Protestanten haben sich von dem klugen Manne voreilig täuschen lassen; vgl. Hasenclever, Die Politik der Schmalkaldener S. 37 ff.; 310 ff. u. sonst.

2) Dieser Auszug abgedruckt A.R.G. V S. 386.

3) Im Urkundenbuch vollständig: responsio ad resolutionem colloquii a Caesarea Majestate exhibitam, 22!/, Folioseiten; eine In- haltsangabe bei Bucer S. 162 ff.

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Nach der Verlesung stellte der Bischof an. die katho- lische Partei die Frage, ob sie irgendwie erwidern wollten. Darauf Malvenda: „im Namen der Seinen habe er auf die vorgelegten Artikel zu antworten, daß sie in allem bereit seien, um so mehr, da der Gehorsam gegen einen solchen Fürsten mehr sei als das Leben (so drückte er sich wörtlich aus) Aber da die Sache nun schon so lange hingezogen sei, wisse er nicht, was zu tun unberechen- bar wie er ist.“ . Butzer rechtfertigte die Seinen gegen den Vorwurf, daß sie außerhalb der Ordnung verfahren hätten. Sie seien von den. Präsidenten für heute aus- drücklich geladen worden, um zu antworten. Die Prä- sidenten unterbrachen diese Auseinandersetzung und for- derten beide Parteien auf, sich ein wenig zu entfernen. Nachdem die Evangelischen eine kleine Stunde gewartet, ließen ihnen die Präsidenten sagen: „die Präsidenten hätten unsere Antwort gehört, weil es sich aber um ein ausführ- liches Schriftstück handele, und mehrere Artikel eine ge- nauere Erwägung heischten, und sie uns nicht warten lassen möchten, so erlauben sie, daß wir in unsere Quartiere zurückkehren. Sobald sie die Prüfung abgeschlossen hätten, würden sie uns eine Stunde ansagen“.

„Dieser Sitzung wohnte zum erstenmal auch Veit Die- trich, Prediger an St. Sebald in Nürnberg bei.“ Anwesend war auch Michael Roting. Butzer gibt dem Grafen einiges über das Konzil von Trient zu lesen. 55 Bischöfe sind: dort versammelt. Concilium Tridenti in fumum abire dieitur.

„Johannes Sturm hat in der Legation zur Friedens- vermittlung zwischen England und Frankreich von dem Eng- länder 300 Kronen und einen Zelter (gradarius equus) und von dem Franzosen 200 Kronen als Geschenk erhalten !).*

Doetor Sigebert von Lówenburg?) weilte in Frank- furt als Abgesandter des Kurfürsten von Köln.

1) Ch. Schmidt, La vie et les traveaux de Jean Sturm, Straß- burg 1855 S. 60 ff.

2) Siegfried von Löwenburg war Professor der Rechte an der Kölner Universität und wurde von dieser wegen seiner evangelischen Gesinnung ausgeschlossen. Vgl. Forschungen zur deutschen Ge- schichte XXV (1885) S. 81. i

91 i 323

Der Bischof läßt auf 7 Uhr morgen entbieten.

ln concilio Tridentino aut potius Romanensium man- cipiorum colluvie statutum est, ut id, quod in ecclesiis can- tatur symbolum, pro recepto habeatur, hoc est, cum nihil pensi agere possent, actum ageret). Item deliberaturi sunt, qui sint libri canonicae scripturae. Talis est ordo concilii, ut quotquot praelatorum adsint, in tres classes divisi sint et quaeque classis peculiarem conveniendi locum habeat; ubi vero dies sessionis adest, omnes in uno loco conveniunt et quicquid unaquaeque classis concluserat, recitant ac tum quasi uno ore sententiae panduntur?). Gebet.

3. März. Bei Beginn der Sitzung lassen die Präsidenten durch den bischöflichen Kanzler -erklären: „die Herren Prä- sidenten hätten den Auditoren und Kollokutoren beider Par- teien die kaiserlichen Artikel verlesen lassen und erläutert. Als gestern eine Antwort darauf zu geben war, hätten ordent- licher Weise zuerst die „Kaiserlichen“ das Wort ergreifen müssen. Da aber die Unseren bereits angefangen hatten zu reden, so hätten die Präsidenten unsere Rede nicht unter- brechen wollen, jetzt wünschten sie, daß auch die „Kaiser- lichen“ antworteten. Malvenda, aufgefordert zu reden, erklärt, daß er und die Seinen, wenn ihnen gestattet worden wäre, in der richtigen Ordnung zu antworten, mündlich vorzu- tragen beabsichtigt hätten (responsionem suam recitando absolvere voluisse) da aber die Unseren ihre Antwort vor- gelesen hätten, er das Gleiche tun werde, was er auch tat.“

Nach Beendigung erklären die Präsidenten: da sie nun die Antworten beider Parteien vernommen, so würden sie nach Prüfung derselben, sobald als nur möglich sei, uns wieder berufen. „Darauf. erbaten sich die Unseren von den Präsidenten das Exemplar der Antwort Malvendas, aber wir mußten ihnen Zeit zur Erwägung hierüber bewilligen und traten ab. |

Naeh einer halben Stunde wurden wir wieder hinein- gerufen und die Präsidenten ließen erklären: sie hätten von den Antworten beider Parteien auf die kaiserlichen Artikel

1) Sessio III decretum de symbolo fidei. ?) Diese Mitteilungen entstammen sicherlich der oben erwühnten Quelle. Der Inhalt gibt den Tatbestand durchaus richtig wieder.

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Kenntnis genommen und seien keineswegs erfreut, weil beide Teile mit einer gewissen Schärfe ihre Antworten schriftlich niedergelegt hätten . . . Um größeren Streit zu verhindern und aus anderen Gründen erscheine es ihnen geratener, daß die Antworten beider Parteien von den Präsidenten in Verwahrung genommen, und keiner ein Exemplar bewilligt werde. Darauf antworteten die Unseren kurz: was etwa in unserem Schriftstück als zu scharf gesagt erscheinen könne, dazu hätten die Kollokutoren der Gegenpartei den Anlaß gegeben, und wir bitten dafür die Präsidenten um Ent- schuldigung. Was aber die Verweigerung eines Exemplars anbetrifft, so überlassen wir das der Entscheidung der Prä- sidenten. Darauf entließen sie uns mit dem Bemerken, daß sie uns baldmöglichst ihre Meinung kund tun würden. Sie wollten damit zu verstehen geben, daß ihnen aufgetragen sei, das Gespräch abzubrechen, wenn der Streit unter den Parteien zu sehr zunáhme!) Cochläus war infolge von Podagra, wie ich glaube, in dieser Sitzung nicht anwesend.* Die Nachrieht trifft ein, daß Paul III. am 24. Januar gestorben sei; doch erwies sich dies hernach als irrig.

Als Luther 1536 von der Tagung in Schmalkalden auf- brach, sprach er, in den Wagen steigend, zu den dort ver- sammelten Theologen: impleat nos dominus benedictione spiritus saneti et odio papae?) Veit Dietrich schenkt dem Grafen Luthers Auslegung des zweiten Psalms. „Georg von Regensburg, kaiserlicher Hauptmann, sagte, daß der Kaiser in sechs Jabren Papst sein werde. Was will das anders besagen, als daß der alte Hund nicht umsonst bellt? Das wissen die, welche Ohren haben zu hören.“ Veit Dietrich teilt mir ein Heilmittel gegen Podagra mit und erzählt eine Nürnberger Geschichte dazu. Das Konzil in Trient will das Recht der Papstwahl an sich nehmen, auch gegen den Widerstand des Kardinalkollogiums. Gebet.

4. Mürz. Predigt Zollners. Der Spanier Georg de Donnsent (?), der sich sechs Monate in Straßburg aufgehalten hat, begibt sich mit Empfehlungsschreiben von Pistorius und

1) Der amtliche Bericht S. 385.

2) Kóstlin-Kawerau, Luther II S. 390. In unserm Texte eine kleine Variante.

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anderen nach Marburg, um die Universität zu besuchen. Wolrad und Pistorius begeben sich zum Schottenkloster; zurückgekehrt, erhalten sie den Besuch von Butzer und Brenz; gerade trifft auch der Sekretär des Bischofs ein und benachrichtigt den Grafen, daß er sich mit drei, nach seinem Belieben zu bestimmenden andern um vier Uhr bei dem Präsidenten einfinden möge; der Bischof bitte ihn, nach Er- ledigung der Geschäfte mit ihm zu speisen. Wolrad wählt Gültlingen, Zoch und Butzer als Begleiter, doch nahm Zoch seine Zusage wieder zurück, da er wegen Julius Pflug aus gewissen Ursachen das Haus des Bischofs nicht betreten mochte. Für ihn tritt Georg Volkhamer ein.

„Um vier Uhr also suchen Gültlingen, Butzer, Volk- hamer und ich die Wohnung des Bischofs auf. Bei unserer Ankunft trafen wir. auch den Grafen Friedrich und den Herrn Julius Pflug. Wir wurden gebeten, im Hyber- nakulum ein wenig zu warten; dann wurden wir zu den Präsidenten qui intra penitius hypocaustiolum erant berufen. Der Kanzler nahm das Wort, indem er die wohl- wollende Gesinnung der Präsidenten gegen uns betonte; sie hätten unsere Antwort gelesen, doch erscheine diese ihnen zu hart und stände auch im Widerspruch zu den im Namen des Kaisers vorgelesenen Artikeln und müßte dem Kaiser mißfallen.“ Sie fürchteten, daß dadurch das Kolloquium nicht nur verlängert oder sogar aufgelöst werden könne, sondern auch die Gefahr einer Aufschiebung des Reichstags nabegerückt werde. Damit dies alles vermieden werde, bitten sie, den vorgelegten Artikeln Folge zu geben, denn über diese hinaus gehe ihre Gewalt nicht.

. Naehdem sich die Protestanten eine Bedenkzeit erbeten, gaben sie durch Butzer die Antwort:

Primum nos omni qua decet reverentia praesidibus de bona nostrorum erga nos voluntate gratias agere; quod vero ad responsum nostrum attineret, nos sperare, eiusmodi fore, ut nemo merito eo vel offendi vel irritari possit, praeterea nobis nec esse ingratum, ut illud non solum ad manus Caesaris, sed omnium etiam Imperii statuum deveniret, nec nobis principum nostrorum mandata aliud quippiam admittere sine iis, quas in responso obtulissemus condicionibus. Ro-

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gare igitur adhue nos praesides, ut eas condiciones rectas habeant. Ad haec quamquam non dubitaremus omnes nostros ejus sententiae esse, tamen nos sine caeterorum assensu nihil firmiter affirmare audere. Disputatum deinde familia- riter, ac persuasum facere conabantur, ut juramentum silentii usque in adventum imperatoris praestaremus ... Sed quid multa? Nec nodo cuneus nec cuneo nodus cedebat!)

Der Bischof lud, da inzwischen die Essenszeit gekommen war, die Anwesenden zu Tisch. Während der Mahlzeit wurde die Angelegenheit nicht berührt, wohl aber machte der Bischof nach Tisch noch einen Versuch, doch ohne Er- folg. Sieque dimissi sumus. Die nächste Sitzung auf morgen acht Uhr angesagt. Gebet.

5. März. Nach längerem Warten Beginn der Sitzung gegen neun Uhr. Nachdem man Platz genommen, führt der Kanzler aus: „was die Präsidenten schon gestern ex mera animi benignitate einigen von uns dargelegt, dürfte, wie sie annehmen, auch den übrigen unter uns nicht verborgen sein. Indeß, da sie erkennen, daß sie mit dieser Gesinnung bei uns nichts erreicht haben, so haben sie den Weg bedacht, daß sie hinsichtlich der beiden letzten Artikel an den Kaiser schreiben ?).“ „Die Präsidenten nähmen an, daB uns dies nicht mißfalle und da die Fastenzeit nahe sei, so könnten wir leicht warten, bis der Kaiser geantwortet, der, wie her- nach der Kanzler sagte, am 22. dieses Monats hier sein werde, obwohl die Präsidenten sagten, daß er in der Nähe erreicht werden könne.“ |

Darauf antworteten die Protestanten nach kurzer Be- ratung etwa: „die Unseren können jene Artikel nicht an- nehmen, insbesondere gezieme uns nicht, unseren Fürsten . Schweigepflicht aufzuerlegen. Über die Zeit Bestimmungen zu treffen, sei Sache der Präsidenten?).“

Michael Roting erzählt von einem italienischen Bischof,

1) Der amtliche Bericht S. 386 ff. Hieraus geht hervor, daß Wolrad an diesen Besprechungen einen hervorragenden Anteil gehabt hat, was er in seiner Bescheidenheit verschweigt.

2) Nämlich: eidliche Schweigeverpflichtung und Bewilligung eines Notars, ——

3) Der ziemlich ausführliche amtliche Bericht S. 888 f.

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der, mit großer Begleitung durch die Fünforte in der Schweiz reisend, infolge des Verhaltens seiner Leute in Händel mit der Bevölkerung geriet, aus denen er sich mit nur einem Diener durch die Flucht retten konnte. Die übrige Be- gleitung wurde gefangen genommen; dabei entdeckte man zwei als Knaben verkleidete Maitressen des Bischofs, deren eine aus Ravensburg, die andere aus Niederdeutschland stammte,

Wolrad, Gültlingen, Hiltner und Schnepff be- suchen den Abt von Emeram, der sie reichlich bewirtet. Gebet. Zu 6. März. Beginn der Sitzung um zehn Uhr. Die Prä- sidenten lassen nochmals durch den Kanzler erklären: es scheine ihnen ratsam, daß wir uns den kaiserlichen Artikeln unterwerfen; wenn von uns gestern gesagt sei, daß der Kaiser über die Anordnung des Gesprächs mit unsern Fürsten sich vereinbaren müsse, so fürchten sie, daß dies auf den Kaiser eine übele Wirkung haben werde (imperatori sto- machum moturum). ' Unsern Wunsch, das Gespräch über die Rechtfertigung in der begonnenen Ordnung fortzuführen, würden sie gern erfüllen, doch hätten sie darüber kein aus- drückliches Mandat, aber es sei ihnen nicht unlieb, wenn die Kollokutoren beider Parteien privatim darüber ver- handelten, ob sich ein passender Weg finden lasse.

Die Protestanten liefen nach einer Beratung durch Butzer darauf antworten:.nos ab his, quae per scripta ob- tulissemus, ne latum quidem unguem discedere ob mandata principum posse; sie dächten nicht daran, dem Kaiser etwas vorzuschreiben, sondern hätten nur einen Vorschlag zur Er- wägung gestellt. Sie seien bereit, weiter über den Artikel Rechtfertigung zu verhandeln und überlassen es den Prä- sidenten, die Zeit zu bestimmen. Als Butzer geendet hatte, sprach der Bischof: certe jam tempus praeteriit et hora coenae instat, und die Sitzung wurde aufgehoben).

Butzer, Michael Roting und Zollner speisen bei dem Grafen. Zollner erzählt, daß Herzog Wilhelm von Bayern durch alle Ortschaften habe bekanntmachen lassen,

!) Der amtliche Bericht S. 389 ff., ebenfalls ausführlich.

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daß, wer immer von seinen Untertanen das Abendmahl unter beiderlei Gestalt gebraucht habe, es bis zum Sonntag Laetare

dieses Jahres 1546 unter einerlei Gestalt nehme oder dem

Henker überliefert werde. Erasmus von Hauben!) soll für den Kaiser Fufvolk werben. Graf Friedrich von Fürstenberg wird einige Reiter stellen. Gebet.

7. März. Pistorius predigt im hessischen Quartier vor einer großen Versammlung über das Evangelium. Nopp behandelt in seiner Predigt denselben Text und ge- denkt des Heimganges des ehrwürdigen Herrn Martin Luthers. Ejus concionis argumentum ad meam petitionem eadem (die) propria sua manu descriptum transmisit. Predigt Zollners in der Minoritenkirche. -— De morione Eystadensi?). Der Bischof bittet Wolrad mit einigen der Seinen um einen Be- such in seiner Wohnung auf morgen. Graf Friedrich lädt durch seinen Sekretär Wolrad, Gültlingen und Butzer morgen zum Mittagsmahl ein. Briefe aus Venedig vom 17. Februar melden, daß der Papst 12000 Mann Fußvolk, 1000 Reiter und 200000 Goldgulden für den Kaiser bereit habe, wenn er den Krieg gegen die Protestanten beginne?) Gebet. Butzer, Brenz, Frecht und der Hausverwalter (oeconomus) der Königin von Ungarn und Bóbmen speisen bei Wolrad. Acht Tage vor seinem Tode schrieb Luther in ein Buch seines Wirts*) zur Erinnerung die Worte: A

Wer meyn wort helt, wirt den tod nymer sehen. "Wie unglaublich ist doch daB geredt und widder offentliche und tegliche erfarunge.

Dennoch yst die warheit, wen eyn mensch mif ernst Gots wort in hertzen betracht, ime geleubt und darober

1) Kaiserlicher Generalprofoß (Viglius von Zwichem, Tage- buch des Schmalkaldischen Krieges, herausgeg. von A. von Druffel, München 1877 S. 225 Anm. 30).

2) In welchem Zusammenbange Wolrad den Bischof als ,Erz- narren“ bezeichnet, geht leider aus seinen Worten nicht hervor.

*) Als Quelle ist Balthasar Altieri genannt.

*) Dies war der Stadtschreiber Johann Albrecht. Nach Kóstlin- Kawerau, Martin Luther II S. 620 war es ein Hohensteinischer Rent- meister. Es könnte also eine Verwechslung vorliegen, da jedoch Luther diesen Spruch liebte, so ist wohl möglich, daß er ihn auch seinem Gaste niederschrieb. Vgl. auch A.R.G. VI S. 380.

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entsleeft oder stirbt, so sinckt und feret er dahin, ee er sich deB todts versicht oder gewar wirt und ist gewyslich selig in wort, dab er also geleubt und betracht, von hynnen gefaren.

8. März. Wolrad, Gültlingen, Volkhamer, Buizer und Brenz begeben sich auf Einladung zu dem Bischof, wo sie auch Pflug und Fürstenberg antreffen. Sie bestehen dem Drängen der Präsidenten gegenüber auf ihren Artikeln, daher beschließen jene, die Angelegenheit dem Kaiser zur Ent- scheidung vorzutragen ).

Fürstenberg bietet seinen Kollegen, ferner Malvenda, Loxan, Ilsung, Gültlingen, Butzer, Kaltenthal und Wolrad ein sybaritisches Frühstück. Nach dem Mahle sprach der Bischof mit Wolrad, Gültlingen und Butzer viel über das Kolloquium. Ilsung erzählte, daß die Ungarn von Ferdinand zu den Türken abfallen wollten. Er begleitet Wolrad mit Gültlingen, Butzer und Brenz in sein Quartier, wo über allerlei geredet wurde. Siebenmal war er auf Kriegszügen in Ungarn.

Aus einem Briefe des Hieronymus Besold an Veit Dietrich wird ein Stück eines Berichtes über Luthers Be- grübnis aus einem Briefe des Justus Jonas?) mitgeteilt. Desgleichen einige Sätze ex oratione funebri Philippi M(elanchthonis).

9. März. Predigt des M. Nicolaus Gallus in der Kirche zur schönen Maria. In Erwartung der Ankunft des Kaisers werden die Plätze und Straßen der Stadt von Eis gesäubert und gereinigt. Veit Dietrich, Volkhamer, Zoch, Georg Major, Pistorius und Brenz speisen beim Bischof. Melanchthon läßt Wolrad grüßen und schickt ihm als Gabe eine aus Jesaia 62 geschöpfte Gebetsdichtung pro ecclesia von Johannes Stigelius?).

Nota de Felifuga Ibero, suorum proditore et accusatore apud Paulum tertium, qui cum mortuus diceretur, multorum Christifidelium malo adhuc superest. „Unter andern hat er

1) Ausführlich amtlicher Bericht S. 391 ff. 2) Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas II S. 182 ff. 3) Es ist bekannt, da8 Melanchthon diesen Humanisten, der da- mals sein Kollege in Wittenberg war, hoch einschätzte. Archiv für Reformationsgeschichte. VI. 3. 99

330 | 98 verraten den Spanier Jacobus Dryander, den Bruder des Franeiscus Dryander. Dieser wurde der Folter unterworfen und verriet unter den Qualen die Namen vieler, die E reine Lehre Christi bekennen.

Desgleichen wurde ein Buehhändler gefangen genommen, der Bücher der Unseren verkaufte und Briefe der Unseren hierhin und dorthin besorgte. Ferner sind Carneseechi und Petrus Paulus Vergerius nach Rom zitiert. Der Graf von Petiliano und der Herzog von Florenz sind übel gegen den Papst gestimmt. Der Papst soll in Augsburg 100000 und in Venedig 100000 Gulden zur Kriegsaus- rüstung gegen uns dem Kaiser zur Verfügung stellen. Der dies mitteilte, ein gewisser Guido(?), stand selbst unter schwerer Anklage bei dem Vicarius des Papstes. Einige Faszikel Briefe, darunter auch Schriften Doktor Luthers und Philipps, wurden abgefangen, aus denen: man die Namen vieler erfuhr. Den Papst erfüllt es mit“ großem Schmerz, daß einige seiner Blutsverwandten der W ANINEN gehorsam sind.“ ; l „Der Papst ist bemüht, das Konzil von Trient nach Bologna oder nach Rom zu verlegen.“

Nobile autem sinapis granum, quo densius pedis teritur, eo altius exereseat. Adsit Christus suis. Amen. Gebet. E

10. März. Konferenz der Evangelischen in der hes- sischen Herberge; nur Veit Dietrich fehlte, dureh Podagra behindert. Es wurde erwogen, was an die Fürsten zu be- richten sei und der Bericht niedergeschrieben!). Gültlingen speist mit Wolrad. Nach dem Essen suchen sie Butzer, Brenz, Frecht und Pistorius auf, die gemeinsam speisten. Gültlingen, Butzer, Zoch und Volkbamer werden zu den Präsidenten entsandt, um über den Fortgang des Gesprächs etwas zu erfahren. Eistadensis autem et Forstenbergensis domum abituri ac ad tempus aliquot ferias se velle dice- bantur. Jemand bittet die protestantischen Auditoren um litterae intercessoriae an den Herzog Ulrich von Württem- berg und erhält sie. Gültlingen bringt die Antwort der

1) Es ist der Bericht, auf den fortlaufend Bezug genommen ist.

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Präsidenten: sie wollten das Präsidium nicht weiter führen, bis die Entscheidung des Kaisers vorläge; sie hofften aber, daß in Kürze die. Antwort oder der Kaiser selbst eintráfe!), Atque hie erat ad dies aliquod languidi colloquii actus.

| Der Kaiser läßt heimlich überall Truppen sammeln. Am Dienstag nach Valentini ist der. Vizekanzler Naves in Mainz gelandet. Ein. aus Trient kommendes Lied sagt, daß dort kaum noch ein reines Weib oder Jungfrau zu. finden sei. „Von dem Kolmarer (Hoffmeister) höre ich, daß er die beste Zuversicht hat: etiam si solus fuerit, omnibus re- sistendum.* Gebet.

11. März. . Predigt Zollners über Actorum 12. Der

Reichstag wird durch einen eingetroffenen kaiserlichen Boten auf den 15. März .angesetzt. Ein Mönch aus dem Kloster Gnadenthal. bei Neumarkt namens Augustinus aus dem Orden der hl. Brigitta bittet Wolrad und Pistorius um Hilfe, „um Kutte und.Maulkorb los zu werden“. Er wird in die sächsische Herberge geschickt, um dort einer Prüfung unter- zogen zu werden. Beratung der Evangelischen über einen Bericht an die Fürsten. Der Bote Christoph kehrt zurück mit der Entscheidung des Landgrafen und Briefen aus dem = von Anastasia und der Schwiegermutter. . .. Wolrad und Pistorius speisen bei Gültlingen, der morgen abreisen wil. Der Landgraf schickt 200 Taler, desgleichen kommen aus Nürnberg 300 Taler, die dem Perger zur Deckung seiner Ausgaben eingehändigt werden ?). „Philipp a Schabe schickt uns 4 Dukaten und 4 Taler.“ Verschiedenes Waldeckisches. Gebet.

12. März. Wolrad, Pistorius und Butzer TM über ein Schreiben an den. Landgrafen. Der Sekretär des Bischofs teilt. den hessischen Vertretern im Auftrage seines Herrn mit, daß dieser, weil vor Eintreffen der kaiser-

N Der kindliche Bericht S. 395 f

. A?) Da die hessischen Gesandten nicht mit eigener Wirtschaft sich einrichteten, sondern bei dem Bürger Perger sich eingemietet und in Kost gegeben hatten, so scheinen die Ausgaben größer gewesen zu sein. Jedenfalls ist davon oft die Rede in den Korrespondenzen. Ein genaues AUEBSNOFSDINUET findet sich in dem Fürstlichen al zu Arolsen. IE 22*

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lichen Antwort doch nicht verhandelt werden könne und dringende Geschäfte seiner warteten, abgereist sei, aber zurückkehren werde, sobald die kaiserliche Entscheidung eingetroffen sei; der Bischof bitte, daß man seine Abreise nicht falsch deuten möge. Pflug und Fürstenberg seien noch anwesend. Gültlingen reist ab. „Bei Magister Veit fand ich Pistorius, Butzer, Frecht, Volkhamer, Schnepff versammelt.“ Gebet!)

13. März. Butzer leidet an Heiserkeit und Schnupfen. Ex tribuno Hindelino ipse audivi: legato regio cum Caesare agenti ad hune modum occursum: an sit ei plena secum . agendi potestas a rege data? Legatum respondisse: maxime, quod attineat ad articulos pacis. Tum Caesarem reddidisse: nisi rex in praesens possit in odio habere omnes, quos ipse odio persequatur et in posterum sit persequuturum, quos de

= novo odisse incipiat, de reliquis nihil agi posse. His audi-

tis legatus abire coactus est. Der Kaiser verwies bald darauf alle französischen Kaufleute aus Belgien. De Caesaris in Malvenda(m) animo et fiducia in doctrinam ejus?)

Passi missitatores ad abbatem Sangallensem pertinentes quatuor . . . Primus gravandam fecit filiam suam, secundus duas sorores, tertius paleas vendidit rusticis pro frumentis, quartus oecidit puerum repetentem debitum et occisum in fornacem misit ignis. Grandia et gravia haec sunt, at de- fensorem habere dieuntur ex eis quendam abbatem.

„In Bologna predigt ein Dominikaner rein und uner- schrocken das Evangelium. Der Herzog von Florenz hat die Dominikaner ‚(wörtl. dominieastros) aus seinem ganzen Lande verjagt; aus welcher Ursache ist unbekannt’). Graf Otto von Rittberg und seine Genossen (complices) haben

1) An seinen Rat Milchling von Schönstadt schreibt Wolrad u. a. an diesem Tage: „Der Papst hat dem Kaiser Goldes genug gegeben, christlich Blut zu vergießen“ (Fürstl. Landesarchiv).

2) Über das Verhältnis des Kaisers zu Malvenda äußert sich Butzer in einem Schreiben an den Landgrafen (Lenz II S. 419) so: „So hat er sich selb auch nit eines geringen vermögens bei Kais. m. beichtvatter (Soto) und derselbig gar großes ansehens und vermögens nit vergeblith göruhmet.“ ` |

3) Pastor, Geschichte der Püpste V S. 569 f,

101 | 333 1546 in Antwerpen sich die Adern geöffnet, ihr Blut gemischt und so einen schändlichen Bund geschlossen. Den Land- grafen von Hessen hat er nicht einmal einer Antwort ge- würdigt.“ ` | Die Theologen beraten bei Veit Dietrich. Spaziergang mit Franziscus Stancarus zu den Holzschneidemthlen und | Eisenbämmern. Nota de Leonardo Celnii (?), qui a papatu ad nostros et a nostris ad papatum relapsus est. Gebet. „Es sollen zwei Abgesandte aus Trient hier eingetroffen sein, um den Bischof von Eichstädt zum Konzil zu berufen.“ 14. März. Pistorius predigt in der Herberge. Die Auditoren und Kollokutoren bringen. unter sich eine Geld- spende für Stancarus zusammen. Bei der Rückkehr aus der Franziskanerkirche, wo Zollner predigte, trifft Wolrad Pflug und Fürstenberg, die er in acht Tagen nicht gesehen. Zoch erzählt, „daß die Gesandten der Fürsten dem Kaiser in Maastricht die ihnen gegebenen Aufträge ausgerichtet hätten; dieser: habe sich aber höchst ungnädig in der Audienz gezeigt, und als die Rede auf den Erzbischof von Köln ge- kommen sei und daß die Unseren ihn nicht in Stich lassen würden, sei er in Zorn geraten und habe kein Wort mehr gesprochen.“ Zoch meint, er verberge jetzt noch seine Ge- danken, obwohl er zahlreiche Hauptleute zur Anwerbung von Soldaten ausgesandt habe. Gebet. Ex quadam epistola ad Venetias sub decembrem Roma(m) missa wird mitgeteilt unter der Überschrift: Le consol’) (il consiglio) de (1) Cardinal de Bari: quasi è dieto pro certo ...?, che quando nel 1530 si fecero le comitie in Augusta, essendo con Cesare il cardinal de Barri Spagnuolo ef veg- gendo, che il duca di Sassonia et il lantgravio eran due teste brave, consigliò sua maestà, che per ...? la cosa?) fosse bene far strangulare questi due bugiardi, quando gli fossero in. camera et all' hora gettando fuori d'alle finestre; che a questo modo gli altri . . .? Cesare non lo volle fare; pure bisogna, siano avertiti. | 1) Der Text ist fehlerhaft abgeschrieben: ich habe die Fehler, soweit sie sich erkennen ließen, verbessert. Wenn Einzelnes dunkel bleibt, so ist doch der Sinn des Ganzen klar. 2) Sinn: „um der Sache ein Ende zu machen.“

334 | 102

„Der Presbyter Johannes Viterbensis, Professor der Theo- logle in’ Wien‘), hat vor 30 Jahren einen Kommentar zur Apokalypse herausgegeben; darin teilt er eine alte Weissagung mit, die er in Genua in der Bibliothek eines Kardinals ge- fanden hatte und die, soweit ich mich erinnere, lautet: Et erit, quod principes Alemaniae pugnabunt contra sanctam sedem et ab ea deficient et eligent sibi ducem eontra Caesarem et cadit ad Coloniam Agrippinam uterque Caesar et tune erit in Alemania superiori, sieut est in Zug, Uri et Tigur. Haec verba sunt, quàntum memoria teneo. Curabo- autem, hue adferri vaticinium descriptum. ^ Quod' de utroque’ Caesare dieit, quidam intelligunt de: rege Ferdinando ei fratre Carolo. Haee magister Vitus Theodorüs.“ -

15. März. Wolrad feitigt Adrian von: foren: 'an den Landgrafen und in die Heimat mit- -Briefen und Akten ab. Butzer und Pistorius fügen Briefe‘ bei”). "Brenz und Butzer befinden sich nicht wohl. "Am Nachmittag. Ausflug naeh der Benediktinerabtei Prüfening "i in Gemeinschaft mit Georg Major, Volkhamer und Veit Dietrieh, wo sie auch Zoch, Pflug und den Abt von St. Emeram treffen. Der Abt von Prüfening nimmt seine Besucher freundlich auf, führt sie durch die Räume des Klosters und zeigt ihnen Sehens- würdigkeiten, darunter eine kostbare, kunstvoll geschriebene Handschrift. „Man sagt, daß dieser Abt, wenn auch kein Bekenner, so doch auch kein Gegner unserer Religion sei, was wir in der Tat auch aus einzelnen . anzeichen ent- n konnten.“ Gebet.

6. Mürz. Gallus predigt. Im Kloster Prüfening sah deu wie er hier nachträgt, 00g eine sorgfültig ge- schriebene hebräische Handschrift tabula ad duas ulnas longam altitudinis justae —, die ihm als Kommentar zum Buche Esther bezeichnet -wurde und sieh früher -in der jüdischen Synagoge befunden habe. Daß die Juden schon vor der Geburt Christi in Regensburg ansässig gewesen, be-

1) Gemeint ist zweifelsohne der Dominikaner und Magister sacri palatii Annius von Viterbo (1502), dessen Glossa’super Apocalypsim de statu praesenti usque ad finem mundi in Leipzig 1482 Ben wurde.

?) Lenz II S. 406 ff. der Bericht Butzers an den Landgrafen.

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zeugen hebräjsche Inschriften an den Häusern, an der Brücke und ‚den Mauern!) .Das Judenquartier befand : sich mitten in. der Stadt, Es wurde 1519 nach dem Tode Maximilians zerstört, und an. die Stelle. der Synagoge. die Kirche „Zur schönen Maria“ errichtet.. Aber die Stätte des. einstigen „Idols .der, göttlichen. . Maria“ hat jetzt . Christus inne?). -Wolrad . hatte. Nopp.. gebeten, zusammen mit Veit Dietrich und den übrigen, bei ihm zu speisen, . doch, kopnte er en Husten nicht kommen. Gebet. _

. Nota. de. Malvenda in Diazium Strophe qui omnia eoram: confessore eaesareo et auditoribus prodiderat. Luxani et Malvendae concertatio. de filia. legitima et 2m Malvendae.

Besuch des Savoyarden Claudius es. ve ... . AT. Mürz.. Die Regensburger lassen einen, der neben andern Vergehen.. .die. Lehrer der reinen Lehre und die Lehre selbst ‚gesehmäht hatte, aut. dem Markte am Pranger üffent- lich ausstellen.:und dann mit. Ruten peitschen*. Während dies geschah, sah man den. Delinquenten fortwährend. lachen. Besuch: von, Stancaras, Schnepff erzählt, daß die Grafen von Mansfeld, der Witwe Luthers 2000 Taler zur Erziehung ihrer Kinder geschenkt - hätten. Davon hat Wolrad auch aus Thüringen gehört.

: -Die , Sachsen. beriefen eine nb: in der ein Schreiben des . Kurfürsten. verlesen wurde. Der Magister Gregorius in. Meißen sendet Wolrad eine von ihm auf den Tod Luthers - gehaltene. Rede, ebenso Veit Dietrich drei Schriften über denselben Gegenstand.

3 Mit der DNE der Bia -wurde auch der Tadei friedhof verwüstet, die Grabsteine verschleppt und hier und da als Erinnerung eingemauert (Hugo Graf von Walderdorff, Regensburg in seiner Vergangenheit und Gegenwart 3. A. S. 65, 96, 247). Die Zahl dieser Inschriftensteine war damals natürlich beträchtlich größer.

?) Gemeint ist damit der Übergang dieser Kirche in protestan- tischen Besitz.

3) Oben I S. 158.

*) Cochläus bezeichnet ihn in einem Schreiben an Cervino (Friedensburg, Beiträge a. a. O. S. 606) näher als quendam catholicum, bonum virum et ministrum abbatissae superioris monasterii, und fügt hinzu, daß Julius Pflug und Graf Friedrich erfolglos eine Interzession beim Rat versucht hütten. |

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Der Bayer gibt den Marktverkehr mit Regensburg wieder frei. Gebet. Petrus Martyr war Abt in Lucca mit 1000 Gulden Einkünften. Jetzt verkündigt er in Straßburg das Wort Gottes: domini benignitate alitur, vir et vitae sanctitate et doetrina praecipuus. Der metator hospitiorum des Bischofs von Würzburg trifft ein.

18. März. Veit Dietrich predigt in der Kirche zur schönen Maria über Johannis 17,25 (ausführliches Referat darüber. Zum Schluß wandte er sich an die Regens- burger: adhortabatur, ut, cum omnipotens deus eos ab singulari quadam idololatria et omni diabolico cultu per verbum suum liberaverit ae verbi ministros pios ac doctos et recta erga deum et ipsos voluntate praeditos illis dederit, deo patri per Christum pro tantis beneficiis gratias agerent, in cognitione veritatis persisterent nec periculis imminentibus se terreri sinerent. Unum esse, qui cuncta possit. Über den Vortrag: rhetorieo quodam accentu semper fere immotus stans peroravit, ut praeter vel vocis strepitum vel eloquentiae arrogantiam facile ab omnibus et audiri et intelligi possit. Posthaec vocem remittens precationes fieri jussit ac eeclesiae benedixit.

Hans Knisler läßt einen Regensburger Bürger, der sich weigerte, Königliche ins Quartier zu nehmen, ins er fängnis werfen. Gebet.

| 19. März. Veit Dietrich tritt die Heimreise an. Wolrad begleitete ihn eine Wegstrecke (ad stadia plus mille); unter Segenswünschen nehmen sie Abschied. Ille domum iter arripuit, ego Ratisbonam me contuli, expectans, quid in nos loquatur dominus.

- Christoph erzählt Wolrad, daß sein Bruder Graf Johann von Waldeck, als er sich 1541 hier gelegentlich des Reichs- tags aufhielt und auf einem Spaziergange am Donauufer stand, plótzlich mit einem Stück Ufer in den Strom versank, aber durch Gottes Gnade von einem ihm befreundeten Adeligen, ohne Schaden erlitten zu haben, gerettet wurde.

Die Evangelischen frühstücken bei Sehnepff Später Beratung über die ernste Lage.

Juan Diaz, der in Neuburg den Druck eines Buches

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von Butzer (gegen Latomus) besorgt, schreibt und sendet das angefangene Bach. |

Joannem Diazium frater suus germanus a vera veritate abdicare conatus est ac eum Tridenti offerre satigit; quamob- rem per Bucerüm a nobis omnibus consilia petiit. Cum undique, deus coeli et terrae, nos angustiae circumvallarint, te humiliter oramus, ut angelum consilii ipsum missurus et miseribus nobis impartieris. Imo, o Jesu ipse consiliarius dei patris, adsis et qui apostolos tuos non esse sollicitos, quid loquantur, iussisti, mitte in his diebus spiritum tuum, qui, quid in hae hora loquamur, doceat.

20. Mürz. Versammlung der Evangelischen um 7 Uhr zur Verlesung der Protestation und wegen der Abreise der Sachsen. „Um 8 Uhr erscheinen, von den Unseren berufen, in unserer (d. h. der hessischen) Herberge der Kämmerer der Stadt Regensburg Andreas Wulff, Johannes Hiltner, der Stadtrichter Ambrosius Amman und Karl Gartner’). Wir teilten ibnen den Grund unserer Abreise mit und ver- fügten einiges über die Aktentruhe. Dann speisten wir alle bei Zoch und Major. Wir baten Julius Pflug. und den Grafen von Fürstenberg, uns eine Stunde für einen Besuch anzugeben; sie bestimmten uns demgemäß 2 Uhr nachmittags.“

Zu dieser Stunde begaben sich Wolrad, Zoch, Major, Butzer und Pistorius in die Wohnung Pflugs, wo auch der Graf von Fürstenberg anwesend ist. Zoch überreicht mit einigen einleitenden Worten das von Wolrad, Zoch und Volkhamer versiegelte Protestationsschreiben. Die Präsidenten antworteten: wenn wir damit einverstanden seien, so wollten sie, obwohl das Schriftstück auch an den Bischof gerichtet sei, es öffnen und lesen und dann zu passender Zeit uns rufen lassen und die Antwort geben. Darauf erwiderten die Unseren, der Inhalt des Schreibens sei ein derartiger, daß eine Antwort nicht nötig sei. Es wurde Wein gereicht. Dann entfernten sich alle bis auf Zoch und Volkhamer, die nach Instruktion ihres Kurfürsten noeh privatim mit Fürstenberg

1) In seinem handschriftlichen Diarium v. J. 1571 p. 107 gedenkt Wolrad dieser treuen Freunde der evangelischen Sache in Regensburg, er nennt ausdrücklich Amman nnd Wulff, die nun beide entschlafen seien.

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sich 'besprachen und Briefe desselben an den Bischof und an jenen: selbst überreichten. Darauf kamen sie in die. hessische Herberge und teilten mit, daß sie auf Befehl des.Kurfürsten abreisen. wtirden;. wenn .sie vielleicht von.:uns sich nieht ver- abschieden sollten, möchten wir das entschuldigen. .

Kaum hatten sich Zoch und Major entfernt, als die Präsidenten Pflug und Fürstenberg einen Doktor schickten, der vordem unsere Reihe verlassen hatte, und‘ den ‘Sekretär Fürstenbergs, die uns mitteilten, daß die Präsidenten das Schreiben gelesen hätten und Wolrad bäten, in einer halben Stunde mit wem er wolle im Dome anwesend zu sein.: Oder wenn.es uns lieber :wäre, so würden sie sieh in.der hessischen Herberge einfinden. .Die Sachsen. warden. von ,Wolrad -daza aufgefordert, doch lehnten sie ab. Daher begab er ‚sich mit Butzer, Volkliamer und Pistorius zum Dome, ` wo sie. die Präsidenten an der Eingangstreppe fanden. Sie. "traten in das Innere ein, und Pflug äußerte, daß er und sein Kollege das ‚Schreiben gelesen und aus demselben unsere Abreise entnommen. hätten; sie bedauerten das aus mehr als einem Grunde, vor allem darum, weil der Bischof und Fürstenberg dem Kaiser geschrieben, dab die protestantischen Koilokutoren versprochen hätten, die kaiserliche Entscheidung abzuwarten. „Auch möchten wir freundlich erwägen, was ‘dann werden solle, wenn wir abreiseten, und in welchen "bösen Verdacht sowohl die Prásidénten kommen mtißten; : als ob sie uns Ursache dazu gegeben, wie auch wir selbst.“ Multas prae- Aerea (ut vanum est:aulicoram en pus nobis technas Struentes. . . ege

: ‚Wir berieten. uns dus und eröffneten T dan durch Be für ihren guten Willen gegen uns-dankbar, aber.::eine: Änderung des Beschlusses sei jetzt..nicht mehr móglieh; Der Fürsten und unsere eigene Meinung sei schriftlich niedergelegt, .und.man habe schon mehr als genug unnütz Zeit vergeudet. :Jene versuchten von neuem, uns von unserem Entschluß, zu reisen, abzubringen; „das würde ihnen:und uns die Ungnade des Kaisers zuziehen, um so mehr da dieser oder seine Entscheidung in Kürze: hier sein würde. Noch anderes machten. sie geltend und. baten schließlich, daß wir ihre Bitte und ihren Rat an unsere Kollegen. bringen und

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ihnen morgen oder ‘später eine Antwort geben möchten: Indem wir sie in aller Höflichkeit um Nachsicht baten; vér- sprachen wir: zwar, ‘die Sache unseren Kollegen initzüteilen, äber : was ` geschehen sei, könne nicht: wieder t ungeselidhen gemacht werden: er QE ORE O0 A

‚Wolrad beruft daranfhin die. Sachsen und Volkhamer, Bützer,. Brenz, Sehnepff- und Pistorius zu sich zu. einer Be- ratung und. legt. ihnen die Wünsche “der Präsidenten. „Vor. Sie ‚lehnen einmütig- ab: se velle, et cogi juxta mandafum

principum. rescriptum . domum repetere. Np

i sd eU us pan 3 à . M S A w

- Nach idem gemeinsamen Mahl en ‚die Sachsen Iren Wagen und‘ traten die Heimreise an. BER N

"Hora ‚quasi nona post coenam Venit pater "omnium nostrorum, ‚qui nihil ob Christum detrectat, “d. "Martinus Bucerus nos valedicens, crastino Deo duce, qui ili in omnibus adesse velit, N euenburgami ad. Danubium profecturus. Sieque honesfissimum hoc sodalitium dissipatur. ` Dominus, totius firmamenti conditor, in omni loco dominationis ejus et hos ‚et, nos ‚gongervare dignetur. r

wies

. „Der König,Ferdin and hat en, einige d Unseren ins-Gefängnis. geworfen. -Die Ungarn. haben noch in keinem zugestimmt.. Der Mönch Uneda (?) hat unter. seinen Gónnern eine Umlage veranstaltet, wohei jeder e einen man Gulden pels tenente; ;

. Der kaiserliche‘ Vizekanzler. J oan von Nàves: ist in diesen Tagen von dem Kaiser an den Kurfürsten Friedrieh von der Pfalz entsandt; um diesen: im Auftrage des Kaisers zu’ eröffnen; daß er die Religion, die er jüngst angenommen, fahren lasse und vor ihm -auf dem Reichstage in Regensburg erscheine. Darauf erwiederte der Kurfürst freimütig: - habe schon seit mehrern Jahren auf eine Reformation :in Sachen der Religion gewartet, doch vergeblich,‘ jetzt' aber, in hohem- Alter; habe er die Religion, die er als die:'wahre erkenne, angenommen, und er werde weder um des Kaisers, noeh um eines Ändern Günst willen sie verleugnen; so sehr fühle er^sich dem allmächtigen Gotte für die währe: Er- 'kenntnis Christi zu Danke verpflichtet, Was den ‘Reichstag

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betreffe, so werde er sich als treuen Kurfürsten wohl zu verhalten wissen !).^

De eonsultatione habita super Diazii profectionem. Der Schlüssel zu der Truhe, in welcher die Akten des Colloquiums aufbewahrt sind, wurde Zoch zur Aushändigung an den Kurfürsten übergeben. |

21. März. Pistorius predigt in der Herberge vor einer großen Versammlung über das kananäische Weib, Hieronymus Nopp in der Dominikanerkirche über das Fasten. In der Morgenfrühe ist Butzer abgereist.

Die Präsidenten lassen bitten, wenn über ihren gestrigen Vorschlag beraten sei, ihnen dies mitzuteilen und eine Stunde zur Zusammenkunft anzugeben. Wolrad antwortet, daß er die noch Anwesenden heute nach dem Frühstück berufen und befragen werde.

Predigt des M. Gallus. Nota de obscenitate Mal- vendae ac Billicki?), quam ipse quaestor palatini prineipis Ottonis Henrici in mensa sua ab ipsis audivisset. |

Georg Volkhamer erhält einen Befehl von Nürnberg.

Bei zunehmendem Mond sah man diesen von einem zweiköpfigen Adler umschlossen, so daß dieser mit seinen Flügeln den Mond bedeckte, während das Haupt des Adlers über den Mond hinausragte und die Füße unterhalb des Mondes sichtbar waren, aus dem Herzen desselben aber das Licht des Mondes hervorstrahlte.

1) Friedensburg, Nuntiaturberichte IV S. 43 Bericht Verallos an Farnese. Dazu Hasenclever, Kurpfülzische Politik i. d. Zeiten des Schmalk. Krieges, S. 18 ff. - |

2) Wolrad traf hernach wieder in Augsburg 1548 mit dem .vnbilich Bilck“ zusammen und fragte ihn, wie es komme, daß er jetzt so mager sei, während er in Regensburg fett gewesen sei, und sich jetzt ganz schwarz kleide, wührend er früher über der schwarzen Kutte einen weißen Mantel getragen. Letztere Frage be- antwortete Billick damit, daß er sich auf Reisen befinde und das weiße Gewand nur bei feierlichen Anlässen trage (Augsburger Tagebuch S. 168). Auch seinem Gegner Malvenda begegnete er in der Tür bei Granvella. Jener, von Luxan auf Wolrad mit den Worten aufmerksam gemacht: Petre, iste est comes, qui rixebatur- nobiscum Ratisbonae, gab zur Antwort: Id erat tunc temporis, nunc omnia sunt pacifica Ebendas, p. 151).

109 341

Als die noch anwesenden Evangelischen um zwei Uhr in der hessischen Herberge versammelt waren, nämlich Wolrad, Volkhamer, Schnepff, Brenz und Pistorius, kamen Abgesandte der Präsidenten, ein Doktor Niger N. und ein Schreiber, die Wolrad privatim mitteilten: Wenn wir auf das, was sie gestern vorgeschlagen, zu antworten bereit wären, so erwarten sie uns jetzt, und es stände uns frei, sie innerhalb einer halben Stunde aufzusuchen. Wolrad erwidert dem Doktor freundlich: „Ich kann nicht leugnen, daß ich gestern im Dom von den Präsidenten

einige Aufträge erhalten habe, über die ich auch mit ` den übrigen unserer Partei verhandeln sollte. Da aber gestern der sächsische Auditor und Kollokutor und auch mehrere andere abgereist seien, so sei er nicht in der Lage, von sich aus eine Antwort zu geben, wie der Doktor ohne weiteres selbst einsehen müsse.“ Darauf der Doktor: „Das ist richtig. Wenn er also diese Entschuldigung selbst den Präsidenten klar mache, so würde er vielleicht der Sache nützen.“ Mit der Versicherung, daß Wolrad in einer halben , Stunde die Meinung seiner Kollegen einholen werde, wurden sie entlassen.

Wolrad, zu den Kollegen zurückgekehrt, erstattet Be- richt und bittet, daß man schlüssig werde. Frecht kommt hinzu. Schließlich einigte man sich dahin, „zwei Diener Wolrads zu Julius Pflug zu senden und diesem sagen zu lassen, daß Wolrad bereit sei, mit den noch anwesenden Evangelischen zu beraten und morgen die Antwort zu über- bringen; er bitte die Herren Präsidenten, sich diese Ver- zügerung gefallen zu lassen“.

Konrad Milchling und Konrad Offenbach werden mit dieser Mitteilung an den Doktor entsandt, der sie an die Präsidenten weitergibt, die zurücksagen lassen: „sie müßten allerdings sich darein finden, aber die Wichtigkeit der An- gelegenheit erfordere, daß sie dieselbe in ernsthafte Er- wägung nehmen.“

Währenddem berieten die Protestanten in der hessischen Herberge über ein an die Präsidenten zu richtendes Schreiben, desgleichen über ein Schreiben an den Regensburger Rat,

1) Bei Neudecker II S. 732 ff.

342 | 110

ferner: über. eine begründende Mitteilung der Abreise an die Prediger, über die Frage, wie sieh Wolrad verhalten solle, während die: Mehrzahl abgereist sei. In. dieser ängstlichen Ungewißheit -— anxii inter saxum .ae.lapidem glaubten einige, es sei besser, wenn der Graf so'sehnell als :möglich abreise, andere wünschten, daB er noeh einen oder. zwei Tage bliebe da kamen die Boten wieder, und nun klürte sieh die Situation: uno ore a nostris lata est sententja, ut quam : citissime Eubulus abiret, ne illis aliqua moliendi eausa daretur, hoe est, ut vel ipsi praesides nos in hospitio adirent vel eoram notariis protestationem aut ejusmodi (ut plenum fallaeiarum. est id hominum genus) quippiam molirentur. id- que ratum habere ipsi vellent, etiamsi nos isis qus nostris in incommodum cedere. possit.

„Walrad entschuldigt sieh bei Volkhamer, : daß er iin nicht, wie er gewollt, bis Nürnberg geleiten könne, und ver- abschiedet sich von ihm. Schnepff wird aufgegeben, den gemeinsamen Auftrag .an die. Regensburger Geistlichen aus- zurichten; Brenz und Pistorius sollen am andern Tage mit einem Teile der Dienerschaft,. den Büchern und. dem Gepäck in einem zu mietenden Wagen nachkommen. „Sofort. eilte ieh dann zu meinem Wirt Perger und eróffnete ihm den Grund meiner Abreise; das ganze Haus Perger. war. darüber tief betrübt. Die Gastgeschenke für die Frau meines Wirts und. die Familie bezahlte ich aus eigener Kasse, mit der Ordnung der übrigen Ausgaben betraute ich meinen Schreiber und Pistorius. leh lief) nun sechs Pferde reisefertig machen, ging in. der Begleitung von Frecht, Perger, Pistorius und Cornelius, dem Diener Butzers, zu Fuß über . die steinerne Brücke vor dem. Tore, und bestieg an einer bestimmten Stelle das Pferd. Hier erfolgte der Abschied von den . Freunden.“

. Sie,. solutum. est Ratisbonae honestissimorum virorum sodalitatis quod,. precor, pater domini: et liberatoris nostri Jesu Christi, . quemque pro sua vocatione, ad nominis sui gloriam,. Germaniae commodum ‚et multarum ae nostrarum animarum profectam misericordia sua ef bonitate. incolume servare dignetur. Amen. Z

Um acht Uhr trafen sie vor dem Städtchen Bein ein, wo sie die Tore schon geschlossen fanden.

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Perger war ersucht worden, das von Wolrad und' Volk- liamer versiegelte Schreiben zu überreichen, in welchem den Präsidenten der Grund der Ablehnung ihrer Bitte und die Ursache unserer Abreise eröffnet sind und: der Wunsch‘ aus- gesprochen ist, daß sie dies sowohl bei dem Kaiser: (quod vix credi potest) -als bei sich selbst in Gutem: aug möchten‘). Gebet. | |

Petrus Malvenda Sorbonista, Billicius ` camelia Hoffmeisterus- diaboli agonotheta, Cocleus Balaamita [Ratisbonae degunt], hos, o cultor dei, devita. Es `- = 22. März. In Hemau, wo Wolrad die übrigen Begleiter erwartet; hat die Pest im vergangenen Jahre gewütet und lebt jetzt wieder auf. Horrida bella, fama malesuada et noxia pestis sunt pericula populo maxima, Christe, tuo.

Eine Anzahl Sprichwörter, Wahlsprüche und Verse in ‘lateinischer, deutscher. und griechischer Sprache. E

Daran schließt: Brentius de discessu suo: Te laudamus, domine, quod vincula solveris palam nostrorum, qui con- structi erant fraudibus et malitiis improborum, papae et asseclarum Ratisponae. Auf dem Altar vor den- Chor- sehranken beachtete Wolrad als monumentum nostrae reli- gionis: eine Darstellung des heiligen Abendmahls. An den Seiten waren die Einsetzungsworte geschrieben, rechts: „In der Nacht usw.“, links: „Desselbigen gleichen usw.“

Bénedietus deus, qui me cum meis Ratisbonàm hine et a Ratisbona hue incolumem servavit. " E

- Um zehn Uhr treffen Brenz und Pistorius mit dem Gepäck und der übrigen Dienerschaft ein. Sie berichten folgendes: nach meiner Abreise sei Georg von Luxan in der hessischen Herberge erschienen und habe nach mir ge- fragt. Man antwortete ihm da zuerst, daß ich auf das Land geritten sei und-zur Mahlzeit wieder zurück sein würde, dann aber wurde durch den inzwischen zurückgekehrten Pistorius der wahre Sachverhalt bekannt gegeben. - Luxan begab sich darauf zu den- Präsidenten, kehrte dann in Begleitung des Bürgermeisters Andreas Wulff'und des Richters Ambrosius Amman zu Pistorius zurück und protestierte mündlich und

1) Urkundenbuch; Neudecker II S. 736 ff.

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schriftlich gegen die Abreise Wolrads. Da Pistorius er- widerte, daß er den Protest nicht annehmen noch die Ge- nossen zu einer Beratung berufen könne, wie Luxan ge- wünscht hatte, da er keine Vollmacht dazu habe, so legt Luxan das von Pflug und Fürstenberg unterschriebene Schrift- stück!) auf den Tisch nieder und entfernt sich.

23. März. Gegen Abend Ankunft in Nürnberg. Pistorius und Brenz suchen sogleich Veit Dietrich auf. Zwischen Feucht und Nürnberg begegnete ihnen ein Wagen mit Kisten und Gepäck Granvellas. Gloria tibi, pater, gloria tibi, domine, gloria tibi sanete, quoniam tua est omnis potestas in coelo et in terra. Cohibe Tuream et papam eum assecla suo Carolo, ut eeclesiae tuae parata perma- neant domieilia, in quibus verba tua saneta doceantur et instituantur. |

An diesem Abend besuchte uns niemand aus Nürnberg. Der Kaiser soll mit 400 Reitern die Diözese des Erz- bischofs von Köln verwtisten und Krieg und Expedition nach Tunis und Algier gegen die Türken vorbereiten.

24. März. Predigt Veit Dietrichs in der Sebalduskirche. Der Fuhrmann, welcher Pistorius und Brenz für 9 Gulden, d. h. 8 Taler von Regensburg nach Nürnberg gebracht hat, will nieht weiter fahren. Wolrad, Brenz und Pistorius be- riehten an Zoeh und Major über die Vorgünge in Regens- . burg seit deren Abreise. Ausgegeben sind für den Auf- enthalt in Regensburg vom Landgrafen 856 Taler, dazu noch 2 Taler an Perger für Ausgaben und Müheleistungen. Der Rat von Nürnberg beschenkt Wolrad, Brenz und Pistorius mit Fischen und kredenzt ihnen italienischen und Rheinweiti.

Brenz lädt den Abt von St. Aegidien?) zum Frühstück.

Er überreicht Wolrad schriftlich consilium suum de accordandis concionatoribus nostris. Es erscheint auch Andreas Osiander.

!) Urkundenbuch.

2) Friedrich Pistorius, der letzte Abt des Schotten-Benediktiner- klosters zu St. Agidien, gest. 1553. Er war an der Reformations- geschichte der Stadt beteiligt und stand in Beziehungen zu der nieder- sächsischen Reformation (G. A. Will, Nürnbergisches Gelehrten- lexikon III S. 201 ff).

113 345

Bei Wolrad speisen Hieronymus Baumgartner, der Abt Friedrich von St. Aegidien, Andreas Osiander, Veit Dietrich und Michael Roting.

Der Rat läßt durch Baumgartner seine Bereitwilligkeit, Unterhaltung zu bieten, aussprechen. Dieser lädt für den folgenden Tag zum Frühstück, doch konnte die Einladung wegen der Abreise nicht angenommen werden.

Der Goldschmied Rötger zahlt den hessischen Abge- sandten im Auftrage des Landgrafen 500 Taler aus. Davon empfängt Wolrad für Auslagen 40'/, Taler. Für 13 Taler weniger 6 Batzen kauft er 20 goldene Ringe ein. Auch andern Schmuck erwirbt er (hauptsächlich wohl für die Braut). f

Wolrad schenkt Baumgartner die Schrift Butzers gegen Latomus. Osiander lädt ihn zum Mittagsmahl ein, doch kann er wegen Unwehlsein nicht Folge leisten. Er macht die Bekanntschaft des Freiherrn Christoph von Schwarzenberg.

25. März. Die auf diesen Tag festgesetzte Abreise verzögert sich dadurch, daß der für Pistorius und sein Ge- päck bestimmte Wagen mehrere Stunden warten läßt.

An Zoch und Major wird ein Bote abgesandt. Johannes Brenz verabschiedet sich: ad ecelesiam suam rediturum reli- quimus, dominum pastorum precantes, ut ejus curam habere propitius ad ipsius dei gloriam et ecclesiae profectum dig- netur.

Weiterreise, zuerst unter dem freien Geleit des Mark- grafen von Brandenburg, dann des Bischofs von Bamberg. Gebet.

26. Mürz. Jenseits des Maius beginnt das Geleit des. Kurfürsten von Sachsen, Gegen sieben Uhr abends Ankunft in Koburg. Arcem habet situ et loci amoenitate pulcherrimam. Die Veste erinnert Wolrad daran, daß hier einst der von Götz von Berlichingen unter harten Bedingungen frei- gegebene Graf Philipp IL, sein Großvater, nach unwürdiger Gefangenschaft erste Pflege fand!). Gebet.

1) Vgl. oben I S. 140 und Varnhagen, Waldeckische Landes- und Regentengeschichte II S. 113. Archiv für Reformationsgeschichte. VII. 3. 93

(346 | 114

27. Mürz. Die Absicht war, am Abend noch Rudolstadt zu erreichen, doch zwang die Ermüdung der Pferde in . Grebenthal zu übernachten. Wegen des Gerüchts, daß sich bei Schleusingen 300 Reiter gesammelt hätten, waren in der Pflegschaft Koburg die Fallgitter der Tore herabgelassen.

Die Nähe Rudolstadts läßt in Wolrad die Gedanken an seine Braut stärker werden. Er faßt sie in ein Gebet:

Domine deus, qui tuo ore verbum hoc protulisti, non esse bonum, hominem esse solum, primoque mortalium Evam adjunxisti, adesto propitius conatibus meis, et qui hactenus utrosque servasti incolumes, nune auxilio sis, o pater, ut coepta perfieiantur. Da, reliquum vitae in matrimoniali castitate cum ea, quam de tua misericordia mihi ostendisti, ad tui nominis gloriam, eorum, quos dedisti mihi, profectum et animulae meae salutem per eum, in quo nos te exaudi- turum promisisti.

28. März. „lch gelange von Grebenthal nach Rudol- stadt und treffe durch Christi Gnade die Frau Mutter (Schwiegermutter) und ihre Töchter gesund.

Benedietus sis, domine, cui omnia ex voto nobis con- tingere benigniter dedisti (setzt sich fort).

29. März. Pistorius predigt in Rudolstadt über Römer 1,16. Gebet.

30. März. Der gräfliche Pfarrer Albertus predigt in der SehloBkapelle. Während der Predigt wird die Braut von Kopfschwindel erfaßt, so daß sie kaum noch aus der Kapelle hinausgeführt werden kann. Wolrad frühstückt mit der Mutter und der Schwester Amelia. Danach ver- abschiedet er sich von der Braut und ihren Angehörigen und setzt mit Pistorius unter dem Schutze einiger schwarz- burgischer Berittenen die Reise fort. Übernachten im Dorfe Mühlenburg bei Erfurt, wo ein Fuhrmann erzählt, daß der Landgraf mit 500 Reitern nach Frankfurt a. M. aufgebrochen sei, um in Rheinfels mit dem Kaiser zusammenzutreffen.

31. März. Sie passieren Gotha, und es bietet sich ihnen miserum spectaculum, die Trümmer verbrannter Burgen. Desgleichen Menschen, die Steine zur Bereitung von Kalk graben. In Kreuzberg an der Werra erhält Wolrad die

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sichere Nachricht, daß der Landgraf sich zum Kaiser be- geben habe.

Der kurfürstliche Hauptmann Georg Harstal schickt als Ehrentrunk eine Kanne Torgauisch Bier, „welches der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen sehr liebt“; bald erscheint er auch selbst in Begleitung zweier adliger Herren. Er erzählt, daß Erasmus Kumentz, der zu der Deputation der protestantischen Fürsten an den Kaiser gehörte, ihm berichtet habe, daß sie von diesem freundlich angehört und behandelt seien; er habe dagegen protestiert, daß ihm je in den Sinn gekommen sein sollte, Deutschland, sein Vaterland, mit Krieg zu überziehen; mit Besorgnis erfülle ihn, daf die protestantischen Fürsten seiner Milde mißtrauten; sein ernstes Bemühen sei immer dahin gegangen, die fürchterlichen Un- ruhen (horrendos tumultus) welche aus der Religionssache entstanden seien, zum Heile Deutschlands auf irgendeine Weise beizulegen. In dieser Angelegenheit werde er sich jetzt auch zu dem nach Regensburg berufenen Reichstag begeben, und er wünsche, daß alle Fürsten, vor allem die Kurfürsten, wie es ihre Pflicht ist, dort erscheinen. Nam si de bello inferendo Germaniae cogitare voluiss...

[Hier bricht das Tagebuch ab; die drei folgenden Blätter sind herausgerissen; das Gebet, mit welchem das Tagebuch geschlossen hat, findet sich jedoch im handschriftlichen Diarium vom Jahre 1571 unterm 23. März. Auf der inneren Seite des Pergamentumschlages stehen noch von Wolrads Hand die Worte: „Alleyn Godt sye ere“.]')

') Aus dem mehrfach angeführten Urkundenbuche Wolrads werde ich einiges später folgen lassen.

23*

Mitteilungen.

Karlstadt und Glitzseh. Barge schreibt in. seinem Karlstadt Bd. 2 S. 98, 99: dem eifrigen Bemühen Herzog Johanns gelang es, einen gütlichen Ausgleich zwischen Karlstadt und Glitzsch zustande zu bringen: dieser gab seine Ansprüche auf das Orlamünder Vikariat auf gegen die Vertröstung, anderweit entschädigt zu werden, und bemerkt dazu in der Anmerkung: die bisher unbekannte Tatsache, daß Glitzsch förmlich auf seine Orlamünder Stelle verzichtet hat, ergibt sich aus dem Schreiben Glitzschs an die Universitát vom 4. April 1526, das dann in den Anlagen abgedruckt wird. Das ist ja soweit ganz richtig, aber es ist möglich, noch etwas tiefer einzudringen. Die im folgenden abgedruckten zwei Urkunden gewühren genaueren Einblick in die Vorgánge, wie sie sich damals zwischen. Karlstadt und Glitzsch abgespielt haben, nicht ohne Schwierigkeiten ist schließlich der Aus- gleich zustande gekommen. Anläßlich archivalischer Ordnungsarbeiten bin ich auf beide Stücke gestoßen, sie finden sich im Sachsen-Erne- stinischen Gesamt-Archiv zu Weimar in Kopialbuch A 3 auf fol. 22b und 65b und in Kopialbuch A 6 auf fol. 13 und 33 in gleichlautenden Abschriften. Die erste Urkunde, der Vertrag vom 9. April 1522, lautet:

Von gots gnaden Wir Johans hertzog zu Sachssen etc. thun kuntt, Nachdem zwischen dem wirdigen und hochgelaretten Ern Andreas Bodenstayn doctor und archidiacon der Stifftkirchen aller gottes heiligen zu Wittenbergk an einem und Ern Conraten Glitzsch pfarrer zu Orlamunde andernteyls der pfarren daselbst und etzlicher hinterstelligen versessen pension halben Irrung und zwitrecht gehalten Derhalb sie vor unsere Rethe, nemlich der Doctor durch seinen geschickten anwalden Casparn Teuschel Bürger zu Wittenberg und gnantter pfarrer personlich uff heut dato zu gütlicher handlung erschinnen, Als haben wir sie durch gedachte unsere Rethe nachvolgender meynung mit Irer beyder seits be- willigung vortragen lassen, und nemlich, Dieweil sich gnantter Magister Conradus pfarrer zu Orlamunde, mercklicher abgenge, so der pfarren bescheen sollen, beclagt, derwegen er dieselb umb ein pension nit bedacht lenger zubehalten, Sundern dem doctor, So er widerumb init einem schlechten lehen, oder mit dem so er zuvor zu Wittenberg gehabt versehen möcht werden, auffzulassen, und daneben angezaigt, wie er einen wüste, der zum pfarrer und selensorger mit predigen und sunst geschickt, und gnaigt were die pfarre anzunemen, Inen auch mit einem lehen zu contentiren wo gedachter doctor sein willen darzu geben und verleihen wöllt, Ist abgeredt, das er mit Ime der resignacion halben wege treffen, und dem doctor denselbigen namhafftig angeben sol, wo er dan vom doctor und an deren, die es zethun haben, tüchtig und ge- schickt befunden und der doctor der pension halben mit Im einig

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und zu einem vicarien angenommen. oder aber, ob er gleich nicht angenommen wirdt, sol gleichwol vil gnantter magister Conradus die berürtte pfarre uff michaelis schirstkunfftig ane wegerung verlassen, So wollen wir uns, wo sich mitler weil oder nach michaelis ungeverelich ain geistlich lenichen verledigte, das unser lieber bruder und wir zuverleihen hetten, und von Im angesucht würde, gegen Ime gnediglich erzaigen, Aber der hinterstelligen verseBen pension halben und soviel der nüen vollent bi auff michaelis sich vertagen wirdett, dorfür sol der magister doctor Carlstaden achtzig gülden geben, und nemlich zehen fl. itzt bar über, und zweintzig gulden acht oder ungeferlich vierzehen tage nach Ostern schirst, aber darnach auff Laurentii nagst soll er Im XXV fl. und die überigen XXV fl. auff michaelis volgendt an allen behelff schutz ader gegenrede bezalen und vergnügen, und sollen hirmit derselbigen Irer Irrung gentzlich geaynt, geschieden und vertragen sein und pleyben, welchs sie auch, nemlich der an- waldt doctor Carolstadts und der magister unsern Rethen also unverbrüchlich zuhalten und zuverfolgen mit handtgebender trewe zugesagt. Zu urkundt etc. Geben zu Weymar am mitwoch nach Judica anno düi XVC XXII.

Unstreitig war dieser Ausgang des Handels für Karlstadt recht günstig: unter allen Umständen sollte Glitzsch die Pfarre Orlamünde zu Michaelis 1522 räumen, vermutlich ist es hauptsächlich die fürst- liche Vertróstung auf ein anderes erledigtes geistliches „Lehnchen“ gewesen, die ihn auf die Sache eingehen ließ. Die verhandelnden Ráte werden in der Urkunde nicht genannt, wir haben sie aber zweifellos in Dr. Johann von der Sachssen und dem Kanzler Gregor Brück zu suchen, die in anderer Sache am gleichen Tage amtierten.

Nachträglich tauchten bei Glitzsch aber doch Bedenken auf; trotzdem er den Ráten mit handgebender Treue soeben in Person zu- gesagt hatte, den Vertrag unverbrüchlich zu halten und zu verfolgen, trat er, wohl aus wirtschaftlichen Gründen, nun mit dem Wunsche hervor, bis zum I. Mai 1523 in Besitz der Pfarre bleiben zu dürfen. Infolgedessen kam es zu neuem Zwiespalt zwischen den Parteien, eine neue Verhandlung vor Herzog Johann Friedrich folgte, deren Resultat wiederum urkundlich vorliegt. Dieses zweite Abkommen vom 14. Ok- tober 1522 lautet:

Von gots genaden wir Johans etc. bekennen etc. nachdem die hochgelarten und wirdigen unsere lieben andechtigen Andreas bodenstain von Carolstadt, der hailigen schrift doctor und archi- diaconus zu Witenberg, und Magister Conradus Glitzsch so ein zeitlang sein vicarius zu orlamunde gewest uber unserer Rethe vor aufgerichten vortrag widerumb zu zwiespeld erwachsen, So seind sie derselbigeu durch deu hochgeborenen fursten herrn Johansen Friedrich hertzogen zu Sachssen etc. unsern lieben Son auf heut dato inmassen wie volget widerumb vortragen worden, Und also nachdem Magister Conradus gebeten, das In der doctor bid auf walpurgis schirsten in der pfarren leiden wold auf das er sein getraid und anders zu seinem besten unterbrengen mochte, So hat doch der doctor solchs nit vorwilligen wolleu dan mit diesem beschied, und nemlich zum Ersten, wo Magister Conradus Ime die funfundzwantzig gulden welche auf nechst vorschinen michaelis vortagt auf sontag nach Lucie schirst an gelde ader wo er solchs zutbun nit vermóchte, an getraide ader wein in dem

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kaufe und wert wie das itzo des orts ist nach erkentnus frommer leut, dofür geben wirdet. Und zum andern, wo er ime xl fl. pension von dem halben Jar biß auf walpurgis schirstkünftig geben und dieselb halb das seind xx fl. an ausstendigen gewissen gelt zinsen und die andere xx fl. an getraide in dem werd was es itzo doselbst gelten ist durch In selbst ader seinen procuratoren zu- heben und entpfahen zwuschen itzt und weynachten vorgnugen wirdet. Was aber die kosten so Magister Conradus zu bestellung der wintersahet aufgewand belanget des sollen sie sich durch vier menner der yeder zween geben sollen entschaiden lassen. Ob sie aber zwuschen itzt und walpurgis schirstkünftig durch die an- gezaigten menner darmit nit vortragen oder sich selbst entscheiden würden So soll Magister Conradus auf walpurgäs wie berurt nichts desterweniger ohne solche und alle andere eintrege ader behelf die pfarr reumen und verlassen In allermassen wie nechst michaelis hat beschehen sollen und angezaigter kostung halben, wo sie der nit vortragen entzwer vor uns ader unsern Rethen ader aber unsern darzu gegeben Commissarien weißung und entlichs ent- schiedes gewarten Und hiemit derselbigen Irer irrung gentzlich gericht und voraynt seint und pleiben und durch kainen tail dorwider gehandelt ader einrede furgewand werden. Wir bevelhen auch hiemit unserm Schösser zu Leuchtenburgk, das er den doctor bey diesem unsern schied handhaben und so im der magister abermals nit zuhalten würde, Ime zu seiner habe und gutern auch wider diejhenigen so zinß ader anders schuldig schleunigklich vorhelfen und sall sunst bey vor aufgerichten vortrage was die vortrostung belanget so wir bemelten magister eins gaistlichen lehns halben gethan pleiben ohne geferde. zu urkund etc. dinstags nach dionisii anno uts.

Die gegen Ende der Urkunde deutlich ausgedrückte Befürchtung de Regierung, daß Glitzsch auch diesen Vertrag nicht halten werde, ging nicht in Erfüllung, im Sommer 1523 nahm Karlstadt seine Tätig- keit in Orlamünde auf. Johannes Trefftz.

Neuerscheinungen.

Forschungen und Darstellungen. In seiner Rede zur Calvinfeier der Universität Königsberg feiert A. Dorner Calvin als den originalen Geist, der mit dem Bewußtsein der Erwählung, mit der zentralen Gesinnung, die alles auf Gottes Ehre bezieht, die freie Betätigung im Gebiete der Kultur verbnnden, Konzentration mit dem Interesse am Welt- und Kulturleben vereinigt hat. „Die Persönlichkeit, die sich durch das innere Zeugnis des Geistes in Christus erwählt weiß Gottes Ehre in der Welt zu verkünden, im Gebiet der gratia universalis sich zu betätigen, die sich ihrer vollen Verantwortlichkeit und Gebundenheit an das göttliche Gesetz und an das Gesetz ihrer Vernunft im Gebiet der weltlichen Sittlichkeit bewußt ist, das ist der Kern seiner Überzeugung.“ Auch der fortschreitenden Erkenntnis aber sich zu bemächtigen hat der Calvinismus sich fähig gezeigt; auf seinem Boden ist die Toleranz erwachsen, die Trennung von Kirche und Staat soweit durchgeführt worden, daß der Staat die Gewissen

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frei gab. Gerade das Calvinische Prinzip, daß jede Persönlichkeit nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, habe für ihren Glauben einzutreten, mußte schließlich zur Anerkennung der staatlichen Toleranz führen. Königsberg, Aderjahn’sche Buchh. 21 S. M. 0,75.

Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis und die Kreis- verfassung bis 1512. Leipzig. Heinsius 1909. XI, 226 S. M. 7.— (Berbig, Quell. u. Darstell. X). Die sehr verdienstliche Arbeit, die z. T. auf urkundlicher Grundlage beruht (Staatsarchive Magdeburg und Hannover, Landesarchiv Wolfenbüttel, Stadtarchiv Göttingen), be- trachtet einleitend die Kreisverfassung bis Ende 15. Jahrh., sodann die nümliche in der Periode der Reichsreform (bis 1526) mit besonderer Rücksicht auf die Enstehung des niedersüchsischen Kreises, worauf weiter dessen vorübergehende Wirksamkeit im Rahmen der Reichs- kriegsverfassung (bis 1541), endlich mit besonderer Ausführlichkeit die Begründung der dauernden Organisation des niedersáchsischen Kreises i. J. 1542 zur Darstellung kommt. Als Beilagen sind abgedruckt der Entwurf des EBlinger Reichsregiments über die Türkenhilfe von 1526 und der Niedersächsische Kreisabschied zu Helmstedt vom 2. Juni 1542. Für die Organisation des Reichs während der Reformationsperiode insbesondere in militärischer Beziehung bringt die Arbeit, die wesent- lich neue Pfade einschlägt, wichtige Aufschlüsse.

K. Vólker, Der Protestantismus in Polen auf Grund der einheimischen Geschichtschreibung. Das G. Loesche ge- widmete Werk ist literarhistorischen Charakters; es behandelt die polnische Geschichtschreibung über den dortigen Protestantismus, von Freund und Feind, bis zur Gegenwart; die Einleitung würdigt all- gemein die polnische Reformation. Bis gegen Ende des 18. Jahr- hunderts wesentlich konfessionell orientiert (wobei zusammenhängende Darstellungen nur von protestantischer Seite vorliegen), zeigt die Ge- schichtschreibung über die polnische Reformation erst seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts einen wissenschaftlichen Charakter. Zum Schluß ge- denkt Verf. Kurz der außerpolnischen neueren Geschichtsliteratur über die Ref. in Polen, Leipzig, Hinrichs 1910. VIII, 239 S. M. 6 (geb. M. 7).

Ludwig von Pastor, Geschichte der Pápste seit dem Ausgang des Mittelalters. V. Bd.: Paul III. (1584—1549). 1.—4. Aufl. Frei- burg i. Br., Herder, 1909. XLIV,851 S, Der Band bildet mit dem IV., der die Ponfikate Leos X. und Klemens! VIT. behandelt das Adrians VI. erscheint ja nur als Intermezzo —, eine Einheit, sofern die Stellung dieser Päpste zur Ref. den Schwerpunkt bildet. Jetzt erkennt man erst recht, daß diesem vorläufig bedeutendsten Teile der Pastor'schen Papst- geschichte eine große Konzeption zugrunde liegt: unter den beiden Mediceerpüpsten Gleichgültigkeit oder Unterschützung der reforma- torischen Bewegung oder unzulüngliche Versuche, ihr zu wehren, und im großen und ganzen Fortdauer des alten Schendrian, unter Paul III, die ,wahre", die „katholische“ Reformation, ausgehend von dem schon vorher entstandenen ,Oratomum der góttlichen Liebe*. Dieser Gründung wird meiner Meinung nach eine zu grofe Bedeutung bei-

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gemessen; Spahn in seiner Cochläusbiographie ist ja auf diesem Wege vorangegangen. Aber darin hat Pastor wohl Recht, wenn er immer wieder die Aufrichtigkeit, Lauterkeit und Energie der Reform- absichten Pauls III. und seiner Berater betont. Wir haben sie bisher doch wohl zu sehr mit den mißtrauischen Blicken der Reformatoren angesehen. Jedenfalls haben wir allen Grund, uns gerade mit diesem Band eingehend zu beschäftigen. Die Vorzüge, die das Werk aus- zeichnen, treten natürlich auch hier wieder hervor: die sorgsame Verarbeitung des überreichen Materials, die klare, ruhige, alle Effekt- hascherei verschmähende Darstellung, das wohlüberlegte, vor Über- treibungen zurückschreckende Urteil. Ein paar kleine Nachträge seien gestattet: S. 267 Anm. 2 wäre eher der lateinische Originaldruck zu nennen gewesen: Consilium admodum paternum Pauli III. Pontificis Romani datum Imperatori in Belgis per Cardinalem Foernesium Ponti- ficis Nepotem pro Lutheranis Anno 1540 et Eusebii Pamphili eiusdem consilii pia et salutaris explicatio (Zw. R. S.B. I. XI. 13,; Reusch, Der Index der verbotenen Bücher I 290%. S. 664 hätte die Ver- öffentlichung von Flacius herangezogen werden können: Bulla de re- trahendo populo Dei in ferreum Aegiptiacae servitutis fornacem, Magde- burgae 1549 (Zw. R. S. B. VIII. VIII. 21,; eine deutsche Übersetzung erschien Magdeburg 1550: Preger, Matthias Flacius Illyricus II 517), Unberücksichtigt ist auch folgende Satire geblieben: Pauli III. Roma- norum pontificis ad clerum citatio generalis per omnes partes mundi missa. Consilium collegii cuiusdam de mandata dimissione concubinarum solliciti . . . (Zw. R. S. B. VI. V. 5, und XVI. XI.16,, zwei verschiedene Drucke; das Consilium, etwas verändert, auch in Flacius’ Varia doctorum piorumque virorum de corrupto ecclesiae statu poemata ante nostram aetatem conscripta, Basileae 1557, p. 371—377). O. Clemen.

H. Stoeckius, Forschungen zur Lebensordnung der Ge- sellschaft Jesu im 16. Jahrhundert. I. Ordensangehörige und Externe. Verf. untersucht das Verhältnis zwischen den Ordens- angehörigen und Externen, um festzustellen, daß dies Verhältnis auf dem Grundsatz der Trennung beruht; es handelt sich um grundsätz- liche Fernhaltung der Einwirkung der Außenwelt von den Ordensan- gehörigen. Wie dies Prinzip den Externen gegenüber gehandhabt wird im Ordenshause, in den Konvikten sowie außerhalb, zeigt die Unter- suchung im einzelnen, München, C. H. Beck 1910. VIII, 57 S. M. 2.—.

K. Benrath, Neue Briefe von Paolo Sarpi (1608—1616) nach den im fürstl. Dohna’schen Archiv aufgefundenen Originalien. Über seine Funde hat Benrath bereits in der HZ 102 S. 568 ff. Bericht er- stattet. Er bringt die Briefe nun zum Abdruck; es sind 41 Stück an den Burggrafen Christof von Dohna, wozu noch ein paar Anhänge verwandter Briefe. Die Einleitung verbreitet sich über die bisher be- kannt gewordenen Briefe Sarpis und dessen Beziehungen zu den Dohna. Leipzig, Haupt 1909. 104 S.; der Preis (6 M.) ist auffällig hoch.

Die Wittenberger Bewegung 1521 und 1522.

Von Nikolaus Miller. (Fortsetzung.)

20. Lorenz Sehlamau.!)

In einer Urkunde von 1487 und in einem Brief von 1521 nennt er sich Slamowe.?) Seine Heimat war Belzig.5) Im Sommersemester 1465 lief) er sich an der Hochschule zu Leipzig intitulieren*), wo einige Jahre vorher und nachher noch zwei andere Träger seines Namens, vermutlich seine Brüder, immatrikuliert wurden?) Falls Schlamau als Student bloß die Leipziger Universität besuchte, erwarb er sich wahr- scheinlich hier den Grad eines Bakkalars des kanonischen Rechts, in dessen Besitz der in den Verband der Witten- berger Hochschule Aufgenommene alsbald erscheint.) Oder sollte er diese Würde im Wintersemester 1502/3 zu Witten- berg erlangt haben und e bei der Reinschrift der Matrikel seinem Namen beigefügt worden sein? Zwar ge-

denkt Christoph Scheurl in einer 1507 gehaltenen Rede

1) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 24, 26, 58, 61, 66, 3. Heft S. 1, 2, 18, 38, 34, 41, 42, 50, 4. Heft S. 26, 29, 71, 7. Jahrg. 2. Heft S. 65, 66, 73.

2 Vgl. Meissner, Descriptio Ecclesiae Collegiatae Omnium Sanctorum Wittebergensis p. 74, vorher 2. Heft S. 66.

3) Die Leipziger Matrikel nennt „Beltz“ und die Wittenberger

„belthicz“. Vgl. Erler, Matrikel 1. Band S. 249, Foerstemann, Album p. 2. Irrtümlicherweise bezeichnet Erler a. a. O. 3. Band S. 46 als Schlamaus Heimat Beelitz.

4) Vgl. Erler a. a. O. 1. Band S. 219.

5) Im Wintersemester 1461/2 Martin Slainaw [sic] und im Sommersemester 1472 Anton Schlauman [sic]. Vgl. Erler a. a. O. S. 230, 286. Anton Schlamow war um 1492 Schósser in Belzig Vgl. Weimar, Reg. Kk Nr. 1411.

9$) Vgl. Foerstemann |. c.

Archiv für Reformationsgeschichte VII. 4. 24

354 2

des „Doctor Artium et Decretorum“ Sehlamau!?) aber die Dekanatsbücher der zunächst in Betracht kommenden Leip- ziger und Wittenberger Artistenfakultäten verzeichnen ihn nicht als Magister artium?).

Schon vor dem 31. August 1487 erlangte Schlamau ein Kanonikat im Kollegiatstift der Wittenberger SchloBkirche.?) Dazu übernahm er in einer für Wittenberg sehr kritischen Zeit das Pfarramt an der dortigen Stadtkirche. Im Jahre 1486 war nämlich zwischen dem Kollegiatstift und dem Pfarrer Clemens Goldhayns ein heftiger Streit aus- gebrochen, weil der letztere entgegen der Bulle des Papstes Bonifacius IX. vom Jahre 1400, die die Stadtkirche der Schloßkirche einverleibt hatte*), den Stiftsherren „sein jar Rente, pension vnd anders, das sye von der pfarre jerlich haben sollen, lenger dann zewey jar freuelichen vnd widder billig vnbeezalt vorenthalden“. Dieser Streit blieb aber nicht bloß auf die Nächstbeteiligten beschränkt, sondern zog auch die Stadt Wittenberg in solche Mitleidenschaft, daß der Bischof Joachim von Brandenburg über den Rat und die Gemeinde das Interdikt verhängte.) Am 31. August 1487 verpflichtete sich Schlamau, der Nachfolger des abgesetzten Goldhayns, nach Maßgabe der erwähnten Bulle von seinen Pfarreinkünften, abgesehen von dem ersten Jahre, 80 Gulden alljährlich an Propst und Kapitel der Schloßkirche: ab- zuführen. ®)

1) Vgl. Orationes Doctoris Christophori Scheurli Nuren- bergensis et magistri Wolfgangi Polichii Mellerstadii etc. Bl. B4sf.

?) Bemerkenswert ist, daß auch Foerstemann l. c. p. 16 der Titel eines artistischen Magisters fehlt.

3) Vgl. Meissner l. c.

4) Vgl. ibidem p. 68 sqq.

5) Vgl. Weimar, Reg. Kk Nr. 1326.

6) Vgl. Meissner l.c. p. 74sq. Über das Verhältnis des Witten- berger Pfarrers zum dortigen Stiftskapitel bemerkt das Erb-Buch des Ambts Wittenberg 1513 Bl. viije, Dresden, Hauptstaatsarchiv, Loc. 38129: ,Es habenn ouch die Thumhern eynenn vnder ohn zeu eynem pfarher jnn der pfarkirehen macht zusettzen, Der seynn Corpus gleych eym andernn Thumhern behaltenn, Aber keyne presencia nicht jm Stifft genommenn. Er hatt dem Stifft adder Thumhernn jerlich eyne pensio

3 355

Bei der Eröffnung der Elbuniversität ließ sich Schlamau aufs neue intitulieren.) Daß er damit mehr als eine bloße Form erfüllte, zeigte der 23. April 1504, an welchem Tage er und Nikolaus Marschalk den juristischen Doktorhut erlangten. Während dieser in beiden Rechten promovierte, wurde Schlamau im kanonischen Recht graduiert.? Ein Jahr später, nämlich am 1. Mai 1505, übertrug ihm die Universität das Rektorat für das Sommersemester 1505.°)

Neue Ehren und Würden, verbunden mit einer erheb- lichen Erhöhung seines Einkommens, brachten Schlamau die Jahre 1507 und 1508. Infolge der von Friedrich dem Weisen bewirkten Vereinigung der Wittenberger Schloß- kirche und Universität und der damit Hand in Hand gehenden Erweiterung des dortigen Stiftskapitels wurde er zum Thesau- rarius oder Kustos befördert. Schon vor dem 1. Mai 1507 hatte Schlamau seine Prälatur, die fünfte im reorgani- sierten Wittenberger Kollegiatstift, und, was der sparsame Kurfürst mit seiner Inkorporation in erster Linie wünschte, einen Lehrstuhl an der Hochschule übernommen.*) Freilich kündigte er für das Sommersemester 1507 juristische Vor- lesungen an, während doch die Bulle Julius’ II. vom 20. Juni 1507 den jeweiligen Thesaurarius oder Kustos zur Abhaltung von theologischen Disputationen verpflichtete.?) Den neuen Prälaten und Professor verherrlichte der Aller- weltslobredner Andreas Meynhart als „Vir integer, libe- ralis, eircumspectus, prudens, castus, pius ae deuotus omni- busque studiosis nedum fauentissimus, verumetiam officiosis- simus, qui nemini obesse studuit“.®)

vonn 80 gulden vonn der pfarre gebenn, Dar zcu eyn prediger mith nottorftiger kost vorsorgeth, vnnde Es nympt eynn pfarher seynn ge- borenden Teyll von der pensio widder zcu Rucke."

1) Vgl. Foerstemann l.c. p. 2. ;

2) Vgl. Bauch in: Centralblatt für Bibliothekswesen 12. jahre: S. 875, Foerstemann |. c. p. 16.

5) Vgl. Foerstemann l. c.

14) Vgl. Grohmann a, a. O. 2. Theil S. 81, Orationes etc. (vgl. vor- her S. 2 Anm. 1) l. c.

5 Vgl. Meissner l. c. p. 48, 51.

6) Vgl. Dialogus (Titel s. vorher 3. Heft S. 19 f.) Bl. C 4a,

24* or

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Das neuorganisierte Stiftskapitel verlor bereits im Winter- semester 1507/8 seine beiden obersten Prälaten. Der Propst Friedrich von Kitscher starb kurz vor dem 6. April 1508), und der Dekan Johann Monhofer schied entweder durch Tod, oder sonstwie vor dem 1. Mai 1508 aus?) Ihre Stellen wurden im Sommerhalbjahr 1508 mit Johann Mogenhofer aus Leipzig?) und Schlamau wieder besetzt. Indem der letztere so von der fünften in die zweite Dignität des Kollegiatstifts einrückte, wurden seine Besoldungsverhältnisse in der Weise geregelt, daß er die zuletzt von Kitscher innegehabte Propstpfründe erhielt.) Wie als Kustos, blieb Sehlamau auch als Dekan noch weiterhin Pfarrer der Stadtkirche. Freilich versah er nicht auch die Pfarrgeschäfte, vielmehr überließ er sie einem Stellvertreter, dem als Kon- ventor, Vicarius oder Vizepleban bezeichneten Nikolaus Fabri von Grünberg.?) Was den ja nicht mehr jungen und durch das Dekanat genugsam in Anspruch genommenen Mann bestimmte, das Pfarramt solange beizubehalten, waren materielle Gründe. Ihm hatten Propst und Kapitel 1487, wie er- wähnt, die Pfarrstelle auf Lebenszeit überlassen, und diese Ein- nahmequelle wollte er nicht ohne entsprechende Entschädi- gung fahren lassen. Erst als Friedrich der Weise ihm am 18. April 1512 eine lebenslängliche Rente von jährlich 40 Gulden dafür verschrieb, daß er die Pfarrei „frey willig-

1) Vgl. den Erlaß Friedrichs des Weisen an die Universität vom 6. April 1508, Halle, Wittenberger Archiv V, 52, Nürnberg, Ger- manisches Museum, Scheurlsche Bibliothek, Cod. Alte Nr. 281, Neue Nr. kl. Fol. 71 Bl. 25b,

2) Monhofer war noch am Anfang des Wintersemesters 1507/8 Stiftsdekan, jedoch nicht mehr am 1. Mai 1508. Vgl. Orationes (Titel s. vorher S. 2 Anm. 1) Bl. B4* und Wittenberger juristisches Dekanats- buch Bl. 123».

3) Foerstemann 1. c. p. 25, Wittenberger juristisches Dekanats- buch Bl. 125b, wo unter dem „Ordinarius“ Mogenhofer zu verstehen ist, Barge a. a. O. 2. Teil S. 525.

*) Vgl. Barge a. a. O.

5) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 159 Bl. 64b, 65b, Reg. Bb Nr. 3114, Foerstemann, Liber Decanorum Fac. Theol. p. 9.

5 357

lich abgetreten vnd zu vnnsernn hannden gestelt“), trat er als Pfarrer endgültig zurück ?). -

Einschließlich der soeben erwähnten Rente warf Schla- maus Pfründe um 1517 jährlich 133 Gulden 18 Groschen 10 Pfennig ab. Davon kamen allerdings 17 Gulden in Ab- Zug, die er gleich den übrigen Prälaten und dem Syndikus des Kollegiatstifts zum Unterhalt eines Kaplans zu ent- richten hatte. 8)

Wenn der seitherige Kustos oder Thesaurarius 1508 zum Dekan gemacht wurde, so dürfte dabei die Bestimmung der Bulle Julius' II. und der darauf sich gründenden Statuten der Juristenfakultät, wonach der jeweilige Inhaber des Dekanats Kanonist sein und an der Universität einen Lehrstuhl für die Dekretalen versehen sollte*), den Ausschlag gegeben haben. Dieser Bestimmung gemäß las Schlamau nachweislich im Sommersemester 1516 Sonntags um 1 Uhr über die De- kretalen.’) In seiner Eigenschaft als Mitglied des Senats der Juristenfakultät verwaltete er deren Dekanat, soweit die mir zugänglichen Nachrichten erkennen lassen, im Winter- semester 1507/8, Sommersemester 1509 und Wintersemester 1517/8.°) |

Es liegt auf der Hand, daß die Tätigkeit des Universitäts- lehrers Sehlamau keine bedeutende sein konnte. Denn sein einstündiger Sonntagsvortrag trat naturgemäß hinter den sonst gehaltenen zahlreichen öffentlichen und, privaten juristischen Vorlesungen und Disputationen in den Hinter-

1) Vgl. Weimar, Kopialbuch B 8 Bl. xxx ff., Erb-Buch des Ambtes Wittenberg 1513 Bl. xliije ff., Dresden, Hauptstaatsarchiv Loc. 38 129.

?) Von der Verschreibung des Kurfürsten offenbar nichts wissend, nennt Scheurl noch am 10. Mai 1512 Schlamau Pfarrer. Vgl. Bauch in: Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen 19. Band S. 426.

3) Vgl. Vorzcaichnus des Eynkomens Allenn personen usw. Weimar, Reg. O Nr. 200, Barge a. a. O.

5) Vgl. Meissner l.c. p. 50, Nik. Müller, Die Gesetzgebung der Universität Wittenberg S. 57.

5) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 234, Muther, Zur Geschichte der Rechtswissenschaft S. 291.

9) Vgl. Orationes (Titel s. vorher S. 2 Anm. 1) Bl. B4ef, Wittenberger juristisches Dekanatsbuch Bl. 132af,, 1485, Nik. Müller a. a. O. S. 222, Halle, Wittenberger Archiv III, 194a Bl. 40b,

358 6

grund. Um so größern Einfluß besaß dagegen der Dekan der SehloBkirehe. Dabei kam Schlamau neben seinen vielen im Schoß des alten und neuen Stiftskapitels zurück- gelegten Dienstjahren, womit er alle übrigen Kanoniker weit in den Schatten stellte, hauptsächlich sein wichtiges Amt zustatten. Waren die sonstigen Kapitulare, sofern es sich um . ihre beruflichen Pflichten handelte, in erster Linie Pro- fessoren und brauchten sie darum nur verhältnismäßig selten das Hochamt zu zelebrieren, den Chor zu besuchen u. dgl., so umgekehrt der Dekan. Er hatte nur einmal in der Woche eine Vorlesung zu halten, dagegen mußte er nach Schlamaus Worten „die kirche regiren vnnd tegelich in allen geezeyten seyn". Ja, wegen der ihm zustehenden „cura in divinis“?) darf er als die eigentliche Seele des Kultus- lebens dieser Kirche bezeichnet werden. Zwar erhielt bei der Einführung der neuen Stiftsstatuten im Jahre 1517 nicht der Dekan, wie ursprünglich auf Grund der Bulle Julius’ 11.?). beabsichtigt war, sondern der Propst die oberste Juris- diktionsgewalt über das Kapitel, aber, da Henning Göde oft ferne von Wittenberg weilte, war Schlamau häufig genug sein Stellvertreter. Außerdem führte der Dekan die Aufsicht über das dem Kapitel nicht angehörige zahlreiche Kirchenpersonal. Beispielsweise durfte ohne seine Erlaubnis kein Vikar, Kaplan und Chorsehtüler länger als einen Tag der Schloßkirche fernbleiben. *)

Als Henning Góde am 21. Januar 1521 mit Tod ab- ging, kam, wie es scheint, Schlamau als dessen Nachfolger nicht in Frage. Wohl aber benutzte der Dekän die Sedis- vakanz, um sehon am 27. Januar 1521 die Propsteiwohnung für sieh zu reklamieren. Dabei stellte er seinen Mitkapitu- laren vor, „Das die zeugehorung vnnd rechtichheyth der alden probstien hie der kyrchen zu wittenberg Omnium sancto- rum Mit der Jurisdietion nach vormogen der bullen Julii,

1) Vgl. das Schreiben Schlamaus.an das Stiftskapitel zu Wittenberg vom 27. Januar 1521, Weimar, Reg. Kk Nr. 1387.

2) Vgl. Meissner l. c. p. 49.

3) Vgl. ibidem.

4) Vgl. u.a. Weimar, Reg. O Nr. 209 Bl. 32».

7 359

des Pabsts,) Der nawen Dechennye der gnanten kyrchen zcu geleget“ sei, er jedoch das zugehörige Haus bisher dem Kurfürsten zu Gefallen dem Propst Góde als Wohnung über- lassen habe?) Zwar gaben Senior und Kapitel am 29. Ja- nuar 1521 das Gesuch Sehlamaus an Friedrich den Weisen weiter und verbanden damit die Bitte, dieser möchte „darein sehen vnd der sachen gut mittel finden, Domit zcwischen zukunfftigen newen Probst“ und dem Dekan „nit zewispaldikeit erwachsse*?), aber der Landesherr willfahrte dem Dekan nieht. Dabei hob er in seinem Reskript vom 6. März 1521 hervor, daß ja Sehlamau ein Haus gebaut habe, ,Wie er sieh dan gegen Vnns gewilliget^ und darum mit einer Wohnung versehen sei, daß es aber schwer sei, das solange als Propstei benutzte Haus seiner bisherigen Bestimmung zu entziehen. *)

Vergegenwürtigt man sich die einflußreiche Stellung des Dekans der Wittenberger Schloßkirche und nimmt dazu die hartnückige Gegnerschaft Schlamaus nicht nur den Neuerern und Neuerungen während der Wittenberger Bewegung 1521 und 1522, sondern auch der Reformation Luthers gegen- über, so wird man es verstehen, daß der letztere schon zwei Tage vor des Dekans Tod aufatmete und auf die Gewinnung eines reformationsfreundlichen Nachfolgers bedacht war.®)

Schlamau starb am 11. Februar 1523.9) Nach einer Aufzeichnung des Notars Nikolaus Sybeth machte er am 6. April 1519 sein Testament.) Schon lange vorher, nämlich im Jahre 1498, hatte er die Mittel zur Begründung eines

1) Vgl. Meissner l. c. p. 46 sqq.

2) Vgl. das Schreiben Schlamaus an das Wittenberger Stifts- kapitel vom 27. Januar 1521, Weimar, Reg. Kk Nr. 1887.

3) Vgl. das Schreiben von Senior und Kapitel an Friedrich den Weisen vom 29. Januar 1521, Weimar a. a. O.

1) Vgl. das Schreiben Friedrichs des Weisen an Senior und Kapitel vom 6. März 1521, Weimar a. a. O.

5) Vgl. Enders a.a. O. 4. Band S. 81.

6) Vgl. Chronicon sive annales Spalatini l. c. col. 619.

?) Vgl. Halle, Wittenberger Archiv, varia scripta.

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360 8

Stipendiums ausgesetzt. Die zunächst für die Schlamausche „Freundschaft“ bestimmte Stiftung trat mit 500 Gulden Kapital und 25 Gulden Zinsen ins Leben und wurde von der Universität Wittenberg verwaltet.?)

Von berühmten Freunden Schlamaus vermag ich nur Christoph Scheurl zu nennen. Als. der Nürnberger Patrizier in Wittenberg Professor wurde, fand er Aufnahme unter den Tischgenossen des Stadtpfarrers.?) Demnach scheint dieser gleich dem spätern Pfarrer Simon Heins‘) Angehörige der Universität gegen Entgelt verköstigt zu haben. Nachdem Scheurl im Jahre 1511 Wittenberg verlassen hatte, blieb. er mit Schlamau noch einige Zeit im Briefwechsel und sendete auch sonst dem „sincerus“ Dekan Grüße.) Wie weit freilich. diese beim Essen und Trinken geschlossene Freundschaft in der innern Wahl- verwandtschaft beider Männer verankert war, muß dahin- gestellt bleiben. Denn es ist bezeichnend, daß Scheurl sogar noch 1520 Schlamau, Luther, Karlstadt, Ams- dorf, Melanchthon u. a. in einem Atem seine Freunde nennt. ©)

21. Augustin Schurpff”),

Schurff usw.*) erblickte am 6. Januar 1495 in St. Gallen das Licht der Welt?) Seine Familie zühlte zu den ange-

1) Vgl. Halle, Wittenberger Archiv VI, 5, g Bl. 18a, wo erwähnt. ist: „Instrumentum oder Fundation Brieff des Schlaumauischen Stipendii Anno 1498",

2) Vgl. u. a. Halle, Wittenberger Archiv (XXXVI, 2) 1070, Groh- mann a.a. O. 1. Theil S. 88, Meyner, Geschichte der Stadt Witten- berg S. 38. |

3) Vgl. Bauch a. a. O. S. 446,

*) Vgl. vorher 3. Heft S. 32.

5) Vgl. u.a. Bauch a. a. O. S. 426, 430, 446.

9$) Vgl. von Soden u. Knaake, Scheurls Briefbuch 2. Bd. S. 112.

7) Vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 18, 19, 25, 34, 4. Heft S. 47.

5) Zu den verschiedenen Schreibungen der Namens vgl. Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation S. 220 Anm. 1. Augustin Sch. nannte sich mit Vorliebe „Schurpff“. Vgl. u.a. seine Originalquittungen 1530—1537, Bretten, Melanchthon- Gedächtnishaus, Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 1764, Wittenb. medi- zinisches Dekanatsbuch Bl. 27a f.

?) Vgl. Paulus Eber, Calendarium historicum, Viteb. 1571, p. 38.

9 361

sehensten der Sehweiz; sein Vater Johann war ein an- gesehener Arzt.) Wenn er in Kursachsen seine zweite Heimat fand, so wurde dies dadurch veranlaßt, daß vor ihm schon seine Brüder Hieronymus und Johann, jener als Professor?) und dieser als Student?), dorthin gezogen waren. Diesen seinen Brüdern folgend, wurde Augustin im Wintersemester 1509/10 an der Universität Wittenberg immaírikuliert.*) Am 18. März 1512 erwarb er sich den Bakkalaureat und am 30. Januar 1516 das Magisterium der Artisten. Alserster unter den damaligen Magistern promoviert, erlangte er am 28. Mai 1517 Aufnahme in den Senat der Artistenfakultät.?) Dekan dieser Fakultät war er im Winter- halbjahr 1518/9.9) |

Als im Wintersemester 1517/8 die neue Richtung an der Wittenberger Hochschule ihren ersten großen Sieg über die Scholastik davontrug und nunmehr anstatt der Kommentatoren die Texte des Aristoteles den Vorlesungen (über die Logik und Physik zugrunde gelegt wurden, erhielt Schurpff einen Lehrauftrag für die Logik „nach der Newen Trans- lation“.”) Dieses Fach vertrat er bis zu seiner Beförderung zum Professor der Medizin im Jahre 1521, wo seine Lehr- kanzel in eine für die Anfangsgründe der Logik und Rhetorik

1) Vgl. Corpus Ref. vol. XII col. 89, Adam, Vitae Germanorum Jureconsultorum, Francof. ad M. 1706, p. 44, Vitae Germanorum Medicorum, Francof. ad M. 1706, p. 23, Muther a. a. O. S. 179.

2) Vgl. u. a. Muther a. a. O. S. 183f.

3) Johann Schurpff wurde zwischen 4. Juli und 8, Dezember 1506 in Herzberg a. E. immatrikuliert, Vgl. Foerstemann, Album p. 20. In Wittenberg erlangte er im Sommersemester 1507 den Bakkalargrad und am 20. August 1510 die Magisterwürde der Artistenfakultüt. Vgl. Köstlin, Die Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 8, 25. Am 3. Dezember 1519 wählte ein Teil des akademischen Senats Johann Schurpff zum Pfarrer von Schmiedeberg. Dabei wird ausdrücklich bemerkt, daß er ein Bruder des Hieronymus Schurpff war. Vgl. Enders a. a. O. 2. Band S. 269.

1) Vgl. Foerstemann |. c. p. 80.

5 Vgl. Kóstlin a. a. O. S. 19, 27, wo jedoch fülschlich 20. Januar steht, und S. 29.

9) Vgl. daselbst 1518—1537 S. 6, 16.

?) Vgl. Foerstemann |. c. p. 69, Spalatin, Vertzeichnuss etlicher Newen Lection usw., Weimar, Reg. O Nr. 154, Von den Funff Newen Magisternn usw., daselbst, Reg. O Nr. 204.

362 l 10

umgewandelt und Hermann Tulken übertragen wurde. Als Logik-Professor hatte Schurpff ein Jahresgehalt von 20 Gulden.) Gelegentlich der Reorganisationsbestrebungen der Universität im Jahre 1520 war ihm vorübergehend ein Katheder für die Anfangsgründe der Dialektik zugedacht.?)

Während die Brüder Hieronymus Jurist und Jo- hann Geistlicher geworden waren, erkor sich Augustin gleich seinem Vater die Heilkunde zum Berufsstudium. Er begann mit seinen medizinischen Studien vor dem Sommer- halbjahr 1518. In diesem legte er von seinen Kenntnissen dadurch Rechenschaft ab, daß er in Wittenberg zum Bak- kalar der Medizin promovierte.?) Damals hatte freilich die kleine Universitätsstadt keinen Mangel an theoretischen und praktischen Jüngern Äskulaps. So waren, um nur die Doktoren zu nennen, Thomas Eschaus, Martin Berger, Alexius Neumann (Naumann) und der bekannte Johannes Aesticampianus schon vorher hier ansässig. Sie alle vier erlangten am 13. September 1518 den Doktorhut.) Dazu wurde im September 1518 das durch den Tod des Johann Schwab seit dem Winter 1516/7 verwaiste einzige Ordinariat der medizinischen Fakultät mit dem besonders von Christoph Scheurl dem Kurfürsten und der Universität warm emp- fohlenen Peter Burkhard aus Ingolstadt endlich wieder besetzt. Im Hinblick auf diese Verhältnisse und namentlich

1) Vgl. Namen aller personn der Stiftkirchen vnd vniuersitet zu Wit. usw., Weimar, Reg. O Nr. 204, Ein Vortzeichnus, vom Hansen von Taubenheym entfangen 2c. 1520, daselbst, Spalatin, Antzeige von etlichen Lection usw. 1521, daselbst, Reg. O Nr. 315, Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica S. 77.. l

2) Vgl. Spalatins Bemerkungen, beginnend „Dialectices Ele- menta Schurff*, Weimar, Reg. O Nr. 315.

3) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 21».

4) Vgl. vorher 2. Heft S. 88f., 3. Heft S 24ff. Neumann war schon 1517 Hausbesitzer in Wittenberg und wohnte sicher noch zwischen 24. April und 29. September 1519 daselbst. Vgl. Wittenb. Kämmereirechnung 1517/8, Einnahmen vom Häuserschoß, und Weimar, Reg. Qq pag. 627B 4549. Zu der Doktorpromotion der vier vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch a. a. O. ==

5) Vgl. Foerstemann l.c. p.63, 73, von Soden und Knaake a. a. O. 2. Band S. 49£, Bauch in: Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen 19. Band S. 450.

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auf die für einen jungen Mediziner wenig verheiDungsvolle Zukunft kann man es verstehen, daß der Bakkalar Schurpff vorläufig von der Erwerbung der immerhin kostspieligen oberen Grade Abstand nahm. |

Indessen bereits im Jahre 1520 besserten sich seine Aussichten. Burkhard, der Rektor des Sommersemesters 1520, kompromittierte sich durch seine Haltung während des bekannten Studentenauflaufs wider Lukas Cranach so stark, daß Luther am 14. Juli 1520 ein Mißtrauensvotum des Kurfürsten gegen ihn beantragte.!) Zwar steht es dahin, ob ein solches ihm zuging ?), aber schon lange vor dem 17. Fe- bruar 1521 sah man in Wittenberg seinem Abschied ent- gegen. Deshalb bewarb sich Schurpff um seinen Lehrstuhl, und seine Bewerbung wurde von Luther und dessen Freunden befürwortet. Traten diese anfänglich für den St. Gallener allein ein, so empfahlen sie im Februar 1521, als das Gerücht ging, Friedrich der Weise wolle einen Nicht-Witten- berger berufen, neben ihm noch Stephan Wild, der kurz vorher die Tochter des bisherigen einflußreichen kurfürst- lichen Schossers, Anton Niemeck, heimgeführt und auch die medizinische Doktorwürde erlangt hatte.?) Freilich ver- gingen noch Monate, bis der Kurfürst das letzte Wort sprach. Denn einmal verließ Burkhard erst zwischen dem 3. und 12. Juni 1521 Wittenberg*) und sodann lehnte der Landes- herr, als er der Universität auf ihren Antrag hin am 24. Juni Spalatin zusandte, Wild wegen dessen Beteiligung an dem erwähnten Stadententumult ab?) Weit entfernt jedoch, sich dureh diese Ablehnung in die Enge treiben zu lassen und sich für ihren ursprünglichen Kandidaten Schurpff zu ent- scheiden, schlug die Universität vor, „das bede doctores

1) Vgl. Enders a. a. O. 2. Band S. 439 und daselbst S. 440 f. Anm. 2 die Nachrichten über den Studentenauflauf.

2) Im Wittenb. medizinischen Dekanatsbuch Bl. 23b bemerkt Thomas Eschaus, daß Burkhard von Wittenberg schied „cum honore, fauore et gratia illustrissimi principis“.

3) Vgl. Enders a. a. O. 3. Band S. 87, Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 22b.

1) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 23» f.

5 Vgl. Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica S. 78 f£, 81.

364 12

Steffan vnd Augustin ein jar lang angenomen wurden aus etlichen beweglichen vrsachen; so kont man mitler zeit in erfarung komen, ob sie bede nutzlich Vnd furtreglich sein wurden, ader ob man sieh mit ainem behelffen mocht, ader aber ob villeicht in des ain geschikter mocht erlangt werden, Also das ainer vor mittag Theorica vnd der ander nach mittag in der Practica lese“.!) Um dem Vorschlag, soweit er den am Hofe mißliebigen Wild betraf, eine günstige Anf- nahme zu sichern, richtete dieser und für ihn auch die Uni- versitit Bitt- und Entschuldigungsschreiben an den Kur- fürsten.?) Im Anschlub an diese Eingaben willigte Friedrich der Weise in die versuchsweise Anstellung Schurpffs zum Professor der theoretischen und Wilds zum Professor der praktischen Medizin ein.?) Dabei dürfte er allerdings noch mehr als die erwähnten Schreiben den Vorteil, den der Wittenberger Vorschlag für seine Lieblingsschópfung in Aus- sicht stellte, in die Wagschale gelegt haben. Denn in einem der Hochschule zugefertigten Brief wird ausdrücklich betont, daß von dieser „fur gut angesehen, das man zu Ruhm vnd Ere der Vniuersitet^ zwei zu dem bisher nur in der Einzahl vorhandenen medizinischen Ordinariat annehmen solle.*). Dazu kam, daß der sparsame Kurfürst für die zwei Professoren nur dasselbe aufzuwenden brauchte wie bisher für Burkhard.?) Erklürten sich doch Wild und Schurpff mit einem Jahresgehalt von je 50 Gulden zufrieden.)

Auf solche Weise erhielt die Wittenberger Universität, die seit ihrer Stiftung trotz der in den medizinischen Statuten

1) Vgl. Mancherley artickel, die Vniuersiteth hie zu Witten- berg vnd anders belangend, 1521, Weimar, Reg. O Nr, 319.

2) Vgl. Förstemann in: Neue Mittheilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen 8. Band 2. Heft S. 70 f.

3) Vgl. Spalatin, Antzeige von etlichen Lection usw., 1521, Weimar, Reg. O Nr. 313.

4) Vgl. das Schriftstück „Ertzney“ betitelt, Weimar, Reg. Ó Nr. 319.

. 5) Vgl. Namen aller personn der Stiftkirchen vnd vniuersitet zu

Wit. usw., Weimar, Reg. O Nr. 204, Ein Vortzeichnus, vom Hansen von Taubenheym entfangen ?c. 1520, Weimar a. a. O.

6) Vgl. Spalatin, Der Apoteckenn halbenn usw., Weimar, Reg. O Nr. 315, Spalatin, Antzeige von etlichen Lection usw. 1521, Weimar a. a, O.

13 365

von 1508 vorgesehenen zwei Lehrkräfte!) nur einen Ordinarius besessen hatte, Mitte 1521 zwei, einen für die theoretische und den andern für die praktische Medizin; und diese Bereicherung ihres Lehrkörpers war nicht vorübergehend, sondern dauernd. Ja, Johann Friedrich begründete durch seine Universitäts- fundation vom 5. Mai 1536 noch einen für die Anatomie bestimmten dritten Lehrstuhl.?)

Um allen akademischen Anforderungen, die an einen Witten- berger Professor der Medizin gestellt werden konnten?), zu genügen und um vermutlich dadurch seiner vom Kurfürsten er- hofften Beförderung tunlichst vorzuarbeiten, bewirkte Schurpff noch in den letzten Tagen, die Burkhard in Wittenberg verlebte, am 3. Juni 1521, seine Promotion zum Lizentiaten und Doktor der Medizin. Daß er mit seiner Graduierung große Eile hatte, schließe ich daraus, daß er nicht einmal die da- für notwendigen Mittel besaß, sondern 19 Gulden von den für die Lizentiatur und den Doktorat in Ansatz kommenden Gebühren sich stunden lassen mußte.*) Am 12. Juni 1521 rezipierte der Vizedekan Thomas Eschaus den neuen Doktor in den Senat der medizinischen Fakultät.?)

Zwar wurde durch Schurpffs Ernennung zum Professor der theoretischen Medizin die Besoldung, die er vorher für die Versehung des Logikkatheders bezogen hatte, mehr als verdoppelt, aber sie reichte zur Ernährung einer Familie nicht oder nur knapp aus. Darum wurde er, als ihm im Spätherbst 1522 die Kunde von dem bevorstehenden Abschied seines Kollegen Wild zukam, bei Friedrich dem Weisen wegen einer Gehaltserhöhung vorstellig. Obwohl er seine Bitte mit dem Hinweis auf Weib und Kind und mit der Ver-

1) Vgl. Nik. Müller, Die Gesetzgebung der Universität Witten- berg S. 67.

2 Vgl. Hering, Libellus Fundationis Academiae Vitebergensis A. MDXXXVI, Halis 1882, p. 10.

3) Die Wittenberger medizinischen Statuten vom Jahre 1508 setzen voraus, daß der Professor für die praktische Medizin Doktor und der Professor für theoretische Medizin Doktor oder Lizentiat der Medizin ist. Vgl. Nik. Müller a. a. O.

4) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 23a, Halle, Wittenb. Archiv III, 194a Bl. 68a,

5) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 23b.

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sicherung, aaß er viel lieber unter dem sächsiseben Kur- fürsten als unter irgendeinem andern Fürsten oder Herrn leben wolle?), begründete, blieb sie doch unberücksichtigt?). Erst die von Kurfürst Johann im Herbst 1525 vorgenommene Aufbesserung der Gehälter brachte ihm eine Zulage von jährlich 30 Gulden.?) Freilich hielten Luther und andere diese für nieht ganz genügend und baten darum durch Spalatins Vermittlung den Kurfürsten, nach dem Ableben des betagten Thomas Eschaus dessen 30 Gulden Gnaden- geld zu einer weitern Aufbesserung der Gehälter Schurpffs und seines Kollegen Heinrich Stackmann zu verwenden, ,in ansehung, das des Orts die practica vnd zugenge gering vnd schier gar nichts, vnd das sie je ein feyne schul in der Artzney zu Wittemberg haben“.‘) Allein der Landesherr wollte sich nicht auf so lange Zeit hinaus binden und ließ des- halb den Bittstellern am 6. Oktober 1525 eröffnen, daß er sich im Fall von Eschaus’ Tod „nach gelegenhait berurter Doctorn vnd erfindung jres vleisses woll zuhaltenn vnnd zuerzaigenn wissenn“ wolle?) Eschaus selbst aber stellte die Geduld seiner wartenden Erben auf eine harte Probe, da er erst 1535 oder 1536 starb und somit sogar noch den viel jüngern Stackmann überlebte.) Gerade wegen seiner mißlichen materiellen Verhältnisse scheint Schurpff sich nach einem gut dotierten Physikusposten und einer lohnenden Privat- praxis in einer größern Stadt gesehnt zu haben. Denn

1) Vgl. Schurpffs Schreiben an Friedrich den Weisen, Weimar, Reg. O Nr. 348.

?) Vgl. Vortzaichnus des kathemergeldes vff negstkunfftig Crucis geyn Wittenbergk zuordenen usw. 1525, Weimar, Reg. O. Nr. 236. Darnach hatte Schurpff bis zum Quartal Kreuzerhóhung 1525 noch sein Anfangsgehalt von 50 Gulden.

3) Vgl. Hartfelder a. a. O. 5. 86. _

*) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 395. und danach Bauch, Die Ein- führung der Melanchthonischen Declamationen usw. S. 23.

5) Vgl. das Reskript Friedrichs des Weisen an die vier Dekane und die Reformatoren der Universität vom 6. Oktober 1525, Halle, Wittenberger Archiv V, 52, und die gleichzeitige Instruction gein Wittenberg auf Hansen von Doltzigk vnd Hansen von Grefen- dorff, Weimar, Reg. O Nr. 236.

*) Vgl. vorher 3. Heft S. 26 und hernach S. 28.

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zweifellos ist die von Melanchthon am 26. Februar 1527 an Joachim Camerarius gerichtete Bitte, er und die übrigen Freunde in Nürnberg möchten sich jetzt, wo der dortige Rat nach einem in Wittenberg verbreiteten Gerücht einen bewährten Arzt suche, Schurpffs gedenken, auf einen Wunsch des letztern zurückzuführen. !)

Obwobl Schurpff während der ersten Jahre seiner medizinischen Wirksamkeit mit materiellen Sorgen zu kämpfen hatte, litt doch seine Schaffensfreudigkeit so wenig Schaden, daß er vielmehr als Universitätslehrer ganz neue Bahnen einsehlug. Am 19. Juli 1526 zergliederte er in Gegenwart aller Doktoren, Lizentiaten und Studenten der medizinischen Fakultät einen menschlichen Kopf, an der Hochschule zu Wit- tenberg offenbar der erste Fall, da ihn der dort gebürtige und mit den dortigen Verhältnissen wohlvertraute medizinische Dekan Martin Berger im Dekanatsbuch seiner Fakultät zu registrieren für angezeigt hielt.) Und dieser Fall blieb nicht etwa vereinzelt, sondern Schurpff wiederholte von Zeit zu Zeit derartige Öffentliche anatomische Demonstra- tionen.) Außerdem war er ein tüchtiger Arzt. Melanchthon, der selbst gerne mit der Heilkunde sich beschäftigte, rühmte 1527 seine ungewöhnliche Sorgfältigkeit und Einsicht und namentlich sein hervorragendes Talent auf dem Gebiet der Diagnostik sowie seine. mit Glück durchgeführten Kuren. *)

Dank diesen Vorzügen konnte es nicht ausbleiben, daß Schurpff je länger desto mehr als Professor und praktischer Arzt geschätzt wurde. Spätestens zum Quartal Reminiscere 1529 legte der Kurfürst dem Gehalt des Universitätslehrers 20 Gulden zu, so dab er nunmehr 100 Gulden jährlich bezog.’) Mit noch leb- hafterer Genugtuung mußte es Schurpff erfüllen, daß er im Sommer 1528 ausersehen wurde, als Leibarzt den zu König Ferdinand reisenden Kurprinzen Johann Friedrich zu

1) Vgl. Corpus Ref. vol. I col. 859. Anstatt „oe8aoreo* im Druck weist Melanchthons Originalbrief , Augustino" auf.

2) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 24».

3) Vgl. Halle, Wittenb. Archiv III, 194a Bl. 99a.

14) Vgl. Corpus Ref. l. c. col. 860.

5) Vgl. Vortzaichnis des kathemergeldes usw. 1529, Weimar, Reg. O Nr. 207.

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begleiten!), und daß er am 27. August 1529 mit einer jähr- lichen Besoldung von 30 Gulden zum Leibarzt am kur- sächsischen Hofe bestellt wurde. Damit übernahm Schurpff die Verpflichtung, zur Zeit der Auslandsreisen des Kurfürsten und seines Leibarztes Kaspar Lindemann auf den Kur- prinzen und dessen Gemahlin ,zuwarten*, auf den Reisen Johann Friedrichs außerhalb Kursachsens je nach dessen Wunsch sich ihm anzuschließen und in Krankheits- fällen innerhalb der kurfürstlichen Familie auf Verlangen zu erscheinen.?) Nachdem Johann Friedrich zur Regierung gelangt war, erhielt Schurpff am 26. Januar 1533 eine neue Dienstbestallung. Danach verpflichtete ihn der Kur- fürst unter Zubilligung eines Jahresgehalts von 50 Gulden, „Das er anf vonser erfordern jnner vnnd ausserhalb Lands mit vnns zureißenn vnnd nach vnnser gelegennhait bey vnns zuuorharren auf vnnsernn kosten vorpflieht sein soll, Auch daruber, wir sein jm Land ader nit, wann er erfordert wirdet, an vnsern [sic] wesenntlichen hof erscheinenn vnnd auf vnnser Frundliche, Liebe Mume, Die Marggrefin®), auch dergleichenn vnnser Frundliche, liebe gemall vnd sehwestern ... warttenn soll vnnd dartzu nichts weinnigers, so er zu Wittenberg sein wirdet, auf vnsern frundlichenn, Liebenn brudernn, hertzogk Johans Ernnsten .. . wartenn. Ob sich auch begebe, das jmantz an vnnserm hoff aus schiekung des Almechtigenn mit krangkheit beladenn wurde, soll Doctor Augustin, Bo er vonn vnns Erfordert, auch komen ... So haben wir aus gnadenn vnnd auf vnnderthenigs bittenn gnantem Doctor Augustin nachgelassenn, Wann er zu Wittenberg sein wirdet Vnnd von herrn Johansen vnd hern Joachim ge- brudernn Vnnd andern Fursten von Anhalt zu Dessau... erfordert, das er jren liebden dinen soll*.*) Diese auf fünf

1) Vgl. Buchwald, Zur Wittenberger Stadt- und Universitäts- Geschichte S. 63, wo jedoch die Jahrzahl 1529 falsch ist. Die Reise des Kurprinzen kam freilich nicht zur Ausführung. Vgl. Mentz, Johann Friedrich 1. Teil S. 67.

2) Vgl. Weimar, Kopialbuch F 14 Bl. 294af.

3) Die von ihrem Gemahl verstoßene Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg.

t) Vgl. Weimar, Kopialbuch F 17 Bl. 39a ff., auch Bl. 84a ff.

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Jahre lautende Bestallung wurde am 18. Mai 1537 auf weitere zehn Jahre verlängert.’) Drei Tage vorher verschrieb Johann Friedrich seinem Leibarzt in Anerkennung der von ihm geleisteten Dienste eine Anzahl von Pächten und Zinsen im Amt Belzig zu Lehen. Ebenfalls am 15. Mai 1537 erteilte der Kurfürst Schurpff, weil er keinen Sohn besaß, die Erlaubnis, die erwähnten Lehen gelegentlich verkaufen zu dürfen.?)

Wenn die beiden zuletzt genannten Bestallungen auf die Dienste Schurpffs am Dessauer Hofe Bezug nehmen, so ist zu bemerken, dab der Lehrer der Fürsten Georg III. und Joachim, Georg Helt, die Verhandlungen mit dem in Aussicht genommenen Leibarzt führte. Dieser erklärte sich alsbald bereit, die ihm angebotene Stelle zu übernehmen; nur wünschte er nicht von Fall zu Fall, sondern dureh die Gewährung eines festen Jahresgehaltes für seine ärzt- lichen Bemühungen honoriert zu werden.?)

Seitdem kam Schurpff häufig an den Hof der Anhal- tiner. Hatten es diese anfangs nur auf seine ärztliche Kunst abgesehen, womit er besonders dem kränklichen Joachim diente, so schenkten sie ihm je länger desto mehr auch ihre Freundschaft, sahen ihn gerne als Gast in ihrer Mitte und machten von der Hilfe des zuverlässigen Mannes in vertraulichen Angelegenheiten Gebrauch. Auf solche Weise nahm Schurpff bei ihnen eine ähnliche Stellung ein wie Melanehthon. Namentlich fühlte sieh der edle Georg der Gottselige zu dem Arzt hingezogen, wie der noch in Bruchstücken erhaltene Briefwechsel der beiden Männer bezeugt.*)

Auch in Wittenberg begehrten viele Schurpffs ärzt- liche Hilfe?), darugter Luther und Melanchthon®). Ersterer

1) Vgl. Weimar, Kopialbuch a. a. O. Bl. 188b£.

2) Vgl. Dresden, Hauptstaatsarchiv, Kopial 1289 Bl. 300Þ ff., 814b f. Diese Lehen verkaufte Schurpff weiterhin seinem Kollegen Kaspar Cruciger und dessen Bruder Georg. Vgl. daselbst Bl. 312vff.

3) Vgl. Clemen, Georg Helts Briefwechsel S. 69.

4) Vgl. daselbst S. 131 Anm. 1.

5) Vgl. Corpus Ref. vol. VI col. 903.

6) Vgl. u. a. Corpus Ref. vol. I col. 860, Kawerau, Der Brief-

Archiv für Reformationsgeschichte VII. 4. 95

370 18

hielt so große Stücke auf Schurpff, daß, als er kurz vor Weihnachten 1536 schwer erkrankte, der Landvogt Johann Metzsch den damals in Torgau weilenden kurfürstlichen Leibarzt trotz der herrschenden bittern Kälte herbeiholen lie.*) |

So ehrenvoll es für Schurpff war, dab selbst gekrónte Häupter nach ihm verlangten, so mußte doch er und mit ihm die Studenten der Medizin zu Wittenberg die Wahr- heit des Wortes erfahren, daf es nicht müglich ist, zwei Herren zu dienen. Denn nur zu oft war der Leibarzt ge- nótigt, seine Lehrtütigkeit zu unterbrechen. Um hier nur zwei solche Unterbrechungen namhaft zu machen, so stand 1535 sein Hörsaal längere Zeit leer, da Johann Fried- rich auf seiner Reise nach Wien zu König Ferdinand Sehurpff an seiner Seite nicht missen wollte?) Ferner setzte er zwischen 23. Februar und 1. Juni 1539 seine Vor- lesungen aus, weil er mehrere Wochen in seines Kurfürsten - „gescheft zu Weinmar gelegen vnd, als er heim kommen, schwach gewesen"*.?)

Da die Statuten der Wittenberger medizinischen Fakul- tüt die Stoffe, die die Professoren der Heilkunde in einem vierjährigen Turnus zu behandeln hatten, einzeln aufzählen‘), gewinnt man daraus eine ungeführe Vorstellung von der Lehrtätigkeit Schurpffs, als des Vertreters der theoretischen Medizin), bis zum Jahre 1536. Nach der Universitäts- fundation vom 5. Mai 1536 und ihren Ausführungsbestimmungen hatte er, der erste „Lector“ seiner Fakultät, die nütz-

wechsel des Justus Jonas 1. Hälfte S. 105, Vogt, Bugenhagens Brief- wechsel S. 67, Wrampelmeyer, Tagebuch über Dr. Martin Luther, geführt von Dr. Conrad Cordatus S. 312.

1) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 2813, Rubrik: Botenlon vff beuelch. Zu der Erkrankung Luthers vgl. auch Buchwald a. a. O. S. 194.

3) Vgl. Corpus Ref. vol. III col. 38. Über die Reise Johann Friedrichs vgl. Mentz a. a. O. 2. Teil S. 60ff.

3) Vgl. Hartfelder a. a. O. S. 89.

*) Vgl. Nik. Müller a. a. O. S. 67ff.

*) Daß Schurpff auch nach Wilds Abschied von Wittenberg die theoretische Medizin lehrte, erhellt aus der Tatsache, daß sein Kollege Stackmann die praktische Medizin vertrat. Vgl. Enders a. a. O. 5. Band S. 55f.

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lichsten Schriften von Hippokrates und Galen zu lesen und erhielt dafür ein Jahresgehalt von 150 Gulden, also zu seiner bisherigen Besoldung eine Zulage von 50 Gulden.!) Seit Quartal Trinitatis 1545 bezog er jährlich 200 Gulden Gehalt.?)

Während Kaspar Lindemann, der im Wintersemester 1532/3 der Nachfolger des verstorbenen Heinrich Stack- mann wurde, sich die Vergünstigung erwirkt hatte, „Das er nicht in der Facultet gewesen vnnd der facultet burden mit getragen*?), nahm sein Kollege Schurpíf alle ihm zu- gewiesenen akademischen Lasten auf sich. Er verwaltete das Dekanat der medizinischen Fakultät in den Winter- semestern 1524/5, 1526/7, 1530/1, im Sommerhalbjahr 1533 und in den Wintersemestern 1535/6 und 1536/7.) Ferner stand er an der Spitze der Universität als Rektor im Sommerhalbjahr 1525 und in den Wintersemestern 1537/8 und 1545/46 sowie als Vizerektor im Sommerhalbjahr 1527 und Winterhalbjahr 1527/8.°)

Obwohl die Zeit des Professors und Arztes Schurpff reichlich besetzt war, fand er doch noch Mufe zu literarischer Tätigkeit. Vermutlich aus Thesen für eine medizinische Dispu- tation bestand seine Arbeit über die Pest.) Über seinen Tod hinaus wurde als Leitfaden für Vorlesungen sein Büchlein über die Anfangsgründe der Medizin benutzt.‘) Handschrift- lich erhalten sind auf der für die Geschichte der Medizin so wichtigen Universitätsbibliothek Erlangen die aus den Jahren 1545/7 stammenden ,quorundam partieularium mor- borum theoria ae practica“ und ein anderer an seinem Ende unvollständiger medizinischer Traktat Schurpffs.°)

1) Vgl. Hering a. a. O., Weimar, Reg. O Nr. 237 und 334.

2) Vgl. Ausgabe für die Universitätspersonen usw. 29. September 1544 bis 29. September 1545, Halle, Wittenb. Archiv III, 194b.

3) Vgl. Foerstemann |. c. p. 148, Weimar, Reg. O Nr. 237.

4) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 24a, 252, 26aff.

.5) Vgl. Foerstemann |. c. p. 124, 129, 167, 228.

*) Vgl. Adam, Vitae Germanorum Medicorum 1. c. p. 23.

3) Vgl. Scriptorum publice propositorum etc. tomus I, 1560, Bl. 258vf.

5) Vgl. Irmischer, Handschriften-Katalog der Kgl. Universitäts- Bibliothek zu Erlangen S. 230 Nr. 886. 25*

372 20

Zu den Familienverhältnissen Schurpffs übergehend, bemerke ich, daß er sich vor Herbst 1522 mit Anna (Agnes), der Tochter des Torgauer Bürgermeisters Mat- thäus Moschwitz (Muschwitz) verheiratete, die jedoch schon am 27. Januar 1540 starb. Durch diese Ehe wurde er später mit seinem Kollegen, dem Professor der Medizin Jakob Milich, verséhwügert.) Nach dem Tode seiner ersten Frau vermählte sich Schurpff mit Anna Krapp, der Tochter des Wittenberger Gewandschneiders und Bürger- meisters, Hieronymus Krapp, und Nichte Melanchthons. Diese zweite Verbindung wurde noch rascher als die erste gelöst, da die junge Frau bereits im Juli 1547 verschied.?) Von Schurpffs Kindern, denen nach ihres Vaters Tod Melanchthons besondere Fürsorge galt?) sind bekannt: Magdalene, geboren am 19. August 1531, die zwischen 22. Februar und 24. Mai 1551 die zweite Gattin des jüngern Lukas Cranach wurde und am 2. oder 3. Januar 1606 starb‘), Margarete, die am 25. September 1565 mit dem Studenten Michael Dobergatz aus Berlin Hochzeit hielt, und Anna, die am 5. Februar 1566 mit dem Magister Balthasar Rau aus Naumburg a. S. getraut wurde?)

Schurpff besaß im Laufe der Jahre mehrere Häuser. Das erste erwarb er vor 15. Oktober 1525 von dem Pfarrer zu Dobien, Ambrosius Wilken. Die Auflassung des

1) Vgl. das Schreiben Schurpffs an Friedrich den Weisen, Weimar, Reg. O Nr. 348, Enders a. a. O. 6. Band S. 111, 123, Scriptorum publice propositorum ... in Academia Witebergensi tomus I, Witeb. 1560, Bl. C 2af., wo der 26. Januar als Annas Todestag be- zeichnet ist, tomus IIT, Witeb. 1568, Bl. 156a, Balth. Mentzius, Syntagma Epitaphiorum, quae in inclyta . . . Witeberga . . . con- spiciuntur Lib. III p. 32, 71 [verdruckt anstatt 17], wonach, und dies wohl richtiger, der 27. Januar der Todestap Annas war.

2) Vgl. Corpus Ref. vol. VI col. 600 sqq.

3) Vgl. Corpus Ref. l. c. col. 902, 906.

1) Vgl. Wittenb. Kastenrechnung, Ein genommen Wegenn der Kastenherrn vom Sontage Reminiscere Anno 1551 Bis den Sontag Trinitatis Anno eiusdem, Zitzlaff, Die Begrübnifstütten Witten- bergs S. 90f.

5 Vgl. Wittenberger Trauregister, 25. September 1565 und 5. Februar 1566.

21 | 373

bei den Häusern von Christoph Krapp und Peter Dorß oder Küchensehreiber im Marktviertel gelegenen Grund- stücks fand am 29. Januar 1529 statt.) Hernach kaufte er von seiner Nachbarin Margarete, Witwe des Christoph Krapp, deren Haus und Hof und verkaufte sein eigenes Haus und Gehöfte an Burchard Regenbogen. Schurpff ließ sein Grundstück am 23. Februar 1532, die Witwe Krapp das ihrige am 14. September 1537 auf.) Dieses sein zweites Haus veräußerte Schurpff seinem Kollegen Kaspar Crueiger, und zwar wurde die Auflassung am 18. Oktober 1538 bewirkt.?)

Im Wintersemester 1537/8 erstand Schurpff von der Universität ein Drittel des in der Brüderstrabe und spätern JuristenstraDe gelegenen Grundstücks, auf dem diese 1520 den Bau eines Hauses für die Juristenfakultät zwar begonnen, aber hernaeh wegen Mangels an Mitteln nicht vollendet hatte. Ein zweites Drittel erwarb Schurpffs Kollege und Schwager, der Mediziner Jakob Milich. Beide Parzellen mit dem daraufstehenden Mauerwerk wurden den Käufern für 700 Gulden abgelassen; und diese errichteten alsbald neben dem Juristenkollegium so stattliche Gebäude, dab im Jahre 1542 das Milichsche Anwesen einen Wert von 1000 und das Schurpffsche sogar einen Wert von 1200 Gulden haíte.*)

Außerdem besaß Schurpff einen Garten vor dem Elsterthor, dessen Wert er 1542 auf 100 Gulden ver- anschlagte.) Dieses an der Rosengasse bei Andreas Schlawicks und Konrad Weises Höfen gelegene Grund- stück hatte er von Tiburtius Meintz oder Sackführer käuflich erworben und seine Auflassung am 12. März 1535 erhalten.) |

1) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 47, Wittenberg, Vortzeichnus Vnnd Wirderung Der Ligenden Grunde usw. 1528,

?) Vgl. Wittenb. Handels- und Gerichtsbuch 1520— 1555 Bl. 3505, Wittenb. Gerichtsbuch 1528—1555 Bl. 60b, 180a,

3) Vgl. Wittenb. Gerichtsbuch 1528—1555 Bl. 209a.,

1) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 257, Reg. Pp Nr. 352, Wittenberg, Nachrichten, belangende der Universitaet Wittenberg Collegia usw.

5 Vgl. Weimar, Reg. Pp Nr. 352.

6) Vgl. Wittenberger Gerichtsbuch 1528—1555 Bl. 118b.

374 | | | 99

Die letzten zwei Lebensjahre Schurpffs standen im Zeichen des Kreuzes. Wie die allermeisten seiner Amts- . genossen, so vertrieb auch ihn das heranziehende Kriegs- gewitter des Jahres 1546 aus Wittenberg. Zwar fand er insbesondere in Zerbst einen siehern Bergungsort, aber die Fremde vermochte ihm die Heimat um so weniger zu ersetzen, als er im Juli 1547, wie erwähnt, das Unglück hatte, seine zweite Frau dureh den Tod zu verlieren.) Die mancherlei Schicksalsschläge, von denen Schurpff getroffen wurde, waren es nach Melanchthons Meinung auch, die seine Gesundheit untergruben und dem Leben des nach dem Schmalkaldischen Krieg wieder nach Wittenberg Zurück- gekehrten am 9. Mai 1548 ein vorzeitiges Ziel setzten.?)

Für die Universität bedeutete der Tod Schurpffs einen empfindlichen Verlust. Denn Melanchthon zählte ihn zu den fyovusvor der Hochschule und kennzeichnete ihn als deren magnum ornamentum.?) Die nächsten Freunde Schurpffs bewunderten an dem Arzt die Gelehrsamkeit, den Fleiß, die Zuverlässigkeit, den Scharfblick und die Erfahrung, an dem Professor das Talent und an dem Menschen eine Fülle von Tegenden.*)

22. Hieronymus Scehurpff?)

Vgl. über ihn Ernst Landsberg in: Allgemeine Deutsche

Biographie 33. Band S. 86 ff. und die hier angeführte Literatur.

23. Heinrich Staekmann*$*), Stagkman’), Stagman?), Stáekman?) usw. vielfach als Braunschweiger bezeichnet, stammte nach seiner eigenen

!) Vgl. Corpus Ref. vol. VI col. 339, 352, 512, 604 und vorher S. 20.

?) Vgl. Corpus Ref. 1. c. 902 sqq., Eber, Calendarium etc. p. 168, Mentzius, l. c. Lib. III p. 18.

3) Vgl. Corpus Ref. l. c. col. 296, 905.

4) Vgl. ibidem col. 902 sqq.

5) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 29, 35, 40, 41, 49, 50, 51, 3. Heft S. 17, 18, 19, 25, 26, 38, 54. |

9) Vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 18, 34.

3 Stagkman nennt er sich in einer eigenhändigen Niederschrift vom Jahre 1530. Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 24b.

8) Vgl. z. B. daselbst Bl. 24a,

?) Vgl. z. B. daselbst Bl. 23a.

23 | 375

Angabe aus Fallersleben!) Zunächst zählte ihn Leipzig zu seinen akademischen Bürgern. Hier wurde er im Winter- semester 1504/5 immatrikuliert und im Sommerhalbjahr 1506 zum Bakkalar und im Winter 1510/1 zum Magister der freien Künste promoviert.) Zwischen diesen Promotionen lieferte er zu Christoph Suchtens Druckschrift „Marei Antonii Sabelliei, poëte literatissimi, Carmina elegantissima de diua virgine Maria“ ein lateinisches Begleitgedicht.?) Ende März 1511 lieb er in Leipzig erscheinen „Bucolica Anthonii Geraldini^ usw.) Am 25. Oktober 1511 hielt der junge Magister seine sog. ordentliche Disputation über philosophische Thesen.?) Von Leipzig siedelte Stackmann nach Witten- berg über. An der dortigen Universität ließ er sich im Mai 1512 inskribieren.?) Am 12. Dezember 1512 unter die Magister der Elbhochschule aufgenommen, glückte es ihm bereits am 28. April 1513 in den Senat der dortigen Artisten- fakultät einzutreten, deren Dekanat er hernach zweimal, nämlich im Sommersemester 1515 und Wintersemester 1521/2, verwaltete. °) |

Aus der ersten Wittenberger Zeit Stackmanns er- wähne ich zunächst einige im Druck vorliegende lateinische Gedichte. Er schrieb für die 1514 erschienene Musithias des Johannes Tuberinus Begleitverse.?) Die durch die Universitätsreformatoren Henning Göde, Peter Wolf (Lupinus) und Wolfgang Stehelin 1514 veranlaßte Heraus-

1) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 25a. Vgl. auch daselbst Bl. 23», 25b.

2) Vgl. Erler, Matrikel 1. Band S. 465, 2. Band S. 426, 460.

3) Vgl. O. Clemen in: "Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen Jahrg. 1904 S. 251.

4) Vgl. den ganzen Titel bei Bauch in: Zeitschrift für Kirchen- geschichte 18. Band S. 410.

5 Vgl.Zarnckein: Abhandlungen der philosophisch-historischen Classe der k. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 2. Band S. 860.

9$) Vgl. Foerstemann, Album p. 41.

?) Vgl. Kóstlin, Die Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 16f., 29, 1518—1537 S. -12£., 24.

5) Vgl. B. F. Hummel, Neue Bibliothek von seltenen und sehr seltenen Büchern usw. 3. Band S. 1461t, Bauch, Geschichte des Leipziger Frühhumanismus S. 77 Anm. 6.

376 24

gabe des posthumen Werks „Martini Polichii Mellerstadii exquisita Cursus Physici collectanea“ usw. ließen den Hu- manisten Stackmann sowenig wie seine Gesinnungsgenossen Otto Beekmann und Johann Eisermann der Versuchung widerstehen, dieses für die Wittenberger Universität offizielle . thomistische Lehrbuch mit einem beigegebenen Elegidion zu empfehlen. Bei dem Fallerslebener muß diese Weit- herzigkeit um so mehr befremden, als ihm am 10. Juni 1515 Luthers Ordensbruder, Johann Lang, seine Ausgabe einiger Briefe des Hieronymus zueignete und im Widmungs- brief die Jünger des Okkam, Skotus und Thomas scharf anfabte.^ Da der Herausgeber seinen Freund als theologiae eandidatus bezeichnet, so erhellt daraus, daß dieser mit theologischen Studien sich abgab. Wie es scheint, befaßte er sich vorher oder nachher auch mit der Jurisprudenz. Wenigstens nennt er sich selbst 1530 „notarius olim pub- lieus^.*) Daß Stackmann Kleriker war, schließe ich aus dem Titel „Reuerendus vir“, den Thomas Eschaus 1521 ihm beilegt.*)

Wann der von Lang als ,artium doctor et ante- signanus doctissimus“ Gefeierte seine erste Anstellung an der Wittenberger Hochschule erhielt, steht dahin. Im Winter- semester 1516/7 war er einer der Kollegiaten des Neuen Kollegiums.’) Weiter besagt ein Verzeichnis der ordentlichen Lehrer der Artistenfakultät vom 22. September 1517: „Magister steckman list vmb drey vhr jn gramatica, hat 20 fl. aus der camer“.*) Das hier bezeichnete Lehrfach zusammen mit der Vorlesungszeit und dem Gehalt lassen den sichern Schluß zu, daß er im Jahre 1517 Nachfolger des Syndikus und Institutionenprofessors Otto Beckmann

1) Vgl. Bauch in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 18. Band S. 326f.

2 Vgl. H. A. Erhard, Ueberlieferungen zur vaterländischen Geschichte 1. Band 1. Heft S. 84, Bauch a. a. O. S. 329£., in: Zeit- schrift für Kirchengeschichte a. a. O. S. 392, Bauch, Die Universität Erfurt S. 159.

*) Vel. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 24b,

4) Vgl. daselbst Bl. 23v.

5) Vgl. Halle, Wittenb. Archiv III, 194a Bl. 35a.

*) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 234.

25 377

ward. Die nicht nur bei Lang, sondern auch bei Karl- stadt u. a. bemerkbare Begeisterung für die Kirchenväter und deren Behandlung im Universitätsunterricht ?) zog auch den Grammatikprofessor in ihre Kreise. 1517 ließ er für Vorlesungszwecke bei Johann Grunenberg in Wittenberg drucken „Decem Diui Hieronymi Epistolae ad vitam mortalium instituendam accommodatissimae“.?) Im Hinblick auf diese Veröffentlichung liegt es nahe, in Stack- mann auch den Herausgeber der im gleichen Jahre er- schienenen und ebenfalls für Vorlesungszwecke bestimmten Epistola Diui Hieronymi ad Paulinum presbyterum de omnibus diuinae historiae libris^*) zu vermuten. Freilich ist es auch möglich, daß diese Ausgabe von Johannes Aes ticampianus herrührt, da dieser im Oktober 1517 sein Amt in Wittenberg antrat) und gleichfalls Hie- ronymus zum Gegenstand von Vorlesungen machte 6).

In dem für die Universität Wittenberg so wichtigen Wintersemester 1517/8 erfuhr auch der Lehrauftrag Stack- manns insofern eine Änderung, als er angewiesen wurde, in Zukunft seinen Vorlesungen die Institutiones grammaticae des Priscian zugrund zu legen. Demgemäß ist sein Katheder 1520 geradezu als „Lection Prisciani Cae- sariensisadJulianum, virum consularium“ bezeichnet.‘) Bei der 1521 vorgenommenen Neuordnung der Vorlesungen in der philosophischen Fakultät erhielt Stackmann den

1) Vgl. vorher 2. Heft S. 77, 79 f.

?) Für Karlstadt vgl. Barge a. a. O. 2. Teil S. 533 ff.

3) Vgl. Bauch in: Zeitschrift für Kirchengeschichte a. a. O. S. 410.

1) „Epiftola Dini Hieronymi ab || Paulinu prefbyterum de omnibus | diuinz hiftorie libris.|^ 12 Blätter in Quart, wovon die letzten drei Seiten leer. Auf der vorletzten Seite der Druckvermerk: ,Inmpreffum Vuittenburgii in officina Ioannis | Rhau Grunenbergii. M.D.XVII. || Apud Collegium Nouu. ||“ Zwischen den gedruckten Zeilen befinden sich Zwischenráume zur Aufnahme von handschriftlichen Interlinear- bemerkungen.

5) Vgl. Foerstemann, Album p. 69.

9) Vgl. Barge a. a. O. S. 536.

'" Vgl. Foerstemann l. c, Ein Vortzaichnus, vom Hansen von Taubenheym entfangen 2c. 1520, Weimar, Reg. O Nr. 204.

378 26

seither von Jodokus Mörlin innegehabten Lehrstuhl für Physik, während sein Grammatik-Katheder an Janus Cornarius überging. Dabei wurde dem neuen Physik- professor, dem gelegentlich des Stellentauschs Spalatin das schöne Zeugnis ausstellte „de Sta cman ni fide, industria et diligentia nihil prorsus dubitatur“, aufgegeben, sich mit seinen Vorlesungen nach den Angaben Melanchthons zu richten.!) In seinem neuen Amt bewährte sich Stack- mann aufs beste. Melanchthon freute sich darüber, daß er seiner zahlreichen Zuhörerschaft wirkliche Physik vortrug. Jedoch schon nach kurzer Zeit fürchtete die Uni- versitä, Stackmann nach auswärts zu verlieren, und beschäftigte deshalb bereits Melanchthon und Spalatin die Frage nach einem geeigneten Ersatz für ihn.?) Zwar blieb er Wittenberg dauernd erhalten, aber nur noch etwas über ein Jahr dem Physiklehrstuhl. Denn durch ein kurfürstliches Reskript vom 5. November 1522 wurde ihm eine medizinische Professur verliehen. 3)

Stackmann trat nicht ohne genügende Vorbereitung als Lehrer der Arzneikunde auf. Bereits 1519 kannte man seinen Namen auch in den medizinischen Kreisen außerhalb Wittenbergs. Gab er doch damals der Schrift seines, Lehrers Peter Burkhard „Parva Hippocratis Tabula“ ein Begleitgedicht mit auf den Weg.*) Von seinen in der Heilkunde erworbenen Kenntnissen legte er aber insbesondere dadurch Zeugnis ab, daß er sich von seinem soeben genannten Lehrer am 3. Juni 1521 zum Lizentiaten der Medizin pro- ınovieren ließ. Auf Grund dieses Grades wurde er bereits am 12. Juni des gleichen Jahres in den Senat der medizi- nischen Fakultät aufgenommen.)

Wenn Staekmann den Lehrstuhl erhielt, den seither Stephan Wild innegehabt hatte, so verdankte er dies

1) Vel. Hartfelder,Melanchthoniana PaedagogicaS. 77, Spalatin, Antzeige von etlichen Lection usw. 1521, Weimar, Reg. O Nr. 315.

2) Vgl. Corpus Ref. vol. I col. 443, auch col. 547, 569.

3) Vgl. Enders a. a. O. 4. Band S. 24.

*) Vgl. O. Clemen in: Theologische Studien und Kritiken 1905 S. 396.

5) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 232 f.

27 379

nicht zuletzt den Schritten, die seine Kollegen Luther, Johann Schwertfeger, Lorenz Schlamau, An- dreas Karlstadt, Johann Dölsch, Thomas Eschaus, Mattháus Beskau, Nikolaus von Amsdorf, Stephan Wild, Melanchthon, Otto Beckmann, Georg Elner und Johann Reuber zu seinen Gunsten bei dem Kurfürsten unternahmen. In ihrem Schreiben an Friedrich den Weisen vom 2. November 1522 wiesen sie darauf hin, wie Stackmann schon vorher in Abwesenheit Wilds diesen als Lehrer vertreten, und zwar unter großem Beifall der Studenten der Medizin, als praktischer Arzt großen Eifer gezeigt und aus Liebe zu Wittenberg und seiner Universität mehrere günstige Gelegenheiten, an anderen Orten seine Lage zu verbessern, verschmäht habe.!) Daneben verwendeten sich Luther und Melanchthon in Privatbriefen an Spalatin noch besonders für Stackınann, den jener als einen gelehrten, guten und bescheidenen Mann bezeichnete und dieser nicht genug loben konnte.?) Den aus Wittenberg eingegangenen Empfehlungen Gehör schenkend, ernannte der Kurfürst, wie erwähnt, am 5. November 1522 Stackmann zum Nach- folger des mit 50 Gulden jährlich besoldeten Wild.) Um noch den letzten Anforderungen seines Amtes, der Professur für die praktische Medizin) zu genügen, erwarb sich Stackmann am 9. Dezember 1523 in Wittenberg den medizinischen Doktorgrad.?) Bald darauf, nämlich zwischen 25. Dezember 1523 und 27. März 1524, trat er in die Ehe.)

Vermutlich war es die Absicht, seine materielle Lage zu verbessern, die Stackmann 1521 daran denken ließ,

!) Vgl. Enders a. a. O. S. 19ff. Der Brief trágt, was in den bisherigen Veróffentlichungen übergangen ist, die Unterschriften der erwähnten Männer in der mitgeteilten Reihenfolge.

2, Vgl. Enders a. a. O. S. 22, Corpus Ref. vol. I col. 568 sq. (zu früh datiert), 580.

3) Vgl. Enders a. a. O. S. 24, Spalatin, Antzeige von etlichen Lection usw. 1521, Weimar, Reg. O Nr. 315.

4) Vgl. Enders a. a. O. 5. Band S. 55 f.

5) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 2423.

6) Vgl. Weimar, Reg. Qq pag. 627 B 4547: „8 virtell [Bier] doetori Stackmann vf seine wirtschafft".

380 28

Wittenberg zu verlassen. Sicher ging im November 1524 das Gerücht, daß er wegen seines geringen Gehaltes seine medizinische Professur niederlegen wolle." Jedoch hielt er auch diesmal auf seinem Posten aus und hatte die Ge- nugtuung, daß gelegentlich der im Herbst 1525 vorge- nommenen Besoldungsneuregelung sein Jahresgehalt auf 70 Gulden erhöht wurde.?) Diese Summe bezog er noch im Jahre 1529°) und vermutlich auch bis zu seinem Tod.

Im Sommersemester 1527 und Wintersemester 1529/30 stand er als Dekan an der Spitze der medizinischen Fakultät‘) und zwei Semester lang, nämlich vom 1. Mai 1527 bis 1. Mai 1528, war er als Rektor das Oberhaupt der Universität?).

Stackmann starb schon am 20. September 1532°) mit Hinterlassung einer Witwe namens Ursula‘) und einiger Kinder. Die Witwe verehelichte sich wieder mit dem Ma- gister Paul Heintz zu Wittenberg, der, um sich das Vermögen seines ältesten Stiefsohns Paul Stackmann an- zueignen, ein Scheinbegräbnis des Knaben veranstaltete. Diese Untat wurde 1537 entdeckt und erregte namentlich in Wittenberg gewaltiges Aufsehen. °)

Am 16. Dezember 1525 überließ Kurfürst Johann dem Stackmann das bisher von ihm gemietete Haus des Petrus Lupinus für 80 Gulden zum Eigentum." Kurz vor seinem Tod nahm Staekmann jedoch einen Neubau vor.!?) Der Wert

!) Vgl. Enders a. a. O. 5. Band S. 55.

2) Vgl. Hartfelder a. a. O. S. 86.

3) Vgl. Vortzaichnis des kathemergeldes Reminiscere usw. 1529, Weimar, Reg. O Nr. 207.

*) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 25a, 268.

5) Vgl. Foerstemann l. c. p. 129.

9) Vgl. Jena, Universitätsbibliothek, Cod. B. q. 24 s. Bl. 124b,

‘) Vgl. den Brief der Ursula Stackmannin, datiert Berlin 29. November 1538, Halle, Wittenb. Archiv XXI, C, 1.

*) Vgl. u. a. de Wette a. a. O. 5. Theil S. 72£., Vogt, Bugenhagens Briefwechsel S. 151 ff, Buchwald, Zur Wittenberger Stadt- und Universitätsgeschichte S. 139£., Enders a. a. O. 11. Band S. 250f. und die an diesen Orten angeführte Literatur.

?) Vgl. die kurfürstlichen Reskripte an Christoph Blanck und Stackmann vom 16. Dezember 1525, Weimar, Reg. O Nr. 424.

!) Vgl. Wittenb. Handels- und Gerichtsbuch über Vormund- schaften usw. 1528—1559 Bl. 388.

29 381

dieser im Coswigviertel gelegenen „Bude“ betrug im Jahre 1542 400 Gulden.) Wie aus einem Brief Melanchthons erhellt, hatte er von Vormundschafts wegen mit der Hinter- lassensehaft Stackmanns zu tun.?)

Es ist kein erfreuliches Bild, das ein Anonynus von Stackmann entwirft, wenn er ihn der Wittenberger Philo- sophenschule der „Cirenaici“,d.h. der „Crassi, non voluptuarii, qui voluptatibus indiscriminatim sine omni iudicio et elec- tione fruuntur“ zuzählt.?) Jedoch darf man dabei nicht ver- gessen, daß der Urheber dieses Bildes ein mit Gift und Galle malender Pamphletist war.

24. Nikolaus Sybeth‘),

wie er sich selbst nennt?), Zewbeth, Sewbeth®), Sebeth*), Seiboth®) usw. stammte aus Schleiz?) Im Wintersemester 1498/9 wurde er Student in Leipzig!?) und im Sommer- halbjahr 1503 an der Wittenberger Hochsehule!!), der er als Notar spüter über zwei Jahrzehnte seine Dienste widmete. Vermutlich auch in Wittenberg erwarb sich Sybeth den Grad eines Bakkalars beider Rechte, der da und dort neben seinem Namen erscheint.!?)

Naeh den Angaben, die er am 17. Mai 1512 über seine bisherigen Gehaltsbezüge machte !?), zu urteilen, kann er nieht

1) Vgl. Weimar, Reg. Pp Nr. 355, 8.

2 Vgl. Corpus Ref. vol, VII vol. 485.

3) Vgl. Enders a. a. O. 4. Band S. 21 Anm. 1, Batel in: Zeit- schrift für Kirchengeschichte a. a. O. S. 411.

4) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 26, 40, 66, 3. Heft S. 19, 25, 42, 50, 4. Heft S. 29.

5) Vgl. z. B: Das notarielle Instrument vom 13. Mai 1517, Weimar, Reg. O Nr.209 Bl. 91a, Halle, Wittenb. Archiv III, 194a Bl. 2a, 4b usw.

6) Vgl. Erler, Matrikel der Universität Leipzig 1. Band S. 427.

?) Vgl. Foerstemann, Album p. 7, wo doch wohl irrtümlicher- "weise „sebech“ anstatt „sebeth“ gedruckt ist.

8) Vgl. Weimar, Kopialbuch B 9 Bl. 438bf.

?) Vgl. Erler a. a. O., Foerstemann |. c.

1) Vgl. Erler a. a. O.

11) Vgl. Foerstemann L c. :

12) Vgl. z. B. Wittenb. Handels- und Gerichtsbuch 1520—1555 Bl. 2993.

13) Vgl. Halle, Wittenb. Archiv a. a. O. Bl. 4b.

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wohl vor 1510 das Notariat übernommen haben. Jedenfalls aber versah er es schon vor dem Wintersemester 1511/2.!) In einem von Sybeth hergestellten notariellen Instrument vom 13. Mai 1517 nennt er sich „Clerick neunburgsch bistums, kayßerlicher gewalt Offenwarer vnd der Loblichen vniuersitet zu Witten- bergk notarius“.!) Wie diese Urkunde und viele andere von seiner Hand herrührende Schriftstücke erkennen lassen. galt freilich seine Tätigkeit nicht bloß der Universität. sondern auch dem Stiftskapitel der Schloßkirche. Sicher noch im September 1533 im Amt?), starb Sybeth im darauf- folgenden Jahre.?) Er hinterließ eine Witwe, die noch 1542 lebte.*)

Sybeth war Hausbesitzer in Wittenberg. Am 16. Ok- tober 1523 ließ ihm Alexànder Brunsdorf sein zwischen den Grundstücken der Marienknechte von Halle a. S. und der Johann Führmeisterin gelegenes Haus auf") Diese Behausung in der kleinen Brudergasse verkauite er vor 18. März 1530 dem Böttcher Andreas Zernigall*) Wenn Sybeth sein Anwesen wieder veräußerte, so hat dies darin seinen Grund, daß Kurfürst Johann ihm und Johann Mußmann einen „ort vnnd raum, etwa die dechaney ge- nanth, an sannt Anthoni Capellen“ gelegen, zu erb und eigen überließ und jeder der beiden auf der ihm zugefallenen Hälfte eine Behausung erbaute. Für seinen Neubau erhielt der Notar auf sein Ansuchen vom Kurfürsten am 14. März 1528 die gleichen Freiheiten, Privilegien und Gerechtigkeiten, wie die anderen Glieder der Universität für ihre Häuser. Außer- dem verschrieb ihm der Landesherr an dem genannten Tage „einen andern rauhm, als den vmbgangk oder kirchof sant

1) Vgl. Weimar, Reg. © Nr. 209 Bl. 91s, Über das Amt des Universitátsnotars in Wittenberg vgl. Nik. Müller a. a. O. S. 26.

?) Vgl. Wittenb. Gerichtsbuch 1528—1555 Bl. 90a.

3) Vgl. Wittenb. Kastenrechnung 1534, Einnahme vom Läuten der großen Glocke bei Begrübnissen: ,9 gr. Notarius vniuersitatis".

*) Vgl. Weimar, Reg. Pp Nr. 355, 8.

5) Vgl. Wittenb. Handels- und Gerichtsbuch 1520—1555 Bl. 229a,

6) Vgl. Wittenb. Gerichtsbuch 1528—1555 Bl. 22a, Wittenb. Handelsbuch 1520—1555 Bl. 29123.

3l 383

Anthoni Capellenn, an seinen hoff rurendt“, freilich in widerruflicher Weise.’

Von der Hand Sybeths sind viele von den erhaltenen Aktenstücken der Universität und des ud ge- schrieben.

25. Johann Volmar.?)

Seine Heimat war das im Großherzogtum Baden ge- legene Villingen. Sein Vater hieß Ludwig.?) Als Student suchte Johann die ferne Universität Krakau auf, an der er unter dem Namen „Johannes Lodwiei de Fyllingen“ im Wintersemester 1498/9 immatrikuliert wurde.*) Im Pfingst- quartal 1501 holte er sich hier den Grad eines Baccalaureus artium.) Den Jünglingsjahren längst entwachsen, bezog er die Hochschule Wittenberg, die im Sommerhalbjahr 1514 den „Johannes Ludowiei Figule de Fillingen“ unter ihre akademischen Bürger aufnahm.9) Es war dies das Semester, in dem die Artistenfakultät bezüglich der später von Volmar amtlich vertretenen Disziplin Reformen vornahm. Von der Bedeutung der Mathematik, ohne deren Kenntnis Aristoteles nicht verstanden werden könne, durehdrungen, richtete sie nämlich neue öffentliche mathematische Vorlesungen unter Vorschrift der ihnen zugrund zu legenden Autoren ein und verpflichtete die Anwärter auf die beiden artistischen Grade zu deren Besuch.‘) Diese Vorlesungen übernahm der ehe-

1) Vgl. Weimar, Kopialbuch B 9 Bl. 433bf., Wittenb. Kämmerei- rechnung 1528/9, Gemeine Ausgabe: „37 gr. 6 ó Am Schosse, bach- geldt 2c. des hauses der Dechaney, welchs ytzt der Notarius vniuersi- tatis vnd Hans Mußman gebawett".

2) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S, 58, 66, 3. Heft S. 1, 18, 33, 34, 41, 42, 50, 4. Heft S. 26, 71.

3) Vgl. hernach Anm. 4 und 6.

4) Vgl. Album studiosorum universitatis Cracoviensis Tomus II p.47.

5) Vgl. Muczkowski, Statuta nec non liber promotionum philo- sophorum ordinis in universitate studiorum Jagellonica p. 130.

9) Vgl. Foerstemann, Album p. 52.

?) Vgl. Nik. Müller a. a. O. S. 233f. Es handelte sich hierbe um neue Vorlesungen, nicht aber um die erstmalige Einführung von mathematischen Vorlesungen überhaupt. Denn solche besaß die Artistenfakultät schon früher. Vgl. u.a. Nik. Müller a. a. O. S. 87.

384 32

malige Krakauer Student Bonifazius Rode von Zórbig!). der 1516 und 1517 um 2 Uhr Astronomie und Mathematik las und dafür 20 Gulden Jahresgehalt aus der kurfürstliehen Kammer empfing.?) |

Im Besitz des zu Krakau erworbenen Bakkalaureats, ließ sich Volmar gleich in seinem ersten Wittenberger Semester unter die dortigen Bakkalare aufnehmen und erlangte am 30. Januar 1515 unter dem Dekanat des erwähnten Rode die Magisterwürde.) Von der Elbe trieb der Wissens- durst Volmar fort an die Pleiße; er ließ sich im Sommer- halbjahr 1516 zu Leipzig inskribieren.) Hernach kehrte er wieder nach Wittenberg zurück, wo er infolge der seit dem Wintersemester 1517/8 betriebenen Umgestal- tung der Hochschule einen Lehrstuhl erbielt. Da Rode für den Unterricht der Mathematik, die Luther und seine Freunde schon im März 1518 in Bälde gelehrt zu sehen hofften?), offenbar unbefähigt war, erhielt er im Winter- semester 1518/9 oder spätestens im Mai 1519 seinen Ab- schied und eine Entschädigung von zwei Gulden „pro relieta fabrica et sera futuro Mathematico cedenda“ (Neues Kol-

!) Rode wurde zu Krakau im Sommersemester 1502 intituliert. Vgl. Album studiosorum universitatis Cracoviensis l. c. p. 77. Hier erlangte er auch im Quartal Kreuzerhóhung (14. September) 1505 den untersten Grad der Artistenfakultät. Vgl. Muczkowski l. c. p. 141. Im Winterhalbjahr 1505/6 bewirkte er seine Immatrikulation zu Wittenberg. Vgl. Foerstemann, Album p. 18. Im Sommer- halbjahr 1506 als Krakauer Bakkalar rezipiert, promovierte er im Sommersemester 1509 zum Magister artium und trat 1513 in den Artistensenat ein. Vgl. Kóstlin a. a. O. 1503—1517 S. 7, 24, 29. Das Dekanat seiner Fakultät verwaltete er im Winter 1514/5. Vgl. daselbst S. 16, 27.

Nachweisbar 1517 und 1518 war er neben Johann Reuber Kollegiat des Neuen Kollegiums. Vgl. Halle, Wittenb. Archiv III, 194a Bl. 42b.

2) Vgl. die Berichte von 1516 und 1517 über die in Witten- berg gehaltenen Vorlesungen, Weimar, Reg. O Nr. 284, Muther, Zur Geschichte der Rechtswissenschaft S. 292.

3) Vgl. Kóstlin a. a. O. 1503—1517 S. 16, 27.

*) Vgl. Erler a. a. O. 1. Band S. 548.

5 Vgl. Enders a. a. O. 1. Band S. 170.

33 385

legium) aus der Universitätskasse.!) Sein Nachfolger wurde im Sommersemester 1519 Volmar. Daß er wirklich damals angestellt wurde, läßt nicht nur Spalatin, der 1521 von „der lection in Mathematica, die bisher etlich jar magister Johannes Volmar verwalt hat“, spricht?), sondern besonders deutlich das Rechenbuch der Universität erkennen. Da- nach zahlte diese dem neuen Mathematikprofessor viermal je 2!/, Gulden, und zwar an den Quartalen Kreuzerhóhung und Lucie 1519 und Aschermittwoch und Pfingsten 1520.5 Weil solche Posten im Rechenbuch weiterhin nicht mehr angetroffen werden, liegt es nahe, in dem gezahlten Betrag von 10 Gulden eine Art Remuneration von seiten der Hochschule zu sehen. Jedenfalls erhielt Volmar daneben sein eigentliches Gehalt aus der kurfürstlichen Kammer. Nach Ausweis von zwei Gehaltslisten aus der zweiten Hälfte des Wintersemesters 1519/20 und aus dem Sommerhalbjahr 1520 wurden ihm gleich seinem Vorgänger jährlich 20 Gulden .gewährt, *) Merkwürdigerweise trat er erst am 18. Juni 1520 in den Senat seiner Fakultät ein.?)

Als im Jahre 1520 die Reorganisation der Wittenberger philosophischen Fakultät fortgesetzt wurde, zog man auch eine Erweiterung des mathematischen Unterrichts in Er- wägung, wie aus der Notiz Spalatins ,Mathematieus duabus lectionibus et horis, Jo. Volmarus“ ersichtlich ist.$) Aber schwerlich zeitigte schon das Jahr 1520 eine greifbare Frucht. Dagegen bot sich 1521 eine günstige Gelegenheit, bei der nicht nur den auf die Vermehrung der mathematischen Vorlesungen gerichteten Absichten der Gelehrten, sondern auch den Spar- samkeitsrücksichten Friedrichs des Weisen um seine

1) Vgl. Halle. Wittenberger Archiv III, 194» Bl. 51b.

2) Vgl. Ein vortzeichnuss, wie meines Gnedigsten Hern, des Churfursten, Cammer mag etlicher außgab in der Vniuersiteth zu Wittenberg entladenn werdenn, 1521, Weimar, Reg. O Nr. 315.

3) Vgl. Halle a. a. O. Bl. 58b, 573, 58b,

*) Vgl. Vorzcaichnus der personen, Welche alle quatemer vonn meinem gnedigsten herrenn Vorsoldet werden, und Ein Vortzaichnus, vom Hansen von, Taubenheym entpfangen 2c, 1520, Weimar, Reg. O Nr. 204. |

9) Vgl. Kóstlin a. a. O. 1518—1537 S. 24.

9) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 315.

Archiv für Reformationsgeschichte VII. 4. 90

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Hofkammer zu entlasten, wünschte er möglichst viele Witten- berger Hochschullehrer mit Stiftsherrenpfründen versehen Rechnung getragen werden konnte. Am 15. Juli 1521 erhielt die von dem Universitätssenat vollzogene Nomination Johann Dölschs zum Nachfolger des verstorbenen Kustos Peter Lupinus die kurfürstliche Bestätigung.!) Kam damit das seit- her von Dölsch innegehabte Kanonikat zur Wiederbesetzung, so richteten die alsbald nach Wittenberg entsendeten Räte Friedrichs des Weisen an den Hochschulsenat das Er- suchen, dafür einen geschickten Mathematiker in Vorschlag zu bringen und in erster Linie den als besonders tüchtig gerübmten Volmar zu berücksichtigen.) Dieser wurde denn auch gewählt und vom Kurfürsten bestätigt; und nunmehr konnte Spalatin die für seinen sparsamen Herrn und dessen Kammerverwaltung erfreuliche Tatsache ver- merken: ,ltzo geeth ab die besoldung der Lection in Mathematica, dieweil magister Volmar auf des Licentiaten Feltkirchen prebend nominirt ist,“?) und die Universität anweisen: „Magistro Joanni Volmaro detur negotium Mathe- maticam Maiorem et Minorem alternis diebus profitendi eius- modi libris et autoribus, quos ipse quam maxime e re publica futuros duxerit“®).

Die Pfründe, in der Volmar dem Dölsch folgte, warf jährlich 79 Gulden 5 Groschen 5 Pf. ab, nämlich 45 Gulden Korpusgeld, wovon 25 Gulden der Rat zu Weißenfels und 20 Gulden die Hofkammer zahlte, und 34 Gulden 5 Gr. ö Pf. Präsenz.) Seit der Säkularisation der Stiftskirche

1) Vgl. Kropatscheck, Johannes Dólsch S. 26f, das Regest des Schreibens an die Universitát vom 15. Juli 1521, Halle. Wittenb. Archiv VII, 5, g Bl. 48a,

2) Vgl. Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica S. 81, Kro- patscheck a. a. O. S. 29.

3) Vgl. Vertzeichnus, wie meines Gnedigsten Hern Cammer der besoldung etlicher Lection mag entladen werdenn usw. 1521, Weimar, Reg. O Nr. 815, Kropatscheck a, a. 0.

*) Vgl. Vertzeichnus usw., vorher Anm. 3, gedruckt Hartfelder a. &. O. S. 77. Im Jahre 1514 hatte die Artistenfakultät dem Mathematiker - die Autoren vorgeschrieben. Vgl. Nik, Müller a. a. O. S. 233f.

5) Vgl. Vorzcaichnus des Eynkomens Allenn personen jm grossen Chor der Stiftkirchen usw., Weimar, Reg. O Nr. 200.

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im Jahre 1525 wurden die genannten 20 Gulden Korpus- geld nicht mehr aus der Hofkammer, sondern aus den Ein- künften dieser Kirche gezahlt. Außerdem erhielt Volmar. noch jährlich 228 Brote und 7 Gr. Semmel. Diese Besoldung blieb ihm bis zu seinem Tod.!)

Wie Volmar als Kanonikus während der Wittenberger Bewegung 1521/2 ein heftiger Gegner der kirchlichen Neuerer und Neuerungen war, so hielt er auch in diesem Kampf zusammen mit Matthäus Beskau und Georg Elner bis 1524 treulich aus.? Jedoch widmete er, nachdem sein Chor- und Meßdienst überflüssig geworden war?) im Gegensatz zu seinen reformationsfeindlichen Konfratres, seinem Lehramt bis zu seinem Tode unverdrossen Zeit und Kraftf) Aller- dings brauchte Volmar seit Herbst 1525 nicht mehr das Gesamtfaeh der Mathematik zu lehren, wozu man ihn 1521 verpflichtet hatte. Denn infolge der gesteigerten Wert- schätzung dieses Unterrichtsgegenstandes wurde 1525 Jo- hannes Longicampianus ' (Gusebel) mit 20 Gulden Jahresgehalt angestellt, um Vorlesungen über die Elemente . der Mathematik zu halten.) Nachdem er am 10. März 1529 gestorben war, schlug die Universität am 1. November 1529 den seitherigen Leiter des Pädagogiums, Jakob Milich, für „die Lectio in Mathematica“ vor, und ihr Vorschlag erhielt am Tag darauf die kurfürstliche Bestätigung.)

!) Vgl. u. a. Vortzaichnis des kathemergeldes .. 1529, Weimar, Reg. O Nr. 207, Vorzeichnus Aller Einnham vnd Ausgabe der Stiffts- kirchen zw Wittemberg, daselbst, Reg. O Nr. 206.

2) Vgl. vorher 2. Heft S. 94, 3. Heft S. 23.

3) Nach dem Schreiben des Gregor Burger an Friedrich den Weisen vom 24. April 1525, Weimar, Reg. O Nr. 204 und 229, nahm damals Volmar als Kanonikus an dem im reformatorischen Sinne umgestalteten Kirchendienst regelmäßig teil.

4) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 237.

5) Vgl. Vortzaichnus des kathemergeldes...1525, Weimar, Reg. O Nr. 236, Scriptorum publice propositorum a gubernatoribus studiorum in Academia Witebergensi tomus II, 1562, Bl. D2b, H 6b, Y 4».

9$) Vgl. Buchwald, Zur Wittenberger Stadt- und Universitäts- Geschichte S. 55, das Schreiben der Universitát an Kurfürst Johann vom 1. November 1529 und dessen Antwort vom 2, November 1529. Weimar, Reg. O Nr. 328. In dem Schreiben wird ausdrücklich be-

20 *

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Als Lehrer verstand es Volmar, einen dankbaren Schülerkreis um sich zu sammeln und tüchtige Mathematiker auszubilden. Johann Mathesius gedenkt noch in seinen späteren Jahren der von jenem gehaltenen Vorlesungen über die Theorie der Planeten.!) Jakob Schenk war Volmars Famulus.?) Wenn der Name Volmars noch heute mit Ehren in der Geschichte der Mathematik genannt wird, so verdankt er dies hauptsächlich seinem berühmten Schüler Johann Joachim von Lauchen (Rhaeticus)?) der selbst 1536, bevor noch die von seinem Lehrer innegehabte Lehrkanzel wieder besetzt war, als öffentlichen Professor für die niedere Mathematik, d. i. Arithmetik und Geometrie, in Wittenberg sich einführte*). Am bezeichnendsten für Volmars Be- deutung ist die Tatsache, daß der Praeceptor Germaniae, einer der Hauptförderer der mathematischen Studien, auf ihn wegen seines Wissens große Stücke hielt?) und mit ihm bis zu seinem Ableben in Freundschaft verbunden blieb). Daß die Tätigkeit, die Volmar entfaltete, auch von seinen übrigen Kollegen gewürdigt wurde, beweist seine Wahl zum Dekanat der philosophischen Fakultät, das er im Sommer- - halbjahr 1524, und zum Rektorat, das er im Sommersemester 1528 verwaltete. ?)

Volmar wohnte zuletzt zwischen Hermann Kippe, dem frühern Vikar an der Schloßkirche, und Urban Kranpul* in der Priester- oder Pfaffengasse zu Wittenberg. Hier

merkt, daß Kurfürst Johann „die lectio in Mathematica", die bisher Longicampianus lehrte, „verordent“ habe.

1) Vgl. Lósche, Johannes Mathesius 1. Band S. 47.

2) Vgl. Corpus Ref. vol. III col. 405, Seidemann, Dr. Jacob Schenk S. 1, 88.

3) Vgl. u. a. Günther, Geschichte des mathematischen Unter- richts S. 271f., 275, Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathe- mathik 2. Aufl. 2. Band S. 472 ff.

*) Vgl. Corpus Ref. vol. XI col. 281 sqq.

5) Vgl. ibidem vol. II col. 893, vol. III col. 43, vol. XI col. 285.

9) Vgl. hernach S. 37f. Anm. 3.

?) Vgl. Kóstlin a. a. O. 1518—1537 S. 14, 19, Foerstemann l. c. p. 131.

.8) Vgl. Wittenberg, Stadtarchiv, Privat Protocoll (den genauen Titel s. hernach S. 37f. Anm. 3) Bl. 174a,

37 389

lagen die zwei Häuschen, die ihm und seinem Konfrater Georg Elner auf Lebenszeit zustanden und nach ihrem Ableben laut einer Verschreibung Johann Friedrichs vom 7. Februar 1535 auf die beiden Diakone Georg Rörer und Johann Mantel übergingen.) Die Bude Volmars, deren Wert 1528 auf 36 Gulden veranschlagt wurde, hatte vor ihm der Vikar an der Schloßkirche, Johann Fischer, inne.?)

Am 12. Mai 1536 errichtete Volmar sein Testament, aus dem sich einige wertvolle Personalnotizen entnehmen lassen. Besondere Beachtung verdienen seine Legate für die drei Diakone und den Gemeinen Kasten zu Wittenberg. Sind doch diese letztwilligen Verfügungen zugunsten evange- lischer Geistlichen und einer dem evangelischen Armen. und Kirehenwesen dienenden Einrichtung schlagende Beweise dafür, daß aus dem einstigen scharfen Gegner der Refor- mation im Laufe der Jahre ein Freund und Anhänger ge- ‚worden war. Nach dem Testament zu schließen, hielt es Volmar bis zu seinem Tode mit dem Zölibat.?)

1) Vgl. Nik. Müller, Die Kirchen- und Schulvisitationen im Kreise Belzig 1530 und 1534 S. 17.

2) Vgl. Wittenb. Kümmereirechnung 1526/7, Schoß von den Häusern, wo bei dem Namen „Er Johann Fischer“ der Zuname aus- gestrichen und durch „Volmar“ ersetzt ist, und Wittenberg, Rechnung, Vortzeichnus Vnnd Wirderung Der Ligenden Grunde usw. Bl. 63.

3) Die Hauptpartien des Testaments lauten: ,anfencklichen so be- fehlich meine sehle, wen die vonn meinem leichnam scheiden wirdt, jn die hende vnnsers herrnn vnnd heilands Jhesu Christi, der sie mit seinem Rosinfarben blut an alle meine vordinst vom tode, helle vnnd alle [sic] meinen sunden erlóst. Darnach befiehle ich, meinen leichnam nach Christlieher gewonheitt zu bestattenn, vnd will, das auff denn tag meines begrebnis allenn Armenn Menschenn, jung vnnd altt, Souiel er vor meinem haus, das ich bis zu meinem Ende Berechnet [sic], kommen werdenn, zwene pfennig vnd ein Semmel gegebenn werdenn. Volgendes bescheide ich dem Gemeinen kasten alhier zehen fl. an goldt oder talernn. Item mehr legir ich meiner köchin vber jhren verdientenn lohn auch zehenn fl., Item Magister Johann Dachs 10fl., Item dendreyenn kapplanen, als Nemlich magister Jeorgenn [— Rórer], magister Froschell vnud hern Johan Manttell, einem jtzlichenn 1 fl., Item beidenn meinen Medicis, Als Nemlich dem [so] Achtbarn vnd Hochgelertenn hernn, Doctori Caspar N. [> Lindemann] vnd Licentiaten Melchiorn [= Fendt], fur jhre muhe vnnd gehabtenn vleis, so sie in meiner kranckheit mitt mir gehabtt, ein zimliche vereherung. Jtem, so ist

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Volmar starb zwischen dem 12. und 28. Mai 1536, wie aus dem Datum seines Testaments einerseits und aus dem Tag, an dem sein Legat für den Gemeinen Kasten ausgezahlt wurde!), andererseits erhellt.

Von seinen schriftstellerischen Arbeiten ist mir bekannt geworden: „Pronofticatio Wit || tenbergen Magiftri Johannis YHolmar || Mathematici ad Unnum WMillefinum quingente- fimu || vicefimum fecundum. || Saturnus dns Anni. Mars particeps || Eclipfis Zune totalis. || Holzsehnitt mit zwei männ- lichen Figuren, die eine Mondsfinsternis beobachten!'“. Titel- rückseite bedruckt. 8 Blätter in Quart. (Berlin, Kgl. Bibliothek).?)

mir er Johan [= Weinmann]. orgenist, 2 fl. schuldig, darfur er mir einen silbern becher eingesatztt, Magister N. 8 fl, dar fur er mir etzliche Ringe vorpfendett: denselbenn zweyenn will ich, wo der Almechtige vott mich vonn dießer welt nehmenn wurde, solch schulde erlassenn, vnnd sollenn ihnenn also jhre pfande widerumb volgenn. Hieruber setze vnnd justituir ich in der andernn meiner fahrendenn hab, wie sich die in meinem munde verledigenn wirdet, nach dem ich kein vnbeweeliche gueter hinder mir verlasse, nach ausrichtung aller legaten vnnd notturfftipen expens meinen Bruder Carius volmar vnnd meine beide schwestern marta vnnd Barbara, zu N. wonhafftig, wo die nach am lebenn, oder, wo sie verfallenn, jhre kinder jn stirpes, vnnd der andernn meiner verstorbenen bruder vnnd schwester kinder, Souiell der bey lebenn, auch in stirpes, zu meinenn Rechtenn Erbenn vnnd Erbnehmenn... Ich setze vnnd verordene auch hiermitt zu meinen Testamentarien dieDes meynes testaments vnnd letzten willens die Achtbarnn vnnd hochgelarten hern, Doctor Jheronimum schurff, ordinarium, herrnn Magistrum Philippum Melanchton [sic] vnnd magister Jeorgenn staffelstein [— Elner], sonderlich vnnd sempt- lich... Ich bescheide auch jtztgemeltenn meinen testamentarien, meinen sonderlichenn lieben freundenn, zu einem gedechtnus, Erstlich Ernn Doctori Jheronimo schurff den grossen Silbernn becher vnud meine drey kronenn, Item Ern magistro Philippo denn kleinen silbern becher, 1 silbernn lóffell vnnd 2 goldt fl, Item magistro staffelstein auch ein Silbern lóffell vnnd zween thaler.^ Vgl. die Abschrift, Wittenberg, Stadtarchiv, Privat Protocol von Hof Ge- richts Urtheln und allerhand Rechts Füllen, auch Formularen anno 1536 usw. Bl. 174aff. |

1) Vgl. Wittenb. Kastenrechnung 1536, Einnahme aus Testamen- ten: ,4 8 oder 10 Thaler hat Johan volmar testirt, Sontags exaudi [28. Mai] vonn Doctori Sebaldo [= Münsterer] entpfangen".

2) Eine mir unbekannt gebliebene deutsche Practica für 1524 erwähnt Bauch, Deutsche Scholaren in Krakau S. 57.

39 391

26. Johann Weinmann!),

Weynmann?, Weimann usw. aus Nürnberg studierte an der Leipziger Universität, an der er im Winterhalbjahr 1492/3 inskribiert wurde °). Nachdem Friedrich der Weise am 11. November 1506 in seiner Schloßkirche zu Wittenberg den sog. kleinen Chor ins Leben gerufen und dabei auch eine Organistenstelle mit 10 Gulden Jahresgehalt und freier Verköstigung im Wittenberger Schloß (Amt) begründet hatte $), erhielt diese Weinmann. In Weimar ,angenommen", versah er die Stelle nachweislich bereits an Ostern 1508.°) Außerdem wurde ihm der mit 10 Gulden jährlich besoldete Organisten- dienst im großen Chor der Schloßkirche übertragen. 8)

Im Sommersemester 1509 ließ sich Weinmann an der Wittenberger Universität immatrikulieren.”) Daß er damals schon dem geistlichen Stande, dem er im Winter 1521/2 durch seine Verehelichung Valet sagte, angehörte, beweist das in der Matrikel seinem Namen beigefügte „Dominus“. Seit dem Jahre 1508 wird der Name Weinmanns häufig in Ver- bindung mit der Schloßkirche angetroffen. Weil der kurfürst- liche Sehosser einen Teil seines Gehaltes auszahlte, wird der Organist regelmäßig in den Rechnungen des Amtes Witten- berg genannt. So ist gebucht unter den Ausgaben vom l. Mai bis 1. November 1517: „3 Schock 30 Gr. Ern Johan, dem organisten, zulegung jherlichen ausßem Ambt, ßo hat eher aw dem kleinen chor auch 3 Schock 30 Gr. dorzu die kost vfme schlos“®), und unter den Ausgaben vom 1. Mai 1525 bis 1. Mai 1526: ,3!/, Schock Herr Johan Organisten halp jhar lon, Das ander halbe jharlohn verlonet yme der

! Vgl. vorher 6, Jahrg. 4. Heft S. 60.

?) Weynmann nennt er sich in einem Schreiben an Friedrich den Weisen, Weimar, Reg. O Nr. 189,

3) Vgl. Erler a. a. O. 1. Band S. 394.

4) Vgl. Halle, Wittenberger Archiv, Trésor Nr. 64,

5) Vgl. Weinmanns Schreiben, vorher Anm. 2, Weimar, Reg. Bb Nr. 2750, Ausgabe vor die wochliche kuchen.

9$) Vgl. Weinmanns Schreiben, vorher Anm. 2.

?) Vgl. Foerstemann |. c. p. 28. |

. 8) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 2768, Ausgabe fur die Kirchenn

Aller gottis heyligen jm Schlos Wittenberg. :

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Techent ym cleynen Choer*!. Weinmann versah den Organistendienst in der Schloßkirche bis zu seinem Tod. In seinen letzten Lebensjahren erhielt er dafür außer seinem Kostgeld 37 Gulden 15 Groschen 2 Pfennig im Jahr.?)

Neben Weinmanns Tätigkeit an der Sehlofkirche ist diejenige an der Stadtkirche zu erwähnen. Im Jahre 1519 wurde die Stelle des Organisten der Stadtkirche, der bis 1523 zugleich auch die Turmuhr dieses Gotteshauses zu stellen hatte, neu besetzt?) und vermutlich Weinmann da- mit betraut. Mit Namen nennen ihn die Rechnungen des Gemeinen Kastens seit 1529. Danach wurden dem Orga- nisten für seine Tätigkeit in der Stadtkirche 1530—1533 6 Gulden, seit 1534 das Doppelte, seit 1539 (?) 16 Gulden gezahlt und außerdem seit 1541 noch 12 Scheffel Rocken jährlich verabfolgt.) Ehe Weinmanns Gehalt erhöht wurde, lebte er in so drückenden Verhältnissen, daB er kurz vor 8. März 1533 beim Kurfürsten um ein Malter Brotkorn an- halten und bei Johann Volmar Geld borgen mute." In seiner dienstfreien Zeit erteilte der Organist Musikunterricht. Die Einladung zu seinem Leichenbegängnis rühmt ihn als einen hervorragenden Künstler in seinem Fach und als einen trefflichen Kenner der deutschen Geschichte.?)

Weinmann, der von Friedrieh dem Weisen mit freier Wohnung angestellt worden war‘), hatte seine Be- hausung im Coswigviertel. Deren Wert veranschlagte er 1542 auf 100 Gulden?) Er starb in der Nacht des

1) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 2785, Fur die Stifftkirchen.

?) Vgl. Vortzeichnis der Personen des stiffts, Weimar, Reg. O Nr. 244.

3) Vgl. Wittenberger Kümmereirechnung 1519/20, Gemeine Aus- gabenn.

t) Vgl. die Kastenrechnungen der betreffenden Jahre und Witten- berg, allerhand Nachrichten von denen Gotteskastenzinßen usw. Bl. 33b. 5) Vgl. Berbig in: Theol. Studien und Kritiken 1906 S. 444 f.

und vorher S. 37 f. Anm. 3.

6) Vgl. Scriptorum publice propositorum ... in Academia Wite- bergensi tomus I, 1560, Bl. 57Þ f.

”) Vgl. Weinmanns Schreiben, vorher S. 39 Anm. 2.

*) Vgl. Weimar, Reg. Pp 355,8.

41 393

28./29. November 1542.') Ihn überlebten seine Frau Barbara und mindestens zwei Söhne, Maximilian und Konstantin mit Namen.) Maximilian, gestorben zu Wittenberg am 23. August 1567, war zwar ebenfalls Organist?), aber an der Schloßkirche nur der interimistische Nachfolger seines Vaters), während dessen Stelle auf Luthers Empfehlung von Johann Friedrich am 8. Ok- tober 1544 endgültig Paul Rißmann verliehen wurde°).

27, Stephan Wild®),

Wildt u. dgl. Seine Heimat war Pleinfeld.\ Zuerst studierte er in Ingolstadt, wo er sich am 8. Oktober 1514 immatrikulieren ließ und den Grad eines artistischen Bakkalars erwarb.?) Vielleicht bestimmte ihn die Berufung des Ingolstädter Mediviners Peter Burkhard nach Witten- berg, daß er ebenfalls die bayrische Hochschule mit der kursächsischen vertauschte. .Denn er wurde nur zwei Monate vor diesem am 25. Juli 1518 an der EIb- universität intituliert.' Nachdem Wild bald nach seiner Immatrikulation seine Rezeption unter die Wittenberger Bak- kalare bewirkt hatte, erlangte er am 14. Februar 1519 die Magisterwürde.! Damit schloß er jedoch seine Studien noch nicht ab, sondern widmete sich auch weiterhin seiner Fach-

Vgl. vorher S.40 Anm.6. Er starb jedoch nicht 1541, sondern 1512. Vgl. vorher S. 40 Anm. 2.

2 Vgl. Halle, Wittenberger Archiv III, 1945.

3) Vgl. Wittenberger Totenregister, 23. August 1567.

14) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 2826, Costgelt.

5 Vgl. Burkhardt, Luthers Briefwechsel S. 449, Halle, Witten- berger Archiv III, 194b,

6) Vgl. vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 18, 19, 25.

^) Wild nennt er sich selbst u. a. Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 2182; ebenso ist er bezeichnet z. B. Wolff, Die Matrikel der Universität Ingolstadt 1. Hälfte Sp. 373, Köstlin, Baccalaurei usw. 1518—1537 S. 6,16. Wildt ist er genannt u. a. Foerstemann, Album p. 74. i ö

5 Vgl. Wolff a. a O., Foerstemann |. c., Köstlin a. a. O.

?) Vgl. Wolff a. a. O., Kóstlin a. a. O. S. 6.

1) Vgl. Foerstemann l. c. p. 73 sq.

u) Vgl. Kóstlin a. a. O.

394 49

wissenschaft, der Medizin. Weil um diese Zeit der erwähnte Burkhard der einzige Ordinarius der Heilkunde zu Witten- berg war, unterliegt es keinem Zweifel, daB Wild seine medizinische Ausbildung hauptsächlich ihm verdankte. Sein süddeutscher Landsmann war es auch, der Wild am 28. Ja- nuar 1521 zum Doktor promovierte und am 2. Juni des nämlichen Jahres in den Senat der medizinischen Fakultät aufnahm." Aus den Gebühren, die der Graduierte statuten- gemäß zu zahlen hatte, entnahmen die Universitätsreformatoren die 20 Gulden zum Viatikum, das sie dem auf den Wormser Reichstag ziehenden Luther verehrten.?)

Ein halbes Jahr vor seiner Doktorpromotion hatte Wild viel von sich reden machen. Er wurde bezichtigt, in dem wider Lukas Cranach und seine Gesellen gerichteten Studentenauflauf einer der „Hauptleute* gewesen zu sein, während er selbst seine Unschuld beteuerte.?) Leider reichen die erhaltenen Nachrichten zur Feststellung und Beurteilung des wirklichen Tatbestandes nicht aus. Wie es sich aber auch damit verhalten mag, der auf Wild lastende Verdacht hätte beinahe seine Ernennung zum Professor vereitelt. Es ist bereits an einer andern Stelle mitgeteilt, daß Luther und seine Freunde zum Nachfolger des genannten Burkhard anfänglich Augustin Schurpff und im Februar 1521 neben diesem noch Wild empfahlen, daß jedoch Friedrich der Weise der Kandidatur des angeblichen Rädelsführers im Studentenauflauf zuerst sich widersetzte. Ebenso ist schon hervorgehoben, daß schließlich der Widerstand des Kurfürsten überwunden, auf Vorschlag der Universität im Sommer 1521 die Stelle Burkhards zwischen Schurpff und Wild ver- versuchsweise geteilt, jener als Professor der theoretischen und dieser als Professor der praktischen Medizin, und zwar jeder mit 50 Gulden Jahresgehalt, angestellt wurde.* Indessen

!) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 22» f.

2) Vgl. Halle, Wittenb. Archiv III, 194a Bl. 63a.

3) Vgl. Fórstemann in: Neue Mittheilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen 8. Bd. 2. Heft S. 51 ff, und be- sonders S. 68, 71f. Über den Studentenauflauf selbst vgl. auch Enders a. a. O. 2. Bd. S. 139 ff. und die hier mitgeteilte Literatur.

4) Vel. vorher S. 11f.

43 395 .

faßte Wild nicht wie Schurpff dauernd an der Hochschule Fuß. Schon vor November 1522 hatte er, weil außerhalb Wittenbergs sich aufhaltend, zeitweise seine Vorlesungen eingestellt und hernach kam er bei dem Kurfürsten um seinen Abschied ein, der ihm auch bald nach dem 5. November 1522, dem Tag der Ernennung seines Nachfolgers, Heinrich Stack- mann, erteilt wurde.?)

Es ist bisher unbekannt geblieben, wohin Wild von Wittenberg aus sich wandte. 1526 wurde er zu Zwickau | „des Radts artz“ (Physikus). Wie sein Vorgänger Johann . Sommerfeld erhielt auch Wild 40 Gulden Jahresgehalt. Dafür hatte er ,gemeiner stadt arm vnd reich vmb ein zymliche belonung, den armen vnd elenden vmbsunst, zu rathen vnd zu schreiben, die Apotecken zu visitiren vnd doinne auf achtung zu haben, das alle ding nach rechter arth, wie die Ertvte dauon schreiben, gemacht vnd dispensirt vnd die lewte domit nit vbersatzt werden". Als im Jahre 1529 die Schweißsucht auch Zwickau heimsuchte, fand er eine günstige Gelegenheit, seine Kunst zu betätigen.?) Anfänglich noeh nieht Bürger der Stadt, wurde er 1527/8 mit dem Bürgerrecht beschenkt.) Wild, neben dem 1532/3 Zwickau noch Janus Cornarius (Hainpol) als Arzt besoldete?), trat 1534 vom Physikat zurück?) Vermutlich veranlaßte ihn dazu seine Berufung zum Leibarzt. Am 1. September 1534 wurde er nämlich von Johann Friedrich mit einem jähr- lichen Gehalt von 50 Gulden bestallt „Also vnnd der gestalt, Das er auff vnnser erfordernn zu jeder tzeyt, wie solehes furfellett, bey vnns oder vnnserm Bruder [Johann Ernst] erscheinen vnnd nach gelegennhaytt bey vnns vor-

!) Vgl. Enders a. a. O. 4. Band S. 20, 24.

2) Vgl. Zwickau, Ratsarchiv, Kämmereirechnungen 1523/4 S. 161, 1594/5 8. 87, 1595/96 S. 163, 1526/7 S. 85, Ratsprotokoll 1533/4 Bl. 11bf. Ich verdanke diese wie auch die folgenden dem Zwickauer Ratsarchiv entnommenen Nachrichten der Güte des Herrn Professor Dr. Langer in Zwickau.

3) Vgl. Herzog, Chronik der Kreisstadt Zwickau 2. Theil S. 218.

4) Vgl. Zwickau, Ratsarchiv, Bürgerbuch 1522—1562, Eintrag am Ende des Amtsjahrs 1527/8.

9) Vgl. daselbst, Kümmereirechnung 1532/8.

9$) Vgl. Herzog a. a. O. S. 281 Anm. *

. 396 44

harrenn, Auch, ob es sich zutragen wurde, mytt vnns ausser lanndes, doch alles auft vnnsern kosten, zuraysenn, Des- gleichenn auff die Hoehgebornne Furstin, vnnser Liebe Mhumen, die Marggrefin [Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg], Auch vnnser Freuntliche, liebe gemahell vnnd Sehwesternn in zufallenden beschwerungen, die Gott mytt gnadenn vorhuten woll, zuwartten, vorpflicht sein soll*.!) Aus dieser amtlichen Stellung Wilds erklärt es sich, daß er im Márz 1537 auf Befehl seines Kurfürsten dem auf der Rückkehr von Schmalkalden begriffenen schwerkranken Luther ärztliche Hilfe leistete.) So wenig wie der kurfürst- liche Leibarzt Augustin Schurpff?) war aueh Wild ver- pflichtet, ununterbrochen am Hofe zu weilen, und deshalb konnte er nicht nur seinen Wohnsitz in Zwickau beibehalten. sondern auch einen Teil seiner Zeit den dortigen städtischen Angelegenheiten widmen. Im September 1534 würde er Mitglied des Rats und gehörte ihm bis zu seinem Tode an.‘) Als nach Aufhebung des Zwickauer Franziskanerklosters, dessen Baulichkeiten veräußert wurden, erwarb Wild den an den Grünbainer Hof angrenzenden Teil und erbaute an dessen Stelle einige Wohnhäuser)

Kurz vor dem 17. Februar 1521 verheiratete sich Wild mit Anna, der Tochter des frühern kurfürstlichen Schossers für die Ämter Wittenberg und Zahna, Anton Niemeck. Die Mitgift seiner Frau, 300 Gulden, gab ihm später zu unliebsamen Auseinandersetzungen mit seinen Schwägern Veranlassung.) Aus der Ehe ging Sibylle hervor, die im Jahre 1541 Christian Beyer, den in Wittenberg wohn- haften Sohn des gleichnamigen kursächsischen Kanzlers,

1) Vgl. Weimar, Kopialbuch F 17 Bl. 90a ff.

2) Vgl. Köstlin-Kawerau, Luther 5. Aufl. 2. Band S. 392 und die S. 670 angeführte Literatur.

3) Vgl. vorher S. 16.

*) Vgl. Tobias Schmidt, Chronica Cygneae (1656) Pars Prior S. 465.

5) Vgl. daselbst Pars posterior S. 319f., Herzog a. a. Ò. S. 214.

6) Vgl. Enders a. a, O. 3. Band S, 87, Dresden, Hauptstaats- archiv, Kopial 1289 Bl. 428» f. Niemeck war 1500—1520 Schosser. Vgl. Weimar, Reg. Bl. 2739, Titelblatt und vorher 6. Jahrg. 3. Heft S. 51.

45 397

ehelichte und am 8. September 1563 starb. Da sie von ihren Eltern 1400 Gulden „ehegeld“ erhielt?), so läßt sich daraus entnehmen, daß diese reiche Leute waren. Wilds Tochter Agathe führte der in Wittenberg am 13. Novem- ber 1548 zum Doktor der Medizin promovierte Arzt Goar Wigand aus St. Goar heim.?) Nach 1537 verwitwet, schloß Wild 1540 oder Januar 1541 eine neue Ehe. Er starb am 22. März 1550 in Zwickau. An seinem Leichen- begängnis nahmen auch die gerade dort weilenden Melanch- thon und Joachim Camerarius teil.’)

Wilds verwandtschaftliche Beziehungen brachten es mit sich, daß er auch von Zwickau aus mit Witten- berg Verbindungen unterhielt. Der Stephan Roth- Brief- wechsel zeigt. daß er mit Georg Rörer und Benedikt Pauli befreundet war.) Besondere Erwähnung verdient sein nahes Verhältnis zuLuther. In dem Streit des Zwiekauer Rats mit den dortigen Geistlichen und dem für sie ein- tretenden Reformator stand Wild auf seiten der letzteren, wenn er auch eine Versöhnung herbeizuführen sich bemühte.) Aber nicht nur einzelne Wittenberger waren ihm zugetan, auch die Stadtverwaltung hielt ihn in hohen Ehren, wie die Ehrengabe an Wein und Bier beweist, womit sie 1534 . den Gast in ihren Mauern bewillkommnete.) Lange über

1) Vgl. Corpus Ref. vol. IV col. 96 sqq., Wittenb. Totenregister unter 8. September 1563, Scriptorum publice propositorum ... in Aca- demia Witebergensi tomus V, 1564, Bl. ne ff.

2) Vgl. Wittenb. Verträge-, Gerichts- und Handelsbuch 1523 bis 1551 Bl. 328: ff.

3) Vgl. Wittenb. medizinisches Dekanatsbuch Bl. 29a, Wittenb. Verträge-, Gerichts- und Handelsbuch 1523—1551 Bl. 327 ff.

*) Vgl. Wrampelmeyer, Tagebuch über Luther geführt von Cordatus S. 399, 417, Corpus Ref. vol. IV col. 96.

5 Schmidt a, a. O. S. 358£, Herzog a. a. O. 280f.

6) Vgl. Buchwald, Zur Wittenberger Stadt- und Universitäts- Geschichte S. 4, 12, 19, 37, 55, 131 f.

?) Vgl. Fabian in: Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau Heft VIII S. 80, 122. Zum Verhältnis Luthers und Wilds vgl. auch Enders a. a. O. 9. Band S. 50, Wrampelmeyera.a. O., Buch- wald a. a. O. S. 51.

8) Vgl. Fórstemann in: Neue Mittheilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen 3. Band 1. Heft S. 116.

398 46

Wilds Tod hinaus zollte ihm die Universität Verehrung. Als im Jahre 1563 seine Tochter starb, widmete ihm der Rektor den Nachruf: „Fuit excellens sapientia, uirtus, eruditio et foelieitas in arte Medica uiri Clarissimi et doctissimi, Doetoris Stephani Wildii, qui Sibyllae huius pater fuit. Et artem Medicam non solum in hae Academia docendo et medendo exercuit, Sed et propter fidem, doctrinae et fortunae in medieationibus praestantiam pene omnibus in his terris Principibus et uiris praecipuis innotuit et clarus fuit." !)

28. Gabriel Zwilling,

Didymus.?) Vgl. über ihn Kolde in: Realencyklopädie für prot. Theologie und Kirche 3. Aufl. 4. Band S. 639 ff. und die hier angeführte Literatur.

B. Die Nieht-Wittenberger.

1. Nikasius Claii.?)

Nikasius Claii*), aueh als Nikasius Henach’), Hey- nagk®), Heynack?, Heinack®), Hannaek?) und Nikasius

1) Vgl. Scriptorum publice propositorum etc. 1. c. Bl. n 2a. Wenn hier nicht bloß von den Ernestinern die Rede ist, so sei noch er- wühnt, daß auch die albertinische Herzogin Katharina von Sachsen die ärztliche Kunst Wilds in Anspruch nahm. Vgl. v. Weber in: Archiv für die Süchsische Geschichte 6. Band S. 9.

2) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 14, 16, 19, 20, 28, 33, 40, 44, 47, 50, 59, 62, 3. Heft S. 6, 7, 4. Heft S. 55, 64—72, 74, 76, 80, 81, 98—100, 102, 105, 107.

*) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 60, 105.

*) Vgl. Köstlin, Die Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 29 (fälsch- lich Clay gedruckt), 1518—1537 S. 7, 24 (fülschlich Clay gedruckt), Foerstemann, Liber Decanorum Fac. Theol. p. 21, 23, Halle, Wittenb. Archiv III, 194a Bl. 29a, 53b.

5 Vgl. Foerstemann, Album p. 20.

6) Vgl. Kóstlin a. a. O. 1503—1517 S. 9.

?) Vgl. das Schreiben der Universität an Friedrich den Weisen vom 3. Dezemder 1519, Weimar, Reg. O Nr. 409: , Nicasius Heynack, sunst Claii gnant“.

°) Vgl. Kóstlin a. a. O. S. 25.

?) Vgl. das Reskript Friedrichs des Weisen an die Universität Wittenberg vom 23. Dezember 1519, Halle, Wittenb. Archiv V, 52.

47 399

Hertzperg!) bezeichnet, stammte aus Herzberg a. E.?) Zu Wittenberg im Winterhalbjahr 1506/7 intituliert?), erlangte er hier am 3. Juli 1508 den Grad eines Bakkalars und am 5. Februar 1510 den eines Magisters der freien Künste und wurde im Sommersemester 1511 Mitglied des Senats der dortigen Artistenfakultit*) Im Wintersemester 1511/2 und noch im Sommerhalbjahr 1516 war Claii Konventor des Alten Kollegiums.?) Sodann war er bis kurz vor Ostern 1818 auferhalb Wittenbergs in einer bisher unbekannt gebliebenen Stellung tätig. ©)

Claiis Wunsch, in die Universitätsstadt zurückzukehren, um seine theologischen Studien fortzusetzen, kam sein Gönner Karlstadt dadurch entgegen, daß er ihn Spalatin empfahl, der um Ostern 1518 für zwei neue Stiftungen Friedrichs des Weisen, eine in der Schloßkirche zur Vermehrung der Messen und die andere an der Universität zum Unterricht der noch im Knabenalter stehenden Studenten, Priester und Pädagogen suchte. Der nach Spalatins Urteil „ser geschickte man“ erhielt auch alsbald eine von den vier neubegründeten Meßpfründen und übernahm damit als Hauptverpflichtung, wöchentlich in der Schloßkirche vier Messen zu lesen. ‘) In der Theologie machte Claii während seines zweiten Wittenberger Aufenthaltes solche Fortschritte, daB er sich schon am 1. Mai 1518 um den untersten theologischen Grad bewerben und am 14. Juli von Karlstadt zum Bacca- laureus biblieus promoviert werden konnte.) Im Sommer- semester 1519 stand er als Dekan an der Spitze der Artisten-

1) Vgl. Halle, Wittenb. Archiv III, 194» Bl. 4b, auch Enders a. a. O. 2. Band S. 269.

2) Vgl. u. a. Foerstemann, Album l. c, Kóstlin a. a. O. 1503—1517 S. 9, 25, 29 und vorher S. 46 Anm. 7.

3) Foerstemann, Album 1. c.

4) Vgl. Köstlin a. a. O. 1503—1517 S. 9, 25, 29.

5) Halle, Wittenb. Archiv III, 194a Bl. 4b, 29a,

?) Vgl. Joh. Gottfrid. Olearius, Scrinium antiquarium, Halae Sax. 1671, p. 21.

?) Vgl. ibidem p.17, 20 sq, Von den Newen Vier Priesternn, Weimar, Reg. O Nr. 204.

8) Vgl. Foerstemann, Liber Decanorum p. 21 sq.

400 48

fakultát." Ungefähr einen Monat vor Niederlegung dieses seines Amtes, am 19. September, erlangte er die Würde eines theologischen Sententiarius.?)

Wie vorher, so war der Archidiakon auch später be- müht, seinen Schützling zu fördern. Kaum hatte die Uni- versität den bisherigen Inhaber des Lehrstuhls für die Text- erklärung von Aristoteles’ Physik und Metaphysik, Bartho- lomäus Bernhardi, zum Propst in Kemberg gewählt, da wendete sich Karlstadt schon am 6. Dezember 1518 an Spalatin, um durch dessen Vermittlung Claii den erwähnten Lehrstuhl zu verschaffen.?) Freilich hatte er damit kein Glück. Vielmehr mußte er sich am 23. Februar 1519 dazu bequemen, zusammen mit einigen anderen Kollegen dem Kurfürsten Johann Gunkel als Nachfolger Bernhardis in Vorschlag zu bringen.*) Indessen entmutigte dieser Mib- erfolg den Archidiakon so wenig, daß er aufs neue im Dezember 1519 für Claii in die Schranken trat. Diesmal war infolge des Ablebens Johann Golps die Pfarrei zu Schmiedeberg erledigt. Am 3. Dezember 1519 schritt die Universität zur Wahl eines neuen Pfarrers, wobei die eine Hälfte der Wähler für Claii und die andere für Johann Schurpff stimmte.) Zwar machte sich Claii, mit einem Empfehlungsschreiben Karlstadts an Spalatin in der Tasche, schon am folgenden Tage auf den Weg, um

1) Vgl. Köstlin a. a. O. 1518—1537 8.7, 17, 24.

2) Vgl. Foerstemann l.c. p. 23.

3) Vgl. Olearius l. c. p. 37sq., 40. Daß Bernhardi die er- wühnte Lehrkanzel hatte, erhellt aus Weimar, Reg. O Nr. 204, Von den Funff Newen Magisternn.

4) Vgl. de Wette-Seidemann, Luthers Briefe 6. Theil S. 14f., Enders a.a. O. 1. Band S. 437.

5) Vgl. das Schreiben der Universität an Friedrich den Weisen vom 3. Dezember 1519, Weimar, Reg. O Nr. 409, Enders a. a. O. 2. Band S. 269. Luther bezeichnet Claii fälschlich .als Jo- hannes. Daf Golp der bisherige Pfarrer war, beweisen seine Quit- tungen Wittenberg, Acta, Die vom Rathause zu Wittenberg ver- schriebenen Jährl. Erb- und wiederkäuflichen Zinnßen, Dem Gottes Kasten zu entrichten usw., das erwähnte Schreiben der Universität vom 3. Dezember 1519 und das Reskript Friedrichs des Weisen an die Universität und das Stiftskapitel vom 13. März 1523. Vgl. Halle, Wittenb. Archiv V, 52.

49 401

seine Präsentation dureh den Kurfürsten zu betreiben, aber ` diesen verdroß das Wahlergebnis in solchem Grade, daß er, während inzwischen auch Luther und Karlstadt ungeduldig warteten ?), mit der Ausstellung der Präsentationsurkunde bis zum 23. Dezember 1519 verzog?) Hatte Friedrich der Weise die Aushändigung dieses Schriftstücks an Claii da- von abhängig gemacht, daß es mit seiner Wahl „keinen mangel oder jrthumb“ habe, so beweist seine Übersiedelung nach Schmiedeberg, daß seine Präsentation von seiten der Uni- versität nicht weiter beanstandet wurde.

Vor 8. Januar 1522 führte Claii in Schmiedeberg den Laienkelch ein und trat in die Ehe.*) Mit seiner Verheiratung tat er einen Schritt, den der Diözesanobere, Johann VII. von Meißen, nicht milder beurteilte als seinen frühern Kon- kubinat. Als angeblicher Coneubinarius war nämlich Claii bereits 1520 von seinem Bischof zur Verantwortung gefordert worden, aber er hatte den Mut auszubleiben und bewirkte durch seine Vorstellungen bei Friedrich dem Weisen, daß er fürs nächste unbehelligt blieb.) Wegen der er- wähnten nahen Beziehungen zu Karlstadt überrascht es nicht, daß Claii auch unter den ersten Geistlichen Kur- sachsens war, die in ihren Gemeinden das Abendmahl unter beiderlei Gestalt begingen. Dabei sprach er die Einsetzungs- worte mit lauter Stimme und lief sieh vernehmen, daf) er in Zukunft keine Messe ohne Kommunikanten mehr halten werde.9)

Vermochte der Kurfürst 1521 den Schmiedeberger Pfarrer vor den geplanten Gewaltmafregeln Johanns VIL. zu schützen, so mubte er es füglich geschehen lasseu, dab dieser, gestützt auf das Reiehsregimentsmandat vom 20. Januar 1522, am 6. April : 1522 in Sehmiedeberg zur Visitation erschien. Nach einer

!) Vgl. Olearius ]. c. p. 62 sq.

2) Vgl. Enders a. a. O. S. 273, Olearius l.c. p. 65.

3) Vgl. den Erlaß Friedrichs des Weisen an die Universität vom 23. Dezember 1519, Halle, Wittenb. Archiv V, 52.

4) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 60.

è) Vgl. aSeckendorf, Historia Lutheranismi Lib. I S 124, Pallas in: Archiv für Reformationsgeschichte 5. Jahrg. S. 242, 286,

6) Vgl. Chronicon sive annales Spalatini l. c. col. 609 sq.

Archiv für Reformationsgeschichte VII. 4. 27

402 50

‘langen geharnischten Predigt in der Kirche, wahrscheinlich von Melchior Luderer gehalten, folgte das merkwürdigerweise sehr kurze Verhör Claiis durch den Bischof. Beschränkte sich doch dieser darauf, jenem den Ungehorsam vorzuhalten, dessen er sich vor anderthalb Jahren durch sein Ausbleiben schuldig gemacht, ihn an die Folge seiner Handlungsweise, die schon verhängte Exkommunikation, zu erinnern und ihm zu befehlen, bis zur Aufhebung des Banns aller priesterlichen Amtshandlungen sich zu enthalten. Die eigentlichen Ver- fehlungen Claiis, namentlich gegen das Abendmahl sub una und den Zölibat, kamen erst nachträglich zur Sprache, als der Gemaßregelte sich zu verantworten suchte.!) Diese Visi- tation hatte indessen für den Schmiedeberger Geistlichen so- wenig üble Folgen wie das frühere Einschreiten des Meißner Ordinarius gegen ihn.

Ehe das Jahr 1522 zu Ende ging, wurde Claii noch vou einer andern Seite bei seinem Landesherrn verklagt. Am 1. Dezember 1522 richtete nämlich der Syndikus des Stiftskapitels zu Wittenberg, Otto Beckmann, dessen Präbende Julius II. 1507 die Pfarrei Sehmiedeberg ein- . verleibt hatte’), ein Schreiben an Friedrich den Weisen, in dem er sich darüber beschwerte, daß ihm der „Vikar“ Claii schon in seinem zweiten Amtsjahr nur einen Teil von der 20 Gulden betragenden Pfründeabgabe gezahlt, hernach noeh weniger abgeliefert und schließlich gar ‚keine Zahlung mehr geleistet habe, und zugleich den Kurfürsten bat, ihm durch den Schmiedeberger Rat zu seinen Forderungen zu verhelfen oder Claii zur Räumung der Pfarrei anzuhalten.?) Um Beckmann zufrieden zu stellen, befahl Friedrich am 4. Dezember der Universität und dem Stiftskapitel, die Parteien zu zitieren und sie gütlich zu vertragen, oder aber ihm weitern Bericht zu erstatten, ein Befehl, den er infolge einer neuen Eingabe des Beschwerdeführers am 3. Januar 1523

1) Vgl. Pallas a. a. O. S. 241 ff., 278 ff., 286 und in: Zeitschrift des Vereins für IC in der Provinz Sachsen 6. Jahrg. S. 43, 47 ff., 54.

2 Vgl. Meissner l. c. p. 46 sqq.

3) Vgl. das Schreiben Beckmanns an Friedrich den Weisen vom 1. Dezember 1522, Halle, Wittenb. Archiv V, 52. .

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wiederholte.!) Aber es währte noch Wochen, bis Claii und Beckmann vor Universität und Kapitel erschienen. Bei dem am 25. Januar oder unmittelbar vorher gehaltenen Termin er- klärte der Beklagte, wegen des Ausfalls an Opfern und Ein- nahmen für Vigilien, Jahrgedächtnisse usw. außerstand zu sein, die Pfründeabgabe in der frühern Höhe leisten zu können, während der Kläger geltend machte, der Vikar sei ein schlechter Haushalter und habe insbesondere aus den Pfarrhufen zu wenig herausgewirtschaftet. Schließlich erklärte sich aber Beckmann bereit, Claii nach Begleichung seiner Schuld au der jährlichen Abgabe 5 Gulden und dazu für den von ihm geplanten Bau noch weitere 10 Gulden nachzulassen. Allein der Schmiedeberger wollte nur einen Teil seiner Rück- stände und in Zukunft anstatt der von dem Syndikus ver- Jangten 15 nur 8 Gulden zahlen.?) Verlief unter solchen Umständen der Termin ergebnislos, so forderte der Kurfürst, offenbar um sich über die Leistungsfähigkeit des Beklagten Gewißheit zu verschaffen, weiter Claii und den Rat zu Schmiedeberg zum amtlichenBericht über die Einkommens- verhältnisse der dortigen Pfarrei auf.?) Die eingetroffenen Mit- teilungen scheinen Friedrich befriedigt zu haben. Denn am 8. Februar 1523 gab er sie an die Universität und das Kapitel mit der Weisung weiter, die Parteien in der Güte zu ver- tragen.) Dies dürfte auch gelungen sein; wenigstens schließen die erhaltenen Akten mit deın zuletzt erwähnten Datum. Am 29. Oktober 1528 hielten Luther, Johann Metzsch, Benedikt Pauli und Johann von Taubenheim die erste Kirchenvisitation in Schmiedeberg ab. Dieser folgte am 17. August 1533 die zweite." Gelegentlich der letztern ver-

1) Vgl. das Regest des Reskripts Friedrichs des Weisen vom 4. Dezember 1522, Halle a. a. O. VI, 5, g Bl. 52b Nr. 13, und den kurfürstlichen Erlaß vom 3. Januar 1523, daselbst V, 52.

2) Vgl. das Schreiben der Universität und des Stiftskapitels an Friedrich den Weisen vom 25. Januar 1523, Weimar, Reg. O Nr. 948.

3) Vgl. das Reskript Friedrichs des Weisen an die Universität und das Stiftskapitel vom 30. Januar 1523, Weimar a. a. O., und her- nach Anm. 4.

*) Vgl. das Reskript desselben an die dieselben vom 8, Februar 1523, Weimar a. a. O.

5) Vgl. Pallas, Die Registraturen usw. 2. Abt. 1. Teil S. 299 ff.

27 *

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fügten die Visitatoren, daß Claii und seine Frau nach dem Tod des Geistlichen Albrecht Schmidt das von diesem bewohnte Haus zum Nießbrauch erhalten sollten.) Claii starb kurz vor 12. September 1552 mit Hinterlassung einer Witwe. Zwar blieb er Pfarrer von Schmiedeberg bis zu seinem Ableben, aber zuletzt stand ihm Andreas Wanckel als Vizepastor zur Seite.)

2. Johann von Dolzig?),

unter welchem Namen er in der Literatur am bekanntesten ist, während er selbst sich als Doltzk und Döltzk zu be- zeichnen pflegte‘). Wahrscheinlich vor 1500, jedoch nicht nach 1501 nahm Friedrich der Weise ihn unter die Edel- knaben an seinem Hof auf. Die erhaltenen Verzeichnisse von „Meyns gnedigsten hern jungen“ aus den Jahren 1503 bis 1505 erwähnen Dolzig um Weihnachten 1503 an zweiter und seit Weihnachten 1504 an erster Stelle unter den zehn kurfürstlichen Edelknaben.’)

Seit Pfingsten 1502 führte er je länger desto mehr Auf- träge für Friedrich den Weisen und dessen Kämmerer, Degenhart Pfeffinger, aus.) Wie Dolzig am 28. Juli 1506 zusammen mit dem Propst der Schloßkirche zu Wittenberg, Friedrich von Kitzseher, dem Präzeptor des Antoniter- hauses zu Liehtenberg, Goswin von Orsoy, und dem Wittenberger Schosser, Anton Niemeck, über die Gründung des kleinen Chors in der Schloßkirche zu Wittenberg verhandelte und die Beratung dieser kurfürstlichen Ver- trauensmänner insbesondere der Bereitstellung der für die

1) Vel. Pallas a. a. O. S. 306. 2) Vgl. daselbst S. 309, 312 f., 314. 3) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 30, 4. Heft S. 81, 88, 92, 95,

3) Vgl. z. B. Weimar, Reg. Bb Nr. 4245, Gemein Vßgabe, Reg. H Fol. 260 Nr. 111 Vol. 1.

5) Vol. Weimar, Reg. Bb Nr. 4185, 4188. Zum ersten Male finde ich in dem mir zugänglich gewordenen Material Dolzig am 20. De- zember 1501 erwähnt. Vol. Weimar, Reg. Bb Nr. 4177.

" Vgl. ua. Weimar, leg. Bb Nr. 4177, 4190, Rubrik: Außgabe Fur mein gnediesten hern.

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neue Stiftung notwendigen Mittel galt!), so waren es auch namentlich finanzielle Angelegenheiten, mit denen Dolzig anfänglich und weiterhin sich befaßte. Erhaltene Rechnungen und Quittungen zeigen ihn in den Jahren 1510 bis 1516 an der Seite des erwähnten Kämmerers. Beiden war damals von Friedrich dem Weisen die oberste Finanzverwaltung anvertraut. Sie vereinnahmten die Gefälle und Einkünfte des Landesherrn aus den Ämtern, Städten, Bergwerken usw., zahlten die Gehälter der Amtleute, Räte usw., die Gnaden- gelder, die Zinsen für die entliehenen Kapitalien und diese selbst u. a. aus, besorgten oder veranlaßten die Anschaffungen und Einkäufe für die kurfürstliche Familie, die Hofhaltung usw. Zur Abwicklung der ihnen obliegenden Geschäfte be- suchten Pfeffinger und Dolzig in dem bezeichneten Zeit- raum die Leipziger Neujahrs-, Oster- und Michaelismärkte und ab und zu auch den Naumburger Petri- und Paulimarkt. Geben über diese ihre Tätigkeit hauptsächlich die von ihnen gestellten Rechnungen Auskunft?, so zeigen ihre erhaltenen Quittungen, daB 1511—1513 Dolzig allein und 1514—1516 zusammen mit Pfeffinger über die von den Schossern und Geleitsmännern abgelieferten Beträge quittierte?).

Zwar nannte Luther am 9. Oktober 1512 Pfeffinger und D olzig „Cammerer“ 5, aber dieser Titel kam nur dem ersten zu. Denn einmal gab es auch noch unter Johann Friedrich in Kursaehsen nur einen einzigen Kümmerer?), und sodann wird P feffinger in den erwühnten Quittungen und sonst jeweils als Kämmerer bezeichnet, dagegen Dolzig niemals). In einer Ver- schreibung vom 30. Oktober 1511 nennen Friedrich der Weise

——

1) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 159 Bl. 90a ff, Siehe ferner z. B. Weimar, Reg. Bb Nr. 2758, Aufgabe botlon auff schrifft vnde Entphel m. gnedigsten hern: ,4 gr. mit etzlichenn abschrifften der Rechnunge von aller heilgen Stifftkirchen ken Eylberg hansenn von doltzk z cuschicken".

2) Vgl. u. a. Weimar, Reg. Bb Nr. 4211—4218, 4225, 4239, 4 940, 4247.

3) Vgl. Weimar, Reg. Rr S. 1—136 Nr. 268.

^) Vgl. Enders a. a. O. 1. Band S. 9.

5 Vgl. Mentz, Johann Friedrich 3. Teil S. 143 f.

6) Vgl. vorher Anm. 3. `

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und sein Bruder Johann Dolzig ihren „hofdiener“ 5; in einer Quittung aus dem Januar 1512, in Rechnungen aus der Zeit vom 1. Mai 1513 bis 1. Mai 1515 und in einem Brief Spa- latins vom 13. Januar 1514 heißt er Rentmeister?).

Lange Jahre hindurch bezog Dolzig außer Kost und Kleidung?) kein festes Gehalt, sondern nur von Zeit zu Zeit Zuwendungen in der Árt von Remunerationen. So wurden am 9. Dezember 1505 ,10 gulden Hansen von Doltzk vf sein ansynnen“ gezahlt.) Zwischen 17. Oktober 1507 und 3. Juli 1508 erhielt er 180 Gulden „zu zcerung vnd notturft in seiner kranckheit“.’) Im Herbst 1512 quittierte Dolzig 12 Gulden „zu notturftiger vnderhaltung auff gnad meiner gnedigsten vnd gnedigen hern“, im Januar 1513 16 Gulden „auß gnaden meiner gnedigsten hern zcu vnter- haldung^ und im Herbst 1513 18 Gulden 8 Groschen ,vff gnaden vnd gefallen meiner gnedigsten vnd gnedigen hern zu notturfitiger vnderhaldung*. Neben diesen für einen vielbeschäftigten Hofbeamten nieht gerade hoch zu nennen- den Zuwendungen bedachten freilieh Friedrich der Weise und sein Bruder Dolzig gelegentlich auch mit Geschenken. So schenkten ihm die Fürsten „auß besundern gnaden“ 300 Gulden, als er im Sommer 1511 von Johann von Obernitz „gut vnd sitz“ zu Gumperda gekauft hatte.‘)

Im Frühjahr 1517 unterbrach Dolzig seine Beschäfti-

!) Vgl. Weimar, Kopialbuch D6 Bl. CClxxxvia ff, CCCa ff., D7 Bl. 129b ff.

2) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4214 (eingeheftete Quittung des Anton Konigk), 2762 und 2764, Aufgabe Nach Zcerunge, Drews in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 19, Band S. 70.

*) Vgl. beispielsweise Weimar, Reg. Bb Nr. 4216, Gemeine Aus- gabe, Bb Nr. 4239, Gemein Ausgabe.

*) Vgl. de Rechnung des Johann Leimbach 24. August bis 10. Dezember 1505, Vsgabe vf beuelh, Weimar, Reg. Bb Nr. 4183.

5) Vgl. die Rechnungen des Johann Leimbach 17. Oktober 1507 bis 20. Februar 1508, Ausgabe uf beuelh, und 20. Februar bis 3, Juli 1508, Ausgabe vf beuelh, Weimar, Reg. Bb Nr. 4198.

9$) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4216, Gemeine ausgabe, Bb Nr. 4217, Gemeine außgabe, Bb Nr. 4225, Gemein vßgabe.

*) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4213, Ausgabe durch gnade vnd vorlihen gelt, Bb Nr. 4251, Vßgab durch gnad.

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gung am Hof. Wie 1493 sein Kurfürst!), so unternahm er mit anderen sächsischen Adeligen eine Wallfahrt nach Palästina, auf der er am Heiligen Grab zum Ritter geschlagen wurde. Vermutlich kehrte er gleich Bernhard von Hirschfeld erst im Februar 1518 in die Heimat zurück. Nach Spalatins Angabe führte Dolzig auf dieser Reise ein Tagebuch.?) In einem Verzeichnis der Räte und Diener Friedrichs des Weisen und seines Bruders vom Jahre 1518 ist Dolzig unter den weltlichen Räten vom Adel aufgeführt.?) Eines der einflußreichsten Hofämter erhielt er 1519. Er wurde an Stelle des am 8. Juni 1519 verstorbenen Sebastian von Mistel- bach +4) Hofmarschall des Kurfürsten. Während sein Vor- gänger nur drei Jahre amtierte?), diente Dolzig Friedrich dem Weisen bis zu dessen Tod und war einer der wenigen Getreuen, die an ihres alten Herrn Sterbelager standen.°) Daß der Verstorbene mit seinem letzten Hofmarschall zu- frieden war, bekundete er dadurch, daß er diesen in seinem Testament mit 300 Gulden bedachte,*) Auch den Kurfürsten Johann und Johann Friedrich diente Dolzig als Hofmarschall; ob freilich dem letztern noch 1544, wie Spalatin bezeugt, erscheint fraglich?) War

!) Vgl. u. a. Neudecker und Preller, Georg Spalatins hist.

Nachlaß und Briefe 1. Band S. 76 ff., 127. 23) Vgl. Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthiimer 1. Band 1. Heft S. 31 ff. und besonders S. 46, 86, 88£., Neudecker und Preller a.a. O. S. 158, von Soden und Knaake, Scheurls Briefbuch 2. Band S. 8.

3) Vgl. Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 3.

4) Vgl. Chronicon sive annales Spalatini l. c. col. 596, wo jedoch fälschlich „VII. Junii^ gedruckt ist.

5) Vgl. Wülcker-Virck, Des kursächsischen Rates Hans von der Planitz Berichte usw. S. LXV, wonach Mistelbach 1516 Hof- marschall wurde, und vorher Anm. 4.

9) Vgl. Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 6, Neudecker und Preller a. a. O. S. 68

?) Vgl. v. Hirschfeld in: Beiträge zur Sächsischen Kirchen- geschichte 2, Heft S. 224.

.. 8) Vgl. u.a. Kawerau, Briefwechsel des Justus Jonas 1. Hälfte S. 98, de Wette a. a. O. 4. Theil S. 326, Förstemann, Urkunden- buch zu der Geschichte des Reichstages zu Augsburg im Jahre 1530 2. Band S. 639, Drews in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 19. Band

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den kursächsischen Hofmarschällen zunächst die Hofverwaltung übertragen!) so reichte die Wirksamkeit und der Einfluß Dolzigs weit über dieses Gebiet hinaus. Ja, wenn ich recht sehe, gab es unter der Regierung der zuletzt genannten beiden Kurfürsten im innern und äußern sächsischen Staatsdienst außer Gregor Brück keinen andern Beamten, der so viele Jahre hindurch eine so hervorragende Tätigkeit entfaltete wie gerade Dolzig. Deutlich spiegelt sich seine Bedeutung in den von Paul Drews veröffentlichten Spalatiniana wieder.?) Zwar fehlen noch abschließende Untersuchungen über seine gesamte Lebensarbeit, aber schon die bisher bekannt ge- wordenen Daten lassen erkennen, daB er von seinen Landes- herren mit der Lósung der verschiedenartigsten und schwierig- sten Aufgaben betraut war. Um hier nur einiges heraus- zugreifen, so leitete Dolzig zusammen mit Johann von Gräfendorf im Herbst 1525 die Säkularisation des Stifts und die Reorganisation der Universität zu Wittenberg in die Wege), arbeitete 1526 einen Plan für die bessere Be- festigung von Wittenberg aus*) und verfaßte die 1535 ein- geführte neue Ordnung für die sächsischen Ämter’). Häufig wurde Dolzig als Gesandter und Diplomat verwendet. So betätigte er sich in Augsburg 15305), reiste mit Johann Friedrich im Dezember 1530 nach Köln a. Rh., wirkte bei dem Abschluß des Saalfelder Bundesvertrags vom - 24. Oktober 1531 mit?) verhandelte mit den hessischen.

S. 508f., 20. Band S. 486. Über die Hofmarschälle Johann Frie- drichs vgl. Mentz, Johann Friedrich 3. Teil S. 138 Anm. 1.

!) Vgl. Mentz a. a. O. S. 137.

2) Vgl. Zeitschrift für Kirchengeschichte 19. Band S. 69ff., 486 ff., 20. Band S. 467 ff. Vgl. auch Clemen in: Archiv für Reformations- geschichte 6. Jahrg. S. 326 ff.

*) Vgl. u.a. de Wette a. a. O. 8. Theil S. 29, E. S. Cyprian, Der Andere und Letzte Theil zu W. E. Tentzels Historischen Bericht vom Anfang und ersten Fortgang der Reformation Lutheri S. 372 ff.

4) Vgl. Clemen a. a. O. 340ff.

5) Vgl. Mentz a. a. O. 147f.

9$) Vgl. u.a. Fórstemann a. a. O. 1. Band S. 49 ff., 127 ff., 171ff., 177 ff., 236 ff., 239 ff., 247, 2. Band S. 611, 639, 735 ff.

*) Vgl. u. a. Mentz a. a. O. 1. Teil S. 76£.

8) Vgl. daselbst S. 83 und die dort angeführte Literatur.

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Räten im Dezember 1532 zu Mühlhausen?) nahm an dem im Mai 1534 zu Nürnberg gehaltenen Bundestage teil”), kam als Gesandter im März 1535 nach Stuttgart?), reiste zusammen mit Franz Burchart im Nachsommer und Vor- winter 1539 zu Heinrich VIII nach England*) usw.

Die sächsischen Fürsten belohnten die von Dolzig ge- leisteten vielen Dienste in mannigfacher Weise. Am 30. Ok- tober 1511 verliehen ihm Friedrich der Weise und sein Bruder Johann die durch den Tod des Johann von Marschall erledigten Lehen zu Gumperda, Nescenitz, Keßlar und Drößnitz. Am gleichen Tage stellten sie ihm einen Lehnbrief über das Vorwerk in Gumperda aus, das er, wie erwähnt, von Johann von Obernitz gekauft hatte.°) Am 20. Mai 1520 verschrieb Friedrich der Weise Dolzig alle Güter der Gebrüder Asmus und Friedrich von Haugwitz, zu Leipnitz und Haugwitz in den Ämtern Colditz und Grimma gelegen, zu einem Anfall, eine Verschreibung, die Kurfürst Johann am 11. November 1525 wiederholte.°) Am 27.Mai 1528 setzte Kurfürst Johann Dolzig und seinen Leibes- erben eine jährliche Rente von 200 Gulden aus und „entnahm“ ihn der 1000 Gulden, die er von dem Stiftskapitel zu Alten- burg geliehen hatte.) Die genannten Verschreibungen seines Oheims und Vaters vom Jahre 1511 bestätigte Johann Friedrich am 9. März 1536 und fügte zugleich eine neue über die „alt Slos behaussung sambt dem zugehorigen be- kraisten Rhaum vnd neuen gebeuden desselbigen platz vnd hoffs^ in Saalfeld hinzu.) Gemeint ist unter dem Anwesen

) Vgl. Mentz a. a. O. 2. Teil S. 6.

2) Vgl. daselbst S. 21.

3) Vgl. daselbst S. 51.

t) Vgl. Weimar, Reg. H Fol. 260 Nr. 111 Vol. 1, Clemen in: Archiv für Reformationsgeschichte 6. Jahrg. S. 347 Aun 2, Mentz, a. a. O. S. 194, 207, 209 ff.

5) Vgl. Weimar, Kopialbuch D 6 Bl. CClxxxvieff, CCCaff, D7 Bl. 129bff. Über das wüste Dorf Nescenitz (Neschnitz) vgl. Mit- theilungen der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes 3. Band S. 275f.

e) Vgl. Weimar, Repertorium Rr S. 249.

% Vgl. daselbst Kopialbuch F 14 Bl. 250bff.

*) Vgl. daselbst Kopialbuch D 8 Bl. 419aff.

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der sog. Hohe Schwarm, die alte Sorbenburg, auch die alte Vogtei genannt, die nebst den dazu gehörigen Gütern nach Dolzigs Ableben der Saalfelder Rat von Bernhard von Dolzig für 1600 Gulden erwarb.! Ferner bestätigte Johann Friedrich am 23. Juli 1539 die erwähnten Versehreibungen seines Oheims und Vaters von 1520 und 1595.2)

Im Jahre 1545 vertauschte Dolzig den Dienst am Hof mit der Verwaltung des Amtes Saalfeld, wozu ihn der Kurfürst am 15. Februar 1545 bestallte.?) Neben den gewöhn- lichen Amtsgeschäften war dem Hauptmann auch die Aufsicht über das Saalfelder Bergwerk übertragen.) Diese Tätigkeit endigte freilich schon nach wenigen Jahren. Da die Folgen der Schlacht bei Mühlberg die Ernestiner zu größter Sparsamkeit nótigten, so entließen sie einen Teil ihrer Amt- leute und darunter auch den Hauptmann zu Saalfeld, dessen Geschäfte sie dem dortigen Schosser übertrugen. Demgemäß kündigten die Herzöge Johann Friedrich der M. und Johann Wilhelm am 15. Juni 1547 dem Manne, der fast fünf Jahrzehnte ihrem Hause gedient hatte.")

Seine letzten Jahre verlebte der zur Ruhe gesetzte Greis größtenteils in Saalfeld.5 Aber er starb nicht hier, sondern zu Leipzig im Hause der Witwe des bekannten Arztes Heinrich Stromer von Auerbach, AnnaHummels- hain, wo er nahezu ein halbes Jahr krank gelegen, kurz vor 8. April 1551.7)

1) Vgl. Saalfeldische Historien von M. Caspar Sagittarius, herausg. v. E. Devrient S. 20 ff., 223, 251.

2) Vgl. Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 268.

3) Vgl. daselbst Nr. 1189 und danach Mentz a. a. O. 8. Teil S. 146 Ann. 1.

4) Vgl. Mentz a. a. O. S. 149, Sagittarius a. a. O. S. 218.

5) Vgl. das Schreiben Johann Friedrichs d. M. und Johann Wilhelms an Dolzig vom 15. Juni 1547, Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 2139, Sagittarius a. a. O. S. 235, Mentz a. a. O. S. 147.

9) Vgl. das Schreiben der Bürger von Saalfeld an den Ex- karfürsten Johann Friedrich vom 19. Oktober 1552, Weimar, Reg. Gg Nr. 598.

?) Vgl. das Schreiben der verwitweten Anna Stromer an den Exkurfürsten Johann Friedrich vom 20. Mai 1552, Weimar a. a. O.

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Dolzig, der unverheiratet geblieben zu sein scheint, hatte bereits am 31. Januar 1543 im Hause des Thomas Seehausen zu Wittenberg in Gegenwart der Professoren Hieronymus Schurpff, Lorenz Zoch und Melanch- thon, der Bürgermeister Philipp Reichenbach und Lukas Cranach, des Geleitsmanns Gregor Burger und des Joachim Bule seine letztwilligen Verfügungen getroffen. Danach setzte er Bernhard und Johann von Dolzig, die Söhne seines Stiefbruders Mattbias, zu seinen Haupt- erben ein und beschied den Kindern seiner mit Hermann von Schkolen verheirateten Schwester Elisabeth 1000, den Töchtern seines Stiefbruders Matthias 600 und den Kindern seiner Stiefschwester Katharina, verehelichten von Ottersleben, 300 Gulden.!) Freilich erlebten diese Erben bei der Ordnung des Nachlasses ihres Oheims eine große Ent- täuschung. Meldeten doch Dolzigs Gläubiger Forderungen im Betrag von über 12000 Gulden an.) Aus den mir zu- . gänglichen „Quellen ist nicht ersichtlich, wodurch diese Schuldenlast verursacht wurde. Nur aus einer Äußerung Luthers läßt sich entnehmen, daß Dolzig 1525 viele Verluste erlitt.?)

Wie diese Äußerung an die Hand gibt, hielt der Refor- mator große Stücke auf Dolzig. Damals beglückwünschte er ihn zu der Art, wie er sein Unglück trug. Drei Monate hernach lud Luther den Marschall zu seiner Hochzeit ein, und abermals ein Vierteljahr später bat er den Kurfürsten Johann, Dolzig oder sonst jemand nach Wittenberg zur Ordnung der Universitätsverhältnisse zu senden.) In besonderer Weise schätzte Luther den Marschall als Kenner der deutschen Sprache.) Freilich gebören die erwähnten Zeug- nisse den zwanziger Jahren an, während Luther in den folgenden Jahrzehnten Dolzigs nur selten und beiläufig ge-

Über diese Wirtin Dolzigs vgl. Wustmann, Der Wirt von Aner- bachs Keller usw. S. 28ft.

1) Vgl. Weimar a. a. O.

2) Vgl. daselbst.

*) Vgl. Enders a. a. O. 5. Band S. 137.

*) Vgl. de Wette a. a. O. 3. Theil S. 12, 29.

5) Vgl. Enders a. a. O. 4. Band S. 274, 6. Band S. 2f.

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dachte. Um schließlich auch das Verhältnis des Marschalls zu der beginnenden kirchlichen Reformation zu kennzeichnen, braucht nur daran erinnert zu werden, daß Dolzig und Bernhard von Hirschfeld bereits am 1. Dezember 1521 in einem vertrauten Brief zu „der gutgrundigen lahre Doctor Martini Luthers“ sich bekannten.?)

1) Vgl. de Wette a. a. O. 4. Theil S. 326, Enders a. a. O.

10. Band S. 267, Förstemann-Bindseil, Luthers Tischreden 4. Abth. S. 77.

2) Vgl. Kawerau in: Weimarer Lutherausgabe 8. Band S. 337

Ann. 1.

(Schluß folgt.)

Zur Verhaftung und zu dem Prozeß des Dr. Rotae Alfonso Diaz (27. März bis 14. April 1546).

Von Friedrich Roth.

Die Kainstat, die der Spanier Alfonso Diaz mit Hilfe eines römischen Henkersknechtes aus religiósem Haß am 27. März 1546 zu Neuburg a. D. an seinem dem Evange- lium treu ergebenen Bruder Johann beging, rief bei den Protestanten allgemeines Entsetzen hervor. Sie fiel in einen Augenblick der höchsten politischen Spannung, als eben das Religionsgespräch, das angeblich der letzte Versuch zu einer Ausgleichung der religiösen Gegensätze hatte sein sollen, ergebnislos abgebrochen worden war und der Kaiser vom Rheine her zu dem Regensburger Reichstage heranzog, von dem man in der nun schon so lange schwebenden Religionssache die wichtigsten Entscheidungen erwartete. Man sah in dem Brudermörder, der Mitglied eines hohen päpstlichen Gerichtshofes war, gewissermaßen die Personi- fikation des auf Ausrottung des Evangeliums bedachten Ro- manismus und wollte wissen, daß die eigentlichen Anstifter der unnatürlichen Tat mehrere der höchsten Würdenträger der katholischen Kirche gewesen seien. Wird das abscheu- liche Verbrechen die gerechte Sühne finden, oder wird man Versuche machen, die Mörder zu decken? Das war die er- regte Frage, die unter den Protestanten von Mund zu Mund ging, während altgläubige Fanatiker keinen Anstand nahmen, die Tat zu billigen oder wenigstens zu entschuldigen.

Natürlieh machten sieh die Evangelischen sogleich daran, die Kunde von dem ,unerhórten Handel* naeh allen Seiten

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hin zu verbreiten, und so entstanden unmittelbar nach der Tat viel gelesene Schriften, die das Leben und den Märtyrer- tod des Ermordeten zum Gegenstande hatten. Die erste, datiert vom 17. April, rührt von Melanchthon her, die zweite gab der Erfurter Johann Lange mit einer Vorrede vom 24. April heraus), die dritte und wichtigste mit dem Datum des 10. Mai ist ein Werk des Claudius Senar- claeus, der als intimer Freund und Begleiter des Diaz in der Lage war, über den Mord selbst und die damit zu- sammenhängenden Umstände die genauesten und zuver- lässigsten Angaben zu machen?). In neuerer Zeit war Ed. Böhmer bemüht, in einer Biographie des Johann Diaz und in den Anmerkungen hierzu alle über diesen erwachsenen Schriften und Aktenstücke zusammenzustellen?), freilich ohne die erstrebte Vollständigkeit zu erreichen. Zu dem, was ihm hierbei entgangen, gehören einige Schriftstücke, die wir einem kleinen als Bestandteil des Hörmannschen Familien- archivs in den Sammlungen des historischen Vereins für Schwaben und Neuburg aufbewahrten Konvolut mit Korrespondenzen des bekannten Kaufbeurer Patriziers Georg Hörmann*) (1491—1552) entnehmen.

Das erste Stück ist ein Schreiben Anton Fuggers an den damals in Schwaz lebenden Georg Hörmann vom 29. März 1546, in welchem er dem Freunde die Tat ziem-

!) Siehe die Ausgaben dieser ren in dem Anm. 3 zitierten Werke Böhmers I S. 200.

2) Historia / Vera de Morte San- / cti uiri Joannis Diazij Hispani, / quem eius frater germanus Al- j phonsus Diazius,/ exemplum se- / quutus primi parricidae Cain, / uelut alterü Abelem, / nefarié in- / terfecit: per Claudium / Senarclaeum. / Cum praefatione D. Martini Buceri, / in qua de / praesenti statu Germaniae multa conti-/ nentur lectu inprimis digna. / M. D XLVI. S. hierzu „Zur 400 jährigen Geburtsfeier Martin Butzers* (Straüburg 1891) S. 149 Nr. 73, Bóhmer I S. 171 Nr. 121 ff. Ebenda auch über die Persónlichkeit des Senarclaeus S. 202 ff. Nr. 38.

3 Edw. Bóhmer, Bibliotheca Wiffeniana. Spanish Reformers of two centuries from 1520. (Straßburg, London, 1874) S. 187 ff.

4) Siehe zu der Persönlichkeit Georg Hörmanns: Schelhorn, Amoenitates hist. eccl. et litt., Bd. I 8.693; Köhler, Hist. Münz- belustigungen, 1745 S. 281; Jücher, Gel.-Lex.; Brunner in ‚der Zeit- schrift des histor. Vereins für Schwaben und pos Bd. I (Augsb. 1874) S. 140 ff. :

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lich breit berichtet und ihn um Nachricht ersucht, ob die flüchtigen Mörder, von denen er wußte, daß sie in Füssen halt gemacht, in Innsbruck verhaftet worden seien, und was man dort mit ihnen vornehme. Was Fugger über den Fall bekannt war, beruht offenbar auf der kurzen Anzeige, die von der Neuburger Regierung noch am 27. März einem der Augsburger Bürgermeister gemacht worden war!), so- wie auf den Aussagen der zur Verfolgung der Flüchtlinge ausgesandten neuburgischen Reiter und des Postmeisters in Augsburg. Wohltuend berührt es, daß Fugger, trotz- dem er ein entschiedener Anhänger des alten Glaubens war, von der Mordtat mit Unwillen spricht: und die Bestrafung der Verbrecher wünscht.

Unser zweites Stück ist die Antwort Hörmanns auf diesen Brief Fuggers. Hörmann hatte ihm, schon bevor er dessen Zuschrift erhalten, ein vom 31. März datiertes Schreiben wir nennen es A durch einen gewissen Hieronymus von Mangis übermitteln lassen ?), in welchem er ihm mitteilte, was er seinerseits über die Mordtat des Alfonso Diaz gehört hatte, und in dem er auch schon über die am 28. März in Innsbruck erfolgte Gefangennahme der beiden Übeltäter sowie über verschiedene interessante Dinge, die er von den mit der Sache beschäftigten obrigkeitlichen Personen in Erfahrung gebracht, ausführlich Bericht er- statten konnte. Er war nämlich „Erkundigung halber“ selbst von Schwaz nach Innsbruck gekommen und hatte sich, von Neugierde getrieben, sogar die Erlaubnis verschafft, in Begleitung des genannten Mangis den gefangenen Alfonso

1) S. Böhmer S. 208 Nr. 39.

2) Mangis begab sich, nachdem er seinen Auftrag ausgerichtet, nach Regensburg und schrieb von dort aus am 9. April an Georg Hörmann: „Die mishandlung (Freveltat) des Spaniers lobn die Spanier ser und fuerens gar guet aus, achtens fur ain treftlich, redlich stück, und seie pesser, daß ain mensch sterb als vil cristglaubig seelen ver- fuert werden sollen...“ „Sovil gib ich daraus mir versten, daß aus diser handlung, [wie] besorgen, nichts guets ersten möcht, dan die Spanier geben versten, nachdem er wol gehandlet, so wer man in unverzogenlich auslassen; von disen sachen wolt ich euch vil selt- zams schreiben. geb Gott, daB wol gerat, dan ich sich, daB wenig erberkait pei den Spanischen ist."

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zu besuchen und einige Fragen an ihn zu richten. Hörmann war nach allem, was er vernommen, überzeugt, daß Al- fonso nur ein Werkzeug hoher „papistischer Aufleger“ sei, die nun alles aufbieten würden, um „ihn ledig zu machen“, und er unterließ es nicht, Fugger gegenüber seiner Entrüstung über die in Trient versammelten Väter, aus deren Treiben der Samen zu solchen Greueltaten auf- gehe, in den kräftigsten Worten Ausdruck zu verleihen. Den Schluß des Briefes bildet die Erzählung von zwei bei Banketten in Trient vorgefallenen Skandalen, bei denen der Kardinal von Trient, den Hörmann vor allen andern für das Geschehene verantwortlich machen wollte, schlecht wegkam. Dieser ganze Bericht sollte von Fugger als streng vertraulich behandelt werden; er sollte ihn niemand lesen lassen als seinen Vetter Hans Jakob und sollte ihn überdies zurückschicken, was auch geschah.

Nachdem dieser Brief fort war, traf Fuggers Schreiben (Nr. I) ein, und nun schrieb Hörmann an diesen zum zweiten Male (am 2. April), wobei er der Hauptsache nach den Inhalt von A wiederholte, nur daß er den von dem Mord handelnden Teil sowie die Entrüstungsexpektoration und die Erzählung von den Vorfällen bei den Banketten weglieb. Da sich Hörmann in diesem zweiten Brief B —, der so eingerichtet war, daß ihn Fugger seinem Bekannten- kreise vorlesen und vorzeigen durfte, genauer und geordneter ausdrückt als in A und auf Grund von Nachrichien, die ihm sein Verwandter Th. Hörmann von Innsbruck aus zu- geschrieben, einiges Neue hinzufügen konnte, bringen wir hier nieht A sondern B zum Abdruck und teilen, um nichts verloren gehen zu lassen, das, was A an interessanten Stellen vor B voraus hat, als Varianten mit.

Das dritte Stück berichtet über das letzte Stadium des inInnsbruck gegen die Mörder eingeleiteten Prozesses. Hatten sich die Herren der Regierung anfangs (am 2. und 3. April) geneigt gezeigt, über die Gefangenen das Recht ergehen zu lassen, so wurden sie, als sich die mächtigen Protektoren des Alfonso Diaz rührten, anderen Sinnes und legten es nur mehr darauf ib. das Rechtsverfahren so lange hinauszuziehen, bis von sciten des Kaisers oder des Kónigs

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eingegriffen werden könnte. Wie sie zu diesem Zwecke verfuhren, ist aus Senarelaeus.zu ersehen. Zunächst wurde die Verhandlung auf den 5. April angesetzt, dann auf den 8. verschoben), an welchem Tage die dem Angeklagten von der Regierung zur Seite gegebenen Advokaten die Kompetenz des zu Gericht sitzenden Landgerichtes (von Sonnenberg) bestritten und verlangten, daß man ihre Klienten als geistliche Personen dem in diesem Falle zu- ständigen Bischof von Brixen das war der Kardinal von Trient überlasse. Es wurde nun ein neuer Termin auf den 10. April, dann auf den 12. und 13. anberaumt und endlich am 14. den neuburgischen Gesandten eröffnet, daß ein vom 4. April datiertes Mandat des Kaisers eingetroffen sei, das dem Gericht stillzustehen gebiete, bis Ferdinand, der Landesherr von Tirol, in Regensburg eingetroffen sei und ein weiterer Bescheid erfolge. Hörmann verfolgte diesen Gang der Dinge mit größter Aufmerksamkeit, wohnte der Gerichtsrerhandlung am 10. April, mit deren Schilderung sein Schreiben beginnt, persönlich bei und berichtete über den weiteren Verlauf des Prozesses am 12. und 14. April nach mündlichen und schriftlichen Mitteilungen, die ihm zumeist Th. Hörmann zugehen lieb. Den Schluß des Briefes bildet die Notiz, daß, wie man höre, die auf Be- strafung der Vertreter dringenden Neuburger Bevoll- mächtigten von dem Herzog von Württemberg, dem Landgrafen von Hessen und dem Kurfürsten von der Pfalz nachdrücklich unterstützt würden. Aber Hörmann wagte nicht, etwas Gutes zu erwarten, sondern sprach die Befürchtung aus, daß die Gefangenen, die ja nach Ansicht

1) Th. Hörmann an G. Hörmann, dd. 6. April 1546: „Der gefangnen halben soll auf nechstkommenden pfinstag (8. April) guetlich sprach gehalten und alsdan nach erkantnus der von Stertzigen, Stainach, Innsbrugg und Hall der strengen frag halben verer, es sei gietlich oder peinlich, gehandlt werden. gleichwol fieg ich E. V. in ghaim vernemen, daB schreiben vom bischof von Trient aus bevelch N., cardinal, komen: nachdem der gefangen ain gaistliche person sei, soll er, unangesehen er hab verschuldt oder gehandlt, was er wel, ime gen Brixen geantwurt werden, das mit kürtz verantwurt worden, er sei auf anriefen deren von Neuburg dem landrichter uberantwurt, der werde gegen im die gepir furnemen handlen.“

Archiv für Reformationsgeschichte. VII. 4. og

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vieler nieht anderst als ,wol gehandelt", frei ausgehen würden, was auch tatsächlich der Fall war.

Beilage I zu diesem Stück enthält die Aufzeichnung eines Gespräches, in das sich Georg Hörmann während der Gerichtsverhandlung am 10. April mit Alfonso Diaz eingelassen. Die Art, wie sich dieser dabei gab, ist für ihn sehr charakteristisch, insbesondere der Versuch, den neuen Bekannten sofort zu seinem Vorteil auszunutzen. Die Er- öffnungen, die er ihm zu diesem Zwecke machen mußte, weisen auf die Schleichwege hin, auf denen er sein Heil suchte, und gewähren einen interessanten Einblick in seine zwischen der Furcht vor Bestrafung und der Hoffnung auf nahe Rettung schwankende Stimmung.

In Beilage U liegt das von der neoion Re- gierung gegen Alfonso und seinen Gesellen gesammelte Zeugschaftsmaterial vor, durch welches man die beiden vor Gericht überführen wollte. Die von dem Morde selbst handelnden „Artikel“ stützen sich auf die Zeugenaussagen des Senarclaeus, die dieser unmittelbar darnach gemacht hatte und später in seinem Büchlein in anderer Form wieder- holte, während umgekehrt jene „Artikel“, welche sich auf den eiligen Ritt der Mörder von Augsburg nach Neuburg und zurück vor, bzw. nach der Tat beziehen, die Haupt- quelle für den betreffenden Abschnitt bei Senarelaeus bilden. Wir haben am Sehlusse jedes Absatzes der An- klageschrift die entsprechende Stelle in dem Büchlein des. Senarclaeus zitiert.

I. Anton Fugger an Georg Hörmann, dd. 29. März 1546.

Laus deo 1546 adj. 29. marcii in Augspurg ?.

Mein freundlichen grüß züvor, liber schwager Jorg Horman! Dif alain: es ist vor ainer zeit ain spanischer

!) Adresse: „Meinem lieben schwager Jürgen Hörmann aigen henden, Schwats.“ Aufschrift von Hörmans Hand: „+ 1546 + adj. 9 aprilis, dd. 29. marcii von harrn Anthoni Fuggern. Der casus von den 2 hispanischen mördern, [den mord betreffend], so sie Neuburg haben begangen.“ Außer dem Original des Briefes liegt in dem Faszikel auch eine von Hörmann cefertigte Kopie desselben mit dem Vermerke: ,Dis hat mir herr A. F. geschriben von Augspurg adj. 2. aprilis."

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predicant mit namen Juan Baptista Diacio dem Putzer komen, nachmaln durch sein furdrung von denen von Straspurg mit dienstgeld fursehen worden, den haben die von Straspurg dem Putzer auf das coloquium gen hegenspurg zuegeben, dan es ain?) gelerter man gewesen ist!. nun hat diser Juan Baptista ain pruedern Rom, ist ain auditor rote?^, auch ain gelert man, mit namen Al- fonso Diacio, der ist heraus komen gen Regenspurg, hat alen muglichen fleiß furgewend, ob er den Juan Bap- tista könte von der lutrei pringen, und daß er mit ime gen Hom züg, aldo er ime grossen sachen pringen zue- gesagt?) als sich aber diser von seinem furnemen nit pereden lassen weln, hat ime Alfonso anzaigt, so er je uf diser mainung wol peharn und doch in Teutschland nit vil nutz schafen muge, der sprach halb, so sol er in Spania ziehen, daselb das wort Gotes auspraiten, aldo er vil nutzen müge; wel im auch mit furdrung darzue verhelfen (welhes aber der nachvolgenden that anzaigung halb) aus falsehem und pósem gemuet peschehn und allain damit den uf die flaisehpanek pringen wolln. als nun diser auf ain oder den®) andern weg sich nit‘) begeben weln, sonder verhart uf seinem furnemen, ist er?) in solchem gen Neuburg an der Thuenaw komen, aldo bei dem Hehlinger etlich tag herberg gelegen sampt noeh ainem andern Spanier t), so pei ime gewesen. in dem also Alfonso, sein prueder, mit listen nichts pei ime erhalten mugen, hat er die that an die

a) ain ergänzt. b) den ergänzt. ^) ebenso nit. 4) In der Handschrift sinnlos auch statt er.

1) Senarclaeus S. 35ff.

2 Das Kollegium der Rota Romana war das oberste püpstliche Appellationsgericht in Rom. S. Bangen, Die róm. Kurie, Münster 1854 S. 292 ff.

3) Alfonso Diaz traf seinen Bruder nicht mehr in Regensburg, wo er ihn aufsuchte, sondern in Neuburg. in welcher Stadt sich Johann etwa seit dem 20. Februar authielt, um den Druck eines Buches von Bucer zu überwachen.

1) Johann Diaz weilte zuerst allein in Neuburg; sein im Texte genannter Hausrenosse war Claudius Senarclaeus, ein Waadtländer, der erst am 22. März nach Neuburg kam, und zwar in Begleitung von Bucer und Frecht. Die beiden letzteren reisten, nachdem Alfonso die Stadt am Morgen des 25. März verlassen hatte, am Nachmittage des gleichen Tages ab, während Senarclaeus noch blieb und mit Diaz erst später, nach Verrichtung ihrer Obliegenheiten, nach Straßburg zurück- kehren wollte. Nach Senarelaeus (S. 138) wohnte Johan Diaz im Hause des Predigers. Vielleicht war der im Text erwühnte Rehlinger (Dr. Leonh, Rehlinger, ein Sohn des bekaunten Augsburger Advokaten Dr. Johann Rehlinger) der Eigentümer, der Pfarrer nur ein In- wohner des Hauses. Es ist das Haus, das jetzt als das Sutorsche bekaunt ist und an der Ecke des Marktplatzes steht.

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hand genomen und ist am freitag (26. März) nach mitag hieher selb ander auf der post komen, hat vom postmaister zwai rob sampt ainem potten auf Neuburg pegert, mit ver- ordnung, dab er am sambstag (27. März) frue. so er wider komen wurde, rof hete, dann er Neuburg etlich schriften, so vom coloquio kemen, nemen und per Italia fuern mueste. ist also mit seinem diener und dem postknecht auf Neu- burg geriten und vast halbem weg, Petmeb. hat er die roD sten lassen und vom pfarrer andere entlehnet. ist in der freitag nacht umb 12 ur von danen nach Neuburg geriten und vor aufsperrung des thors darkomen, hat er die rob in ain abseits gesle gesteld. den postknecht dapei warten lassen und hat er. Alfonso, des postknechts rock und huet angelegt und ist mit seinem knecht in die stat gangen. an des Rehlingers haus anklopft und dem Juan Babtista pegert. ist also eingelassen worden, und der knecht hinauf ins haus gangen, an des Juan Babtista camer (dorin er sampt dem andern Spanier am pet noch gesehlatlen) anpocht und den Juan Babtista aufgeweckt. der ist im hemat herfurgangen, hat im der diener anzaigt, sein herr hab in zurug gesant mit priefen, die er in geben, sachen halb. so er seinem abschid vergessen hab. als nun der güt man on ale sorg mit disem diener von der camer in ain stüble gangen, hat im der diener alspald mit ainer axt das haupt entzwai gespalten und davongangen; also mit sampt seinem herrn, so im haus gewart, aus der stat komen auf ire roß und den negsten wider her komen, auf der post hie ander rof umb. 9', ur am sambstag (27. März) morgen genomen und fort nach Italia postiert '). haben den postknecht hinder sieh gelossen, dann er nit volgen mügen, der ist nachmaln im Neuburgischen gefangen worden, aber diser that halb unwissend und unschuldig. als nun diß geschechen und den Spanier im pet verlangt, wo doch der predieant so lang pleib, ist er aufgestanden, den im stüble todt funden und alspald ain geschrai gemacht?). darauf die neuburgischen ret alspald etlich abgefertigt und uf alen straen süchen lassen. sonderlich aber so ist der neuburgisch camermaister mit noch ainem edlman, ain Redwitz, um 10'/, ur her komen, und wie sie erfarn, dab dise 2 auf der post naeh Italia verriten, haben sie inen

1) Siehe hierzu Senarclaeus S. 126 ff.: ferner die Beil. II zu unserem III. Stücke und die ans diesem Schrifstücke abgeleitete Dar- stellung der Supplikation der schmalkaldischen Bundesstände an den Kaiser, dd. 2. Juni 1546 bei Böhmer S. 208 Anm. 39.

?) Siehe die ergreifende Schilderung dieses Momentes bei Se- narclaeus S. 142 ff.

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eilend nachgevolgt!). indem sein 5 postierer aus Italia komen, die haben die postroß von Fuessen weggeriten, daß dise zwen thetter nit fort haben komen mugen, haben sich aldo ruhen gelegt. indem sein die 2 neuburgischen auch dar komen und haben sie nit weln annemen lassen im stift Augspurg, pesorgt, der cardinal?) möcht inen nit recht ergen lassen, pesonder der camermaister ist alspald fort auf der post nach Insprug geriten, des willens irer aldo warten und sie annemen zelassen?). der ander, sein gefert, ist von Fuessen wider her geriten. nun ist woll pesorgen: weil sies Fuessen nit haben annemen lassen, sie werden der sachen gwar und uber Malser haiden) reiten; wan sies aber nit innen wurden, so möchten sie Insprug erwüseht werden. und wer woll gethon, daß sie ier straf einnemen, damit hiefüro die Italianer oder ander auslender sich solher thaten in disen landen nit understuenden 5). Hierauf so wellen Insprug erfarn, ob diese zwen aldo werden nidergeworfen sein, und was man mit inen handlet; ob man sie recht werd halten, oder wie mans handlen werde; das wellend mich mii erstem perichten. Antoni Fugger manu propria.

! S. hierzu Senarelaeus S. 145 ff.; der Kannnermeister hieß Michael Herpter. Senarclaeus berichtet S. 147: „Equites Neo- burgenses, qui parricidas insequebantur, ubi Augustam pervenerunt ibique certo acceperunt, multo antea ulterius esse progressos, consultare inter se coeperunt de redeundo, quia se assequi posse praecurrentes diffidebant. sed inter eos extitit quidam ceteris aetate minor, cui uomen erat Michael Herpfer, qui prae reliquis ingenti zelo permotus dixit amicis, qui secum venerant: amici, vobis quidem, si ita videtur, integrum erit redire domum, quod evo etiam judico faciendum esse. nam quod attinet ad praesens negotium, tantum meo judicio vel unus solus praestare poterit, si modo adhibeat diligentiam et industriam, quantum alioqui magna hominum multitudo. ego istam curan ad me recipio ac sancte vobis promitto me in hoc negotio extrema omnia tentaturum, nec prius cursum intermissurum, si suppetent vires et vita perstabit, quam parricidas ipsos fuero assequutus. et cum hoc dieto denuo conscendit equum et facinorosos insequitur.^ Er kam allein in Innsbruck an; Redwitz, der ihm zu folgen versuchte, gelangte nur bis Lechbruck bei Schongau und mußte von hier aus, da er „Schwacheit halben nit mehr postieren mógen* vollständig „erlegen“ zurückkehren.

2) Cardinal Otto, Bischof von Augsburg.

3) S. über die Vorgünge in Füssen Senarclaeus S. 148 ff.

4) Uber Landeck und die Malser Haide (an der Etsch).

?) Fugger dachte wohl zunächst an den seit Spätherbst 1545 in Augsburg als Prediger tätigen ehemaligen Kapuzinergeneral Ochino, der wegen seines Übertrittes zum Evangelium öfter bedroht worden war.

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II. Georg Hörmann an Anton Fugger, dd. 2. April 1546 5.

Fueg euch hierauf wissen, daß gemelter camer- maister Michl Herpfer von Neuburg untz gen Inns- prugg, das 31 meil wegs ist, in 26 stunden postiert und sonntags, den 28. marcii, daselbs 5 stund vor hievor gemelten zweien mördern, herrn und knecht, ankomen. alspald hat er sich zum herrn vicestathalter?) verfuegt, ime den casum und das begangen mort von angezaigten zwaien mördern angezaigt und ferer darauf in namen und anstat seins gne- digen herrn, herzog Othainrichen, und desselben stathaltern und reten Neuburg umb des reichs recht angeruefft, ge- beten und begert, die 2 morder, welhe alspald auf der post Innsbruck ankomen und von ime, Herpfer, fur die rechten teter anzaigt würden, fencklich anzenemen, mit er- pietung, daß er sich inen ins gefencknus einlegen und enthalten lassen well, bis sein gnediger herr, herzog Ot- hainrich, jemand herein verordnen, der die 2 beganges mordts genuegsam überweisen und grundliehs anzaigen, dab solis von inen beschehen, bringen werden?), auf das ime gedaehter herr vicestathalter etlich ainspennig zügeben, die mit gedachtem Herpfer hinaus dem posthaus gangen und gewart, bis oftgemelte 2 mörder alda auf der post zZülenden werden. also send die 2 obgemelten sontag, den 28. marcii, abend, als sich tag und nacht schaiden wellen, Innsprugg auf der post ankomen und daselbst beim posthaus abgestanden. als nun der herr den Herpfer, camermaister, ansichtig worden, hat er sich entsetzt und ist in das posthaus hinein gewichen. in dem hat gemelter camermaister den ainspennigen angezaigt, dab sie dise zwen angreiffen und fahen, dann es die rechten teter seien, des also von inen beschehen. und haben alspald den herrn, der sich nit gespört, fencklich angenomen. aber der knecht, welher sich auch an der tat schuldig gewißt, hat sich tapfer und trostlich gewördt, also daß die ainspennigen all sambt dem camermaister schaffen genucg gehabt, in be- hamblen. und wover sein wör nit am satlpogen, wie sie dann die postierer daran binden pflegen, gehangen und er dieselb züwegen bracht, het er under den ainspenigen

1) A: Original, dd. 31. März 1546; Aufschrift: „Das hab ich herrn A. F. geschriben adj. ultimo marcii aus Innsprugg.“ Am Rücken: „Schicken mir es wider.“ B: Konzept von Hörmanns Hand ohne Aufschrift und ohne Unterschrift. Am Rücken: „Der zweien Spanier, mörder, so Insprugg gefangen ligen, handlung.“

2) Christoph Philipp Graf von Lichtenstein.

3) Kurz bei Senarclaeus 5. 149 ff.

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schaden und ain versuechen getan, sich und seinen herrn ledig machen. zületzt ist er doch von inen mit trucken streichen ins angesicht, daß im mund und nasen fast geblütet, zerbleut und zerschlagen worden, daß er sich wider sie weiter nit wör setzen dirfen'). haben also die 2 mörder, den herrn und knecht, fengclieh angenomen, hinein in die stat und jeden in ain sondere gefenknus, nemblich den herrn hof in ain plock und den knecht in Kreuterthurn, so ain böse gefencknus, gefuert. des andern tags darnach (29. März) haben sich vicestathalter und etliche ret im ins.gefeneknus verfuegt, denen er angezaigt, dab er nottig sachen, daran dem bapst und etlichen cardinalen vil und groß, auch kais. mt. gelegen, verrichten hab, mit beger, in nit aufzühalten, das im aber abgeschlagen. darzue er gemelten herrn von selbs bekenndt, dab er ainen brueder hab, der mit der lutherischen leer und sect befleckt, dem er sich gen Neuburg verfuegt und fleis furgekerdt, in davon abwendig machen. hab auch sovil bei ime erhalten, daß er sich bewilligt, von Neuburg wegk und gen Bariß ziehen, mit dem er sein begangen mordt be- schonen wellen. bei ime haben die herrn vil brief, in his- panischer und franzosischer sprach geschriben, funden, die sie geöffnet*). insonders hat gemelter gefangner im ge- fencknus 2 missiven, aine an ainen cardinal auf dem concilio Thriendt und die ander an ainen seiner vertrauten gesellen, geschriben und den herrn der regierung dieselben offen herausgeben, desen titl lauten wie hernach:

Al R»? et Ill"? senor don Pedro Paezeeo eard*

de Giaen mi senor in Trento?) Der ander titl an sein gesellen:

Al molto mag“ senor mio m. Hercule Severolo,

deputato dal collegio de proeuratorii famosi

per ell eoneilio in Trento?) Des mörders namen: Il doctor Alphonso DiazP)*).

a) InA: „Bei im sein vil brief und der mer tail all hispanisch geschriben funden worden. die haben die herrn der regierung alhie zühanden genomen, eröffnet und gelesen. nach dem haben sieh stat- halter und etlich ret dem gefangnen herrn verfuegt; ist ain klaine, kurze, artliche und subtile person, der aus der massen wol beredt und ganz zierlich sein latein, eleganter et expedite, redet. in summa man findt sovil indicia an im und bei i im, daß er diß mort begangen hat.“

b) In A heißt es noch: „Ich will fleis furkern, ob ich copias obgemelter zwaier schreiben (nach Trient) in vertrauen zuwege bringen

1) Vgl. l. c. S. 150.

2) Pedro Pacheco, Cardinal, Bischof von Jaen.

3) Hercules Severolus, als Prokurator und Promotor des Konzils in den Konzilsakten ófter erwühnt.

*) Die Namen der zwei Prälaten und des Mórders auf zwei dem

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Mir ist im vertrauen angezaigt, daß gemelter mörder under anderm in verdeckten worten sovil angedeut, daß er dasjenig, so im bevolhen, verricht, und sie sollen darzue das ir nunmer thun. |

Bei gemeltem mörder ist auch ain französischer brief, der dem entleibten Juan Baptista von Regenspurg aus geschriben, funden worden, in dem in ainer seiner vertrauten freund treulich gewarnet, sich wol fursechen, dann ime nach leib und leben von ainem seinem freund gestellt wurd !). wie aber diser brief dem mörder in sein hand komen, ob

möcht. diser mörder nent sich aim doctorem. der Herpfer, so in ge- fengklich annemen lassen, hat eilends ain post seinem gn. herrn, auch stathaltern und reten Neuburg zügesandt und anzaigt, daß er die 2 mörder alhie erlegt und fencklich einbracht hab, mit beger, daß sie furderlich herein schicken und die sach gegen den zwaien mördern alhie verfolgen. in haben die herrn der regierung in glübt genomen, daB er alhie bleiben und nit verrucken will bis zum austrag der sach. das hat er gütwillig gethan, ligt in ainer herberg alhie.^ „Mich hat der fürwitz bissen, den gefangnen mórder sehen und anzü- sprechen; hab sovil bei dem undermarschall erhalten, daß er mich ime abends in das gefengknus gefuert, dabei auch zaiger dif, Jeronimus von Mangis, gewesen, mit dem gefangnen herrn geraume zeit vil und allerlei geredt, wie euch das alles gedachter von Mangis anzaigen wird.“ „Das geschrei ist groß und der sagen mancherlei, doch in summa, daß diser von den auflegern und vermainten gaistlichen aus- gemacht worden, den Neuburg ermorden. des gibt nit ain klainen argwon die 2 schreiben, so er aus seiner fengknus an die 2, and sonderlich an den deputato des coll. de procuratorii per ell concilio in Thriendt, gethan. was nun weiter ervolgt, das wierdt die zeit erkennen geben. will euchs auch, was ich gründlichs erfarn, jeder zeit züschreiben. der gefangen hat mir und andern, als ich in gefragt, cujus nationis esset, geantwort: Ego sum Hispanus et Valdesius, olim ces. mt. secretarius et nepos meus fuit. von im wierdt euch der ge- melt von Mangis weiter sagen. ist was daran, daß in die aufleger subordiniert, den man wegen der neuen ler ermorden, werden sie hierin nit feiern, den durch alle weg und mit] ledig machen, damit ir mórderei nit an tag kome, das aber schad und sünd wer, daß solchs nit offenbar und an tag komen solt.“ „Man sagt auch, daß im yon diser tat wegen durch die verzweifelten gotlosen aufleger groß guet und gelt, auch beneficia geben verhaissen sein soll.“ „Sind aber das nit unchristlich sachen und handlungen? ich wißte kaiu ge- rechter urtail über die gotlosen leut, zu Thriendt beiainander ver- samblet, dan daß mans in ain stadl züsamen solt sperren, schwebl und pech genueg züthrüg samt puchsen pulver und sie all ob ainem haufen im rach gen himel schicket.“ Der genannte kaiserliche Sekretär war Alfonso Valdés. S. über ihn etwa Böhmer, S. 65 ff.

Brief in duplo beigelegten Zetteln. Bei Senarclaeus heißt es: „Interim autem concessum Alphonso parricidae fuit, ut scriberet literas ad cardinalem Tridentinum et Augustinum; qui nihil omiserunt, ut a merito supplicio parricidas liberarent.“

1) Wohl der Brief, den Senarclaeus von Regensburg aus an Diaz schrieb, als dessen Bruder sich anschickte, von dort nach Neuburg zu reisen. Senarclaeus S. 92.

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er den seinem brüdern vor begangnem mordt, als er bei im falscher, vertreulicher, bruederlicher weiß Neuburg ge- west, oder erst nach dem todschlag genomen hab, das waif) man nit. diser mórder und sein knecht ligen noch Innsprugg gefangen. was nun gegen inen forgenomen wierdt, |wirdt| die zeit erkennen geben.

Post scripta: bin ich bericht!), daß zwen gesandte von Neuburg, ain doctor und ediman, den ersten dis monats aprilis zu Insprugg ankomen, mit inen auch die agst, damit er in tod geschlagen, und des ermördten nachthauben ainem warzaichen bracht; solehs der regierung gezaigt und darauf [2. April] das recht uber die zwen mörder angerüflt und, wie vermuet. soll den gesandten in irem begern stat gethan und die 2 mórder umb ir begangnen mort gerecht- fertigt werden.

III. Georg Hörmann an Anton Fugger, dd. Schwaz, 14. April 1546°).

1 Laus Deo 1546 adj. 14. aprill in Schwaz. F Als ich jungst adj. 10. dito samptstag Innsprugg

gewesen, send morgens zwischen 7 und 8 ur doctor Al- fonsius Diatz und sein knecht, der sich N. Valdesium ?) nennet, fur den landrichter und seine beisitzer fur offen ge- richt, doch jeder insonders, auf ain seiten gefuert und ge- stelt worden; hat ir jeder ain schellen mit ainer kettin an ainem fuel) gehabt. alda der gesandten von Neuburg ad- vocat*) jungst ergangnen abschid lesen begert, der inge- halten, dal) sie, bede gefangnen. auf deren von Neuburg

!) Durch ein Schreiben des Th. Hörmann vom 2. April. Vel.

Senarclaeus 5. 153 tf. Die neuburgischen Bevollmächtigten waren

Thomas von Redwitz und Dr. Wilhelm Vogt. Am 3. April schrieb Th. Hörmann an Georg Hörmann: „Von wegen der gefangenen hab ich anheut all mainung gesehriben. [man] hat den ain, darmit E. V. geredt (s. vor. S. Var.), umb 2 ur nach mitag dem landrichter auf unser rathaus in die fencknus zugefiert. als er der gsanten ansichtig worden, hat er sich von inen gwend und au derselben ort weiter nit gesehen. ist also wol bewart dem landrichter uberantwurt und befolhen worden, die gepir mit ime handlen. die gesanten haben [am 2. April] umb das kaiserlich recht gegen in angerieft, drauf inen difer abschied er- volet, man werd sie dem landrichter uberantwurten und in alle pillichait ergen lassen. ^ Vgl. Senarclaeus S. 155 ff.

?) Sehr flüchtiges und schwer leserliches Konzept Hórmanns mit seiner Unterschrift, dem eine von Schreibers Hand gefertigte Kopie beiliegt.

3) Auch in andern echten Quellen wird der Helfer des Alfonso Diaz Valdes oder Valdesius genannt (s. z. B. Böhmer Avm. 57 S. 202); sein wahrer Name aber war Juan Prieto (Böhmer l. c).

+) Dr. Wilhelm Vogt.

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eingebrachte klag, der artiel 20 sein, davon ich Euch hiemit abschrift schick t), unangesehen irer furgewendten exception antwurt geben sollen; sie thun das oder nit, so soll dannocht beschechen, was recht sei.

Auf das der zwaien mörder zween zügeordnete ad- vocaten von der regierung, doctor Jörg Hipp und doctor Ulrich Schmazer, sambt noch zwaien iren beistendern, Cristoff Gruebenberger und Michl Schenckhen, die bede der italianischen sprach kundig, ain lange red, so doctor Jorg Hipp getan, und in der anders nicht furgebracht, dann deelinatoriam fori furgewendt und protestationes, wo der landrichter mit sampt seinen geschwornen im rechten verfaren, dab sie de nullitate protestiern und kainswegs in iren krichtszwang, dieweil die 2 mörder gaistlich personen seien, verwilligen wellen ete. das unnutz geschwetz hat lenger dan 2!/, stund gewerdt. in dem der Valdes, knecht, furbringen lassen, er kund kain sprach, weder latein noch welseh, sonder allain hispanisch, mit beger, ime ainen, der spanisch künd, züzüordnen. das ist alspald beschechen. darauf seine doctores und beistend vom gericht in ain stublin abtreten, sich underredt und wider fur gericht komen. ist ir fürtrag die erst und alt mainung gewesen, daß er, wie vor gehördt, nit schuldig, vor disem gericht antwurt geben, sonder für das gaistlieh recht remitiert werden solle. darauf widerumb ain absehid, allermaßen wie vor, ergangen, dab sie auf 12. dito, montags, vor gericht widerumb erscheinen und auf der von Neuburg ein- und furgebraehte klag ant- wurt geben sollen; wa nit, soll verrer beschechen, was recht sei.

Auf disen tag ist landrichter wider gericht gesessen. die zwei doctores, der mórder advocaten, haben die sach auf- getzogen, vor gerieht nit wellen erscheinen. also hat land- richter vom rathaus offenlich herab dreimal ausrüfen lassen, ob jemand sei, der auf ergangnen absehid von wegen der 2 gefangnen mörder antwurt geben well, der soll gehördt werden. nach dem gemelte 2 doctores erschinen und nach inen alspald ain bevelch von der regierung komen, daß die neuburgischen gesandten den zwaien mördern ir clag in latein- und hispanischer sprach züstellen sollen, des sieh die von Neuburg besehwerdt und anzaigt: dieweil die 2 mürder doctores und beistend haben, die der sprachen kundig, haben inen dieselben angeregte elag wol und not- durftig aus dem teutsch in latein- und hispanischer sprach antzaigen und transferieren künden, send deshalben in streit mitainander komen. auf das sieh der landrieher fur die regierung verfuegt, sich zum höchsten beschwerdt, daß der-

1) Beilage II.

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maßen in diser sach verzogenlich soll gehandlet werden, dann ainmal seien im die 2 gefangnen als malefizisch zü- gestelt und bevolhen worden, inen recht ergeen lassen: dieweil im aber ain stillstand nach dem andern zükombt und rechtlich procedieren nit gestat werden well, so sei sein begern, dab sie die zwen mörder selbs handen nemen und selbs gegen inen, wie sie gelust, handlen wellen. ist also die sach abermals auf den tag geschoben worden P.

Den 14. ditz haben die herren von der regierung die gesandten von Neuburg erfordert, inen anzaigt, dab inen ain beveleh von kai. mt, des datum 4. ditz aus Dinckels- piehl, zükomen, und denselben verlesen lassen, ungevarlich des inhalts: wie dab ir mt. angelangt, daß derselben ge- treuer, lieber Alfonsus Diaz in Insprugg von wegen ainer bezicht in gefengknus komen; und dieweil ir mt. nit grünt- lichen berieht der saehen hab, sei derselben mt. beger, gegen ime mit den rechten still steen, bis ir mt. brueder, kunig Ferdinand, irer mt. gen Regenspurg auf den reiehstag kome, mit dem alsdann ir mt. ferrer reden, handlen und sich der sachen erkundigen wellen.

Hierauf die sach diser zeit angestelt und die 2 ge- fangnen mörder im gefengknus, von ainander abgesondert, wol bewarn bevolhen worden. des sich die neuburgi- schen gesandten zum höchsten beschwerdt. darauf Tho- mass von Redwitz von Insprugg verriten und mit ime ergangnen abschid vom landrichter und seinen rechtsprechern hinaus gefuert, das alles seinem gnedigen herrn, herzog Öthainrich, und desselbigen statthalter und ret Neu- burg anzüzaigen.

Es sollen seider noeh des herzogs von Wiertemberg und landgratfen von Hessen sehreiben komen sein, die sie bei gesandten potten der regierung zu Insprugg gethon und

1) Uber die Sitzung am 12. April und die Vorgänge am 13., welch letztere im Texte übergangen sind, schreibt Th. Hörmann an G. Hórmann, dd. 13. April: .Der gefangnen halben schrib ich E. V. gern; aber dieweil ich noch bisher weder wenig noch fil grund weiß oder erfaren kan, laß ichs pleiben pei mein vorgethonem mundlichen bericht.“ Der „ergangen abschied“ lautet: gegentail ersehein auf negstkomenden montag (12. April) mit antwurt oder nit, sol auf clagers anriefen verer beschehen, was recht ist. als der montag: komen, ists 0, als erchtag (13. April) vor mitag hat sollen gehandlt werden, ists 0, nach mitag ist vom landrichter ain abschid gangen, ain otten- liche beriefung zuthun: der gefangen peistand, doctores, dolmetschen, rathgeber, oder wer von wegen der bemelten personen verhanden sei, sie zu versprechen, soll erscheinen zum 1., 2., 3. mal. ir verstet das iberig woll. als die beriefung beschehen, ist O gehandelt worden. nachmalen ist mag E. V. weiter nit helligen; so was gehandlt, zeig ichs an; damit die gnad Gots mit uns.” S. hierzu Senarclaeus S. 165 ff.

128 (6

an sie begert, den neuburgischen gesandten sehleunig recht gegen den zweien mórdern ergeen lassen oder sie gen Neuburg, daselbst sie das mordt begangen, auf ir, der von Neuburg, costen stellen und antwurten, [und sollen] noch 2 schreiben vom pfaltzgrafen, churfürsten, an die regierung Insprugg, fast des inhalts wie des hertzogs von Wirtem- berg und des landgraffen von Hessen schreiben bei irn ge- sandten boten komen?)

In summa: man befindt sovil warhafts anzaigen, dab dise gefangne mórder, Alfonso Diaz sampt seinem knecht, von Rom ausgemaeht, sein brueder, wie dann laider be- schechen ist, ermorden, und send der vil, die vermainen, die gemeldten 2 mörder, herr und knecht, werden ausgelassen und dib ir begangen mordt anderst nit ausgelegt und inter- pretiert, zuvor von den vermainten gaistlichen, dann daß sie wol gehandlet, daß sie den erlichen, frumen man, iren brueder und vettern (dann Valdes angezaigt, der Johan Diaz seiner mueter brueder gewesen), umwillen er lutrisch worden und irs ausgebens vom rechten glaben abgefallen sei, ermördt haben.

Was sich nun in diser sach weiter verfolgen wiert, lab ich euch jeder zeit wissen und thue mich euch hiemit ge- horsamblich bevelchen.

J. Hörmann.

Beilage I.

T Jesus Maria 1546 Schwatz. F

Hernach volgt, was ich G. Hörman auf 10. aprilis Innspruck mit dem ainen gefangnen Spanier, Alfonso Diaz genannt, so desselben morgens umb 7 ur furs gericht sampt seinem diener N. Valdetz gefuert warde, muntlich in hispanisch geredt hab!).

Erstlich, als ich bei ime stund, sach er mich etlich mal ernstlich an, aber kain wort sagend, auf das ich in ansprach und, so best ich kond, tröstet, dessen er sich gegen mir be- danckt, aber sonst weiter kain wort sagend. nach dem ich in fraget, aus was statt er in Hispanien geboren wer, sein

a) Eine korrumpierte Stelle, die auch in der Kopie so steht und nur teilweise richtig gestellt werden konnte. Der Anfang lautet gänz- lich unverständlich: „Es sollen seider noch des h. v. W. u. 1. v. H. schreiben und gesandten potten, das sie der regierung zu I. gethon“ ete.

1) Dieses Gespräch ist dreimal vorhanden, nämlich in einem stark durchkorrigierten Konzept Hórmanns und in zwei Kopien, von denen die eine ebenfalls von Hórmann selbst, die andere von einem Schreiber gefertigt ist.

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antwort: „von Cuenca“, abermals weiter nichts mer sagent. daraus ich abnemen muest, er mich verdacht und besorgt, [daß] man mich an ihn geschiekt möcht haben, seins handels vil von ime erfaren. darauf im anzeiget, ich were ain guete zeit in Hispanien gewesen, kürtzlich heraus komen, und wie ich Innspruck vernomen, daß zwen Spanier ge- fangen legen, het ich die wellen sechen; derhalben sein und seines dieners furfurung komen. und demnach vil volks auf dem sal des rathaus, auch sonst die rechtsprecher des lands, so ein ainfeltiges, schlechts volk, und sonderlich, wie sie iren elaidern [nach| anzüsechen, weren, sagt ich ime, ine dasselb gegen seinem landsprauch frembd sechen ge- duncken wurde, und weil sie, die gefangnen, Spanier und auslender wären, keme sovil volks aldar, sie sechen, welchs sie sonst, wo sie naturales weren, nit thuen und dahin komen wurden.

Darauf er mich fraget, wer seine widerpart weren, die ich ime wise, dann sie gleich gegen ime, Alfonsio, uber sassen, wiewol er sie züvor bab weder ich gekennt und dise frag sampt nachvolgenden allain malitiosa mente, wie gehört mag werden, von ime beschechen. weiter fragt er mich, wer der ain sein widerpart wer. mein antwort: der im wolisbeltz, so der von Redwitz!) gewest, were ein edel- man, und der ander, so neben im saß, were ain doctor?) sein frag: ob sonst niemand mer bei inen were; darauf ich ime antwurt: es were noch ain junger edelman alda bei inen gewest; sie hetten in aber wegkgesehiekt, und wie das sagen Innspruck, solte er mer kuntschaften wider sie, die gefangnen, auch den knaben, so dem entleibten gedient, und den kistler oder zimerman, von dem sie das peichel (so vor gericht gegenwurtig gelegen) kauft hetten, bringen. darauf er mich alspald scharf ansache, bald darnach sagend: ver- maint ir nit, wann ich 3 oder 4 herren alhie anrichtet, dem edelman, meinem widerpart, züzesprechen, wie man in solehen fälen pfligt thuen, daß er die sach nit so heftig vervolgte, dann es dem adel übel ansteet, wann sie so bluetgirig sein und dergleichen sachen so gar hertzen fassen thuen. dargegen ich ime antwurtet, daß ich achtet, solehs gar wenig helfen wurde, dann er solt wissen, daß in diser edelman nit als fur sein selbs person, sonder als ain gesandter des pfaltz- graven, statthalter und räth der statt Neuburg vervolzte. sein antwurt: er vermainet es wol auch also, jedoch hat er mir solehs anzaigen wellen. nach dem er weiter mir Saget: wie kombts, bei allem dem volek, und so oft man

7) Thomas von Redwitz. > Dr. Wilhelm Vogt.

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mieh furgefuert, ist der hieig postmaister nie herauf komen, noch ich, sider ich gefangen worden, [in| sehen mügen? in dem ich nit weit von mir den Ludwig de Taxis ersach und vermaint, es were der postmaister und hielt die pferdt Innspruckh; derhalben dem genannten Alfonso vor- gedachten Ludwig de Taxis, und daB er der postmaister were, anzaiget. auf das mich der gefangen vleissig pat, ime gefallen mich uber ain weil, so er mit mir geredt hett, und unverdüchtlieh (das er wol 2 oder 3 mal repetiert) gemeltem L. de Taxis, postmaister, verfuegen und in fragen solt, ob er dem Johann Anthoni de Taxis, postmaister und der kais. mt. embaxador, oder seinem vettern zu Rom von seiner gefangknus aviso geben hett, wie er in dann ge- beten; dann wo er solichs nit gethon, wolt er desselben abents ain aigne post per Rom despachieren, des ich thuen dem gefangnen züsagt. mich nachmalen gemeltem L. de Taxis verfueget und vorstends anzaiget, darauf er mir antwurt und bat, ich solt dem gefangnen sagen, dab er . nit der postmaister, der die pferdt hielt, sonder es sein vetter Joseph de Taxis were, in dessen haus sie gefangen worden, dem er solches bevolhen; vermaint, daß sein vetter des ge- fangnen begeren verricht wurd haben. er, der gefangen, solt gleichwol kains wegs underlassen, die post despa- chieren und seiner gefangknus selbst ain aviso geben solt. solehes ich dem gefangnen anzaiget, darauf er mich abermals hoch und vleibig pat, ime umb Gottes willen sovil ge- fallen thon, mich selbs dem Joseph, postmaister, ver- fuegen und entlichen an ime erkundigen solt, ob er vor- gemelts aviso des Alfonso gefangknus geen Rom anzaiget hab oder nit; und so ieh mit der antwurt wider kom, solt ich nur bei der sal stiegen steen beleiben, und so man in widerumb alda furfueren wurde in sein gefangknus, alsdann ime des postmaisters antwurt sagen, doch alles unverdachtlich thuen solt. darauf ime geantwurt, ich were Innsbruck nit wol bekannt und des postmaisters haus nit weste, dar- gegen er mir sagte, solte nur zum thor uber die pruggen hinaus geen, alsdann man mirs postmaisters haus bald weisen wurd; auf das ich aber still steend belib und im nichts antwurt. .

Alspald fragt mich der gefangen, ob ich nit gehört, wo kais. mt. wäre. mein antwurt: das sagen alhie Inspruck were, dab sein mt. schon Regenspurg ankomen,!) dessen er sich hoch erfreit und begert abermals, dem Ludwig de Taxis von seintwegen sagen: demnach er ime empotten,

1) Der Kaiser war in der Tat am 10. April in Regensburg an- gekommen.

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daf er, der gefangen, sieh mit depaehieren der post per Rom und von seiner gefengknus selbst aviso geben, [nit] saumen solt, damit er in nit fur nachlessig achtet, ich ime anzaigen solt, daß er solches gern vorlangst thuen wollen, aber dessen von den herren der regierung nit erlaubnus gehabt und ime erst gestern, 9. dis, abends bewilligt worden.

In dem der Ludwig de Taxis von selbst uns nach- net und anfing, mit dem gefangnen auch spanisch reden, wie best er künd, gegen dem gefangnen sein vorgemelte entschuldigung selbs thete. darauf ime gemelter Ludwig de Taxis anzaiget, wie daß er des tags züvor, id est 9., schreiben von Trient de 8. dis empfangen, darin ime geschriben worden, daß man seines, Alfonso, und seines dieners ge- fangknus alda sehon wissen het und von da aus seinthalben gen Rom aviso geben hetten, dessen gemelter gefangner sich erfreut und uns baiden daneket der zwaien gueten zeitungen, die wir ime geben, namblichen dab die kais. mt. schon Regenspurg ankomen were und man sein gefangknus schon Triend und Rom wiste, mit anzaigung, er wurde des- selben tags ain fröliches morgenmal haben.

Saget weiter darneben mir und dem Ludwig de Taxis, er weste nit, daß er je der bapstlichen hailichkait uud der kais. mt. mißdient, aber inen wol gedient hette ete.

zeit soliehs gesprechs hatten die herren von der regierung ain hauptman, Salebart!) genannt und Inns- prugg wont, der spanisch künden soll, verordent, den gefangnen aufs rathaus gesanndt, damit er des N. Valdez, gefangnen, tolmetsch seie, dann sieh derselb gefangen züvor mit den doetorn und andern tulmetschern, umb dab er wenig italianiseh und sonst kain spraeh als spaniseh kan, der notturft nach [nit] bereden mugen, auf das der landriehter gemelten gefangnen Valdez sampt seinen doctorn, italie- nischen und spanischen dolmetschen, sich mit inen unterreden, ausgeschafft und denselben ain stund termin gegeben.

In der zeit mieh der gefangen Alfonsus, auch ander mer, so latein mit ime redten, mermalen gebeten, dab wir dem richter sagen solten, dab er seinen doctores sampt seinem knecht und den andern sein beistendern wider fur in ze komen verschaffen‘ solt, des auf die letst der richter ainest verschatfet, aber sie eine güte weil darüber noch ausbeliben.

In dem aber dem Alfonso die zeit und weil ser lang war, daraus wol abzünemen gewest, er besorgt, sein diener

!) Hauptmann Degen Salepart.

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möcht sich irgents verreden und mer sagen, weder ime, Alfonso, lieb wär, fraget mich auch nochmaln, ob man in der wochen kain feirtag feiret. mein antwurt: er weßte doch wol, daß es in allen landen in der fasten außerhalb der sontag wenig feirtag in der wochen hette. bald darauf er mich fraget: ob man in der karwochen (18. bis 24. April) hie land das gericht besáb. mein antwurt: man handlet dieselben wochen nichts. darauf er still sehwig. welche fragen er allain gethon, ime furehtend, man mócht in, ee im antwurt oder beistand zükäm, ubereilen.

Nach solchem fraget ich gemelten Alfonso, ob der entleibt, darumb man in und sein diener anklagen thet, sein brüder gewest wer. sein antwurt: er weste nit, ob sein brueder lebendig oder tod wer. mein frag: ob ainer, ge- nannt ^| doctor Juan Diatz, sein brueder gewest? sein antwurt: ja, er wer sein brueder. er weste aber nit, ob er lebendig oder tod wer, dann was man ime in seiner ge- fangknus anzaigt hett.

In dem, als nun seine doctores und sein diener wider- umb fur den richter komen und der doctor Hipp ain langs geschwetz machet mit vil protestieren, daß die zwen ge- fangnen gaistlich und de la corona oder prima tonsura weren, sie denselben nit fur iren richter erkennten. in dem mich gemelter Alfonsus fraget, was doch sein doctor so lang gesagt. darauf ich ime anzaiget, ich verstuende mich diser recht nit sonders, aber sovil ich von seinem doctor gehört, so brecht er alles, so in sein und seines dieners sach nutz raichet, zierlich herfür. darauf er mir sagt, dab sein doctor kain wort wurd gesagt haben, er hette ims züvor wol drei- mal in seiner gefangknus gesagt, und “ab in solches güte 23 jar costet, in denen er 12 jar praetieiert hett.

Naeh dem saget er mir, dab er sein furnemen, die post per Rom zeschicken, verendert het, wolt dise denselben abent kais. mt. gen Regenspurg despachieren und die per Rom schicken underlassen. nach dem ich im abermals guetlich züsprach und saget, er solt sich trösten, dann er an ainem ort gefangen leg, alda man sein sach wol besechen und in nit ubereilen oder gewaldt thun wurd. sein antwurt: es wurde der welt klainen mangel pringen, wa man im schon deshaiben das leben nem, aber Gott würde in als den unschuldigen erledigen; und bedanckt sich gegen mir, daß ich ime also zügesprochen hett.

Darauf ich mein abschid nanı, dann sich die sach untz 11’/, ur verzogen und das urtl noch eonsultieren und geben ward, welehs naehmalen ervolgte, dab sie, die ge- fangnen, unangesehen alles allegierens und protestierens, von

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irn doetores dargethan, künftigen montag, 12. aprilis, auf dern von Neuburg anklagen antwurt geben sollen, und, es beschech oder nit, soll ferrer ergeen, was recht sei.

Beilage II. 1546.

Wie sich die erschrockenlich, unerhört, vermessen

und erbärmlich mordt an dem fromen, cristlichen,

gelerten und beruembten man Johann Diazio aus

Hispanien unversehentlich durch geschwinde pra-

ticken hie Neuburg zuegetragen und verlauffen hat. volgt hernach!).

1. Anfäncklich ist auf den fünfzehenden tag marci anno 1546 des gedachten entleibten leiblicher brueder Alfonsus Diatzius nit mit geringem ansehen sambt ainem knecht auf der post von Rom mit vilen sehriften und werbungen, auch großen verhaißungen und zuesagen hieher komen, auf mainung, den entleibten, sein brueder, mit ime hinweck und, wie offen- bar die that zu erkennen gibt, umb das leben zu bringen. (Sen. 97— 122.)

2. Dieweil er aber soliehes nit in das werek bringen mugen, so hat er von dem entleibten, seinem brueder, mit vereerung vierzehen stück golds an ceronen, auch sonst bruederlicher weis (aber aus falschem herzen) ainen freundt- lichen abschid genomen. (Sen. 123—120.)

3. Hat Alfonsius sich und sein kuecht den 25. vor- gemelts monats marei dureh ain burger hie, Georg Reuter genant, gen Augspurg fueren und sich vernemen lassen, alspald widerumb gen Rom zu postiern. und als sie da- selbs hin gen Augspurg komen seien, hat er, on zweifl nit on ursach seiner vorhabenden mörderischen handlung halb, wie Alex Merolt*), so bei ime auf dem wagen gesessen ist, anzaigt, nit durch die stat faren wellen, sonder der fuer- man ine auf dem graben hinumb dem posthaus fueren muessen, alda er, der fuerman, seines lons seinem benuegen bezalt, dem auch mit uberflissiger zerung wider anhaimbs abgefertiget und durch den postmaister gebeten worden ist, anders tags darnach vor seinem verrucken widerumb ime,

a) In einem bei Böhmer S. 210 gedruckten Schriftstück: Morolt oder Moralt. (Er war der bekannte Agent Ottheinrichs bei Erwerbung von Kunstsachen und Büchern.)

! Kopie. Auf dem Rücken: „1546. Deren von Neuburg interro- gatoria oder anclag gegen den zwaien Spaniern, Insprugg gefangen."

Archiv für Reformationsgeschichte VII. 4. 99

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Alfonsio, komen, dann ime derselb was hieher züfuern zuestellen wurde. (Sen. 126—128.)

4. Wie nun der fuerman anders tags, den 26. marci, in aller.früe in des postmaisters haus komen und nach Al- fonsio gefragt, hat ime der postmaister angezaigt, er wär gleiehwol noeh vorhanden, aber vergangne nacht beweint gewesen, also dab er nit schreiben kündt, sonder wolt deB- halben underwegen schreiben und die brief von Insprugg heraus schicken, mit meldung, er hette bevelh, ime, dem fuerman, vier patzen zuezestellen, die er danck ange- nomen.. (Sen. 128— 13.)

5. Nach solichem ist gedachter fuerman, auch mit ime Alex Merolt vorgemelt, alspald Augspurg auf gewesen und haben iren weg widerumb hieher genomen. und als sie ungevarlieh umb zwelf ur nachmittag gen Pettmeß in Bastln Metzgers, wirt, behausung komen, ist Alfonsius sambt seinem knecht, ja vil mer riffianischen mórder, welichen er hievor mit ime hie gehabt, auch ainem poten mit ainer augspurgerischen puchsen vor ime alda gewesen und ob dem mal gesessen; sie gebeten, ime an den tisch sitzen, weliehes sie aber anderer geferten halb, so mit ime gezert, und daß sie willens gewesen, denselben tag noch hieher raichen, abgeschlagen. da hat er sie, on zweifl darumb, daß er sein vorangezaigten fursetzlichen mordt dester statlicher verbringen müg und darin nit verhindert werde, gebeten, ime lieb und gefallen, auch auf alle seine dienst, disen tag der end Pettmeß verharren, dann neu zeitung verhanden wären und er defhalb. was züsamen suechen und seinem brueder bei ime hieher schicken wolt; [wolt] auch das. so sie, und die bei inen wären, verzerten, danck be- zalen. wie er dann darauf, alsbald die zerung, zum undern +} dureh sie geschehen, und namblieh ain halbe eronen, aus- gerieht. dieweil dann er, Alfonsius, vorigen seines hieseins bei gedaehts Merolts mueter gezert und dise fuer verlent, hat er, Merolt, furnemblich auch dem entleibten eern und gefallen, dib begern nit waigern wellen, ist auch darauf seiner gelegenhait naeh sambt dem fuerman und andern in marckt Pettmeß gegangen und gar nit vermerckt oder besorgt, daß er, Alfonsius, desselben tags mer verreiten oder was ubels handlen vorgehabt haben soll. (Sen. 130—135.)

6. Als sie widerumb aus dem marekt in ir herberg gangen seien und das nachtmal einnemen wellen, haben sie weder den herrn, knecht noeh poten gefunden und naeh inen

1) Zwischenessen, Vespermahlzeit.

83 | 435.

gefragt. da ist ime von der wirtin angetzaigt, sie hetten andere rof bestelt und wären all drei miteinander verritten, des versehens, sie wurden bald wider verhanden sein, dann sie ire rof bei ir im wirtshaus steen lassen hetten. pharrer zu Pettmeß, herr Andre genant, so hievor Otlfing und volgendts Eystet gewesen, hat vorgemelte rof) bestelt, auch sonst mit gelt ausgeben bevelh gehabt. (Sen. 135.)

7. Wiewol sie dise nacht, wie sie sich erboten haben, Pettmeß verharrt und sich versehen haben, inen werd was von dem Alfonsio laut seines anzaigens zuegestelt und hieher fuern aufgeben, sie auch also dieselb nacht von ime abgefertigt, so ist doch soliches nit beschehen.

8. Uber das haben sie den andern tag bis auf siben ur verzogen und vermaint, er soll wider komen; und als sie sein nit erwarten mügen und sich der pfarrer Pettmeß (der dann den tag darvor mit ime im wirtshaus geessen) vernemen lassen, er hab bevelh, die zerung, so sie gethan, bezalen, dieselb auch also bezalt und ain halben guldin, in solcher bezalung an ainer eronen uberbliben, dem fuer- man aus freiem willen unersuecht, fur daf er gewart, zue- gestelt, seien sie auf gewesen und wegk gefarn. in dem Alfonsius fur das wirtshaus sambt seinem knecht eilend geriten komen, also daß ir phärdt von schwais alle naß, sie auch bed an der farb under augen gar verkert gewesen seien. aber auf ir ansprechen, ob sie lenger warten sollen, kain antwort geben wellen, sonder gedeucht fort farn. (Sen. 135—136, 146.)

9. Als sie nun fur den marckt heraus auf Neuburg gefarn, ist inen der vorgedacht augspurgeriseh pot, ganz miet geriten, komen, den haben sie sein und seiner herrn eilend reitens halben umb ursach angesprochen, hat inen aber kain andere antwort, weder daB er nichts umb iren handl wiß, auch nit in der stat gewesen sei geben und ist eilend fortgeriten. (Sen. 147.) !

10. Ist bei dem wirt zu Veldkirchen!) und andern befinden, daß der vorgedacht Alfonsius den gemelten 26. marei abents sambt seinem knecht und dem augspurge- rischen poten sp zeitlich ime, dem wirt, gen Veldkirchen komen, daß sie desselben tags wol heten herein raichen mugen, des aber ungeacht seien sie alda verharrt. (Sen. 136.)

11. Morgens frue vor tags, den 27. marci, haben sie sich aufgemacht und herein in die vorstat gethan, die geil in das gäßlin beim urmacher an ain zaun geheft und des

!) Zwischen Póttmes und Neuburg. 29*

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poten rock mit der poten puxen, item die kappen und den huet genomen, den knecht darmit verklaidt und also ver- harrt, bis das thor aufgeschlossen worden ist (Sen. 136—137.)

12. Alsbald nun das thor geöffnet worden, haben sie den poten bei den phärten, dieselben hueten, gelassen und seien bede, der herr und der knecht, herein in die stat für des entleibten herberg gegangen, daselb sich der knecht, des herrn licenciaten brueder!) der ine wol gekent, un- gemelt aber, daß sein herr selbs entgegen wäre, sonder daß er von dem herrn brief an seinen brueder het, anzaigt; beger, ine anzüsagen (Sen. 137—138.)

13. Des hat des herrn liceneiaten brueder gethan und ist dem frumen Diazio uber das peth gegangen, welicher alsbald widergefragt, ob der seines brueders knecht wäre, und gesagt, ine ime hinauf in sein stuben lassen (Sen. 138.) |

14. Also ist der entleibt so bald aufgestanden, seinen leibrock angelegt und den mantl uber sieh genomen und, sonst aller dinge unangethan, in die stuben gegangen. do ist der herr bei der thür, die verhueten, beliben und der knecht alain mit des herrn licenciaten brueder, der ime im haus den gattern an der undern stiegen aufgezogen hat, hinauf in die ober stuben gegangen und hat dem entleibten die brief geantwort, on zweifl darumb, daß er dieselben als- bald lesen und er, der knecht, dester paser gelegenhait haben soll, den fursetzlichen mordt verbringen (Sen. 138.)

15. Wie nun der entleibt die brief angenomen und des herrn licentiaten brueder den knecht, so ime, wie vorstet, bekandt gewesen ist, beim rock genomen und ine solicher ver- änderter elaidung und potenpuxen angesprochen, weliches dann in, den knecht, seer verdrossen, dann er besorgt, das peihel, so er under dem rock verrichtung des mordts gehabt, wurde gesehen, hat der entleibt gesagt, ime ein fueswasser bringen, nachdem sein gewonhait gewesen, mit reverenz melden, sein fueß morgens waschen?) (Sen. 138—140.)

16. Darauf er, des herrn lieeneiaten brueder, hinweck gangen und das wasser holen wellen. mitler weil hat der knecht dem frumen Diatzium, als er vor seinem fisch ge-

1) Nicht der Bruder des „Licentiaten“ (Claudius Senarclaeus), sondern der Bruder des Pfarrers, in dessen Haus Diaz wohnte (Senarclaeus S. 138: frater concionatoris).

2) Senarclaeus abweichend S. 139: „Cum igitur in hoc statu essent negotia satis, ut apparebat, perturbata, propter praesentiam juvenis, qui celeritatem facinoris impediebat, missus est juvenis (von dem Knecht des Alphonso) ad fontem, ut inde adferret poculum aquae."

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standen, den brief zühenden gehabt und darin gelesen, das vorgemelt peihel (weliches die mörder Pettmeß umb fünf patzen erkauft)! an der rechten seiten beim schlaf der- massen in sein haubt geschlagen, daß ime dasselb darin stecken beliben und er damit gefallen ist (Sen. 140—142.)

17. Indem ist Claudius, des entleibten gesell, der be- sorgt, ime, dem entleibten, werde was widerfarn, ain soliches furkomen, aufgestanden und aus seiner camer gangen. und als er den knecht mit seinen sporn an der stiegen ge- hört, hat er vermaint, er gee allererst herauf, aber hat sein fursehlichs mordtstuck schon verbracht gehabt, wie dann er, Claudius, den entleibten, in der stuben an der erd ligend, ime das peihel im kopf steckend, gefunden, des er ime, da der entleibt kain antwort geben wellen, heraus gezogen, ob er alsdann mit ime reden möcht (Sen. 142—144.)

18. Nach solicher that ist der thäter, so ine wol des herrn liceneiaten brueder gekennt [und] an der obern stiegen?) angesprochen hat, warumb er so bald hinwegk gee, gemach, als het er gar nichts ubels gethan, mit den worten adio, adioñ hin aus dem haus gegangen, hat auch sambt dem herrn ebeu so wenig aus der stat geeilt. (Sen. 142.)

19. Wiewol vor und naeh solicher that etlich leut auf dem platz verhanden gewesen seien und die thäter ein- und wider aus dem haus geen sehen, so haben dieselben kain geschrai oder kumer) gehört, vil weniger dergleichen mordt oder ainieh ander ubl besorgt, bis die thäter vast zum thor komen; da sei dureh den Claudium ain gesehrai an der gassen gemacht, dasselb aueh alsbald an vogt und seine knecht und züvor auch an den von Redwitz und ander gelangt, welche sich auch alsbald aufgemacht und den thätern nachgeeilt haben. (Sen. 144—145.)

20. Ob nun in solichem nacheilen kain vleis gespart worden ist, so seien doch die thäter nit alain auf ire geruebten roß Pettmeß, sonder auch Augspurg auf ain post wegelin komen, und ist demnach wol ge- dencken, daß sie hievor alle ding bestellt und inen in dem der postmaister guete furdrung gethan hab, inmassen das alles bei den mördern, postmaister und andern nach lengs befinden sein wierdet. (Sen. 146, 147.)

Nota: Dieweil in der schrift von ainem liceneiaten ge- . meldt wirdt, nachmalen von desselben prueder und zum

———

a) Nach stiegen ein sinnloses ,kumen*, b) Soll vielleicht heißen ,rumor", |

1) Dieser Kauf ausführlich erzählt bei Senarclaeus S. 135 ff.

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driten von ainem, genannt Claudius, so volgt, daß derselb entleibt herr Diazio ain scribenten, welcher allain noch ain licentiat gewest und noch ist, bei ime im haus gehalten. derselb licentiat hat auch bei im gehabt seinen pruedern'), derselbig dann dem entleibten das fueDwasser geholt hat. und haist der licentiat Claudius?) derselbig ist sambt: obbemeltem seinem pruedern albegen in des entleibten kamer gelegen.

1) Schon oben als Irrtum dargetan. 2) Claudius Senarclaeus.

Mitteilungen.

Ein Verwendungsschreiben für Alfonso Diaz. Der Cod. A 179 inf. der Ambrosiana zu Mailand enthält einige Kon- zepte, die der Kanzlei des päpstlichen Nepoten Kardinals Alessandro Farnese entstammen, und zwar gehören sie der Zeit an, da dieser als Legat des heiligen Stuhles den Kaiser Karl V. in den Schmalkaldischen Krieg begleitete (vgl. Nuntiaturberichte Bd. IX). Unter diesen Kon- zepten befindet sich auch das folgende, das hier im Anschluß an die obenstehende Publikation Fr. Roths über die Gefangennahme des Brudermörders Diaz mitgeteilt sei. Es ist an den römischen König Ferdinand gerichtet, in dessen Gewahrsam sich Diaz befand, und be- zweckt, diesen der Laiengerichtsbarkeit zu entziehen. Bemerkenswert ist die Auffassung, die der Legat über das Verbrechen Diaz’ kundgibt; er sieht darin nicht eine verabscheuenswürdige Untat, sondern ein verdienstliches Werk; der Brudermörder ist des höchsten Lobes wert!

Serme rex. cujusmodi sit causa Alfonsi Diaz Hispani et quo vel crimine vel calumnia ad Oenipontem, in civitate vestra Ispruchia), in vinculis detineatur, satis scio Mti V. notum esse. is nempe ille est qui fratrem suum, quem a lutheranica secta nullis rationibus abducere po- tuerat, dicitur occidisse. quod si facinus commisit, certis et perspicuis argumentis probari posse intelligo), fratris scelere impulsum ejus nepharios conatus manu ulcisci coactum fuisse, et sane praemio potius quam poena dignus videri potest, qui aversum a vera religione homi- nem et non modo impietatem suam pertinaciter mentem 9), sed con- versis etiam in hispanicum sermonem Lutheri scriptis, quod vulgo notum est, in provincia ab hujusmodi omni insania alienissima, per- nitiose opinionis sementem facere conantem, de medio sustulerit. sed enim tam factum quam causae jus Majestati Vestrae satis notum esse arbitror. id unum in praesentia a Majestate Vestra peto ut, cum Al- fonsus ipse sacris sit imbutus et clericus censeatur, de ejus tota causa a judice ecclesiastico cognoscatur, praesertim cum Sanmus Dominus Noster re perspecta et cognita per sanctiores literas suas, quae brevia dicimus, a Mte V. flagitaverit ut causa tota a prophano tribunali ad sacrum rejiceretur. habitam jam quaestionem jussu Majestatis Vestrae certior sum factus et publicis tabulis consignatam ad ipsam missam fuisse. reliquum est ut quanta possim pii animi solicitudine eandem M. V. rogem ut ad Smi D. N. brevia voluntatem suam accomodet et pro mea etiam erga M. V. perpetua observantia meis precibus hoc

a) in civitate vestra Ispruchi ist in der Vorlage nachgefügt. b) Statt probari posse intelligo hieß es anfangs constat. 9) So! zu lesen wohl: retinentem.

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tribuat ut ecclesiastico judici Alfonsi ipsius causam quam primum committat et eidem, quemcumque delegerit, aequissimum certe delec- turam nihil dubito, mandet ut statim omni mora ac judicii dilatione remota pronuntiet, ne scilicet homo optime de religionis sanctitate meritus tam diuturno carceris et compedum eruciatu torqueatur. in. hoc Mtas V. Sano D. N. et mihi rem faciet gratissimam, cumque sit vere religionis una omnium observantissima, in hoc homine religionis acerrimo defensore tuendo summam a sempiterno Deo gratiam in- hibit. optime Mtas V. valeat et me quantum solet diligat.

Ex Caesareae Majestatis castris 6 kal. octob. [26. September] 1546.

W. Friedensburg.

Judaeus Duleius.** Am 23. September 1543 schreibt Frecht an Bucer: Salveat [in] aeternum Fagius noster, cui dicito nostrum Judaeum Dulcium in Layphium collectum ad suos. voluit aliquid contra Lutheri libros adversus Judaeos editos scribere. (Kopien von Frechts Briefen, gesammelt von Georg Veesenmeyer, Ulm, Stadt- bibliothek.) Es handelt sich um Verteidigung des Judentums gegen Luthers Schriften „Von den Juden und ihren Lügen“ (1542) und „Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi“ 1543 (Köstlin-Kawerau, Martin Luther II 589). -- Über Dulcius, der wohl Süß oder Süßkind hieß, kann ich leider in der mir zugänglichen Literatur nichts finden. Er wird wohl in der Zeit, da Elias Levita mit Paul Fagius zusammen in Isny lebte (RE. * V, 293), mit letzterem bekannt geworden sein, während Frecht mit ihm von Ulm aus, zu dessen Gebiet Leipheim ge- hörte, Verkehr gehabt haben wird. G. Bossert.

Aus Zeitschriften.')

Allgemeines, F. J. Schmidt, Renaissance und Re- formation, führt aus, daß die reformatorische Bewegung zwar nicht ohne die vom Geist der italienischen Renaissancebestrebungen aus- gehenden Einflüsse zu denken, aber in ihrem innersten Wesen doch nicht nur ein selbständiges, sondern der romanischen Renaissance entgegengesetztes Kulturgebilde sei. Preuß. Jahrb. 140 (1910 Juni) S. 385—392.

In sehr dankenswerter Weise macht Joh. Luther „Aus der Druckerpraxis der Reformationszeit" unter Hinweis auf zahl- reiche Belegstücke aus der Lutherliteratur darauf aufmerksam, daß das Buch der Reformationszeit vor seiner endgültigen Fertigstellung und gelegentlich auch noch nachher allerhand Änderungen ausgesetzt war, die heute in diesem Umfang nicht mehr vorgenommen werden. Und zwar handelt es sich entweder um Satzkorrekturen während des Druckes (sei es auf dem Titelblatt, sei es im Innern des Buches) oder um neuen Satz innerhalb einer Ausgabe, wobei noch zu unterscheiden

1) Die Redaktion ersucht die Herren Verfasser hóflichst um Zu- sendung einschlägiger Zeitschriftenartikel zur Anzeige an dieser Stelle.

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ist zwischen Neusatz eines Teils ohne Erhöhung der Auflage und zum Zweck der Erhöhung der Auflage (,Zwitterdrucke*). Wer immer mit Drucken aus der Reformationszeit zu tun hat, wird gut tun, diese Momente sich gegenwärtig zu halten. Zbl.Bw. 27. Jahrg. Heft 6 S. 237—264.

Über „deutsche Mäßigkeitsbestrebungen und -vereine im Reformationszeitalter^ handelt C. Krücke im Af.Kulturgesch. 7 (1909) S. 13—30, unter Hervorhebung der Mäßigkeitsorden, die nach spanischem Vorbild auch in Deutschland im 16. Jahrhundert begegnen (so die St. Christophsgesellschaft in Innerósterreich 1517).

H. Werner untersucht in einem zweiten Artikel über die sog. Reformation Kaiser Friedrichs III. deren Quellen und zeigt die weitgehende Abhängigkeit dieser von der sog. Reformation Kaiser Sigmunds (von 1439). Westd. Ztschr. 29 S. 838—117; vgl. oben S. 95 f.

In einem Aufsatz „Neuere Literatur zum Bauernkriege“ ver- ficht W. Stolze aufs neue seine in ds. Ztschr. 6 S. 160 dargelegte Ansicht von den wesentlich religiósen Ursachen der Bauernerhebung und würdigt von diesem Standpunkt aus eine Anzahl einschlügiger neuerer Arbeiten. HZ. 105, 2 S. 296—315.

Den doppelten Rechtfertigungsbegriff in der Apologie der Augsb. Konfession untersucht O. Ritschl in ZThK. 20, 4 S. 292—338.

J. L. Neve, Artikel 21 der A. C. (vom Dienst der Heiligen) schildert zunächst, um die Berechtigung der Aufnahme eines Titels gegen den Heiligendienst in die A. C. zu erweisen, den Heiligendienst der katholischen Kirche in seinen Ursprüngen und besonders in seiner Entwicklung am Ende des MA.; gedenkt dann des Wandels, den Luthers Auffassung von dem Dienst der Heiligen durchmachte, um endlich die Fassungen der betr. Artikels in der Konfession und der Apologie sowie die anschließende Polemik bis auf Chemnitz zu wür- digen. N. kirchl. Ztschr. 21, 2, S. 137—155; 3 S. 169—198.

Ein der Chronik des Zeitgenossen Georg Spormacher ent- nommenes, bei von Liliencron fehlendes Lied aus der Zeit des Gel- drischen Krieges, mit.dem Akrostichon ,Wilhelm herzog tzo Gü- lich* in den Strophenanfüngen, nach der Weise: Mag ich Unglück nicht widerstehn (dem sog. Lied Marias von Ungarn) druckt mit geschichtl. Einleitung W. Bösken in ZBerg. Geschv. 42, S. 168—173 wiederum ab.

An Mentz Biographie Johann Friedriehs von Sachsen an- knüpfend, zeigt A. Hasenclever, was übrigens nicht neu ist, daß Karl V. in Johann Friedrich in erster Linie nicht den Protestanten bekriegte und strafte, sondern den Führer der stündischen Opposition im Reich. N. Mitt. a. d. Gebiet hist.-antiq. Forsch. XXIV, 2 S. 214 bis 289. (Kf. J. Fr. v. S. und die Katastrophe von Mühlberg.)

Auf ein kürzlich für das Metzer Bezirksarchiv erworbenes Exemplar des bisher anscheinend unbekannt gebliebenen Schutzbriefes (Salvagardia), den der Fürstenbund von 1552 auf den Besprechungen zu Friede- wald (Februar 1552) unter dem Wappen des K. von Frankreich her-

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zustellen beschloß, weist G. Wolfram hin unter Reproduzierung des Blattes und Erörterung über seine Entstehung. Jahrb. Ges. f. lothr. G. u. A. 21 (1909), 1 S. 230—235.

In der RQuH. livr. 172 (Oktober 1909) S. 418-— 4835 betont L. Célier, gestützt auf Pastors Geschichte der Päpste, daß auch die Päpste zwischen Eugen IV. und Leo X. der Reform der Kirche ihre Aufmerksamkeit zugewandt hätten, freilich ohne Nachhaltigkeit und ohne ernstern Willen zur Reform womit uns allerdings nicht viel Neues gesagt ist. l

J. Richard, Vf. eines Aufsatzes über die Anfänge der ständigen Nuntiaturen (vgl. oben S. 98), beginnt in RHE. XI, 1 S. 56—72 einen Abriß über Origines et développement de la Secrétairerie d’Etat apostolique (1417 —1823). Im 2. Abschnitt, a. a. O. XI, 3 S. 505 bis 529 bebandelt er die Reformationsepoche. |

Die in einem Miszellankodex des Vat. Archivs (Arm. XV vol. 109) aufgefundenen drei ersten Scrutiniumslisten des Konklave von 1492 teilt V. Schweitzer im Hist. Jahrb. 30 S. 809—814 mit; die vierte entscheidende Liste fehlt leider, so daß man nicht deutlich sieht, an welchem Tage Kardinal Borja, dessen Aussichten anfangs nicht günstig standen, im Laufe des letzten Tages der Wahlhandlung die erforder- liche Majorität erlangt hat.

In Anlehnung an den 5. Band der Papstgeschichte Pastors be- handelt A. Dürrwüchter PaullIlI. und das Ende der Renaissance in HPBll. 146, 1 S. 47—62.

Den Anteil des Augustiner-Generals Seripando an dem Trienter Dekret über die Rechtfertigung untersucht St. Ehses auf Grund neuerdings aus dem Nachlaß Seripandos herangezogener Quellen, die im „Concil. Trid.^ der Gorrés-Gesellsch. zur Veröffentlichung kommen werden, in RóQuSchr. 23 (1909) S. 3—15. Der nämliche gibt ebendort S. 200—204 einige Berichtigungen und Ergänzungen zu Hefners „ver- frühtem“ Buch: Entstehungsgesch. des Trienter Rechtfertigungsdekrets.

Der Schluß der oben S. 113 erwähnten sorgfältigen Abhandlung von R. Ancel O.S.B. über die Legation des Kardinals Polein Eng- land (1553—1554) und die Versóhnung Englands mit der rómischen Kurie unter Maria Tudor findet sich in RHE. 10, 4 S. 744—798.

Biographisches. Aus Cod. A. 117 der Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen, der Abschriften aus Ende 17. Jh. von Briefen der Ref.-Zeit enthält, veröffentlicht O. Clemen die noch unbekannten dieser Briefe, im ganzen 44 Nrr. (dazu Nr. 45 von anderer Herkunft) aus d. J. 1514—1554, darunter mehrere Briefe Bugenhagens an Jonas, ferner Briefe Reuchlins, Erasmus’, Luthers, Melanchthons usw. ZKG. 31, S. 81—105, 300—323.

G.vonSchultheß-Rechberg, Luther, Zwingli und Calvin in ihren Ansichten über das Verhältnis von Staat. und Kirche, kommt in eingehender, auf die eigenen Äußerungen der Reformatoren gestützter Untersuchung zu dem Ergebnis, daß Luther ein gegen- seitiges Sichergänzen der beiden Gewalten angestrebt, den immer

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wachsenden Anforderungen des sich ausdehnenden Reformationswerkes gegenüber aber zu einer festen Durchbildung seiner Ansichten über das Problem und entschlossener, konsequenter Stellungnahme nicht gelangt sei; Zwingli dagegen habe planmäßig die staatlichen und kirchlichen Interessen aufs engste miteinander verknüpft, wührend endlich Calvin, von dem Streben nach einer Theokratie geleitet, für die Genf allerdings nur den Ausgangspunkt habe bilden sollen, den Staat durchaus der Kirche untergeordnet, der weltlichen Obrigkeit im Grunde überhaupt keine Rechte zugestanden habe. Zürcher Beitrüge zur Rechtswissenschaft, Heft 24, 185 S. (M. 2,80).

In der Allg. Ev.-Luth. KZ. 1909 Nrr. 45—48 gibt H. Ohl „Luthers Romreise, ihre Geschichte und ihre Bedeutung für L.s Person und Werk“ an der Hand der Äußerungen Luthers und der Literatur ein anziehendes Bild von den Eindrücken, die L. in Rom gewonnen hat und die für seine spütere Entwicklung wenigstens mittelbar mit Recht hoch eingeschützt werden.

O. Ritschl, Luthers theologische Entwicklung bis zum J. 1519 (Internat. Wochenschrift IV Nr. 33) sucht mit guten Gründen gegen Denifle, zum Teil auch gegen Scheel (in Schr. VRG.) polemisierend zu erweisen, daß Luther in der bekannten Vorrede von 1545, wenn auch zum Teil nur in recht knappen Andeutungen, seine theologische Entwicklung bis zu ihrer 1519 erreichten reformatorischen Reife gleichwohl im wesentlichen richtig skizziert habe.

Gegen Loofs und Ficker, die aus Luthers Rómerbriefvorlesung den Schluß ziehen, daß L. damals noch nicht Heilsgewißheit gelehrt habe, sucht K. Holl (Die Rechtfertigungslehre in L.s Vorlesung über den Rómerbrief mit besonderer Rücksicht auf die Frage der Heilsgewißheit) zu erhürten, daß L.s Anschauung von letzterer damals in allem Wesentlichen fertig war, auch wenn ein gewisser Ab- stand gegen die spätere Lehre unverkennbar sei, so zwar, daß „die Spannung auf das Jenseits stärker“ sei. Damals gilt L. die Recht- fertigung „erst im Jenseits als vollendet", während sich späterhin „das Schwergewicht der Frömmigkeit nach der Gegenwart zu verschiebt“. L. ,empfindet stürker, was der Christ durch den Glauben jetzt schon besitzt". ZThK. 20. 4 S. 245—291.

Als Nachtrag zu seinen Studien über Luthers rómischen Prozeß untersucht P. Kalkoff das Verfahren Albrechts von Mainz gegen L. und kommt zu dem Ergebnis, daB A. im Jahre 1518 aufer der ersten, vorsichtig gehaltenen Anzeige beim Papst nichts gegen L. getan habe; die energische Durchführnng des anfangs mit aller Schonung zögernd begonnenen Prozesses sei in erster Linie das Werk des Dominikanerordens. ZKG. 31, 1 S. 48—65.

Luthers Lehre von der Buße behandelt kurz auf Grundlage seiner Schriften „Sermon von der Buße“ und „Sermon vom Sakrament der Buße“ R. Nieder in Kirchl. Ztschr. d. ev.-luth. Synode von Iowa (Chicago) 33, 11 S. 497—500.

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Luther als Patrioten, als Mann deutscher Art und deutscher Tat, feiert ein Vortrag von K. Cantzler in Mancherlei Gaben 48, 12 S. 714—718.

N. Paulus, Luther und die Todesstrafe für Ketzer, be- hauptet gegen O. Ritschl, daß L. Ketzer als solche des Todes würdig erklärt habe, übersieht jedoch in seiner spitzfindigen Untersuchung, daß für L. das Entscheidende die Gotteslüsterung, nicht die Ketzerei ist. HPBil. 145 S. 177—189, 244 255.

Den Originaltext des Lutherbriefes vom 6. April 1537 (de Wette 5 Nr. 1765; Enders 11 Nr. 2511 als Regest), den er im Stettiner Staatsarchiv auffand, veröffentlicht A. Uckeley in ZKG. 31,18. 75—80; es ist Luthers (und Bugenhagens) Antwort auf einen verlorenen Brief des Herzogs Barnim von Pommern und betrifft das Bleiben Pauls von Rhoda in Pommern.

Zu der Chorsammlung des Georg Rhau 1544 (den als 34. Bd. der Denkmäler Deutscher Tonkunst neu herausgegebenen „Neue deutsche geistliche Gesänge CXXIII ... gedr. zu Wittemberg durch Georgen Rhau 1544“), der größten zu Luthers Lebzeiten erschienenen evange- lischen Chorsammlung, gibt Fr. Spitta in Monatsschr. f. Gottesd. XV,2 S. 41—46 einige Erläuterungen und kritische Bemerkungen.

Den Bilderschmuck der áltesten Lutherischen Bibel würdigt G. Lasch in Christl. Kunstbl. 52, 1 S. 18—19, der hervorhebt, wie Luther auch die Illustration, zumal bei der Apokalypse, in den Dienst der Polemik gegen das Papsttum stellte.

Über Katechismusschütze in der Stadtbibliothek zu WeiBen- burg i. B. referiert der dortige Pfarrer Albrecht in BBK. 16, 2 S. 72—19; 16, 4, 168—174.

Von Erasmus Albers geistlicher Amtstütigkeit in Hessen (von 1528—1539 in dem Isenburgschen Sprendlingen in der Dreieich, und von 1545—1546 in dem Hanau'schen Büdingen) entwirft E, Körner auf Grund von A's Schriften und der Literatur ein anziehendes Bild, das besonders die außerordentlich großen Schwierigkeiten, unter denen A. wirkte und seine nicht nachlassende Energie deutlich zur Anschauung bringt. Beitrr. z. hess. KG. IV, 2 S. 150—166.

Derselbe bespricht Albers Aufenthalt in Hamburg (1551 1553), die persönlichen Beziehungen, die er dort knüpfte, und seine Schriften dieser Jahre, gestützt auf die Bestände der Hambg. Stadtbibl. und Nach- richten des Hamb. Staatsarchivs, in ZV.f.hamb. Gesch. XV, 1 S. 58—66.

Im zweiten Stücke seiner Beiträge zur Frage nach der geist- lichen Dichtung des Herzogs Albrecht von Preußen (vgl. oben S. 101 f.) behandelt Fr. Spitta die Markgrafenlieder. d. h. drei den zwanziger Jahren entstammende Lieder, in deren Strophenanfüngen die Namen und Titel der Brüder Markgrafen Casimir, Georg und Albrecht von Brandenburg stehen. Nachdem schon von anderer Seite bemerkt worden ist, daß diese Lieder, zumal das Casimir- und Georgslied, sich wie im Akrostichon so auch im Strophenbau und in vielen ein- zelnen Gedanken, Wendungen und Reimen mit dem Marienlied

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Albrechts berühren, macht Spitta in sorgfältiger Untersuchung aus inneren und äußeren Gründen, insbesondere durch den Nachweis der Zusamimengehörigkeit aller vier Lieder (Marienlied und drei Mark- grafenlieder) in formeller wie inhaltlicher Beziehung wahrscheinlich, daß Albrecht der gemeinsame Verf. aller dieser Lieder ist, wobei er zu- gleich von anderen geäußerte Vermutungen über anderweitige Verff. (Johann von Schwarzenberg und Lazarus Spengler) widerlegt. Alt- preuß. Monatsschr. 47, 1 S. 50—112.

In ZKG. 31, 2 S. 249—278 beginnt der nämliche eine scharf- sinnige Untersuchung über „die ältesten evangelischen Liederbücher von Königsberg‘, mit der besonderen Absicht, den Herzog Albrecht von Preußen als Verfasser auch der „Königsberger Lieder‘ nach- zuweisen.

Ein Schmähgedicht gegen J gkh Andreae, den bekanntlich auf Ansuchen des Lichtenberger Theologenkongresses von 1576 Kf. August zu den Beratungen über die Konkordie nach Sachsen berief, veröffentlicht W. Lucke aus einer Hs. der Hauptbibliothek der Francke- schen Stiftungen in ZKG. 30, 4 S. 447— 451. Das Gedicht ist aus den Kreisen der Wittenberger hervorgegangen und vermutlich Ende 1576 entstanden.

Aus den (arte Cerviniane des Florentiner Staatsarchivs teilt G. Buschbell einen Brief des Cochlaeus an den bekannten B. von Minori Ambrosius Catharinus aus Mainz vom 28, April 1548 mit; Cervini erhielt davon durch den Bischof von Lavello, Thomas Stella, Abschrift mit einem Begleitschreiben, worin St. über die zunehmenden Häresien in Deutschland klagt. Der Brief des Cochlaeus (zu dem dessen gleichzeitiger Brief an Cervini ZKG. 18 S. 624 ff. zu vgl. ist) ` betrifft die literarische Bekämpfung des Luthertums und das Auf- kommen Calvins. HJb. 30 S. 814—817.

Zwei Briefe Veit Dietrichs an Melanchthon von 1536 nebst dem Fragment eines in den gleichen Zusammenhang gehörenden Briefes .an Luther vom „Cantzler aus der Lusatz“ teilt O. Clemen aus Hs. der Zwickauer Ratsschulbibliothek mit: BBK. 16, 4 S. 180—182.

Unter der Aufschrift „Die Flucht der Kfin. Elisabeth von Brandenburg“ behandelt R. von Jacobi (7) auf Grund der Quellen und mit archivalischen Beilagen kritisch den ganzen Verlauf der Trennung der Genannten von Joachim II. wegen ihres lutherischen Be- kenntnisses, die Folgen ihrer Flucht und ibr ferneres Leben (+ 1555): Hohenzollernjahrb. 1909 S. 155—196. (Fertiggestellt von G. Schuster.)

Über die Entfernung des evangelischen Streittheologen Tileman Heshusen, seit 1560 Superintendent in Magdeburg, und seiner An- hänger aus dieser Stadt i. J. 1562 infolge der Ausschreitungen des Diakonus Bartholmaeus Strehle, der auf der Kanzel den Rat und dessen Anhang unter den Predigern öffentlich in den Baun tat, handelt E. Heine auf Grund einer Streitschrift des genannten Strehle (auf der Bibl. zu Wernigerode). Geschichtsbl. f. Magdeburg 44. 2 S. 288—244.

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Die Bildnisse des Anfang 1547 Reformators Breslaus und Schlesiens, Johann Heß, behandelt R. Foerster in Schlesiens Vor- zeit in Bild und Schrift, N. F. 5, 117—143, wobei er besonders das kunstgeschichtlich wichtige Epitaphbild der Maria-Magdalenakirche einer sehr gründlichen Untersuchung unterzieht.

K. Schornbaum teilt in BBK. 16, 2 S. 79—85 die ältesten der an Georg Karg, den Reformator des Rieses, adressierten Briefe mit, die unter den im Besitze des H.V. von Mittelfranken zu Ansbach be- findlichen Briefen brandenburgischer Pfarrer vorhanden sind, nämlich vier Schreiben von 1547—1557: sie betreffen sowohl die Zeitereignisse wie auch die kirchlichen Verhältnisse des Markgrafentums.

Über „Johannes Laue, Prediger in Mühlhausen 1524—1525“, bringt R. Jordan aus dem Mühlhauser Stadtarchiv Ergänzungen zu seiner früheren Arbeit über den nämlichen bei: ZVKG. Prov. Sachsen 7, 1 S. 26—41; interessant sind bes. die Protokolle ubera L.s Vernehmungen am 8. janua 1526 und 1. April 1528.

„Den Heilbronner Reformator Johann Lachmann als Patrioten im Bauernkrieg nach seinen Briefen“ behandelt in gründlichster Weise G. Bossert, unter Beigabe von 16 Briefen L.s und seiner Verant- wortung gegen den Deutschmeister (aus den Archiven von Stuttgart und Heilbronn) in Württemb. Jahrbb. f. Stat. u. Landesk. 1908, 1 S. 44—76.

Eine instruktive Besprechung der Arbeiten und Veröffentlichungen von Schlecht und Deutsch über Kilian Leib gibt E. Reicke in BBK. 16, 3 S. 122—137; u. a. kommt er dabei auf Luthers Aufenthalt in Nürnberg 1518 zu sprechen.

Einen Nachweis über die nach Erscheinen der Sammlungen im C.R. und in Bindseils Ph. Mel. epistolae ete. (1874) an verschiedenen Stellen gedruckten Briefe von Melanchthon und an diesen bietet in chronologischer Anordnung Liz. Vogt, bereichert durch gelegent- liche kurze Erläuterungen sowie durch Hinzufügung einiger in Land$? hut i. Schl. und Greifswald hsl. erhaltener Stücke: ThStK. Jahrg. 1910, 9, S. 163—943 und 3 S. 375—417.

„Das Weihnachtslied eines völlig vergessenen Dichters der Reformationszeit", nämlich Heinrichs von Miltitz, eines der Deutsch- ordensritter, die mit Albrecht v. Brandenburg zur Ref. übertraten, ver- öffentlicht Fr. Spitta aus Kodex der Königsberger Univ.-Bibl. (Inc.: ein Kindelein so löbelich) in Monatsschr. f, G. u. k. K. XIV, 12 S. 355 f.; ebendaselbst XV, 6 S. 190—193 druckt er aus der nämlichen Hs. die Dedikation der Liedersammlung an Herzog Albrecht sowie zwei Bitt- lieder an den h. Geist ab. Daß M. hier den Herzog bittet, dieser möge die metrischen Mängel seiner Verse verbessern, darf wohl auch als Beweis für Albrechts dichterische Befühigung dienen.

Zu Paul Flemmings biographischer Skizze über Hieronymus Nopp (vgl. oben S. 105) bietet O. Clemen einen kleinen Nachtrag: BBK. 16, 2 S. 81 f.

Einen Vortrag von E. Kónig über Konrad Peutinger als

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Historiker bringt die Wiss. Beil. 44 zur Germania (1909), auf Grund des literarischen Nachlasses P.s. Das Ergebnis ist: P. war mehr Sammler als Kritiker und Darsteller.

Zur Gesch. Bernh. Rothmanns und der Wiedertäuferunruhen in Münster teilt O. Merx zeitgenössische Aufzeichnungen eines Marienfelder Mönches sowie Fragmente einer Münsterer Prozeßakte von 1587 mit. Es ergeben sich hier Anhaltspunkte über die Geburtsstätte Rothmanns (das gleichnamige Kolonat zwischen Stadt- lohn und Gescher) und das Verhältnis R.s zur Krämergilde in Münster. Z. vat. G. u. A. 67, 1 S. 221—226.

Johann Sagittarius (Schütz) war von 1556 bis an seinen Tod (1581) Pfarrer zu Riestedt bei Sangerhausen. Seine durch mancherlei Händel und Anstöße getrübte Wirksamkeit schildert Friedr. Schmidt nach den Visitationsberichten als bis zu einem gewissen Grade typisch für jene nachreformatorische Generation von evangel. Geistlichen; auch führt er fünf Schriften von Sagittarius auf, von denen besonders die eine (Funffzig erhebliche Ursachen usw.) gegen die Calvinisten ge- richtet, charakteristisch ist. ZVKG. Prov. Sachsen 6, 2 S. 152—160.

Auf die von ihm aufgefundenen und herausgegebenen Briefe des Paolo Sarpi an den Grafen Christof von Dohna weist K. Benrath in Altpr. Monatsschr. 47, 1 S. 184—187 kurz hin (vgl auch HZ. 102, 567 ff.).

Mit Fritz Jungs Biographie Johann Schwebels, des Refor- mators von Zweibrücken (Kaiserslautern 1910) setzt sich Ney, der Schwebel in RE. behandelt hat, in BBK. 16, 4 S. 174—180 auseinander.

Über die Art, wie Franz von Sickingen die aus Nichtbezah- lung gelieferter Druckwerke entstandene Forderung der Buchdrucker- familie Schoeffer an die Krone Frankreichs an sich gebracht, verweist G. Kentenich auf eine bisher übersehene Mitteilung des zeit- genössischen Trierer Stadtschreibers Johann Flade in der Trierer Chronik 1820. ZblBw. 27 S. 70 f.

Über Sleidaniana in der Bibl. von Aix, im Public Record Office zu London und im Stuttgarter Archiv gibt Auskunft mit Ab- druck der Stücke A. Hasenelever in ZGOberrh. N. F. 24, 1 S. 92 bis 116. Ebenda 2 S. 364 f. gibt der nämliche einen Hinweis auf die Quellen der Darstellung des bóhmischen Aufstandes von 1547 durch Sleidan.

Aus dem Neudeckerschen Nachlasse auf der Herzogl. Hofbibl. Friedenstein zu Gotha bringt G. Berbig wiederum einige Spalati- niana, meist aus Sp.s Briefwechsel mit den Kf. Friedrich und Johann. N. kirchl. Z. 21, 2, 156—168; 4, 330—335.

Eine Lebensbeschreibung des hündelsüchtigen, heißblütigen Streit- theologen Francesco Stancaro, der in der Reformationsgeschichte der östlichen Länder eine Rolle gespielt hat, beginnt Th. Wotschke mit gewohnter Gründlichkeit und Belesenheit in Altpreuß. Monatsschr. 47, 3 S. 465—498 (bis zum Jahre 1559).

Petrus Vincentius, der Schöpfer des Görlitzer Gymnasiums

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und erste Breslauer Schulinspektor (Schulmann melanchthonischer Richtung des 16. Jahrhunderts) wird von G. Bauch in Mitt. Ges. f. d. Erz. u. Schulgesch. 1909, 4 S. 269—330 gewürdigt.

In ZKG. 30, 4 S. 434—443 gibt O. Clemen Nachrichten über das Leben und Wirken des Johann Voit, ehemaligen Franziskaners in Weimar, der in der Reformationsgeschichte von Zwickau eine Rolle spielt, spüter als erster evang. Pfarrer in Ronnenburg erscheint und macht wahrscheinlich, da8 er zwischen 1528 und 1527 Hofprediger bei Johann von Sachsen gewesen sei.

Das Entlassungsgesuch des altglüubigen Pfarrers zu Aschers- leben, Johann Weber, der 1527 der siegreichen Reformation wich, veröffentlicht G. Liebe in ZVKG. Prov. Sachsen 7, 1 S. 196—129 aus dem Magdeb. StaatsA.

Zwei Briefe der Grüfin Barbara von Wertheim an Camerarius und Melanchthon aus dem Jahre 1544, Personalien betr., veröffent- licht Fr. Wecken aus Abschriften im Löwenstein-Wertheimschen Archive: ZKG. 30, 4 S. 444—447.

Einem anscheinend bisher unbekannt gebliebenen Witzeldruck der Bibliothek des Fuldaer Priesterseminars ,Genealogion quoddam Georgii Wicelii^ entnimmt G. Richter die von ihm erläuterten Nach- richten, die W. darin über seine Familie mitteilt. Fuldaer Geschichts- vlätter Jahrg. VIII, 8 S. 113—126; 9, 129—144; 10, 155—160. Be- merkenswert ist, daß W. hier an der Legitimität der Ehe, die er 1524 eingegangen war, festhült, wie er bekanntlich auch bis zum Tode seiner Frau mit ihr in ehelicher Weise gelebt hat.

Aus v. Dewitzschen Gerichtsakten im Stettiner Staatsarchiv bringt P. Gantzer eine Notiz über die gegen den Widerstand des B. Erasmus von Kamin erfolgte Einführung eines ersten evangel. Pfarrers, Caspar Zingeler, in Daber (Pommern). Mitt. Ges. f. Po. Gesch. 1910, 3 S. 40f.

Territoriales. Als 16. Heft der Mitt. d. V. t. Kunst u. Alt. in Ulm und Oberschwaben ist eine Abhandl. von Greiner, Ulm und Umgebung im Bauernkrieg erschienen (68 S. 4?) zugleich Progr. des K. Gymnas. zu Ulın.

Aus dem Augsburger Stadtarchiv teilt H. Ockel ein Aktenstück von 1533 oder 1534 mit: ,Bedacht wie...ein oder zwo schulen uf- gericht mócht werden*, das auf die Anfánge des St. Anna-Gymnasiums in Augsburg Licht wirft. ZHV. Schwaben u. Neuburg 35 (1909) S. 128—132.

Auf Grund der Akten des Augsburger Stadtarchivs schildert Fr. Roth, der Verf. der Reformationsgeschichte Augsburgs: , Bayern und Augsburg im Schmalkaldischen Kriege und der Ausgleich zwischen ihnen nach demselben"; dieser Ausgleich kam auf eine Er- pressung von 20000 Gl. durch den Herzog von der Stadt hinaus. Ein einschlägiges Aktenstück folgt als Beilage; das Ganze stellt sich als . ein Beitrag zur Geschichte der Versuche des Fürstentums dar, seine Übermacht den Reichsstüdten gegenüber zur Geltung zu bringen;

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zwischen Augsburg und Bayern brachte natürlich das konfessionelle Moment eine Verschärfung der natürlichen Gegensätze. (Oberbayer. Archiv f. vaterl. Gesch. 54, 3 S. 361—398.)

Im ev. Gemeindebl. f. d. Dekanatsbezirk München, Nov. 1908, behandelt Theobald die Reformation in der Grafschaft Haag (Oberbayern) unter dem Reichsgrafen Ladislaus von Frauenberg.

Ein Aufsatz von P. Schaudig. ,Zur Vorgeschichte der Pfarrei Dombühl“ behandelt hauptsächlich den Streit der Dombühler mit dem Kloster Sulz um kirchliche Lösung von diesem (1525 ff.), wobei auch das Verhältnis beider Teile zur Reformation eine Rolle spielt. BBK. 16, 6 S. 241—260.

Im Jahresbericht des HV. von Mittelfranken 1909 S. 98—108 veröffentlicht K. Schornbaum das Protokoll des Ansbacher Land- tages von 1524, das, von des Kanzlers Vogler Hand geschrieben, für die Stellungnahme der einzelnen Teilnehmer zur Ref. von Bedeutung ist. Ebendaselbst S. 109 gibt der nämliche das Inventar der Heidenheimer Klosterbibliothek von 1537 (als Ergänzung zu seiner Schrift: Die Säkularisation des Klosters Heidenheim, 1909).

Aus der alten Konsistorialregistratur in Ansbach und ergänzenden hsl. Quellen stellt K. Schornbaum in dankenswerter Weise die Namen und Daten der Geistlichen der Markgrafschaft Brandenburg- Ansbach von ca. 1520—1578 alphabetisch nach den Ortsnamen zu- sammen: BBK. 16, 2 S. 85—92; 3 S. 187—139; 4 S. 188—191; 5 S. 231 bis 236 (bis Weidelbach; der Schluß steht och aus).

H. Baier handelt über die vom Bischof Marx Sittich von Kon- stanz zur Durchführung der Trienter Konzilbesschlüsse 1567 berufene Diözesansynode auf Grund von Konstanzer Domkapitelsprotokollen und aus St. Blasien stammender Akten, die besonders auf die Gegensätze zwischen Bischof und Stiftsprälaten Licht werfen. ZGOberrh. N.F. 25, 4 S. 553—574.

Die auf eine Stärkung der landesfürstlichen Gewalt hinauslaufende Kirchenpolitik der Grafen von Fürstenberg im 16. Jahrh. behandelt Jos. Meister im Freiburger Diözesanarchiv 37.

Das Aufkommen der Jesuiten in der Diözese Straßburg und die Gründung des Jesuitenkollegs in Molsheim (1580) behandelt auf Grund der Akten des Straßb. Bezirksarchivs u. a. K. Hahn in Zg&Oberrh. N. F. 25, 2 S. 246—294; der entscheidende Anteil, den . Bischof Johann IV. von Manderscheid (1569—1592) an dem Einnisten der Jesuiten in seinem Bistum hatte, tritt hier besonders hervor.

Die kirchlichen Zustände im Oberamt Alzey während der Reformation, nach einem Visitationsbericht von 1556 (im Karlsruher GLA.) schildert A. Trieb in „Vom Rhein“ (Monatsschr. der AV. f. d. Stadt Worms) VIII, S. 45 f., 90—98. Es tritt auch hier hervor, wie schwer es war, die in den jetta Zeiten des Katholizismus Ferwani loste Generation zu heben und zu läutern.

Eine Übersicht über die Hauptdaten des Verlauf: der Beturmidion Archiv für Reformationsgeschichte. VII. 4. 30

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in den einzelnen nassauischen Territorien gibt Kilian in Pastor bonus 21, 2 S. 62—67.

Als zweiten Teil seiner Beiträge zur Reformationsgesch. von Frankfurt a. M. erörtert K. Euler zunächst auf Grund eines Akten- bandes des Kurerzkanzlerarchivs in Wien Entstehung und Wirkung der zwei Apologien des Rates und der evangelischen Prediger von 1526, untersucht dann auf gleicher Grundlage die Prozesse, in die Kf. Albrecht den Rat seit 1529 verwickelte, und bringt endlich einige Lebensnachrichten über den Dekan des Frankfurter Kapitels, Konrad Prucker, einen Hauptgegner der Reformation; ein Abdruck der erwähnten Apologie des Rats von 1526 folgt als Beilage. Archiv f. Frankf. Gesch. u. Kunst 3. Folge, Bd. 10 S. 77—184.

F. W. E. Roth gibt biographische Notizen über sieben Mainzer Theologieprofessoren, die zwischen 1454 und 1521 nachweisbar sind; von der Reformation zeigt sich hiernach keiner von ihnen berührt. Katholik 40 S. 422—431.

W. Hollweg, Der Stand der Konfessionen in Köln 1590 (Monatshefte f. rhein. KG. IV, 1 S. 31f.) verweist auf eine Bemerkung Caspar Ulenbergs (Gespräch zu Cöln zwischen... einem cath. Priester und ... einen Calvinischen Praedikanten ... gehalten) wonach damals die Lutheraner sich vielfach dem Calvinismus und den Sekten zu- wandten. |

Einige Edikte Herz. Wilhelms V. von Jülich-Cleve über Kirchenzucht und Sektenwesen sowie den Entwurf einer nicht un- = interessanten Verordnung über die Pflichten der Geistlichen und Ge- meinden, die Verwaltung des Kirchenvermógens, die Sendgericbte usw. veröffentlicht mit Erläuterungen über die Kirchenpolitik des Herzogs O. Redlich in ZBergGV. 42 (N. F. 32) S. 174—190.

Die zerstreuten Nachrichten über „Katharina von Tecklenburg, eine Essener Äbtissin am Vorabende der Reformation“ (geb. 1517, + 1560, Äbtissin seit 1550), stellt K. Ribbeck in Beitr, z. G. v. Stadt u. Stift Essen 30, S. 167—189 zusammen, wobei besonders auf die kirchlichen Verhältnisse der Stadt und des Stifts und das allmähliche Eindringen und Überwiegen des Protestantismus Licht füllt; die förm- liche Einführung der neuen Lehre erfolgte allerdings erst nach Katharinas Tode.

In „Unsere Heimat“ Mitteill. des Heimatbundes ... im Kreise Schlüchtern 1908/09 S. 16, teilt Flemmig eine Gräfl. Hanau’sche Verordnung von 1562 für regelmäßigen Kirchenbesuch und gegen Fluchen, Trinken, Kartenspiel usw. mit.

„Kirchengeschichtliches aus Leihgestern“ (Pfarrdorf unweit 'Gießen) bringt L. Strack nach den Akten Beitr. z. hess. KG. IV, 3 S. 220—230. Das Wichtigste betrifft die auf Anhalten der Bauern 1574 erfolgte Errichtung einer eigenen Pfarrei in L.; die interessante Errichtungsurkunde wird mitgeteilt.

Die Lebensabrisse, die 17 evangelische Geistliche in Kassel und den Dörfern der drei Kasseler Gerichte i. J. 1569 dem obrigkeitlich

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anbefohlenen Verzeichnis ihrer Kirchengüter und der Einkünfte ihrer Pfarren voransetzten, teilt H. Brunner nebst einigen erlüuternden Vorbemerkungen aus dem Konsistorialarchiv in Kassel in Beitr. hess. KG. IV, 2 S. 187—198 mit. Erwünscht wäre wohl auch die Mit- teilung der obengedachten Verzeichnisse, die, wie B. angibt, meist noch das Inventar des alten katholischen Gottesdienstes mit aufführen.

Einen „groben Fall von Verletzung der Kirchenzucht aus den Busecker Tal“ von 1560 teilt W. Lindenstruth in Beitr. hess. KG. IV,3 S. 216--219 mit. Es handelt sich um Beschimpfung des Pfarrers wührend der Predigt durch ein Bauernweib, ein Vorkommnis, in dem die Mißachtung des Pfarrers seitens der von der religiösen Bewegung innerlich noch wenig ergriffenen Bauernschaft zu bezeichnendem Ausdruck kommt.

Inventarien der Kirchen zu St. Moritz und St. Nikolaus zu Coburg von 1528 sowie eine Propsteirechnung für Coburg von 1585 veröffentlicht G. Berbig in ZVThüring. G. u. A. N.F. 19, 2, S. 501—506, 497—501; der nämliche gibt „Coburger Reformations- Aktenstücke, zur ersten Visitation 1528 gehörig“ ebendort N.F. 20, 1 S. 204—209, alles aus dem Coburger Haus- und Staatsarchiv.

Einige Mitteilungen über die Sequestration des Benediktiner- klosters Mönchroden zu Coburg im Jahre 1531 stellt G. Berbig nach Akten des Coburger Archivs in DZKR. 20, 1 S. 182—189 zu- sammen.

„Zwei Verteidigungsschriften der Stadt Mühlhausen betr. die Ereignisse in den Jahren 1523—1525" veröffentlicht und erläutert R. Jordan in N. Mitt. a. d. Geb. hist.-antiqu. Forsch. 24, 2 S. 172—213 (erster Artikel).

Der Geschichte der Stadt Mühlhausen i. Thür. wührend der Episode Thomas Münzers und des Bauernkrieges gelten mehrere kleine Beiträge des nämlichen in den Mühlhäuser Geschbll. X, nämlich: Der Rezef zwischen Rat und Bürgerschaft 1523 (S. 1—13); Aus dem Jahre 1525 (S. 98—103; archival. Ergünzg. zu Nebelsieck in N. Mitt. a. d. G. usw. 21); Ein Stück Mühlhäuser Diplomatie (S. 129—131,- betr. den Eid des neu eingesetzten Rates); Eine vergessene Schrift über Thomas Münzer (S. 133f. von M. Rinckhard, dem Dichter von: „Nun danket alle Gott“). Dazu von demselben: Zur Schlacht von Frankenhausen (in Jahresber. d. thür.-sächs. Ver. 1908/09 S. 16— 24).

Auch H. Nebelsieck führt fort, Briefe und Akten zur Refor- mationsgeschichte von Mühlhausén i. Thür. zu veróffentlichen; das Wichtigste betrifft die kursächs.-hess. Visitation von 1542, die die Reformation in M. förmlich einführte. ZVThür. G. u. A. N.F. 20, 1 S. 181—197.

Die ,Entstehung des landesherrlichen Kirchenregiments in Kur- sachsen vor der Reformation" erórtert K. Pallas, unter Beifügung einer einschlügigen kfl. Verordnung für das Amt Schlieben von 1516 (aus dem Magdeb. StaatsA.) in N. Mitt. a. d. Geb. hist.-antiqu. Forsch.

24, 2 S. 129—171. 30*

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H. Brückner in Z. wiss. Theol. 52, 2 S. 147—180 „Vom Bischof. zum Konsistorium in Kursachsen“ gibt einen Überblick über die Voraussetzungen, unter denen, und die Art, auf die die Reformation in Kursachsen Eingang fand; die Bedeutung des Landeskirchentums vor der Reformation ist wohl unter- und die Bedeutung des Speierer Reichsabschiedes von 1526 überschätzt worden,

Die Abhandlung von R. Ehwald, Die Druckerei auf dem Grim- menstein und der Drucker Johann Friedrich des Mittleren (in Mitt. d. Vereinig. f. Goth. G. u. A. 1908/09 S. 65— 87) beschäftigt sich u. a. mit dem auch an dem Druck der Jenenser Lutherausgabe be- teiligten Drucker Thomas Rebart, der 1566 auf dem Grimmenstein die Streitschriften Joh. Friedr. des Mittleren druckte, sowie mit dem Schick- sal einer gegen Kf. August gerichteten Schrift des ebenfalls in die Pläne Johann Friedrichs des Mittleren verwickelten Dr. Jonas, des Sohnes des Freundes Luthers, „der Postreuter“.

Aus einem Aktenstück der König]. Superintendentur Plauen i. V. stellt v. Zezschwitz in Mitt. d. AV. zu Plauen i. V. 20. Jahrg. S. 244—248 einige Nachrichten über das kurzlebige Fürstl. Burg- grüfische Konsistorium zusammen, das nach dem Übergang des Vogt- landes an Kursachsen 1583 aufgehoben wurde; es fungierte besonders in Ehesachen, sollte aber überhaupt eine hóhere Instanz für das vogt- ländische Kirchenwesen bilden.

Aus den Erbenzinsregistern des magdeburgischen Zisterzien- serinnenklosters Meyendorf, das sich noch über die Reformations- zeit erhielt, macht M, Riemer Mitteilungen über die Einkünfte, die dem Kloster aus den anliegenden Dórfern zustanden und auch noch im 16. Jahrhundert mehr oder minder regelmäßig bezahlt wnrden, ohne daß sich der konfessionelle Gegensatz wesentlich geltend machte. Ge- schichtsbll. für Stadt u. Land Magdeb. 44, 1 S. 112—125.

In die Verhältnisse des magdeburgischen Klosters Ammensleben, das mit dem ganzen Erzstift formell zur neuen Lehre übergetreten war, wührend der Konvent gleichwohl, vom Domkapitel gestützt, am Katholizismus festhielt, führt die Veröffentlichung eines „Schmäh- gedichts^ von 1580 durch G. Liebe (Geschichtsbll. f. Magdeb. 44, 2 S. 245—262). Es betrifft die streitige Abtswahl dort von 1579 und richtet sich gegen den vom Landesherrn Joachim Friedrich be- günstigten Bewerber Dr. Koldtmann.

À. Uckeley publiziert aus Ms. Bohlen 1195 des Stettiner Staats- archivs das wahrscheinlich von Jakob Runge, in dessen Handschrift es vorliegt, stammende „Bedenken von Gebrechen in den Kirchen und Schulen in Pommern“ von 1556. Es ist dies eine dem Landtage zu Stettin vorgelegte Bearbeitung des nach U. ebenfalls von Runge ab- gefaßten Dekrets der kurz vorher stattgehabten Synode zu Greifswald und bezeichnet wie letzteres die Punkte, in denen die bisher zu Recht bestehende Kirehenordnung von 1535 der Umarbeitung, Erweiterung und Verbesserung bedürfe; sie bildet so das verbindende Glied zwischen

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der Treptower Ordnung von 1535 und der „erneuerten und vermehrten“ KO. von 1563. Po. Jahrbb. 10 S. 25—74.

Die Monatsbll. der Ges. f. Po. G. u. A. 1910 Nr. 1--3 (S. 2—9, 17—27, 33—40) bringen eine Studie von E. Bütow über die Moda- litäten, unter denen Herz. Bogislaw X. (1478—1523) die Geistlichen und ihren Besitz zu den Staatslasten heranzuziehen verstanden hat, ein Beispiel, das dann auch die Städte des Landes teilweise nachahmten.

Ausserdeutsches. Über die Buchdruckerei des Jesuiten- kollegiums in Wien von ihrer Errichtung 1559 bis 1565 handelt in Mitt. d. Österr. Ver. f. Biblw. XIII, 2/3 S. 105—120 M. Grolig unter Aufstellung eines chronologischen Verzeichnisses ihrer Produkte.

U. d. T. ,Zur neueren Literatur über die Ref. und Gegenref. in Innerósterreich" gibt A. Kern ein Verzeichnis der so zahlreichen wie wertvollen einschlägigen Veröffentlichungen J. Loserths, durch dessen Tütigkeit auf diesem Gebiet erst eine objektive Darstellung gegenüber der früheren katholischen Tendenzgeschichtsschreibung er- möglicht worden ist. ZHV. Steierm. VI, 4 S. 88—97.

Zwei Belege für die Ausbreitung der lutherischen Lehre in Steier- mark 1526 bringt Jul. Mayer ebendort VI, 4 S. 98—101 bei. Es sind zwei Erlasse Erzherzog Ferdinands an den Landeshauptmann in Steyr über reformatorische Bewegungen in Bruck a. d. Mur (August 1526), und die Supplik eines Hans Holtzapfel aus Bruck (April 1526), aus der hervorzugehen scheint, daß der Bittsteller von Messen nichts mehr wissen will.

H. Widmann, Der kathol. Erzb. u. der protest. Kurf., gedenkt einiger freundschaftlicher Berührungen zwischen Erzb. Jakob v. Kuen- Belasy von Salzburg und Kf. August von Sachsen. Mitt. Ges. Salzb. Landesk. 49 S. 175—178.

In HPollBil. 144 S. 577—596 behandelt N. Paulus in bekannter tendenzióser Weise (s. o. S. 111) den Hexenwahn bei den Zwinglianern des 16. Jahrh. Was er (wie einen Hexenglauben bei Zwingli) trotz heißen Bemühens nicht nachweisen kann, das fühlt er sich wenigstens berechtigt anzunehmen" (S. 580). Auf die Weise kann man freilich weit kommen! l

Von Calvin-Jubiläumsliteratur sei noch hingewiesen auf die Artikel von J. Calaminus, Die geschichtliche Bedeutung des Cal- vinismus (in Ref. KZ. 1909 Nr. 46—49) und von M. Albertz: 1. Die Bedeutung Calvins (Preuß. KZ. 1909 Nr. 28—29, 31—32, 34—36) und: Calvin und die moderne Welt (ebenda Nr. 41) C's Geist vermag nach A. -- noch dem modernen Protestantismus mit dem rein welt- lichen Staate, mit der neuen deutschen Bildungsreligion, mit der Pro- paganda der indischen Erlósungsgedanken und mit dem ultramontanen Katholizismus den Weg zum Siege zu weisen.

In den Prot. Monatsh. 13, 10 S. 384—400 feiert ferner G. Roggen- burger „Calvin als Organisator“. Calvins Lebensbild zeigt nach R. in überwältigender Weise, was ein Mann vermag, wenn er Überzeugung and Willen hat, wie wertvoll eine geschlossene christliche Weltan-

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schauung ist und wie groß die Bedeutung des Glaubens ist für die Erziehung der Völker.

Vorschläge zu richtigerer Datierung einer Anzahl von Calvin- briefen des Thesaurus epistolicus Calvinianus macht R. Schwarz (Herausgeber von J. Calvins Lebenswerk in Briefen) in ZKG. 81, 1 S. 106—112.

In den Tübinger Blättern Jahrg. 11 zeigt W. Buder, daß Calvin nicht in Tübingen gewesen ist, aber Beziehungen zu Tübingen, nämlich zu Melchior Volmar, Charles du Moulin (der 1553—1559 in T. weilte) und Hans Ungnad unterhalten hat.

In der Internat. Wochenschr. 3 (1909) Nr. 39—43 setzt sich F. Rachfahl, Calvinismus und Kapitalismus, mit Max Webers (Die protestant. Ethik und die Geschichte des Kapitalismus, im Archiv f. Sozialwiss. XX, XXI), von Troeltsch u. a. unterstützten These von der Herrschaft des kapitalistischen Geistes in der calvinistischen Be- rufsethik auseinander, die er nur bis zu einem gewissen Grade gelten lassen will. Weber antwortet darauf a.a. O. XXX S. 176 ff. und Troeltsch in der Internat. Wochenschr. 4 (1910) Nr. 15 und 16, worauf wiederum Rachfahl am letzteren Ort Nr. 22—25 repliziert. |

Über die Opposition, die Gaspard Favre Calvin machte und die noch über jenes Tod (+ 1556) hinaus fortwirkte, handelt auf Grund neuer Aktenstücke Ed. Favre in Mém. et doc. publ. par la Soc. d'hist. et d'arch. de Genéve 31, 2.

W. Osler (Mediziner in Oxford) schildert das Leben und die Anschauungen Michael Servets, wobei auch dessen Stellung in der Geschichte der medizinischen Wissenschaft eingehend gewürdigt wird. Deutsche Revue, Dez. 1909, S. 328—348.

H. Monod, La Saint-Barthélemy, Version du duc. d*Anjou, zeigt, daß der Heinrich von Anjou zugeschriebene Bericht über die Bartholomüusnacht: Discours du roy Henri III à un personnage d'honneur, der zuerst 1623 auftaucht, eine Fülschung ist, und macht andererseits auf die Authentizität des 1573 in Krakau gedruckten Rechenschaftsberichts H.s Vera et brevis descriptio tumultus postremi, und auf die Umstände der Entstehung dieser Schrift aufmerksam, von der er auch eine vollständige Übersetzung gibt. Bull. Soc. Hist. Prot. Franç. 58, 6 S. 485—542; vgl. dazu die Abhandll. des nämlichen Autors über denselben Gegenstand in der Revue de Paris vom 15, August 1908 und der Revue histor. vom Juli 1909.

In der Civ. Catt. anno 61 (1910) I, 2 p. 177—189 hebt F. Savio, „I precedenti della riforma catholica in Italia nel sec 16“, im Anschluß an Tacchi-Venturi’s Storia della Compagnia di Gesü in Italia die Bestre- bungen zur Hebung der Kirchenzucht usw., die vor dem Beginn der eigentlichen Gegenreformation in Italien sich bemerkbar machten, hervor.

J. Hefner weist auf einen von ihm im Herbst 1909 auf der Stadtbibliothek zu Brescia gemachten Fund von Akten der römischen Inquisition hin, betr. den Prozeß des wegen Ketzerei verdächtigten lateranensischen Chorherrn Ippolito Chizzuola (1549). Die Akten

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scheinen durch den Brescianer Girolamo Martinengo (Nuntius in Polen und bei K. Ferdinand 1548 ff.) nach Brescia gelangt zu sein. Theologie und Glaube 2, 4 S. 281— 2806. |

Neue Mitteilungen über Fra Giulio da Milano aus Mailand (Giuseppe della Rovere), gegen den 1541 die venetianische Inquisition wegen Verdacht der Ketzerei einschritt, der aber 1543 nach der Schweiz entkam und dort fortan für das Evangelium wirkte, macht G. Capasso in Astl. Ser. 4 vol. 11 (a. 36) pag. 387—402.

Den italienischen Franziskaner Johannes Antonius Delphinus und die Beziehungen seiner literarischen Tätigkeit zum Konzil von Trient behandelt auf Grund der Schriften D.s F. Lauchert in Z. f. kathol. Theol. 1910, 1 S. 39— 70.

Zur niederlündischen Reformationsgeschichte notieren wir aus dem Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis (N. S. 7, 1, 1909): S. 1—14 A. Eekhof, Twee aflaat-prenten (mit Abbild.); S. 15 bis 65 L. Knappert, Stukken uit den stichtingstijd der Nederlandsche Hervormde Kerk (d.i. neu aufgefundene, eingehende Briefe des Jakob de Koninck [Regius], Prediger in London und Gent, an den Delfter Prediger Arnoldus Cornelii von 1573—1600); S. 66—72 K. Vos, De ,Breederlicke Vereeninge* (vgl. Bibl. Ref. Neerl. V, 583 sqq.); S. 83 bis 109 H. W. Te Winkel, De geloofsbelijdenis van Mattheijs de Le Becq martelaar voor de Hervorming (hingerichtet 1550), aus Hs. der Leidener Universitütsbibliothek.

M. A. Gooszen, Aanteekeningen ter toelichting van den strijd over de Praedestinatie in het Gereformeerd Protestantisme II (in Geloof en Vrijheid, N. S. 20, 1—42 und 393—454) untersucht die Einwirkungen H. Bullingers auf die Gestaltung der niederlündischen reformierten Kirche.

G. Brom, De houding van den h. Stoel bij de secularisatie van het Sticht (Utrecht) 1528/32, glaubt, seine eigene frühere Auffassung korrigierend, zeigen zu können, daß Papst Clemens VII. in dieser Sache das kirchliche Interesse, soweit ihm möglich, gewahrt habe. Bijdragen voor Vaderl. Geschiedenis ed. Blok IV. Reeks Deel 8 (1909, 3) S. 319—340.

In den Bijdragen en Mededeelingen van het Historisch Genoot- schap (Utrecht), XXX S. 231—254 teilt L. A. Kesper einen Brief aus Delft über die dort am 17. Nov. 1572 stattgehabte Versammlung der Staaten von Holland aus dem Stadtarchiv von Gouda mit längerer Einleitung mit; der Brief handelt meist von der Bezahlung der an- genommenen Soldaten.

Die Ablüsse, die der Deutschorden hauptsüchlich in den Jahren 1508—1510 für Livland und den Kampf gegen die Russen von der römischen Kurie erlangte, behandelt gründlich L. Arbusow in Mitt. a. d. livländ. Gesch. 20, 3 S. 367—478 (auch Göttinger Dissertation).

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Neuerscheinungen.

Allgemeines und Vermischtes. Dem Verein für Ref. Gesch., dessen Schriften das 100. Heft erreicht haben, ist es angemessen erschienen, dies Heft als Jubiläumsgabe besonders zu gestalten, nämlich statt einer einzelnen Arbeit eine Sammlung ver- schiedener Aufsätze hier zusammenzustellen. Den Band eröffnet eine Übersicht von W. Friedensburg über Fortschritte in Kenntnis und Verständnis der Ref. Gesch. seit Begründung des Vereins (S. 1—59). Es folgt (S. 61—230) der umfangreichste Aufsatz: O. Scheel, Die Entwicklung Luthers bis zum Abschluß der Vor- lesung über den Römerbrief. Die eingehende, sorgfältige Untersuchung führt vor allem die neuerdings, besonders seit Denifle in den Vorder- grund gestellte Formel „Luther und das Mittelalter“, auf ihr richtiges Maß zurück und betont, daß Luther bei aller theologischen und religiösen Hilfe, die ihm. der Katholizismus geliehen habe, doch seine Selbständigkeit und Originalität mehr als es ihm selbst während der Jahre seines Werdens bewußt gewesen, gewahrt habe, besonders in dem entscheidenden Punkte, dem Sichdurchringen zur Heilsgewißheit. An dritter Stelle behandelt K. Bauer das Thema: Luther und der Papst (S. 281—272), wobei er ein besonderes Gewicht darauf legt, den Umschwung in L.s Gedankenwelt an diesem Punkte zu. verfolgen. Weiter betrachtet F. Herrmann ,Evangelische Regungen zu Mainz in den ersten Jahren der Reformation" (S, 275—309, auf Grund seiner einschlügigen Schrift von 1907), worauf K. Benrath Paolo Sarpi ,als Vorkümpfer des religiósen und Bekümpfer des politischen Katholizismus“ auf Grund seiner Briefe schildert (S. 305 bis 334). Den Schluß des Bandes bilden „Kleine Beiträge“ (S. 335—948) von G. Kawerau (Mitteilung von zwei Briefen des Mansfeld. Rates Rühel an Luther 1525 nach Abschriften in Gotha, und: Eine Wette über Luthers Doktorat 1538) und K. Benrath (P. Sarpi und das Perpetuum Mobile, dessen Unmóglichkeit S. nachwies).

Den ersten Teil von J. W. Pont’s „Niuwe bijdragen tot kennis van de Geschiedenis en het Wezen van het Lutheranisme in de Neder- landen“ hat O. Clemen in ds. Zeitschr. V S. 105—107 angezeigt. Der zweite Teil erscheint jetzt als „Jaarboek“ einer seither gebildeten „Vereeniging voor Nederlandsch-Luthersche Kerkgeschiedenis“. Er bringt einen Neudruck des in der Form eines Gesprüchs zwischen Vater und Sohn gehaltenen, 1568 zuerst erschienenen sog. Katechismus des Franciscus Alardus mit einleitenden biographischen Nachrichten über diesen „ersten Niederländer, der als lutherischer Prädikant fungiert hat". Alardus, geboren in Brüssel um 1530, wurde als Dominikaner in Antwerpen mit Luthers Schriften bekannt, denen er dann in Deutschland weiter nachging; spüter richtete er als erster in Antwerpen lutherischen Gottesdienst ein, mußte indes 1567 vor

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Alba entweichen und wirkte bis an seinen Tod 1578 in Holstein. Unter den „Kleine Aanteekeningen“ des Bandes (der ferner noch Stamm- tafeln usw. der Familie Domela- Nieuwenhuis darbietet, der einer der namhaftesten niederl. Reformationshistoriker angehórt) hebe ich die älteste niederl. Übersetzung von „Ein feste Burg" hervor (1565). Amsterdam 1909. 183 S.

Quellen. Das 8. Heft der Quellenschr. z. G. des Prot. bietet die von J. von Walter besorgte Ausgabe der Diatribe de libero arbitrio des Erasmus, der sich Luthers de servo ar- bitrio anschließen soll. Die Einleitung untersucht die Entstehungsver- hültnisse der Diatribe, begründet die Wahl der zugrunde liegenden Ausgabe Fr. (Froben-Basel) als Urausgabe, gibt eine kurze, aber klare Inhaltsangabe und versucht die dogmatischen Gedanken der Diatribe herauszustellen. Dem Texte sind ziemlich zahlreiche, knappgefaßte Erläuterungsnoten beigegeben, wie sie dem Bedürfnissen von Studenten entsprechen, für die die Ausgabe in erster Linie bestimmt ist. Leipzig, Deichert. XXXIII, 92 S. M. 2,80.

G. Buchwald, Ungedrackte Predigten Johann Bugen- hagens a. d. J. 1524—1529 (— Berbig, Qu. u. Darst. XIII). Leipzig, Heinsius 1910 XVIII, 350 S. M. 11,50. Von Bugenhagens Predigten hat Buehwald im vorigen Jahre die Katechismuspredigten von 15925 (aus der Rórerschen Hs. in Jena) und von 1532 (aus Cod. Solger in Nürnberg) veröffentlicht (s. o. S. 118). Jetzt folgt eine umfassendere Veröffentlichung, im ganzen 86 Predigten, davon 66 wiederum aus der Rörerschen Hs., 2 aus Cod. Solger und 18 aus einer Hs. der Zwickauer Ratsbibliothek. Es sind zumeist Sonn- und Festtags- predigten über die herkömmlichen Perikopen, dazu Wochen-(Reihen-) predigten über bestimmte Bücher des N.T. (Matth. Ev., die drei Johannesbriefe). Die Einleitung charakterisiert kurz die Predigt- weise Bugenhagens.

Die vom Preußischen Historischen Institut in Rom herausgegebenen ,Nuntiaturberichte aus Deutschland“, die ich als Mitglied des Instituts vor 20 Jahren inaugurieren durfte, haben letzthin wieder Fortschritte gemacht. Meinen Anteil an dieser Publikation habe ich mit dem 11. Bande der 1. Abteilung zum Abschluß gebracht: „Nun- tiatur des Bischofs Pietro Bertano von Fano 1548 —1549“ (Berlin, A. Bath, 1910; LIII, 861 S., M. 38.—). Der Band (an den der schon vorliegende, von G. Kupke besorgte 12. Band anschließt) bringt den Pontifikat Pauls IIT. (T 10. November 1549) zum Abschluß; er zeigt, wie der Papst bis zu seinem letzten Atemzuge gegen die Welt- herrschaftstendenzen Kaiser Karls V. im Kampfe gestanden und es diesem wesentlich erschwert hat, die Überlegenheit, die ihm seine Siege über die Schmalkaldener eingebracht hatten, allseitig geltend zu machen. Ferner hat L. Cardauns in der gleichen Abteilung den Doppelband V/VI veróffentlicht auf Grund der meist noch von mir besorgten Abschriften und Exzerpte, die er aber selbständig verarbeitet und redigiert hat. (,Legationen Farnesis und Cervinis,

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Gesandtschaft Campeggis, Nuntiaturen Morones und Poggios 1539 bis 1541". Berlin, A. Bath, 1909, CI, 489 und 416 S., M. 40.—). Es ist die bedeutsame Zeit der Einigungsversuche zwischen den Glaubensparteien (bis ausschließlich des Regensburger Reichstages von 1541), worüber eine reiche Fülle offizieller und sonstiger Aufzeichnungen hier vor- gelegt wird. Endlich hat um dieselbe Zeit K. Schellhaß den 5. Band der. 3. Abteilung der Nuntiaturberichte zum Abschluß gebracht, der die späteren Jahre der Nuntiatur des Grafen Bartholomäus von Portia in Süddeutschland (1575 und 1576) zum Gegenstand hat (Berlin, A. Bath, 1909, CXVIII, 646 S., M. 36.—). Wir fügen endlich noch einen Hinweis auf eine Nebenfrucht an, die L. Cardauns bei seinen Arbeiten an den NBB. erwachsen ist, die Veróffentlichung einer Anzahl von Schriften der literarischen Vorkümpfer des deutschen Katholizismus, besonders Fabri, Cochlaeus, Nausea (nach Abschriften die das Vati- kanische Archiv birgt) zur Unionssache und zur Kirchenreform: Zur Gesch. der kirchl. Unions- und Reformbestrebungen von 1536 bis 1542: Rom, Loescher & Co., 1910, XII, 311 S.; = Bibl. des Preuß, Hist. Inst. Nr. 5 (M. 10.50).

Untersuchungen und Darstellungen. P. Wappler, Die Stellung Kursachsens und des Landgrafen Philipp von Hessen zur Täuferbewegung (= Greving, Reformationsgesch. Studien und Texte 13, 14. Münster, Aschendorff XI, 254 S. M. 6.80), zeigt den Unterschied des Verfahrens bei Kursachsen und Hessen: die Milde (vergleichsweise betrachtet) des Landgr. Philipp und die auch vor der Todesstrafe nicht haltmachende Intoleranz Sachsens. Die Hauptsache ist dem Verf. allerdings (vgl. das Vorwort), Luther und Melanchthon insbesondere ersteren als Fanatiker der Intoleranz hinzustellen, wie ühnlieh schon in seiner Abhandlung: Inquisition und Ketzerprozesse in Zwickau usw. (vgl. ds. Zeitschr. VI S. 159 £). Er widmet jetzt der Frage einen eigenen Exkurs (S. 123—128), um sich mit Hunzinger, Ritschl u. a. auseinanderzusetzen, die seine Behauptungen sehr mit Recht zurückgewiesen hatten. Wenn er aber seinen Gegnern vorwirft, die Ausdrücke Luthers zu pressen, so füllt dieser Vorwurf lediglich auf ihn selbst zurück: man sehe, wie er sich S. 125 mit Luthers Pre- digt von 1546 abfindet; auch vermag er selbst von seinem vorein- genommenen Standpunkte aus nur zu sagen, Luther habe „im Grunde" die Todesstrafe auch bei Ketzern für richtig gehalten. Im übrigen vgl. die Bemerkung zu dem Artikel von N. Paulus oben S. 444.

P. Scherffig, Friedrich Mecum von Lichtenfels (My- conius). Ein Lebensbild aus dem Reformationszeitalter. Leipzig, Heinsius 1909. VIII, 167 S. M. 5.50 (= Berbig, Qu. u. Darstell. XII). Ohne neue Quellen, aber mit sorgfültiger Benutzung der neuen und neuesten einschlägigen Veröffentlichungen schildert Sch. in angenehm lesbarer Darstellung das Werden und Wirken Mecums, insbesondere seine Tütigkeit als Pastor in Gotha und als Visitator, auch seine Teil- nahme an der allgemeinen kirchlich-theologischen Entwicklung, end- lich seine Verdienste um Schule und Geschichtschreibuug. Beigaben

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sind eine chronologische Übersicht des Lebens M.s (S. 163—165) und eine Faksimile von M.s Handschrift.

Wilhelm Rotscheidt, Stephan Isaak. Ein Kölner Pfarrer und Hessischer Superintendent im Reformationsjahrhundert. Sein Leben von ihm selbst erzählt und aus gleichzeitigen Quellen ergänzt. Leipzig, Heinsius 1910. XIII, 178 S. M.6.— (=Berbig, Qu. u. Darst. XIV). Es handelt sich um einen Neudruck der Verteidigungsschrift Stephan Isaaks, Professors und Priesters zu Kóln, der, wegen einer Predigt gegen die Ausartung des Bilderdienstes in Kóln mit den dort vor- herrschenden Jesuiten und ihrem Anhang zerfallen, seiner Stellung und seinen Pfründen freiwillig entsagte (1584) und hernach zum refor- mierten Bekenntnis übertrat, gegen Eitzinger und Isselt, die Geschichts- schreiber des Kölnischen Krieges, die ihn wegen Unruhstiftung usw. verdächtigt hatten (1586). Die Schrift enthält über das wechselvolle Leben Isaaks, der als Jude geboren wurde, und die Zeitverhältnisse, besonders in Köln, bis 1584 wertvolle Nachrichten. Daran schließt sich Isaaks Sendbrief „an den edlen und erenvesten Johann von Münster“ (gegen den Kölner Jesuiten Brilmaker) von 1592. Außer- dem hat R. sich in den Archiven fleißig umgesehen und bringt eine beträchtliche Anzahl von Regesten und (nicht immer ganz fehlerfreien) Urkundenabdrücken zur Lebensgeschichte I.s bei.

J. Heep, Juan de Valdés, seine Religion, sein Werden, seine Be- deutung. Ein Beitrag zum Verstündnis des spanischen Protestantismus im 16. Jahrhundert. Heinsius 1909. LXVI, 194 S. M. 8.— (Berbig, Qu. u. Darst. XI). Obschon Valdés, der seine letzten und fruchtbarsten zehn Lebensjahre in Italien verbrachte, eigentlich dem Kreise der italienischen Reformationsfreunde zuzurechnen ist, betrachtet Verf. ihn wesentlich als denjenigen, der die Gemeinde spanischer Protestanten des 16, Jahr- hunderts in Valladolid in ihrer Glaubensanschauung bestimmte. In der Einleitung werden die Urteile von Mit- und Nachwelt über V. zusammengestellt und seine einzelnen Schriften (nach der sog. Bibliotheca Wiffeniana von Wiffen und Böhmer) besprochen, Im Hauptteil ent- wickelt Verf. an der Hand der Schriften V.s religióse Anschauungen, um dann deren Entstehung nachzugehen, wobei er zeigt, daß von den deutschen Reformatoren Bucer Valdés am nächsten steht. Endlich geht Verf. den Wirkungen nach, die V.s Auftreten in Italien und be- sonders in Spanien gezeitigt hat. In dem Schlußurteil „Katholik oder Protestant" stellt Verf. Valdés Christentum mit dem tiefen persön- lichen Christentum eines Bucer und Sebastian Frank (und der späteren Pietisten) zusammen. „Valdès“ heißt es endlich „hat eine innere Veredlung des Katholizismus nach der religiösen Seite erstrebt, insofern ist er Katholik ein Reformkatholik des 16. Jahrhunderts; für Valdes war das unmittelbare Erleben Gottes im Geist und in der Wahrheit das Höchste: insofern ist er ein Protestant ein moderner Protestant."

Von dem Werke von Jos. Schmidlin, „Die kirchlichen Zustände in Deutschland vor dem Dreißigjährigen Kriege nach den bischöflichen Diözesanberichten“ ist der 2. Teil erschienen, der die bayrischen Bis-

460 108

tümer, nämlich Passau, Freising, Augsburg, Eichstätt, Regensburg, Würzburg, Bamberg umfaßt. Die Bearbeitung ist ganz nach dem Muster des oben S. 120 gewürdigten 1. Teils erfolgt (= Pastor, Erll. u. Ergg. VII, 3, 4. Herder, Freib. 1910. 166 S. M. 4.60),

Uns liegt vor die erste Lieferung von „Die Sünden der Püpste im Spiegel der Geschichte. Eine Modernisten-Antwort auf die Borromaeus-Enzyklika von Th. Engert“ (Leipzig, Krüger & Co., 64 S.). Das für ein weiteres Publikum bestimmte, jedoch durchaus auf wissen- schaftlicher Basis beruhende Werk verbirgt seine 'lendenz, die sitt- lichen Schattenseiten der Päpste in ein helles Licht zu setzen, nicht, ohne darum doch der geschichtlichen Wahrheit irgendwie Gewalt an- zutun. Die erste Lieferung behandelt die älteste Zeit bis auf Johann VIII. (872—882); sie zeigt, auf wie schwachem Grund die Ableitung des Primats Petri aus der Bibel steht, geht der geschichtlichen Entstehung des Primats der Päpste nach und schildert, wie letztere unter An- wendung mannigfaltiger, meist nicht einwandfreier Mittel und unter mancherlei Fehlschlágen doch sowohl ihre Ansprüche wie ihren Ein- fluß nach und nach auszudehnen wissen, wie aber von einer allseitigen Anerkennung ihrer Stellung an der Spitze der Kirche und zumal ihrer Unabhüngigkeit von der weltlichen Gewalt lange Zeit nicht die Rede sein kann. Auch die persónliche Unwürdigkeit vieler Püpste wird ge- zeigt. Das Ganze soll in acht Lieferungen à M. 0,75 erscheinen.

Buchhändler-Kataloge usw. Die Bibliotheca Theo- logica William Jackson (Paris) verzeichnet von O. Harrassowitz (= Bücherkatalog 327—331), 398 S., 6822 Nrn., ein Seitenstück zur Bibliothek Knaake, bringt ungemein reiche Literatur zur Reformations- geschichte. In Abt. I begegnen uns u. a. ältere lutherische und andere Bibelausgaben, Katechismen, Bekenntnisschriften, Literatur über Kon- zilien, Reichstage, Religionsgesprüche, Interim, Konkordienformel, Kirchenordnungen, Agenden und Visitationen; in Abt. II: Schriften der Reformatoren und ihrer Gegner, Gesamtausgaben von Luthers Werken und Erláuterungsschriften, Lutherbiographien; Abt. III: Vor- reformatoren und Mystiker, Förderer und Gegner der Reformation, Humanisten, Inquisation, Sekten, Pasquile usw.; Abt. IV: Reformation in den außerdeutschen Ländern; Abt. V: Kirchengeschichte usw. Wir weisen ferner hin auf den Antiquariatskatalog Nr. 385 von H. Kerler-Ulm (Luther und seine Zeit, 1521 Nrn.).

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TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.

In Trad mit dem Verein für Reformationsgeschichte-

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herausgegeben von

Walter Friedensburg.

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VIII. Jahrgang. Heft 1.

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Die Publizistik des Schmalkaldischen | Krieges I.

von.

0. Waldeck.

Mitteilungen

Übertritt Kf. Joachims II. Neu-Erscheinungen.)

| - Leipzig ae von M. Heinsius Nachfolger 1911.

Ausgegeben i im | Januar 1911.

Die Wittenberger Bewegung 1521 u. 1522 VII. || -

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Nikolaus Müller. |— = |

Verlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig.

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Quellen und Darstellungen aus der Geschichte des Reformationsjahrhunderts.

Herausgegeben von Dr. Georg Berisiz, Pfarrer in Neustadt-Coburg.

Neueste Bände: Band XIII.

Ungedruckte Predigten Johann Bugenhagens aus den Jahren 1524 bis 1529.

Zumeist aus Handschriften der Großherzoglichen Universitätsbibliothek zu Jena zum erstenmal veröffentlicht

von D. Dr. Georg Buchwald,

Pfarrer an der Michaeliskirche zu Leipzig.

Preis M. 11.50.

Band XIV.

Stephan Isaak.

Ein Kölner Pfarrer und Hessischer Superintendent

im Reformationsjahrhundert.

Sein Leben, von ihm selbst erzählt und aus gleichzeitigen Quellen ergänzt

von Wilhelm Rotscheidt, Pastor in Mors.

| Preis M. 6.—.

Band XV.

Erasmus Alber.

Das Kämpferleben eines Gottesgelehrten aus Luthers Sch ule Nach den Quellen dargestellt

von Emil Körner Domprediger am freien Hochstift Meißen.

Preis M. 6.50.

Band XVI.

Analecta Corviniana. Quellen zur Geschichte des niedersächsischen Reformators Antonius Corvinus (t 1553).

Gesammelt, mit einer Einleitung versehen und herausgegeben von D. Dr. Paul Tschackert,

ord. Professor der Theologie in Göttingen,

Preis M. 4.—.

ARCHIV

KERORMATIDNSEHSCHICHTE

TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.

—————

In Verbindung mit dem Verein für Reformationsgeschichte

herausgegeben von

D. Walter Friedensburg.

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VII. Jahrgang. 1910/1911.

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Leipzig Verlag von M. Heinsius Nachfolger 1911.

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Inhaltsverzeichnis.

N. Müller, D., Universitätsprofessor in Berlin, Die Witten- berger Bewegung 1521 u. 1522 VII (Schluß) .

O. Waldeck, Dr. phil. in Kassel, Die Publizistik des Schmalkaldischen Krieges II. :

J. von Pflugk-Harttung, areri tatapis on" a. D, Geh. Archivrat in Berlin, Aus dem Lutherhause in Wittenberg . à

E. Kroker, Dr., Stadtbibliothekar i in “Leipa, Rörers Hand. schriftenbände und Luthers Tischreden III

K. Schornbaum, Dr., Pfarrer in Alfeld an Zum Tage von Naunibarg 1561. i

Th. Wotschke, Lic. Dr., Pfarrer in Santomischer, Zum Lebensbilde Laskis 1

Fr. Wecken, Dr. phil. in Góttingen, Die Tebencheschreibung des Abtes Clemens Leusser von Bronnbach

W. Friedensburg, Eine Streitschrift des Vergerio gegen das Trientiner Konzil 1551 :

P. Kalkoff, Dr., Professor in Breslau, Der Humanist Hermann von dem Busche und die lutherfreundliche Kundgebung auf dem Wormser Reichstage vom 20. April 1521 . ;

G. Berbig, Dr., Pfarrer in Neustadt-Koburg, Ein Gutachten über die Flucht der Kurfürstin Elisabeth von Brandeuburg aus dem Schlosse zu Berlin .

E. Koerner, Domprediger in Meißen, Unbeachtete Brief- stücke Luthers . ;

H. Becker, Lic. Dr., Pfarrer in Kriedenin: Zur Geschichte der Packachen. Händel . ;

G. Kawerau, D., Propst und Universitäteprofessori in Berlin,

"A Berichte vom Wormser Religionsgesprüch 1540 .

Mitteilungen: W. Friedensburg, Zum Übertritt Kurfürst Joachims II. S. 184. A. Stern, Dr., Professor in Zürich, Über die Autorschaft des Dialogs Neu- karsthans S. 215—218.

Aus Zeitschriften S. 218—229; 409—422. Neuerscheinungen S. 135—136; 230—232; 334—339; 422—424. Bibliographie S. 339—340.

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137—159 160—180 181—214 238—245 246— 322

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Die Wittenberger Bewegung 1521 und 1522.

Von Nikolaus Müller. (Schluß.)

3. Hugold von Einsiedel'),

der selbst sich als Einsidel, Eynsidel und Eynnsidel bezeichnete ?), war der Sohn des Ritters Heinrich von Ein- siedel auf Gnandstein und der Katharina von Schön- berg?) Von seinen Brüdern sind Wilhelm, Johann, Hein- rich, Hildebrand, Heinrich und Abraham und von seinen Schwestern Barbara, vermählte von Hirschfeld, Katha- rina, verehelichte von Weissenbach, Margarete, verhei- ratete von Pflug, N., vermählte von Miltitz, Anna, verehe- lichte von Thun, und Ursula, vermählte von Wangenheim, bekannt) Im Wintersemester 1476/7 lieben sich Hugold und sein Bruder Wilhelm an der Universität Leipzig in- titulieren?) Freilich war Hugold mit seinen dortigen Lehrern so wenig zufrieden, dab er 1485 seine durch diese verschuldeten Versäumnisse beklagte und seinem Vater gestand, er wäre bei längerm Verweilen in Leipzig „in grunt vor-

1) Vgl. vorher 6. Jahrg. 2. Heft S. 41, 3. Heft S, 56—58, 4. Heft S. 33—36, 69—85, 87, 88, 91, 96—101, 103, 7. Jahrg. 2. Heft S. 69.

2) Vgl. Kurt Krebs, Haugold von Einsiedel S. 53, 55, 59, 61 f., 66. Die Arbeit von Krebs ist mit groBer Vorsicht zu benutzen. Die von ihm veröffentlichten Schriftstücke weisen viele Lesefehler auf, und seine daraus gefolgerten Schlüsse und Urteile sind oft schief und falsch. Besonders zu beanstanden ist sein Versuch, Einsiedel schon in seiner Jugend als Gegner der katholischen Kirche zu erweisen.

3) Vgl. daselbst S. 3.

14) Vgl. u.a. Altenburg, Regierungsarchiv L. A. Cl. XIV A. Nr. 13b Bl. 179 ff, Krebs a. a. O. S. 2 ff.

5) Vgl. Erler, Matrikel 1. Band S. 305.

Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 1. 1

2 2

torbenn“.!) Mehr sagte ihm der Aufenthalt an der Hoch- schule zu Ingolstadt zu, wo er und sein Bruder Johann am 20. April 1484 ihre Immatrikulation bewirkten.?) Hier fanden die Brüder im Hause und am Tisch des Doktors der Jurisprudenz, Orators usw., Johann Riedner, Aufnahme. Von ihm erhielten sie auch in seiner Wohnung täglich zwei Stunden Unterricht „in oratoria, das ist artlich, kunstlich, zierlich zu reden vor fursten vnd heren, gericht vnd vor den rethen im latein vnd teutsch, auch in philosophia, in der kunst der sitten < vnd thugente, wie sych ein her, ritter vnd knecht oder prelat in seinem stand halden sol vnd sich wis zu halden gen sein vnderthon vnd oberstén, vnd in den historien der romer, wie sich dy vnd ander in kunsten vnd weishait geübt haben, dor dureh dy welt er vnd gut erworben, auch in rechten vnd andern kunsten*. Für diese Leistungen Riedners hatte jeder von den beiden Brüdern 32 Gulden jàhrlieh zu zahlen.) Die voranstehenden Angaben sowohl, als auch die von Hugold gekauften und von seinem Vater erbetenen Bücher, besonders lateinische Klassiker und juristische Quellen- werke‘), lassen keinen Zweifel, daß die Ingolstädter Aus- bildung des Gnandsteiner Edelmanns im Zeichen des nach Deutschland verpflanzten italienischen Humanismus stand. Noch hatte das erste Studienjahr Hugolds an der bayrischen Hochschule sein Ende nicht erreicht, da er- griff ihn die Sehnsucht nach den Ursitzen des neuen Bildungsideals, Italien, wo er in vier Jahren den Doktorhut zu erlangen hoffte. Seit Januar 1485 war er bemüht, seinen Vater von der Ersprießlichkeit einer Reise ins Wälschland zu überzeugen?, aber weder ihm, noch seinem Lehrer Riedner, der den Herbst 1487 als den geeignetsten Zeit- punkt zum Antritt der Reise empfahl9), scheint es gelungen

1) Vgl. Krebs a. a. O. S. 57 f., 61.

2 Vgl. G. Wolff, Die Matrikel der Universität Ingolstadt 1. Hälfte Sp. 127.

3) Vgl. Krebs a.a. O. S. 71£, 76. Über Riedner vgl. Bauch, Die Aufänge des Humanismus in Ingolstadt S. 26 f.

4 Vgl. Krebs a. a. O. S. 53f., 56, 58.

5) Vgl. daselbst S. 58 f., 60 f., 62.

5) Vgl. daselbst S. 66 f.

3 3

zu sein, die väterliche Zustimmung zu erwirken. Da Heinrich von Einsiedel mit dem Fleiß, der Sparsamkeit usw. seines Hugold in Ingolstadt, obwohl er von Riedner gelobt wurde, unzufrieden war!) so liegt es am nächsten, anzu- nehmen, dal an dieser Unzufriedenheit die Wünsche des Sohnes schließlich scheiterten. Vielleicht verhielt sich auch der sparsame Vater darum ablehnend, weil er mit seinen auf eine glänzende geistliche Laufbahn des Sohnes gerichteten Plänen ohne einen doch immerhin kostspieligen Aufenhalt in ltalien zum Ziel zu gelangen hoffte.

Wie dem auch sei, jedenfalls hatte Hugold schon vor dem 29. April 1489 ein Präsentationsschreiben Maximiliansl, für eine sog. Königspfründe in Händen. Auf dieses gestützt, erhob er durch seinen Prokurator an dem genannten Tage Anspruch auf das soeben durch den Tod des Lukas Molitor erledigte Kanonikat an der Peter- und Paulskirche zu Zeitz. Zwar versuchten die Mitbrüder des Verstorbenen anfänglich das königliche Recht zu umgehen, aber Maxi- milian setzte schließlich durch, daß seinem Willen ge- horsamt und Einsiedel der Nachfolger Molitors wurde.?) Als Heinrich von Einsiedel im November 1493 das Statutengeld für seinen ins Zeitzer Stiftskapitel aufgenommenen Sohn zahlte, hatte dieser bereits eine weitere Pfründe inne, nämlich die Kantorei an der Kathedralkirche zu Naumburg a. S.) Eine dritte Präbende, und zwar ein Kanonikat im Domkapitel zu Merseburg, erlangte er vor 1495. Trotz dieser hohen Würden besaß Hugold bloß die Subdiakonats- weihe. Freilich auch diese empfand er weiterhin als'eine Last, weil sie ihm den Weg zur Ehe versperrte. Um heiraten zu können, suchte er 1495.durch Vermittlung Günter von Bünaus, des Dompropstes zu Merseburg und Dekans zu Naumburg, beim Papst um Dispens von der Verpflichtung zum Zölibat nach. Zwar unternahm der letztere in Rom Schritte, und zwar nach seiner Behauptung erfolgreiche, aber der Dispens wurde damals noch nicht erteilt, da das von Einsiedel zur Verfügung gestellte Geld nicht ausreichte,

1) Vgl. Krebs a. a. O. S. 66, 71 ff. 2) Vgl. daselbst S. 77 f., 80 ff., 84. 3) Vgl. daselbst S. 84. 1*

4 4

um die von der päpstlichen Kammer geforderte Summe zu zahlen. Jedoch erlangte Einsiedel den erwünschten Dispens etwas später und konnte sich nunmehr beweiben.?) Aus den bisher erschlossenen Quellen läßt sich nicht erkennen, wie lange er die erwähnten Pfründen besaß. Nur zweierlei steht fest, einmal, daß Einsiedel vor dem 15. Januar 1497 auf seine Kantorei in Naumburg zugunsten des Bruders des damaligen Naumburger Bischofs Verzicht leistete, und sodann, daß er im Jahre 1500 sein Kanonikat in Merseburg noch hatte und nicht gewillt war, es Günter von Bünau zu überlassen, als dieser angeblich auf Grund früherer Ab- machungen am 10. Juli 1500 davon Besitz ergriff.°) Nachdem am 10. Mai 1507 Ritter Heinrich mit Tod

abgegangen war?) verschrieben Kurfürst Friedrich der

Weise und sein Bruder Johann am 24. Februar 1508 die von dem Verstorbenen besessenen Lehen dessen Sóhnen Hugold, Heinrich, Hildebrand, Heinrich und Abraham. In Betracht kommen Schloß und Städtlein Kohren, Dorf Sahlis, Schloß und Dorf Wolftitz usw.?)

In einem Verzeichnis der Räte und Diener Friedrichs des Weisen und seines Bruders Johann vom Jahre 1518 ist ,Haubold vom Einsiedel“ unter den weltlichen Räten vom Adel aufgeführt.9) Freilich erscheint er als kurfürstlicher Rat schon früher, so im Februar 1516 bei einer Besprechung mit den Räten des Herzogs Georg von Sachsen und in einer Urkunde vom 16. Juni 1516. An dem zuletzt genannten Tag hielt er sich am Hoflager Friedrichs des Weisen in Torgau auf und war Zeuge bei einer Entscheidung, die der Kurfürst im Streit des Wittenberger Stiftskapitels mit den dortigen Franziskanern wegen der Begräbnisse in

1) Vgl. Krebs a. a. O. S. 88 ff, 91f.

?) Vgl. das Zeugnis des Johann Lindner, J. B. Menckenii Seriptores rerum Germanicarum tomus II col. 1562,

3) Vgl. Krebs a.a. O. S. 81£, 87 ff, 91 ff. Über Bünau vgl. Kalkoff, Ablaß- und Reliquieuverehrung an der Schloßkirche zu Wittenberg S 17 Anm. 1.

4) Vel. Krebs a. a. O. S. 18.

5) Vel. Altenburg a. a. O.

9) Vel. Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 3.

*

5o | 5

und bei der Franziskanerkirche traf!) Kurfürst Friedrich hatte zu Einsiedel und dessen Fähigkeiten großes Vertrauen. Zum Beweis braucht nur an das eigenhändige Schreiben er- innert zu werden, das er am 12. Februar 1522 in Sachen der beabsichtigten Visitation des Bischofs von Meißen an seinen Rat richtete?) Für das Verhältnis Einsiedels zu Luther ist es bezeichnend, daß dieser jenen neben Fabian von Feilitzsch und Johann von Taubenheim im No- vember 1520 einen heros nannte, und noch mehr, daß er ihn 1521 durch die Zueignung seiner Druckschriften „Auf des Bocks zu Leipzig Antwort“ und „Evangelium von den zehn Aussätzigen“ auszeichnete.?).

Einsiedel überlebte nur kurze Zeit das Ende der Witten- berger Bewegung. Denn er starb zwischen 15. Mai und 2. Sep- tember 1522 und vermutlich im Nachsommer dieses Jahres.*)

4. Franz Günther),

Gunterus, Guntherus, Junteri?) usw. stammte aus Nord- hausen’). Wahrscheinlich hieß sein Vater Johann oder

!) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4256, Gemayne außgabe, Halle, Wittenb. Archiv, Trésor Nr. 91.

2) Vgl. Pallas in: Archiv für Reformationsgeschichte 5. Jahrg. S. 245.

*) Vgl. Enders a.a. O. 2. Band S. 524, 3. Band S. 234, Weimarer Lutherausgabe 7. Band S. 266, 271, 8. Band S. 337.

4) Vgl. Krebs a.a. O. S. 118f., das Schreiben Johann von Taubenheims an Friedrich den Weisen vom 2. September 1522, Weimar, Reg. Aa Nr. 2242 Bl. 9aff. Demnach beruht es auf einem Irrtum, wenn Einsiedel in einer Rechnung noch am 17. März 1523 als lebend bezeichnet wird. Vgl. Burkhardt in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 19. Band S. 100.

5) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 60, 105.

6, Die Form Gunterus findet sich u. a. in einem Brief Gün- thers vom Jahre 1522, Seidemann, Thomas Münzer S. 126, und Foerstemann, Liber Decanorum Fac. Theol. Vit. p. 23, die Form Guntherus u.a. ibidem p. 20, 22, 25sq., Köstlin, Die Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 29, die Form Junteri Köstlin a. a. O. 1548 bis 1560 S. 33.

?) Vgl. u. a. Foerstemann, Album p. 56, Köstlin a. a. O. .1508— 1517 S. 18, 27, 29, Foerstemann, Liber Decanorum etc. p. 20, 99, 95 sq.

6 | 6 Heinrich.!) Zuerst studierte er zu Erfurt. Zwar fehlt sein Name in der Studentenmatrikel, aber es steht fest, daß er hier im Sommersemester 1512 zum Bakkalar der freien Künste promovierte.) Sodann wandte er sich nach Witten- berg, wo er am 13. Mai 1515 immatrikuliert, im Winter- halbjahr 1515/6 unter die Bakkalare rezipiert, am 30. Ja- nuar 1516 zum Magister graduiert und am 1. September 1517 in den Senat der Artistenfakultät aufgenommen wurde.?)

Wenige Tage nach seiner Aufnahme in den Artisten- senat, nämlich am 4. September, respondierte Günther unter dem Vorsitz Luthers auf dessen Thesen gegen die scho- lastische Theologie. Damit erfüllte er eine der Vorbe- dingungen zur Erlangung des Grades eines Baccalaureus biblieus, der ihm am 21. September 1517 erteilt wurde.*) In den folgenden Jahren erwarb er sich ebenfalls in Witten- berg die übrigen theologischen Grade bis zur Lizentiatur, im einzelnen den eines Baccalaureus sententiarius am 19. Juli 1518, eines Baccalaureus formatus am 11. November (?) 1519 und eines Licentiatus am 14. Oktober 1521.5)

Lange bevor Günther die erwähnte theologische Stufen- leiter erklommen, hatte er eine Beschäftigung außerhalb der Universitätsstadt gefunden. Da er vom Bischof von Meißen geweiht wurde®), so darf daraus geschlossen werden, daß er zuerst im Gebiet der Diözese Meißen tätig war. Vor Frühling 1519 bestellte ihn die Stadtobrigkeit in Jüterbog zum Prediger an der dortigen Nikolaikirche.’) In dieser

1) Vgl. Hentze in: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen 3. Jahrg. S. 240.

2) Vgl. Erfurt, Stadtbücherei, Matricula Facultatis Artium Libe- ralium Studii Erfordiensis Bl. 80a.

3 Vgl. Foerstemannn, Album l. c, Köstlin a. a. O. 1503 bis 1517 S. 18, 27, wo jedoch das Original ,tricesima Januarii^ dar- bietet, S. 29, 1548—1560 S. 33.

4) Vgl. Foerstemann, Liber Decanorum etc. p. 20 sq., Knaske in der Weimarer Lutlierausgabe 1. Band S. 221.

5 Vgl. Foerstemann |. c. p. 228q., 25 sq.

9$) Vgl. O. Clemen, Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation 1. Band S. 78 f.

?) Vgl. dazu und zum folgenden: Articuli per Fratres Minores de obseruantia propositi Reuerendissimo domino Episcopo Brandenburgensi

7 To

Eigenschaft erregte er bei den dortigen Franziskanern (Minoriten) großen Anstoß. Zunächst wurde er in der Fastenzeit 1519 von ihnen auf Grund eines angeblich in der Stadt ver- breiteten Gerüchts bezichtigt, die Beichte, das Fasten und die Heiligenanrufung bekämpft und die ketzerischen Böhmen in Schutz genommen zu haben, Beschuldigungen, die er dem Fran- ziskanerguardian gegenüber, da dieser ihn ins Kloster rufen ließ, als den Tatsachen nicht entsprechend zurückwies. Da- gegen griff ein Wittenberger Lektor der Theologie, der zu- sammen mit Kourad Helt, dem Prior des Wittenberger Augustinerklosters, Günther begleitet hatte, die Beschuldi- gungen auf, um dem Guardian eine ganze Reihe von Irrtümern der katholischen Kirche vorzuhalten. Ein zweites Mal mußte der Jüterboger Prediger vor den dortigen Franziskanern im Dominikaner-Terminierhaus erscheinen, nachdem er bei einer Ratsmahlzeit angeblich sich gebrüstet, er habe ihnen tüchtig heimgeleuchtet und werde, falls sie sich vor ihm nicht demütigten, gegen sie schreiben und sie vor die Uni- versität Wittenberg zitieren. Zwar stellte Günther auch diese Äußerungen in Abrede, aber im Verlauf des Gesprächs bekannte er sich zu sieben von den vierzehn Ketzereien, die der erwähnte Lektor aufgestellt hatte. Bald darauf wurde der Prediger vom Propst des Marienklosters beim Brandenburger Bischof verklagt, weil er auf der Kauzel die Äbtissin des Konvents beleidigt haben sollte. Deshalb forderte der Diözesanobere ihn vor sich und faßte ihn derb an. Nach Jüterbog zurückgekehrt, stellte Günther eine Zeitlang sein Predigen ein. Ihn vertrat der aus Braunschweig vertriebene Thomas Münzer, mit dem, wie die erhaltenen Briefe an die Hand geben, Günther auch noch späterhin Beziehungen unterhielt.!): Weit entfernt aber, sich an der er- wähnten Maßregelung durch Bischof Hieronymus Seultetus genügen zu lassen, spielte der genannte Guardian in seiner in der Marienkirche gehaltenen Predigt über das Leiden Christi

contra Luteranos . . . Frater Bernhardus Dappen Ordinis Minorum. Titel und Umfang dieser Schrift sind genau beschrieben von Knaake in der Weimarer Lutherausgabe 2. Band S. 622.

1) Vgl. K. u. W. Krafft, Briefe und Documente aus der Zeit der Reformation usw. S. 99f., Seidemann a. a. O.

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auf Günther an, für Münzer die Veranlassung, am Oster- tag ebenfalls auf der Kanzel der Marienkirche jenem in scharfer Weise zu antworten. Das so begonnene Predigt- turnier setzte sich auch in den nächsten Tagen fort. Dar- über und über die früheren Vorkommnisse berichtete der Jüterboger Franziskaner Bernhard Dappen am 4. und 5. Mai 1519 an den Vikar des Brandenburger Bischofs, Jakob Gropper, und an dessen Herrn selbst, um diesen zum Einschreiten gegen. Günther und Münzer zu veranlassen. Ob er seinen Zweck erreichte? Diese Frage wird man mit nein beantworten dürfen, da Luther alsbald der Verklagten sieh annahm und den Anklägern heimleuchtete.") Jedenfalls weilte Günther noch Ende September 1519 in Jüterbog.?) Am 18. Januar 1520 empfahl Luther den Priester Jakob Gropp für die erledigte Pfarrei Lochau, eine Stelle, für die darum nicht jeder beliebige Geistliche genügte, weil Friedrich der Weise in der Lochauer Heide ein Schloß , hatte und hier „wunder gern“ residierte?) Aber der nach des Reformators Urteil brauchbare Mann gewöhnte sich nicht an die höfischen Sitten, weshalb Spalatin ihn auf eine andere Stelle versetzt wünschte. Auf diesen Wunsch kam Luther im August 1520 zurück, indem er seinem Freund - den beredten, auch vor dem kurfürstlichen Hof zu predigen fähigen und dazu jeder Belehrung leicht zugänglichen Gün- ther empfahl. Und in der Tat erlangte der Nordhäuser Magister noch vor Ende August die Lochauer Pfarrei.) Scheint Spalatin schon während des ersten Lochauer Amtsjahres Günthers Zwischenfälle befürchtet zu haben), so lieferte das zweite so viele Überraschungen, daß der Pfarrer von Lochau ein weit über die Grenzen Kursachsens hinaus berühmter Mann wurde. Vielleicht schon 1521, spätestens aber im Januar 1522 legte sich Günther den Titel Bischof von Lochau bei, und zwar mit dem Erfolg, daß auch andere

1) Vgl. Knaake a. a. O. S. 622 ff.

2) Vgl. Enders a. a. O. 2. Band S. 161 f.

3) Vgl. daselbst S. 296, Neudecker und Preller, Spalatins hist. Nachlaß und Briefe 1. Band S. 42.

*) Vgl. Enders a. a. O. S. 307, 366, 460, 465 f., 471.

5) Vgl. daselbst 3. Band S. 12.

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ihn so nannten. Weiter war er einer der ersten Geist- lichen des sächsischen Kurkreises, die in ihren Gemeinden das Abendmabl unter beiderlei Gestalt einführten und bei der Austeilung der Abendmahlselemente naeh Karlstadt- schem Muster verführen.?) Ferner stand Günther am 8. Januar 1522 im Begriff, sich zu verheiraten, und dies mit Wissen und Duldung seines Kurfürsten.) Aber nicht nur über den Zólibatszwang der Weltpriester setzte er sieh hinweg. in der Fastenzeit (Márz) 1522 gab er auch seinem Pfarrhelfer, dem ehemaligen Augustinermönch Balthasar Sturnius, ein Weib zur Ehe.*)

Es kann nicht wundernehmen, daß das kühne Vorgehen Günthers bei seinem Diözesanobern, Johann VII. von Meißen, großes Aufsehen erregte. Hatte schon die Kunde von der Einführung des Laienkelehs in Lochau genügt, um den Bisehof alsbald naeh dem Empfang des Mandats des Reichsregiments vom 20. Januar 1522 zum Einschreiten gegen den Neuerer zu veranlassen?), so mußte er sich nach dem Bekanntwerden von dessen erwähnten übrigen Vergehungen noch mehr gedrungen fühlen, den Übeltäter zu bestrafen. Als Einleitung zu dem Strafverfahren war die Visitation ge- dacht, die der Bischof in Begleitung des Dekans zu Meißen, Johann Hennig, des Professors in Leipzig, Hieronymus Dungersheim, u. a. am 4. April 1522 zu Lochäu vornahm.*) Dabei spielte das Verhór Günthers die Hauptrolle. Dürfte man dem einen von den beiden erhaltenen Berichten glauben,

. ?) Vgl. u. a Seidemann a. a. O., Clemen a. a. S. 75, vorher

6. Jahrg. 4. Heft S. 60, 105. Wenn schon der am 14. Oktober 1521 . zum Lizentiaten promovierte Günther in Foerstemann, Liber De- canorum etc. p. 26, als Episcopus Lochanus bezeichnet ist, so kann dies nicht ohne weiteres als Beweis dafür gelten, daß er bereits damals den Titel führte. Denn die Dekane buchten die Ereignisse ihres De- kanats vielfach erst nach dessen Ablauf.

2) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 60, 105.

3) Vgl. daselbst S. 60.

*) Vgl. Chronicon sive annales Spalatini l.c. col. 612, Clemen a. a. O. S. 71.

5) Vgl. Pallas in: Archiv für Reformationsgeschichte 5. Jahrg. S. 241f.

6, Vgl. Pallas in: Zeitschrift des Vereins für die Kirchen- geschichte in der Provinz Sachsen 6. Jahrg. S. 42 f.

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so wäre Günther aus der Disputation mit seinen Wider- sachern als Sieger hervorgegangen.) Wie dem auch sein mag, jedenfalls blieb der Pfarrer von Lochau weiterhin nicht nur unbehelligt, sondern hatte auch die Genugtuung, daß bei seinem am 17. April 1523 getauften Erstgebornen, also bei einem Priesterkind, Friedrich der Weise Paten- stelle annahm. ?)

Gleich nach der erwähnten Visitation wünschte Günther, Pfarrer in Herzberg a. E. zu werden, um auf diese Weise einer größern Gemeinde dienen zu können. Bestand doch die Parochie Lochau damals nur aus dem Städtlein gleichen Namens mit 33 Feuerstütten und einem kleinen Dorf. Jedoch scheint man am Hof seinen Weggang nicht gerne gesehen zu haben.) So blieb denn Günther Lochau erhalten bis zu seinem kurz vor 3. September 1528 erfolgten Tod. Er hinterließ eine Witwe und zwei Kinder. Auf Luthers Empfehlung erhielt die erledigte Pfarrei Michael Stiefel, der im Oktober 1528 mit der Witwe Günthers sich verheiratete. *)

5. Bernhard von Hirschfeld’), der sich als Hirsfeldt und Hirsfeldtt zu bezeichnen

1) Vgl. Pallas in: Archiv usw. S. 285, in: Zeitschrift usw. S. 501ff., Clemen a. a. O. S. 71 f.

2) Vgl. Chronicon sive annales Spalatini l. c. col. 622.

3) Vgl. Enders a. a. O. S. 327, Pallas in: Die Registraturen der Kirchenvisitationen usw. 2. Abt. 3. Teil S. 52.

4) Vgl. de Wette a. a. O. 3. Theil S. 370£, Enders a. a. O. 6. Band S. 397, 7. Band S. 9 f.

5) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S.60. Pallas in: Zeitschrift des Ver- . eins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen 6, Jahrg. S. 83 Anm. 1, streicht in der Stelle , Communicauerunt et Lochae Hirsfeldii, prae- terea plus 200“ (vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 60) das Komma hinter Hirs- feldii und faßt dieses Wort selbst als Genetiv. Aber dagegen spricht schon praeterea. Dazu ist es irrig, wenn Pallas als entscheidenden Grund geltend macht, Bernhard Hirschfeld sei 1522 schon Amtmann in Schlieben gewesen. Vielmehr war er damals noch im Hofdienst verwendet und weilte darum auch häufig an dem von Friedrich dem Weisen bevorzugten Hoflager zu Lochau, so nachweisbar am l. Dezember uud an Weihnachten 1521, also gerade zur Zeit der in Rede stehenden Abendmahlsfeier. Vgl. Kawerau in der Weimarer Lutherausgabe 8. Band S. 337 Anm. 1, G. von Hirschfeld in: Bei-

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pflegte!), wurde als ältester Sohn des Georg von Hirschfeld auf Otter wisch und der Barbara von Einsiedel am 26. No- vember 1490 geboren?). Den jungen Adeligen nahm Friedrich der Weise frühzeitig unter die Edelknaben an seinem Hof auf. Die erhaltenen Listen dieser Knaben zeigen, dab er bereits Weihnachten 1503 in der nächsten Umgebung des Kurfürsten weilte.) Auch in den folgenden Jahren als einer von Friedrichs des Weisen „jungen“, d.h. Edelknaben, nachweisbar), wurde Hirschfeld schon zu allerlei Dienst- leistungen herangezogen. So teilte er am 28. Dezember 1504 und 8. Januar 1505 im Auftrag seines Herrn Almosen aus und kaufte 1505 für diesen auf dem Leipziger Markt einen Gürtel.) Im Jahre 1506 besorgte er eine Zeitlang einen Teil der Geschäfte des mit der Kassenverwaltung am Hof beauftragten Beamten während dessen Abwesenheit.) 1511 war er in der Hofkammer tätig.’)

Wuchs auf solche Weise Hirschfeld vom Edelknaben zum „diener“ Friedrichs des Weisen heran?) so wurde er auf Kosten des Hofs auch mit Kleidung versehen. Er empfing Kleidungsstücke u. a. auf dem Leipziger Ostermarkt 1511, dem dortigen Michaelismarkt 1511 und dem dortigen Ostermarkt 1512.°) Da Hirschfeld in den genannten Jahren

träge zur sächsischen Kirchengeschichte 2. Heft S.209. Mit Bernhard dürfte in Lochau sein Bruder Johann das Abendmahl sub utraque empfangen haben. Denn er hatte mehr Beziehungen zum kursächsischen Hof als seine übrigen Brüder, Bernhard allein ausgenommen.

1) Vgl. u. à. Weimar, Reg. O Nr. 91, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 726.

2) Vgl. von Hirschfeld a. a. O. S. 1583, Krebs, Haugold von Einsiedel S. 3.

3) Vgl. Ausgab vber hof Steffan Cammerschreibers 20. August 1503 bis 25. Dezember 1504, Weimar, Reg. Bb Nr. 4185.

*) Vgl. daselbst, Reg. Bb Nr. 4188.

°) Vgl. daselbst, Reg. Bb Nr. 4187.

9) Vgl. Sunder außgab fur m. g. h., h. Friedrich, 25. Dezember 1505 bis 25. Dezember 1506, Weimar, Reg. Bb Nr. 4193: „Mitwoch [11. März 1506] mit Hirschfelt Abgereichet zcu der loch [Lochau], das er hab auß gebenn, als ich zu winsen gewest“.

?) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4218, Ausgabe Silber.

5) Zum Ausdruck „diener* vgl. Weimar, Kopialbuch B8 Bl. exvii* f.

?) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4212, Gemeine ausgabe, Reg. Bb Nr. 4218, Gemeine Ausgabe, Reg. Bb Nr. 4215, Gemeine Ausgabe.

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und auch nachher noch kein eigentliches Gehalt bezog, sondern nur mit gelegentlichen Zuwendungen ,auD gnaden zu Notdorff^ bedacht wurde!), hielt ihn sein Landesherr offenbar durch die am 11. November 1513 vollzogene Ver- leihung der Lehngüter zu Kuckelitz im Amt Schweinitz schadlos. Für diese Mannlehen, die Friedrich der Weise am 25. September 1510 Nikolaus Thöß (Theuß) ver- ‚schrieben hatte, mußte Hirschfeld allerdings an 1300 Gulden aufwenden, damit er, „waß daran vorpfandtt gewest, wider gelosett vnd der gedachten teußn gelaßn witwen. schwesternn vnd tochter zcum theil zu friden gestellet^; und außerdem verlangte die Witwe Thöß 1525 von ihm noch weitere 100 Gulden. Mit Kuckelitz wurden 1513 für den Fall, daß Hirschfeld ohne männliche Erben sterben würde, auch seine damals noch unmündigen Brüder Wolf und Johann belehnt.?) Die Verschreibung vom 11. November 1513 wiederholten die Kurfürsten Johann am 11. November 1525, Johann Fried- rich am 20. Juni 1533 und Moritz im Jahre 1548.9) Obwohl Hirschfeld in den Jahren 1511, 1513 und 1516 gleich vielen Frommen seiner Zeit vom päpstlichen Stuhl je einen Ablaß-, Gnaden- und Beichtbrief erbeten und erhalten hatte‘), sehnte sich doch sein Herz noch nach den reichen Gnadenschätzen, die mit einer Wallfahrt ins gelobte Land verknüpft waren, und deren 1493 auch sein kurfürst- licher Herr teilhaftig geworden war.) Am 14. März 1517 trat er von seinem Elternhaus zu Otterwisch aus die weite und beschwerliche Reise an, die er in einem Tagebuch aus-

!) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4222: ,11 gulden dem Hirsfeldt auß gnaden zu Notdorff gegeben, welche er jm andern jare Entpfangen vnd vf mein widerkomen eingeschriben, vf mitwoch nach Inuocauit [16. Februar .1513] zu weymar“.

2) Vgl. Weimar, Kopialbuch B 8 Bl. cii? f., exviib f., das Schreiben Bernhard von Hirschfelds an Friedrich den Weisen vom 28. Oktober 1525, Weimar, Reg. Gg Nr. 1350, 1.

3, Vgl. Weimar, Kopialbuch B9 Bl. 175 ff., Dresden, Haupt- staatsarchiv, Kopial 1289 Bl. 90a ff, von Hirschfeld a. a. O. S. 227.

*) Vgl. von Hirschfeld a. a. O. S. 155 ff.

5) Über die Palüstinareise Friedrichs des Weisen vgl. u. a. Neudecker und Preller, Georg Spalatins hist, Nachlaß und Briefe 1. Band S. 76 ff., 127.

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führlich beschrieb.) Danach empfingen Hirschfeld und die mit ihm gekommenen Pilger am 22. Juli 1517 am heiligen Grabe zu Jerusalem den Ritterschlag und traf er, nachdem er auf der Rückreise u. a auch Rom besucht hatte, am 16. Februar 1518 in Altenburg wohlbehalten wieder ein. |

Nach seiner Heimkehr widmete Hirschfeld seine Dienste aufs neue Friedrich dem Weisen. Demgemäß führt eine 1518 entstandene Liste der Räte und Diener des Kurfürsten und seines Bruders Johann ihn unter den 74 „Edelleut“ auf.) An der Angabe dieses Verzeichnisses über das Dienstverhältnis des aus Palästina Zurückgekehrten und an der erwähnten aus dem Jahr 1513 stammenden Be- zeichnung „diener“ ist festzuhalten gegenüber den irrtüm- liehen Behauptungen, Hirschfeld sei Kämmerer gewesen und dazu bereits 1511 vom sächsischen Kurfürsten ernannt worden.) Ob und inwieweit etwa der ihm angewiesene Geschäftskreis seit 1518 eine andere Abgrenzung erfuhr, läßt sich wegen des Verlustes der für die Beantwortung dieser Frage so wichtigen Quellen, der Rechnungen der kur- fürstlichen Renterei und Kammer aus den letzten Regierungs- jahren Friedrichs des Weisen, nicht genau feststellen. Indessen scheint es, daß Hirschfeld nach wie vor haupt- sächlich im innern Dienst beschäftigt war und hier nament- lich mit Kassen- und Rechnungssachen zu tun hatte. Damit steht auch im Einklang, daß er seit 1529 an Stelle des damals hervorragendsten kursächsischen Finanzbeamten, Johann von Taubenheims, an den Kirchenvisitationen teilnahm.

Zwischen dem 1. Mai 1528 und 26. April 1529 wurde Hirschfeld zum Amtmann in Schlieben ernannt und vom

) Das Tagebuch ist gedruckt von A. von Minckwitz in: Mit- theilungen der Deutschen Gesellschaft zu Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig 1. Band 1. Heft S. 31 ff.

2) Vgl. Weimar, Reg. Rr S. 1— 316 Nr. 3.

3) Vgl. von Minckwitz a. a. O. 8.31 Anm. 1, von Hirschfeld a.a. O. S. 153, 158, Wülcker und Virck, Des kursüchsischen Rathes Hans von der Planitz Berichte usw. S. LXV, 138 Anm. 3. Die Be- hauptungen, daß Hirschfeld Kämmerer gewesen sei, .erweisen sich aus denselben Gründen als irrtümlich, die ich vorher 7. Jahrg. 4. Heft S. 53 angeführt habe.

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Landrentmeister dort eingeführt.) Freilich erreichte seine Wirksamkeit in dem Landstüdtehen und dem dazu gehörigen Bezirk, die ihm jähriich 100 Gulden einbrachte, schon im Sommer oder Herbst 1533 ihr Ende. Spätestens im Oktober 1533 wurde nämlich der bisher von Hirschfeld versehene Posten eingezogen und die Verwaltung des Amtes Schlieben mit der des Amtes Liebenwerda vereinigt.?)

In den vier bis fünf Jahren seiner Schliebener Amts- führung hatte Hirschfeld öfters Gelegenheit, sich auch außerhalb des ihm zunächst angewiesenen Gebiets zu be- tätigen. Dabei ist in erster Linie seiner Teilnahme an den Kirchenvisitationen zu gedenken. Während er 1528 bei der Bildung der Kommissionen, die mit der Abhaltung der Kirehenvisitationen betraut wurden, noch unberücksichtigt blieb?), visitierte er zusammen mit Luther, Jonas, Wolf- gang Fuß und Sebastian von Kötteritzsch bereits im April 1529 zu Torgau. Wie Hirschfeld hier als Stell- vertreter Johann von Taubenheims eintrat, so wurde er auch mit dessen Vertretung von Johann Friedrich am 18. Januar 1530 beauftragt.*), Dementsprechend nahm er im Verein mit Jonas, Bugenhagen und Nikolaus von Amsdorf schon am 25. Januar die Visitation des Klosters Plötzky vor und visitierte neben Jonas, von Kötteritzsch und Benedikt Pauli im März 1530 den Amtsbezirk Eilen- burg.) Auch bei der anfänglichen Auswahl der Männer, denen die zweite sächsische Kirchenvisitation befohlen wurde, kam Hirschfeld nicht in Betracht.) Indessen war er als

1) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 2127, Fur Ampts zcehrunghe, und: Aus Gabe Haffer; Pallas, Die Registraturen usw. 1. Abt. S. 18.

2) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4347, 4871. Nach dem zweiten Aktenstück erhielt Hirschfeld zur Zeit des Leipziger Michaelis- markts 1533 sein letztes Gehalt für die Verwaltung des Amtes Schlieben. Daneben bezeichnet dasselbe Aktenstück ebenfalls zur Zeit des genannten Marktes Kaspar von Minckwitz als Amtmann „zu libenwerda vnnd schlieben“.

*) Vgl. Burkhardt, Geschichte der sächsischen Kirchen- und

.Schulvisitationen S. 28 f.

*) Vgl. Weimar, Reg. Ji Nr. 494, Pallas, Die Registraturen usw. a. 8. O.

5 Vgl. Nik. Müller, Die Kirchen- und Schulvisitationen im Kreise Belzig 1530 und 1534 S. 6f.

6) Vgl. Burkhardt a. a. O. S. 124.

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Visitator schon im März 1533 zu Allstedt, nach Ostern 1533 zu Wittenberg und Zahna und noch im November 1534 zu Belzig tätig.')

Ungefähr ein Jahr nach der erwähnten Kirchenvisitation zu Torgau wurde Hirschfeld zum Beisitzer des 1529 in Wittenberg errichteten Hofgerichts berufen, und dieses seines richterlichen Amtes waltete er nachweisbar bis 1537.?) Aber nicht nur im Inland fand der Schliebener Amtmann Verwendung, sondern auch im Ausland. So reiste er 1531 in Geschäften seines Kurfürsten nach Posen.)

Ob Hirschfeld nach Ablauf seiner Schliebener Jahre wieder zu dauernder Beschäftigung an den Hof zurückkehrte, oder sich auf seine Besitzungen zurückzog, entzieht sich meiner Kenntnis. Dagegen ist sicher, daß Johann Fried- rich ihm auch noch später wichtige Aufträge erteilte. Als der Kurfürst seine Lande namentlich im Interesse des Steuer- und Heerwesens in neun Landkreise einteilte, ernannte er Hirschfeld, Johann von Pack und Dietrich von Star- schedel zu Befehlshabern des Landkreises Torgau; und in dieser Stellung verblieb Hirschfeld auch, nachdem 1542 Pack verstorben und durch Asmus Spiegel ersetzt worden war*) 1543 und 1544 verwendete der Kurfürst seinen. Rent- meister Jakob von Koseritz und Hirschfeld „zu vererbung vnd verkauffung“ der Klostergüter. Diese Arbeit, wofür dem letztern eine Entschädigung von 100 Gulden gewährt wurde, war am 18. Oktober 1544 nahezu beendigt?) In den Nöten

! Vgl. Sehling, Die evangelischen Kirchenordnungen 1. Abt. 1. Hälfte S. 510, Pallas a.a. O. 2. Abt. 1. Teil S. 373, 375, Nik. Müller a. a. O. S. 46. ‘Daß Hirschfeld auch die Stadt Witten- berg mitvisitierte, erhellt daraus, daß das Original der „Registration“ von ihm untersiegelt ist. | 2 Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 2794, Ausgabe haffern, Nr. 2796, Ausgabe Hafferr, Nr. 2799, Ausgabe Haffer, Nr. 2818, Ausgabe Haffer. 3) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4352, Capital der Churf. Eynname vnd außgabe vff das jar anno c. 31., unter dem Datum 22. März 1531. 4) Vgl. das Reskript Johann Friedrichs vom 2. November 1542, Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 1845. Über die erwähnte Kreiseinteilung vgl. Mentz, Johann Friedrich 3. Teil S. 150 ff, ' 8 Vgl. Buchwald in: Mittheilungen der Geschichts- und Alter- thumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes 10. Band S. 333£., Weimar, Reg. Rr S. 1—816 Nr. 726.

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des Schmalkaldischen Krieges machte Johann Friedrich Hirschfeld zu einem der Befehlshaber der Festung Witten- berg, aber er und ebenso sein Bruder Georg wurden schon einige Tage vor der Mühlberger Schlacht bei Meißen von den Truppen des Herzogs Moritz geschlagen und ge- fangen genommen. Mit den durch den Schmalkaldischen Krieg geschaffenen Verhältnissen fand sich Hirschfeld in der Weise ab, daß er bei dem neuen Kurfürsten eine Rats- stelle annahm und sie bis zu seinem am 26. Januar 1551 zu Dresden erfolgten Tode bekleidete.!)

Am 21. November 1524 verheiratete sich Hirschfeld mit der am 5. August 1507 geborenen Tochter des Ehren- fried von Ende d.Ä. und der Elisabeth von Körbitz, Katharina. Sie starb, nachdem sie wenige Wochen vor- her ihrem Gatten das zwölfte Kind geschenkt hatte, am 10. Mai 1545.2)

Von den Beziehungen, die Hirschfeld mit berühmten Zeitgenossen außerhalb des kursächsischen Hofs unterhielt?), seien hier nur die zu Luther gestreift. Schon im Jahre 1516 schickte dieser an jenen gelegentlich Briefe‘) Vor 11. November 1517 sagte Friedrich der Weise dem Reformator dureh Hirschfeld eine neue Kutte zu.) Am 10. Mai 1522 bat Luther um Spalatins Fürsprache bei Hirschfeld, „ut apud Illustrissimum Prineipem [Friedrich den Weisen] mihi impetret supplieationem ad Quaestorem Vittembergensem [Gregor Burger] pro aliquanto (nescio quanto) brasio, quod Prior noster [Eberhard Brisger] debet et ego fidejussor factus sum, ne exigat, antequam possimus solvere“ usw.) Ferner bedankte sich der Reformator am 4. September 1522 für ein ihm von Hirschfeld zugesendetes Buch. Wenn Georg von Hirschfeld hauptsächlich auf

1) Vgl. von Minckwitz a. a. O. S. 32 Anm., von Hirschfeld a. a. O. S. 223 ff.

2) Vgl. von Minckwitz a. a. O., von Hirschfeld a. a. O. S. 218, 221, 229.

3) Vgl. darüber von Hirschfeld a. a. O. ó.

*) Vgl. Enders a. a. O. 1. Band S. 73.

5) Vgl. de Wette a. a. O. 1. Theil S. 77, Enders a. a, O. 8.123.

9) Vgl. Enders a. a. O. 3. Band S. 358.

?) Vgl. daselbst 4. Band S. 1f.

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Grund der angezogenen Briefstelle vom 10. Mai 1522 sowie einer andern aus dem Jahre 1518!) behauptet: „Wo Spa- latin selbst ängstlich wurde oder es nicht wagte, dem Kur- fürsten zuzureden, da tat dies Hirschfeld mit Erfolg. Der außergewöhnliche Einfluß desselben auf den Kurfürsten gelangt wiederholt in Luthers Briefen zum Ausdruck und ist darin seit 1518 nachweisbar. Wenn Luther ein Anliegen an Fried- rich hatte, dessen Gewährung voraussichtlich bei diesem auf Schwierigkeiten stieß oder wenn Spalatins Einfluß nicht aus- reichte, so bat Luther letzteren“ usw.?), so entsprechen die Tat- sachen der Behauptung des Nachkommens Hirschfelds nicht im mindesten. Insbesondere verliert aber das im Wortlaut mit- geteilte Zeugnis jede Beweiskraft, wenn man bedenkt, daß nicht Spalatin, wohl aber Hirschfeld mit finanziellen Dingen amt- lich zu tun hatte. Läßt sich aus den Äußerungen des Refor- mators über Hirschfeld nur soviel entnehmen, daß er diesen zu den ihm wohlgesinnten Männern am Hofe Friedrichs des Weisen zählte, so ist es für den damals einunddreißig- jährigen Edelmann bezeichnend, daß er am 1. Dezember 1521 zu der „gutgrundigen lahre Doctor Martini Luthers“ sich bekannte.)

6. Johann von Hirschfeld‘)

oder Hirsfeld, wie er sich in einem Brief vom Jahre 1530 nannte’), war der jüngste Bruder Bernhards und am 12. Januar 1504 geboren®). Im Sommerhalbjahr 1510 wurde er an der Hochschule zu Leipzig intituliert." Ein Semester später fand seine Inskription an der Universität Witten- berg statt, wo er und einige andere adelige Knaben zu- sammen mit den beiden jugendlichen Herzögen Otto und

1) Vgl. Enders a. a. O. 2. Band S. 186,

2) Vgl. von Hirschfeld a. a. O. S. 162.

3) Vgl. Kawerau in der Weimarer Lutherausgabe 8. Band S. 537 Anm. 1. *) Vgl. vorher S. 10 f. Aum. 5.

5) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 91. 6) Vgl. von Hirsceltfeld a. a. O. S. 310, ?) Vgl. Erler, Matrikel 1. Band S. 513.

Archiv für Reformationsgeschichte. VIII. 1. 9 *

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Ernst von Braunschweig-Lüneburg von Egbert Nid- hart und Georg Spalatin ihre Erziehung und Ausbildung erhielten.) Als der kurfürstliche Kämmerer Degenhart Pfeffinger 1512 oder 1513 an den kaiserlichen Hof ritt, durfte ihn Hirschfeld auf ‘der Reise begleiten.) Hernach wurde der Edelknabe mit dem natürlichen Sohn Fried- richs des Weisen, Sebastian von Jessen, von Spalatin in Wittenberg erzogen, und zwar bis zum September 1516.°) In dankbarer Erinnerung an diese Zeit bezeichnete Hirschfeld im Jahre 1530 Spalatin als seinen „alten zuchtmeyster“, von dem ihm „als guetz geschehen ist“.%)

1521 zog er im Gefolge seines Kurfürsten nach Worms und war hier mit Luther in einem und demselben Zimmer einquartiert.) Nachdem er eine Zeitlang am bayerischen Hofe geweilt hatte, schloß er sich dem Heerführer Georg von Frundsberg an und nahm im Februar 1525 an der berühmten Schlacht vou Pavia teil. Ist die Angabe Bern- hard von Hirschfelds richtig, so war es sein Bruder Johann und nicht Graf Nikolaus von Salm (Solms), der in dieser Schlacht den französischen König Franz I. per- sönlich gefangen nahm.5 Im Jahre 1530 trat Johann mit seinem Kurfürsten die Reise nach Augsburg an; allein Krank- heit nótigte ihn, bis über den 26. Juli hinaus in München zurückzubleiben.‘) Später wurde er angeblich Kämmerer

') Vgl. Foerstemann, Album p. 38, Berbig, Spalatiniana S. 18, von Hirschfeld a. a. O.

?) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4222.

3) Zwischen Anfang März 1515 und Anfang September 1516 sind häufig in den Rechnungen des Amtes Wittenberg, als aus der dortigen Schloßküche verpflegt, nebeneinander erwähnt Spalatin, Bastel und Hirschfeld. Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 2764, 2765, 2767, Rubrik: Ausgabe für die wöchentliche Küche. Auf Sebastian von Jessen und Hirschfeld bezieht sich auch der Eintrag des Registers des Leipziger Michaelismarktes 1515: „l4 gr. fur 2 clein weydmesser dem Bastleyn, das ander dem jungen hirschfeld". Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4251.

4 Vgl. vorher S. 17 Anm. 5. |

5) Vgl. Fórstemann-Bindseil, Luthers Tischreden 4. Abth. S. 849, von Hirschfeld a. a. O. S. 195, 200, 310.

9) Vgl. von Hirschfeld a. a. O. S. 810 f.

?) Vgl. vorher S. 17 Anm. 5.

19 | 19

bei Herzog Johann Ernst von Sachsen, zog sich aber schon nach einigen Jahren vom Hofdienst zurück und starb 1538 zu Otterwisch.!)

7. Moritz Mette?),

Metthe, Methe, Metten, Mettner, Meitze?), der sich selbst später häufig als Maurieius Meideburg, Meideborg und Magdeburg bezeichnete‘), lebte zur Zeit der Wittenberger Be- wegung als Propst zu Schlieben. Da er am 13. Dezember 1523 auf eine sechzehnjährige Tätigkeit in dieser Stadt zurück- blickte), war er der erste Schliebener Geistliche, der auf Grund der durch Friedrich dem Weisen bewirkten und durch Papst Julius II. am 20. Juni 1507 bestätigten Ein- verleibung der Propstei Schlieben in die Scholastrie der Schloßkirche zu Wittenberg von dem Wittenberger aka- demischen Senat gewählt und nominiert und vom Kurfürsten präsentiert wurde.) Nachdem der Senat von seinem Recht, die Pröpste zu Kemberg, Clóden und Schlieben und die Pfarrer zu Schmiedeberg und Orlamünde zu wählen und nominieren, tatsächlich schon früher Gebrauch gemacht hatte, gab er dieses offiziell Friedrieh dem Weisen am 30.Juni 1509 offiziell bekannt. ‘)

Vermutlich ist Mette derselbe, der sich im Winter- semester 1495/6 als „Mauricius Popliez de Magde- burgk“ an der Leipziger und im Winterhalbjahr 1502/3 als „Mauricius populiez magdeburgensis“ an der Witten- berger Hochsehule immatrikulieren und unter dem gleichen Namen im Sommersemester 1497 in Leipzig zum artistischen

!) Vgl. von Hirschfeld a a. O. S. 311.

?) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 106.

3) Vgl. zu diesen Namensformen u. a. Weimar, Reg. O Nr. 461, Reg.Ji Nr. 301, Reg. Kk Nr. 1361, Amtsbuch von Schlieben 1516 Bl. 1095 ff., 113aff., Magdeburg, Staatsarchiv, Rep. A. 59 litt. A. Nr 443.

4) Vgl. die Schriftstücke Weimar, Reg. O Nr. 461, Reg. Ji Nr. 301.

5) Vgl. Mettes Schreiben an die Universität Wittenberg vom 18. Dezember 1523, Weimar, Reg. O Nr. 461.

6) Vgl. Meisner l. c. p. 46 sqq.

?) Vgl. das Schreiben von Rektor und Senat an Friedrich den Weisen vom 30. Juni 1509, Weimar, Reg. Kk Nr. 1361.

9%

20 | | 20

Bakkalar promovieren ließ.) Unter den Namen Mauricius de Magdedurgk, Mette, Metthe u. dgl. wurde er in Wittenberg im Winter 1502/3 zum Magister artium, 1505 zum Baccalaureus biblieus, 1507 zum sententiarius und, nachdem er mittlerweile formatus geworden war, am 30. Sep- tember 1510 zum Lizentiaten der Theologie graduiert.?) Außerdem trat er an der Universität zu Wittenberg als Lehrer auf; wenigstens kündigte er für das Sommerhalbjahr 1507 philosophische Vorlesungen an.?)

Mette war ein streitsüchtiger Mann. 1510 lebte er mit den Altaristen von Schlieben im Unfrieden, und 1515 zankte er sich wegen eines Weinbergs mit dem Rat und der Gemeinde dieser Stadt.*) Seit 1523 lag er mit dem Adel und der Gemeinde in solchem Streit, daß es sogar zu Ge- walttätigkeiten kam. Namentlich war das Verhältnis des Propstes zu Georg von Holdau, dem kurfürstlichen Amt- mann zu Schlieben, äußerst gespannt. Veranlassung zur damaligen Unzufriedenheit seiner Pfarrkinder gab Mette hauptsächlich durch seine Unfähigkeit im Predigen und durch, seine Feindschaft gegen die Reformation. Da die Propstei Schlieben, wie erwähnt, dem Wittenberger Universitäts- senat zuständig war, beschwerten sich die Adeligen und die Gemeinde von Schlieben samt den eingepfarrten Dörfern am 31. Januar 1523 zunächst bei diesem darüber, dab Mette mit Bier, Branntwein u. dgl. handle und ihnen das Evangelium vorenthalte, aber evangelische Prediger nicht zulassen wolle usw.) Ferner beklagten sich die Schliebener auch bei dem Kurfürsten.°) Zwar wies dieser im Februar die Universität an, dem Propst die Höckerei zu verbieten und ihn anzuhalten, sein Predigtamt besser zu versehen’), aber die Verhältnisse

1) Vgl. Erler, Matrikel 1. Band S. 411, 2. Band S. 358, Foerste- mann, Album p. 3.

2) Vgl. Kóstlin, Die Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 21, Foerstemann, Liber Decanorum Fac. Theol. etc. p. 2 sq., 7 sq.

3) Vgl. Grohmann, Annalen 2. Theil S. 84.

3) Vgl. Amtsbuch von Schlieben a. a. O.

5) Vgl. das Schliebener Schreiben an die Universität vom 31. Januar 1523, Halle, Wittenb. Archiv III, 63— 68.

9) Vgl. Weimar, Reg. O Nr. 461.

*) Vel. das kurfürstliche Reskript an die Universität, Halle a. a. ©.

1 21

besserten sich weiterhin so wenig, daß die Schliebener am 26. April 1524 aufs neue bei dem Landesherrn vor- stellig. wurden. In ihrem Schreiben meldeten sie u. a, daß Mette „nach als for an vnderlaß vff Seym altin geyez vnnd wucher lige“, und daß sie für die Fastenzeit und bis zum Pfingstfest hin einen geeigneten Prediger gewonnen hätten, und baten, sie mit einem Mann, der zur Verkündigung des Wort Gottes tauglich sei, zu versehen oder versehen zu lassen.) Um den unerquicklichen Zuständen ein Ende zu machen, lieb Friedrich der Weise seinen Rat Johann von Minckwitz am 11. Mai mit Mette und den Schlie- benern verhandeln. Schien es, als ob der Propst auf Grund der hier vereinbarten für ihn günstigen Bedingungen ?) bis 24. Juni abziehen würde, so machte er in der Folgezeit keine Miene, Schlieben zu verlassen, für den Kurfürsten die Veranlassung, seine Entlassung anzuordnen. Glaubwürdig berichtet, „das der probst Fur sein person, das heylige Ewangelium vnnd wort gots selbs zupredigenn, gantz vn- geschickt, demselben auch entgegen“, befahl der Landesherr am 1. August 1524 der Universität, diesem zu kündigen, so daß er „zwischenn hie vnnd michaelis [29. September] schirstenn vonn der Brobstey vnd pfar Abstehe vnnd sich der entewsser“, und einen geeigneten Nachfolger ins Auge zu fassen.) Indessen wußte sich Mette noch bis über Pfingsten 1525 hinaus auf seiner Stelle zu halten. Seine Entfernung erfolgte erst, nachdem man energischer als bisher gegen ihn vorgegangen war. ` Am 22. April 1525 wies Friedrich der Weise die Uni-

versität an, noch einmal eine Untersuchung anzustellen und, falls sich dabei die Unbrauchbarkeit Mettes herausstelle, ihn zu entlassen und einen neuen Propst zu wühlen.*) Diesem Befehl gemäß hielten die Vertreter der Hochschule,

1) Vgl. das Schreiben der Schliebener an Friedrich den Weisen vom 26. April 1524, Weimar, Reg. Ji Nr. 301.

® Vgl. das Protokoll des Johann von Minckwitz vom 11. Mai 1524, Weimar a. a. O.

*) Vgl. das Schreiben Friedrichs des Weisen an die Uni- versitát vom 1. August 1524, Weimar a. a. O.

*) Vgl. das kurfürstliche Reskript an die Universität vom 22. April 1525, Halle a. a. O.

99 99

Hieronymus Schurpff und Georg Elner, am 1. Mai 1525 in Sehlieben einen Termin ab. Dabei verhörten sie die Parteien und suchten Mette, von dem sie den Eindruck empfingen, ,Er suche mher sein aygen nutz dan mherung des Reychsgottis“, zu bestimmen, die Propstei zu resignieren. Weil er sich jedoch auf nichts einließ, beantragten die beiden Gelehrten beim Kurfürsten, „Das die vniuersitet jne nachmals erforderte vnd erjnnerte, die probstey zuuorlassen, mit anzeigung vnd vernewerung aller beswerungen vnd vr- sachen der eingepfarten, wider jne angezeiget,* usw. Bereits am 5. Mai erteilte der Landesherr dem ihm unterbreiteten Antrag seine Zustimmung.!) Jedoch scheint weder die Universität, noch auch der kurfürstliche Rat Johann von der Planitz, den drei seiner Kollegen, darunter Johann von Dolzig und Wolfgang Reißenbusch, am 2. Juni baten, ein ihnen zugegangenes Schreiben Mettes samt dessen beigefügter Appellation der Universität vorzuhalten. etwas ausgerichtet zu haben. Behauptete doch Mette selbst in einem 1529 dem Kurfürsten Johann zugesandten Schreiben, der Rat und die Gemeinde zu Schlieben hätten ihn der Propstei „entsatzt, spolyeret vnd dauonn vortreiben“, eine Behauptung, deren Richtigkeit freilich die kurfürstlichen Räte bestritten, indem sie feststellten, er habe sich „von dannen“ getan.) Vor dem 22. Juni 1525 wurde der aus Schlieben stammende Edelmann Andreas Drandorf der Nachfolger Mettes.?)

Eine neue Anstellung erlangte der seitherige Propst zu Magdeburg. Hier wurde er Kanonikus an der Kirche des

1) Vgl. das Schreiben Hieronymus Schurpffs und Georg Elners an Friedrich den Weisen vom 3. Mai 1525 und die Ant- wort des Kurfürsten vom 5. Mai 1525, Weimar a. a. O.

2) Vgl. die Appellation Mettes an den Rektor der Universität vom 23. Mai 1525, sein Schreiben an die kurfürstlichen Räte zu Torgau vom 1l. Juni 1525, den Brief dieser Räte an Johann von der Planitz vom 2. Juni 1525, das Schreiben Mettes an Kurfürst Johann vom 11. September 1529 und den Brief der kurfürstlichen Räte an Mette vom 16. September 1529, Weimar a. a. O.

*) Vgl. das Schreiben der kurfürstlichen Räte an den Amtmann und die Verordneten zu Schlieben vom 22. Juni 1525, Halle a.a. O. Die Schliebener hatten vorher die von der Universitüt vorge- schlagenen Johann Gunkel und Kaspar Aquila abgelehnt. Vgl.

23 23

St. Sebastian. Wie Mette in seiner neuen Stellung seine Amtsbezeichnung „Probst zu Slieben“ beibehielt, so gab er auch kein Titelehen von den mit seinen früheren Pfründen verbundenen Rechten preis. Noch am 11. September 1529 beanspruchte er das Einkommen der Propstei zu Schlieben und die Zinsen eines geistlichen Lehns, das er ehedem zu Herzberg a. E. besessen hatte. Allein Mettes Ansprüche wurden abgewiesen, nachdem er erklürt hatte, zu der für den 29. Oktober 1529 anberaumten mündlichen Verhandlung: sich nicht einfinden zu kónnen.!)

8. Johann Moller?)

Möller, Muller, Müller?) Bis 1516 waren Daniel Singer Geleitsmann und Johann Moller Amtsschreiber zu Eilenburg.*) Vermutlich infolge der letzten Krankheit jenes übernahm dieser am 15. Januar 1516 vorlüufig die Geleitsgeschäfte, die ihm nach dem kurz vor dem 5. Februar des gleichen Jahres eingetretenen Tod Singers endgültig ' übertragen wurden.) Für Moller verursachte das Ableben seines Vorgängers insofern Unannehmlichkeiten, als er, um dessen Begräbnis zu ermöglichen, den Bann auf sich nehmen

Krieg, Chronik der Stadt Schlieben S. 61f., Befehl Friedrichs des Weisen vom 3. Oktober 1524, Halle a. a. O. VI, 5, g Bl. 33s. Da die Schliebener von sich aus Drandorf zum Propst machten, da- mit aber das Wahl- und Nominationsrecht der Wittenberger Universitüt verletzten, stellten sie am 26. Oktober 1525 dieser einen Revers aus, daß ihr Vorgehen jenem Recht unschädlich sein solle. Vgl. Halle a. a. O. III, 68—68. Daß Drandorf aus Schlieben stammte, erhellt u. a. aus Foerstemann, Album p. 35.

1) Vgl. das Schreiben Mettes an Kurfürst Johann, vorher S. 22 Anm. 2, das Reskript des Kürfürsten an seine Räte vom 15. Sep- tember 15929, die Schreiben der kurfürstlichen Räte an Mette, den Rat zu Schlieben und Herzberg a. E. vom 16, September 1529, das Schreiben Mettes an Kurfürst Johann vom 6. Oktober 1529 und dessen Antwort vom 23. Oktober 1529, Weimar a. a. O.

2) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 66.

3) Über diese Namensformen vgl. die im Folgenden zitierten Aktenstücke.

4) Vgl. u.a. Weimar, Reg. Bb Nr. 1169, 1171, 4251, Ambt Ilbergk.

5) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 1171, Titelblatt, und: Vf beger der hern Ausgabe.

24 24

mußte, den der Propst von Neuwerk bei Halle a. S. wegen ‚der von Singer auf dem Kirchhof zu Hohenleina. verübten Violenz über diesen verhängt hatte.) Hatten der bisherige Geleitsmann und Amtsschreiber das Amt Eilenburg gemein- sam verwest?), so war seit 1516 Moller alleiniger „Ampts- beuehlhaber“, „Amptsvorweßer“, oder ,Vorwalthaber*. So erklärt es sich denn auch, daß er selbst sich gewöhnlich einen dieser Titel beilegte?), während andere ihn als Geleits- mann bezeichneten ).

Noch am 30. Juni 1529 im Amt, wurde Moller vor 27. November 1530 von Johann Premsel abgelöst.)

9. Konrad Ruppseh?, :

Ruptzsch, wie er selbst sich bezeichnete’), von anderen auch Ruppisch5, von Ruppiseh?), Ruppitzsch 9,

P) Vgl. Weimar a. a. O., Vf beger der hern Ausgabe: „6 gr. Botlon gein Halle, dem probst zum Nawenwergke doselbst m. gnedigsten hern Rethe briue bracht der violentz halben, fo der vorstorbene gleitzman zur Hoeleine vfm kirchoffe solt gevbt haben, vnd jch, der Amptschreiber, dasselbige also nach seinem absterben, vff das er begraben wart, víf mich genommen 2c., 3. feria post Esto michi [5. Februar 1516]*.— „ll gr, Der Amptsschreyber mit eym pf. 2!/, tag vnd 2 nacht vortzert, als er den Ban, so er vom vorstorben gleitzman vff sich genommen, zu halle bei dem probst zum Nawenwergke vnd andern abgetragen hat, jnelusis 1 gr. fur eine Absolucion, 6. feria post letare [7. März 1516]“.

2) Vgl. daselbst, Reg. Bb Nr. 1169, 1170.

*) Vgl. daselbst, Reg. Bb Nr. 1173—1178, 1180, 1182, 1183, 1186, 1187, 1189.

4) Vgl.u.a. die Quittungen Bernhard Sols vom 6. Dezember 1528, 5. April und 30. Juni 1529, daselbst, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 1822.

5) Vgl. die Quittungen Bernhard Sols vom 30. Juni 1529 und 27. November 1530, Weimar a. a. O. Nach den voranstehenden An- gaben erweisen sich die Nachrichten Gundermann, (Chronik der Stadt Eilenburg S. 289, als durchweg falsch.

*) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 105.

?)'Vgl. hernach S. 27ff. Anm. 5.

5) Vgl. Weimar, Reg. Ji Nr. 3 Bl. 261b, Reg. Ji Nr. 4 Bl. 667b.

?) Vgl. Neudecker und Preller, Spalatins historischer Nach- laß usw. 1. Band S, 53.

10) Vgl. Bergner, Urkunden zur Geschichte der Stadt Kahla S. 72, Weimar, Reg. Ji Nr. 3 Bl. 263a, Kopialbuch F 14 Bl. 307b.

25 25

Rupsch?), Rupff?) u. dgl. genannt, stammte vermutlich aus Kahla oder der Gegend von Kahla. Wenigstens deutet darauf der Ausdruck „haym ziehen“, womit er 1521 eine Reise von Torgau nach Kahla bezeichnete?), sowie die Tatsache, dab er in Kahla Verwandte („freunde“) hatte*). Sicher ist, daB Ruppsch bereits 1507 der „rechte pfarrer“ dieser Stadt war?), d.h. das Pfarrlehn besaß, aber die Pfarrgeschäfte durch einen Stellvertreter besorgen lieb. Da die Landgrafen Friedrich, Wilhelm und Friedrich im Jahre 1413 das Patronatsrecht über die Kirche zu Kahla dem Georgenstift in Altenburg verliehen hatten ®), unterliegt es keinem Zweifel, daß Ruppsch den Besitz der Kahlaer Pfarrpfründe dem Kapitel dieses Stifts verdankte. Die sog. Pension, die die Pfarrer von Kahla an ihre Patronatsbehörde zahlen mußten, betrug seit 1434 4 Schock Gr. jährlich.) Nachdem auch Ruppsch früher seine Pfründeabgabe gezahlt hatte, beklagte sich das Altenburger Stiftskapitel 1522 bei Friedrich dem Weisen darüber,.daf er mit drei Terminen im Rückstand geblieben sei. Indessen machte der Säumige zu seiner Entschuldigung geltend, daß sein Pfarreinkommen „an teglichen Opfern vnd Genieß merklich gefallen“ sei.5)

Wegen der losen Verbindung, die zwischen Ruppsch und seiner Pfarrgemeinde bestand, kann es nicht wunder- nehmen, wenn über seine Tätigkeit in Kahla wenig ver-

1) Vgl. Seidemann, Anton Lauterbachs Tagebuch S. 5.

2) Vgl. Michael Praetorius, Syntagma Musicum, 1614, tomus I p. 451. Auf einem Lesefehler beruht. es, wenn Ruppsch von Burk- hardt, Luthers Briefwechsel S. 110, und danach von Enders a. a. O. 5. Bd. S. 363 „Conrat Fridrich“ genannt wird. Denn im Original steht nicht Fridrich, sondern furderlich.

3) Vgl. hernach S. 27 ff. Anm. 5 Nr. C.

+) Vgl. Weimar, Reg. Ji Nr. 3 Bl. 263a.

9) Vgl. Bergner a. a. O.

6) Vgl. Mittheilungen der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes 1. Band 1. Heft S. 77ff., 3. Band S. 341, 4. Band S. 230ff.

*) Vgl. daselbst 1. Band 1. Heft S. 84, 3. Band S. 342f.

5) Vgl. E. Lóbe in: Mittheilungen des Vereins für Geschichts- und Alterthumskunde zu Kahla 1. Band S. 35, J. u. E. Lóbe, Ge- schichte der Kirchen und Schulen des Herzogtums Sachsen-Altenburg 8. Band S. 488. Aller Wahrscheinlichkeit nach lag der Entschuldigungs-

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lautet. Als Pfarrer stand ihm das Recht zu, die Frühmeß- präbende und die Vikarie St. Erhardi der Pfarrkirche zu verleihen.) Über den Frühmesser Heinrich Hirschstein beschwerte sich der Rat von Kahla 1520 bei Ruppsch?), und, wie es scheint, galt dessen im September 1521 geplante Heise in erster Linie der Abstellung dieser Beschwerden?). Ob Ruppsch auch durch den vorübergehenden Anschluß seines pfarramtlichen Stellvertreters an Karlstadt im Jahre 1524 und durch die auf diese Weise zu Kahla entstan- denen Wirren in Mitleidenschaft gezogen wurde‘), steht dahin.

Außer dem Pfarrlehn der St. Margaretenkirche zu Kahla besaß Ruppsch in dem nämlichen Gotteshause die dem Kahlaer Rat zuständige Vikarie der Jungfrau Maria auf dem Altar der heiligen drei Könige. Da er nicht in Kahla residierte, erhielt er seit der Kirchenvisitation 1529 von dem Einkommen dieser Stelle nur noch 22 Gulden, während der Rest im Betrag von 14 Gulden 6 Gr. in den Gemeinen Kasten floB. Der zur Vikarie gehörige Weinberg wurde 1529 einem „freunde“ Ruppschs für 15 alte Schock Gr. verkauft und die ebenfalls dazu gehörige Be- hausung in der Burg am 20. Februar 1530 auf Ruppschs Fürsprache von Kurfürst Johann dem Kantor Johann Walter zu Erb und eigen verschrieben. Noch im Jahre 1533 bezog Ruppsch die erwähnten 22 Gulden.’) |

Bekannter wie der Pfarrer und Vikar von Kahla ist

brief Ruppschs dem Schreiben bei, das Friedrich der Weise am 80. November 1522 dem Stiftskapitel der Altenburger Georgenkirche zugehen ließ, erhalten Weimar, Reg. Kk Nr. 7.

1) Vgl. Weimar, Reg. Ji Nr. 3 Bl. 263bf.

2) Vgl. J. u. E. Lóbe a. a. O.

3) Vgl. hernach S. 27 ff. Anm. 5 Nr. C. Daß unter dem hier genannten »fruhmesser* Hirschstein zu verstehen ist, erhellt daraus, daß dieser noch 1533 einen Teil der Frühmefpfründe bezog. Vgl. Weimar, Reg. Ji Nr. 4 Bl. 667b.

*) Vgl. Enders a. a. O. 5. Band.S. 39. Über Luthers Auf. enthalt zu Kahla im Jahre 1524 vgl. daselbst S. 40 Anm. 7 und Mit- theilungen der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes 4. Band S. 75.

5) Vgl. Weimar, Reg. Ji Nr. 3 Bl. 2615, 263a, Reg. Ji Nr. 4 Bl. 6675, Kopialbuch F 14 Bl. 307bf. Über die Vikarie der Jung- frau Maria vgl. Bergner a. a. O. S. 77f.

27 27

der „Capellen Meister“ oder „Sangmeister“, der Leiter der „Capelle“, „Singerei* oder ,Kantorei^ Friedrichs des Weisen, an der dieser seine besondere Freude hatte und auf die er so stolz war, daß er sie oftmals zu den Reichs- tagen mit sich nahm.) Ruppsch gehörte schon vor 1500 der kurfürstlichen Kantorei an. Denn zwischen 4. Juli und 21. Oktober 1499 zahlte der Landrentmeister Johann Leimbach „6 fl. 9 gr. Zubwß fur Contz Singer bis vf michaelis jm 99*.*) Daß er bereits am Anfang des 16. Jahr- hunderts ein geschätztes Mitglied seiner Genossenschaft war, zeigt das Gehalt, das Friedrich der Weise ihm gewährte. Während nämlich die in den Jahren 1503— 1505 tätigen Chorsänger nur mit 16 Gulden Jahresgehalt besoldet wurden, erhielten Ruppsch und „Er peter“ 24 Gulden.?) Anfäng- lich Laie, ließ Ruppsch sich später zum Priester weihen und hielt am 24. März 1505 in Weimar seine Primiz. Bei dieser Gelegenheit spendete der Kurfürst 10 Gulden „Opfergelt“.*)

In Ruppschs Tätigkeit als Kapellmeister gewähren einige Briefe, die er an Friedrich den Weisen richtete, Einblick.°)

t) Vgl. Neudecker und Preller a. à. O.^ Zu den Bezeich- nungen Kapellmeister, Sangmeister, Kapelle und Kantorei vgl. auch . Weimar, Reg. Rr S. 1—3816 Nr. 6 und Kopialbuch F 14 Bl. 2180 ff., Praetorius l. c., de Wette a. a. O. 3. Theil S. 102, Enders a. a. O. 5. Band S. 862 f., Corpus Ref. vol. I col. 799.

2) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4169. Gemein Vßgabe.

*) Vgl. daselbst, Reg. Bb Nr. 4185, 4188.

*) Vgl. daselbst, Reg. Bb Nr. 4187, unter dem Datum des 24. März 1505.

5) A.

Dem durchleuchtigsten, hochgebornnen Fursten vnd hern, hern Friderichenn, hertzogen zu Sachssen, churf. vnd vicarien :c., meinem gnedigstenn hernn.

Durchleuchtigster, Hochgebornner Churfurst. E. churf. g. sein Mein vntertenige schuldige dinst alle zeit zuuor bereyt. Gnedigster her, E. churf. g. gebe jch vnterteniglich zuerkennen, Das jch zwey wittenburgische bucher in Meiner herberg zu torgaw in verwarung Ligende habe, Daraus man sich alles des jenigen, so jn dem gesang die Notturfft erfordert, zu gebrauchen jn willens jst, woll gnuglichen zuerhollen hatt. Nach dem Aber her Gangolff [Becker, Vikar an der Schloßkirche] zu wittemberg jtzt des furhabens sein soll, villeicht E. churf. g. beuelh nach volge zuthun, Solche bucher noch einmalh zuschreyben, Welchs dan, wie E. churf. g. zubedencken, vill

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Danach hatte er nicht etwa bloß die Proben und Aufführungen der Kapelle zu leiten, sondern auch für die notwendige Ergän-

nn

schreyben gebrauchen will, so es doch in ansehung der Notturfft von vnnotten. Doch will jch solchs E. churf. g. jn vntertenigkeit, ob E. churf. g. vonn disen buchern, wie obengemelt, nit wissen trugen, Domit sich E. churf. g. in dem vf mein bericht zuentsliessen wusten, vnangezeigt Nit habe lassen wollen. Vnnd was Nun jn dem E. churf. g. gemut jst, haben sie darauf weitter zubeuelhenn. Das wolt E. churf. g. jeh jn vntertenigkeit nit bergen. Dan denselben E. churf. g- vnter- teniglich vnd gehorsamlich zudinen, erkenn jch mich schuldig vnd zutun willig. Datum Aldenburg Dornstag Nach exaudi [24. Mai]

Anno 3c. xx. E. Churf. G.

vnterteniger Caplan Conradus Ruptzsch. Original. Papierfolioblatt. Siegel erhalten. Weimar, Reg. Ji Nr. 98.

B.

Dem durchleuchtigsten, Hochgebornen Fursten vnnd herren, herrn Friderichen, hertzogen zw Sachsen, des heylichen Romischen Reychs Ertzmarschalh, Churfürsten vnd Vicaryen 2c., Landtgrauen jn Doryngen vnd Marggrauen zw Meyssen, meynem gnedigsten herrenn.

Durchleuchtigster, hochgeborner Churfürst, Ewrn Churf. g. seint meyn armes gebet gegen got sambt vntertenigen, gehorsamen dinsten alletzeit zuuoren bereyt.

Gnedigster her, Ewer churf. g. gebe ich demutiglich zuerkennen, wie es dieser Zeit vmb die Cantorey gelegen, das ich besorge, so E. chur. g. eingtmalhs wollen gesungen haben, das die knaben mutyrn werden, vnd ich wer wyllens, vngeuerlich drey knaben von wegen E. Churf. g. abtzufertigen. Derhalben ist meyn vntertenig bitt, E. chur. g. wollen gnediglich beuelhen, das solch geldt zw abfertigung der knaben dargereicht werde.

Dyeweil dan der Baltatzar den Tenor zw syngen fast vnge- schickt vnd nitt vill nutz, wo ewr churf. [g.] gemuth, bedunkt mich, das yme zw diesen malh sein abschiedt gegeben wurde. ZEE

Der Tenoristen halben habe ich verstanden, das Ewr Churf. g. ein brister haben sollen, welcher den tenor zw syngen geschickt sey. So wer wol vonnothen zwbevlissigen, vff das Man solcher gesellen Ein oder drey jrlangen mocht; dan E. churf. g. dieser Zeit gar vbel geschickt sein mit Tenoristen.

Nachdem auch zweye nawe bassisten vorhanden sein zw syngen fast vngeschickt vnnd grob, so were vonnothen, das man vill vnd offte sünge, domit sie geschickter vnd des gesangs gevbter wurden. Nu hab ich mangel an Altistenn, darumb solehs vnderwegen bleybt.

Es felt auch zw notturft der knaben fuhr, das sie an leylachen vnnd bettziechen mangel haben, welchs dan der knaben, so es nit ge-

29 29

zung des Stimmmaterials, für die körperlichen Bedürfnisse der Sängerknaben u. dgl. Sorge zu tragen. Dabei mußte er sich

bessert, verderblichkeyt sein mochte. Derhalben ist an E. churf. g. mein demutige bitt, wollen gnediglich beuelhen, das das jeuige, so man dartzw haben must, erkauft wurde.

Ich byn durch Doctor wolffgzangs [Stehelin] vnd Christann [Beyer] zw Wyttenberg dyner, jungst am vorschynnenen Hofgericht alhir gewest, bericht worden, das ein guter Altist zw Wyttenberg, welcher jn die Cantorey dinstlich sein solt, vorhanden ist. Derohalben, so Es Ewr chur. g. vor guth ansehen, hetten dieselbe E. chur. g. her Pawls knoth zw schreyben, sich zwbefragen vnnd den fürder anher zwbestellen.

Auch solt von notten sein, wo E. churf. g. des wyllens, dye -Cantorey vf den kunftigen Reichstagk mitzwnehmen, das die gesellen alle zwsamen komen mochten, vf das sie des gesangs gewentten vnd diser mynder jrrung darjnnen fuhrfylen.

Das alles habe E. churf. g. ich demutigs vleiss jn Vntertenig- keit vntangetzeigt nit wissen zuuerhaltten; dan denselben E. Churf. g. gehorsamlich zw dynenn, bin ich willig vnd zuthun schuldig. Aldenburgk dinstags nach Johannis Baptiste (26. Juni] jm xxten.

E. Churf. G. Vnterteniger Caplan Conradus Ruptzsch.

Original. Altenburg, Regierungsarchiv, Konvolut Cl. XI. Ba Nr. 30.

Ich verdanke die Abschrift der Verwaltung dieses Archivs.

C. Dem Durchlauchtigsten, Hochgebornenn Fursten vnnd herrn, herrn - Friderichen, hertzogen zu Sachssen, des hailigen Römischen Reichs Ertzmarschalh vnd churfurst, Landgrauen jn Dhuringen vnd Marggraf zu Meissenn, meinem gnedigsten herrn.

Durchlauchtigster, Hochgeborner churfurst, Gnedigster herr. E. churf. g. thue ich erstlich auffs aller vnntertenigst Biten vmb et- leubnus haym zu ziehen, domit ich mein sachen doselben mit dem fruh- messer vnd andere geschefite dester statlicher ausrichten möge.

Zum andern Bit. E. k. f. g. ich, wollen mir zuerkennen geben, wie ichs diweil mit den gesellen vnnd knaben halten vnnd, wo es zu Ilenburg sterben wurde, wo ich dieselben hinschigken soll.

Dye gesellen clagen auch, das sye wyder heller noch pfenung haben. Biten, E. k. f. g. wollen jnen das quattemmer gelt vorschaffen, domit es jnen werden móchte.

Dieweil auch E. k. f. g. vnns itzt zurzeit zugebrauchen nicht. gedengken, wolt ich gerne eynen knaben ader funíf abferttigen, dan sye wenig nutz sein, Vnd, wo ich gelt hete, wold ich dieselben an- haim schigken.

30 30.

freilich jeweils nach den Befchlen seines Landesherrn richten. Im Jahre 1525 besaß Ruppsch acht „Gesellen“, nämlich. Georg Lang, Paul Knod, Benedikt Zingeruft, (Zucken- rauff) Stephan N., Otto N, Johann Walter, Leodegar N. und Christian N., und zehn „Syngerknaben“, die von einem besondern Lehrer, als Baccalaureus oder Resumptor bezeichnet, „zur Lehre und Zucht“ angehalten wurden.) Von den Ge- nannten waren Zingeruft und Christian N. Altisten, Lang Tenorist sowie Walter und Leodegar N. Bassisten.?) Als Jahresgehalt erhielten 1525 Ruppsch 24 Gulden und jeder Geselle sowie der Lehrer der Knaben 16 Gulden.?) Außerdem wurden sie vom Hof mit Kost und Kleidung ver- sorgt und empfingen an Neujahr ein Trinkgeld.*)

Ain Bassist ist willens, auf sein lehen geiu Strasburg zu ziehen; wo es geschiet, besorg ich, das ehr schwerlich widrumb komen werde,

Derhalben Bit E. k. f. g. ich gantz vnntertenigklich, E. churf. G- wollen mir, wes ich mich jn diesen stugkeu vnd artigkeln allen halten soll, gnedigkliehen anzcaigen vnnd schreiben lassen. Das bin ich vmb hoch-. bemelt E. k. f. g. ich zuuordienen erbótig. Datum Torgaw Montags nach Natiuitatis Marie [9. September] Anno domini ?c. xxjo.

E. churf. G. vnnterteniger Caplan vnd diener Conradus Ruppsch.

Gnedigster herr, jn dieser stund hat mir der knaben Resumptor zu Eylenberg geschriben, wie ein knab sey krangk worden, dorumb von nóten sein wolt, dieselben voneinander zuthun. Bittend derwegen, wie oben, wes ich mich halten soll, gnedige vnnd forderliche antwort. Datum utsupra.

Des Resumptors brief thue E. k. f. g. ich hierjn verschlossen hie- mit auch uberschigken.

Original. Papierfoliobogen. Siegel erhalten. Weimar, Reg. Ll Nr. 796. Hier findet sich auch der in Ruppschs Schreiben erwähnte Brief des Resumptors Johann Meminger.

!) Vgl. Weimar, Reg. Rr a. à. O., Neudecker u. Preller a.a. O. Über Paul Knod vgl. vorher 7. Jahrg. 8. Heft S. 36 ff. Die Form Zuckenrauff findet sich Weimar, Kopialbuch F 14 Bl. 219b f, Für die Bezeichnungen Gesellen und Resumptor vgl. vorher Anm. 5 Nr. C.

2) Vgl. Weimar, Reg. Rr a. à. O. Aus Weimar, Kopialbuch F 14 Bl 219b f., 308a, erhellt, daß Lang Tenorist und Zingeruft Altist war.

3) Vgl. Weimar, Reg. Rr a. a. O.

4) Vgl. Ernst Pasqué in: Niederrheinische Musik-Zeitung 13. Jahrg. S. 26.

31 3l

Ruppsch und seine Kapelle hielten sich nicht etwa ständig, sondern nur zeitweise am Hoflager auf. Beispiels- weise kamen sie zu den Weihnachtsfeiertagen 1519 von "Altenburg nach Lochau, wo der Kurfürst damals resi- dierte!) Sie sangen im Hofgottesdienst und bei sonstigen Festlichkeiten, die ihr Herr veranstaltete. So reisten 24 Sänger, vier Geiger und ein Organist im letzten Drittel des Januars 1513 für einige Tage nach Wittenberg, als hier Friedrich der Weise fürstlichen Besuch aus Würt- temberg hatte.? Wie die mitgeteilten Schreiben Ruppschs an die Hand geben, war zwar die Einrichtung der Kantorei dauernd, aber ihre Tätigkeit so wenig fortlaufend, daß ihre Übungen zeitweise längere Unterbrechungen erfuhren.

Nachdem Ruppsch die kurfürstliche Kapelle bis zum Tod Friedrichs des Weisen geleitet hatte, erhielt er bereits im zweiten Regierungsjahr Johanns den erbetenen Abschied.. Maßgebend für sein kurz vor dem 22. Juni 1526 vom Landesherrn genehmigtes Rücktrittsgesuch dürften hauptsächlich der schon in seinen mitgeteilten Briefen be- klagte Mangel an tüchtigen Sängern und die dadurch be- dingten unbefriedigenden Leistungen der Kantorei, sowie die Sparsamkeitsrücksichten des neuen Kurfürsten, der die für die Liebhaberei seines Bruders aufgewendeten Mittel in besserer Weise anzulegen gedachte, gewesen sein.?) Ruppsch bezog auch nach seiner Verabschiedung sein früheres Gehalt in Betrag von 24 Gulden jährlich‘) War mit seinem Rück- tritt die Auflösung der Hofkapelle eingeleitet, obwohl Luther um deren Erhaltung bei Kurfürst Johann lebhaft sich be- müht hatte), so wurden bald nach dem Meister auch seine

1) Vgl. Chronicon sive annales Spalatini l. c. col. 599.

?) Vgl. Weimar, Reg. Bb 2760, Aufgabe vor die wochliche kuche usw.

3) Vgl. Enders a. a. O. 5. Band S. 362 f., Förstemann, Luthers Tischreden 4. Abth. S. 564.

*) Vgl. u.a. Weimar, Reg. Bb Nr. 4345, 4348, Rubrik: Für die Geistlichen und Organisten..

5) Vgl. de Wette a. a. O. 8. Theil S. 102, Enders a. a. O. S. 361 ff. f

32 32

Gesellen entlassen!) Um den den Reformatoren besonders nahestehenden Bassisten und Komponisten Walter vor Nahrungssorgen zu bewahren, verwendeten sich Luther und Melanchthon für ihn beim Kurfürsten mit dem Erfolg, daß dieser dem stellungslos Gewordenen am 8. Dezember 1527 25 Gulden jährlich von dem Einkommen der durch den Tod des Altenburger Stiftsvikars Jakob Ingolstadt erledigten Pfründe verschrieb.?) ‘In ähnlicher Weise bedachte der Kurfürst am genannten Tage den Altisten Benedikt Zingeruft (Zuekenrauff) und am 2. März 1530 den Tenoristen Georg Lang.)

Besondere Erwähnung verdient Ruppsch als Berater Luthers in musikalischen Fragen. Wie nämlich Johann Walter berichtet, verschrieb sich der Reformator, ehe er die deutsche Messe im Gottesdienst einführte, diesen und den Kapellmeister nach Wittenberg und besprach sich mit ihnen über die „Choral Noten vnd Art der acht Ton“.*) Einen Einblick in die musikalischen Fähigkeiten Ruppschs gewähren seine erhaltenen Kompositionen’)

!) Vgl. hernach Anm. 2.

?) Vgl. Corpus Ref. vol. I col. 799, de Wette a.a. O0. S. 129, Weimar, Kopialbuch F 14 Bl. 218^ ff. In dem zuletzt angeführten Schriftstück bemerkt Kurfürst Johann u. a.: „Nachdem vnnser lieber getreuer, Johann walter, weylend dem hochgebornenn Furstenn, vnnserm lieben brudern, hertzog Fridrichenn, Churfursten ?c., seligs gedechtnus ein tzeitlang als fur ein Bassistenn vnnd singer jnn seiner lieb Capelln vnnd Cantorey gedienth vnnd sich noch apsterbenn ge- dachts vnnsers lieben bruders seligen also zugetragen, das wir die selbig Cantorey haben zurgehenn vnd dem walther vnnd andern singern berurter Cantorey iren abschiedt gebenn lassenn, derselbige walther auch zu wenig anderm dinst geschickt, domit er sein tzeit- liehe narung erlangen móchte, vnnd es mit vnnser Cantorey die ver- anderung erlanget, hat er vnns vndertheniglich gepeten, jen jnn ander wege mit gnaden zu bedencken“. Vgl. auch Torgauer Gymnasial- programm 1870 S. 13, Mittheilungen der Geschichts- und Alterthums- forschenden Gesellschaft des Osterlandes 1. Band 4. Heft S. 58, 64, 86, 10. Band S. 105 f.

3) Vgl. Weimar, Kopialbuch F 14 Bl. 219» f., 3088 f,

4) Vgl. Praetorius |. c.

5) Vgl. Eitner, Biographisch-Bibliographisches Quellen-Lexikon der Musiker und Musikgelehrten 8. Band S. 363.

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10. Markus Sehart!)

wird in einer Liste, die die Räte und Diener Friedrichs des Weisen und seines Bruders Johann im Jahre 1518 aufzählt, unter der Rubrik „Edelleut“ erwähnt und in einem 1525 hergestellten Verzeichnis der Hofbeamten und -diener Friedrichs des Weisen an der Spitze der Einrösser ge- nannt. In der letztern Eigenschaft bezog er ein Viertel- jahrsgehalt von 3 Gulden 18 Groschen.?) Schon 1496 schätzte der Kurfürst seine Dienste so hoch, daß er ihm am 11. De- zember des genannten Jahres eine Anzahl von liegenden Gütern zu Rastenberg, Großneuhausen und Groß- brembach zu Lehen verschrieb. Diese Güter sollten im Fall, daß Markus ohne männliche Leibeserben stürbe, seinen Brüdern Georg, Andreas, Volkmar und Jakob zufallen.?) Außerdem begnadete ihn der gleiche Kurfürst mit einem „Jargelt vff lebenlang“ in der Höhe von 20 Gulden.*)

Am Abend seines Lebens wurden Schart die natür- lichen Söhne Friedrichs des Weisen, Friedrich und Sebastian von Jessen, anvertraut.) Mit ihnen hielt sich der Einrösser in seinen letzten Jahren in dem Städtchen Jessen, wo die kurfürstlichen Söhne Lehen hatten, auf und starb auch hier am 21. März 1529.9)

Mit Luther befreundet, bedachte Schart diesen wieder- holt mit Geldgeschenken.’)

11. Bernhard Sol®, wie er selbst seinen Namen schreibt”), während andere ihn auch Soll und Solt nennen!?, stammte aus Koburg und

!) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 66.

2) Vgl. Weimar, Reg. Rr. S. 1—316 Nr. 3 und 6.

3) Vgl. daselbst, Kopialbuch D 5 Bl. Clxis ff.

4) Vgl. daselbst, Reg. Bb Nr. 4223 Bl. 7a.

5) Vgl. Schlegel, Vita Spalatini p. 229.

€) Vgl. Enders a.a. O. 7. Bd. S. 74, wo indessen „Gessen“, nicht „Hessen“ zu lesen ist, Mentz, Johann Friedrich 1. Teil S. 114.

?) Vgl. Enders a. a. O. 2. Band S. 218, 3. Band S. 74, Berbig in: Theol. Studien und Kritiken 1908 S. 36.

8) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 66.

9) Vgl. Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 1822.

10) Vgl. daselbst, Kopialbuch F 14 Bl. 149bf,, Erler, Matrikel 2. Bd. S. 449.

Archiv für Reformationsgeschichte. "VIII. 1. 8

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studierte seit dem Wintersemester 1507/8 in Leipzig. Hier erwarb er sich im Sommerhalbjahr 1509 den Grad eines artistischen Bakkalars.) Da er im Dezember 1531 auf einen nahezu zwanzigjährigen Dienst unter Friedrich dem Weisen und dessen Bruder Johann zurückblickte?), fand er vermutlich 1512 am kursächsischen Hof Anstellung. Schon im September 1515 wird Sol als „Renthschreyber“ ange- iroffen.?) Daß er zur Zufriedenheit seiner Landesherren dieses sein Amt versah, bezeugen die ihm zuteil gewordenen Gnaden- beweise. Friedrieh der Weise bedachte Sol mit einem lebenslänglichen „Jahrgeld“ von 42 Gulden‘), Kurfürst Johann verschrieb ihm am 20. Mai 1526 600 Gulden und am 16. Februar 1532 eine Anzahl von Lehngütern im Amt Bitterfeld.) Mit der letztern Verleihung entsprach er dem Ansuchen Sols vom 20. Dezember 1531.5 Im Jahre 1533 wurde der bisherige Rentschreiber zum Geleitsmann zu Torgau ernannt. Hier amtierte er noch im Jahre 1546.°)

12. Urban Sprecher?)

Vermutlich geht die Einführung der evangelischen Abend- mahlsfeier zu Jessen auf Urban Sprecher zurück. Dieser stammte aus Jessen?) und wurde darum auch als Urban Jessen oder Gessen bezeichnet.!?) Seit dem Sommersemester 1500 studierte er in Leipzig und seit dem Winterhalbjahr 1502/3 in Wittenberg.'!) Hier wurde Sprecher auch um Weihnachten 1503 Bakkalar und am 3. Februar 1507 Magister

1) Vgl. Erler a. a O. 1. Bd. S. 483, 2. Bd. S. 449. ?) Vgl. Sols Schreiben an Kurfürst Johann vom 20. Dezember 1531, Weimar, Reg. Rr a. a. O.

3) Vgl. Weimar, Beg. Bb Nr. 2765, Ausgab für die wuchentliche kuchen An Gelde vnd vhorrot.

*) Vgl. daselbst, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 6.

5) Vgl. daselbst, Kopialbuch F 14 Bl. 149bf,, 357a f.

9) Vgl. daselbst, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 1822.

?) Vgl. daselbst, Reg. Rr S.1—-316 Nr. 8 und 1822, Reg. Bb Nr. 4626.

8) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 105.

?) Vgl. Erler, Matrikel 1. Band S. 136, Foerstemann, Album p. 9, Kóstlin, Die Baccalaurei usw. 1503—1517 S. 17, 97.

10) Vg]. Kóstlin a. a. O. S. 23,

1) Vgl. Erler a. a. O., Foerstemann l.c.

35 | 35

der freien Künste.) Im Sommerhalbjahr 1513 in den Senat der Artistenfakultät aufgenommen, war er im Wintersemester 1515/16 Dekan dieser Fakultät.) Aus der nahen und lang- jährigen Verbindung Sprechers mit der Wittenberger Hoch- schule erklärt es sich leicht, daB er die Pfarrei Jessen erhielt. Deun diese war der Schloßkirche zu Wittenberg inkorporiert, und dem dortigen Universitätssenat stand das Recht zu, den Jessener Pfarrer zu wählen und zu nominieren.?)

Daß Sprecher schon im Winter 1521/22 das Pfarramt in Jessen verwaltete, erhellt aus seinem Schreiben an Friedrich den Weisen vom 17. März 1525 und dem Brief des Rats zu Schweinitz an denselben Kurfürsten vom 23. März 1525.%) In jenem beschwerte sich Sprecher dar- über, daß der Schweinitzer Rat ihm zwei Jahre lang die schuldige Abgabe vom Dorf Steudnitz vorenthalten, und in diesem rechtfertigte sich der Rat u. a. mit der Bemerkung, daß er dem Pfarrer die Abgabe zugestellt, „Biß Bo lang er selbst, do er jm ewangelio erstlich Brunstig vnd hitzig, daß opffer vnd ander vnbillige schatzung verachtet, verlestert vnd . gentzlieh zu boden sturtzt*.

Im Jahre 1523 bereits verheiratet, wurde Sprecher von dem Kanzler Hieronymus N. gedrüngt, seine Frau zu entlassen, für Luther die Veranlassung, bei Spalatiu für den Jessener Pfarrer sich zu verwenden.)

Sprecher starb kurz vor 20. April 1533 mit Hinter- lassung einer Witwe und mehrerer Kinder.)

Móglieherweise war auch an der Einführung des Abend- mahls unter beiderlei Gestalt zu Jessen der Prediger oder Kaplan Peter N. beteiligt, der sieh zwischen der 1528 in

1) Vgl. Kóstlin a. a. O. S. 2, 23, wo jedoch im Original nicht „Ianuarii“, sondern „februarii“ steht.

2) Vgl. daselbst S. 17, 27, 29.

3) Vgl. Meisner l. c. p. 46 sqq.

*) Vgl. Weimar, Reg. Ji Nr. 130.

5) Vgl. Enders a. a. O. 4. Band S. 268. Unter dem Kanzler Hieronymus ist nicht Hieronymus Schurpff und schwerlich der kurfürstliche Sekretär Hieronymus Rudelauf gemeint. Denn daß dieser kein Gegner der Priesterehe war, zeigt unsere Nr. 100.

6) Vgl. Magdeburg, Staatsarchiv, Amt Wittenberg, Handelsbuch 1539—1550 Bl. 23b.

3*

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Jessen abgehaltenen Kirchenvisitation und dem 19. Oktober 1530 in das zum Hospital umgewandelte Graue Kloster in Wittenberg zurückzog und hier noch 1534 lebte.!)

13. Michael von der Straße?)

oder von der Straßenn, wie er sich bezeichnete), entstammte einer aus der Schweiz nach Sachsen eingewanderten Familie und wurde zu Dresden geboren‘). Im Winterhalb- jahr 1503/4 ließ er sich an der Hochschule zu Wittenberg immatrikulieren.) Schon 1511 als Geleitsmann in Borna nachweisbar9) wirkte er hier bis zu seinem kurz vor dem 18. Juni und wahrscheinlich am 14. Juni 1531 erfolgten Tod.”?) Der Finanzbeamte besaß so hervorragendes kaufmännisches Geschick, daß Degenhart Pfeffinger und Johann von Dolzig seit 1511 auf den Leipziger Märkten von ihm viele Einkäufe für den kurfürstlichen Hof besorgen ließen. So kaufte er Waren für die Hofküche und die Silberkammer, Hausrat für die Schlösser, Papier für die Kanzlei, Wachs und sonstige Bedarfsgegenstände für die Wittenberger Schloß- kirche u. dgl. ein) Daß seine Dienste auch der Landesherr schätzte, beweist das Geldgeschenk, das Friedrich der Weise im Herbst 1522 „auß gnaden* dem Geleitsmann von Borna durch Hieronymus Rudelauf zustellen ließ.®)

1) Vgl. Pallas, Die Registraturen usw. 2. Abt. 3. Teil S. 211f., Wittenb. Kastenrechnung 1530 (Reinschrift), Gemeine Ausgabe: „21 gr. vor ein beltze, gebenn Er peter, prediger zum Jhesse geweßenn vnnd itzunt yhm grawen closter ist“. Im Konzept der Rechnung ist dieser Posten 19. Oktober 1530 datiert.

d Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft S. 66.

3) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 662, 4221.

4) Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie 36. Bd. S. 506, Foerste- mann, Album p. 11.

5) Foerstemann l c.

*) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 658, 662, 4253.

7) Vel. daselbst Nr. 685, 686, wonach am 18. Juni 1531 Johann Pertzschmanu der Nachfolger von der Straßes wurde.

5) Vgl. u.a. Weimar, Reg. Bb Nr. 4212, Gemein ausgabe, Nr. 4239, Ausgab fur die Cuchen, Nr. 4247, Ausgabe fur die Cuchen, und be- sonders die von von der Strafe über seine Einkäufe hergestellten Listen Reg. Bb Nr. 4221, 4253, ferner Reg. Aa Nr. 2242 Bl. 12a.

9?) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4325.

37 37

Von der Straße war mit Margarete Kummer äus Wurzen verheiratet. Mit Luther verbanden ihn freundschaft- liche Beziehungen. Auf seiner Rückreise von der Wartburg war der Reformator am 5. März 1522 des Geleitsmanns Gast?), und, als dieser 1531 auf den Tod erkrankt war, widmete er ihm seine Fürbitte und seinen Trost.) Auch um die Söhne des nieht in Wohlhabenheit aus dem Leben Ge- schiedenen nahm sich Lutber an, indem er zwei von ihnen für Stipendien empfahl.) In Wittenberg studierten drei Söhne, nämlich Christoph und Gregor, im Winter- semester 1523/4, und Hieronymus, im Sommersemester 1533 an der Universität inskribiert.) Unter ihnen ist der 1511 geborene Christoph, der Professor der Rechte in Frank- furt a. O. und kurf. brandenburgischer Rat war, der be- kannteste.)

14. Johann von Taubenheim

war ein Vetter des in der Geschichte Kursachens ebenfalls bekannten Christoph von Taubenheim.?) Da ein um 25. Mai 1490 niedergeschriebenes Verzeichnis „Meiner gne- digen hern Jungen“ unter den 24 Edelknaben Friedrichs des Weisen und seines Bruders Johann an zweitletzter Stelle einen „Tubenhayn“ nennt?) darf mit der Möglich- keit gerechnet werden, daß der spätere Landrentmeister schon 1490 oder kurz vorher an den Hof der Ernestiner

1) Vgl. Becmann, Notitia Universitatis Francofurtanae p. 183.

2) Vgl. de Wette, Luthers Briefe usw. 2. Theil S. 141.

3) Vgl. J. E. Kappens Kleine Nachlese usw. 2. Theil S. 733 ff.

*) Vgl. de Wette a. a. O. 4. Theil S. 685 f.

5 Vgl. Foerstemann |. c. p. 120, 150.

9) Vgl. über ihn Allgemeine Deutsche Biographie 36. Bd. S. 506 ff., Knod, Deutsche Studenten in Bologna S. 560.

?) Vgl. vorher 6. Jahrg. 4. Heft. S. 66.

5) Vgl. Weimar, Reg. Aa Nr. 2242 Bl. 11a,

?) Vgl. daselbst, Reg. Bb Nr. 4142, Schugelt, machlon, Stiffel- geldt usw. In den erhaltenen Listen der Edelknaben aus den Jahren 1508—1505 erscheint kein Tubenhayn oder Taubenheim. Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4185, 4188. Da um diese Zeit unser Tauben- heim studierte (s. hernach), so würde dieses Fehlen seines Namens nicht der Annahme widersprechen, daß er 1490 Edelknabe war.

38 38

kam. In diesem Fall hätte er in sehr jugendlichem Alter das Elternhaus verlassen. Taubenheim erwarb sich seine Hochschulbildung zu Leipzig, wo er im Sommersemester 1504 immatrikuliert und im Sommerhalbjahr 1505 zum artistischen Bakkalar graduiert wurde.) Spätestens 1511 in den Hofdienst eingetreten?) war er nicht nur unter Friedrich dem Weisen, sondern auch unter dessen zwei Nachfolgern in hohen, verantwortungsvollen Stellungen tätig. Eine Rechnungsnotiz, die Taubenheim zusammen mit Degenhart Pfeffinger und Johann von Dolzig 1512 auf dem Ostermarkt zu Leipzig erwähnt?), läßt entnehmen, daß er bereits damals mit Finanz- und Rechnungssachen zu tun hatte. Nicht nach 1513 übernahm er das Amt, das vordem der Hofkammerschreiber Stephan Strol (Ströl) versehen hatte.*) Seitdem verwaltete er, als Hofkammer- schreiber, Hofkammermeister und „vorordenter in der hoff- kamer“ bezeichnet?), die Kammer Friedrichs des Weisen. In dieser Eigenschaft nahm Taubenheim beispielsweise Ende November 1515 zu Wittenberg die Halbjahr-Rech- nung der Amtleute des sächsischen Kurkreises an und ver- einnahmte anfangs Januar 1516 am gleichen Ort „das gelt der bewilligten hulf“. Ferner zahlte er die sog. Hofquatem- ber, d. h. die vierteljährig fälligen Bezüge der aus der kur- fürstlichen Kammer Besoldeten, darunter auch die Gehälter der Wittenberger Professoren, aus und erstattete die Auslagen, die in den Ämtern infolge der fürstlichen Besuche ent-

1) Vgl. Erler, Matrikel 1. Band S. 460, 2. Band S. 418.

2) Nach Weimar, Reg. Bb Nr. 4212, Gemeine ausgabe, hielt Taubenheim sich schon um Ostern 1511 am kursáchsischen Hof auf.

3) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4215, Ausgabe zcerung. Vgl. auch vorher 7. Jahrg. 4. Heft S. 53.

*) Stephan Stról war noch im Oktober 1511 Hofkammer- Schreiber. Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4218, Ausgabe fur den Hoff- camerschreiber.

^) Vgl. zu diesen Amtsbezeichnungen u. & Weimar, Kopial- buch B8 Bl. cxxviia, Reg. Bb Nr. 2762, Aufgabe fur die wuchentliche kuchenn usw., Nr. 4239, Ausgabe fur den hoffkamerschreiber, Nr. 4240, Aufgabe fur den hoffkammerschreyber, Nr. 4258, Innam bewilligte hulffe jm land zu sachssenn, Nr. 4262, Ausgab fur den Hofikamer- schreyber.

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standen waren, usw. Daneben ist Taubenheim in einem Verzeichnis der Räte und Diener Friedrichs des Weisen und seines Bruders Johann vom Jahre 1518 an der Spitze der „Rosse“ erwähnt.) Die Leitung der Hofkammer war Taubenheim über den Tod Friedrichs hinaus anvertraut. Dafür erhielt er in der letzten Regierungszeit dieses Kur- fürsten vierteljährlich 63 Gulden 18 Groschen.?)

Als 1528 die Kirchenvisitationen im sächsischen Kur- kreise vorbereitet wurden, wünschte Luther Taubenheim als Visitator an seiner Seite.) Zweifellos spielte bei diesem Wunsch die Vertrautheit des kurfürstlichen Beamten mit dem Rechnungs- und Kassenwesen eine Rolle; gewiß fiel aber sein persönliches Verhältnis zu dem Reformator und zu der reformatorischen Sache ebenfalls ins Gewicht. Was seine Stellungnahme zu diesen beiden in den ersten Jahren nach 1517 betrifft, so lassen die Erwähnungen Tauben- heims im Briefwechsel Luthers erkennen, daß dieser jenen nicht nur zu den heroes Kursachsens, sondern auch zu seinen Freunden zählte?) Wie umgekehrt Taubenheim über den Reformator urteilte, erhellt am besten aus seinem Brief, den er bald nach den grofen Tagen von Worms an Friedrich den Weisen richtete.)

. 1) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 2765, Ausgab fur die wuchentliche kuchen usw., Nr.4240, Aufgabe fur den hoffkammerschreyber; Ein Vortzeichnus, vom Hansen von Taubenheym entfangen 2c., 1520, Weimar, Reg. O Nr. 204, Antzeige von etlichen Lection ... Zu eyner vnderricht Hansen von Taubenheym, daselbst Reg. O Nr. 315.

2) Vgl. Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 3.

*) Vgl. daselbst Nr. 6. |

*) Vgl. daselbst, Reg. Ji Nr. 1289.

5) Vgl. Enders a. a. O. 2. Band S. 406, 524, 3. Band S. 74, 76, 236, 213.

9)... „E. churf. g. wissen gnediglich, das doctor martinus durch kayserlicher Mt. erholt, mit glait gein wurmbs zukomen, erfordert, seiner lere erkundigung zuhaben. Darvff der gute man als gehorsamer, auch deme, des er sich vilfeltig erboten, gnuge zuleysten, hynaus ge- zcogen. In dem werden hievmb kayserliche mandat durch ein kayse- rischen boten jn den steten dieselbige mandat angeschlagen, vorkundigt vnd vil lebens damit gehabt, ob ye das arme hyrtloße folck nicht gnug zurstrawt, das nochmals durch solche mandat erschreckt vnd

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Kurfürst Johann berücksichtigte den Wunsch Luthers, Taubenheim oder Benedikt Pauli „nach yhrer gelegen- heytt“ zum Mitvisitator zu erhalten, in der Weise, daß er am 25. Juli 1528 Taubenheim und am 26. September 1528 diesen und Pauli zu Visitatoren ernannte.) Als Tauben- heim im Oktober 1528 der kurfürstliche Befehl, an den Visitationen teilzunehmen, zuging, hatte er gerade die Ab- sicht, nach Weimar zu reisen, um das dort eingekommene „anlag geld“ in Empfang zu nehmen und hernach das gesamte Anlagegeld zu verrechnen, eine Absicht, auf deren Ausführung er aber wegen der ihm gestellten neuen Aufgabe verzichten mußte. Am 22. Oktober 1528 nahmen Luther, Johann Metzsch, Taubenheim und Pauli die gemeinsame Arbeit zu Wittenberg in Angriff, mußten sie jedoch im darauffolgenden Sommer abbrechen. Zwar begannen Luther, Jonas, Taubenheim und Pauli am 14. Januar 1530 die Visitationen aufs neue, aber Taubenheims sonstige Obliegenheiten nötigten ihn, sich schon nach wenigen Tagen zurückzuziehen. Später war er nur noch gelegentlich als Visitator tätig, so am 2. April 1531 im Kloster Brehna.?) Als Mitglied der Kommission hatte

weyter vorlaytet wurde; ist doch das mandat dem gleit gar wyder- wertig. Dort stehet zuerkundung seiner lerr, so stehet jm mandat, ob er sich zu den artickeln, jn der bullen vordambt, bekenne vnd die wyderruffen wolle. Es lest sich alles thun bis zu seiner zceit, Aber es solt der jrrende, weil man sagt, das er jrre, geweist vnd nicht verdambt werden, yB anders gots worthen meher zu glawben dan menschlichen gesetzen; got gebe aus barmhertzikeit, das jn disem vnd allen andern hendeln sein gotliche glorie vnd erhe hoer betracht vnd ge- sucht, dan mentzschen vnd zceitlicher vorlust geforcht werde, es wurde sunst vbel zugehen . .. Datum eylburg dinstags nach Jubilate [23. April] Anno domini xv€ xxjo.^ Vgl. Weimar, Reg. Aa Nr. 2241 Bl. 9b, 105.

1) Vgl. Enders a. a. O. 6. Band S. 310, Burkhardt, Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitationen S. 27 f., Weimar, Reg. Ji Nr. 1289.

?) Vgl. Nik. Müller, Die Kirchen- uud Schulvisitationen im Kreise Belzig 1530 und 1534 S. 2 ff, Pallas, Die Registraturen usw. 1. Ab- teilung S. 18 ff., 2. Abt. 2. Teil S. 308, das Schreiben Taubenheims

an Kurfürst Johann vom 13. Oktober 1528, Weimar, Reg. Aa Nr. 2245 Bl. 5,

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er die besondere Aufgabe, die Kirchenrechnungen zu prüfen, wozu er nach dem Urteil Luthers, Metzschs und Paulis in hervorragender Weise befähigt war.')

Nachdem Taubenheim viele Jahre lang arbeitsreiche Hofämter verwaltet und in dieser Zeit hauptsächlich in Torgau und Eilenburg seinen Wohnsitz gehabt hatte, kann man es verstehen, daß er sich nach einem Stellen- ünd Ortswechsel sehnte. 1531 ernannte Kurfürst Johann ihn zum Amtmann in Leisnig und ordnete am 14. Juni dieses Jahres seine Amtseinführung an.? Indessen wirkte er hier nur etwas über anderthalb Jahre.5) Berief doch der neue Kurfürst ihn wieder an den Hof. Erst nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es am 23. Dezember 1532 dem Hofmeister Johann von Minekwitz, Taubenheim zur Annahme des wohl am meisten belasteten Postens im innern Dienst des Landes, des Reutmeisteramts, willig zu machen, so daf Johann Friedrich am 30. Dezember seine Ernennung zum Rat und Rentmeister vollziehen konnte. Freilich ver- pflichtete sich Taubenheim nur auf drei Jahre, War er festen Willens, naeh Ablauf dieser Zeit zurückzutreten, so hatte der Kämmerer Johann von Ponickau Mühe, von ihm die Zusage für ein weiteres Jahr zu erlangen, wührend der Landesherr ihn auf drei weitere Jahre zu bestallen wünschte. Unter den Bedingungen, von denen Tauben- heim sein Verbleiben abhängig machte, spielte die Belehnung mit dem Dorf Golp und die Entbindung von der Verpflich- tung, auch die Rechnungen der thüringischen Landesteile zu prüfen, eine besondere Rolle.*) Schließlich hielt jedoch der Landrentmeister bis zum Jahre 1541 auf seinem Posten aus.

!) Vgl. Enders a. a. O. 7, Band S. 27 f. |

2) Vgl. das kurfürstliche Reskript an Wolf von Weißbach vom 14. Juni 1581, Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 1938.

3) Da Taubenheim am 18. März 1532 noch Amtmann in Leisnig war, erregt der de Wette a.a. O. 4. Theil S. 316 gedruckte Brief bezüglich seiner Jahreszahl 1532 Bedenken.

4) Vgl. Weimar, Reg. Rr S. 1—316 Nr. 1938, und hier besonders das Schreiben Taubenheims an Ponickau vom 14. Mai 1536, Über das Amt des Landrentmeisters vgl. Mentz, Johann Friedrich 3. Teil S. 185 ft.

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Noch im Sommer dieses Jahres im Amt, erhielt Tauben- heim bald hernach zum Nachfolger Jakob von Koseritz?), den Johann Friedrich und Johann Ernst schon am 6. Juni 1540 zu ,einem mit beuhelhaber jnn vnser Renterey neben vnserm landtrentmeister, Rat vnnd lieben getrewen, hansen vonn Taubenheim, weil er sich der vilfaltigen dinste vnnd arbeit etwas beschwert vnd also vmb erlinde- rung gebetten“, auf acht Jahre bestellt hatten.) Tauben- heim starb zwischen Herbst 1541 und Frühjahr 1542.5)

Taubenheim verheiratete sich vor Dezember 1525 mit Margarete, einer Tochter des in Mellingen begüterten und 1524 verstorbenen Georg Auerbach.*) Anläßlich ihres Todes richtete Luther am 10. Januar 1539 an seinen „Herrn vnd Geuatter“ einen Trostbrief?) Vor 25. April 1539 ver- mählte sich der Witwer mit Sabine N.°) Von Tauben- heims Kindern ist sein vor 9. Juni 1528 geborener Sohn Johann und von seinen Geschwistern sein Bruder Dietrich bekannt.’)

Die sächsischen Kurfürsten zeichneten ihren treuen Diener durch allerlei Gnadenerweise aus. Am 28. Oktober 1514 verschrieb ihm Friedrich der Weise die Lehngüter Johann von Boras zu einem Anfall) Diese Begnadung dehnte Kurfürst Johann am 9. Juni 1528 auch auf den er- wähnten Sohn Johann una die etwa noch in Zukunft geborenen Söhne Taubenheims und für den Fall ihres Ablebens auf

!) Vgl. Weimar, Reg. Bb Nr. 4499, 4501, 4504.

?) Vgl. daselbst, Reg. K pag. 110. VV. Nr. 5.

3) Vgl. daselbst, Reg. Bb Nr. 1501, Ausgabe, dinstgelt auff ab- kundigen. Danach erhielt Taubenheim noch das zum Leipziger Michaelismarkt 1541 fällige Dienstgeld, war aber zur Zeit des Leip- ziger Ostermarktes 1512 schon tot. Vgl. auch Reg. Bb Nr. 4502, Ausgabe Dienstgelt auff abkundigenn, wonach das zum Leipziger Michaelismarkt 1541 fällige Dienstgeld Taubenheim ausgezahlt wurde.

*) Vel. Weimar, Reg. Aa Nr. 2244 Bl. 22a ff., Dresden, Haupt- staatsarchiv, Kopial 1289 Bl. 334a ff.

5) Vgl. Enders-Kawerau, Luthers Briefwechsel 12. Band S. 65 ff.

9?) Vgl. Weimar, Reg. Aa Nr. 2246 Bl. 26, Dresden a. a. O. Bl. 339 ff.

*) Vgl. daselbst, Kopialbuch B 9 Bl. 151v f,

*) Vgl. daselbst, Kopialbuch B 8 Bl. exxvii? f.

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den genannten Bruder Dietrich aus!) Nachdem Bora noch unter der Regierung Kurfürst Johanns verstorben war und so dessen Lehen „die wusten dorffer Laussigk und poppolitz^ in der Pflege Bitterfeld an Taubenheim gekommen waren, stellte Johann Friedrich diesem am 2. März 1533 einen Bestätigungsbrief aus.) Derselbe Kur- fürst verschrieb seinem Landrentmeister am 5. Mai 1538 „Michermarck, die drey holtzer gnant, als die Zcerbst, Strause vnnd der Luck“, sowie das, wie erwähnt, von diesem ausbedungene Dorf Golp zu Lehen.?) Ferner erhielt Taubenheim als ,Jarzeins vff lebenlang“ anfänglich 50 und zuletzt 210 Gulden.*)

1) Vgl. Weimar, Kopialbuch B 9 Bl. 151v f.

2) Vgl. Dresden a. a. O. Bl. 27a ff.

3) Vgl. daselbst Bl. 310a ff.

1) Vgl. u.a. Weimar, Reg. Bb Nr. 4355, Außgabe Dinst Jargelt, Nr. 4502, Ausgabe Dienstgelt auff abkundigenn.

Die Publizistik des Schmalkaldischen Krieges II.

Von 0. Waldeck. !)

Drittes Kapitel.

Schriftenverzeichnis.

1. Wider die mordischen vn reubischen rotten der pawren Martinus Luther. Diess büchle ist durch aynen guthertzigen Teütschen zu lob vnnd eer Gottes / auch wolfart Teutscher nation/in disem gefarlichen krieg widerumb seines waren inhalts in Druck gegeben vnd mit ainer Vor- rede / vnnd Christlichen ermanung dermassen erkläret / das alle diser zeit auffrürische hierauff selbst müssen bekennen / das sie auch durch vrthail D. Martini Luthers selbs in angemasten jhrem vnchristlichen vorhaben vor langst als die trewlose vnd ınainaydige mit jren natür- lichen farben fürgemalet/ vnd als die jhenen, so leyb /eer vnd gut lasterlich verwürckt gescholten vnd verdammet sein etc. MDXLVI Berlin, Kgl. Bib.

2. Ein sendbrieff an einen guten freund in Kayserlicher Mayestat leger / geschriben von H. S. darinnen kurtzlich angezaigt die vrsachen / von welchen Kayserliche Mayestat gedrungen disen krieg fürzunemen etc

MDXLVI München, Universitátsbib. Hortleder IT, Buch III, Kap. XXXII

3. Antwort. Auff den Sendbrieff so H. S. in der Bapisten Leger / ainem guten Freundt vom yetzigen krieg geschriben hatt. Durch P. C. D. Augsburg, Stadtarchiv.

1) Vgl. diese Zeitschrift Jahrgang VII Heft 1 S. 11ff.

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4. Ein Gesprech Deutscher Nation mit dem alten Rolland. Aus Sächsischer sprach in Hoch Deutsch auff das trewlichest verdolmetschet. MDXLVI München, Universitätsbib.

5. Bapsts Pauli III Breue sampt der werbunge seines Gesandten an die dreizehn Ort der löblichen Eidgnoschafft, das die auch wolten in die newe heilige Bündtnus komen, ..................

Item die Artickel der selbigen Bündtnus

Item die Bulla des Bapsts, ........

Mit Christlicher erinnerung des allen.

Zürich, Stadtbib.

6. Ein gesprech des Teütschen Lands /vnd der hoffnung / dise gegenwertige Kriegsleüff betreffend /Inn Welschland beschriben vnd hernach welscher sprach verteutschet. l

MDXLVI Breslau, Universitätsbib.

T. Ein yeder Eydgnosz wol betracht Warüb disz Sprüchlin ist gemacht Ob man soll bey dem Reich stan Ald mit Keyszer Carlen han.

MDXLVI Zürich.

Die in den beiden ersten Kapiteln besprochenen Schriften waren zwei scharf formulierbaren wichtigen Fragen gewidmet und sicherlich zum größten Teil auf Veranlassung oder wenigstens mit Vorwissen der Regierungen entstanden. Die jetzt zu besprechenden verfolgen verschiedene Ziele, ihre Verfasser dürften ebenfalls in den Kreisen einfluß- reicher Politiker zu suchen sein.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, warum Karl hoffen durfte, nicht nur den sprengenden Keil in das lockere Gefüge des feindlichen Bundes zu treiben, sondern auch den Hauptgegnern Widersacher im eigenen Lande zu erwecken. Nicht nur die Kreise des Adels waren es, die wegen alter Opposition gegen das aufstrebende Landes- fürstentum und neuen Grolls über die Bedrohung materieller Interessen einen günstigen Boden für geschickte Agitation erhoffen ließen, sondern wenigstens zum Teil auch die am

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wenigsten bemittelten Klassen, namentlich die Bauern. „Das Jahr 1525 hatte zwischen den Reformatoren und den niedern Schichten der Nation eine tiefe Kluft geschaffen, ohne rechte Teilnahme oder mit Widerwillen sahen die kleinen Leute zu, wie an Stelle der gestürzten Hierarchie ein neues, von der Staatsgewalt abhängiges Kirchenwesen gesetzt ward. ‚Was predigt der lose Pfaff von Gott‘, höhnten die sächsischen Bauern; ‚wer weiß, was Gott ist, ob auch ein Gott ist/!).* Eine ähnliche Gesinnung tritt uns in Württemberg entgegen. Dort murrten die Bauern viel- fach vor dem drohenden Kriege, maßen scheltend die Schuld an ihm dem protestantischen Glauben und den protestantischen Pfarrern bei und verrieten gegenüber der Aussicht auf Kriegsleiden und Verfolgung wenig Opfer- freudigkeit und Mut, wenn nicht gar die Neigung, den Glauben zu wechseln. Sicherlich herrschte noch in anderen protestantischen Gebieten eine ähnliche Stimmung der niederen Klassen. Das wußte man aber im kaiserlichen Lager und suchte es zu benutzen. Man kannte dort die Künste der Demagogie und rührte mit kluger Berechnung an die alten Wunden des Jahre 1525, um den Haß zu schüren. Luthers Schrift gegen die Bauern wurde neu herausgegeben?) und in Anmerkungen nachzuweisen gesucht, daß seine harten Verdammungsurteile vortrefflich gegen den „Suppenwüst von Sachsen,“ den „rechten Knopperthelle von Münster“, den Landgrafen, und die „vermauerten Bauern“ paften. Die Publikation will dem „armen Mann“,

der von all dem eingezogenen weltlichen und geistlichen Gute, dem unchristlichen Wucher und den bündischen Finanzpraktiken nie eines Hellers Wert genossen hat, sondern nur mit neuen Steuern und Zöllen bis aufs Mark geschunden worden ist, die Augen öffnen, damit er sehe, wie unchristlich und schändlich jetzt unter dem Vorwand des Evangeliums und der Rettung des Vaterlands gegen den frommen Kaiser gehandelt, und er selbst samt Weib und Kind dadurch in die äusserste Gefahr gebracht werde.

1) Bezold. Geschichte der deutschen Reformation S. 512. *) Verzeichnis Nr. 1.

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Denn bleibt er seinem Herrn treu und siegt Karl, so ist er mit seinem Herrn verloren. Bleibt der Sieg aber bei letzterem, so ist Deutschland auf lange hinaus verheert und verwüstet, da der Kaiser noch manches Königreich gegen die Frevler, die auch bald unter sich uneinig sein werden, zu verkriegen hat. In Gehorsam gegen den Kaiser aber hätte der Bauer noch lange Zeit in „grünendem Glücke“ leben können.

So sollen einem neuen bäuerlichen Aufstand in den protestantischen Gebieten die Wege bereitet werden, indem man den Bauern vorspiegelt, daß sie, bisher schon finanziell aufs äusserste bedrückt, jetzt ihrem völligen Ruin durch einen Krieg entgegengingen, in dem sie mit Leib und Gut ihre Herrn vor Strafe wegen desselben Frevels schützen sollten, wegen dessen einst dieselben Herrn ihre Väter und Brüder erschlagen.

Die gleiche Tendenz verfolgt eine im September 1546 in Form eines H. S. unterzeichneten Briefes erschienene Schrift), deren Verfasser man auf seiten der Schmal- kaldener in den Kreisen der bayrischen Regierung suchte.) Doch ist seine Argumentation nicht die des Diplomaten, sondern des Demagogen, der seine Worte auf die kritiklose Leidenschaft der Masse berechnet: Als die Bauern, durch Luther verlockt, anfangs das geistliche Gut, später aber

1) Verzeichnis Nr. 2. Vgl. was v. Druffel, Viglius, Einleitung S. 81 und 32 über diese Schrift sagt. Daß der Verfasser seine Argu- mente aus Luthers Büchlein wider die aufrührischen Bauern schöpfe, kann ich nicht finden.

2) Lenz III S. 471. Sailer an Eck: „So ist ein buchlin des trucker und macher wir nit uber mas kennen und ein rechter famosus libellus unter dem namen H. S. ausgangen wider den churfursten von Sachsen und den landgrafen, das mich erbarmt, und bringt nit allein ain verbitterung, sondern beladt zuvor mein g. b. und unschuldigen fursten hertzog Wilhalm, und folgents Eur person mit aim unwider- bringlichen verdacht. Was gedachts buchlin fur ain verdacht auch fur ein verbitterung bring, habt Ihr ob dieser antwurt (Verzeichnis Nr. 3) zu vernemen, habs Euch miessen schicken aus dieser ainigen ursach, damit Ihr verhutet, das mein g. h. Wilhalm und Euer person nit verdacht werde. Dann uns in allen dingen, das doch keine bona consequentia nimmermehr thun kan, unrecht zu geben, unsere feind und widerwertigen zu foviren vil biechers machen und unerbar holipper zu dulden, macht warlich nit vertrauen zur unterhandlung."

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auch den Adel angriffen, bekamen Fürsten und Städte Angst, es werde mit dem Rechenschaftgeben die Reihe auch an sie kommen. Da schrieb Luther sein Büchlein gegen die räuberischen und mörderischen Bauern, worin er jeder- mann aufforderte, zu würgen, zu stechen und totzuschlagen, womit er das Himmelreich verdienen könne. Nun schlug man die Bauern tot und nahm, was noch übrig war vom Kirchengut, gab aber niemandem etwas wieder, „vnd kostet also die erst Reformation desz Newen Evangelij ober die hundert mal Tausent bawren. Vnd das heiszt Reformiert die geistlichen gestrafft vn das geistlich gut wol angelegt.“ Als aber die Geistlichen, beruhigt durch die scharfe Strafe der Bauern, wieder Schätze gesammelt hatten, wurden die protestantischen Herrn auch nach ihnen lüstern. Da nun Luther die Bauern gegen sich aufgebracht hatte, mußte er sich einen Rückhalt an den Fürsten und großen Städten sichern, und um ihnen den Raub des Kirchenguts zu er- leichtern, erklärte er Kirchengerät und -Zier, Testamente und Legate für nicht geweiht und überflüssig und sprach die Verwaltung des Kirchenguts den Bischöfen ab und der Obrigkeit zu.. Nach Art der Bauern ging man auch vor. Zuerst gegen die schutzlosen Mönche, Nonnen und Dorf- pfarrer, dann gegen die großen Stifte, deren Mitgliedern mehr an ihren Pfründen als am Gottesdienst lag, schließlich gegen die Bischöfe. Diese riefen nun wohl nach Reichstag und Kammergericht, aber die Prädikanten sind da und lehren, daß ein jeder Fürst in seinem Lande und jeder Bürgermeister in seiner Stadt Kaiser, König, Papst und ‚Bischof sei. Um aber die böse Absicht zu verdecken, fügen sie hinzu, dab auch Kaiser und König den Eid nicht zu halten schuldig seien, den sie dem Papst geschworen. Die Protestanten sollten, fordern sie, keinen Richter anerkennen, der nicht der eigenen Partei angehöre, die Fürsten möchten sich mit den reichern Städten verbinden, um sich vor Strafe zu schützen, vor jedem Reichstag sollten sie auf gesonderten Versammlungen beschliessen, des guten Scheins wegen aber etliche Mitglieder auf den Reichstag senden, die noch mehrere Stände zum Meineid und Abfall vom Kaiser verführen, übrigens aber alles nur ad referendum nehmen

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sollten. Doch sind die Protestanten durch das Kirchengut ebensowenig reich geworden wie vorher die Bauern. Ja, jeder von ihnen, der sich daran vergreift, wird so arm, daß er sich nur erhalten kann, wenn er jährlich seinen Unter- tanen zwei bis drei Schatzungen auferlegt, „vnd das ist der ainig nutz den der arm man von disem Euangelio hat / Gott wolt er kundts bedencken/. Als die Bawren die kirchen guter namen /schlug man sie zu todt/so ehs aber die herren thun/ müssen die armen Bawren jren bluttigen schweisz daran strecken / das jre herren bey dem geraupten gut pleiben mügen, vnd also mit gefar des leibs vnd lebens eben das müssen helfen beschirmen / darumb man jre Vätter / Brüder / Sün vnd freundt hat zu tod geschlagen.“ Dann wird auseinandergesetzt, wie das Geld gebraucht sei, um sich auf alle mögliche frevle Weise vor der verdienten Strafe zu schützen und zum Krieg gegen die Obrigkeit gerüstet zu sein.

Auf diese Schrift erfolgte unter dem 12. November eine mit P. C. D. gezeichuete Antwort), die man nach Konzeption und Stil dem Augsburger Advokaten Dr. Nikolaus Maier zuschreiben zu können geglaubt hat. Jedenfalls verrät sie bei aller Derbheit einen gebildeten, federgewandten Verfasser, der die Hiebe des Gegners gut zu parieren und . scharf zu erwidern weiß, und der in rechtlichen und politischen Fragen zu Hause ist. Wohl finden sich auch bei ihm die bekannten, in zahlreichen Schriften immer wiederholten Gedanken über die Unrechtmässigkeit des kaiserlichen Vorgehens und die Nichtigkeit der vorgeschützten Kriegsgründe, aber einzelne sehwungvolle Invektiven atmen doch einen andern Geist als die meisten anderen prote- stantischen Schriften. So wenn Maier wenn anders er der Verfasser wirklich ist den tendenziósen Vorwurf starker und immer stärkerer finanzieller Bedrückung der protestantischen Untertanen beantwortet mit dem Hinweis auf die Niederlande, Oesterreich, Bayern, Spanien und Neapel, wo viele neue Steuern (Zölle) eingerichtet und die

1) Verzeichnis Nr. 8. F. Roth: Augsburger Reformationsgeschichte Bd. HI S. 432, | i Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 1. 4

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alten erhöht würden, und der gemeine Mann stärker aus- gebeutet werde als in Sachsen oder Hessen. Oder wenn er die Beschuldigungen sehr anfechtbarer Verwendung des Kirehengutes dem Gegner reichlich zurückgibt: „Frag Bapst Leo/den man in der Camer/wie du waist/bei zehen jährigen trabanten tot funden / welcher auch würszt aus fashanen flaisch gessen hatt / diesen sag ich, frag wo das gelt hinkomen darumb er den Petrinern die Kirchengüter verkaufft hat. Frag Papst Paulum, wo er dz gelt hingethan / darum er den Paulinern das Kircheneinkomen verkaufft /. Frag wa er das gelt genomen/davon er sein hurnkind Petrum Aloisium in großem Fürstenstand erhaltet. Frag, wem die guter zustanden /die derselb Aloisius und and’e sein des bapsts hurenkinder inhaben / von wölch& Anherrn sy die ererbt. Frag wer d' Julia des jetzigen Bapsts schwester /sovil guts geben / deren tochter Bapst Alexand’ trifach verwandt/vn wa uon jr und Bapst Alexandri son Duca Valentin den grossen bracht getriben /und anders / wie dich deine Curtisanwol beschaiden werden /vnnd du an der Ertzbischoff vn prelaten höff die andacht täglich sichest, |

Am interessantesten aber ist die Art und Weise, wie er dem Gegner auf den Vorwurf der Auflehnung und Verschwörung gegen den Kaiser zu dienen weiß: Daß das Bündnisrecht zum Schutz der eignen Sicherheit und Interessen auch von nichtprotestantischen Ständen ausgeübt worden 'ist, hätte der Schreiber des Sendbriefes aus des Dr. Held Praktizieren lernen können. Auch haben die „Cacolyei“ so heißt es in der Schrift stets wortspielend statt Katholiken auf dem Reichstag ihre eigenen „Konventikel“, und eine Handvoll von ihnen hält alle Reichshandlungen auf. Die Protestanten haben nie, wohl aber die Päpste die Kaiser und Herren von Oesterreich bekriegt. Darüber haben sich Maximilian und Karl,V. in offenem Ausschreiben beklagt, und wie es zu Zeiten Ludwigs IV. gestanden, meldet das Buch des Marsilius von Padua. Nie baben Reichsstände für Kaiser und Reich größere Opfer gebracht als die Protestanten. Nur allzu gehorsam sind sie gewesen. Denn zu derselben Zeit, als,Papst Paulus öffentlich den König von

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Frankreich mit Geld und Truppen unterstützte, haben sie denselben König für einen Türken und Feind des Reichs und der Christenheit halten und gegen ihn mit Mannschaften und Geld helfen müssen. Das haben sie tun müssen „bisz so lanng die Münch oder Beichtuätter frid gemacht / die Burgundischen verlornen flecken wider bekomen wurdenn / der Banzaga geladne Esel mitt gold / Granuilla grosse Herr- schafften / und der bapst das erlangt/ das Frankreich die Lutberischen Stand verlassen / vnd denselben / wann sie der Kayser und er bekriegte / mit nichte beholffen sein solt. Ich mein die protestierenden seyen gehorsam gewesen.“ Wohl haben sie mehrmals, als man ihnen keinen Frieden zusichern wollte, von großen Königen Anträge erhalten, die sie mit Gott und Ehren hätten verantworten können, aber sie haben sich gegen den Kaiser in nichts einlassen wollen. Das be- weist am besten die gegenwärtige Lage. Nun ist aber der Herr von Langey nicht nur in Schmalkalden, sondern auch an anderen Orten in Deutschland gewesen und dort länger als in Schmalkalden, das wird der Schreiber des Sendbriefes wissen: „Wie es nun ain gestalt gewonnen /ob es mit ertrencken oder schencken erhaiten werde/ das der man in der rotten peltzhauben jetzo gehling so gut Kaiseriseh vnd Ostereichisch worden /der sich hieuor sträfflicher dann niemandt / wider Ostereieh vnd Burgund / vnd das man das joch der dienst- barkait teutscher nation einbinden wolt/ sich vernemen hat lassen /vnd jetzo zu ruw hinder dem offen sitzt / und andere watten und schwimmen laszt / darum wollest mir beschaid sehreiben / wie sich dise vnuersehen enderung der gemüter zugetragen / ob du auch nit von andern die nit protestiriesch / auch nit die geringsten im Reich seind / hieuor vnd nach vnlanges gehört / das sie geredt uüd tractieren lassen / wie Chur und Fürsten und stende des Reichs / bei jhren hoch- haiten herkomen /priuilegien / land und leuten, der heuser Österreich vnd Burgundi halber / vnangesehen wesz religion ain yeder standt were /bleibe möchten /und das derselben ains thails in der jüngst auszgangen vermainte Declaration nit mit begriffen.“

Das waren nicht mißzuverstehnde Anspielungen auf Bayern und seinen leitenden Staatsmann, Leonhard Eck. Sie

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ließen sich wohl erklären aus dem Umstande, daß auch der Verfasser dieser Antwort den Schreiber des Sendbriefes offen- bar in Bayern sucht. Aber die Schärfe des Hiebes ist doch auffallend und macht es doch mindestens nicht unwahr- scheinlich, dab die Schrift in Augsburg entstanden ist. Dort mochte der Haß gegen Bayern doppelt groß sein, da diese Stadt sich natürlich von dem mächtigen Nachbar am un- mittelbarsten bedroht fühlte, und da die folgenschwere Täu- schung der Schmalkaldener betreffs seiner Politik zum großen Teil wohl hervorgerufen war durch die Berichte Gereon Sailers, der die Stimmungen am Münchener Hofe so gut zu kennen glaubte, den glatten Worten Ecks aber völlig zum Opfer ‘gefallen war. Er selbst scheint von seiner Täuschung sich auch in diesem Moment noch nicht völlig frei gemacht zu haben, aber manchem seiner politischen Freunde dürften die Ereignisse die Augen besser geöffnet haben, sodaß Rach- Bucht una Berechnung zugleich es ihnen wünschenswert er- scheinen lieb, Karl V. an die noch nicht lange zurückliegende antiliabsbutgisehe Politik Bayerns zu erinnern. Diese An- spielungen konnten natürlieh nur verstanden werden in den Kreisen der Regierungen; wie denn überhaupt diese Antwort Nicht so überwiegend auf Wirkung in den niederen Schichten berechnet ist, wie der Sendbrief ‘selbst.

i^ Zu derselben: Zeit, ‘als die Antwort auf den Sendbrief erschien, ersehóll- aus dem Lüger:der Sebmalkaldener, und zwar airs oder: Kreise "des'Landgrafen, der letzte publi- vistischd Malinruf zur Rettung Deutschlands vor der drohen- den Unterdrückung durch die-spanische Weltmonarchie. „Ein Gespreélr "Deutseher Nation :mit'dem alten Rolland.“ ©) Es ist kury vor der Auflösung! dés Lagers bei Giengen; durch den schleppendeii erfolglosen, Gang des Donaufeldzuges war die Hoffnung auf Sieg’ und damit- die Opferfreudigkeit bei den Protestanten sehr gesunken und bedurfte dringend der Stärkung. So muß denn die so :bedrohlich erscheinende Macht’ Karls im Anfang Revue passieren, um zu zeigen, dab sie doch auf! recht schwachen: Füßen stehe: Die Spanier können sich weder unter sich noch mit anderen Nationen Din CU rl wc seu ei et

MS >) Verzeichnis Nr. 4.' Die Vorrede ist vom 13. November datiert.

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vertragen. Von den Italienern sind viele Deutschland günstig gesinnt und noch ist nicht aller Tage Abend, wer weiß, was kommen mag. Die Ungarn und Böhmen sind im eignen Lande von den Türken bedroht. Auch haben letztere mit Sachsen besondere Friedensverträge, sind in ihrer Freiheit stark beeinträchtigt und durch vergebliche Türckenzüge um schwere Opfer an Gut und Blut betrogen worden. Das war wohl auch ein Wink an die pikarditisch gesinnten Stände unter den östlichen Nachbarn selbst. Und wie war das Verhältnis zu den westlichen Nachbarn? Diese Frage findet sich öfter in den Flugschriften erörtert. Man sah knirschend, mit weleh schwerem Fehler man 1544 habsburgischer Staats- kunst ins Garn gegangen war, und beeilte sich zu versichern, daß man nur einer schnöden Täuschung zum Opfer gefallen sei, die die Franzosen doch wohl nicht zu ihrem eigenen Schaden die Protestanten entgelten lassen würden. Auch der Verfasser dieser Schrift spricht die gleiche Hoffnung mit einer höflichen Verbeugung gegen die ,adligen^ und „freundlichen“ Franzosen aus. Da dies Liebeswerben sich hier in einer Schrift zweifellos offiziósen Ursprungs findet, darf man es vielleicht in einen gewissen Zusammenhang bringen mit den Bündnisverhandlungen, die bereits im Sep- tember 1546 zwischen Frankreich und den Schmalkaldenern schwebten.

Nach soleher Erörterung des Verhältnisses zu den fremden Nationen wendet sich unser Anonymus gegen Karls deutsche Verbiindete. Unter ihnen werden die beiden branden- burgischen Markgrafen am schärfsten angegriffen. Warum man sie und die anderen feindlichen Glaubensgenossen hat, zeigen Rolands Worte: „dise grosse leut bewege ...... vil weidlicher leut vom Adel, und auch sonst manchen stoltzen mann wider dich.“ Daher sucht man ihre Motive zu ver- dächtigen. Markgraf Albrecht hat das Seinige so ziemlich aufgebraucht und strebt nun nach den Besitzungen seines unmündigen Vetters Georg Friedrich. Die Vormundschaft über diesen soll ihm der Kaiser zugesagt haben, trotzdem er sie zu Speyer gemäß dem Testament des Markgrafen Georg den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg und dem Landgrafen versprochen hatte eine Bemerkung, die

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auch dahin zielen konnte, das neutrale Kurbrandenburg gegen den Kaiser scharf zu machen !). Den Markgrafen Hans hat seine nahe Verwandtschaft mit dem gefangenen Braun- schweiger unter Karls Fahnen geführt. Auch die Treue der beiden Fürsten und Erichs von Kalenberg gegen den Prote- stantismus wird in Zweifel gezogen. Wohl haben sie bisher nach der Augsburgischen Konfession in ihren Ländern pre- digen lassen, wer weiß aber, was sie in Zukunft tun werden, „der schelend mönich und die Bischoffe /sollen sie ietzt zu Regespurg in jren banckete, wol eins andern beredt habe. Es lassen sich etwo die leuth mit rotem gold / vnd grossen verheissungen / der ding bereden.“

Auffällig aber ist bei dieser ganzen Polemik gegen Karls deutsche Verbündete, daß der gefährlichste unter ihnen ganz verschont wird, Moritz von Sachsen. Das läßt einen wichtigen Rückschluß zu, wo wir den Verfasser unserer Schrift zu suchen haben. Diese kann nach dem ganzen In- halt nur aus der Feder eines sächsischen oder hessischen Diplomaten stammen. Johann Friedrich aber hätte sich schwerlich solch kluge Zurückhaltung auferlegt, während sie bei Philipp aus seiner ganzen Stellung zu Moritz und aus den Hoffnungen, die er damals noch hegte, sehr erklärlich ist. Denn er versuchte damals noch zwischen den beiden feindlichen Vettern zu vermitteln, durfte also auf keinen Fall den Albertiner in offener Flugschrift vor den Kopf stoßen. Dazu kommt, daß die hessischen Angelegenheiten entschieden im Vordergrunde stehen, als der Verfasser die beiden Fürsten gegen Karls Vorwurf der Eroberungssucht verteidigt. Im Gegensatz dazu wird aufs nachdrücklichste die Unersättlich- keit habsburgischer Hauspolitik betont, die ihrer Ländergier weder durch die Reichsinteressen noch durch Karls ge- schworene Eide Schranken setzen lied. Geldern, Utrecht, Friesland, Mailand, Cambray, Mastricht und Besançon sind

1) Zum Streit über diese Vormundschaft vgl. J. Voigt: Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach.

2) Voigt: ,Kurbrandenburgische Politik im Schmalkaldischen Kriege“. Sitzungsbericht d. Kgl. Sächs. Ges. d. Wiss. 1875. Phil. Hist. Klasse, und Chr. Meyer: Forschungen zur deutschen Geschichte 18, 1 ff.

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dem Reiche entrissen und zu des Kaisers Erbländern ge- zogen. Entsprechend hat er früher mit Württemberg ge- handelt, dessen Herzog er auf demselben Reichstag ächtete, "auf dem er sich den Kurfürsten verpflichtete, niemanden ohne rechtmäßiges Urteil zu vergewaltigen, und als das Wachs, mit dem er seinen eignen Landfrieden besiegelt, noch nicht recht hart geworden war. Stadt und Herzogtum Florenz, das er leicht wieder hätte zum Reiche bringen können, hat er an Papst Clemeris verkauft und tut jetzt das gleiche mit Parma und Piacenza, die auch zum Reiche ge- hören, zugunsten des Gemahls seiner Bastardtochter. Und dem alten reichstreuen Siena und Lukka, den beiden ein- zigen Städten, die das Reich in Italien noch hat, soll das- selbe Schicksal bevorstehen. Auch die opfervollen Kriege gegen König Franz und Johann Zapolya, die gegen Karls Eid, mit den benachbarten christlichen Potentaten Frieden halten zu wollen, verstießen, hätten vermieden werden können, da beide Fürsten sich dem Spruche der Reichsstände unter- werfen wollten. Nun ist Ungarn der Christenheit verloren ge- gangen, Österreich verwüstet, viel Gut und Blut verschwendet, und überhaupt ein ungenügender Türkenschutz vom Kaiser geleistet worden. Und diese ganze egoistische und verderb- liche Politik ist ohne Treu und Glauben auch gegen die eigenen Bundesgenossen durchgeführt worden. Denn Karls Räte sind Schelmen und Buben, an ihrer Spitze die „Lügen- kiste“ Granvella, die es sich zur Ehre anrechnen, die Deut- schen gegen Ehre und Eid mit guten Worten zu betrügen. Im Jahre 1545 hat Heinrich von Braunschweig heimlich im Dienste des Kaisers gestanden eine Ansicht, die 1546 unter den Protestanten allgemein herrschte und doch hat nach seiner Gefangennahme Granvella geäußert, der Kaiser sehe es gern, dab es ihm so ergangen, er habe nicht folgen und mit dem Kopfe hindurch gewollt. Roland: „Nun sihe ich wol disen leuthen ist niemand so lieb /den sie nicht könden vmb jrer vorteils willen hindansetze. So sind sie niemand so gramm vnd feind /dem sie nicht könden die besten wort gebé! wann sie meine es bring jnen nutz.“ Ebenso treulos hat der Kaiser gegen Nassau gehandelt. Denn er hätte den entscheidenden Rechtsspruch in der

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katzenelnbogischen Streitfrage !) sehr wohl fällen und Hessen zu Konzessionen bringen können, wenn er ernstlich gewollt hätte. Aber er hat die Frage absichtlich in der Schwebe gelassen, um den Landgrafen während . des Krieges gegen Geldern neutral und Nassau: von sich abhängig zu erhalten. „Dann es waren eben die rechte sporen / damit man beide theil reiten kundt.^ Eine solche Behandlung aber hat weder Markgraf Heinrich um den Kaiser verdient, noch der „teure“ Fürst, Prinz Renatus, für den Tod in seinen Diensten.

Wohin dieser freundliche Ton gegenüber dem sonst verfeindeten Hause zielt, ist leichte zu erklären. Philipp mochte wohl wissen, daß bereits seit längerer Zeit Königin Maria und Büren im Auftrage Karls den Grafen von Nassau zu kriegerischem Vorgehen gegen Hessen zu bringen suchten. Und je mehr sich die Lage der Schmalkaldener verschlech- ‚terte, umsomehr stand. zu befürchten, daß Graf Wilhelm seinen bisherigen Widerstand diesem Drängen gegenüber aufgeben werde °). Es kam hinzu, daß der mächtige Graf als Hauptmann des westfälischen und Mitglied des mit diesem eng verbundenen Grafenvereins der Wetterau auch auf die Haltung dieser vom Kaiser längst umworbenen Adelskreise leicht einen entscheidenden Einfluß ausüben konnte. Da wäre es denn sebr willkommen gewesen, wenn es gelang, ihn vom Kaiser abzuziehen, indem man die Möglichkeit hessischer Konzessionen in der schwebenden Streitfrage leicht andeutete und ihn zugleich überzeugte, daß Karl gegen ihn - falsches Spiel gespielt habe.

Die ganze Schrift will ja in erster Linie die deutschen Fürsten vor der Treulosigkeit und Herrschgier des Hauses Habsburg warnen. An Braunschweigs und Nassaus Beispiel will man ihnen zeigen, daß dieses Haus auch nach geleisteten Diensten sie preisgibt, sobald es einen Vorteil damit zu er-

1) Über den Prozeß um Katzenelnbogen vgl. Rommel: Hessische Geschichte Bd. 4 Anmerkungen S. 171 ff, Arnoldi: Geschichte der Oranien-Nassauischen Länder Bd. III S. 47 ff. und 81 ff., O. Meinardus: Der Katzenelubogische Erbfolgestreit.

?) Über die Rolle des Grafen Wilhelm von Nassau-Dillenburg im Schmalkaldischen Kriege. Vgl. Kannengießer: Karl V. und Maximilian Egmont, Graf von Büren, Kap. III.

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langen glaubt, und die Ausführungen über Karls bisheriges Schalten mit Reichsländern sollen sie das drohende Plus ultra verstehen lehren. Dem leisten sie mit ihrer Uneinig- keit nur Vorschub, und es wird, wie Kleves Beispiel lehren kann, schließlich ihre eigene Freiheit vernichten. Hessen und Sachsen spielen jetzt die Rolle der Hunde in der Fabel, für deren Auslieferung die Wölfe mit den Schafen Frieden schließen wollten. Spanische Erbmonarchie, das ist das Sehreekwort, mit dem die Schrift zum Kampfe zu treiben sucht.

Daneben aber hatte sie auch ausgeführt, daß es ein Krieg um die Religion sei. Der Verfasser hat also offenbar die Doppelnatur des Zieles, das der Kaiser verfolgte, erkannt, betont aber die politische stärker. Damit aber weicht er von der landläufigen Ansicht unter den Protestanten weit ab, die, wie erwähnt, in dem Kriege nur einen Erfolg der Kurie sah und den Kaiser unter dem Einfluß einer Kriegs- partei von Geistlichen glaubte. Besser als die meisten Zeit- genossen hatte schon im August 1546 ein anderer Anony- mus!) das Verhältnis zwischen Papst und Kaiser durch- schaut, der Breve, Bündnis und Ablaßbulle herausgab und in der Vorrede ausführte, der Papst habe mit Absicht diese Dokumente den Protestanten bekannt werden lassen. um den Kaiser völlig von ihnen loszureißen und ihn zu zwingen, den Krieg als Religionskrieg zu führen. Denn er habe ge- fürchtet, Karl werde nach Erreichung seiner eigenen Zwecke in der Wiederunterwerfung Deutschlands unter den päpst- lieben Stuhl naehlassen. Noch schärfer betont den persón- lichen Indifferentismus Karls gegenüber der Kirche „Ein gesprech des Teutschen Lands / vnd der hoffnung“ ?). Karl ist hier lediglich der kühl rechnende, allen überlegene Meister des politischen Spiels, der auch die Kurie in den Dienst seines nur auf Macht gerichteten Interesses gezwungen hat. „Er achtet der Religion nit weiter / daan soviel sy jhm zu

1) Verzeichnis Nr. 5. Diese Schrift hat mir nicht selbst vor- gelegen, da sie nicht versandt werden konnte, dafür erteilte mir die Bibliothek in liebenswürdiger Weise Auskunft darüber. Den Inhalt der Vorrede kannte ich aus einem anderen, unvollständigen Exemplar.

2) Verzeichnis Nr. 6.

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seiner Tyranney dienstlich oder vndienstlieh ist. . Also / das alle die/so jhme in disem fürnemen beradten vnd behülff- lich seind, die spilend / wer gewindt der verliere. / Auch vom Bapst selbst anfahend./ Vnd ob er sollichs schon erkennet / so musz er doch vmb zeitlicher eeren/ und höhin der seine willen / weil er sich in disem befind /als gezwungen diesen raié dantzen.“ Nach Karls Siege aber werden sich nicht nur die protestantischen Stände, sondern auch die Papisten wie eine Taube unter den Klauen des ungarischen Adlers befinden und ihm auf Gnade und Ungnade ausgeliefert sein. Vielleicht dürfen wir diese Ausführungen als einen interessanten Versuch betrachten, die deutschen Katholiken vom Kaiser loszureißen. | E Es wurde schon oben kurz erwähnt, daß die Haltung der Schweiz für den ganzen Krieg von größter Bedeutung werden konnte, und daß sie daher von. den Diplomaten beider Parteien eifrig umworben wurde. Auch auf publi- zistischem Wege versuchte man einmal ihre Stellungnahme zu beeinflussen und zwar ziemlich im Anfang des Krieges, denn es wird in der Schrift!) gewarnt vor dem Durchzug der fremden Truppen des Kaisers. Sie will zwar den An- . schein erwecken, als sei sie von einem Schweizer verfaßt, doch weist die Mehrzahl der Sprachformen auf einen Ur- sprungsort alemannischer Zunge, sie dürfte also in Süd- deutschland entstanden sein. In ihr erscheint Karl als der egoistische Wüterich, dem Christenblut nichts gilt, und der ‚das ärgste Verderben seit den Zeiten Neros Brand von Rom sacco di roma über die Christenheit gebracht hat. Auch den Schaden, den die Mohamedaner in Spanien, Portugal und Ungarn getan haben, haben er und sein Bruder verschuldet. In Deutschland aber darf ihm die Schweiz jetzt nicht freie Hand lassen aus wirtschaftlichen und poli- tischen Gründen. Denn auf das Reich ist sie angewiesen für ihren Bedarf an Korn und Salz, während man Karl die jetzt schon herrschende Teuerung zu verdanken hat, die ins

1) Verzeichnis Nr. 7. Über die Haltung der Schweiz im Schmal- kaldischen Kriege vgl. den Aufsatz von Geisert im Jahrbuch für Schweizer Geschichte 22.

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Unerträgliche steigen wird, wenn er fremde Truppen ins Land führt. Aber auch ihre Freiheit wird bedroht sein, wenn der Kaiser des Reiches völlig Herr wird. Denn von Natur rachsüchtig, hat er für sich und von seiner Väter Zeiten her Rache an der Schweiz zu nehmen. Jetzt suchen er und der Papst durch Versprechungen und Gold die Eidgenossen zu ködern.

„lch förcht der gwalt glaub vil zu vil Wann man sye schüszt mit gulden pfil“

sagt Armogast zu Altgelt. Demgegenüber wird die Einig- keit der Eidgenossen und ihre diplomatische Intervention in Deutschland gefordert. Die Glaubensstreitigkeiten sollen auf einem Konzil unter Teilnahme der Laien entschieden werden,

Die Schrift läßt interessante Rückschlüsse auf die da- maligen Parteiverhältnisse der Schweiz zu. Denn es ist ein gereimtes Gespräch zwischen dem Hauptmann Altgelt und dem ehemaligen Reisläufer Armogast. Ersterer ist offen- bar der Vertreter eines alteingesessenen, reichen und, wie es scheint, katholischen Patriziats, das schon wegen der Pen- sionen nicht gern mit dem Kaiser brechen wollte. Armo- gast dagegen vertritt die ärmeren, evangelisch gesinnten breiteren Schichten des Volkes, bei denen Neigung zum An- schluß an die Schmalkaldener vorhanden gewesen sein muß was durch die große Anzahl schweizerischer Soldknechte in deren Heere bestätigt wird. Diese Parteien scheinen sich gegenüber gestanden zu haben. Unsere Schrift aber sucht sie zu vereinigen und zu vermittelndem Vorgehen zu ge- winnen aus Gründen, die mit der streitigen Religion nichts zu tun haben.

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Viertes Kapitel.

Sehriftenverzeichnis.

1. Ein Gesprech / Pasquilli vnd Vadisei / von den fehrlichen Kriegshendeln / dieses Lauffenden 1516 Jares. Gießen, Universitätsbib.

2. Pasquillus/ der halbe Poet/vom Krieg /so Kaiser Carl der fünfft / sampt dem Bapst / wider Teutschland / inn Religion sachen / zu füren /furgenommen, Auss dem Latein in Teütsch Transsferieret.

München, Staatsbib.

3. Ein Christlich Gebet darin der Churfürst zu Sachssen etc. Seine vnschuldt jtziges Kriegs: vor Gott vnd aller Welt offentlich bekent: Aus dem Siebenden Psalm genomen.

Mit einer Vorrede von Nikolaus Amsdorf.

Wolfenbüttel. Hortleder II, Buch III. Kap. 4.

4. Trostschrifft, an den Christlichen Churfürsten zu Sachssen etc. Landtgraffen zu Hessen etc. vnd andere Fürsten, auch alle stende der Religion sachen verwandt.

. MDXLVI Peter Watsdorf zu Arnstad Bürger. Dresden, Kgl. óff. Bib.

5. Der neun vnd Siebentzigste Psalm / ............... In Reime gestalt. Durch Doktor Just. Jonas Superattendenten zu Hall Anno 1546.

Wolfenbüttel. Wackernagel, Kirchenlied III Nr. 64, 233, 1169

6. Des XX Psalm Auslegung / jun Reim gefast/ .. ....... Durch D. J. Jonam. Noch ein New Liedt / durch Bernhart Warttenberg. MDXIvj. Wolfenbüttel. Hortleder IT, Buch IIT, Kap. 7. Wackernagel, Kirchenlied III, Nr. 68.

7. Ein Christlich gebet / vor Chur vnd Fürsten zu Sachsen vnd Hessen / Sampt allen Christlichen Stenden so ietzund von wegen Gött- lichen Worts in Rüstung sein / Aus dem Zwentzigisten Psalm Dauidis / In Reimen gestellet / Durch D. Cyriacum Gerichium / Pastorn vnd Superattendenten zu Bernburgk.

Breslau, Universitätsbib.

61 i |». el

8. Ein Gebet zu Gott/ Das er selbs kriegen wólle/ wider alle Feinde der Christen / ...... MDXLVI Zwickau. ;

8a. CHRISTIANORVM SVPPLICATIO AD DEVM Contra CAROLVM GANDAVVM Christianae libertatis oppugnatorem. Augsburg, Stadtarchiv.

9. Ain Klagred /vnd hertzliche bitt zu Gott /ainem yeden Got- säligen zu disen gefärlichen zeyten /nützlich über den LXXIX Psalmen / AES Mit sampt demselbigen Psalmen inn Reymen gestellt vnnd Paraphrasiert.

Durch Nicodemum Noricum.

Frankfurt a. M., Stadtbib.

10. Gemeine Ordenung / wie mans in der alten Stadt Magdeburg / auch Newenstadt vnd Sudenburg / halten wölle / mit dem Christlichen gemeinen Gebete vnd etlichen andern Ceremonien / wider die grewliche Anfechtung vn Verfolgung des Teuffels/ des Antichrists / vnd der grossen Tyrannen/ . . . ...

Hortleder IT, Buch III, Kap. 5.

11. Vnterricht: vnser von Gottes gnaden / Johansen / Georgen / vnd Joachim gebrüdern / Fürsten zu Anhalt etc. Wie die Pfarherrn das Volck /in diesen geschwinden vnd fehrlichen zeiten /in vnserm Fürstenthumb vnd Herrschafft / zur Bus vnd dem Gebet / vermanen sollen.

1546

Bamberg.

19. Ein Vermanung Doctor Martini Luthers / An alle Pfarhern Mit einer Vorrede... Christophori Hoffmann | 1516 Aschaffenburg. Hortleder II, Buch II, Kap. 20.

13. Ein Schrifft D. Johann Bugenhagen Pomerani: Pastoris der Kirchen zu Witteberg / An andere Pastorn vnd Predigern / Von der jtzigen Kriegsrüstung.

Witteberg Gedruckt durch Hans Lufit aaa "Macc i 1546

Gießen, Universitütsbibliothek, Hortleder II, Buch II, Kap. 22:

J. E. Kapp: Kleine Nachlese Teil H, S. 764 ff.

62 : 62

= 14. Hertzoch Hans der Curfürst / wenn er von seinem Schlosse zu Torgen / bis an die vnterste Trepffendahl gestigen Was / ym Kriege zu zyhen wider den Keyser vnd Papisten / hat beyde Hende gen Himel auffzehaben / vnd also offentlich gebethen zu Gott etc. Königsberg, Universitütsbibliothek.

15. Wes man sich inn disen gefährlichen zeyten halten / vnd wie man dem zorn Gottes, ... zuvor kommen soll / Durch Michael Hófer / Diener am hailigen Euangelio zu Werthaim / gestellet. MDXLVI Frankfurt a. M., Stadtbibliothek.

16. Ein vberausz feine schone vermanung zur busz vnud besserung vnsers sündtlichen lebens / ... durch Johannem Klopffer / Pfarrer zu Bolhaim /.... | Anno MDXLVI Frankfurt a. M., Stadtbibliothek.

17. Ein klagred Warumb die schwer Kriegszrüstung sich doch im Teutschland erhebt hab. | MDXXXXVI. Frankfurt a. M., Stadtbibliothek.

18. Ein Trostschrifft fur alle betrübten hertzen / in disen kümmer- lichen zeyten / im latein von Herr Philippus Melanthon gestellet / Vnd yetzund erstlich in Deutscher sprach gedruckt.

MDXLVII

Mit einer Vorrede von Veit Dietrich.

München, Universitätsbibliothek.

19. AIn Schóner trostspruch / an alle die sorg vnd not leiden zu disen zeyten. Maihingen.

20. Vermanung an den Teütschen vnnd Euangelischen Kriegsz- mann. Durch W. M. MDXLVI. Maihingen.

2]. Ein klagred teutsches lands mit treuwem Eckhardt. Lil. IV. 520,

22. Ein Heer Liedt für die Christliche kriegsleut / ... gemacht. 1546 Berlin, Kónigliche Bibliothek.

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23. Ein Gottsälige vermanung / Vnd Gaystlich Lied / An alle Christen trostlich wider den Endtchrist zestreyten. München, Staatsbibliothek.

21. Ein new Lied / auff die rüstung der Euangelischen Stend / Wider den lang geübten gewalt vnnd freuel der blutgirigen Papisten. Anno MDXLVI

Wien. Wackernagel III Nr. 1168,

25. Ein schóns news Christlichs Liede Von der yetzt Sch weben- den gefárligkait / ain ware vnderricht. (Martin Schrot). München, Staatsbibliothek.

20. Ain newes lied / gantz wol betracht /

Hat ain gmainer Lantzknecht gemacht

Von diser noth / in Teutschen Lannt. (Martin Schrot). München, Staatsbibliothek.

27. Ein new kriegslied iez in diser frist. Lil. IV, Nr. 529.

28. Beschreibung der grausamen erschrockenlichen geschicht / vom Himel herab / mit vngewonlichem wetter / Plitzen / Feürsträl / vnd Hageln / an etlichen orten / nàmlich zu Mecheln in Brabandt / zu Soleturn in Schweytz / vnd zu Lezo in Neapels etc.

MDXLVI

Maihingen.

Ein Exemplar, dessen Vorrede direkt auf den Krieg Bezug nimmt, in Berlin, Kónigliche Bibliothek.

Hortleder II, Buch III, Kap. 23.

29. DEr Allermechtigste vnnd vnüberwindtlichste Kayser j ver- mant seine gelobte vnnd geschworne Hauptleüt / das sy auffs fürder- lichst / on alle hindernusz gerüst vnd auff seyen.

Maihingen.

30. Das der Bapst der rechte Antichrist sey / dauon Christus vnser lieber HErr vnd seine Aposteln geweissagt haben. 1547 Wolfenbüttel.

31. Newe Zeyttung / von disem Krieg. Was sich von anfang bis jetz verloffen hat. Ware abconterfettung vnd vergleichung. Aussz dem Dritten ‚Buch der Künigen / Am Zwayvnndzwainzigsten Capitel Vu im II Paralipomenon / am XVIII.

GieBen, Universitátsbibliothek.

64 64

32. Pasquillus Germanicus In Ouo Causa Praesentis belli Attingitur. Anno MDXLVI München, Universitütsbibliothek.

33. Ain neüwer Rómischer Pasquillus / von dem Bapst / seinem Reych / vnnd seinem Stul / der Statt Rom / vnd jren Töchtern / Pariss vnd Cóln/sampt allen jren glydern/.../jr wesen / lebenhandlung / vnd vndergang / vnd aussdilckung durch die kraft Gottes.

GieBen, Universitütsbibliothek.

84. . Pasquillus

Der vertriben von Rhom / yetzund diser zeyt in Teutschland im ellend vmb zeucht. Durch Alphonsum Aemilium Sebastum erstlich inn Latein gemacht / hernach in Teütsch transferiert worden.

Gießen, Universitätsbibliothek.

35. Des Churfürsten zu Sachsen vnd Landtgrauen zu Hessen Offenn Ausschreiben / Der Mordbrenner vnd Vorgiffter halben: Die vom Anti Christ / dem Babst zu Rom Abgefertiget / Deudseh Land mit Mordtbrandt vnnd vorgifftung zu beschedigen.

Jtem

Hertzog Johaus Wilhelmen zu Sachssen etc. Sonderlich aus- schreiben / mit einuorleibter orgicht vnd bekenntnis / eines der obbe- rürten beschediger /so zu Weymar gefenglich einbracht / vnnd erhalten wirdet.

Cassel, Landesbibliothek. Hortleder II, Buch III, Kap. 27.

Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik Bd. 13, S. 235 ff.

36. Wider ein schmach Lied die waar recht auch Euangelische leer betreffend. Ein gegen antwort. In. gedichts weisz gestelt / 1547.

Wien.

37. Der Papisten handtbüchlein fleiszig zu mercken / und heym- lich zu lesen / damit es die Leyen / denen der Bapst die heylige Schrifft zu lesen verbotten hat / nicht erfahren. Mit D. M. L. Bene- dicite für den Bapst vnd seine Schüppen 1546.

Augsburg, Stadtarchiv.

38. Ein new lied auf itzige kriegsleufte gemacht, einen ehrlichen landsknecht W. P. zu gefallen. Lil. IV, Nr. 527.

39. Pasquillus New Zeyttung Vom Teuffel | Wie newlich der babst vnd sein gesell. Der oberst Sathanus ausz der hell Von jhrer gsellschafft vnd diesem Kryg Sprach gehalten / vnd wem sie den Syg All beyd hertzlieh gern günnen wollten. Gießen, Universitätsbibliothek.

40. Ein Gespreche / Von einem Landsknecht vnnd Sanct Peter / Bapst / Teuffel / vnd dem Engel Gabriel ... Sampt einen kurtzen Bericht / wie man die verstorbenen Heiligen anruffen / vnd was sie haben helffen können.

Frankfurt a. M., Stadtbibliothek.

41. Des Bapsts vnnd der Pfaffen Badstub. MDXLVI.

42. Ursprung und ursach diser aufrur teutscher nation. Lil. IV, Nr. 528.

43. Ermanung an die oberlandischen und sechsischen stedte, auch landschaften der christlichen religion verwandten. / P. Watzdorfi. Lil. IV, Nr. 524.

44. Ein warnung, gedicht an alle und iede ware liebhaber des heiligen evangelions Christi und freiheit der loblichen deutschen nation von gott verlihen, in diser gefahrlichen kriegsrüstung wol zu bedenken.

Lil. IV, Nr. 523.

45. Von der yetzigen entpórung im Reich etliche kurtze Gespräch. Durch W. M. MDXLVI. Gießen, Universitütsbibliothek.

46. Klag des teutschen lands gegen Carolo quinto dem keiser des unbilligen bekriegens, darin angezeigt, wie solichs wider alle billigkeit vnd recht beschehe.

2 Lil. IV, Nr. 52.

47. CAROLI GANDAVI Deploratio (22. Aug.). Augsburg, Stadtarchiv.

48. Ein vermanlied im lager zu Werd gemacht. Lil. IV, Nr. 530. Archiv für Reformationsgeschichte VOLL 1. 5

66 ° 66

49. Ain lied für die landsknecht gemacht in disen kriegsleufen nützlich zu singen. Lil. IV, Nr. 526. Hortleder II, Buch III, Kap. XXIV.

50. Ein schón newes lied von Carolo dem fünften. d Lil. IV, Nr. 540.

51. Ein new lied zu lob und ehren rómischer keiserlicher majestat wider seiner keiserlicher majestat feinde uud misgunstige gesungen. Lil. IV, Nr. 531.

52. Von der überziehung des keisers von den fürsten ynd ihren bundgenossen. | Lil. IV, Nr. 533.

58. Ein newes lied vom kaiser und bund, wie es zum teil er- gangen ist. Lil. IV, Nr. 536.

94. Ein schón New lied gemacht zu Eer der Kaiserlichen Kron. A. Hartmann: Historische Volkslieder und Zeitgedichte Bd. I, Vgl. Lil. Nr. 535. '

55. Ein Newer Pasquillus. MDXLVII. Berlin, Kónigliche Bibliothek.

96. Ein spruch Lil. Nr. 542. Gegen den Landgrafen.

57. Summarium des Euangelischen / das ist / Schmalkaldischen Kriegs / .../ in lustige Reimen / Ordenlicher Obrigkait zu eeren gestelt. MDXLVII

München, Universitütsbibliothek.

58. Ein new gut kaiserisch lied. Lil. IV, Nr. 531.

59. WArhafftige vrgicht vnd bekanthnus / der Landtgrüfischen

diener / Hanse Eckern von Gelhausen / Bürger zu, Cassel / vnnd

~ Wilhelmen ‚von Werden / genant Weinbrenner zu Franckfurt Bürger / Berlin, Kónigliche Bibliothek.

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60. Unser Philipsen ..... Warhafftiger / gegründter vnnd be- stendiger bericht / auff die vnbilliche / vnwarhafttige / grundtlose / gedichte ding / welch durch einen auszgangnen Truck vnder dem Namen einer Vrgicht vnnd bekandtnusz Hausen Eckars / genant / Geluhausers | vnd Wilhelm Weinbrenners etc. Vns vnd etlichen vnsern Statthalter vnd Ráthen /.... zugelegt vnd auffgetragen 'wóllen werden.

Frankfurt a. M., Stadtbibliothek.

61. Warhaffte vnd gegründte Entschuldigung Rudolfen Schencken Statthalters zu Cassel / Auch anderer etlichen Landtgreuischen Räth / gegen die Vermeynte Nichtige vnd vnerfindtliche bezichtigung / so off das blosz vnd erdrungen bekentnus vnd vszsage Hansen Eckhars / Vnd Wilhelm Weinbrenners / Jnen Statthalter vnd Räthen / Wider Gott / Ebr vnd Recht hat vffgelegt werden wöllen.

Berlin, Kónigliche Bibliothek.

Wenn man nun von der Behandlung einzelner Kontro- versen, wie sie bisher verfolgt waren, absieht, welehes Bild bietet die Presse für die Stimmung der Nation in den Monaten des Donaufeldzugs? .Der Papst hatte es selbst an die Eid- genossen geschrieben, von allen Kanzeln schallte es immer wiederholt herab, in fast allen Liedern erklang es und in fast allen Sehriften, nieht nur den offiziellen der Bundes- leitung, war es zu lesen, dab der Krieg der Unterdrückung des Evangeliums gelten solle. Kein Zweifel ‚blieb mehr für die meisten Protestanten, die Anstifter dieses Krieges waren ,Die ienigen die Ronde/vnnd zweyspitzige Hüte/auch das gantze geschwürm/so Kappen vnd Platten/tragen/und in sonderheit die Pletling/so itzo zu Trient ins Teuffels Con- eiliabulo versamlet gewesen seint!).“ Als die Haupthetzer galten die Kardinäle von Augsburg und Trient, sowie des Kaisers Beichtvater, während Karl selbst nur als Werkzeug dieser geistlichen Kriegspartei erschien. Eine Schrift?) führt ihn ein als Diener der Juno, des Papstes zu Rom, deren Vater der Gott der höllischen Unterwelt ist, und deren Gótzen aus Holz und Stein zu verteidigen der Kaiser sieh bestrebt. Sein Wahlspruch „plus ultra“ wird dahin gedeutet, er wolle Herkules noch übertreffen. Denn während dieser nur bei

1) Verzeichnis Nr. 1. ?) Verzeichnis Nr. 2. 5*

68 8 Omphale gesessen und gesponnen habe, würde Karl auf die Knie fallen und der römischen Hure die Füße küssen. Und im Dienste dieses Feindes führte er fremde Nationen ins Land, die den Deutschen in ihrem ganzen Wesen un- verständlich, lasterhaft und verabscheuungswürdig erschienen. Man warf den Spaniern und Italienern mit Vorliebe Hurerei und widernatürliche Unzucht vor, konnte die von ihnen drohenden Gefahren nicht schwarz genug schildern, und der Haß gegen sie bildet einen in den Flugschriften ständig wiederkehrenden Grundton. So erschien der Krieg als ein Kampf zugleich für Tugend, Sitte, Glauben und Gewissen. Als solchen nahm man ihn denn auch mit schwerem Ernst und bußfertiger Gesinnung auf. Zahlreiche Gebete und Psalmenübersetzungen aus den Federn von Geistlichen werden veröffentlicht, besondere Gottesdienste eingerichtet, die Schenken unter schärfere obrigkeitliche Aufsicht gestellt, und überhaupt größere Reinheit der ganzen Lebensführung in Worten und Werken erstrebt. In Magdeburg wird wie zur Zeit der Türkennot mittags geläutet, und der Hausvater mit Familie und Ingesinde im Hause, der Arbeiter auf Markt und Straßen tritt für einen Augenblick von der Arbeit zurück und sinkt aufs Knie. Dem hinaus in den Kampf ziehenden evangelischen Kriegsmanne aber zeigt der wackere augsburger Pfarrer Wolfgang Mäuslin!), wie er sich zu ver- halten habe, um auch in seinem blutigen Berufe der Gnade seines Gottes gewiß zu bleiben. Und nicht etwa nur aus dem Munde von Geistlichen ertönt der Ruf zu Buße und Besserung, in Landsknechtsliedern klingt er wieder und einer der Besten und Edelsten aus dem Kreise ehrenfesten deutschen Bürgertums, Hans .Sachs, erhebt ihn in einem gereimten Gespräch zwischen Germania und dem treuen Eckart.?) Aber neben diesen ernsten, düstern Tönen klingen auch die helleren eines opferfreudigen, todestrotzigen Mutes, der in der beseligenden Gewißheit seiner Religion Welt, Gewalt, Hölle, Tod und Teufel herausfordert, und die gläubiger Siegeszuversicht. Die Sache selbst, für die man.

1) Verzeichnis Nr. 20. ?) Verzeichnis Nr. 2

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ficht, verbürgt ja den Sieg. So führt „Ein new kriegslied iez in diser frist!) ermutigend Beispiele aus dem alten Testament an, wie Gott den Seinen gegen ihre Feinde ge- holfen hat, und in den Wirkungen von Blitzschlägen erblickt man warnende Zeichen Gottes, indem man darauf hinweist, daß die Munition, die am 7. August zu Mecheln durch einen Blitz vernichtet wurde, für Deutschland bestimmt gewesen sei?). Ja, man läßt Gott selbst als allermächtigsten und un- überwindlichsten Kaiser?) seine Hauptleute aufmahnen gegen den ärgsten Verderber des Menschengeschlechts, den Teufel. Für alle, die dabei in seine Dienste treten, ist der große Artikelbrief das neue Testament, und für die Rüstung im Kampfe wird auf Epheserbrief 6 verwiesen. Gewiß handelt es sich hier um Kampf mit geistigen Waffen, aber aus dem militärischen Bilde spricht doch deutlich die Stimmung des Krieges und es zeigt, wie man sich gewissermaßen als aus- erwählte Streiter Gottes fühlte. Da lag es für dies bibel- feste Geschlecht nahe, sich mit den Helden der Bibel zu vergleichen. So erzählt eine Schrift*), die von Martin Schrot stammt, Ursprung und Anfang des Krieges nach dem 22. Kapitel des 1. Buches der Könige, und „Pasquillus Germanicus?)“

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1) Verzeichnis Nr. 27. Bis zu dieser Nummer sind die Schriften zu den bisherigen Ausführungen zu vergleichen. 8a, datiert vom 22. August, ist von Sebastian Lepusculus verfaßt. Vgl. F. Roth, Augsburger Reformationsgeschichte Bd. III, S. 434. Nr. 13. ist vom 4. Juli. Vgl. dazu K. A. T. Vogt, Johannes Bugenhagen S. 418 ff. ferner Archiv: für Reformationsgeschichte II, 194. Moritz von Damitz schick die Schrift am 11. Juli an Herzog Philipp I von Pommern- Wollgast. Ob Nr. 25 und 26 der Kriegszeit angehört, ist ungewiß, scheint mir aber wahrscheinlich.

*) Verzeichnis Nr. 28.

3) Verzeichnis Nr. 29. In diesen Zusammenhang paßt gut der Wiederabdruck einer Schrift Nikolaus Hermanns vom Jahre 1524 ;Aln neuw Mandat Jesu Christi an alle seine getreuwe Christen /....“ (Maihingen), worin Christus seine Getreuen auffordert, das verlorene Schloß, den Glauben an sein Wort, wiederzugewinnen. Sie sollen sich zur Wiedereroberung zum Fähnlein sammeln und nach dem Klang und Getön der Heerpauken laufen, seinem von seinen Dienern und Propheten verkündigten Wort.

*) Verzeichnis Nr. 31.

5) Verzeichnis Nr. 32.

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legt ohne verbindenden Text Gebete, Ermahnungen, Gelób- nisse biblischer Helden hervorragenden Protestanten in den Mund und bezieht die Verheißungen Gottes auf sie, die Verdammungsurteile gegen Heiden und Gottlose dagegen auf den Papst. Entsprechend verfährt „Ain neuwer Römi- scher Pasquillus / von dem Bapst / seinem Reych / vnnd seinem Stul / der Statt Rom vnnd jren Töchtern /Pariss vnd Cöln / sampt allen jren glydern!)*, indem er Stellen des alten und neuen Testaments über die Feinde Gottes auf den Papst und seine Kirche, Rom, Paris und Köln bezieht und so zusammenstellt, daß dem Leser durch den Mund der Prophe- ten und Apostel selbst Rom als Babylon, die Kardinäle als Hexenkinder, Sünder, Ehebrecher und Hurer, Papst und Bischöfe als ungetreue Hirten, Domherren und Kanoniker als .die lasterhaften Menschen der letzten Tage vor dem Weltgericht, wie sie Paulus im 2. Brief an Timotheus und Petrus im 2 Brief, Kapitel 2 zeichnet, verurteilt erscheinen und Roms Fall als vom Herrn verheißen.

So liegt etwas Weihevolles, wie Kreuzzugsstimmung, bei den Protestanten über den ersten Monaten des Krieges. Daneben aber bricht, die letztbesprochene Schrift zeigt es schon, der seit Jahrhunderten in den Tiefen der deutschen Volksseele angesammelte Haß gegen Rom mit elementarer Wucht hervor. Kaum ein Lied, kaum eine Schrift, in der er nicht wiederklingt, kein anderes Gefühl macht sich in der ganzen Publizistik mit solcher Gewalt geltend. „Dann zaig mir ain Statt in der weyten Welt/von welcher den wein des zorns alle völcker so fasst getruncken hahen?).* Wessen man sich vom Papst glaubte versehen zu dürfen, zeigt die Tatsache, daß die Führer der Schmalkaldener in offizieller Flugschrift warnten, er habe Leute ausgesandt, um die Wasser in Deutschland zu vergiften, und die Ge- ständnisse eines gefangenen angeblichen Brunnenvergifters mitteilten?). Da machte sich denn bei diesem kraftstrotzen- den, derb sinnlichen Geschlecht der Haß oft genug mit

1) Verzeichnis Nr. 33. *) Verzeichnis Nr. 34. 3) Verzeichnis Nr. 35.

71 71

massiver Derbheit in Wort und Bild geltend. Ein häufiges Bild zeigt den Papst als babylonisehe Hure. Eine Dirne mit prüchtigem Kopfsehmuek, hoeh in der Rechten Babels goldnen Kelch, reitet auf einem siebenköpfigen Drachen mit langem, in die Höhe stehendem Schwanze und Krallen an den Füßen mehreren Männern entgegen, von denen offen- bar einer den Kaiser darstellen soll. Das beliebte Thema der Sittenlosigkeit römischer Geistlicher behandelt „Der Papisten handbüchlein fleissig zu mercken / vnd heymlich zu lesen /damit es die Leyen / denen der Papst die heylige Sehrifft zu lesen verbotten hat /nicht erfahren. Mit D. M. L. Benedicite für den Bapst vnd seine Sehüppen')*. Hier werden in parodierter Katechismusform christliche Gebote für Geistliche in gegenteiligem Sinne ausgelegt. Eine Probe sel gestattet: , Wie soll ein geistloser, papistischer Bischof, Pfarrer, Prediger leben?“ Antwort: „Ein papistischer Bischof, Pfarrer, Prediger soll ein unverschämter Hurer und Ehebrecher sein, keinen Tag nüchtern, ein Weinsäufer, Spieler, bissig, neidisch, zänkisch, geizig, unehrliche Händel treibend. Mit Huren und Buben soll er haushalten, mit Heuchlern und Stocknarren, Bastarde und Hurenkinder haben und in allen Lastern und Schanden befunden werden.“ In dem Tone geht es weiter und wird auch noch das Verhältnis der Geistlichen zur Obrigkeit, zu ihren Eltern und zu ihren Köchinnen abgehandelt. Das erwähnte Benedicite am Schluß -beginnt: „Aller Raben Augen warten auf Dich, Papst, dab Du ihre Speise werdest in kurzer Zeit.^ Entsprechend ist das Gratias parodiert und das Vaterunser. Wie aber der Haß gegen eine so eintaxierte Geistlichkeit sich gelegentlich bis zu wildem Blutdurst steigerte, móge folgende Stelle aus einem Landsknechtsliede lehren:

„Die pfaffen last uns schlachten, : die solches richten an,

die gott selbest vorachten,

gesterkt auf menschenwan,

1) Verzeichnis Nr. 37. Vgl. den erwähnten Aufsatz von Voigt in Raumers Historischem Taschenbuche S, 380/381.

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Wol her, ein fetter eurthusan kein spiez sol bie ein knebel han, also musz man sie lehren!*!)

Leicht ließen sich die Kraftstellen gegen Rom und römische Geistlichkeit häufen, aber sie sind ja dem Kenner des 16. Jahrhunderts nichts neues.

Erträglicher als die Schriften der eben charakterisierten Art sind diejenigen, in denen sich der Haß mit einem der Zeit entsprechend etwas derben, aber doch ganz frischen Humor verbindet. So z.B. in der „New-Zeyttung Vom Teuffel“?), einem Gespräch zwischen Papst und Teufel von wahrhaft satanisch satyrischer Laune, in dem der Höllen- fürst dem Statthalter Christi erst aus der gleichen Gesinnung, dann aus einem Kartenspiel, dem beliebten Carnöffelspiel, beweist, daß er sein Geselle sei. In diesem Spiele heißen die sechste und siebente Karte Papst und Teufel. sie stehen als gute Gesellen nebeneinander und stechen auch als solche einander nicht. Der Papst aber steht voran, weil er weit schlimmer ist als der Satan. Er sticht alle Blätter außer dem Carnóffel (Kardinal), weil er sich als den Heiligsten in der Welt aufgeworfen und so alle unter seine Gewalt ge- bracht hat. Der Carnóffel aber sticht alle Blätter. Denn ein Kardinal ist ärger als alle, und wenn auch ein Papst fromm wäre, so würde er doch durch die Kardinäle ver- dorben. Des Papsts Frage, warum die siebente Karte, der, Teufel, kein anderes Blatt steche, beantwortet Beelzebub drastisch: „Warumb hat d’schmid die zang& / wenn ich alle bossheit ausrichte wölt bdürfft ich dein vn deiner pletling gar nicht“. Mit wahrhaft teuflischer List weist er dem Papst Sünde auf Sünde und Makel auf Makel nach und zwingt ihn zu Selbstbekenntnissen, bis er wirklich schlimmer er- scheint als der ganz bibelfeste und gar nicht immer so schwarz geschilderte Teufel: selbst. Dazu spielt er eine geradezu lächerliche Rolle mit seiner ewigen Angst und seiner Unkenntnis in geistlichen Dingen er fragt, was Exodus sei, ob etwa ein Buch, und was Christus getan

1) Verzeichnis Nr. 38. 2) Verzeichnis Nr. 89. Vgl. Voigt a.a. 0. S. 397 ff.

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habe und wird vom Teufel selbst unter Anwendung der stärksten Schimpfworte mit Hohn und Verachtung behandelt. Der Verfasser scheint ein kursächsischer Geistlicher gewesen zu sein und sich im Feldlager selbst, wo eine Druckerei war, befunden zu haben.

In einer anderen Schrift!) kommt ein offenbar in der Kanonade vor Ingolstadt gefallener Landsknecht an die Himmelstür, wo er polternd und fluchend von dem alten „Kablkopf“ Petrus und dem Engel Gabriel Einlaß begehrt, aber vergeblich. In dem dabei sich entwickelnden Gespräch stellt es sich heraus, daß Petrus Papst, Kardinäle, Mönche, Nonnen, Pfaffen überhaupt nicht kennt und nie in Rom ge- wesen ist. Luther aber hat er in den Himmel eingelassen und das ganze himmlische Heer samt dem Chor der Engel hat ihn freudig begrüßt. Nach einiger Zeit Disputierens wird der Landsknecht vom Teufel entdeckt, der sein Anrecht auf ihn geltend macht. Er scheint sich ein wenig mit ihm zu raufen, schimpft und flucht, muß aber, wenn auch wider- strebend, mit. In der Hölle findet er neben fast allen Päpsten, Kardinälen, Bischöfen und Pfaffen auch Papst Clemens, der ihn nach den Vorgängen auf Erden ausfragt und all sein Leid vergessen will, wenn die Kirche an den lutherischen Buben gerächt werde. Er bekommt vom Lands- knecht ziemlich derbe Wahrheiten zu hören und bejammert, sich nicht mehr an ihm rächen zu können. Statt dessen muß er seinen Peinigern zur Qual folgen. Inzwischen gelingt es dem Landsknecht aus der Hölle zu entwischen und er bittet nochmals an der Himmelstür, aber diesmal erheblich bescheidener um Einlaß. Petrus will zwar lieber 1000 Bauern einlassen als einen Landsknecht, als er ihn aber fragt, wobei er glaube, daß es schließlich auf Erden bleiben werde und die Antwort erhält: Bei dem Worte: Verbum domini manet in aeternum, da läßt er ihn ein. Dem ziem- lich flott geschriebenen Schriftehen ist noch ein Gedicht an- gehängt, daß sich über die zahllosen Heiligen und ihre Anrufung lustig macht.

Erheblich matter als von diesen beiden Schriften ist

1) Verzeichnis Nr. 40.

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die Wirkung von: „Des Bapsts vnd der Pfaffen Badstub')“, einer Schrift, die entstanden sein muß, als die Protestanten die Ehrenberger Klause genommen und noch überall die Oberhand hatten. Die Überschrift zeigt, daß die Behandlung der Deutschen durch den Papst unter dem Bilde der Be- handlung eines Badenden gegeben wird.

Seit Luthers Auftreten aber sind seine Badestuben leer geworden und er sinnt mit seinem Anhang schon längst darauf, ein neues schädliches Bad den Deutschen anzurichten. Zunächst wird Heinrich von Braunschweig als Schröpfer eingeführt, und nach dem Fehlschlagen seines Unternehmens soll alles, was Platten trägt, den Kaiser gegen die Lutheri- schen hetzen. Der Reihe nach bieten sich dann der Bischof von Augsburg, der Bischof von Trient und der Abt von Weingarten als Scherer, Laugengießer und Badeknecht an und sprechen ihre Freude aus über das Verderben, das über die Lutherischen kommen solle. Den Schluß bildet eine Klage des päpstlichen Haufens über die unerwarteten Er- folge der Lutherischen. Bei der Ausgestaltung dieser ganzen Szenen aber fehlt es an Phantasie und Humor.

Das wichtige Losungswort, mit dem der Kampf von den Schmalkaldenern aufgenommen wurde, Kampf für die Religion, Kampf gegen Rom, hallte also in hundertfachem Echo wieder und löste die verschiedensten Stimmungen aus. Weniger betont war in den offiziellen Schriften das zweite Losungswort: Kampf für die deutsche Freiheit. Aber auch dieses fand, wenn auch nicht in dem Maße wie das erste, doch einen starken Widerhall in der Nation. Das zeigt mehr als ein Lied, am stärksten aber das von glühender Leidenschaft durchbebte: „Ursprung und ursach diser aufrur teutscher nation“ ?)

„Die gulden bull ist zerspalten, das nemen gar eben acht, glübd und eid nit mer halten hat sie kraftlos gemacht“,

Ü Verzeichnis Nr. 41. 2) Verzeichnis Nr. 42. Roth a. a. O. S. 410 möchte das Lied Martin Schrot zuschreiben. Vgl. Voigt a. a. O. S. 405 ff,

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ruft der unbekannte Dichter seinen Landsleuten zu und fragt warnend: „Wie lang last du dich bedören, du teutsche nation ? wiltu das Welsch nit leren, „Plus ultra“ zu verston, was es bringt auf dem rucken? ain ware monarchei, ainen naeh dem andern ducken, ; nur alle knecht: und niemand frei“.

Zum Zusammenhalten mahnend erzählt er die Fabel von den 400 Schafen, die den Metzger allzulange unter sich wüten ließen, weil er ihnen versprochen hatte, nur die Widder töten, der anderen aber verschonen zu wollen.

„Der meizger war von Flandern; also laut unser. mär:

er würgt ains nach dem andern, bisz der stall schier ward lär“.

Aber auch von anderen Seiten ertönen die Mahnungen zur Einigkeit und Wachsamkeit, welche alte landschaftliche und ständische Gegensätze zu überbrücken suchen. Der ehemalige Amtschösser des Kurfürsten, Peter Watzdorff, richtet sie an die oberlündischen und sächsischen Städte !), und aus dem Munde eines reichsstädtischen Bürgers schallt ihm in etwas ungelenken Versen die gleichgesinnte, stür- mische Antwort entgegen ?).

Doch nicht allein für die bunte Mannigfaltigkeit von staatlichen Gebilden ertönt der Ruf zum Sammeln gegen den gemeinsamen Feind unter Hintansetzung alter trennen- der Momente, auch in den einzelnen Gemeinwesen wütete Hader und Parteiung, die es zum Schweigen zu bringen galt. Wie in den Territorien der Adel, so waren in den mächtigen oberdeutschen Städten die großen Kaufleute, wie sie namentlich in Augsburg ihren Sitz hatten, durch materielle Interessen darauf angewiesen, es mit dem Kaiser zu halten.

1) Verzeichnis Nr. 43. 2) Verzeichnis Nr. 44.

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Ihnen drohte schwerer pekuniärer Verlust, wenn sie sich ihn zum Feinde machten, und auch der Krieg an sich schon mußte auf den Handelsverkehr lähmend wirken. So boten denn auch die Fugger, Welser, Baumgartner, Rehlinger und wie sie alle hießen, alles auf, Augsburg von den übrigen kriegsbereiten Schmalkaldenern fern und mindestens neutral zu halten. Das wurde aber von der übrigen protestantischen Bevölkerung der Stadt als Verrat am Evangelium ausgelegt und konnte den Groll gegen sie, der schon längst stark ge- nug war, nur noch steigern. Denn fast alle nicht kauf- männischen Elemente des 16. Jahrhunderts begegneten sich in einem Hasse gegen die Kaufleute, der im Grunde zurück- ging auf den askeiischen Idealismus des Mittelalters, und der sich in erster Linie und wohl nicht ohne Berechtigung, gegen das monopolistische und höchst gewissenlose Treiben der großen Handelsgesellschaften richtete t). Als nun die Teilnahme Augsburgs am Kriege gegen den Kaiser ent- schieden war, da verließen viele dieser großen Kaufleute die Stadt, um sich und ihre wertvollste bewegliche Habe in Sicherheit zu bringen. Das war wohl für Schrot die Ver- anlassung zu seinem Dialoge „Vom Geld und der Armut“ ?), in dem er den unheilvollen Einfluß, den der Mammon schon im großen wie im kleinen geübt, klarzulegen sucht. Auf Ienem anderen Standpunkt stand Wolfgang Mäuslin, der zu Beginn des Krieges sechs Gespräche ?) veröffentlichte, die einen Blick gewähren in die Parteiungen und Stimmungen in Augsburg. Danach verfochten jene Großkapitalisten die Ansicht, daß der Krieg nicht der Religion gelte, ja, daß man nicht durch Feindschaft gegen den Kaiser diesen der rachelüsternen römischen Geistlichkeit in die Arme treiben dürfte. „Das ligt mir an/hielten wir vns zu K.M. so wurden die pfaffen desto weniger zu jrem fürnemen komen künden“, sagt ihr Vertreter Hans Taler. Seine Klage über unfreund- liche Reden, die eine erschreckende Verbitterung gegen ihn und seine Genossen verrieten, bestätigt das oben über die

1) Vgl. v. Bezold Geschichte der deutschen Reformation S. 405.

2) Dialogus ..... Vom Gellt, vnd der Armut (Augsburg, Stadt- bibliothek).

3) Verzeichnis Nr. 45.

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Stimmung gegen die reiche Kaufmannschaft Gesagte. Mäus- lin selbst teilt diesen Hab nicht, sondern läßt den Gesprächs- partner Hans Talers, Gottlieb, eine sehr versöhnliche Haltung einnehmen, wenn er auch natürlich mit Bestimmtheit die Ansicht vertritt, daB der gegenwärtige Krieg der Religion gelte. Nach seinen Worten wollten doch manche wenigstens in diesem Momente nichts von der alten Feindschaft gegen die reichen Kaufleute wissen. Auch von Talers Genossen, erinnert er, seien zuzeiten böse Reden vorgefallen und die feindseligen Äußerungen anderer gegen sie dürften nicht so schwer genommen werden. Man könne nicht ungezogene Mäuler mit einem Schloß verschließen, wenn aber die Obrig- keit einmal dahinterkomme, werde sie schon eingreifen. Es gelingt Gottlieb, Hans Taler für das Zusammengehen von Arm und Reich zu gewinnen. Eine vermittelnde Tendenz wie hier zeigt Mäuslin auch iu dem folgenden Gespräch, das die verschiedenen Extreme, die bei den Protestanten hervortraten, charakterisiert. Da vertritt Frechmut die Sieges- sicheren, die mit der vorhandenen größeren Kriegsmacht schon den Erfolg genügend gewährleistet meinten. In Angst- mut dagegen sind die Verzagten und Kleinmütigen ge- zeichnet, die bei der heraufziehenden Gefahr nichts taten, als kommendes Unglück prophezeien und beklagen. Ohne- sorge endlich repräsentiert jenes sich breitmachende, naiv- anmaßende Gottvertrauen, das nötigenfalls ein Wunder er- wartete, aber selbst zur eignen Rettung keine Hand zu rühren wünschte. „Ists krieg? so sey es krieg. Es würts Gott wol machen. Es soll mir diser krieg mein schlaf nit prechen*. Gottlieb verweist allen dreien ihre Fehler und bringt sie zu rechtem, festem Gottvertrauen aber auch zu eignem ener- gischen Handeln 5).

1, Vgl. Roth über den reichen Anteil Augsburgs an der Publi- zistik der Schmalkaldener. Es bestand dort eine von G. Fróhlich ge- leitete „literarische Schmiede.* Von Lepuskulus z. B. ist verfaßt die „Christianorum supplicatio^ und „Caroli Gandavi Deploratio* (Ver- zeichnis Nr. 47), wahrscheinlich auch der mit Alphonsus Aemilius Sebastus unterzeichnete Pasquillus. Jedenfalls stammt letzterer aus dem Kreise Fróhlichs. Dorther stammt auch „Pasquillus Semipoeta“ und die „Epitome Papistarum“. Dazu kommt Musculus mit seinen

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Es lebt ein entschiedener Wille zur Tat und zur Einigkeit in ‘diesen protestantischen Flugschriften der ersten Kriegszeit. ‚Seine Wurzeln aber hat er neben dem Eifer für das bedroht geglaubte Evangelium und dem Hasse gegen Rom in dem mächtig aufflammenden Nationalgefühl. Es war ja durch die beiden großen geistigen Strömungen der Zeit, Humanismus und Reformation, sehr belebt worden. Die Humanisten hatten von deutscher Macht und Herrlichkeit und von dem Glanz vergangener Tage nicht nur im stillen Gelehrtenstübehen geschwärmt und geträumt, sondern sie waren mit Wort und Schrift für ibre Ideale und Anschauungen eingetreten und hatten sie weit verbreitet. Aber auch in dem Haß der Reformationszeit gegen Rom war neben dem religiösen ein nationales Element lebendig, das stark genug war, den Humanisten Hutten an die Seite der Reformatoren zu treiben. Diese Strömung, die in Rom nicht nur den Gegner des neuen Glaubens, sondern auch einen nationalen Feind sah, mußte immer neue Kraft gewinnen aus dem von den Humanisten eifrig geförderten Studium der deutschen Geschichte. Das beweist auch die Publizistik des Schmal- kaldischen Krieges, in der es nicht fehlt an Hinweisungen auf die zahllosen Blätter im Buche der deutschen Vergangenheit, die von der alten Gegnerschaft zwischen Germania und Rom berichten. Dazu nun, daß auch dieser Waffengang als Kampf gegen Rom galt, kam die Furcht vor einer Zwing- herrschaft Karls und der Haß gegen die italienische und spanische Soldateska, und der Krieg erschien als eine schlechthin nationale, gemeinsame Sache. Daß gerade die letzterwähnte Ursache nicht wenig zu dieser Auffassung beitrug, zeigte sich bei Schertlins erstem kühnen Vorstoß. Damals nannten die Untertanen des Bischof von Augsburg

sechs Gesprächen und Martin Schrot mit dem „Neuen römischen Pas- quillus“ und vielleicht auch mit dem „Lied von Ursprung und Ursach dises Aufruhrs deutscher Nation“. Von Fröhlichs Herausgabe der Rechtfertigungsschrift der beiden geächteten Fürsten ist schon die Rede gewesen, Sailer publizierte den später zu erwähnenden Brief an Herzog Wilhelm von Bayern vom 3. August. Die Antwort auf den Sendbrief stammt wahrscheinlich von Nicolaus Maier. Auch die War- nung vor den päpstlichen Giftmischern ist in Augsburg gedruckt worden,

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seinen Zug des Reiches Zug und seine Scharen des Reiches Volk, weil sie den Hauptzweek des Unternehmens in dem Schutz gegen die romanischen Horden sahen!), Die nationale Seite des Hasses gegen sie und seine Stärke bestätigt auch der wilde Kampfruf eines Landsknechtsliedes:

„stecht in die spanisch sew und hund wie in die frósch und lert sie rund, was heiß, die Deutschen pochen“ ?).

Überhaupt steht in den Liedern für Protestanten schlecht- weg Deutsche und Schradin lieb Germania in schwarzer Kleidung mit edlem Stolz anklagend und warnend vor den Kaiser hintreten und ihm, als er auf ihre Vorhaltungen hin trotzig schweigt, für sich und ihre treuen Kinder absagen?). . Den kräftigsten Ausdruck aber gibt solcher Gesinnung wieder der Verfasser des Liedes „Ursprung und ursach diser aufrur teutscher nation“, wenn er gegenüber den deutscheu Ver- bündeten Karls fragt:

„Wem soll ich die vergleichen,

dern herz ist auf gelt gericht,

vom vaterland thun weichen,

das eerlos nattergezicht ?

Aller lieb, trew vergeszen

der wütend hund sein herrn beist, seiner muter leib thut freszen,

der schandvogel sein nest bescheiszt.*

In Karl selbst baßte diese nationale Erregung nicht nur den Bannerträger Roms, dessen Treulosigkeit, wie öfter prophezeit wird, er selbst noch empfinden würde. Der Vorwurf des Pflicht- und Eidbruches, den die Bundesleitung gegen ihn erhoben hatte, ist in die meisten populären Schriften übergegangen. Man betont auch, daß er gegen die besten Bundesgenossen und Helfer bei seinen früheren Erfolgen, die sich solches Vorgehens nicht hätten versehen dürfen, das Schwert ziehe.

1) Vgl. Schertlins Brief vom 8. Juli aus Rosshaupten bei Herberger. 2) Verzeichnis Nr. 38. 3) Verzeichnis Nr. 46.

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„Incautos spoliare bonis hos perdere conor Tutoris fungens munere et officio",

läßt ihn Lepusculus sagen). Seine tatsächliche Handlungs- weise wird verglichen mit der, die ihm die Interessen der Nation als Kaiser hätten vorschreiben müssen, und der undeutsche, ja deutsehfeindliche Charakter seiner ganzen Politik kommt zum Bewußtsein. Die einen brandmarkten ihn als Verderber des eignen Vaterlandes, andere aber scheinen in der hochgehenden Erregung der ersten Zeit in ihm überhaupt keinen Deutschen mehr, sondern nur den Fremdling auf dem deutschen Kaiserthron gesehen zu haben, gegen den sich das nationale Gefühl kräftig auflehnte. Es wird darauf hingewiesen, daß er und sein Bruder Pflichten im Osten hätten, während sie statt dessen die fruchtbare Ostmark den Türken preisgäben und dem Papste zu Gefallen ihre Erbländer aufs Spiel setzten.

„Das heist wol vorgestanden der deudschen nation!

mit ihn weit ausz den landen, nement von ihn die kron,“

heißt es in dem Liede eines Landsknechts im Lager zu Donauwürth?) in dem wenige Zeilen später der stolze, trotzige Ruf erklingt:

„kein Walch soll uns regieren, darzu kein Spaniol.“

Es ist ein starker Umschwung der Stimmung gegen das Jahr 1519.

Die Schmalkadener begannen den Krieg bei allem Ernst, der immer wieder durchbricht, mit hochfliegenden Hoffnungen. Mehr wie einer träumte von dem völligen Sturz der päpst- lichen Gewalt in Deutschland, ja vielleicht in der ganzen Welt, und Karl wurde wohl das Schicksal seines mütterlichen Urgroßvaters prophezeit. Der erwachte Nationalstolz fand Töne frischer siegessicherer Kampfeslust.

1) Verzeichnis Nr. 47. 2) Verzeichnis Nr. 48.

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„Laszt nit so gar erlöschen

die teutsch manliche thot, allzeit nach eren getröschen, bestanden in vil groszer not; was niemand mocht überwinden, hond die Teutschen gethan“

rief der Dichter des Liedes „Ursprung und ursach diser aufruhr teutscher nation“ seinen Landsleuten zu, und selbst- bewußt erklang es in dem oben erwähnten Warnungsdedicht eines reichsstädtischen Bürgers: |

„Kein herr ist gsein der ganzen welt, hat er sich wider Teutschen gestelt, er ist zu zeiten auch erlegen,

also würt diesen auch begegen“

mit dem frischen Kampfruf am Schluß:

„Her gehn, d’händ zu, die augen auf

zu solchem ihrem pfaffenhauf

und auch zu disen lesterlappen!

Druf gschlagen, dasz die gippen gnappen! hertweg hinzu und auch frölich,

des handels niemand scheme sich“ }).

Es spricht eben auch aus diesen Liedern das stolze Gefühl der nationalen Kraft und Überlegenheit, nicht zuletzt in militärischer Beziehung, das im 16. Jahrhundert unser Volk beseelte und selbst nicht fehlte „beim letzten Bauern im entlegensten Gebirgsdorfe, wo der heimkehrende Landsknecht zu erzählen wußte, wie er unter des Frundsbergs Führung Franzosen und Schweizer zusammengehauen, wie er den Papst ‚selbst heimgesucht habe im ewigen Rom?).*

Und doch, so laut und hell, so klar uud fest die Kampf- rufe ertónen, sie kommen nicht alle aus ungeteiltem Herzen. Zu deutlich klingen andere Töne mit durch. Gerade mit dem Nationalgefühl war ja auch untrennbar die Kaiseridee verbunden, und trotz aller rechtlichen Auseinandersetzungen

1) Verzeichnis Nr. 44. 2) D. Schäfer, Deutsches Nationalbewußtsein im Lichte der Ge- schichte (Jena 1884) S. 18. Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 1. 6

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war und blieb es doch das Reichsoberhaupt, gegen das man kämpfen wollte. Wie sehr die doch noch tief im Volke steekende Ehrfurcht gegen den Kaiser den Arm des Protestantismus lähmen mußte, das wird deutlich, wenn man sie sich selbst bei denen geltend machen sieht, die sich entschlossen, das Schwert zu ziehen. Und gerade gegenüber diesem Kaiser! Entschieden hatte zu Gunsten seiner Wahl die Nation im Jahre 1519 ihre Stimme erhoben, zu laut hatte man dem jungen Reis aus Habsburgs altem Stamme entgegengejubelt und zu hochfliegende Hoffnungen für die nationale Zukunft auf diesen vermeintlich deutschen Fürsten gesetzt, als daß man sich so leicht mit der Erkenntnis der Täuschung hätte abfinden können. Wie schon erwähnt, galt er ja wohl der Mehrzahl der Protestanten nur als Werkzeug einer kirchlichen Kriegspartei, und in mehreren Schriften erscheint er geradezu als der an sich gute und Deutschland wohlwollende Kaiser, den man mit mehr Bedauern als Haß von den Pfaffen verleitet sah. Zwei für die Landsknechte bestimmte Lieder verraten deutlich den Schmerz über den Zwiespalt der gegenwärtigen Lage:

„Ach Karle, groszmechtiger man,

wie hast ain spil gefangen an

on not in teutschen landen?

wolt got du hetst es basz bedacht,

dich solehs nicht unterstanden erstanden! Du hast zuvor mit groszem lob teutschland beschützt und ghalten drob, dasz friden wurd erhalten,

wiewols schwer war, weil stet und land der ler halb waren gespalten.“

So klagt das eine!) und schließt nach einem warnenden Hinweis auf die alte Feindschaft der Päpste gegen die deutschen Kaiser die Bitte an, sich nicht verleiten zu lassen zu verwerflichem Beginnen:

„Ach Karle, sich dich beszer für, bedenk, was drausz erfolgen wür,

ee. Á —"

1) Verzeichnis Nr. 49.

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wenn du dem bapst zu gfallen solch grewlich mord wirst richten an in disen landen allen.“

Teutsch nation, dein vaterland, des trew gen dir ist oft erkant, wirst werfen in ain haufen,

all kirehenzucht und regiment müst gar in blut ersaufen.“

Ganz ähnliche Töne aber erklingen in demselben Liede, dem oben der scharfe Kampfruf gegen die Spanier entnommen

wurde t). ,Ach Karle, lasz dir sagen,

du tewrer, weiser man,

wie darfstus immer wagen,

solch grosz ding richten an?

all dein gewalt all deine reich

seint hiezu sehwach und nirgent gleieh das wirt dich gott selbst lehren."

Nach einem nachdrücklichen Hinweis auf die Verdienste Sachens und Hessens um ihn folgt auch hier die Bitte zur

Umkehr: „Lasz ab von solchen sachen,

ach keiser hochgeborn,

lasz gott den herren machen,

hüt dich vor seinem zorn;

lasz ungehindert gottes wort

so wirt dich gott beid hie und dort mit sieg und ehren zieren.“

Wohl schliessen beide Gedichte mit dem Gedanken: kann es nicht anders sein, nun dann auf zum Kampfe, aber sie lassen doch ahnen, wie ein großer Teil des treuen Volkes nur schwer sich ein zertrümmertes Ideal und: getäuschte Hoffnungen aus dem blutenden Herzen riß?).

!) Verzeichnis Nr. 38.

?) Diese Anhünglichkeit, die sich nur schwer um der Religion willen vom Kaiser losreißt, kommt noch stärker und schöner zum Aus- druck in zwei andern Liedern, ,Eine ermanung an die keiserliche

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Wenn man auf kaiserlicher Seite diejenigen Presse- erzeugnisse, die man weder als offiziell noch als offiziós ansprechen kann oder mag, durchmustert, so fällt, abgesehen von allen durch die Parteistellung selbstverständlich bedingten Unterschieden im Inhalt, ein tiefgreifender Unterschied auf. Es fehlten auf kaiserlicher Seite, wie schon früher erwähnt, die großen, fortreißenden Ziele und es fehlte die Tiefe und Macht der Antriebe, die sich bei den Protestanten im Anfang des Krieges geltend machte. So erwecken denn diese Lieder Prosaschriften finden sich mit einer Ausnahme bei dieser Gruppe auf kaiserlicher Seite nicht nicht den Eindruck einer im Innersten erregten Volksseele. Soweit sie sich mit der Frage nach dem Grunde des Krieges beschäftigen, zeigt sich, daß der Standpunkt, den Karl in der Achterklärung eingenommen hatte, Anklang gefunden hatte. Der Krieg gilt nicht der Religion, sondern der Bestrafung eines verderblichen, alles auflösenden Aufruhrs, der kein Recht und keine Ordnung mehr anerkannte und sich mit frevler Gewalttat nicht nur gegen Kirchenglieder und andere Fürsten gewandt, sondern schließlich auch Papst, Kaiser und König nach ihrer Obrigkeit getrachtet hatte.

„Das mochte gott von himel nit

mer leiden noch zusehen;

all recht und keiserlicher frid

theten zu gleich begeren,

dasz kaiserliche majestat

braucht nun sein hand und gwöltig macht, macht ghorsam seine unterthan,

die sich wider in gesetzet han“ 1).

Nach Karls eigenem Vorgang preist man die Liebe und Geduld, mit der er sich unter Opfern und Mühen um friedliche

majestat des evangeliums halben in seinen erbländern“ (Lil. Nr. 519) und „Ein warnung an Carolum, dasz er sich den bapst nit lasz ver- führen“, (Lil. Nr. 525). Da aber die Abfassungszeit des ersten der beiden Lieder offenbar sehr früh in das Jahr 1546 fällt und das zweite bisher nur aus einer Handschrift bekannt ist, so lagen beide außer- halb der Grenzen meiner Arbeit, bestärkten mich aber in dem Ent- schluß, auf diese Gefühlsrichtung hinzuweisen. !) Verzeichnis Nr. 40.

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Beilegung der Zwistigkeiten bemüht, ja das eben zitierte Lied sagt über ihn, Papst und König:

„ja niemand anderst urthlen mag, recht wie gott selb die welt gliebt hat, also auch gmelte haupt zugleich liebten das heilig römisch reich.“

Man weist wohl auch stolz darauf hin, daß er sich nicht aufgedrungen habe, sondern durch rechtmässige, einstimmige Wahl zum Kaiser berufen sei!) feiert ihn als von Gott erwählten und sichtbar begünstigten Herrscher und im Gegen- satz zur Auffassung der Protestanten als tatkräftigen Schirm- herrn der Christenheit gegen die Türken und Erhalter des Reichs gegen dessen Feinde. Die Mehrzahl der Lieder auf kaiserlicher Seite ist entstanden zu einer Zeit, als der Sang der Protestanten mehr verstummte, nämlich gegen Ende des Donaufeldzugs oder wenigstens nach der Kanonade von Ingolstadt, die man offenbar als den eigentlichen Wendepunkt des Krieges betrachtete. Der bisherige Verlauf der Ereignisse wird von einem Teil der Lieder in mehr oder weniger frischem Tone, mehr oder weniger geschickt erzählt. Es kann sich dabei natürlich auf dieser Seite kein Nationalstolz geltend machen, sondern es ist eben nur das Hochgefühl des Siegers, das z. B. den bayrischen Reitersmann Hans Schmid?) und seinen Landsmann, den Trommler Sebastian Pächler®), in die Saiten greifen läßt. Daneben spricht wohl auch der Stolz auf den sieggewohnten kaiserlichen Kriegsherrn, so wenn Sebastian Pächler uns versichert:

„Der Kaiser ist ain eerlicher man,

Im. Haufen allmal zuvordrest dran.

Er spricht: „Ihr gueten Landsknechte! Bleibt ihr bei mir, so bleib ich bei euch; Wir wellen gar ritterlieh fechten,*

oder wenn er dem Hessenfürsten die Lehre gibt, daß der gekrünte Zauderer seine Zeit abzuwarten verstehe:

1) Verzeichnis Nr. 52. 2) Verzeichnis Nr. 53. 3) Verzeichnis Nr. 54.

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„Landgraf! Das sag ich dir fürwar: Der Kaiser kriegt nit auf ein Jar, Darzu nit auf vier Wochen.

Wenn es ihm nit gar eben ist, Man muesz ihms anderst kochen.“

Philipp trifft überhaupt am stärksten der Zorn, dessen volle Schale der Sieger mit Schmähung und Hohn über den Besiegten ergießt. Abgesehen von dem Vorwurf des Aufruhrs wird ihm, der sich „Kirchenschätzer“ statt Kirchenschützer nennen sollte, gewissenlose Geldgier und Erpressung vor- geworfen, sowie Treulosigkeit gegen seine Bundesgenossen. Die Reichsstädte ergaben sich dem Kaiser, denn:

„kain hilf noch rath sie hätten mehr, Der landgraf het sein pflicht und ehr an in vergeszen ganz und gar,

dann er kein trewer hirt nit war!).“

Allen Jammer und Mord jetzt hat er verschuldet,

Insz teuffelsz reich ein guter knecht, dem du zu hoff thust reitten °)“

In ihm sah man offenbar die Seele und Triebfeder des Schmalkaldischen Bundes. Nächst ihm aber wird Schertlin am meisten genannt, während Johann Friedrich hinter diesen beiden etwas zurücktritt.

Ein eigentümliches Produkt des Triumphes des Siegers ist das längere Gedicht denn von liedmässigem Charakter kann hier keine Rede sein „Summarium des Euangelischen / das ist / Schmalkaldischen Kriegs / wider Römische Kaiserliche Mayestat yetzt geführt?).^ Die ersten Abschnitte lassen den schmalkaldischen Obersten. prahlen und bramarbasieren nach Art von Räubern und Marodeuren, bis dann in den Abschnitten „Donwerder / Nortlinger / Genger ete. / Hinderzug" statt dessen eine zynisch klägliche Klage .einsetzt, daß alles fehlsehlage. Nicht übel gelungen ist dabei eine Satire auf die angebliche Verbreitung falscher Siegesnachrichten und

1) Verzeichnis Nr. 5 2) Verzeichnis Nr. 5 3) Verzeichnis Nr. 5

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Hoffnungen durch Zeitungen der Schmalkaldener. Ermahnung an den Schreiber:

„Schreibe trost /schreibe syg /schreibe gute zeit Obwol nichts wird drausz in ewigkait /

Laß die brieff hoch here schallen vnd prallen Als sey des kaysers Cron gefallen /

Erdicht alles arg vnd bóse stuck

Von welsehen sags in alle jn ruck /

Schreib yetzt kompt der jung Frantzoss

Obwol alle sachen stehen loss

Ja gantz Denmark / Schweitz und Schwetz

Da sich nu anfahen wirt die recht hetz / Schreibe / da kome der Hertzog auss Preussen Vnd alle Sehestedt / setz auch weisse Reussen / Ob wol auch diss gröblich erlogen ist

So bringts vns doch ain wenig guter frist.“

In einem der folgenden Abschnitte wird dem Kurfürsten von Sachsen eine zynische Schilderung des Heimzugs der Schmalkaldener in den Mund gelegt, wie sie erpressend und plündernd durch Freund- und Feindesland daherziehen, nur auf Geld für die Knechte bedacht und Not und Krankheit hinter sich lassend:

„Kain stadt, fleck/dorff noch hauss kan sein Darinn nicht kriegssleut leiden pein“.

Alle Vorwürfe, die die Schmalkaldener gegen die Welschen erhoben hatten, werden ihnen reichlich zurückgegeben und in einem der letzten Abschnitte ein höhnisches Klagelied auf die Notlage des „Schmal vnd kaldt bund* angestimmt.

Wie die alten Gegensütze und Parteiungen in diesen Krieg mit hineinspielten, das zeigt das haßerfüllte Triumph- lied, das Jörg Lang von Simelbrunnen über die Reichsstädte sang und dessen beide ersten Strophen beginnen:

„Weh euch, ir armen reichstet“ 1)

Der Verfasser scheint mir ein heruntergekommener Adliger zu sein, den neben verrostetem Standeshochmut und Haß

1) Verzeichnis Nr. 58.

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gegen das begütertere Bürgertum in erster Linie Hoffnung auf Geld und Beute unter Habsburgs Fahnen geführt hatte.

„Wer ich schmalzglebisch,

so hett ich kain gelt;

ich bin gut kaiserisch,

darum so haßt mich die welt.“

Man darf wohl annehmen, daß noch mehr seiner Standes- genossen aus gleichen Motiven dem Kaiser folgten wie er, dessen undeutscher Triumphruf, mit dem er jede Strophe beschließt:

„Kyrie, die Spanier seind im land“

in schneidendem Gegensatz steht zu den Äußerungen kräf- tigen Nationalstolzes in den Liedern der Protestanten.

Für deren Publizistik bedeutete natürlich der Abzug bei Giengen eine entscheidende Wendung. Die Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes, die ihren Frieden mit dem Kaiser machten, durften natürlich in ihren Gebieten auch die Fortsetzung des Federkrieges nicht dulden, und auch in den Kreisen des Landgrafen scheint man sich an ihm nicht mehr beteiligt zu haben. Nur einmal noch, Anfang Mai 1547, verteidigten er und hessische Räte sich vor der Öffentlich- keit gegen Vorwürfe, die in einer Flugschrift gegen sie er- hoben waren. Man hatte ihnen verbrecherische Anschläge gegen Büren und Frankfurt zur Last gelegt und dabei die Anschuldigung der Brunnenvergiftung zurückgegeben. Ab- gesehen von diesem kleinen Zwischenspiel aber sind aus der Zeit nach dem Abzug bei Giengen nur Schriften aus Sachsen erhalten, wo der Krieg ja noch in vollem Gange war.

1) Verzeichnis Nr. 59—61.

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Fünftes Kapitel. Flugschriften zum Kriege in Sachsen.

Sehriftenverzeichnis.

1. Vnderricht wie die Pfarherrn das volck in diesen geschwinden vnd gefehrlichen zeiten zur busz vnd gebett vermanen sollen (auff Fürstlichen befelh) durch . . ./ herrn. Georgen Fursten zu Anhalt Coadiutorn in Geistlichen sachen zu Mersenburgk . . . auszgeschrieben.

Anno 1546.

Bamberg. Hortleder II, Buch 3, Kap. 5.

2. Ein new lied. Lil. Nr. 534. Hortleder II, Buch 3, Kap. 59.

3. Vnnser von Gotts genaden Moritzes Hertzogen 'zu Sachssen / Erklerunge / wie wir der Christlichen Religion geneigt / Vnnd welcher vrsach halben / wir Uns / wider die Kayserliche Maiestat / nicht ein- gelassen / noch vmbgehn haben können / Vus vmb Vnsers Vettern Lande anzunehmen.

Gießen, Universitätsbibliothek. Hortleder II, Buch 3, Kap. 41.

4. Abgedruckte Copeien Etzlicher schrifften vnd antworten / so der Landgraff zu Hessen / Vnd die Kriegsrethe gemeiner Christlichen vorstentnis / vnd Religion einung / An Hertzog Moritzen zu Sachssen / Vnd an S. F. G. Landstende auff etzliche schreiben gethan/ vnd ge- geben haben.

MDXLvj. Breslau, Universitätsbibliotbek. Hortleder II, Buch 3, Kap. 38.

5. Die weile die Stende der Cron zu Behemen /An den Chur- fursten zu Sachssen / Vnd an den Landgrauen zu Hessen / vor etzlichen Wochen ein Schreiben gethan/So haben jre Chur vnd Fürstlichen gnaden / denselben Stenden, darauff Antwort gegeben / Wie die von Worten zu Worten allhie Abgedruckt / Vnd ist solchs Abdrucken da- rumb verordent / das es von vielen dafur gehalten wirdet / berürte Antwort sey dem wenigern teil der Stende / jres pn inhalts fur- komen / Odder zulesen gegeben worden.

Anno MDXLVI Breslau, Universitätsbibliothek. Hortleder IT, Buch 3, Kap. 34.

5a, Von Gottes genaden Johanes Friderich / Hertzog zu Sachssen / Philips Landtgraue za Hessen vnd gemeyner Christlicher einung ver- ordnete Kriegs Räthe /

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An Hertzogen Wilhelmen zu Bayern MDXLVI Den III. Augusti Augsburg. Hortleder II, Buch 3, Kap. 21.

5b. Römischer Keyserlicher Maiestat aufforderungs brieffe / an Hertzog Ulrichen von Wirtenberg / vn gemeyne Landtschafft lauttend. Karlsruhe. Hortleder II, Buch 3, Kap. 53.

6. Christliche vermanung des Ehrwirdigen Herrn Doctor Johann Bugenhagen / Pomerani / Pastors der Kirchen zu Witteberg. An die lóbliche Nachbarschafft / Behemen / Slesier vnd Lusatier.

Witteberg Gedruckt durch Hans Lufft 1546

Breslau, Universitütsbibliothek. (K. H. T. Vogt. Johannes

Bugenhagen S. 419 ff.)

7: Pasquillus Nouus der Husseer Welcher wil wissen was da sey Hertzog Moritzen heucheley Vnd wie er spilet der vntrew Der lesz mich das gedicht ist new. Frankfurt a. M. Stadtbibliothek. Strobel, Neue Beiträge. Bd. IV, St. 2.

8. Eine trewe vermanung an alle christliche stende, auch ver- warnung an die fürsten, dasz sie auf ihre kriegsheubtleut und etliche vom adel, so vielleicht mehr auf die finanzen und eignen nutz, dann auf ehr und tugend sich befleiszen, acht geben.

Durch einen liebhaber göttlichs worts beschrieben.

Lil. Nr. 544.

9. Vermahnung: An teutzsche Nation... ....

. Durch eyn liephaber Gotlichs worts beschrieben Sontags noch Simonis et Jude Anno etc. Xlvi. Zweites Exemplar: Donners- tags nach Othmari Anno 46.

Dresden, Hauptstaatsarchiv.

10. Eyn neuh liedt......

den ersten Nouembris Anno sechs vndt viertzigk. Zweites Exemplar durch Petrum Watzdorff mitwoch nach Martiny Anno etc. sechs vnd viertzigk.

Dresden, Hauptstaatsarchiv.

ll. Ein new lied uud ermanung an die evangelischen, sich der fromen fürsten und der löblichen weitberuften stadt Wittemberg umb

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gottes wort und der universität willen trewlich anzunehmen. Durch Petrum Watzdorf beschrieben. Im jahr 1547 Lil. Nr. 545.

13. Ein new lied von herzog Moritzen zu Sachsen. Lil. Nr. 546.

14. Abgetrückte Copey / Hertzog Johans Frideriche Churfurste zu Sachssen / vnd Burggraffen zu Magdeburg. Verwarung gegen Hertzog Moritzen seins Vettern Landschafften / zu seiner Churfürst- lichen Gnaden vnuermeidlichen vnd genodtrengten Defension. Datum den XXII Decembris Anno etc. XLVI

Gießen, Universitätsbibliothek. Hortleder II, Buch 3, Kap. 55.

15. EIn Trewe Vermanung / vn Warnung /an beyde Bischoffe / Wyrtzburgk vnd Bambergk /vnd derselbigen Preiszwirdigen Adel. Auch an alle jhre Vnterthanen /sich jnn diesen fehrlichen zeitten / wol fürzusehen vnd nicht vuuorhetzen lassen. Durch Petrum Watz- dorff zu Arnstadt beschrieben |

Anno MDXLVII Berlin, Kgl. Bibliothek. Hortleder IT, Buch 3, Kap. 63.

16 Ein ' gemeine Danksagung / das Gott der Herr / vnserm G. H. dem Churfursten zu Sachsen / widder zu Land vnd Leutten ge-

holffen hat. Im Jar MDXivij

Wolfenbüttel.

17. GENEROSIS NOBILIBUS STRENUIS HONESTIS PRU- DENTIBUS ATQUE EGREGIIS VIRIS commitibus Baronibus Senatui populoque Veteris & Nouae Urbis Pragae caeterisque Ciuitatibus ac Stati- bus Regni Bohemiae nuper Praga singulai quodam foedere conciliatis, nobis singulariter dilectis.

Berlin, Kgl. Bibliothek.

18. Historia vnnd erzelung der Handlung /so in dem lóblichen vnnd Hochberümbten Köningreich Behem / auff ires Könings Mandat / TIT /jn vergangnem winter vnd Sonderlich im Monat Februario sich zugetragen vnd ergangen vnnd jre erliche vnd Christliche ant- wort darauff. Mit einer Christlichen vermanung an alle Gottfürchtige vnd frumme Hertzen /......

MDXLVII Breslau, Stadtbibliothek. Hortleder II, Buch 3, Kap. 64.

19. WArhafftige Copey einer Schrifft/so die Ehrwirdigen Herrn Predicanten zu Leiptzig an Hertzog Moritzen zu Sachsen gethan etc.

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Desgleiche eine andere Copeyschrift / des hochwirdigen Herrn Nicolai Amszdorff / von Gott bestetigten Bischoff» zur Neumburg / an den Bischoff zu Merszburg etc. Anno MDXLVII Gießen, Universitütsbibliothek. Hortleder IT, Buch 3, Kap. 38.

12. Ermanung an Churfürsten. Angeheftet einer Zeitung über die Niederlage bei Rochlitz. Berlin, Kgl. Bibliothek.

20. Ein schon new lied zu ehren dem durchlauchtigen hoch- gebornen fürsten und herren, herrn Moritzen, herzogen zu Sachsen, etc. zu ablenung der unwahrhaftigen auflag gemacht.

Lil. Nr. 547. Hortleder IT, Buch 3, Kap. 59.

21. Ein lied, ausz was ursachen mein gnediger herr herzog Moritz mit dem churfürsten herzog Johann Fridrichen nicht wider den keiser hat wollen ziehen, dadurch ihm der churfürst gehasz werden ......

Lil. Nr. 552. Hortleder II, Buch 3, Kap. 60.

22. Ein new lied von der belegerung der stadt Leipzig im 1547 jar. Lil. Nr. 548.

23. Ein lied von der belegerung der lóblichen stat Leipzig von dem churfürsten herzog Hans Fridrich . . . . .. Lil. Nr. 549. Hortleder IT, Buch 3, Kap. 60.

24. Ein new lied von der belegerung der fürstlichen stadt Leipzig von dem churfürsten zu Sachsen etc. . Lil. Nr. 550.

25. Ein new lied von belegerung der stat Leipzig, ufs fleiszigst und ganz ordentlich zusammmengezogen. Lil. Nr. 551.

26. Ein new lied wie herzog Johann Friderich von der rómischen kaiserlichen majestat den 24. tag Aprilis erlegt und gefangen worden ist.

Lil. Nr. 553.

27. Das ander Theile des Summarij vom Euangelischen oder Schmalkaldischen Kriegc, wider die Oberkait. Anno 1546 vnd 1547. München, Universitätsbibliohek.

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28. Ommis potestas a Deo & qui potestati resistit, Deo resistit. Warhafftiger bericht wie wunderbarlich Gott der allmechtig / der Römischen Kayserlichen Maiestat / wid jre Feind die Rebellen/ .../ Sig / gnad vnd glück verlihen / gegeben / vnnd mit gethailt hat. Anno MDXLVII München, Universitätsbibliothek.

29. Van der slachtinge vor Bremen. Lil. Nr. 566. Hortleder II. Buch 3, Kap. 74.

30. DIALOGUS

Nye gemaket van der Be/legeringe der Stadt Bremen unde Slach / tinge vor der Drakenborch etc.

Bremisches Jahrbuch 1. S. 179 ff.

31. Passio. Wle der Durchleüchtigst Hochgeborn Fürst vnd Herr / Herr Jo- hanns Friderich zu Sachssen /...... Von Keyser Karel dem fünfften

| ausz verhengknusz Gottes / vnnd verlassung seiner Bundtsverwandten / bekriegt vnd gefangen ist worden etc.

1548 Maihingen.

32. Wie es vns zu Wittemberg in der Statt gegangen ist /in disem vergangen Krieg/...... Warhafftige Historia / beschrieben durch Johan Bugenhagen Pomern / Doctor vnd Pfarherr zu Wittemberg. MDXLVII ` Berlin, Kgl. Bibliothek. Hortleder II, Buch III, Kap. LXXIII.

Wie der sächsische Krieg selbst zwar im Grunde noch ein Kampf um dieselben gemeinsamen großen Ziele war wie der Donaufeldzug, aber doch in seinen ganzen Bedingungen und Verhältnissen ein anderer, so ist auch die durch ihn hervorgerufene Publizistik zwar noch durchzogen von den großen Streitfragen und Gegensätzen, die in den bisher be- sprochenen Flugschriften verfolgt werden konnten, zeigt aber doch einen eigentümlichen Charakter. Es standen sich in diesem Kampf hauptsächlich als Gegner gegenüber Kur- sachsen auf der einen, Böhmen und das Herzogtum Sachsen auf der anderen Seite, und die eigentümlichen Verhältnisse dieser Länder, ihre und ihrer Herrscher Beziehungen zuein- ander drücken der Publizistik ihr besonderes Gepräge auf,

94 94 auch schon den Schriften, die vor der Okkupation der Kur- lande durch Moritz und Ferdinand von den beteiligten Par- teien veröffentlicht wurden. Ein besonders bedeutsames Moment bildet dabei die Stellung der beiden letztgenannten

Herrscher zu ihren Untertanen in den streitigen Fragen des Krieges.

Von vornherein befand sich Herzog Moritz in schroffem Gegensatz zu den Ansichten und Wünschen seiner Unter- tanen. Denn war auch im Herzogtum Sachsen die Refor- mation von oben her und vielfach nicht obne Anwendung energischen Druckes durchgeführt worden, und waren auch im meisznischen Adel noch starke katholische Sympathien lebendig, so hatte doch auch die neue Lehre bereits zahl- reiche und feste Wurzeln geschlagen, namentlich in den Städten. Die gut evangelisch gesinnten Kreise aber waren von vornherein der Überzeugung, daß der gegenwärtige Krieg der Religion gelte, eine Überzeugung, die durch Ver- breitung kaiserfeindlicher Flugschriften und Lieder!) und von den Kanzeln herab bestärkt wurde. Man wußte wohl], daß der junge Fürst persönlich der Religion völlig indifferent gegenüberstehe, und beobachtete seine Haltung, auch als er selbst noch nicht an aktives Eingreifen in den Krieg dachte, mit tiefem Mißtrauen. Flüsternd und raunend ging es um von einem Verrat der gemeinsamen guten Sache, ja von einem Übertritt zum Katholizismus zu Regensburg und von einer beginnenden Religionsveränderung im Herzogtum. Un- faßbar und doch deutlich vernehmbar durchflog dies Gerücht das Land, ließ sich. nicht zur Ruhe bringen, sondern erhob sich lauter und zorniger, kam zu den Ohren der Diener und Beamten des Herzogs, denen Stimmung und Haltung des Volkes auffallen mußte, und drang so schließlich hinauf zum Thron. Nicht zuletzt um derartige Ausstreuungen zu widerlegen, hatte Moritz bereits am 6. Juli durch den Koad- jutor zu Merseburg, Georg von Anhalt, eine Verordnung °) ergehen lassen tüber besonders abzuhaltende Gottesdienste. Auch sollten die Pfarrer das Volk zu christlicher Lebens-

1) Das geht hervor aus Verzeichnis Nr. 14. ?) Verzeichnis Nr. 1.

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führung, zur Dankbarkeit gegen Gott für die Gnade der Wiederverleihung seines heiligen Evangeliums und zur Be- ständigkeit bei demselben bis in den Tod ermahnen und um Erhaltung des Evangeliums beten. Diese Verordnung wurde auch im Druck publiziert und verbreitet. Daß dabei die Absicht mit maßgebend war, Moritzens Standpunkt in der Religionsfrage zu präzisieren, das beweist sein Brief an die Herzogin Elisabeth vom 5. August). Aber auch noch auf andere Weise suchte der Herzog der Erregung seiner Unter- tanen entgegenzutreten, nämlich durch ein Lied?), das er offenbar noeh zur Zeit des ausbrechenden Kampfes verbreiten ließ, und das mit den Worten begann:

„Mor wie du wilt, du arge welt, auf got hab ich mein trost gestelt, der wirt mich wol erhalten!“

Moritz will, wird weiter aufgeführt, solange er lebt, an der Augsburgischen Konfession festhalten, aber auch Kaiser und König, wie es einem Lehnsmann wohl ansteht, als Obrigkeit ehren, während jetzt jeder sein eigener Herr zu sein wünscht, die Obrigkeit lästert und dem Volke schmeichelt.

Viel erreicht scheint allerdings durch diese beiden Publi- kationen nicht zu sein, denn auch später beklagt sich Moritz noch über üble Nachreden seiner Untertanen. Der größte Teil der Bevölkerung blieb bei der Meinung, der Krieg gelte der Religion, und die Prediger vertraten von den Kanzeln auch weiter die Ansicht, daß ein jeder die Pflicht habe, Gut und Blut in diesem Kriege gegen den Kaiser zu wagen’),

1) Moritz schreibt: „Und nachdem wir sonderlich dazu geluck haben, daß von gemeinen leuten unerfindlich auf uns geredet wirdet, thun wir E. L. hiemit zuschicken, welcher gestalt wir unser unter- thanen zu dem gebet ermahnen lassen, der hoffnung, gott werde die recht betenden gnedig erhoren. Wir wollten auch, daß menniglich unser herz und gemuete nicht weniger bekannt were, dann es uns wissentlich ist, so würde manchen seine gewissen erinnern uns zu verschonen.“

E. Brandenburg: Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, Bd. II.

2) Verzeichnis Nr. 2.

3) Vgl. das Gutachten des Ausschusses der Landschaft vom 29. August bei Brandenburg a. a. O.

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ohne sich dureh entgegenstehende Bestimmungen der er- wühnten Verordnung, z. B. das Verbot: „Ungewisse Zeitung“ und Reden, die zur Verbitterung dienten, auf die Kanzel zu bringen, daran hindern zu lassen. Auch scheint ihnen das dort vorgeschriebene Kirchengebet zu friedfertig gewesen zu sein. Es kam soweit, daß am 29. August ein. Ausschreiben an Adel und Städte erging mit der Forderung, die Prediger streng zu kontrollieren, daß sie sich an die Verordnung des Koadjutors von Merseburg hielten, und nichts anderes beim Gebet einführten, namentlich des Kaisers nicht in Ungutem gedächten.

Schon im Juli hatte sich Moritz auf den Wunsch der zu Chemnitz versammelten Stände an den Kaiser gewendet mit der Bitte, er möge seinen Standpunkt in der Religions- frage klarlegen. Diesem Wunsche war Karl nachgekommen und hatte in seiner Antwort an den Herzog erklärt, daß seine Absicht nicht sei, die christliche Religion und das Wort Gottes mit dem Schwerte zu vertilgen, sondern dab er die Erledigung der Irrung in der Religion einem allgemeinen christlichen Konzil übertragen wolle, in dem in erster Linie die Ehre Gottes und gute christliche Reformation gesucht werden sollte, und das er nach Möglichkeit fördern wolle. Dabei hatte er sich darauf berufen, daß ja auch in der Augsburgischen Konfession an ein Konzil appelliert sei. Dem erwähnten Ausschreiben vom 29. August wurde eine Mit- teilung des wesentlichen, Inhalts dieser kaiserlichen Antwort beigegeben, damit er unter die Leute käme und die Prediger von gegenteiligen Ausstreuungen zurückgehalten würden. Auch wurde die kaiserliche Erklärung im Druck publiziert ?). Gegen das Ausschreiben vom 29. August nun nahmen sechs Leipziger Prediger offen Stellung in einem Sehreiben an den Herzog, das eine recht stolze und feste Sprache führt. Da der Papst Gottes schlimmster Feind sei, erklüren sie etwa, so müßten sie gegen ihn „schreyen, schreiben, lehren, beten“ und Gott bitten, daß er die Anschläge aller derer, die sich mit dem Papst verbünden und Gottes Wort verfolgten, hin- dere, aber die schütze, die das Evangelium verteidigten.

!) Das geht hervor aus Verzeichnis Nr. 7.

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Daß aber auch der Kaiser sich der rechten Lehre wider- setze, dafür führen sie eine Reihe von Tatsachen als Beweis an. Klar ist es, wird weiter ausgeführt, wie seine ,schóünen/ hübschen/linden Wort zu deuten sind“. Seine Erklärung ist „gar perplexe vnd dunckel gesetzt“, denn die Papisten halten ihre irrige Religion auch für christlich und Gottes Wort und ihre Konzilien, wie jetzt das tridentinische, für allgemeine christliche. In der Erklärung Karls, wie sie Moritz veröffentlichte, aber steht nicht, daß der Kaiser ihn bei der in seinem Lande gelehrten und in der Augs- burgischen Konfession enthaltenen Religion ruhig bleiben lassen wolle. Es steht auch nichts darin vou einem allge- meinen, freien, christlichen Konzil, wie es auf allen Reichs- tagen von den Protestanten erbeten worden ist und von dem die Augsburgische Konfession spricht. Und wenn dies alles auch in der Erklärung stände, so sprächen doch die Tat- sachen dagegen. Zwei offenbare Parteien nur gibt es, die eine für, die andere gegen das Evangelium, dazwischen aber gibt es trotz alles Bemäntelns und Beschönigens nichts. Aus diesem Grunde müssen sie Heil, Glück und Sieg für die erste Partei von Gott erflehen, aber auch schon wegen des Jammers und der Schande, die den Deutschen von dem aus- ländischen, mörderischen und wüsten Volke Karls droht. Zum Beweise dafür werden zwei Briefe mitgesandt und daran erinnert, wie die Spanier und Italiener vor einigen Jahren in Bayern als Freunde gehaust hätten.

Auch die anderen Prediger außer denen in Leipzig scheinen sich den Anordnungen Moritzens und Georgs auch später nicht obne Versuche des Widerstandes gefügt zu haben, denn noch am 11. Oktober bittet der Herzog den Koadjutor, darauf zu achten, ob die vorgeschriebene Form des Kirchengebets inne gehalten würde und droht, daß Prediger, die darin eigen- mächtig Änderungen vornühmen, sein Mißfallen spüren sollten.

Daß solches Vorgehen der Geistlichen auf die evangelischen Massen den stärksten Einfluß ausübte, war in jener Zeit nur natürlich und entging auch Moritz nicht. Schon im Sep- tember klagte er, „wu die prediger also sollten fortfahren, wie sie an etlichen orten angefangen, were zu besorgen, es mochte der gemeine mann bewegt werden, daß man sich

Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 1. 7

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weder hülfe noch trosts zu ihnen zu versehen hette“ 1). Bei der mißgestimmten und aufgehetzten Bevölkerung erhielt sich das Gerticht von dem Übertritt des Herzogs zum Katho- lizismus ?) und als seine Haltung immer zweifelhafter wurde, da erklärte man dieses mit seinem Verlangen nach der sächsischen Kurwürde. Durch solche Stimmung seiner eigenen Untertanen und auch der übrigen Protestanten nun fühlte sich der Albertiner, als ihn die überlegene habsburgische Staatskunst zu aktivem Eingreifen drängte, doch bewogen, dureh eine Flugschrift vor der breiten Öffentlichkeit seine Haltung in den gegenwärtigen Verwicklungen und seine Stellung zur Religion ?) zu rechtfertigen. |

Für letztere verweist er auf den Zustand von Kirchen und Schulen in seinem Lande, die Gestalt, unter der er selbst das Abendmahl nehme und seine und seiner Land- schaft Erklärung, sich durch keine Gewalt von der wahren Religion drängen lassen zu wollen. Dagegen beweist auch nichts seine Haltung in dem gegenwärtigen Kriege, denn dasz dieser der Religion gelte, bestreitet er: Des Papstes Hülfeleistung erklärt sich leicht daraus, daß der Krieg gegen die ihm so verhaßten Häupter der Protestanten geht. Aber nicht auf des Papstes Beweggründe ist zu sehen, sondern auf des Kaisers „Gemüt“ und seine eigne Erklärung des- selben, denn „eusserliche bewegnusse“ führen oft irre. Da- bei begegnet Moritz geschickt dem Einwande, die vom Kaiser ihm gegebene Erklärung sei doppeldeutig. Für seine und seiner Untertanen Religion ist sie erbeten und erteilt, und der Kaiser weiß, dab sie der Augsburgischen Konfession anhängen. Auch beweist die Zusicherung der Erklärung über den austräglichen Weg bezüglich des Religionszwie- spaltes, dab die evangelische Religion gemeint ist, und daß der Zwiespalt nicht durch das Schwert ausgeglichen werden soll ). Dagegen spricht auch, daß Evangelische aller Stände,

!) Brandenburg: a. a. O. S. 820. 2) Dies und die folgende Beschuldigung geht schon aus Verzeich- nis Nr. 3 selbst hervor. | 3) Verzeichnis Nr. 3. 4) Was Moritz hier über den Inhalt dieses Teils der kaiserlichen Erklärung mitteilt, stimmt nicht ganz mit dem, was Brandenburg a. a. O. S. 753 abdruckt.

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die auch nach ihrer Konfession im Feldlager predigen lassen, Karl dienen. Da sie tüglich um ihn sind, so kónnen sie seine Absichten am leichtesten erkunden und würden sicher nieht bei ihm bleiben, wenn sie Gefahr für ihre Religion merkten. Wenn aber Karl in seinen Erblündern bis zu einer endgültigen Vergleichung am Katholizismus festhält, so übt er damit nur sein gutes Recht als Obrigkeit aus, das auch die Protestanten für sich in Anspruch nehmen, nämlich es mit der Religion in den eigenen Gebieten nach eigenem

Willen zu halten, feindliche Absichten beweist das nicht. Zur Rechtfertigung für sein Vorgehen beruft sich dann Moritz nachträglich auf die Lehns- und Gehorsamspflicht, sowie auf die Drohung in des Kaisers Mandaten, daß er nicht nur seiner Interessen und seiner Anwartschaft auf seines Vetters Lande, sondern auch der eigenen Regalien und Länder verlustig gehen solle, wenn er das Kurfürsten- tum nicht einnehme oder sich einen anderen darin zuvor- kommen lasse. Auch hätte bei der vermengten Lage beider Gebiete sein eignes Land unter einer Überziehung der Kur- lande durch Fremde und ihrer Festsetzung dort leiden müssen. Ihm und seiner Landschaft erschien als der gelindeste Aus- weg der Vorschlag an Landgraf Philipp und seinen Vetter, des letzteren Untertanen möchten sich an ihn, als den nächsten Lehenserben ergeben. Er selbst hat dann vorgenommen, „was die Notdurtft der sachen erheischet“, als das Kriegs- volk aus Böhmen vorrückte und seines Vetters Bergwerke einnahm. Sein Vorgehen und die Gründe dazu hat er seinem Vetter mitgeteilt und sich erboten, wenn Johann Friedrich mit dem Kaiser und König ausgesöhnt sei, sich gegen ihn wegen der eingenommenen Lande durch seine Landschaft nach Gebühr und Billigkeit „behandeln“ zu lassen, soweit das ohne Verletzung der Obrigkeit möglich sei. Er hoffe auch, daß ihn sein Vetter als entschuldigt ansehen und be- denken werde, daß mit ihm, als dem geborenen Freunde, leichter zu verhandeln sei, als wenn die Lande in fremde Hände gerieten. Endlich wird noch mitgeteilt, daß er dem Landgrafen und dessen Verbündeten nochmals schriftlich seine Bereitwilligkeit zu einem Vermittelungsversuche erklärt habe. In der ganzen Schrift, deren Ausführungen durch ihre . 7*

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Breite und Gewundenheit einen gequälten Eindruck machen und den Anschein erwecken, als habe der Verfasser selbst der Überzeugungskraft der meisten seiner Argumente nicht recht getraut, fehlt es nicht an Beteuerungen, wie bereit- willig er das Mögliche getan habe, den Krieg zu verhüten, wie gern er jede Besetzung der Lande seines Vetters ver- mieden hätte, und daß er zu seinem Vorgehen nur durch die unumgängliche Gehorsamspflicht gegen die Obrigkeit und den ihm und seinem Lande drohenden Schaden genötigt sei. Das vorsichtige Zögern der Politik des Herzogs, der es mit keiner der beiden Parteien völlig verderben wollte, bevor der Ausgang endgültig entschieden war, kommt voll zum Ausdruck. Er tritt nicht auf als Feind und Eroberer Kur- sachsens, sondern er nimmt das Land auch in dessen eigenem Interesse gewissermaßen nur in Sequester und stellt sich so, als hoffe er allen Ernstes auf Billigung seines Schrittes selbst von seiten Johann Friedrichs. Auf demselben Standpunkt steht das als Anhang mit abgedruckte Verwahrungsschreiben an den Herzog Johann Wilhelm vom 11. Oktober. Als zweiter Anhang ist abgedruckt das erwähnte Schreiben der herzoglichen Landstände an Philipp, ebenfalls vom 11. Ok- tober. Sie bitten darin unter ähnlichen Beteuerungen und den gleichen Gründen für die Besetzung Kursachsens, wie wir sie in der Flugschrift gefunden hatten, den Landgrafen Johann Friedrich zu der Erlaubnis zu bewegen, daß sich seine Untertanen an Moritz, als den nächsten Lehnserben, ergäben. Dieses Schreiben war nebst einem anderen vom Herzog selbst, ebenfalls an Philipp, natürlich auch hand- schriftlich an den Adressaten abgesendet und am 19. Ok- tober in dessen Hände gelangt !).

Die Antwort erfolgte bereits am 20. Oktober in zwei Schreiben des Landgrafen und der schmalkaldischen Kriegs- räte an die Landstände des Herzogs und diesen selbst. Das alte Thema von der Nichtigkeit der kaiserlichen Achtser- klärung und dem Religionskrieg wird in ihnen variiert und unter den Beweisgründen für letzteres berechnend auf das Verfahren der Feinde gegen Protestanten hingewiesen, deren

) Vgl. Brandenburg a. a. O. S. 865.

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Kindern man sogar Hände und Füße abhaue. Der Haupt- nachdruck aber liegt auf der Erklärung, daß der Kurfürst die Bitte der albertinischen Landstände abgeschlagen habe und daß die Besetzung seines Landes den Krieg mit ihm und seinen Verbündeten zur Folge haben werde, die aus Ehre und Pflicht Johann Friedrich nicht im Stiche lassen könnten. Beide Schreiben stellen außerdem geschickt die gegenwärtige Lage in Gegensatz zu den Verdiensten, die sich die Schmalkaldener um Moritz und seinen Vater trotz kaiserlicher Mandate in früheren Zeiten erworben hatten. Diese Briefe wurden wahrscheinlich schon kurz nach dem 20. Oktober als Flugschrift publiziert Sie bedeuten eine letzte. Warnung an die Untertanen des Herzogs, denen man namentlich darüber keinen Zweifel lassen wollte, dab die Einnahme des Kurfürstentums den Krieg mit den Schmal- kaldenern bedeute ?). Es sollte dem Albertiner tunlichst jede Möglichkeit abgeschnitten werden, etwa durch falsche Vor- spiegelungen über Charakter und Tragweite des beabsich- tigten Schrittes seine Untertanen auf eine Bahn zu locken, auf der es nach einmaligem Betreten kein Halten mehr geben konnte. .

Auch gegen den anderen Gegner Johann Friedrichs, König Ferdinand, hatten die beiden Führer des schmalkal- dischen Bundes schon vorher versucht, auf einen Teil seiner eigenen Landstände, bei denen sie Sympathien voraussetzen konnten, einzuwirken, um ihn dadurch von feindlichen

1) Verzeichnis Nr. 4. Die Publikation hatte überhaupt nur einen Zweck, wenn sie sehr bald nach dem 20. Oktober erfolgte. Auch sind die Briefe bereits im „Pasquillus Nouus der Husseer“ in einer Weise erwähnt, die es wahrscheinlich macht, ‚daß sie damals bereits im Druck vorlagen.

2) Darin sieht offenbar auch Ratzeberger den Hauptzweck der Veröffentlichung: „So thät auch Landgraf Philipp ein öftentlich Schreiben aus seinem Feldlager an Herzog Moritz und ermahnt ihn, dasz er sich dieses Überfalls und Einnehmung des Churfürstlichen Landes enthalten und gänzlich abtretten wolte, sonst würde er ge- drungen, mit allem seinem Vermögen dem Churfürsten wider ihn bey- zustehen.“

Ratzeberger: Geheime Geschichten von den Chur- und Säch- sischen Höfen S. 70 und 71.

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Schritten abzuhalten. In Böhmen bestand nämlich eine religiös-politische Opposition, die in erster Linie auf der Entwicklung der kirchlichen Landesverhältnisse beruhte. Denn ihren Kern „bildeten jene, welche von dem utra- quistischen Bekenntnis zur Annahme lutherischer oder damit verwandter antikirchlicher Ansichten übergegangen waren, in welcher Richtung auch die sich eigentümlich ausbildende Sekte der Pikarden oder die Brüdergemeinde in Böhmen und Mähren eine bedeutende Wichtigkeit hatte“ 1). Diese Opposition bot Aussicht, sich für den Kurfürsten zum wert- vollen Bundesgenossen, für den König zum höchst lästigen, vielleicht sogar sehr gefährlichen Gegner zu entwickeln. Denn gerade der umstrittene Zweck des Krieges, die Ver- bindung religiöser und politischer Elemente in ihm konnte für sie sehr leicht zum erregenden Moment werden.

Als Ferdinand am 28. Juli 1546 von Regensburg nach Prag zurückkehrte ?), verlangte er von dem dort bereits ver- sammelten Landtag die Bewilligung einer Rüstung zunächst bis Martini (11. Nov.) Allerdings war nur von ihrer Ver- wendung zu einer möglicherweise nötig werdenden Ver- teidigung die Rede, aber es kam dann darauf an, wie man das Wort Verteidigung auslegen wollte, denn ein Friedens- bruch Sachsens ließ sich leicht feststellen. Abgesehen da- von, daß Johann Friedrich durch die Wegnahme des Klosters Dobrilugk in der Lausitz die Krone Böhmen verletzt hatte, mußte er auch gegen den Bruder und Verbündeten des Kaisers in Gegensatz geraten. Seine Verbündeten hatten durch Wegnahme der Ehrenberger Klause Ferdinand direkt beleidigt, und er selbst konnte die Lehenspflicht, die er wegen böhmischer Lehen in Sachsen gegen den König hatte, in diesem Moment natürlich nicht anerkennen und erfüllen. Selbstverständlich erhielt er bald Kunde von der bewilligten Rüstung und sandte im Verein mit dem Landgrafen ein Schreiben an die böhmischen Stände, in dem sie ausführten, daß der Krieg der Unterdrückung des Wortes Gottes und

!) F. A. v. Bucholtz: Geschichte der Regierung Ferdinands des Ersten Bd. 5, S. 343.

2) Zu den folgenden Ausführungen vgl. v. Bucholtz a. a. O. 5. 352 fl. l

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des Abendmahles unter beiderlei Gestalt, sowie der Freiheiten des heiligen Reiches gelte, und die Stände aufforderten, sich nicht durch ihren König von der Erhaltung der guten Nach- barschaft abbringen zu lassen. Die Mehrheit der Stände . aber erblickte in den angeführten Tatsachen Feindseligkeiten gegen die Krone und teilte das Schreiben dem Könige mit. Dieser suchte nun seinerseits sie zu überzeugen, daß er nicht nur als Bruder, sondern auch aus Gehorsaämspflicht dem Kaiser Beistand schulde und geleistet habe, und daß in die Absage des Kurfürsten an Karl V. und seine Anhänger auch er selbst und die Krone Böhmen mit einbegriffen sei. Auch den Bruch der Lehnspflicht, die Wegnahme der Ehrenberger Klause und Dobrilugks betonte er. In einem Antwort- schreiben an Johann Friedrich und Philipp erklärten darauf die Stände, sie selbst hätten die Erbvereinigung stets unver- brüchlich gehalten, jener aber habe sie schon gebrochen durch die gewaltsame Wegnahme des mehrerwähnten Klosters, zu dessen unverzüglicher Rückgabe sie ihn auffordern. Auch solle er wissen, daß sie als ehrbare Untertanen ihreu König gegen jeden Angriff mit Gut und Blut verteidigen würden.

Auf dieses drohend genug gehaltene Schreiben ant- worteten die beiden Bundeshäupter unter dem 23. August aus dem Feldlager bei Breitenbrunn. An die Erörterung des gerade für die böhmischen Verhältnisse sehr geeigneten Themas von dem wahren Zweck des Krieges knüpfen sie eine kurze Erinnerung an die Zeiten des Hus und sprechen die Erwartung einer nachbarlichen und friedlichen Haltung aus. Johann Friedrich sucht sich noch wegen des Dobri- lugkschen Handels zu rechtfertigen, wobei er sich auch wieder auf den Vertrag von Speyer beruft, und weist die Beschuldigung, die Erbvereinigung verletzt zu haben, zurück. Dies Sehreibeirt gelangte aber erst nach Prag, als der Land- tag bereits geschlossen war. Es wurde alsbald im Druck publiziert !) und zwar, wie im Titel ausdrücklich gesagt wird, deshalb, weil die Schmalkaldener fürchteten, daß sein Inhalt nicht genügend dem größten Teil der Stände zur Kenntnis gebracht sei. Mitveróüffentlieht wurde ein Schreiben der kur-

1) Verzeichnis Nr. 5.

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fürstlichen Befehlshaber in Sachsen an die Stände der Mark- grafschaft Niederlausitz, in dem sie der Hoffnung Ausdruck geben, die genannten Stände würden eine friedliche Haltung beobachten und erklären, falls sie dies versprächen, wollten sie die vor einigen Tagen zum Landesschutz an die nieder- lausitzische Grenze gelegten Truppen wieder zurückziehen und sich auch ihrerseits nachbarlich erweisen. Dies Schreiben sollte wohl entgegen gegenteiligen Ausstreuungen Ferdinands die friedliche Gesinnung Kursachsens gegenüber Böhmen dokumentieren. Daß man versuchte, mit Hilfe der Presse die Untertanen des Gegners gegen die Politik ihres Landes- herrn zu revolutionieren, haben wir ja schon früher gesehen. Aber neu ist an den beiden letztbesprochenen Publikationen, daß es hier offizielle, diplomatische Aktenstücke sind, die man den Adressaten durch die Presse übermittelt, weil man ihre völlige oder teilweise Unterschlagung fürchtet, ein Ver- fahren, dem wir auch noch später begegnen werden !). Zunächst beobachteten nun allerdings die böhmischen Stände die von den Schmalkaldenern erwünschte und erhoffte Haltung nicht, vielmehr beschloß die Mehrheit von ihnen mit dem Könige das bewilligte Aufgebot nach Kadan zu ver- sammeln. Auf die Nachricht von diesen Rüstungen veröffent- . lichte Melanchthon unter dem 9. Oktober eine Abmahnungs- schrift? in der er die Nachbarn an die zwischen ihnen be- stehenden zahlreichen Verwandtschaften, den Handelsverkehr, die Übereinstimmung in der Lehre zwischen den meisten ihrer Kirchen und den Sachsen und die vielen Prediger und sonst in allen löblichen Künsten tüchtigen Männer erinnert,

!) Schon früher war der Brief der Schmalkaldener an Herzog Wilhelm von Bayern vom 3. August (Verzeichnis Nr. 5a) durch Sailer publiziert worden, weil bayrische Adlige die Befürchtung geäußert hatten, Eck werde das Schreiben zu unterschlagen suchen. Vgl. den Brief Sailers vom 5. Aug, bei Lenz. Briefwechsel III. Vielleicht liess auch der Kaiser seine Aufforderungsschreiben zur Ergebung an Ulrich von Württemberg und dessen Landschaft (Verzeichnis Nr. 5b) gleich drucken, weil er auf einen Zwiespalt zwischen dem Herzog und seinen Untertanen rechnete.

?) Verzeichnis Nr. 6. Nach Strobel, Bibliotheka: Melanchtoni ana Nr. 306 würe Melanchthon ihr wahrer Verfasser.

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die sie von ihren Kirchen und Schulen erhalten !. Geschickt appelliert er an das böhmische Nationalgefühl. Denn durch ihre Lehre ist die Prophezeiung des Hus, nach hundert Jahren werde offenbar werden, daß seine Lehre wahr sei, erfüllt und „die lesterung wider Behem ausgelescht“. Trotz seiner sophistischen Erklärung aber suchen der Kaiser und alle, die diesen Krieg billigen, die Bestätigung der wichtigsten Irrtümer und Abgóttereien „möcht@ vielleicht mit etlichen stücken ein geflickte Dispensatio machen“. Sei nun also die Religion ganz oder halb gemeint, des Kaisers Handlungs- weise ist verschlagen und unrechtmäßig und er sucht etlicher rechtlicher Sachen Unterdrückung, die der Christenheit zu wissen nötig sind. Solcher Sünde und der Verfolgung von Frauen, Jungfrauen und Kindern mögen sich die Nachbarn nicht teilhaftig machen. Wegen ihrer Gehorsamspflicht . werden sie an das Beispiel des Jonathan erinnert, der Saul nieht gegen David, und des Abdias, der der Jesabel nicht gegen die Propheten gehorsam war. Ja, bei den Christen- verfolgungen des Diokletian haben die Lówen oft die ihnen preisgegebenen Christen versehont und sind an ihnen vorüber gegangen, womit Gott angezeigt hat, dab die Verfolger grau- samer seien als wilde Tiere.

Diese Schrift soll bei einem erheblichen Teil der nach Kadan gekommenen Mannschaft großen Eindruck gemacht haben?) ein neuer Beweis für die starke Wirkung theo- logischer Argumentation auf dies Geschlecht und die nicht zu unterschätzende politische Bedeutung von Schriften der- artigen Inhalts.’ Immer stärker wurde das Mißtrauen, daß nach der Niederwerfung der Schmalkaldener auch dem Gottes- dienste sub utraque Gefahr drohe, und die Ansicht gewann an Boden, daß das beschlossene Aufgebot nur zur Vertei-

1) „Die utraquistischen Kandidaten mußten sich außer Landes, zum Teil an fernen Orten um die Priesterweihe umsehen, und der mit dem Zustande eines halben, unentschiedenen Schismas verbundene Mangel an regelmäßiger Aufsicht erleichterte es, daß Grundherren und Magistrate (wie in Kuttenberg, Bunzlau usw.) unter dem Namen von Utraquisten Lutheraner, Pikarden u. a. als Pfarrer beriefen."

Bucholtz a. a. O. S. 313.

2) Bucholtz a. a. O. S. 361.

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digung des eigenen Landes, nicht aber zu einem Angriff gegen den Kurfürsten und seine Glaubensgenossen bestimmt . sei. Manche Stände hatten sich überhaupt nicht eingestellt, und als das böhmische Heer zunächst zur Besetzung der böhmischen Lehen Kursachsens von Kadan aus vorrückte, blieben einige eigenmächtig dort zurück, andere zogen ge- radeswegs wieder nach Hause. Nur einen Teil des Heeres konnte der königliche Befehlshaber über die Grenze bringen, um nach einem leichten, siegreichen Gefecht bei Plauen mit ihm wenigstens die böhmischen Lehen in Sachsen zu be- setzen. Gleichzeitig brach Herzog Moritz los und veröffent- lichte seine bereits .besprochene Rechtfertigungsschrift.

Bei den Schmalkaldenern aber machte sich stürmische Entrüstung geltend über das Verhalten des jungen Alber- tiners gegen den, den er wie einen Vater hätte ehren müssen, weil er ihm fast alles verdanke, was er sei und habe. In heftigen Flugschriften und Liedern wurde er des Treubruchs, des Verrats an der Religion und des schwärzesten Undanks trotz der Bitten der Gattin und des Schwiegervaters gezieben!). Für uns scheinen diese Presseprodukte fast alle verloren. Aus den ersten Wochen der Okkupation Kur- sachsens liegt nur ein Prosapasquill vor?, das an der Hand der Tatsachen das ganze Verfahren des Herzogs mit seinen Beteuerungen und vorgeschützten Gründen als unwahre Heuchelei zu brandmarken sucht. Er selbst hat zu Prag „die Glocke gießen helfen“, hat den Landtag nach seinem Willen gezwungen und ist mit seinen Räten, von denen als die schlimmsten Türk, Heinrich von Gerstorf und Christoph v. Carlowitz genannt werden, für alles Unheil verantwortlich. Des letzteren Name wird in der Schrift „Carlewitz“ ge- schrieben, und spottend heißt es, er trage ihn mit Recht, da seine Vernunft und sein Witz mit dem Karls überein- stimme. Auch König Ferdinand ist zu dem Kriege, dessen

1) Sleidan. (Ausgabe: Am Ende) II. S. 553.

?) Verzeichnis Nr. 7. Die Schrift ist entstanden nach dem Ein- bruch Moritzeus, aber offenbar, bevor dem Verfasser die Trennung des Schmalkaldischen Heeres bei Giengen, dessen Zustand er als vor- trefflich schildert, bekannt geworden war.

Vgl. Archiv für Literaturgeschichte.

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Gefahren man ihm zu gering dargestellt hat, erst angestiftet worden. Neben der bitteren Feindschaft gegen den Herzog und seine Räte spiegelt die Schrift auch den rasch um sich greifenden Haß wieder, der sich gegen die zuchtlosen Horden böhmischen Kriegsvolks, namentlich die gefürchteten „Hussern“ richtete, die der junge Albertiner als seine Bundesgenossen ins Land führte. Dem Erbfeind der Christenheit, dem Türken, gleich achtete man diese unholden Gesellen, wie denn eine Anzahl von ihnen vielleicht um des Schreckens willen in Bewaffnung und Kleidung als Türken erschienen sein sollen ). Die Schrift scheint in Kursachsen entstanden zu sein. Aber gerade in diesem Lande dürften sonst - nicht viele eine so kräftige Sprache, wie sie sich hier findet, gewagt und sich an der erwähnten Schmähschriften- literatur gegen Moritz beteiligt haben, wenigstens macht das die Haltung der Bevölkerung nicht wahrscheinlich, Denn ohne Schwertstreich wurde das ganze Kurfürstentum bis auf den westliebsten Teil vom Herzog genommen, nur Gotha und Wittenberg wiesen seine Aufforderung zur Ergebung zurück. Im übrigen aber zeigte sich ein Mangel an Mut und Opferfreudigkeit, der sich auch mit der unzuläng- lichen Kriegsbereitschaft des Landes nicht entschuldigen läßt. Überall beeilte man sich, durch freiwillige Unter- werfung Leben und Eigentum zu sichern ?).

In diesen Tagen der Not und des Verzagens war es, daß der wackere Peter Watzdorff alle Stände des Kurfürsten- tums, Hauptleute, Adel, Bürger und Bauern, in einer mann- haften gereimten Ermahnung ?) zu festem Standhalten statt der bisherigen kampflosen Ergebung aufforderte. Die Worte, die er dabei an die kursächsischen Prediger richtete, scheinen zu bestätigen, was uns auch sonst gemeldet wird, daß auch

!) A. Katterfeld im Jahresbericht der höheren Töchterschule zu Straßburg (879) über die Anotationen des Gilles. Boileau. Dort steht, daß König Ferdinand 900 Reiter gehabt habe „quisont hommes a che- val acoustrés à la Turquesque, portant une torge, qui leur couvre tout le corps et le long boys avec le braquemar cymeterre*. S. 58 u. 59.

?) Zur Stimmung in Kursachsen bei der Okkupation des Landes. Vgl. Viglius S. 193.

3) Verzeichnis Nr, 8.

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viele von ihnen sich nur allzu leicht und rasch dem neuen Herrn unterwarfen und vergaßen, wie eifrig sie noch vor kurzem den Krieg als Religionskrieg ausgerufen hatten. In derselben Zeit feuerte Watzdorff in zwei anderen, warm- herzigen Gedichten!) das ganze übrige protestantische Deutsch- land, selbst das Ausland zum Kampfe an für Religion und Vaterland, für Weib und Kind gegen die grausam sittenlosen Horden der Feinde und ermahnte, sich nicht durch Geld und Besitz von rechter Bahn führen zu lassen:

„Dan besser ist mit ehren gestorben, Dan mit schanden viel guths erworben.“

Ein viertes Lied ?) Watzdorffs endlich rief besonders zum Schutze Wittenbergs auf, der teuren Stadt, aus der das Wort Gottes neu ausgegangen sei, und warnt, „des teufels ritter und soldat“, der überall und immer erkläre, die Reli- gion nicht antasten zu wollen, Glauben zu schenken.

Die erstgenannten Reimereien denn fast nie erhebt sich in ihnen der Reimer zum Dichter zeigen in inter- essanter Weise, wie in den Reihen der Schmalkaldener das Gerücht über Verrat sich frühzeitig und laut erhob. Nament- lich gegen den heimischen Adel wurde der Vorwurf gerichtet, in Hoffnung auf größere Freiheiten und Privilegien dem Kaiser heimlich die Stange zu halten, wie denn Watzdorff ihn ermahnte, nicht für Hasen- oder Hirschjagd Gottes Wort preiszugeben. Aber auch die Landknechtsführer, die zum großen Teil aus Adelsfamilien stammten, sollten doppeltes Spiel treiben und aus eigenem finanziellen Interesse den Krieg absichtlich in die Länge ziehen. In Armeekreisen wurde behauptet, man hätte längst den Kaiser schlagen können, wenn sie ernstlich dran gewollt hätten. Etliche von ihnen sollten offen geäußert haben, es sei für Kriegsleute und Adlige nicht ratsam, den Kaiser zu schlagen, von dem, als von eirem alten, geübten Kriegsmann, für andere Jahre

1) Verzeichnis Nr. 9 und 10. Daß sie gedruckt wurden, beweist der Brief Watzdorfis vom 18. November 1546. Weitere publizistische Tätigkeit Watzdorffs geht aus dem Briefe vom 17. Februar hervor, doch sind mir diese Produkte leider nicht bekannt geworden. Archiv für Literaturgeschichte 10, S. 175 ff.

2) Verzeichnis Nr. 11.

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Sold und Beute erwartet werden müsse, von dem auch der Adel mehr zu erhoffen habe. Selbst unter den Bürgern und Bauern Kursachsens hat es nach Watzdorf an anzuverlässigen Elementen nicht gefehlt. Übrigens ist er nicht der einzige, der schon während des Krieges öffentlich vor Verrütern!) warnte, Während aber fast im ganzen übrigen Land Verzagt- heit und Eigennutz die Oberhand gewann ‚und man überall Verräterei witterte, zeigt das frische Lied eines Landsknechts der wittenbergischen Besatzung ?), daß es dort den gefeierten Führern, Bernhard v. Mila und Wolfgang Creuz, gelungen war, den Geist hoffnungsfreudigen Gottvertrauens und kriege- rischen Trotzes wach zu erhalten. Die Stadt war durch Moritz von der Außenwelt abgeschlossen und blockiert worden. Als nun die Blockade Ende Dezember aufhörte, da sang ein unbekannter Verteidiger dem abziehenden Feinde ein keckes Spott- und Trotzlied nach: Die Nesseln am Rautenkranz (Herzog Moritz) sind lang und groß gewachsen, aber der Winter gibt ihnen einen Stoß, daß sie am Boden liegen.

„Die raute bleibet über winter grün, die tregt mancher landsknecht kün, sie dürfens frischlich wagen,

vor herzog Moritz dem zornigen man thut noch kein landsknecht vorzagen.“

Das Rautensträuchlein ist den Nesseln gewachsen, noch hat das edle Haus von Sachsen das Schwert behalten und wird, wenn der Sommer kommt, Moritz mit seinen Gästen zum Lande hinausjagen. Das Haus Österreich hat sich an Gottes Wort vergriffen und muß deshalb zugrunde gehen, das Haus Sachsen aber ist fest gegründet auf Gottes Wort, wer dem vertraut, dem wird es ewig wohlergehn. Das war ein Geist Wittenbergs würdig.

Als der wackere Landsknecht dies Liedehen am 26. De- zember oder kurze Zeit später sang, da wußte er offenbar noch nicht, daß Johann Friedrich schon mit Herresmacht zu- zrückgekehrt war und den vergeltenden Gegenstoß sofort gegen seines Vetters Lande richtete. Am 31. Dezember er-

1) Verzeichnis Nr. 12. 2) Verzeichnis Nr. 18.

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reichte der Kurfürst, der seinen Marsch ganz durch den alber- tinischen Teil Thüringens genommen hatte, Halle, nahm feierlich von den burggräflichen Rechten Besitz und rückte nach kurzem Aufenthalte weiter vor in das Herzogtum Sachsen. Kurze Zeit vorher, unter dem Datum des 22. De- zember, hatte er eine öffentliche Absage!) publiziert, aber nicht, wie man erwarten sollte, gegen Moritz, sondern gegen dessen Landstände. Diese sind seit Herzog Georgs Zeiten, dessen Testament sie veranlaßt haben, schuld gewesen an der Entfremdung zwischen Albertinern und Ernestinern und haben . Herzog Heinrich und seine Söhne vom Schmalkaldischen Bunde ferngehalten. Ja, sie haben Moritz zur Fehde des Jahres 1542 gegen den unschuldigen Kurfürst angereizt und dabei unterstützt. Den damals durch den Landgrafen ver- mittelten Vertrag hat der Kurfürst streng gehalten, sie aber haben ihren Herrn zu seinem jetzigen Vorgehen geraten, zweifellos durch „Finantzerey und vorreterlich Judas gelt“ bewogen. Das Vorgehen des Herzogs verstößt gegen Treue, göttliches und menschliches Recht und Pflicht, aber sie, die Stände, handeln nicht weniger treulos, denn sie handeln gegen Eid und Pflichten, mit denen sie teilweise ihrer Lehen und der Erbhuldigung wegen Johann Friedrich verpflichtet sind. Die vorgeschützten Gründe zur Besetzung der Kur- lande sind nichtig, ihr Herr und sie haben selbst in den Verhandlungen mit Kaiser und König zu Regensburg und Prag die Dinge in die Wege geleitet. Die eigentlichen An- stifter zu diesem Vorgehen sind allerdings sicherem Ver- nehmen nach nur die noch lebenden Mitglieder des einstigen Vierundzwanzigeraussehusses, von denen die übrige Land- schaft „vberschrien“ worden sein soll Den Schluß bildet eine leidenschaftliche Ankündigung der Rache mit der Ver- heißung der Gnade für diejenigen Stände des Herzogtums, die sich auf seine, des Kurfürsten Seite schlagen würden.

Man fragt sich umsonst nach dem politischen Zweck einer solchen Flugschrift. Auffallend ist bei ihr von vorn- herein die entschiedene Überschätzung des Einflusses der Stände, wenn auch nicht zu leugnen ist, daß die meißnische

!) Verzeichnis Nr. 14. "

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Adelspartei einen großen Teil der Schuld an der Entwick- lung des ganzen Verhältnisses zwischen Albertinern und Ernestinern trug, nnd daß Christoph v. Carlowitz im Jahre 1546 seinen jungen Herrn weiter und rascher voran drängte, als dieser eigentlich wollte). Man könnte nur annehmen, dab Johann Friedrich alle Schuld auf die Stände geschoben habe, um sieh eine Aussóhnung mit dem Vetter selbst zu erleichtern. Die wilde Racheankündigung aber war jeden- falls töricht, weil sie die Betroffenen nur zum Kampf bis aufs äußerste stacheln konnte. Überhaupt scheint bei der Abfassung der ganzen, sehr heftigen Schrift mehr Leiden- schaft als politische Berechnung gewaltet zu haben. Des Kurfürsten eigener Bundesgenosse, Landgraf Philipp, miß- billigte diesen Schritt und schrieb ihm am 2. Januar, Streiche und Wunden heilten, aber Wort und Schrift würden nicht vergessen °).

Zunächst behielt Johann Friedrich entschieden das Über- gewicht. Rasch, wie es verloren, war sein Land wieder gewonnen und auch im eignen Herzogtum konnte sich Moritz nicht recht behaupten, sondern mußte sich auf die Ver- teidigung weniger fester Plätze beschränken. Von Böhmen, dessen König Ferdinand anfangs nicht an den Ernst der Gefahr glaubte, erhielt er keine genügende Hilfe, der Kaiser aber war zunächst noch in Süddeutschland festgehalten und mußte sich darauf beschränken, die benachbarten Fürsten durch Mandate gegen Sachsen und Hessen aufzabieten. Ein solches Mandat vom 28. November war auch den beiden Bischöfen von Bamberg und Würzburg und dem fränkischen Adel zugekommen. Sein Bekanntwerden veranlaßte Peter Watzdorff, unter dem 10. Januar eine Warnungschrift) an die beiden genannten Bischöfe zu richten, in der er ihnen auseinandersetzt, daß sie keinen Grund zum Kriege gegen

1) Vgl. die Darstellung bei E. Brandenburg: Moritz von Sachsen Band 1.

2) Hortleder, Tom. II (Gotha 1615), Buch III, Kap. 55.

3) Verzeichnis Nr. 15. Watzdorfi scheiut die Schrift aus eigenem Antrieb verfaßt zu haben. Eine Aufforderung oder Beeinflussung seitens der kursächsischen Regierung würde in seinen Briefen (Arch. für Literaturgeschichte, Bd. 10) erwühnt sein.

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die geächteten Fürsten hätten, die öfters, namentlich im Bauernkriege, mit Hilfe ihrer eigenen Untertanen ihre Länder leicht hätten bekommen können und auch im Anfang des gegenwärtigen Krieges dieselben völlig in ihrer Gewalt ge- habt hätten. Trotzdem hätten sie möglichste Schonung ge- übt und seien Ausschreitungen beim Durchzug vorgekommen, nun, so möchten sie das Sprichwort bedenken, man könne ein Heer nicht in einem Sacke führen. Dann aber weist er mit verständlicher Drohung auf die Folgen hin, die es haben würde, wenn die beiden Bischöfe trotz ihres dem Landgrafen und dem Kurfürsten gegebenen Versprechens sich jetzt in den Krieg mischten, der dann natürlich in ihre eigenen Gebiete gespielt werden und deren Verderben zur Folge haben würde. Ihre Untertanen aber seien schon längst nach dem Evangelium begierig und würden daran nur durch ihre Pfaffen gehindert. Sollten sie nun jetzt noch die Schändung ihrer Frauen und Kinder durch das fremde, unzüchtige Volk des Kaisers und den Verlust ihres Gutes durch beide Par- teien, wie das unvermeidlich sein werde, sehen, so sei es ihnen nicht zu verdenken, wenn sie zum Aufstande gegen ihre Herren schritten. Denn das Volk sei jetzt nicht mehr so närrisch, daß es nicht wisse, wie weit es nur Gehorsam schuldig sei.

Das zeigt den wahren Zweck der Schrift, die die beiden Bischöfe mit der Aussicht auf einen Aufstand ihrer Unter- tanen schrecken, zugleich aber diese selbst dazu reizen will, für den Fall, daß sich ihre Herren in den Krieg mischen. Deshalb wird auch die Notwendigkeit des Schutzes gegen die fremden, unsittlichen Truppen des Kaisers so stark betont. Nur so läßt es sich auch verstehen, daß Watzdorff an einer Stelle den Klerus der beiden Bischöfe heftig angreift und letztere zu einer Reformation ermahnt, namentlich Priesterehe und Laienkelch energisch fordert. Er wendet eben hier das Verfahren an, das er schon 1546 Nürnberg gegenüber empfahl, und das einem großen Teil der Publizistik der Schmalkaldener zugıunde lag, gegen zweifelhafte oder feindliche Regierungen die Regierten auszuspielen. DaB diesem Versuche keine Täuschung über die Stimmung der Zeitgenossen zugrunde lag, ist schon ausgesprochen. Daß

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der Schmalkaldische Bund selbst in den Ländern erklärter Gegner die volle Sympathie weiter Kreise genoß, hatte sich schon bei Schertlins erstem kühnen Zuge in Süddeutschland gezeigt und zeigte sich in Böhmen. Ebendort nahmen jetzt die Dinge eine so verheißungsvolle Wendung wie nirgends sonst.

Als Ferdinand sich endlich überzeugt hatte, daß Moritz, wirklich in ernster Bedrängnis war, berief er, gestützt auf neue Grenzverletzungen gegen die Lausitz, die sich Truppen- führer Johann Friedrichs hatten zuschulden kommen lassen, und auf die Erbvereinigung mit den Albertinern. das allgemeine Aufgebot nach Leitmeritz. Aber die Mehrzahl der Stände verneinte, daß das Königreich ernstlich bedroht sei, und erklärte, ohne den Beschluß eines allgemeinen Landtags, ihre Truppen nicht über die Grenze führen zu wollen. Es fielen Äußerungen wie die, daß Johann Friedrich ihr Glaubensgenosse, seine Sache darum die ihre sei!) Trotz Einsetzens seiner ganzen persönlichen Autorität in Leitmeritz gelang es dem König doch nur, einen kleinen Teil der Stände zu bewegen, mit ihm über die Grenze vorzurücken. Kurze Zeit darauf aber, am 15. Februar, schlossen zahlreiche Glieder der Opposition aus dem Herren- und Ritterstande wie von den Städten in Prag unter Führung der Landeshauptstadt selbst einen engen Bund, wobei bezeichnenderweise das Singen utraquistischer, hussitischer, pikarditischer, lutherischer, böhmischbrüderlicher und anderer Lieder eine große Rolle spielte. Der Bund aber verpflichtete seine Mitglieder, gegen jedermann fest zusammenzustehen aufer gegen den König in allem, worin er recht habe; eine Umlage und Aufstellung eines eigenen Heeres wurde beschlossen. „Es war offene Rebellion“, sagt Brandenburg mit Recht. Johann Friedrich aber standen namentlich seit seinem Siege bei Rochlitz die Wege nach Böhmen völlig offen. Es hätte unberechenbare Folgen haben können, wenn er dorthin marschiert wäre und den Prager Bund zu entschlossener Aggressive mit sich fortgerissen hätte. Leider aber fehlte dem Kurfürsten zur vollen Ausnutzung des günstigen

1) E. Brandenburg: Moritz v. Sachsen, Bd. I, S. 520. Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 1. 8

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Moments die Energie. Während es rasch zu handeln galt, griff er zur Feder und ließ unter dem 12. März eine Flug- schrift?!) publizieren °), die zwei lateinische Schreiben an die oppositionellen böhmischen Stände enthielt. Das erste, ziemlich . allgemein gehaltene, vom 20. Februar aus Altenburg datierte, enthält neben dem alten Lied von der Unrechtmäßigkeit seiner Bekriegung und einem Hinweis auf die stärkeren, von den Türken drohenden Gefahren seinen Dank an die Stände dafür, daß sie die Heeresfolge gegen ihn verweigert, und die Bitte, die Versuche derjenigen, die vielleicht aus Furcht oder durch Drohungen bewogen gegen ihn die Waffen ergriffen hätten, soviel ihnen möglich sei, zu vereiteln. Dafür wolle auch er sich treulich so halten, wie es die alte Erbvereinigung und die Nachbarschaft. forderten. Bestimmtere Wünsche enthält das zweite Schreiben vom 12. März aus Geithain. Nach einem Bericht über seinen Sieg bei Rochlitz erklärt der Kurfürst, nach sicheren Nachrichten planten Kaiser und König nach seiner Niederwerfung vor allen Dingen die böhmischen Stände dafür zu strafen, daß sie den altem Herkommen und den ihnen zugestandenen Freiheiten wider- sprechenden Mandaten Ferdinands mit Verweigerung der Heeresfolge gegen ihn nicht Gehorsam geleistet hätten. Er erbietet sich nun, die alte Erbvereinigung mit ihnen und den übrigen Ständen zu erneuern und über seinen Anschluß an ihren neuen Prager Bund zwecks gemeinsamer Verteidigung zu verhandeln. Er zweifelt nicht, dab die Absage und das - Vorgehen des böhmischen Feldobersten Weitmühl gegen ihren Willen erfolgt sei, und fordert sie auf, einigen aus ihrer Mitte Vollmacht zu übertragen über die, die als Ver- letzer der alten Erbvereinigung ertappt würden, die verdiente . Strafe zu verbüngen und zugleich mit ernster Drohung diejenigen beimzuberufen, die sich nicht gescheut hätten, gegen Recht und Billigkeit mit Ferdinand die böhmische Grenze zu überschreiten.

Dieser zuletzt besprochene Brief steht in der Flugschrift an erster Stelle, sein Datum aber kehrt als Datum der

!) Verzeichnis Nr. 17. 2) Verzeichnis Nr. 18.

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gesamten Flugsehrift an deren Schluß wieder. Das beweist, dab er von vornherein als offener Brief gedacht war. Man hat also wieder die Presse benutzt, um eine diplomatische Note sicher in die Hände der zahlreichen daran interessierten Adressaten zu spielen. Einzelne Schriftstücke konnten durch Ferdinands Späher aufgefangen werden, das Einschmuggeln und Verbreiten einer Flugschrift ließ sich nicht so leicht verhindern. Es konnte ferner dem Kurfürsten nur erwünscht sein, wenn möglichst viele in den oppositionellen Bezirken von seinem Bündnisangebot erfuhren, da gerade bei der breiten Masse des Volkes die Sympathie für die protestantische Sache am stärksten war. Zugleich mußte es Ferdinand nur noch feindseliger gegen seine Stände stimmen, wenn er sah, mit welchen Anträgen ihnen der geächtete Gegner kommen durfte. Je tiefer aber die Kluft zwischen seinen Ständen und dem König sich auftat, desto besser war es für Johann Friedrich.

Die Haltung der Stände des benachbarten Königreichs veranlaßte Ende März noch eine Publikation!) von kur- sächsischer Seite, nämlich einen Bericht über die Entwicklung der Opposition in Böhmen, namentlich in Prag, von Martini 1546 bis zum Abschluß des Prager Bündnisses. Allerdings erweist sich die Darstellung nicht in allen Punkten als zuverlässig. Sie sollte natürlich die Lage und Aussichten des Kurfürsten sehr günstig erscheinen lassen und so nach der einen Seite eine abschreckende, nach der andern aber eine werbende Wirkung ausüben. Angehängt ist noch eine recht lange, auf das gute Beispiel der Böhmen verweisende theologische Ermahnung, nicht unschuldiges Cristenblut zu ver- gießen. Die Feinde des Kurfürsten, wird am Schluß ausgeführt, die ja auch die abgöttischen Italiener und das barbarische, viehische Volk der Husarn und Türken über sein Land und Leute führten, müßten schlimmer als Heiden und Türken, und der Teufel selbst in ihrem Heere der Oberste sein. Sollten sich doch auch zu Rochlitz bei den Wachen des Mark- grafen drei schwarze höllische Reiter gezeigt haben. In

!) Melanchthon an Eber. (26. März, „Seriptum ad Bohemos ab- solvam intra biduum.“ Am 29, März: „Seriptum Boiemicum ad vos intra paucos dies adferam.“ C. R. VI.

gr

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solchem Heere könne doch kein christlicher Kriegsmann mit gutem Gewissen dienen.

Als Verfasser dieser Druckschrift dürfen wir Melanchthon ansprechen !), müssen es aber dahingestellt sein lassen, ob er dabei im Auftrage des Kurfürsten gehandelt hat oder nicht.

Auch eine gegen Moritz gerichtete Publikation erfolgte von kursächsischer Seite in den ersten Monaten des Jahres 1547, genauer läßt sich die Zeit ihres Erscheinens nicht bestimmen. Man veröffentlichte nämlich das oben besprochene Protestschreiben?) der Leipziger Prediger an Herzog Moritz, um dessen Untertanen durch den Mund ihrer eigenen Prediger klar zu machen, daß der Krieg doch ein Kampf um die Religion sei. Mitveröffentlicht wurde ein Schreiben des Bischofs von Naumburg, Nikolaus Amsdorf, an den Bischof zu Merseburg. Die Veranlassung dazu muß gewesen sein, daß der Adressat dem Schreiber brieflich den Vorschlag gemacht hatte, die Landstände der beiden Sachsen sollten zwischen den streitenden Vettern und Böhmen, aber auch ‚zwischen den Sehmalkaldenern und dem Kaiser vermitteln), und zwar auf Grund folgender Bedingungen: Die Evangelischen bleiben bei der Augsburgischen Konfession und werden nicht zur Unterwerfung unter das Trientische Konzil gezwungen, sondern erhalten einen beständigen Frieden zugesichert. Dagegen sollen sie in ein freundliches Gespräch oder freies, christliches Konzil willigen und sich dem unterwerfen. Aber jede Beihilfe zur Unterhandlung lehnt Amsdorf schroff ab, „quia nulla conuentio inter Christü & Belial“. Denn von Christi und des Antichrists Regiment wird gehandelt, und auch Moritz, sucht er auszuführen, ist ein Feind des Evangeliums. i

Moritz selbst war sich vollstäudig klar darüber, daß seine zu Beginn des sächsischen Kriegs publizierte „Erklärung“ den Groll seiner Untertanen nicht beschwichtigt hatte. Am

1) Verzeichnis Nr. 19.

2) In der Tat hatte der Koadjutor Vermittlungsversuche gemacht, und auch die Landschaften der streitenden Vettern versuchten im März vermittelnd einzugreifen, kamen aber ebenfalls nicht weit damit.

E. Brandenburg: Moritz v. Sachsen, Bd. I, S. 525 und 527 ff.

3) Brandenburg: Korrespondenz usw.

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26. Dezember erklärte er König Ferdinand, seine eigenen Untertanen samt denen der eipgenommenen Lande würden von ihm abfallen, wenn Johann Friedrich in sein Land rücke!), und im Januar lehnte er den Vorschlag des älteren Karlowitz, einen Teil der waffenfähigen Mannschaft in den Städten und Dörfern aufzubieten, ab, weil er namentlich den Bauern nieht eher Waffen in die Hand geben wollte, als bis er genügend Sóldner hatte, um nótigenfalls eine Rebellion des eingestellten Landvolks niedersehlagen zu kónnen. Da ihm aber die Stimmung seiner Untertanen keineswegs gleichgültig sein konnte, so ließ er noch zweimal Lieder verbreiten, um sie nach Möglichkeit für sich zu gewinnen. Das erste dieser Lieder?) setzt Lilieneron wohl mit Recht in die Zeit des übermächtigen Vordringens des Kurfürsten gegen Leipzig, während das zweite?) nach der gescheiterten Belagerung dieser Stadt entstanden zu sein scheint. In beiden Liedern spielt Moritz natürlich die Rolle des unschuldig .Verleumdeten und Angegriffenen, der nur nach seinem Gewissen gehandelt hat, und wird in dem ersten, mit den Anfangsversen:

„Mag ich nachred itzt nicht entgan, gedult musz han,

e . . es wirt sich wol verkeren“,

namentlich gegen den Vorwurf des Abfalls vom Protestantismus verteidigt, während im zweiten in erster Linie die von Gott gebotene Gehorsamspflieht gegen die Obrigkeit betont wird. Beide Lieder aber sind charakteristisch für die vorsichtige, zweideutige Haltung des Albertiners in dieser Zeit. Seine Motive dazu mögen dahingeste!lt bleiben, ob er, einer nachhaltigen und rechtzeitigen Hilfe des Kaisers und Königs mißtrauend, sich die Möglichkeit einer Aussöhnung mit dem

1) Verzeichnis Nr. 20.

2) Verzeichnis.Nr. 21. Ich möchte mit Lilieneron gegen Voigt dies Lied für ein politisches, offiziöses halten. Wenn auch das Lied Verzeichnis Nr. 23 von demselben Verfasser ist, so braucht es deshalb nicht ebenfalls offiziös zu sein.

3) Verzeichnis Nr. 22—25. Ich verweise hier ein für allemal auf das, was Liliencron über die Lieder sagt, und auf den Aufsatz über die Belagerung Leipzigs 1547 von G. Voigt im Arch. für säch- sische Geschichte, Bd. 11.

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Vetter offen halten wollte, oder ob er nur der gefährlichen Erregung der öffentlichen Meinung in seinem Lande weit- gehende Rücksicht schuldig zu sein glaubte, oder ob beide Erwägungen zusammen ihn bestimmten; jedenfalls nahm er trotz des Drängens der Habsburger den kurfürstlichen Titel nieht an, sondern ließ ihn in dem zweiten Liede zweimal dem geächteten Vetter beilegen und sich selbst in beiden Liedern nur Herzog nennen. Die Besetzung des Kurfürstentums wird aufs nachdrücklichste nur als vorläufiger Schutz im Interesse der Kurlande selbst und des Gesant- hauses Sachsen hingestellt.

„Churfürstenthumb ich schützen thet, nam ein die stedt,

rett sie vor frembder hande,

in meinem sinn het ich bedacht, wirt fried gemacht,

ich steh von diesem Lande

welchs ich nicht Kan

verheren lan;

trutz ders vorderb!

es ist mein erb,

das ich vorliesz mit schanden‘, ,

heißt es in dem ersten Liede und im zweiten klagt Moritz, daß er zum Dank für gewährten Schutz das Opfer eines unverständlichen Grolles seines Vetters geworden sei:

„Alles das ich hab mögen than,

hab ich nicht underwegen glan,

unser beid land zu schützen,

ich hab nicht laszen erschlagn ein hun, was ist mirs iezund nütze?

Clerlich die sach ist an dem tag, ein ieder das wol greifen mag, ' es ist ein alter grolle,

der iezund allererst ausbricht, versteh es wer da wolle!

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Hett er sein land genommen ein und mir gelaszen auch das mein, ich hett ihm zugesehen.“

Diese Verse klingen doch anders, als die gewundene Zusicherung in der „Erklärung“ ünd man wird mit Recht diese Veränderung in der Tonart auf die damalige sehr bedrängte Lage des Herzogs zurückführen dürfen.

Besser als es diese Lieder vermochten, trieb die Unter- tanen des Herzogs die Sorge um ihr Eigentum und der daraus entspringende Haß gegen den Bedränger wenigstens an einer wichtigen Stelle völlig auf die Seite ihres Landesherrn, nämlich in Leipzig. Nicht weniger als vier Lieder!) sind der Belagerung dieser Stadt durch Johann Friedrich gewidmet, die meist erzählend berichten und dabei in auffallender Weise bei denselben Ereignissen verweilen, z. B. bei der BeschieDung des Henkerturms, des Schlosses, des Pauler Klosters, des Kirchhofes von St. Johann, bei der Verbrennung des von den Feinden in den Stadtgraben geschütteten Reisholzes. Aber auch in Gedanken und Urteilen herrscht starke Übereinstimmung, ja es läßt sich direkte starke Ausbeutung eines Liedes durch die Dichter zweier anderer nachweisen, wie denn diese Zeit vom geistigen Eigentum etwas weitherzige Begriffe hatte. Und doch sind diese Lieder wertvolle Stimmungs- zeugnisse, bei denen wir es nicht mit einzelnen Dichter- individualitäten, sondern mit den Anschauungen weiter Kreise zu tun haben. Daß uns solche in den Liedern geboten werden, dagegen beweist auch nichts die Über- einstimmung, ja das Entlehnen von Meinungen und Urteilen bisweilen in fast gleichen Wendungen, denn das sind eben „die recht populären Gedanken, die überall Anklang finden“. Die Tatsachen aber, bei denen die Lieder in gleicher Weise verweilen, sind eben Momente des Kampfes, die die Auf- merksamkeit besonders auf sich lenkten, in ihrer großen, vielleicht entscheidenden Wichtigkeit empfunden wurden und daher besonders im Gedächtnis der Miterlebenden hafteten. Denn von Miterlebenden stammen alle diese Gedichte. Einer erzählt uns selbst, daß er auf der Mauer hinter der

1) Verzeichnis Nr. 22.

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Mönche Garten der Püffe gewartet habe, und ein anderer berichtet, daß ihm der Krieg fast all sein Hab und Gut genommen habe. Daraus ist wohl zu schließen, daß wenigstens dieser kein Landsknecht, vielleicht ein Bürger der abgebrannten Vorstädte war. Aber auch die übrigen Verfasser möchte ich mit Voigt in bürgerlichen Kreisen suchen. Ihre Lieder spiegeln feste Entschlossenheit und ein gutes Verhältnis zwischen Besatzung und Bürgerschaft wieder:

„Werd wil ich halten alle zeit

die kriegsleut, die zum Sturm bereit allweg sich lieszen finden,

mit wach,. erbeit und rüstung gut gar nichts lieszen erwinden“!').

Wir sehen Landsknechte und Einwohner nebeneinander am Werke, ausgerüstet:

„mit langen spieszen und morgenstern, darzu mit helleparten“,

mit Pechkränzen und. allen sonstigen Mitteln damaliger Verteidigungskunst des Sturmes warten, hören den trefflichen Befehlshaber Sebastian v. Walwitz preisen, seine und Hans von Dieskaus tatkräftige Umsicht, die nachts ersetzen ließ, was das Feuer des Feindes am Tage zerstört hatte, und das Erbarmen, das er den zurückgebliebenen kranken (Gegnern erwies, Ueber den sieglos abziehenden Feind aber triumphieren sie alle, vielfach höhnisch, und erzählen mit Behagen, wie man ihm von der Stadtmauer das Lied: „Hat dich der schimpf gerawen“ nachblies. Und doch waren diese Bürger lutherisch, hatten wahrscheinlich vorher gleich den meisten andern Einwohnern des Herzogtums auf seiten des Kurfürsten gestanden und wegen des Vorgehens ihres Landesherrn gegrollt und gescholten. Ihre Lieder aber zeigen uns, „wie sich die kirchlichen und politischen Meinungen wandeln nach dem Grundgefühl, welches in Tagen der Gefahr die Brust belebt“. Man kannte in Leipzig die pekuniäre Lage des Kurfürsten, dessen Finanzen erschöpft waren, als er aus Süddeutschland heimzog, und der darauf

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!) Verzeichnis Nr. 24 doch auch andere.

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angewiesen war, sein Heer durch Kontributionen und Requisitionen in dem feindlichen Lande zu erhalten. Die Kunde von solchen Bedrückungen aber war nach Leipzig vorausgeeilt. Schon im Dezember nannte man ihn dort - den sehwarzen Hansen oder Hans mit der ledigen Taschen. Man wußte, daß ihm wegen seines unbezahlten Kriegsvolks an der Eroberung Leipzigs lag, und daß die Plünderung der an sieh schon reichen, noeh dazu damals gerade mit fremden Waren gefüllten Stadt in seinem Lager so gut wie beschlossene Sache war. Die Prahlereien seiner Landsknechte, die schon jetzt Leipzigs Schätze vertranken und verspielten und Samt und Seide an ihren langen Spießen messen wollten, waren nicht unbekannt geblieben und hatten Schrecken und Haß geweckt. Der Widerhall solcher Reden zeigt sich in den Liedern des Siegers:

„Sie haben auch verspielet viel,

das man zu Leipzig bezaln will, wenn sie die stat thun gewinnen, sammet, seiden und gülden stück, sie sind aber noch nicht darinnen!!).“

Der Bürger wußte also, daß er um Hab und Gut kämpfte, und als die Schrecken des Bombardements sich geltend machten, da hörten die evangelischen Sympathien auf, ganz andere Gefühle machen sich in den Liedern geltend. „Um die religiöse Streitfrage kümmert sich der Bürger, den die tägliche Not der Belagerung nmdrängt, überhaupt nicht, oder er hebt nur den Gegensatz hervor, den er zwischen . dem Rufe des Kurfürsten als des Vorkämpfers des Evangeliums und seinem Tun mit Sengen, Schießen und Rauben findet.“ Johann Friedrich wird gebrandmarkt als derjenige, der schon manchen armen Mann gemacht hat, und um dessen Willen auch jetzt die Vorstädte und Dörfer haben brennen müssen.. Wie der Türke verfährt er gegen die Stadt, nur um das Hab und Gut der Bürger zu gewinnen, und auch sein Tun nach der Belagerung noch ruft die Entrüstung hervor:

1) Verzeichnis Nr. 25.

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„Ists aber nicht ein vehdlich that dasz dieser feind zerschlagen hat, in mülen alle steine,

dardurch er hat verhungern wolln ufm land die arm gemeine“ 1)?

Gegenüber solehem Gegner wird nunmehr Moritz ein „frommer Fürst, der nach Frieden und Gerechtigkeit dürstet“ und den ohne jeden erheblichen Grund sein Vetter bekriegt:

„Ob ers vielleicht drümb hat gethan, dasz er sein volk wolt ziehen lan und muszt den krieg beschliessen doch wider hertzog Moritz wolt zuvor. sein zorn ausgieszen“?)?

In diesem Wandel der Meinungen nun betrachtet man auch den früher so entschieden gebilligten Krieg gegen den Kaiser mit andern Augen. Man erklärt Johann Friedrich, wenn er christlich und evangelisch sei, so solle er nicht mit solchem Grimm seinen Nächsten bekriegen und dem Kaiser, seiner Obrigkeit, gehorsam sein, und verweist ihn auf Pauli Lehre von der Obrigkeit und Luthers frühere Ansicht über Widerstand gegen den Kaiser.

Diese zuletzt besproebenen Lieder scheinen die ganze Publizistik zu bilden, die, während der Krieg in Sachsen tobte, von dem Gegner des Kurfürsten ausging. Erst aus der Zeit nach der entscheidenden Wendung bei Mühlberg liegen wieder drei Erzeugnisse vor. Die Schlacht selbst besang kein Geringerer als Hans Sachs?) in einem erzählenden Liede,* in dem er die kurfürstlichen Anführer beschuldigt, mit der Flucht den Anfang gemacht zu haben, während er der Haltung des Fußvolks seine Anerkennung nicht versagt.

Ein Unbekannter, der bei der Rückkehr Karls von Halle nach Augsburg im Gefolge des Kaisers oder unter seinen Truppen gewesen ist, und in manchen Dingen nicht schlecht

!) Verzeichnis Nr. 22. 2) Arch. f. Lit.-Gesch. 11, S. 53, 54. 3) Verzelehnis Nr. 26. 4) Verzeichnis Nr. 27.

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unterrichtet scheint, setzte das uns schon bekannte „Summa- rium des Evangelischen das ist / Schmalkaldischen Kriegs“ fort). Er überhäuft die Schmalkaldener mit Vorwürfen der Feigheit im Kriege, Räuberei und Leuteschinderei, des Treu- und Rechtsbruchs und behandelt mit bitterer Ironie ihre An- hänglichkeit an reine Lehre und Evangelium. In einer ihm selbst in den Mund gelegten Klage und Beichte bekennt der Kurfürst sich als Räuber von Kloster- und Kirchengut und als Landesherrn, der seine armen Untertanen mit Schatzung und Festungsbau hart geplagt habe, da er schon vor achtzehn Jahren Krieg gegen den Kaiser plante. Ver- führt sei er in erster Linie durch seine Prediger. Dieser zweite Teil ist wenigstens stellenweise mehr wirklich er- zählend, während der erste nur Schmähgedicht war.

Während der Rückkehr des Kaisers von Halle nach Augsburg scheint eine dritte kleine Schrift?) entstanden zu sein, die etwa zur Hälfte eingenommen wird von einem Ab- druck des Todesurteils über Johann Friedrich, der Abbitte des Landgrafen zu Halle und der kaiserlichen Antwort dar- auf. Im übrigen ist sie eigentlich nur ein Lob auf die Güte, Gnade und angeborene „österreichische“ Milde Karls, sowie auf den sichtbaren Beistand Gottes. Auch dieses Sehriftchen bestätigt, daß der Haupthaß der Gegner Landgraf Philipp gilt, gegen den man jede erdenkliche Verleumdung schleu- dert. Ihm, dem „elenden“ Hessen, wirft der Verfasser schwere Vergehungen gegen Treu und Glauben und Gewalt- tat gegen Bundes- und Blutsverwandte vor. Er soll sich, um des Kaisers Gnade zu erlangen, erboten haben, diesem mit Fußvolk und Reiterei, ja in eigner Person gegen Johann Friedrich zu helfen.

Nur erwähnt mag noch werden das Jakob Fugger ge- widmete Buch über den Schmalkaldischen Krieg von Jo- hannes Pedioneus?) Konstantinus. Es ist ein zur Beurteilung der damaligen öffentlichen Meinung wertloses Werk, dessen Verfasser den deutschen Verhältnissen ein schlechtsitzendes klassisches Gewand anzieht.

1) Verzeichnis Nr. 28.

*) Verzeichnis Nr. 29. *) Verzeichnis Nr. 30.

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Während in Süd- und Mitteldeutschland der Kaiser der endgültig triumphierende war, blieb in Niederdeutschland der Sieg den protestantischen Waffen. Die Schlacht bei Drackenburg rief bei den Protestanten weithin, am meisten natürlich bei den zunächst beteiligten Ländern Freude her- vor, die wiederklingt in einem Liede, das ein beteiligter Landsknecht wohl kurz. naeh der Schlacht verfaßte!), und das, nach der Zahl der Ausgaben zu schließen, großen An- klang fand. Wir ‘hören die Führer, Graf Albrecht von Mans- feld und Graf Christoph von Oldenburg, der den Angriff auf die Feinde zu Fuß mitmachte, voll Stolz preisen, wäh- rend der feindliche Führer Wrisberg beschuldigt wird, er habe seinen Mitfeldherrn, Herzog Erich von Braunschweig- Kalenberg, „das edle junge Blut“, in feiger Weise im Stich gelassen und sich lieber beim Troß der Gegner einen leichten Erfolg und die Kriegskasse geholt.

„Friszbergs Reym: Ich habe das Geldt Sie haben das Feldt.

Unser Reym:

Wir haben das Landt Friszberg die Schandt.“

So steht unter einer Ausgabe des Liedes.

Dieselbe Auffassung herrscht in einem dramatischen Gedichte ?), das ebenfalls kurze Zeit nach der Schlacht ver- faßt sein muß. Auch hier ist Wrisberg der „ehrlose“ Mann, der wie ein „Bösewicht“ an Herzog Erich gehandelt hat. Dieses dramatische Gedicht und das besprochene Lied sind die einzigen uns erhaltenen publizistischen Erzeugnisse des Schmalkaldischen Krieges niederdeutscher Mundart, ein Be- weis, daß der Leidenschaftssturm des Jahres 1546 die nörd- lichen, von der Katastrophe weniger unmittelbar bedrohten Gegenden unseres Vaterlandes ziemlich unberührt gelassen

1) Verzeichnis Nr. 31.

2) Verzeichnis Nr. 32. Die Rolle, die der gefangene Kurfürst in der Publizistik spielt, genauer zu verfolgeu, würde die Grenzen meiner Arbeit überschreiten.

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hat. Auch im Frühjahr des Jahres 1547 scheint man nament- lich nach dem Siege bei Drackenburg dort nicht recht an eine allgemeine, dringende Gefahr geglaubt zu haben, sonst wären uns wohl Spuren davon in der Publizistik erhalten. Das erwähnte dramatische Gedicht gibt schlicht und un- geschminkt, aber eben darum interessant, die Auffassung bürgerlicher und bäuerlicher Kreise Norddeutschlands nicht nur von der Schlacht bei Drackenburg, sondern vom ganzen Kriege wieder. Der Verfasser steht auf seiten der Schmalkaldener. Das Verfahren des Herzogs Moritz wird scharf getadelt wegen der großen Wohltaten, die er vom Kurfürsten empfangen. Es gehe eine Redensart, sagt der Wirt, in dessen Hause das Gespräch stattfindet, in Sachsen sei ein böses Kraut gewachsen, das der Raute gleiche, aber Ehrenlos heiße, aller Tugenden bar sei und der edlen Raute unbilligen Schaden getan und sie übel verraten habe. Vom Landgrafen wird entschieden erwartet, daß er trotz seiner Verwandtschaft mit Moritz den gefangenen Kurfürsten nicht im Stiche lasse. Daß er sich zum Kaiser begeben habe, hat der Verfasser gehört und man sieht aus seinen Worten, daß manche Zeitgenossen Philipp seinen Ritt nach Halle, bevor sie von seinem unglücklichen Ende hörten, so aus- legten, er wolle um den Preis des Verrats seiner Bundes- genossen die Gunst des Kaisers gewinnen.

Während sich keine Stimme besonderer Sympathie für den gefangenen Landgrafen in der Publizistik nach dem Kriege hat vernehmen lassen, gewann Johann Friedrich durch sein Schicksal nur noch an Popularität bei den Protestanten. Von einem Selbstverschulden seines Unglücks war keine Rede, nur schnöde Judastat seiner eigenen Anführer hatte den „frommen“ Fürsten den Feinden überliefert. Das Ge- schrei über Verrat erhebt sich nach der Schlacht bei Mühl- berg überall. Dabei läßt sich aus den Liedern nicht er- kennen, wer eigentlich als der Hauptschuldige galt. Nur einmal werden Georg von Reckerodt und Wolf v. Schönberg mit besonderem Vorwurf genannt. Den Kurfürsten aber ließ derselbe Starrsinn und das fast fatalistische Gottvertrauen, das für ihn selbst und die übrigen Schmalkaldener so böse Folgen gezeitigt hatte, jetzt auch sein Unglück standhaft er-

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tragen und Drohungen wie Lockungen der Gegner gegen- über fest auf seinem evangelischen Standpunkt verharren. Das wob zusammen mit der Verratslegende um sein Haupt den Glorienschein des Märtyrers, als der er in den Liedern, erscheint. Ja, man verglich ihn mit dem duldenden Heiland selbst und erzählte sein Schicksal möglichst genau in den Formen der Passion Christi ). Für die Rolle, die er tat- sächlich gespielt hatte, hatte man kein Auge oder kein Ge- dächtnis, sondern sah in ihm nur den edlen, verratenen Dulder für die Religion. Daß würdig getragenes Leiden versöhnt und verklärt, ist ja menschlich und schön, aber ein so völliges Übersehen der starken Mängel, die Johann Frie- drich als Staatsmann und Feldherr gezeigt hatte, namentlich des völligen Fehlens von Spannkraft des Geistes und ent- $chlossen zugreifender Energie, ist doch nur ganz verständ- lich aus einem Geiste heraus, wie er in Bugenhagens Schilde- rung?) der Zustände in Wittenberg während des Krieges aber auch in anderen Schriften lebt. Den Protestanten solches Geistes ist wie einst den Humanisten vom Schlage des Erasmus „der Tumult“ der schlimmste der Schrecken. Gefahr erweckt ihnen nur Furcht, die einzige Hilfe gegen sie liegt im Gebet. Gott muß ja seine Bekemer erretten, nötigenfalls durch ein Wunder, Unglück ist eine von ihm zur Besserung geschickte Strafe und willige Ergebung dabei die höchste Tugend. Solche Gesinnung konnte den Mut des Leidens, aber nicht den des Handelns geben, und wohl Ver- ständnis für Märtyrium, aber nicht für mannhafte Tat er- wecken. Aber noch etwas anderes mutet befremdend an in Bugenhagens Schrift, durch die in der Tat etwas geht „wie ein heiteres Aufatmen nach bösen Träumen“ ?) Kirche und Universität, Weib und Kind und Gut sind erhalten, und alles übrige wird leicht und rasch vergeben und vergessen. Wohl sagt der Verfasser, Johann Friedrich sei ihnen ein gnädiger Herr gewesen, und sie hätten sich keinen anderen gewünscht, aber wie bereit ist er zur Entschuldigung und zum Lobe

1) Verzeichnis Nr. 32. 2) Voigt: Die Geschichtsschreibung des Schmalkaldischen Krieges.

Abh. d. Kgl. Sächs. Ges. d. Wiss. Phil. hist. Klasse, Bd. VI (1874), seite 717.

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Moritzens und des Kaisers. Ihnen haben die Wittenberger nur Widerstand geleistet aus Treue gegen das angestammte Herrscherhaus, ihre Feinde sind sie nie gewesen. Fürwahr, Luthers Geist lag über Bugenhagen und seinen Gesinnungs- genossen nicht, und Moritz konnte zufrieden sein, wenn sich alle seine neuen Untertanen so willig seinem Szepter fügten.

Anhang.

Schriftenverzeichnis.

1. Ein kurtzer bericht / Was sich mit Keyserlicher Mayestat / auch Chur vnd Fürsten etc. Beyder Feldieger / vor Ingolstadt / im Land zu Beyern / von dem XXIIII Augusti / bis auff den Ij. Septembri zuge- tragen hat.

Dresden. Hortleder II, Buch 3, Kap. 31.

2. New zeytung wie es dem Euangelischem oder Protestierendem leger zu stehe. Frankfurt a. M. Stadtbibliothek.

3. Warhafftige zeitungen / aus dem Feldlager bey Gengen / Vom Fünffzehenden bis in den zwentzigsten tag Octobris Anno MDXLVI Dresden. Hortleder II, Buch 3, Kap. 37.

4. Warhafftige Tidinge / wo de Chürforste tho Sassen de Marck- grauen Albrecht van Brandenborch / sampt Lantgrauen van Lüchten- berch vnd eren krigesuolcke /tho rosse vnd vote/ vie vnd binnen Rochlitz neder gelecht vnd gefangen namen hefft. Geschen des andern dages Martij

Gießen. Hortleder, Buch 3, Kap. 66.

5. Warhafftige Zeyttungen / wie Marggraue Albrecht von Branden- Duro Ti uus [durch Gottes gnedige schickung / sambt dem Landt- grauen von Leuchtenburg mit allem jhrem Kriegsuolck zu Ruß vnd fud / vmb vnd bey Rochlitzt erlert vnd gefangen worden seindt

MDXLVII

Gießen. Hortleder II. Buch 3, Kap. 65.

6. Newe Zeitung / Wie es vom Vierzehenden / biss auf den Acht- zehenden Novembris in des Churfürsten von Sachsen / vnd Landgrafien

128 128

von Hessen Läger / gestanden. Anch welcher gestalt jhrenthalben bey der Röm. Keys. Maj. vmb Anstandt mehrmals angesucht worden. Hortleder II, Buch 3, Kap. 48.

7. Warhafftige anzeigung / von der Belegerung der Stad Leiptzig etc. Breslau.

8. Ware vnd gründliche anzeigung vnd bericht/in was gestalt / auch wenn wie vnd wo / Hertzog Johann Friedrich / geweßner Churfürst zu Sachsen / von der Röm. Kais. vnd Kön. Maie neben Hertzog Moritz zu Sachssen etc. am Sontag Misericordia Domini /der do was der XXIII tag April / Erlegt vnd gefangen worden ist.

Anno Salutis 1547 Gießen. Hortleder II, Buch 3, Kap. 69.

9. Warhafftige Beschreibung / Welcher gestalt vor der Röm. Kaiser- lichen Mai zu Hall an der Sal / Landtgraff Philips zu Hessen / seinen

Fuszfall /den XIX. tag Junij / dises 1547 Jars gethan !...... Zusampt et Der Capitulation / oder vertrags Artickeln /in der Key. Mai. Antwort angezogen. Breslau.

10. Wie vnnd inn wölcher gestalt der Römischen Kayser- lichen Mayestat / Landtgraff Philips von Hessen / auff den neunzehen- den tag Junij / zu Hall in Sachsen den fuszfall gethan.

MDXLVII Von Hans Baumann. Berlin. Vgl. Hortleder II, Buch 3, Kap. 76.

Abdruck. l

11. Hertzog Vlrichs von Wirttenberg vnderthenigst schreiben an Röm. Kay. Maiestat vmb friede,

Hortleder II, Buch 3, Kap. 53.

Item /

Warhafftiger auszug des Wirttenbergischen Vortrags / den dritten Jannuarij / Anno MDXLViI zwischen Róm. Kay. Maiestat auffgericht.

Hortleder II, Buch 3, Kap. 56,

Weiter volgend /

Wie des hochgedachten Hertzogen von Wirttemberg gesandte / für Röm. Kay. Maiestat fuszfall gethan. Desgleichen auch wie sich die Stadt Franckfurt am Meyn dermaßen gegen jrer Kay. Maiestat verhalten. |

Gießen. Hortleder II, Buch 3, Kap. 61.

129 129

12. Vrtheil So Keiserliche Maiestadt /über den gewesenen Chur- fürsten von Sachsen decernirt / vnd gesprochen hatt.

Vertrag zwischen Keiserlicher Maie. vnd dem gewesenen Chur- fursten von Sachsen,

Copey der abforderung des kriegsvolckes inn der besatzung zu Wittenberg.

Verzeigungs der gefangenen / 80 mitt Hertzog Johans Friderichen von Sachsen dem Eltern / vnd gewesenen Churfursten / in seiner nider- lag / gefangen worden sein

| MDXLVII

Breslau. Hortleder II, Buch 3, Kap. 70. Vgl. auch Kap. 71

und 72,

18. Verzeichnus der Artickel / so die Römisch Kaiserlich Maiestat/ . Hertzog Johann Friderich von Sachsen / auch Landtgraff Philipsen von Hessen fürgehalten / vnnd sie baide bemelte Fürsten dieselben Artickl geschworn.

Sambt dem Fueszfall vnnd begnadunge bemeltes Lanndgrauen von Hessen / Geschehen zu Hall in Sachsen am XVIIII tag Junij.

Anno Salutis MDXLVII München, Staatsbib.

14. Rómischer Keiserlicher Maiestat / vnsers allergnedigsten Herrn schreibens / warhafftige aus dem Original Abschrifft So an des Durch- lauchten Hochgebornen Fürsten vnd herru /herrn Moritzen Hertzogen zu Sachssen etc. unsers gnedigen herrn Landschafft geschehen / Den Beuehlhabern zu Leipzig zugeschickt / Darnach sich jederman zu achten habe.

MDXLVII.

Breslau, Universitätsbib.

15. Rómischer Keiserlicher Maiestat / unsers allergnedigsten Herren / Mandats / aus dem besiegelten Heuptoriginal / warhafftige Copia / Den siebenden tag des Monats Aprilis / des jetzigen Sieben vnd viertzigsten jars zu Egra ausgegangen.

Breslau, Stadtbib. Hortleder II, Buch 3, Kap. 67.

Es erübrigt noch, einen kurzen Bliek zu werfen auf die eigentlichen „Zeitungen“ oder „Neuen Zeitungen“ Auch sie konnten ein eminentes politisches Interesse haben und zu agitatorischen Zwecken verwandt werden, und Beispiele dafür aus der Publizistik des Schmalkaldischen Krieges boten sich bereits dar. Grimmig spottete ja auch der kaiserlich gesinnte Verfasser des „Summarium des Evangelischen / das

Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 1. 9

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ist/Schmalkaldischen Kriegs“ über falsche Nachrichten und Siegesmeldungen, womit die Schmalkaldener für ihre Sache zu werben gesucht hätten!), und naturgemäß liegt es im Interesse jeder kriegführenden Partei, in der Öffentlichkeit ihre Aussichten als möglichst günstig hinzustellen und errungene Vorteile nicht zu versehweigen. Wenn man aber nach dem Erhaltenen urteilen darf, war der Spott des erwähnten Anonymus unberechtigt. Von den wenigen schmal- kaldischen Zeitungen über Geschehnisse des Donaufeldzuges, die bis jetzt bekannt sind, ist keine einzige offiziös inspiriert, sie tragen vielmehr alle den Charakter von Publikationen, die bestimmt sind, berechtigtes Interesse oder mtßige Neugier für die Ereignisse des Tages zu befriedigen. Von Augenzeugen oder nach Hörensagen sind die kurzen Notizen gleichzeitig oder kurze Zeit nach den Ereignissen nieder- geschrieben und ohne weitere sorgfältige Überarbeitung gedruckt. Für die historische Forschung sind sie belanglos, da es ihren Verfassern an Kritik und Urteil fehlt, Wichtiges vom Unwichtigen, Wahres vom Falschen zu sondern.

So liegt eine Zeitung vor über die Ereignisse bei den beiden Heeren vom 24. August bis zum 2. September?), die sich als sehr unzuverlässig erweist, denn nach ihr hat der Kaiser mit seinem ganzen Heere am 2. September nach Ingolstadt hineinflüchten müssen und hat durch die Kanonade die schwersten Verluste gehabt. Daß das aber keine Tendenzlügen aus leitenden Kreisen der Schmalkaldener sind, geht daraus hervor, daß der unbekannte Verfasser, der im Lager anwesend gewesen zu sein scheint, viel zu ausführlich von den nebensächlichsten Dingen, z. B. von einzelnen Gefallenen, Verwundeten oder vornehmen Gefangenen spricht, sogar deren Kleidung und Schmuck beschreibt, die Namen aber nicht immer weiß °). Eine etwas frühere, bessere Zeitung berichtet über die Kriegslage bis zum 15. August‘)

1) Den gleichen Vorwurf richtet Avila gegen sie.

?) Verzeichnis Nr. 1.

3) Ich kann mich der Ansicht Schweizers (Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Bd. 29, H. 1, S. 132), daß dieser Bericht aus Schertlins Kanzlei stamme, nicht anschließen.

*) Verzeichnis Nr. 2. Vgl. Voigt: Die Geschichtsschreibung usw. S. 691. Ihm hat eine andere Ausgabe der Zeitung vorgelegen als mir.

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und scheint auf Nachrichten aus Nürnberg zu beruhen. Eine dritte Zeitung umfaßt die Tage vom 15. bis zum 20. Oktober?) und zeigt klar die Entstehung solcher Flug- blätter aus Briefen?) Denn ihren Grundstock bildet der vom 15. datierte Brief eines Kriegers unter den kurfürstlichen Truppen, dem dann noch lose angehängt sind kurze Berichte über Ereignisse bis zum 20. Oktober, so z. B. über die Aussage eines gefangenen vornehmen lItalieners, Hannibal Guarinus, der die törichtsten Übertreibungen von der Not- lage und der Verzweiflung des Kaisers enthält. . Auch der Verfasser dieser Zeitung färbt stark schön zugunsten der Schmalkaldener, aber auch er wittert schon Verrat. |

Vom Sächsischen Kriege liegen uns protestantische Berichte nur vor über den Sieg bei Rochlitz, So wurde der Brief verröffentlicht, den Graf Wolrad v. Mansfeld über das Treffen an seinen Vater sandte?) und dies Schreiben ist offenbar neben dem des Kurfürsten von Sachsen an die Universität Wittenberg‘) stark benutzt worden für eine anonyme, gedruckte Zeitung?) über die Niederlage des Markgräfen Albrecht, die wenig Neues über die beiden Briefe hinaus bringt. Ihren Verfasser kann man vielleicht wegen der Kenntnis des kurfürstlichen Schreibens unter den Wittenberger Professoren suchen.

Von der Gegenpartei ist über den Donänfeldingi nur eine Zeitung der. oben charakterisierten Art bekannt, die nach Mitteilungen anderer über die Kriegslage und Ereignisse vom 14.—18. November berichtet). Die interessanteste Nachricht, die sie bringt, ist die über Friedensverhandlungen, die die Schmalkaldener durch Markgraf Hans mit dem Kaiser anzuknüpfen vergeblich versucht hätten. Aus der Zeit des sächsischen Krieges liegen die gedruckten, kurzen Notizen vor, die ein unbekannter Leipziger Bürger täglich

1) Verzeichnis Nr. 8. Vgl. Voigt: a. a. O. 695.

2) Über die Entstehung der Zeitung aus dem Brief, vgl. u. a. den Aufsatz von G. Steinhausen im Archiv für Post und en. Nr. II, Juni 1895. |

3) Verzeichnis Nr. 4.

4) Strobel: Vermischte Beiträge S. 70f.

5) Verzeichnis Nr. 5.

6) Verzeichnis Nr. 6. 9*

132 132

vom 28. Dezember 1546 bis zum 28. Januar 1547 über die kleinen Wechselfälle der Belagerung sich gemacht hatte, wobei er aus seiner Parteistellung kein Hehl macht. Diese Notizen scheinen so ziemlich in der ursprünglichen Form ohne sorgfältige Überarbeitung!) veröffentlicht zu sein, und zwar vor der Schlacht bei Mühlberg, denn von ihr weib der Verfasser noch nichts. Über diese sandte Hans Baumann von Rotenburg an der Tauber einen auch gedruckten Bericht?) an den Bürgermeister und Rat seiner Vaterstadt, der die Tendenz zeigt, Moritz und die Deutschen zu verherrliehen. Dieser Bericht aber hat trotz der Versicherung seines Ver- fassers, daD er auf eigenem Sehen und den Berichten anderer angesehener und zuverlässiger Männer beruhe, wie Lenz?) nachgewiesen hat, keinen selbständigen Wert. Endlich liegt noeh eine anonyme Zeitung über Philipps Fubfall zu Halle vor? die der Abdruck eines Berichtes ist, den ein Un- bekannter an den Kurfürsten von Mainz, Sebastian von Heusenstamm, sandte, und den dieser am 30. Juni an Graf Reinhard von Solms weitersandte. Derartige Szenen der Demütigung überwundener Gegner vor dem Kaiser hatte man auch schon früher der Öffentlichkeit nicht vorenthalten und z. B. den um Frieden bittenden Brief Herzog Ulrichs sowie die fußfälligen Abbitten der Gesandten Württembergs und Frankfurts veróffentlicht?). In ihren Schuldbekenntnissen lag ja auch eine nachträgliche Rechtfertigung für Karl. Auch Friedensverträge mit besiegten Gegnern wurden publi- ziert und während des Krieges einzelne Mandate Karls von allgemeinem Interesse?) Diese Drucke genauer zu verfolgen, dürfte ohne Interesse sein.

Å e mM

1) Verzeichnis Nr. 7. Diesen Bericht scheint Voigt bei seinem erwähnten Aufsatz über die Belagerung Leipzigs nicht gekannt zu haben.

2) Verzeichnis Nr. 8.

3) Lenz: Die Schlacht bei Mühlberg S. 43ff.

*) Verzeichnis Nr.9. Vgl. Preuschen: Ein gleichzeitiger Bericht über Landgraf Philipps Fußfall. Philipp der Großmütige. Festschrift des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen 1904, und Archiv für hessische Geschichte X, 439 ff.

5) Verzeichnis Nr. 11.

6) Verzeichnis Nr. 12—15. Vielleicht gehört hierher auch Kap. V, Nr. 5b.

133 133

Wenn man die ganze Publizistik des Schmalkaldischen Krieges nur oberflächlich betrachtet, wird man sie leicht ungerecht beurteilen, denn sie ist beherrscht von Gesichts- punkten, deren Betonung im staatlichen Leben und in der Politik heutigen Tages fremd anmutet, und in der Form verletzt oft die Derbheit, ja Ungeschlachtheit des Ausdrucks. Doch darf man um beides mit ihren Verfassern nicht rechten, sie sind eben Kinder ihrer Zeit und schreiben für diese. Wenn man aber versucht, sich in die Interessen und Ideen- kreise des Reformatiónszeitalters hineinzudenken, dann erscheinen diese rechtlichen Deduktionen, die immer wieder- holten Beweise dafür, daß es ein Kampf um die Religion sei, und damit verbunden das Schrecken mit der Wiederkehr kirchlicher und sozialer Zustände, denen man eben erst durch die Reformation entronnen war, und mit wirklich straffer, kaiserlicher Herrschaft über die deutschen Stände, sowie die Warnungen vor den zügellosen Horden spanischer und italienischer Soldateska doch in einem andern Lichte. Dann beweisen sie, daß die protestantischen Wortführer den springenden Punkt klar erkannt hatten, ihre Zeitgenossen richtig beurteilten und wohl wußten, wo sie am leichtesten der Beeinflussung zugänglich seien. Man bediente sich im ganzen der jungen Großmacht Presse in durchaus zweck- entsprechender Weise. Auch den Publizisten des Kaisers und Herzogs Moritz muß man zugestehen, daß sie die Sache ihrer Herrn, die an sich herzlich wenig Populäres hatte, nicht ungeschickt verfochten. Die ganze Masse der nicht offiziellen und offiziósen protestantischen Schriften aber fesselt durch das frische Nationalgefühl, den unleugbaren sittlichen Ernst, die Begeisterung und Öpferbereitschaft, die aus ihnen spricht. Sie offenbaren bei tieferem Eindringen das leidenschaftliche Wallen und Kämpfen einer im tiefsten erregten Volksseele und finden im ganzen für das, was sie zu sagen haben, doch auch den treffenden Ausdruck.

Mitteilungen.

Zum Übertritt Kf. Joachims II. Über seinen An- schluß an die Reformation spricht sich der Kf. in einem Briefe an seinen Bruder Mf. Johann vom 12, November 1539 (Köln an der Spree, Mittwoch nach Martini) aus. Der Mf. hatte auf das Gerücht von dem am 1. November durch die bekannte Abendmahlsfeier erfolgten Über- tritt Joachims diesen durch seinen Kanzler Franz Neumann beglück- wünschen lassen, worauf der Kf. erwiderte: „Was... die religionsach antrifft, ists an dem das wir durch vorleihung des almechtigen mit unsern furnembsten prelaten und denen von der landschaft, auch mit rath etlicher gelerthen treuherzigen leut uns einer christlichen refor- mation etlicher misbreuch und einer kirchenordnung entschlossen, welche wir auch alberait im werk und brauch angefangen und halten, auch dieselbig durch ein offenen druck allen den unsern zu vorkunden und ausgehen zu lassen willens. bedanken uns derwegen der gluck- wunschung ganz freuntlich mit gleichem erbieten, wie von e. 1l. bescheen, wollen auch von baiden tailn sein gotlich almechtigkait bitten, solchs angefangen cristlich werk zu erhohung seines gotlichen namens und ehre seins heiligen worts zu unser aller selen selickait zu bestettigen und fortzusetzen helfen.“ Johann hatte bereits um eine Abschrift der Kirchenordnung bitten lassen, da er willens sei, sich mit Joachim „darauf in Religionssachen zu vergleichen“. Der Kf. kann dieser Bitte aber nicht willfahren, da er „aller dinge domit noch nicht fertig und es fast viel werden wolle; wen aber dieselbig richtig und bei- samen ist, welchs wir e. l. zu wissen thun wollen, mogen e. l. die iren anhere fertigen, dieselbig mit anzuhoren und zu ubersehen, und was alsdan e. l. gefellig, sol es zu ferrer vergleichung an uns nicht mangeln“. (Orig. im Berliner Geh. Staatsarchiv, Rep. 42, 55 Fasc. 1 Fol. 10sq.). Das Schreiben macht zwar über den Übertritt des Kf. keine positiven Angaben, ist aber doch wegen der darin aus- gesprochenen Gesinnung Joachims, wie auch an sich als die wohl früheste Äußerung dieses selbst über den unternommenen entscheidenden Schritt beachtenswert. W. F.

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Neuerscheinungen.

Allgemeines. Die Auswahl von hundert „Rahmen deut- scher Buchtitel im 16. Jahrhundert“, die Julius von Pflugk- Harttung mit kurzer einleitender Orientierung über Buchdruck und Buchschmuck vorlegt, will einem praktischen Zweck dienen, nämlich dem deutschen Kunstgewerbe Anregung und Muster darbieten; aber auch der Historiker wird seine Freude an den wohlgelungenen Nach- bildungen haben und dem Herausgeber dankbar sein, der aus den Be- ständen des Wittenberger Lutherhauses und der Königl. Bibliothek zu Berlin an Reformationsschriften mit glücklichem Griff diese Proben herausgeholt hat, in denen das Schönheitsgefühl und die markige Kraft ihres Zeitalters mit Hilfe einer schier unerschöpflichen Phantasie: zu bezeichnendem Ausdruck kommt. Die Sammlung beginnt mit einem Buchrahmen von 1512, dem Produkt einer Straßburger Firma; in der nüchsten Zeit stehen Basel und Augsburg im Vordergrund, zu denen dann bedeutungsvoll Wittenberg (neben Leipzig, Erfurt, Zürich usw.) tritt. Die Hauptmasse des Gebotenen reicht bis 1525; naturgemäß bevorzugt die Auswahl Schriften Luthers und solche, die von ihm handeln oder durch ihn veranlaßt sind; doch sind neben Freunden der lutherischen Sache auch Gegner vertreten. Weitere Bünde gleicher Art sollen die spätere deutsche, sowie die ausländische (italienische, französische, holländische, englische und spanische) Renaissance be- handeln. Stuttgart, F. Lehmanns Verlag, 1909; 32 S. und 100 Tafeln in und Fol. (= Kunstgewerbe der Renaissance I).

Richard Bürkner, Christliche Kunst (— Wissenschaft und Bildung Nr. 76), bespricht S. 108 ff. den bestimmenden Einfluß. der Reformation auf den Kirchenbau. Es handelt sich teils um Erbauung neuer, der Art des protestantischen Gottesdienstes speziell angepaBter Kirchen (z. B. der Schloßkapelle zu Torgau 1544, der Schloßkapelle in Stuttgart 1560 und der 1600—1608 erbauten reformierten Kirche zu Hanau), teils um Anpassung des Vorhandenen an die veründerten Be- dürfnisse, wie insbesondere durch Einführung eines festen Kirchen- gestühls für die ganze Gemeinde und Ausbildung der Emporen zu einem organisch mit dem ganzen Raume verbundenen Bauglied, das ein wesentliches Kennzeichen evangelischer Kirchengebüude geworden und geblieben ist. Leipzig, Quelle & Meyer, 1910; 152 S., M. 1.—, geb. M. 1.25.

Quellen. Mit lebhafter Genugtuung wird jeder Freund der Reformationsgesch. die Herausgabe des Briefwechsels der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer begrüßen, die im Auftrage der Badischen Historischen Kommission Traugott Schieß mit ausdauern- dem Fleiß und hingebender Treue besorgt hat. In zwei Bänden von zusammen 1800 Seiten werden uns siebzehntehalbhundert Briefe be- schert, die für die Reformationsgeschichte des südwestlichen Deutsch- lands eine unübersehbare Fülle wichtigster Angaben enthalten, aber

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auch für die Beurteilung der allgemeinen Lage wertvolle Aufschlüsse bieten, ja für die ganze Zeitgeschichte eine der ertragreichsten Quellen darstellen, in denen zugleich die innere Kraft und Bedeutung, die dem Protestantismus gleich von Anfang an innewohnt, und seine gewaltige geistige Überlegenheit über den zermorschten und zerfallenden Katholizismus zu deutlichem Ausdruck kommt; denn wo fände sich auf altgläubiger Seite etwas, was an Ausdehnung, wie vor allem dem Inhalte nach der Blaurer-Korrespondenz auch nur einigermaßen an die Seite gestellt werden könnte? Der erste Band reicht bis zum Ab- schluß der Wirksamkeit A. Blaurers in Württemberg (1538), der zweite bis zur Einführung des Augsburger Interim in Süddeutschland, die den nämlichen zwang, in der Schweiz ein Asyl der Glaubensfreiheit zu suchen. Ein sorgfältiges Register für beide Bände ist dem zweiten 'beigegeben; doch ist das Werk noch nicht zum Abschluß gebracht dank des nachträglichen Beschlusses der BHK., wonach ein dritter Band den Briefwechsel der noch übrigen Lebensjahre der Brüder bringen soll. Freiburg i. Br., F. E. Vehsenfeld, 1908 und 1910; XLVIII, 884 und XVII, 917 S.

Erklürung. .

„Die Theologische Literaturzeitung, das bekannte Organ der wissenschaftlich-kritischen protestantischen Theologie, zurzeit heraus- gegeben von Adolf Harnack- Berlin, Hermann Schuster- Hannover, Arthur Titius-Góttingen, beabsichtigt hinfort neben der den Um- kreis der Theologie umspannenden historisch-philologischen Arbeit auch der allgemeinen Religionsgeschichte reges Interesse zu- zuwenden und über ihren gesamten Umfang durch ‚kritische Referate eingehend und gründlich zu orientieren', Auch sollen die Beziehungen der Religion zum modernen Geistesleben aufmerksam verfolgt werden. Dem steigenden internationalen Austausch entsprechend werden die Beziehungen zur Literatur des Auslandes noch mehr ge- pflegt werden; auch ausländische Gelehrte sind zum Bericht über ihre Literatur gewonnen. Über wissenschaftlich bedeutsame Unter- nehmungen, Funde von religionsgeschichtlicher Bedeutung werden kurze authentische Mitteilungen gebracht, wozu die Mitarbeit von interessierten Gelehrten des In- und Auslandes stets willkommen ist.“

Die Herausgeber der Theologischen Literaturzeitung. I. A.: Professor D. Titius.

Aus dem Lutherhause in Wittenberg. Von J. v. Pflugk-Harttung.

Wie mancher Reisende eilt nicht im Sehnellzuge an der „Station Wittenberg“ vorüber, ohne mehr als höchstens einen Bliek zum Fenster hinaus zu werfen. Und doch handelt es sich um einen der geschichtlich wichtigsten Orte Deutschlands. Hier und da steigt ein Fremder aus, be- sichtigt flüchtig das Lutherhaus, bisweilen auch noch kurz die Schloßkirche, um dann mit dem nächsten Zuge weiter zu fahren. |

Der Sehreiber dieser Zeilen hat wiederholt in Witten- berg geweilt und für die von ihm herausgegebene „Welt- geschichte“, ein Werk über die Frühreformation (von 1493 bis 1523) und eines über die Rahmen deutscher Buchtitel im 16. Jahrhunderte ausgedehntere Forschungen gemacht, die hier zu Nutz und Frommen etwaiger Interessenten mitgeteilt werden mögen; dies um so mehr, als die dortigen Bestände weitaus bedeutender sind, als man gemeinhin annimmt.

Das alte Wittenberg lag sehmal und langgestreekt auf einer leichten Erhöhung, die sich längs eines Elbarmes dehnt, von dem aus ein breiter Wallgraben um den übrigen Teil der Stadt gezogen war. Hohe Mauern mit Türmen bewehrt sicherten den Ort gegen auswärtige Feinde. Der Länge nach führten wesentlich zwei Hauptstraßen durch die Stadt, deren bedeutendere die der Elbe nächstgelegene war. An ihr erhoben sich das Augustinerkloster, das Haus Melanch- thons, die Universität, das Haus Lucas Kranachs und das Schloß, und zwar so, daß das Augustinerkloster die Straße eröffnete und das Schloß mit der Schloßkirche sie beendete. Ungefähr in der Mitte führte sie am Markte entlang, auf dem das Rathaus und unfern daneben die Stadtkirche

Archiv für Beformationsgeschichte VIII. 2. 10 l

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ragen. Wittenberg hatte im Mittelalter eine ebenso feste als günstige Lage, weshalb die Markgrafen aus dem Hause Ballenstädt hier lange Zeit residierten. Aber seine eigentliche Bedeutung erhielt es erst durch den Kurfürsten Friedrich den Weisen, der 1486 an Stelle des alten ver- fallenen Schlosses, ein neues mit einer Schloßkirche errichtete und die Universität gründete. Schließlich kam der Ort an die Albertinische Linie und später an Preußen. Seine Blüte erreichte er durch Luther und Melanchthon, welche tausende von Studenten anzogen und den Namen der kleinen Elbstadt weltberühmt machten. Später sank die Bedeutung der Universität immer mehr. Napoleon hob sie 1813 auf, um die Stadt besser für seine Zwecke benutzen zu können; und 1817 wurde an Stelle Wittenbergs das nahe Halle zur Hochschule erhoben. Während des dreißigjährigen und nordischen Krieges hatte Wittenberg und seine Umgebung schwer zu leiden. Im siebenjährigen Krieg sank die Hälfte der Bauwerke dureh eine Beschießung in Trümmer, selbst die historisch wichtige Schloßkirche brannte 1760 bis auf die Umfassungswände nieder. Weiter gereichte dem Orte zum Unheil, daß Napoleon ihn zur Festung machte, infolgedessen er 1813 wiederholt beschossen und 1814 von den Preußen mit stürmender Hand erobert wurde. Unter diesen kriegerischen Ereignissen ging die Schloßkirche zum zweiten Male in Flammen auf. Es ist das Verdienst der preußischen Könige gewesen, sowohl die Kirche neu aus der Asche erstehen zu lassen und mit einem schlanken Turme zu versehen, wie auch das Lutherhaus auszubauen und zu einem Museum umzuwandeln. Lutherhaus und Schloßkirche sind die Hauptsehenswürdigkeiten, an die sich die Stadt- kirche, das Rathaus und das Melanchthonhaus reihen +). Weitaus am wichtigsten ist die Stätte, an der Luther lebte und wirkte, das frühere Augustinerkloster, dessen Er- richtung in das 14. Jahrhundert fällt. Es wurde nie ganz vollendet, und als Luther es bezog muß es recht dürftig ausgeseben haben, denn Friedrich Myconius sagt von ihm:

1) Ich verweise auf Leo Woerl, Illustrierter Führer durch die Lutherstadt Wittenberg und Umgebung (2. Aufl), und Zitzlaff, Die Begräbnisstätten Wittenbergs und ihre Denkmäler, Wittenberg 1896.

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„nicht mehr denn das Sehlafhaus, darinnen itzt D. Martinus noch wohnet, war ausgebaut*. Die Klosterkirehe war nieht über die Grundmauern hinausgediehen, in deren Mitte sich eine kleine Holzkapelle erhob, die man mit Lehm bekleidet hatte. Sie war so baufällig, daß man sie auf allen Seiten stützen mußte, die Kapelle bestand aus alten, ungehobelten Brettern. „In Summa", meint Myconius, „es hat allent- halben das Ansehen, wie die Maler den Stall malen zu Bethlehem, drinnen Christus geboren worden*. Das Kloster bot gewissermaßen äußerlich das Bild der derzeitig ver- fallenen Papstkirche. Aber so ungastlieh seine Bauten sein mochten, rings ragten schattenspendende Bäume, blühten Buschwerk und Blumen. Aus dieser Umgebung heraus ist die Reformation entstanden, eine der gewaltigsten Bewegungen, welche jemals die Menschen ergriffen hat.

Der Gründer der Universität Wittenberg, Friedrich der Weise, ließ es sich angelegen sein, auch das Kloster aus- zubauen, als dessen Hauptschmuck jetzt das Refektorium erscheint, noch in spätgothischem Stil gehalten; ebenso zieht die spätgothische Pforte das Auge auf sich. Der größte In- sasse des Klosters bewirkte dessen Untergang. Infolge der Reformation verließen es die Mönche, bis Luther allein übrig blieb, dem Kurfürst Johann der Beständige 1526 die Gebäude zum Eigentum schenkte. Nach Luthers Tod erwarb sie die Universität und verwendete sie für ihre Zwecke, zumal für Freiwohnungen armer Studenten. Um den Raum mehr aus- zunutzen, errichtete man noch ein Vorderhaus, das jetzt an der Straße liegt. Man hat dieses und den schönen Hof zu durchschreiten, um zur einstigen Wohnstätte des Reformators zu gelangen. Mit dem Sinken und gar dem Verlegen der Universität geriet das Augusteum in immer stärkeren Verfall, bis sich König Friedrich Wilhelm IV. der historischen Stätte annahm, und die Gebäude in ihrer jetzigen Gestalt ausführen oder wiederherstellen ließ. Sie enthalten im Erd- geschoß nach hinten das alte Refektorium, rechts die Luther- schule, im ersten Stock rechts die Räume, in denen Luther ‘lebte und lehrte, welche in ein Luthermuseum umgestaltet wurden. Zunächst gelangt man in Luthers Vorzimmer. Es enthält einige Gemälde des jüngeren Cranach und einen

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140 4 alten geschnitzten Schrank mit verschiedenen Gegenständen ohne besonderen Wert. Höheres Interesse bietet die freilich restaurierte Wohnstube Luthers: „Die Decke weist Blumen- malerei und Engelskópfehen auf, die gedunkelten Wände sind ebenfalls mit Malerei versehen. Der erneuerte Kachel- ofen ist mit den Reliefbildern der Evangelisten und der Künste geschmückt. Vor einer hölzernen, Bank steht ein altertümlicher Tisch, darüber hängt Luthers Totenmaske. Auf dem Doppelsitz am Fenster mit den kleinen Butzen- scheiben pflegte Luther in der Dämmerstunde mit seiner Frau zu sitzen. Das Ganze macht einen bürgerlichen und traulichen Eindruck.“ Die übrigen Räume bilden die „Lutherhalle“, die der Kronprinz Friedrich, der spätere Kaiser Friedrich III. 1883 eröffnete. Von der Lutherstube gelangt man in ein Nebenzimmer mit Bildern, Stichen und Holzschnitten, größtenteils Portraits von Reformatoren, doch auch dem berühmten Gemälde Cranachs d. Ä.: „Der Wein- berg des Herrn.“ Es stellt Luther und seine Freunde und Gesinnungsgenossen als Arbeiter im Weinberge dar. Die Glaskisten enthalten alte Bibeln mit Korrekturen von Luthers Hand, Autographen, sonstige Handschriften u. dgl. In den nach Süden gelegenen Zimmern befinden sich gleichfalls Gemälde, Holzschnitte, Ansichten von Wittenberg, u. a. die zehn Gebote von Lucas Cranach d. Ä., ein Bild, das früher im Rathaus hing, Münzen und Medaillen, Briefe, Schriften Luthers, ein Plakatdruck der gegen Luther gerichteten Bann- bulle u. a Im folgenden Raume sieht man Portraits von Luther und anderen Reformatoren in Holzschnitten, Original- drucke vieler Schriften Luthers, Flugschriften, Passionale usw. Die Wände der Aula sind geschmückt mit großen Gemälden der sächsischen Herrscher im Kurfürstenornat von Lucas Cra- naeh d. J., mit Portraits von Luther und Melanchthon. Ein ehemals in der Sehlofkirehe befindliches Katheder, auf welchem die Doktordisputationen abgehalten wurden, ent- stammt dem 17. Jahrhundert.

Dieht beim Hause Luthers steht das seines Freundes Melanehthon, von dem nur noch das sogenannte ,Studier- zimmer“ im ersten Stock bis zu gewissem Grade in ursprüng- lichem Zustande hergestellt wurde. An das Haus reiht sich

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ein schattiger anheimelnder Garten mit einem Steintische der die Inschrift: Ph. Melanchthon 1551 trägt. Auch die Mauerreste von Melanchthons Hörsaal sind noch sichtbar. Von besonderem Interesse ist die am entgegengesetzten Ende der Stadt liegende mit dem Schlosse (jetzt Kaserne) verbundene Schloßkirche, an deren Tür Luther die 95 Thesen heftete, welche gewissermaßen zum Ausgange der Reformation geworden sind. Sie wurde mit dem Schlosse 1493 bis 1499 an Stelle der alten Askanierburg von Kurfürst Friedrich dem Weisen mit großem Kostenaufwande im gothischen Stil erbaut. Doch waltete über sie ein solcher Unstern, dab von ihr aus Luthers Zeit wenig mehr als die Umfassungs- wände und etwa der halbe Turm erhalten blieben. Wie schon gesagt: während des siebenjährigen Kriegs am 14. Oktober 1760 sank der Bau in Trümmer und wurde dann 1813 noch einmal in Brand geschossen. Erst das Eingreifen der Hohenzollern ließ etwas vielfach Neues auf dem historischen Grunde von 1885—1892 erstehen, und zwar durchaus Würdiges, gewissermaßen eine prächtige, spätgothische Reformationshalle. Unter dem Orgelchor hat man die Reste von 27 askanischen Fürsten und Fürstinnen aus der Zeit von 1273 bis 1435 beigesetzt. Aus dem alten Franziskanerkloster rettete man auch die schönen Grabsteine Rudolfs II. (1356— 70), seiner Gemahlin und seiner Tochter. Besonders schön ist das Denkmal Henning Gödes, von Peter Vischer mit der Krönung Mariae. Bescheiden hingegen erweisen sich die Gräber Luthers und Melanchthons in der Mitte der Kirche, gekennzeichnet durch kleine Sandsteinsarkophage mit inschriftversehenen Bronzeplatten. Am 14. Februar 1892 hat der Baumeister Grothe Luthers Grab geöffnet und da- bei den Sarg des Reformators und seine Überreste in einer Tiefe von zwei Metern gefunden. Luthers Gebeine ruhen also noch tatsächlich dort, wo er seine Thesen anschlug. Zu beiden Seiten des Altarraumes befinden sich die ala- basternen und bemalten knienden Figuren der Kurfürsten Friedrich des Weisen und Johann des Beständigen, deren Gräber vor dem Altare eingerichtet sind mit längerer In- schrift. Rechts und links von diesen Stätten erheben sich stolz zwei große bronzene Denkmäler, Meisterwerke Hermanns

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und Peter Vischers, welche die Gestalt der beiden Fürsten überlebensgroß, in hohem Relief darstellen, von prachtvollem Itenaissanceornamenten umrahmt. Diese beiden Stücke bilden die bedeutendsten Kunstwerke, welche Wittenberg besitzt. In der Südwand bemerkt man noch das lebensgrobe Bild Luthers in Bronze: es ist ein Abgub naeh dem von Johann Friedrich bestellten jetzt zu Jena befindlichen schönen Originale.

Nur kurz nennen wir noch die Stadt- und Pfarrkirche. an der Bugenhagen als Pfarrer wirkte, und deren Kanzel oft Luther bestiegen hat. Die erste deutsche Messe wurde in ihren weiten Räumen abgehalten. Hier prangt das vier- teilige Altarbild von Lucas Cranach d. ÁÀ, eines der be- deutendsten Gemälde des Meisters mit zeitgenössischen Portraits, wie das Melanchthons, Bugenhagens, Luthers, Cranachs u. a. Die Rückseite der Altarwand bemalte Cranach d. J., von dem auch noch andere Bilder in der Kirche herstammen. Hinter dem Altar bettete man Bugen- hagen und setzte ihm einen Stein mit lebensgroßem Relief- bilde. Der schöne Taufstein ist ein Werk von Hermann Vischer aus dem Jahre 1452. Das ungemein stattliche Rathaus wurde unter Benutzung eines älteren Bauwerkes 1573 völlig umgebaut und erneuert und 1868 nochmals er- neuert. Es zeigt einen Renaissancebalkon mit allegorischen Gestalten. In. der ehemaligen Ratskellerstube des Erd- geschosses soll auch Luther verkehrt haben. Der Sitzungs- saal und das Magistrats-Sitzungszimmer enthalten einige gute Bilder, so von Luther, Melanchthon und sächsischen Fürsten. Das Archiv verwahrt ein Bild Luthers, eine kalli- graphische Kunstleistung, zusammengestellt aus dem ge- schriebenen evangelischen Glaubensbekenntnisse.

Meine Arbeiten veranlaßten mich, mehrere Tage im Lutherhause tätig zu sein, wobei ich dessen gesamte wissensehaitliehen und Kunstschätze durchgesehen habe. Da sie bisher erst wenig beachtet wurden, weise ich an dieser Stelle auf sie hin; bemerke dabei aber ausdrücklich, dab es sich um Privatnotizen für meine bestimmten Sonder-

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zwecke handelt, und daß ich bitte, sie als solche hin- nehmen zu wollen. Eine gründliche, allseitige Erforschung lag mir fern und wiirde auch einen weit ausgedehnteren Raum umfassen. Der Hauptwert der Sammlungen besteht erstens in den zahlreichen Reformations- und Reformations- gegenschriften, von denen ich nur die der ersten Jahre gebe, weil die übrigen für mich nicht in Betracht kamen, und zweitens in den zahlreichen großen Mappen mit Abbildungen Luthers und seiner Zeitgenossen (dieses in weitem Sinne). Freilich ist der Wert der meisten Bilder gering oder noch unter-gering, daneben aber finden sich recht gute Stücke. Es handelt sich außerdem um allerlei Darstellungen aus dem Leben der betr. Personen, um wichtigere (Gebäude, zeitgenössische Ereignisse u. dgl., also um ein der Zahl sowohl, wie dem historischen Umfange nach sehr reich- haltiges Material.

Bemerken möchte ich noch, daß sieh die wohl größte Menge alter Reformationsschriften auf der Kgl. Bibliothek in Berlin befindet, eine weniger bedeutende auf der Ham- burger Stadtbibliothek '), eine wohlgeordnete Sammlung von Werken mit Buchrahmen bzw. Buchtiteln in der graphischen Abteilung des Kunstgewerbemuseums zu Berlin, und eine reiche Sammlung von Flugsehriften, Satiren, Kupfern usw. im Herzoglichen Museum in Gotha.

Bevor ich meine Einzelaufzeichnungen mitteile, liegt mir ob, Herrn Lieentiaten Dunkmann. dem Vorstande des Lutherhauses, für sein ‘ungemein liebenswürdiges Entgegen- kommen meinen Dank auszuspreehen, wobei ieh nieht un- erwähnt lassen kann, daß Wittenberg in Herrn Max Senf einen vortreflliehen Geschichts- und Bilderkenner besitzt, der selber eine nicht unbedeutende Sammlung von Kupfer- stichen der lteformationszeit sein eigen nennt, und jedem Forscher mit Rat und Tat selbstlos zur Seite steht.

1) A, v. Dommer, Autotypen der Reformationszeit auf der Hamb. Stadtbibl. 1881.

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Lutherhaus:

Ausstellung.

Der erste Rektor der Universität Wittenberg 1502. Plüddemann, Reichstag in Worms, Oelgemáülde 1864. Lessing, Verbrennung der Bannbulle. Kupferstich. Luther in Worms, Oelgem. von Jakobs in Gotha. Stich. Gey, Bibelübersetzung. Oelgemälde. J. Hübner (1878) Anschlag der Thesen. Oelgemälde. Cranach, Porträt Luthers 1526. Oel. gut. Cranach, Bugenhagen 1537. Oel. gut. Holbein, Erasmus, Oel. Cranaeh, Der Weinberg des Herrn. Oel. Es soll aus d. J. 1523 stammen, ist aber wesentlieh jünger. Ulrich von Hutten. Aus der Sammlung v. Schenck auf Arnstein. Oel. nicht gleichzeitig. Sanduhr Luthers. Teile der Kanzel aus der Stadtkirche, auf der Luther ge- predigt hat. Betpult der Kanzel. Nitschmann, Luther auf der Wartburg die Bibel übersetzend. Zeichnung 1844. Leo IX. mit den beiden Nepoten, Kupferstich nach dem Originale von Raphael. Karl V., Kupferstich. Albrecht von Brandenburg, Kupferstich 1519. Erasmus, Kupferstich nach Dürer 1526. Erasmus, Stich von van Dyk, unfertig. Alter Plan von Wittenberg, „come era al tempo dell assedio“, ohne Kloster, das erst 1502 gebaut wurde. Merian, Plan von Wittenberg 1650. Baum, Plan von Wittenberg 1699. Cranach, Die zehn Gebote, sehr wert- volles Oelgemálde 1516. Die katholische Kirche wird gegenüber der Bibel zu leicht befunden, mit Luther u. a. Oelgemálde, ohne besonderen Wert. König, Die Bibel- übersetzung, gute Kreidezeiehnung. Siegel der Universität. Verlobungs- und Trauring Luthers. Stück eines angeblichen Rosenkranzes von Luther. Luther als Junker Georg, der bekannte Stich mit Vollbart. Oecolampadius 1531. Huldrich von Hutten, Ritter und Poet 1523. Franciscus von Sickingen. Allein Got di er. Nikolaus Amsdorf 1527. Hus 1562, 1587. Kopf des Savonarola aus der Disputa von Raphael. Kupfer. Ablaßbrief. 1517, Original im British

Museum. Broschüre: Bruder Michal von Eßlingen 1522 mit dem Bilde Luthers auf dem Titelblatte. Spiritus

quidem promtus . . . Ein Spriehwort. Buch vom deutschen Adel. ohne Jahreszahl. Ein feste Burg ist unser Gott, mit Noten. Sermones des hochgelehrten, in gnaden er- leuchten Doctoris Johannis Thaulerii ... vom latein in deutsch gewendet. 1508—1450? (sehr alter Druck). Bugenhagens Ordinationsformular. Broschüre: Ulrichi de Hutten ... Ad leetorem res est nova 1518. Sáchsische Kurfürsten, seit Friedrieh dem Weisen, von Lucas Kranaeh d. J.: groDe .

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Gemälde im Kurfürstenornat. Passional Christi et Antichristi 1521 mit 25 Bildern von Cranach d. Ae. Der sogenannte Katheder Luthers; ist später, weil er Barockstil aufweist, darin aber die Medaillons: Kurfürst Friedrich der Weise 1502. Das Universitütssiegel 1503. Die Zeichen der vier Fakul- täten 1502, Ein geystlich edles Buchleyn 1516. Die früheste und allerseltentste Ausgabe von Luthers erster deutscher Schrift. Brief Luthers 1529. Schriftstück Melanchthons 1538. Schriftstück Bugenhagens 1529. Schloßkirche, die alte vor der Renovierung, mit der richtigen Thesentür. Zwingli 1531. Kupfer. Luther, Holzschnitt 1522. Ein sermon gepredigt zu Leipzig, mit dem Bilde Luthers 1520. Das erste Bild Luthers, schon 1519 in der gleichen Ausgabe. |

Münzsammlung. Gedrucktes Verzeichnis von A. v. Sallet. Das Verzeichnis enthält 164 Nummern, welche aber seitdem vermehrt sind. Ein großer Teil besteht nicht aus Originalstücken, sondern aus Abgüssen von verschiedenem Werte. Sie sind eingeteilt: Medaillen und Münzen mit dem Bildnisse Luthers. Medaillen auf Säkularfeiern der Reformation. heformatoren usw. Sächsische Fürsten und andere für die Reformationszeit wichtige Fürsten. Kaiser Maximilian und seine Nachfolger; spanische und niederländische Staatsmänner. Päpste und geistliche Würdenträger in Rom. Französische Medaillen. Deutsche Medaillen. Polnische Medaillen. Von Originalen nennen wir: Nr. 1 Luther 1520. Gute gleich- zeitige Medaille (alter Guß), nach dem Kupferstich von L. Cranach. Nr. 5. Luther. Alter, wohl in die 40er Jahre des 16. Jahrhunderts gehöriger Zeton (Rechenpfennig) mit Luthers Bildnis. Rückseite: der heilige Laurentius. Nr. 6. Luther. Gleichzeitige Medaille auf seinen Tod 1546 (ein- graviert ist 1617). Nr. 7. Luther und Friedrich der Weise. Rückseite: Johann Georg I. von Sachsen 1617. Säkular- feier der Reformation. Noch mehrere Medaillen der Säkular- feier. 63. Melanchthon 1553. Medaille von F. Hagenauer; später aber scharfer und guter Guß. Erasmus 1519, sehr gut. 73. Friedrich der Weise 1486—1525, mit Johann dem Beständigen und Georg. Taler um 1500. 76. Johann der Beständige und Herzog Georg (dieser noch ohne Bart). Taler. 78. Kurfürst Johann Friedrich 1539. 107. Kaiser Maximilian I. Gleichzeitige Medaille auf seinen Tod 1519. 110. Karl V. Medaille. Gutes gleichzeitiges geprägtes Ori- ginal. Rückseite: die Säulen des Herkules. 125. Clemens VII. 1523—34. Gute gleichzeitige geprägte Medaille. Rückseite: Joseph und seine Brüder. 132. Spottmedaillen auf den Papst und die Kardinäle. Meist ein Papstkopf, der umgekehrt ein

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Teufelskopf ist, und ein Kardinalskopf, umgekehrt ein Narren- kopf. (Solche Spottmedaillen wurden seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gemacht. Die Wittenberger sind meist geringere spätere Güsse. 135. Franz I. (1515—47). Rück- seite: der nach altem Aberglauben unverbrennbare Salamander im Feuer. Gute gleichzeitige Gußmedaille. 164. Stanislaus Hosius. Legat in Polen (geb. 1504, 1 1579). Gleichzeitiges Original.

Bibliothek.

Luthersehriften:

1518. Auslegung und Deutung des heyligen vater unsers ete. (kein Bild) A. 4 185e.

Auslegung des 199. Psalmen (das Titelblatt mit hübschem lenaissaneerahmen) !) 185 d.

Auslegung des 199. Psalmen ete. (noeh sehónerer Rahmen) 185 e.

Ein gutte trostliche predig von der wirden. (2 Exem- plare: unten Christus am Kreuz) 185 mn.

Evn deutsch theologia, das ist eyn edles Buchlevn (mit grobem Bilde, Christus in Wolken, unten wird ein Körper ausgegraben) 185 h.

Decem praecepta Wittenburgensi (mit Renaissance- rahmen) 185r. |

Acta Fr. Martini Luther August. apud Legatum aposto- lieum Augustae (unten Kreuzabnahme Christi) 185 s.

[dem (mit trauerndem Christus) 1865 t.

Apellatio Fr. Martini Luther ad Coneilium (unten Ver- kündigung Mariae) 185 a.

Idem (mit Rahmen und Muttergottes samt Christuskind) 185 v. |

Sermo de Penitentia p. Martini Luther (Renaissance- rahmen) 185 x.

Idem (mit Rahmen, wohl einer Darstellung aus dem alten Testament) 185 y.

Sermo de virtute exeommunieationis fratri M. Luther ‘mit Christus am Kreuz) 185 z. l

Idem (mit dem trauernden Christus) 185 d.

Idem (mit Renaissancerahmen) 185 3.

Ad dialogus Silvestri Priertatis Magistri Palatii (Re- naissancerahmen) 185 z.

Eyn deutsch Theologia, das ist. (Dasselbe Bild wie 185h.) '

Vel. auch mein: Kunstgewerbe der Renaissance. I. Band: Rahmen deutscher Buchtitel im 16. Jahrhundert. Stuttgart 1909.

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Resolutionis disputationum de Indulgentiarum (mit Rahmen) 1854.

1519. Resolutiones disputationum Fr. Martini Luther (Kreuzabnahme) 187 d.

Sermo de tripliei iusticia (Rahmen) 187 e.

Die Sieben bußpsalm mit deutscher Auslegung (unten Bild: David singt zur Harfe) 186 a.

Idem (Bild: David betet Gott an) 186 b.

Auslegung deutsch des Vater unser (Maria mit dem Christuskinde) 186 e.

Idem (mit Renaissaneerahmen) 186 d.

Auslegung des 199. Psalmen (Renaissaneerahmen mit Anbetung Gottes dureh David in der Mitte) 186 e

Eyn gutte trostliche predig von der Suse (Re- naiss: \neerahmen mit gekreuzigtem Christus in der Mitte) 156 f.

Idem (Rahmen mit einem andern Bilde in der Mitte) 186.

Idem (mit abermals anderm Bilde ohne Rahmen) 186 h.

Eyn gutte trostliche predig von der wirdig bereytung tzu (Renaissaneerahmen) 180 i.

Ein sermo von dem sacrament der Pub (Rahmen mit Bildern aus dem Volksleben, wie 187 f. g) 186 k.

Evn sermon von dem ehelichen standt (mit Wappen in der Mitte) 1861.

Eynn Sermon von der Bereitung tzum sterben (derselbe Rahmen, wie 186 k) 186q

Idem (mit schönem eines nen) 1806 r.

Doetor Martini Luter Augustiners und erriehtung (schóner Renaissancerahmen) 180 v.

Eyn Sermon von der Betrachtung des heyl. levdens (mit dem trauernden Christus, wie 185 t).

Eyn sermon von dem hoenwirdigen saerament (in der Mitte ein Hostienbehälter) 186 a.

Ein sermon von dem gebeet (schöner ltenaissaneerahmen, tellweis mit Farbe versehmiert) 156 d.

Decem Praecepta Wittenbergensi praedicata (Renaissanee- rahmen, in der Mitte Christus am Kreuz. vgl. 1852) 186 1.

Sermo de Penitentia P. Martini Luther (Renaissance- rahmen) 186 d.

Sermo de Tripliei iusticia R. Patris. (Mit dem Mittel- bilde: Christus von Gott Vater gehalten, ähnlich dem Bilde von A. Dürer) 186 u.

Disputatio domini Johannis Eecii et patris Martini Luther (Renaissaneerahmen. Mittelbild: Johannes der Täufer) 186 v.

De Ratione disputanti praesertin in re Theologica. (Schöner Rahmen mit Engeln in Bäumen 186 o.

-Eyn Sermon. von dem Wucher (ltanaissaneerahmen).

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Contenta hoc Libello (schöner Rahmen mit Kindern, wie 186s) 1871.

Disputatio et exeusatio (schöner Renaissancerahmen) 187 b.

Contra Malignum Johannis Eceii dicium (Rahmen wie 186 k) 187 f.

In epistolam Pauli ad Galatos (derselbe Rahmen) 187 g.

Resolutio Lutheriana super Propositio decima tercia (derselbe Rahmen) 187 h.

Sermo de virtute excommunicationis (mit dem trauernden Christus, wie 185 t) 187i.

Ad Johannem Eccium Martini Lutheri (Renaissance- rahmen) 187 m.

Sermo Martini Lutheri de Praeparatione (schöner Re- naissancerahmen) 187 n.

1520. Die Sieben Bußpsalm mit deutscher Auslegung (Mittelbild, singender David, wie 186a) 188a. .

Grund und Ursach aller Artikel D. Marti Luther (Renaissancerahmen) 190 p.

Auslegung deutsch des Vater unser (Renaissancerahmen) 188 e.

Eyn Sermon von dem Ablas (Wilder Mann mit Wappen) 188 d.

Eyn Sermon von dem sacrament der Puß (derselbe Rahmen, wie 188c) 188 e.

Ein Freihait des Sermons Bestlichen ablas (Rahmen mit Blattwerk und Vögeln) 188g.

Ain gute trostliche predigt (schöner Renaissancerahmen) 188 i.

Eyn Sermon von dem Wucher (mit interessantem Judenbild) 188 m.

Idem (mit weniger gutem Bilde) 188 n.

Eyn sermon von der bereytung zum sterben (Renaissance- rahmen) 188 p.

Idem (mit interessanten Bildern) 188 q.

Idem (mit eigenartigem Renaissancerahmen) 188r.

Ein nützlieh und fast tróstlich predigt oder erriehtung (Bild: Christus heilt Kranken) 188 s.

Ein Sermon prediget zu Leipsigk ufm Schloss (mit Bild und Wappen Luthers) 188 a.

Eyn kurze underwisung, wie man beichten sol (Re- naissancerahmen, Kinderspiele, in der Mitte Beichtende) 188 o.

Idem (mit Bild einer Penenden, ohne Rahmen) 188 w.

Idem 188x.

Ein heylsams Buchlein von Doctor Martinus Luther (schöner Renaissancerahmen) 188 y.

Eyn Sermon von der Betrachtung des heiligen Lev dens (Christus am Kreuz, wie 185 m, n) 188z.

13 149

Eyn Sermon von dem Hochwirdigen Sacrament (Bilder der sieben Sakramente) 1887.

Idem (Bild: Engel halten ein Sacramentshäuschen) 188d.

Idem (Bild: nur das Sacramentshäuschen) 188€ und z.

Idem (kleines Bild) 188 ņ.

Vorklerung Doctoris M. L. etlicher Artikel (Renaissance- rahmen) 188 u.

Idem (anderer Renaissancerahmen) 188 y.

Doetor Martinus Luthers Antwort auf die czedel szo unter (Renaissaneerahmen) 188 o.

Ein Sermon von dem heil. hochw. Saerament (Mittelbild: ein Kind wird aus der Taufe gehoben) 188.

Eyn Sermon von dem gebeet (Mittelbild: Christus am Kreuz) 188 g.

Idem (schöner Renaissancerahmen) 188 a.

Eyn sermon von dem bann D. Martini Lutheri (Re- naissancerahmen) 188 z.

Idem (Rahmen wie 1880).

Idem (Renaissancerahmen) 188 7.

Idem (Renaissaneerahmen wie 188 y) 188 |.

Idem (schöner Renaissaneerahmen) 188 7.

Idem (schöner Renaissancerahmen) 188?.

Idem (schöner Renaissancerahmen) 1881.

Die zehen gebot gotes, mit (Renaissancerahmen) 188 v.

Eyn kurtz form der zehen gepott (Renaissancerahmen wie 188 y) 1882 und 188%.

Idem (Renaissancerahmen) 1882.

Idem (Renaissancerahmen, oben mit einer Eule) 188 d. .

Idem (guter Renaissaneerahmen) 188 y.

Die X gebot (Bild des Sinai) 189 a.

Idem (Renaissancerahmen) 189 b.

An den christlichenn Adel (Renaissancerahmen) 189 e.

Ain schöne Predig vm zwäyerlay gerechtigkeit (Renaissaneerahmen) 189 i. |

Eyn sehr gute Predig D. Martini Lutheri (Bild: Christus vor Pilatus) 1891.

Von den guten Wercken D. M. L. (schöner Renaissance- rahmen) 190 a.

Idem (Bendjssuneershtienm 190 b.

Idem (anderer Renaissancerahmen) 190 c.

Idem (schóner Renaissancerahmen) 190 d.

Ein fruchtbare underriehtung (Renaissancerahmen) 190 e.

Ain trostliches Büchlein D. M. L. (Renaissancerahmen) 190f.

Idem (Renaissancerahmen) 190 g.

Idem (Renaissaneerahmen) 190 h.

Grund und Ursach aller Artickel (mit großem Bilde Luthers nach links gewandt) 190 q.

150 14

Von dem Bapstum zu Rom (roher Renaissancerahmen) 190 v.

On Aplas von Rom (Bild: Ablaßverkauf) 191 a.

Idem (mit Bild Luthers rechts gewandt) 191 b.

Von der Babylon. Gefengknuss (mit Bild Luthers rechts gewandt, anders, wie das vorige) 191 d.

Idem «ühnliehes Bild, aber weniger gut) 191 e.

Idem (ühnliehes Bild, aber weniger gut) 191 b.

Von der freyheyt eynes Christenmenschen (Rahmen, mit Kindern in den Bäumen, wie 1860) 1911.

Idem (Renaissancerahmen) 191m.

Idem (Renaissancerahmen) 191 n.

Idem (Renaissancerahmen) 191 o.

Idem (Renaissancerahmen; auf der letzten Seite der trauernde Christus, etwas anders wie sonst) 191 p.

Ein trostlich predig von der gnaden (Mittelbild zwei Apostel) 191 q.

Eyn Sermon von dem neven Testament (Renaissanee- rahmen) 191r.

Idem (Renaissancerahmen) 191 s.

Idem (anderer Renaissancerahmen) 191 t.

Idem (abermals anderer Rahmen) 191 u.

Idem (Renaissancerahmen, unten Karl V, wie 193u) 191 v.

Idem (Renaissancerahmen) 191 w.

Idem (Renaissancerahmen) 191 x.

Martini Luthers der waren geistlichen (Renaissance- rahmen) 192a.

Drey Biechlein zuletzt (Renaissaneerahmen) 192 h.

Tessara decas eonsolatoria pro (Renaissancerahmen) 192 d.

Explanatio dominieae (Renaissancerahmen) 192 h.

Apellatio Martini Lutheri ad concilium (Renaissance- rahmen) 192 e.

Assertio omnium articulorum (Rahmen, wie 192c) 192k.

Resolutio Lutherianasuper propositione super (Renaissance- rahmen) 1921. |

Resolutiones Lutherianae super propositio (Renaissance- rahmen) 192 m.

Confitendi Ratio D. M. L. (Renaissancerahmen) 192 o.

Traetatulus Dr. Martini Lutheri ordin. Univ. (1519, schriftlich: 1520; Renaissaneerahmen) 192 r.

1521. Eine Predigt D. M. L. das man Kinder (Renaissance- rahmen, mit Bildern aus dem bürgerlichen Leben. Ist vor den Kästen ausgsstellt) A. 225 b.

An den christlichen Adel (Renaissaneerahmen und St.

Georg als Mittelbild) 193 f.

15 151

Der sechs und dreissigst Psalm David (Renaissance- rahmen) 193 a.

Idem (Renaissancerahmen, unter dem Titel David an- betend als Mittelbild) 193 b.

Deutseh Ausslegung 67 Psalmen (Mittelbild: David kniet vor Gott) 193 d. |

Idem (Renaissancerahmen; unter dem Titel ein singender David in der Mitte) 193 e.

Eynn untherricht fur die beycht (ein Beichtender in der Mitte) 193i.

Ein underricht der beychtkünder (Renaissancerahmen) 193 k.

Ain Sermon. Kurtzlich gepredigt (schöner Renaissance- rahmen) 193 m.

Von der freyhait ains Christenmenschen (Renaissanec- rahmen, Kinder mit Thieren) 193 p.

Idem (Renaissaneerahmen) 193r.

Idem (Renaissaneerahmen, wie 193 a) 193 s.

Ain sermon von dreyerlay gutten (Renaissancerahmen. wie 191v) 193 a.

Ein gute nützliche Sermon D. M. L. (Renaissance- rahmen) 193 v.

Ain nutzliehe Sermon, gepredigt an der hail. drei Künig tag (Renaissancerahmen, nachträglich angetuscht) 193 w.

Eyn Sermon von der wirdigen empfahung (Renaissance- rahmen) 193 x.

Idem (Renaissancerahmen, steife Zeichnung) 193 y.

Idem (Renaissaneerahmen) 193z.

Idem (schöner Renaissancerahmen) 193 «.

Ain sermon Dr. M. L. so er auf (Rahmen, wie 193p) 193 2.

Idem (Renaissancerahmen) 193 y.

Idem (Henaissancerahmen, ganz roh) 193e.

Idem (schöner Renaissancerahmen) 193%.

Das Magnificat vorteutschet (Renaissancerahmen) 193 2, 1934, 193»., 193 u.

Von der Beichte ob die der Bapst (roher Renaissance- rahmen) 1935.

Eyn sermon, wie der grobe mensch (Mittelbild: Christus Einzug in Jerusalem; roh) 194a.

Ain Urtail der Theologen (Renaissancerahmen) 194c.

Aeterna ipsa sua (Vollbild Luthers. rechts gewandt, weniger gut) 194d, 194h.

Antwort Doctoris M. L. vor Kayserliehe Mayestet und Fursten (Renaissancerahmen, mit der Zahl 1520) 194f.

Die gantz handlung, so mit dem (Renaissancerahmen) 194 i.

Copia einer missive, so Doctor (Renaissaneerahmen) 1941.

152 16

An den christlichen Adel (Rahmen, mit St. Michael in der Mitte) 194m.

Auff des bocks zu Leypzick (Renaissancerahmen) 194h.

Idem (Renaissancerahmen) 194g.

Auff dz überehristlich, übergeystlich (Renaissance- rahmen) 194s.

Ein bericht wie D. M. L. von ersten hinder (minder- wertiger Renaissancerahmen) 194v.

Errationes epistolarum et evangeliorum (Renaissance- rahmen) 194w.

De votis monastieis (Renaissancerahmen) 194 x.

Judicium Martini L. de Votis (derselbe Rahmen wie 194x) 194 y.

Rationis Latomianae pro Incendiariis (phantasievoller Renaissancerahmen) 194z.

De terminatione theologice facultatis (Mittelbild: Maria mit dem Christusknaben) 1947.

De libertate christiana dissertatio (Renaissanéerahmen) 194 e.

De bonis operibus D. M. L. (Renaissancerahmen) 194r.

1522. Von beyder gestalt des Sacraments (Renaissance- rahmen) 1957.

Idem (anderer Renaissancerahmen) 1959.

Auszlegung der Epistell und Evangelii (Renaissance- rahmen) 19520.

Ein sermon von der bereytung (Renaissancerahmen) 195 d.

Eynn trostlichs Buchleyn (Renaissancerahmen) 195e.

Von der Beycht ob die der Babst (ziemlich roher Renaissancerahmen) 195g.

Von denn geystlichen und Kloster (Renaissancerahmen) 195 h.

Doctoris M. L. kurtz schluss (schöner Renaissancerahmen mit der Zahl 1521) 195i.

Idem (unfeiner Renaissancerahmen) 195 k.

Vom misbrauch der Messen (schöner Renaissancerahmen) 1951.

Idem (Renaissancerahmen) 195 m.

Ein christlich und vast wol gegründet (Mittelbild: die Anbetung Christi) 195 o.

Ain Christliche und vast Wohlgegrünte (Renaissance- rahmen) 195 p.

Idem (sehr schöner Renaissancerahmen) 195 q.

Eyn missive allen (Renaissancerahmen) 195 s.

Idem (schöner doch etwas roher Renaissancerahmen) 195 u.

Eyn trew vormanung (phantastiseher Renaissance- rahmen) 195 v.

Idem (Rahmen anders wie der vorige) 195 x.

17 153

Ain schöne Frag und Antwurt (Renaissancerahmen) 195a. Idem (Rahmen anders wie der vorige) 195 b.

Von beyder gestallt des Sacraments (Renaissance- rahmen) 195 «.

Idem (Renaissancerahmen) 195 z.

Von menschen leeren (Renaissancerahmen) 196 a, 196 b, 196e, 196 d, 196 e, 196 f.

Vonn den heiligen Epistel (links und rechts etwas rohe Renaissancerandleiste) 196 g.

Epistel oder unterricht (Renaissancerahmen) 196i und 196 k.

Idem (Renaissancerahmen mit der Zahl 1521) 196.

Wider den falsch genannten (Renaissancerahmen) 196 m, 196 t.

Idem (anderer Renaissanceerahmen) 196 n, 196 o, 196 p.

Idem (anderer Renaissancerahmen) 196 q, 196r, 196 s.

Vom eeliehen Leben (Renaissancerahmen) 196 u. Idem (anderer Renaissaneerahmen) 196 v, 196 w, 196 x. Idem (anderer Renaissancerahmen) 196 y, 196 z.

Ain sermon durch M. L. ecelesia (schwerer Renaissance- rahmen) 196 ô. Idem (anderer Renaissancerahmen) 196 e. Das Hauptstuck des ewigen (Mittelbild: ein Mönch, wohl Luther) 196 LZ. Idem (Mittelbild: das Abendmahl) 196 n. Ain Sermon Marei ultimo (Renaissancerahmen, mit Christus als Mittelbild) 196 2. Ain Sermon am Auffahrtstage (Renaissancerahmen) 196 4. Eyn Sermon auf den Pfingstag (Renaissancerahmen) 196 5. Ein Sermon am Pfingstag (ziemlich unkünstlerischer Renaissancerahmen) 196 zz. Idem (Rahmen wie 196 9) 196 o. Ein sermon zu Wittemberg gepredigt (Renaissance- rahmen) 196 r. | Eyn Sermon Doctoris M. L. gepredigt am tag der hey- ligenn (Renaissancerahmen, unten abgeschnitten) 196 g. Ain Sermon seeundum Lucam am 16. (Renaissance- rahmen; in der Mitte Jonas im Walfisch) 196 Z. " Ain sermon:an dem tag des hayl. St. Johannes (Re- naissancerahmen) 196 x. Idem (anderer Renaissancerahmen) 196 y w. Eyn sermon D. Martini Luthers (Renaissancerahmen) 196 2. Ain Sermon secundum Mattheum (Renaissancerahmen mit dem sächsischen Wappen in der Mitte) 196 *, 196.7. Ain Sermon von sant Jacob (Renaissancerahmen) 1963. Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 2. 11

154

18

Ain Sermon D. M. L. in welchem (Renaissancerahmen)

1961.

Ain Sermon kürtzlich gepredigt (Renaissancerahmen mit Petrus als Mittelbild) 1961. Idem (Rahmen mit 1521) 1968.

Knaksche Sammlung. Reformationsschriften Nr. 1.

1517 (?). De artibus liberalibus oratio (sehr gut gesehnittener

1518.

1520.

Renaissancerahmen).

De inelito atque apud Germanos rarissimo (darunter Vollbild: Engel mit Schwert und Hut).

Defensio Joan Eckii contra (Renaissancerand). Richardi Bartolini Perusini oratio (schöner Renaissance- rahmen). |

Opuseula Hieronimi Empser duealis (Renaissancerand). Apologia Erasmi Roterodami ad eximium virum Ja- eobum Fabrum Stapulensem (Renaissancerahmen). Was man in Luthers Sachen handeln (Renaissance- rahmen).

Desiderii Erasmi ad Reverendissimum (Renaissance- rand mit aufgehüngter Schlange).

Vorn: Verba dei; innen: Confutatio Andreae Carol- stadii edita (Renaissancerand, schönes kurfürstlich sächsisches Wappen).

Plutarchi Chaeronei (hübsches Buchdruckzeichen, am Schluß: Basileae apud Jo. Frobenium).

Reformationsschriften Nr. 9.

Von der liebe gottes ein Wunder (unbedeutender Renaissancerahmen, Mittelbild: Christus am Kreuz von Gott gehalten).

Das teutsch Requiem über die (unbedeutender Re- naissaneerahmen).

Zeno (von J. Reuchlin; Renaissancerahmen). Dialogus ader ein gespreche wieder Doctor Ecken Buehlein (guter Renaissancerahmen mit zeitgenös- sischen Figuren).

Ain schoner Dialogus oder gesprech (Renaissance- rahmen).

Von Clarhayt und gewüsse oder (Mittelbild: Moses mit den Gesetzestafeln).

Apologetieus Archeteles (unbedeutender Renaissance- rahmen).

Die haubtart#kel dureh welche (unbedeutender Re- naissancerahmen).

19 | 155

1522. Eyn verstendig trostlich leer (unbedeutender Re- naissancerahmen).

Richardi Sprulii Foroiuliano Poete (ohne Jahr; Mittel- bild: Könige und Königinnen sitzen um ein Bett mit Krone und Schwert, oben der Reichsadler).

Reformationsschriften Nr. 11.

1522. Francisci Chaeregari electi episcopi (Renaissance-

rahmen).

Von abtuchung der Bylder von Carolstatt (großer

Renaissaneerahmen).

1523. Handlung des Bischoffs von Mersburg (mittelmäßiger

Renaissancerahmen).

Was auff dem Reichstag zu Nüremberg (reicher

Renaissancerahmen).

Von dem weit erschollen Namen (breiter Renaissance-

rahmen: Adam und Eva).

Der Actus und hendlung (guter Henaissaneerahmen).

1524. Von der rechten Erhebung Bennonis (fott gezeichneter Renaissancerahmen).

Mappen mit Bildern.

I. (Vorläufer der Reformation.)

Geiler von Kaisersberg Nr. 45. Wessel 43. Savonarola 39, 41. Prokop 36. Ziska 34, Hiero- nymus von Prag 27, 29». Hus auf dem Scheiterhaufen

23. Husmedaillen 21. Hus 13—19. Jean Gerson 9. Wiclef 4. Luther I.

Luther links bliekend, gut 5. Luther rechts blickend ohne Taube 1520 7. Luther rechts blickend mit Taube 13. Luther als Junker Georg 1522, aber viel später. Luther, schöner Stich von Cranach mit Mütze 1523 9 und 23. Luther mit Mütze, Stich nach der Münze von 1521 29 und 30. ' III.

Luther in seinem Zimmer. Der Stich von A. Dürer, den heiligen Hieronymus in seiner Zelle darstellend, von 1514, nur der Kopf ist geändert. -

y.

. Die Figur Luthers aus Lessings Verbrennung der päpst- lichen Bulle 1. Eisleben 1800 60. Luther, gut 45. . 11.*

156 20

VIII.

Spottbild auf die Reformation, 1545, gut 2. Spott- bild: Leo X. und Luther, gut, aber etwa 1600, für Luther 17. Ein Drache springt gegen Luther 22. Karrikatur, 1842 zu Berlin herausgekommen, gut 34. Luther mit sieben Köpfen 38.

XIII.

Luthers Freund vom Blitz erschlagen 16. pates und Staupitz im Klostergarten zu Erfurt 24. Luther im Kloster zu Erfurt 28. Luther empfängt die Priesterweihe 30. Luther legt den Doktoreid ab 32, Luther predigt auf der Kanzel 33. Luther schlägt die Thesen an, von Rethel 46. Luther verläßt Augsburg nach der Zusammen- kunft mit Cajetan 53. Miltitz mahnt 1519 Luther in Altenburg zur Milde 54. Luther disputiert in Leipzig 55. Luther verbrennt die Bannbulle, Bild von Lessing 60. Dasselbe, großes Bild, ziemlich wertlos 63. Bis 73 der- selbe Gegenstand in einer Reihe von Darstellungen. Denkmal vor dem Elstertor, wo Luther die Bannbulle ver- brannte 77.

XIV.

Luthers Einzug in Worms 11. Von 15—35 Luther auf dem Reichstage in Worms, eine Reihe von Darstellungen, von Geifler, von Jakobs in Gotha usw.

XVI.

Bilder aus Sulzer, Leben Luthers, 1846, ohne ne des Künstlers.

XVIII.

Eisleben, Gesamtansicht, etwa 1840, Nr. 1. Eisleben, Marktplatz 2. Eisleben: Martinskirehe und Gymnasium 3. Schloß Mansfeld und Seeburg 4. Eisleben 5. Luthers Geburtshaus 7—9. Eisleben: die Kirche Peter und Paul, Luthersehule und Lutherhaus 1840 11. Eisleben: Luthers Geburts- und Sterbehaus, lllustrierte Zeitung 1846 19. Luthers letzter Gang zur Andreaskirche in Eisleben 13, 14. Die Lutherkanzel in der Andreaskirche zu Eisleben 15, 16. Klosterzelle zu Erfurt 19. Wallfahrt nach der Lutherzelle im Augustinerkloster zu Erfurt 1817 20. Wartburg 23—30. Wartburgkapelle und Wartburgzimmer 33, 34. Wittenberg: Marktplatz 1820 41. Wittenberg: Schloßkirche 1813 usw. 42, 43. Lutherhaus 45. Luthers Wohnstube usw. 52. Lutherkanzel 53.

XX. Abbildung der Kurrentbüchse, die Luther in Eisenach getragen haben soll 3. Luthers Ringe 4. Luthers

®

21 151

Reiselöffel 6. Luthers Trinkkrug 7. Philologie und Philosophie, Freskogemälde der Aula in Bonn 28. Die Theologie, ebendort 29.

Melanchthonmappe. Eine Menge Melanchthonköpfe und sonstige Abbildungen. Melanchthons Wappen 66.

Zeitgenossen Í.

Carlstadt 28. Bugenhagen 48—52. Stich nach dem Altarbilde Cranachs, im Beichtstuhl 56. Lucas Cra- nach mit dunklem Bart, 1761 80. Lucas Cranach ganz, von ihm selber, in älteren Jahren 81. -- Grabmal Cranachs 82. Das Altarbild Lucas Cranachs in der Schloßkirche, die Apostel sollen damalige Ratsherren sein, er selbst zur Rechten mit dem Becher 83. Albrecht Dürer als Jüngling 1484, von ihm selber 85—86. Albrecht Dürer 1498, 1503 86. Dürer 87. Maximilian I. in Dürers Werk- statt, aus Ed. Duller, Geschichte des deutschen Volks 1841 90. Dürer, Statue von Rauch 95. Dürers Selbstbildnis, aus der Anbetung der hl. Dreifaltigkeit 1501, Tafel von Mathaeus Landauer bestellt 1501 98. Dürers Haus und Dürers Grab 1835 103.

Zeitgenossen Il.

Bilder aus dem Leben Ulriehs von Hutten, saena von E. Brunow, Ulrich von H., Leipzig 1842. Ebernburg 1521. Huttens Dichterkrönung "aus Ed. Duller, Geschichte des deutschen Volks, Leipzig 1841 23, 24. Frundsberg 36. Erasmusbilder, ältere Kupfer 71—75. Statue des Erasmus von Rotterdam, dahinter schönes Stadtbild 80.

Zeitgenossen III. Konrad V Peutinger 24. Pirkheimer von A. Dürer 1524 30. Martin Behaim 31.

Zeitgenossen V.

Zwingli, Stich 1531, und viele, meist wertlose Portrüts 1—12. Zwinglis Geburtshaus am Vorgebirge des Sentis. Zwinglis Predigt in Bern 1528. Das Münster in Zürich; älterer guter Stich. Zwinglis Waffen. Zwingli nimmt Ab- schied, als er zum Kampfe auszieht. Proben seiner Hand- schrift 13. Calvin, viele Abbildungen 17—25.

Zeitgenossen VI. Thomas Münzer, mit Kampf im Hintergrunde, wohl Stich von ca. 1650 26. Th. Münzer 27. Johann von Leyden (ähnlich wie 26) 29. Joh. v. Leyden 30. Die

158 22

Wiedertäufer in Münster, Bild von J. C. Baehr 1840 32. Die gefangenen Wiedertäufer vor dem Bischof von Münster 1535, gemalt von Schorn. Nur in den Umrissen gegeben 33. Joh. v. Leyden, Kopie des Originals von Aldegrever 35. Knipperdolling 36.

Zeitgenossen VII.

Friedrich der Weise von Cranaeh 1520. späterer, aber nicht schlechter Stich 1. Friedrich der Weise 2—5. Kurfürstlich sächsische Wappen 7. Abbildung der Statue Friedrichs des Weisen vor dem Altare der Schloßkirche 17.

e Zeitgenossen X. Tetzel 7, 8. Ablaßhandel Tetzels 9. Altes Flug- blatt, mit Tetzel auf dem Esel 10. Dr. Eck 39.

Markgraf Albrecht von Brandenburg, guter Stich 63. Leo X., viele Bilder, aber kein gutes, 66f. Hadrian VI. der gute, charakteristische Stich 70.

Zeitgenossen XI.

Maximilian, das bekannte Bild, nach dem Holzschnitte A. Dürers 2. Miximilian von Walch, schönes und großes Bild 11. Maximilian im Tode, älterer Stich 12. Maria von Burgund 14. Maria und Blanca, die beiden Gemah- linnen Maximilians 15. Karl V. von Tizian, in mittleren Jahren, guter Stich 17. Brustbild von Karl V. mit Helm und Rüstung 22. Karl V., noch andere Bilder bis 42 (?). Isabella, Gemahlin Karls V. 43.

Zeitgenossen XII.

Ludwig Il. von Ungarn, Stich von 1646 17. Maria von Ungarn 18. Sigismund von Polen 19. Franz I. von Frankreich, größere Anzahl Bilder 21—25. Franz I. und Margarete von Navarra, Stich nach dem Gemälde von Richart 27. Heinrich VIII. von England 32. Kurfürst Joachim von Brandenburg 33. Herzog Georg der Bärtige von Sachsen 36.

Im höchsten Fache: Varia, oberste Mappe.

Katholische Zeitgenossen. Melanchthon, Stich nach dem Original von L. Cranach. Zwinglis Abschied von seiner Frau. Schloß und Universitätskirche zu Wittenberg, gez. und lith. von Ed. Spranger. Luthers Stammhaus zu Möhra, gezeichnet von Rottmann.

Varia, zweite Mappe. Antitheses, 36 alte Holzsehnitte.

23 159

Zwei Mappen mit Handschriften

von Förderern und Gegnern der Reformation, meistens nur Faksimile. Abbildung des Greifswalder Crov-Teppichs. Satirisches Bild: „Die geistliche Kernmühle“. Die Er- zählung Jesu vom guten und schlechten Hirten. Satirisches Bild: Dr. Rudolf Walters Abbildung des römischen Papstes 1546. Eine Menge Porträts, Holzschnitte usw. von Fürsten, Reformatoren und Gegnern.

Die Bibliothek enthält auch eine größere Anzahl alter gedruckter Werke, die teilweise noch Luther oder Melanch- thon benutzt haben sollen.

Rörers Handschriftenbände und Luthers Tischreden.

Von Ernst Kroker.

III. Rörer und Dietrich.

Veit Dietriehs Nachschriften von Luthers Tischreden sind noch nicht veröffentlicht. Sie stehen in einer Hand- schrift der Nürnberger Stadtbibliothek +) (Mss. Cent. V. append. Nr. 78, 8?, Papier) Leider ist der Zustand der Handsehrift derartig, daß sie der größten Schonung bedarf. Durch die gütige Vermittelung des Herrn Propst D. Gustav Kawerau habe ich die sehr sorgfältige und zuverlässige Abschrift J. K. Seidemanns benützen können.

Wie schon Wilhelm Preger?) nachgewiesen hat, sind die einzelnen Lagen?) der Nürnberger Handschrift bei der Vereinigung zu einem Bande nicht ganz in der riehtigen Reihenfolge aneinandergeheftet worden; die älteren Signa- turen sind ebenfalls falsch. Aber die zahlreiehen festen Daten, die in den Tischreden selbst enthalten sind, geben uns die Möglichkeit, die Lagen richtiger zu ordnen. Nach Preger ist die früheste Lage E Collo (d. h. Colloquia); sie hat Blatt 33 die Überschrift 44.*) &$uumudrıe, enthält nur neun Reden und bricht am Schlusse von Blatt 34b mitten in einer Rede ab, ohne in einer andern Lage eine Fort- |

1) Im folgenden mit VD. zitiert.

?) Tischreden Luthers aus den Jahren 1531 und 1532 nach den Aufzeichnungen von Johann Schlaginhaufen (Leipzig, 1888). Ein- leitung XVIII sqq.

3) Jede Lage hat in dem Abschnitt der Tischreden regelmäßig acht Blatt, vgl. VD. 144: usque ad finem quaternionis.

t) D. h. .for2 por.

25 161

setzung zu finden). Preger datiert diesen kleinen Abschnitt ins Jahr 1529, aber mit einem Fragezeichen, und das mit Recht, denn diese Reden bieten gar keine Handhabe, sie zu. datieren. Erst mit der Lage K Collo beginnt auf Blatt 67 unter der neuen Überschrift èx dıaAoyıwucv die Reihe der sicher datierbaren Nachschriften Dietrichs. |

Preger gibt den einzelnen Lagen folgende Anordnung: E K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, V, X, Y, Z, AA, BB, CC, DD, F, G, H, I. Aber diese Reihenfolge ist wohl noch nicht ganz richtig. Nach meiner Überzeugung müssen die Lagen in etwas anderer Reihenfolge geordnet werden. Da Preger die einzelnen festen Daten, die hierfür maßgebend sind, nicht vollständig verzeichnet hat, füge ich sie der folgenden Über- sicht in Klammern bei; außerdem registriere ich gleich hier die entsprechenden Abschnitte in den vier Handschriften, die von Dietrich abhängig sind, Obenander (Oben.) Bavarus (Bav.), Rörer (R.) und Math. L.?)

K Collo, Blatt 67 bis 74b (Blatt 69: Anno 31, korrigiert aus Anno 32) Oben. 274b bis 278b + 220 bis 222; Bav. 368 bis 377 + 227 bis 234; R. 237 bis 239 + 271 bis 272 b; Math. L. 428 bis 431.

L Collo, Blatt 75 bis 82b, greift im Text auf Blatt 83 über (Blatt 75: 1531 Mense Novembri; Blatt 76b: 9. No- vember; Blatt 79: Zwingli ist tot, aber Ökolampad lebt noch; Blatt 82b: pridie Cal. Dec. anno 31) Oben. 278b bis 282 + 222 bis 293b; Bav. 378 bis 385 + 234 bis 238; R. 939b bis 241-- 972b bis 273b; Math. L. 431 bis 436.

M Collo, Blatt 83 bis 90 b Oben. 283 bis 286 + 224 b bis 227; Bav. 387 bis 394 + 240 bis 247; R. 242 bis 244 + 974 bis 276b; Math. L. 436 und 376 bis 379.

N Collo, Blatt 91 bis 98 b (Blatt 91: 14. Dezember 1531; Blatt 97b: anno 31. ohne nähere Angabe) Oben. 286 b bis 291 b + 227 b; Bav. 395 bis 407 + 248 bis 249; R. 244 bis 248 + 2976 b; Math. L. 380.

1) Es ist hier offenbar eine ganze Lage aus Dietrichs Heft ver- loren gegangen; die fehlenden Stücke sind glücklicherweise in einer Abschrift Rórers erhalten und fallen ins Jahr 1538.

2 E. Kroker, Luthers Tischreden in der Mathesischen Samm- . lung S. 46 ff. |

162 ! |^. 96

O Collo, Blatt 99 bis 106b (Blatt 99b: In Januario anni 32.; Blatt 106: 1532 ohne nähere Angabe, aber es ist .das kleine Stück aus einem Briefe des Kurfürsten Hans an Luther, Ende des Monats März, vgl. E. L. Enders, Luthers Briefwechsel 9, 161) Oben. 292b bis 297 + 227 b bis 231; Bav. 410 bis 423 + 249 bis 260; R. 248b bis 252b + 276b bis 279; Math. L. 381 bis 380.

P Collo, Blatt 107 bis 114b, greift im Text auf Blatt 115 über (Blatt 107 b: Anno 32, wieder gestrichen; Blatt 112: anno 1532; Blatt 113: 15. April 1532; Blatt 114 f.: 20. April 1532) Oben. 297 bis 299 b + 231 bis 234; Bav. 424 bis 498 + 260 bis 268; R. 252 b bis 253 b + 279 bis 281; Math. L. 386 bis 390.

Q Collo, Blatt 115 bis 1922 b (Blatt 120b: 16. Mai und 18. Mai 1532; Blatt 121b: 8. Juni 1532) = Oben. 300 bis 302 b + 234 bis 237 b; Bav. 429 bis 431 + 269 bis 278; R. 254 bis 255 b -- 281 bis 283; Math. L. 391 bis 396.

R Collo, Blatt 123 bis 130 b (Blatt 124 b: 28. Juni 1532; Blatt 130: Melanchthons Kommentar zum Rómerbrief, Sep- tember 1532) Oben. 302 b bis 306 b + 237 b bis 239; Bav. 431 bis 432 + 278 bis 283; R. 283 b bis 284 + 255 b bis 257 b; Math. L. 396 bis 398. |

S Collo, Blatt 131 bis 138 b, greift im Text auf Blatt 139 über (Blatt 134b: 12. Juli 1532) Oben. 306b bis 308 b + 239 bis 241b; Bav. 433 + 283 bis 291; R. 284 bis 286 + 258; Math. L. 398 bis 402.

T Collo, Blatt 139 bis 146 b, greift im Text auf Blatt 147 über Oben. 309 bis 312 b+ 249 bis 246; Bav. 293 bis 302; R. 286b bis 288b-1- 259 bis 261; Math. L. 403 bis 408.

V Collo, Blatt 147 bis 154b (Blatt 153: pridie Cal. Dec. 1532) Oben. 312b bis 319 + 246 bis 246 b; Bav. 434 bis 438 + 302 bis 303; R. 288b + 261 bis 265; Math. L. 408 bis 409.

X Collo, Blatt 155 bis 162b (Blatt 157: Andreae die, 30. November 1532; Blatt 162b am Ende: Finis anni 1532) Oben. 319 bis 321 + 246b bis 250; Bav. 438 bis 439 + 303 bis 313; R. 289 bis 290 b + 265 bis 266; Math. L. 409 bis 414.

27 163

Y Collo, Blatt 163 bis 170b (Blatt 165b: Sequuntur anno 1533 excepta inter colloquendum) Oben. 321 bis . 324b + 249 b bis 252b; Bav. 311 bis 319; R. 290b bis 292b-+266 bis 268; Math. L. 414 bis 418. |

CC Collo, Blatt 191 bis 198b (Blatt 191 oben: Anno XXXIII. Februa:; Blatt 191 b: 19. Februar 1533; Blatt 194 b: 2. März 1533) Oben. 324b bis 328 + 253 bis 255; Bav. 439 + 320 bis 326; R. 292 b bis 294 + 268 bis 270b; Math. L. 418 bis 422.

Z Collo, Blatt 171 bis 178b, greift im Text auf Blatt 179 über (Blatt 172b: unbestimmte Zeit nach dem 18. Fe- bruar 1533 ; Blatt 173 b: 6. April 1533; Blatt 174b: 25. März 1533) Oben. 262 bis 267; Bav. 336 bis 351; R. 227 bis 232.

AA Collo, Blatt 179 bis 186b greift im Text auf Blatt 187 über Oben. 268 bis 273; Bav. 352 bis 364; R. 232 bis 236.

BB Collo, Blatt 187 bis 189 (Blatt 189 b, 190 und 190 b sind unbeschrieben) Oben. 273b bis 274b; Bav. 365 bis 368; R. 236 bis 237.

Die Lage DD Collo, Blatt 199 und 200 enthält keine eigentlichen Tischreden mehr. Dann aber beginnt mit der Lage F Collo ein neuer kleinerer Abschnitt:

F Collo, Blatt 35 bis 42 b, greift im Text auf Blatt 43 über Oben. 198b bis 202b; Bav. 171 bis 177; Math. L. 370 bis 375.

G Collo, Blatt 43 bis 50 b, greift im Text auf Blatt 51 über Oben. 202b bis 205b; Bav. 177 bis 186; Math. L. 375 bis 376 und 436 bis 440.

H Collo, Blatt 51 bis 58b (Blatt 51: nach dem 18. Ok- tober 1533; ebenda: 24. Oktober 1533) Oben. 206 bis 211; Bav. 187 bis 202; Math. L. 440 bis 448.

Von Pregers Anordnung weicht die meinige in den Lagen CC Collo und I Collo ab. Die Lage CC Collo mit der Überschrift Anno XXXIII. Februa: und den beiden festen Daten 19. Februar 1533 und 2. März 1533 muß zwischen die Lagen Y Collo und Z Collo eingeschoben werden. Aller- dings steht die Überschrift des ersten Stücks der Lage Z Collo (De vocatione, utrum vocatus sit, qui ambit praedieaturam ete.)

164 | 28

unten auf dem letzten Blatt der Lage Y Collo, aber diese Worte sind wohl erst nachträglich unten auf den leeren Platz des letzten Blattes von Y Collo eingeschoben!). Der Zeit nach folgt auf die Lage Y Collo zunächst die Lage CC Collo, und dann erst kommen die Lagen Z und AA und BB Collo, deren letzte Seiten unbeschrieben sind; auch die von Dietrich abhängigen Handschriften Oben., Bav., R. und Math. L., deren gemeinsame Vorlage Dietrichs Aufzeichnungen offenbar nicht in Bandform, sondern noch in losen Lagen vor sich gehabt hat, fügen die Lage CC Collo an die Lage Y Collo an. Dieser lange Abschnitt von K Collo bis BB Collo gibt uns also eine chronologisch zusammenhängende Reihe von Tischreden vom Herbst 1531 durch das ganze Jahr 1532 hindurch bis ins Frühjahr 1533. Eine Vergleichung der entsprechenden Stücke bei Schlaginhaufen, dessen Nach- schriften vom November 1531 bis in den September 1532 reichen, zeigt dieselbe chronologische Folge der Parallelen. Nur in den Lagen R, S und T Collo herrscht bei Dietrich insofern etwas Unordnung, als Nachschriften aus dem Herbst 1532 zwischen solehe aus dem Sommer desselben Jahres eingeschoben sind.

Ob der zweite, kleinere Abschnitt, der die Lagen F, G und H Collo umfaßt, an diesen langen ersten Abschnitt un- mittelbar anzuschließen sei, erscheint mir zweifelhaft. Die leeren Seiten am Schluß der Lage BB Collo deuten auf eine längere Unterbrechung in Dietrichs Nachschriften hin. Doch gehört dieser kleine Abschnitt wahrscheinlich in den Sommer und Herbst des Jahres 1533.

Nicht sicher datierbar sind die Lagen E Collo (Blatt 33 bis 34 b, vgl. oben), die in keiner der von Dietrich abhängigen Handschriften ausgeschrieben ist?), und I Collo (Blatt 59 bis 64b; Blatt 65 und 66 sind unbeschrieben) Oben. 211 bis 213b; Bav. 203 bis 209; Math. L. 448 bis 451. Preger fügt zwar die Lage ICollo an die Lage H Collo an, und dasselbe haben auch schon die drei Handschriften Oben.,

' Die Veranlassung dazu lag wohl in dem Inhalte des letzten Stücks der Lage Y Collo, das ebenfalls von der vocatio handelt.

?) Bei Rórer steht sie nicht in dem Bande, der die Abschriften aus Dietrich enthält, sondern vereinzelt in einem andern Bande.

29 165

Bav. und Math. L. getan, aber es ist entschieden unrichtig. denn gleich auf dem ersten Blatt der Lage I Collo werden Zwingli und Ökolampad als noch lebend erwähnt, und Zwingli starb am 11. Oktober 1531, Ökolampad am 24. No- vember 1531. Die Reden der Lage I Collo fallen also nicht ins Jahr 1533, sondern noch vor den Ausgang des Jahres 1531; wir haben in ihnen wahrscheinlich die frühesten uns erhaltenen Aufzeichnungen Dietriehs von Tischreden Luthers vor uns. |

Bei der Veröffentlichung von Dietriehs Heft wird man mit der Lage 1 Collo beginnen, dann die 17 Lagen von K bis BB Collo folgen lassen und mit den vier Lagen E, F. G und H Collo schließen. Bi

Die Handschrift der Nürnberger Stadtbibliothek trägt nun aber auf dem ersten Blatt die Aufschrift: „Collecta ex Colloquijs habitis cum D. Martino luthero, in mensa. per annos sex quibus cum eo wittenberge eommunj sum vsus 29, 30, 31, 32, 34, 35.^ Diese Angabe, die doch jedenfalls von Dietrichs eigner Hand herrührt, verträgt sich schlecht mit dem Inhalte von Dietrichs Heft. Aus den Jahren 1529 und 30 und 1534 und 35 sind überhaupt keine Nachsehriften da, und während ins Jahr 1533 überaus zahlreiche Tisch- reden fallen, läßt Dietrich gerade dieses eine Jahr in seiner Titelaufschrift weg. Ich habe auf diesen Widerspruch schon früher hingewiesen); ich vermag ihn auch jetzt noeh nicht zu lösen.

Dagegen läßt sich die Frage, ob die Nürnberger Hand- schrift Dietrichs Urschrift oder eine Überarbeitung seiner ersten Niederschriften ist?), jetzt mit Sicherheit beantworten. Manches erweckt zwar den Eindruck einer Urschrift, so die Worte VD. 144 am Rande links: ,Sequencia vsque ad finem quaternionis sunt valde confusa et male excepta a me“, ferner die unbeschriebenen Blätter am Schluß mehrerer Lagen und die Unordnung, in der Dietrich in den Lagen R und SCollo bald in die eine, bald in die andere Lage geschrieben hat. Aber trotzdem kann die Nürnberger Hand-

») Math. L, Seite 8. 3) Math. L. Seite 2 Anm. 7.

166 30

schrift nicht die erste Niederschrift Dietrichs sein, denn der Text ist auch in den langen Reden, die bei Dietrich häufig sind, überall so gut und glatt, wie er es in einer ersten Niederschrift nicht zu sein pflegt, auch bei dem besten Schnellschreiber nicht; man braucht nur einmal Rörersche Nachschriften von Predigten Luthers mit dem Texte der Tischreden zu vergleichen, um den Unterschied zwischen einer ersten Niederschrift und einer Überarbeitung zu er- kennen. Ferner wendet Dietrich verhältnismäßig gering- fügige Abkürzungen an, und während er sich gewöhnlich der schwarzen Tinte bedient, schreibt er die Eigennamen fast regelmäßig mit roter Tinte in den Text, was uns doch wohl mehr in Dietrichs Studierstube, als in Luthers Wohn- stube verweist. Entscheidend ist aber, daß mehrere Stücke Überschriften haben, und zwar nicht nur solche, die über dem Texte stehen, die also nachträglich darübergeschrieben sein könnten, sondern auch solche, die auf der ersten Zeile vor den Anfangsworten des Textes stehen, die also erst bei einer Abschrift und Überarbeitung der Urschrift vorgesetzt sein können, so VD. 116: De scriptoribus ecelesiastieis cen- sura, wo Dietrich bei Luthers ersten Worten über Hierony- mus unmöglich ahnen konnte, daß die Rede auf Origenes, Chrysostomus, Basilius, Augustinus, Hilarius und andere Kirchenväter übergehen würde.

Auch von den vier Handschriften, die von Dietrich ab- hängig sind, hat keine einzige Dietrichs Urschrift benützt, vielmehr gehen alle vier auf die Nürnberger Handschrift zurück. Um dies nachzuweisen, habe ich oben zu der Über- sicht über die einzelnen Lagen der Nürnberger Handschrift gleich die entsprechenden Abschnitte bei Oben., Bav., R. und Math. L. hinzugefügt; wie man sieht, lassen sich die Lagen von VD., die im Texte nicht auf die nächste Lage über- greifen, auch in den abhängigen Handschriften ohne weiteres voneinander trennen, während die Lagen von VD., deren Text auf die nächste Lage übergreift, auch in den abhängigen Handschriften fest zusammengehalten werden. Aus dieser Übersicht geht ferner hervor, daß der Schreiber der gemein- samen Vorlage von Oben, Bav., R. und Math. L. bei dem Abschreiben aus der Nürnberger Handschrift sehr eigentüm-

31 167

lich verfahren ist, indem er Dietrichs chronologisch zu- sammenhängende Nachschriften in zwei große Abschnitte auseinandergerissen hat. Am klarsten läßt sich diese Ar- beitsweise in Rörers Abschrift R. erkennen, da diese Hand- schrift die beiden Abschnitte auch äußerlich voneinander getrennt hält.

Rörers Abschriften aus Dietrichs Heft stehen in dem Bande Jena Bos. q. 24c. Den Anfang dieses Bandes bilden die Predigten Luthers in den Jahren 1541 und 1542; den Hauptteil des Bandes nehmen die Protokolle Rórers bei der Bibelrevision von 1539 und 1540 ein. Auf Blatt 217 lesen wir: Colloquia, aber es folgen zunächst nur die zwei langen Reden Consolatio pro Feldkirehio decumbente Blatt 217 und De pueris innocentibus Blatt 220. Diese beiden Stücke, die auch in der Leipziger Handschrift Math. L. beisammensteheu, sind wohl nicht von Dietrich nachgeschrieben !).

Die Absehriften aus Dietrich beginnen erst auf Blatt 297 ohne besondere Überschrift. Die vorhergehenden Blätter 294b, 225 und 226 sind unbeschrieben. Was dann von Blatt 227 bis Blatt 270b folgt, ist eine wirkliche Abschrift aus Dietrichs Nachschriften von VD. 67 bis VD. 198, aller- dings mit überaus zahlreichen Auslassungen einzelner Reden. Auf Blatt 270b steht noch ein kleineres Stück aus VD. 198, das folgende längere Stück aber fehlt in Dietrichs Samm- lung. Die untere Hälfte von Blatt 270b ist nicht be- schrieben.

Auf Blatt 271 beginnen ebenfalls ohne jede Überschrift weitere Abschriften aus Dietrich. Sie reichen bis Blatt 294 und tragen aus VD. 68 bis VD. 198b die meisten von den Reden nach, die Rörer in dem ersten Abschnitt Blatt 297 bis Blatt 270b ausgelassen hat. Was bei Rörer auf den nächsten Blättern nach Blatt 294 bis Blatt 303 b steht, hat mit Dietrichs Sammlung nichts zu tun.

Diese beiden Abschnitte bei Rörer (Blatt 227 bis 270 b

1) Math. L. Seite 439, Nr. 809, 6 und 809,7 von mir registriert, vgl. dazu die Bemerkung Math. L. Seite 60. Vgl. jetzt dagegen Lic. Freitag bei Koffmane a. a. O. 1, 47 Anm.1. Ich möchte aber die Nachschrift dieser beiden langen Reden auch jetzt noch auf Weller zurückführen. Dietrich kann ja Abschriften davon gehabt haben.

168 32

und Blatt 271 bis 294), die schon äußerlich voneinander getrennt sind, zerfallen nun ihrem Inhalte naeh wieder in fünf kleinere und größere Abschnitte.

1. R. 227 bis 237 VD. 171 bis 189.

Rórer beginnt seine Abschrift mit VD. Z Collo und fährt fort bis zum Schluß dieser Lage (VD. 178»), geht dann auf VD. AA Collo VD. 179 über und schreibt weiter bis VD. 186b (Schluß der Lage AA Collo) geht weiter auf VD. BB Collo VD. 187 über und schließt mit VD. 189!) Die drei Lagen VD. Z, AA und BB Collo werden ja dadurch zusammengehalten, daß der Text von dem Schluß der einen Lage auf den Anfang der nächsten Lage übergreift. Die Reihenfolge der einzelnen Reden ist bei Rörer dieselbe wie bei Dietrich, doch fehlt ein kleines Stück, wohl nur über- sprungen, aus VD. 176 b. |

2a, R. 237 bis 239 VD. 67 bis 74 b. 2b. R. 271 bis 272 b VD. 68 bis 73 b.:

Mitten auf der Seite 237 geht Rörer oder vielmehr der Sehreiber seiner Vorlage auf VD. K Collo VD. 67 über und beginnt nun hóchst seltsam zu arbeiten, indem er neben der ersten Lage R. 2371f. eine zweite Lage R. 2711f. vollzu- schreiben anfängt; bald trägt er 1, 2,3, 4, 5 Reden hinter- einander in die erste Lage ein, hald 1, 2, 3 Reden hinter- einander in die zweite Lage. Um eine Vorstellung davon zu geben, wähle ich aus Dietrich gleich die beiden ersten Blätter VD. 67 und 68 aus. Die 12 Stücke, die auf diesen „wei Blättern stehen, sind bei Rörer, der sehr eng schreibt, auf die zwei Seiten R. 237 und 271 verteilt, und zwar in folgender Weise: 1, 2, 3, 4, 5 R. 237, 6 R. 271, 7 R. 237, 5 R. 271, 9 R. 237, 10, 11 und 12 R. 271. Die Veranlassung zu dieser selísamen Arbeitsweise war wohl die Absicht, alle - die Stücke, die religiösen Inhalt haben, von den Stücken, die mehr politischen oder literarischen oder persönlichen Inhalt haben, zu trennen. Zwei Wiederholungen in Rörers Absehriften scheinen das zu beweisen. Bei R. 252b steht nämlich nur die zweite Hälfte einer Rede, die vollständig bei R. 279 steht, und ebenso steht bei R. 263 die zweite

1) Die letzten Blätter der Lage VD. BB Collo sind unbeschrieben.

33 169 .

Hälfte einer Rede, die vollständig bei R. 288b steht, und in beiden Fällen ist der Anfang weltlichen, der Schluß geist- liehen Inhalts. Streng durchgeführt ist diese Absicht freilich nicht. Bei der Beschaffenheit von Luthers Tischreden war das ja auch kaum möglich. Das fortwährende Hin und Her in Rörers Abschriften erscheint deshalb recht wunderlich. Die Handschriften Oben. und Bav. zeigen übrigens, wie schon erwähnt, dieselbe Anordnung der Reden»).

3a. R. 239 b bis 244 VD. 75 bis 90.

3 b. R. 272b bis 276b VD. 75b bis 90 b,

Die beiden Lagen VD. L und M Collo werden ebenfalls dadurch zusammengehalten, daß der Text von der ersten Lage auf die zweite übergreift. Die seltsame Arbeitsweise, wie wir sie eben kennen gelernt haben, bleibt hier und in den folgenden Abschnitten dieselbe. Zuweilen ist die Reihen- folge der einzelnen Reden etwas geändert. Auslassungen sind verhältnismäßig selten, ebenso in den nächsten Ab- schnitten.

4a, R. 244 bis 268 VD. 91 bis 170. 4b. R. 275b bis 292 b VD. 96 bis 170 b.

Von den Lagen VD. N, O, P, Q, R, S, T, V und Y Collo werden zwar nur P und Q Collo und S, T und V Collo durch den übergreifenden Text zusammengehalten, doch hat Rörer aueh bei den übrigen Lagen dieselbe Reihenfolge wie die Nürnberger Handschrift.

5a. R. 268 bis 270b VD. 191 b bis 198. 5b. R. 292 b bis 294 VD. 191 bis 198 b.

Es ist die Lage VD. CC Collo.

Rörers Abschrift gibt uns also zum Teil in anderer Reihenfolge die Lagen VD. K, L, M, N, O, P, Q, RB, S, T, V, Y, CC, Z, AA und BB Collo wieder. Es fehlen in seiner Abschrift vollständig die Lagen VD. E, F, G, H und I Collo. AuDerdem hat er oder vielmehr der Sehreiber seiner Vor- lage eine kleine Anzahl von Reden aus Dietrich wohl ab- sichtlich ausgelassen. Während in dem ersten Abschnitt nur das kleine Stück VD. 176b übersprungen ist, fehlen in den

!) Die Leipziger Handschrift Math. L. gibt überhaupt nur von dem einen Abschnitt eine Abschrift; der andere Abschnitt fehlt hier ganz. Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 2. 12

170 34

späteren Abschnitten kleinere und größere Reden aus VD. 77b, 88b, 99, 100b, 102b, 105b, 106b, 113f, 114, 115, 117, 1941, 126, 133, 152b, 157bf, 174 und 1871. Bei allen diesen Auslassungen Flüchtigkeit des Abschreibers an- zunehmen, geht nieht gut an, denn es sind auch einige längere Stücke übersprungen, die nicht so leicht zu über- sehen sind; über das wunderliche Stück VD. 126 ist Rörers Vorlage gewiß absichtlich hinweggegangen. Aber andere Stücke hat der Abschreiber wohl bei dem raschen Ab- schreiben und dem unaufhörlichen Hin- und Herblättern nur aus Versehen weggelassen. Übrigens zeigen die Hand- schriften Oben. Bav. und Math. L. überall dieselben Aus- lassungen wie Rörers Abschrift, ein Beweis der überaus nahen Verwandtschaft, die diese vier von Dietrich abhängigen Handschriften zusammenhält.

Der Zeit nach steht unter ihnen Oben, geschrieben 1543 und 44, an der ersten Stelle. Dann folgt die Hand- schrift Bav., auf deren Einbanddeekel VB 1548 steht, deren Inhalt also vorher niedergeschrieben ist. Dem Jahre 1548 gehört die Handschrift Math. L. an, deren Schreiber diesen Abschnitt am 12. April 1548 von Mathesius zum Abschreiben anvertraut erhalten und auf Blatt 314 über seine Abschriften 1548. Septeb. mensi hinzugeschrieben hat). Bei R. habe. ich kein Datum gefunden, aber Rörer verweist mehrmals auf einen zweiten Band seiner Sammlung, den er unter der Signatur GR zitiert, das ist der Band Jena Bos. q. 24s, und in diesem Bande hat Rórer seine Abschrift aus der Mathe- sischen Sammlung von Luthers Tischreden am 12. Februar 1551 begonnen, und seinen Abschriften aus Schlaginhaufens Heft hat er als Datum den 16. Dezember 1550 beigeschrieben; seine Abschriften aus Dietricbs Sammlung mögen ungefähr in dieselbe Zeit fallen.

Der Zeit nach könnte also Oben. die Vorlage der drei andern Handschriften Bav., Math. L. und R. gewesen sein, aber dagegen spricht, daß Rörer die beiden großen Ab- schnitte R. 227 bis 270b und R. 271 bis 294 äußerlich von- einander trennt, während Obenanders Text ohne jede Unter-

1) Math. L. Seite 18.

35 | 171

brechung weitergeht. hórers Vorlage muß die Trennung dieser beiden Abschnitte deutlich gezeigt haben, und sie muß älter sein als Obenander, denn der Schreiber der Leip- ziger Handschrift Math. L., der nur den zweiten Abschnitt R. 271 bis 294 abgeschrieben hat, hat diesen Abschnitt von Mathesius zur Abschrift erhalten, und Mathesius ist schon im April 1542 aus Wittenberg nach Joachimsthal zurück- gekehrt. Ist vielleicht Mathesius der Mann gewesen, der den einen Dietrich Glied um Glied in zwei Hälften zerlegt hat, und dessen eigentümliche Arbeitsweise die vier Hand- schriften Oben., Bav., R. und Math. L. beherrscht? Unmög- lich wäre es nicht, denn Mathesius nennt Dietrich ausdrück- lich als einen Gewährsmann seiner eigenen großen Tisch- redensammlung'); doch wird eine weitere Untersuchung wahrscheinlich nicht auf Mathesius, sondern auf Nikolaus Medler hinauskommen.

Die drei Handschriften Oben., Bav. und R. stimmen aber nieht nur in den Lücken überein, die sie gegenüber der Nürnberger Handsehrift VD. zeigen; sie haben ebenso übereinstimmend eine Anzahl von Reden, die in der Nürn- berger Handschrift fehlen?) Diese Stücke brauchen hier nicht abgedruckt zu werden. Es sind zum größten Teil . Erläuterungen biblischer Stellen. Ein Stück aber ist für die Überlieferung der Tischreden wichtig; ich gebe hier den Text nach R. 248 Oben. 291 b Bav. 408:

Cum?) narrarem ei‘) filiam meam Anasta°): saepe loqui summa fiducia de Christo, angelis, gaudiis ete. in caelo et semel me dixisse ad eam: „O si quis ista posset credere!“ et eam gravitate quadam puerili?) interrogasse, num hoc non crederem ete.? Respondit, summam innocentiam esse in pueris, ideoque esse magistros nostros a Christo nobis pro- positos); nullum peccatum eos habere neque invidiae,

1) Math. L. Seite 12 und 16.

?) R. 9415, 243b, 948 f., 249 bis 252, 254, 965^ und 278b.

3) Am Rande: Anastasia filia.

4) Übergeschrieben: 5. Ap. 85.

5) Übergeschrieben: quae erat 5 annorum tum. Die Zahl 5 ist, wie es scheint, aus 4 korrigiert; die Parallelhandschriften haben: quinque annorum.

6) Übergeschrieben: et serio.

3 Am Rande: Nisi efficiamini etc.

172 36

avaritiae, incredulitatis etc., non timere mortem) etc., acci- pere pomum pro aureo. Hine Pet. 2. c.?): „Infantes nil quaerunt quam ete.“

Wer ist der Mann, der hier am 5. April 1535 an Luthers Tische von seinem vierjährigen Töchterchen Anastasia spricht? Ich habe zunächst an den Hebraisten Johann Forster gedacht, der erst am 4. August 1535 nach Augsburg gezogen, im April also noch in Wittenberg gewesen ist. Daß er wirklich an Luthers Tische zuweilen nachgeschrieben hat, geht aus dem einen Stück in Bindseils Colloquia 3, 112 hervor; die Worte Ego Försterus addebam und Respondit Doctor: Mi Forstemi ete. beweisen, daB Forster unter die Männer aufzunehmen ist, die Luthers Tischreden aufgezeichnet

haben®). Andere Reste seiner Tischredennachschriften sind mir nicht bekannt. Aber hat er wirklich eine Tochter

Anastasia gehabt, die 1535 vier Jahre alt gewesen wäre? Sieben Töchter Forsters sind uns mit Namen bekannt: Charitas, Fides, Spes, Margaris, Elisabeth, Maria und Anna‘). Die drei ersten, die schon dureh ihre Namen eng zusammen- gehalten werden, sind wohl die ältesten Kinder Forsters; es sind die drei, mit denen er am 18. August 1535 in Augs- burg ankam). Für eine Tochter Anastasia, die 1535 vier Jahre alt gewesen würe, ist unter seinen Kindern kein Platz.

Oder ist Rórer selbst der Vater der kleinen Anastasia und der Nachschreiber dieser Tischrede gewesen? Rórer war zweimal verbeiratet?), in erster Ehe mit Bugenhagens Schwester Hanna (Hannchen, Hannica), seit 1525. Sie schenkte ihm einen Sohn Paul, den Erstgeborenen, geboren am 27. Januar 1527; ein Töchterchen wurde tot geboren, und die Mutter selbst starb wenige Stunden nachher am

1) Übergeschrieben: scil. pestem.

2) Übergeschrieben: 1. Pet. 2.

3) Vgl. W. Germann, D. Johann Forster (Neue Beiträge zur Ge- schichte deutschen Altertums. Herausgegeben von dem Henne- bergischen Altertumsforschenden Verein in Meiningen. Festschrift. 1894) Seite 40f. :

4) Germann a. a. O. Seite 461, 463 und 466 Anm.

5) Germann a. a. O. Seite 92 und 319.

$) Für die folgenden Angaben vgl. Georg Buchwald, Zur Witten- berger Stadt- und Universitütsgeschichte im Reformationszeitalter (1898).

37 | 173

2. November 1527 im Kindbett an der Pest. Weitere Kinder können aus dieser ersten Ehe Rörers nicht stammen. In zweiter Ehe vermäblte er sich am 28. Mai 1528 mit Magda- lena N. Sie gebar ibm am 9. Mai 1529 einen Sohn Johannes. Im Juni 1532 war sie wieder guter Hoffnung; das Kind, das damals geboren wurde, war wohl ebenfalls ein Sohn, Stephan, immatrikuliert am 30. März 1547. Zwischen diesen beiden Knaben muß Magdalena Rörer aber eines Mädchens genesen sein, denn Veit Dietrich hat Ende des Jahres 1532 (VD. 155b) folgende Aufzeichnung: „De M. G. t!) cuius filius et filia simul decumbebant, dicebat: „Unser herr Gott vexirt seine Heiligen all. Mariä thet ers auch, in summa, was yhm lieb ist, das muß herhalten.“ Bei Rörer selbst, der grund- sätzlich alle Namen der Tischgenossen, also auch seinen eigenen Namen in den Nachschriften Dietrichs tilgt und durch ein quidam ersetzt, lautet R. 289 der Anfang dieses Stücks: „De quodam euius filius et filia ete.“ Dagegen haben Oben. 247, Bav. 305 und Math. L. 410 überein- stimmend Rörers Namen ausgeschrieben, und auch Aurifaber FB. 3, 114 (26, 19 b) spricht von Rörers Kinderlin.

1532 ist also Rórer wirklieh der Vater eines Tóehter- chens gewesen, das 1535 vier Jahre alt gewesen sein könnte. Aber hat die Kleine den Namen Anastasia getragen? Manches in der hier abgedruckten Stelle scheint darauf hinzudeuten, daß Rürer von seinem eigenen Töchterchen erzählt. Das Datum des 5. Aprils 1535 steht nicht im Text, sondern am Rande; der Vorname des Mädchens ist im Text nur ab- gekürzt Anasta: während wiederum am Rande die ausfübr- lichere Angabe Anastasia filia steht, und ebenso steht die Angabe des Alters des Mädchens am Rande, ja in der Zahl der Jahre hat Rörer korrigiert, als hätte er sich erst nach- triglich darauf besonnen, wie alt das Mädchen damals eigentlich war. Trotzdem kann unsere Überlieferung nicht auf Rörer zurückgehen ?), das zeigt ein anderes Stück, das

!) In Dietrichs Text steht hier wirklich ein Kreuz, mir unver- ständlich.

*) Rörer hat auch sonst Notizen, die er in seiner Vorlage am Rande gefunden hat, nicht in den Text aufgenommen, sondern ebenfalls an den Rand geschrieben.

174 38

Dietrich nachgeschrieben hat, und das bei Rörer einerseits, bei Oben, Math. L. und Bav. andererseits sehr charakte- ristische Abweichungen zeigt.

Dietrich erzählt VD. 99b von Luthers Erkrankung am 22. Januar 1532): „Statim igitur Dominum Philippum Me- lanehthonem et Magistrum Islebium, qui tum aderat, et me vocari jussit, ut haberet, cum quibus loqueretur et quos con- fabulantes audiret.^ Der ego, der hier von sich selbst be- richtet, ist also Dietrich. Rörer läßt R. 276 b wie gewöhn- lieh die Namen der ihm unwesentlich erscheinenden Tisch- genossen weg und schreibt: „Statim igitur vocari jussit Dominum Philippum Melanchthonem, ut haberet, cum quo loqueretur et quos confabulantes audiret.^ Das fehlerhafte quos eonfabulantes in Rörers Texte läßt deutlich erkennen, dab er in seiner Vorlage neben Melanchthon noch andere Männer (Agricola und Dietrich) aufgezählt gefunden hat. Dagegen lautet diese Stelle bei Oben. 227 b, Bav. 249 und Math. L. 380 übereinstimmend?): „Statim igitur vocari jussit Philippum Melanehthonem et Magistrum Georgium Rörer, ut haberet etc.“ Wie die gemeinsame Vorlage dieser drei Handschriften zu dem unrichtigen Georgium Rörer gekommen ist, läßt sich nicht feststellen, aber fest steht, daß Rörers Text nicht diese Vorlage gewesen ist.

Aber wer ist nun eigentlieh der Vater der kleinen Anastasia gewesen? Sehr groß ist die Zahl der Männer nieht, die als Tisehgenossen Luthers schon 1535 verheiratet gewesen sind, die also als Nachschreiber dieser Tischrede in Frage kommen. Trotzdem vermag ieh den Mann noch nicht mit Gewißheit nachzuweisen. Die Überlieferung weist zwar ziemlich bestimmt auf Nikolaus Medler hin, aber unter seinen Kindern wird eine Tochter Namens Anastasia leider nieht genannt; sollte sie frühzeitig gestorben sein? Vielleicht hilft einmal, wo die Forschung versagt, der Zufall weiter.

Auf denselben Tischgenossen (Nikolaus Medler?) geht wahrscheinlich eine zweite kleine Reihe von Tischreden zurück, die ebenfalls in Dietrichs Heft fehlen, und die auch

1) Vgl. Kóstlin (Kawerau), Martin Luthers Leben. 2, 264. 2) Vgl. Seckendorf, Historia Lutheranismi, 3, 38. Seine Quelle ist wohl Bav.

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nicht von ihm nachgeschrieben sein können, weil mehrere von ihnen in eine Zeit fallen, wo er schon in Nürnberg war; auch in Rörers Handschriftenbänden habe ich diesen kleinen Abschnitt noch nirgends gefunden. In der Leipziger Hand- schrift Math. L. steht er Blatt 452 bis 463, bei Bav. Seite 209 bis 228, bei Oben. Blatt 213 b bis 220, unmittelbar hinter der Lage VD. I Collo. Hier sollen nur zwei datierte Stücke abgedruckt werden, die beide durch ihr Datum wichtig sind:

(Math. L. 454f., Bav. 213f., Oben. 2151) Historia Lutheri!) Cum Augustam abiisset ad Caietanum et nollet revocare, illie solus relictus est ab omnibus praesidiis humanis, caesare, a papa, legato cardinali, a principe suo Friderieo duce Saxoniae, ab ordine, a Staupitio familiarissimo amico. Princeps Fridericus non vidit eum libenter Augusta redire, sicut quoque non suaserat, ut illuc proficisceretur. Nonnihil pereulsus hae?) desertione secum disputavit, quo- nam abire vellet. In Germania spes non erat; in Gallia tutum?) non erat commorari propter papae minas. In sum- mis igitur tum erat angustiis. Rediit igitur in Saxoniam !). Primo die ab Augusta profectus est Moncheim, hat er hart trabent klopper gehabt, kein hosen angehabt, nur kniehosen, kein messer noeh wehr, kein sporn, et tamen sic Witem- bergam usque profectus.

Eo eum venisset, adfuit Carolus Miltitius curtisanus nobilis. Is babuit 70 brevia a papa ad principes et epis- copos scripta, ut comprehensum Lutherum Romam ad papam mitterent. Princeps Fridericus veritus, ne cogeretur a papa eum capere, signifieavit ei, ut alio se conferret, ubi tuto latere posset. Parere cogebatur principi. Ideo instituens eum fratribus suis convivium, ut eis valediceret, incertus erat, quo abiret. In ipsa coenae hora literae a Spalatino veniunt, quibus signifieatur illi mirari principem, quod non- dum abierit; maturet igitur profectionem. Ex hoc nuntio mirabiliter affectus fuit cogitans se desertum ab omnibus, interim tamen spe concepta dixit: Pater et mater derelique- runt me, Dominus autem assumpsit me. Non longe post supervenerunt aliae literae in eadem coena, quibus signifi- eabat Spalatinus, si nondum abiisset, ut remaneret; Miltitium enim egisse eum principe: rem posse componi colloquio aut disputatione. Princeps aequiori sententia audita retinet

1) Ich gebe den Text nach Math. L. ?) Text: ac.

*) Text: tantum.

*) Fehlt in Math. L.

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Doetorem, qui in hune usque diem mansit Witembergae 12. die Augusti?) anni 1536.

Anni 1535 die 30. Julii in exilium missus est M. Peter Balbirer.

Das lange, ganz lateinische Stück ist schon aus Cyprian bekannt; es ist hier noehmals abgedruckt, um eine Ver- gleichung mit dem langen, ganz deutschen Stück, das in meinem ersten Aufsatz?) veröffentlicht ist, zu erleichtern. Ich habe damals den lateinischen Text als eine Umarbeitung des deutschen Textes bezeichnete Das ist nicht richtig. Vielmehr sind die beiden Texte als scheinbare Parallelen aufzufassen: Luther hat zweimal, zu verschiedenen Zeiten dasselbe erzählt. Im wesentlichen stimmen beide Erzäh- lungen überein, aber sie zeigen doch charakteristische Ab- weichungen.

Das deutsche Stück berichtet ohne längere Einleitung von zwei Briefen. In dem ersten Schreiben fordert Fried- rich der Weise Luther auf, Wittenberg zu verlassen und sich an einen andern heimlichen Ort zu begeben, wo er seines Lebens sicher sei. Luther glaubt, auch der Kurfürst wolle ihn preisgeben, und er verzweifelt an den Menschen, aber er tröstet sich in seiner Verlassenheit mit den Worten: „Pater et mater dereliquerunt me etc.“ und richtet seinen Freunden ein Abschiedsmahl zu, da kommt während der Mahlzeit ein zweiter Bote, aber nicht mit einem Briefe des Kurfürsten, sondern mit der Botschaft Spalatins: Luther solle bleiben, denn der Kurfürst habe was notlichs mit ihm zu reden. Im Anschluß hieran wird weiter noch erzählt, wie vorsichtig, aber auch wie entschieden sich der Kurfürst stets in Luthers Angelegenheiten zurückgehalten habe, und welchen Ratschlag der kurfürstliche Rat Fabian von Feilitzsch damals erteilt habe. Die Aufzeichnung dieses deutschen Stückes ist in den Sommer des Jahres 1540 zu datieren.

Das lateinische Stück erzählt dagegen zunächst aus- führlich von Luthers Flucht aus Augsburg und berichtet dann von drei Briefen. In .dem ersten Schreiben fordert Friedrich der Weise Luther auf, anderswohin zu gehen, wo

!) Medler kam erst im September 1536 nach Naumburg. 2) Im 5. Jahrgang dieser Zeitschrift (1908). Seite 360 f.

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er in Sicherheit leben könne. Luther glaubt diesem Befehle gehorchen zu müssen und richtet seinen Freunden ein Ab- schiedsmahl zu, aber darüber müssen mehrere Tage ver- gangen sein, denn während der Abschiedsmahlzeit kommt ein zweiter Brief von Spalatin: Kurfürst Friedrich sei er- staunt, daß Luther noch immer in Wittenberg sei; Luther solle seine Abreise beschleunigen! Erst jetzt verzweifelt Luther an allen Menschen: „Pater et mater dereliquerunt me etc.“ Aber noch während der Abschiedsmahlzeit kommt ein dritter Brief von Spalatin: Luther solle, wenn er nicht schon hinweggezogen sei, in Wittenberg bleiben, denn Miltitz habe mit dem Kurfürsten verhandelt; die Angelegenheit könne durch ein Colloquium oder eine Disputation beigelegt werden. Damit schließt diese lateinische Erzählung, deren Nieder- schrift auf den 12. August 1536 datiert ist.

Daß Friedrich der Weise wirklich schon 1518 gefürchtet hat, Luther in Wittenberg nicht mehr schützen zu können, und daß er ihn deshalb lieber an einem anderen, sichereren Orte gesehen hätte, daran ist wohl nicht zu zweifeln, denn Luther selbst hat seinen Tischgenossen zweimal davon er- zählt. Hat Luther aber in dieser Angelegenheit zwei oder drei Briefe erhalten? Bei dem Fehlen anderer Nachrichten wird das schwer zu entscheiden sein. Mir erscheint der deutsche Bericht, nach dem Luther gleich infolge des ersten Briefes des Kurfürsten sein Abschiedsmahl zurichtet, glaub- würdiger. Der lateinische Bericht ist doch recht unwahr- scheinlich: Luther erhält vom Kurfürsten die Aufforderung, Wittenberg mit einem anderen Orte zu vertauschen, und Tage lang soll er nun gezaudert haben, diesem Befehle zu gehorchen, so daß der Kurfürst schließlich ungeduldig ge- worden wäre und ihm durch Spalatin seine Verwunderung ausgesprochen hätte? Das angebliche Zaudern Luthers und die angebliche Ungeduld Friedrichs des Weisen sind mit dem Charakter der beiden Männer schwer vereinbar. Der Nachschreiber dieser lateinischen Erzählung hat aber auch sonst manches mißverstanden: Luther kann unmöglich be- hauptet haben, er sei in Augsburg von allen preisgegeben worden, sogar von Friedrich dem Weisen und von seinem Staupitz; gerade das Gegenteil ist wahr und ist auch von

178 42

Luther selbst oft genug erzählt worden. Und von einem Miltitz hat sich Friedrich der Weise sicherlich nicht in seinen Entschlüssen beeinflussen lassen. Wie hier offenbare Miß- verständnisse des Nachschreibers der lateinischen Erzählung vorliegen, so ist es wohl auch mit dem dramatisch ge- steigerten Bericht von den drei Briefen der Fall; wir werden mit der deutschen Erzählung daran festhalten dürfen, daß Luther in dieser Angelegenheit nur zwei Briefe erhalten hat, den ersten vom Kurfürsten, den zweiten von Spalatin. Daß aber Friedrich der Weise nicht etwa die Absicht gehabt hat, Luther des Landes zu verweisen, daß er ihn vielmehr nur an einem anderen Orte verborgen halten wollte, wie es später auf der Wartburg geschah, das klingt auch in dem schlechten lateinischen Bericht wieder in den Worten: „ubi tuto latere posset“. |

Auf den Nachschreiber dieser in Dietrichs Heft fehlen- den Stücke (Nikolaus Medler?) geht wahrscheinlich auch eine große Tischredensammlung zurück, die in den von Dietrich abhängigen Handschriften Oben., Bav., R. und Math.L. in enger Verbindung mit Dietrichs Nachschriften überliefert ist. Auf diese Sammlung soll später näher eingegangen werden; um sie von Dietrichs eigenen Nachschriften zu unterscheiden, nennen wir sie Veit Dietrichs und Nikolaus Medlers Sammlung. |

Der Veröffentlichung von Dietrichs eigenen Nachschriften muĝ selbstverständlich der Text der Nürnberger Handschrift VD. zugrunde gelegt werden. Da Dietrich selbst sie ge- geschrieben hat, so ist sie für unsere Überlieferung so maß- gebend, daB es eigentlich überflüssig erscheinen könnte, die abweichenden Lesarten der vier Handschriften R., Oben, Bav. und Math. L. in den kritischen Anmerkungen zu ver- zeichnen. Diese Handschriften sind ja sämtlich von einer Handschrift abhängig, deren Vorlage uns in der Nürnberger Stadtbibliothek durch ein günstiges Geschick erhalten ist; es könnte wohl genügen, die Parallelen in diesen vier Hand- schriften unter Dietrichs Text lediglich zu registrieren.

Trotzdem wird man nicht umhin können, die abweichen- den Lesarten, so geringfügig sie oft auch sind, in einer kritischen Ausgabe zu verzeichnen. Wie nämlich eine ge-

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naue Vergleichung des Textes der großen deutschen Tisch- redensammlung FB. beweist, hat Aurifaber, wo er aus Dietrich abschreibt, gewöhnlich nicht dessen Heft vor sich gehabt, sondern den Text jenes Anonymus (Nikolaus Medler?), von dem auch R., Oben, Bav. und Math. L. abhängig sind. Wo Rörer, oft nur in Kleinigkeiten, von Dietrich abweicht, da zeigt Aurifaber fast regelmäßig dieselben Abweichungen.

Dietrich schreibt z. B. VD. 118b: „Spiritus Sanctus scivit fore, ut abuteremur hoc sexu ad libidinem, non ad conjugium. Ideo Moses sic scribit in Genesi de patriarcha-

rum conjugiis, generationibus etc, ut etiam a quibusdam religiosis ideo sit reprehensus.“

Diese Stelle lautet bei Rörer (Bos. q. 24€), Blatt 254: „Sanctus Spiritus scivit fore, ut malitia naturae humanae abuteretur hoc sexu muliebri, seilicet ad libidinem, non ad conjugium. Ideo Moses sie in Genesi scribit de patriarcha- rum conjugiis et generationibus. Id quidem etiam quidam religiosi reprehenderunt.“

Und Aurifaber FB. 4, 76 f. (43, 71) übersetzt: „Warum Moses der Patriarchen Ehestand so fleißig beschreibet. Der heilige Geist hat wol gewußt, daß die Bosheit menschlicher Natur würde des weiblichen Geschlechts mibbrauchen, nehm- lich zur Unzucht, nach ihren Lüsten, nicht zur Ehe; drüm hat auch Moses im ersten Buch so viel und fleißig ge- schrieben von der Erzväter Ehe und Kinderzeugen, also dab solehs auch etliche heilige Mönche getadelt haben, als hätt er sonst nichts zu schreiben gehabt denn von solchen Weiber- sachen."

Aurifaber hat hier wie gewöhnlich eine Überschrift vor- gesetzt und Luthers Text mit seinen eigenen Expektorationen aufzuputzen versucht, aber in der entseheidenden Stelle von der Bosheit menschlicher Natur zeigt er sich nicht von Dietrichs Text, sondern von Rörers Text abhängig. Das- selbe ist in anderen Stücken der Fall. Da Luthers Tisch- reden Jahrhunderte lang fast nur in der großen Veröffent- lichung Aurifabers bekannt gewesen und zitiert worder sind, so ist es notwendig, in den kritischen Anmerkungen klar- zulegen, daß Aurifaber gewöhnlich dieselben Abweichungen von Dietrichs Text zeigt wie Rörer und die drei von seiner Vorlage abhängigen Handschriften.

180 44

Aurifaber hat verhältnismäßig zahlreiche Stücke aus Dietrichs Nachschriften entlehnt, wobei er allerdings sehr oft Luthers Text gründlich umgearbeitet hat. Dagegen scheint. Lauterbach Dietrichs Nachschriften überhaupt nicht beachtet oder gekannt zu haben. In Bindseils Veröffent- lichung der Lauterbachschen Sammlung der Colloquia habe ich nur ein einziges Stück (B. 3,221f. Ad sententiam: Non est volentis neque currentis ete. VD. 177 » und 181b) ge- funden, in dem Dietrich wörtlich ausgeschrieben ist, und diese Stelle hat Bindseil aus Rebenstocks Veröffentlichung herübergenommen; in Bindseils Handschrift fehlt sie. Wo Lauterbachs Colloquia sonst noch Anklänge an Dietrichs Nachschriften zeigen, da scheinen mir überall scheinbare oder ursprüngliche Parallelen vorzuliegen, aber nicht ab- geleitete Parallelen.

Zum Tage von Naumburg 1561.

Von K. Schornbaum.

Auf dem Tage von Naumburg sollte selbstverständlich auch Markgraf Georg Friedrich erscheinen. Schon in dem ersten Schreiben, in dem Christof von Württemberg für eine Zusammenkunft eines weiteren Kreises evangelischer Fürsten eintritt, findet sich sein Name. Bei der definitiven Ab- machung wurde seine Einladung Kurfürst Friedrich von der Pfalz übertragen?) Dieser entledigte sich am 19. Dezember 1560 seiner Aufgabe?) Die Einladung aber traf den Mark- grafen nicht mehr in Ansbach; er weilte bei seinem Schwieger- vater, Markgraf Johann von Brandenburg*) welchen man ruhig als seinen geistigen Vater betrachten kann. Die Räte Christoph Tetelbach, Seb. Burkel und C. Rauchbar über- mittelten ihm deswegen sogleich dieses Schreiben. Sie hielten sein Erscheinen auf diesem Tage für notwendig, nachdem sein Vater zuerst die Konfession mitunterschrieben und noch in seinem Testament das Beharren bei derselben den Regenten ans Herz gelegt hätte. Doch baten sie, alles weiter mit Johann von Küstrin zu bedenken?) Georg Friedrich hatte inzwischen ebenfalls eine Einladung vom

?) R. Calinich, Der Naumburger Fürstentag 1561, Gotha 1870 S.87. H. Heppe, Geschichte des deutschen Protestantismus in den Jahren 1555—81, L, Marburg 1852 8. 370. S. V. Ernst, Briefwechsel des Herzogs Christoph von Württemberg, IV., Stuttgart 1907 S. 698.

2) Heppe I. S. 375. Calinich S. 109.

3) d. d. Heidelberg, 19. XII. 1560. - Ansbacher Religionsakta (A.R.A.) im Nürnberger Kreisarchiv. Tom. 27 fol. 14. Tom. Suppl. II, 83.

. ^*) K. H. Lang, Neuere Geschichte des Fürstentums Bayreuth, III, Nürnberg 1811 S. 16.

5) Die Räte an Georg Friedrich, d. d. 24. Dez. 1560. Die Re-

genten an Friedrich von der Pfalz s. e. d. A.R.A. 27 fol. 16 und 18.

182 46

Kurfürsten August von Sachsen erhalten‘); er schloß sich dem Gutachten seiner Räte an; nur wünschte er noch etliche Theologen bei den Beratungen um sich zu sehen?) Des- wegen ordnete er am 6. Januar 1561 an, daß Georg Karg, Pfarrer zu Ansbach), und Ant. Colander, Pfarrer zu Schwa- bach *), zur Reise nach Naumburg sich fertig machen sollten; am 15. oder 16. Januar sollten sie im Heilsbronner Hof zu Nürnberg zusammentreffen, um am 20. womöglich in Naum- burg anzukommen; der Amtmann von Schwabach, Heinrich von Muslohe?), sollte sie begleiten. Ein Exemplar der Augs- burgischen Konfession hatten sie mitzubringen ô).

Am 22. Januar 1561 kamen sie naeh Naumburg; da der Befehl des Markgrafen erst am 15. Januar abends nach Ansbach gekommen war, hatte sich die Abreise um zwei Tage verzögert”). Sie trafen aber nur den Kanzler Wolf von Kóteriz. Georg Friedrich und Hans von Küstrin hatten sich bereits auf den Weg gemacht; da hörten sie, daß Kur- fürst Joachim II. die bereits angekündigte Teilnahme an den Verhandlungen wieder abgesagt hatte); auch hörten sie, daß

1) August von Sachsen an Georg Friedrich, d. d. Dresden, 8. Dez. 1560, A.R.A. 27 fol. 8 und 10.

2) Georg Friedrich an seine Räte, d. d. Küstrin, 6. I. 1561; an August, d.d. Küstrin Fr. n. Weihnachten (27. XIT.) 1560 A.R.A. 27 fol. 20 (23); 18 s. Calinich S. 131.

3) S. zuletzt über ihn G. Wilke, Georg Karg, sein Katechismus und sein doppelter Lehrstreit, Scheinfeld 1904.

*) J. H. Falckenstein, Chronicon Suabacense ?, Schwabach 1756 S. 206, 394. L. Bachmann, Kitzinger Chronik dcs Friedrich Bernbeck 745—1565, Kitzingen 1899 S. 228. Beitrüge zur bayrischen Kirchengeschichte, II, (1896) S. 215. Dr. G. Buchwald, Witten- berger Ordiniertenbuch 1537—60, I, Leipzig 1894 S. 78 Nr. 123.

5 Lang III S. 13. Falckenstein S. 327, 333, 72. Er nahm teil am Frankfurter Tag 1557, Lang III S. 358 (s. Credenz vom 12. Juni 1557, A.R.A. 26, 187). Ernst IV S. 360. 1561 in Fulda s. Calinich S. 380.

9) d. d. 6. Januar 1561, Küstrin, A.R.A. 27, 21. S. Lang III S. 360.

*) Räte an den Pfarrer zu Schwabach 15. Januar 1561. A.R.A. 27, 25. Rüte an Markgraf Georg Friedrich, d. d. Ansbach, 16. Januar 1561, fol. 63. Heinrich von Muslohe kam schon am 19./I. an, Wolf von Kóteriz einen Tag später. A.R.A. Tom. Suppl. VII Fasc. 12.

*) Calinich S. 129 f. Instruktion des Markgrafen für seine Ge- sandten, A.R.A. 27, 39 ff.

47 183

etliche andere Fürsten wie Johann Friedrich, die Herzöge von Mecklenburg!) und Pommern?) nicht erscheinen würden. So hielten sie es für besser umzukehren. Vielleicht war dies Johann von Küstrin gar nicht so unangenehm, ihn ver- dro es wohl, daß auf diesem Tage von Verdammungen keine Rede sein sollte. Wolf von Köteriz bekam den Auf- trag, mit Heinrich von Muslohe das Fernbleiben der Mark- grafen zu entschuldigen’).

Ibre Aufnahme war eine verschiedene. Friedrich von der Pfalz begnügte sich damit, sich nach dem Befinden der- selben zu erkundigen. Es gab ja trotz verwandtschaftlicher Beziehungen keine näheren Berührangspunkte zwischen ihnen. Um so erregter war August von Sachsen. Schon mit Rück- sicht auf seinen Vater hätte Markgraf Georg Friedrich er- scheinen müssen; die Unterredungen mit anderen Fürsten wären für ihn gewiß nützlich gewesen, nachdem er so schwierige Angelegenheiten zu ordnen hätte. Überhaupt hätte er bei seiner Jugend eine solche Gelegenheit, mannigfache Beziehungen anzuknüpfen, nicht versäumen sollen. Da die Markgräfin Emilie, die Mutter Georg Friedrichs, die Schwester des Kurfürsten war, versteht . man es, wenn August ihn um sich sehen wollte; hatte man doch höchst ungünstige Nachrichten über denselben bekommen). Vielleicht aber wollte man aueh am sächsischen Hofe die Gelegenheit benützen, ihn der geistigen Leitung des Markgrafen Johann etwas zu entziehen und mehr den sächsischen Einflüssen Raum zu schaffen. Köteriz hatte genug an dem Unwillen des Kurfürsten. Um so mehr fühlte er sich auch durch die ihm eingehändigte Instruktion beengt. In Ansbach war bis dahin G. Kargs Einfluß maßgebend ge-

1) Kredenz Herzog Albrechts von Mecklenburg für Werner Han und Dr. jur. Chr. Lersner, 13. Januar 1561 (Vermerk: vorgelesen 23. Januar 1561); Instruktion s. e. d.; A.R.A. 27, 47.

?) Kredenz der Herzóge für Kaspar Krackewitz und Christian Kussow, d. d. 6. Januar 1561, Wolgast, A.R.A. 27, 31.

3) S. Beilage I. Kredenz für Dr. Adrian Albinus, Bertold von Mandelslohe, W. v. Kóteriz u. Heinrich von Muslohe, d. d. Peitz, 14. I. 1561, A.R.A. 27, 57.

*) V. Ernst IV S. 662.

184 | 48

wesen. Von dem intransigenten Treiben der Jenenser wollte man nichts wissen. Köteriz teilte diesen Standpunkt. Nun aber hatte er zu erklüren, daf die beiden Markgrafen bei der Augsburgischen Konfession, „der Apologia“ und „den Schmalkaldischen Artikeln“ beharren wollten und des- wegen gerne ihre Unterschrift geben würden, wenn man ihnen dieselbe vorher übersende. Sie wollten damit alle Korruptelen, die ja seit Überreichung derselben entstanden wären, Zwinglische, Calvinische usw., verdammt sehen !), Falls manche sich auf den Standpunkt stellen würden, daß einer Verdammung eine Überführung vorausgehen müsse, sollte er erklären, wenn des Calvins Lehre der Augsburgischen Kon- fession zuwider wäre, so hielte man sie nicht unbillig für verwerflich; man wollte also doch nicht obne weiteres jenen Standpunkt anerkennen. Johann von Küstrin hatte also den jungen Markgrafen ganz und gar auf seine Seite zu ziehen verstanden; es war das nicht zu schwer, da ihm bei seiner Jugend ein voller Einblick in die Tragweite dieser Fragen unmöglich war. Noch deutlicher aber werden die Absichten des Markgrafen Johann, wenn er Köteriz anwies, die Zu- stimmung der Markgrafen zu einer Theologenversammlung zur Beratung des Konzils, der Lehre Calvins usw. zu er- klären. Gerade die Theologen hatte man mit Absicht zu diesem Gespräch nicht zugezogen, um nicht von neuem die dogmatischen Streitigkeiten aufzurühren?) Ebenso mußte die Erwähnung der Schmalkaldischen Artikel, die Erwähnung der Kondemnationen gleich wieder den alten Zwist zum Ausbruch bringen. Köteriz riet daher dem Markgrafen, von einer Spezialisierung der Kondemnationen abzustehen; mit der Erwähnung des Namens Calvins treffe man ja den Kur- fürsten Friedrich von der Pfalz; er solle es bei einer Zurück- weisung der unreinen Lehrer im allgemeinen sein Bewenden haben lassen, „damit man nicht Ursach gebe zu fernerem Misfallen oder etwa ein unnötige distractio verursache“. Er riet dem Markgrafen es dürfte auch für unsere Zeit nicht unangemessen sein zu bemerken —, des Calvins Lehren

1) S. Calinich S. 158. 2) Calinich S. 102, 109, 141.

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einmal erst zu lesen, ehe er sie verdamme, und dann nur solche Leute abzuordnen, die auch eine Einsicht hätten in solche Fragen. 22. Januar 1561!)

Hans und Georg Friedrich waren ebenfalls durch den Unwillen Augusts sehr betroffen. Man brauchte ja Sachsen unbedingt zur Erledigung so mancher wichtiger Punkte. Man beeilte sich daher zu versichern, daß sie keinen Augen- blick ihre Reise nach Naumburg aufgegeben hätten, wenn sie gewußt hätten, dab Joachim II. allein wegen Krankheit nicht kommen könnte. Auf Wunsch wollten sie auch jetzt noch nach Naumburg kommen. Sachlich aber kam man dem Kanzler nur insoweit entgegen, daß man sich mit einer allgemein gehaltenen Kondemnationsformel begnügen und auf einer ausdrücklichen Verwerfung der Calvinischen und Zwinglischen Irrtümer nicht mehr bestehen wollte, falls es die Theologen billigten. Im Grunde beharrte man auf seinem ablehnenden Standpunkte?) 30. Januar 1561.

Köteriz entledigte seines Auftrags; aber er selbst fühlte, daß in Kürze der Tage sein Ende erreichen würde. Am 2. Februar setzte er Pfalz, Sachsen und Württemberg von dem Anerbieten der Markgrafen in Kenntnis; aber er ver- stand es, wenn diese deren Erscheinen nicht mehr für nötig hielten. Am 3. Februar reiste ja Johann Friedrich plötz- lich ab).

Sonst aufzutreten gab es für Köteriz und die beiden andern Gesandten wenig Gelegenheit. Vielleicht waren sie auch froh, daß sie bei den Beratungen sich im Hintergrunde halten durften. Denn sie selbst waren nicht einig. Dr. Andr. Albinus war auf die Jenenser ziemlich erbittert; er stimmte für alle Versuche, die Einigkeit herbeizuführen; Köteriz unterstützte ihn dabei, so gut er konnte. Bertold von Mandelsloe scheint dagegen mehr zu Johann Friedrich hin- geneigt zu haben. So war er gegen die Unterzeichnung der Konfession und Präfation und wünschte eine abwartende

1) Beilage II. ?) Beilage V. 3) Beilage VI und VII. Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 2. 13

186 50

Haltung wie Mecklenburg und Braunschweig?) Daraus er- klärt sich um so mehr, wenn Wolfgang von Köteriz bei der Abstimmung vom 27. Januar, wo er sich auf den Standpunkt Sachsens und der Pfalz stellte, ausdrücklich betonte, daß der Apologia und der Schmalkaldischen Artikel mit Vorbehalt weiterer Erklärung aus Gottes Wort in der Präfation Er- wähnung geschehen müsse’). Am 9. Februar 1561 reiste er nach Ansbach heim?) Er hatte den Eindruck, daß die Verhältnisse so verfahren waren, daß ein jedes Territorium sein Kirchenwesen selbst organisieren müsse‘).

Johann von Küstrin war mit der Unterzeiehnung der Prüfation und Konfession gar nicht einverstanden. Das konnte er nicht zugeben, daß es danach noch gar keine Sekten und falschen Lehren gegeben hätte in der evange- lischen Kirche. Die Weglassung des betreffenden Abschnittes hätte es Johann Friedrich ermöglichen müssen, zu unter- schreiben. Daß seine Gesandten dies nicht beachtet hatten, ärgerte ihn um so mehr, nachdem sie doch den Befehl hatten, zur Unterzeichnung erst die Konfession ihm zu über- senden. Wir wissen, wie er sich deswegen mit Sachsen ins Benehmen setzte). Georg Friedrich hatte offenbar keine Lust, sich mit diesen Sachen weiter zu beschäftigen; seine Ausführungen zeigen aber, daß er einen klaren Blick hatte für die Schwierigkeit der durch Johann geschaffenen Situation. Mit Recht wies er darauf hin, daß Sachsen jetzt unmöglich die Präfation ändern könne, nachdem sie doch

!) Beilage XI. Das lateinische und deutsche Exemplar der Augs- burgischen Konfession findet sich A.R.A. 27, 236 ff., 2831. Der Ab- schied des Tages 7. 2. 1561, A.R.A. 27, 320 ff., 333 ff., 344 ff.

2 A.R.A. 27, 113: ist auch dieser maynung mit diesem anhang, das in praefatione die apologia, schmalkaldische artikel, die locuple- tirte confessiones und der vorbehalt weiterer erelerung aus gottes wort auf jeden artikel sollte ausdrücklich gedacht werden. Siehe A. Kluckhohn, Briefe Friedrich des Frommen I, 1868, EINE

8.1581. Calinich S. 161.

3) Von den Rechnungen, die noch A.R.A. Tom. Suppl. VII Fasc. 12 erhalten sind, seien in den Beilagen die Rechnungen für Lebensmittel abgedruckt.

*) Beilage VIII; s. Lang III S. 361.

5 Heppe I S. 409f. Calinich S. 236 ff.

51 187

schon in vieler Hände gekommen sei; die Unstimmigkeiten würden nur noch schärfer zutage treten. Am besten wäre es gewesen, wenn Johann selbst erschienen wäre. Georg Friedrich sagte sich damit eigentlich von dessen Standpunkt los; die andern Fragen nach der Nichterwühnung der Schmal- kaldischen Artikel usw. sollten dies nur verdecken!). Ob er dem Rat Johanns gefolgt und selbst noch eine ähnliche Stellung zu den Beschlüssen von Naumburg genommen hat, erscheint danach mehr als fraglich.

I.

Instruktion der Markgrafen Johann und Georg Friedrich zu Brandenburg zum Tag von Naumburg. 15. Januar 1561.

Von gots gnaden Johanns und Georg Friedrich gevettern beide marggraven zu Brandenburg.

Unsern gruß zuvorn. Lieben getreuen. Ob wir wol entschloßen gewesen, als heute gegen abend bei euch zu Loben anzukomen, so seind uns doch schrifte zukommen, daB der ehurfurst zu Brandeuburg nicht vortziehet von wegen eingefallener geschefte, aus dem wir vermuten, weil der churfurst zu Brandenburg auf sein zuschreiben, so er uns marggraf Johansen getan, S. L. reise einstellet und Dr. Distelmeyer und D. Zoch verordnet, es wird vielleicht vom churfursten zu Sachsen so viel vorstendiget sein, das der churfurst auch andere mer chur- und fursten personlich nicht zu hauf kommen werden. So wißen wir, das hertzog Hans von Mechelberg?, hertzog Hans Fridrich zu Sachsen, die von Lunenburg und die von Pommern auch personlich nicht kommen, derwegen wir bedenken ge- habt, fortzuziehen. Und ist darauf unser bevel, ir wollet unsern marschalk mit unsern reutern widerumb nach Beskow morgen vorrücken laßen. Und wollet ir D. Adrian neben Mandelsloe und dem prediger von Cotbus von unser marggraf Johansen wegen und der von Köderitz von unser marggraf Georg Friedrichs wegen vortziehen, auch alsbald in unser beider namen dem churfursten zu Sachsen die vergleitung abschreiben mit vermeldung, das uns allerley obligende geschefte vorgefallen, dadurch wir

1) Beilagen IX und XI. ?) Calinich S. 135. 13*

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-verursacht worden, unangesehen, das wir auf dem wege all- bereit gewesen, wieder umbzuwenden, mit freundlicher bitt uns unserer personlichen ankunft auf jungst unser zuschreiben uns entschuldiget zu nemen, wie ir dan solche entschuldigung zur Naumburg mit bester bescheidenheit dergestalt werdet furzubringen wiben. Wir hetten aber nichts minders euch von unsers wegen abgefertiget, denen sachen beyzuwohnen. und diselben von unserntwegen zuvolziehen nichts minder, als weren wir personlieh der órter selbst.

Soviel nue die augspurgische confeDion, derselben apologia und sehmalkaldische artikel anlanget, weil wir dieselbe lehr den prophetischen und apostolischen schriften gemeß und gleichstimmend erkant und also auch bis daher offentlich bekant hetten, so gedechten wir auch dureh gots verleihung, darumb wir auch seine gotliehe almechtigkeit beten, dabei unverruekt bis in unser ende zuverharren; weren auch erbüttig und geneigt, neben iren liebden und allen ehristen solche lehr, so oft es not, zu verneuren und zu be- kennen. Und soviel weniger hetten wir einig bedenken diselbe widerumb neben iren L. zu besiegeln und auch zu underschreiben, sobald uns dieselbe also zugefertiget. Wir verstünden aber irer allerseits Liebden gemuet dahin ge- richtet, weil sie die augspurgische confeßion von neuen zu- volnziehen und sich darzu zubekennen entschloßen, das auch allerseitz Ir. L. neben uns allen corruptelen und secten, die der augspurgischen confeßion zuentwider weren, so in auf- richtung der augspurgischen confeßion dazumal gewesen oder sieh indes ereuget hetten, sowol jtzo gegenwertiglich als dazumaln geschehen, sie weren zwinglisch, ealvinisch oder wie dieselben möchten benant werden, gentzlich ver- dammen und widersprechen. Mit solchem verstande wir uns dan naehmals zu solcher augspurgischen confeßion, apologia und schmalkaldischen artikeln von neuen wolten bekant und diselbe der gestalt angenomen und verneuert haben. Und ob dagegen von etlichen generalia contra mochten vor- gebracht werden, als das der Calvinus noch nicht uber- wunden, darauf mit kurz von unsertwegen zu replieiren, were des Calvini oder anderer lere der augspurgischen confeßion zuwider, so bielten wir die nicht unbillich als verwerflich. und hetten allein dies zu erklerung unsers gewißens nit umgehen mögen, das wir die augspurgische confeßion anderer gestalt und mit anderm verstande nicht vorneuern mochten, dan wie gemelt.

Das eoneilium belangend ließen wir auch geschehen, das man von wegen redete, was auf solchen fall furzu- nehmen sein sollte und was von den andern for gut und ratsam angesehen und beschloßen, darauf sich doch D. Luther

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seliger neben andern der unsern genugsam erklert, solchs ließen wir uns nachmals forzunehmen auch nicht misfallen. Wolte auch for gut angesehen werden, das sich unsere theologi insonderheit von dem concilio, des Calvini oder anderer corruptelen freundlich unterreden solten, so were uns solch auch nieht zuentwider, das unsere allerseitz Theologi, so wir marggraf Johanns und marggraf Georg Fridrich auch darzu erfordert und verordnet, dabei gewesen. Und nach solchem inhalt werdet ir nach gelegenheit in- struction und creditif zuvorferfigen und euch diser unser meinung nach zuverhalten wiben. An dem allem vollbringt ir unsern zuverleßigen willen und seind euch mit gnaden geneigt. Datum Peitz, den 15. Januarii anno x 61.

Hans M. z. Brandenburg G. Fr. M. z. B.

manu propria subscripsit. manu propria subscripsit.

Ansbacher Religionsakta Tom 27, fol. 59 ff.

II. Wolf von Kóteritz an Georg Friedrich. Naumburg, 22. Januar 1561.

Durchleuchtiger, hochgeborner furste, E. F. G. seint meine :gehorsame treue dinste allzeit bereit. Gnediger furste und herre. Auf E. F. G. befel haben der amtmann von Schwabach!) und ich bei den churfursten pfalz und Sachsen E. F. G. ausbleiben mit allem fleis entschuldiget. Wie wol es nu bey dem pfaltzgrafen stat funden und alleine nach E. F. G. leibsgesundheit mit fleis gefraget wurden, so hat doch der churfurst von Sachsen in seiner kegenwertigkeyt uns anzeigen lassen, daß sein churf. gnad sich nichts wenigers versehen, dan das E. F. G. nicht kommen sollen, aus ur- sachen, das dieser handlungstag die lere unser seligkeyt tete belangen, welche E. F. G. herr vater hochloblicher gedecht- nus mit den ersten bekant und angenommen und das E. F. Gn. dieselbige lere billich in eigener person auch annemen sollen. Uber dies, so hetten E. F. G. sonsten schwere hendel obligen, welehe sie iren herrn und freunden itzo konnen beriehten laßen und ires rats gebrauchen?) und weren E. F. G. noch ein junger regierender herr, der solche zusambnekunft yrer herrn und freunde, welche zum teyl mit irer großen unge- legenheit anherogezogen, billich andern gescheften vorsetzen und dieselbige nicht versáumen sollen, sonderlich weyl man noch zur Zeit von keiner ehaft not oder verhinderunge wußte;

1) Heinrich von Muslohe. 2) Gemeint ist die Auseinandersetzung mit den Gläubigern Albrechts Alcibiades, s. Lang III S. 8 ff.

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aber wie dem allen, so hette man die entschuldigung an- gehort und wollte sie den andern fursten ferner vermelden und versehen sich, wir werden dermaßen mit instruction ab- gefertigt sein, die zu eristlicher fridlicher vergleichung dinst- lich. Wiewol ich aber zur fernern entschuldigung angezeigt die notige reise, welche E. F. G. kegen Jegerndorf tun muDen, so hat man doch darauf nichts geantwortet. In summa E. F. G. wird der cammerschreiber berichten, daß es E. F. G. vil radsamer gewest, sie hetten sich zu dieser Cur- und furstenzusamenkunft auch personlich anhero begeben, dan das sie nur gesandte verordnet und hetten E. F. G. allerlay sehen und horen.konnen, dartzu sonsten nicht alle tage ge- legenheit vorfelt. |

Heut dato seint wir ufs rathaus erfordert wurden, aber fur die vorsambleten fursten nicht kommen, ob wir wol bis an abent ufgewartet. Morgen nach der predigt sollen wir aber ufwarten, was uns nu von tag zu tag fur bescheid wurd, das will ich E. F. G. zuschreiben !).

E. F. G. vunge hat mir zu Lobben?) angezeigt, dab E. F. G. mir wolten briefe nachsenden. Nu hab ich darauf gewartet bis fast ufn Mittwoch (15. Januar) und zuletzt meinen dyener den Zeschen neben dem von Eybe (?), welcher auch auf antwort gewartet, alda gelaßen. aber sie haben nach langem harren keine briefe empfangen und entlich vom burgermeyster daselbst berichtet, das ein bote mit briefen in seinem hause gewest, aber bald wider weg gangen.

der eylende befel, daraus wir die instruction nemen sollen, hat vnder uns vieren allerlay bedenken geursacht, wie der cammerschreiber weiß. Das wörtlein Calvinisch wil sich noch zur Zeit nicht dulden, dan damit wird der ehurfurste Pfaltz nieht unelar perstringirt. so wil das aus- schreiben, das keiner dem andern sol der eorrupteln halben uf diesem tage zu nahe gehen?) So ist Calvini meynung wol angefochten aber noch nicht ab ecclesia verdamt und werden andere unreine leren als Osiandri ete, welche durch vieler kirehen censuren offentlich verdampt seint, nicht speeifizirt, sondern nur unter einer generalitet begriffen. der- halben ich fur radsamer geachtet, auch die andern fast alle, man widerspreche den unreinen leren uf dismal nur in genere und sparet die specification bis zu beDerer gelegenheit, da- mit man nicht ursache gebe zu fernerm misfallen oder etwa ein unnötige distractio verursache. So wil ve fur solche spezifizirte dammnirunge von noten sein, E.F. G. lesen zu-

1) Heppe I 3.381. Calinich S. 140. 2) Lübben. 3 Heppe I S. 379. Calinich 105.

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vorn mit allem fleis die augspurgische confeßion, Apologiam. und Schmalkaldische artikel und laßen sich darnach grund- lich underrichten, welcher gestalt des Calvini lere ganz oder zum teyl unserer christlichen lere warhaftig zuwider ist oder nicht. alsdan kann man nach gehabtem rate (der in wichtigen hendeln nicht also soll geeylet werden), schließen, was man mit bestande tun oder lafen soll. Es ist auch notig und nutzlich, das man die leute zur sehickunge brauche, welche bei beradsehlagung solcher wichtiger hendel gewest seint. denn man kann itziger zeit die sachen so gar genau nicht in die instruction faen. Und E. F. G. under- tenige treue und fleiDige dinste zu laisten, bin ich alzeit ganz willig. Datum zur Naumburg am 22 tage Januarii Anno 61. E. F. G. underteniger diener Wolf von Koteriz, obercantzler. Adresse: dem durchleuchtigen und hoehgebornen fursten und herrn, herrn Jorge Fridriehen marggrafen zu branden- burg, zu Stetin, Pommern, der Cassuben und Wenden und in Schlesien, zu Jegerndorf hertzogen ete. und burggrafen zu Nurmberg meinem gnedigen fursten und herrn zu handen.

Ausbacher Religionsakten T. 27, fol. 65, 66.

III. Wolf von Kóteriz, Oberkanzler an Georg Friedrich. Naumburg, 26. Januar 1561.

Durehleuchtiger hochgeborner furst. E. F. G. seint meine gehorsame treue dienste alzeit bereit. Gnediger furst und herr. Nachvolgend artikel seint in rat alhier gestellet 1) dab man die exemplaria der augspurgischen confeßion vorlesen und collationiren solle in lateinischer und deutzscher sprachen. und solehs ist gistern freytag angefangen und continuiert und heute vollendet kegen abent!) Nun stymmen die alten drueke mit den neuen in vilen orten nicht uberein furnem- lieh aber in worten und weitlauftiger ausfurunge. doch hab ich, sovil den verstand und meynung antrifft, bis anhero nichts sonderlichs widerwertigs vermerken konnen. Weyl aber das ausschreiben sich stracks auf die confeßion referirt, welche anno 30 zu augspurg ubergeben und vil instructiones auch dahin gerichtet sein, ist der große mangel alhier, das man keine gewiße abschrift vorlegen kan von derselbigen

1) Heppe I S 382f. Calinich S. 144—147. Die Bemerkung von Kluckhohn I S. 155, wonach die Kollationierung den 24.—26. gedauert bätte, ist demnach nicht ganz richtig.

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ubergebenen confeßion. So ist man auch ungewis, ob einich gedruckt exemplar der ubergebenen confeßion in allem ge- meß sei. Uber das so werden die wort des X. artikels: under der gestalt?) die ursache, warumb die proceßion mit dem sacrament underlaßen, wider auch disputirlich gemacht, als solte man damit tacite die transsubstantionem bekennen. Item im artikel von der meße bekenne man, das wir an den meßceremonien keine mergliche enderunge dan nur an etlichen orten deutsche gesenge vorgenommen, do man doch fast alle ceremonien an vilen orten fallen laßen. 2) Nu soll man morgen suffragirn, welche exemplaria lateinisch und deutsch zu subseribirn?. 3) ob man solle eine neue vorrede stellen und ursachen dieser neuen subscription anzeigen. 4) ob man die kays. majestat solcher ursachen in sonderheyt berichten solle. 5) an die verwandten der augspurgischen eonfeßion, welche nicht erfordert, zuschreiben, das sie auch wollen subseribirn?). Was nu ferner uf diese artikel wird beschloßen werden, wil E. F. G. ich hernach schreiben. Weyl E. F. G. herr vater hochloblicher seliger gedachtnus die con- feBion zu augspurg ym 30. jare hat helfen uberantworten, hoffe ich, s. f. g. werden one ware copei nicht abgezogen sein. habe derhalben einen eylenden boten nach Onoltzbach geschickt, ob man in der cantzley etwas von denselbigen religions handeln finden konte, mir zu uberschicken und were notig und nutzlich gewesen, daß es unlangst geschee und eher ich anhero geschickt). Gistern kegen abent ist der landgraf ankomen und heute beym handel gewest‘). - Der Seßion halben haben Herzog Hansen von Meckel- burg geschickte mit den pomerischen gesanten sich bis anhero noch nicht wollen vergleichen laben). den bericht des uncostens der landsknechte schicken die rete hierbey, darynnen ich den mangel befinde, das man sich in meinem beisein der angegebenen 33 fl. halben mit dem vogt nicht verglichen hat. Ich hab aber dieselbige forderung widersprochen und wird uf seiner rechnung beruhen ob die zuleslich. Das ich aber zu annemung der knechte mit raten helfen, ist aus den ursachen geschehen, das die lantreuter

a) des brots, item im artikel: „von beyder gestalt“.

1) Bis hierher bei Kluckhohn S. 155 ff.

2) Die Punkte 1—5 sind die Proposition des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, s. Heppe I S. 381f., 384, Calinich S. 140, 146.

3) Von „Weyl geschickt“ bei Kluckhohn S. 158, s. auch Calinich S. 160.

*) Gegen Heppe I S. 380, der den 28. Januar als Tag der An- kunft angibt. S. dagegen Calinich S. 132.

5) Heppe I S. 381.

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gar entzelich und langsam auch in kleiner anzal ankommen und das allerlay seltzam geruchte von der Ottingischen reuterei ausgebreitet und der frenkische kreis mit der be- willigten defensionshilfe ubel versorget ist, weyl es ymmer ein geistlicher uf den andern geschoben hat. derhalben wol von noten getan, eine guardi anzunemen, hat gleichwol die abscheue gemacht, daß gotlob von denselbigen reutern kein sehade in E. F. G. landen gescheen. Wollen aber E. F. G. hinfort haben, das man in solchen fallen keine guardia sol annemen, das ruhet in E. F. G. gefallen. Es ist aber Ansbach zwar ubel verwart. dan bei den stellen seint allerley locher durch die mauer, dardurch vil schalk- heit aus und ein die stadt konte geubt werden. So seint die leut ytzo gar frech und mutwillig und konten in E. F. G. abwesen einen großen schaden tun, do man so gar ungefaßt solte sitzen. Gott wolle gnedig dafur behüten. Amen. Und E. F. G. gehorsame treue dienste zulaisten, wil ich allzeit geflißen sein und tue mich E. F. G. vnderteniglich commendirn. Datum Naumburg den 26 Januarii Anno 61. E. F. G. underteniger diener Wolf von Köteriz, obercanzler.

Am Mittwoch seint die beyde pfarherrn!) kommen und gistern der amptmann von kitzingen?).

Heute habe ich das Proclama geschrieben anschlagen laßen allhier.

Ansbacher Religionsakta Tom. 27 fol. 67 f.

IV. Wolf von Köteriz an Georg Friedrich. Naumburg, 28. Januar 1561.

Durchleuchtiger, hochgeborner furste. E. F. G. seint meine gehorsame treue dinst alzeit bereyt. Gunediger herr. Gistriges tages und heute furmittage ist von allen chur- und fursten und den abgesanden dahin gesloßen, das man aus mangel eins warhaftigen potocols von der confeßion, welche anno 30 dem keyser ubergeben, den druck in latey- nicher und deutscher sprachen vnderschreiben solle, welcher anno 31 zu Wittenberg in der 2. edition ausgangen. Und das man solte ein praefation stellen und darynnen ursachen dieser versamblungen anzeigen, auch sich uf die apologiam

!) Georg Karg von Ansbach und Ant. Colander zu Schwabach

kamen am 22. I. 1561. S. Ansb. Rel.-Akta Tom. Suppl. VII. Fasc. 12. 2) H. Sigmund von Krailsheim s. z.B. L. Bachmann, Kitzinger

Chronik des Fr. Bernbeck 745—1565. 1899, Kitzingen. S. 222.

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und sehmalkaldisehe artikel und locupletirte confeßion des 40 jaris, desgleichen uf die repetitio confeßionis des 51 jaris und den frankfurtischen abschied als cristliche erclerungen zihen und referirn. Doch ist dis punets halben noch so gar eintrechtig nicht geschlofen, weyl die instruetiones von solehen scriptis allen nicht ausdruckliche meldung tun) Man wird aber naehmittage villeieht eine formulam prae- fationis und darauf suffragirn und dem handel (wie sichs noch ansehen läßt) richtig abhelfen. Gott gebe seine gnade darzu?^) Wevl mir diese botschaft allererst in dieser stunde angesagt und nicht warten wollen und Dr. Adrian mir an- gezeigt, das er lengern bericht geschrieben, so hab ich E. F. G. uf dismal nur die Summa wollen anzeigen und werden E. F. G. aus D. Adriani bericht sich eins weytern zuerholen haben. Ich wil auch mit erster botschaft E. F. G. fernern bericht nach der lenge vnderteniglich zuschreyben. Von Zeitunge ist nicht besonders alhier, dan das des kaysers botschaft allbereyt forirn laßen und des bapsts legat auch bald wird ankommen.

Graf Philipp Franz Reingraf hat sich in starcken weinen ubertrunken, entzundet und derhalben verstorben. Und E. F. G. gehorsame treue dienste zu laysten wil ich altzeit gantz willig erfunden werden. Datum Naumburg vmb XI hora zu Mittage anno 61.

Ä E. F. G. vnderteniger dyener Wolf von Koteriz. Ansbacher Religionsakta 27 fol. 82.

V. Johann von Küstrin und Georg Friedrich von Ans- bach an die Räte zu Naumburg. CroBen, 30. Januar 1561.

Ernvesten, hochgelerten, lieben getreuen. Ir habt aus unserm jungsten schreiben, so wir euch von der Peytz aus gein der Naumburg uberschickt, vernummen, ob wir wol entlichen bedacht gewesen’ gegenwertigen tag zur Naum- burg neben den andern Chur- und Fürsten unserer religion verwandt aigener person zu besuchen, wie wir denn algerait zweie tagraisen vortgezogen, das uns doch glaubhaftiger berieht einkummen, das unser freundlicher lieber herr bruder und vetter, der churfurst zu Brandenburg von sich ge-

) S. Heppe I S. 386f. Calinich S. 159 ff. Das Protokoll vom 21.I. 61 in der Ansb. Rel.-Akta Tom. 27 Fol. 112f. Im Auszug ge- druckt bei Kluckhohn I S. 158 ff.

: ) Zum Kompromiß am Nachmittage des 28. Januar s. Calinich y. 262 f.

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schrieben, das ire lieb aus furgefallener ehehaft ursachen ungemelt ainiger leibschwachhait gein der Naumburg zu- ziehen verhindert werden. dieweil uns aber ire lieb zuvor zuerkennen gegeben, das sie den tag zu besuchen ent- schloßen, haben wir anders nit vermutet, dann ire liebden wurden von unsern freuntlichen, lieben óhaim, vetter und bruder dem churfursten zu Sachsen die nachrichtigung be- kummen haben, das ire liebden villeicht auch außen blevben und nit gein der Naumburg kummen möchten. Und hat uns hierzu desto merer nachgedanken und ursach gegeben. weil uns Joachim von der Sehulenburg persónlieh fur gewiß angezeigt, das hertzog Johanns Friedrich zu Sachsen, herzog Johanns von Mechelburgs kindtauf zu- besuchen vorhabens sein solle, wie dann Ire liebden unserm herrn brueder und vettern dem churfursten zu Branden- burg allgerait umb glaitliche annemung geschrieben hetten, also das hertzog Johans Fridrich zu Sachsen, desgleichen herzog Johanns von Mechelburg und die hertzogen von Pommern alle nit gein der Naumburg kumen wurden, das wir solches alles nit allain geglaubt, sonder auch dafur gehalten, weil diese chur- und fursten aussen blieben, es wurden auch von den andern der weninger tail ankumen und merertails die chur- und fursten ire rete mit gewalt und vollmaeht uf das gescheen ausschreyben schicken. Der- wegen wir dann und weyl uns Marggraf Georg Fried- richen, wie ir wißet, furderlich in unser land Schlesien zuraisen notwendig ursachen forgefallen, euch in bevel auf- erlegt, das ir den tag an unser stat besuchen und die hand- lung unserm schreyben gemef) furnemen und verrichten helfen sóllt. haben auch dafur gehalten, weil gleichfals durch andere chur- und fursten die sehiekung furgenommen, das dadurch unsers tails auch nits weniger, als ob wir gleich selbst gegenwertig, volzogen wurde. Nachdem aber unser cammerschreyber uf unsere erforderung von der Naumburg nechten spat bey uns alhie zu Croßen widerumh ankumen und uns bericht getuen der chur- und fursten ankunft gein der Naumburg und wes sich zum tail ire liebden auf unser anzaigen und entschuldigung, so ir von unser wegen getuen, vernemen lafen, daraus wir dann verstanden, das sich mit deme, so uns angelangt, verenderung zugetragen, und in mittels von dem churfursten zu Brandenburg uf unser schreyben und begern, bericht: bekumen, das ire liebden allain aus zugestandener leibsschwachheit inner landes plieben, welches wir aber, wie gemeldet, zuvor nit gewyst'). so weren wir solchem nach und weil es fur gut geachtet

1) S, Calinich S. 129 f,

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jetzo wol bedacht gewesen uns alsbald auch zu den andern chur- und fursten gein der Naumburg zuverfuegen, sonder- lich weil unser außenpleiben gar aus keiner andern ursachen, dann wie obengemeldet, gescheen. Weyl wir aber nit wißen, ob sölchs noch notwendig und ire liebden des orts anzu- treffen, so ist unser gnedig begeren und bevel, ir wöllet alle dise dinge, so uns zu unsern außenpleiben ursach gegeben, den beden churfursten pfaltz und Sachsen und dem hertzogen zu Wirtemberg vertreulich von unsertwegen eröffen und anzaigen und dabey bitten, das sie uns in an- sehung derselbigen unsers außenbleibens entschuldiget nemen wöllen mit dem fernern vermelden, do es ire liebden noch- mals fur notwendig und gut ansehen, das wir bei denselben personlich zur Naumburg erscheinen sollten und ire liebden in mittels nit abraysen wurden, weren wir urputig uns als- bald zu Custrin, dahin dan wir, unangesehen das wir Marg- graf Georg Friederich algerait zwo tagrayse nach der Schlesien verrichtet, uns alsbald widerumb verfuegen wollen, zu erheben und nach solchem anzaigen in funf oder sechs tagen uf syben oder acht kutschen bey iren liebden zu er- scheinen. im fall es nun dise wege erraicht, werdet ir uns herberig daselbst zu bestellen und die rechnung zumachen wißen, uf welchen tag uns solche antwort, die ir uns dann bei tag und nacht zufertigen wöllet, zukomen mag, darauf wir alsbald vermittels göttlicher hilf zu Custrin abzuraisen und unsern wege uf Schlieben zu zunemen willens. der- . halben ir dann bey dem churfursten zu Sachsen auch an- suechen wollet, das wir der ort glaidlichen angenumen und vortgepracht werden.

Darneben hat uns unser cammerschreiber ferner ange- zaigt, wes euch und ime fur bedenken furgefallen in denen worten: verdammung auch der calvinischen und zwinglischen secten und was daraus allenthalben, do unserm bevel stracks nachgesetzt werden sóllte, fur weitleuftigkeit ervolgen mochte. Darauf wollen wir euch gnediger meinung nit pergen, das wir hierinnen anders nichts bedacht oder gesucht dan die ere gottes und unserer seelen wolfart und das wir unsere gewissen freyen und sicher behalten mochten, obgleich da- dureh weitleuftigkeit oder unfreundlicher willen und veind- schaft ereuget und verursacht wurde, dan hierinnen kain freundschaft oder anders Gottes eher und einer freien christ- lichen bekantnus furzusetzen ist. derselbigen mainung seint wir auch noch und gedenken mit gottes hilf unser gewißen daruber fursetzlich nit zu beschweren. Darumb?) laben wir

a) Durchstrichen im Konzept: Wir seint aber darumb nit der maynung, durch unnotturftig ding, der man mit gutem gewißen uberig

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uns gefallen, sovern ir unsern bevel inhalt unsers jungsten schreybens angeregter wort halben noch nit verrichtet, ir wollet mit bederseits unsern teologien doraus reden, das sie on ainig ansehen der personen, freundschaft oder feindschaft und was der merer tail oder gleich alle tuen oder was sonsten darwider zubedenken sein mochte, lauter anzaigen wöllen, do diese wort des Calvini und Zwingli halben je bedenklich sein sollen, ob es an der generalerclerung ge- nuegsam, das man dergestalt die generalitet dahin speeifieirt hette, also das wir die verneuerung der augspurgischen con- feBion anzunemen anders nit verstunden und verstanden haben wollten, dann das alle secten und corrupteln, so der- selbigen zuwider verdambt und verworfen sein sollten, sie weren vor aufrichtung der augspurgisehen confeßion oder naeh ubergebung derselben confeDion anno 32(!) bis auf disen tag vorgelaufen, wie die namen haben mochten kaine ausgenummen, das wir uns derselben mit diser annemung nit wolten teilhaftig gemacht haben, sondern gedechten bey der augspurgischen eonfeBion, apologia und sehmalkaldischen artikel in ainen weg, wie den andern, durch gottes gnad zu verharren. Was sie die theologien nun hierinnen aus crist- lichen ursachen zu Gottes ehre und freyung unsers gewißens 'fur guet ansehen werden, dem wollet also laut unsers be- velhs uf ainen oder den andern weg, wie ir zutun wißen werdet, von unsern wegen nachsetzen. Und euch die sachen, wie wir euch vertrauen, bevolen sein laßen. das wöllen wir uns zu euch versehen und wolten euch, denen wir mit gnaden genaigt, solehs gnediger maynung in eyl nit pergen. Datum CroDen den 30 Januarii anno 61.

An obbemelder beder fursten rete jetzo zur Naumburg.

Ansbacher Religionsakta 27, Konzept fol. 70 ff, Kopie fol. 75 ff.

VI. Wolf von Kóteriz an Georg Friedrich. Naumburg, 1. Februar 1561.

Durehleuehtiger, hochgeborner furste. E. F. G. seint meine gehorsame, treue dienste alzeit bereit. Gnediger furste und herr. Man hat sich entlich verglichen, das die deutzschen und lateinischen exemplaria der augspurgischen confeßion, welche anno 31 zu Wittenberg gedruckt, sollen unterschrieben werden. Es ist auch ein schreiben an stad einer praefation

sein mocht, weitleuftigkeit und unfreundschaft zuerregen, daraus allerlei weitleuftigkeit beschwerung erfolgen mochte.

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an die k. Mjt. gestellet, damit alle chur- und fursten und gesandte wol zufrieden!) bis uf herzog Johan Friedrichen zu Sachsen, der wil ex consilio Iliriei und seins anhangs darein nit willigen oder subscribirn, man habe dan zuvor alle corruptelas specificirt und in der praefation damnirt. Weyl aber die chur- und fursten auch die gesandten in solche damnatio nicht willigen wollen, es gehe dan voran der geburende proces, haben die chur- und fursten in eigner persone alleine ad partem zu handeln sich heute nach Mit- tage underfangen. Gott gebe, das sie was guts ausrichten ?).

Am 30. Januarii hat man die kays. legaten gehort und ist ires anbringens das die Summa, das die kay. mt. ver- manet, das concilium zu besuchen mit verheischunge großer sicherheit und gleichheit und das umb solcher spaltunge willen der turek und Moscowiter zur strafe wider das deutsche blut sig haben und das man darauf solle bedacht sein, wie solchen feinden entlich zu steuern. Des bapsts gesandte haben noch nichts anbracht, werden den abwesen- den chur- und fursten nachziehen?).

Es ist der castner vom hof bey mir gewest und der bemeckerischen guter halben allerlay kriegsbericht auf E. F. G. befel mir getan. Aber weil E. F. G. der gunst halben sich entlich erelert, hab ich ime keinen andern bescheid geben konnen, dan das er E. F. G. allen bericht und sein bedenken solte zuschreiben, welchs ich hierbey ubersende.

Es berichtet mich auch bemelter castner, das marggraf Albrechts hochloblicher gedechtnus gleubiger itzo neulich bei einander gewest und yr 4 zum kayser abgefertigt.

Doctor Distelmeyer Churf. Br. Cantzler habe ich an- gelanget umb urkunde von der gleubiger drawhungen, dar- auf er mir angezeigt, das die ereditores neulich ein sup- plieation mit vilen sigeln an den ehurfursten von Brande- burg geschiekt, darynnen sie sich viler harten drawwort sollen vernemen laßen, dasselbige konten E. F. G. zur ur- kunde vom Churfursten von Brandenburg erlangen und brauchen. Es ist auch neulich ein bote alhier von Culm- bach gewest mit einem brief mit 14 Siegeln, weyl er aber zu E. F. G. eigen handen geschrieben, habe ich yne nieht

1) S. Heppe I S. 387, Calinich S. 163, 167 ff. Die Präfation A. Rel.-A. 27 Fol. 204 ff. und 212 ff.

2) Heppe I 35. 390f. Calinich S. 178. Kluckhohn I S. 162, hier „es ist underfangen“ gedruckt.

3) Calinieh S. 190. Heppe I S. 396. Kredenz Kaiser Maxi- milians Il. für seine Gesandten. A. Rel.-A. 27 Fol. 90f. Vortrag der kaiserlichen Räte mit der Bezeichnung: auscultatum in consilio. 21.(!) Jan. 1561, ibidem fol. 92 ff.

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offenen wollen und dem boten, widerumb an seine junckern zubringen oder an E. F. G. zutragen zugestellet.

Dieser bote wird zum Amptmann von Cadelsburg ge- schickt, sol ym brief bringen, das hans Melchior von Seckendorf zu Jochsberg gestorben sey. do nu E. F.G. ein intereße an solchem falle haben, oder derhalben am kammergerichte allbereyt anhengig weren, so werden E. F. G. zubefelen wiDen, wes man sich verhalten solle.

Weyl auch besorglich der ereditorn gesandte an keyser werden allerley zu irer beschonunge vorbringen, solte nicht ungeraten sein, E. F. G. hetten zum wenigsten einen bericht an die kay. mjt. neben ubersendung des proclama uber- schickt und auch, in was termini der handel mit den cre- ditoribus itzo beruhe, auch das man umb ein mandat wider yr unrechtmeßig drawhunge undertenigst gebeten.

E. F. G. vnderteniglieh zu dyenen bin ich altzeit gantz wilig. Datum Naumburg, den 1 Tag Februarii anno 61.

E. F. Gnaden vnderteniger dyener Wolf von Kóteriz.

In Hertzog Johans Fridrichen ausschreiben ist die kausel, das man uf diesen tag die disputation von corruptelis soll einstellen, gar ausgelaüen und daraus voiget nun die trennunge').

Ansbacher Religionsakta 27 fol. 79 f.

VII. Wolf vou Kóteriz an Georg Friedrich. 3. Februar 1561.

Durehleuchtiger hochgeborner furste, gnediger herr. Uf E. F. G. und m. g. h. marggrafs Johansen eylenden befelich haben D. Adrian und ich von stund an gestern umb 1 hora - beyden churfursten Pfaltz und Sachsen yn beysein pfalz- graf Wolfs, des hertzogen von Wirtembergs und land- grafen E. F. G. entsehuldigunge und erbyeten vorbracht, welehe daran ein genugen gehabt, aber sieh nieht ereleren wollen, ob sie noch acht oder mehir tage alhier bleyben wurden. Es laßen sich aber die hendel also an, das sie villeicht in wenig tagen verrucken werden. Heute fruhe unvorsehens ist hertzog Hans Friedrieh abgezogen und fragen sich die hendel also gar yrrig zu zwischen vater und son, das es sich nicht wil schreiben lafen?) Es seint heute

1) Heppe I S. 379. Calinich S. 139, 106 f., 112, 115, 130. 2) Heppe I S.391f. Calinich S. 185. „Heute angesagt“ bei Kluckhohn S. 166.

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solche relationes gescheen, welche Dr. Adrian E. F. G. zu referirn uber sieh genommen und der feder nicht zu vor- frauen seint; in Summa der böse engel ist auch vorhanden, und sireitet starck wider die concordiam. Gott wolle im steuern. Amen. Doch hoffe ich, es solle die confeßie und apologia noch vndersehrieben werden, obgleich hertzog Johans Friderich abgereyset. Diesen ganzen tag seint die chur- und fursten neben den gesandten zu rat gewest und allererst synt umb 6 hora von einander gangen. Morgen vmb 7 hora wider angesaget').

Und .E. F. G. vnderteniglich zu dyenen bin ich ganz willig. Datum eylende bey E. F. G. post, welcher noch .diesen abent auszureiten. am 3. Tage Februarii Ao 61.

E. F. G. vnderteniger dyener Wolf von Koteriz.

. Ansbaeher Religionsakta 27 fol. 81.

VIII. Wolf von Kóteriz an Georg Friedrich. Ansbach, 23. Februar 1561.

Durchleuchtiger, hochgeborner furste. E. F. G. seint meine gehorsame treue dinste altzeit bereit. Gnediger furste und herr. am 9 Februarii seint meine zugeordnete und ich von der Naumburg abgezogen?) und am Sunnabent for fast- nacht?) heimkommen. Sovil ich acta uf dismal zur Naum- burg erlangen konnen, schieke ieh E. F. G davon ware ab- schrift. Was noch mangelt, versehe ich mich bei pfalzgraf Wolfgangs cantzler zu erlangen. Uf den frankfurtischen *) und itzigen Naumburgischen abschiet?) weren hochvonnoten, ein visitatio und eonsistoria in E. F. G. landen zuverordnen*). Ob aber dasselbige fur E. F. G. widerkunft anzufahen oder zum wenigsten zu beradsehlagen, das ruhet in E. F. G. ge- fallen. So konte auch mit der zeit bedacht werden, wie die beide stifte in E. F. G. landen‘) und das eloster Hailbrunn

1) Die beiden von Kóteriz unterschriebenen Exemplare der Augs- burgischen Konfession A.R.A. 27, 236 ff. lat, und 2811f. deutsch. Unterschriften vorhanden. W. Preger, Matthias Flacius Illyricus und seine Zeit. II. Erlangen 1861. S. 99.

2) Vgl. auch A.R.A. Tom Suppl. VII Fasc. 12.

3) 15. Februar 1561.

4) Ansb. Rel.-Akta 26 Fol. 279 ff., 301 ff., gedruckt z. B. Corpus Ref. IX p. 489 ff. Vgl. Heppe I S. 269 ff,

5) Abschied des Tages von Naumburg. A.R.A. 27, 320 ff., 333 f., 3944 ff. S. Calinich S. 224 ff.

6) Uber die folgenden Beratungen behufs Errichtung eines Kon- sistoriums a. a. O. S. Lang III S. 361.

*) Ansbach und Feuchtwangen.

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auch cristlicher und nutzlicher mochten gebraucht werden, dan es itzo geschieht.

Und E. F. G. undertenige treue dinste zulaysten wil ich altzeit willig sein. Datum Onoltzbach am Sontag Invocavit anno etc. 61.

E. F. G. vnderteniger dyener | Wolf von Koteriz, obercanzler.

Ansbacher Religionsakta 27 fol. 357.

IX. Georg Friedrich an Johann von Küstrin. Jügerndorf, 6. Márz 1561.

Hochgeborner furst, freuntlicher lieber Herr Vetter und Vater. Wir haben E. L. schreiben an uns getan sampt etlichen uberschickten copien allhie entpfangen und derselben inhalt vernommen und sagen erstlich E. L. das sie sich hie- rinnen freuntlieh und unbeschwert gegen uns ertzaiget ganz freuntlichen dank.

Sovil dann die vorrede uber die confeBion wie die hie- vor anno 30 der kay. mjt. ubergeben anlangt, haben wir gern gehort, das die von dem merer teil vergliechen, vnder- schrieben, versiegelt und sich insonderheit des sacraments halben lauter ercleret worden, achten auch dafur, es sey aus vilen ursachen hoch notwendig. Das aber E. L. und unsere rete außer bevel in der vorrede gehandelt, zweivelt uns nit, E. L. werden in mittels von irn reten vernommen haben, warumb solches gescheen. So haben wir aus der copei des sehreibens, welehes E. L. an den churfursten zu Sachsen getan!), befunden, was E. L. in der vorrede zu endern und außen zu laßen aus furgewendten ursachen fur notwendig angesehen. und wiewol wir bekennen müßen, das wir nit des verstands oder gnugsam sind, unser bedenken in dieser hochwichtigen sachen anzuzaigen, so haben wir doch zu E. L. als unserm herr vater das genzliche vertrauen, ob es gleich von uns nit getroffen wurdet, oder wir uns mit vergeblichen gedanken bekomern, das doch E. L. als der hochverstendige uns darinnen nicht verargen. und laßen uns demnach be- dunken, es haben E. L. nit geringe, sondern christliche ur- sachen beweget, die angezeigte enderung in der vorrede zu begern. Dan wir und meniglichen muefen bekennen, dass seit der vberantworteten confeßion anno 30 allerley cor-

1) Johann von Küstrin an Kurfürst August, d. d. Beskow. So. Inv. (23. IL) 1561. A.R.A. 27, 865 ff. und 369 ff. Calinich S. 286. Heppe I S. 409. |

Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 2. ]4

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rupteln, secten und mißbreuch derselben confeßion zu ent- wider eingeriBen. Sollte nun dasselbe öffentlich wider- sprochen werden, das es nit gescheen, in maßen dann die vorrede mit sich bringt, so wurde das widerspiel nit allain in offentlichem druck und schriften und sonst am tage liegen, doraus dann kunftig, wie zubesorgen nit allain unser wider- tail, sondern etliche vnder unsern religionsverwandten allerley einfüren und erregen möchten, sondern es würden auch der hertzog zu Sachsen, seine theologi und andere, so dawider geschrieben und geleret, wovern sie sich zu solcher vorrede bekennen wurden, durch solich widersprechen von meniglich als uberwunden geachtet werden. Derhalben mochte nit ungut gewest sein, das E. L., als die den verstand und volg haben, dieser sach zur Naumburg beigewonet hetten !). So zweivelt uns nit, E. L. wurden ain solehe enderung in der vorrede erhalten und dadurch den herzogen zu Sachsen zu allgemainer, ainhelliger vergleichung bewegt haben, welches dann ein christlich werk und in vil weg nutz und gut ge- west were, wir auch fur unser person wol leiden hetten mogen. Weil aber E. L. und wir durch ungleichen bericht doran verhindert worden, also das E. L. und wir unsers nit erscheinens billieh entschuldigt und gleichwol nichtswenigers die vorrede uber die confeßion one zweivel aus allerlei be- wegnußen allgerait von dem mererntail verglichen, unter- schriben und besigelt, darzu sieh unsere gesanten auch be- kennet, so tragen wir die fursorg, der churfurst zu Sachsen werde uf E. L. schreiben der gesuchten enderung halben in der vorrede villeicht allerlei bedenken haben, darinnen etwas furzunemen oder ferner gelangen zu laben. dann wir machen uns kainen zweivel, weil solehe gestellte vorrede durch viler ehur- und fursten schreiber abgeschrieben und nunmer hin und wider uberschickt worden, die kays. mjt. und etzliche von unserm widertail werden copien davon allgereit be- kommen haben oder dieselben doch noeh erlangen. Sollte nun irer majestat hernach die vorrede E. L. enderung gemes zugestellt werden, mochte es bei irer mjt. und unserm wider- tail ain seltzam ansehen haben und villeicht dahin gedeutet werden, als ob in erster vergleichung zum höchsten wider- fochten, das der Augspurgischen eonfeBion zuentwider nichts eingerißen und hernaeh als die sachen verichtet und das widerspiel erinnert worden, dasselb mit stillsehweigen um- gangen were. Aber wie deme allem, weil wir uns, wie oben gehort, zu gering achten dieser dinge rat zuschaffen, so werden E. L. den sachen wol recht zu tun und denselben

1) Genau so schreibt August von Sachsen. Calinich S. 237,

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geburlichen nachzudenken wiDen und sich unser ainfeltig schreiben nicht irren laßen. Wir bitten aber freundlich, E. L. wolle uns verstendigen, aus was ursachen der schmalkal- dischen artikel in der vorrede nit auch gedacht ist und warumb etliche fursten und gesante das werk nit gesiegelt.

Was dann hertzog Johanns Friedrichen in seiner Lieb zur Naumburg ubergebnen schrift fur beschwerung furgewendet, die haben wir auch gelesen und ob wol gut gewesen, das etliche ding nit so öffentlich in schriften erregt worden, so bedunkt uns doch sein lieb haben zum tail ur- sachen gehabt und die beschwerungen nit heßig oder ver- drießlichen stellen laßen. Wollen aber zu Gott hoffen, seine Lieb werden sich noch zu aller gebür finden laBen!)

Sovil aber uns belangen tut, uns uf die vorrede und gepflogene handlung zuereleren, wiDen E. L. unser als eines jungen fursten gelegenheit, das wir auch mit leuten zur notturft nit gefaßt und do wir die gleich hetten, das wir doch das höchste vertrauen in E. L. als unsern herrn vater setzen, zu welchem wir in allen unsern anligenden nöten und sachen unser höchste zuflucht haben, dabei wir auch bisher alle vaterliche trew, rat und hilf gefunden. dem- selbigen nach bitten wir ganz freuntlich, E. L. wollen uns ir vaterlieh wolmainend bedenken in schriften unbeschwert er- öffnen, wes uns gebüren will, hierinnen furzunemen und zu handeln und uns nit verargen, weil E. L. fur ire person zu- tun gnug haben, das wir E. L. mit dieser und vielen andern unsern sachen so vilfeltig und stetigs bemühen. Das wollen wir E. L. und die iren nach allem unsern vermögen freunt- lich zu vordienen jederzeit willig erfunden werden. Wir haben auch aus den schriften verstanden, was der kays. mjt. und des babsts gesanten geworben und achten dafur, es sei inen geburliche antwort ervolget und nit ubel bedacht worden, das die antwort den kays. gesanten gegeben anch mit ein- verleibet, weil die kys. mjt. uf so hohen furgewendeten fleiß bei dem babst kain enderung der malstat zum Concilio er- heben konnen, das daraus wol sovil zuversteen, das in artikeln wenig bei ime zu erhalten?). Und nachdem uns sonst ain abschrift zukomen, wes die englisch botschaft zur

1 Die Erklärung Joh. Friedrichs auch. A.R.A. 27 Fol. 165 ff. S. Calinich S. 179. Heppe I S. 391.

2) Kredenz des Kaisers für seine Gesandten d. d. 10. I. 1561. A.R.A. 27, 90. S. Calinich S. 190. Vortrag der kaiserlichen Räte. Fol. 92. S. Calinich 8.192. Heppe I S.396 Antwort der Stände (auscultatum 4. II. 1561). Fol. 98. Calinich S. 200. Heppe I S. 399, Schreiben der Stände an den Kaiser. Fol. 104. Calinich S. 203. S. Heppe I 8. 399. Antwort der Stände den päpstlichen Gesandten erteilt, 7. II. 1561. Fol. 85/87. Calinich S. 204. Heppe I S. 899.

14*

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Naumburg geworben haben soll, so macht uns dieselbige werbung dannoch allerley naehgedanken. Dann ob wol Engelland zu seinem vortail dadurch etwas suchen möchte, so ist es doch nicht gering zu achten, das sich ein solich konigreich zu unserer religion bekennet und des vorsteenden concilii halben zu ainhelliger vergleichung und allem guten erbieten tut. Möchten derhalben gern wißen was fur antwort darauf ervolget ist?).

Die antwort, so E. L. des babsts gesandten zugeben bedacht sind, die haben wir E. L. halben unvermerkt ver- deutschen laßen und bedunkt uns seer scharf, aber doch nach gelegenheit der sachen ausfürlich genug gestellt sein und werden E. L. bei dem bebslichen haufen wenig dank damit verdienen?) Wir ubersenden auch E. L. hiemit widerumb neben inligender zeitung, die uns nechten zukommen und ainen abdruck der angeschlagenen edicta wider Albrechts gläubiger, alle copien, so sie uns überschickt außerhalb der vorrede und antwort dem bebstischen gesandten gegeben und was E. L. an den churfursten zu Sachsen geschrieben. Und haben solches E. L. freuntlieher maynung nit pergen wöllen mit freuntlicher bitt, E. L. wollen derselben geliebten gemahel und dochter von unser und unser hertzlieben ge- mahel wegen viel liebs und guts sagen. Datum Jegerndorf Donnerstag naeh dem Sontag Reminiscere anno im LXI.

An marggraven Johansen zu Brandenburg.

Cedula: Wir schicken auch hiemit E. L. unsere antwort an Wilhelmen von Grumbach uf sein Schreiben, so er yetzo an uns getan von wegen der 2000 fl, die seinem fur- geben nach seiner hausfrau noch unbezalt ausstendig sein . sollen, welche aber vor langst bezalt sind. Dieselb antwort werden ime E. L. bei zufelliger botsehaft zuzuschicken wißen.

Konzept in Ansbacher Religionsakta Tom. 27 fol. 412 ff.

X. Georg Friedrich an Wolf von Kóteriz. Jügerndorf, 15. Márz 1561.

Vester, lieber, getreuer. Euer schreiben und uber- schickte acta, sovil ir deren zur Naumburg erlangen konnen, baben wir entpfangen und wollen die zu gelegner Zeit ver- lesen horen. |

Was sonsten euer anzeigen ain visitatio und consistoria in unsern landen zuverordnen anlangt, weil wir derwegen

!) Englische Werbung. A.R.A. 27 Fol. 108 ff. Gedruckt Heppe I, Beilage Nr. 37 S. 132. S. Calinich S. 208. *) Ansb. Rel.-Akta 27 Fol. 390 ff.

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nit notturftig bericht haben, so konnen wir noch zur Zeit nit entlich bescheid geben. Es soll uns aber nit zuwider sein, das ir und die andern unsere rete davon redet und rat- schlaget und wann wir widerumb anhaimbs kommen, das uns dieselben bedenken furgetragen werden. alsdann wollen wir uns unsers gemuets darauf eröffnen.

Sovil die beede Stift!) und das closter hailsbrunn betrifft, möget ir zu unserer anhaimbskunft derwegen an- manung tun. Das wollten wir euch, dem wir mit gnaden genaiget, hin widerumb gnediger maynung nit pergen. Datum Jegerndorf, den 15. Martii x LXI.

An Obereantzler zu Onoltzbach.

Konzept Ansbacher Religionsakta 27 fol. 358.

XI. Markgraf Johann von Brandenburg an Markgraf Georg Friedrich. Peitz, 22, März 1561.

Unser freuntlieh dinst und was wir liebs und guts ver- mugen alzeit zuvorn. Hoehgeborner furst.. Freundlicher lieber Vetter und Sohne. Wir haben E. L. schreiben unter dem dato Jegerndorf, Dornstag naeh Reminiscere, emp- fangen und seins inhalts vernommen?). Und soviel unsere rete, so auf jungst gehaltenem versammlungstage zur Naumburg gewesen betrifft, das sie auser bevels gegangen, das ist nicht zu verneinen. dann ire instruction oder ferti- gung vormag lauter, das sie mit ausgedrugter maße sich neben den andern zu der augspurgischen confeßion von unsertwegen bekennen auch sich erbitten sollten, wann uns die confeßion zugeschickt, das wir sie mit solchem erclerten verstande neben iren Liebden underschreiben und besiegeln wollten?). Nun haben unsere gesanten nicht allein die mas nicht gehalten, sondern auch auser bevel die von unsert- wegen vnderschrieben und besiegelt, des ir bevel nicht ver- mocht furs eine. Und ob wol solchs kegen dem churfursten zu Sachsen nicht erwenet, das man sonsten wol zu tun macht gehabt hette, so ist es doch alleine unsern reten zum glimpf underlaßen worden.

Zum andern: so seint die rete in deme auch aus irem bevel gegangen, das sie in die vorrede, welche gleich sehr in solchem angeregten punct bedenglich und nicht wol zu leiden, gewilligt und die mit vnderschrieben, des sie doch

1) St. Gumbertus zu Ansbach und Feuchtwangen. ?) Beilage IX. 3) Beilage I.

206 . 70

keinen bevel gehabt, uns auch in der erforderung des tages einige vorrede beratschlagen zu laßen so wenig angemeldet, als wir derenthalben seint erfordert worden.

Und dieweil nun unsere rete solchs auser bevel getan, so haben wir allein zweine punct, davon das ausschreiben meldung tut, als das wir unsere rete zur bekennung und annemung der augspurgischen confeßion auf ausgedrugte bescheidenheit dermaßen zu beratschlagung des concilii und was darwider vorzunehmen sein mochte allein und weiter nicht abgefertigt hetten an den churfursten gelangen laßen, doraus E. L. leicht verstehen mußen, das die unsern zu.der vorrede die zubewilligen, (dorumb wir doch nie ersucht viel weniger dorauf den unsern bevel hetten geben mugen) nicht abgefertiget worden !).

Unsere rete aber, ob sie wol nicht verneinen mugen, das sie des von uns keinen bevel gehabt, so wenden sie doch fur, sie hetten es nicht anders dan auf das kunftige verstanden, und das die vorrede von der fursten personen allein redete, do doch die vorrede lauter gibt, das sie nicht allein von dem kunftigen und kegenwertigen, sondern auch von dem vergangenen ausdrugliche meldung tut, das sie auch nieht allain von den fursten, iren personen, sondern auch von iren landen, schuelen und kirchen, als hetten sie dorinne der augspurgischen confeßion zuwider nichts vor- stattet, ausdruglichen redet. so hat uns auch unser rat und diener Bartold von Mandelsloe gesagt, das er der meinung gewesen, man solte die vorrede so wenig als die Augs- purgische confeßion underschreiben, er were aber von unserm doctor?) und E.L. rate?) uberstimmt worden, das er dasselbige also mit inen auch hette friedlich sein mußen. Und dieweil wir unsern doctor kennen, so seint unser gedenken, das er sich mehr die colera und die affeet wider die Jenischen wird haben laßen regirn, dann das er achtung auf seinen bevel gegeben‘). Und ob es wol von inen nicht böse gemeinet sein möchte, so ist es doch einmal wider iren bevel lauter gewesen und stehet allein darauf, was itzo uns zutun sein will, ob uns geburet unwarhait fur warheit under unserm secret und hand zubekennen.

Nun kann uns das nicht irren, was unsere rete außer irer volmacht und bevels von unserntwegen gesiegelt und underschrieben aus ursachen, wie vor erzalt; so wil uns

1) Johann von Küstrin an Kurfürst August von Sachsen d. d. Beskow. So. Inv. (23. IL) 1561. A.R.A. 27, 865 ff., 869 ff. S. Calinich S. 236. Heppe I S. 409.

2) Dr. Adrianus Albinus.

3) Wolfgang von Kóteritz.

*) S. Calinich S. 158.

71 207 auch nicht gebüren, dasjenige so standhaftig zuvorneinen, das wir wißen, und menniglich bekannt ist, das das widrige geschehen, wie es uns dann auch kegen menniglich unrum- lich wolte nachgesagt werden. Und soviel weniger gebueret uns wider die warheit und wider gottes gebot falsch ge- zeugnus zugeben und die, so wider corruptelen und interim geschrieben und so heftig gestritten, in irer unschuld zu verdammen. Dies seint die ursachen und bewegnußen, die uns bis dahero abgehalden und noch abhalden, das wir die vorrede nicht zu unterschreiben gedenken, es wurde uns dan gestattet. eine bey erelerung dem obigen inhalt gemeß dobey zutun.

Wir schicken auch E. L. hiemit zu die vorrede uber die augspurgische confeDion, die wir achten, das sie aus einem vorsehen uns widerumb uberschickt ist!) und eben sowol die copey des schreibens, so wir an den churfursten zu Sachsen getan?) , beneben deme, wes der Churfurst hin- wieder uns beantwortet?) mit zuschickung hertzog Johans Friedrichs zu Sachsen letzter antwort*) und wes wir dorauf wieder an sein des Churfursten L. geschrieben und gelangen Jaßen?), doraus werden sie fein und ordentlich sehen, was der streit zwieschen inen beiden auch unser bedenkens darauf ist.

Nun ist es war, das die wort, wie sie von den chur- furstlichen sechsischen in der präfation von dem abendmal begriefen also lautende: „und das der herr Christus in der ordnung solchs seines abentmals warhaftig, lebendig, wesent- lieh und gegenwertig sey auch im brot und wein also von ime geordent, uns Christen sein leib und blut zueßen und zutrinken gegeben*$) rein und lauter gestalt seint, do man sie mit einfaltigem herzen und augen ansihet und glaubet; hinwiderum so ist aber auch war, wann sie es alles geist- lich deuten und vorstehen wollen, nieht auf die menschheit, sondern auf die gottheit Christi, das sie iren verstand aus solehen worten auch erzwingen mogeu. Dann wer will leugnen, das Christus nach seiner gottheit nicht lebendig, wesentlich, warhaftig und kegenwertig sey. Und wan sie

1) Ansb. Rel.-Akta 27, 204 f., 212 ff. Vgl. Calinich S. 167 ff.

2) d. d. So. Inv. (23. II) 1561. A.R.A. 27, 365 ft., 369 ff. S. Calinich S. 236. Heppe I S. 409.

3) d. d. 1. März 1561. A.R.A. 27, 373 ff. Calinich S. 237. Heppe I S. 410.

4) Doch wohl das Schreiben Johann Friedrichs vom 11. II. 1561. A.R.A. 27 Fol. 144 fË. S. Calinich S. 218.

5) d. d. Sa. n. Rem. (8. 3.) 1561. A.R.A. 27 Fol. 377. Unter anderm Datum bei Heppe I S. 411. Calinich S. 238.

6) Calinich S. 170.

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nun das in solchem unrechten verstande mit zerreißung der beider naturn in Christo also verstehen wollen, so ist der sachen dadurch wenig oder nichts gehulfen. So gibt es auch große vordechtlichkeit, das sie nicht haben in der vorrede leiden wollen, das die ungleubigen so wol den leib und das blut christi als die gleubigen entpfaen. Dann das muß unwidersprechlich folgen, entpfahen die ungleubigen nicht den leib und das blut des herrn, sondern allein die gleu- bigen, so muß es auch allein eine geistliche nießung, welche die gleubigen durch den glauben entpfahen, sein, wie es dann die Zwinglianer allemal dafur gehalden und noch. Und wir besorgen, der schweer sticket inen vnder dem hertzen vnd werden durch derer von Sachsen erclerung scheutzlich gezeiget.

Sie haben zu irem teil vorgegeben, die wort, so die jungen herrn von Sachsen begereten dobei zusetzen, weren ungewonliche, ungebreuchliche wort, das auch die schrift davon nicht also redete. hierumb solte man billich der art der schrift und solchen gebreuchlichen wortern folgen. Nun findet man in allen tractaten, do rotten und secten gestraft, das man oft worte darzu gebrauchen muß, die sonst wol nach gemeiner art der schrift zu reden nicht gebreuchlich, domit man sovil desto baß solche rotterey oder secten er- cleren und meniglich zuvorstehen an tag geben kan, wiewol wir gleich sehr selbst fur unser person wolten darzu helfen raten, das man sich an solehen gemeinen worten solte be- gnügen laßen mit erelerung, wie wir die derenthalben an den churfursten zu Sachsen getan.

Das E. L. bitten, wir wollten dieselbige verstendigen, aus was ursachen der schmalkaldischen artikel nicht auch gedacht und warumb etliche fursten und gesanten das werg nit gesiegelt!), seint wir von den unsern berichtet, die weil die schmalkaldischen artikel des merern teils, was auf einem concilio solte tractiret und gehandelt werden, redeten, und man denen, so itzo zu beratschlagung des con- cilio zu hauf kommen sollen?) die sehmalkaldischen und andere artikel mit zugebrauchen bevolen, die schmalkal- dischen auch nieht von den chur- und fursten underschrieben und dermaßen, wie die augspurgische confeßion oder apologia der kay. mjt. hette ubergeben werden sollen, so ist solchs aus denen ursachen unnótig geachtet worden und sonderlich, dieweil doeh in der praefation diese wort stehen: ,wie dann auch gleieher gestalt unser meinung dahingerichtet, das wir andere der unsern christliche schrifte und repetirte con-

1) Calinich S. 186, 227. 2) Versammlung zu Erfurt. Calinich S. 226. Heppe I S. 421.

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feBionen hiemit nieht verwerfen noch begeben, sondern die- selbigen in dem verstande der heiligen schrift und itzo vor- neureten confeßion und apologia gemeß in alle wege wollen vorbehalten haben*!) wie dann der gantze artikel solche. meynung in sich helt, doraus lauter zu befinden, das die Schmalkaldischen artikel sowenig als andere schriften verworfen, sondern vorbehalten bleiben.

Das aber etliche die vorrede nicht underschrieben, so kegengewertig gewesen, auch etliche gesanten es auf hinder- bringen an ire herren auf sich genommen, werden wir be- richtet, daß hertzog Ulrich von Meckelnburg von wegen der wort, das die ungleubigen sowol als die gleubigen den leib und das blut christi im abendmahl empfingen und man solehs nicht hette dorinne dulden wollen, sich der vnder- schreibung geweigert?) So hat auch hertzog Hans von Meckelnburg in der vorrede eben das bedenken gehabt als wir. Sonst wien wir gleich sehr nicht, das bey andern sonderliche weigerung gewesen. Engeland und Denemark haben sich der underschreibung der augspurgischen con- feßion?) so wol als holstein erbotten, wo weit man bey der augspurgischen confeßion zu bleiben gedechte *).

Das nun E. L. freundlich bitten, wir wolten ir dorauf unsern rat und gutbeduncken antzeigen, konnen wir E. L. je bessers nit raten, dann wir bey uns selbst befinden, das uns in denen sachen zu erhaltung reiner gewißen und un- schuld geburet. Wollen E. L. nun eine gleichformige schrift an den ehurfursten zu Sachsen stellen laßen, damit er nicht vormeinte, E. L. ratificirten mit stilleschweigen irer rete vor- willigung, das stellen wir zu derselben gefallen; wolten sie. auch, das sie bishero noch keinen grundlichen bericht von iren reten erlanget, also dissimuliren, als wußten sie es nicht, dieweil doch auch E. L. schreiben an den churfursten zu Sachsen fast langsam und spet ankommen wurde, sondern wolten lieber erwarten, das man erst E. L. das rechte original zuundersehreiben zuschiekte oder aber bis E. L. in ir furstlich hoflager kegen Onoltzbach kumen, das wir gleich seher auch nicht widerraten konten, das es alsdan geschehe, solehs alles stellen wir zu E. L. bedenken, dann wir ir, wie gemelt, in dem nicht meher als uns selbst raten mugen.

!) Calinich S. 169.

2% Calinich S. 186, 227.

3) Englische Werbung. A.R.A. 27, 108 ff. g. Heppe I Beilage Nr. 37. Schreiben des Königs von Dänemark. A.R.A. 27, 111 ff. c. Heppe I Nr. 36. S. Calinich S. 208 ff.

4) Calinich S. 187.

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Was Engeland geworben haben wir gleich sehr davon keine abschrift, bitten freundlich, E. L. wollen uns eine zu- schicken. der substanz aber seiner werbung seint wir be- richtet worden, in maßen wir solchs selbst E. L. zugeschrieben. Die antwort, so ime dorauf worden, soll die gewesen sein, das mans zu hohem dang von irer Kö. W. angenommen, sieh auch hinwiederumb alles freundlichen und guten willens erboten !).

Die antwort, so wir dem bepstlichen gesanten gegeben, ist etwas mitigirt worden, darvon wir dann E. L. warhaftige copey zuschicken; bitten freundlich, E. L. wolten gleich sehr dieselbe antwort in dero landart sogar weit nicht aus- sprengen °).

der zugeschickten zeitungen tun wir uns kegen E.L. freuntlich bedanken, bitten, was weiter vorfelt, uns solchs auch mitzuteilen.

Das keyserliche edict belangend ist dasselbige zu unserm fail wolgestellt und wann wirs gleich selbst hetten machen sollen, so were doran nichts zuvorbeßern. Dem herrn sei lob.

Wir bitten auch freuntlich, E. L. wollten ire gemahel, unsere tochter von unsernt und unserer gemahel wegen freuntlich grußen, wie dann auch unser gemahel E. L. viel liebs und guts vermelden leßt. |

Wilhelm von Grumbach wollen wir mit zufelliger botschaft E. L. wieder antwort zuschicken und laßen uns dieselbe wol gefallen.

Solchs alles mochten wir E. L. hinwider unvormeldet nicht laßen und seint derselben nach vermugen freundtlich zu dienen willig und geneigt.

Datum Peitz Sonnabends nach Letare anno 61.

Von gots gnaden Johans marggraf zu Brandenburg, zu Stettin, Pommern, der Cassuben, Wenden und in Schlesien, zu Großen hertzog, Burggraf zu Nurnberg und Furst zu Rugen.

I. manu propria scripsit.

Adresse: dem hochgebornen fursten unserm freundlichen lieben vettern und Sone herrn George Friederichen Marg- grafen zu Brandenburg, zu Stettin, Pommern, der Caßuben, Wenden, auch in Schlesien, zu Jegerndorf und ete. Herzogen, Burggrafen zu Nurnberg und fursten zu Rugen.

Ansbacher Religlonsakta T. 27 Fol. 359 ff. !) Calinich S. 210. Die Antwort gedruckt Heppe I Beilage

Nr. 38 S, 135 ff. *) ARA. 97 Fol. 394 ff.

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Beilage XII. Ausgaben für Lebensmittel vom 20.1. bis 26. I. 1561.

Was ieh ausgeben vor die kuche und keller angefangen den montag Fabiane Sebastiane bis auf den montag nach Paulus’ bekerung.

8 gr. 2 Pig. vor 7 Pfund karpen. 7'/, gr. vor 1!/, Pfund gereucherten laehs. 3 gr. vor neuneugen. 4 gr. vor ija schock eier. 4 gr. vor zumöse. 6 gr. vor würze. 65 gr. vor gereucherdt schepsenfleisch. 11 gr. 4!/, Pfg. vor grünen lachs ist 3 Æ le gewest. 5 gr. vor eier. 7 gr. vor wörzl und zocken. 6 gr. vor 4 7/ plan hecht. 2'/, gr. vor mal- musier zum trisinet. 30 gr. vor 18 Æ speck ein pfund vor 20 Pfg. 5 gr. vor merrettieh. 3 taler eine hose potten (r?) und 3 Æ gesehmelzte potter(?). 12 gr. vor rote ruben. 24 gr. vor 3 schock eier. 8 gr. vor zwiebeln. 24 gr. vor obs reuch kuchlein und wolrichend wasser. 9 gr. vor salzs. 8 gr. vor bier uud weineßig. 30 gr. 9 Pfg. vor 41 €/ schweinenfleisch ein Pfund vor 9 Pfg. 24 gr. vor 36 schepsen ein Pfund vor 8 Pfg. 11 gr. vor 22 æ kalpfleisch ein Pfund vor 6 Pfg. 3 gr. vor das gehenge und 4 fuefe. 28 gr. vor 8 Æ grunen lachs 1 vor 3!/, gr. 24 gr. vor kese vber tisch und den knechten zu morgen und vesper brod. 5 gr. vor milch und rum. 2 gr. vor dieke milch. 7 gr. vor ein zober und 2 stunzen in die kuche. 5 gr. vor mulden. 12 gr. vor töpfe. 4 gr. vor hölzene kannen. 4 gr. vor weinkreuse. 2 taler vor worze zocken, rosin und mandel. 4 gr. vor pflaumen. 3 gr. vor lemonien. 3 gr. vor moschkaten blumen. 3 gr. vor zimmedrinde zubueße. 2 gr. vor birn zu kochen. 36 gr. vor barmen. 40 gr. vor 60 Æ rindfleisch. 18 gr. vor ein halb kalb und ein gehenge. 2 fl. vor 56 Æ schweinen 1 & vor 9 Pig. 29 gr. 4 Pfg. vor 44 æ schepsen ein £/ vor 8 Pig. 18 Pfg. vors gehenge. 28'/, groschen 4 Pfg. vor 44 £7 rindfleisch ein Æ vor 8 Pfg. 20 gr. vor 2!/, schock eier ein mandel vor 2 gr. 10 gr. vor 5 huner. 10 gr. vor 2 kaphan. 4 gr. vor erbes. 2 gr. vor gereucherdt schweinenfleisch. 28 gr. vor 8 Æ grünen lachs. 8 gr. vor ganzen ingwer zu- bueBe. 3!/, gr. vor mosehkaten blumen. 4 gr. vor pflaumen. 6 gr. vor stockfisch. 3 gr. vor brodtheringe. 5 gr. 4 Pig. vor brueken. 14gr. vor dörre forn. 8!/, gr. vor 2 alde hennen und 4 junge. 3 groschen vor weisse ruben. 7!j, gr. vor 5 Æ gesalzen hecht. 1fl. vor 2 s. reis holz und stro damit man das feuer entbrandt. 6 gr. vor stockfisch. 39 gr. vor 48 Æ schepsen. | 4 gr. vor das gehenge und kaldaunen. 2 gr. vor peterzillige. 8 gr. vor ein schock eier. 7!/, gr. vor 3 hennen. 12!/, gr. vor 5 hennen. 6 gr. vor 2 hanen.

212 16

18 gr. 8 Pig. vor 16 Ø karpfen ein & vor 14 Pig. 30 gr. vor 12 Æ grünen hecht 1 Æ vor 2!/|, gr. 8 gr. vor ein lachsrücken. 8 gr. vor 4 hennen. 2fl. vor worze zocken mandel und rosin. 30 fl. vor 40 Æ schweinen ein @ vor 9 Pfg. 38 gr. vor ein kalp und 3 kleinod. 11 gr. minus 2 Pfg. vor 9 Pfund le karpen. 14 gr. vor 12 Æ karpen. 5 fl. 2 gr. vor brot und semmeln. 12 gr. vor bier ehe ich das fas aufgetan. 5 gr. vor 2 kannen reinischen wein. 12 gr. vor 6 kannen olendt wein. 11 taler vor 5!/, eimer wein ein eimer vor 2 taler. 4 fl. vor ein fas bier. rauch fotter diese woche: 4 gr. vor rauch fotter ein furman von halle. 19 gr. vor rauch fotter der kammerschreiber auf 2 pferde. 6 gr. rauch fotter ein jung edelmann der die post bracht. 12 gr. sunst einer mit 2 pferden vor rauch fotter.

weiter vor die hern diese woche ausgeben: 3 gr. dem zincken bleser. 14 Pfg. vor ein buch papier. 1 gr. den armen. 6 gr. vor eine fackel. 1 taler dem statroit. 5 gr. den schulern. 18 gr. des amptmanns von schwabachs diener hat es dem schmiede geben. !/, fl. den fiedelern.

Summa Summarum ausgabe der ersten woche 82 fl. l gr. 7 Pfg. 1 heller.

Ausgaben für Lebensmittel vom 26. I. an.

Ausgaben nach der nehsten rechnunge angefangen Montag nach Pauli bekerunge vor die kuch und keller.

4'[, groschen vor gesalzen hecht. 3 g. 9 Pfg. vor reis. 33 g. 4 Pfg. vor 50 Pfund rindfleiseh ein Æ vor 8 Pfg. 2 gr. 4 Pfg. vor brodheringe. 3 g. vor pflaumen. 3 g. vor rigische botten. 7'/, g. vor halbfiseh. 4 taler vor holz. 4 gr. vor ein vhertl weiß. 18 Pfg. vor gerste den hunern zu essen. 1/, fl. von den kolen heimzufaren. 2 gr. vor birn zukochen. 12 gr. vor 8 gesalzene hecht. 6 gr. 4!/, Pfg. vor rodtscher. T!/, gr. vor !', 3 heringe. 6 g. vor halbfische. 20 gr. 2 Pig. vor 17 Æ le karpen, ein @ vor 14 Pig. 9 gr. 6 Pfg. vor gesalzen hecht, ein Æ vor 19 Pfg. 6 gr. vor 8 Æ rodtscher. 9 gr. vor worste. 2 gr. vor 4 ringes fuße. 14 gr. vor 7 hanen. 10 gr. vor 6 mandeleier. 9 gr. 4 Pfg. vor 9 krammetfogel. 3!/, gr. vor baekfiseh. 2 fl. vor 63 Æ rindfleiseb. 27 gr. vor 36 Z schweinen. 2 gr. vor ein schweinkopf. 4 gr. 8 Pfg. vor + pflaumen. 38 gr. vor ein kalp sampt dreien kleinoten. 20 Pfg. vor zeiske. 2 thaler vor potter. 3 gr. vor gereuchert schweinenfleisch. 4 gr. vor merrettich. 15 gr. vor 15 Æ speck. 4 gr. vor zwiepeln. 24 gr. vor obs und reuchkulein und wolrichen wafer. 6 gr. vor saltzs. 7 gr. vor eDig. 24 gr. vor kese. 6 gr. vor milch und rum. 2 gr. vor dicke milch. 5 gr. vor weimer und kyrsch mus. 6 gr.

17 213

vor töpfe. 4 gr. vor erbes. 4 gr. vor weis mehel. 2 fl. aber vor wörze und mandel zecken (?) und rosin. 22 Pfg. vor oblaten. 2 gr. vor graupen. 4 gr. vor pflaumen. 32 gr. vor 48 Pfund rindfleisch ein Æ vor 8 Pfg. 24 gr. vor 39 &f schweiner 1 Æ vor 9 Pfg. Afl. 1 Pfg. vor 3'/, Æ karpen. 5 gr. minus 3 Pfg. fur planhecht. 3 gr. vor birn zukochen. 13 gr. vor ein halb kalp und ein gehenge. 31 gr. 4 Pfg. vor 47 €f rindileisch, ein pfund vor 8 Pfg. 8 gr. vor 12 & worste. 2![, gr. vor eine ringes zunge. 5 gr. 3 Pig. vor 7 & schweinen. 6 gr. vor 3 mandel eyer. 20 Pfg. vor kleine fogel. 6 Pig. vor peterzillige. 3 gr. vor salzs. 4 gr. vor tópfe. 9 gr. 8 Pfg. vor 8 Æ le karpen. 4 gr. vor gereucherdt schweinenfleisch. 16 gr. vor 24 £/ rindfleisch. 19 gr. 6 Pfg. vor 26 schweinen zu 9 Pfg. 3 gr. vor merrettich. 18 Pfg. vor gruze. S8 gr. vor würze rosin und mandel. 4 gr. vor pflaumen. 5 gr. 4 Pfg. vor heringe. 6 gr. 9 Pig vor 9 &/ rodtscher. 8 gr. vor gesalzen lachs. 6 gr. vor safran. 2 gr. vor erbes. 5 gr. vor bier und weinessig. 5 gr. vor milch und rum. 2 gr. aber vor weis mehel. 6 gr. vor semmeln zu bus. 24 gr. vor kese. 17!/, gr. vor 18 Æ karpen. 12 gr. 9 Pfg. vor 1!/, Æ gesalzene hech 1 Æ vor 17 Pig. 27 gr. vor 36 Æ schweinen. 8 gr. 8 Pfg. vor 13 €f wörste. 15 gr. vor ein halb kalp. 28 gr. vor grüne fische. 9 gr. vor rodtscher. 5 gr. vor heringe. 6 gr. vor 3 hennen. 565 gr. vor 3 mandel eier. 1 gr. vor merrettich. 8 gr. 8 Pfg. vor 5 mandel eier. 1 gr. vor ein krammedvogel. 18 gr. 8 Pfg. vor 16 Æ karpen. 46 gr. 8 Pfg. vor 70 Æ rindfleisch. 2 gr. vor weiße ruben. 24 gr. vor obs und sunst. 24 gr. vor kese. 2 gr. vor birn zu kochen. 4 gr. vor dörre forn. 10 fl. 2 gr. vor brot und semmeln diese 2 wochen.

13!/, eimer wein, ein eimer vor 2 thaler tut 27 taler. 2 fas bier und einer kome vor 9 fl. 7 gr. 22 gr. vor 11 k. olendt wein. 4 gr. 8 Pfg. vor roten wein. 6 fl. !/, gr. vor 31/ stuck licht. stalmid und end sunst ausgeben: 18 gr. der her amptmann von kitzingen mit 6 pferden 2 tage. 28 gr. 6 Pfg. dem sehmide. 10 gr. dem satler des kanzlers diener. 2 gr. zu schmire dem furmann. 1'/, taler des pfalzgraven trumetern. 1 taler aber 4 trummetern.

summarum alles ausgeben diese zwehen wochen tut

117 fl. 19 gr. 9 Pfg.

Nachtrag

was nach der gistigere rechenunge ausgeben

9 gr. vor ohel. 1 fl. an den latere zu wenig gerechent. lgr. vor rum. 1 taler noch vor holz 15 gr. vor 6 kannen rein wein. 15 Pfg. dem schmide. ?2!/, gr. des amptmanns

214 78

diener. 28 gr. vor 1 tonne bier. 3 taler 7 gr. vor 1!/, eimer 9 k. wein. Summa 8 fl. 14 gr. 9 Pfg.

diese nachrechnung hat der wirt bracht als man wollen uf sein und noch einmal rechnen wollen, als ich yme nicht bald den versehenen fl. zalen wollen. abzalt ins burgermeysers hause 4 taler dem koche. 1!/, taler der schußelwescherin. 1/, taler. 10 taler der burgermeysterin fur die herberge. 2 taler beyden hausknechten. 1!/, taler des burgermeysters megden. ym andern hause zalt 10 taler fur die herberg. 1 taler den megden. !/, taler dem stubenheizer. !/, taler dem stalknechte. | Summa 36 fl. des burgermeisters zue Naumburg Rechnunge uf 3 wochen fur kuche und keller und trankgelt in beyden heussern Summa Summarum tut 244 fl. 13 gr. 1 Pfg. 1 heller.

Im Nürnberger Kreisarchiv: Ansbacher Religionsakten Tom. Suppl. VII F. 12.

Mitteilungen.

Einige Bemerkungen über die Autorschaft des Dialogs „Neukarsthans‘“. Soviel auch über die Autorschaft des „Neukarsthans“ geschrieben worden ist, so hat sich doch bisher keine einhellige Meinung darüber gebildet. Nur darin herrscht wohl Übereinstimmung, daß diese Schrift, wennschon nicht ausschließlich von Ulrich von Hutten selbst verfaßt, doch reich an Huttenschen Ideen sei, und aus den Kreisen der Männer stamme, die zugleich mit Hutten auf der Ebernburg Franz von Sickingen umgaben. Auch hat sich ziemlich allgemein die Vermutung auf einen Mann von gelehrter, insbesondere theologischer, Bildung gelenkt, mag immerhin Schade (Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit II. 287) zuzugeben sein, daß die Zitate aus Kirchenvätern und der Bibel es nicht gerade unbedingt nötig machen, „in einer so spezifisch theologisch gestimmten Zeit“ als Verfasser „einen Tbeologen von Fach" anzunehmen. Böcking (Huttni Opera IV. 650) hat in erster Linie Oekolampad genannt. Ihm ist Strauß in seiner Biographie Huttens (Zweite Ausgabe 1871 S.465) gefolgt. Vorsichtiger verhält sich Ulmann in seiner Bio- graphie Sickingens (S. 268, 334), der gar keinen Namen nennt.

Nun kann aber meines Bedünkens ernstlich von Oekolampadius keine Rede sein. Es steht fest, daB die Schrift dem Jahre 1521 angehört. Eine nähere Begrenzung der Datierung ergibt sich aus der Erwühnung des Wormser Ediktes einerseits und der Übertragung der ,Hauptmannschaft" auf Sickingen für den Feldzug an der Maas andrer- seits. Oekolampadius ist aber, wie man weiß, erst im Frühling 1522 in Sickingens. Dienst eingetreten. Es blieben noch Kaspar Aquila, Johannes Schwebel, Martin Butzer, auf die Bócking auch schon a. a. O. hingewiesen.hat. Indessen wird -man von den beiden ersten gleich- falls absehen müssen. Aquila wird 1522 als Erzieher der Söhne Sickingens genannt (s. Kawerau: Artikel Aquila in der Real- enzyklopädie für protestantische Theologie, 3. Auflage), wo ebenso irrig wie in der Allg. Deutschen Biographie I. 509 von der Eroberung der Ebernburg, statt Landstuhls, die Rede ist. Schwebel ist nach früherer Annahme (s. Ney: Artikel Schwebel in der Realenzyklopüdie für die protestantische Theologie) Ende 1521, nach seinem neuesten

216 80

Biographen (Fritz Jung: J. Schwebel asw., Kaiserslautern, H. Kayser 1910), wie ich einer Besprechung dieses Buches entnehme, sogar erst 1522 zu Sickingen gekommen. Dagegen paßt vieles ganz vortrefflich auf Martin Butzer. Dieser weilte jedenfalls seit dem März 1521 auf der Ebernburg bei Sickingen und Hutten. Wenn irgend jemand, so konnte er in den Kreis ihrer damaligen Gedanken und in ihr per- sönliches Verhältnis eingeweiht sein!) Auch würde es nicht schwer fallen, aus den beglaubigten Schriften Butzers manche Stellen anzu- führen, deren Tendenz und Fassung solchen des „Neukarsthans“ ähnelt. Dazu kommt folgendes: Vor kurzem hat Alfred Götze in seiner Arbeit „Martin Butzers Erstlingsschrift“ (Archiv für Reformations- geschichte Nr. 13 IV. 1. 1906, Habilitationsschrift für Freiburg i. B. 1907) den bekannten „Dialogus zwischen einem Pfarrer und einem Schultheiß“, der aus dem Frühling 1521 stammen muß, mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit Martin Butzer zugeschrieben ?). Eine Eigentümlichkeit dieses Dialogs ist, daß der ungelehrte Schult- heiß mehrfach von „seinem Schüler“ spricht, dem er die Kenntnis dieser und jener biblischen Stellen in ihrer Bedeutung für die refor- matorische Lehre Luthers verdanke., Genau so sagt der ungelehrte Karsthans zu Sickingen (Böcking 661, 21, Schade II. 16, 1): „Ob gott wil, so bald ich heim komme, wil ich all Lutherische bücher kauffen, und mir einen schüler, wann ich nit arbeite, darinn lesen lassen.“ Nimmt man Butzers Autorschaft für beide Dialoge an, so erklärt sich auch, daß die Polemik sich ausschließlich gegen die Klerisei richtet, während der Druck, den der Bauer von der weltlichen „Herrschaft“ erleidet, verschwiegen oder entschuldigt wird. (Vgl. die Worte des Schultheißen bei Schade II. 149, 8. Götze 23, 25: „Lieber Pfarrer, Das ist ain annder Ding“ usw.) Andere Parallel- stellen mögen hier tibergangen werden.

Gäbe man zu, daß der Neukarsthans mit Wissen, vielleicht sogar unter Beihilfe Huttens von Butzer geschrieben worden sei, so wäre damit nicht gesagt, daB Batzer ihm auf der Ebernburg die letzte Form

!) Über seine spätere Verwendung zu wichtigen Sendungen Sickingens s. Ulmann S. 249 nach Baum: Capito und Butzer.

2) Außer dem von Götze S. 5 unter J angeführten Exemplar be- findet sich noch ein Exemplar der bei Götze S. 6 unter M erwähnten Ausgabe dieser Flugschrift in der Stadtbibliothek Zürich, in dem Sammelband B. 162 G. V. als erstes Stück. Beiläufig sei auf folgendes hingewiesen: Götze hebt S. 50 hervor, daß der Verfasser des Dialogs (20,8) wisse, Luther sei in Worms („vom bapst“) ein Bistum angeboten worden, wenn er künftig nicht mehr gegen ihn schreiben wolle. Dieser stark übertriebenen Version wird wohl zu- grunde liegen, was in Aleanders Depesche vom '27. April 1521 (Brieger: Quellen und Forschungen I. 161, Kalkoff: Die Depeschen des Nuntius Aleander, 2. Auflage S. 190) über das Angebot eines „reichen Priorates^ durch den Erzbischof von Trier zu lesen ist. Davon mochte Butzer durch den kundigen Capito (s. über diesen neuerdings Kalkoff: W. Capito im Dienste Erzbischof Albrechts von Mainz 1907) etwas erfahren haben, was er nun um des Effektes willen vergröberte.

81 217

gegeben habe. Er hatte die Burg im Mai, noch vor Unterzeichnung des Wormser Ediktes (26. Mai 1521) verlassen, um Hofkaplan des Pfalzgrafen Friedrich zu werden, was ihm bekanntlich Hutten sehr verdachte. (S. Huttens Brief an Butzer 27. Mai 1521 bei Böcking II. 75.) Wenn also des Wormser Ediktes im Neukarsthans gedacht wird, so kann Butzer die darauf bezügliche Stelle nicht auf der Ebernburg geschrieben haben. Dagegen wäre es nicht anders möglich, als daß er noch hier geschrieben hätte, Karl V. habe „Hutten yetzund diener uffgenommen“ (Neukarsthans bei Bócking a.a. O 659, 34, bei Schade: a.a. O. 13, 27). Denn in der Tat war dies ja damals vorübergehend der Fall gewesen. Daß freilich dieser „Dienst“ nicht lange dauerte, wußte Butzer am besten (vgl. seinen Brief an Beatus Rhenanus aus Worms vom 22. Mai 1521; Böcking II. 807: „Hodie stipendium Caesari abnuntiavit.^ S. dazu die Bemerkungen von Brieger: Quellen und Forschungen I. 124, 227). Indessen mochte er es für politisch halten, das einmal Geschriebene stehen zu lassen. um die von Franz von Sickingen im „Neukarsthans“ aufgestellte These zu stützen, vielleicht werde Kaiser Karl V. „nitt lang büpstisch sein“ !).

Für die Frage nach der Autorschaft käme noch die Sprache in Betracht. Darüber muß ich den Germanisten das Wort lassen. Doch sei, abgesehen von Schades Bemerkungen, ausdrücklich auf „Biss geduldig“ (Schade 17,1, Böcking 662, 9), „Beitet* (Schade 29,7, Bócking 670, 35), , Verschlindung", „Verschlinden“ (Schade 21, 16; 23,33, Böcking 665, 18; 667, 2) hingewiesen. Auch die Frage nach dem Drucker zu entscheiden muß ich Kundigeren überlassen. Schade II. 287 meint, vielleicht sei die Schrift auf der Ebernburg selbst gedruckt nud findet: „Die Typen sind genau dieselben wie im Gesprächs- büchlin herr Ulrichs von Hutten mit der Widmung an Franz von Sickingen“ usw. Was aber dieses betrifft, so scheint es festzustehen, daß es bei Johann Schott in Straßburg gedruckt ist (s. Szamatölski: Ulrichs von Hutten Deutsche Schriften S. 73). Man dürfte hierbei folgendes wohl nicht außer acht lassen: Wer sich eingehender mit dem ,Neukarsthans' beschäftigt hat, ist zu dem Schluß gelangt, daß die dem Dialog angehängten „Dreißig Artikel“, von Strauß fälschlicherweise „wie Vorläufer der bekannten zwölf Artikel der Bauernschaft vom Jahre 1525“ angesehen, nicht von derselben Hand stammen können wie der Dialog selbst. Ihr Ton würde dagegen der Autorschaft Huttens ganz gut entsprechen. Dasselbe gilt in noch höherem Grade vom Titel ,Gesprechbiechlin Neuw Karsthans" und von den auf diesen Titel folgenden Versen: „Zü dem Leser“. Man könnte sich also vorstellen, daß Butzer, angeregt vou Hutten, auf 4er Ebernburg den Dialog zu schreiben begonnen und später vollendet,

1) Von Huttens freilich nicht verwirklichter Absicht, doch viel- leicht Franz von Sickingen ins Lager zu folgen, erfuhr Butzer erst im September 1521. (S. Bócking II. 82. Vgl. die Bemerkung Ulmanns, Allg. Deutsche Biographie XIII. 473, Artikel Hutten.)

Archiv für Beformationsgeschichte VIII. 2. 15

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daß Hutten ihn mit dem Titel, den Einleitungsversen. dem Anhang der dreißig Artikel versehen hätte, und daß er bei seinem Straßburger Drucker Johann Schott untergebracht worden wäre. Vielleicht würde man darüber ins klare kommen können. wäre uns die Korrespondenz Huttens und Butzers vollständig erhalten. Daß dies leider nicht der Fall ist, ergibt sich aus Bócking II. 81, wo von einem verloren gegangenen Briefe Butzers an Hutten, allerdings aus einer etwas späteren Zeit, die Rede ist. Ein Exemplar des „Neukarsthans“ be- findet sich in der Stadtbibliothek Zürich KK 406 Nr. 21 in einem bekannten Sammelbande, der auch eine Anzahl von Originaldrucken Huttenscher Schriften enthält. Zürich, 28. April 1910. Alfred Stern.

Nachtrag. Zu meinem größten Bedauern ist mir erst nach- träglich die äußerst gehaltvolle Abhandlung von W. Köhler: Zur Datierung und Autorschaft des Dialogs Nenkarsthans (Zeitschrift für deutsche Philologie 1898, XXX, 302 ff., 487 ff.) bekannt geworden. Köhler hält Ulrich von den Hutten für den alleinigen Verfasser.

Alfred Stern.

Aus Zeitschriften.)

Allgemeines. Auf 14 Seiten (3. Vereinsschr. der Görres- Ges. f. 1909 S. 32—45) unternimmt es J. Schmidlin nachzuweisen, daß das Luthertum „historisch wie theologisch in sich durchaus unberechtigt war“. Nun wissen wir's!

Eine Geschichte der Spendeformel bei der Feier des h. Abend- mahls in deutschen evangelischen Kirchen bietet F. Krüger, und zwar zunächst, nach einem Rückblick auf die vorreformatorische Zeit, für die „Gründungsperiode der deutschen ev. Kirche 1520—1526“. Monatsschr. f. G. u. k. K. 16, 3 S. 84—92.

Zwei „Briefe aus dem Reformationsjahrh.“ teilt mit und erläutert G. Bossert in Bil. f. Württ. KG. NF. 14 S. 147—153: 1. des Predigers Joh. Mantel an die Bauernhauptleute, 3. Mai 1525, aus Stuttgart, 2. des Pfarrers zu Kirchheim a. N. Michael Epp an Konrad Hubert in Straßburg, 3. Jan. 1535 (aus dem Stuttg. u. Straßb. Archiv).

S. B. Fay, The Roman Law and the German Peasant, weist eingehend die Unstichhaltigkeit der (gegenwärtig wohl kaum noch aufrechterhaltenen Annahme) nach, daß die Rezeption und Hand- habung des römischen Rechtes mittels Verschlechterung der rechtlichen

1) Die Redaktion ersucht die Herren Verfasser höflichst um Zu- sendung einschlägiger Zeitschriftenartikel zur Anzeige an dieser Stelle.

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Lage des Bauernstandes das eigentlich treibende Motiv zum Bauern- kriege von 1525 gewesen sei. American Hist. Review 1911, Januar (vol. XVI Nr. 25), pag. 234—254.

Die viel erörterte Entstehung der zwölf Artikel der Bauern untersucht aufs neue H. Bóhmer in Bll. Württ. KG. NF. 14 8. 1 bis 14, 97—118; ihm zufolge sind die zwölf Artikel eine Revision der von Seb. Lotzer verfaßten Memminger Artikel im Sinne der Forderungen des Baltringer Haufens, welche Revision ebenfalls Lotzer besorgte, worauf spütestens am 14. Mürz der Entwurf als Programm der christl. Vereinigung der drei großen Haufen der Baltringer, Allgäuer und Seebauern angenommen und spätestens am 16. März von Melchior Ramminger zu Augsb. gedruckt worden sei; Balth. Hubmaier und Christof Schappeler haben mit der Abfassung der zwölf Artikel nicht das mindeste zu tun, In Anlage wird ein Entwurf der Antwort des Meihminger Rates auf die Artikel (aus dem Stadtarchiv) mitgeteilt.

A. Peter, Derälteste Druck der zwölf Artikel, spricht dem von A. Goetze seiner kritischen Ausgabe der zwölf Artikel (HVjSch. 1902) zugrunde gelegten Druck M. die Priorität zu gegenüber dem von W. Stolze (ebendas. 1905) als ältesten geltend gemachten Druck B'. HZ. 105, 3 S. 568—570; gegenüber den Untersuchungen H. Böhmers (s. vorstehend) ist hier offenbar das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Im Th.Lbl. 31, 25/26 (9. und 23. Dez. 1910) behandelt W. Gus- mann die Schwabacher Artikel im Anschluß an ihren Abdruck in Bd. XXX, 3 der krit. Luther-Gesamtausgabe. Er bemängelt, daß die Ausgabe lediglich auf Grund der Straßburger, Ulmer und Ansbacher Abschriften, denen er authentischen Wert abspricht, gemacht sei und weist auf ein in den Heilbronner Archivalien des Stuttgarter Haus- und Staatsarchivs befindliches Exemplar hin, das vom Kanzler Beyer mit dem Original kollationiert ist, also die einzige bis jetzt nachgewiesene offizielle Ausfertigung der Schwab. Artikel darstellt.

Einen ritterschaftlichen Vermittlungsvorschlag, an- scheinend aus dem Anfang des Schmalkald. Krieges, teilt F. Hartung aus dem Archiv des Germ. Mus. mit: HZ. 106, 1 S. 106—112.

Evangel. Taufen von Kindern fremder Gemeinden weist Hummel in Crailsheim zur Zeit des Interims nach: Bll. Württ. KG. NF. 14 S. 92.

Auf dem unerschópflich reichen vatikanischen Material an diplo- matischen Akten der Periode Papst Gregors XIIl beruht die ertrag- reiche Studie von K. Schellhaß, „Zur Legation des Kardinals Morone (1576; Moskau, Bayern)“. Es handelt sich einmal um die Wiederaufnahme des Projekts der Union mit Rußland, zweitens um prinzipielle Differenzen auf kirchenpolitischem Gebiet mit Bayern, worüber eine interessante Aussprache zwischen den Legaten und einem bayrischen Rate statthatte. Die wichtigeren Belegstücke folgen als Anhang. QuFPrJ. 13, 2 S. 273--376.

Als Fortsetzung eines 1909 erschienenen Artikels über Papst Gregor XIII. und Irland behandelt J. Martin die Epoche der Vor-

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bereitungen zur Ausrüstung der Armada, besonders die katho- lischen Werbungen in Schottland und die Verbandlungen zwischen Rom und Spanien. Revue des études histor. 24 S. 183—233, 561—607.

Biographisches. M. Kónnecke erörtert, wann Luther, wie er in einer Predigt von 1534 und den Tischreden erwähnt, als „junger Mensch“ in Wimmelburgim Mansfeldischen einer Teufels- austreibung beigewohnt haben mag. Mansf. Bll. 24 S. 240—212. Ebenda S. 242 f. teilt der nämliche aus der Eisleber Stadtrechnung einen „Ausgabeposten zu Luthers Leichenbegängnis“ mit.

P. Kalkoffs neuester Beitrag zu „Lutbers römischem Pro- zeß“ beschäftigt sich mit dem, allerdings mehr aus der Sachlage und vereinzelten Andeutungen der Quellen zu kombinierenden als offen zu- tage liegenden Anteil, den Nikolaus von Schönberg, Dominikaner- mönch, nachmals Erzb. von Capua und Kardinal, an dem Prozeß ge- habt hat: ZKG. 31, 8 S. 368—414.

Th. Brieger bespricht und veróffentlicht ,zwei bisher un- bekannte Entwürfe des Wormser Edikts", die er in Wien und Zürich aufgefunden hat. Der erste ist die deutsche Übersetzung eines von Aleander aufgesetzten Entwurfs vom 29. Dezember 1520, der zweite ein vor den 2. März 1521 fallendes Mandat, vielleicht eine Parallelredaktion zu dem den Stánden am 15. Februar vorgelegten Entwurf. Der Abdruck ist so eingerichtet, daß er die Eigenschaft beider Stücke als Vorstufen des Edikts vom 8. Mai im einzelnen er- kennen läßt. Leipziger Univ.-Schrift 1910, 42 S.

Die Beziehungen Luthers zu K. Heinrich VIII. von England stellt P. Smith in Engl.HR., Okt. 1910, S. 656—669 kurz dar, unter Hervorhebung der unentwegten Weigerung L.s, die Scheidung des Künigs von Katharina gutzuhei&en, entsprechend dem biblischen Verbot, wogegen ibm, wiederum im Hinblick auf die Bibel, Konku- binat oder Doppelehe allenfalls erträglich schienen.

O. Clemen teilt aus einer Abhandlung Hieronymus Wellers ,De legendis libris Lutheri* (hsl. im Zerbster Staatsarchiv) den Passus über den Fund des Bildnisses des Papstes auf einem Mansfelder Schieferstein (1536) mit, wovon in Luthers Tischreden Erwühnung geschieht. Mansf. Bll. 24 S. 249 f. Ä

Das Lutherbild von Lucas Cranach in der deutschen ev. Kirche in Venedig erörtert K. Gelshorn in Monatsschr. f. G. u. k. K. 16, 3 S. 92—96 (mit 4 Abb). Er weist es dem älteren L. Cranach oder seiner Werkstatt zu und äußert Vermutungen, wie es in den Besitz der Gemeinde gekommen sei.

Fr. Spitta beendigt seine need über die ältesten evang. Liederbücher aus Königsberg (vgl. Jahrg. 7 S. 445). Indem er die Annahme der Abfassung der Königsberger Lieder durch Kaspar Löner sowie der Beteiligung des Speratus zurückweist, und wahrscheinlich macht, daß die Dichtungen der beiden Königs- berger Sammlungen einen und denselben Verf. haben, sucht er zu er- härten, daß dieser nur Herz. Albrecht von Preußen sein könne.

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so zwar, daß die Lieder aus dem Erleben Albrechts während d. J. 1524/27 hervorgegangen seien. ZKG. 31, 3 S. 415—458.

J. Zeller behandelt auf Grund einer Wolfenbütteler Althamer-Hs. Andreas Althamer als Altertumsforscher, berührt aber auch das erste Auftreten reformatorischer Ideen bei A. mit Hinweis auf dessen noch ungedruckte Korrespondenz aus der betreffenden Periode. Württ. Vjhefte, 19, 4 S. 498 —446.

Auf Grund des Blaurer Briefwechsels (vgl. oben S. 135) vermag Fr. Spitta die beiden Pfingstlieder des Ainbrosius Blaurer auf den Mai 1533 zu bestimmen: Monatsschr. f. G. u. k. K. 16,1 S. 21 bis 24. Derselbe weist ebenda 16,8 S.96—109 auf ein „neu entdecktes Lied Thomas Blaurers* hin; es ist seiner Unter- suchung zufolge identisch mit einer von ihm mitgeteilten anonymen Dichtung über den 94. Psalm im Züricher Gesangbuch von (etwa) 1560.

Aus dem Orig. in der Autographensamml. des Germ. Mus. teilt Th. v. Kolde einen Brief des Veit Dietrich an Joach. Camerarius (Nürnb, 24. Mai 1539) über verschiedene Gegenstände mit. BBK.17,1 S. 42f.

Ein kurzer Aufsatz von P. Schubring ,Dürer und die Re- formation“ (Christl. Kunstbl. 1910, Dez.) beschäftigt sich mit den Unterschriften der sog. vier Apostel Dürers v. 1526, die er im An- schluß an E. Heidrich (Dürer u. d. Ref. 1909) zweifellos richtig als ein Bekenntnis des Künstlers deutet, daß er mit den Schwarmgeistern, Täufern und Sakramentierern, den Anhängern und Geistesverwandten Hans Denks in Nürnberg, nichts zu tun haben wolle, was ein tiefes positives Bekenntnis zur religiösen Welt Luthers in sich schließe, und sucht aus dieser Bedeutung heraus gewisse künstlerische Schwächen der Bilder verstündlich zu machen, indem er sich in der allgemeinen Beurteilung der Kunst Dürers H. Wólfflin anschließt.

Fr. Roth behandelt Dr. Hieronymus Fröschel aus Augs- burg als Kanzler des Mfen. Georg Friedrich von Ansbach (1577 und 1578). F. traf in Ansbach von vornherein schwierige Verhältnisse an, erschwerte sie sich aber noch dadurch, daß er als strenger Lutheraner cegen die Konkordie u. die Ansbach. Konkordisten auftrat. So behauptete er sich auf die Dauer nicht. BBK. 17,2 S. 47—70; 3 S. 105—123.

Das Leben und die Wirksamkeit des Hartmann Ibach von Marburg, eines der ersten Reformationsprediger Hessens (4 um 1538), wird von E. Wintzer in ZV.hess.G. (N.F.34) S. 115—187 auf Grund der aus Frankfurter und Marburger Archivalien bedeutsam ver- mehrten Quellen zum ersten Male zusammenhängend und kritisch be- handelt; bemerkenswert ist u. a., daß Ibach sich gegen Ende seines Lebens dem Zwinglianismus zuwandte.

Heinrichs Institoris, des Verf. des Hexenhammers, Tätig- keit als Hexeninquisitor in Ravensburg (Herbst 1484) behandelt K. O. Müller auf Grund eines noch unausgenutzten Aktenstückes im Insbrucker Statth.-Archiv, das auch sonst für die Biographie Js. er- giebig ist. Württ. Viertelj.-Hefte 19. 4 S. 397—417.

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Den bisher nur unvollständig bekannten Brief des J ustus Jonas an Spalatin vom 18. April 1533 veröffentlicht im Wortlaut aus dem eigenh. Orig. in Weimar K. Pallas in ZVKG. Prov. Sachsen 7, 28. 162-—170 mit Erläuterungen. Der Brief handelt von den Visitationen, der Dotierung der evangel. Geistlichen u. a. m. Justus Jonas be- handelt auch eine Mitteilung von R. Jordan am gleichen Ort S. 156 bis 161; aus kürzlich im Stadtarchiv zu Mühlhausen aufgefundenen Briefen, die Jordan veröffentlicht und bespricht, ergibt sich, daß Jonas in Mühlhausen zwei (Stief- oder Halb-)Brüder, Matthis und Berthold Wolfhagen hatte, von denen ersterer als Bürgermeister 1524 starb.

„Aus dem Briefwechsel Georg Kargs und anderer“ macht K. Schornbaum in Bll.Württ. KG. NF. 14 3. 63— 71, 153— 168 weitere Mit- teilungen; er bringt i.G. 19 Nrn. aus 1557 1582 (vgl. ds. Ztschr. 7 S. 446).

G. Kawerau würdigt in DLZ 31 Nr. 46 (12. Nov. 1910) Sp. 2885--2891 „Barges und Karl Müllers Streit um Luther und Karl- stadt“, in dem sowohl die größere Unparteilichkeit und Unvorein- genommenheit wie auch die größere Sachkenntnis auf Müllers Seite zu finden sei. Am gleichen Orte Nr. 51 (17. Dez. 1910) Sp. 3210— 3223 lehnt Barge den Vorwurf mangelnder Sachkenntnis und unnótiger Schürfe ab, worauf K. kurz repliziert.

Einen Brief Osianders an Bernhard Ziegler, Professor des Hebräischen in Ansbach (Nürnb. 18. Jan. 1534), teilt aus dem Orig. im Nürnb. Kr.-A. K. Schornbaum im BBK. 17,3 S. 124 f. mit. Er handelt von dem Juden Jakob Mendel und dem Nutzen der Chaldüischen und „Thalmudischen“ Sprache für die christl. Wissenschaft.

O. Clemen, Zu Lf. Philipps (von Hessen) reformatischen Anfüngen, macht auf einen bisher unbekannten Druck des Send- briefs Philipps an Nik. Herborn von 1525 (auf der Bamberger Kgl. Bibl) aufmerksam und teilt die in Briefform gekleidete Vorrede sowie eine historische Notiz mit, die sich in einer anderen Sonderausgabe des Sendbriefs findet. ZV. hess. G. 44 (N. F. 34) S. 109—114.

Fr. Tetzner verfolgt das Leben und Wirken Johann Reimanns, den Kf. Joh. Friedr. 1532 neben Spalatin zum Visitator für Meifen und das Vogtland ernannte, auf Grund der Akten des Weimarer GA., aus denen die Hauptstellen ala Anhang beigegeben werden. Infolge der Schroffheit seines Charakters ist R. (t 1543) nirgends zu gedeih- licher Wirksamkeit gekommen. NASG. 31 S. 286—306.

Beiträge zur Lebensgeschichte Martin Schallings, des Dichters von „Herzlich lieb hab ich Dich, o Herr“, bes. aus der Zeit seines Aufent- halts in Regensburg (1552—1558), gibt Trenkle BBK. 17, 1 S. 28—33.

Landschaftliches. Aus den Bll.f.Württb.KG., NF. 14, Heft 1--4, erwähnen wir: S. 15—49, 119—138 G. Hoffmann, Ref. und Gegenref. im Bez. Welzheim, mit Geistlichenverzeichnis im Anhang. S. 49—03, G. Bossert, Reformation in Dürnau, O. A. Göppingen. S. 139—146 M. Schlenker, Die Ref. in Reins- bronn (nach Würzb. Akten im Ludwigsburger Archiv). Vgl. auch S. 93 „Der erste ev. Pfarrer in Waldenbuch". Ferner zieht, einem

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Winke Scbief?' in der Blaurer-Korrespondenz nachgehend, G. Bossert aus der Simlerschen Sammlung in Zürich einen Brief des von Blarer (so schreibt B.) nach H. Ulrichs Herstellung nach Balingen gesandten ev. Pfarrers Hans Wagner herbei, der, von B. eingehend erläutert. die Anfänge der Ref. ia Balingen beleuchtet (a.a. O. S. 72—87).

K. Wolfart gibt als Anhang zu einem Vortrage „Kaiser Karl V. und Lindau“ Regesten aus dem Stadtarchiv, die haupt- sächlich die Unterwerfung Lindaus 1547, das Verhältnis der Stadt zum Interim und zu den Ereignissen von 1552 betreffen. Schrr. Ver. f. Gsch. d. Bodensees 39 S. 1—26.

G. Bossert behandelt nach Akten des Stuttgarter Archivs eine Episode aus der Geschichte des Täufertums in Baden, die sich an Wolf Kürschner, dem Täufer von Bretten, knüpft; für diese Täufer ist bemerkenswert, daß sie neben der Kindestaufe insbesondere den Eid verwerfen. Die Angelegenheit wurde von allen Instanzen mit großer Milde gehandhabt; B. glaubt melanchthonischen Geist in E

Bretten zu spüren. ZH. Oberrh. N. F. 25, 3 S. 431—452. a

Im Trierischen Archiv 16 bringt Kentenich zwei Aktenstücke zur Geschichte der Trierer Jesuiten, das erste betrifft eine Be- schwerde der städtischen Behörden von Trier über jesuitische Eingriffe in das Trierer Schulwesen (1575).

Von den ev. Kirchenbüchern im Reg.-Bez. Wiesbaden, deren Übersicht K. Spieß in Ann. V.Nassauische A. u.G. 39 S. 1— 85 gibt, reicht nur etwa ein Dutzend ins 16. Jahrh. zurück; die früheste Eintragung überbaupt ist von 1571. Ebendas. S. 86—172 behandelt K. Pagen- stecher die Reformationsgesch. der Grafschaft Diez, mit Abdruck einer Anzahl wertvoller Aktenstücke.

Aus dem 3. Jahrg. der Monatsh. f. Rhein. KG. (1909) ver- zeichnen wir folgende Beiträge: S. 65—128, 321—369 K. Harraeus, Reformation und Gegenreformation in Rhens (mit archival. Beilagen). 8. 289—300 F. Nippold, Zur Ref.-Gesch. der Stadt Emmerich. S. 301-307 Bockmühl, Z. Vorgesch. des Essener Reformators

Heinr. Berenbroch von Kempen. 5. 307—311 IL. Schmitz- Kallenberg, zwei Briefe Rheydter Prediger 1595 u. 1596 (aus dem Wetzlarer St.-A). S. 318f. W. Rotscheidt über „Johannes

Badius sive Arnoldus Roedingensis (Eintragung in die Herborner Matrikel 1585). S. 314f. derselbe über Caspar Velthusius. „Beiträge zur Geschichte der Glaubensneuerung in der Ober- pfalz^ nach Akten des Amberger Kreisarchivs gibt J. Hartl in Verhh. HV. Oberpf. u. Regensb. N. F. 53 (1909) S. 235—255. Sie betreffen die Geschichte der Ortschaften Schmidemühlen (1543); Kastl, Ursensollen u. Pfaffenhofen (1550— 1555); Hahnbach (1552), Pauls- dorf (1551/52); Holnstein (1554); Deining (1554/55); Deining und Deus- mauer (1558/55, 1565); Deining und Kleinalfalterbach (1562/63). Frünkische Druckereien der Reformationszeit behandelt sehr instruktiv K. Schottenloher, indem er der Tätigkeit des Aegidius Fellenfürst in Coburg, Georg Erlinger in Bamberg und Balthasar

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Müllers in Würzburg im einzelnen nachgeht; u. a. vermag er von Erlinger 17 kirchenpolitische Flugschriften aus d. J. 1522 und 57 Re- formationsdrucke nachzuweisen; andererseits hat Müller vorwiegend Gegenreformatorisches, freilich u. a. auch ein Werk Eberlins gedruckt. ZblBw. 98, 2 S. 57— 72. |

Eine Übersicht über die Geschichte der Landstände in den ehemal. Fürstentt. Ansbach u. Bayreuth gibt Jegel im Arch. f. G. u. A. v. Oberfranken 29, 2 S. 60—124, und zwar vom Ende d. 15. Jahrh. zunächst bis 1534, wobei auch die Einwirkung der kircbl. Verhült- nisse berücksichtigt wird. (Eine Fortsetzung bis 1541 soll des Näm- lichen Programm des Realgymn. Nürnberg 1910 enthalten.)

Das Verzeichnis der brandenb.-ansbach. Geistlichen von c. 1520—1578 beendigt K. Schornbaum in BBK.17,1 S. 44—45.

Die Geschichte der Abtei Helmarshausen an der Diemel, die F. Pfaff in der ZV. hess. G. 44 (N. F. 34) S. 188 ff. behandelt, ver- breitet sich auch über die Reformation und deren Folge, die Auf- lósung des Klosters, das nach wechselvollem Streit mit Paderborn 1597 endgültig an Hessen fiel (S. 268 ff).

R. Jordan beendigt in N. Mitt. a. d. Geb. hist. antiquar. Forsch. 24,3 S. 294—310 die Mitteilung der zwei Verteidigungsschriften der Stadt Mühlhausen 1523—25; als Anhang ist ein summarisches Ver- zeichnis der „Unkosten, Ausgaben und Schäden“ beigegeben, die -der Stadt aus den Ereignissen von 1525 bis z. J. 1542 erwachsen sind.

Das Kirchenwesen Erfurts und seines Gebiets gegen Aus- gang des Mittelalters behandelt (sich mit Koldes schöner Abhandlung in der Schrr. VRG. vielfach berührend) M. P. Bertram in ZVKG. Prov. Sachsen 7, 1 S. 1—25.

Eine Reformationsgeschichte der Stadt Zerbst von tBecker-Lindau bringen Mitt. V. Anhalt. G. u. A. 11,8 S. 241—460. Aus der von E. Fabian in Heft 10 der Mitt. des Altertumsvereins für Zwickau S. 1—68 mitgeteilten, bisher ungedruckten ältesten Zwickauer Chronik des 1567 verstorbenen Oswald Losan, . die von 1231—1539 reicht, sind einige Abschnitte für die Reformations- geschichte von Bedeutung, so über Thomas Münzer 1521, über Luthers Aufenthalt in Zwickau Ende April 1592. An anderer Stelle gedenkt Herausgeber die der nämlichen Chronik einverleibten Berichte über den Wittenberger Bildersturm v. 1522 zu verüffentlichen.

Der Schluß des in Bd. 6 S. 255 ds. Ztschr. erwähnten Autsatzes von E. Koch ,Moskowiter in der Oberlausitz und M. Bartholomäus Scultetus in Görlitz“, in Niederlausitz. Mag. 86 S. 1—80, behandelt Scultetns’ Leben, literar. Tätigkeit und gelehrte Beziehungen.

Aus dem hsl. Catalogus ordinatorum des um das evangel. Kirchen- wesen Mansfelds hochverdienten Superint. Menzel teilt M. Könnecke das Verzeichnis der in der Grafschaft von 1560—1590 ordinierten Geist- lichen mit: Mansf. Bll. 24 S. 85— 96.

Im J. 1530 veranstalteten die kath. Grafen von Mansfeld auf ihrem Schloß eine Disputation zwischen Michael Coelius, Hof-

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prediger des evang. Grafen Albrecht, und einem Bettelmónche. Den von letzterem, Kaspar Meckenlór herausgegebenen, bisber unbekannten Disputationsbericht hat O. Clemen in der Bibl. der Kreuzschule in Dresden in einem Leipz. Druck von 1531 aufgefunden und erörtert ihn in ZVKG. Prov. Sachsen 7, 2 S. 191—196; eine zweite antiluther. Streitschrift Meckenlórs v. 1536 bewahrt die kgl. Bibl. Bamberg.

Das Gutachten eines ungenannten Verfassers über die von Hein- rich von Witzleben ins Auge gefaßte und dann auch ausgeführte Um- wandlung des Klosters Roßleben in eine Schule zur Heranbildung von evang. Geistlichen teilt G. Liebe aus dem Magdeb. St.-A. mit. ZVKG. Prov, Sachsen 7, 9 S. 190—198.

Im 37. Jahresber. des Altmärk. V.f. vaterl.G. zu Salzwedel S. 71 bis 80 gibt G. Liebe eine kurze, aber anschauliche Schilderung der Verwaltung des durch die Sákularisation von 1551 in ein kurfürstl. Amt (das größte der Altmark) verwandelten Besitzes des Nonnenkl. Diesdorf.

„Staat und Kirche in Pommern im ausgehenden Mittelalter bis zur Einführung der Reformation“ schildert E. Bütow in Balt. Studien NF. 14, S. 84—148. Er hat es in diesem ersten Teil mit dem Ver- hültnis des Herzogs zum Landesbistum Cammin zu tun und zeigt im einzelnen, wie die weltliche Gewalt hier ihren Einfluß mehr und mehr über das kirchliche Gebiet erstreckt. Wir finden hier eine Entwicklung auf eine Landeskirche hin, die ihre Parallele bekanntlich in anderen deutschen Fürstentümern hat.

Die Reformationsgeschichte Stralsunds von den ersten retorma- torischen Regungen bis zu dem folgenreichen „Kirchenbruch“ (10. April 1525) behandelt A. Uckeley in Festschrift z. Begrüßg. der 62. Haupt- versamml. des Gustav-Adolf-Vereins in Strals. (Sept. 1910) S. 17— 33.

Unter der Aufschrift: „Staat und Kirche in Mecklenburg in den letzten Jahrzehnten vor der Reformation" (Jahrbb. V.f. Meckl. G.u. A. 75 S. 29—130) zeigt Joh, Weeßbach in eingehender und sorgfältiger Untersuchung, wie die Herzöge durch umsichtige Mehrung ihres Ein- flusses gegenüber dem geistlichen Element den Boden für die Refor- mation bereitet haben; ein eigentliches Landeskirchentum will Vf. allerdings in jenen vorrefornator. Bestrebungen noch nicht erblicken.

Aus dem Einbanddeckel einer Inkunabel der Lübecker Stadt- bibliothek sind Thesen einer im Katharinenkloster zu Lübeck 1527 veranstalteten Disputation über die Willensfreiheit als Einblattdruck zutage gekommen, die C. Curtius abdruckt und im Zusammenhang mit den Nachrichten über die Anfünge der Ref. in Lübeck kurz würdigt. ZVLüb. G. 12, 1 S. 69—79.

Ausserdeutsehes. Aus dem Jahrb. d. Ges, f. d. Gesch. des Prot. in Österreich, Bd. 31 (1910) notieren wir: S. 1—30 F. Schenner, D. Beteiligung des protest. Österreich an der Erbauung eines Studentenhospitals in Wittenberg um 1613; S. 31—389 K. Uhlirz, Adelige in der ültesten Matrikel der prot. Kirche in Graz (1567—1573); S. 40—43 J. Loserth, Neue Briefe von, an und über Jeremias Hornberger (13 Auszüge von 1578—1593). S. 44

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bis 56 J. Loserth, Zur Gesch. der Gegenref. in Inneröstereich (Auszüge aus Akten z. G. des Augsb. Rt. 1582 im Grazer Landesarchive). 8.57—74 W. A. Schmidt, Aktenbeilagen zur „Auersperger Pfarr“, Gegenref. in St. Canzian in Krain (Aktenbeilagen von 1598, vgl. Jahrb. 1909 S. 94—120). $8.81—105 J. Kvačala, Die Beziehungen der Unität zu Flacius und Laski (Schluß; vgl. Jahrb. 1909 S. 188—156). $.106—116 H. Hefele, Ein Spottgedicht auf die österr. Exu- lanten v. 1600 nebst Antwort (aus Hs. im Neuburger Kreisarchiv). S. 380—128 Literar, Rundschau über die Neuerscheinungen von 1909, von G. Loesche und G. A. Skalsky.

Die 1908 anonym erschienene ,kurze Geschichte der sogen. Ref. und Gegenref. in Steiermark“, die sich dann als das Machwerk des Grazer Universitätsprofessors A. Weiß entpuppt hat, wird von J. Lo- serth mit gebührender Schärfe in ihrer Tendenz und Unwahrhaftigkeit als giftiges Pamphlet gekennzeichnet. MJÖG. 81,3 S. 480—494.

Als Fortsetzung seiner Studien über den Salzburger Bauernkrieg von 1525/26 (vgl. ds. Ztschr. 6 S. 257) behandelt K. Köchl die „Bauernunruhen und Gegenreformation im Salzburgischen Gebirge 1564/65“. Er schildert, wie die Besiegung der Bauern 1525/26 die Saat der Unzufriedenheit nicht hatte ausrotten kónnen, die dann durch die gegenreformatorischen Bestrebungen der Erzbb. noch verstürkt wurde und somit nach 40 Jahren zu einem neuen Aufstande wesentlich reli- giósen Charakters führte, den Verf. auf Grund der Akten behandelt; der Aufstand wurde allerdings durch die streifenden Sóldnerscharen des Erzb. ohne viel Mühe unterdrückt, nachdem sich die Rädelsführer meist durch die Flucht gerettet; eine völlige Ausrottung des Protestan- tismus jedoch erfolgte nicht. Mitt.G.Salzb. Landesk. 50 S. 107—156.

Die Saizburgischen Provinzialsynoden im 16. Jahrh. (1537, 1549, 1569) bespricht K. Hübner in D. Geschbll. 12, 4 S. 97—126 (vgl. diese Ztschr. 7 S. 111). Ihre Verhandlungen und Beschlüsse spiegeln die kirchlichen Zeitverhältnisse, Reformation und Gegenreformation, wieder; ihr Ziel aber, Beseitigung des Irrglaubens und Besserung der Kirchenzucht, baben die Versammlungen nach H's Urteil nicht erreicht; |- besonders war durch den Gegensatz zwischen Klerus und weltlichem Fürstentum ihre Tätigkeit gelühmt.

Die „große“ Disputation zu Bern (1528), die Vorstufe zur Berner Ref., behandelt G. Schuhmann in ZSchw. KG. 3 S. 81—102, 210—215, 241—274, wissenschaftlich wertlos in tendenziös kathol. Sinne mit reichlichster Anwendung der berüchtigten Gänsefüßchen usw.

Ein zweites Supplement zur Calvin-Jubiläumsliteratur gibt N. W[eiss] in Bull. Soc. Hist. Prot. Franç. 59, 5 S. 468—471.

P. Wernle kommt, durch die neueste Calvinliteratur, bes. die Schriften von Holl und Sieffert veranlaßt, auf die schon früher von ihm bebandelte Frage der Bekehrung Calvins zurück, die er wiederum erst i. d. J. 1533 setzt, gestützt auf das Ergebnis eindringender Untersuchung der ältesten Calvintexte, hinter denen die Darstellung Bezas, als der kein originales Wissen von der Sache hat, zurückstehen

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muß. Auch Calvins Selbstbekenntnis in der Vorrede zum Psalmen- kommentar paßt sich W.s Auffassung an, der zum Schluß die Ein- wände der Gegner widerlegt. ZKG. 31, 4 S. 536—583.

Als 7. Stück der Neuen Studien z. G. d. Theol. u. d. Kirche bietet G. Beyerhaus „Studien zur Staatsanschauung Calvins, mit bes. Berücksichtigung seines Souverünitütsbegriffes" (XVI. 162 S.). Verf, be- handelt in seinen weit ausgreifenden Darlegungen, die insbes. auch der Entwicklung der einzelnen einschlügigen Ideen in den sich folgen- den Schriften C.s nachgehen: -C.s Staatsanschauung im Senecakom- mentar; Probleine der juristischen Bildungsgesch. C.s; C.s Souveräni- tätslehre (Souveränität Gottes in der Theologie d. h. in ihrem religiós-sittlichen Wesen und in der Staatslehre - d. h. in ihren staatlich-politischen Wirkungen); endlich: der isrealitische Staat bei C.; dazu drei Exkurse über Einzelbeiten. Das Ergebnis ist, daß C. eine Souveränität im technischen Sinne nur Gott zuschreibt, woraus ebenso die Verneinung aller absolutistischen Bestrebungen, die in der Annahme einer irdischen Herrschersouveränität gipfeln, wie die Aus- schließung eines aktiven revolutionären Widerstandsrechts des einzelnen und der Theorie der Volkssouveränität folgt. Am Schluß gedenkt Verf. noch kurz der Fortentwicklung dieser Ideen in der nächsten Zeit nach Calvin, sowohl in der Richtung der „Monarchomachen“ wie durch Jean Bodin, durch den erst der Staat als .summa potestas“ einen in seinem Dasein gegründeten Zweck und einen selbständigen Wert gewinnt.

Die Wahl des Papstes Paul IV. und die Obedienzgesandtschaft der Eidgenossen behandelt P. Fr. Segmüller O. S. B. in ZSchw. KG. 3 8. 1—29; dazu Beilagen aus römischen Archiven S. 131—150.

In Bd. 59 des Bull. Soc. Hist, Prot. Franc. erinnert R. Pétiet an die Taten des Jehan de Sainte-Hermine, eines Offiziers der Armeé Condés, der, nachdem i. J. 1567 La Rochelle durch Handstreich des Maires Pontard sich den Protestanten angeschlossen hatte, dort Gouverneur wurde, nach dem Frieden von Longjumeau von 1568 aber die Stadt dem König zurückstellen mußte und bald darauf gestorben ist (S. 20—51); gibt P. Baer über die Protestanten in Moulins, der Hauptstadt des Bourbonnais, 1561 und 1562 nähere Auskunft auf Grund eines gleichzeitigen Aktenstückes aus dem Stadtarchiv, das neben einem Briefe aus Moulins an Calvin im Anhang mitgeteilt wird (S. 297—333); verüffentlicht L. Mouton das Testament von Anne de Matignon, Witwe Maridor, Schwester des aus den Religionskämpfen bekannten Marschalls de Matignon und Ehrendame von Jeanne d’Albert, wonach Anne Hugenottin gewesen ist, vielleicht auch bei der Vermühlung Heinrichs von Navarra mit Margarete von Valois (1572) eine Rolle gespielt hat (S. 481—495); schildert E. Belle, Les libraires Dijonnais et les débuts de la Réforme à Dijon, auf Grund der Akten die Verfolgung kirchlich verdächtiger Bücher und Buchdrucker im Dijonnais zwischen 1535 und 1572 (S. 496—501); und publiziert und erörtert H. Hauser eine Urkunde Franz’ I. von 1529,

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die auf die bis 1524 zurückreichenden Anfünge des Protestantismus in Lyon Licht wirft. Zu beachten ist im Bull. auch die jedem der sechs jährlichen Hefte beigegebene Chronique litteraire über Neu- erscheinungen auf dem Gebiet der Gesch. des franzós. Protestantismus und verwandter Gebiete. »

„Italien und die Reformationsbewegung des 16. Jahrh. im Lichte der neuesten Forschung“ betrachtet K. Benrath in Internat. Wochenschr. 4, 39 S. 1213—1225. Er gedenkt der älteren Literatur, des Concilium Trid. der Görres-Ges., der Papstgeschichte Pastors usw., um endlich Tacchi-Venturis Werk über den Jesuitenorden in Italien (Bd. I mit wertvollem Dokumentenanhang) zu würdigen. Nach allem sind wir von einer Geschichte der Ref. in ganz Italien noch weit ent- fernt; bedauerlich bleibt auch der hermetische Verschluß des Archivs der Inquisition. Im ‚Anschluß an das nämliche Werk Tacchi-Venturis ergeht sich auch O. Braunsberger in StMLaach 1910, 7 S. 172—187 über „Italiens religiöse Wiedergeburt i. 16. Jahrh.".

Über die Umformung des Anglikanischen Kultus unter Eduard VI. handelt eingehend G. Constant, zunächst in einem ersten Artikel, der die Reformen von 1549, insbesondere das Common Prayer Book, zum Gegenstand hat, in dem er den Ausdruck des gemäßigten Liberalismus Somersets findet RHE. XII, 1 S. 38—80.

St. Ehses üufert sich erneut zur Ehescheidung Hein- richs VIII. und betont abermals gegen abweichende Auffassungen mit Recht, daß Wurzel und Triebfeder bei Heinrich von Anfang bis zu Ende seine Leidenschaft für Anna Boleyn gewesen sei; zuviel aber besagt E.s Behauptung. daß eine Einwirkung des Kaisers auf die rechtliche Entscheidung der Frage (durch Clemens VII.) weder von diesem befürchtet, noch von Karl V. versucht worden sei; eine offizielle Erklärung Clemens, daß der Kaiser von ihm nur die „reinste Gerechtigkeit“ verlangt habe, hat genau so wenig Wert, wie derartige Erklärungen stets haben; wertvoll ist sie nur, indem sie zugibt, daß die Ehescheidungssache zwischen ihm und dem Kaiser besprochen worden ist, und wenn der Kaiser „reinste Gerechtigkeit“ verlangt, so kann natürlich kein Zweifel obwalten, was er darunter verstand! 3. Vereinsschrift d. Görres-Ges. f. 1909 S. 7—20.

Aus dem Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis N. F. Bd. 7 sei ferner vermerkt (vgl. Bd. 7 ds. Ztschr. S. 455): . L. Knappert bringt von „Stukken uit den Stichtingstijd der Nederl. Hervormde Kerk“ noch: Eene Plattelandsgemeente anno 1582, das sind Briefe des Winandus Beeck Gerhardi, verbi minister in Soeter- meer en Segwaart (S. 216—261), und Briefe des Petrus Bertius des Älteren aus Rotterdam und Dünkirchen von 1574—1581 (S. 363—379). W. Meindersma beginnt eine Studie über die Reformation in Herzogenbuch (S. 262—276 und S. 380—392) P. Bockmühl macht vorläufige Mitteilungen über eine wiedergefundene Schrift des Joh. Anastasius Veluanus „Ein kurzer Wegweiser“ usw.; durch die Findigkeit des Auskunftsbureaus für deutsche Bibll. ist es gelungen,

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die bisher nur aus einer Erwähnung bekannte Schrift an drei Stellen aufzufinden. B. gibt nun eine Skizze, weist die Autorschaft des Veluanus nach und macht noch verschiedene Mitteilungen. die sich auf den Nümlichen beziehen (S. 337—362). Den Schluß des Jahrg. bildet eine systemat. Übersicht über Neuerscheinungen zur Niederl. KG. (S. 393—426; über Ref.-Gesch. speziell S. 410—414).

In Teylers Theologisch Tijdschrift 5, 1 5. 86—104 erhebt T. Cannegieter, „De stand van het confessioneel vraagstuk onder de gereformeerde Protestanten van Nederlandsche nationalitet in de 2de helft der 16de eeuw“, verschiedene Bedenken gegen F. 5. Knip- scheers 1907 erschienenes Werk: „De invoering en de waardeering der Gereformeerde belijdenisschriften in Nederland vöör 1618“.

Zum drittenmal legt I. W. Pont einen Band „Nieuwe bijdragen tot kennis van de geschiedenis en het wezen van het Lutheranisme in de Nederlanden“ (als „Jaarboek der Vereeniging voor Neder- landsch-Luthersche Kerkgeschiedenis“) vor (Amsterdam 1910). Die Reformationsgesch. betreffen die zwei Abhandlungen .De oudste Luthersche Psalm-en gezangboeken“ (5. 36 -84) und „De oudste organisatie der plaatselijke Luthersche Kerken in Nederland“ (S. 127—145).

Ein Lebensbild des Johannes v. Lasco (1499—1560) zeichnet zu dessen 350jährigem Todestage auf Grund der neuesten Literatur O. Apfelstedt in Protest. Monatsh. 1910, 12 S. 441 -453, unter Betonung der dauernden Bedeutung L.s für die evangelische Kirche.

Th. Wotschke führt die Biographie Stancaros (vgl. Bd. 7, S. 447) bis zu dessen Tode (1573) fort. Er bezeichnet St. als den „unangenehmsten Theologen, den die Geschichte kenne“, einen „öden Klopffechter", ohne irgendeinen ansprechenden Zug, dessen Spuren überall Unfrieden und Argernis folgten. So sei er geradezu das Verhüngnis der polnischen Reformation geworden: als diese im besten Fortschrei.en war und der Bau der alten Kirche bis in die Grund- festen erbebte, nahm St. der neuen Kirche jede Werbekraft und wandte ihre Anhänger zu verwüstendem Bruderkampf gegeneinander. Der Abhandlung folgen elf archivalische Beilagen. Altpreuß. Monatschr. 47,4 S. 570—613. An anderer Stelle gedenkt W. Stancaro dogmen- geschichtlich zu behandeln.

Des Nämlichen Aufsatz „Studienfahrten posener Studenten im 16. Jahrh.“ beschäftigt sich im besonderen mit den Universitäts- studien dreier Grafen von Scharfenort, aus dem Geschlecht Ostorog, die Wittenberg, Leipzig, Heidelberg, Zürich und Basel besuchten und dort Verbindungen mit den Reformatoren Deutschlands und der Schweiz knüpften. Beigegebene Briefe der Ostorog aus ihrer Studienzeit er- läutern die Abhdlg. ZHG. Posen 25, 1 S. 75—112.

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Neuerscheinungen.

Bibliographie. Die von V. Loewe abgefaßte, 1903 zuerst erschienene „Bücherkunde der deutschen Geschichte, Kritischer Wegweiser durch die neuere deutsche historische Literatur" liegt schon in 3. Auflage (1910) vor, hat sich also bewährt. In der Tat ist die Auswahl derjenigen Werke (Editionen und Darstellungen), die für die Einführung in das Studium der deutschen Geschichte wesent- lich sind, mit großem Geschick getroffen, und ebenso sind die den einzelnen Titeln beigesetzten kurzen Charakteristiken meist treffend und gut gewühlt. Auch für die Reformationszeit vilt das; doch hütte neben v. Bezold wohl auch Egelbaafs größere Reformationsgeschichte angeführt werden kónnen. Die neue Auflage ist sorgfültig bis auf die Gegenwart ergänzt, einiges ältere ist ohne Schaden gestrichen worden; vielleicht hätte, wenn es erlaubt ist pro domo zu reden, unter den Zeitschriften auch unser „Archiv“ ein Plätzchen verdient. Die Gliederung ist, nach dem Vorbild der Dahlmann -Waitzschen Quellen- kunde: Bibliographie und Quellennachweise, Literaturberichte und Zeitschriften, Hilfswissenschaften, Bearbeitungen der Gesamtgeschichte, Darstellungen nach der Folge der Begebenheiten; dazu kommt ein zwiefacher Anhang über die wichtigsten Sammelwerke für allgemeine bzw. deutsche Geschichte und die Veróffentlichungen der deutschen Publikationsinstitute. Auch ein Autorenregister fehlt nicht. Alten- burg, Räde 1910, VI, 144 S. M. 2.40; geb. M. 3.—.

Quellen. Der 7. Band des großen Quellenwerkes Concilium Basiliense, Studien und Quellen zur Geschichte des Konzils von Basel, führt uns in die spütere Zeit des Konzils, nach dem Bruch mit Eugen IV.; er bringt, bearbeitet von H. Herre, die Protokolle des Notars Jakob Hügelin und seiner zeitweiligen Vertreter, auf Grund der Original-Niederschrift der Kantonsbibliothek in Solothurn, vom l. Januar 1440 bis 1. Dezember 1441 und 25. Juni bis 30. Juli 1443 (die Protokolle der Zwischenzeit sind verloren); die früheren Proto- kolle (1438/39) sind dem noch nicht erschienenen 6. Bande vor- behalten. Die Aufzeichnungen betreffen vorwiegend die Sitzungen der Deputatio pro communibus und die Generalkongregationen, nebst mehr oder ıninder ausführlichen Berichten über die Konsistorien Felix’ V., wozu noch gelegentliche Aufzeichnungen über besondere Vorgänge am Konzil (Kirchenfeste, Einzug und Krönung Felix’ V., Abschwörungen des Florentiner Konzils, Obedienzleistungen usw.) kommen. Die Protokolle bereichern unsere Kenntnisse u. a. für die Vorbereitungen vor Ankunft des Gegenpapstes, die Verhandlungen über seine Krönung u. dgl, sodann über die damals ventilierten Reformfragen (u. a. vergebliche Versuche der Reform der Taxen, der Behörden, Abstellung von Mißbräuchen), wobei sich der Reformeifer des Konzils schon einigermaßen erlahmt zeigt; ferner die Recht-

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fertigungsbulle des Konzils vom 8. Noveniber 1440, den Streit um die Präsidentschaft: des Konzils, den Handel mit den Pfalzgrafen, das Bistum Straßburg u.a. m. Der Herausgeber fügt eine gut orien- tierende Einleitung hinzu, sowie zahlreiche Hinweise und Erläuterungen zum Text; auch sei auf seine Untersuchung des Verhältnisses zwischen Hügelin und der Chronik Segovias hingewiesen, wobei seine Ergeb- nisse von denen Joh. Hallers wesentlich abweichen. Basel, Helburg und Lichtenhahn 1910; LXIII, 593 S.

Untersuchungen und Darstellungen. Auf Grund von Florentiner Archivalien sowie der Literatur gibt Lina Hirsch ia geschmackvoller Form eine Übersicht über die Geschichte des Klosters San Marco in Florenz, wobei naturgemäß die Periode der älteren Medici und besonders Savonarola im Mittelpunkt steht. Stuttgart, Kielmann; 70 S., M. 1.20.

Als Heft 11/12 der Reformationsgeschichtlichen Studien und Texte herausg. von J. Greving erschien: Jos. Schweizer, „Ambrosius Catharinus Politus (1483—1533), ein Theologe des Reformationszeitalters. Sein Leben und seine Werke“ (Münster, Aschendorff 1910; XVI, 308 S., M. 8.50). Ein fleißiger, verdienst- licher Beitrag zur Geschichte der Einwirkung der Reformation auf den Katholizismus, speziell die katholische Theologie vor dem Tridentinum. Neben einer reichen Literatur sind die Archive von Florenz, Rom und Siena benutzt. Das Urteil des Verfassers über P., der ja besonders als einer der ersten Gegner Luthers in Italien bekannt ist, lautet ziemlich resigniert, ihm bleibe im wesentlichen nur das Verdienst, ein treuer Kämpe seiner Kirche und ein Vorkämpfer des Katholizismus gewesen zu sein; doch verschweigt Verf. auch nicht, daß P. einmal im Begriff gestanden habe, Wege einzuschlagen, die später Ochino und Vergerio wandelten; persönlich belasten P. nach S.s Urteil Streitsucht und Animosität gegen alle wirklichen oder ver- meintlichen Gegner, überhaupt Einseitigkeit und Intoleranz bei Über- schätzung seiner eigenen Bedeutung. Dem Text folgt ein Anhang ausgewählter Dokumente und eine Zusammenstellung der ca. 50 Schriften des Politus.

E. Wintzer, „Hermann Schwan von Marburg. Ein Beitrag zur Geschichte Philipps d. Großm.“ schildert auf breiter archivalischer Grundlage das schwere Schicksal eines Marburger Bürgers, der in den (grundlosen?) Verdacht eines schändlichen Mordes kam, bei den un- vollkommenen Rechtszuständen der Zeit aber seine Unschuld nicht überzeugend nachzuweisen vermochte und. darüber Vaterland, Besitz und Freiheit verlor, mehrfach Folterqualen erduldete usw., und erst kurz vor seinem Ende einigermaßen restituiert wurde. Der Verfolger Schwans war die hessische Regierung. Verf. möchte den Landesherrn persön- lich für die Unbilden Schwans verantwortlich machen und läßt durch- blicken, daß der reiche Besitz des Verfolgten die Begierde des Fürsten erregt habe. Das ist mindestens nicht nachzuweisen und andererseits sind wir doch auch nicht in der Lage, den Verdacht, in den Schwan

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geriet, als sicher grundlos zu behandeln. Abgesehen von dem Sonderschicksal des Marburgers liefert das fleißig gearbeitete Buch willkommene Beiträge zur Geschichte der Rechtspflege wie auch des bürgerlichen Lebens im 16. Jahrhundert; auch auf die Tendenzen des Fürstentums der Zeit und das Verhältnis von Fürst und Untertan fallen interessante Streiflichter. Marburg, Elwert 1909. VIII, 336 S. M. 6.

Jos. Schmidlin hat seine Veröffentlichung über „die kirch- lichen Zustände vor d. 30j. Kriege nach den bischöfl. Diözesan- berichten" (vgl. Jahrg. 7 S. 120 und 459f) mit einem dritten Teil zum Abschluß gebracht, der West- und Norddeutschland, nämlich die Diözesen Konstanz, -Straßburg (mit Basel), Speyer (mit Worms), Mainz, Trier, Köln (mit Lüttich), Breslau, Ermland und Kulm, endlich „den übrigen Norden“ (d. i. Münster, Paderborn, Minden, Halberstadt, Magde- burg, Bremen-Hamburg, Lübeck), diese letzteren aber ohne die Grund- lagen eigentlicher Bistumsrelationen, behaudelt. Der Autor erläutert seine Methode in einer „Vorbemerkung“ aufs neue; gleichwohl erscheint diese Wiedergabe in sog. freier Form keineswegs einwandfrei; wort- getreue Mitteilung des aus den einzelnen, knrz zu charakterisierenden Relationen herausgeschälten historisch Wichtigen wäre verdiens£licher gewesen. Zu welchen Unzuträglichkeiten, ja Geschichtsfälschungen Schmidlins Methode führt, zeigt durchschlagend J. Loserth in DLZ. 1911, 18. März (Sp. 689 ff). Freiburg, Herder, VIII, 254 S., M. 7.—.

Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H., Gräfenhainichen,

Zum Lebensbilde Laskis.

Von Theodor Wotschke.

Die interessanteste Gestalt, die Polen im Reformations- jahrhundert aufzuweisen hat, ist anerkanntermaßen der Re- formator Johann Laski. Dalton hat uns in einer schönen, warm geschriebenen Biographie sein Lebensbild gezeichnet, auch einen Franzosen hat die fesselnde Erscheinung des Polen, der Heimat und Freundschaft, eine glänzende kirch- liche Laufbahn um seines Glaubens willen geopfert hat, zur Darstellung gelockt!). In den letzten Jahren ist über den Charakter unseres Polen und sonderlich über seinen sog. „Reinigungseid“ ein wissenschaftlicher Streit entbrannt?). Ich habe in dieser Kontroverse die Feder ergriffen?), ferner in meinen verschiedenen Arbeiten zur polnischen Refor- mationsgeschichte einige neue Mitteilungen zur Ergänzung des Lebensbildes Laskis gemacht‘), auch die Briefe Herzog Albrechts an ihn veróffentlieht?). Ich gebe im folgenden einige weitere kleine Nachrichten.

Es ist oft beklagt, daß wir aus den Jahren 1536 ff., die von einschneidender Bedeutung für die religiöse Entwicklung Laskis waren, in denen er sich mehr und mehr von der

1) Dalton, Johannes a Lasco, Gotha 1881, ferner Lasciana, Berlin 1898. Pascal, Jean de Lasco, Paris 1894.

2) Vgl. Dalton, Eine Doppellanze für Laski. Berlin 1905. Naunin, Zur Laski-Kontroverse, Dt. Eylau 1906.

3) Wotschke, Joh. Laski, seine Kandidatur für den Posener Bischofsstuhl und sein Reinigungseid. Korrespondenzblatt des Vereins für Geschichte der ev. Kirche Schlesiens 1906 S. 116.

4) Vgl. die Biographien von Eustachius Trepka, Stanislaus Luto- mirski, Francesco Lismanino, Stanislaus Ostrorog, Abraham Culvensis.

5) Herzog Albrechts Briefe an Johann Laski. Altpr. Monats- schrift. Bd. 45 S. 336—352 und 458—475.

Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 3. 16

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alten Kirche innerlich loslóste, so wenig Nachrichten über den polnischen Reformator besitzen. Nachdem er am 5. April 1537 noch in Krakau den Empfang der Bibliothek des Erasmus bestätigt, auch an Bonifaz Amerbach geschrieben und ihm Hoffnung auf seinen Besuch gemacht, sehen wir ihn tatsächlich einige Wochen später in Deutschland. Kawerau hat zuerst auf die von den Forschern bisher tibersehene Nachricht hingewiesen, die Melanchthon am 1. Mai 1537 seinem Freund Camerarius sendet, er habe Laski in Leipzig getroffen und viel mit ihm gesprochen. Ich kann dem hinzu- fügen, dab Laski im April 1537 von Krakau über Breslau gereist und hier acht Tage geblieben ist. Zweifellos hat er in eingehenden Gesprächen mit seinen alten Freunden, dem Reformator Johann Heß und dem Stadtarzt Matthias Auktus, die strittigen religiösen Fragen erörtert. Dann sehen wir ihn in Dresden und in Freyburg a. d. Unstrut, wo ein über- eifriger herzoglich sächsischer Amtmann ihn anhalten und verhaften ließ. Die Dienste, die Laskis Bruder Hieronymus dem Woiwoden von Siebenbürgen Johann Zapolya gegen König Ferdinand erwiesen, waren allbekannt, noch liefen Mandate um, in denen Ferdinand die Verhaftung des Palatins von Sieradien und wohl auch seines Bruders Johann gebot. Der Übergang beider Brüder in das Lager König Ferdinands 1535/36 hatte wohl ihre Außerkraftsetzung zur Folge gehabt, aber in Norddeutschland mag ihre Aufhebung nicht bekannt geworden sein. Auf Grund dieser Mandate ließ der Frey- burger Amtmann Johann Laski, zu dem wohl bereits der gelehrte Andreas Fritsch (Frieius) Modrzewski, der 1533 im Auftrage Laskis mit Anian nach Wittenberg, Ende 1536 tiber Basel nach Paris gegangen war und im Februar 1537 an dem Schmalkaldener Konvente teilgenommen hatte!) ge- stoßen war, festnehmen und nach Leipzig bringen. Hier wurde er am 24. April auf der Pleißenburg von den Räten Georg von Karlowitz und Brandt verhört. Seine Aussagen

1) Vgl. die Briefe, die Straßburg, den 18. Januar und Nürnberg, den 29. Januar 1537 Andreas Fritsch an den Baseler Bonifaz Amer- bach richtete. Das letzte Schreiben bietet interessante Nachrichten über den Transport der Bibliothek des Erasmus nach Krakau. Pamietnik Literacki, Lemberg 1905 S. 512 ff.

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ließen jeden Verdacht, daß er etwa in Diensten Zapolyas stände und eine geheime Botschaft nach Frankreich trüge, schwinden; doch verpflichteten ihn die Räte, in Leipzig zu bleiben und die Antwort des Herzogs Georg abzuwarten. Wohl begegnete dieser Laskis Aussage, daß er nur Studien halber nach Deutschland gekommen sei, mit Mißtrauen'), wartete auch erst Nachricht vam Könige Ferdinand ab?), an den Laski sofort nach seiner Verhaftung geschrieben, als diese aber eintraf, er seinen Argwohn völlig grundlos sah, suchte er ihn nach Kräften zu fördern und gegen ähnliche Verhaftungen zu schützen. Am 30. April gab er ihm einen Geleitsbrief durch sein Herzogtum ë), empfahl ihn auch am 5. Mai an den Landgrafen von Hessen‘). Ist Laski jetzt, wie er noch am 1. Mai dachte’), zum Studium nach Basel gereist? Modrzewskis Briefe an Amerbach über die Zahlung des Restkaufgeldes für die Bibliothek des Erasmus schließen es aus. Die Kunde von dem am 10. Mai in Krakau er-

1) Dresden, Mittwoch nach Jubilate (25. April) schreibt er den Rüten, „wir kennen keines wegs achten, das bemelter Laßko allain dem studio nachzogen sei, dieweil er jungst zweyerlay glait bei vns des lanndgraffen halber gesucht, doch wollen wir zu vnnser zukunfft weitter mit jhme reden lassen“.

?) An seine Rüte schrieb der Herzog noch: ,Das er sich ober vff des konigs glait beruffen thut, achten wir, wer ein ausred. So begeren wir, jr wollet jhme anzaigen, das er der romischen kon gnaden vmb das glait schreiben sol, so es jhme noch nit zukomen. Welchs schreiben jr jn ewren hannden nemen werdet vnd ferder der ron kon gn. zusenden bey ainem aignen botten vff vnser vncost, damit die roe koe g. des ain wissenschaft entpfahe.^ -

3) Das Mandat findet sich in dem Aktenheft: Des Propstes zu Gnesen Johannes von Lasko Bestrickung und Befreiung 1537. Dresden, Hauptstaatsarchiv Loc. 7196.

4) Das Marburger Staatsarchiv besitzt über die Reise Laskis durch Hessen oder zum Landgrafen keine Urkunden.

5) Laskis Vertrauter. Fritsch Modrzewski schreibt Leipzig, den 1. Mai 1587 an Amerbach: Litteras a d. Lascio mitto tibi, cum quo, si forte consilium erit, spero me vos... brevi visurum. Den Briefen des Fritsch an Amerbach vom 15. Juni 1537 aus Nürnberg und vom 17.September 1588 aus Frankfurt, die uns über die Entrichtung des letzten Kaufgeldes für die Bibliothek des Erasmus Auskunft geben, kónnen wir weitere Nachrichten über Laski leider nicht entnehmen. Vgl. Pamietnik Literacki, Lemberg 1905 S. 516 ff.

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folgten Ableben des Erzbischofes Krzycki-Kottwitz!) und die hiermit sich eröffnende Aussicht auf eine Wandlung der kirchlichen Verhältnisse in der Heimat, vielleicht auch ein Brief seines Bruders Hieronymus?) scheinen Laski nach Polen zurückgerufen zu haben.

Am 6. September 1547 hatte Herzog Albrecht von Preußen?) der von Laski unter dem 22. Juni geäußerten Bitte entsprochen und ihm 1000 Taler auf zwei Jahre geliehen *). Durch den Danziger Großkaufmann Simon Loitz: hatte er das Geld dem Reformator, der in Friesland Güter gekauft und den Preis mit dem eigenen Vermögen nicht bezahlen konnte, zugehen lassen. Hat Laski, der Ende 1549 aus Friesland weichen mußte, das Geld zurückzahlen können oder ist es dem Herzog verloren gegangen? Der Brief des Herzogs an Simon Loitz?) gibt uns die überraschende Nach- richt, daß der Reformator fast unmittelbar nach dem Empfang der 1000 Taler sie an den Faktor des Danziger Kaufmannes Loitz in Amsterdam zur Überweisung nach Königsberg zu- rückgezahlt hat. Inwiefern Laski dies möglich war, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls ist aber die sofortige Rückerstattung ein schönes Zeichen für die Gewissenhaftigkeit Laskis, der die Hilfe des edelsinnigen Herzogs nicht länger, als unbedingt nötig war, in Anspruch nehmen mochte.

Ein Nachklang zu den Verhandlungen?) Laskis Sommer

1) Thorn, den 16. Mai 1537 meldet Lukas Gorka den Tod des Erzbischofs nach Königsberg.

2) Krakau, den 24. Juni 1537 meldet Stanislaus Laski dem Herzog Albrecht, daß sein Bruder Hieronymus in die Dienste des römischen Königs getreten und als dessen Botschafter am polnischen Hofe weile.

3) Seit dem Petrikauer Reichstage 1530, auf dem er am 18. De- zember eingetroffen, kannte Herzog Albrecht Laski persönlich. Schon damals gewann der Gnesener Dompropst sein ganzes Wohlwollen. Durch seinen Verwandten Russoszicki ließ er ihn nach seiner schnellen Abreise besonders grüßen. Vgl. dessen Brief an den Herzog vom 21. Dezember 1530.

*) Wotschke, Herzog Albrechts Briefe an Laski a. a. O. S. 346 f.

5) Vgl. Beilage Nr. III.

6) Über die Verhandlungen gibt uns einen weiteren Aufschluß ein Brief, den der Herzog aus Przerosla, den 29. August 1549 an Laski richtete und den ich hier mitteilen will, weil ich ihn in der

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1549 in Königsberg ist das Schreiben des Herzogs an den Lübecker (?) Kaufmann Hermann von Bommeln?). Laski, der von dem kaiserlichen Hofe beschuldigt war, gelegentlich seines Königsberger Aufenthaltes gegen die Politik Karls V. gearbeitet zu haben, hatte den polnischen König und seine Mutter Bona um ein Zeugnis gebeten, das diese Anschuldigung entkräfte. Herzog Albrecht fand diese Briefe nicht, wie er erwartete, bei dem Laskischen Schreiben vom 21. Oktober

Veröffentlichung der Briefe des Herzogs an unseren Polen nicht zu bieten vermochte: „Wir haben eur schreiben, den 13. Augusti zu Dantzig ausgangen, bekommen vnd daraus, was ihr des grawen von Manßfeld halben an vns schreibet, verstanden. Daneben wollen wir euch nicht pergen, das wir auch von Simon Loytzen von Dantzig ein schreiben bekommen, der stragks begeret, ihme eine vorsicherung vff zehn taussend thaler zuzusenden, doch nichts meldet noch anzeiget, ob vnd wer das geld empfangen oder wie es darumb ein gestalt. Derwegen wir es auch wie ihr in eurem schreiben dafürhalten, be- meltem von Manßfeld eure jungsten brieffe villeicht nieht zu der zeit noch nit behendigt sein werden. Nun zweifeln wir nicht, ihr habt euch zu erinnern, wie vnser abschiedt, den wir mit euch gemacht, ge- lautet, solle auch deme, wes wir vertrösten, jnhalts des abschiedes von vns volge geschehen. Vns felt aber allerlei bedenken für, in deme das solche handel, als an vns gelangt, sehr weitleuftig gesucht, darob sr l. wenig gedienet vnd gleichwol daraus allerley nachteil zu- uormutten. Zudeme wolle jhe von nóten sein, das vns bekenntnus vnd genugsame schadlosversicherung, wie die abrede gelautet, zu- gesandt, damit wir vns in alle felle daran zu achten vnd nicht, wie sonst disfals geschehen müßte, im finstern zu handeln, ohne das habt ihr zuerwegen, das vns in etwas einzulassen bedenklich.^ An Loitz schrieb der Herzog an demselben Tage in Beantwortung eines Schreibens vom 17. August: „Vnserm oheimen grafen Volradt des fals gnedigen willen zu erzeigen, weren wir gewogen, wes vns aber vff den abscheid mit s.l. gemacht für bedenken fürfließen, das haben wir ... Johann Laski zu erkennen geben ... begeren, ihr wollet beyliegenden brief bemeltem hern Laski nachschicken.“

An den Grafen von Mansfeld ließ schließlich der Herzog in Er- widerung auf seinen Brief vom 9. September am 4. Oktober 15419 schreiben: ,Das herr Laski zu Bremen ganntz eylendes durchgereiset vnd euch noch euren sohn nit angesprochen, jst vns dasselbe nicht lieb. Viel vngerner aber haben wir gehöret, das er die gewerbe, welehe wir jme an eueren sohn gelangen zu lassen vferlegt, erst eynem predicanten vortrauet, jn bedacht, das also die hendel in die weitleuftigkeit zu kommen pflegen."

7) Vgl. Beilage Nr. IV.

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1549, das ihm durch Bommelns Vermittlung überreicht war), und ersuchte ihn deshalb am 28. November um Auskunft über den Verbleib der Briefe. Über die Bemühungen Laskis durch den jungen König in seiner Heimat ein Amt, in dem er reformatorisch wirken könne, zu erhalten, unterrichtet ein wenig des Herzogs Brief vom 1. Juni 1550.

Insterburg, den 15. Juni 1558 richtete der Herzog an Laski ein recht ungnädiges Schreiben und beschuldigte ihn wahrheitswidriger Ausstreuungen?). Von glaubwürdiger Seite sei ihm berichtet worden, daß er in Danzig, wohin sich Laski nach dem Königsberger Kolloquium April 1558 be- geben, dem Herzog seine symbolische Auffassung der Abend- mahlsworte unterstellt, ihn zu einem Anhänger der Schweizer gemacht, ihn óffentlich in Danzig als eines Sinnes mit ihm bezeichnet, auch also dem Fürsten Radziwill und Krakauer Palatin Stanislaus Tenezynski geschrieben habe. Wer ist hier des Herzogs Gewährsmann gewesen? Zweifellos ein Danziger, sicher ein eifriger Lutheraner. Ein Bericht, den der Merzog unmittelbar nach Laskis Abreise aus Danzig er- halten, liegt uns noch vor?); er ist aus der Feder des als ein strenger Lutheraner bekannten Bürgermeisters Kon- stantin Ferber. Seine weiteren Briefe in dieser Angelegenheit besitzen wir indessen nicht mehr, und die Antwortschreiben des Herzogs, die ich in den Beilagen mitteile, können sie in keiner Weise ersetzen. Wir sehen, daß Ferber durch seine Nachricht den Herzog veranlaßt hat, ihm seine Antwort auf Laskis Werbung *) und seiner Theologen Erwiderung auf seine Abendmahlsschrift vom 15. April?) mitzuteilen, und daß Ferber zweimal in den Herzog gedrungen ist, seiner Theologen Gegenschrift öffentlich ausgehen zu lassen. Hat Ferber den

1) Vgl. Wotschke, Herzog Albrechts Briefe an Laski S. 158 ff.

% Vgl. Wotschke, Stanislaus Lutomirski. Archiv für Refor- mationsgeschichte III, 163.

3) Vgl. Beilage VI.

3) Abgedruckt Wotschke, Herzog Albrechts Briefe an Laski S. 461—406.

5) Responsio ministrorum in ecclesiis Prutenicis ad scriptum de coena domini exhibitum ipsis a rever. et magnif. viro d. J. a Lasco die XV Aprilis 1558. Vgl. Wotschke, Eustachius Trepka, Z.H.G. Posen 1903 S. 122,

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Herzog recht unterrichtet, hat Laski in Danzig tatsächlich den Herzog als eines Sinnes mit ihm in der Abendmahls- lehre hingestellt, um damit für seine Auffassung Propaganda zu machen, andere zu ihr herüberzuziehen? Gewiß nicht. Ferbers erstes Schreiben weiß von einer solchen Handlung unseres Polen nichts, zeigt vielmehr deutlich, daß Laski den Dissensus in der Abendmahlslehre anerkannt, nur dessen ungeachtet von dem Herzog und den preußischen Ständen eine politische Unterstützung auf dem kommenden polnischen Reichstage erhofft hat. Und er konnte sie erwarten. Wir wissen aber, mit welcher Unruhe und Besorgnis die Luthe- raner auf die Verhandlungen Laskis mit dem Herzog sahen, wie sie die freundliche Aufnahme, die der polnische Refor- mator in Königsberg gefunden, dem Herzoge verdachten, von großen Geschenken an Laski u. dgl. mehr fabelten. „Die leuth reden vnd schreiben viel“ schließt der preußische Agent Bernd Pohibel seinen Bericht vom 26. April 1558 aus Wilna über Laskis Aufenthalt in Königsberg +). Unter dies Wort fällt auch, was über angebliche unwahre Äuße- rungen Laskis dem Herzog berichtet ist.

I. Die Leipziger Räte an Herzog Georg?)

Auf ewer fürstliehen gnaden bephell haben wyr hernn Johann Laßko aus der herberge auf e. f. g. schlos erfordert, do ehr auch in des frawenzimmers stuben vnderhalthen wyrdt, vnd naeh dem wyr beysorge gehapt, so wyr sempthlieh yhnen vmb ethwas theten befragen, das ehr in vnser aller gegenwertigkeit absehaw haben mochte, dorumb ehr befragt, bericht zuthun, derwegen haben wyr für gut geachtet, das ich George von Karlewitz beneben Georg Brand vns alleyne zu jhm vorfugten vnd von allerlei sachen mit yhme vnderrede hetten, welchs dann also beschehen, vnd befinden, das ehr darauff bestehe, das der weida eyne bothschafit zum iran- zosen schicken werde, daruon der churfürst von Branden- burgk wissenns tragen solle, wie ehr solchs vom konnig zu Polen gehort.

1) Vgl. Wotschke, Abraham Culvensis. Urkunden zur Refor- mationsgeschichte Lithauens. Altpr. Monatsschrift Bd. 42 S. 209.

2) Beilage I und II aus dem Dresdener, III— VIII aus dem Königs- berger Staatsarchiv.

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Zum anndernn gestehet ehr, das seinem bruder zwantzig tausent koron zugesagt worden seint, weidas zu pleibenn, vnd do ehr sich darzu hette vormugen wollen lassen, so solthenn yhme zweymalhundert tausen koron zu Nurnnbergk, dohin es der franzos vorordennet, durch denn landgrauenn zu Hessen!) zugestalt worden sein, krigsvolek aufzunehmmen. Solehs sey aber alles besehehen vngeierlieh vmb Martini nechst vorruekt, wie denn sein bruder die brief derjhenigen, so solehs mit yhme gehanndelt, rommischer koniglicher maiestüt allenthalben zur selbigen zeit angezeigt, der dieser dinge aller gut wissens habe. Weil nun dem also, fo ist vnser vnderthenigs bedenneken, das ane not sei, das e. f. g. kon’ majt hieruon ainichen bericht thun, vil weniger das e. Í. g. dem landgrauen daruon ethwas schreibenn solthe, zu- forderst so es die ro? konigl® majt vorlangst gewust vnd dan- noch bisher stiller geschwigen. So zeigt ehr auch ann, das ehr alleynne dem studio itzo im willenn gewest nachzuzihen vnd zu Breßlau acht tage stille gelegen vnd volgende durch Dresden seynenn wegk alher genommen vnd do yhn der amptman alhier zu Freiburgk seyner bestriekung loßgezalt, were yme irey gestanden, straeks, wo ehr zu gewolt, zu reisen. Ehr hette sieh aber widerumb gutwillig, dorumb alher be- geben, das ehr diesenn seynen zustandt der ro" konig" majt vnd seynem bruder, welcher des orts am hof ist, schritit- lichenn angezeigt, damit ehr yhme von seiner kónig" majt ein geleithe zuschickte, welchs ehr auch teglich wartet. Aber mithler zeit hat ehr bei yhme beschlossen, alhier hinnfort zupleibenn, bis die krigesleuffte gestilt, wie wyr dann aueh befunden, das ehr in der herberge sieh ein zeit lanng in die kost eingedingt hat. Dem- naeh kunnen wyr keyner argkwonigkeit vnns bei yhme vor- sehenn vnd ist hirauf vnnser bedeneken, e. f. g. hetten y hme, nachdem ehr ein eherlieh man vnd albereit seiner bestriekung zu Freiburg loßgezalt, vom schloß in seine herberge wiederumb erlaubt, dergestalt das ehr zusage, e. f. g. zukuniit vnd ab- raisen zuerwarten, ob dieselbige weither mit yhme ethwas redenn wolthen lassen... Dat. Leiptzigk, Dinstags naeh - Jubilate anno 1537.

II. Herzog Georg an den Landgraien von Hessen.

Es ist e. l. sonder zweiffel vnuorporgen, wie das sich hiebevor h. Johann Laßko, probst zu Gnisen, ein zeit lang bei dem weida zu Hungarn enthalten. Derhalben dann vnser amptleut nit anderst gewust, er sei noch in desselben waida bestolhung, so er sich dann dureh vnser furstenthumb be- geben, haben vnsere amptleut jn dem ... nit vnderlassen, den außgegangenen königl. mandaten nach jne vif der strasse niderzuweriten vnd beschaidt von jhme zu nemen, dordurch

1) Über den Briefwechsel des Hieronymus Laski mit Philipp von Hessen 1532 ff. vgl. Politisches Archiv des Landgrafen Philipp Bd. I, Publikationen aus den preufischen Staatsarchiven Bd. 78.

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er entliehen gegen Leiptzigk jn vnnser gewarsam bracht, do er bis zu vnser zukunft enthalten. Weil wir dan befunden, das er jndes von der romischen konigliehen gnaden zu Hungern vnd Beheim briff bekomen, so haben wyrs nieht dorvon zu achten wissen, das er noch waidisch sey vnd ihnen darauif one alle beschwerung von vns komen lassen. Nun het er vns, dis ergangenen handels e. ]. wie oben berurt zu berichten, vnd vmb jierderung an e. l. gebetten, dan er sich heren lest naeh Frankiurdt zu ziehen. Demnach bitten wir freuntlichen, e. l. wolle jne sicher durch jr furstenthumb komen lassen, dann wir jne vmb nichts anders haben an zuziehen wissen, wann wie oben berurt ... Dat. Leiptzigk freitags naeh inventum erueem anno 1537.

III. Herzog Albrecht an Simon Loitz').

Naehdem wir von dem erwirdigen vnd edlen vnsern besondern lieben hern Johan von Laßki ein schreiben emp- langen, wie das ehr euerm factor zu Amsterdam die tausent thaler, welche wir jm vorhin dureh euch wechselweis ge- lehnet, erlegt vnd so weit abgehandelt hat, das jhr gedachte thaler vns auf nechst vorgangen Jacobi erleget solt haben, hetten vns auch vorsehen, dem solde folge geschehen sein. Weil aber solehs bisher verpliebenn, nieht wissen wir aber aus was vrsachen, allein das vns vnser cammerrath Hans Nymptseh bericht hat, wie ehr etwan dieselbigen tausend thaler dureh Paul Jaßky vermittelst einem wexel vbermachen willens gewest ist, jst derwegen an euch vnser gnedigs be- geren, jhr wollet vns ane fernern verzug solche tausend thaler zu vnsern handen stellen, dokegen wollen wir vor- schaffen, das euch geburliche quitantz oder aber, ob die noth erfordert, die vorsehreibung des h. Laßki, dauon wir euch hiemit ein eopien zuschieken, soll gegeben werden. Den 16. Decembris 1547.

IV. Herzog Albrecht an Hermann von Bommeln.

Wir haben dieser tage von h. Johann Laßki etliche sehriiten?), die ehr an vns geschrieben, empfangen. Nhun

!) Simon Loitz hatte vielfach Aufträge des Herzogs von Preußen zu erledigen. Am 12. März 1547 z. B. schreibt ihm der Herzog: Es hat uns der achtpar vnd hochgelarte magister Fridericus Staphilus, wie ehr bey eurem brudernn zu Stettin Steffann Loitzenn etliche fesser, darinnen bucher eingeschlagen sein, stehe vnd habe, solche aber gerne alhie wissen wolte, berichtet. Demnach an euch vnser gnedigs be- geren, ir wollet eurem bruder gen Stettin schreibenn, das er solche fesser, so bemeltem Staphilo zukommen, mit dem erstenn gen Dantzigk an Heinrichen Klefelt, do die fuhrleute jr lohn bekommen werden, senden wolle... Den 13. Sept. 1548 ersucht er ihn, im hóchsten Ge- heim dem Grafen Volradt von Mansfeld behülflich zu sein, damit er ein Schiff, das ihn naeh England mitnühme, gewinne.

2) Laskis Briefe vom 18. Sept. und 21. Okt. 1549 bei Kuyper, Joannis a Lasco opera II S. 628 ff. und 0633 f.

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verstehen wir aus denselben seynen schreiben, wie dabei schriften an ko? mat zu Polen gewesen sein sollen. Wir haben aber solche schreiben bey vnsern brieifen nicht ge- funden, zeigen dir dis darumb ahn vi das, do du solche briefe noch bey dir hettest, du vns dieselben zuzuschigkenn. Do du sie auch algereit nach Polen geschigkt, hastu vns solehs auch zuzuschreiben vnd begeren gnediglich, du wolltest beyliegende vnsere brieie!) gewis ahn h. Johannem Laßky bestellen. Poppen, den 28. Nouembris 1549.

V. Herzog Albrecht an Johann Laski’).

Wir haben euer schreyben, zu Hamburgk, den 25. Aprilis gegeben?) ahm heiligen pfingsttag allhie zu Konigsperg empfangen vnnd erstlieh ewer widerwertigkeit, die ihr zur sehe gehabt, auch sonsten eure krankheit vnnd wie es da- rumb gelegen, verstanden. Gonnen euch solchen anfahl vnd leibes besehwer nit vnnd haben gern gehöret, das es sich mit eurer sehwachheit gebessert, den lieben gott bittende, er wolle euch zur ehre seines namens in guter wolmogenheit lange erhalten... Was die ko* majt in Polen euch ge- schrieben, hören wir gerne. Dieweil aber den beden?*) nicht leidlich, daß eure briefie an vns gelangen, muß es gott be- folen sein, nie zweifelnde, ihr habt als der verstündige die vrsache bei euch zu erwegen, an welcher wir nit schuldt. Dan der diseipel ist nicht mehr dan sein meister. Vnnd nimpt vns warlieh wunder, das ko* majt die beden herrn die antwort, die Bojanowius?) euch zugeschrieben, geborgen. Alles aber vormerken wir dohin geriehtet, das man euch damit aufzuziehen und aufzuhalten gedenket. Ob euch solch aufhalten leidlieh, ist wohl zu bedenken. Dan wie wir vns nieht anderst erinnern konnen, so ist eure eondition in Eng- land aufs pleibliche gestellet, welches vielleicht nit vf wenen gerichtet, darüber vorfallen mochte, ihr zwischen zweien

1) Vgl. Wotschke, Herzog Albrechts Briefe an Joh. Laski. Altpr. Monatsschrift Bd. 45 S. 453.

2) Den 11. Februar 1550 hatte der Herzog Laski geschrieben: „Wir haben ewer schreyben zu Bremen, den 5. Dezembris ausgangen, bekommen. Das euch vnser schreyben ethwas langsam behendigt, haben wir ganz vngern gehört. Was auch disfals die vorhinderung gewesen, ist vns geborgen vnd sehens gleichwol gern, euch vnsere schriften behendigt sein. Das auch die andern vnsere schriften zur stellen kommen vnd derselben leute, an welche die briefe geschrieben, gemutte bewegt, haben wir zu solchem bewegnuß nit vrsach geben. Ferner ersehen wir, was Boianowius an euch vnd ir wieder an ihn geschrieben, darauf haben wir ihme eurem ansinnen nach eure brieffe wol vorwaret zu henden geschicket.“

3) Vgl. Kuyper II S. 638.

t) Er meint den Krakauer Bischof und Kastellan.

5) Über Bojanowski vgl. Wotschke, Herzog Albrechts Briefe au Laski S. 350. ,In Maiori Polonia patriis bonis contentus esse nolens aulam et eius promissa secutus a. 1555 17. Junii Cracoviae moritur, antequam vivere didicisset, aetatis suae 48“ sagt seine Grabinschrift.

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stulen, das wir eueh nieht gern gonnen wolten, niedersitzen moehtet. Demnach werdet ihr als der verstündige ohn vnser erinnern die wege zu suchen wissen, damit nieht das vn- gewisse vor das gewisse gewehlet. Vnnd mag wol sein, daf) eure person aus dem schreyben zu hoffen geursacht, gott gebe, das sie die nieht betriegen, welehes vns hertzlieh leid sein solte. Wollen auch gott bitten, er wolle des kenigs hertz also richten, das es zu gots ehre vnd erbreyterung seines lieben wortes, gemeinem nutz vnd eurem besten gedeihe... Den 1. Junii 1550?).

Vl. Konstantin Ferber an Herzog Albrecht.

Ich muß Ew. Fürstl. Durehl. nicht verhalten, das der ehrwirdige herre Johannes Laski diese tage in meiner be- hausung allhie mich ersueht vnd von E. F. D. allenn gne- digen willenn kegenst meine person rühmlieh vermeldet, anzeigende, wie gar glücklieh er seinen zugk bei E. F. D. volendet, also das ehr E. D. vnnd derselben theologen dahin gewonnen, das sie kegens künitigen reichstagk ihm allen bei- stanth in religionssachen versprochen. Auch daneben mich ferner ermanett vnd angelanget, das ich einen erbaren rath, meine eltisten, dahin persuadiren wolle, damit auf kunitigen reichstagk ein erbarer rath zu einem beistanth in sachen der religion sieh auch erzeigete. So ist doch solchs alles in an- merkung, das seine ehrwirde von E.F.D. an mich kein schreibenn gehabt, auch das mir bewust, E. F. D. bekenntnis vnd gemeltes herrn Laski opinion nieht einigk sein, vnnd sonderlieh das wir Preufüen mith den stenden der kronen vnns nicht mischen, bei mir gar streitig. Vnnd wiewol ich mich vnder andernn vielen reden hirauf vernomen lassen, das da sehon E. F. D. wie auch ein erbar rath, meine eltisten, vnd andere mehr stende zu solehem beistand gewilliget, das doch solehs vnfruchtbar sein würde, in deme wir samptlich vnserer confession in allen punkten nicht einigk sein, und were viel mehr nötig, daß wir vns selbest für der zeit einigten, dan mit solcher streitigkeit zu ungewissem beistande sich finden lassen. So ist er doch auf dem verharret, das man fürs erste den beistanth geleisten vnd nachmals sich einigen solle, welchs ich aus allerlei vrsachen meinem ein- feltigen bedenken nach nimehr rathe. Ist deswegen anE.F.D. mein gantz dienstlick bittenn, dieselbe wolle mich dieses falles, so viel mir des zu wißen geburet, ihr gnediges gemuthe schriftlichen berichten... Dantzigk, den 24. April 1558*).

1) Den 20. August 1551 beantwortete der Herzog Laskis Brief vom 8. Januar, der ihm erst am 27. Juli eingehändigt war. „Libellum confessionis vestrae nobis missum grato accepimus animo... Quo autem in cardine doctrina apud nos theologica versetur, brevi rev. genertem yram de hoc toto negotio certiorem reddemus."

?) Den 28. April schreibt der Marienburger Woiwode Achatius von Zehmen aus Christburg dem Herzog: ,Ich habe nechten spat E. F. G. schreiben entpfangen sampt herrn Constantini Ferber schreiben, doraus

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VII. Herzog Albrecht an Konstantin Ferber").

Wir haben euer eigen handsehreiben zu Dantzigk, den 13. Juni datirt bekomen, dasselbe jnhalts lesende eingenomen vnd weren wol gewogen gewest, solehs mit eigener handt wider zubeantworten, wo vns vnnser abzug vnd andere zu- felle dismals nit verhindert, warumb wir gantz gnediglich begeren, jr wollet auf dismal, das wir mit eigener handt nit geschrieben, gutwilliglieh zu gut halten vnd were erstlichen der hohen daneksagung für die zugeschickte vnd mitgeteilte des h. Joannis Laskenn vnd seiner verwanten antragens vnd vnsere darauf gegebenen antwort nit notig. Dan do wir euch jn mehren gnedigen willen zuerzeigen wüsten, sollet jr vns den gnedigen hern erspüren, vnd ist vns nit lieb, das man sieh, als wir vermerken, bei eueh einer andern weder bey vns erlanget, ruhmet, konnen aber dawider nit. Vnd ob wol aus solchem ruhm allerlei verdechtigkeit volgen mag, trosten wir vns doeh vnsernt halben dessen, wen man vnsere anthwort ausleget, das alle frome christgleubige herzen vnsere meinunge hofflichen anders nit dan christlich vrtheilen werden, wie wir dan vermereken, das got lob euch als dem verstendigen solch vnsere in diesem handel gethane erklerung wolgefellig, vnd wer vns wol nit zuwider, das solehe vnsere meinungk, dere wir got lob kein schew tragen, vielen bewust. Weil aber h. Lasken sambt den seinen mit vns in hochstem geheim gehandelt, habt jr zubedenken, das vns nit geburen wil, solch actum dureh ofientlichen druck vnd sonsten zu publi- eiren. Da jr aber als für eure person naeh zutragender gelegenheit leute beriehtet, ist vns solehs nit zuwider, doch das nit vermerekt werde, dasselbe aus vnserm willen ge- schehe . . . Dat. Insterburgk, den 25. Junii 1554.

VIII. Herzog Albreeht an Konstantin Ferber.

Wir haben euer eigen handschreiben zu Dantzigk, den 29. Junii datirt empfangen vnd daraus eure danksagung für

ich vorstanden, das der man N. N. N. mehr geworben, wie jme befolen, vergleicht sich mit vnsser voredung, gibt mir billig allerlei nach- denken, tut hir dies, kann ich desgleichen thun. Sende E. F. G. sein brieff wider vnd gefelt mir das concept, weil E. F. G. gehen gerechte zu, den rechten wegk... Her Ferber hat vil gethan, das er sein an- bringen vnd rede E. F. G. vormeldet. Nu sieht man seyn willen oder vornemen, her sulde leutte füren in einem irren wegk, dornach nicht wider zu rechtem wege kommen mechten.^ Im weiteren bittet Zehmen um zwei Bücher von Luther.

!) Herzog Albrecht stand mit Ferber in regem Briefwechsel. Am 10. Dezember 1560 schreibt er ihm: ,Dieweil wir aus eurem schreiben, auch vnsers rats Johannis Jüschkenn bericht etwas die gelegenheit eurer krankheit angemergkt, haben wir, so viel wir dessen bericht haben mögen, vnsern leibärzten vorgelegt, die darüber etwas communi consilio berathen. Schicken euch derwegen auch gegenwertigen einen vnserer leibürzte doctoren Valerium Fiedler hiemit zu, der seinem verstande vnd geschicklivkeit nach alles euch mitteilen wirt."

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vnser schrütlich ersuchen vnd vbersehiekte vnser theologen antwort auf h. Lasken ansuehen des heiligen sacraments halben sambt den mitgeteilten zeitungen verstanden. Nun were des hohen rumens vnd dankens gegen vnser person nit nothigk, dan waß disuals geschehen, ist aus besonderm ge- neigtem herzen hergeflossen. Wir danken allein neben euch got, dem hern, der dureh seine gnade in vnserm so wol in eurem herzen wirket vnd die gegen einander bestetiget. Bith auch noch seine allmacht, er wolle es also ferner in vns be- krefitigen vnd verleihen, das alles zu nutz vnd woliart dieses vnser aller vaterlande gereichen möge. Wie aber jr ferner, warumb wol gerathen were, vnser theologen antwort auf h. Laski proposition in druek ausgehen zulassen, meldet, ist euer bedeneken wol gut vnd nutzlieh vnd müssen jme bei- fahl geben. Ir habt aber zueraehten, das es sich noch zur zeit nit wol schicken will jn betrachtung der handel neue vnd im anfang ist, auch noch besserunge (deß, wo es mug- lich, der liebe gott mit gnaden verleihen wolle) zuhofien. Solte aber h. Laski also vortfaren vnd weiter ofientlich sich an tag geben, kan noch wol gelegenheit gefunden werden, darob vielleicht dieses vnd mehres in druck vnd an tag komen mag... Den 17. Julii anno 1558.

Die Lebensbeschreibung des Abtes Clemens Leusser von Bronnbach.

Von ihm selbst geschrieben.

Aus dem Nachlaß des Pfarrers Dr. Rolf Kern herausgegeben von Dr. Friedrich Wecken (früh. Fürstlich Löwenstein-Wertheim-Freudenberg. Archivar in Wertheim am Main).

In Band XIII der „Neuen Heidelberger Jahrbücher“ (Jahrg. 1904, S. 173—275) veröffentlichte Pfarrer Dr. Rolf Kern in Niklashausen an der Tauber eine Darstellung über „Die Reformation des Klosters Bronnbach durch Wertheim und die Gegenreformation durch Würzburg“. Das Material zu dieser Arbeit fand sich hauptsächlich im Fürstlich Löwen- stein-Wertheimschen Gemeinschaftlichen Archiv in Wertheim vor. Dies Archiv enthält die Archivalien der im Jahre 1556 ausgestorbenen Grafen von Wertheim und deren Nachfolger und Erben bis auf Graf Ludwig zu Löwenstein, mit dessen Tode 1611 die Teilung dieses Hauses in die zwei heute noch blühenden Linien erfolgte. Die jüngere, katholische, jetzt Fürstlich Rosenbergische Linie erhielt im Jahre 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluß als Ersatz für ver- lorene linksrheinische Besitzungen u. a. das Kloster Bronn- bach an der Tauber und damit auch das Archiv dieses Klosters. Hier fanden sich weitere Quellen für Kerns Arbeit, darunter als wertvollstes Stück die Autobiographie des Bronn- bacher Abtes Clemens Leusser, der evangelisch wurde und unter verständnisvollster Förderung durch den letzten Wert- heimer Grafen Michael III. sein Kloster aus einer alten Mönchsstätte zu einer Schule der neuen Lehre umbildete.

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Diese Handschrift, die ein glücklicher Zufall in die Hände des Forschers fallen ließ, galt lange Zeit für verschollen; Aschbach, der Geschichtschreiber der Grafen von Wertheim, sagt von ihr: „scheint verloren zu sein“'); noch bestimmter behauptet der langjährige Fürstlich Rosenbergische Archivrat Alexander Kaufmann ihren Verlust?); er kennt nur einige Fragmente, die in Bronnbacher Deduktionen aus dem Anfang des XVIII. Jahrhunderts eingeschaltet sind. Re vera hat bisher ein gütiges Geschick das eigenartige Buch vor dem vollständigen Untergange bewahrt; eine „gute“ Reponierung nur hat vielleicht verschuldet, daß es jahrzehntelang nicht aufzufinden war!

Kern fertigte eine Abschrift der Biographie an; er hatte die Absicht, sie herauszugeben, nicht zum wenigsten als ge- wichtiges Beweismaterial für die von ihm in seiner Arbeit vertretenen Ansichten, verbunden mit einer Antwort an den katholischen Geistlichen Dr. Karl Rieder, der im „Freiburger Diözesanarchiv“ des Kernschen Aufsatzes in ganz unpassender Weise gedacht hatte®). Ein schleichendes Leiden ließ Kern den Abschluß der Bearbeitung immer mehr hinausschieben; der im besten Mannesalter nötig gewordene Abschied aus dem Amte gab Hoffnung, in Ruhe und Bequemlichkeit arbeiten zu können, aber ein stärkerer Wille machte im Juni 1909 allen Plänen ein Ende. Aus dem Nachlaß des lieben und werten Freundes, des eifrigen und noch viel versprechenden Forschers in der Geschichte der Grafschaft Wertheim wurde mir das Manuskript zur Veröffentlichung. Ich gebe es im nachstehenden, wie ich es vorfand, abgesehen von einigen Kürzungen, dje nötig erschienen; es weiter zu verwerten,

1) Aschbach, Geschichte der Grafen von Wertheim, 1. Teil (Frank- furt 1843) S. 321 Anm. 29.

?) Kaufmann, Kleine Beiträge zur Geschichts- und Sagenforschung im Frankenlande: VI. Bruchstücke aus einer Kulturgeschichte der Grafschaft Wertheim im „Archiv des historischen Vereins von Unter- franken und Aschaffenburg“, XIX. Band 2. Heft S. 35 ff., spez. S. 43 (Würzburg 1868).

3) A. a. O. Neue Folge, 7. Band (1906) S. 266 ff.: Die kirchen- geschichtliche Literatur Badens im Jahre 1904 und 1905; besonders S. 283—987 über Kern, wobei Rieder sich am Schluß nicht scheut, ein Zitat aus Kern zu fälschen,

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wie es in Kerns Absicht gelegen hatte, war, wenigstens jetzt, nicht meine Aufgabe.

Die Handschrift, Signatur Br. 1049, bestand ursprüng- lich aus 134 Blatt Papier in Folio, die von des Schreibers eigener Hand fortlaufend paginiert waren. Einige Blätter sind heute verloren, zum Teil herausgeschnitten, wie im Ab- druck an den betreffenden Stellen angegeben ist. Auch Blatt 1 und 2 fehlen; Blatt 3 bis 7 enthalten ein nicht vollständiges Register; der Text selbst beginnt mit Blatt 8; Blatt 9 ist unbeschrieben. Der Umschlag ist Pergament, ein Stück einer Bibelhandschrift des XV. Jahrhunderts. Der Verfasser scheint sein Werk in drei Absätzen geschrieben zu haben: zuerst den lateinischen Text, dann die Schilde- rung bis zum Jahre 1565, schließlich den Rest, der im Jahre 1568 fertiggestellt ist, wie auch die Überschrift zu Anfang des Textes anzeigt. Die Bemerkung über Leussers Tod am Schluß der Handschrift ist wohl kurz darauf ge- schrieben worden.

Betrachten wir nun in Kürze die äußeren Lebens- umstände Leussers. Er wurde am 23. November 1518 bei!) Hardbeim (im jetzigen badischen Bezirksamt Buchen) als Sohn des dort ansässigen Valentin Leusser und seiner Frau Christine Hofrichter geboren. Von 1524 ab besuchte er die Schule in Hardheim, dann die in den benachbarten Orten Walldürn, Külsheim und Miltenberg. Am 18. Oktober 1533 trat er, endlich dem Drängen seines Vaters nachgebend, ins Kloster Bronnbach ein, zunächst als Schüler, denn erst seit dem 15. August des nächsten Jahres kennzeichnete ihn die Kleidung als Mönch). Durch eifriges Studium gut vorbereitet

1) Nicht in Hardheim selbst, denn er sagt ausdrücklich „in pago Hartheim“, so daß wir vielleicht eine der zahlreichen Mühlen oder Gehófte im Erfatal als sein Vaterhaus annehmen können. Landwirt- schaft betrieb der Vater bestimmt, da Clemens 1530 seine Schulstudien unterbrach und im elterlichen Hause eine Zeitlang sich „rusticis laboribus“ hingeben mußte.

2) Interessanten Einblick in das innere Leben dieses Klosters zu Anfang des 16. Jahrhunderts gewährt ein Bericht, die sog. „descrip- tiuncula“ des Bronnbacher Novizen Philipp Drunck (Haustulus) an seinen Stiefbruder Joh. Butzbach vgl. Kaufmann in Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins XXXIV. Bd. 1881 S. 467 ff.

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legte Clemens im Alter von sechzehn Jahren am 10. Fe- bruar 1535 Profeb ab. Die nächsten Jahre brachten ihm die Würden verschiedener Klosterämter, bis ihn endlich nach dem Tode des Abtes Markus Hauck am 26. November 1548 das einstimmige Vertrauen seiner Klosterbrüder, zweifellos wohl unter Einfluß des ihm schon damals günstig gesinnten Grafen Michael von Wertheim, in die Stelle des Abtes berief. Schon Abt Markus scheint Sympathie für die kirchlichen Reformbestrebungen gehabt zu haben, Abt Clemens aber blieb in den ersten beiden Jahren ein treuer Anhänger und Verfechter der alten Verhältnisse. Nur ganz allmählich !) drang bei ihm die Überzeugung durch, auf Seiten der Re- formatoren die wahre christliche Lehre zu finden, so daß erst 1552, gegen Ende des Jahres, der Abt seinem gräflichen Freund die vollzogene Reformation melden konnte. Ostern 1553 wurde zum erstenmal in Bronnbach und in den Kirchen der klösterlichen Pfarreien das Abendmahl unter beiderlei Gestalt ausgeteilt. Vorher schon hatte Clemens im Kloster 24 unbemittelte junge Leute aufgenommen, um sie in der neuen Lehre zu unterrichten und zu künftigen Lehrern der- selben vorzubereiten. Bald fand nun auch Würzburg Grund zum Einschreiten; Clemens fühlte sich durch offene und ver- steckte Nachstellungen des Bischofs bedroht und deshalb im Kloster nicht mehr sicher; er zog es vor, 1554 in den Klosterhof in der Stadt Wertheim überzusiedeln. Am 20. De- zember 1555 nahm Graf Michael noch einmal das Kloster in seinen Schutz, der dem Kloster aber nichts mehr nützen sollte, da der Graf schon am 14. März des nächsten Jahres starb, viel zu früh für die Sache Leussers. Nun schritten Mainz und Würzburg zu schärferen Maßregeln gegen den abtrünnigen Abt, indem sie die in ihren Gebieten liegenden Klostergefälle mit Beschlag belegten, um ihn und sein Kloster des Unterhaltes zu berauben. Größer wurde die Bedrückung durch Würzburg, als Clemens am 1. Juni 1557 mit Marie Eberlin Hochzeit gehalten hatte. Der Bischof Melchior be- absichtigte damals eine Visitation in Bronnbach, um das Mittel in die Hand zu bekommen, dem Abt auf scheinbar

1) Vgl. Kern a. a. O. S. 205 und 206. Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 3. 17

250. 18

ordnungsgemäßem Wege den Prozeß zu machen, stand aber von. seinem Plan ab, als Graf Ludwig von Stolberg, der Schwiegervater und Nachfolger Michaels III. von Wert- heim, und auch Herzog Christoph von Württemberg Würz- burgs Recht zur Vornahme einer Visitation in Bronnbach bestritten; letzterer nahm dies Recht für sein auch schon protestantisches Kloster Maulbronn in Anspruch. Im April 1558 folgte in Würzburg auf Melchior Bischof Friedrich, bei dem Clemens die Freigabe seiner Gefälle leichter zu erlangen hoffte aber vergeblich, denn der neue Herr schritt sogar energischer gegen ihn vor, als es bisher geschehen war. Zunächst ernannte der Bischof, da eine vorschriftsmäßige Wahl nicht möglich war, im August 1558 in Würzburg den früheren Konventualen von Bronnbach, den katholisch ge- bliebenen Johann Pleitner, derzeit Pfarrer in Königshofen, zum Abt des Klosters und weihte ihn auch, setzte aber die feierliche Einführung noch aus und trat mit Leusser in Unter- handlungen wegen Verzichtleistung auf seine Würde und seine Ansprüche als Abt. Dieser trat, nachdem seine erste Frau nach kurzer Ehe gestorben war, am 25. Oktober 1558 zum zweitenmal in die Ehe mit Anna Rüdiger, Tochter des damaligen Zinsschreibers in Wertheim, späteren Gräflichen Amtmanns in Laudenbach') Valentin Rüdiger, und erregte hierdurch aufs neue beim Bischof Anstoß, sodaß dieser am 25. Januar 1559 Johann Pleitner als Abt in Bronnbach feierlich einführte. Alle Protestationen seitens Leussers und des Grafen Ludwig von Stolberg halfen freilich zur Änderung der Sache selbst nichts, doch führten sie auf den Weg zum Friedensschluß. Die Verhandlungen erstreckten sich noch bis zum Jahre 1560, erst am 8. Januar kam endlich der

Vergleich zwischen Würzburg und Leusser zum Abschluß.

Er fiel nicht ungünstig für den Abt aus; ein besseres Er- gebnis zu erreichen, hatte nicht in Graf Ludwig von Stolbergs Macht gelegen, der mit seinen Räten den Sachwalter Leussers gespielt hatte. Clemens war schon seit dem 13. No- vember 1559 in Gräflich Stolbergische Dienste, zunächst gewissermaßen als Revisor, getreten. Er bewohnte in Wert-

!) Am Main zwischen Karlstadt und Würzburg.

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heim ein eigenes Haus in der Brückengasse. Von 1561 bis 1563 versah er das Amt eines Gräflichen Hausvogts, dann wurde er Bürger in Wertheim, war Mitglied des Stadtrats und des Stadtgerichts, später auch Bürgermeister, und schließlich begann der ehemalige geistliche Herr ein rein bürgerliches Geschäft, einen Handel mit sämischem Leder. Am 6. Oktober 1572 schloß Leusser seine Augen für immer; er fand seine Ruhestätte auf dem Wertheimer Friedhof, wo noch heute sein Grabstein aus rotem Sandstein erhalten ist. Mit ihm ging ein Mann dahin, von dem die Grabschrift') sagt: „qui varias vitae sensit in orbe vices“. Von vielen gehaßt, von wenigen nur verstanden, auch dem unparteiischen Leser seiner Lebensgeschichte nicht ohne Fehler erscheinend, war er kein Reformatorencharakter, aber eine charakte- ristische Persönlichkeit aus der Zeit der kirchlichen Kämpfe des XVI. Jahrhunderts, die einen Anspruch auf Beachtung erheben kann. Sein Werk, das zu den größten Hoffnungen berechtigte, die Gründung einer evangelischen Schule in der alten Zisterzienserabtei blühte und fiel mit dem letzten Wertheimschen Grafen, dessen Tod für Würzburg das erste Zeichen war, dem evangelischen Nachbarstaat zu nehmen, was zu nehmen war.

Perfer et obdura. Clement Leusser. anno domini 1568 (Zeichnung des Wappens)?). Clemens Leusser. Anno domini 1568 aetatis suae 50.

Perfer et obdura Leyd und beydt. Gott mit.

Dem Ewigen Gott, Vattern unsers herrn Jesu Christi sampt dem heiligen geist sage ich lobe und danck für alle sein wolthatt, der da lebt und regirt in Ewigkeit Amen.

1) Gedruckt Aschbach a. a. O. II. Teil S. 379. 2) Vgl. S. 321. 17*

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Der hatt mir mein hertz und verstandt durch sein grund- lose Barmhertzigkeit dermasen erleucht und mich gesterckt, das ich ohn alle furcht und scheue, wider das vilfaltige wutten der bischoff, das reych sathanae und des Bapsts verlassen und zu der Erkantnus seines allein seligmachenden worts kommen bin. Darin ich auch wil leben und sterben mit gotlicher hilff.

Ich daneke auch dem Ewigen gott vatter durch Jesum Christum, das er mir fromme und gotssforchtige weyb und kinder geben hatt; und mich auch mit zeitlicher narung also gesegnet, das ich dieselben mit Ehrn erhalten und er- neren kan. Benedicam dominum in omni tempore, semper laus eius in ore meo.

Ich dancke auch gott dem Ewigen vatter durch Jesum Christum seinen ainigen son, das er durch sein gnade Mich armen sunder gebraucht hatt zum werckzeuge, und die Reinen leher seines gottlichen worts und den reehten gebrauch der heiligen sacramenten durch mich im Closter Brunbach und desselben pfarren eingefurth und angericht, auch biss uff diese zeit vetterlich erhalten hatt und bis ans ende der welt genedig erhalten wurdt. Amen.

Dan ob schon der bischoff von Wurtzpurg mich von meinem Closter und prelatur mit gewalt vertriben und aus- gestossen hatt, kan er doch gott und sein wort nit ver- treyben, sonder wurde dasselbige vor im und allem seinem antichristischem anhange in Ewigkeit wol bestendig und unvertriben bleiben.

Clement Leusser.

(Hier ist eingeschaltet eine Abschrift des Geburtsbriefes Leussers, ausgestellt vom Schultheißen Cond Keysser und den Gerichtsschöffen in Hardheim auf Wunsch von Leussers Vater, Valentin Leusser in Hardheim; der Schluß dieser Urkunde nebst dem Datum befand sich auf einem nicht mehr vorhandenen Blatte.)

Vita Clementis Leuseri de Hartheim a se ipso conscripta Anno Domini 1568.

Ego Clemens Leuser natus sum in pago Hartheim Anno Domini 1518 in die Clementis. Pater meus Valentinus Leuser, mater Christina Hoffrichterin. Anno Domini 1524') missus sum in scholam a parentibus in Hartheim, ibidem prima literarum elementa didici. Deinde ad uberiorem in- genii eultum capiendum anno Domini 1528 transmissus sum in oppidum Waltdurn, ibi biennio literis operam dedi. Cum

1) Aus 1526 verbessert.

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autem Anno Domini 1530 pestis multos homines e vivis sustulit, mater mea quoque peste concepta et defuncta est (euius amimae requiem precor eternam), tune a patre domum revoeatus et per semestri spacium rusticis laboribus incumbere oportuit. Deinde cum pater secundas celebrasset nuptias remissus sum ad scholam in Kulssheim, ibidem dimidium annum perduravi. Postea patre volente perveni Miltenbergam Anno Domini 1532. Cum illic ferme duorum annorum spacium complevi, pater ex instinctu iniustae novercae noluit ad studia me amplius juvare, nee ullum ad haee ferre ad- miniculum, sed ut monasterium ingrederem, non tantum eonsuluit sed sero mandavit, immo violenter contra meam voluntatem intrusit, dum eram aetatis quindecim annorum. Nam cum patris jussioni et voluntati resistere nefas esse putabam, fecit desperatio me monachum, juxta vetus pro- verbium.

Perveni itaque in coenobium Brunbach Anno Domini 1533 in die lucae evangeliste cum aliis undecim meae sortis juvenibus, sub abbate Marco Hauck de loer’): primus meus praeceptor in coenobio fuit Andreas Krug monachus arcium magister et prior id|!| temporis in coenobio.

Posthae Anno Domini 1534 in die assumpeionis Mariae indutus sum cucculla monachali, quam vocant habitum novitiatum; eo tempore omnibus studiis posthabitis, oportuit psalterium memoriter ediscere. Quod cum a festo assump- cionis Mariae usque ad dominicam Esto mihi anni 1535 ad unguem calerem et memoriter veritassem, in die cinerum feci professionem (uti vocant) et stabilitus sum in ordine; ibi putabam me culmen faelicitatis attigisse, sie persuasus a monachis senioribus, qui dicebant me ab impuro seculari statu pervenisse ad statum perfectionis.

Eodem anno 1535 dominica 1. adventus committebatur mihi officium subcustodis, ad quod spectat curare calices et eaetera ornamenta et vestimenta ad eeclisiam pertinencia, sacris temporibus ornare templum et altaria, dirigere horariuın, facere candelas cerareas et azimos panes ad communionem, pulsare ad septem horas canonicas ete.

In die Jacobi apostoli eiusdem anni moritur Andreas Krug praeceptor meus. Post illum nactus iterum pium et doctum virum in praeceptorem, magistrum Fridericum Jude a Bettingen, qui infra anni spacium moriebatur. Cui suc- cessit magister Hulrieus Hecker Herbipolensis. Deinde Anno Domini 1537 in die assumpeionis Mariae assumptus sum ad officium celariae (uti ibidem vocant), ad quod offieium precipua pars oeconomiae pertinet; ut puta preesse

1) Lohr am Main.

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cellis vinariis et coquinae totius familiae et providere, ut ibidem unicuique porcio sua debita temporibus oportunis distribuatur etc. |

Magistro Hulrico Hecker succedit magister Johannes Wagenmann ab Altheim, qui postea Heidelberge in doctorem medieae facultatis evasit.

Anno Domini 1538 in Angaria quadragesimae con- secratus sum in sacerdotem Herbipoli, cum essem aetatis viginti annorum, et in die Vitalis eodem Anno celebravi meam primam missam, sieque in antichristi regno radices egi, cum omnia mihi ex animi sentencia succedebant.

Post praeeeptorem M. Johannem Wagemanum, qui biennio perduravit in coenobio, conductus est magister Johannes N. Coloniensis.

Anno Domini 1540 dominiea Cantate eleetus sum in subbursarium vel centarium, sic dictum officium, quod qui huie praeest, est bursario substitutus vel pocius adiunctus; et illius functio est, colligere census annuosque reditus frugum, hine inde in diversis pagis, villis et curiis coenobii etc. Discedente magistro Johanne Coloniensi subsecutus est magister Cornelius Authomarinus Flandrus.

Anno Domini 1547 Lucae Evangelistae communi con- ventus suffragio electus sum in bursarium, sie dictum officium, quod qui hac fungitur, habet communem bursam, in quam annona pecunia omnium proventuum coenobii colligitur, et inde iterum in necessarios usus expenditur, conducit totam familiam et dat illis mercedem; estque praefectus tocius oeconomiae. Hance nactus provinciam propter varias occupa- eiones opportuit studia et amenas musas aliquo modo deserere, quibus antea sub praeceptoribus praenominatis diligenter (uti mihi videbatur) ineumbebam, nam etsi multis negociis in prioribus officiis districtus eram, semper tamen, quando fui dominus, audivi lectiones praeceptorum et aliis vaeabam lectionibus papistieae religionis authorum. Quibus ita profeci ut emulator maximus monachorum traditionum extiteram, defendebam et mordieus tenebam istam religionem, tam serio, ut huius causa (si sie contigisset) eciam vitae perieulum subire, non fuissem gravatus; nam ab incunabulis aliam. nec audieram nec didiceram, et sub carceris pena prohibitum fuit in coenobio, ne quis lutheranorum libros legeret, sed pocius ut istos velut sathanam ipsum fugeret, seniores persuadebant monachi.

Anno Domini 1548 dominica post Martini festum !) obiit

1) November 18: doch scheint hier ein Versehen Leussers vorzuliegen, da der „Liber mortuorum monasterii Brunnbacensis" (ge- druckt von J. Kühles im Archiv des Historischen Vereins für Unter-

29. * 255

Mareus Abbas subitanea morte in Herbipoli, qui me patris amore ampleetebatur (cuius anima requieseat in paee). Erat vir probus, qui saepe optabat salutarem ecclesiae refor- mationem. Postea 17 die novembris, per conventum missus sum ad voeandum visitatorem abbatem in Mulbronn ut adesset electioni novi abbatis, erat mihi comes itineris Kargess Schreck, Zentgrave in Wertheim. Hisce diebus fuerunt in coenobio defensionis gracia, a generoso domino Michaele comite in Wertheim missi: Wolff Sehantz prae- fectus in Wertheim, officialis in Freydenberg, Nicolaus Hasz, Conrad Hunther, officialis in Lauttenbach; Equites Jörg de Billingshausen, Hans de Wenkheim, cum duodecim civibus de Wertheim; hi habebant claves ad portas monasterii, donec novus eligebatur abbas; reperi itaque abbatem de Mulbronn Spirae, qui impeditus negociis noluit mecum proficisci, sed commissionem suum dedit abbati de Sehonauia, vocavi igitur illum per dietam commissionem; similiter vocavi abbatem de Schonthall, qui ambo mecum profieiscebantur; pervenimus igitur una ad Brunbach in vigilia Catherinae; expensae huius itineris erant 37 floreni et quinque bacenses.

Anno Domini 1548 die 26. novembris habebatur electio novi abbatis et Ego Clemens Leusser, eodem tempore bursarius,. communibus votis tocius conventus electus sum in abbatem, cum issem aetatis triginta annorum et trium dierum; fuerunt in conventu Brunbachensi Philippus Bavarus prior, Andreas Walz procurator curiae in Herbipoli, Johannes Kemieken parochus in Buttelbrun, Johannes Pleyttner cappellanus in Cuppriehhausen, Adamus Textor gravarius, Thomas Lyn infirmarius, Steffanus Diz celerarius, Martinus Opilio servitor. Propinavi predictis abbatibus sexaginta aureos renenses et eorum famulis unicuique 1 thalerum. In die Thomae apostoli misi decretum electionis meae Cistereiam ut confirmaretur; dedi nuntio viginti aureos renenses pro suo precio, item dedi ipsi 25 aureos pro redimenda eonfir- macione ex cancellaria abbatis Cisterciensis. Dominica Judica 1549 reportavit mihi nuntius decretum electionis confirmatum . ..

Hier folgt zunüchst eine Urkunde des Abtes Heinrich von Maul- bronn bzw. seines Bevollmächtigten, des Abtes Sebastian von Schönau (d. d. Bronnbach 1548 November 26), über die einstimmige Wahl Leussers zum Nachfolger des am 15. November (vgl. oben Anmerkung S. 254) verstorbenen Bronnbacher Abtes Marcus von Lohr. Es schließt

franken und Aschaffenburg, Bd. XXI, Würzburg 1871, S. 91 ff.) und der noch in Bronnbach befindliche Grabstein des Abtes Marcus als Todestag den 15. November angeben; auch die Urkunde über die Wahl Leussers zum Abt nennt den 15. November,

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sich an die Bestätigungsurkunde des Abtes Johann von Cisterz, d. d. 1549 Februar 5 (more gallicano sumpto).

Post haec, in die Vitalis, quae est dedicacionis ecclesiae in Brunbach, celebravi meam benedictionem in coenobio Anno Domini 1549. Haec est consuetudo ab episcopis in sui commodum introducta, peraguntur insignes caeremonie et bene- dicitur, vel pocius incantatur, novus Abbas ab episcopo, non tamen gratis. Aderat suffraganeus herbipolensis Georgius Flach et duo abbates, seilicet Jodoeus Abbas in Amorbach et Conradus Abbas in Neuestatt, vocati ad benedictionem, uti moris est; adfuit quoque Friderich a Ratzenburg, praefectus in Wert- heim, a generoso domino Michaele comite in Wertheim missus. Numeravi suffraganeo viginti aureos et dimidium plaustrum rubri vini, ipsius quinque famulis dedi quinque thaleros, item sex famulis duorum abbatum dedi sex taleros.

Constitit igitur electio, benedictio et confirmaeio 210 flo-

renos 6 th. 3 d et dimidium plaustrum vini absque maximis expensis, quae eciam non infra centum florenos estimari possunt. Cum iam plenariam administracionem et potestatem adeptus in spiritualibus et temporalibus pater familiasque totius coenobii constitutus fui, haec unica cura mihi erat, quomodo coenobio non tantum praeessem, sed maxime qualiter prodessem et meum institutum lacius propagarem. Flagranti igitur animo ardentique celo idoneas personas praefeci parochiis caeterisque officiis. Assumpei quinque iuvenes monachos; edificavi novum hypocaustum in abbacia supra refec- torium aestivale, et caetera multa ruinosa aedificia in et extra coenobium in diversis curiis restauravi, et sic monasterium eum ordinis personis atque edificiis ornavi et amplificavi primo et seeundo regiminis annis; quod ferme omnia in meliorem statum quam reperi direxi; monasticae vitae ad- versarios singulari odio prosequebar.

Cum vero hae in praelatura me opurtuit cum hominibus doctis versari frequeneius quam antea, (meum enim negocium in offieio bursarii erat tantum eum imperitae multitudinis hominibus) in dies audiebam disputaciones disceptaciones de religione tune saepius et me oportebat meum defendere monachatum, quia hane ad palestram me probe instructum et meum institutum firmissimo niti fundamento putabam. Dum vero adversarii oppositis argumentis et validissimis sacrae scripturae fundamentis ita me urgerent, ut plerumque eum rubore illis palmam dare necesse erat, ut qui nihil aliud adferre putuerim nisi monachorum somnia et delira- menta papisticasque nenias, coepi nonnihil hesitare et flueture de mea papistica religione.

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Quae hesitacio me iterum ad intermissa studia vocavit et effecit, ut statim mihi compararem scripta Lutheri, Philippi Melanchthonis locos communes, Johannis Brencii et aliorum piorum autorum in sacram scripturam enarraciones et decla- raciones. Quos autores eum magna cupiditate perlegissem, animadverti tandem, quibus in tenebris prius eram versatus. Neque tamen audebam istorum autorum sentenciam plane apprehendere, neque omnino meam papisticam religionem tanquam impiam reicere, eamque ob causam non solum nulum quietum statum habui vitae, verum eciam tota con- sciencia mea gravissime perturbata et et omnibus modis distracta fuit; semper tamen hac in spe perseveravi et summa fiducia eum concepi animum futurum aliquando, ut tantae dissenciones et religionis controversiae per generale concilium et piorum doctorumque hominum congregacionem sedarentur atque salutifera reformacio cum sacra scriptura conseneciens extrueretur et confirmaretur, quo Conscienciae meae firmam tranquilitatem et consolacionem habere possem.

At post Tridentini consilii exitum anno Domini 15511!) omnem spem de meliore ecclesiae statu instituendo abieci, atque omnino veritus sum nullam (quemadmodum ex hoc turbulentorum temporum cursu iudicari facillime potest) Romanae ecclisiae reformacionem nostris temporibus sperandam fore, cum papa, cardinales, episcopi et ipsorum adherentes confessores puri verbi dei et sanae doctrinae ad nullam religionis suae defensionem pervenire paciantur; sed suas impias humanas tradiciones summa potencia tyrannide et temeritate totis viribus tueantur et omnem christianorum hominum gregem interire, quam minimam errorum suorum partem relinquere malint; quamvis ipsi confiteantur et verissime persnasum habeant, quod multis in sacrae scripturae articulis contra conscienciam peccent et sacrae scripturae autoritatem deique ipsius voluntatem pertinaciter oppugnent. |

Cum ergo diligenti cura et vigilanti studio mecum considerarem et in animo sepissime ardentissimis votis eireumagitarem, durissimum esse contra stimulum caleitrare, haud diucius absque animae meae salutis periculo tam multiphariis idolatriis et inpiis erroribus papisticarum con- stitucionum (quorum interitum longo tempore per concilium summo desiderio expeetavi) persistere potui, verum alibi mihi de salutifero consilio prospicere auxiliumque inplorare et potissimum a domino nostro Jesu Christo reformacionem petere compulsus fui. Etsi enim planissime concilii refor-

1) Die „Suspension“ des Trienter Konzils geschah erst am 28. April 1552.

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macionibus diffido, tamen eandem de -Christo concipere opinionem christianum hominem impium puto, quem nulla racione quiescere decit, donee certam aliqua conscienciae suae tranquilitatem impetret.

Postquam autem omnipotentis dei graciam serio im- plorassem et omni conatu in unicum illud studium incubuissem, ut sanam verboque dei consentaneam reformacionem meis licet exigue autoritatis ecclesiis constituerem, per optimos quosdam et mei studiosissimos amicos mihi afferebantur Saxoniearum et Wirtenbergensium ecclesiarum confessiones seu fidei declaraciones Tridentino concilio Anno Domini 1551 oblatas. Quas cum lego relegoque et decies summa animi intencione repeto, non solum mihi propter veram doctrinam magis magisque arrident, sed eciam maximam perturbatae meae menti recreacionem delectacionemque adferunt, ad haee deus misericors et omnipotens, diu obseuratos animi mei oculos e densissimis tenebris ad lucidissimam sacrae scripturae lucem ita educit, ut planissime et absque omni dubitacione fontem et omne fundamentum tocius catholicae ecclisiae et apostolieae doctrinae in iis comprehensum isse senciam. Atque hie demum video, deum patrem domini nostri Jesu Christi petieioni meae satisfecisse meamque spem diu ardentissimis votis conceptam abundissime exaciasse et per unicum hoc concilium puram mihi verae ecclesiae cognicionem obtulisse. Cui sit laus et sempiterna gloria, amen.

Et cum me haud preteriret perieulosissimum esse doc- trinae piae veritatem confiteri per aliquod temporis spacium, Nicodemi persona indutus eram, donec exactius et multo vigilaneius mecum considerabam et tandem in animum inducebam nullum maius inveniri peccatum, quam perspeetae et appraehensae veritati resistere, ut manifestissime ex Christi verbis Matthei 12 apparet: convicium in spiritum sanctum non remittetur hominibus +).

Insuper illud eeiam cum animadverterem, me non privatae personae officio fungi, verum (quamvis indigne et haud meritae dignitatis honore et autoritate) ex singulari et benifica dei bonitate in summum pastorem et animarum curatorem monasterii Brunbachiani et electum et constitutum esse, non diucius lucernam sub modio occultam habere potui, sed ex officii mei vocacione coactus fui, eam apertissimo eandelabro adiungere, ut omnes domus inhabitatores lucis splendorem percipere et habitaeionis racionem mentium oculis perspieere possent.

De necessariis enim Christianae fidei articulis perspecta et ex supradictis confessionibus aliisque pluribus Lutheri,

1) Matth. 12, 32.

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Philippi Melanchthonis, Johannis Breneii ete. scriptis acquisita meritate, utpote de peniteneia de fide remisionem peccatorum ampleetente de lege, de gracia, de vera invocacione et discrimine verorum et impiorum dei eultuum, de usu sacra- mentorum et aliis necessariis articulis, merito profecto consentire huie et sempiterno deo gracias agere debui propter benignam vocacionem et conversionem illam, qua me ad veram puri evangelii lueem et nominis sui illustracionem vocavit.

Omnibns igitur notissimum esse eupio: me eum omnibus verae credentibus in hae firma animi assencione perseverare et firmissimo consensu omnia ea credere, quae in Augustana confessione Anno Domini 1530 Romanorum imperatori Carolo Quinto ceterisque sacri imperii ordinibus oblata continentur, nee minori cura et fide tamque divinam veritatem et verae catholicae et apostolicae ecclesiae et christianae fidei fun- damentum, omnia ea apprehendere, quae Saxoniearum et Wirtembergensium ecclesiarum fidei declaraciones Tridentino consilio Anno Domini 1551 transmissa approbant. Quare damno, repudio et contradico omnibus iis articulis, qui ab harum ecclesiarum confessionibus dissenciunt.

Haee est fidei meae summa, ad quam monasterii mei et aliarum mei iuris parochiarum, quantum pro virili licuit, direxi reformacionem, quoniam nullum mihi omnino est dubium, quin ea ex fundamento divini verbi sit exorta, quod unicum est vera ad aeternae vitae possessionem via, iuxta illud Christi dietum: Johannes 14: Ego sum via, veritas et vita!) quid enim indigeremus dei verbo, si absque eo alias nobis ad salutem invenire possemus vias. Nam verbum dei lucerna est pedibus nostris et lumen semitis nostris, quod lucet in densissima et tenebris obseuratissima huius mundi loea, ut Petrus testatur?) Qui itaque illud lumen non assidue mente et oculis apprehendit, non alio quam in tenebris versari potest, cum lumen ideo in tenebris sit, ut ad eius splendorem nos dirigamus et applieemus. Quare eum manifestum sit, hane doctrinam quam sincero pectore amplexus sum neque falsam neque sediciosam sed sacrae scripturae consentaneam et ab omni heresi esse alienam, omnes facile intelligent, me neque ex ignorancia, neque errore, neque temeritate, neque libere vivendi cupiditate, neque aliquarum voluptatum desi- derio, neque eciam honestorum morum et optimarum legum contemptu, ad hanc reformacionem ineundam ineitatum sed ex sola sacrae scripturae autoritate et conscienciae meae instruetu impulsum fuisse.

1) Joh. 14, 6.

2) 2, Petr. 1, 19 auf Grund von Ps. 119, 105.

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Illa autem monasterii mei et susceptae emendacionis fuit racio, in primis curavi ut verbum dei pure iuxta pre- dictam meam confessionem praedicaretur, tam in coenobio quam in parochiis ad hoc pertinentibus et sacramenta iuxta Christi institueionem distribuerentur. In his Michaelis comitis in Wertheim, domini mei clementissimi, ordinem ecclesiasti- cum ex fonte et fundamento sacrarum literarum sumptum sequutus sum. Insuper viginti quatuor adolescentes, alias quo minus studiis inherere potuissent paupertate impeditos assumpsi, iisque et caeteris conventualibus praeceptorem areium magistrum Augustanae confessionis religionis mer- cede eonduetum sustentavi, qui quotidie iis omnibus lectionem ex sacra scriptura ad amplectendam vere christianam doctri- nam praelegit; qui quoque una statutis horis, psalmis et piis precibus in templo deo supplieabant; tradidit quoque ille magister grammatices et dialectices praecepta ad latinae linguae eognicionem et vera a falsis distinguendi scienciam necessaria et aliorum autorum scripta ad informandos mores idonea adiunxit.

Et quamquam nihil laudis christianum hominem ex elemosinis haurire decet iuxta illud Christi dictum: Tu cum prestabis elemosinam, nesciat sinistra, quid faciat dextera, ut sit tua elemosina in occulto ete.) tamen reiipsius veri- tate affirmare possum, quod pauperibus pro modo facultatum sponte mea nihil denegavi et omnes census et reditus mona- sterii ad meliorem quam in quo reperi, hactenus contulisse usum; ordinacio enim monasteriorum eo fine et condictione instituta atque a veteribus approbata fuit, ut (quemadmodum antiquorum concilia ostendunt) in iis scholae essent, in qui- bus docti homines praepararentur, qui ecclesiis docendo verboque dei propagando et alias eciam rebus publieis, con- siliis, prudenciaque praeessent, et ut iis bonis pauperibus suceuratur, quibuscunque modis id fieri potest.

Ea igitur fretus spe et consciencia neminem cuiuscunque sit condietionis vel dignitatis, aliam de me famam vere evulgare posse, quam quod bona et reditus a multis piis et optime institutis hominibus Brunbachiano monasterio oblata et scriptis confirmata eos in usus collocaverim, ad quos olim a piis illis et verae religionis cultoribus monasterio attributi fuere, sieque in spiritualibus et temporalibus monasterio iuxta meum iuramentum fideliter praefuisse.

Als ich Anno Domini 1552 dem wolgebornen herrn Micheln Graven zu Wertheim mein furgenommen reformacion anzeigt, hat es seinem gnaden seher wol gefallen und mir

*) Matth. 6, 3.

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und meinem convent zugesagt, unsz darbei zu schutzen und schirmen.

Es hat auch diese mein vurgenommen reformation dem mehertheil meines convents wolgefallen, denen ich auch bücher, darauss sie die rechten christlichen leher recht fassen mogen, erkaufft und also gemach die christlich reformation nach inhalt der Augspurgischen confession im kloster und uff dessen pfarren angenfangen, das volek mit vleissigem lehren und predigen darzu gepracht, das inen solche leher angenehm worden; vnd uff den Ostertag des 1553 jors habe ich das nachtmal des herrn dem volck im closter und uff pfarren das erstmal in beider gestalt gereicht und reichen lossen. Dormit ist solche mein reformation auch den bischoffen von Maintz und Wurtzpurg und ydermann offen- bar worden. |

Bin ein zeit lang onangefochten dobei bliben, diweil der paussauisch vertrag war auffgericht, und die bischoff mit dem krig hertzog Moritzen Churfursten und Marggrave Alberts zu schaffen genug hatten, das sie mein vergassen; habe aber nit lang fridt gehabt sonder die Verfolgung ist bald khommen, wie der Apostel Paulus 2. Thimot. 3 spricht: alle die got- selig leben wollen in Christo Jesu, mussen verfolgung leiden !). Dan anno domini 1554, als ich auss der franckfurter herst- mess nach Wertheim geritten, bin ich von fünff meintzischen reuthern zu Stoekstatt bei dem Landhag am. velrigel ange- randt worden; die hatten auch bei sich achzehen bauern mit spissen; die fragten, ob ich der abt zu Brunbach sei; dieweil ich aber sahe, das sie ire han an den buchsen uffgezogen und mir den wege so trutzlich verhilten, und der reuther einer mir sein buchsen an die seytten satzt, sprach ich, ich wist von keinem abt. Der reutter sprach, du bist der abt, dan due sichst im sommer bocksmarter gar gleich. Ich sprach aber, ich wer kein abt. Do wolten sie wissen, wer ich were; antwort ich, ich wer der zinssschreiber zu Wert- heim; das wolten sie schwerlich glauben und so sie hetten mich gekanth, wer ich von in erschossen worden; wie der- selben eins teils mir hernacher selbst bekant, und auch die person wissen, so bei mir gewessen, als Peter Heuszlein, burger zu Wertheim, Baltass Pistor auch burger zu Wert- heim und Conrad Senff itzt burger zu Schweinfurt, damals mein schreiber. Got halff mir aber gnedig von inen.

Item in demselben Jor, als im 1554ten, hatt bischoff Melehior von Wurtzpurg, ein abt des klosters Neuestatt am meyn gelegen darumb dieweil er aueh die religion der augs- purgisehen confession angenomen, gefenglich eingezogen und

1) 2. Thimot. 3, 12.

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nach langer gefencknus als ein ketzer durch sein consistorium verdampt und von seiner praelatur verstossen +); dise handlung haben mir ursach geben, das ich mich umb besser sicherheit willen ausz dem kloster getann in den hoff zu Wertheim und von dannen mein kloster regirt und versehen habe; bin auch bissweylen ab und zu geritten. Under dessen haben sich auch etliche meiner conventualen, als der prior und andere drey in den ehestandt begeben und uff pfarren ge- zogen, darzu ich die Erlaubnis geben.

Uff solches hat der reychsstag anno 1555 angefangen, doruff der religion freystellung beschlossen. Nach dem sel- bigen abschiedt anno eodem etc. 55 uff freytag nach Luciae hat der wolgeboren her Michel Grave zu Wertheim diese volgende protestation zu Brunbach getan, wie volgt:

Anno Domini 1555 auf freytag nach Luciae umb 10 hora vormittag zu Brunbach in der neuen abtei stuben hat der wolgeboren here, herr Michel Grave zu Wertheim und here zu Breuberg im beisein seiner gnaden amptleuth, herrn Clementen abts und des convents zu Brunbach, volgende protestacion selbst mundlichen gethan vor nachbenannten notarien und zeugen, und nach endung derselben, sagt sein gnade, domit in solcher protestacion nit geirret wurde, het er dise meynung also von wort zu wort begreiffen lossen, überantwort auch alsobald beiden notarien solche protestacion verzeichnus, welche also lauth:

Mir zweifelt nit, sie die conventualen haben noch gut wissen, das der abt vor etlichen jaren auss meinen geheiss und mit meinem gutten wissen und willen ein christliche reformacion im kloster furgenomen, welche also biss nach bliben. Nun sei aber uff nechstgehaltenem reychsstag zu Augspurg durch die keys. und konigl. mayestet sampt allen stenden des heiligen reichs der religion halben bewilligt und beschlossen, das ein yder in seiner obrigkait sein religion unverhindert von yınands halten moge und das die geistlich jurissdietion suspendirt sein solle.

Weyll nun das kloster Brunbach nit allein in meinem schutz und schirm sondern in meiner hohen und nidern obrigkait gelegen, ich auch die reformacion, so der abt vurgenomen für christlich gehalten, habe ich sie, domit sie entlich mein gemuth wissen, zusammen fordern und inen solehes anzeigen wollen; nemlich, das ich bei der religion,

1) Nach Link (Klosterbuch der Diözese Würzburg, I. Band Würzburg 1873, S. 173) ist der Abt Johann Fries von Neustadt am Main, gegen den seit 1554 eine Untersuchung wegen Neigung zur neuen Lehre schwebte, am Johannistag (24. Juni) 1555 aus seinem Kloster entflohen.

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vermoge des reichs abschidt zu pleiben vorhabens, das ich auch in meiner obrigkait weder in der Geistlichkeit noch weltlichkeitt enderung der religion oder personen nymands zugestatten gedencke; sonder mich in allewege, dem reichs- abschidt gemess halte; auch mich nyemand darvon dringen lassen, des versehens, sie die conventualen werden an inen, als christen, was zu furderung der eher gottes und christ- licher einigkait dynen moge, in massen es itzo verordent oder künfftiger zeit verordent werden mocht, nichts erleinden lassen.

Dieweil ich aber nymands zum glauben zu tringen gesindt, ob villeicht ymands were, dem solche christliche reformaeion nit gefil| der mocht an orth und ende seiner religion seiner gelegenheit nach zihen, wie.dan solches ge- melter reichabschidt auch mit brächte ete. Aber im kloster Brunbach und seinen zugehorigen hoffen und guttern konth oder wolt ich im wenigsten weder in der religion noch den personen on mein verwilligung khein enderung gestatten. Wil euch darumb ersucht, ermanet und gewarnt haben, das sich euer keiner in eynige wege, in wass schein das ge- schehe, understehe wider diss mein ermanen und wider an- geregten reichsabschidt zu handeln; dan do solches geschehe, wil ich mich gegen dem oder denselbigen dermassen er- zeigen, das sie mein misfallen und ire straff wircklich be- finden sollenn, darvon ich hiemit mich vor notariis und zeugen, offentlich bezeugen thue, mit beger im fall der nott mir einss oder meher instrument daruber zu machen; und waren

notarii: Zeugen: Bernhart sehreiber Hans Hundt von Altenstein, Valentin Rudiger Jürg Sehantz,

Hans Eyb von Prach, Conradt Senff, Michel Libler.

Und als solche protestaeion mundlich geschehen, antwort vorgedachter abbt, das er got zu ehern und lobe auch sein und viler andern Menschen seligkeit zu gutten im kloster mit stattlichen vorbedeneken und ratt seiner conventualn ein christliche ordenung und reformaeion [furgenomen )], dieweil nun diselbe der heiligen gotlichen schrifft gemess und gleiehhellig sei, gedencke und wolle er (vermittelst gotlieher gnaden) dabei pleiben; gedenck sieh auch, obschon der reichsabschidt nit also gefertigt, darvon nit abwendig machen zu lassen: bei welcher vurgenomen reformacion die conventualen auch zu pleiben sich bewilligten.

1) Von Leussers Hand am Rand nachgetragen.

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Die handlung ist also in m. gn. hrn. von Wertheim cancelei auch zu finden’). |

Anno domini 1556 den 14. mareii ist der wolgeboren her, herre Michel Grave zu Wertheim und her zu Breubergk in got verschiden; des seelen der almechtig gnedig sein wolle, Amen. Alsbald sein etliche meiner conventualen wider ab- gefallen zum babstum und meine Judas worden. Dise sachen haben den bischoffen ursach geben, mich weitter zu ver- folgen. [Grave Ludwig zu Stolberg und Konigstein kompt in die Graveschafft Wertheim alsobald?)] Als aber beyde bischoff von Meintz und Wurtzpurg mich nach vilfaltiger nachstellung in eigener person nit bekommen mogten, haben sie beyde alle des klosters einkhomen in iren stifften iren underthanen mir zu reichen und geben verboiten, nemlich der bischoff von Meintz circa festum Margerethae und der bischoff von Wurtzpurg im september anno 1556.

Isí mir also gar nieht auss disen bistumben meher gevolgt; nieht desto weniger habe ich inen schatzung, atzung, reyss und fron leisten mussen, bin darzu vor inen leibs und lebens unsicher gewest.

Anno domini 1557 den 26 may habe ich mit meiner ersten haussfrauen Maria Weinkauff gedruncken und uff den ersten juni eodem anno mit ir hochzeit gehalten; sie war doctor Johann Eberlins dochter, der etwan ein pfarher alhie zu Wertheim gewest?); ir mutter Marta ist ein geborene von Aurach, des alten edlen geschlechts gewest in der marg- graffschafft Brandenburg. Im selben 1557ten jor uff den 10 novembris ist mein libe haussfraue Maria gotselig im hern entschloffen und von diser welt abgescheiden: der got

1) Nach einer im Gemeinschaftlich Lówensteinschen Archiv befind- lichen Aufzeichnung schon von Kern a. a. O. Anlage VIII (S. 268) gedruckt; doch ist der Wortlaut des aus den Akten stammenden Berichtes von dem vorliegenden verschieden, so daß sich der noch- malige Druck rechtfertigen dürfte.

2) Von Leussers Hand am Ende der Seite nachgetragen.

3) Johann Eberlin von Günzburg, der bekannte Vorkämpfer der lutherischen Lehre, kam im Jahre 1595 als Pfarrer nach Wertheim, gewann großen Einfluß auf Graf Georg II. von Wertheim und hat dadurch eine ausschlaggebende Rolle bei der Durchführung der kirch- lichen Reformen in der Grafschaft spielen können. Vgl. Radlkofer, Johann Eberlin von Günzburg und sein Vetter Hans Jakob Wehe von Leipheim, Nórdlingen 1887; ferner Werner, Johann Eberlin von Günzburg, Heidelberg 1905. Nach neueren Feststellungen ist Eberlin nicht in Wertheim kurz nach seines gräflichen Gönners Tode (1530) gestorben, sondern ist im Herbst 1530 nach Leutershausen (im Ansbachischen) gegangen, wo er erst zwei Jahre später starb; vgl. Schornbaum, Leutershausen bei Beginn der Reformationszeit und das Ende Eberlins von Günzburg (in den Beitrügen zur bayerischen Kirchen- geschichte XI. Band 1904, S. 5ff., 781f.).

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ein frolich aufferstehung verleihen wolle Amen. Sie lebt bei mir dreiundzwanzig wochen. Do ich mich aber in ehe- standt begeben, hat der bischoff von Wurtzpurg noch meher wieder mich getobet und ein visitation gegen mir und meinem convent vurgenommen, welche mir Anno 1557 den 21 septempris insinuirt worden, und laut des bischoffs briff also wie volgt:

Gregorius!) dei et apostolicae sedis gratia episcopus Salonensis, reverendissimi in Christo patris et domini domini Melchioris episcopi Herbipolencis ae franciae orientalis ducis in pontificalibus vicarius generalis, Fridericus a Wirs- perg decanus, Richardus a Kere, Erasmus Neustetter canonici Cathedralis ecclesiae Herbipolensis, visitatores omnium et singulorum monasteriorum et religiosorum locorum tam virorum quam mulierum civitatis et diocesis Herbipolencis quoruneunque eciam Cistereiencium, Praemonstrateneium et mendicancium ordinum nec non milieiarum eciam a iuris- dietione, visitacione et correctione nostra ordinaria per quevis privilegia et indulta apostolica exemptorum a prefato reveren- dissimo domino episcopo Herbipolensi, apostoliea et ordinaria autoritatibus subdelegati et deputati, religiosis similiter nobis in Christo dilectis abbati et conventui monasterii Brunbach salutem in domino et nostris immo veriu$ apostolicis firmiter obedire mandatis, literas subdelegaeionis et commissionis prefati reverendissimi domini episcopi herbipolensis eiusque vero sigillo de cera viridi glauee impresso pergamenea pressula impendente sigillatas, sanas et integras, non vieiatas, non eoneellaías neque in aliqua sui parte suspectas, sed omni prorsus vicio et suspicione carentes ea qua decuit reverencia recepisse noveritis huiusmodi sub tenore:

(Hier ist eingeschaltet die Urkunde des Bischofs Melchior von Würzburg d. d. Augsburg 1555 Februar 24., laut der er wegen über- großer Geschäftslast die Aussteller der vorstehenden Urkunde zu seiner Stellvertretung bei der ihm vom Papst aufgetragenen Visitation bevollmächtigt und ihnen gleichzeitig noch die Theologen Oswald Schwab, Dekan von Stift Haug in Würzburg, Lic. Johann Armbroster, Magister Jakob Hauck und Paul Jeeger, sowie den Konsistorialassessor Dr. Konrad Fuchs zuweist. In Melchiors Urkunde wiederum ist das Breve des Papstes inseriert, das wir im vollen Wortlaut folgen lassen.)

Julius papa tercius venerabili fratri Melchiori episcopo Herbipolensi salutem et apostolicam benedictionem. Expossit debitum pastoralis officii, cui disponente domino presidemus, ut ad illa solicite intendamus, per quae

1) Georg Flach, Würzburg, Weihbischof. Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 3. 18

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monasteria et alia religiosa loca prosperos complectantur:

successus et ad debitam reformacionis normam in spiri- fualibus et temporalibus reducantur, ae bona ab oceupacione et persone morum ab insidiis quorumeunque preserventur et in eis regularis disciplina servetur, divinus cultus vigeat et omnis bene vivendi institucio feliciter adimpleatur. Sane non sine magna mentis nostrae perturbacione ad audieneiam nostram deductum est, quod quam plures tuorum civitatis et diocesis herbipolensis monasteriorum religiosi, qui sub elausura et regulari observancia religio- sorum vivere deberent, eorum habitu regulari propria autoritate dimisso, ut seculares contra regularia eorum instituta vagari eonantur, ex quo non modica seandala haetenus provenerunt ef maiora in dies provenire formi- dantur, maxime eum quam plurimi laici bona ipsorum monasteriorum occupare et nonnulli ex ipsis religiosis Lutheranam heresim occulte sequentes, ut illa ad secu- larium principum ae aliorum nobilium et laicorum manus, sub quorum tuicione liberius in seculo vagari possent, perveniant anhelare videantur, non solum in monstariorum ac bona eorundem desolacionem et perdieionem sed eciam tui et eeclesiae tuae herbipolensis, cui praeesse dignosceris, iurisdictioni ecclesiasticaé ac temporalis dominii, in quo ipsa monasteria eorumque bona consistunt, maximum detrimentum et tu in praemissis ordinaria tua autoritate cum plura ex monasteriis huiusmodi fam ex privilegiis quam ex consuetudine a iurisdictione tua ordinaria sint exempía, vel eciam sedi apostolieae immediate subiecta et illorum superiores in longinquis eciam galliae regionibus eommorentur, monasteriorum indemnitati providere et monachorum eorundem animarum saluti consulere nequeas; nos qui de monasteriorum et religiosorum locorum quorum- libet curae nostrae divinitus eommissorum statu faelieiter eonservando et salubriter dirigendo prout ex suscepti pastoralis officii debito astringimur, solieitis studiis cogitamus attendentes, quod ubi gubernaculum iusticiae contemnitur, oportet ut religio naufraugetur, ac eupientes monasteriorum et monachorum praedictorum profectui et directioni in praemissis congruentibus remediis salubriter providere et de tuis integritate experiencia et cireumspeetione in hiis et aliis specialem in domino fiduciam sumentes et sperantes, quod tu ea, quae tuae provideneiae duxerimus committenda, fidelibus studiis et exacta diligencia exequeris, motu proprio, non ad tuam vel alterique pro te nobis super hoc oblatae petieionis instanciam, sed de nostra mera deliberacione fraternitatem tuam, et si illa interim, ab hae luce migrare contigerit, pro tempore existentem episcopum herbipolensem

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ad quinquennium dumtaxat a dato praeseneium compu- tandum visitatorem et protectorem omnium et singulorum monasteriorum domorum et religiosorum locorum tam virorum quam mulierum civitatis et diocesis praedictarum, quorumcunque eciam saneti Benedicti, Cystereiencis et praemonstratensis ac mendieaneium ordinum nec non milieiarum eciam a iurisdictione, visitacione et correetione tuis, eciam per quaevis privilegia et indulta apostolica exemptorum ae eciam nobis ef sedi praedictae immediate subiectorum, autoritate apostolica tenore praesencium con- stituimus et deputamus, ac eidem fraternitati tuae et si ipsam interim ab hae vita ut prefertur migrare contigerit, pro tempore existenti episcopo herbipolensi, omnia et singula monasteria, domos et loca praedicta quorumvis eciam saneti Benedicti, Cisterciensis et praemonstracensis ordinum praedictorum, eciam a tua iurisdictione, ut pre- fertur, quovis modo exempta ac eciam nobis et eidem sedi subieeta, nostra et apostolica autoritate in spiritualibus et temporalibus per te vel alium seu alios ad hac per te deputandum seu deputandos visitandi illaque tam in capitibus quam in membris suis reformandi, corrigendi, emendandi et puniendi, nec non monasteria ipsa illorumque personas, terras, villas, curias et alia immobilia mobiliaque ipsorum monasteriorum et cuiuslibet illorum bona, iuris- dietiones, superioritates, iura, vasallos et subditos, prote- gendi, tuendi, defendendi, ipsosque religiosos vagantes, ut ad monasteria et loca sua huiusmodi redeant ac habitum et obser- vanciam regulares reassumant cogendi ae monastariorum eorundem abbatibus, prioribus, monachis et religiosis, ne illorum bona alienare et quibuscunque secularibus personis eciam cuiusvis dignitatis et excellenciae existentibus eciam ducali et alia maiori dignitate seu excellencia fulgentibus, sub censuris et poenis ecclesiasticis, ne ipsa monasteria domos et loca religiosa, eorumque bona manu armaía seu alias de facto invadere vel usurpare aut illa ab ipsorum monasteriorum abbatibus et monachis recipiendo occupata tenere praesumant, inhibendi, nec non, ut illa de facto occupata seu eis alienata dimittant, relaxent et restituant, sub eisdem censuris et poenis compellendi, contradictores quoslibet et rebelles, cuiuscunque tam ecclesiasticae quam secularis dignitatis excelleneiaeque fuerint eciam per easdem censuras et penas ecclesiasticas et alia oportuna iuris remedia, apellacione postposita compescendi ac auxilium brachii secularis, si opus fuerit invoeandi, omnia- que et singula alia quae de iure vel consuetudine ad visitatoris et protectoris offieium spectant et pertinent ac quae circa ea

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necessaria fuerint seu quomodolibet opportuna faciendi, ordinandi, constituendi vel exsequendi, ita quod hiis, quae monasteriorum, domorum et locorum religiosorum huius- modi offuscant decensiam, exclusis -et remotis, salutares fructus et exemplares mores plantentur in eisdem, ac religiosi ipsi ad regularum observanciam taliter redu- cantur ut merito iuxta status sui decencium, religiose domino servire diei possint, plenam ae liberam dieta auto- ritate apostoliea tenore praecensium facultatem concedimus, non obstantibus constitucionibus et ordinacionibus aposto- lieis et praedietorum et aliorum ordinum iuramento con- firmacione apostolica vel quavis firmitate alia roboratis Statutis et consuetudinibus, nee non privilegiis, indultis et literis apostolicis ac exempeionibus eisdem monasteriis locis et ordinibus ae illorum, abbatibus, conventibus, con- gregacionibus et capitulis eciam generalibus, nee non eorum difinitoribus ac eorum singularibus et quibusvis aliis personis, cuiuscunque dignitatis, status et praeeminenciae existentibus, sub quibuscunque tenoribus et formis ac cum quibusvis eciam derogatoriarum derogatoriis aliisque effieacionibus et in solitis elausulis, eciam talibus quod ilis nullatenus aut non nisi modo et forma in illis expressis, derogari possit, irritantibusque et aliis decretis eciam simili motu et ex certa sciencia eciam ad quorum- cunque imperatoris, regum et principum instanciam seu quavis alia consideracione per quoscunque Romanos ponti- fices predecessores nostros ac eciam per nos ef sedem eandem, eciam iteratis viribus concessis, approbatis et innovatis, quibus omnibus tenores illorum, ae si de verbo ad verbum nihil penitus omisso ac forma in illis tradita observata inserti forent, presentibus pro sufficienter expressis habentes, illis alias in suo robore permansuris, hae vice duntaxat specialiter et expresse derogamus, contrariis quibuseunque, aut si ab aliquibus eommuniter vel divisim a dieta sitsede indultum, quod interdici, suspendi, vel excommunicari non possint, per literas apostolicas non faelentes plenam et expressam, ae de verbo ad verbum de indulto huiusmodi meneionem. Datum Home apud sanetum Petrum sub annulo piscatoris die 15. Maii 1554 pontifieatus nostri anno quinto.

Nos igitur visitatores subdelegati et deputati praedicti huismodi mandatis ut tenemur obedire volentes, omniaque ad huismodi negocium pertinencia debito et legitimo tramite disponere ef perficere ae exequi cupientes, vos abbatem et conventum in Brunbach, in virtute sanctae obedienciae et sub exeommunicaeionis poena requirimus, monemus atque eitamus, ut proximo die post terminum quindecim dierum a

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preseneium presentacione eomputandorum quorum quinque pro primo, quinque pro seeundo et reliquos quinque dies pro tereio et peremptorio termino universis vobis tam prae- sentibus quam ex quacunque causa extra praefatum mona- sterium vestrum morantibus assignamus, in monasterio vestro praefato, aut si illud dirutum sit, in loco ubi modo moram trahitis, personaliter comparere et adesse euretis, ubi et nos aut duo vel unus nostrum, ad execucionem commissionis nobis faetae procedemus visitacionemque et inquisieionem tam generalem quam specialem in spiritualibus et tempo- ralibus eandemque tam in capite quam in membris deo adiuvante perficiemus, eciam quo ad temporalia proventuum et reddituum nee non annuorum 'sumptuum ef expensarum omniumque et singulorum receptorum et expositorum mona- sterii vestri noticiam et idoneum calculum ef racionem postulabimus, audiemus et recipiemus aliaque faciemus, quae circa praemissa necessaria fuerunt et opportuna, omnino preteria volentes et sub eodem debito omnibus et singulis predieti vestri monasterii abbati monachis, professis et con- versis, ex quaeunque causa extra dietum monasterium vestrum habitantibus et absentibus, hane nostram requisicionem monitionem atque eitaeionem insinuetis, copiam auseultatam earundem vobis cum presentibus praesentandam una cum execucionis huiusmodi et inchoandae visitationis diebus uni- euique absencium si personaliter reperiri potest transmittentes et ad notitiam quantum in vobis est deducentes; si qui autem reperiri non poterint, aut tutus ad eos non pateat accessus, in valvis ecclesiae monasterii vestri vel habitacionis vestrae ubi in preseneiarum vitam agitis publice affigi curetis; nec non ipsi vestro eciam nomine et autoritate eisdem, ut huie nostrae eitacioni pareant requirere atque moneri, nulla racione obmittatis. Quamobrem talem diligeneiam ut cirea praetacta vos promptos et obsequentes, nec non cirea procuracionum et alias necessaria die supra specificato paratos inveniamus, adhiberi studeatis, ut merito possitis de obediencia commen- dari, alioquin 'in contumaciam vel negligenciam vestram contra vos prout de iure poterimus, procedere non obmittemus. Datum et decretum Herbipoli in cancelaria reverendissimi domini episcopi Herbipolensis, sub anno a nativitate domini Millesimo quingentesimo quinquagesimo septimo, die vero sabbati, quae erat decima octava mensis Septembris, nostris sigillis presentibus in testimonium sub appressis. Iohannes Gasseman Notarius Visitacionis ete. in fidem subseripsit.

Do mir vorgesatzte visitacion insinuirt worden, habe ich als bald meinem ordentliehen visitatori dem abt zu Mulbrunn

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solches zugeschriben. Desgleichen habe ichs dem wolgebor- nem Graven Ludwigen zu Stolberg Königstein und Wert- heim ete. als meines klosters schutz vnd schirmher selbst angezeigt.

Doruff hat der abt zu Mulbrunn solches an den hertzogen von Wirtenberg gelangen lossen durch ein supplicacion, die von wort zu wort hernach volgt:

Durchleuchtiger hochgeborner Furst. Ew. f. gn. seien mein andechtig gepett gegen gott und hie in zeit under- thenige dinst in schuldiger gehorsame mit vleysz bevor. Die geruhen auch als mein und des klosters Mulbrunnen rechter landsfurst, kastenvogt, schutz und schirmhere, vol- gendt mein anligen und beschwerdt in gnaden zu ver- nemen, und hatt gnediger furst und here dise gestalt: wie wol von alter hero gedachtem kloster Maulprunnen und desselben yder zeit vorgesatzten prelaten meinen vorfaren die visitacion über das kloster Brunbach, in der herschafft Wertheim schutz und schirm gelegen, allein zugehorig,

. auch billigh noch zustendig, in massen dan sie mehermalen, so es die nottdurfft und gelegenheit erfordert, der massen visitaciones gehalten, dessen auch in übung und gewere bliben, dan onerhort, das iemaln ein bischoff zu Wurtz- purg sich solcher visitacion oder einer andern iurisdietion und gerechtsame underzogen, nach dannocht und dessen ongeacht, wurde ich glaublich bericht, wie das der hoch- wirdig furst und here, her Melchior bischoff zu Wurtz- purg, mein gnediger here underm schein neulich auss- gegangener bapstlicher bullen sich der visitacion über ge- dacht kloster Brunbach zu undernemen in forhaben sein, auch derowegen dem abt solches klosters ein termin, nem- lieh den sechsten octobris kunfftigs monats oetobris benent haben sollen, dieweil dan gn. furst und here solche vur- nemen meines klosters habenden privilegien und alten herkhommen, woe solehes sein furgang gewinnen solte, nit zu geringen abbrueh gereichen wurde und dan die geistliche iurisdietiones vermoge des heiligen reichsabschidt ingestelt sein sollen, also da schon die visitacion von notten, ich deren oberstehen mußte, damit nun nach er- volgter einigkeit und gleichen verstands, in der religion obgedacht ius visitandi mir und meinen nachkhommen das hindurch nit benommen oder darin praeiudicium ervolgen moge, so langt demnach an Ew. f. gn. als mein und des klosters Maulprunnen landsfursten, kastenvogt, schutz und schirmheren mein demuttige bitt: die wollen solche hoch- gedaehts fursten und bischoffen zu Wurtzpurg vornemen mit furschrifft oder in andere fugliche wege gnedig ab- schaffen und abstellen, dan ich ye des klosters Maul-

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prunnen alt hergepracht Recht und gerechtikeit also stil- sehweigende nit weiss oder sol hinschleuffen lassen noch begeben: Ew. f. gn. mich hiemit zu gnaden demuttige be- fehlbende. Datum Maulprunnen den 28. septembris Anno ete. 57 Ew. f. gn. undertheniger eaplan Johan abt zu Maulpron.

Der Hertzog von Wirtenberg hat dem Bischoff geschriben und furgenommene Visitacion von wegen seines Klosters Maulbron nit zulassen wollen !).

(Am 28. September 1557 fordert nach den eingeschalteten Aktenstücken der Abt Johann von Maulbronn vom Bronnbacher Abt eine energische Abweisung der ihm angekündigten Visitation, welchem Auftrag Leusser d. d. Wertheim, 4. Oktober 1557 den Würz- burger Visitatoren gegenüber nachkommt. Auch Graf Ludwig von Stolberg legt in untenstehender „Instruction“ eingehend Protest gegen den Würzburger Plan ein.)

Instruetion und Werbung wes von wegen unser Lud- wigs Graven zu Stolberg Konigsstein Rutschfurt und Wert- heim ete. bei dem hochwirdigen Fursten und Hern, Hern Melehiorn Bischoffen zu Wurtzpurg und Hertzogen zu Franken, unserm gn. Herren ete. die ehrnvesten und er- baren Amptleuth Räth, Diner und liben getreuen Friderich von Ratzenburgh, Johan Keller und Johan Conrad Sehmider werben und aussrichten sollen.

Es sollen gesanten unsserm gn. Herrn von Wurtzpurg unsser underthünige und willige Dinst vermelden und da- neben anzeigen, warumb wir zu diser Beschickung be- ursacht worden: Nemlich das in kurtz verruckten Tagen der Abt und meherteil Convents zu Brunbach uns als irem ordenlichen Schutz und Schirmheren underthänigklich zu erkennen geben, welcher Gestalt sie neulicher Zeit ein offendlichen Ausschreiben von seiner f. gn. verordenten Visitatorn, in irem Closter Brunbach ein neue ungewon- liche Visitation furzunemmen sich unterstanden, auch Zeit und Stundt, nemlich den 6. Octobris darzu benennet hetten, dessen sich dan der Abbt und Convent zum hochsten be- sehwerdt befunden, mit Anzeig, das sie dargegen von Babsten und Keisern und ein sonderliche Freiheit und Exempeion von alters herbracht, darbei sie auch billich gelassen werden solten. Dan obwol vor etlichen und zwentzig Jaren s. f. gn. Furfaren ein Bischoff von Wurtz- purg gleicher Gestalt einen bapstlichen Befelch gehabt,

1) Inhalt des Schreibens vom Herzog Christoph an den Bischof von Würzburg bei Kern a. a. O. S. 271, Anlage XI.

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das Closter zu visitiren'), so hett doch derselbe uf an- halten ihres Schutzherrn des Graven zu Wertheim, unsers Vorfarn, und des Closters Herkhommen und Gelegenheit grundlich bericht, soliche Visitacion fallen und selbst er- sitzen lassen, mit undertheniger Bitt, wir wolten nachmals, als ir ungezweifelter Schutz und Schirmherre, bei seinen furstlichen Gnaden die Sache dahin behandeln, das sie bei iren Privilegien erhalten und dargegen mit ungewon- lichen Neuerungen nicht beschwerdt oder bedrangt werden mochten, wan wir dan aus schuldiger Pflicht, damit wir dem Closter verwandt und zugethan, nicht umgehen konnen, sein f. Gn. derowegen zu ersuchen und derselben des Closters herkommen und gelegenheit underthenig zu be- riehten.

So hetten wir nicht underlassen, des Closters Privi- legien und Freiheit uns eigentlich zu erkundigen und die- selben also beschaffen befunden: Das ein Convent des Closters Brunbach von allen geistlichen Jurisdietionen exempt und gefreyt und mit keiner Visitacion ausserhalb irem Ordinario dem Abt zu Maulbrun beschwert werden sollen; wie solche Privilegien im Fall der Notturft wol zu exhibiren und darzulegen weren; es hat auch das Closter solche Freiheit ein weyt verjerte Zeit und über Menschen Gedenken herbracht, das sie nymandt einige geistliche Jurisdietion, vilweniger einiche Visitacion zu- gelassen ausserhalb dem Abbt zu Maulprun ete. dero- wegen were unser underthenige Bitt, sein f. Gn. wolten bemelt Closter bei solcher irer Freiheit und Exempeion enedig lassen nnd mit einicher Neuerung nicht beschweren, auch allerlei umbstende diser Sachen bedencken und zu keiner Weitterung, die etwan hieraus erwachsen mochte, Ursach geben, uns auch unser Schutz uns Schirmgerech- tikeit gnedig nicht bedrangen, wehren wir unterthenig zu verdinen erputtig und willig.

Wor dan der Bischoff in seinem furnemen beharren wurde und uff die pabstliche Commission dringen, sol ge- santer des Bischoffs Antwort mit guttem Glimpf kurtzlich widerlegen und daneben dem Bischoff zu bedencken ein- furen, in was stand und Religion das Closter itziger Zeit befunden und etzliche Jar gewesen, und das darinnen on merckliche Zerruttung und allerlei hochschedliche Ergernus des Closter Personen und benachbarten nit wol etwas ver- neuert und geendert werden mochte, und aber durch die vorgenommene Visitacion in bemeldem Closter nicht ein geringe Enderung geschehen wurde, doraus gewisslich ein

1) Über diese Visitation im August 1527 vgl. Kern a. a. O. S. 181 ff.

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grosse Zerruttung auch viler Leuth Ergernus und Be- schwerung zu vermutten were; so hetten auch sein f. Gn. zu bedencken, das nun meher nnd nach itziger Gelegen- heit uff gemachten des heiligen Reichs und in gemein be- willigten Abschiedt zu Augspurg im Jar 55 seiner f. Gn. furnemen und begeren der Visitacion nicht wol statt haben mochte; dan gemelter Abschiedt gebe ein gewisse Orde- nung und Mass, wie es mit den Geistlichen und derselben guttern, die sich zu der Augspurgischen Confession gethan, bis uf andere weittere versehung und gemeiner Stende vergleichung gehalten werden solte; und were s. f. Gn. Commission und Befeleh umb ein geraumbts etwas eher, dan solcher Abschidt, das ane Zweiffel s. f. Gn. in An- nemung und Bewilligung des Abschids der babstlichen Commission tacite renuncirt und fallen lassen hette, sonder- lich gegen die, so vor dem babstlichen Indult und dem Reichsabschidt in einer andern Religion befunden worden, wie sich auch dessen sein f. Gn. in der ufgerichten Capi- tulacion zwischen seiner f. Gn. und unss!) gnedig erklert, da der Augspurgisch Abschidt ausdrucklich von wegen des Closters Brunbach und Grunaue beteidingt und vor- behalten worden: Wolten wir uns underthenig versehen, s. f. Gn. wurden sich gegen solehem gemeinem des Reichs Abschidt dureh des Babsts Befelch gnedig nit bewegen lassen und vornemlichen itziger Zeit Gelegenheit mit dem Babst gnedig betrachten und darneben zu Gemuth furen, in was stande die Religionssachen nunmeher in angefan- genem Colloquio weren, das je unsers verhoffens, s. f. Gn. vor andern Fursten und Stenden des Reichs dieser Sachen keinen beschwerlichen Ingang machen werden.

Zu dem so hetten s. F. Gn. auch zu bedenken, das mit der babstlichen Delegacion das Closter Brunbach nit gemeint, weil in der Commission daselbig nit namhaftig gemacht, sondern s. f. Gn. Stift und Diocesis allein ge- dacht werden; Brunbach aber under s. f. Gn. Stift und Jurisdietion nieht gehore, auch keinen andern Ordinarium, dan den Abbt von Mulbron erkenne etc., so mocht auch in Zweiffel gezogen werden, ob die Commission nunmeher in Reehten bestendig, weil die im Jor ete. 54 von Babst Julio ausgangen und in desselben Leben gegen die von Brunbaeh ins werck nit gericht, sondern durch Abgang des Deleganten, cum res adhue sit integra, gentzlich ex- spirirt und verloschen were; wan wir auch schon uns

1) Vertrag zwischen Bischof Melchior von Würzburg und Graf Ludwig von Stolberg über die Wertheinschen Lehen vom 16. August 1556; vgl. Kern a. a. O. S. 269, Anlage X.

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und unsere Schirmsgerechtigkeit zum Nachteil und Abbruch in solche Visitacion gehellen und willigen wurden, dar- durch wir doch dem Closter nichts präjudieiren noch etwas an seinen habenden Privilegien und Freiheitten benemmen mochten, so hetten wir die Fursorge, das dem Closter Ursach gegeben werden solte, uns von unser Erbgerech- tikeit auszuschlissen und einen andern Schutzherren zu suchen, der nicht allein das Closter gegen itzige neue und ungebreuchliche Visitacion, mit der That handhaben, son- dern auch s. f. Gn. unlaugbar Gerechtikeit der Atzung an solehem Closter villeicht mit der Zeit einzihen und sein f. Gn. an dem Closter gentzlichen ausschlissen wurde; wie wir dan s. f. Gn. undertheniger maynung nit wusten zu verhalten, das onlangst etliche hohe und grosse Leut dar- nach getrachtet und ire practiken gemacht, vil gedacht Closter in ihren Schutz und gewalt zu bringen; dem aber zu begegnen, were unser underthenige bitt, s. f. Gn. das Closter der visitacion gnedig erlassen und dem verordenten visitatorn befelhen, die neuerung mit der Visitacion inzu- stellen und das Closter wider seine Freiheit und alt her- kommen ferner nit beschweren; auch uns in unserer Schutz und Schirmsgerechtigkeit nit molestiren oder betruben; das tetten wir uns zu s. f. Gn. der Pilligkeit nach ge- trosten in underthenigkeit zu verdinen ete.

Wurde der Bischoff dises alles ungeachtet nachmals bei seinem furnemen bleiben und sich nicht bewegen lassen wollen, sol gesanter dahin mit Ernst und vleis handlen, das die Visitacion dismals zum wenigsten eine zeit lang suspendirt und ingestelt und bis wir derowegen selbst personlich mit dem Bischoff uns underreden mogen, verschoben werde; auch Zeit und zill. wan wir bei dem Bischoff nach deselben gelegenheit erscheinen sollen, zu ernennen bitten und begeren.

Woe aber solches bei dem Bischoff auch nit zu er- halten und die Visitacion uberein furgenomen werden wolte, sollen gesante dem abt und Convent zu Brunbach befelhen, das sie sich derzeit zu Brunbach nit finden lassen und sich zu Wertheim, bis uf weiter unser Ordennung enthalten sollen; das Closter mitlerweil unsserm Amptmann bevelhen, der auch die Visitatorn von dem Closter mit Glimpf ab- weisen und fur Gewalt bitten solle ete.

Uff solche Vorgemelte schreiben und meins gn. Hern von Wertheim etc. gesanter werbung laut der Instruction hat der Bischoff die Visitacion nit ins Werk bracht sondern beruhen lassen.

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Anno domini 1558 den 15. Aprilis ist Bischoff Melchior von Wurtzpurg in der vorstatt zu Wurtzpurg jenseit der Brueken vormittag umb 10 Uhr, als er von der Caneelley wider uf.das Sehloss reitten wollen, ersehossen worden. Der mir gar ungenedig gewesst und uf mein vilfältig supplieiren und bitten kein gnad erzeigen wollen: got verzeihe im.

Nach disem ist Friderich von Wirsperg zu Bischof er- wellet worden. Dem ich anfangs seiner Regirung geschriben wie hernach volgt:

Dem hochwirdigen Fursten und Hern, Herren Fride- richen Bischoffen zu Wurtzpurg und Hertzogen zu Francken meinem gnedigen Herren:

Hochwirdiger Furst. Euern f. Gn. sein mein gebeth zu Gott sampt gehorsamen willigen Dinsten zuvor. Gn. Herre, nachdem ich vor etlichen Tagen mit sonderem Schmertzen, traurigkeit und hertzlichem mitleiden den un- versehenen Dottfal des hochwirdigen Fursten und Herren, Herren Melchiors, Bischoffen zu Wurtzpurg und Hertzogen zu Francken, weiland meines gnedigen Herren, vernommen habe, (des selen der almechtige wolle genedig sein und ime ein selige und froliche Urstendt verleihen, Amen.) habe ich aber widerumb mit sonderlicher Freude und wol- sefallen erfharen, das der Allmechtige durch ordenliche whall und mittel E. f. Gn. zu solcher hohen furstlichen dignitet beruffen hat, zu welcher ich E. f. Gn. wunsch von Gott langwirige mit Gesundheit glückliche und frid- liche Regirung Amen; und wiewol ich E. f. Gn. mit meinem Sehreiben in irer angehenden furstliehen Regirung nit gern bemühet, als die ich wol achten kan mit vil hochwichtigen gescheften sonsten beladen, habe ich doch solches meiner unvermeidliehen notturft nach, nit kónnen underlassen; nemlichen dieweil mir meines Closters gefelle und ein- kommen in E. f. Gn. Stift nun eine lange Zeit verbotten und uf gehalten und gar nieht von denselbigen in das Closter mir gereicht worden oder noch wurde, ohn welche einkommen es mir nit muglich zu Brunbach hauss zu halten, wie ich dan solches bei weiland meinem gn. Herren von Wurtzpurg hochloblicher gedechtnus offtermals habe angezeigt und umb eroffnung solcher aresten underthenige gebetten, mit vermeldung, das ich allen meines Closters vorrath habe in disen vergangenen schweren Krigen und bezalung der vilfältigen schatzungen, letzlich auch mit aufhaltung dieser meines Closters gefhellen eróset und aufgewandt, also das ich meines Closters Haushaltung nit länger furzubringen wisse; bin auch in gutter Hoffnung gestanden, woe ir f. Gn. lenger gelebt ich wolt mein be-

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gern erlangt haben; sonderlichen, dieweil ichs gentzlichen darfur gehalten, das ir f. Gn. mir solche aresten meher aus ungleichem Bericht und unguttigem angeben meiner missgunstigen, dan auss eigener bewegung habe anlegen lassen; wie im nun gleich sei, so sein mir solche gefel noch arestirt, derowegen ich nit allein kein gelt meher im vorrath habe, domit ich den schweren Costen im Closter mit dem vilfältigen haussgesindt, auch den acker und weingart baue, die gastungen, atzung, fron, reiss u. s. w. erhalten kan; sondern habe auch schulden darzu machen mussen; und wiewol mir nicht in das Closter gefellet, muss ich nicht destoweniger die atzung, schatzung, fron und reiss verrichten, daran wird mir nicht nachgelassen, sondern man legt mir derselben beschwerten von tag zu tag meher auf, also das ich im Closter nit lenger hauss- halten kan, dan mir aueh nymand meher borgen oder leihen will bei solchen aresten; so ist mein Closter der- massen gelehert an wein, korn, habern, heue, salz und schinaltz, das ich uber nechstkunftige Pfingsten das gesindt nit kan erhalten, E. f. Gn. lossen mir dan die arestirten gefel in dero stift gnedig wider folgen; dan woe solches nit geschehen solte, muste ich das gesindt urlauben, Pferde und Wagen, kue, kelber und schaff verkauffen, dem ge- sindt domit lonen, die weingarten und äcker ungebauet ligen und das Closter in gantzen abgang kommen lassen; wie leichtlich es darnach wider auffzurichten, gibe ich E. f. Gn. als solcher sachen wolverstendigem zu ermessen. Dieweil ieh dan über meinem Closter ein lange Zeit in den geschwinden krigsjaren hart gehalten mit gefar leibs und guts und dasselbig fur endlichen verderben aus den sorgliehen krigen gepracht, mit grossen Kosten und scha- den, wolt ichs auch nit gern zur zeit des fridens bei meiner Regirung durch die freund in abgang kommen sehen, so mir solches anders zu furkommen muglich; ich kan mieh aber mit nicht wehern dan mit bitt und gutten worten: ist demnach mein gantz demuttige underthenige bitt an E. f. Gn., die wollen zu solchem abgang und end- lichem Verderben meines Closters nit ursach geben, sonder die angelegten arest wider gnedig relaxiren und eroffnen lassen und dannach bedencken, erstlich was schadens und abgans E. f. Gn. dureh meines Closters verderben begegnen mochte; zum andern, wie es denen in konfftigen zeitten moeht naehgeredt werden, die ursaeh solches meines Closters verderbens und undergangs gewest; dan ich mich himit (uf solchen Fall) bei E. F. Gn. endschuldigt haben will, das ieh mein Closter nit verderbt, sonder die so mir desselben einkommen wider recht arrestirt und verhaltten

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wie ich mich auch dessen meiner notturfft nach, bei mennigklichen (woe mir solche einkommen lenger solten ufgehalten werden) endschuldigen musste; wie wol ich mich aber gentzlich versehe, E. F. Gn. werden vil meher zu der Closter aufnemen dan abgang helfen, ‘wie ich dan derselben gemuth in dissem vorlengest erkhant, habe ich doch E. F. Gn. dessen in underthenigkeit berichten mussen, und bitt derohalben abermals gantz demuttig und under- thenige, E. f. Gn. wollen diss mein nottwendig furbringen gnedig zu hertzen furen und mir und meinem Closter die arestirten gefell gnedig wider folgen lassen und mein gnediger Herre sein; das wil ich umb dero lang Leben, fridlich und glucklich regirung, bei Gott zu erbitten sampt gehorsamen willigen Dinsten zu verdinen, nymmer ver- gessen; und bitt umb gnedig antwort.

Datum Wertheim den 3. may anno ete. 58

E. f. Gn. undertheniger caplan Clemens Abbt zu Brunbach.

Mein sachen sein aber bei diesem Bischoff nit besser, sonder erger und bósser worden; dan vorgesatzte mein supplieacion gar nieht gewirckt; sonder hat dieser Bischoff von stundan eynen meyner gewesen conventualen, Johan Plyttner genant, zum Abt gehen Brunbaeh ordenen und weihen lassen zu Wurtzpurg und also mich vermeintlich meiner prälatur entsetzt.

Diss habe ich bald erfaren und doruf dem wolgeborenen meinem gnedigen Schirmherren Graven Ludwigen zu Konig- stein und Wertheim geschriben wie hernach volgt:

Wolgeborener Grave. E. Gn. sey mein gebett zu Gott sampt gehorsamen willigen dinsten zuvor. Gnediger Herre, nachdem ich im 1552ten Jore auss rechtem christ- lichem Eiffer durch das heilsame warhafftige unüber- windlich wort Gottes mit hilff gottlicher gnaden getriben und bewegt worden, die seligmachende catholische und apostolische leher der augspurgischen eonfession anzunemen, habe ich alsbalde in meinem Closter und auff desselben zugehorigen pfarren solcher confession gemess ordenung mit predigen und ausstheilung der sacramenten vur- genomen und gemacht; doch alles mit wissen und willen des wolgeborenen Graven Michels zu Wertheim etc. weilandt meines gnedigen Herren seliger gedechtnus, als meines Closters Schirmherren, welcher auch soliche Religion im Closter Brunbaeh in meiner nnd des Convents gegen- wertigkeit und unser aller verwilligung vor notario und

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zeugen als ein stand des reichs (lauth des 5öjerigen reichsabschiedt) confirmirt und bestettiget hat; welche confirmacion auch hernachher von meinem ordinario dem Abbt zu Mulbrun per ratihabicionem approbirt worden; bin auch ettliche Jore unangefochten dabei gebliben, biss vor zweyen jaren ongeverlieh, da haben beide mein gnedigste und gnedige Churfursten Fursten und Herren von Meintz und Wurtzpurg meines Closters einkhomen in iren furstentumben verbitten lassen und dieselben biss hiehero in aresten gehalten und noch, dadurch ich von allem vorrath kommen und dermassen erschopfft bin, das ich nit lenger das Closter zu erhalten weiss. Uber das komme itzundt in gewisse erfarungen, das mein gnediger Herr von Wurtzpurg ein andern Abbt über mein Closter angenommen und eingeweihett hatt; den ir f. g. villeicht uffs bäldest zu intrudiren und mich zu deponiren vor- habens; dieweil dan gnediger Herre solches alles widder altherkommen, wider des heiligen reichs publicirte con- stituciones und Euer Gnaden sons seliger confirmacion und des ordinarii approbacion gehandelt wurde: ist mein gantz underthenige demuttige bitt an Euer Gnaden, als mein und meynes Closters Schirmherren, dieselben wollen mieh und mein Closter bey der Religion der augspurgischen Confession, die E. Gn. son seliger als ein stande des reichs lauth des 55]erigen reichsabschieds bestettiget und wie E. Gn. dieselben in einnemung der Graveschafit Wertheim gefunden, genedig handhaben, schutzen und schirmen, und die einsatzung des neuen Abbts nit gestatten oder zu- lassen; auch mir gnedig behilfflich sein, das die angelegten aresten eroffnet, domit mein Closter erhaltenn werden moge; dan woe ich von E. Gn. in dem hilffloss gelassen werden solte (das: ich doch nit hoffe) wurde mich die unvermeidlich nott dringen, anderwoe schutz und schirm zu suchen und solche sachen an mein obersten ordinarium gelangen zu lassen; dan ich je nit verhoffe, das ich wirder gottliche oder weltliche recht gehandelt habe, in dem das ich das reyn unverfelscht wort Gottes lehern lass und meines Closters eingefell noch vermogen zu schulen und andern christlichen gebräuchen, dorumb sie erstlich gestifft sein und wie mir des heiligen reichs satzungen zulassen, anlege, wie ich dan mein thun (ob Gott wil) bei der romischen keyserliehen Mayestett und allen reichsstenden zu verantworten getraue; und do man achten wolt, ich were meins aygen kopfis, underwurffe ich mich E. Gn. judicio, item dem judicio meines ordenlichen visitatoris; was mich die selben nach erkundigung und grundlicher erfarung in meiner gemachten reformacion oder ordenung

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in meinem Closter zu endern, ab oder zu zuthun heissen werden, wil ich gehorsam sein, der trostlichen zuversicht, E. Gn. werden sich meiner Notth annemen, mich genedig

. Sehutzen und schirmen, vor oberzelten beschwerden, und wie wol ieh gentzlieh hoffe, E. Gn. werden mir solches nit abschlagen, bitth ich doch gantz demuttige umb gnedige Antwort. Datum Wertheim den 4ten Semptembris anno 1558.

Mein gnediger Her von Konigstein und Wertheim etc. hatt mir uff diss schreiben Antwort geben, sein Gnaden wollen mit dem Bischoff derowegen handlen ete.

Der Bischoff hatt den Johan Bleyttnern, meinen gewesten Conventualen, uff assumpeionis Mariä anno 58 zum Abbt geweihet zu Wurtzpurg; aber uff meins gnedigen Herrn von Wertheim ete. underhandlung, in nit. so bald in das Closter gesatzt.

Und hatt der Bischotf durch mittel person mit mir ver- handlen lassen, wan ieh von meinem irrthum (wie er es nent) abstehen und mich nit wider in ehestand begeben wolte, solte ich bei meiner prälatur von im unangefochten bleiben, nnd er wolt mein gnediger Herr sein: das wolt ich nit thun, dan ieh mit keinem irrthum der religion behafft und uff das der Bischoff sehe, das ich seiner Religion nit sein wolt, begab ich mieh wider in heiligen ehestand, mit Velten Rudigers, des Zinssschreibers dochter Anna; mit welcher ich anno 1558 den 25iten octobris habe hochzeit gehalten, und meinen christlichen kirchgang celebrirt, als ich alt war 40 jor.

(Hier ist im Manuskript die Abschrift des Ehevertrages vom 18. Oktober 1558, abgeschlossen vor dem Amtmann Friedrich von Ratzenburg und dem Rentmeister Joh. Konrad Schneider.)

Mit diesem neuen meinem heyratth habe ich mir von neuem ein gar ungenedigen Bischoff gemacht, do er ge- sehen, das ich des Endchrists Reich gar verleugnett. Dero- wegen hatt er seinen gemachten Abbt (der gar nit orden- licherweis erwelet worden) anno domini 1559 uff den tag conversionis Pauli mit gewalt in das Closter gesetzt mit vilen zugegebenen reuthern. Wider solche Einsatzung hatt der wolgeborn mein gnediger Here von Konigstein und Wertheim ete. protestirt. Desgleichen habe ich auch gethan und disen intrudirten Abt nit annemen wollen lauth mein gethane protestacion.

(Die Protestationsurkunde, zugestellt dem Abt Johann Pleittner am Freitag, 27. Januar 1559, durch den kaiserlichen Notar Bernhard Kettner, folge mit Weglassung des Formelhaften.)

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... Es ist der eherwirdig Herre Clemens Abbt zu 'Brunbaeh in gewisse erfarung khommen, das der hoch- wirdige Furst und Herre, Herre Fiderieh Bischoff zu Wurtzpurg und Hertzog zu Francken, aynen Johan Pleyttnern genant, so etwan sein conventual gewest, zu einem Abbt gehen Brunbech gewelet und geweihet habe und denselbigen itzund wircklich in solcher abtei possess prüsentirt und sovil an im ist, also eingesatzt haben wil; dieweil aber diss ein neuerung und keynem Bischoff zu Wurtzpurg nye geburt hat oder noch geburet, aynen Abbt dieses Closters zu setzen oder zu entsetzen, wie auch kein Bischoffe nye solches sieh unterstanden, dan er diss ortts ordinarius nit ist, so kan der itzige Abbt diesen Johan Pleyttnern fur keinen Abbt annemen, oder erkennen, ime auch briff, salbucher oder privilegia, so er hatt, nit undergeben, dan er nit ordenlieher weiss, wie und von weme es sich geburet, erwelet ist, protestirt derohalben hie offentlieh vor notario und zeugenn darzu erfordert und gebetten, zum ersten, andern, und dritten mall, das er diesem vermeinten Apt nit cedirn oder weichen wolle auss volgenden grundlichen ursaehen. Erstlich dieweil er ordenlicher weiss durch die wall des gantzen convents (under denen dieser Pleyttner auch gewest) zu seiner prälatur erwelet und durch seinen visitatoren darein con- firmirt und bestettiget worden ist: so vermage der acht- undvirtzigst jerige reichs abschiedt, das die Closter so aygene visitatores haben, von den selben sollen reformirt werden; derowegen mein Herre von Wurtzpurg kein gewalt über den Abbt hatt. Zum andern, das der hoch- wirdige Furst ete. anzeigen lest, dieser Abt sei von seinem closterleben abgedretten und ander wesen, so ime nit geburen solle, angefangen; ist er gleiehwol gestendig, das er das wider christlich munchleben auss rechtem christ- lichem eyffer darzu in sein gewissen und das unüber- windlieh wort Gottes getriben, mit hilff des almechtigen geendert und sein Closter zur schulen gemacht, und einen rechten gotssdinst anstatt der schrifftlosen muneherey in seynem Closter angerieht habe, wie dan alle Closter, laut der vätter schrifften erstlich zuchtschulen, darinnen man ge- lerte menner gezogen, gewest sein; und solches sei ge- schehen vor zeitt des Pasauischen vertrags im jhar zweiund- funffzige, mitt wissen und willen des wolgebornen weiland Graven Michels vou Wertheim ete. seliger gedechtnus, weleher sein und seines Closters Schirmhere gewest, in welches territorio dises Closter ligt; ess habe auch wol- gemelter Grave aygener person im Closter im beisein Abbt und convents vor notario und gezeugen solemniter pro-

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testirt, das er diss Closter, sampt Abbt und convent bei dieser religion erhalten wolte; domit er als ein stand des reichs solche religion confirmirt hatte und ist auch solche confirmacion durch seinen visitatoren den Abbt zu Maulprun ratifizirt und approbirt worden, darbei auch der Abbt und sein convent unangefoehten bliben, bis ongeferlich uff dritthalbe jare; da haben die beiden Ertz und Bischoffe zu Mayntz und Wurtzpurg ime seines Closters inkommen arrestirt und uffgehalten bis uff diesen tage, aber er nicht destoweniger allen onehosten im Closter mit atzungen, frondinsten und reysen ete. habe erhalten mussen; da- dureh er allen seines Closters vorrhatt, was ime die krige übergelassen vollet eingebust habe; und do itzund mein Herre von Wurtzpurg selbst erkennen konne, das er nieht meher habe (wie es leider war sei) wolle er inen endlich von seiner prälatur verstossen und an den bettelstabe weisen, so er doch hoffe, das er umb sein Closter vil besseres verdint, da er demselbigen aylff jar an der abbtey und darvor in andern emptern vill jar gantz getreuelich furgestanden sei: das zeugt er sich uff menigklich so umb in gewest, und so er einem Herren so lange gedint, er wolte etlich tausend Gulden verdint haben, also habe er nieht, und gedencke sich derowegen nit also absetzen und verjagen zu lassen, dan er nit wider gotlich oder weltlich gesatz oder recht gehandelt habe; und gestehet der bezicht gar nieht, da mein gnediger Herre von Wurtzpurg an- zeigen lost, er der Abbt habe des Closter einkommen in seinen aygen nutz gewendet, sonder protestirt er darwider und zeigt an, da ess zu handlungen khommen solte, wiss er sich eherlich zu verantworten, das ime daran unrecht geschee. Zum dritten, so und dieweil ess yehe clar und lauter, das die religion der augspurgischen confession in disem Closter legittime uffgericht und confirmirt worden laut des funffundfunffzigsten jerigen reichs abschids, darinnen vermeldet wurde, das die religion, auch die verwante geistliche gutter zu schulen und andern gutten gebreuchen, ‚wie die zur zeitt des Passauischen vertrags biss uff ge- melten reiehsabschidt gefunden, also pleiben und biss zu endlicher vergleichung der religion nit geendert werden sollen, dorauff auch die geistliche jurisdietiones suspendirt und uffgehaben, darzu dem chammergericht verbotten, solcher sachen halber kein mandatt oder eitacion zu er- khennen: also wan gleich mein gnediger Here von Wurtz- purg dises gotsshauss ordinarius were (das doch nit ist). ire f. gn. doch kein verenderung darinnen furzunemen macht hette, des zeugt sich gemelter Herre Abbt uff

Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 3. 19

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solchen abschiedt. Dieweil dan dem also, und mein gnediger Herre von Wurtzpurg gemelten Abbt wider alt- herkommen, wider des heiligen reichs publieirte Constitu- ciones und abschidt unbillig abzusetzen begert und einen andern Abbt gewaltig intrudirn, der das babstumb wider anrichten solle, das ir f. gn. keins wegs geburet, vor- habens ist, kan solches der Abbt dieses gotsshauss in keinen wege gestatten oder zulassen, nit allein seiner person, sonder zu forderst der eher Gottes halben; dan was wurde ess fur ein greuel sein, da das volck die rechten christlichen leher kaum begriffen und gefasst hatt, wider die abgotter anzubetten gedrungen, die schul eint- weder gar abgethan oder die jugent mit ungegrunter leher aufferzogen werden solten: protestirt derohalben abermals wie oben, das er von seiner prälatur, die er mit recht und billigkeit besitze, nit abtretten wölle, auch den ver- meinten Abbt nit an nemen, in fur kein Abbt halten uud im seiner Abbtei zustendige register, salbucher, privilegia und andere des Closters documenta nit einraumen oder liffern wofle: sondern berufft er sich hinter seinen schirm- herren den Graven von Wertheim, des versehens, ire gnaden werden inen bei seiner prälatur und religion wie ire gnaden die gefunden, handhaben und schirmen: be- rufft sich auch hinter seinen visitatorem den Abbt zu Maulprun; woe ess nit genug, berufit er sich uff den schirstkunfftigen reichstage, oder uff ein generall oder nacional consilium, mit undertheniger bitth, das mein gnediger Herre von Wurtzpurg inen bei solchem seinem rechtmessigem erbitten pleiben lassen, kein gewalt uben und den vermeinten Abbt abschaffen wolle; doe aber solehes nit geschehen und mein gnediger Herre von Wurtz- purg seinen Johan Pleyttnern mit gewalt insetzen wolte, wil der Abbt an angezeigten orten und anderswoe seiner notturfft nach, was ime von rechts und billigkeit wegen geburet, zu seiner gelegenheit dagegen und wider fur- nemen und handlen . . . ..

Die protestacion, so mein gn. Herre von Wertheim thun lassen, ist in den hauptpuncten der meinen gleichlaudent. Dorumb onvonnotten dieselbe zu inseriren. Dan mein gnediger hatt die einsatzung des neuen Abbts gleich so wenig gestatten wollen als ich.

Ich habe auch meinem gnedigen Herren des neuen Apts halben geschriben wie hernach folgt:

Dem wolgebornen Herren, Herren Ludwigen Graven zu Stolberg Konigstein Rutschfort und Wertheim ete. meinem enedigen Herren:

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Wolgeborner Grave. Euer Gnaden sei mein gebett zu gott sampt gehorsamen willigen dinsten zuvor. Genediger Herre. Ess hatt der hochwirdige Furst der Bischoff von Wurtzpurg ete. seinen neuen Abbt gehen Brunbach präsen- tirn und eynsetzen lassen, uff den tag Conversionis Pauli, mit was gestalt werden E. Gn. von derselben befelch- habern zu Wertheim on zweiffel bericht sein. Wider solehen Apt und sein einsatzung habe ich ein protestacion durch notarium und zeugen zu Brunbach thun und diesem vermeinten Abbt insinuiren lassen, derer Copiam ich E. Gn. bei neben überschicke; und dieweil dan solche einsatzung mir hochbeschwerlich nit allein meiner person, sonder furnemlieh der christlichen religion halben die dieser bapstisch Abbt abthun und sein bapsthum dare- gegen anrichten wurde: ist mein gantz underthenige demuttige bitt an E. Gn, die wollen mich bei meiner prelatur und religion gnedig handhaben schutzen und schirmen und die einsatzung des neuen Apts nit gestatten oder zulassen und mich also gnedig bedencken, das ieh auch wisse, under E. Gn. zu pleiben, dan woe dieselbige mich nit schutzet, sesse ich zu Wertheim nit sicher und da E. Gn. so eylendt villeicht diese handlung mit dem Bischoff von Wurtzpurg und diesem Abbt nit aussfhuren konnen, ist mein undertltenige bitt, E. Gn. wollen diesem Abbt des Closters ingefelle under der Graveschafft ver- bitten und arestiren lassen, wie die beide Bischoff von Meintz und Wurtzpurg mir auch in die drei verschinen jare, in iren obrigkeytten meines Closters einkommen arestirt haben; domit ich von solchen gefellen under E. Gn. mich zur notturfft moge erhalten; was sich dan solche eynkommen über mein notturfftige underhaltung weiter erstrecken wurden, wolte ich E. Gn. heimgestelt haben, domit Ihres guttbedunckens haben zu handlen; und bitt abermals gantz vleyyssig in underthenigkeit, E. Gn. wollen Ihrer selbst so wol als meine notturtft in dieser sachen bedencken und mit gnedigen schutz und hülffe mittheylen; und wie wol ich mieh zu E. Gn. solches alles trostlich thue versehen, bitt ich doch um derselbigen gnedige antwortt und wunsch E. G. ein gluckseligs neues jhare. Datum Wertheim den 28. Januarii anno 1559.

E. Gn. undertheniger Clemens Abbt zu Brunbach.

Uff diss mein schreiben hat mir mein gnediger Her Schreiben lassen wie volgt: Dem ehrwirdigen unserm lieben andechtigen und ge- treuen, Clementen Appt unsers Closters Brunbach: 19*

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Ludwige Grave zu Stolberg Konigstein Ruschefurt, Wertheim und wernigenrode etc. unsern gonstigen gruss in geneygtem willen zuvor. Ehrwirdiger lieber andechtiger und getreuer; wir haben euer schreiben entpfangen und wess sich in jungstverschinen tagen mit insatzung eines neuen Abbts in unser Closter Brunbach zugetragen darauss verstanden; lassen uns Euere dargegen gethane protestacion gantz wol gefallen und macht uns solch furnemen und handlung wunderbarliche gedancken; Ess wil auch unser notturfft erfordern hierin fursichtigklich und mit zeittigem ratt zu handlen; dan wie wir dafur halten, ist ein solches mit grossem vleyss und bedacht itziger zeit vor dem reichsstage also furgenommen worden. Solten wir nun dargegen mit der thatt etwas furnemen, habt ir zu be- dencken, zu was mercklichem nachteil bei der key. Maytt. solches uns gereichen kundte. Dan wir uns balde ymands damit uff den halss laden mochten; so uns hernachmaln zu grosser beschwerung und schaden geritte. Darumb wir achten, das ess dissmals bei geschehener protestacion be- ruhen und pleiben zu lassen. Dan wir hierin gern mit Euerm und anderer ratt unnd guttbeduncken dasjenige furnemmen und handlen wolten, damit wir darbei beständig sein mochten, wie wir auch nicht underlassen wollen, diesen dingen mit ernst und vleyss nach zu dencken und dieselbigen in weittere furderliche berattschlagung zu ziehen; so vyl dan Euer begern des arests halben be- langen, were unss gleichwoll dasselbige also anzulegen nit hochbedeneklich. Wir wollen aber Euch nit verhalten, dieweil numeher dieser zeit fast alle renten und gulten ingenommen: . ..

(Der Schluß dieses Briefes fehlt; er stand zusammen mit einem Schreiben des Wertheimschen Amtmannes Friedrich von Ratzeburg nach Würzburg und dem Anfang der von dort durch den würzburgi- schen Rat Martin von Rotenhan erteilten Antwort auf dem aus der Handschrift herausgeschnittenen Blatt 63. Graf Ludwig von Stolberg scheint am Schluß seines Briefes unserm Leusser eiue gütliche Einigung mit Würzburg, etwa unter der Form einer jührlichen Pension, geraten zu haben, welchen Gedanken Ratzeburg nach Würzburg weitergeben mufite. Darauf erfolgte das würzburgische Antwortschreiben, dessen letzter Teil lautet:

... pension, welehes pension gelt er dan also jerlichen gewiss empfangen moge. Dieweil ir die sachen biss an- hero verzogen, ungezweiffelt nit on merckliche ursachen geschehen, und aber hochgedachter mein gnediger Herre itzt zu malen naeh dem reichsstag verucken mussen, und der itzige Abbt von Brunbach hei iren f. Gn. angehalten,

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das ime und seinem Convent obberurte stucke laut der beschehenen abrede zum ehesten widerfare, so haben ir f. Gn. also in derselben abreisen mir befollen und auff- erlegt, Euch von irer F. Gn. wegen zu vermelden: das ir mit allem Vleyss daran sein wolte, das von ehegemeltem gewessenem Abbt von Brunbach dem itzigen neuen er- wheltem angeregte kirchenkleynotter, privilegia und brieff, aueh register, silbergeschir, wein und anders wie ess ab- geredt zum schirsten und alsbald übergeben und geantwort werde in ansehung das ime solehes lenger inzubehalten nit geburet; so solches beschicht, so solle der neue Abbt inen den alten Abbt derowegen notturfftiglichen quittirn, so ist hochernanter mein gnediger Furst und Herre von Wurtzpurg des erbittens und zusagens, alsbald sein f. Gn. widerumb vom reichsstage anheimst kommen, gedachten alten Abbt umb die jerlichen pension notturfftigliche ver- sicherung und vergewissung thun zu lassen: demnach mein gantz freundlich pitt, ir wollet hoch- und meherermeltem meines gnedigen Herrn zu Euch habendem vertrauen nach diese sachen meinem schreiben gemess befurdern, das werden ir f. Gn. ungezweifelt gegen Euch in allen sonder- lichen gnaden erkennen und bedencken. So bin ich ohn das Euch in allen gutten freundlich zu dienen willige. Datum Wurtzpurg donnerstag den 27 aprilis anno 1559. Martin von Rotenhan Wurtzpürgischer ratte.

Uff diss schreiben antwort Friderieh von Ratzenburg amptman zu Wertheim:

Dem edlen und ehrnvesten Martin von Hotenhan, Wurtzpurgischen ratt, meynem freundlichen liben sehwager: Mein freundliehe und willige dinst zuvor. liber sehwa-

ger, Euer Sehreiben, des datum den 27 aprilis, belangendt den apt von Brunbaeh, habe ich empfangen und seines inhalts nach der lenge verlesen und hett gleichwol wie bilig Euch gern lengest darauff geantwort, so habe ich aber mitler zeitt verreitten mussen und bin nechst ver- schinen sambsstags wider anheims khommen; derohalben freundlich pittende, solches verzugs kein beschwernus zu haben, sonder mich angeregter ursachen halben freundlich entschuldigt zu nemen; sovil aber die handlung, darvon Euer sehreiben meldung thut, an im selbst belangt, wil ich Euch freundlicher meinung nit pergen, das ich der letzten unser abrede, den apt belangende, meinem gnedigen Herrn von Konigstein ete. worauff dieselbige beruhet, furderlichen bericht gethan; und weren sein gnaden wol geneigt gewest fur sich selbst, diese sachen zu entschafft

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helffen zu pringen, derohalben dan sein gnaden dieselben uffgeschoben, in hoffnung der angesatzt gutlich tage zwischen Castel und seinen gnaden sole sein furgang erreicht haben: also das sein gnaden mit meinem gnedigen fursten und Herren von Wurtzpurg die sachen selbst handlen mogen. Dieweil aber gedachter tage durch meinen gnedigen Herrn von Wurtzpurg verschoben und verhoffen- lieh in kurtz wider angesatzt wurde und ieh dorauff erst obangeregt Euer schreiben bekommen, habe ich solches abermals seiner gnaden zu lessen behendigt. Darauff sein gnaden fur rattsam angesehen, dieweil der Casteliche tage. wie vorgemelt, in kurtz widerumb angesatzt wurde, und meinen gnedigen fursten und Herren und seiner gnaden die sachen etlicher ursachen halben bedencklich, das biss uff solehen tage dieser handel beyde äbt belangende, auch eingestelt wurde, und haben sein gnaden dorauff mir be- follen, seiner gnaden gutbeduncken Euch also zu ver- melden und zu pitten, das ir seiner gnaden vertrauen nach auff ein solchen kurtzen stilstandt und biss bede unsere gnedige Fursten und Herren zusammen kommen, wie ir auch wol thun kont befurdern wollet; so wollen sein gnaden sich als dan mit hochgedachtem meinem gnedigen Fursten und Herren von Wurtzpurg derer sachen also underreden und vergleichen, das ess verhoffenlieh seiner f. Gn. und auch wolermeltem meynem gnedigen Herren zu guttem gereichen solle; wil mich demnach zu Euch versehen, ir werdet Euch in solehem gegen seiner gnaden also erweysen, das sein gnaden Euern vleyss seiner gnaden vertrauen nach wurcklich spuren moge; daran werdet ir sonder zweyffel beiden unsern gnedigen Herren von Wurtz- purg und Konigstein gefelligen und angenemen willen er- zeigen, und habt mich Euch zu allen freundlichen dinsten willig. Datum Wertheim Montag nach dem heiligen Pfingstag anno ete. 59. Friderich von Ratzenburg Amptman zu Wertheim.

Folgt der furschlage des Bischoffs von Wurtzpurg dem apt Clementen geschehen:

Item man wolle ime apt Clementen volgen lassen die farende habe im hoff zu Wertheim, den wein und getreydt, so itzundt darinnen; sechs silbere macolchen!) und zwen hoffbecher, so solches vorhanden, und dan virhundert gulden an parem gelt, in einer summa uff zwolffhundert gulden ge- rechnet:

1) kleine Becher.

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ot Qt

Dargegen solle er die schulden der handwercksleut und ehehalten bezalen; auch da sieh meher schulden finden wurden, so dureh inen, ohn eines convents wissen und willen gemacht und nit verbrifft worden, solle er solche auch von dem seinen zu bezalen schuldig sein und uffs Closter nit gewisen werden;

Item soll furter nieht meher an des Closters gefellen einnemen, sondern sich der selbigen gentzlichen entschlagen.

Item soll bei seinem aydt dem Closter alles das Jenige, so demselbigen zugehorig und er unter sein handt gebracht, wider einantworten und zustellen;

Item soll hie zwischen michaelis den hoff zu Wertheim raumen. '

Item soll sich daruff gegen unserm gnedigen Herrn und dem Closter verschreiben, kein anforderung nimmer meher ans Closter zu haben.

Uber diesen furschlage wolt der Bischoff mir nicht weitter geben lassen.

Dieweil ich nun dem gewalt des Bischoffs nit furstehen - kunt, habe ich mit vorwissen meins gnedigen Herrn von Konigsten und Wertheim und auch meines Convents mich bewilligt, von meiner prelatur abzustehen und dieselben zu resigniren: uff folgende mittel und contictiones (domit vil unrats und ubels mocht verkommen werden):

Anfenglichen wil abt Clement von seiner abtey abtretten und dieselben resigniren; doch das solche resignacion ihme an seinen ehern ohn nachteil sey und ime die Residentz im hoff zu Wertheim biss uff martini gelassen und seinem con- ventaln ihre competentz, wie sie inen itzo gemacht, furohin gegeben und gereicht werden.

Fur das ander, so wil er dem Closter zustellen alle- desselben privilegia, register, gult und zinssbucher, kirchen- kleynotter, ornatt, infel und stabe, so vil er dessen hatt und darinnen kein vorteil noch argelist gebrauchen.

Das silbergeschirr belangendt, wil er fur sich zimlich uff ein tisch behalten und sieh darinnen der gebure erzeigen und das uberig dem Closter antworten.

Dieweil das Closter dem gesindt nnd ehehalten fur ire dinst, des gleychen den handwercksleuthen gehen Wertheim, so ins Closter gearbeitt, biss uff 350 gulden, wie er das- selbig zu belegen weiss, schuldig ist, wil er solche schulden auch zufriden stellen und sein glauben lösen.

Dargegen begert er, das man ime itzo erblich 400 gulden an barem gelt bezale; desgleichen 30 malter jerlicher gult von der gult zu Grunwerde, korn und habern, 2 fuder wein, auch ein zimliche beholzung fur sein hausshaltung. Diese

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3 stucke, nemlich frucht, wein und behulzung ihme sein leben lang und lenger nit; daruber er auch gepurliche reverss zu geben urputtige.

Und das ime auch pleibe alle farende habe, sampt korn und wein, so im hoff zu Wertheim ist, nicht aussgenommen; dessgleichen sein gekauffte behausung ete. und dieweil er, sampt dem Convent in diesen geschwinden kriegsslaufften auch etliche des Closters gutter verkaufft und verpfenden mussen, damit die schatzung, reiss und anders aussgericht, wie er, sampt dem Convent dessen auch von weilandt, dem hochwirdigen Fursten und Herren, Herren Melchiorn Bischoffen ete. hochloblicher gedechtnus, erlaubnus gehabt, das solche kauff und dorüber ufigerichte verschreibung, unter seinem und des Convents sigeln verfertigt, in wirden und krefften pleiben und gehalten werden; uff solches begert er zu quittirn und wider quittung zu empfangen, ete.

Volgt Bischoff Melehiors verwilligung: das ich und mein Convent solten des Closters gutter verpfenden und versatzen.

Melchior von gottes gnaden Bischoff zu Wurtzpurg und Hertzog zu Francken; dem wirdigen unserm lieben andechtigen Clement Abbt unsers Closters Brunbach: unsern Gruss zuvor. Wirdiger lieber andechtiger, nach dem wir Euch verschiner tagen sehreiben lassen und gnedigklichen begert haben, Euch furderlichen ohne allen verzuge hie- hero in unser stadt Wurtzpurg aigener person zu verfugen und wess wir Euch furtragen und anzeigen werden anzu- hören, aber irr also personlichen nit erschinen seytt, und doch die sachen lengern verzuge nit leyden mogen, darumb wir dan nit umbgehen konnen, Euch das Jenige, so wir Euch mundlieh furzutragen gehabt, in schrifften anzuzeigen: ist an Euch unser gnedigs gesinnen und begern, (noch dem Euch wol bewust, das wir wider unsern willen gantz unverschuldt ein lange zeit einen beschwerlichen hoch- schedlichen und unwiderbringlichen kriegsskosten zu be- schutzung unserer landt, leut und armen underthanen uff- wenden mussen, dadurch wir uns alles unsers vermogens erschopft) ihr wollet uns auss erzelten ursachen und in bedenckung unser aller und gemeiner wolfhart dreytausend gulden furstrecken und ohne verzuge erlegen, und woe soviel in vorratth nit vorhanden, des Closters gutter (darein wir als der ordinarius willigen wollen) doch uff wider- losung versetzen und verpfenden, wie dan andere unsere und unsers stiffts prelaten und prelatin, auch geistliche gleieher gestalt zu thun und zu leisten bewilligt und sich erbotten, damit wir uns, unser landt leuth und armen underthanen, geistlich und weltlieh, auch das vatterlandt

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vor solchen unbilligen unrechtmessigenn gewalt schutzen, schirmen und vor eusserstem endlichen verderben bewaren mogen; das wollen wir uns za Euch (zu dem ir ess in dieser notth zu thun schuldig) zu geschehen gnedigklich versehen und in gnaden zu erkennen nit vergessen; und wiewol wir uns zu Euch gantz keins abschlags oder wege- rung versehen, so begeren wir doch hieruber Euere antwort. Datum in unser statt Wurtzpurg, Donnerstag den 20. Julii anno efe. 53.

Diesen brief habe ieh darumb inserirt, dieweil dieser Bischoff Fiderieh mein verpfendung etlicher des Closters gutter nit ratifieiren wolt; darzu mich doch die hochst nott gedrungen und Bischoff Melchior bewilligt hatt.

Dem Bischoff ist mein gethaner fursehlage nit gefellig gewest; hatt in auch nit annemen wollen. So habe ich sein erbitten und furschlage auch nit wollen annemen; doruff die sachen ein weil beruhet, bis der Bischoff von dem reichsstag zu Augspurg kommen anno 1559. Do ist der handel von neuem angangen und hat der Bischoff an Fiderichen von Ratzenburg amptman zu Wertheim geschriben wie volgt:

Friderieh von Gottes gnaden Bischoff zu Wurtzpurg und Hertzog zu Franeken: dem vesten unserm lieben be- sondern Friderichen von Ratzenburg, amptman zu Wert- heim. unsern gruss Zuvor.

Lieber besonder, welcher massen wir vor der zeit mit dir unsers Closters Brunbach halben in aller geheyme gehandelt, und das du die sachen dohin richten woltest, domit itzigem unserm neuen abbt gemelten Closters alle bucher, brieff, register, Clinotia, kirchen ornatt und der- gleichen, so der vermeint abbt Clemens gedachtem unserm Closter wider alle recht und pilligkeit entwendet, widerumb zugestelt werden sollen, solches alles weistu dich wol zu beriehten und wiewol wir uns doruff nicht gewissers ver- sehen, dan du soltest einen solchen, der zeit wir zu Augs- purg uff dem reichsstage verharret, furderlich nachgesatzt haben, so finden wir doch itzt zu unser wider anheimss- kunft bei unserm alten hoffmeister so vil in bericht, das dasselbige nit geschehen sonder gefarlieh wil auffgezogen werden; dieweil wir dan darauss anders oder gewissers nieht zu vermutten, als das der gemelt Clemens seinem bosen vorhaben nach geen wolte, domit unser Closter volleeht gar umb das seinige und zu eusserstem schaden gepraeht werden mochte; so wissen wir, umb unserer zechtmessigen und wolbefugten sachen willen ain solches lenger nit zuzusehen noch zu gedulden; und ist demnach unser begern, due wollest bei genantem Clemens ernst-

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lichen verfugen, das er ohnverzuglichen itzigem unserm abbt zu Brunbach alles dasjenige, besonder die obange- zeigten stucke, als deren unser neuer apt zu der eher Gottes in den kirchen dinsten und dan zu einpringung . der teglichen des Closters gefellen und nutzungen zum hochsten von notten, einantworte und zustelle; dan sol solehes nit geschehen, wurden wir verursacht, mit voriger geschehener handlung zurucke und ober zu stehen und alle des Closters zugehorige gutter, ligendes und farends, durch solehe wege herzuzubringen, das wir sonsten lieber umbgehen wolten; das mogstu also (wie due woll zu thun weist) zum besten befurdern; begern hiemit dein furder- liche bey unserm potten wilfarrige antwortt und haben dir solches alles gnediger meynung nit verhalten wollen. Datum in unser statt Wurtzpurg den 24 Julii anno eto. 59.

Diss schreiben des Bischoffs hat mir der amptman Friderieh von Ratzenburg furgehalten; daruff habe ich den Bischoff beantwortt wie volgt:

Dem hochwirdigen Fursten und Herren, Herren Fride- richen Bischoffen zu Wurtzpurg, und Hertzogen zu Francken; meinem gnedigen Herren.

Hochwirdiger Furst, gnediger Herre. E.f. Gn. schreiben uff dato den 24ten Juli an den edlen und ehrnvesten Friderichen von Ratzenburgk amptman zu Wertheim ge- schehen, mieh und mein ordenlieher weiss apprehentirte administraeion der abbtei Brunbach belangende, habe ich verlessen, und seines inhalt vernomen; und hett mich solches ernstlichen schreybens von E. f. Gn. gentzlich nit versehen, dieweil ich mich durch gepflogene underhandlung des wolgemelten von Ratzenburg etc. (doch uff meins gnedigen Hern ete. von Wertheim ratificacion) zu gutlicher handlung gantz underthenige gegen E. f. Gn. und dem Closter erbotten und in einer übergeben sehrifften solche annemliehe mittel furgeschlagen, die E. f. Gn. rätthe zum theil selbst gebilligt; es sein mir aber dorauff so seltzame wege furgehalten worden, die ich gar nit habe annemen konnen; ist die sachen endlich doruff beruhet (wie mir furgehalten worden), das E. f. Gn. diesem handel ein stil- standt geben wolten, biss uff meins gnedigen Herren von Stolberg Konigstein und Wertheim etc. zukunfft zu E. f. Gn. ohn welches beysein und verwilligung ich mich in kein vertrag begeben kan; sonderlieh dieweil E. F. Gn. bedeneken dohin gerieht (wie mir der von Ratzenburg angezeigt) das mein gnediger Herre von Wertheim ete. mich umb ein competentz versichern solte etc; so dan

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E. f. Gn. solcher meines gnedigen Herren zukunfft nit harren und die billiche furschlege, so ich gethan, nit an- nemmen wollen, auch mir in diesem schreiben ernstlichen zu mutten lassen, das ich nit thun kan oder will; dadurch ich dan E. f. Gn. schreiben nach achte, die gutlichkeit zerschlagen sein, das muss ich Gott und dem rechten be- fellen, und an geburenden orten umb hulff und ratt an- suchen, domit ich fur gewalt geschutzt und bei recht und billigkeit moge erhalten werden, und zeuge mich hiemit uff mein gethone protestacion und gestehe gar nicht, das ich weder E. f. Gn. oder derselben intrudirten vermeinten apt meines Closters zinssbucher, brieff und clinodia etc. die ich mit recht und billigkeit innen habe, zu liffern schuldig sey. Dan ob ich schon mein prelatur verwurckt hette, dorumb das ich die religion der augspurgischen confession in meinem Closter angenommen und derowegen mein abtey begeben muste, so wissen E. f. Gn. woll, wem solehe Resignacion zu thun geburt, nemlich meinem ordi- nario dem abbt zu Mulbron, der mich auch hatt ein- gesetzt; und gezimbt E. f. Gn. gar nicht, laut der reichss- abschiedt und uffgerichten landfriden also mit gewalt gegen mir zu handlen, und so meinem Closter ainiger schaden darauss entsthet, darff man mir solches nit zu- messen; dan ich alwegen, was zum friden dinet, vleyssig gesucht habe; so weiss ich (got sey lobe) das man mit der warheit mir kein casum deposicionis zu messen kan; dan ieh in spiritualibus und temporalibus meinem Closter getreulich furgestanden und desselben hausshaltung furt- bracht in diesen schweren krigssleufften, da man mich ausgeschatzt und geatzt hatt zum hochsten; item do mir auch in dreien jaren nit ein pfennig aus dem ertzstifft Mayntz und unter E. f. Gn. gefallen ist, nichtdestoweniger habe ich fron, Atzung und allen Chosten des Closters verrichten mussen, domit ich von allem vorratt und darzu in schuld kommen bin; und wan ich nit so treulich bei meinem Closter gehalten, ess stunde kein stutze meher weder im Closter oder dessen zugehorden hoffen, welches ich alles mit gefar leybs und lebens und schweren kosten abgewendet habe; sollte nun das mein belonnung sein, das man mich aussjagen wolte, wie ein alten jaghunde, das verhoffe ich nit, dan das so mir E. f. Gn. zu geben erbotten, reicht nit die schulden, so ich bezalen solte; kan derowegen also mein prelatur nit begeben, wurde ess sich aber befinden an geburenden orten, das ich mein prelatur, mit annemmung der augspurgischen Confessions Religion verwirckt und dero nit meher vehich sein soll, wil ich freywillig darvon abstehen; gibt man mir etwas, wol

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gutt, woe nit, wil ichs gott befellen, der wurde mich die übrigen tage meins lebens auch nit verlassen. Datum ete. E. f. Gn. undertheniger Clemens abt zu Brunbach.

Ich erlide auch diese zeit schwere anfechtung von meinen falschen apostatirten brudern, die mich zweymal understunden zu ermorden; gott erhilt mich aber alwegen gnedige und wunderbarlich, wie wol ir alwegen zwen mit blossen wehern mich überliffen, kontten sie mich doch nit beschedigen: gott dem hern sage ich ewigess lob. Dieweil nun zu dieser zeit mein gnediger herre von Konigstein und Wertheim nit anheymisch ware, und ich mich vor dem Bischoff besorgen mußte, das er nit mich zu Wertheim holen lyss mit gewalt, bin ich uff Jacobi des heiligen apostels tage, anno ete. 59 zu Wertheim hinwege geritten nach Heidelberg und mein handel berattschlagen lassen, und von dannen gehen Maulprun zu meinem Visitatore, der mir auch furderung geben an den Hertzogen von Wyrtenberg; do ich auch mein beschwerten, mir von dem Bischoff von Wurtzpurg zugefugt, hab klageweise furbracht.

Da aber der Bischoffe erfaren, das ich mein sachen weyter gesucht, hat er dem Edlen und Ehrvesten Friderichen von Ratzenburg, amptman zu Wertheim, geschriben und ge- betten die sachen in vertrage helffen zu bringen; dan er wol wusste, woe sein unrechtmessiger handel, so er gegen mir geubt, an fag kommen, wurde ess im nit wol anstehen, und laut sein sehreiben wie volgt:

Friderieh von gottes gnaden Bischoffe zu Wurtzpurg und Hertzoge zu Francken: Dem vesten unserm lieben besondern Frideriehen von Ratzenburg, amptman zu Wertheim. |

Unsern gruss zuvor. Lieber besonder, wir haben dein schreiben neben beygelegter verzeichnuss des Clementen gewessenen Abbts zu Brunbach erelerung empfangen, ver- lesen und vernommen, dieweil wir dan unss zu dir nichts gewissers versehen, als das due solcher sachen gern ab- geholfen sehen woltest, dich auch darumb zu uns zu kommen, underthenige erpitten thust, das alles gereicht uns von dir zu geneigtem gefallen; und mochten doruff leyden, das due diese itzo angehende wochen, und dero tage eynen, ess were gleich mitwochen oder Donnerstag dich zu unss hiehero gehen Wurtzpurg personlieh verfugest, wie wir dan zu gott hoffen, dass ess gesundt deynes leibs halben daran nit mangeln solle. So weren wir bedacht, mit dir die bewusten sachen entlichen in allen geheymen vertrauen abzuhandlen: Dan wir hernacher unsseres stiffts allerlei furfallender geschefft wegen deyner beschwerlich

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zu erwarten wissen, wolten wir dir, dem wir in gnaden wol geneigt, gnediger meynung nit verhalten. Datum in unsser statt Wurtzpurg den 30ten Julii anno ete. 59.

Friderieh von Ratzenburg ist uff bestimbte zeit zu dem Bischoff kommen; do ist der Bischoff noch uff seynem ersten erbitten pliben und mir nit meher dan 400 gulden geben wollen; welches mir der von Ratzenburg also zu- geschriben, mit vermeldung, der Bischoff wolle mir diese 400 gulden und nit meher geben, dan ich solte vorhin ein grossen vorratt haben.

Dem von Ratzenburg habe ich uff sein schreiben aus Stugkarten geantwort wie volgt:

Mein freundlichen gruss zuvor. gonstiger Junckher, ich habe E. E. schreiben empfangen und inhalts vernomen, nemlieh das mir mein g. Herre von Wurtzpurg ete. 400 gulden bar zalen lassen wolle und nicht weytter, doruff ich von meiner prelatur abstehen und das Closter qittiren solte ete. mit weytterem anhange, das der Bischoff E. E. hat angezeigt, wie ich ein tretfenlichen vorratt auss dem Closter solt gebracht haben; und woe ich seiner f. Gn. dieses begeren abschlagen, wolt man mich wol com- pellirn allen solchen vorratt zu restituiren ete. Darauff gibe ich euch freundlicher ıneynung zu vernemen, das ich der 400 gulden halben kein antwortt weiss zu geben, dieweil ich domit die schulden nit wol zalen mochte, dorumb ich mit solchem geringem gelt von meinem Closter mich nit abkauffen lassen will; sondern wil ich meines gnedigen herrn von Wertheim etc. zukunfit erwarten und mit seiner gnaden ratt handlen, sovern mein g. herr von Wurtzpurg der sachen ein weil stilstandt geben wille; doe ess aber nit gesein konte, wil ich ess bey meiyner gethanen protestaeion beruhen lassen und nach wegen trachten, wie ich vor gewalt geschutzt und bey recht er- halten werden moge; was ich bisshiehero gethan und in der gutte gewilligt, habe ich meinem gnedigen Hern, von Wurtzpurg meher zu ehern dan mir zu nutz gethan, und bette gar nit gemeint, das ir F. Gn. mir solches billige und geringe begeren hett abgeschlagen; do ich uff diese stundt herren weyss, die mir 200 gulden jerlich zu geben oder auss dem Closter zu verschaffen sampt schutz, schirm, hilff und ratt zugesagt. Das aber ich ein grossen vorratt auss dem Closter solt gebracht haben, do geschicht mir unrecht und ist mir leydt, das ess nit whare ist: dan woe solte ein vorrat herkommen sein. Das Closter ist im bauernkrige gar verderbt und ausgeplundert, jha alles verwust worden. Dasselbig hatt mein vorfare mit grossem

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gelt und kosten wider zugericht und gebauet. So ist seythero ein schatzung über die andern angelegt worden. Darnach alsbalde ich in mein abtey regirung kommen, habe ich schatzung geben mussen anno etc. 48. Uber derselbigen filen zwitracht ein zwischen meinem gnedigsten hern von Meintz, dem Bischoff von Wurtzpurg und meinem gnedigen hern von Wertheim etc, wolt yder solche schatzung einnemen und allein haben: Einer verbott, der ander gebott ete. Derohalben wordt ich geursacht die angefangen durch mein vorfarn bei der keyss. Maytt. aussgebrachte Commission bey dem Bischoff von Speyer als verordentem Commissario dieser strittigen schatzung halben in das werck zu bringen, die mich zu volnzihen über 600 gulden kostett, und habe doch nicht desto- weniger alwegen schatzung geben mussen: als der Rom. koniglichen Maytt. Baugelt; item vor Meydenburg defension, und affension hilff; item ein schatzung, wie dan darnach der Margravischen und Hertzogen Moritzen krieg angangen, als man fur Franckfurt zog, seyn mir 14 Pferde sampt den wagen genomen, item ochsen, schoff, wein, korn, habern was im Closter nit uffgangen, habe ich in die leger furen mussen, also das Closter gar gelehert und eroset; so habe ich dieser zeit von meines Closters gulten und zinsen nieht konnen einbringen, dan die bauern auch verderbt worden.

Da sich darnach der Marggravisch krieg im francken- lande von neuem anfing, habe ich meinem gnedigen herrn von Wurtzpurg wider 2000 gulten schatzung geben; do er 3000 gulten haben wolte, wie oben?) vermeldt anno etc. 53; darzu habe ich alle jhar dem stifft Wurtzpurg 80 gulten contribucion geben mussen, so von alterhero auch nit breuchlich gewest; desgleichen habe ich meinem gnedigen herren von Wertheim auch 1145 gulten schatzung zu solchem kriege geben; in summa ich habe in zehen jaren virtausend dreyhundert und 45 gulten schatzung geben; item 600 gulten der schatzung halben verrecht, wie vor gemelt; item elf hundert gulten an neuen bauen verbauet, ohn was ich an alten gebauen verflickt habe; item so hatt mir ein conventual (wie E. E. wol bewusst) siben- hundert gulten entragen, der apostatirt hatt, item habe ich in dem jor als der wein erfroren, sibenhundert gulten umb wein zu des Closters hausshalttung geben; item habe ich in dem Marggravischen krige, als mein convent muste fluchtig werden, meinen conventualn zu nottwendiger under-

haltung geben und under sie getheilt 400 gulten. Als

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aber dieser krige ein wenig gestilt und ich verhofft, die sachen solten wider gutt werden, Ivssen mir beide mein enedigste und gnedige herren von Meintz und Wurtzpurg alle meines Closters einkommen in iren furstenthumben arrestiren und verbitten; solehe arrest haben gewert on- geverlich drey jor vor insatzung diss vermeinten abbts, und habe ieh nicht destoweniger über vorerzelte extra- ordinari aussgeben und dise arrest, den schweren costen der hausshaltung sampt fron und atzung, acker und wein- gart baue stattlich erhalten, domit mein vorratt ist auf- gangen; und ob ich gleieh noch ein vorratt hette, were ich doch meinem gnedigen herren von Wurtzpurg kein rechnung darumb schuldige zu thun; Ess mochte aber das Closter gleichwol noch ein vorratt haben, den moge man bey meinen abtrunnigen procuratori zu Wurtzpurg inn meines Closters hoff finden, der allein darumb von der waren religion der augspurgischen confession (die er vor notario und zeugen angenommen und bekandt) wider apostatirt hatt, das er sorge gehabt er musste solchen vor- ratt antwortten; dan er seytt dem 52ten jor im ampt zu Wurtzpurg gewest in des Closters hoffe, do er alle jhare über 1400 gulden einfallen hatt, do er über 600 gulden kein jor ausgeben, und 800 gulden hatt hindersich gelegt, dieses hatt gewert vir jor lang; seythero hatt er drey gantze jor alle solehe einkommen von wegen des arrests inbehalten, also das sich sein vorratt tiber die 7000 gulden erstreeken kan; zu dem habe ieh im 300 gulden geben als ich in ingesetzt; item im geliffert im hoff 300 malter korns, 100 malter weitz, 80 malter habern, 16 fuder weinss, 16 silberen becher; weytter ann ausstendigen schulden in diesem ampt, die er das grosser theil ein- gebracht über 2000 malter korns, weytzen un habern: Den moge mein gnediger herre von Wurtzpurg compelliren des Closters vorratt zu liffern und wan ir f. Gn. in so woll kenneten als ich, sie wurden ime nit vil vertrauen oder glauben. Ist darauff mein bitt, E. E. wollen mit meinem gnedigen hern von Wurtzpurg handlen, das mir sein f. Gn. umb 30 malter frucht willen nit wolle ursach geben, meine sachen weytter zu suchen; dan wan mir woll were mit hader, zanek und widerwertigkeit anzu- richten, habe ich ursach und gelegenheit gnug; ich wolf aber vil liber mit friden handlen, soverr ess gesein mogte; solches habe ich E. E. uff dero schreiben dessen mein gnediger herre von Wurtzpurg zu berichten zu begerter antwort nit wollen verhalten. Datum Stutgartten anno 59 den 24 Augsti. E. E. dinstwilliger Clemens abbt zu Brunbach.

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Zwischen diesen handlungen habe ich an mein gnedigen herrn grave Ludwigen von Stolberg, Konigstein und Wert- heim etc. geschriben wie volgt:

Dem wolgebornen Herren, Herren Ludwigen Graven zu Stolberg Konigstein Rutschfort und Wertheim ete. meinem gnedigen Herren;

In abwesen den befelehhabern zu erbrechen.

Wolgeborner Grave. E. Gn. sein mein gehorsame willige dinst yder zeit zuvor. Gnediger Herre, ich gibe E. Gn. underthenige zu vernemen, das ich itzundt in die sechsten wochen auss Wertheim bin: Der ursachen, das ich besorgte, dieweil E. Gn. nit im Lande, der Bischoff von Wurtzpurg mochte etwas thettlichs gegen mir zu Wertheim furnemen, das E. Gn. und mir zu nachteil und schaden gereichen wurde, wie er sich dan in eynem schreiben an Friderichen von Ratzenburg E. Gn. amptman zu Wertheim betrauelichen vernemen last, dessen ich E. Gn. hiemit copiam übersehieke; derowegen umb besserer sicherheit willen und furnemlieh zu handhabung und erhaltung E. Gn. und mein recht zum Closter habe ich mich herauss gethan, und wil mich ohn E. Gn. vor- wissen in eynige handlung oder vertrege mit nymandt begeben oder einlasen, sonder E. Gn. zukunfft erwarten; alsdan mit derselben ratth handlen, wie ich dan solches E. Gn. amptman zu Wertheim auch angezeigt mit under- theniger bitt, E. Gn. wolle solehes mein abwesen keyner andern ursach, dan wie gemelt vermercken und verstehen, und woe ich E. Gn. weiss anzutreffen, wil ich mich nicht seymen selbst zu derselbigen zu komen und dieser handlung halben underreden, doch zu E. Gn. gelegenheit und gutt- beduncken, und bitt gantz underthenig, E. Gn. wolle mich verstendigen bei diesem botten, ob oder woe ieh zu der- selben komen solle, die ich hiemit dem almechtigen thue befellen.

Datum Darmstatt den 3ten Septembris anno 59. E. Gn. undertheniger gehorsamer, Clemens abbt zu Brunbach.

Nachdem Friderieh von Ratzenburg dem Bischoff mein schreiben furbracht, so icb an sein Ehrnveste anno ete. 59 den 24ten Augusti geschriben: hat der Bischoff von Wurtz- purg dem wolgebornen meinem gn. herrn von Wertheim gesehriben wie volgt:

Friderich von Gottes Gnaden Bischoff zu Wurtzpurg und Hertzoge zu Franeken: Dem wolgebornen unserm Freundt und lieben getreuen, Herren Ludwigen Graven zu Stolbergk, Konigstein Rutsehfurt und Wertheim etc.

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unsern freundlichen Gruss zuvor: 'Wolgeborner freundt und lieber getreuer, wir wissen euch freundlicher und gnediger meynung nicht zu verhalten, das wir nun fast ein jhar hero mit euerm amptmann zu Wertheim Friderichen von Ratzenburgk in allem geheymen vertrauen dahin handlen lassen, wie der gewesen apt Clemens unserm Closter Brunbach seine bissanhero unbillige vorbehaltene bucher, privilegia, register, kirchenkleinotter, silbergeschirr und dergleichen wider zustellen und dargegen dannest ein solche nutzliche vergleichung empfahen solte, derer er sich zu seynem besten frey sicher hett gebrauchen mogen ete. So ist uns aber in gar wenig tagen vor dato von ge- meltem von Ratzenburg ein schreiben mit beygelegter copie eines des Clementen an in Ratzenburgern gethanen schreibens einkommen, auss welchem wir befinden, das er Clement die im furgeschlagenen gnaden und gutthatten an- zunemen noch nit bedacht; sonder wolle Euerer erwarten und desselben ratt darunter haben. Dieweil dan uns gar nit zweyffelt, ir habt euch als der verstendige noch gantz wol zu berichten, das wir oder unser Closter gemeltem Clementen weder von rechts nach des heiligen reichs dess- halbe ergangenen abschids willen das wenigst zu geben nit schuldig, sonder der Clement vil meher, do er von der abbtey abstehen wollen, alle desselben noch bey sich habenden briffliehe uhrkhundt und gutter (so er je nit guttem gewissen nit innen haben khan) dem gemeltem unserm Closter frei, libere und fur sich selbsten, als ge- meltem reyehssabschiden gemess hette einantwortten und zustellen sollen, das aber (uns und unserem Closter biss- hero von ime zu eyttelm hone und hochstem schaden) verbliben; domit aber ir nachmals je spuren und sehen mogen, das wir allein umb euernt und gelibten fridens willen noeh dahin bedacht, wie wir woll ein solehes zu thun gar nit schuldig und zu schleuniger abhelffung der sachen, gemeltem Clementi dasjenige, so wir ime durch den von Ratzenburg letzliehen haben furschlagen lassen, darvon ir dan hiebey copie zu empfahen habt, uff die an- gebottene restitucion, wie offt oben gemelt, alle des Closters gutter inhendig zu machen; derowegen unser freundlichs bitthen und gnedigs ersuchen, Ihr wollet ime selbsten zu Rhue und wolfhart die sachen dahin befurdern auch auss unserm zu euch sondern habenden vertrauen nach, selbsten anweysen, das er unser Closter mit desselbigen ange- horigen guttern lenger nit also pfendlichen auffhalte, sonder dieselbigen furderlichen ihme einantwortten und zustelle und dargegen was ime letzliehen furgeschlagen worden

Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 3. 90

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empfahe; solte aber ein solches von ime Clementen aber- mals geweygert werden und nit beschehen, dessen wir doch nit hoffen: so wissen wir umb unsers Closters hochster nott willen nit zu umbgehen (wie gern wir gleich ein solches underliesen) dasselbige unverzuglichen an die key. Maytt. unsern allergnedigsten herren mit allem nott- wendigem aussfuren der geschicht gelangenn zu lassen; zweyfiel uns nit ire Maytt. werden des heiligen reichs abschiedt nach dannest solche unbefugte des Clementen begangene handlung dahin gnedigst erwegen, das unser Closter das abgenommen. wider erlangen mogte; euch freundliehen und geneigten. willen zu erweysen, seindt wir geneigt und euere beschribene antwortt mit diesem unserm aygenen potten erwarttende. Datum in unser Statt Wurtzpurg montag den 4ten Septembris anno ete. 59.

(In der Handschrift sind an dieser Stelle zwei Blütter heraus- geschnitten und damit die Adresse und der Eingang des folgenden Schreibens verloren gegangen. Vgl. Kern a. a. O. S. 224 Anm. I, wo es aber statt Herzog Wolfgang zu Württemberg von Pfalz-Zwei- brücken lauten muß.)

u Closter zugehorige, gleicher gestalt, nach auss- weysung gottlicher geschrifft und der augsspurgischen confession gemess, versehen und bestellen lassen; welches alles wie gemelt ich mich nit allein gegen gott den al- mechtigen schuldig erkant, sonder ist solches auch mit weylandt des wolgebornen herren herren Michael Graven zu Wertheim seliger und milter gedechtnus, als meines Closters schutz und schirmher, in deren gnaden ober und herlichkeit auch dasselbige gelegen, wissen und willen geschehen; wie dan ire gnaden solche reformacion in personlicher gegenwertigkeit zu Brunbach uff frejtag nach Luciü, anno ete. 55 vermoge beyligender copie confirmirt, bestettiget und irer gnaden gemuts sich darüber, als eins freien stands des reychss ungescheucht, vor notarien und zeugen vernemen lassen; auch durch gottes gnade solche Reformaeion, nicht allein gottseligklichen inss werck kommen, sonder auch in dem Closter und bey den pfarren bisshero erhalten und gehandhabt worden.

Wiewol nun die hochwurdigsten hochwirdigen Fursten, meine gnedigste und gnedige herren, der Ertzbischoff und Churfurst zu Mayntz und Bischoff zu Wurtzpurg, zwischen beyden Chur und furstlichen gebyetten mein Closter sampt seinen zugehorigen underthanen gelegen, solche christliche Reformacion nicht gern gesehen, auch dieselbigen nicht gentzlichen mich von der aptey mit fugen (als deren Chur und furstliche gnaden der enden in dem Closter weder in

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spiritualibus noch temporalibus ayniche Jurisdietion als ordinarii oder sonster mit niehten haben) abtreyben konnen, ist doch von iren Chur und furstl. gnaden oder deren amptleuten mit der thatt so viel furgenomen und was angeregt mein Closter furgefelle under iren Chur und f. g. gebitten gefallen, verbotten und arestirt; item auch fur mein person also betrauet und befart worden, das ich mein wonung ausser dem Closter und zu Wertheim suchen und haben mussen; in dem doch nieht destoweniger die angerichte schull mit costen als der ordenlieh prälatt und dem die administracion gehorig gewesen erhalten, auch unangesehen den ansebenlichen entzogen und arestirten gefelle, welche sich meher dan die Zweytteill des Closters einkommens anlauffen thut, die atzung, fron, reysen, und anders erstatt und genugsamlichen von dem Closter und mir erstatt werden mussen, wie ich auch das register, rodel und anders bey handen gehabt und behalten auch noch habe, und in soleher meyner verwaltung (wiss gott aynigen aygenen nutzen nieht gesucht) das Closter mit niehten unnottiger weiss besehwerdt; sonder wie eynem auffrechten getreuen haussvatter geburt (wie ich verhoffe solehes mit allen den Jenigen, so meines thunss, lebens und wesens wissen habenn, genugsamlichen zu erstatten und zu beweysen) getreuelichen und woll gehauset, auch meine administracion mit nichten weder durch aynige ver- schulden oder andere rechtmessige ursachen entsetzt wordenn. Dessen aber ohnangesehen, so hat hochermelter Bischoff zu Wurtzpurg, deren f. Gn. doch mit angeregtem meynem Closter gar nicht zu thun, desselbigen ordinarius nieht, sonder ein prelatt zu Maulbrun doruber ordenlicher visitator ist, sich aigenthettlicher weiss seythero dem in anno ete. 55 zu Augspurg auffgerichtem abschidt und religion friden underfangen und mir zu wider, auch zu zerstörung der christlichen angerichten reformacion, beydes bey der Closterschulen auch angerichten pfarren ein ander apt, so etwan zu Brunbach ein conventual gewest, und unser waren christlichen religion der augspurgischen confession zuwider ist, erwhelet und meinem Closter mein unverschuldt auffgedrungen.

Und wie wol ieh mich darwider vermoge beyligender Copey offentlichen protestirt, auch daruff angeregtem ein- gedrungenen apt mit nichten fur ein abt zu erkennen gewilt, noch ime eynige verwaltung einzuraummen vil weniger dasjenig so ich noch bey handen einzuraummen gewilt, wurde ich doch mit der thatt von hochermeltem ` Bischoff zu Wurtzpurg abgehalten und nit allein Meyner

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administracion verstossen, sonder kan auch über mein underthenige geschehen erbitten zu keiner pilligen ver- gleichung zimlicher Competentz woe ess ye ander nicht sein mochte kommen.

Dieweil aber gnedigster Churfürst, auch gnedige fursten und Herren, diese reformacion und gantze handlung von wolermeltem meinem und meynes Closters gnedigen schutz schirm und Landssherren, desgleichen von mir mit irer gnaden approbacion und wissen vor dem pasauischen ab- schiedt furgenommen, angericht und ins werek volkomm- lichen gepracht, auch neben gottes ernstlichen befelich, wolermelter mein gnediger Herren Graff Michael ete. und ich, dessen in crafft der reychabschiedt und sonderlichen des Regenspurgischen anno 41 und der key. Mayt. daruber genedigster ervolgter declaracion der Closter halben, in volgenden worten, da in Eynem sondern den Stenden der augspurgisehen confession gegeben offentlichem abschiedt vermeldet wurde: .

Zum andern im artikel, da der abschiedt besagt, das die Closter und kirchen onzerbrochen und unabgethon pleiben sollen, derselbige artikel sol dahin verstanden werden das hinfuro die Closter und Stifft onzerbrochen und unabgethon pleiben sollen, doch onbegeben eyner yden obrigkeit hinder deren sie gelegen, dieselbigen zu christlicher Reformacion anzuhalten befugt gewesen.

Was auch zum andern in der Lintzischen tractacion und dorauff ervolgter passauischer, desgleichen in anno 55 zu Augspurg mit einhelligem rhatt, zuthun und consensu der hochstgedachten ro. key. Maytt. seligister und hoch- loblicher Gedechtnus, auch selbiger Zeit koniglicher und itziger Zeit key. Maytt. unserm allergnedigsten herren, desgleichen der geistlichen und weltlichen Churfürsten, Fürsten und Stenden beschlossen und ins reych teutscher nacion offentlichen publieirt und bey hochsten penen allen Stenden des reychs aufferlegt, befallen und eingebunden worden, das alles ist Ew. Chur und furstlichen gnaden besser bewusst, dan ess von mir underthenigst ausszu- furen von notten; und wil mich allein uff selbigen Reichss- tag publieirten abschiedt und desselbigen lauthern unver- felschten inhalt gezogen haben.

Uber solches und zum dritten: So werden E. Chur und furstliche gnaden sich gnedigst auch zu erinnern wissen, was von wegen der weltlichen hindergesessenen geistlichen landstende und das sich dieselbigen irer gnedigsten und gnedigen Chur und fursten, auch gnedige herren und obern, hinder denen sie gesessen, Reformacion

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und Religion, der augspurgischen Confession gemess er- zeigen, beweysen und nachvolgen. Das auch die Con- stitueion des Religion fridens, auff kein andere landstende, dan immediate uff die stendt des Reichss sich erstrecken und verstanden werden solle, wie auch weder die Keyss. Maytt. noch Chur und fursten sich selbiger zeit anderer stendt lauth des unverdunckelten Buchstabens zu berichten wissen.

Zu solehem und zum virten ist land und reichss- kundig, wie vil christlicher gotseliger fursten und stendt des reichs, nit allein ausser sonder bewegnus und ein- gebung gottes, sonder auch in crafft solches abschids und ergangener declaracion, sich bei iren furstentumben und obrigkeytten viler gotseliger christlicher und hochloblicher Reformacionen, beydes in den kirchen und den Clostern underfangen auch gotseligklichen in das werck gericht, und mit gnaden des almechtigen bestendigklichen solche nutzliche Reformaciones erhalten und aussbringen werden; da nun selbige Chur und fursten mit der thatt als die hohern und meherern auss befelch gottlichs worts solche christliche Reformaciones erhalten und darmit gegen dem gemeinen gegenteil durchdringen und sich handhaben, die andern aber, so auch vor solchem abschidt ausser gott- seligen christlichen eyffer sich zu der reynen onverfelschten waren leher gottes worts gethon und demselben gemess ire Kirchen und Closter gottseliglichen reformirt hetten, verlassen solten: wie solches gegen dem allmechtigen zu verantworten, wie solches auch der christlichen bruder- lichen liebe gemess, zu was onaussprechlichen beschwer- lichen consequencien underdruckung gottes worts und seiner gottlichen eher ess reichen und dynen wurde, das haben E. Chur- und f. Gn. ausser von Gott hoch be- gabtem verstandt und christlichem eyftfer allergnedigst zu erwegen.

Neben dem und zum funfften. Nachdem ieh als E. Chur und f. Gn. underthenigster Caplan (wie ich mit Gott bezeuge auch oben gemelt worden) nicht ausser on- bedaehtem furwitz oder widerspenstiger ungehorsame, sonder (wie mir mein gewissen vor Gottes angesicht zeugnus wurde geben, onangesehen, das ich dieser und anderer meher verfolgung und trubsal mich wol zu versehen ge- habt, auch diese besoldung der erkantnus gottlichs worts bey mir zeittlich erwegen) auss inbrunstigem guthertzigem eyffer zu der waren reynen unverfelschten leher gottes worts, durch die gnade des almechtigen zu solcher Refor- maeion in meynem Closter und desselbigen angehorigen pfarren und underthonen bringen und bewegen lassen;

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uns aber von solcher chirchen administracion und pflantzung der angehende jugent nicht allein unschuldiglichen muss tringen, sonder auch soll zusehen, das meinen von gott mir ordenlichen undergebenen und bevolnen Closter ver- wanten Studiosis, und auff den pfarren zugethonen kirchen- kindern ein ander haupt unser waren christlichen unuber- windlichen religion zu wider furgesetzt: Ich sie und sie mich, in solcher meiner Kirchenverwaltung verlassen und in windt schlagen, auch wie leider zu besorgen, mit der zeit ein andere leher aufftringen muss lassen: Da haben E. Chur und f. Gn. abermals gnedigst zu ermessen, wie schmertzlichen mir solches pillig angelegen und mit was guttem gewissen vor gott ich solches thon moge. Sonder- lich dieweil doch weder mein gnedigster Churfurst zu Meintz noch auch gnediger Herr zu Wurtzpurg mit meinem Closter der geistlichen jurisdietion oder anderer sachen halben das wenigst nit zu thun haben.

Anch im fall solches schon were, ist die geistliche jurisdietion in der weltlichen Chur und furstentumb obrig- keitt lediglichen vermoge meher gemelts abschids auff- gehebt, und diss meins gnedigen schutz und schirmsherren seliger gedechtnus Grave Michels zu Wertheim und mein Reformacion vor dem passauischen vertrag und angeregtem abschiedt geschehen und aller dingss inss wercke ruig- lichen gebracht worden.

Dieweil dan gnedigster Churfurst auch gneäige Fursten und herren, die sachen in warheit obgehortermassen ge- schaffen und meins underthenigsten ringenfügen verstands _ dieselbige nicht mein person oder auch diesen actum allein betreffen, sondern wie E. Chur und f. Gn. deren von Gott hocherleuchtem verstandt nach gantz weytt in communi causa et negocio der waren christlichen religion und der augspurgischen Confession wurde reichen, so habe E. Chur und f. Gn. ich dieselbige underthenigst anzubringen (wie ich auch auff vorstehendem reichsstage zu thon geneigt gewest, aber daran zum theil durch mein armuth, zum theil durch andere obliegende verhinderung abgehalten worden) nicht underlassen, und meins underthenigsten verhoffens domit weyttern eingang und abbruch den lauttern reichssabschieden zu wider verwaren wollen, und werden E. Chur und f. Gn. zweiffels ohn die hochwichtigkeit dieser handlung und was darauss in Consequensiam bey allen stenden unserer waren christlichen Confession und warer Religion ervolgen mogen, allergnedigst zu hertzen zu fhuren, und was dagegen mit zeitlichem Rhatt und ein- helligem gemeynem zuthun furzunemmen, deren von gott tragenden ampt irer Chur und f. Gn. selbst erleuchtem

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verstand und propter salutem causae publieae gnedigst zu erwagen wissen.

Aber mein schlechte und geringe Person E. f. Gn. underthenigen dinern betreffende, diweil ich mit guttem gewissen vor dem angesieht gottes mit nichten weder mein ordentliche vocacion bei dem Closter (dem ich bey der abbtey ob den zwolff und darvor in andern ámptern lengere jhare eherliehen und treuliehen vorgestanden) noeh auch bey den pfarren und des Closters underthanen im chirchen- ampt weyss zu verlassen, vil weniger zuzusehen, das der unschuldigen jugent bei der angerichten schulen oder den gehorsamen guthertzigen meinss Closters underthanen mit gewalt ein ander unserer christlichen religion zuwider vorstehet oder auffgetrungen werde, solehes auch auss oberzelten ursachen den reychsabschiden und allen ge- pflogenen tractacionen gestraeks zu wider et negocium gravissimarum et infinitarum consequensiarum, so ist an E. Chur und f. Gn. mein underthenigst demuttigst bitt, die wollen bey hochermeltem Churfürsten zu Mayntz, auch hochermeltem Bisehoff zu Wurtzpurg, meynem gnedigsten und gnedigen herren, durch E. Chur und f. Gn. gnedigst fursehrifften und bitten dieser zeit mir dahin gnedigst erschisslich sein, damit irer Chur und f. Gn. halben onver- hindert ieh bey meiner administracion sicher gelassen, auch der neue vermeint apt abgeschaffen und die gefelle in irer Chur und f. Gn. furstenthumben meinem Closter gehorige wie pillige ad loeum residenciae und zu dem Closter gevolgt und die hievor angerichte schul und Reformacion nicht widertriben werden; oder im fall ich je meiner vocacion und ampt meinem gewissen zu wider muste mit gewalt und der thatt entschalten und unschuldig- lichen vertriben werden, das man mir doch (welches ich doch, wiss Gott, mit beschwertem gewissen muss thun) ein jerliche eherliche und des Closters einkommen und vermogen gemess competentz, die übrigen tage meines lebens als ein leibgeding lassen vervolgen, damit ich mich doch in meinem alter und gegen meinen lanwirigen der kirchen gottes und meinem Closter bewisenen dinsten vollends moge hinbringen, und beweisen E. Chur und f. Gn. in diesem allem sich so gnedigst, wie zu denselbigen als christlichen gotseligen fursten mein underthenigst vertrauen stehet und gegen gott dem almechtigen ich mit meinem demuttigen gebett umb E. Chur u. f. Gn. ewige und zeitt- liche wolfart gern gehorsamlichen wil yderzeit verschulden.

E. Chur u. f. Gn.

underthenigster demuttigster Caplan u. Diener Clemens Abbt zu Brunbach.

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Uff die supplicacion haben mir hochbemelte Chur und Fursten hilff und ratth zugesagt und mich gescholten, das ich mein wolbefugte sachen nit uff den reychsstage hette angebracht: do sie bessere gelegenheit mir zu helffen in dieser sachen gehabt. Sie haben auch sammentlich ein legacion meinethalben an den Bischoff von Wurtzpurg schicken wollen; welches ich nit wolt haben, sondern gebetten umb ein furschrifft erstlich an mein gnedigen hern Graven Ludwigen von Konigstein und Wertheim etc.; do dan sein Gnaden als mein schutzher mir nit helfen wolte oder konte, als dan wolte ich ir Chur u. f. Gn. weytter umb hilff underthenigst ansuchen. Das lissen inen hochermelte Chur u. Fursten wolgefallen und gabe -mir der hertzoge von Wirtenberge ein furschrifft an meinen gnedigen herrn, die hernach volgt also lautende:

Christoff von gottes gnaden hertzoge von Wirtenberg etc. Dem wolgeborenen unserm liben oheym und freundt Ludwigen Graven zu Stolberg, Konigstein Rutschfurt Wert- heim und Wernigenrodt, herren zu Epstein Muntzeberg und Breuberg etc.

Was an die hochgeborenen Furstén unsere freund- liche libe Vettern schwäger Brüder und gevattern, heren Friderichen Pfaltzgraven Churfursten ete. auch herren Johan Marggraven zu Brandenburg ete. auch hern Wolff- gangen hertzogen zu Zweibrucken etc. und uns, als wir kurtz verschiner tagen nach aussgang des reychstags ver- samelt gewesen, der wirdige unser liber besonder und dein schirmssverwanter her Clemens Abbt zu Brunbach underthenigen gelangen lassen das hastu auss beiverwarter seiner supplicacion freundlichen zu vernemen; wie wol wir nun in khein zweifel stellen, dan das du hierin dich, als der sich durch gottes gnadt bishero ungescheucht zu waren reynen unverfelschten leher gottlichs wortes offent- lich bekant, dieselben auch mit allem christlichen gut- hertzigem eyffer bei deinen von gott befollenen under- thanen angericht und erhalten, zu dem du ermelts abbts zu Brunbach christliche gotselige gutte reformacion seines Closters mit anstellung der schulen und auferzihung junger knaben zu den studiis und kirchendinsten dir wolgefallen lassen und dieselbigen handzuhaben gegen ime abbt nicht allein gnedigklichen erbotten, sondern in auch bishero in enedigem befelch gehabt, wie er solches dan von dir under- thenigklichen und danckbarlichen berumbt.

Nach dan, dieweil diese handlung im dem abbt sein gewissen zu dem nieht allein sein person, sonder das gemein negocium unserer waren christlichen religion durch-

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auss wil betreffen, za dem solches auch ausser den in seiner supplicacion erzelten wolbefugten und erheblichen ursachen allenn reyehsabsehiden und sonderlich dem hoch- verpeenten religionfriden gestracks zu wider: So stellen wir in kein zweiffel, ist auch unser freundlichst gesinnen, du werdest hierinnen dasjenige mithandhabung angeregts prelaten furnemen, so die reychssabschiedt nit allein dir und allen stenden der Augspurgischen confession unwider- sprechlichen zugeben, sonder du auch auss gottes befelch und zu aussbreyttung handhabung und befurderung seines heiligen namens und allein seligmachenden wortes schuldig. Daher du dan hinwider in ewigem und zeittlichem alle wolfhart dich hast zu getrostem, und sein dir freundlichen willen zu erzeigen wol geneigt. Datum Stutgart den llten Septembris anno ete. 59.

Uff diese furschrifft nam mein gnediger herre von Konig- stein die sachen under die hand zu vertragen und schribe dem Bischoff von Wurtzpurg meinethalben, schluge mittel fur, wie sein Gnaden diesen handel vergleichen wolt und lauthen die vertragspuncten wie volgt:

Wie die brunbachische irrung zu vergleichen. Meins gnedigen herren Graven Ludwigen zu Stolberg Konigstein Rutschfurt und Wertheim etc. furgeschlagenen Mittel, dem Bischoff von Wurtzpurg überschiekt:

Es wil mein gnediger Herre von Konigstein den alten Abt von Brunbaeh zum furderliehsten zu sich bescheiden und uff volgende mittel mit im handlen:

1. Erstlich, das er der abbt guttwilliglich itzigem neuen abbt cedire alle des Closters privilegia, briffliche urkundt, Clinodien und was dem Closter zustendige, zustelle, über- liffere und habhendige mache.

2. Darzu das er das Closter quittire, sich aller forderung, Recht und action verziehe und solches zum bestendigsten, wie das in recht geschehen sol und kan.

3. Dargegen sol das Closter inen auch nach überlitfe- rung obgemelter stucke und verfertigter cession genugsam und bestendigklich quittirn.

4. Und sol dem alten abbt virhundert und uffs eusserst funffhundert gulden geben und vor obgemelter lifferung und cession oder zugleich hezalt und gereicht oder genugsame versicherung gemacht werden.

5. So sol auch gemeltem Abbt zwentzig malter korns und fünff malter Habern uff ein gewissheit sein leben lang geben und verschriben werden.

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6. Und soll berurter Abbt die gemachte schulden zu tragen nit schuldig sein, sonder die selbigen von dem neuen Abbt bezalt werden.

7. Ess sol im obgemeltem alten Abbt auch alle fahrende habe, sampt korn und wein, sovil dero im hoff Wertheim befunden und er bei seinen handen hatt, und silbergeschir fur seinen tisch folgen.

8. Ess soll auch den pfarhern uff dem lande, so ire besoldung auss dem Closter empfangen, wie inen dieselben verordent unverendert pleiben.

9. Ess befunde auch Konigstein, das etliche notturfftige kauffe von dem alten Abbt und Convent zu erhaltung des Closters beschehen, darumb der vorige Abbt gebetten, die- selbigen unverendert bleiben zu lassen.

10. Woe nun mein gnediger furst und Herr von Wirtz- purg uff solehe mittel zum eussersten (do doch Konigstein nehere mittel zu versuchen kein vleyss sparen will) den handel zu schlissen leiden moge, wil sich Konigstein darzu solehes zu handlen erbotten haben.

11. Ess wil auch ein notturfft sein, das dem alten Abbt bestendige versicherheit gemacht, sicher im stifft auss und ein zu wandern.

12. Und bitt Konigstein, es wol mein gnediger Herr von Wurtzpurg sich nit beschweren, meinem gnedigen herrn ein Erkantnus zu geben, das dureh alle diese verlauffene handlung, mit verordenung eines neuen abbts und absetzung des alten und was darunter verlauffen, Konigstein als itzigem Inhaber Wertheims dardurch zu keinem prejudicio oder nach- teil und meinem gn. F. u. herrn von Wurtzpurg zu keinem behelff oder vorteil weytters rechnen, dan ir F. Gn. und der Stifft vormals gehabt und geburt gereichen soll.

Das auch ir furstlichen Gnaden die voran gestelte religions ordenung, wie solehes der reychssabschidt nach- gibt, nit verándern wolle, das wil sich Konigstein zu iren furstlichen Gnaden gantz dinstlichen versehen, bis solches durch Kay. Maytt. und gemeine stendt des heiligen reichs verendert oder ir furstlich Gnaden sich eines andern mit Konigstein vergleichen wurde.

Dise itzgemelte artikel hat mein gnediger her von Konigstein Friderichen von Ratzenburg überschickt, dero- halben mit dem Bischoff von Wurtzpurg handlung zu pflegen. Also hat gemelter von Ratzenburg die sachen bei dem Bischoff gehandelt, wie hernach volgt in seinem schreiben an meinem gnedigen herrn von Konigstein derohalben gethan.

Dem wolgebornen herrn herren Ludwigen graven zu Stolberg, Konigstein, Rutschfurt und Wertheim ete., meinem

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gnedigen Herrn: Wolgeborner Grave gnediger herre, ich habe Ew. Gn. befeleh des Abbts zu Brunbach halben bei dem hochwirdigen meinem gnedigen Fursten und herren zu Wurtzpurg verricht und hett sein Gnaden uff gethane werbung dem cantzler und Jorg Sehlehenriden verner mit mir von den sachen zu handlen und zu beantworten befelch geben, und haben die beide anders tags mich in die cantzlei bescheiden: do wollten sie die sachen widerumb von neuem disputiren, brachten allerhandt beschwerden uff die ban, das ich bade, dieweil ich nit befeleh mich in die handlung weitter einzulassen, sein furstlich gnaden wolten sich gnedig ercleren und dem handel zu ende helffen.

Darauff zeigten sie an, ir gnediger Furst und herre wol die zugeschickten artikel ausserhalbe der funff malter habern und des punctens da gesetzt, was abbt Clement verkaufft sol dieser abbt nit widertreiben ete. E. Gn. zu freundschafft annemmen und bewilligen. Aber sein f. Gn. wolten diesen gegenwertigen puncten (wiewol sie den nit anfechten wolten, auch solte ess keinem abbt zu Brunbäch gestatt werden) in der capitulacion nit haben, und befrembt sich sein f. Gn. des begerens zum hochsten, mit anregung, das E. Gn. wol wisten, was E. Gn. sich zu seiner f. Gn. zu vertrosten hetten; belangen die 20 malter korns, solten E. Gn. abbt Clementen auff E. Gn. kosten sein Jeben lang zu reichen versichern, dagegen sol der abbt zu Brunbach E. Gn. jerlieh so lang der abbt Clement lebt, 20 malter Korns uff E. Gn. kasten lifern, und das mit seiner f. Gn. verwilligung versicherung thun, und sollen E. Gn. ymandt uff den 6. novembris gehen Wurtzpurg schieken, so wil sein f. Gn. ymandt zu den- selben ordenen, die sollen diese sach notturfftigklich in schrifften begreiffen, damit solches furderlieh verfertigt. Das habe E. Gn. ich underthenig berichten wollten, und were gutt, das E. Gn. den zinsssehreiber darzu verordnet hette. Datum am tag Symonis und Judä anno etc. 59.

E. Gn. undertheniger Fritz von Ratzenburg.

(In der Handschrift folgt eingeheftet ein Originalbrief von Valentin Rüdiger d. d. Wertheim 1559, Oktober 29, an Clemens Leusser nach Frankfurt oder Königstein über den Erfolg der Sendung Ratzeburgs nach Würzburg, übereinstimmend mit dem vorstehenden Bericht an den Grafen Ludwig von Stolberg.)

Velten Rudiger zinssschreiber ist von meinem gnedigen herrn uff den 6. Novembris gehen Wurtzpurg geschickt worden; hat aussgerieht wie volgt:

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Dem erbarn und achtparn Clement Leussern, meinem liben dochterman, itzo zu Konigstein zu antworten: mein freundlichen dinst zuvor. Liber dochterman, auff den 6. dises bin ich ongeverlich umb 12 hora gehen Wirtzpurg kommen, eure sachen zu endschafft zu bringen. Dieweil aber der cantzler etwas schwach gewest hat mich erst den 7. frue uff die cantzlei wider bescheiden; dieweil ich nun die uberige zeit des 6ten nicht zu thun gehabt, habe ich ein conzept gestelt, wie ich vermeint, das ir (dieweil der vertrag nit uffgericht) solt quittirt werden, wie ir beiligend zu sehen; auff den 7ten frue habe ich solches dem cantzler zu lesen übergeben und habe gemeint ess solt also angenomen worden sein. Dieweil man aber die sachen nit weyttleufftig haben will, so sagt der cantzler, ess wer zu weytt extendirt und mein gnediger herr von Wurtzpurg kont solche weyttleufftigkeit nit leiden. Uber- gabe mir derohalben 2 concepten, die er gestelt, welche ir beyligende auch zu empfahen, und wiewol ich wider solche obberurte quittung mein gegenrede furgewant, habe ich doch, dieweil auch mancherlei geschefften in der cantzlei waren, kein enderung erlangen mogen; derowegen ieh die antwort geben: dieweil man zu Wurtzpurg nur hett machen wollen was inen gefellig, hett man mich wol daheimen gelassen, weren solche concepten durch einen potten über- schickt worden; und begert, die concept geleuttert mir zuzustellen euch dieselben haben zu überschieken. Sobaldt mir dieselbigen zugestelt, habe ich ferner nicht gehandelt und hette euch solehe concepten lengest zugeschickt, so habe aber ich noch uff den amptman gewartet, der erst vorgesternn widerumb zu haus kommen. So habe ich auch verhofft, ir solte underdess euch wider hiehero ver- fugt haben, darumb es also verzogen worden: So vil nun die concept des cantzlers belangt, seindt sie etwas leicht und euer notturfft nit zum besten darinnen versehen, die- weil der vertrag nit auffgericht; derowegen ich in margine, wie ir mit A. B. C. verzeichnet finden werdet, 3 puncten signirt; da dieselben also in das concept gesetzt werden mochten, wolte ich raten die quittung also anzunemen und acht es sol nachmals zu erhalten sein; so hat der amptman mir den ersten wege furgeschlagen, nemlieh das der Bischoffe ime nachmals ein gewalt zustelle, wie er sieh vorhin erpotten hatt, die mittel dodureh er eueh beide üpt vereinigt für krefftig und bundig zu halten; das were ein gutter wege; und kont Ratzenberger alsdann die eapitulaeion unter seinem sigel begreiffen, auff solches were die quittung genugsam. Was nun euer gelegenheit

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sein wolle, habt ir euch zu bedencken und meines gnedigen herrn ratt darinnen zu haben.

Die andere versicherung des leibgedingiss soll uff den tag der lifferung auch gefertigt werden. Ich habe mit Jürgen Schleenriden, den ich warlich fur ein frummen man halte, auch mit etwas zornigen und bewegtem gemuth allerlei geredt, der hat sich gegen mir so hoch vereydigt, ess sei kein gefhar oder betrug fur handen, das ich im glauben geben habe; hat auch letzlich gesagt, er wolt nit gern ein solcher sein, zu dem man nachmals sagen mochte: sie Schleenridt, du hast mich dahin bracht, hast mich dessen überredt und findet sich nit; ein solches solte im leydt sein fur seine kinder. Derohalben stehet das ge- dencken zu euch; lost mich furderlich euer antwort wissen, woe ir selbst nit kompt. Datum Wertheim den llten Novembris anno 59.

Velten Rudiger Zinssschreiber zu Wertheim.

Als ich aber uff vorgesatzte des Bischoffs erclerung uff meins gn. herrn von Konigstein und Wertheim etc. vur- geschlagene mittel zu meinem gn. hern gehen Konigstein gefordert worden und sein Gnaden mit mir derowegen auch gehandelt, in dem mir auch zwei concept, wie ich quittiren solte und wider quittirt worden, von meinem schweher zugeschickt wurden: habe ich mich endlich erclert gegen wolgemelten meinem gn. herrn von Konigstein und Wert- heim etc. uff was condiction ich mein prelatur resigniren wolle und wie ich quittirn und quittirt werden solle:

Clementen Abts zu Brunbach resolucion und erclerung uff die vorgesatzten und im furgehaltene artikel anno 1559 den 8ten novembris zu Konigstein.

Es thut aber gegen vor wolermeltem seinem gn. herren als Graven zu Wertheim und derohalben rechtem und warem schutz und sehirmhern der abtey, convent und Closters zu Brunbach, der ordenlicher weiss erwelte oder alte abbt (wie man in nennet) her Clemens Leusser umb das sein Gnaden selbsten sieh soleher irrungen gnediglich underzogen und die zu vergleiehung zu pringen bemühet hatt, sich gautz demuttige und underthenig bedancken und neben seinem gebett aueh sonsten allerwilligst zu verdinen. i

Sovil aber im gemein diese irrungen, auch volgende mittel betrifft, dieweil solche nit allein sein hern abbt Clementen privatt Eltere election, administracion und quasi passion, sonder auch seiner conventualen und closters jus oder vil meher der augspurgischen confessions verwanten religion und dan dem daruber gemachten fridtstandt

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alles vermoge des reichssabschids anno etc. 55 auffgericht unwidersprechlichen mitberuren thut: so wil er her abbt Clemens allein sich pro suo privato interesse, rechten und zuspruchen (doch seinen ehern onverletzlichen) in gutliche vergleiehung inlassen: aber den andern vorgemelten sampt und sonders durch solchen actum keins wegs präiudiecirt; wie er auch solches nit auss verwirckung oder ymands rechten zu nachteil, oder einfhurung frembder rechten presumirt, gethan oder geschehen, sonder was angeregter reichssabschidt mit sich bringt, in alle wege vorbehalten und dessen also gentzlichen und zirlichen protestirt haben will.

1. Ferners und underschidliehen uff die puncten zu resolvirn und erstlich: wie wol sich er her Clemens versehen, dieweil die reyne evangelische religion zu Brunbach vor angeregtem reichsstage und zur zeit des passauischen vertrags durch in hern Clementen angestelt und dan durch weylandt Graven Micheln zu Wertheim wolseliger gedecht- nus als erbschutzherren confirmirt worden ist: das nit allein dieselbige daselbsten erhalten, sondern aucb her Clemens bei des Closters administracion ewige gelassen, wie solches meher gedachter reichssabschiedt aussweist: und derohalben dureh den neuen angemasten apt oder den hern Bischoffen zu Wurtzpurg nit neuerung oder enderung furgenommen sein solte: in sonderheit, so solch Closter von altershero laut der bullen, privilegien und anderer alter documenta ohn einige mittel in beiden juris- dietionen allein dem bapst und dem romischen reich, als dem kejser oder konig underworffen und gleichwol nach- volgende auss langer Verirrungen in weylundt der Graven zu Wertheim, wie auch itzundt in derselben successorn gn. H. zu Konigstein ete. als inhabern der Graveschafft Wertheim Schutz und Schirm kommen ist: welches gnaden als der augspurgischen confessions mitverwantem und reichstandt billichen in solchen religions fridstandt, und wie sie die im Closter befunden atıch kein intrag beschehen oder ymandt sieh dessen zu unterfhaen gestatten sollen, ydoch so solches je nit statt haben mochte, noch ire Gnaden sich dessen weyttleuffiger als billich !) wolten, so muss herr Clemens derzeit nachgeben und ist darauff nachmals willens, in solche vergleichung und auff an- nemliche mittel mit seinen Gnaden als dem rechten schutz- herrn, desgleichen dem neuen angemasten abbt und con- ventualn einzulassen und zumall sein abbtey zu resigniren und was sich geburt zu restituiren.

!) Lücke im Text.

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Sovern nemlich die mittel (deren man sich vergleichen mocht) beiderseits einhelligklich und ohn einrede ange- nommen, uffs bapir gebracht, versigelt und wurckliche volzihung geschicht: dan sonsten woe im wenigsten mangel gelassen, wil her Clemens sich aller bissdahero habender quasi possession, rechten und zuspruchen ohnverletzt in alle wege vorbehalten haben, und alles in dem stande sein und bleiben solle, wie es zuvor gewest und uff disen tag noch ist. Do nun diese mittel getroffen und ange- nommen, so wil uff denselbigen fhall here Clemens sovil sein whall zur aptey, jurisdiction und administracion betrifft, uber das Closter, person und gutter, zumal dem neuen abbt und allen conventualn respective sein jus ab- baciae, darzu er herr Clemens ordentlichen beruffen, frei- willige resigniren und renunctyrn. Darzu alle privilegia documenta und register, das Closter oder desselben rechten, gefelle gutter oder zinss immer betreffende überlifern. Verners auch alle clinodia, ornatt und was zum kirchen- gespreng gehört zu seines bisdahero gnedigen schutz und schirmssherren handen uberantworten, solche ferners ander- wohin nach der gebure zu verordenen.

Doch sollen gemelter neuer abbt und convent hingegen auch furter alle beschwerungen, so man nennt onera realia, verschreibungen, bestendnusen, schulden und ausgaben uff sich nemmen, die tragen, halten, volzihen, bezalen und ratificiren, so hivor die vorfharn ann der abtey oder er her Clemens (woe er im ampt pliben) tragen, halten, oder bezalen mussen und sollen, wie dan er her Clemens dero- halben notturfftigklichen vertretten, gesichert und schadlos gehalten werden soll. |

2. Also zum andern punkten, wil her Clemens auff den fall sich der abtey oder administracion und geburenden rechten, so ime als mitconventualn und profess desselben Closters bissdahero anerwachsen, verzeihen und begeben und dem abbt sampt convent hinfurter in irem furnemen kein eintrag thun, auch wes also allenhalben verglichen, weder in noch außerhalb rechtens in keinen wege retrac- tirn oder impugnirn. Doch woe sich kunfftigklich begeben, das durch gemeine reichsstende der religion auch solcher Closter halben andere einhellige verordenungen und ver- gleiehung furgenommen oder das er her Clemens durch die eonventualn weytters und ordenlieher weis erwhelet oder postulirt wurde, so solle ime seine weyttere kunfftige geburende rechten, zugang oder ergetzlichkeit auch hiemit vorbehalten sein.

5. So ist fur das dritt auch billig, das der neue abbt und Convent nach und zumall mit gethaner resignaeion

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auch restitucion herrn Clementen notturfftigklich quittire, cavire und schadloss halte, also das sie, ire nachkommen und mennigklich von irent wegen was also verglichen weder in noch außerhalb rechtens in keinen wege gegen ime und seinen erbenn impugnirn oder retractirn wollen oder sollen.

4. So dan inhalt des virten puneten: Item ime herrn Clementen sollen vire hundert und uffs eusserst 500 gulden geben und vor gemelter lifferung und cession oder zugleich bezalt und gereicht oder genugsame versicherheit gemacht werden. So hat uff wolgemelter seins gn. schutz- und schirmherrn underhandlung her Clemens 450 gulden zu- nemen bar oder uff versicherung wie obstehet bewilligt, also das dieselben ime und seinen erben eygenthumlich bleiben sollen.

5. Den funfften puneten, das im zwentzig malter korns wertheymer moss sein leben lang jerlichs zwischen Visi- tacionis und Assumpeionis Mariae gehen Wertheim zu liffern wol versichert und desshalben im vom neuen abbt und convent clare verschreibung nach notturfft auffgericht werden solle, so last herr Clemens ime solches auch ge- fallen; doch das nach merzall das Korn zur Zeit seines Absterbens seinen erben aussgericht werde.

6. Also das der neue abbt und convent laut des 6ten puneten selbst die gemachten schulden bezalen und herr Clemens nieht damit zu thun haben soll, do last ers auch bey soleher provision und wie oben darvon meldung geschehen bewenden.

7. So wil her Clemens den inhalt des 7ten puneten, das im alle fharende habe sampt korn und wein, so im hoff zu Wertheim befunden und er in seinen handen hatt, darmit auch sein gekauffte behausung zu Wertheim be- griffen sein sol, annemmen. Item vom silbergeschirr sol im werden, wie mein gn. herr von Konigstein etc. abge- handelt: acht gemeine becher und zween hoffbecher fur sein tisch. Und was ime hern Clementen in dieser ver- gleichung gevolgt, das sol sein und seiner erben aygen- thumb sein und bleiben ohn allen intrage; Es sol her Clemens aueh naeh soleher vergleichung und gethanen lifferung nit schuldig sein weder dem abt und convent zu Brunbach oder ymands anders von irent wegen weyttere rechnung oder einigerley bekerung oder erstattung seiner verlassen aptey verwaltung halben zu thun. 8. Dieweil auch herr Clemens den pfarhern laut des achten puncten also zur zeit seiner ordenlichen admini- stracion competencien gemacht, soll es billig auch vermoge

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des reychssabschids hieruber endlich bleiben und dasselbige der neue abbt und convent confirmiren und uff ir der pfarher begeren wol versichern.

9. Gleichssfals was nach besage des neunten artikels durch den hern Clementen als alten abbt auch convent hievor von wegen des Closters notturfft verkaufft, wie sie dan dasselbige gut fuge und macht gehabt, soll sein successor der neue abbt auch ohnwidertriben halten und der eonvent nit meher als sein aigenthun auss ursachen endern, und wiewol der bischoff solchen artikel in der capitulacion nit leyden wollen, hat er doch verheissen, demselben nit zuwider zu sein als auch seinem abbt ge- statten dawider etwas fur zu nemen.

10. Also zum zehenten artikel, auff solche mittel und obangehenekte erelerung und bedencken wil her Clemens sich uff den fall mit seinem gn. schutz- und schirmherren, auch dem neuen abbt und convent, alles respective einlassen.

Sonsten aber erhalt er hiehero sein abgehende pro- testacion und weyss herr Clement als bis dahero orden- licher abbt sonsten sich nit zu erinnern, das er aynichss mit dem herrn bischoffe zu Wurtzpurg als seinem gn. Fursten und Herren auch fur sein eigen person zu thun oder zu schaffen, dan als im eingang vermeldt, ye ein abbt und convent und das Closter, in geistlicher jurisdiction allein dem babst zugethan, auch ein abbt zu Cystertz zu seinem superiore (der dan im sein ordenliche election zu der aptey Brunbach confirmirt hat, wie auch alle seine vorfharn äbbt zu Brunbach durch solchen abbt zu Cystertz und durch kein bischoffe zu Wurtzburg confirmirt worden). Dieser als superior ordinis Cysterciensis hatt das jus visi- tandi in spiritualibus et temporalibus über das Closter Brunbach dem abbt zu Maulbrun übergeben, der es auch lange zeit ubliehen hergebracht visitaciones gehalten, üpt an und abgesetzt, on eintrag der bischoffen zu Wurtzpurg.

Aber des schutz und advocaciae halben stehet das- selbige dem romischen reich und an statt desselbigen allein itzo obwolermeltem meinem gn. herrn Graven Ludwigen zu Konigstein als auch zu Wertheim unwidersprechlichem zu, wie solches alles die documenta mit sich bringen, dero- wegen destweniger mein gn. herr von Wurtzpurg (so nit ordinarius) dem reich zu nachteil sich solcher irrungen oder verenderung der religion in eynigen wege zu under- zihen geburt.

11. Das aber inhalt des 11ten artikels her Clemens als in bistumb sicherheit und pass haben, das thut er sich ohn das vermoge der reychsabschidt und religion fridstands Archiv für Reformationsgeschichte. "VIII. 8. 21

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gentzlichen getrosten und undertheniglichen versehen, in massen er auch s. f. Gn. in eynigem zu ungenadt und widerwillen kein ursach gebenn, sonder vil meher, woe solche vergleichung iren furgang gewinnen, aller under- thenigkeit erzeigen will.

12. Und als letzlich meher wolermelter sein gn. herr zu Konigstein solcher translacion oder resignacion der abteyen urkundt zu haben begert, domit solches nit allein dem reichssabschiedt und religionsfridstandt, sondern auch iren Gn. selbst an der rechten advocatur von wegen der - gravesehafft Wertheim nicht nachtheylige sein solle, das wil nit allein vermoge desselben absehieds sondern vil- meher irer Gn. geburenden interesse halben ein hoe not- turfft sein, domit der her Bischoff nit also tacite ausser- halb rechtens ein jus erlange, so er hievor im standt rechtens nit erlangen mogen; zudem, das der Graveschafft Wertheim anhangende jus und lehens aigenthumbliche ge- rechtigkeit zu dem Closter Brunbach nit geschmelert noch abpractieirt sondern frey erhalten werde. Item das auch bei den nachkomenden nit geacht, als ob advocatus dem Closter sein recht begeben oder auch das itziger alter abbt ubelhaltens oder verschulter ursaehen halben abge- setzt oder degradirt und nit von wegen der religion und auss freyem willen sich der abbtey renunctyrt habe; dan sonsten der erste und letste artikel contrarii.

Uber das auch seine Gnaden bei den augspurgischen confessionen verwanten nit anders in verdacht komme, ist solches furhaben bei s. Gn. ohn zweiffel auss sondern eingeben des allmechtigen wolbedaeht worden, darvon auch ir Gn. ires reynen gewissens halben nit weichen sonder ehe alle handlung zerschlagen und in den alten abbt und die ware religion vermoge des reichssabschids als rechter schutzherr ohngescheucht erhalten und sich derselben im fall rechtens behelffen solle.

Solchem allem nach bitt wolermelten seinen gnedigen Herrn Graven Ludwigen zu Wertheim etc. als rechten schutzherren her Clemens underthenigklich inen als noch zur Zeit ordenlichen abbt in gnedigen befelch zu haben und im fall auff obererzelte mittel und diese erclerung handlung zu pflegen, wie dan er her Clemenz, im fall er nit des reichssabschids genissen kan, auch viel lieber solcher irrungen halben in gutte verglichen sein wolte; das wil umb sein Gnade her Clemens mit embsigem ge- bett und dinsten gutwillige verdinen; actum anno 59.

Diese erelerung ist mein Capitulacion, daruff ich re- signirt habe.

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Es hat wolgemelter mein gn. her von Konigstein und Wertheim ete. sich mit dem Bischoff aller dieser puncten halben also wie ich mich erclert verglichen und sie zu allen theilen anzunemen verwilligt, und dem amptman zu Wert- heim Friderichen von Ratzenburg befollen, dieser sachen halben sich eins tags zu vergleichen mit dem Bischoff, mir und dem neuen abbt, wan solche lifferung geschehen solte. Also ist der tag angesatzt worden uff montag nach trium regum anno domini 1560, als ich war abbt gewest 11 jor und 46 wochen, meins alters im 42ten jor.

Es wolt mein gn. herr den Bischoff meinethalben nit erzurnen. Er het mich sonsten bey meiner prelatur wol konnen erhalten. Das thue ich gott befellen: expulsus eversus sum ut caderem et dominus suscepit me!)

Uff angesatzten tag montag nach trium Regum ist er- schinen der ernhafft magister Jörg Schlehenrydt wurtzpurgi- scher ratt und Johan Pleyttner der neue abbt, Friderich von Ratzenburg amptman zu Wertheim, Johan Koch der Rechten Doctor, Johan Conrad Schmyder, Valentin Rudiger, meins gn. herrn von Wertheim rätt. Do wolt ich vor der lifferung quittirt sein, des gleichen der 450 gulden und 20 malter Korns halben versichert. Das worde mit gewilligt. Also verschribe der abbt Friderichen von Ratzenburg 450 gulden uff dem hoff Wagenbuch alsobald. Dargegen solte gemelter von Ratzenburg mir solche 450 gulden bezalen oder auch versichern, welches alles geschehen; daran ich wol genug bin laut der verschreibungen, so zu erzelen nit von notten. Dises Gelt wurde mir noch verzinst: von der gemein zu Heidenfelt 200 gulden, von den gemein zu Lengfelt 200 gulden, von Jörg Liblern zu Helmstatt 50 gulden, lauth der ver- schreibungen. Der 20 malter korns halben, hat der abbt mein gnedigen herrn versichert und sein Gnaden mich.

(Die in der Handschrift folgenden Versicherungsurkunden des Grafen Ludwig von Stolberg und des Abtes Johann von Bronnbach können hier fortbleiben.)

Ess wurden mir auch gegeben neun silbere geringe becher oder Macöllen und 3 hoffbecher in zimlicher gross: summa 12 becher.

Item es blibe mir auch alle fharende habe etc, wie der 7 artikel ausweyset. .

Nach dieser versicherung und zustellung, was mir im vertrag zugesagt worden, habe ich in beysein vorgemelter personen in des Closters hoff zu . Wertheim mein zugesagte lifferung dem neuen abt auch gethan und nicht verhalten.

1) Ps. 118 (Vulg. 117), 18. 21*

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Nemlich alle des Closters privilegia, briffliche urkundt, rodel, sall und zinssbücher, register, was ich dero gehabt, nieht ausgenommen.

Des gleichen alle kirehen ornatt von sammett und seyden etc. mit irem geschmuck von berlen und silbern spangen gezirt, nieht vorbehalten, derer seher vil habe ich sampt derselben zugehorigen alben, manipulen, stolen ete. alles übergeben in zwoen thruen.

Item habe ich geliffert 23 keleh mit 23 patenen, alles vergult, die haben gewogen 24 lib. silbers.

Item 1 grosse silbere und vergulte monstrantz, wigt 4!/, lib.

- [tem zwo kleyne monstrantzen silbern und zwey pacem; wigen 7 lib.

Item ein silbern rauchfass und zwey silberen mess- kendlein, zwey kleine monstrantzlen vergult und ein hochs pacem uff einem fuss stehende, wigt zusammen 5 lib.

Item der silberen stabbe, wigt 5 lib. 4 lott.

Item das silberen creutz, wigt 3 lib. minus 3 lott: summa 49 lib. 1 lott lauter silber, das mehertheil vergult. Item habe ich geliffert zwo Infell, die gut gewesen;

Item ein kupfferen abbtstabe, war mit silber uberzogen.

Item die geschriben mess und gradual bucher und anti- phonaria, was in die kirchen gehort, sambt vilen geschriben und gedruckten alten buchern ohn zal.

Item an silbern bechern habe ich im geantwort: neun- unddreisig grosser becher mit 8 deckeln, das mehertheil ver- gult, wigen 21 lib.

ltem noch ein becher geformbt wie ein strauss ey, wigt 3 marck 4 lott.

ltem noeh ein seher grossen vergulten becher, wigt 5 marck und 5 lott.

Item so sein zu Wurtzpurg in des Closters hoff gewest, noeh zwen kelch.

Item 16 silberen becher, on geverlich die besten.

Weytter habe ich diesem abbt geliffert an schulden, aussstendigen gulten und zinssen.

(Die hier folgende Aufzählung der Ausstände, der Schulden, Vorrüte an Naturalien usw. hat keinen Wert für weitere Kreise.)

Uff solehes hat mich der neue abt und Convent, inhalt vor verglichenen Concept, darvon hievor meldung geschehen, quittirt und lauth die Quittantz also:

Wir Johan abbt und Convent gemeynigglich des gotss- hauss Brunbach bekennen und thun kundt allermennigk- lich mit diesem briff: das herr Clement Leusser gewesener abbt ermelts unsers gotshauss Brunbach uns uff heut dato

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alles das jenige zugestelt, überliffert und eingehendigt hatt, welches dan der edel und ehrnvest Friderich von Ratzenburgk amptman zu Wertheim in eynem zwischen uns abgeredtem und angenommenen vertrag mit verwilli- gung des hochwirdigen fursten und herrn herrn Friderichen Bischoffen zu Wurtzpurg und hertzogen zu francken unsers gnedigen herrn gemacht, getheytigt und verglichen hatt. Derohalben, so sagen und zelen wir fur uns und alle unsere nachkommen obgedachten Clementen und seine erben solcher gethanen lifferung und also aller seiner gehabten und verlassenen verwaltung frey quitt, ledig und loss, also das wir, unsere nachkommen, noch mennigklich sonsten solcher lifferung oder verwaltung auch aller und yder forderung halben, so wir, gedacht unser gottsshauss oder ymandt von unsernt wegen an inen gehabt oder haben hetten mogen, keynen spruch noch forderung meher an in oder seyne erbenn haben noch suchen, sonder sie gentz- lichen ruige und unbekummert lassen sollen und wollen, alles getreuelichen und ohngevert: Dessen zu urkundt und meher sicherheit haben wir unser abbtey und Convents insigel ends dieser quittung wissentlich gedruckt, so geben und geschehen uff Montag nach Trium Regum im Jor als man zalt noch Christi unsers lieben herrn und seligmachers geburt funffzehenhundert und im sechzigsten jore.

Folgt mein quittantz wie ich den abt Convent und das Closter quittirt habe:

Ich Clement Leusser gewesener appt zu Brunbach bekenne und thue kundt allermennigklieh mit diesem briff, das die wirdige und andechtige Johan appt und Convent des Closters Brunbach mir uff heut dato alles das jenige gutlich volgen und zustehen lassen, was dan der Edel und Ehrnvest Friderich von Ratzenburg amptman zu Wertheim in eynem zwischen uns zu beyden theylenn abgeredten und angenommenen vertrage mit wissen und willen des wolgebornen herren herrn Ludwigen Graven zu Stolbergk, Konigstein Rutschfurt und Wertheim etc., meynes gnedigen herren gemacht, getheydigt, und verglichen hatt, und dero- halben so sage und zele ich, fur mich und alle mein erben und naehkommen obgedachten herrn abbt und Convent und ihre nachkommen obberurter lifferung abfertigung und vergleichung allerdingss frey, quitt, ledig und loss; der- gestalt, das ich alle meine erben und nachkommen kein weytter spruch oder forderung an obbestimpten appt und Convent, noch aueh das Closter Brunbach haben, suchen, oder gewinnen, sonder mich gentzlieh an dem, so mir algereytt zugestellt und ferner leibgedings weyss geordnett

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worden, settigen lassen solle und will, alles treuelich und ohngeverdt; dessen zu urkundt habe ich mit aygener handt underschriben und zu meherer sicherheit, mit vleyss ge- betten und erbetten den Edlen und Ehrvesten Jórgen Klinekharten von Vockenrode, das er sein angeborn insigel zu endt dieser quittung uffgedruekt hatt; welcher siglung ich gemelter Klingkhart von bitt wegen geschehen be- kenne, doch mir und mein Erben ohnn schaden. Die geben ist uff Montag nach Trium Regum im Jor als man zalt nach Christi unseres lieben herren und seligmachers geburt, funffzehenhundert und im sechtzigsten jore, als ich war abbt gewest elf jor 46 wochen.

So bald ich mich dem Closter und dem Bischoff ward vertragen, nemlich, da der Bischoff von Wurtzpurg meins gnedigen hern von Konigstein ete. furgeschlagene vertrags mittel und mein darauff gethane resolucion und erclerung anzunemmen dem amptman zu Wertheim Friderichen von Ratzenburg zugesagt und gewilligt, habe ich mieh zu meynem gnedigen herrn von Konigstein und Wertheim ete. in dinst begeben, lauth volgender bestallung:

„Wir Ludwig Grave zu Stolberg Konigstein Fateci Wertheim und Wernigenrodt, herr zu Epstein, Mintzenberg, Agimont und Preuberg: bekennen mit diesem brieff, das wir den erbarn Clement Leussern zu unserem diner nach- volgender gestalt uff und angenommen haben, nemlich und also, das er bey abhorung aller und yder unserer renterey, kellerey, casten und andern rechnungen, beyder unserer Graffschaften Konigstein und Wertheim, desgleichen der herschafft Preubergk neben andern unsern ydesmals darzu verordenten sie dieselbigen seines bestens verstands und vleysses anhoren helffe, und do in eyner oder meher rech- nungen unrichtigkeit, oder mangel, auch sonsten überfluss befunden, den oder dieselben, uns yder zeits neben seynen gutbeduncken anzeige und vermelde, wie solche mengel erstattet, die unrichtigkeitten verkommen und an orten da überfluss und unnottige ausgaben oder anders befunden, verpleibenn oder vermitten mogen werden. Desgleichen sol er auch sich jars einmal darzu gebrauchen lassen, in allen unsern heussern, do wir frucht speicher und kelter haben, dieselbigen zu besichtigen, und da in ihnen mangel worynnen derselbe befunden were, uns solches auch yder- zeitt zuvermelden und beyneben seinem guttbeduncken und ratt wie denen gesteuert und alles zum nutzlichsten und besten angestellt, auch unser vorratth zu nutz ausspracht werden mochte, anzuzeigen. Dargegen und fur solche seine muhe und arbeytt, wollen wir im jerlichs und ydes

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Jors besunder reychen und geben lassen funffzehen gulden an gelt, zehen malters korns, zwolff malter haberns, ein fuder weinss, zween wagenn mit heue und ein wagen mit stroe; daruber er uns angelobt und versprochen, solchen seynen dinst getreuenlichen und seines bestenn verstands zu versehen und dem vorzustehen, auch alles und ydes anders zu thun, wess eynem treuen dyner geburt und seynem herrn zu thun schuldig ist. Das zu urkundt haben wir diesen briff mit unserm secrett insigel versichert. Geben und geschehen uff Montag nach Sant Martins tag den dreyzehenden Novembris im tausend funffhundert und neun und funfizigsten jore.

Da ich solche bestallung gehabt und mein sachen uff vorgesatzte mittel vertragen gewest, bin ich von Konigstein wider nach Wertheim geritten und anno 1559 den 18ten No- vembris wider gehen Wertheim kommen, nach dem ich sechzehen wochen war aussgewest und mein vertrage zu wegen hett gebracht.

Darnach als mein lifferung geschehen anno domini 1560 uff Montag nach Trium Regum, wie obenn genugsam ange- zeigt, bin ich anno domini 1560 den 22ten Januarii in mein behausung in der Bruekengassen gezogen und hab der faren- den habe nit hinder mir vergessen.

Anzeige, wie mir der almechtige gott meyne libe kinder nach eynander beschert und geben hatt:

Anno domini 1558 den 25ten Oetobris habe ich Clement Leusser mit meyner liben hausfrauen Anna, Valentin Rudigers dochter hoehzeit gehalten.

Anno domini 1559, den 3ten Decembris zwischen 1 und 2 uhrn naeh Mittag ist mein sonlein Johannes geborn; ward gefatter Doctor Johan Koch, meins gnedigen herrn ratt.

Anno domini 1560 den 28ten Januarii ist mein erst sonlen Johannes gestorben, ward 8 wochen alt; ist oben auch von disem kind meldung geschehen, folio 63»). |

Anno domini 1561 den 10ten Septembris, als es 4 sehluge nach Mittag, ist mein dochterlein Christina geborn und den llten Septembris getaufftí; ward gefatter Hans Conrad Sehmieders haussfraue.

Anno domini 1562 den 8ten May ist mein libs dochter- lein Christina im hern entschlaffen; ward alt 34 wochen und 1 tag, und war seher ein schön kindt.

Anno domini 1562 den 3ten Novembris nach Mittag in der letzten virteil stundt nach 2 uhrn oder in der nechsten virteil stundt vor 3 uhrnn ist mein sonlein Valentinus geborn;

1) Dies Blatt 63 der Handschrift fehlt, vgl. oben S. 284.

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ward gevatter Valentin Kressman der alt; ward den 4ten Novembris getaufft umb 9 uhrn.

Anno domini 1564 den 16 may vor Mittag umb 7 uhr geradt, ist mein dochterlein Regina geborn; ward gevatter die tugensam fraue Regina Wamboltin, Friderich von Ratzen- burgs des amptmans haussfraue.

Anno domini 1566 uff Donnerstag nach Ostern, der war der 18te Aprilis, vor Mittag ein virteil einer stundt vor funff uhrn ist mein sonlein: Hans Conradt geborn und umb 9 uhr getaufft worden; war gefatter Johan Conrad Schmieder rentmeinster.

Anno domini 1568 den 8ten Aprilis, der war Donners- tag nach Judiea, vor Mittag frue in der letsten virteil stundt nach eyn uhr oder in der nechsten virteil stundt vor zweyen uhrn in der naeht gegen tag ist mein sonlein Clement Jórg geborn; ward gefatter Jórg Sehantz und ist uff den selbigen tag umb 9 uhr gethaufft.

Anno domini 1561 uff Petri Kathedra hat mich der wolgeborn mein gnediger Herr Grave Ludwig zu Stolberg Konigstein Rutsehfurt und Wertheim ete. angenommen zum haussvockt zu Wertheim; ist mein jorbesoldung gewest: 30 gulden an Gelt, 2 kleidt oder 9 gulden darfur, 2 fuder weins, 10 malter Korns, 12 malter habern, 2 wagen mit heue, 1 wagen mit krvmmet, 1 wagen mit stroe, die nutzung des eychel garten und kurich garten und aller garten am schlossberg. Dieses ampt der haussvocktey habe ich ver- sehen und verwaltet 2 jor: neinlieh von Petri 1561: biss uff Petri 1563. Ich kont ess leibs schwacheit halben nit lenger versehen, dan ess gar ein unruigess und muheseligs ampt ist, und batt derohalben mein gn. hern umb ein gn. urlaub, den mir mein gn. her nit gern gabe; hett mich liber lenger an diesem ampt gehabt. An disem ampt habe ich meynem gn. herrn den neuen baue oder gang zwischen mein gnedigen herrn gemach und der schnecken machen lassen, desgleichen die gewelb vor dem backhauss biss heruff zum keller, item die thur mit den wappen vorn an der schnecken !).

In dieser zeitt meiner haussvocktey verwaltung habe ich durch hilff meins gn. hern und irer Gnaden rhett meinem vatter Valtin Leusser ein wappenbriff mit lehen bey der romischen keyss. maytt. ausspracht.

(Aus dem inserierten Wappenbrief des Kaisers Ferdinand I. für Valentin Leusser, d. d. Prag 1561, December 22, möge hier nur die Stelle über das Wappen selbst wörtlich Abdruck finden.)

1) s, Wibel, Die alte Burg Wertheim a. M. (Freiburg u. Leipzig 1895) S. 91 ff.

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„Ein plauen oder lasur farben schieldt; im grundt desselbn überzwerchs auff ainem abgestummelten Ast, zum fluge geschickt, erscheynendt ain weysse dauben mit gelben fussen und schnabell; auff dem schildt ain stechhelm mit weysser oder silber und plauer oder lasur farber helm- decken und von denselben farben einem gewunden pausch gezirt; auff denselben überzwerch abermals ain abge- stummleter ast und darauff ain dauben zum fluch geschickt erscheinendt, allermassen wie im schild.“

Diese freyheit habe ich aber nit dergestalt ausspracht, das mein vatter oder ich und meine bruder unss dadurch anderleuthen furzihen oder uns mit dem auffgebasen Junckher namen kützeln wolten; seyttemal wir woll wissen, das unsere voreltern alle Bauern gewest, desgleichen wir aucb seindt: Sondern sol mennigklich und sonderlich mein und meiner bruder kinder solches furnemlich darumb von mir geschehen verstehen, das sie, meine und meiner bruder kinder, diese freyheit fur ein spigel der tugent halten und haben und in demselben vleyssig ire leben lang sieh spigeln sollen und betrachten, dieweil ich und meine bruder inen kein grosse gutter sondern allein Eher und Frumbkeit aufferben konnen, das sie mit allen vleyss nach Ehern und Tugenten streben, den leuten underthenig, gehorsam und getreue sein und in iren beruff embsig und arbevttsam; uff das sie mogen solche leut werden, die diese ire habende keys. freyheit und be- gnadigung mit Ehern und der Wahrheit gebrauchen mogen, und nit allein gedeneken, wie sie diese freyheit erhalten, sondern wie sie mit Ehrn noch grossere erlangen mogen. Solehes sollen sonderlich meine liebe kinder fur mein testa- ment und letsten willen vleyssig behalten und volnzihen. Dan des adels fundament ist gegrundet uff Ehrn, Tugent, Redliehkeit, Frombheit, Geschicktlichkeit, und derselben übung: wer diese nit hatt, der ist nit edel, ob er gleich edel geborn ist; und sol sich keiner Junckher nennen lassen er habe dan ein aigen dorf.

Da ich nun anno domini 1563 das haussvockt ampt uff Petri auffgeben auss oberzelten ursachen, und in meinem alter auch ein wenig rhue haben wolte, da haben mich meins gn. herrn ratt und befelchhaber desgleichen der schultess und ein ratth angesprochen, das ich mich in die burger- schafft solte begeben, welches ich aber nit thun wolte, mein gn. herre wolt dan mich, mein weib und kinder der leib- aigensehafft, damit alle andere burger seiner Gnaden ver- bunden und zugethan, erlassen und ein freyen zuge ver- gonnen ete, welehes mein begern der wolgeborn mein gn. herr hat gnedig eingangen und mir ein verschreibung geben.

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(Diese Urkunde, d. d. 1565 August 19, kann hier fortbleiben.)

Uff dieses habe ich mich in die Burgerschafft begeben und bin anno domini 1564 den lettsten Novembris durch Johan Sehoffen schultesen, Michel Rudigern alten Burger- meister und das gantz gericht zum Burger, in rhatt und in das gericht alhie zu Wertheim angenommen worden; und habe als bald mein gelubt und aidt zu der Burgerschafft in rhatt und in das gericht uff ein mall gethon und ge- schworn, in der rattstuben vor dem gantzen gericht, und neben mir Hans Behem, wirt in der Ketten, der gleichfals wie ich angenommen worden. |

Item bin ich auch vir jor in dem hoffgericht zu Wert- heim gesessen, biss ich in das statgericht khommen.

Anno domini 1565 habe ich mein handel mit saumischem leder angefangen uff die herbstmess!), damit ich auch nit gar mussige were. Das hatt mir gott sei gelobt wol geratthen, dan ich sein ein gutten nutzen und gewin gehabt und noch.

Anno domini 1565 den 18ten Decembris bin ich Cle- ment Leusser zu Alten Burgermeinster dureh ein erbarn ratt gewelt und von meins gn. herrn befelehhaber (wie gebreuch- lich) bestettigt worden.

Dieses burgermeister Ampt habe ich verwaltet 2 jor, nemlieh von Martini des 65ten jors bis uff Martini des 67ten jors. War das erst jor mein gesell Heinrich Heffner, das ander Jor Kilian Franek, beide des eussern rhatte.

Anno domini 1567 uff Weyhenachten bin ich durch meins gn. herrn befelehhaber verordent worden zum auf- seher im spitall mit Clauss Jobsten, nemlich das der spital- meister nieht on unsern wissen und willen handlen solle.

Anno domini 1568 uff Donnerstag nach misericordias domini habe ich mein sonlein Valentinum das erstmol in die lateinische schul geschickt zu M. Niclaus Rudiger.

Item anno domini 1568 uff Montag nach Jubilate habe ich mein dochterlein Regina das erstmal in die teutsche schul geschickt zu Jorg Hoffman.

Item bin ieh in dem Wertheymischen geistlichen Con- sistorio oder gericht gesessen von dem 1561ten jor ab biss uff diese zeit noch.

Clemens Leusserus extremam vitae diem clausit die 6. Octobris anno 72, cirea horam secundam promeridianam; periit passione colica accedente etiam epilepsia.

!) D. h. Frankfurter Herbstmesse, die regelmäßig Jahrhunderte lang von Wertheimer Kaufleuten besucht wurde.

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Eine Streitschrift des Vergerio gegen das Trientiner Konzil von 1551.

Mitgeteilt von W. Friedensburg.

Als Nr. 64 seiner verdienstlichen Übersicht der Schriften des Pietro Paolo Vergerio führt F. Hubert ein Sendschreiben an den Kardinal von Trient aus dem Jahre 1551 an’). Das Stück hat Hubert nicht selbst vorgelegen; er kennt es nur aus einer Briefstelle des Vergerio, einem Schreiben an Bullinger vom 28. Oktober 1551: „vide epistulam,“ heißt es hier, „quam paravi ad cardinalem Tridentinum et mittam, si ita vobis videbitur, tibi imprimis. expertus sum aliquorum judicia, qui omnino fatentur se ab ea excitatos fuisse ad cognoscendas imposturas*. Und weiterhin: „si ita tibi videbitur, mittam atque evulgabo; immo, si videbitur tibi esse mittendum, scribe ad Oporinum, ut exeudat?)^ Über den Inhalt der Schrift gibt Vergerio an, daß in ihr die Frage erörtert werde, ob die evangelischen Geistlichen zu den Bischöfen zu rechnen seien und ihnen deshalb Stimmrecht auf dem Konzil zustehe?*).

Weiteres scheint über die fragliche Schrift nicht bekannt zu sein, von der es auch unsicher bleibt, ob sie zum Druck befördert worden ist*). Letzteres vermag auch ich nicht zu entscheiden; dagegen ist mir das Sendschreiben handschrift- lich begegnet und zwar in einem Sammelband der Biblio- thek des Fürsten Trivulzio in Mailand, in einer Abschrift,

!) Hubert, Vergerios publizistische Tütigkeit nebst einer biblio- graphischen Übersicht (Gótt. 1893) S. 282,

?) Ebendaselbst S. 71 Anm. 196.

*) Ebendaselbst S. 104.

4) Ebendaselbst Anm. 263.

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die wenig später angefertigt sein mag!). Der Text bietet einige Anstände; da es jedoch kaum wahrscheinlich ist, daß noch eine bessere Vorlage zum Vorschein kommen wird, so habe ich die Schrift gleichwohl hier mitteilen wollen. Wenn sie auch wesentlich neue Züge zu dem Bilde des Vergerio in seiner Kampfesperiode gegen das Papsttum kaum liefert, so vervollständigt sie doch unsere Kenntnis seiner polemisch-literarischen Wirksamkeit.

Das Sendschreiben ist aus dem Bergell, jenem engen Graubündener Tale, in dessen Hauptort Vico soprano Ver- gerio als evangelischer Pfarrer wirkte, datiert und zwar vom 20. Oktober 1551, also acht Tage vor jenem Briefe an Bullinger. Es gehört in den Kreis der Schriften, zu deren Abfassung Vergerio durch die Erneuerung des Trientiner Konzils unter Papst Julius III. veranlaßt wurde. Vergerio hatte einst als eifriger Römling im Dienste und Auftrage Papst Pauls Il. für das Zustandekommen jenes Konzils gewirkt, das Papst Paul, dem allgemeinen Wunsche der Christenheit gemäß, schon im Konklave verheißen und nach seiner Wahl anscheinend mit Eifer angestrebt hatte?) Allein Vergerio hat sich dann immer mehr und mehr überzeugen müssen, daß Paul kein aufrichtiges Spiel spielte, daß er in seinem Innern dem Konzil abgeneigt war und sich nur widerwillig, unter dem Zwange der öffentlichen Meinung und dem Drucke des Kaisers Karl V., zur Erfüllung seines Versprechens herbeiließ, so zwar, daß das von ihm endlich im elften Jahre seines Pontifikats berufene Konzil alles andere eher als ein freies und allgemeines war. Gerade die Erfahrungen, die Vergerio mit dem in Trient ver- sammelten Konzil gemacht, hatten seine endgültige Abkehr von der Papstkirche vorbereitet.

An und für sich hatte gleichwohl die Konzilsidee ihren Zauber über Vergerio auch nach seinem Übertritt zum Pro- testantismus nicht verloren. Er begrüßte bereits den im

1) Cod. Trivulz. 1587 Nr. 6. Ich hatte das Stück vorlüngst notiert, neuerdings konnte ich durch Vermittlung des Kgl. Preuß. Histor. Instituts in Rom, dem ich dafür auch an dieser Stelle meinen Dank sage, eine Abschrift erhalten. ?) Vgl. Nuntiaturberichte aus Deutschland erste Abteilung Bd. I (Gotha 1892).

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November 1549 eingetretenen Tod Pauls Ill. mit der freudigen Erwartung, daß nunmehr die Begehung eines freien Konzils unabweisbar sei; wer immer Paul nachfolge, werde, meinte er, ein solches berufen müssen. Aber schon der Ausgang des Konklaves, die durch ein klägliches Kom- promiß herbeigeführte Erhebung einer so unfähigen und unwürdigen Persönlichkeit, wie es Kardinal Monte (Julius III.) war, enttäuschte Vergerio in dem Maße, daß er nunmehr, selbst noch ehe der neue Papst in bestimmter Weise seinen Entschluß, das Konzil abermals zu versammeln, kundgegeben hatte, es sich angelegen sein ließ, vor einem Konzil Julius’ III. zu warnen, da ein solches so wenig wie unter Paul, an dessen Werk Julius dann in der Tat anknüpfte, dem Bilde eines wirklichen Konzils, wie es die Christenheit bedürfe, entsprechen werde!) Allerdings schien nun die in der alten Malstatt neueröffnete Kirchenversammlung dadurch einen anderen Charakter gewinnen und den veränderten Zeit- umständen Rechnung tragen zu sollen, daß auf Anhalten des Kaisers protestantische Fürsten und Theologen in Trient erscheinen und gehört werden sollten. Unter dem Eindruck dieser Tatsache ist augenscheinlich die vorliegende Schrift des Vergerio entstanden, deren eigentlicher Zweck es ist, zu zeigen, daB durch jenes Zugeständnis nichts Wesentliches erreicht sei, insofern als, selbst wenn die Neugläubigen sich zu Gehör zu bringen vermöchten, die Entscheidung aus- schließlich ihre Gegner fällen würden.

Man muß diese Sachlage im Auge behalten, um unsere Abhandlung richtig zu würdigen. Vergerio richtet hier an den Wirt des Konzils, den Kardinal von Trient Cristoforo Madruzzo, der ehemals zu seinen Gönnern gezählt hatte, die Anfrage, ob er ihm freies Geleit für das Konzil aus- wirken könne und wolle. Er erklärt, persönlich nach Trient kommen zu wollen, wenn man ihm die erforderliche Sicher- heit für Leib und Leben, dazu aber auch die Möglichkeit gewähren werde, auf dem Konzil mitzuraten und mitzu- beschließen. Vergerio fühlt sich nicht nur innerlich berechtigt,

1) Ausführlich handelt über Vergerios literarische Bekämpfung des Konzils Julius’ IIT, Hubert a a. O. S. 50ff.

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als evangelischer Bischof an dem Konzil teilzunehmen, sondern er und seine Gesinnungsgenossen sind, wie er aus- führt, die wahren christlichen Bischöfe, insofern sie sich be- mühen dem Vorbild der Apostel zu folgen, wogegen die katholischen Prälaten sich ihrer großen Mehrheit nach von Christus abgewandt haben: mit Fug und Recht würden letztere daher auf der Anklagebank sitzen und von Vergerio und den Seinen ihr Urteil entgegennehmen, statt daß das Konzil sich anmaße, über diejenigen, die von der alten Kirche sich wieder zu Christus gewandt, zu richten. Aber, verheißt Vergerio, dies Beginnen wird keinen Erfolg haben; das Licht des Evangeliums ist der Welt wieder aufgegangen und hat die Christenheit sehend gemacht; er aber selbst, Vergerio, werde dafür sorgen, letztere weiterhin durch seine Schriften aufzuklären, damit das Vornehmen jener, mittels des Konzils die alten Mißbräuche und Mißstände zu er- halten und zu befestigen, vereitelt werde.

Al cardinal di Trento.

Essendo la eitta di Trento, ne la quale voreste far il vostro comceillio, sotto la giurisdieion e dominio vostro, e sentendomi movere dil mio signor e padre celleste a desi- derare di volervi venire, fo cappo a V. S, parendo a me che a lei apartenga o cun la sua propria auctorithä o manegiando la materia col imperator, col quale havetti ereditto, fare di maniera che sicuramente vi possa venire, stare e ritornare chiuncha ha animo di volervi intravenire; bemehé ecciamdio per una altra ragione riecorro a voi, laquale é che già gram tempo vi ho conosutto amorevole verso di me e molte fiatte, como cortese che siette, mi havatte fatto di favori, et specialmente quando essendo io sotto la obidientia dil papatto, venni a Trento per havere a stare con li altri veschovi in quello che credeva che ha- vessi ad essere libero consilio, e quando i ligatti mi man- dorno via?: ne la quale occasione voi vi portasti molto bene e facesti ogni opera, accioche io vi havesse a rimanere et non ne sequisse ad esso vostro concilio quella infamia che ne seguette.

1) Vgl. Benrath in RE? 20 S. 598.

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[A] V. S. adoncha indrieiandomi, dico che voi pur il volette continuare, se bene esso non può essere legitimo gindice de le controversie natte nel facto del anime gra- vissime et importantissime, ut io voria venire a dimostrare apunto questo con molte ragioni, a dire ancho altro, se Idio mi inspirasse, e forse a questo istesso fine che, certo di venire io, vi verrebono degli altri o mecho o dapoi di me, se si vedessi che voi la voleste fare lealmente e darci quele dichiarationi et sicurtà che si convengano. le cagion vera- mente, le quai mi movanno a dubitare se voi, quando io venessi, fosti per ricevermi et ascoltarmi o no, et a seri- vere prima et volermi intendermi com essi voi, son queste:

Prima quando io venni (como ho detto) in Trento, io portava il mi’ rocchetto e'la mia chierica como gli altri che sonno de vostri, e non conosendo io alhora de la veritä più ehe tanto, mi andai a presentarmi alla obedienza di quei tri legatti!) (como ben sapette), et essi nel primo bello giorno che io giunsi, mi dissero alla aperta che non vole- varno in modo alcuno che io vi havessi a stare, sollo perche sospichavano per certa fama che s’erra sparsa di me, che io vi fosse venutto per dire qualche cosa contra alle loro opinione. adoncha, se alhora che io erra anchora de vostri, non fui receutto, debbo com gram ragion eredere che molto mancho serei reccutto et ascoltatto adesso, che per gratia de Idio cognoscho la veritä et fo palese professione di dirla di sentirla da voi. |

Poi havendo io letto i salvi condutti de lo imperatore °), ho notatto che essi sono datti solamente a subditti de lo imperio. et non essendo io tra questi (benchè in altro honoro [et] riveriseho Sua Maestà como Cesare et signor legitimo), se V. S. non me harà prima provisto de altra sicurezza, io non mi ho dovutto porre a pericullo di venire sotto quella fede, la quale non vien datta a me, che sub- ditto non sono consideratto il luogo, dove naque, che é nel dominio degli Ill®i signori Vinitiani®), quello dove habito et dove ho la chiesia et il ministerio, che è di magnifici signori Grisoni. oltre di ciö ne'medesimi salvi 'eondutti ho avertitto che, havendo papa Giulio detto ne la bolla de la traslatione et comtinuatione dil comeilio quello che si comtienne ancho ne suoi libri, che solli i veschovi vi debbano essere giudici, lo imperator a questo comsente et

1 D. i. die Kardinäle Monte (= Papst Julius III.) Cervini und Pole.

2 Vom 23. März 1551: Leplat, Mon. ad conc. Trid. spect. coll. IV p. 216.

3) Capodistria.

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dice chiaro che i veschovi harano a pronunciare le defini- tione e eomceludere tutto il facto, et che quei che veschovi non sono, non harano a fare altro che scarichare et tran- quilare (così dice) le comseientie, proponendo le loro opinioni et gravamini et poi tirarssi drietto, lassando a giudichare a vescovil. or questo (parlando sempre com quela gram rivevenza che io debbo, essendo contra l'opinione d'un'gran- dissimo imperatore) non pare già che possa stare bene e che debia esser lodatto da quelgli che intendanno le chose, comeiosiache non sia il dovere che gli accusatori vadino a propore i gravami loro a quelgli istessi che sono aceusatti et nimici loro capitalli, et poi stieno quieto et ubedienti alli giudicii et semtencie de quelgli istessi: questo non può esser un'seharichare et tranquilare le eomsientie, ma un gravarle e tormentarli più et metere anchora magior division, più malla sotisfacione, pericollo et romoro in la republiea eristiana che non vi é. poi dieo che si trova hogidi in molti parte del mondo alcuni huomini da bene, i quali non si comnumeranno tra pastori et vescovi, non havendo essi reggi- mento e eura de aleuna chiesa partieulare, et nondimeno sonno ne la sacra scriptura exercitatti, sonno dotti ne le lingue et pii et prudenti: et per quale cagion debbano quisti talli rimanere esclusi del potere comferire et giudi- care le materie divine in un comeillio, et a questa grande impresa doverianno essere chiamatti et admessi alcuni vescovi carnalli et indocti, quali se intende che sonno alcuni de quei che già vi haveti comgregatti? ma venendo a quelo ehe hora a me impartieulare tocca, domando che V. S. mi dichiarischa ella o mi faccia diechiarire da Sua Maestà Cesaria, se, essendo io attualmte (per gratia de Idio) nel ministerio de lo evangielo et de quei sacramenti che Christo ha ordinato per legitema ellectione di questi miei signori, e hano ancho mero et misto imperio sencia alcuno su- periore, veniró ad esser computato nel numero de vescovi secundo voi o no? pereioché io pertendo d'essere pastore et vescovi com molti altri, i quali sonno alla condicion mia, e trovo ehe talli veseovi, como siam noi, fuorno gli appostolli. non dico non si aroghiam questo che noi habiamo quela vehementia di spirito et bontà, ma la seriptura mostra che quelgli errano veschovi com quela simplieitade ne le atione de la vita et com quela purità di doctrina nell' insignar che noi si sforciamo d'essere. certo faciamo professione a mirare a quelo scoppo e fine, e non como sonno i vostri, i

1) Der Kaiser setzte durch, daß die Protestanten zur Disputation mit den Konzilsprülaten, aber nicht zur Beschlußfassung zugelassen wurden. Vgl. dazu Ranke, Deutsche Gesch. 5 S. 92ff.

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qual (per la magiore parte, percioche volgiam sempre servare lo honore de alcuni) non han altro che pompe et cerimonie exteriore, et quele alli appostolli incognite. et talli veschovi como si habbiamo proposto di esser noi, fuorono etiamdio molti antiqui veschovi, che alla somma di dugiento et trecento e piü eongregatti insieme celebrorno ' alcuni di comeillii da voi approvatti: a quali per havere ad intendere et sapere difinire le cause divine, non errano necesarie le obediencie et far i giuramenti e solemni a vescovi Romani, la untione, che voi usatte di fare sul capo e su le mani, le mitre i bei rochetti, pivialli et san- dalli, ma l'obedientia al gram veschovo et pastore de le anime nostre, Cristo, et a lui prometere et a lui servare le promesse; ma la interna untion del spyrito santo, ma d'essere vestiti et ornatti de la pura doctrina di Jesu Christo, et de la inocentia e candidezza di vita, et di havere i piedi ealeiatti et parechiati di eaminare nel diritto camino de lo Evangelio.

La ultima ragion (a pocho mi ristringo di molte che harei potutto dire), la quale mi ha mosso a tenere di venire su di longo a trovarvi sencia havere prima scripto, è che quando bene io fossi subditto de lo imperatore, overo quando bene i salvi comdutti si aconciasero in modo che eomprendesero anche Francesi, Inglesi, Svizeri, Grisoni, Italiani et altri, che subditti non sono, et quando etiamdio voi ci facesti intendere che la intencione vostra fosse che i pari mei dovesero essere comnumerati tra veschovi e potesero sedere nel comeilio e giudicare le materie e'lle con- trauersie moderne ensiemo com voi, vi é il decretto de un vostro comcilio, et èl Comstantinense, il quale dice chiarissi- mamente che voi volette potere procedere eontra a quelgli che a vostro modot), et per heretici volette havere tutti quelli che parlino contro li abusi da voi tante volte comfessati, contra la supersticione, e como di vostri non obstante ogni salvo eondutto de imperatori et re, et di non ci volere servare fede aleuna, che mille volte ci havesti promisso: di modo che volendo i vostri comeillii che i salvi condutti di Sua Maiestà non si possano sufragare et aiutare, et havendo il papa, quando fu electo, giuratto solemnamente di volere osservare interamente essi comeillii et persequitare e castigare quelgli che esso volle havere per heretici (sicomo hano giuratto ancho tutte le suoe creature, le quale esso hora vuol ado- perar per giudici) et havendo esso in molti scripti espresso

l) Hier ist augenscheinlich etwas ausgefallen (etwa: non stanno oder Ahnliches); auch weiterhin (como di vostri usw.) ist die Text- überlieferung kaum richtig.

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che elgi ha i pari miei, che cerchano di ristituire alle chiese la pura doctrina di Christo, per heretici, et in fine voleno esso esser il superiore, il diretore et lo asolutto patron di tutto il comcilio: certo harei facto malle il facto mio, se io havese volutto venire di longo in Trento sencza havere volutto domandare altra cautione e dichiaratione.

Et quando voi, essendone da me ricerchatte, me vol- giano?) sprezzare et non havere pensier di provedere, onde io vi possa sieuramente venire, essendo io (tal qual io mi sia: basta che Iddio suol'ellegere le cose infime per com- fondere le forti) nel numero di vostri accusatori, e quando volgiatti tra voi solli, che havette corotte le buone doctrine et introdutte le supersticione e siatti li accusatori, fare le definitione a vostro modo et espedire questa gravissima eausa senza volere ascoltare pur me sollo, che di doctrina et di spirito sonno lo ultimo tra tanti mei fratelli cristiani et instantemente domando d'essere sicuratto et uditto, spero che il signor Dio operarà di manera che voi non potritte fare che questa aettade mancho le future sianno per acceptare le vostre determinatione et i vostri decretti, como quelgli che noi con le penne nostre speremo di potere di- volgare per tutto che voi eon aleuni non boni modi haretti facto et impiastratto tra voi solli, negando audiencia alla " parte contraria, anci con minazze, cioè affirmando di non volere servare fede, e questo é un minaciare, tenendolo da voi lontano e facendolli tanti altri gravissimi torti et pre- giudieii, como è tra gli altri che, havendo ordinato lo imperator (il quale quanto a lui mostra che verrebbe dare un comeilio libero, se non fosse inganatto da vostri) che due di diecei, che ve erano tra ministri et diaconi iu Augusta, havesero a venire al eomcilio, il papa ha tanto instigatto Sua Maestà che non sollo quei dui, iquali già erano ellecti, non si man- dorno, ma che tutti quei diecci poveri servi di Jesu Christo sono statti scaciatti et mandatti ramenghi fuora di tutto lo imperio, non sollo da la città de Augusta, che riman privatta de la parolla de Idio?) et ciò è statto facto solo una setimana prima che voi habiatti inoommenzatto a calende di setenbre riasumere il vostro comeilio, perseverando a mostrare chiaramente che voi il voresti pur fare tra voi solli, o al pià comeludendo impiastatore et adiaforista, et facen- dollo comparire in Trento fingendo di ascoltarlo ef poi con- denarlo senza volere udire pur vedere una volta in facia alcuni di quei cha la doctrina monda et solida sonno

!) Zu lesen: volgiatti? 2) Vgl. Ranke, Deutsche Geschichte 5 S. 134.

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eomstanti, vostri accusatori. et ciò noi com tutte le altre eose dette di sopra com ogni diligentia attenderemo in tutte le lingue a divolgare et farlo intendere in tutti i regni, tutte le provincie a perpetua memoria et a gloria sempiterna del nostro grando Iddio et del unigienito suo figliouollo Jesu Christo, signor nostro, il quale speriamo che contra le vostre astucie et pottencie ci aiutarà. |

O forsi ancho non seria bisogno che noi ció si metiamo a fare, comeiosiache, essendo V. S. savia, onde puö bene conosere che el fare un comeilio particulare, dove si tratta il comodo di aleuni pochi (certa cosa & che non potette dire di tractarvi il publico et l'universalle, percioche si che si sa che due grandissimi re et molti altri potenti principi et popolli eridano et protestanno per gravissime cause di non vi volere consentire et voi pur al dispeeto loro con gli animi alteratti e facendo tuttavia la guera, il volette pur fare: che vi pare di questa? como potrà elgi riusire bono et sincero comcilio?) et volendollo fare senza volervi havere presenti i vostri aversarii, non puó portare honore a Dio comodo ni pace al mondo, ma vergogna, malla con- tentezza, guera e danno: tutto ciö, dico, potendo ella per sua prudentia vedere, debbo credere che almeno per inchomen- ciare a mettere il vostro concilio in qualche [creditto], che ne ha poco, cerearette di operare onde possa seeuramente venire, et vi prometto de havermi incontenente, essendo qui asai vicino quasi al vostro comfine et forsi di longo in casa vostra, dove tante altre volte sono statto (vedetti se io mi confido in voi et non mi fiderei cosi d'altri) et forsi farò la via ad alcuni, se voresti fare queste due cose solle, in somma:

L'una dichiarare alla lealla, che voi, i quali sette parte accusatta, non volette solo tratare e soli in quel' modo che il vostro papa vi harà ordinatto, giudicare e difinire la causa vostra (che ció serebbe cosa enormissima e nefandissima), ma che insieme nel fare giudicii e le definitione vi volette de li altri da dovero, non simulatamente, e specialmente de questi nostri vescovi, che siano dotti e pii, i quali habiano a tractare, giudicare e determinare secomdo quello che comanda la parolla de Dio, amorevolmente e com caritä in nostra compagnia, como é il dovero. et anchora vi si fa grande avantagio, percioché, essendo voi rei, non doveresti impaciarvi nel giudicare; ma quanto apartiene a me (non So el parere de l'altri, tutto questo scrivo da me) sedette anche voi tra giudici, purché lasatte parlare liberamente ancho noi altri ne le comgregationi e ne le sesioni, purché possiam insiema comferire, giudicare e diffinire, facendo noi professione non già di Machometani o de

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Hebrei, ma de voler osservare et difendere interamente la pura doctrina dell’ Evangelio et di dare tutta la gloria solo a Dio per Jesu Christo. l'altra: se potette trovare sesto, onde possa essere sieuro de la vita et vi possa essere ogn’ huom che vi vorà venire, percioché voi dite ne’ decretti de vostri comeilii di non ci volere servare fede (como ho detto) guardare a salvi condutti de imperatori, et havette le potentissime forze di Sua Maesta, che vi defende, et siate in casa vostra e così sicuri e com gli animi riposatti, como se fosti in mezzo Roma, dove noi poverelli com la nostra giustissima e divina causa non haresimo chi ci potesse per- servare da le ingiurie; anci voi voresti havere per heretico et gasticaresti cui si volessi scoprire per nostro protetore.

S'a queste due cose vi desse l’animo di voler prove- dere, io vi vorei venire alegramente et, como io spero, eom una compagnia d'homini da bene. et crederei chun com- eilio, il quale se havesse a fare eom questi boni modi, ch'io richiedo, quando ancho prima il vostro bom papa depo- nesse le armi, che quasi nel suo primo anno egli ha tolto in mano così sceleratte e crudelle, et quando vi seguisse la pace, sine qua faetum est nichil, et che quei re et signori, che non volgiono cosi facto et vi protestano contra, se havesero ridutti a comsentire, reggendollo de altra qualità, et a mandarvi: quando, dico, el faceste tale, crederei i dotti et pii homini di regno et dominio loro potere havere exequeione non violenta, non sanguinosa, non periculosa, ma voluntaria, ma pacifiea, ma sicura et in grandissima gloria de Idio. ma perché el vostro papa vorrà rimanere di fare la guera, havendo lo animo sanguinario et arabiato, et faresti ben bene a castigarlo col vostro comeilio, che gli é superiore senza dubio, e fargli quel servigio che il Constantinense fe a papa Gioanni: non vedeti "quanto fuocho ha posto in Italia et a man a mano in tutta Europa? et andrà facendo pegio!

Et perch’ etiamdio temo asai che voi non verete trovare sesto et remedio alle due cose, che ho preposto, ma per potervi eomservare la gloria del mondo, piü presto ei vorette tenire sotto piedi e tratarei pegio che saperette, eomo nimici de vostri comodi, finché potrete havere le faze dil mondo per voi: anzi se non havesti già ragunato un concilio di vostri comiuratti, stypendiatti et simulati aver- sarii in una città dove potette ogni cosa, andaresti cerchando de haverla, percioché altra non apparessi da potersi sicurare da le vostre superchiarie et minacie et di fare che voi deponeste l'orgolgio, se non ehe il voleste celebrare in aleuna dove tanto potesimo noi quanto voi, non volendo,

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dico, voi desendere da la vostra grandezza e durezza a dargli remedio, chie io adomando, almen fareste eosa che vi redondarebbe in grande honore, se vi metesti a licentiare cotesti Rev. padri et non li tenere più a disagio, bemche quelgli che sono salariatti et hano ogni mese le provigione per fare numero et servire del suo placet, vi stano troppo voluntieri: in soma voi potetti vedere che il mondo hoggimai ha aperto gli occhii et vedde et intende tutta questa materia, et haveretti una durissima et dificilisiima impresa alle manne, se vi voretti afatichare di chiuderli e tenerlo an- ehora inganatto ad altri tempi, quando il lume de lo Evan- gelio non splendeva et era como notte, gli pareva veder una bella cosa in quelle tenebre, quando i papi si manter- anno a fare de que’ comeillii com tante mitrie, tanti pro- cessione et tante pomppe et le ceremonie. ma già essi sono seuperto, sono i tratti et arti che vi si usano, et sopra tutto scoperto sono quelli che hora voi vorreste ussare (certe pegiore de tutte le altre), pereioché hora piü splen- deno i raggii de lo evangelio et de la gratia del Signor, che già molti seculli habiam facto in laude e gloria de Idio et del suo unigenitto figliollo Jesu Christo, signore nostro.

Se io havesi scritto ad V. S. et a molti di cotesti signori che hor sono in Trento, in altra occasione et tratando altra eausa, io non sono cosi immodesto ho!) inciville neancho cosi ingnorante, che io non havessi volutto et saputto schi- fare aleuni vocabolli et ussare i titulli et la somisione che ad un’ minimo par’ mio si comvene, quando scrivo a gram personagio. ma havendo io trattatto la eausa del mio signor. Jesu Christo, alla cui grandezza bisogna che cediatti e vi humiliatti, volendo io incomstantemente tenere difessa la doctrina de le chiesie nostre, la quale mirando ne la parolla de Dio non puó consentire e patire che voi habiatte tanta grandezza, auctorithà, superiorità quanta vi attribuitte, suppllico V. S. com tutti quelgli elleetori et altri grandi secundo il mondo, che volgiatti prendere per bem, et sapiatte che fuori di questa una causa non è humiltà et sugetione, la quale in tutte le altre io non ussassi verso di tutti voi, alli quali prego Idio padre celleste, che vi doni del suo spirito et de la sua gratia, onde un' giorno possiamo essere tutto uno per Jesu Christo nostro signor.

Di Val Bergalgia a 20 de oetobrio 1551.

Vergerio.

1) D. i. o (oder).

Mitteilungen.

Neuerscheinungen.

Quellen. Das 3. Heft des IV. Bandes der „Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation“ bringt einen Neudruck des ,Colloquium Cochlaei cum Luthero Wormatiae olim habitum* mit einer vortrefflichen Einleitung und einem sehr sorgfältig gearbeiteten Kommentar von Joseph Greving. Das denkwürdige Gespräch fand am 24. April 1521 in Luthers Herberge in Worms statt. Zur Abwehr des Gerüchts, er habe in Aleanders Diensten verrüterische, heim- tückische Absichten verfolgt und sich zugleich durch Unwissenheit blamiert, schrieb Cochläus am 10. und 11. Juni einen Bericht über das Kolloquium nieder, den er vom 12. Juni datierte. Er hat ihn in Form eines Briefes an einen gewissen Georg, wohl Georg Hauer, geschrieben. Erst 1540 gab C. das Kolloquium bei Franz Behem in Mainz in Druck, mit einer Vorrede vom 12. November; am 1. November war er zum Religionsgespräch in Worms eingetroffen. Das 4. Heft enthält die „Apologia oder Schutzrede“, die Ägidius Mechler, damals Pfarrer an St. Bartholomäi in Erfurt, nach seiner Verheiratung wohl 1524 bei Wolfgang Stürmer in Erfurt drucken ließ, und das unter dem Pseudonym Agricola Boius bei Stóckel in Leipzig oder ip einer der Stóckelschen Filialen in Kilenburg oder Grimma oder auch in Magde- burg wohl 1523 gedruckte interessante Reformprogramm. O. Clemen.

Bibliotheca Reformatoria Neerlandica. Geschriften uit den tijd der hervorming in de Nederlanden, opnieuw uitgegeven en van inleidingen en anteekeningen voorzien door S. Cramer en F. Pijper. Zesde deel: Geschriften van Joann Pupper van Goch en Corn. Grapheus. Confutatio determinationis Parisiensis contra M, L., bewerkt door F.Pijper ’s-Gravenhage, Martinus Nijhof, 1909. 622 blz. |

Im Jahre 1896 erschien meine Erstlingsarbeit über den Vor- reformator Joh. Pupper von Goch und den Mann, der die bis dahin nur handschriftlich verborgen liegenden Schriften Gochs in den Jahren 1521 und 1522 durch den Druck bekannt gab, den reichgebildeten Ant- werpener Stadtschreiber Cornelius Grapheus. Damals habe ich mir nicht träumen lassen, daß Gochs und Grapheus’ Schriften je neu- gedruckt werden würden. Nun liegen sie doch in einer vortrefflichen

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Neuausgabe vor. Zuerst stoßen wir auf Gochs Hauptschrift de liber- tate Christiana mit Grapheus’ Vorrede vom 29. [nicht 28.!| März 1521. Außer den mir seinerzeit bekannt gewordenen zwei Exemplaren (in Emden und Wolfenbüttel) hat Pijper kein weiteres aufgespürt; es sind offenbar die zwei einzigen, die der Vernichtungswut der Inquisition entgingen. In der Einleitung wird Gochs Lebensgeschichte aus „Henric van Arnhem’s Kronyk van het Fraterhuis te Gouda“, ver- öffentlicht von A.H. L. Hensen 1899 in den „Bijdragen en mededeelingen van het Historisch Genootschap te Utrecht“, bereichert. Über Grapheus dagegen wird wenig Neues beigebracht; vgl. noch meinen Aufsatz „Der Inquisitionsprozeß des Antwerpener Stadtsekretürs C. G.“, Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1902 Nr. 47, P. Kalkoff, „Die Anfänge der Gegenreformation in den Niederlanden^ I (1903) und II (1904), Reg. s. v.. die Nachschrift zu dem Spalatinbriefe in Virorum doctorum epi- stolae selectae ad Bilib. Pirchheymerum, Joach. Camerarium, Car. Crusium et Julium episc. Herbip. ed. Theod, Frid. Freytagius, Lips. 1831, p. 26 sq., Euricii Cordi opera poetica cura Henrici Meibomii, Helmaestadii 1616, p. 528 u.a. Seine späteren Lebensschicksale und schriftstellerischen Arbeiten, seine Beziehungen zu dem Antwerpener Drucker Joh. Grapheus (vgl. Frdr. Kapp, Gesch. des deutschen Buch- handels bis in das 17. Jahrh., Leipzig 1886, S. 284), zu Gemma- Frisius u. a. darzustellen, wäre gewiß eine dankbare Aufgabe Sehr willkommen ist dann der von Pijper aus Grapheus’ Autograph in der Leidener Universitätsbibliothek dargebotene lateinische Original- text der Bittschrift, die Gr. am 19. November 1522 an Jan Carondelet, Erzbischof von Palermo und Kanzler von Brabant, gerichtet hat. Es folgen Gochs ,Fragmenta" mit Luthers Vorrede und Grapheus' Vorrede zu der Sonderausgabe des ersten Stückes der „Fragmente“, der „Epistola apologetica“. Leider hängt P. in der Einleitung noch an der von mir längst aufgegebenen Hypothese, daß Hinne Rode 1521 Gochs und Wessels Schriften nach Wittenberg gebracht habe; vgl. dagegen W. A. X 2, S. 3111f., 327f. Auch ist ihm entgangen, daß Kalkoff ZKG. XXIV, 416ff. bewiesen hat, daß Grapheus’ Vorrede zur „Epistola apologetica“, datiert ohne Angabe des Jahres vom 23. [nicht 24.!] August, nicht ins Jahr 1520, sondern 1521 gehört. Zum Schlusse erhalten wir auch noch einen Neudruck des Gedichts des Grapheus: „Divi Caroli imp. desyderatissimus ex Hispania in Germaniam reditus“ von 1520, in dem der Autor dem Kaiser die Weltherrschaft zuweist, während der Papst sich auf sein Hirtenamt und die Erfüllung seiner religiös-kirchlichen Pflichten zu beschränken habe. Zwischenhinein aber schiebt sich noch der Neudruck der „Confutatio determinationis doctorum Parrhi- siensium, contra M. L.", die Pijper mit Recht ein Pendant zu Melanch- thons „Apologia adversus furiosum Parisiensium Theologastrorum de- eretum“ nennt. Auch P. hat nur die im Titel als ,denuo recognita et locupletata^ bezeichnete, Basel 1523 erschienene Ausgabe erlangen können. Als der Verf. der angehängten „Epistola docti cuiusdam et Christiani viri . .. de causa Lutheri“ vom 2. Januar 1522 hatte ich

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(Beiträge zur Reformationsgesch. III 95) den Groninger Pfarrer Willem Frederiks, Kalkoff ZKG. 24, 422 Nicolaus Buscoducensis, als den Adressaten hatten wir beide Erasmus angenommen. Pijper bezweifelt das alles, sicher ist ihm nur der niederländische Ursprung der Epistola.

Zevende deel: Zestiende-eeuwsche schrijvers over de geschiedenis der oudste Doopsgezinden hier te lande, bewerkt door S. Cramer. 1910. VIII 587 blz.

In diesem Bande findet man die meisten von Autoren des 16. Jahr- hunderts stammenden Quellschriften zur Geschichte der Mennoniten in den Niederlanden bis ca. 1600 beisammen. Es fehlen nur folgende drei: „Het Offer des Heeren", des Lamb. Hortensius „Tumultuum Ana- baptistarum liber unus“ und des Nic. Blesdijk „Vita Davidis Georgii". Das erstgenannte Werk ist schon früher im 2. Bande der , Bibliotheca" neu herausgegeben worden, die Werke von Hortensius und Blesdijk aber konnten weggelassen werden, da sie auf mehreren Bibliotheken anzutreffen sind. Dagegen sind die in diesem 7. Bande neu edierten Bücher so selten, daß man Cramer wirklich herzlich danken muß, daß er sie durch seine musterhaften Neudrucke für die Forschung der Zu- kunft gerettet und sichergestellt hat. Hoffentlich läßt nun auch eine „vollständige, den neuesten Forschungen Rechnung tragende Geschichte der Mennoniten“, die uns noch ebenso fehlt wie eine „unserer heutigen Geschichtsschreibung entsprechende Biographie Mennos“ (RE? XII, 586 und 591), nicht mehr lange auf sich warten.

Den Band eröffnet das 1603 in Cöln und dann zum zweiten Male ebenda 1612 erschienene Büchlein: „Successio Anabaptistica, dat is Babel der Wederdopers, door V. P." Der unter dieser Chiffre sich versteckende Verfasser ist vielleicht identisch mit dem Lic. iur. utr., späteren Pastor in Kervendonk bei Goch Simon Walrave. Er ver- urteilt die Mennoniten als Ketzer, er verweilt nur bei den Schatten- seiten der Gemeinde, vor allem den endlosen streitereien und Spaltungen von Mennos Auftreten bis ca. 1600 (über die aber Cramer mit Recht urteilt: de scheuringen, die . . . symptomen zijn geweest van haar geestelijk leven), wendet sich besonders gegen den u. a. von Jacob Pieters vertretenen Anspruch der Mennoniten, in direktem Zusainmenhang mit der apostolischen Kirche zu stehen, und hält ihnen dagegen die Altehrwürdigkeit, Einigkeit und Reinheit der katholischen Kirche vor, bei der allein die successio apostolica zu finden sei. Trotz dieses Parteistandpunktes ist der Verfasser durchaus glaubwürdig und gut unterrichtet. Es folgt die Schrift: ,Bekenntenisse Obbe Philipsz.", gedruckt Amsterdam 1584, geschrieben vor 1560, als Menno noch tätig war; die Handschrift fiel einem „Liebhaber der [reformierten] Wahr- heit“ zu, der sie mit einer Vorrede zum Druck befórderte. Es ist die beste Quelle für die Gedanken und Gefühle, die die niederlündischen Anabaptisten in den Jahren 1534—1536 erfüllten, und ein Beweis dafür, daß die Mennoniten und die Fanatiker von Münster wirklich ursprünglich derselben Bruderschaft entstammen. Obbe hatte 1540 der Bewegung den Rücken gekehrt [oder war erexkommuniziert worden ?],

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aber bei der Schilderung der „Verirrung“ von einst erwacht in ihm die alte Liebe wieder zu dem Kreis, in dem er früher eine Führer- rolle gespielt hatte. Kein hochmütiges Aburteilen, keine tendenzióse Trübung des Bildes, sondern nur herzliches Mitleid mit den „Verirrten“ und das Streben nach einfach-wahrheitsgetreuer Wiedergabe der Tatsachen. An dritter Stelle folgt: Tegen-Bericht op de voor-Reden vant groote Martelaer Boeck, door Hans Alenson, Haerlem 1630. Das erste mennonitische „Martelaars-of Groote Offerboek" erschien Haarlem 1615. Einem Nachdruck der 2. Auflage, Hoorn 1626, war ein Vor- wort vorangestellt, in dem den (freisinnigen) Herausgebern von 1615 vorgeworfen wurde, in 5 Bekenntnissen oder Briefen von Mürtyrern einiges weggelassen zu haben, um den Anschein zu erwecken, daß die ültesten Zeugen (ebenso wie sie) die Hoffmannsche Lehre, Christus habe sein Fleisch nicht von Maria angenommen, perhorresziert hütten. Diesen seinen Freunden und Gesinnungsgenossen von 1615 gemachten Vorwurf sucht Alenson zu entkrüften. Zugleich wendet er sich aber überhaupt gegen die in jenem Vorwort erhobene Behauptung, daß die ältesten Märtyrer in allen Punkten (z. B. auch betreffend Bann und „Meidung“) denselben Glauben wie sie, die Konservativen von 1626, gehabt hätten. Nicht die Freisinnigen, sondern jene, die Konservativen, seien in Wirklichkeit die Fälscher und Abtrünnigen. Durch diese Nachweisungen wird der „Tegen-Bericht“ zu einer wichtigen Quelle für die Geschichte der Mennoniten Mitte des 16. Jahrhunderts; z. B. lernen wir erst aus Anderson die Gespräche Mennos in seinen letzten Lebenstagen und die Straßburger Konkordie von 1555 über die Lehre von der Herkunft des Fleisches Christi kennen. Als Nr. 4 finden wir „Gerardus Nicolai’s Inlasschingen in het vertaalde werk van Bullinger: Teghens de Wederdoopers", Embden 1569, d.h. die Zu- sätze, die Gerhardus Nicolai, seit 1567 Prädikant in Norden, einer niederländischen Übersetzung des 1561 in Zürich erschienenen Buches Bullingers „Von der Wiedertüufer Ursprung, Fürgang, Sekten, Wesen...“ einfügte. In diesen Zusätzen wandte sich Nicolai, da Bullinger ja nur die schweizerischen und süddeutschen Täufer berücksichtigt hatte, gegen die nordischen Täufer, die Mennoniten, die Davidjoristen, das „Haus der Liebe" von Hendrik Nielaes. Sie sind reich an Einzel- nachrichten (über Adam Pastor, Menno, Obbe und Dirk Philipsz.) und Zitaten aus z. T. verloren gegangenen Druckschriften Mennos, David Joris’, Hendrik Niclaes’. Die den Band beschließende Quellschrift ist die bekannteste: ,Het beginsel der scheuringen onder de Doops- gesinden, door I. H. V. P. N.^, Amsterdam 1658. Daß der Verfasser identisch sei mit dem „Carel van Ghendt“, der das Protokoll der Disputation von Emden 1578 als ,Schryver an der Flamischen Wedder- dóperen syde* unterzeichnet hat, wagt Cramer nicht bestimmt zu be- haupten; dagegen steht ihm die Glaubwürdigkeit auch dieses Autors fest. O. Clemen.

Von den ,Kleinen Texten für theologische und philo-

logische Vorlesungen und Übungen", die H. Lietzmann bei

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Marcus & Weber in Bonn herausgibt, sei insbesondere auf Heft 50/51 hingewiesen, die von H. Böhme besorgte, sehr dankenswerte Ausgabe von „Urkunden zur Geschichte des Bauernkrieges und der Wiedertäufer“ (1910, 35 S., 0,80 M). Den Inhalt bilden die zwölf Artikel (mit Textstellen zur Frage nach ihrem Verfasser), die zehn Memminger Artikel, der Memminger Bundesvertrag der drei ober- schwäbischen Haufen vom 7. März 1525, die Predigtordnung des Bauern- heeres; endlich die von den oberdeutschen Täufern am 24. Februar 1527 in dem jetzigen badischen Dorfe Schlatt vereinbarten „7 Artikel“, Die Texte sind nach den besten Vorlagen wiedergegeben; den Wert der Ausgabe aber steigern die so knappen wie inhaltreichen Ein- leitungen. In Heft 71 der „Texte“ gibt ferner H. Lietzmann Karlstadts wichtige Schrift von 1522: Von Abtuung der Bilder und daß kein Bettler unter den Christen sein solle (nach einer der zwei Wittenberger Ausgaben) und die Wittenberger Beutel- ordnung (nach Barge, Karlstadt) neu heraus. 82 S., 0,80 M. Der in den Jahrgg. 6 bis 8 unserer Zeitschrift erschienene Artikel von N. Müller, ,Die Wittenberger Bewegung 1521 und 1522" ist nunmehr als Sonderausgabe („2. Auflage“) erschienen, ver- mehrt um nachtrügliche Funde und mit einem Namensverzeiehnis ausgestattet. Leipzig, Heinsius 1911. 428 S. M 6.—. Untersuchungen und Darstellungen, Die Mono- graphie K. Schottenlohers über Jakob Ziegler ist um so dankenswerter, als das Andenken des vielseitigen bayerischen Huma- nisten, weil er weder der einen noch der anderen Glaubenspartei dauernd und völlig angehörte, auch an keinem einzelnen Orte fest und dauernd beheimatet war, bisher wenig gepflegt worden ist. Erst Schottenlohers Buch lehrt das Leben und Wirken Zieglers im Zu- sammenhang mit den Strömungen der Zeit und seine Stellungnahme in den Kümpfen der Zeit kennen. Die Darstellung beruht auf einem durch den Verf. selbst nicht unwesentlich vermehrten biographischen Material, vor allem aber auf den Schriften Zieglers. Ziegler wird von Sch. erfaßt als das Produkt jener gärenden Zeit; seine (ganz wesentlich ihm selbst gehórenden) Neuerungsgedanken, deren Ent- wicklung mit Recht ein breiter Raum gegönnt worden ist, bilden ein seltsames Gemisch von überraschend weitschauenden Ideen, stürmischen Umwälzungsideen und wunderlichen Truggebilden. Seine Streitschriften enthalten viel Unreifes, Maßloses, Wunderliches, Badikales, auch viel Gehüssiges, aber hinter ihnen steht eine Persönlichkeit voll sittlichen Ernstes und von heißer Liebe zum deutschen Vaterlande erfüllt. Die Wiederabwendung Zieglers vom Protestantismns bringt Verf. mit der Kultusfrage zusammen; seine Natur verlangte nach einem dem Sinnen mehr gebenden Gottesdienst. Aber es ist wohl zuviel gesagt, wenn dieses Moment allgemein für das Verbleiben der Bayern bei der alten Kirche geltend gemacht wird; der Protestantismus hat weniger an der bayerischen Grenze haltgemacht, als daß er gewaltsam fern- gehalten wurde. Der Anhang verzeichnet Zieglers Werke und Briefe

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und druckt 4 unbekannte Briefe ab. Das Werk, das sich auch durch maßvolles, gerecht abwägendes Urteil auszeichnet, darf als eine wert- volle Bereicherung der reformationsgeschichtl. Literatur bezeichnet werden. (Schottenloher, K., Jakob Ziegler aus Landau a. d. Isar. Ein Gelehrtenleben aus der Zeit des Humanismus und der Ref. Mit 6 Federzeichnungen Martin Richters, des Schreibgehilfen Zieglers Greving, Reformationsgeschichtl. Studien und Texte. Heft 8—10. Münster, Aschendorff 1910 XVI, 418 S. M 11,25.)

„Die Bedeutung Calvins und des Calvinismus für die protestantische Welt im Lichte der neueren und neuesten Forschung" behandelt E. Kuodt, indem er die reichhaltige wissen- schaftliche Calvin-Literatur der jüngsten Zeit, zumal des Jubiläums- jahres, teils kritisch, teils referierend vor unserem Auge vortiberziehen läßt. Besonders ausführlich behandelt er A. Kuypers „Vorlesungen über den Calvinismus" und die Kontroverse, die sich über die Be- ziehungen zwischen Calvinismus und Kapitalismus zwischen Weber, Rachfahl und Troeltsch erhoben hat. (Vorträge der theol. Konferenz zu Gießen, 30. Folge. Gießen, Tópelmann 1910. 71 S. M 1,80)

Preisaufgabe, Die Wedekindstiftung in Göttingen stellt für den neuen, mit dem 14. März 1911 begonnenen fünfjährigen Verwaltungs- zeitraum ein Thema aus der Reformationsgeschichte zur Bewerbung, näm- lich „Die Bereitschafts- und Kriegskosten des Schmalkal- dischen Bundes“. Bewerbungsschriften müssen vor dem 1. August 1915 an den „Verwaltungsrat der Wedekindstiftung zu Göttingen“ ein- gesandt werden. Das Urteil des Preisgerichts wird am 14. März 1916 bekanntgemacht und in den „Nachrichten von der Königlichen Gesell- schaft der Wissenschaften“ in der Abteilung „Geschäftliche Mitteilungen“ veröffentlicht werden. Der Preis beträgt 3300 Mark und muß ganz oder kann gar nicht zuerkannt werden. Die gekrönte Schrift geht in das Eigentum der Stiftung über und wird durch sie gedruckt. Näheres in den erwähnten „Nachrichten“ vom Jahre 1911.

Bibliographie !). (Bei der Redaktion eingegangene Bücher.)

Berbig, G., Bilder aus Coburgs Vergangenheit. I. 2. Aufl. Leipzig, Heinsius 1910. 120 S.

Clericus, Rhenanus, Der h. Karl Borromaeus und das Rundschreiben Pius’ X. vom 26. Mai 1910. Mainz, Kirchheim & Co. 88 S. M 0,50.

Grisar, H. (S. J.) Luther. I. Luthers Werden. Grundlegung der Spaltung bis 1530. Freib., Herder 1911. XXXV, 6368. M 12.—.

Haborn, W. D., Zur Berromaeus-Enzyklika. 2 Vorträge tiber Kard.

1) Die eingesandten Bücher, die sich auf die Reformations- geschichte (im weitesten Sinne) beziehen, werden in den „Mitteilungen“ sämtlich gewürdigt; die in unser Gebiet nicht einschlagenden Schriften können in der Regel nur an dieser Stelle aufgeführt werden.

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Borromaeus und die gegenwärtige Lage der kathol. Kirche. Bern, A. Francke 1911. 73 S. M 1.—.

Heidrich, P., Karl V. und die deutschen Protestanten am Vorabend des Schmalk. Krieges. I. Die Reichstage 1541/1543 (— Künzel, Frankf. histor. Forsch. V). Frankf., Jos. Baer & Co. 1911. VIII, 164 S,

Henne am Rhyn, O., Illustr. Religions- u. Sittengesch. aller Zeiten u,

. Völker. Stuttgart, Strecker & Schröder (1911). VIII, 263 S. M 8.—.

Kipp, Friedr., Sylvester von Schaumburg. Mit 4 Tafeln (= Berbig, Qu. u. Darst. XVII) Leipzig, Heinsius 1911. 271 S. M 9.—.

Kórner, E, Erasmus Alber (— Berbig, Qu. u. Darst. XV). Leipzig, Heinsius 1910. VII, 208 S. M 6.50.

Ludwig, J., Die Geschichte einer französisch-reformierten Kolonie

‘im Refuge. Illustr. durch Stammtafeln. 2 Teile. Basler Druck- und Verlagsanstalt 1910. 120 S. 4°.

Meisner, K. A., Luthers Exegese in der Frühzeit. Leipzig, Heinsius

1911. VI, 86 S M 2.75.

Moore, G., Der Apostel. Berlin, P. Cassirer 1911. 84 S. M 1.50.

Paulus, N., Hexenwahn und Hexenprozeß, vornehmlich im 16. Jahrh. Freiburg, Herder 1910. 283 S.

Pont, J. W., Geschiedenis van het Lutheranisme in de Neederlanden tot 1618 (— Verhandelingen rakende den Natuunlijken en Geopen- baarden Godsdienst uitg. door Teylers godgeleerd genootschap.) N.S. 17 deel. Haarlem, de erven F. Bohn 1911. XVI, 632 S.

v. Raumer, Sigmund, Erlangen unter Christian und Christian Ernst. Erlangen, Junge & Sohn 1910. X, 159 S.

Schiele, F. M. und Zscharnack, L., Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch. Artikel: Jesus Christus von W. Heitmüller und O. Baumgarten (S. A.). Tübingen, Mohr.

Spranger, E., Fichte, Schleiermacher, Steffens üb. das Wesen der Uni- versität (— Philos. Bibl. 120). Leipz., Dürr1910. XLIII, 2918. M4.—.

Stoeckius, H., Forsch. z. Lebensordnung der Gesellsch. Jesu im 16. Jahrh. II: Das gesellschaftliche Leben im Ordenshause. München, Beck 1911. X, 198 S. M 5.—.

Tschackert, P., Analecta Corviniana, Quellen z. Gesch. des A. Cor- vinus. (— Berbig, Qu. u. Darst. XVI) Leipzig, M. Heinsius 1911. XXIII, 105 S. M 4.—. mE

Veit, A. L., Kirchliche Reformbestrebungen im ehemal. Erzstift Mainz unter J. Ph. v. Schónborn 1647—1678 (— Grauert, Studien und Darstell. VII, 3). Freiburg, Herder. XX, 119 S. M 3.—.

Vota, J., Der Untergang des Ordensstaates Preufen und die Ent- stehung der preuß. Kónigswürde. Mainz, Kirchheim & Co. 1911. XXIV, 608 S. M 10.—. |

Vischer, Eb., Die Lehrstühle und der Unterricht an der theol. Fakultát Basels seit der Reformation. Basel, Helbing & Lichten- hahn 1910. 132 S. M 2.—.

Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H., Gräfenhainichen,

Der Humanist Hermann von dem Busche und die lutherfreundliche Kundgebung auf dem Wormser Reichstage vom 20. April 1521.

Von Paul Kalkoff.

„Buschius, Hutteno furiosior . . .*!)

I. Die reichspolitisehe Lage.

Am 18. April hatte Luther vor Kaiser und Reich ge- standen und hatte die klugen, auf Herbeiführung eines reichs- ständischen Schiedsgerichts abzielenden Pläne seines kur- fürstlichen Beschützers durch seine ihm „viel zu kühne“ Er- klärung durchkreuzt; am folgenden Tage hatte Karl V. den Reichsfürsten seinen eigenhändigniedergeschriebenen Entschluß bekanntgegeben, daß er nunmehr gegen Luther als über- wiesenen Häretiker einschreiten und Krone wie Leben daran- setzen werde, die Ketzerei dieses irrenden Mönches auszutilgen, die der deutschen Nation zur größten Schande gereichen müsse. Dieses überraschende persönliche Hervortreten des bisher so vorsichtig im Hintergrunde gehaltenen, scheinbar noch wenig entwickelten Jünglings mußte nicht nur im Kreise der er- lauchten Zuhörer den tiefsten Eindruck machen; doch konnten die Fernerstehenden nicht ebenso schnell davon unterrichtet sein, daß dank dem „mächtigen Einfluß und der Verschlagen- heit des Sachsen“ schon am Nachmittag die kaiserliche Forderung von der Mehrheit des Kurfürstenkollegiums hinter- trieben worden war. Karl V. hatte den sofortigen Erlaß

1) Erasmus an Pirkheimer den 29. August 1523. Opp. Pirkheimeri ed. Goldast p. 277. Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 4. 23

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eines Luther und seine Anhänger vernichtenden Reichsge- setzes auf Grund des ständischen Versprechens vom 19. Februar gefordert Friedrich setzte eine für die päpstlichen Nuntien völlig unannehmbare Befragung Luthers vor einem Ausschuß des Reichstags durch schriftgelehrte Männer durch, damit das Volk nicht sagen könne, Luther sei ungehört verurteilt worden’), und gerade die hohenzollernschen Brüder, Erzbischof Albrecht von Mainz, der erste Geistliche des Reiches, und Joachim I. von Brandenburg, der Führer der papistischen Reichstags- mehrheit?) bemtihten sich am nächsten Morgen, dem Kaiser die Notwendigkeit jenes Zugeständnisses klarzumachen. Luthers Freunde, also vor allem das Häuflein Humanisten, die ihm am 18. April das Geleit gegeben hatten, mußten dagegen fürchten, daß der Kaiser nun sofort ohne erneute Befragung der Stände mit jenem furchtbaren Verfolgungs- gesetz hervortreten werde, dessen Erlaß er schon vor Er- öffnung des Reichstages auf Grund eines am 29. Dezember 1520 gefaßten Beschlusses seines Hofrates geplant hatte. Er hatte dann denselben von Aleander herrührenden Entwurf?) mit geringen Veränderungen am 15. Februar den Reichsständen vorgelegt und am 2. März den Versuch wiederholt, Luther und seine Anhänger als Ketzer und Beleidiger der Majestät in des Reiches Acht erklären, Luthers Schriften öffentlich verbrennen und ihrer aller Güter den Vollstreckern dieses kaiserlichen Befehls preisgeben zu lassen. Als auch dieser Entwurf abgelehnt wurde‘), begnügte er sich damit, ohne

1) P. Kalkoff, Zu Luthers römischem Prozeß. Zeitschr. f. Kirchen- gesch. (ZKG.) XXV, 558 f. Ders., Depeschen des Nuntius Aleander. 2. Aufl Halle 1897, S. 177 Aum. 1.

2) Vgl. meine Untersuchung über „die Beziehungen der Hohen- zollern zur Kurie unter dem Einfluß der lutherischen Frage" in Qu. u. Forsch, aus italien. Arch. IX, 88 ff. (Rom 1906).

*) Veröffentlicht von A. Wrede in ZKG. XX, 4461f. und neuerdings mit dem für die österreichischen Erblande bestimmten Parallelentwurf

aus dem Februar von Th. Brieger: Zwei bisher unbekannte Entwürfe ` des Wormser Edikts. Leipzig 1910. Dazu meine Besprechung in ZKG. XXXII, 154 £.

*) Daß diese Vorgänge in den Beratungen der Stände und ihres Ausschusses auch weiteren Kreisen bekannt wurden, zeigt etwa der Brief der Nördlinger Gesandten vom 26. Febr.: Der Papst habe dem Kaiser ein Breve geschrieben und ihn bestimmt, „jetzt allhie ein vast

3 343

weitere Befragung der Stände am 10. März das Sequestrations- mandat zu erlassen, nach welchem die vom Papste verdammten Bücher vorläufig beschlagnahmt werden sollten.

Dabei aber wurde, noch ehe Luther angehört worden war, urkundlich festgestellt, daß Luthers Lehren mit dem christlichen Glauben in unversöhnlichem Widerstreit ständen und zum größeren Teil schon auf dem Konzil von Konstanz im Einvernehmen mit Kaiser und Reichsständen verworfen und verdammt worden seien: daß durch die päpstliche Bulle im gleichem Sinne erkannt worden sei und soeben auch der gegenwärtige Reichstag beschlossen habe, keinerlei Neuerung oderIrrlehre im christlichen Glauben, Satzungen und Gebráuchen einführen zu lassen. Demnach gebot der Kaiser alle lateinischen und deutschen Schriften Luthers an die Behörden abzuliefern, die sie vorläufig in Verwahrung halten sollten, und zwar auch die Bücher, in denen „gute Lehren und Unterweisungen ein- geführt wären, da auch diese mit viel bösen Substanzen (soll heißen Sentenzen) und Irrungen vermischt seien“ eine über- aus gehässige und für den Rechtssinn des deutschen Volkes verletzende Maßregel, die wörtlich aus dem von den Ständen abgelehnten Entwurf berübergenommen worden war!)

Es ist bezeichnend, daß die Vertreter der Kurie diesen anstößigen Punkt, obwohl er in der Bulle Exsurge vom 15. Juni 1520 wie in einer späteren Instruktion für die Nuntien?) ausdrücklich vorgeschrieben war, zu übergehen oder gar durch Verdrehung des Wortlauts zu vertuschen suchten, und zwar sowohl der Spezialnuntius Dr. Eck wie der Sprecher der Reichsstände, der Trierer Offizial Dr. von der Ecken in seinem Bericht über Luthers Verhör vom 18. April?), in dem der Reformator bekanntlich diesen Umstand nachdrücklich hervorgehoben hatte. Das Sequestrationsmandat griff aber

heftig Mandat stellen zu lassen, daß man allen des Luthers Anhängern ihre Leib und Güter nehmen solle“; die Fürsten aber hätten dies, des Luthers unverhört, abgeschlagen. Deutsche Reichstagsakten. Jüng. Reihe (DRA.) hrsg. v. A. Wrede. II, 807, 15 ff.

1) DRA. II, 451. Nr. 68. 72. 75, bes. S. 532, 19 ff. 525, 16 ff.

2) P. Balan, Monumenta reform. Luth. p. 87: „nulla ulterius ad- missa exceptione vel excusatione^ sollen alle Schriften Luthers an die Bischöfe abgeliefert und öffentlich verbrannt werden. 3) Vgl. meinen Nachweis in ZKG XXV, 584 fi.

23*

344 4

ferner der Entscheidung des Reichstages vor, indem es verbot, Luthers Schriften noch weiter zu drucken und zu verkaufen, und verallgemeinerte diese Maßregel zu einer die gesamte Literatur bedrohenden Zensurvorschrift der willkürlichsten Art: es sollten überhaupt „dergleichen Neuigkeiten und Irrsal weder auf Luthers noch auf anderer Geheiß oder Befehl noch in ihrem Namen gedruckt und feilgeboten werden“; ja ein Ge- wissenszwang von unerhörter Tragweite konnte von willfährigen Obrigkeiten, deren sich damals zum Glück in Deutschland nur wenige vorfanden, sehon auf Grund dieses Erlasses aus- geübt werden: niemand sollte ferner die „Meinung und Opinion“ derartiger Schriften teilen, „noch die halten oder ihnen an- hangen noch das alles jemand anderem gestatten, sondern darin gänzlich stilstehen^ . . . Die Strafandrohung „bei Vermeidung schwerer Ungnade und Strafe des Kaisers und Reiches und überdies der Pönen, so die Rechte in solchen Fällen aufgesetzt haben“!), gestattete die Übertreter als geächtet und gebannt mit allen im kanonischen Recht den Ketzern und von den weltlichen Juristen den Beleidigern der Majestät zugedachten Strafen heimzusuchen, also einfach die Bestimmungen der von den Ständen abgelehnten Verfolgungs- gesetze auszuführen.

Dieses am 26. März in Worms an den Kirchtüren an- geschlagene Mandat war aber nicht nur ohne Genehmigung ‚oder auch nur Vorwissen der Stände erlassen worden, es waren auch die Drucke nur mit einem Papiersiegel, jedoch mit keinerlei Unterschrift, weder mit der des Kaisers noch der des Reichserzkanzlers, noch auch nur mit der eines kaiser- lichen Sekretärs beglaubigt gewesen?). Durch Beziehungen

1) DRA. II, 532, 22—36.

2) Dies mußte um so mehr auffallen, als in dem offiziellen Druck, der mit dem Datum schließt, die verfassungsmäßige Formel für die Ein- führung der Gegenzeichnung fehlte; in den für den Anschlag oder zur Mitteilung an die vornehmsten Reichsstünde hergerichteten Exemplaren (wie in dem Dresdener Original) war das „Ad mandatum domini imperatoris proprium" schriftlich hinzugefügt worden; der Erzbischof von Mainz dessen Name hier hätte stehen müssen, wurde wohl erst gar nicht ange- gangen; nicht einmal der Reichsvizekanzler Ziegler hatte Neigung sich derartig bloßzustellen. So bestätigt sich der Vermerk Spalatius auf seiner Abschrift: „Gedruckt, aber noch nicht veröffentlicht; wann dies

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zu den in der kaiserlichen Kanzlei beschäftigten deutschen Humanisten konnte aber auch sehr wohl schon bekanntgeworden sein, daß einer jener Entwürfe bestimmt war, das gesamte deutsche Schrifttum gemäß der von Leo X. am 4. Mai 1515 erlassenen Bulle des Laterankonzils der Zensur der Bischöfe und der ihnen beigeordneten Inquisitoren zu unterwerfen, und Zuwiderhandelnde außer mit der Vernichtung ihrer Schriften auch noch mit Vermögenseinziehung zu bestrafen. Diese un- erhörte Vergewaltigung des deutschen Geisteslebens gipfelte in der niederträchtigen Bestimmung, die Aleander schon in dem ebenfalls von ihm entworfenen Edikt für die Niederlande vom 28. September 1520!) angebracht hatte, daß dem An- geber ein Drittel der Beute zufallen sollte; ein Drittel wurde dem kaiserlichen „Säckel“ vorbehalten, mit dem übrigen sollten die Landesfürsten geködert werden?).

Dieser vernichtende Schlag schien nach der Erklärung des, wie offenkundig, ganz von den Nuntien und seinem französischen Beichtvater, dem Franziskaner Glapion, geleiteten Kaisers unmittelbar bevorzustehen. Daerfolgte „ein unerwarteter Zwischenfall“, der, wie Aleander eingesteht, „alles wieder

geschieht, weiß man nicht. Es scheinen nämlich die Feinde der Wahr- heit irgend etwas zu befürchten, wenn ein derartiger Erlaß bekannt ge- geben werden sollte.“ DRA. S. 529 Anm. 1. 530, 588, Ueber die Beurteilung des Mandats durch die Berater des Kurfürsten von Sachsen, Spalatin und den Kanzler Brück, vgl. meine Depeschen Aleanders S. 142 Anm. 2.

1) P. Kalkoff, Anfänge der Gegenreformation in den Niederlanden. Halle 1903. I, 10 ff. 112. Die durch Briegers Veróffentlichung be- stätigte Tatsache, daß die drei vorhergehenden Mandate durch Über- setzung aus den von Aleander vorgelegten lateinischen Entwürfen ent- standen sind, führt zu dem Schlusse, daß auch die aus Aleanders Aktensammlung (Balan l. c. Nr. 47) mitgeteilte Fassung nicht, wie DRA. S. 580 vermutet wird, eine Übersetzung aus. dem Deutschen ist, sondern der von Aleander hergestellte Entwurf. Dazu stimmt, daß hier die Stelle des Datums nur angedeutet ist mit einem „Datum Wormatiae“, ferner daß wir hier (S. 122 lin. 35) den beabsichtigten Ausdruck: „malis... sententiis“ vorfinden, und daß er auf dem Papier der Nuntiatur mit dem römischen Wasserzeichen des Agnus Dei geschrieben ist und nicht wie die in der Reichskanzlei für Aleander hergestellten lateinischen Übersetzungen deutscher Urkunden auf Papier mit der gotischen Kaiserkrone. Vgl. P. Kalkoff, Aleander gegen Luther. Leipzig 1908, S. 126 Anm. 2.

?) Brieger a.a. O. S. 42.

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in Verwirrung brachte. Denn in der folgenden Nacht hefteten die Lutheraner aus grimmigem Zorn über die Willensmeinung des Kaisers wie in der Absicht, die Rechtgläubigen von der Vollziehung derselben abzuschrecken, einen Zettel an die Tür des Rathauses und andere öffentliche Orte, dessen Inhalt, aus beiliegender Abschrift ersichtlich, wenn er in den tatsächlichen Verhältnissen begründet wäre, gewiß für höchst gefährlich gehalten werden müßte: denn die drei deutschen Worte der Unterschrift, die nicht ins Lateinische übertragen sind, bedeuten den Aufruf und das Wahrzeichen der Bauern für den Kampf gegen Obrigkeit und Adel. Auch soll in der Nacht jemand diese Parole (Bundschuh!) in der ganzen Stadt ausgerufen haben, doch erfolgte nicht diemindeste Bewegung, worauszuentnehmen, daß die Verschwörung nicht auf so breiter Grundlage ruht!)*.

Leider hat sich diese Übersetzung Aleanders, die un- zweifelhaft nach einem von kaiserlicher Seite beschlagnahmten Original gemacht worden war, unter seinen sonst so sorg- fältig geordneten Papieren in der vatikanischen Bibliothek nicht erhalten. Doch haben die Frankfurter Gesandten am 24. April ein solches Exemplar oder eine gewissenhafte Ab- schrift einem Bericht an ihre Obrigkeit beigelegt: „der Kaiser habe sich, wie etliche meinten, allzu ungnädig wider Luther geäußert, so daß am vergangenen Samstag (20. April) ein Zettel hier beiliegenden Inhalts an das Rathaus angeschlagen wurde; es sei auch, wie man sage, ein Zettel in des Kaisers Gemach gefunden worden: Ve terrae, euius princeps puer est^?). Nach dem Bericht des gleichfalls in Worms anwesenden, in der engsten Fühlung mit Aleander stehenden Cochläus wurden die letzteren Worte er zitiert die dem biblischen Text?) genauer entsprechende Fassung: „cuius rex“ „hie und da in den Strassen an den Türen während der Nacht angeschrieben“). Beide Kundgebungen aber standen in ur- sächlichem Zusammenhang und gingen von derselben Seite aus. Dann erzählt Cochläus, daß „an die Türen des Rat-

1) Brieger, Die vervollständigten Aleander-Depeschen. Gotha 1884. S. 157 f.; Kalkoff, Dep. Aleanders S. 182.

2) DRA. S. 872, 32 ff.

3) Prediger X, 16.

*) Commentaria de actis et scriptis Lutheri. (Moguntiae) 1549. p.36.

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hauses ein Fehdebrief“ (hostilis schedula) angeheftet wurde, in dem die erlogene Behauptung aufgestellt wurde (fingebantur), dass vierhundert deutsche Edelleute dem Erzbischof von Mainz Krieg ankündigten; doch war keines Ritters Name auf dem Zettel unterzeichnet; am Schlusse fand sich nur jener Auf- ruf zur Empörung: Bundschuh“.

Aus unserer besten Quelle, einem gleichzeitig mit den Vorgängen niedergeschriebenen Bericht, der höchstwahr- scheinlich von Spalatin herrührt), erfahren wir über den dem Kurfürsten offensichtlich sehr unerwünschten Vorgang nur, daß „zwei Zettel angeschlagen wurden, einer gegen den Doktor, der andere, wie es den Anschein hatte, für ihn; ob- schon viele und zwar gerade in den eingeweihten Kreisen meinen?) daß gerade diese Kundgebung tückischer Weise von seinen Feinden ausgegangen sei, um einen Vorwand zum Bruch des Geleits zu haben, den die päpstlichen Nuntien mit allem Eifer aufspüren möchten“. Also die Umgebung des Kurfürsten, alle adeligen Räte und Gelehrten, die mit ihr Fühlung hatten, können für die Urheberschaft nicht in Betracht kommen. Anderseits ist es klar, daß auch die Nuntien sich wohl hüteten, derartig mit dem Feuer zu spielen, so daß für die gegen Luther gerichtete Kundgebung wohl am ersten der rabiate Herzog von Alba verantwortlich zu machen ist.

Daß der lutherfreundliche Drohbrief nicht aufeine nennens- werte Anzahl vornehmer Gesinnungsgenossen des Wittenberger Professors zurückzuführen sei, wußte man in der Umgebung des Kaisers, die auf dem Reichstage bei aller militärischen Hilflosigkeit doch eine straffe Polizei handhabte°), ganz genau, und so war der junge Monarch mit gutem Grund weit davon entfernt, sich durch den anonymen Fehdebrief und die an

7) DRA. II, Nr. 79. S. 541. Anm. 1. 559, 4 fi.

2) Hutten in dem unten angeführten Schreiben an Pirkheimer pflichtet dieser Auffassung wohl nur bei, um den Verdacht von dem ihm wohlbekannten Urheber abzulenken.

3) Dietrich Butzbach berichtet am 7. Mürz über das liederliche Leben auf dem Reichstage („es geht ganz auf rómisch zu mit Morden, Stehlen und schönen Frauen“), aber auch, daß der Profoß des Kaisers schon über hundert Meuschen ertränkt, gehangen und ermordet habe. DRA. II, 817, 19 ff.

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seine eigene Person gerichtete Mahnung, von der er wohl gar nichts erfahren hat, einschüchtern zu lassen. Als der Erzbischof von Mainz, „teils infolge seiner angeborenen Bedenklichkeit oder Feigheit, teils durch die Ratschläge seiner ohne Rücksicht auf ihn lutherisch gesinnten Umgebung in Schrecken versetzt, noch vor Tagesanbruch zum Kaiser, zu den übrigen Fürsten und den Nuntien schickte“ und diese sich zunächst an das Hoflager begaben, „lachte der Kaiser über die Furchtsamkeit des Kardinals und bemerkte spöttisch zu den Vertretern des Papstes, Caracciolo und Aleander, es verhalte sich mit dieser Verschwörung der vierhundert Edel- leute, wie mit der des Mucius Scaevola, der auch drei- hundert Genossen haben wollte, während er doch ganz allein stand“ !). |

Der Verdacht Aleanders, daß der Anschlag von der humanistisch gesinnten Umgebung des Mainzers ausgegangen sei, wobei er sich auf den zähen und verschlagenen Wider- . stand berufen konnte, den Capito seit dem Erscheinen der Bulle Exsurge der Vollstreckung des päpstlichen Urteils ent- gegengesetzt hatte ?), traf immerhin nahe ans Ziel. Doch war er nicht einmal über alle geheimen Maßnahmen des kaiser- lichen Kabinetts unterrichtet, so daß der von ihm inspirierte Cochläus auch auf Ulrich von Hutten raten konnte. Dieser hatte schon einige Monate vorher einen Drohbrief an den Erzbischof gerichtet, nach dem er ihm seine Burgen und Dörfer niederbrennen wollte, wenn dieser ihm seine Bücher verbrenne; und die von ihm Ende März an Albrecht wie an die lutherfeindliehen Kardinäle und Bischöfe, an die Nuntien und ihre Parteigänger gerichteten Invektiven machten seine Mittäterschaft auch jetzt nur allzu wahrscheinlich °’).

Auch Siekingen war schon einmal mit einer für den Kaiser persönlich recht peinlichen Kühnheit gegen die ver- fassungswidrige Behandlung Luthers aufgetreten, und zwar

1) Dep. Aleanders S. 182f. Vgl. die treffende Kritik, die J. Köstlin in seiner Broschüre „Luther und J. Janssen“ an dem „ultramontanen Historiker* übt. Halle 1883. S. 19 Anm. 4.

3) Kalkoff, W. Capito im Dienste Erzbischof Albrechts von Mainz, Berlin 1907. Kap. II, bes. S. 27.

3) A. a. O. S. 27 Anm. 3.

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mindestens ebenso auf Anstiften des Kurfürsten von Sachsen und des Erasmus wie Huttens. Nachdem er am 5. November 1520 bei Friedrich zu Gast gewesen war, wagte er es, deu Kaiser wegen des am 28. September gegen Luthers Schriften erlassenen Mandats zur Rede zu stellen und das soeben ge- krönte Oberhaupt des Reiches zu der Erklärung zu nötigen, daß der Erlaß eben nur für die Niederlande bestehe !. Über die bei Vollziehung der Bannbulle in Löwen und Lüttich obwaltenden Umstände, die Erasmus in einer wuchtigen Anklageschrift, den Acta academiae Lovaniensis, gebrand- markt hatte ?), waren der Kurfürst wie Sickingen durch den Rotterdamer unterrichtet worden; denn die von Butzer er- wähnte Begegnung Siekingens mit Erasmus kann pur auf jenem Kölner Fürstentage stattgefunden haben ?).

Von seinem Standpunkte aus bemerkte also Cochläus mit Recht, daß über die Erklärung des Kaisers vor allem „zwei der deutschen Humanisten (Poeten) tobten, Hutten und der Westfale Hermann von dem Busche, altbekannte Feinde, der eine der Mönche und scholastischen Theologen“ in erster Linie der von Hochstraten geführten Dominikaner und der mit ihnen gegen Reuchlin verbündeten Kölner Profes- soren „der andere (Hutten) der Gegner der Nuntien und

1) Zeitschr. f. K.-G. XXV, 459 Anm. 2.

?) Kalkoff, Die Vermittlungapolitik des Erasmus usw., Arch. f. Ref.-G. I, 1 ff.

3) Butzer rühmt von seiner Zufluchtsstätte, der Ebernburg, aus am 6. April in einem Schreiben an den Erasmianer Beatus Rhenanus (Horawitz-Hartfelder, Briefwechsel des PB. Rh. S. 273) Sickingens Eintreten für das Evangelium: Est notus hic heros Capitoni et cum Erasmo congressus, quibus, puto, sunt probae dotes ipsius cognitae. Unmittelbar nach Absendung dieses Briefes, noch am 6. oder 7. April (Dep. Aleanders S. 158 Anm.), müssen die kaiserlichen Unterhändler auf Sickingens Schlosse eingetroffen sein. Kurz vorher scheint auch Capito auf der Ebernburg gewesen zu sein, und zwar auf der Rückkehr von der Reise, die ihn nach Frankfurt und Wiesbaden (29. Mürz) ge- führt hatte (Capito im Dienste Albrechts S. 33 ff, 184 f.). Denn am 28. (Gründonnerstag) schrieb Butzer an Capito, Sickingen habe ihn so- eben durch die Nachricht erfreut, daß Capito für die Ostertage seinen Besuch angekündigt habe; der Ritter sowie Hutten, der gerade in Sponheim weilte, wünschten dringend eine Bestütigung dieses Ver- sprechens (R.Stähelin, Briefe aus der Reformationszeit. Basel 1887 S, 18).

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der Kurtisanen“, also aller auf die finanzielle und politische Ausbeutung der päpstlichen Macht gerichteten Bestrebungen !). Indessen von Hutten, der ohne Siekingens Schutz über- haupt ohnmächtig war, brauchte man eben in jenen Wochen nichts zu besorgen, seit durch die Entsendung des kaiser- lichen Rates Paul von Armstorff und des Beichtvaters Glapion die beiden Ritter gründlich beschwichtigt worden waren ?): Sickingen war als Feldherr für den schon beginnenden Krieg gegen Frankreich gewonnen, und mit Hutten hatte man den Anfang gemacht, nach der Denkschrift des Nuntius Carac- ciolo wie dem kurmainzischen Referate Capitos die verarmte Ritterschaft durch des Reiches Sold und die Hoffnung auf Beute von ihrer Begünstigung Luthers und der Bedrohung der geistlichen Fürsten abzubringen ë): der Ritter hatte das ihm angebotene Dienstgeld des Kaisers angenommen und beschränkte sich während der Anwesenheit Luthers in Worms darauf, ihn brieflich zur Standhaftigkeit zu ermahnen. Einen feindseligen Akt wie jenen Fehdebrief würde er mit seinem Dienstverhältnis für völlig unvereinbar gehalten haben, da er ja seine Absage an die Nuntien durch ein unterwürfiges Schreiben an Karl V. (vom 8. April) förmlich zurückgenommen hatte und erst, seit er von dem bevorstehenden Erlaß des Wormser Edikts Kunde erhalten hatte, durch feierliche Auf- kündigung seines Dienstvertrages (am 22. oder 23. Mai) sich wieder freie Hand zum Kampfe gegen Rom verschaffte. Bei dieser Sachlage muß man nun einer eigenen Äuße- rung Huttens über sein Verhältnis zu dem Manifest, die sonst einem berechtigten Mißtrauen begegnen würde, unbedingt Glauben schenken, zumal sie an einen Mitverschworenen wie Pirkheimer gerichtet war, der sich ebenfalls wegen eines literarischen Attentats auf die Vertreter des Papstes im Banne befand) Selbstverständlich "hütet sich der Ritter,

ı) Commentaria p. 36. Er fährt fort: ,Inscribebatur itaque“...

2) P. Kalkoff, Aleander gegen Luther S. 74 ff.

3) Kalkoff, Die Romzugverhandlungen auf dem Wormser Reichs- tage. Breslau 1911. (Sonderabdr. aus der Festschrift des Schles. Philologenvereins zur Jubelfeier der Universität Breslau.) S. 7 u. 12.

*) Vgl. mein Programm: Pirkheimers und Spenglers Lösung vom Banne. Breslau 1896.

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den Namen des Urhebers dem Papier anzuvertrauen, doch merkt man, daß er eine bestimmte Person im Auge hat und darf bei dem regen Verkehr zwischen dem humanistischen wie dem kursächsischen Lager in Worms und den Insassen der Ebernburg unbedenklich annehmen, daß er ihn kannte. In seinem Bericht über Luthers Erscheinen in Worms meldet er also am 1. Mai dem Nürnberger Freunde, daß „ein Gewisser öffentlich einen Zettel anschlug des Inbalts, dass vierhundert Edelleute sieh zu Gunsten Luthers verschworen hätten, mit dem Zusatze: Buntschuch, Buntschuch! Was sind das für verzweifelt ungeschickte Leute, die Luther helfen: wollen, während sie ihn doch nur verderben. Wiewohl einige die Umgebung des Kurfürsten von Sachsen meinen, es sei dieser Anschlag von den Gegnern erfunden worden, um Luther verhasst zu machen. was mir sehr wahrscheinlich vor- kommt“!). Hutten war also weit entfernt davon, ein Unter- nehmen zu billigen, das nur geeignet war, Luther in schlimmen Verdacht zu bringen und den Feinden zugleich die eigene . Ohnmacht zu verraten. Überdies waren seine Besorgnisse um Luthers persönliche Sicherheit, durch die er sich nach der Erklärung Karls V. vielleicht zu einem Gewaltstreich hätte fortreißen lassen, sofort durch Armstorff beschwichtigt worden, der ihm noch am 19. April die Mitteilung hatte zu- kommen lassen, daB man das Luther zugesicherte Geleit unter allen Umständen gewissenhaft zu beobachten und ihn in kürzester Frist heimzusenden gedenke. Von eben diesem gewiegten alten Diplomaten, der als geborener Elsüsser mit den örtlichen Verhältnissen, als Teilnehmer an den Wahl- verhandlungen von 1519 mit der Lage der Ritterschaft und den Absichten Sickingens vertraut war?) mußte der Kaiser, in dessen Zimmer Armstorff schlief, auch darüber beruhigt worden sein, dab von einem Zusammengehen des niederen

1) Böcking, Hutteni opera II, 61,9 ff.: Quidam publice proposuit schedium. .. O homines extreme importunos! etc. Deutsch bei Walch, Luthers sámtl, Schriften. Halle 1745. XV, 2322.

2) Vgl. zu vorstehendem meine Untersuchung über „Die Ge- winnung des kaiserlichen Rates Armstorff gegen Luther“ in Aleander gegen Luther. Leipzig 1908. S. 54 ff. bes. S. 72 ff, 79 f. Dep. Aleanders S. 253.

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Adels mit der unzufriedenen Bauernschaft nicht die Rede sein könne. Erst nach dem Reichstage konnte Cochläus be- richten, daß die Bauern in der Umgegend Frankfurts eine lutherfreundliche Gesinnung zeigten, aber eine bäuerliche Erhebung zugunsten Luthers unter der Führung des Adels mußte jedem ernsten Politiker als eine Utopie, eine lächer- liche Erfindung erscheinen. Und gar eine brauchbare Streit- macht von „achttausend Mann“ in den Rheinlanden auf- zubringen, war gegen den Willen der großen Werbeagenten, eines Kardinal Schinner und eines Sickingen, völlig un- möglich:

Der andere von Cochläus verdächtigte!) „Poet“, Her- mann von dem Busche, ist nun aber neuerdings in seiner rastlosen und leidenschaftlichen Agitation gegen die Voll- ziehung des päpstlichen Urteils, in seiner literarischen Be- fehdung der gegen Reuchlin, Erasmus .und Luther ver- schworenen Elemente so deutlich hervorgetreten, daß ihm auch jene drohende Kundgebung gegen. die bevorstehende Achtung Luthers zugeschrieben werdeu muß?). Dieser kampfes- . freudige Gelehrte hatte die von den Dominikanern endlich durchgesetzte, von Aleander in Köln verkündete Verurteilung

1) A. Wrede, der leider zu früh heimgegangene Herausgeber der . DRA, sagt S. 559 Anm. 2 noch vorsichtig: „vielleicht nicht ganz mit Unrecht“,

®) Mit dem Kreise der Wittenberger Freunde und Beschützer Luthers hatte Hermann v. d. B. schon auf dem Kölner Fürstentage Fühlung genommen, denn Spalatin verzeichnete am 28. September mit Genugtuung, daß er mit ihm sowie mit Caesarius u. a. Freundschaft geschlossen habe (ZKG. XXV, 517 Anm. 3). Den damals unter Leitung des Erasmus begonnenen satirischen Feldzug gegen das Papsttum und seine Vorkämpfer hat der Vf. des „Hochstratus ovans“ in Worms fortgesetzt in der „Litaneia Germanorum“, die ich ihm schon in meinen Dep. Aleanders S. 213 Anm. 1 zugewiesen habe, und in der „Passio D. Martini Lutheri", die O. Clemen mit größter Wahrscheinlichkeit auf ihn zurückführt (Beitr. z. Ref.-G. Berlin 1903. III, 9—20). Sein Hinweis, daß H. v. d. B. der einzige von den humanistischen Satirikern war, der noch der Bücherverbrennung in Worms beiwohnte, läßt sich ergänzen durch die Beobachtung, daß in der ,Passio^ am Schlusse gegen das dem Westfalen besonders verhafte Zensuredikt polemisiert wird (S. 11 f). Ebenda die literarischen Angaben zu dem unten er- wühnten Spottvaterunser sowie zu Cordus und Engentinus.

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Reuchlins mit der gewaltigsten Satire jener Tage, dem „Hochstratus ovans“, erwidert und die literarische Opposition zur Zeit des Kölner Fürstentages (Ende Oktober bis Anfang November 1520) im Bunde mit Erasmus so meisterhaft organisiert, daß Aleander die dortige Bücherverbrennung nur in aller Heimliehkeit zu vollziehen wagte !); er war es, der dem Nuntius bei derselben Gelegenheit in Mainz eine schmach- volle Niederlage bereitete. Im Dezember war er, wie der Nürnberger Pirkheimer berichtet, von Mainz aus im Ein- vernehmen mit Hutten umhergeritten, „um die Romanisten auszuspähen“?), wobei wohl weniger an seine alten Gegner, die scholastischen Theologen und Dominikaner, als an die Nuntien zu denken ist, denen er denn auch nach Worms gefolgt war. Dabei hatte er unzweifelhaft von jenem frän-

1) Aleander gegen Luther IV: Aleander in Köln S. 36 ff.; Die Vermittlungspolitik des Erasmus, a. a. O. I, 65 ff. Eine einiger- maßen genügende Biographie des 1468 aus altritterlichem Geschlecht auf der Sassenburg im Münsterlande (zwischen Warendorf und Vers- mold) geborenen Humanisten besitzen wir noch nicht, Eine von dem „Kölner Priester“ H. J. Liessem 1866 veröffentlichte Bonner Disser- tation (De Hermanni Buschii vita et scriptis) vermag, von der Dürftig- keit des Materials abgesehen, dem „Klassiker des Humanismus“, wie ihn L. Geiger in der Allg. D. Biogr. III, 640 treffend genannt hat, nicht gerecht zu werden; von seinem Eintreten für die lutherische Bewegung wird selbstverständlich kaum Notiz genommen; fragt sich doch der Vf. nicht einmal, welche „erschütternden Erlebnisse“ (miram tragoediam) H. v. d. B. den Mainzer Freunden, Hedio und Capito, zu berichten hatte, als er Mitte Oktober 1520 von Kóln aus bei ihnen erschien (S. 71. Böcking I, 421). Der Vf. hat zwar in einer Reihe von Exkursen (Progr. des Kaiser-Wilh.-Gymn. Köln 1884—88) die frühere humanistische Wirksamkeit des ,Pasiphilus^ (Wortspiel mit „Westphalus“), seinen Aufenthalt in Leipzig, seine ersten Kölner Jahre, seine „Flora“, seinen Anteil an dem sachlich nur andeutungsweise be- rührten Streit der theologischen Fakultät mit Petrus von Ravenna behandelt und eine wertvolle, aber nur bis 1516 reichende Bibliographie hinzugefügt, aber über das aufopfernde Eintreten des eheinaligen Reuchlinisten für Luther und die Sache des Evangeliums wußten wir bisher nur wenig. Das Folgende dürfte. geeignet sein, das Urteil Geigers (Renaissance und Humanismus. Berlin 1882. S. 426), daß er „das Ritterliche in seinem Wesen freilich selten oder nie zum Vor- schein kommen lasse“, für diese letzte Lebensperiode des gereiften Kämpfers zu korrigieren.

2) Capito im Dienste Albrechts S. 37 f.

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kischen Ritter Silvester von Schaumberg gehört oder sich vielleicht gar mit ihm in persönliche Verbindung gesetzt, der in seinem Schreiben vom 11. Juni 1520 Luther die Hilfe von hundert Edelleuten als Schutz gegen unbillige Ver- folgung in Aussicht gestellt hatte). Über die Untätigkeit Siekingens und Huttens war er aufs äußerste aufgebracht und suchte diesen noch am 5. Mai durch den Hinweis auf die Brutalitäten der Spanier im Kampfe gegen Luther und die Begünstigung Aleanders durch den Kaiser zum Los- schlagen zu bestimmen: die Gegner höhnten schon, Hutten belle wohl, beiße aber nicht, und werde so das Ansehen, das er bisher als Führer der nationalen Partei gegen römische Anmaßung genossen habe, einbtüfen?).

1) Enders, Luthers Briefwechsel II 415 f. ZKG. XXV, 508 Anm. l. Auch sonst mochte er manches über lutherfreundliche Ge- sinnung unter dem fränkischen Adel gehört haben: die Nürnberger Gebannten, Spengler und Pirkheimer, hórten viel über die ablehnende Haltung des Bischofs Georg von Bamberg der Verdammungsbulle gegen- über: dieser, ein Schenk zu Limburg, habe dem Dr. Eck unter vier Augen gesagt, er sei Luthers Opinion und, wo er das tun sollte, was der Nuntius begehre, wüßte er keinen Rat zu behalten oder wieder zu bekommen: denn die seien alle lutherisch. „Der von Rosenau hat Ecken gesagt, er wolle an Luther bis an sein Grab bleiben, und wenn Eck ihn darin stóren wollte, sollte ihm der zu Ingolstadt in seiner Pfarrkirche nicht sicher sein“ (Knod am 22. Okt. 1520. J. B. Riederer, Nachrichten zur Kirchen- usw. Gesch. Altdorf 1765. I, 327 f£). Doch mußte H. v. d. B. auch darüber im klaren sein, daß derartige Er- scheinungen nur vereinzelt vorkamen und daß von den Worten zu Taten noch ein weiter Weg war. Über ,S. v. Schaumberg, den Freund Luthers“ vgl. das gründliche Buch von Fr. Kipp, Leipzig 1911.

2) Bócking, l. c. II, 63,1. H. Haupt, Beiträge zur Reformations- gesch. der Reichsstadt Worms. Gießen 1897. S. 16 f. Diesen Tat- sachen gegenüber kann der von Beyl (s. hernach) vermutungsweise genannte Kaplan einer Wormser Pfarre, Joh. Rom oder Römer, nicht in Betracht kommen, selbst wenn er wirklich mit dem „Joh. Romanus", dem Verf. einer Mitte Mai abgeschlossenen Flugschrift, „der hoch thuren Babel“, identisch sein sollte. Wir besitzen über diesen leiden- schaftlichen Erguß eines von Haß gegen Päpstler und Juden erfüllten unklaren Kopfes eine bibliographisch und analytisch erschöpfende Untersuchung von dem besten Kenner der .„Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation“ (Leipzig 1907 ff.), von O. Clemen; die „völlig regellose, in wilder Hast sich überstürzende Schreibweise“, dieses „Konglomerat von zornigen Stellen der alttestamentlichen Prophetie,

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II. Die Überlieferung und Bedeutung des Manifestes.

Nach Feststellung dieser tatsächlichen Verhältnisse ist es nun möglich, zum Verständnis des Wortsinnes jener Kund- gebung zu gelangen, das bisher auch durch den zu wenig beachteten mittelalterlichen Sprachgebrauch erschwert wurde. Denn in Schriftsätzen des beginnenden sechzehnten Jahrhunderts

der Apokalypse und der Kalenderliteratur jener Tage“ (Zeitschr. f. - Kirchengesch. XX, 448 f) ist ganz unvereinbar mit den schlichten, wuchtigen Sätzen des Absagebriefs. Der Vf. ist durch diesen angeregt worden zu seinem Appell an „die wahrhaftigen, strengen, edelen Ritter Christi, die zusammengeschworen den gerechten Luther nit zu verlon“, daß sie „den Christenglauben vor dem elenden giftigen Drachen und Romanisten und vor den Juden beschirmen" (a. a. O. S. 447—449). Die Kernworte des Manifestes, die sich auf die nur den ,Eingeweihten unter diesen ruchlosen Akademikern“ bekannten Intrigen bei der Entstehung der kaiserlichen Mandate beziehen, hat auch er nicht verstanden: er half sich daher, wie bis heute die be- rühmtesten Darsteller der Reformationsgeschichte, indem er sie mit Stillschweigen überging. Bei aller Verworrenheit hat er aber doch den wunden Punkt in der Erklärung der „vierhundert Edeln" herausgefühlt, die tiefe Entfremdung zwischen Adel und Bauernstand: beide sind dem Verderben nahe, aber es fehlt viel daran, daß „der Arme in Einigkeit sei zufrieden mit dem Adel und dieser mit dem Armen in brüderlicher Liebe zusammenginge“: hier soll der Kaiser helfen! (a. a. O. S. 449 Anm.1). Wie wenig man zur Zeit des Wormser Reichstages auch nur an die Möglichkeit einer Verbindung zwischen Banern und Ritterstand dachte, bei der letzterem die Führerrolleim Kampfe gegen die drückende Pfaffenherrschaft und die mit ihr zusammenhängenden Mißstände zu- fallen müfte, ergibt sich auch aus dem Vergleich der beiden Flug- schriften Karsthans und Neukarsthans: die erstere, nach H. Burck- hardts überzeugendem Nachweis (Flugschriften ... hrsg. v. O. Clemen. Leipzig 1910. IV, 18 ff. 34, 47 f.) von dem Schweizer Humanisten Joachim von Watt verfaDt, bewegt sich im Rahmen ihrer religiós- sozialen Tendenz, warnt den Bauern vor jeder Selbsthilfe und verweist ihn einzig anf Christum. Diese Schrift war um die Jahreswende ge- schrieben worden und noch vor Mitte Januar in Straßburg erschienen (S. 35 ff). Durch sie angeregt, schrieb Hutten im Sommer seinen Neukarsthans (wie W. Köhler schon 1898 zeigte; zu ARG. VIII, 215 ff.), in dem er Sickingen die politische Führung in einem gegen die Römischen gerichteten Bauernaufstande zuwies. Abgesehen davon, daß diese Idee in den Verhältnissen begründet war und dem Feuergeiste eines Hutten naheliegen mußte, darf immerhin der Keim dazu in dem Manifest vom 20. April gefunden werden.

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begegnen zwar schon überwiegend neuhochdeutsche Wort- formen, doch sind Syntax und Synonymik oft noch durchaus mittelhochdeutsch. Der von den Frankfurter Gesandten mit- geteilte authentische Text lautet'):

„Als wir beredt haben und geschworen den gerechten Luter nit zu verlossen in unser zale vierhundert geschworner edeln kleines verstands, schriben wir fursten und herren Romanisten und zuvor dem bischof von Menz unser ernstlich feintschaft, dieweil doch ere und gotlich recht verdruckt sein sol, sunder anzeigung eines namen und zufugung aller tyrannie uber pfaffen irn bistant. Slecht schrib ich, doch ein grossen schaden mein ich, mit achttusend man kriegen will ich. Bunt- schuch, buntschuch, buntschuch.“

Die etwas veränderte Fassung, die sich in einem gleichzeitigen Bericht über Luthers Aufenthalt in Worms findet und auch in zwei Straßburger Drucke dieses vor allem Luthers Rede enthaltenden Stückes übergegangen ist, kann mit ihren Abweichungen nicht ins Gewicht fallen; diese Quelle ist bisher stark überschätzt worden, weil man sie zu Unrecht auf Spalatin zurückführte?), aber die Varianten kenn- zeichnen sich selbst als auf Flüchtigkeit und Mißverständnis beruhend, wie besonders der sinnlose Schluß: „mit kriegen wol hunderttausent man will ha“. Dasselbe gilt von Les- arten wie: „dich in großen schaden mein ich“ und „zu fluchung aller tyrannie“, so dass auch die Ersetzung des den Neueren unbequemen „uber“ durch. „wider pfaffen und bistende“ als willkürliche Entstellung des Textes durch einen gedanken- losen oder mit den Verhältnissen wenig vertrauten Leser?) abgelehnt werden muß, zumal wenn der schlichte Wortsinn des besseren Textes eine befriedigende Lösung ergibt.

Nun ist nachträglich noch ein weiterer Text aufgetaucht, den der Jesuit H. Grisar in seinem „Luther“ benutzt hat‘).

1) An der überlieferten Interpunktion wurde zunächst absichtlich noch nichts geändert.

* DRA. II, Nr. 80 S. 569 Anm. 2, 8.571 Anm. 1 zu der Über- lieferung von J; Wrede gibt S. 559 Anm. 2 deren Varianten, doch ohne kritische Stellungnahnie.

*) Dahin gehört in den Straßburger Drucken die Fassung: „zu- fluchung aller schirmrie“, d.h. Fechterkünste. Von Beyhl, Schul- zeitung S. 85, erwühnt.

*) Bd. I: Luthers Werden usw. Freiburg i. Br. 1911. S. 388.

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Er zeigt sich dabei nicht nur unbekannt mit dem in den Reichstagsakten niedergelegten Material, sondern verfährt bei seiner Verwertung des Textes mit kritikloser Abhängigkeit von dem Anonymus, der das Stück aus einem nicht näher bezeichneten „Hamburger Briefkodex des sechzehnten Jahr- hunderts^ herausgegeben hat!) Es ist ein Verdienst des von seiner Auseinandersetzung mit dem Exjesuiten von Berlichingen her bekannten J. Beyl?) auf die Mängel der von Grisar beliebten Wiedergabe aufmerksam gemacht zu haben, nur daß seine eigenen redlichen Bemühungen eben aueh nicht zu einem einwandfreien Ergebnis führen konnten ?).

1) Im „Katholik“, 82. Jahrg. 2, 96 (1902). Diese Blütenlese von drei aufs Geradewohl zusammengestellten Bruchstücken soll zeigen, was für frivole und ruchlose Gesellen doch Luthers damalige Anhänger gewesen seien. Das eine Stück ist ein travestiertes Paternoster, in dem der Mifbrauch der püpstlichen Macht zu weltlichen Zwecken gegeißelt wird, das andere ein Absatz aus der Flugschrift „Doctor M. Luthers Passion", worauf schon J. Beyhl aufmerksam machte, das dritte unser Fehdebrief. Der Herausgeber tat wohl daran, seine ,Miscelle^ unter dem schützenden Mantel des Redaktionsgeheimnisses zu veröffentlichen. Vgl. oben S. 352 Anm. 2.

2) J. Beyl, Ultramontane Geschichtslügen. S. Merkle, Refor- mationsgeschichtliche Streitfragen. Würzburger Luther-Vorträge, hrsg. vom Evang. Bunde (gehalten von Kolde, Kawerau, Buchwald u. a.). München 1908 f, bei J. F. Lehmann.

3) Freie Bayerische Schulzeitung. Geleitet von Lehrer J. B. 12. Jahrg. Nr. 6. Würzburg, 16. März 1911. S. 81—806. . Nur geschieht Grisar noch zuviel Ehre, wenn er als Urheber der Überaetzung be- handelt wird. Er stempelt diese dadurch zu seinem geistigen Eigen- tum, daß er in der zweiten Parenthese den Zusatz „Ebernburg“ weg- läßt und uns dann belehrt: „Bei dem Ausdruck Zufiuchtsort denkt man an die Ebernburg, den Hauptsitz des Ritters Fr. v. Sickingen, von wo aus er mit Hutten seine Plàne zur Unterstützung Luthers auszuführen suchte.^ Abgesehen davon, daß hier Sickingen, dem rohen Kondottiere, eine Initiative in der kirchlichen Frage zugeteilt wird, die er nicht besessen hat, und daß er längst mit den Kaiser- lichen handelseinig war, ist die Behauptung, daß „das Plakat früher nur seinem Inhalte nach“, erst durch die Veröffentlichung im „Katholik“, aber im „Wortlaut“ bekannt sei, bezeichnend für die Art der Quellen- benutzung durch diesen Meister ultramontaner Tendenzhistorie: er führt die wissenschaftliche Literatur in einer Übersicht und in reich- lichen Zitaten an, benutzt aber nur, was ihm paßt. Ein Beispiel statt vieler: K. Müller hatte 1904 von „den eigentlichen Akten des Luther- prezesses^ gesprochen, die er in römischen Archiven noch vermutete;

Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 4. 21

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Beyl dürfte indessen zunächst ganz richtig angenommen haben, daß wir hier eine selbständige Abschrift vor uns haben, worauf schon die auf eigener Beobachtung beruhende Vorbemerkung hindeutet: „So ist diese absag ufs Luthers verantwürten an die minz geschlagen.“ Die Münze befand sich unmittelbar neben dem Rathaus oder „Bürgerhof“, und überdies berichten alle Quellen, daß der Anschlag an ver- schiedenen Stellen erfolgt war. Der Text stimmt mit dem des Frankfurter Zettels besser überein als der des Berichts J und der Straßburger Drucke. Daß das Wort „Bundschuh“ nur einmal und die Zahl der „geschworenen Edelleut^ mit „Il C“ wiedergegeben wird, ist belanglos. Den für Fern- stehende schwer verständlichen Passus hat sich auch dieser Schreiber auf seine Art zurechtgelegt: „on sonder anzeigens einches namens und zuflucht aller tyranni wider pfaffen und ire bistender.“

Diese drei adverbiellen Bestimmungen zu dem mit „dieweil“ beginnenden Kausalsatze hat man nun in Un- kenntnis des Sachverhalts und beirrt durch ein vorauf- gehendes Komma mit dem Zeitwort des Hauptsatzes in Ver- bindung gebracht, obwohl naeh einem allgemein anerkannten

ich hatte darauf den methodischen und praktischen Nachweis geführt, daB wir diese Akten so gut wie vollständig besitzen. Grisar führt zwar meine „Forschungen zu Luthers römischem Prozeß“ an, (ich glaube auch in seinem Buche über die Reliquien der Sancta Sanctorum einen Fingerzeig entdeckt zu haben, daß ihm meine Anwesenheit in Rom nicht unbekannt geblieben ist); er versichert aber (S. 365 Anm. 5) mit dem Anschein rückhaltloser Wahrheitsliebe: „Sollten sie sich finden, so unterliegt ibre Publikation jedenfalls keinem Zweifel“. Liegen sie etwa in dem Geheimschranke, in dem man im Vatikan die Schriften Luthers aufbewahrt, die man in der Konsultationsbibliothek vergeblich sucht? Meine Untersuchungen über die religiöse Richtung Albrecht Dürers scheint er in der Tat nicht zu kennen, kritisiert aber (S. 364 Anm. 1) eine für Dürers Zugehörigkeit zum Protestantismus ein- tretende Arbeit damit, daß es „mit nicht einwandfreien Gründen“ ge- schehe, vorsichtiger als ein anderer von Gr. erwühnter Hausfreund des ,Katholik", A. Weber, dessen Leistungen als Dürer-Forscher ich im Repertor. f. Kunstwissensch. XXVII, 351 Anm. 10 hinlünglich ge- kennzeichnet habe. Zu Grisars Behandlung dieser Periode der Reformationsgeschichte vgl. meine Auferungen in ZKG. XXXII, 211 Anm. 3 und meine „Miltitziade*, Leipzig 1911, S. 16—18.

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Grundsatze die Lesezeichen jener Zeit von dem Herausgeber sinngemäß zu verbessern sind.

Der Hausfreund des „Katholiken“ hält es demnach für nötig, „den verschrobenen Absagebrief in folgender Weise zu konstruieren“: „schreiben wir... dem Bischof von Mainz dieweil doch Ehr und göttlich Recht unterdrückt sein soll ohne besondere Angabe unseres Namens (also anonym!) und Zufluchts(ortes Ebernburg!) vor aller Tyrannei unsere ernstliche Feindschaft wider die Pfaffen und ihre Beiständer.“

Der Inspirator Grisars, der seine für die Verworfenheit der lutherischen Edelleute so beschämenden Fündlein gehörig ins Licht zu setzen versteht, schiebt ihnen also die pedan- tische Umständlichkeit zu, daß sie auf die Anonymität ihres gefährlichen Anschlags noch besonders aufmerksam machen, obwohl er selbst doch die einfache Weglassung seines Namens zu diesem Zwecke für ausreichend befunden hat; dabei gewinnt er mit der gewaltsamen Ergänzung „Zu- fluchtsortes‘“ auch eine scheinbar befriedigende Beziehung für die letzten Worte des nun glücklich eingerenkten Satzes.

Beyl hat richtig erkannt, daß die Geheimhaltung des eigenen Namens von dem Verfasser nicht besonders betont zu werden brauchte, und hat nun bei ungenügender Kenntnis des Sprachgebrauchs den Verzicht auf die in einem Fehde- brief eigentlich zu erwartende Aufzählung „aller der zahl- reichen geistlichen und weltlichen Widersacher Luthers“ darin finden wollen!); er übersetzt schließlich frei: „ohne besondere Aufzählung der verschiedenen Personen, aber unter Androhung heftigster Kriegführung wider sämtliche Pfaffen und ihre Helfershelfer‘. Er umging damit das Bedenken, daß Männer, die sich zum Schutze eines Schwachen gegen die ungesetzliche Unterdrückung von Wahrheit und Recht erheben wollen, ihre als Notwehr empfundene Gewalttat doch nieht mit dem gehässigen Namen der Tyrannei be- zeichnen werden.

1) Der beste Text sagt „sunder anzeigung eines namen", und die Variante „einichs“ bedeutet nur eine sinngemäße Verstärkung: „auch nur eines einzigen Namens“; den darin liegenden Widerspruch mit der Nennung des Erzbischofs Albrecht hat B. richtig herausgefühlt.

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Einfacher weiß sich A. Hausrath mit derartigen Kleinig- keiten abzufinden: er spricht kurzerhand von einem Anschlag verbündeter Ritter, „die der Tyrannei der Pfaffen ein Ende machen wollten“ +). Immerhin ist hier der Ausdruck „Tyrannei“ zutrefiender verwertet wordeh als von Janssen, der, obwohl er den Frankfurter Originaltext zugrunde legte, die Fehde ansagen läßt „ohne Anzeigung eines Namens und Zufügung aller Tyrannei über den Anhang der Pfaffen“?).

Der vorsichtige Kóstlin?) aber hat hier wie bei so mancher andern Gelegenheit die schwierige Stelle einfach beiseite gelassen, ebenso Kolde u. a. Indessen muß man dem Anonymus des ,Katholik* mit seiner willkürlichen Behand- lung der widerspenstigen Formeln beinahe das Verdienst wissenschaftlicher Gründlichkeit zuerkennen, wenn man sieht, daß Ranke den gesamten Wortlaut des Plakats wiedergibt, aber gerade die drei rätselhaften Ausdrücke wegläßt*), ohne wenigstens in einer Fußnote auf diesen Umstand aufmerksam zu machen.

1) Luthers Leben. Berlin 1904. I, 442. Dies Beispiel statt hundert für den Referenten der Hist. Ztschr. (R. Holtzmann), der meine schlichten kritischen Bemühungen durch den beschämenden Hinweis auf die Fülle von „Phantasie und Esprit“ bei H. glaubte herabsetzen zu müssen (Hist. Ztschr. 102, 442 und meine Entgegnung 103, 207£.).

2) Geschichte des deutschen Volkes 1879. II, 165.

*) Martin Luther. 3. Aufl. Elberfeld 1883. I, 456. 5. Aufl. Berlin 1903. I, 422. Th. Kolde, Luther und der Reichstag v. W. Halle 1883. S. 68. Auch in seinem größeren Werke (M. Luther I, Gotha 1881) läßt Kolde S. 339 bei Anführung des Wortlautes die mittlere Stelle aus und folgert: ,Demnach stellte man auch einen Bauernaufstand in Aussicht“, wobei das Subjekt vorsichtig im Dunkel gelassen wird. L. v. Pastor hat in der 17. Aufl. des Janssenschen Werkes (1897 ff. IT, 178) den vollen Wortlaut nach dem Texte Wredes eingefügt, doch ohne jede Erläuterung. Max Lenz (M. Luther. 1883, S. 120) findet in dem Anschlag. ,der einen Bundschuh zwischen Rittern und Bauern an- drohte“, den Beweis, daß „Volk und Adel und wohl die Fürsten selbst fur Luther eingestanden“ wären, wenn die Spanier oder die Nuntien ihn hätten antasten wollen. F. v. Bezold, Gesch. d. deutschen Ref. Berlin 1886, S. 345.

*) Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. 7. Aufl. Leipzig 1894. I, 337f. Er gibt von dem Kausalsatz nur den ersten Teil: „weil man Ehre und göttliches Recht unterdrücke". Die ver- stümmelte Form des letzten Satzes: „doch einen großen Schaden mein

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Man braucht sich aber nur die Lage nach dem Erlab des Sequestrationsmandats und der schroffen kaiserlichen Er- klärung vom 19. April zu vergegenwärtigen und dann die Kundgebung mit Zuhilfenahme des mittelhochdeutschen Wörter- buches so „schlicht“ zu lesen, wie sie geschrieben ist. Frei- lich ist der Verfasser dieser geharnischten Absage nicht so demütig gesinnt, daß er seine angeblichen Mitverschworenen als Leute „einfältigen Verstündnisses* !) hinstellen möchte; er nimmt vielmehr für sich und die Seinen den „gesunden Menschenverstand“ ?) in Anspruch, der sie befähige, die von den Nuntien und den spanisch-französischen Räten des Kaisers gesponnenen Ränke zu durchschauen, und beklagt nur, dab er bei der hier gebotenen Kürze und Einfachheit des Aus- drucks „die Größe des beabsichtigten Frevels“ nicht hin- länglich schildern könne?). Als Urheber werden, nachdem man den Kaiser seiner Jugend wegen nur mit jener bib- lischen Warnung bedacht hat, „Fürsten und Herren, Roma- nisten*) und vor allem der Erzbischof von Mainz“ verant- wortlicht gemacht: es werden somit als Feinde des „ge- rechten“, d. h. schuldlos verfolgten Luther zunächst die welt-

ich, mit 8000 Mann Kriegsvolk“ erklärt sich daraus, daß im Frank- furter Original geschrieben ist: „kriegen vill ich“. Treffend aber be- tont Ranke, daß „die entschiedene Erklärung des Kaisers die teil- nehmende Gesinnung für Luther in Bewegung brachte“, weil sie „so außerhalb aller Form des Reiches" erfolgte; dies aber galt doppelt und dreifach von der Veróffentlichung des Sequestrationsmandats. Bei der Komódie der Annahme des Wormser Edikts suchte man diese Fehler dem äußeren Scheine nach zu vermeiden, aber Ranke urteilt wieder ganz richtig, daB auch dieser wohl vorbereitete Akt der „Überraschung“ „nicht einmal formell genannt werden kann“ (S. 342 f.).

1) Janssen a. a. O.; „einfältigen Sinnes“ (Katholik a. a. O.); „schlicht gesinnte“ (Beyhl).

2) Es ist hier noch die ältere Bedeutung von „klein“ fein, scharfsinnig, klug (Lexer, Mhd. Wörterbuch I, 1614) durchzufühlen.

3) „Schaden“ bedeutet soviel wie „Schandtat, Unheil“. Wenn Beyhl mit Beziehung auf die folgende Ankündigung eines Krieges mit achttauseud Mann übersetzt: „doch ein großes Unheil plane ich“, so verwischt er den mit „doch“ angedeuteten Gegensatz zu der schlichten Form der Klage über einen ungeheuern Vertrauensbruch.

t) Die bei dem Fehlen des Kommas angenommene Verbindung „Herren Romanisten“ widerstreitet der Tendenz des zweiten Wortes.

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lichen Fürsten der päpstlichen Partei und neben ihnen die groDen Herren im Rate des Kaisers bedroht, die sieh selbst über den reichsfreien Adel Deutsehlands durch ihre pomp- haften Titel erhoben und aus ihrer Verachtung für die lutherische Ketzerei wahrlich kein Hehl gemacht hatten, allen voran der Herzog von Alba und der Marquis von Arschot, Wilhelm von Croy, der allmächtige Minister Karls V., der auch in „Dr. M. Luthers Passion“ verspottet wurde!) Auf geistlicher Seite werden in erster Linie die Vorkämpfer einer unumschränkten Gewalt des Papstes in Lehre und Kirchenregiment als „Romanisten“ angegriffen, die als Ver- üchter der dem deutschen Volke hochwerten Konzilien seit Luthers Sendschreiben „an den christlichen Adel“ unter diesem Namen in den weitesten Kreisen bekannt sein mußten. Sie waren zugleich die alten Gegner gerade eines Hermann von dem Busche, der jedoch in jenem Augenblick nach allem, was er in Worms beobachtet hatte, wohl zunächst die päpst- lichen Gesandten ins Auge gefaßt hatte, und zwar nicht nur Aleander, sondern auch den hochfahrenden und habgierigen Neapolitaner Caracciolo, der in seiner dem Erzbischof von Mainz schon im Februar überreichten und von Capito begut- achteten Denkschrift den auswärtigen Krieg als Allheilmittel gegen die von dem „lästerlichen Ketzermeister* Luther erregte Gärung empfohlen hatte?). Bei den intimen Beziehungen der alten Erasmianer?) mußte der Kölner Humanist von Capito selbst über alle Umtriebe und Übergriffe der „Römlinge“ unterrichtet worden sein; zugleich erklärt sich aus dem Bilde, das der damalige Spiritus rector des kurmainzischen Kabinetts von dem schwächlichen und schwankenden Charakter seines genußsüchtigen jungen Fürsten entworfen hatte, der kluge Streich, „allen zuvor“ den ängstlichen Kardinal als Zielscheibe der Adelsverschwörung hinzustellen.

2) Vgl. Dep. Aleanders S. 168 Anm. 2 und die Einleitung S. 11 ff. DRA. II, 545 Anm. 1, 2.

*) Kalkoff, Romzugverhandlungen S. 5 u. 8.

3) Vgl. dazu neuerdings meine Untersuchung über „Erasmus u. s. Sehüler W. Nesen u. Nik. v. Herzogenbusch im Kampfe mit den Lówener Theologen“ in Zwinglis Briefen, hrsg. v. Egli u. Finsler I, 402 f. und Capite im Dienste Albrechts Kap. III u. IV.

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Die Ankündigung „ernstlicher Feindsehaft* wird nun damit begründet, daß „Ehre“, d. h. die von Luther in frei- mütigem Festhalten an der erkannten Wahrheit bewiesene Ehrenhaftigkeit, und „göttliches Recht“, also die von Menschen- satzung gereinigte Lehre des Evangeliums „unterdrückt werden solle!) -ohne Anzeigung auch nur eines einzigen Namens“, durch kaiserliche Erlasse, für die niemand vor der Öffentlichkeit die Verantwortung zu übernehmen geneigt ist, und „mit Hinzufügung?) aller Tyrannei“, also gehässiger Zwangsmaßregeln, die „über der Pfaffen Beistand)“ hinaus- gehen, die in weiterem Umfange und in härterer Form, als es zur Aufrechterhaltung der kirchlichen Macht nötig wäre, das religiöse und geistige Leben der Nation bedrohen.

Die Beschwerde der lutherfreundlichen Kreise knüpft also an die verfassungswidrige und formlose Veröffentlichung des Sequestrationsmandats^) an, durch die ja auch Luther das ihm zugesagte Geleit für verletzt erachtet. Auch Aleander

!) Dieser bedeutsame Ausdruck des Manifestes klingt nach in dem Bericht eines Augenzeugen des Verhörs vom 18. April, des Dr. Krel an den Freiherrn von Gundelfingen vom 30. April: „ich bin besser Luthers denn all mein tag nie, will zu gott verhoffen, er werd die warheit mit keiner gewalt unterdrucken, sonder je lenger je mer an das licht kommen lassen“. DRA. II, 886, 2 ff.

2) Die Präposition „mit“ ist nach einem als Zeugma bekannten Sprachgebrauch weggelassen worden. Mhd. zuovüegunge = commis- sura, coniunctio. Lexer a. a. O. III, 1200.

3) Zur Bedeutung der Prüposition „über“ vgl. ebenda II, 1606. Aus der weiteren Entwicklung zur „Überschreitung und Verletzung des Maß- gebenden: = gegen, wider, trotz“ erklärt sich das Eindringen der Lesart: „wider pfaffen und ire bistender“. Das Nächstliegende ist, „bistand“ als „Unterstützung“ mit dem Genit. obiectivus aufzufassen; die an sich nicht unmögliche Deutung: „über die Forderungen der dem Kaiser beistehenden, ihn beratenden Pfaffen hinaus“ wird durch die Erwägung ausgeschlossen, daß man in den Kreisen der Humanisten genau wußte, wie Aleanders berechnender Fanatismus an Härte und Findigkeit nicht übertroffen werden konnte; sie haben dies in ihren gegen ihn ge- richteten Spottschriften deutlich genug ausgesprochen. Arch. f. Ref.- Gesch. I, 82 f. u. ö.

*) Wie sorgfältig Aleander sonst die zur rechtskräftigen Ver- öffentlichung derartiger Erlasse notwendigen Formalitäten zu beob- achten für gut hielt, wurde in meinen „Anfängen der Gegenreformation in den Niederlanden“, Halle 1904, I, 24 ff. nachgewiesen.

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bezeugt schon am 29. März, welchen niederschmetternden Eindruck diese offenkundige Stellungnahme des Kaisers bei ihnen hervorgebracht habe: die Lutheraner hätten schon wieder von der Frankfurter Messe mehr als drei große Wagen- ladungen von Büchern nach Worms gebracht, die sie nun plötzlich in der äußersten Bestürzung fortgeschafft hätten. Wegen der langen Verschleppung des die Bannbulle voll- ziehenden Edikts hätten sie bisher im Volk die Meinung verbreiten können, daß der Kaiser auf ihres Luthers Seite stehe; jetzt aber ließen sie die Köpfe hängen und, nur um das Volk nicht zu verlieren, erklärten sie bald, das Mandat sei erschlichen, bald, es sei Luther durch seine Veröffent- liehung ohne vorgüngiges Verhör Unrecht geschehen !).

Eine derartige Kränkung des Luther nach der Wahl- kapitulation Karls V. zustehenden Rechts?), die nach der neuesten Erklärung des Kaisers nahe bevorzustehen schien, abzuwenden, war der Zweck des Drohbriefs, wie er auch von urteilsfähigen Zeugen richtig aufgefaßt wurde. Der markgräflich ansbachische Sekretär Vogler berichtet am 20. April über den Anschlag in die Heimat, daß „darin Kais. Majestät gebeten werde, den Luther unverhört nicht zu verdammen; sollte es aber doch geschehen, so solle er wissen, daß die verschworenen Edelleute sich des Verfolgten annehmen wollten“ >’).

III. Hermann v. d. Busche im Kampfe gegen das Zensuredikt.

Auf den dureh seine Umgebung über die Ohnmacht‘) der Urheber der Demonstration vorztiglich unterrichteten Herrscher machte diese wenig Eindruck; er erklärte am

1) Brieger S. 116 f., Dep. Aleanders S. 142 f.

2) Art. 24 bestimmte, daß niemand ohne Ursache und unverhört in des Reiches Acht getan werden dürfe. ZKG. XXV, 545.

*) DRA. II, 559 Anm. 2.

*) Auch aus der Korrespondenz Huttens mit seiner Familie und Standesgenossen aus d. J. 1520/21 geht hervor, daß er bei dem völligen Ausbleiben der von der Ritterschaft erwarteten Hilfe und dem Ver- sagen Sickmgens ganz vereinsamt und auf seine literarischen Kampf- mittel beschränkt war. S. Szamatólski, U. v. Huttens deutsche Schriften. Qu. u. F. z. Sprach- a. Kulturgesch. Heft 67. Straßburg 1891. S. 92.

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4. Mai seinem Beichtvater, der über die Mißachtang des Sequestrationsmandats in Worms Klage führte, wo nach wie vor „die Schriften Luthers und seiner verruchten Genossen“ verkauft wurden, dab er nach dem Zustandekommen des neuen, von Aleander zu entwerfenden Mandats den ersten, bei dem eine Schrift oder ein Bildnis Luthers gefunden würde, am Fenster des bischöflichen Palastes werde auf- knüpfen lassen"). Aber auch die Wirkung des Fehdebriefs auf den ängstlichen Erzbischof von Mainz ist bisher über- schätzt worden. Einmal wissen wir, daß die entscheidende Stellungnahme des Kurfürstenrates, die das zweite Verhör Luthers vor dem Reichstagsausschuß herbeiführte, schon am 19. April sich vollzogen hatte. Der Erzbischof aber bedurfte bei seiner von Capito geleiteten zähen Opposition gegen die Kurie und im besonderen gegen die Vollziehung des päpst- lichen Urteils durch ein Reichsgesetz keineswegs dieses Anstoßes, um sich der kaiserlichen Willensmeinung ent- gegenzustemmen; er bediente sich vielmehr des nächtlichen Vorganges, über dessen Harmlosigkeit ihm sein geistlicher Rat am besten beruhigende Erklärungen geben konnte, um seine aus recht selbstischen Beweggründen entstandene Animosität gegen die Kurie zu maskieren. Ja, er benutzte einige Monate später den Hinweis auf die Mißstimmung des hohen und niederen Adels gegen Rom, um auf seine Forderung der Legatenwürde zurückzukommen, mit der ein ausgedehntes Verfügungsrecht über die geistlichen Pfründen verbunden sein müsse: durch deren Verleihung an die unversorgten Edelleute müsse man versuchen, sie mit der römischen Kirche zu versóhnen ?).

1) Brieger S. 179 f. Dep. Aleanders S. 208 f. Der Jesuit spricht in orakelhafter Weise von ,den verschiedensten Schritten der Huma- nisten und Reichsritter, die Stünde, die davon Dunkles zu hóren be- kamen, mit Furcht vor einem gewalttätigen Eingreifen zu Luthers Gunsten zu erfüllen.“ „Manche Drohungen gelangten an die furcht- samen Stände“ (S, 383). Er will damit wohl den Eindruck erwecken, als ob die Reichsstände geschlossen auf der Seite des Papstes ge- standen und ohne den unheimlichen Terrorismus dieser Verschworenen weit schneller und gründlicher mit dem lutherischen Wesen auf- geräumt hätten. |

?) Capito im Dienste Albrechts S. 67.

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Die wenigen humanistischen Gelehrten nun, als deren Führer sich Hermann v. d. Busche schon durch sein Schreiben vom 5. Mai hinlänglich legitimiert, müssen wir unter den jüngeren, unabhängigen Männern erblicken, die meist nur vorübergehend in Worms sich aufhielten. Diese Gruppe hatte zwar eben durch Vermittlung des berühmten Westfalen mancherlei Beziehungen und sogar einen gewissen Rückhalt an den in einflußreichen amtlichen Stellungen befindlichen, aber deswegen auch zu vorsichtiger Zurückhaltung genötigten Gesinnungsgenossen, wie der kursächsische Kanzler Brück und Spalatin, W. Capito, Lazarus Spengler und Konrad Peu- tinger!) während besonders die kaiserlichen Räte und Sekretäre, wie der Reichsvizekanzler Ziegler, die Räte Stabius und Banmnissis, die Sekretäre Siebenberger, Spiegel und Beatus Arnoaldus sich teils in einer sehr unsichern Günner- schaft gefielen, teils geradezu von Aleander erkauft waren. Zwei im Gefolge des Kardinals von Salzburg erschienene Humanisten, Rudbert von Mosheim und P. Geraeander, die sich am 1. Februar brieflich mit Hutten in Verbindung setzten?), durften sieh. diesen und vielleicht auch andere herausfordernde Schritte schon eher gestatten, da ihr hoher Patron zum bittern Ärger Aleanders es für gut befand, der Kurie eine verschlagene und höchst unbequeme Opposition zu machen: „seine Umgebung (familiares) trug auf dem Reichstage eine lutherische, oder jedenfalls romfeindliche Haltung zur Schau und suchte den Vertretern der Recht- gläubigkeit bei jeder Gelegenheit einen Streich zu spielen“. Der Erzbischof entzog sich am 30. April in demonstrativer Weise der Mitwirkung bei der Vorberatung des gegen die Lutheraner zu erlassenden Reichsgesetzes durch plötzliche. Abreise); bis dahin also könnten seine Begleiter den Be- strebungen Hermanns v. d. Busche Vorschub geleistet haben.

1) Über die laue und zweideutige Haltung des Augsburger Stadt- schreibers in Luthers Sache vgl. meine Forsch. zu Luthers röm. Prozeß S. 162 Anm. 2.

2) Die literarischen Nachweise zu folgendem finden sich in meiner Arbeit über J. Wimpfeling in der Ztschr. f. d, Gesch. des Oberrheins, N. F. XIII, 268 Anm. 3.

3) P. Kalkoff, Aleander gegen Luther S. 116 ff., 138.

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Einen freimütigen und zuverlässigen Gefährten erhielt dieser seit Mitte April an dem Hessen Euricius Cordus (Heinrich Eberwein) aus dem mit Lutber eng verbundenen Kreise der Erfurter Humanisten. Dieser hatte soeben noch dem feierlichen Empfang Luthers durch die dortige Univer- sifát beigewohnt, worauf er in Begleitung seines Günners, des Arztes Georg Sturz (Stureiades), und des Philipp Engentinus (Engelbrecht von Engen) eine Reise nach Paris und Italien antrat, die ihn noch vor Luthers Ankunft nach Worms führte. Hier begrüßte er ihn mit einem Jubelliede. während er seine Gegner in Spottversen befehdete und den Kaiser aufforderte, Luther nicht ungehört seinen Feinden preiszugeben?). Cordus blieb länger als Luther in Worms, während Engentinus sich schon früher dort eingefunden hatte. Denn nur diesem Umstande ist es zuzuschreiben, daß er zum Gegenstand eines literarischen Scherzes gemacht wurde, der naeh der Vorrede vom 11. April 1521 in Worms entstanden ist?) und höchstwahrscheinlich von Hermann v. d. Busche herrührt. Dieser fahrende Poet, der Unbehauste, fingierte darin eine Anklage gegen Engentinus, der ein Haus gekauft hat; auf Grund des Poetengesetzes, daß keiner von ihnen ein eigenes Heim besitzen dürfe, wird der Verräter vor einem Gerichts- hofe von zwölf der berühmtesten Reuchlinisten zur Ver- äußerung des Hauses und Vergeudung des Kaufschillings verurteilt. Von diesen Geschworenen aber sind nachweis- bar nur Hermann v. d. Busche selbst und der Hofmathe- matikus und Historiograph Kaiser Maximilians, Johann Stabius. in Worms gewesen. Dieses ehrwürdige Mitglied der Wiener Universität und der Sodalitas Danubiana verstarb schon im nächsten Jahre als Domdechant der Stephanskirche; er benahm sich, soweit er sich um Luther überhaupt kümmerte, höchst korrekt, indem er die Entlassungsrede des kaiser- lichen Sekretärs Transsilvanus an Luther weit über dessen Antwort stellte). Während wir von den übrigen Poeten bestimmt wissen, daß sie nicht in Worms waren, könnte nur bezüglich des Urbanus Rhegius ein gewisser Zweifel ob-

1) DRA. II, 545 Anm. 1—3. 2) Böcking l. c. II, 52. 3) DRA. II, 568 Anm. 2.

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walten, seit dieser als Verfasser der unter dem Pseudonym des Symon Hessus erschienenen drei lutherfreundlichen Flug- schriften nachgewiesen wurde. Aber es hat sich gerade an dem „Gespräch Luthers mit S. Hessus auf dem Reichstage zu Worms“ zeigen lassen, daß der Verfasser seine vermeint- lich „genaue Kenntnis“ nur den schnell im Druck ver- breiteten „Acta et res gestae Lutheri“ verdankt, im übrigen aber über die Wormser Vorgänge „auffällig ungenügend“ unterrichtet ist. Der Augsburger Domprediger war überdies eine so hervorragende Persönlichkeit, daß wir bei einem auch nur kurzen Aufenthalt in Worms in den Korrespon- denzen der ihm befreundeten Theologen und Humanisten gewiß irgendeiner Spur begegnen würden!) Ebenso wie der verhältnismäßig unbedeutende Engentinus seine Erwäh- nung neben den ,viri illustres^ der antirömischen Phalanx nur dem Umstande verdankt, daB er eben damals dem Ver- fasser persönlich zur Seite war, so gilt dies auch von dem als letzten aufgeführten Joh. Alex. Brassikanus, einem jugend- lichen Heißsporn, der schon in Löwen bei dem Studenten- tumult aus Anlaß der Verbrennung der Schriften Luthers

!) O. Clemen hat die Feststellung in seiner scharfsinnigen Unter- suchung über „Das Pseudonym Symon Hessus“ (Centralblatt f. Biblio- thekswesen XVII, 566 tf), „daß der Vf. nicht Augenzeuge war“, nicht . erschüttert durch die allzu vorsichtige Bemerkung, es sei ,gar nicht absolut sicher, daß Rhegius nicht in W. gewesen wäre, weil er in dem Scherz ,Poeta domum emit‘ auftrete und von den Angeführten zwar einige gewiß nicht, andere aber wirklich dort waren“ (S. 576 Anm. 5). Aber das Verzeichnis der zwölf Poeten scheidet überhaupt für die Frage der Anwesenheit einer Person in Worms vóllig aus, sofern diese nicht anderweitig bestätigt wird. Übrigens hat Cl. nach dem Zitat aus Spalatin (DRA. S. 568) statt „Stabius“ versehentlich ,Sobius" ent- nommen. Der Humanist Jakob Sobbe hat nun zwar in Kóln dem Hermann v. d. B. mit einer gegen die römischen Mißbräuche gerichteten

Satire sekundiert; nach Worms aber ist er nicht gekommen (vgl. meine Untersuchung über ,Die Vermittlungspolitik des Erasmus" im Archiv f. Ref.-Gesch. I, 59 Anm). Auch Cl. möchte den rhetorischen Scherz dem H. v. d. B. zuschreiben, doch móchte ich die Tendenz, den ,von lächerlicher Angst vor den Poetensodalitüten befallenen Aleander damit einschüchtern zu wollen“, bezweifeln: dieser wußte, daß die Genannten weit zerstreut waren und daß, wenn auch Hutten mit aufgezählt war, doch außer Stabius noch andere sehr gemäßigte Männer unter ihnen sich befanden.

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eine hervorragende Rolle gespielt und dann in Mainz bei dem gleichen Vorgange unter der Leitung Hermanns v. d. Busche mitgewirkt hatte; er war dann in Begleitung eines kaiser- lichen Diplomaten auch in Worms erschienen, war aber schon im Dezember 1520 mit seinem Patron abgereist'). Der Arzt Theobald Fettich, Dr. med., in dessen Hause Her- mann v. d. Busehe wohnte oder wenigstens den mehrfach erwähnten Brief an Hutten schrieb, wird sich schwerlich an der gefährlichen Agitation gegen die Nuntien und ihre kirchen- politischen Maßregeln beteiligt haben.

Ein vielgepriesener Gónner des Heidelberger Gelehrten- kreises, Mitglied der rheinischen Sozietät und vertrauter Freund Wimpfelings und Reuchlins, der Professor der Juris- prudenz Johannes Vigilius (Wacker), hatte mit dem jüngeren Humanistengeschlecht und nun gar mit diesen lutherisch gesinnten Wittenbergern und Erfurtern keine Fühlung mehr; er stand vielmehr als Domherr von Worms und Generalvikar des Bischofs im gegnerischen Lager, gewährte Aleander bei seiner Ankunft in Worms Gastfreundschaft und wurde im Sommer von diesem an die Veröffentlichung der Bannbulle gegen Luther gemahnt?). Auch ein anderer wissenschaft- lich gebildeter Domberr, der mit dem Tübinger Astronomen Joh. Stóffler befreundete Dr. Georg Reicher, suchte sich mit den Nuntien auf guten Fuß zu stellen, da er in Pfründen- angelegenheiten um ihre Empfehlung bei der Kurie nach- gesucht hatte).

Endlich hielt sich schon seit einiger Zeit der Jurist und Dichter Tbilemann Conradi (Thiloninus) in Worms auf; da ihn Melanehthon im Februar durch Spalatin grüßen ließ und er am 24. April bei der Unterredung zwischen Lutber und Cochläus im Verein mit Schurf und Jonas dem Satelliten ` Aleanders entgegentrat*), so scheint er sich zu den Witten-

1) Kalkoff, Anfänge der Gegenreformation in den Niederlanden, Halle 1904, I, 22, 95f.; II, 108. Capito im Dienste Erzbischof Albrechts S. 38f. Aleander gegen Luther S. 157.

2) Start auf eine von mir seit Jahren vorbereitete Monographie über diesen Gelehrten muß ich vorläufig noch auf meine Anm. zu den Dep. Aleanders S. 46 verweisen.

3) Aleander gegen Luther S. 155 f.

*) DRA. II, 564,14. 607, 25. Corpus Reform. I, 360, 361.

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berger Gelehrten gehalten zu haben, die sich nach den Weisungen des Kurfürsten zu richten hatten. Da er über- dies mit Euricius Cordus in Fehde gelegen hatte, so hat er sich wohl während dessen Anwesenheit in Worms auch von Hermann v. d. Busche ferngehalten.

Auch aus dieser Musterung ergibt sich also, daß für jene eharaktervolle, den Kern der kirchenpolitischen Lage berührende Kundgebung vom 20. April schlechterdings niemand anders in Betracht kommen kann, als eben der Veteran des humanistischen Lagers, der in Köln mit seinem „Hochstratus ovans“ das Schlußwort zum Reuchlinschen Streite gesprochen und zugleich mit ritterlicher Gesinnung den Kampf gegen die Unterdrücker der evangelischen Wahr- heit aufgenommen hatte. Seit wir nun wissen, wie er im innigsten Einvernehmen mit Capito die Maßregeln der Nun- tien schon in Köln und Mainz zu durchkreuzen versucht hatte, und wie Capito den Schein einer kirchlich korrekten Haltung in dem Grade zu wahren wubte, daß er von Aleander zu Verhandlungen mit Cochläus und W. Nesen gebraucht wurde), können wir mit Bestimmtheit sagen, daß das, was Buschius am 5. Mai an Hutten über die Äuße- rungen der „Romanisten“ meldete, von Aleander und Carac- ciolo in Gesprächen mit Capito: zum Vorschein gekommen war. „Während diese sich früher vor Hutten gefürchtet hätten, verlachten sie ihn jetzt und verspotteten ihn öffent- lich auch in den Kreisen der Unseren,“ also etwa vor Capito, Spalatin, Spengler, Peutinger und den an Luthers Verhör beteiligten, sonst aber sich streng zurückhaltenden Witten- berger Kollegen Jonas, Schurf und Amsdorf. „Hutten schleudert seine Invektiven gegen den Kaiser, die Erzbischöfe und gegen uns“ die Nuntien also werden hier redend eingeführt „aber wenn uns trotz solcher Drohungen keine weitere Gefahr begegnet als bisher, fühlen wir uns ganz sicher. Habt ihr Deutschen etwa gesehen, daß wir wegen der kläglichen Drohungen Huttens an unserm Vor- haben etwas versäumt hätten? Haben wir nicht um so hart- näckiger unser Ziel verfolgt? und wir werden es auch ferner

!) Capito im Dienste Albrechts Kap. II—IV.

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um so rücksichtsloser tun, je haltloser seine Ausfälle sind. Weder dieser noch irgendein anderer Besiegter‘ eine Anspielung auf den Kurfürsten von Sachsen als den schon gebannten und mit Absetzung bedrohten Beschützer Luthers „wird uns davon abschrecken, das Zeichen der Durch- führung unserer Aufgabe“ das Reichsgesetz mit Acht und Aberacht „triumphierend dem Papste zu Füßen zu legen und die Vernichtung Luthers durchzusetzen, selbst um den Preis eines deutschen Bürgerkrieges (etiam per strages Germanorum )), wenn jemand uns Widerstand zu leisten wagen sollte“ Schließlich berichtet Hermann v. d. Busche über die Vertrauensstellung, die Aleander bei dem jungen Kaiser einnehme, und fordert Hutten auf, die Nuntien nicht ungestraft aus Deutschland entkommen zu lassen.

Während er nun mit jenen politisch einflußreichen „Lutheranern“ Rats pflog und die Maßregeln der „Roma- nisten“ ausspähte, hat der rührige Westfale mit den wenigen jüngeren Freunden, die ihm auch bei der nächtlichen An- bringung jener Kundgebungen zur Hand gingen, den kleinen . Krieg gegen die aggressivsten Feinde Luthers, die von dem rabiaten Alba geleiteten Spanier, geführt. Sie waren es, die Luther auf seinem Gange zum und vom Verhör vor dem Reichstage gegen die tobende Hotte der spanischen Trob- kneehte mit dem Degen in der Hand beschützten; sie haben den vornehmen Spaniern, „die mit herausforderndem Hoch- mute täglich truppweise auf ihren Maultieren über den Markt ritten“ und auf ihre Art die Guerilla gegen die Buch- händler zur Durchführung des Sequestrationsmandates führten, Widerpart gehalten. So verzeichnet Hermann v. d. Busche, wie ,ein Spanier Huttens Spottschrift über die Verdammungs- bulle?) dem Buchführer weggenommen, zerrissen und in den

!) Eine Bestätigung der bekannten ruchlosen Drohung Aleanders, daß man die Deutschen, wenn sie vom Papste abfielen, dahin bringen werde, sich gegenseitig zu zerfleischen, bis sie im eigenen Blute wateten.

2) Bulla Decimi Leonis etc, mit der berühmten Aufforderung am Schlusse: Dirumpamus vincula eorum etc. Die Originalausgabe (Böcking, Bibliogr. Nr. XXXII, 1) gedruckt 1520 bei Joh. Schott in: Straßburg. 5

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Kot getreten habe, wie am 3. Mai ein Priester des kaiser- lichen Gefolges mit drei spanischen Trabanten vor dem Bischofshofe ein Paket mit achtzig Exemplaren .der Baby- lonischen Gefängnis gewaltsam beschlagnahmte; schon hatte er einige vernichtet, da wurde der freche Mensch von den Umstehenden, die dem Buchhändler zur Hilfe eilten, zur Flucht in den Palast genötigt.“ Buschius sah dieser Tage selbst mit an, wie ein Spanier zu Pferde „einen der Unsern“ wütend mit gezücktem Schwerte verfolgte und, während jener mit genauer Not in ein Haus flüchtete, vor dessen Tür vom Rosse stürzte, ohne daß die feige Menge ihm etwas zuleide tat»).

So versteht man denn die Klage Aleanders, daD unge- achtet des kaiserlichen Mandats Luthers und seiner An- hänger Schriften nach wie vor in Worms verbreitet würden. Zugleich aber haben dieselben Männer, vor allem Capito und Hermann v. d. Busche, auch ferner auf der Wacht gestanden, um die dem deutschen Geistesleben drohende „Lyrannei“ hintanzuhalten. Noch Mitte Mai beklagten sich die Nuntien nachdrücklich bei dem Großkanzler Gattinara wie bei dem Erzbischof von Mainz, daß gewisse Einflüsse, hinter denen sie den von Sickingen beschützten Hutten vermuteten, am Werke seien, um in dem gegen die Lutheraner zu erlassenden Edikt „und zwar in der besonders hochgefähr- lichen Frage der Drucker die Strafe der Acht mit ihren schweren Folgen in leichtere zu verwandeln, da die Acht zu großen Wutausbrüchen Anlaß geben werde“?). Es war dies also, von der Form des öffentlichen Anschlags ab- gesehen, dieselbe Beschwerde und dieselbe Taktik wie am 20. April. Und wenn es auch dem Nuntius gelang, dank der Entschlossenheit und diplomatischen Kunst Karls V. das Edikt in der denkbar furchtbarsten Form als Reichs- gesetz zu veröffentlichen, so fehlte dabei doch die Gegen- zeichnung durch den Reichserzkanzler, der es gleichzeitig abgelehnt hatte, sich vom Papste zum „Generalinquisitor

1) Böcking 1. c. p. 63. 2) Capito S. 29f. Dep. Al-anders S. 231, 233. DRA. II, Nr. 91.

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ketzerischer Bosheit in ganz Deutschland“ ernennen zu lassen !).

Und wenn nun auch das Vorgeben jenes Plakats, daß vierhundert Edelleute sich zum Schutze Luthers verschworen hätten, die im Notfalle achttausend Mann ins Feld stellen könnten, für den Augenblick als Finte gedacht war und als solche auch alsbald durchschaut wurde, so blieb doch die Tatsache bestehen, daß eine Gruppe kühner und hoch- gesinnter Männer, die im geistigen Leben der Nation eine führende Stellung behaupteten, entschlossen waren. dessen brutale Unterdrückung abzuwehren. Daß sie sich dabei auf die Zustimmung weiter Kreise des deutschen Adels berufen konnten?) war die Wirkung der gewaltigen Hefor- mationsschrift „an den christlichen Adel deutscher Nation“, aus dessen Reihen denn auch bald literarische Vorkämpfer wie Hartmut von Kronberg sich den bisherigen Streitern anschließen sollten. Die Drohung des Fehdebriefs ging dann aber auch buchstäblich in Erfüllung, als Sickingen sich zum Führer des Ritteraufstandes aufwarf, nur zeigte es sich dabei, daß weder er noch seine Genossen von den sittlichen und geistigen Idealen der neuen Zeit hinlänglich durchdrungen waren, um ihre selbstischen Beweggründe der politischen und kirchlichen Wiedergeburt des Vaterlandes unterzuordnen. Eine Ironie des Schicksals fügte dabei so, daß der matt- herzige, in Wollüsten verkommene Prinz, der in dieser ent- scheidungsschweren Zeit an der Spitze der deutschen Kirche stand, für seine zweideutige Haltung von den eigenen Standes- genossen gezüchtigt wurde, obwohl er Ende 1522 schon sich dem Einflusse Capitos entzogen halte und sich nun immer mehr einer kirchlich reaktionären Haltung befleißigte?).

Schon Aleander hatte beobachtet, daß „Hutten mit seinen Junkern, obwohl sie Luthers Namen zur Verstärkung ihres

1) Capito S. 30f.

2) Grisar führt a. a. O. als Wirkung der Wühlerei der Ver- schworenen an, daß sich „gegen Schluß des Reichstags um Worms viele hundert Reiter sammelten“; es war dies aber einfach der Beginn der Werbungen Sickingens im Auftrage des Kaisers.

3) Capito Kap. IX. Fr. Herrmann, Die evangelische Bewegung zu Mainz. Mainz 1907. Kap. IV u. V.

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Einflusses benutzten, doch eine ganz andere Absicht ver- folge als die Humanisten, nämlich die Güter der Geist- lichen an sich zu reißen“: er prophezeite dem Bündnis zwischen dem Adel und den Akademikern ein baldiges Ende!) Dabei hatte er auch ganz richtig erkannt, wie innig diese Literaten durch die gleichen idealen Ziele mit dem Begründer der Universität Wittenberg, der Brutstätte der lutherischen Ketzerei, verbunden waren: nur daß der Nuntius eine förmliche Ver- schwörung des Kurfürsten mit der „Sekte“ der Poeten witterte, die sich ihrerseits zu einer Art Geheimbund mit gemeinschaftlichem Besitz und gleicher Lebensführung unter einem Wahrzeichen verbunden haben sollten, und denen er zutraute, daß sie die Verteidigungsschriften der päpstlichen Partei aus gemeinsamer Kasse aufkauften?). Mit diesem Märlein über die geheime Organisation „dieser ruchlosen Akademie und ihrer Eingeweihten‘‘?) übertreibt er nun zwar, indem er den ehedem von Konrad Celtis gegründeten Soda- litäten, von denen ihm seine deutschen Schüler und Mit- arbeiter in Paris und Orléans erzählt hatten, einen Einfluß und eine Dauer beimaß, die sie tatsächlich nicht besaßen. Doch hat er die Bedeutung des Bundes zwischen der huma- nistischen Wissenschaft und der evangelischen Theologie, wie ihn gerade Hermann v. d. Busche in seinem „Vallum humanitatis“ hatte begründen helfen, vollauf gewürdigt: das nationale Selbstgefühl dieser Männer, die, „ausgerüstet mit

*) Dep. Aleanders S. 210 f.

2) Dep. Aleanders S. 240, 210, 127.

3) Dep. Aleanders S. 154. Immerhin erkennt man, wie genau Aleander, der ja von den Erasmianern als Überlüufer und Verrüter an den Wissenschaften gebrandmarkt wurde, mit den Gepflogenheiten dieser Kreise Bescheid wußte. Es gab in der Tat „gewisse Symbole und Zeichen der Humanisten“, und wenn der Italiener die deutschen Gelehrten als Mitglieder „dieser ruchlosen Akademie“ bezeichnet, so schwebt ihm dabei ein Zusammenhang vor mit der Academia magna, als deren „Pontifex Maximus“ 1498 Pomponius Laetus in Rom ge- . storben war: das Zeichen auf seinem Grabe, ein breitendiges Kreuz mit den Buchstaben VIV O in den Ecken, wiederholt sich auf dem des Konrad Celtis in Wien (1508), des Leiters der platonischen Akademien in Deutschland. Vgl. L. Keller in den Monatsheften der Comenius-Gesellschaft VIII, 97: XI, 250 (1899, 1909).

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den Waffen des Geistes und des Armes, sich rühmten, den Tiber in den Rhein abgeleitet und Italien den Schatz der Wissenschaften entrissen zu haben“, so daß sie in einem nie dagewesenen Trotz und Übermut!) nun daran gingen, sich der Bevormundung durch den Papst und seine Roma- nisten zu entziehen.

Mit seiner kühnen Kundgebung in der großen Schick- salsstunde der deutschen Reformation erwarb sich jener Führer der „deutschen Gelehrtenrepublik, dieser Helfers- helferin Luthers“ ?), das Verdienst, Zeugnis abgelegt zu haben für das sittliche Empfinden des deutschen Volkes, das in seiner gewaltigen Mehrheit mit dem schuldlos verfolgten Vorkämpfer christlicher Glaubensfreiheit war. Zugleich bewies er den Weitblick, die der Freiheit der Forschung drohende außerordentliche Gefahr erkannt zu haben, wenn nach dem Wortlaut der Bulle vom 4. Mai 1515 zu der religiösen und politischen auch noch „die Tyrannei“ einer wissenschaftlichen Zensur „hinzugefügt“ wurde: denn nicht nur „verderbliche und dem christlichen Glauben wider- streitende Lehren“ und Angriffe auf den „Ruf hochgestellter Personen“ sollten dem Urteil der Inquisitoren unterworfen und furchtbar bestraft werden, sondern in erster Linie sollten unterdrückt werden „die aus dem Griechischen, Hebräischen, Arabischen und Chaldäischen ins Lateinische übersetzten Bücher“). Keiner als Hermann v. d. Busche, der bewährte Verteidiger des von einem Hochstraten und den Kölner „Romanisten“ verfolgten „gerechten“ Reuchlin, konnte mehr befugt sein, diesen Mahnruf zu erheben. Aleander hatte es zwar selbst bedenklich gefunden, diesen von den Domini- kanern in das kirchliche Zensurgesetz eingefügten Satz in

!) Dep. Aleanders S. 130 f. So klagt P. Jovius am Schlusse seiner Elogia, die Deutschen begnügten sich nicht mehr mit dem alten Kriegsruhm, sondern hätten auch die Zierden des Friedens, Wissen- schaft und Kunst dem ausgebrannten Griechenland und dem ent- schlafenen Italien geraubt. F. Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom VII, 331f.

*) Dep. Aleanders S. 135.

3) Vgl. P. Kalkoff, Zu Luthers rómischem Prozeß: Der Prozeß d. Jahres 1518, ZKG. XXXII, oder Buchausgabe, Gotha 1912, Kap. VIII.

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seinen Entwurf des kaiserlichen Edikts aufzunehmen'), und der kaiserliche Hofrat strich dann unter Hinweis auf „die Erbitterung der Deutschen gegen den apostolischen Stuhl“ jede Berufung auf die Beschlüsse des Laterankonzils?) und unter den Folgen der „Acht und Aberacht“ zwar nicht die Einziehung der Güter, wohl aber die gehässige Belohnung des Angebers?), offenbar bemüht, in dieser über das Geistes- leben der Nation verhängten „Tyrannei“ nicht allzuweit „über der Pfaffen Beistand“ hinauszugehen.

Hermann von dem Busche hatte es für seine Pflicht gehalten, alle diese Machenschaften wenigstens zu über- wachen, und hat auch jetzt noch sich nicht gescheut, gelegent- lich lauten Protest zu erheben. So hatte er, wie Cochläus bezeugt, auf das Gerücht von der Gefangennahme Luthers die öffentliche Meinung in Harnisch zu bringen versucht: während der sächsische Hof sich gestellt habe, als ob. der Anschlag den Gegnern Luthers zur Last falle, hätten vor dem Volke jene beiden Poeten, Hutten und Hermann v. d. Busche, die bitterste und heftigste Beschwerde erhoben; der letztere, noch in Worms anwesend, habe alle Ohren mit seinem

1) Brieger, Zwei Entwürfe S. 39.

2) Dep. Aleanders S. 222.

3) DRA. II, 655, 3 ff.; 658, 20 ff. Grisar läßt das Edikt schon mit dem Entwurf Aleanders vom 8. Mai seine „endgültige Form“ er- halten, in der es veröffentlicht wurde, „nachdem der Termin des freien Geleits vorübergegangen“ (S. 384); warum hat man also das Edikt nicht schon am 16. Mai publiziert, an dem das Geleit abgelaufen war? Von dem Inhalt des Gesetzes erwähnt der Jesuit nur, „daß der Monarch sich darin bezüglich des Einschreitens gegen die Schriften Luthers, die zu verbrennen, und gegen seine Person, die dem Tode verfallen sei, völlig den durch die Staatsgesetze überkommenen Bestimmungen des Mittelalters anschloß“. Abgesehen von dem Trick, die Papstkirche, die ja nie den Tod des Sünders will, ganz hinter dem Staate, dessen Juristen allerdings die Verfolgung der Ketzerei als crimen laesae maiestatis für sich in Anspruch nahmen, verschwinden zu lassen, hören wir nichts von der Autorschaft Aleanders, nichts von der Verfolgung und Beraubung auch der Anhänger Luthers, nichts von dem mit unerhörter Dreistigkeit eingeschmuggelten Zensuredikt, das die ge- samte Literatur und auch die eben damals in höchster Blüte stehenden Erzeugnisse der volkstümlichen Kunst des Holzschnittes und Kupfer- stiches der Willkür der kirchlichen Behörden preisgab.

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Geschrei und seinen Klagen erfüllt’). Die Nuntien waren über sein Treiben genau unterrichtet; Aleander meldete am 15. Mai, daß, als am Sonntag (dem 12.) jene Nachricht ein- traf, „ein sehr vernehmliches Murren entstand, daß sie die Anstifter der Tat wären. Sie hätten in der größten Gefahr geschwebt, da die Lutheraner alles Volk mit dem zwiefachen Vorgeben gegen sie aufwiegelten, daß Luther ein Mann voll des heiligen Geistes sei, und sodann, daß die Nuntien das ihm zugesicherte Geleit gebrochen hätten.“ ?)

Kein Zweifel, der Führer dieser „Lutheraner“ war Hermann v. d. Busche, der soeben erst in dem schon erwähnten Sehreiben vom 5. Mai Hutten angezeigt batte, daß er auf seinem, wie wir hinzufügen dürfen, nicht ungefährlichen Posten in der Reichsstadt auszuharren entschlossen sei „bis zur Veröffentlichung des kaiserlichen Ediktes gegen Luther und alle Lutberaner, mit dem uns die Romanisten jetzt schon in grimmigem Hasse drohen, da man mit dieser Waffe nicht mehr bloß gegen die Bücher, (wie mit dem Seque- strationsmandate), sondern auch gegen Leib und Leben der Lutheraner wüten werde*?).

Die kleine Gruppe der Humanisten war dann auch sofort von dem Inhalt des Mandats unterrichtet, das Aleander mit Hilfe des von ihm erkauften Sekretärs Spiegel hatte ins Deutsche übersetzen lassen; denn eben diese Übersetzung befand sich am 12. Mai schon in den Händen des durch ein Handgeld gedungenen Druckers und der Satz hatte schon begonnen, als Karl V. an eben diesem Tage zur großen Bestürzung des Nuntius die Unterzeichnung noch verschob, um zunächst eine, wie sich zeigte, rein formell gedachte Zustimmung der Reichsstände zu erlangen. Er befahl sogar, den Druck zu unterbrechen, und dies war der letzte Moment, in dem der wachsame Westfale noch einmal hoffte, daß das Schlimmste hintangehalten werden würde:

1) Commentaria fol. 39b.

2) Dep. Aleanders S. 285. Den Namen des in Worms wirkenden Führers der Humanisten nannte er wie den mancher andern für uns deutlich erkennbaren Persönlichkeit nicht, weil er wußte, daß dies den Mediceern, dem Papst und dem Vizekanzler, gleichgültig, ja unbequem sein würde.

3) Böcking 1l. c. II, 64, 11 sqq.

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„die Lutheraner erhoben ein Jubelgeschrei“. Gespannt wartete am 25. Mai die gesamte Bevölkerung auf den Be- schluß des kleinen Rates der Reichsstände, die mit Spaniern und Italienern diese Scheinversammlung bildeten, in der das Edikt „gegen Luther und seine Anhänger“ zum Reichsgesetz erhoben wurde. Die Kunde davon rief bei den Fremden und „bei vielen Deutschen die größte Freude, Bestürzung bei den Lutheranern hervor, die hie und da zu heimlichen Besprechungen zusammentraten“: es waren die letzten Unter- redungen, die Hermann v. d. Busche mit seinen Getreuen pflog. Triumphierend meldete Aleander nach Rom?!), daß „diese Schurken, obwohl sie tagtäglich so eine tolle lutherfreund- liche Schrift ausgehen ließen, doch ihren Kredit in dem Maße eingebüßt hätten, daß man sie vergessen zu haben oder sich ihrer zu schämen scheine. Auszunehmen seien nur einige verzweifelte Bösewichter, die nur aus Raublust Luthers Partei ergriffen hätten“ er meinte Hutten, der ja schon dem Kaiser den Dienst gekündigt hatte und zwar in so ritterlich förmlicher Weise, daß der Italiener spottete, er schiene gewissermaßen dem Kaiser wie seinesgleichen die Fehde anzusagen. Die Verschwörung der Humanisten aber schien in der Tat gesprengt zu sein: Aleander berichtet, daß die beiden gefährlichen Nürnberger, Pirkheimer und der Ratsschreiber Spengler, der sich durch seine Obrigkeit nun nicht mehr gedeckt wußte, sich in vollem Rückzuge befänden, und sie haben tatsächlich nun ihre Lossprechung vom Banne bei dem Nuntius nachgesucht. Am 18. Mai hatte auch der Senior der rheinischen Humanisten, das Oberhaupt der Straßburger Sozietät, Jakob Wimpfeling, in einem kläglichen Schreiben an seinen Neffen Spiegel, von dem Aleander alsbald Abschrift erhielt, seine „kirchliche Unterwerfung“ vollzogen?) Am 29. feierte Aleander seinen Sieg durch die öffentliche Verbrennung der Schriften Luthers und die Predigt des Dominikaners Joh. Burchard?).

1) Dep. Aleanders S. 230 f., 248 f., 251, 253.

2) Vgl. den Nachtrag zu meiner Arbeit über „Jak. W. und die Erhaltung der kath. Kirche in Schlettstadt". Ztschr. f. G. d. Oberrheins N. F. XII, XIII und XXI, 2692 ff.

3, ZKG. XXII, 18 f.

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Hermann v. d. Busche, der Verfasser des Fehdebriefes vom 20. April, hat damals in aller Stille das Feld geräumt).

Was seine Kundgebung durch den Nachweis der Ohn- macht seiner Drohung an politischer Tragweite eingebüDt hat, das hat sie an Bedeutung gewonnen in ihrem Zu- sammenhange mit dem kühnen und zähen Kampfe gegen „tyrannische“ Unterdrückung des deutschen Geisteslebens, den Hermann v. d. Busche als akademischer Lehrer wie als Literat bis zu seinem Tode (1534) treu weitergeführt hat. Muß es auch ungewiß bleiben, ob die geringe Abmilderung des furchtbaren Reichsgesetzes auf sein Drohen und Drängen zurückzuführen ist, so gebührt ihm doch der Ruhm, daß er in jenen entscheidungsvollen Tagen als Führer der deutschen Gelehrtenwelt dem Reformator zur Seite tapfer in die Bresche getreten ist.

1) Wenn Geiger (Allg. D. B, III, 640) vermutet, daß B., nachdem er 1517 die Lateinschule in Wesel geleitet hatte, „dann jahrelang ruhig in Kóln gelebt habe, bis ihn Landgraf Philipp an die neu- gestiftete Universität Marburg berief“, so wird diese Annahme zwar durch die wenigen Notizen, die wir aus der Zeit von 1521 bis 1526 über einen Aufenthalt des Humanisten in Basel bei Erasmus, in Heidel- berg und in Wittenberg besitzen (vgl. Liessem, Dissert. p. 75) nicht geradezu widerlegt. Auf einen lüngeren Aufenthalt in Heidelberg aber deutet die hier nicht verzeichnete Stelle in einem Briefe Luthers (Enders, Briefwechsel IV, S. 91) vom 1. März 1523: Nik. Maurus be- richte aus Worms, daß Buschius, den er als einen sehr zu seinem Vorteil veránderten und (also schou früher ein erstes Mal) verheirateten Mann rühmt, in Heidelberg lebe und gegen Erasmus schreibe. In der Tat hatte er damals die Absicht, für Hutten gegen die Spongia des Erasmus aufzutreten (Böcking II, 347, 403), unterlie es dann aber. Es dürfte sich aber schon deshalb nicht um einzelne Reisen, sondern um einen seit 1521 notgedrungen dauernden Weggang von Köln handeln, da das überzeugungstreue Eintreten des tapfern Westfalen für Luthers Sache und sein Kampf gegen die Vollziehung der Bann- bulle ihm von Aleander und Hochstraten keinesfalls verziehen wurde; und da der allerdings gegen gewisse ‚Übergriffe der Kurialen schon verstimmte Erzbischof von Köln, in rein kirchlichen Fragen noch dem Einflusse der Dominikaner und scholastischen Theologen folgend, das Wormser Edikt mit Ausführungsbestimmungen für seine Diözese versah (Aleander gegen Luther S. 51), deren Handhabung den alten Feinden Reuchlins überlassen war, so konnte H, v. d. B. sich fernerhin in Köln nicht mehr sicher fühlen.

Ein Gutachten über die Flucht der Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg aus dem Schlosse zu Berlin.

Mitgeteilt von @. Berbig.

In der Nacht vom 24. auf den 25. März 1528, in Ab- wesenheit des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg, der sich zum Besuch nach Braunschweig begeben hatte, vollzog sich die Flucht der Gemahlin desselben, der Kurfürstin Elisabeth, an den kursächsischen Hof nach Torgau!) Schon am 26. März traf die Kurfürstin hier ein und wurde vom Kur- fürsten Johann dem Beständigen persönlich sehr wohlwollend aufgenommen. Sofort entspann sich zwischen den beiden Höfen zu Berlin und Torgau eine lebhafte Korrespondenz. Schon am 29. März traf eine kurfürstliche sächsische Ge- . sandtschaft in Berlin ein, während am Tage vorher, Son- abend den 28. März, die Gesandtschaft des Kurfürsten Joachim aus Berlin abgefertigt wurde.?)

In der Universitätsbibliothek Jena befindet sich in der Handschrift Ms.-Bud. Fol. 1. S. 430 ff. ein Schriftstück, das sich offenbar auf diese Verhandlungen bezieht, das aber bis- lang in der Forschung noch unverwertet geblieben ist. Es ist ein Gutachten, das höchstwahrscheinlich aus dem Kreise der Wittenberger Juristen und Theologen stammt. Wenig- stens bezeugt die Unterschrift, daß es dem Wittenberger

1) Vgl. die Abhandlung Adolf Friedrich Riedels in der „Zeit- schrift f. preuß. Geschichte und Landeskunde“, II. Jahrgang, Berlin 1865 S. 65 ff. und Enders, Briefwechsel D. M. Luhters VI. Bd. S, 234.

2) Von dieser Verhandlung der Räte ist im Gutachten die Rede. Mithin ist es wohl bald nach dem 29. März 1528 abgefaßt, und zwar, wie in demselben weiter gemeldet wird, für eine Konferenz der Rüte in Jüterbog.

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Propst Justus Jonas, dem ehemaligen Juristen, zur Begut- achtung vorgelegen hat. Luther kommt, auch nach Kaweraus Ansicht’), als Verfasser nicht in Betracht. Immerhin ist es möglich, ja wahrscheinlich, daß auch Luther um dieses Gut- achten gewußt und mehr oder weniger bei der Abfassung mitgewirkt hat. Nahm er doch nachweislich an dem Ge- schicke der fürstlichen Frau den lebhaftesten Anteil.

Es handelt sich im nachstehenden Schriftstück, um eine Begründung der Flucht der Kurfürstin Elisabeth, zur Abwehr falscher Vorwürfe, die seitens des Brandenburger Hofes nicht nur der fürstlichen Frau, sondern auch deren Beschützer, dem Kurfürsten Johannes von Sachsen, etwa gemacht werden konnten, vornehmlich bei den bevorstehenden Verhandlungen zu Jüterbog. Und diese Rechtsbegründung wird nunmehr vorgenommen auf Grund göttlicher und menschlicher Ord- nung: die Heilige Schrift und der Text der päpstlichen Rechte. Es wird dies im Gutachten nach Heranziehung der betreffenden Schriftstellen und Glossen im einzelnen begründet. Insbesondere aber wird in echt reformatorischer Weise dem Kurfürsten von Brandenburg das Recht über das Gewissen seiner Gemahlin bestritten, die zur Bezeugung und zur Stärkung ihrer evangelischen Gesinnung das Sakrament in beiderlei Gestalt empfangen habe. Es wird klargelegt, in welcher Weise Kurfürst Joachim in solchem Falle er- wiesener Ketzerei mit seiner Gemahlin hätte ver- fahren müssen, anstatt sich in „Drohungen und Wüterei“ zu ergehen. Mithin habe sich der Kurfürst allein mit der Tat und ohne Recht gegen seine Gemahlin schuldig gemacht, die umgekehrt ihrerseits sich ohne Wortverhör aus Furcht von Berlin gewandt habe. Auch der Vorwurf der Spoliation sei unbegründet, wie auf Grund der päpstlichen Rechte nachgewiesen wird, mithin alle Restitution überflüssig, Der Kurfürst von Sachsen aber habe nach den Vorwürfen Joachims gar keine Veranlassung, die fromme Fürstin auszuweisen.

Der andere Hauptgrund der Trennung Elisabeths von ihrem Gemahl aber sei in dem Benehmen des letzteren selbst

1) Herr Propst D. Kawerau hatte die Freundlichkeit, die Abschrift zu prüfen und mich brieflich von seinem Befund zu benachrichtigen.

zu suchen: Joachim habe die Ehe offenbar gebrochen durch seinen Umgang mit anderen Frauen. Damit aber sei die Trennung der Ehe wiederum auf Grund der Heiligen Schrift und der Canones begründet. Mithin habe nicht die Kur- fürstin ihren Gemahl, sondern der Kurfürst seine Gemahlin „spoliirt“ und sich seit zwei Jahren bereits freiwillig „von Tisch und Bett gesundert“. Offenbar wird hier angespielt auf das Verhältnis Joachims mit Katharina Hornung, der Berliner Bürgermeisterstochter!). |

Der dritte Hauptgrund der Trennung ist nach dem Urteil des Gutachtens, daß der Kurfürst von Brandenburg in einen heidnischen Irrtum ‘gefallen ist, „dadurch, daß er mit Teufels Künsten umbgehet“. Auch dies wird auf Grund der Schrift und der Canones bewiesen. Mithin habe der Kurfürst zweierlei Ehebruch getrieben: geistlichen und leiblichen, und die Fürstin habe keinen Grund, mit Gott und Gewissen wieder zum Kurfürsten zu ziehen, er habe denn beider Ehebrüche halber Reue und Umkehr, nicht aber, wenngleich er ihr erlaube, das Sakrament in beider Gestalt zu empfangen.

Die vierte Hauptursache sei die gewesen, daß der Kurfürst seine Gemahlin zu Sünden wider Gott und ihr Ge- wissen habe zwingen und nötigen wollen, nach seinem gott- losen Willen, wider die Ordnung Gottes das hochwürdige Sakrament zu empfangen. Wenn auch der Kurfürst die. lautbar gewordenen Drohungen (daß er seine Gemahlin lebendig einmauern lassen wolle) als unbegründet abweise, so sei doch nach Lage der ganzen Sache die Kurfürstin ein „gefangener Mensch“ gewesen, der Grund genug gehabt habe, für seinen Leib besorgt zu sein.

Alles dies begründe rechtlich hinreichend die Flucht der Kurfürstin.

Durch die Veröffentlichung unseres Materials empfängt auch die neueste Forschung R. v. Jacobis?) über „Die Flucht der Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg“ wesentliche Er- gänzungen. Diesem verdienstvollen Forscher, der umfangreichste

1) Vgl. Enders, a. a. O. VI, S. 234 Anm. 6. 2) Hohenzollern-Jahrbuch, herausg. v. P. Seidel, XIII. Jahrg. 1909. S. 153 ff.

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Nachforschungen hielt in den Königlichen Haus- und Staats- archiven zu Berlin, in den Archiven zu Dresden, Weimar, Marburg, Wetzlar und Jüterbog'), ist unsere allerdings sehr versteckte Quelle in Jena entgangen. Und doch bietet sie allein das zuverlässigste, authentische Material. Im gewissen Sinne ist es eine Anklageschrift der geschädigten Partei, so wie das Material heutzutage in einem regelrechten Ehescheidungs- prozeb Verwendung findet. Allerdings werden hierdurch die Gründe der Flucht der Kurfürstin in ein viel schärferes, ja grelles Licht gerückt, als dies in der v. Jacobi'sehen Forschung geschehen ist. Die Behauptung," daß die Beziehungen des Kurfürsten Joachim zu der Frau des Rüstmeisters auf der Harnischkammer, Wolf Hornung, wohl kaum eine wesent- liche Ursache zu der Flucht der Kurfürstin und deren be- dauernswerten Lage gewesen seien, wird durch unser Sehrift- stück allerdings gründlich widerlegt. Es geht vielmehr klar hervor, daß sich der wesentliche Teil der Klage, aller- dings neben den rein religiösen Motiven, gerade auf dieses Verhältnis des Kurfürsten zu einer anderen und zu anderen Frauen überbaupt stützt. Dies wird deutlich genug als die zweite Hauptursache dokumentiert: „daß er der Kurfürst sich nicht als ein ehelicher Mann gegen sie die Kur- fürstin gehalten, sondern oft und viel mit andern Weibern, bei den ehelichen und andern, die Ehe verrückt, welches Vorkommnis die Ehe scheidet. Mat. IX.“ usw. Insofern bedarf also der Aufsatz v. Jacobis einer starken Berichtigung und besonders der Satz: „Allerdings, wenn man mit einer gewissen Neigung herantritt, mag man in einigen Äußerungen eine Hindeutung auch auf die Ursache in den ebelichen Irrungen finden können.“

Zum Schluß weist das Gutachten auf die Notwendig- keit hin, in die bevorstehenden Verhandlungen zu Jüterbog ë) „ohne alle Verunglimpfung, zu stiller, sunlicher Unterredung“ zu willigen. Würde indessen die Kurfürstin gezwungen, den Mund auch aufzutun, was sie bisher „ihrem Herrn zu

1) Hohenzollern-Jahrbuch XIII a. a. O. S. 154. 2) Ebenda S. 159. 3) Ebenda S. 170.

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Glimpf“ unterlassen habe, so würden „seltsame Reden und Schriften fallen“.

Beachtenswert ist der persönliche Schlußsatz des Jonas, der besonderen Nachdruck auf den angeführten zweiten Haupt- grund der freiwilligen Trennung der Fürstin, den offenbaren Ehebruch des Gemahles, gelegt wissen will. Schon aus diesem Grunde dürfe Elisabeth nicht ausgeliefert werden.

Auch die Verhandlungen zu Jüterbog zerschlugen sich Das Verhältnis Kurbrandenburgs und Kursachsens wurde immer gespannter. Bis zum August des Jahres 1545, lange nach Joachims Tod, blieb Elisabeth in Kursachsen, eine treue Zeugin evangelischer Glaubens- und Gewissensíreiheit, wofür nachstehendes, im Wortlaut folgendes, Originalakten- stück ein zwingendes Beweismaterial überliefert hat.

Erstlich damit alle handelung, so sieh vonser gnedigisten frauen, der Marggrafin halben, zutragen werden, vff rechtem vnd bestendigem grundt, auch mit gvttem gewißen, mugen furgenomen werden, So wil von notten sein, die vrsachen, zvwissen, Warumb sie sich, von Irem hernn gewandt, Vnd wie dieselbigen vrsachen, erstlieh vnd vornemlich, vor got dem hernn, vnd nachvolgendt sovil muglich, nach beschrie- benen rechten, bestendig sein oder nit.

Dann erstlieh ist whar, das sieh das weib vom Manne, vnd widerumb nicht sebaiden sol. Es beschee dann mit er- kennthnus der kirchen, ader sunst der obrigkait.

Aber wo der man ein wuetricht ist, oder beschwerlich Jegen seinem Weib handelt, ader Zuhandeln fürhat, do mag sieh das weib, von Irem Mhanne sundern vnd denselben vor- lassen, baide vor got vnd zu recht. Dann das sich fur got, einer aus erliettener gewalt ader besorglichen beschwerung mit guttem gewissen wurgken magk, vnd dasselbig zuthun macht hat, Bewert sandt paul In der erstenn Epistel zu den Corin. am vii. ea: Kanstu frey werden, so brauche des vil- lieber, dum fieri potest sine motu publico. So ist Christus selber den Juden entwichen, do sie furhatten Inen Zu- stainigen, Vnd die stunde noch nit komen ware, das do bescheen solt, quod manus et consilium omnipotentis decre- verunt, wie In acten.

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Das auch das weib von dem manne von Forcht wegen gedrauetter ader fürstehender beschwerung entweichen magk. nach den weltrechten, wirdet mit volgenden grunden bewert.

Daun erstlich so gibt es der text der Bebstlichen recht, elerlich in C. litteras de rest.: spol. Dann do ist der falh, das sieh ein weib ane erkenthnus der kirchen von Irem vnd wiewol do sy der Mhann, mit recht vnd ordent- lichem gericht, wider fordert, fürwannthe nahe vnd hinder- liche sipschafft, So erkenth doch der Babst durch sein vrtheil, das vngeachtet solehs Kegenworfs der magkschafft, ab auch dieselbige offentlieh vnd notaria were, sey die Fraw Irem Mhanne zu restituiren, dieweil sie sich ane ordentlich vor- gehende schaidung von Ime gewandt hette.

Es were dann spricht der Text, vnd der Babst, weiter, das sich das weib des Mhannes halben dermassen In fhar stehen würde, so sy Ime widergegeben vnd restituirt solt werden, das das Forehtsame weib, auch durch, vnd mit einem gnugsam vorstande nit konth, noch wurde vorsichert sein. Dann auf den falh, sprieht der Babst das, das weib dem manne nit allain nit sol wider Zugestelt werden, sondern gentzlieh von Ime geschaiden werden. Sunst aber so sy vor beschwerung gnugsam vorsichert werden konth, solt sy Ime biss das In der haubtsachen erkanth wider zugethailt werden. Aus dem erscheint oberlich, wie dann auch die glo: vnd docto: aus berürtten text tziehen vnd einfüren.

Ob sich wol man vnd weib, nit schaiden sollen, es ge- schee dann durch ordentliche vorgehendt erkenthnus, So mag doch das Weib dem Mhanne entweichen, vnd von Ime fliehen, do es fur Iren-man In fhar stehen muss. Und solchs sagt die glo: In angetzaigtem Capittel lràs, vber das worth sufficienz securitas, elerlieh hys verbis ex quo enim propter seviciam unius relligü. dimittere potest seeundum legem in autenti de nup: P. si igitur mulier tale quid Colla: in ergo multo minus est restitucio facienda quia turpius ciicitur, quam non admittitur hospes, de fretu. Ca: quem- admodum. Vnd setzet also die berurte glosse: zuvor das weib In dem falh, aueh vor dem erkenthnus sich abwenden magk, vnd furet weiter daraus ein, wie es dann des Babsts aueh insupponiren muß, vilweniger so dem weib In dem falh getzimbt zufliehen, sey es schuldig wider zu Ime zu ziehen.

Ferner spricht dergleichen ein ander text der Bebstlichen recht, in C. et transmissa eo: Ca: Dann do het sich ein weib, aueh von lrem mhane ane erkenthnus gewareth, erkanth der Babst das sy dem Mhanne wider folgen solt, doch das der man zuvor einen gnugsamen verstandt machte, das er Ir kein laidt thun solle.

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. Hengt weiter an, Wo aber der man, wider das weib solehen ernsten hass vnd vordriess trügen, das es Ime billich nit vortrauet, ordenth der Babst, das sie etwa einer fromen vnd erhlichen matron zu huetten vnd an einem solehem orth sol bevholen werden, do Ir man Ir kein arges, oder leidt thun magk.

Stehet also, Im beschriebenen rechten gegründet das In solchem falh, do sich ein weib des Mhannes gewalt zu beforchten hat, das es vnerwarthet ordentlicher erkenthnus flihen vnd sieh von Ime wenden mag. | Vor das ander, So der man das weib wider fordert, das es nit sehuldig ist zu Ime Zuziehen, Es sei dann sache, das er einen gnugsamen verstandt mache, das sie keins argen, oder laythe gewarten durffe. Wie aber der vorstandt, und die vorsicherung sein sol, zaigt an die glo In berürthem Capittel ex transmissa, in verbo sufficienti caucion. Dann dieweil sich der text des worths sufficienti braucht, muss es vorstanden werden, mit gnugsamen burgen ader pfanden.

Vor das dritte, wo aber der man, legen seinem weib solch vorbiettert gemüeth hette, das es [me pillich nit vor- trauet, das ist es schuldig zu Ime tziehen, wann er solche gnugsame Caueion, vnd vorsicherung thuen wolt, quia satis- dacio non immutatur male notum propositum. Insti: de suspect. tale § non esse.

ltem es hilft auch dem man nicht, nach schadet dem weib an berürtter Caucion ap es gleich zu der forcht, vnd Irer entweichung selbst vrsaeh gegeben het, wo es sich gleich wol ietzt pillich furchtet des Mannes Zorn, so es ane vorsieherung wider zu Ime tziehenn solt. Dann also sagt ein scribent Abbas gnant. Im angetzaigtem Ca: Nota primo q.licet uxor culpa sua recesserit a viro non tamen est viro restituere a sua caucione, Sed de eius sevicia tenetur, Hoc enim fit ex nova causa, sz. propter seviciam de qua tenetur, alleg. sex. cu. glo: in e. de benedicto xxxii q. 1.

Dann In demselbigen Capitel Ist der falh, das sieh ein weib vom Mhanne gethan, vnd Zum andern Inn ehebruch begeben hette. Nun wolt sie der erste man, nach dem sie die uebelthat vorbuest hatte wider haben, vngeachtet das das weib vom Mhanne gelaufen vnd den ehebruch geübet, dieweil sie der erste man wider nemen wolt, vnd sich. das weib sein pillich Zuforchten hatt, wartt Ime aufgelegt, zuvor gnugsam vorsicherung zuthun.

Das wil ich darumb angetzaigt vnd eingeführt haben, ob des marggrauen Rethe sagen wolten, wann der Marg- grafin von Irem Mann gleich derwegen beiegennt (begegnet) weren, so het es lre f. g. selbst vorursacht, domit das sy . das Sacrament nicht in ainer gestalt entpfangen.

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Welchs der Marggraf vor ein grosse sünde antzeuhet, das Ir f. g. von solcher Drau (Drohung) gleichwol pillich gefürchtet, vnd pillich entwichen ist. Wann es auch die ergeste sach were, dann drauen ist nit ein ordentlicher wegk gewest, der dem Marggrafen, In dem falh gezimbt het für- zunemen iegen seiner gemaheln, Sundern solt sich iegen Ir Zuverhör und erkennthnus erbotten haben, das hat Ir f. g. nit Zufliehen gehabt, würde des auch kein scheuhe getragen haben, Nach dem Ir f. g. sich zuvor offt Zuverhör erbotten. Dann der Marggraf hat nicht macht gehabt, in Sachen zwuschen seiner churf. g. vnd der gemaheln selbst Richter zu sein.

Weren Ime auch des glaubens sachen Ihe so gar be- schwerlich obgelegen, das Ime nit zu. leiden gestanden, das sein gemahele das Sacrament In baider gestalt, entpfahen, oder In ainer gestalt, dasselbige Zuthun vntherlassen solt, und meint Ire f. g. solt dodurch In Ketzerey fallen, oder ge- fallen sein, So solt sein churfl. gn. ordentlich recht, vnd er- kenthnus wider Ire gnadt gebraucht haben.

Dann sanct paul lest den mennern sovil rechte nit, vber die Weiber das sy sie zwingen mugen des glaubens halben zuhalten, wie die Menner wollen, Jha das meher ist, so wil er auch nicht das sich der Mhann darumb mit dem Weibe, darumb In Zangk ader vnfrieden begeben sol, Do er spricht zun Chorin: zun frieden aber hat vns got be- ruffen, was weistu aber du mhan, ob du das weib würdest selig machen, on wie einem. iglichen got hat ausgethailet.

Und were seiner churfl. gn. erstlich dieser weg offen gewest, so es sein churfl. gn. nit hetten leiden wollen, das sein gemahel, vor gotlich vnd Christlich achtet, vnd er vor vnehristlieh, das er sie vor die pontifices soleher zugelegten, vnd doch vnerfindtlichen ketzerey halben het mugen be- schuldigen. Vnd so Ir antworth vnd bericht darauf gehort, und die pontifices hylten das Entpfahen des saeraments in baider gestalt vor ketzerey, vnd vor solehe sache, das es Ir hett pillich nit zuleiden. So hetten sie In churfl. vnd f. g. von bethe vnd tisch schaiden mugen, wie die zwen text der Bebstlichen Recht antzaigen, c. de illa vide c. quarto de divorrijs.

Dann so der man fug vnd recht het, sein weip mit der that zubedrauen, ader thetlich zuhandeln, umb ketzerey willen, So were ane noth gewest, das die bebste vorordenth hetten, das mit erkenthnus der .kirchen zwuschen Inen ge- handelt solt werden.

Hette er dann peinlich, als einer Ketzerin verfarn wollen, so het dasselbig auch ordentlicher weise bescheen, vnd der fürstin vorantwortung gehort müssen werden, wie sie

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sich dann zuvor erbotten, dann durch solche drauung, so Ir bejegent sein, hat es die tugentsame fürstin nit vnpillich dafur angesehen, als wolt vnvorhört vnd ane erkenthnus Jegen Ir vntherstanden werden.

Vnd ich wil setzen das der Marggraf keiner Drauworth gebraucht, wie er dann ietzt nit gestehen wil. So hat doch das wergk an Im selbst draw genug, mit sich bracht, das sich die fürstin pillich gewalts zu forchten gehabt, vnd sich :darumb obangezaigtem rechte nach hinwegk hat wenden mügen. Dann der Marggraf hat in dem schreiben so er an den Konig von Dennemargken gethan, nit geleucket, das Ir verbotten das sacrament In baider gestalt, zu empfahen, ynd gebotten habe, dasselbige In einer gestalt zuentphahen, vor diese Ostern Zuthun wie er dann dergleichen vor eynem Jhare auch gethan.

Würde nun die Fürstin seynem geboth nit volge ge- than haben, vnd were do plieben, Ist zuglauben, vnd aus

solchen vnd dergleichen vmbstenden abzunemen, das er es Ir, nit würde haben lassen gut sein.

Vnd wie wol er nechst, Jegen den Rethen zu perlin gesagt, er were keins andern fürhabendts gewest, dann das er Ir f. g. Im berürttem falh das sie das sacrament nit anders. ader nit würden entpfangen haben, vor seiner Landtschaft wol beschuldigt haben, So hat er doch solchs der fürstin neben seinem geboth nit vormeldet, noch vormelden lassen vnd so das bescheen were, würde es villeicht die fürstin angenomen, vnd sich anders thetlichen beginnens nicht gefürcht haben, dieweil sie sich vorhin Zuverhör er- botten. Wiewol doch auch solche anzaigung, wan die gleich bescheen were, die pilliche forcht nit ausgeslossen. Dann die furstin het gleichwol nit wissen mügen, ap Ir auch Ir voranwortung zuthun, vnd fur freundt radt, dorinnen zu- haben, wie dann Iren f. g. als einem Weibsbilde hoch von nothen gewest wolte sein, würde vorstattet werden, ader ap es die meynung haben solt, das Ir her sy ausserhalb Ires beywesen Ire gnadt beschuldigen, vnd mit der landtschaft daruntter die bischof vnd ebte die fürnembsten sein, [re vor- antwortung vngehort wider sy wolt beslossen haben.

So ist er ein mechtiger furst, der nit gerne leidet das sein geschefft vbergangen vnd nicht pracht werden, Zuvoran bei den (denjenigen), do er maint, das er ernst fürwenden vnd volenden kan, als er Jegen seiner gnaden gemaheln, het thun konnen, wo Ir f. g. seinem geschefft nit volge ge- than vnd zu der stette plieben were, argum: erorum qui notantur in e. non est ff: et c. metum ii qd. me: caus:

So wil nit vngut sein, das von der fürstin eigentlicher bericht, darumb genomen werde, denn auch Ir f. g. wol

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wirdet zuthun wissen, warauf die draw vnd die fhar ge- standen, dann darauf wirdet man mit glimpf vnd sovil von nóthen zu Juterbogk, vnd sunst dis bass!) bericht thun kunnen. So hat man daraus zuvormereken, ap die furstin aus pil- licher, ader vnnottürtfftigen foreht sich abgewendet hat.

Dann so sich ein gebürliche forehtsamkait befindet, wie nun der Marggraf, dureh Worth drau geboth vnd dergleichen der furstin allain mit der that vnd ane recht, ein scheu vnd forcht gemacht, Also hat auch lrer gnaden wolgefueget sich one worttbekenthnus hinwegk zu wenden. Denn das er- kenthnus In dem falh zusuchen wolt der fromen fürstin meher zu weittern beschwernus, dann zu ablonnung der- selbigen gedinth haben. Und diess zaige ich darumb nach der Lenge an dieweil der Marggraf furgibt, die fürstin hab . Inen spolirt das sy sich, als sein weip ane erkenthnus von Im gethan, vnd darumb sol Ir gnaden schuldig sein, die restitucion, bloß ane allen gegenworf vnd behelf, mit wider- stattung [res leibs, Diener vnd lrer hab zuthun. Dann aus vorangetzaigten gründen wirdet befunden, das sie sich vner- warthet der kirchen, ader anders erkenthnus wol hat mügen von Ime wenden, vnd das sy so leunigk vnd schlecht ?), wie vom Marggrafen gesonnen wirdet, sieh widerzustellen nit vorpflicht ist.

Dann die worth der recht nemlich, der entwerthe sol vor allen Dingen restituiert werden, müssen nit so bloss vernomen werden, das der entwerthe nit solt schuldig sein, die restitucion erstlich mit recht, wider den Spolianten zu suchen. Dann das die spoliacion ordentlich geclagt sol werden, brengen mit sieh alle Interdieta, vnd remedia po- sessoria, vnd die bebstische recht, so oben allegirt sein, In- dem das sie der abgewichenen eelichen person naehlassen, sevieiam mariti zu allegiren vnd concionem de non offen- dendo zubitten, vnd dergleichen fürzuwenden, das alles vor- geblich were, so es dy meynung hette, das sich das weib, ane alles vorgehenndts erkenthnus vmb ploss ane vorsieherung wider stellen müste. Und dis zaige ich darumb an, das solchs allain im effect, vnd doch mit glimpflichen worthen, mit einzuwerffen, do es dess bequembligkait gaben würde, nit vnguet sein solt. Dann die fürstin hat nechst In Irer schriefft angezaigt, sy vorhoffte das sie nit schuldigk sey, sich dergestalt wider Zu Irem hern zubegeben vnd erbeuth sich, das sy eher erkenthnus darumb leiden wolle. Dadurch würdet dem Marggrafen der glimpff genomen, das er darüber andere vnd thetliche wegen fürzunemen, nit

) D. i.: desto besser. ?) D. i.: bedingungslos. Archiv für Reformationsgeschichte. VIII. 4. 26

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fueg nach vrsach hat. Und er wil der eitteln gewalt vben, so muss er die gütliche vnd Christliche wegen vortragen lassen, vnd dieselbigen eingehen, ader er muß rechtes ge- brauchen. |

Und destmehr haben wir bestendiger vrsachen, das wir auch nit schuldig sein, die fürstin Zuvherantwortten ader die- selbigen einzunemen, das sy bey vns zuwissen sey.

Die andere heubtsache, das sich Ire gnaden von [rem hern scheiden mocht, Ist die, das er sich nit als ein ehelicher mhan etzliche zeither, Jegen Ir gehalten, Sundern offt vnd vil, mit andern weiben, baide eeliehen vnd andern die ehe vorrügkt, welche vorrugknus die ehe schaidet. Mathei am ix: wer sieh von seinem weip schaidet (:es sey dann vmb hurerey willen:) Darumb mag sich das weib von dem Manne, der die Ehe geprochen, schaiden.

Und nit allain hat es die fürstin thun mugen, Sundern es ist zubesorgen, das sie es fur got vnd rechtem gewissen, zuthun schuldig gewest vnd sey, das sy nach gelegenhait Ires herrn Handellung, lme nit Zusehe, vnd sein vngotlich wesen, gueth sein lasse, nach ferner ein schandeckel der- selbigen vneristlichen handlung sey. Dann wiewol es war, vnd nit wider gott ist, das das weib Irem Mhanne den Ehebrueh vorgeben, vnd sich Ime wider mag vorsuenen vnd reconeilirn lassen, So hat es doch die meynung, das er der man buss thut, also das er ablest vnd ablassen wil von der sünden, vnd hurerei. Dann darumb haben die vetter (Väter), wie die Canones anzaigen, solche reconciliacion nit zugelassen, es hab dann der ehebrecher zuvor penitenz ge- tragen, das man hat erfaren mügen, ab er nachlassen würde, ader nit, wie das anzaigen die Canones XXXii ij, durchaus.

Wann aber nit Hoffnung ist, der nachlassung, So kann ader mag das vnschuldige weib, sieh nit reconeiliren lassen, nach dem Ebrecher mit gewissen beywonnen, auf das sie nit thailbar werde seiner sünde. Darumb stehet prover: xviii, qui tenet adulteram, stultus et impius est. Und wirdet der sprueh von sandt Hieronimus darzu angezogen, des Worth repetir sein, debet dominus praefata causa et questio. Und der furstin würde das Vrtheil beiegenen, das sandt paul ad ko: 1 anzaigt, Nedum qui faciunt sed et qui conspicuum illis !).

Darumb wirdet der fromen furstin nit Zuraten sein, wann Ír her gleich gnugsam caviren wolt, das sie sich keins argens solt Zubefaren haben, auch so er gleich gestatten wolt, das sacrament naeh lrer andacht zuempfahen, das sie Ime beiwonen solt, Er wolte dann von seinem wesen der Hurerey gantz abstehen vnd sich Jegen Irer f. g. zu betb,

!) Röm. 1, 32,

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tisch vnd anderer beiwonung halten, wie er vor got vnd der welt schuldigk.

Nun ist des marggrauen wesen mit der hurerey sunder meher heimlich, Sundern wol notarium ader liederlich ex suspicionibus legitimis Zuprobirn, vnd sunderlieh wirdet die fürstin suam privatam ), meher dann Ir wol lieb ist, haben.

So hat sich auch der marggraf nit allain dureh den Ehebruch aus der ehe gescheiden, Sundern hat auch die furstin mit der thadt vnd ane vorgehendt erkenthnus der kirehen, wie Ime doch gebürth hette, de facto iure quasi possessione Juris maritalis lange zuvor vnd eher dan sich Ire gnaden von Berlin gewandt hat, spolirt und entsatzt, In dein das er ein gute Zeit zuvor sich von bethe vnd tisch auch der beywonung vnd gewonnlicher freuntlicher gemeinschafft gesundert vnd enthalten, Sundern do er vor auf dem schlos gewonth, gessen, sein wesen vnd wonung gehabt, vnd ge- schlaffen, hat er bey zwaien Jaren, wie man sagt, In einem andern haus, die Harniseh Camer gnant?) In der stat Coln, sein wesen und wonung gehabt, darinn mittags vnd abents gessen, geslatfen, vnd ist zu der fürstin auch am tag wenig vnd selten, aufs sloss komen. Vnd domit das sich die furstin nun von Berlin begeben. hat sy Iren hernn der quasi possession Juris conjugalis nit spoliirt, Sundern sie ist lange vor lrem abreisen durch Iren hern spolirt gewest. Vnd die- weil dasselbig offentlich ist vnd dureh den Marggrafen nit kann verneint, Solt es etwo zu weithern reden komen, würde man Ime antzeigen, welchs das andre spolirt, vnd also auch rem possessorii unschickerlich geuandelt hette.

Dann das sich die fürstin nach seiner furgenomen Spo- liacion von der stadt gewandt hat, das ist sein slechte sach, vnd hat darumb dieweil er Ir zuvor das Jus conjugale genomen, wenig Zuclagen.

Die dritte Habutvrsache ist das das Ir her In ainen haid- nischen Irthumb gefallen ist, als dodurch, das er mit teutfels künsten vmbgahet. Das aber dasselb ein haidnischer Irthumb, vnd von got selbst also gnant worden, Item eausa xxvi qu. fast In allen Capitteln, vnd sunderlich sagt der text, in ca: epi. doselbst der mit solehen teufels künsten vmbgehet vnd denselbigen glaubet, der sey ein unglaubwirdiger vnd erger dan ein haidt. l

Das sich aber ein Ehelich person umb des willen das die ander in haidnischen Irthumb felt, von Ir schaiden vnd thailen magk, bewert sandt Augustin, das Worth gesatzt sein, xxviii q. 1 in e. Idolatria, do er spricht, ldolatria

!) Nämlich: suspicionem. *) Zeughaus.

26*

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quam sequuntur Infideles et quevis noxia supersticio forni- eiosa est. Item volgen andre worth Saneti Augustini in c. non solum volgen die worth Non solum machinaeio illius qui carnem suam coinquinat sed etiam qui simulachrum facit machinatur, quod si in his perseverat, et penitenciam non egerit, recede ab illo et noli vivere cum illo, nam alioquin et tu particeps eris eius delicti.

Darumb ist der marggraf in zwaierley Ehebruch leib- lichen vnd geistlichen, vnd seint baiden der gelegenhait nach anzaig der vorberürten, der Vetter sprüche, die sie mit der schrieft beweren, das die fürstin mit got vnd gewissen nit kann wider zu Ime ziehen, er hab dann baider derselbigen ehebruch halben rew, vnd wolle davon ablassen, Sunderlich dieweil die fürstin nun eins von Ime komen ist, das Ir gnaden Ire besehwerung frey fürwenden kan.

Dann das sie es vorhin hat erdulden müssen, dieweil sie In Ires Hern gewalt vnd gefengknus gewest, das ist, Ire gnad meher entschuldiget zuhaben, dann Ir gnad ietzt ent- schuldiget sein mocht, so Ir got, aus demselbigen gewalt Ires Hern gehulffen, vnd freier dann vorhin, Ire notturfft zurheden hatt.

Darumb wil dis die suma sein, das die ftürstin nit wirdet konnen noch mögen wider zu Iren hern ziehen, wann er Ir gleich erlaubt, das sacrament in baider gestalt zuentpfahen, vnd versichert, das Ire gnadt, keins argen sol gewertig sein, Es sei dann auch, das sovil vorstanden muge werden, das von vorberürten baiden ehebrüchen, ablassen wolle.

Darumb wirdet man auch die handlung meher, zu Irem glimpf, denn das Ir wider zuziehen, dergestalt ervolgen solt. richten müssen.

Die vierde heuptvrsache ist die, das der Marggrave, an dem nit begnügig gewest, das er solch gotslesterlich wesen getrieben hat, vnd noch darbey der fürstin lenger zu sein, vor got vnd der welt beschwerlich gewest, Sundern hat die fürstin darüber, das sie wider gottes einsetzunge vnd Ir aigen gewissen, nach seinem gottlosen willen, das hochwirdige saerament entpfahen solte, vnd also zu thatsünden wider gottes Ordnung vnd Ir gewissen zuhandeln zwingen vnd nottigen wollen. Welchs Ime nit zugestanden hat, mit an- zaigung sandt pauls In der ersten zu den Chorin: am sie- benden. So geben es fast alle die Geistlichen Recht, so oben angetzogen sein. Dann wo Ime solch der fürstin christlich vnd gotlieh fürnemen Jhe so beschwerlich vnd vn- leidlieh gewest, hett er den weg der scheidung bei seinen pontificibus suchen mügen. Und ob dan dieselbigen erkanth vnd Ime den gelimpff gegeben hetten, ader naehmals geben

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würden, das er sich der vrsachen halben pillich von Ir theilen mocht, so würde doch das Urthail vnd berürthe glimpff fur got umgekarth sein, also das sie mit got vnd gewissen, von Ime als einem zwifachen ehebrecher, vnd der sich darüber onder- standen hett, [re f. g. wider gottes autfsatzung vnd lre ge- wissen zu Vnglauben vnd sunden zu dringen geteilt vnd ge- scheiden were. Vnd so es nochmals den wegk begreiffen mocht, ap wol die fürstin, bey denen, so seins gepreges sein, vnd bey der welt den vnglimpf haben müste, were das aller beste, dann got der almechtig würde Ir den vnglimpf, mit ewiger glori reiehlich belonen.

Aber wie seine hendel sunst sein, ist wol abzunemen, wie hart Inen gothes ehre behommert, ader anfechte, das Im zuerhaltung gotlicher glori nit zugedulden sein wolt, der fürstin zugestatten, das sacrament in beider gestalt zu ent- pfahen.^ Und ist wol zu glauben, vnd gentzlich dafur zu- achten, das er diese beschwerung, die entphahung des Sacra- ments nit vmb gottes vnd seins preiß willen fürgenomen, Sundern vielmehr darumb das er vrsach haben mochte, seine hurerei dest freier zutreiben. Vnd dieweil er sich nun bey zwaien Jaren, von der fürstin ane vorgehendt erkenthnus wie oben berürt ist, gentzlich entzogen, das er wo sy sichs beclagt hette sagen mugen, sy weren ein ketzerin vnd nit schuldig mit Ir gemeinschaft zubaben. Wie dann der Babst selbst bekenth vnd sorge hat, das oftmals eyne person der andern Im ehestandt ketzerey aufrücken würde, domit sy allein, von der andern zukomen vrsach gewinnen mocht in ea. quarto In fine de divorciis.

Aus dem erfolget weiter, wo gleich der Marggraf der fürstin mit Worthen nit gedrawen hette!) wie er fürgibt, So ist doch nach gestalt vnd gelegenhait aller vmbstende vnd circumstancias wol abzunemen, es würde es auch ein fromer riehter nit anders arbitriren, konnen, wie sie vor- spertter?) vnd durch aufsehen vnd sunst nit anders, dan als ein gefangen menschen gewest ist, das sie an fhar vnd be- sorgliche beschwerung Irs leibs an dem orth Ire nothurft. nit het rheden nach fürwenden dürffen ader konnen. Vnd das sie sich dieser vrsachen halben, vnerwartert rechtlichs er- kenthnus mit got vnd rechte pillich hinweg gewandt vnd dasselbig hat thun mugen.

Undt wiewol sichs nit anders vil thun lassen, den das der handel zu Jütterbock auf dismal auf das gelindest für-

1) Vielleicht beziehen sich diese Drohungen auf das Gerücht, daß der Kurfürst seine Gemahlin lebendig einmauern wolle, wenn sie von ihrer Ketzerei nicht lasse.

2) D. i.: eingesperrt.

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gewandt werde, ane alle vorunglimpfung, nach dem der tag zu freuntlicher stiller vnd sunlicher vntherredung gewilliget, würdet aber der glimpff nit helffen vnd solt darnach die furstin gedrungen werden, den mundt auch aufzuthun, als sy doch bisher Iren hern, zu glimpf vntherlassen, So wurden heraus seltzame reden vnd schriefften fallen.

Das zaige ich darumb an, das die Rethe als vor sich Jegen den merckischen rethen nit würden vntherlassen mit glimpf vorneuerung vor witterung Zuthun, das es dießess zu gemueth gefurt wirdet.

[Es folgen die Worte von J. Jonas Hand]:

Jam deducatur secundus articulus cur scilicet non habeat causam adversus principem nostrum marchio et sinon pre- sentaverimus nos Uxorem eius.

Unbeachtete Briefstücke Luthers.

Von E. Körner.

Gleich Luther erkannte Erasmus Alber in dem Papste und den Schwarmgeistern die gefährlichsten Feinde des Evangeliums. Unablässig hat er sie bekämpft. Wandte er sich früher voran wider jenen, so später wider diese. Ihnen galt seine letzte Schrift „Widder die verfluchte lere der Carlstader“. Wenige Tage vor seinem Tode (5. Mai 1553) hat er sie vollendet. ln ihr führt er Briefe Luthers an. Er erwühnt als von ihm stammend die Worte:

(Bl. it) Nisi scirem, quod sit ira Dei, et viderem ipse, nullis modis persuasus unquam fuissem, posse tantos et tot uiros | (Bl. i?) tam leuieulis et nihili Argumentis, tam pueri- libus et ineptis rationibus adduci et seduci in istam Pesti- lentem et sacrilegam Haeresim. Quid est quaeso, hoc Argu- menti, Christus sedet ad dexteram Dei, Ergo Corpus eius non est in Coena. Caro non prodest quiequam, ergo Christus non est in Saeramento ete. At haec sunt potissima eorum. Furor est Diaboli ete.

Nach einer Verdeutschung dieser Sätze folgt ebenfalls

übersetzt:

Libello meo antischuuermerio, multi Dei gratia confir- mati sunt in sana fide, rursus expecto furiosam illorum responsionem, quibus occurram ea, quam Christus dederit, Virtute et Sapientia. Zuuinglius ad me scripsit Exegesim quandam, adjeeta Epistola plena Superbiae et Temeritatis. Nihil est Scelerum aut Crudelitatis, eujus me non reum agat, adeo ut nec Papistae sie me lacerent, ut illi amici nostri, qui sine nobis et ante nos nihil erant, ne hiscere quidem audebant. Nune nostra uictoria inflati, in nos uertunt im- petum. Hoc est gratias agere, hoc est bene mereri apud homines. Summa, nune demum intelligo, quid sit, Mundum in maligno esse positum, et Satanam principem esse mundi. Hactenus putabam, haee tantum esse uerba, sed nunc uideo,

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rem esse ete. Erasmus Viperinus, duas Hyperaspistes uel potius Hyperaspides in me peperit, uere Viperas et superuiperas. Tum Zuuinglius et Oecolampadius non eessant. Videbo, quid Christus daturus sit in illos etc.

Es sind Bruchstücke, wie die beigefügten „etc.“ am Sehlusse zeigen. Dem ersten von beiden gibt Alber die Ein- leitung: „Diß sind die wort, die D. Martinus von solchen schwermern schreibt Anno 1526, 3. Octobris“; beim zweiten be- merkt er bloß: „In eim andern brieff schreibt D. Martinus also“; er ist nach dem darin erwähnten Hyperaspistes auch 1526 entstanden.

Aber an wen waren die Briefe gerichtet? Für seine Schrift gegen die Schwärmer wurden Alber von verschiedenen Seiten her Stoffe zugesandt, sowohl gedruckte Bücher als auch Auszüge aus solchen und allerlei Mitteilungen aus mündlichem Verkehre. Hätten andere Alber von diesen Briefen in Kenntnis gesetzt, so hätten diese wohl selbst die ihnen wichtig erscheinenden Episteln uns überliefert). Es ist allein Alber, der sie verwertet.

. Sollte er nicht auch der Empfänger gewesen sein? Er begegnet uns unter den vertrautesten Freunden Luthers. Von ihnen ist z. B. über Karlstadt keiner so unterrichtet wie er. Mit zunehmender Verehrung blickte er zu seinem „D. Marti- nus“ auf. Dessen Schüler zu sein, betrachtete er als seinen Ruhm. Seit etwa Mitte 1522 war er in Ursel am Taunus als Lehrer tätig. Seine dortige Wirksamkeit unterbrach er durch einen Aufenthalt in Eisenach während der zweiten Hälfte von 1524. Nach seiner Rückkehr in die frühere Arbeit kam es in Ursel wohl zu einem Zusammenschlusse der „ev. Brüder“, aber auch zu bedenklichen Unruhen. Denn von Würzburg her traf von der Bauernschaft die Aufforderung ein, sich an dem allgemeinen Aufstande zu beteiligen. Sie fand wenig Anklang. Immerhin gab es ihrer etliche, die gern zu offener Gewalt gegriffen hätten. Welche Leute dazu neigten, läßt Alber leicht erraten, wenn er erzählt: „Einst kam mir ein toller schwermer für, der sagt, es were on noth, das die Christen jre Kinder tauffen ließen, sinte-

1) E. Körner, Erasmus Alber. Das Kümpferleben eines Gottes- gelehrten aus Luthers Schule. Leipzig, Heinsius, 1910, S. 151 ff.

57 | 397 mal von getaufften ältern getauffte kinder kämen. Alf er mir solehs beweisen solt, sagt er, Christus spricht, Qui bap- tizatis fuerit, saluus erit. Baptizatis, baptizatis, rieff er, Satis, satis, es ist genug, das die ältern getaufft weren, denn von getaufften ältern werden getauffte kinder geboren.“ In dieser wirrvollen Zeit wird sich Alber an Lutber gewandt und um Rat gebeten haben, und das um so mehr, je selbst- bewußter die Schwarmgeister auftraten.

Auch mit Desiderius Erasmus geriet er zusammen, frei- lich ganz gegen seine Absicht. Sein Mißfallen über diesen hatte er in einem Briefe an Theodor Sartorius, damals in Frankfurt, geäußert. Das vertrauliche Schriftstück ward ohne sein Wissen veröffentlicht unter dem Titel: Iudieium Erasmi Alberi de spongia Erasmi Roterodami. Anfänglich vermutete Erasmus, daß Hermann Busch sich hinter dem Pseudonym Erasmus Alber versteckte. Ihn griff er darum heftig an. Erst später ward er über seinen Irrtum aufge- klärt. Wie sehr er sich aber durch Albers Geringschätzung verletzt füblte, verrät er noch in seinen Hyperaspistes. Was konnte Alber näher liegen, als Luther um Rat anzugehen in dem Streit, in den er hineingezogen worden war? Luther wird ihm Schweigen angeraten haben, wie er selber bisher gegenüber Erasmus geschwiegen hatte, läßt ihn aber ge- legentlich von dem neuesten Angriffe wissen, den er von Erasmus erfuhr»).

Noch ein drittes Bruchstück fügt Alber unmittelbar den mitgeteilten bei. Es ist zu kurz, als daß es Auf- schluß über die Veranlassung des Briefes biete. Alber sagt (Bl. ij):

„In eim andern brieffe schreibt er (Luther) disse wort: Des Carlstads grewel habe ich mit schmertzen gelesen. Das ist der vbrige teil des Creützes Christi vnd das recht glück des Euangelij, das eben seinen fuf wider Christum auffhebt,

der sein brod gessen hat. Aber Christus des Teuffels Herr lebt noch ete. Hactenus Lutherus.“

1) 1. c, S. 20 ff.

Zur Geschichte der Packschen Händel.

Von Hans Becker.

Es ist verständlich, wenn Herzog Georg von Sachsen den Otto von Pack!) wegen der groben Beschuldigungen, durch welche die Evangelischen gegen ihn und seine katho- lischen Freunde aufs höchste erregt worden waren, mit seinem grimmigen Hasse verfolgte und nicht eher ruhte, als bis Pack seine wohlverdiente Strafe für seine Intriguen er- halten hatte Es mag auch verständlich sein, wenn Georg zunächst diesen Haß auch auf alle dieienigen übertrug, welche Pack einst Glauben geschenkt hatten. Aber es muß auffallen, warum er an dieser feindseligen Gesinnung selbst solchen Männern gegenüber noch zähe festhielt, die wie Kurfürst Johann seinerzeit den Behauptungen Packs gegenüber sich nur sehr vorsichtig verhalten hatten und nur sehr behutsam aufgetreten waren. Diese Zähigkeit Georgs läßt sich nur aus seinem zu Reibereien und Händeln ge- neigten Charakter und aus der schon über ein halbes Jahr- hundert währenden fast schon traditionellen Eifersucht der wettinischen Fürstenhäuser gegeneinander erklären. Dieser hat auch Georg in seiner Politik gegenüber seinen kur- sächsischen Vettern seinen reichlichen Zoll gezahlt.

Korrespondenzen zwischen den beiden Höfen, wie sie durch die fortwährenden Kompetenzkonflikte der Fürsten bedingt wurden, bringen eine Reihe auf die Packschen Händel bezüglicher gelegentlicher Äußerungen. Sie sind, soweit er- sichtlich, noch nicht bekannt und darum einer näheren Be- handlung wohl wert.

!) Die hauptsächliche Literatur über die Packschen Händel siehe bei Moeller, Lehrbuch der Kirchengeschichte III. Band ed. Kawerau. 3. Aufl. Tübingen 1907, S. 98.

59 399

Am 28. Januar 1530 (Freitag nach Conversionis Pauli) schrieb der Herzogliche Rat Heinrich von Schleinitz !) an den Kurfürstlichen Rat Quark von Wildenfels?). Sein Brief ist die Antwort auf ein Sehreiben des letztgenannten, zu dem dieser sich bei Kurfürst Johann die Instruktionen ge- holt hatte’).

Schleinitz schreibt da: „So wil ich euch auch in ge- heym nicht vorhalten, daß man glaublich allhier redt, das doctor pack des hochgedachten m. g. h. herzog George rat hat vorlogen bosslieh verraten vnd sozusagen vorkauffen wollen, der sol iezt sein enthalt in witenberg bekomen vnd dab dem etwaD stat zu geben, So ist sein weib von im do- hin erfordert, welch auch allbereit ein Hauss dohin gekoufft vnd sich . . . . . , mit allem Haussrat dohin gewendet, wie- wol ir von eezlichen ihren freunden kegen torgaw ein hauss zu kouffen geraten. Aber vff sein erfordern hat sy sich zu Im dohin begeben vnd ob man schon sagen wil, man wolt rechts vber in pflegen, so kont ir doeh vnd meniglich wol ermessen, waß rechtens man vber in bekompt, wo der luter president ist, dyweyl sich auch dyselbigen zu witenberg nicht allein vnterstehen recht zu lernen sunder nexu recht zu seczen sayt man von Einem buntnis So vor eezlichen Jaren zu magdeborgk gemacht sein sol dorin weder keisser bobst frundt noeh fremde aufgenomen welchs auch teglich im schwanke gehen sol“... $).

Dieser Brief mit seinen Beschuldigungen rief am kursäch- sischen Hof natürlich große Aufregung hervor. Wildenfels hatte ihn wohl sofort dem Kurfürsten mitgeteilt und dieser ebenso schnell dem Kanzler Brück. Denn wir besitzen, wohl von Anfang Februar, ein von Brück eigenhändig entworfenes Konzept für Wildenfels Antwort an Schleinitz?). Er hat es dann

!) Original. Weimar. Ernestinisches Gesamtarchiv Reg. A 241. Ueber Heinrich von Schleinitz vgl. Gess. Akten und Briefe zur Kirchen- politik Herzog Georgs von Sachsen S. 336 u. 375.

2) Über Quark von Wildenfels vgl. Luthers Briefwechsel ed. Enders Bd. VII S. 108 Anm. 1.

3) Dies geht ans dem Schreiben Johanns an Wildenfels hervor. Torgau, Montag Antonii. 17. Januar 1530. Original und Konzept mit Korrekturen von Brücks Hand im Ernestin. Ges. Archiv. Reg. A, 241.

4) Vgl. S. 62 Anm. 1.

5) Ernestin. Ges. Archiv. Weimar. Reg. A 241. Reinschrift davon von der Hand des Hans Veit ebenfalls in Weimar.

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aber liegen lassen und später mit einem die Verzögerung motivierenden Schreiben an den Kurfürsten Johann gesandt !), der darauf dieses Schriftstück am 6. März mit einem Be- gleitsehreiben?) und dem Auftrage an Wildenfels schickt, er möge es abschreiben und dann die Abschrift an Johann von Schleinitz senden. Wann das geschehen, ist nach den Weimarer Archivalien nicht zu ermitteln, da die in Weimar vorhandene Abschrift des Konzepts von Brücks Hand kein Datum trägt. Der lange Zeitraum, der zwischen den Briefen von Schleinitz und der Antwort von Wildenfels liegt und die Korrespondenzen zwischen Kurfürst Johann und Brück zeigen, daß man die Verdächtigungen und den Klatsch am Dresdener Hofe keineswegs leicht genommen hat. Die Ant- wort, die ja auf Brück zurückgeht, läßt auch an Deutlichkeit und Entschiedenheit nichts zu wünschen übrig. Die wichtigste hier in Betracht kommende Stelle lautet folgendermaßen:

„Vond dieweil auch sein ch. f. g. alsbald, da ich sein ch. f. g. euer schreiben zugefertigt vleissige erkundgiung hatten furwenden lassen, ob war, wie zu Dresden geredt solt werden, das vber sein ch. f. g. vorige ernnstliche bevelh doktor Pack zu Wittenberg sein enthalt haben solt vnd solehs nit hat erfahren mugen, sondern das er alda weder heimlieh noch offentlich zu spuren, mochte sein ch. f. g. die ansehleger wol wissenn. wer sie weren, hette auch wol leider mogen, das man sich das zuuor besser erkundt hett, dan das sein weyb zu witenberg sein sol, das hetten sein ch. f. g. aus berurtem euerm schreiben erstmals vernomen vnd zuuor kein wissenschaft dauon gehabt. Unnd do man zu Dresden gewust, das sie irn man doctor Pack dahin gefordert, were nit vngut gewest, das es sein ch. f. g. eher dan ir zu Dresden abzureisen verstattet angezaigt, oder das ir solchs, so es fug gehabt, nit were vergont worden. Dieweil es ihr aber gleichwol verstattet versehe sich sein ch. f. g., menigklich müsse sein eh. f. g. daher mer derwegen auch entschuldigt haben.

Sein eh. f. g. konten auch aus dem, was er des Luthers vnd der zu witenberg halben ferner dorneben angehenngt wol abnemen, das solche Ding, mer seiner ch. f. g. halben, dan zu notturfit geschriben werden, nachdem ye wol wissent-

!) Ernestin. Ges. Archiv Weimar. Reg. A 211. Wittenberg. Dor»stags nach Esto mihi. 3. März 1530.

2) Ernestin. Ges. Archiv Weimar Reg. A 241. Sontags Invo- . cavit. Original. Kanzleihand mit Siegel.

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lich were, das sein ch. f. g. gemelten doctor Martin Luther, noch nie zum präsidenten seiner ch. f. g. gerichts verordent!), auch wuste man das er sich in dem als ainer, der von den gnaden des almechtigen mit vilen wichtigen sachen vmb- zugehen hat, wol zu halten wust, wer auch genands der seiner ch. f. g. leuthe zu witenberg derhalben vermeinte zu beschuldigen als ob sie new Recht machten, denn wurden sie sonder zwiuel auf sein anzaig notturftige vnd gute ant- wurt zu geben wissen, sein ch. f. g. wusten nit, wofur sie soliche vnnotige anzaigung, damit seiner ch. f. g. achtens wol geringer leuth solten zuverschonen sein halten (?) solten, das man auch vom Bundtnus reden solt, so vor etlichen Jahren zu Magdeburg solte gemacht sein worden, dorynnen nymands solt ausgenommen sein, So wurde in gleichnus widerumb auch geredt von ainem Pundtnus, das zwischen acht Stenden mit den mainzischen solt aufgericht sein worden?) das sich auf seiner ch. f. g. vettern als der Stende ainer mit erstrecken solt, woruber von Frunden, vnd welcher gestalt dorynnen ausgenomen oder nit, hetten sein ch. f. g. bisher aigentlich nit erfahren mogen, So ließ sich auch das obbemelt Magdeburgische Verstentnus an Scheuen wol sehen, nachdem es nur fur ein ordentliche Beruffung an dy ro. kay. mt. dan fur ein Buntnus geacht muß werden.“

Die Beschuldigung, daß Kurfürst Johann und Luther den Betrüger Pack nach seiner Entlarvung noch weiter be- günstigt hätten, wird hier also nicht nur mit großer Ent- schiedenheit, sondern auch mit bitterm Spott zurückgwiesen. Georg muß wohl selbst das Unrecht jenes Vorwurfs gefühlt haben, denn er hat die harte Zurückweisung ruhig einge- steckt und ist auf die Sache nicht mehr zurückgekommen.

Charakteristisch für die Stellung der beiden Höfe zu- einander sind die Äußerungen über die Bündnisse der ka- tholischen und evangelischen Stände. Auf beiden Seiten

1) Hier verfolgt also Kurfürst Johann wohl die Politik seines Bruders Friedrich, der Sache Luthers gegenüber eine gewisse Zurück- haltung zur Schau zu tragen. Vgl. Th. Kolde: Friedrich der Weise und die Anhänger der Reformation. Erlangen 1881. S. 25ff. Da- gegen Kalkoff, Ablaß und Reliquienverehrung an der Schloßkirch: zu Wittenberg. Gotha 1907. S. 2 Anm. 5.

2) Gemeint sind wohl das Dessauer Bündnis vom 19. Juli 1525 und die Vereinbarung zwischen dem Erzbischof von Mainz und seinen Suffraganen zur Ausrottung der Ketzerei im Dezember 1595. Der Brief spricht hier allerdings von acht Ständen, während in Dessau uur 5 anwesend waren: Albrecht von Mainz und Joachim von Branden- burg, Erich und Heinrich von Braunschweig, Georg von Sachsen. Vgl. Friedensburg und Stoy weiter unten.

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weiß man, daß derartige Abmachungen existieren und sucht die Gegenpartei für die durch jene Bündnisse bedingte Schärfung der Gegensätze verantwortlich zu machen. Dieses Bild ergeben fast alle die Verhandlungen über jenes Thema seit dem Jahre 1524. Das beweisen auch die hier vor- liegenden Äußerungen. Der Angriff ist von der altgläubigen Seite ausgegangen, wie ja auch dort zuerst der Gedanke an ein Bündnis der Gleichgesinnten aufgetaucht ist. Von Georgs Seite wird den Evangelischen der Vorwurf gemacht, daß sie einen Bund geschlossen háütten'). Sofort wird von der Gegen- seite erwidert, die Katholiken hätten nicht nur ein, sondern sogar zwei Bündnisse geschlossen, während der Magdeburger Bund der Evangelischen gar kein Schutz- und Trutzbündnis sei, sondern nur eine Vereinigung, um bei dem Kaiser Recht zu suchen.

So mußte also auch hierbei die Partei Georgs sich eine Zurückweisung gefallen lassen. Der Vorstoß gegen das ver- meintliche unlautere und heimliche Vorgehen des nicht nur wegen seiner Anhängerschaft an den neuen Glauben ge- haßten verwandten Hofes war wieder einmal vergeblich gewesen.

!) Es wird hier von katholischer Seite nur das Magdeburger Bündnis erwähnt und nicht das Gothaer, und mit Recht; denn in Gotha kamen am 27. Februar 1526 nur Kurfürst Johann von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen zusammen, während in Magdeburg am 12. Juni die Herzöge Ernst und Franz von Braunschweig-Lüne- burg, Philipp von Braunschweig-Grubenhagen Heinrich von Mecklen- barg, Fürst Wolfgang von Anhalt, Graf Albrecht von Mansfeldt und die Stadt Magdeburg sich dem Bündnis jener beiden anschlossen. Vgl. Friedensburg, Zur Vorgeschichte des Gotha-Torgauischen Bünd- nisses der Evangelischen 1525—1526. Marburg 1884, und Stoy: Erste Bündnisbestrebungen evangelischer Stände, Jena 1888.

Berichte vom Wormser Religions- gespräch 1540.

Von &. Kawerau.

Die Bearbeitung von Band XIII des von Enders be- gonnenen Briefwechsels Luthers hat mich mit dem Jahre 1540 auch zu den Korrespondenzen von und nach Worms in den Tagen des Religionsgesprächs von 1540/41 geführt: es liegen Briefe Melanchthons, Crucigers und Bucers an Luther aus jenen Tagen vor, meist bereits bekannte Stücke, die es zu sammeln und zu kommentieren galt unter Benutzung der sonst vorliegenden Korrespondenzen aus Worms. Nachdem die betreffenden Bogen des XII. Bandes bereits gedruckt waren, stieß ich noch auf meines Wissens bisher ungedruckte Berichte der brandenburgischen Theologen, leider nur deren drei aus der Zeit vom 7. November bis 6. Dezember 1540, die das Berliner Geh. Staatsarchiv aufbewahrt. Verfasser ist der Schotte Alexander Alesius!) der seit 1540 Professor in Frankfurt a. O. war; nur der dritte Bericht trägt neben seinem Namen auch den des Frankfurter Pfarrers Johann Lüdecke. Die Berichte sind von Interesse, insofern sie aus dem Kreise der Abgesandten stammen, die in Worms offiziell der katho- lischen Gruppe angehörten der obedientes im Unterschied von den protestantes —, aber selbst evangelisch waren und daher in ihrer Fraktion eine sehr schwierige Stellung hatten: Mißtrauen verfolgte sie, und ihre Gruppengenossen taten alles, um ihr Votum unwirksam zu machen. Alesius schreibt an den Kurfürsten Joachim lateinisch, da er wohl das Deutsche nicht sicher beherrschte. Seine Berichte zeigen in manchen mit den Berichten der Wittenberger sich nahe

1) Über Alesius vgl. Buddensieg in Real.-Enz.® 1336ff,; über Lüdicke Enders XII 90; über beide in Worms Heidemann, Die Reformation in der Mark Brandenburg 246.

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berührenden Mitteilungen, daß er mit diesen nahe Fühlung unterhielt. Daneben sind sie interessant wegen der Zeichnung der besonderen Schwierigkeit ihrer Position. Endlich sei auf die Nachricht hingewiesen über die Augustana variata und die Weiterungen, die ihretwegen die katholische Partei zu machen beabsichtigte.

1. Alexander Alesius an Joachim II, Worms, 7. Nov. 1540.

Original, Berlin, Geh. Staatsarch. R. 13. 3. A. B. I.; Adresse fehlt.

Illustrissime Princeps et domine Clementissime. Etsi nihil adhuc de negotio, propter quod missi sumus, scribere possumus, tamen cum resciuimus hune nuncium ad Vestram Celsitudinem rediturum esse, nolumus deesse oblatae occa- sioni scribendi. Venimus autem volente deo Vormatiam quinto die Nouembris), quo die etiam aduolavit legatus pontificis?) Sed Caesareae Ms, Palatini comitis, Coloniensis et Treuerensis episcoporum nuncij adhue expectantur?), quare nihil adhuc actum est. Misimus autem descripta eorum no- mina, qui venerunt, Vestrae Celsitudini, et Bucerum ac alios Vestrae Celsitudinis amantes salutauimus, et ex ipsis intelleximus Gallum Argentinae conscribere milites, quibus tamen spem facit se non velle inferre bellum Euangelieis principibus*). De concordia initio tenuem admodum spem habuerunt protestantes, propterea quod Caesar dieitur renouasse atrocia decreta contra Euangelium?) et quendam Euangelicum eontionatorem Bisantij recens decollasse®). Sed iam melius sperare incipiunt, cum audierunt Caes: Mai: dixisse Norieis legatis, qui suam Mai: de hoe conuentu consuluerunt, vt huc venirent, et suam M: querere veritatem et facturam concordiam. Interrogaui Bucerum, vtrum essent noue dissentiones de Saeramento, is autem respondit rumorem, qui ad nos peruenit, confietum esse, et summam hactenus fuisse concordiam. Euangeliei metuunt, ne obedientes *) contra nos excipiant, eum ad deliberationes fuerit ventum. Quare si Vestra Celsitudo aliquid interim de hae deliberatione

1) Vgl. Enders XIII, 204.

2) Thomas Campeggi, Bischof von Feltre; Enders XIII, 201; nach Cruciger, ebd. 204, traf er schon am 4. Nov. ein.

3) Bucer schreibt am 8.: Colonienses et Trevirenses expectamus, et tales, ut cum Palatino et Marchione facile turbare possint consilia malorum, ebd. 206.

*) Das wird dasselbe sein, was Melanchthon am 4. Nov. andeutet: Multae narrantur fabulae de Gallico Rege, ebd. 199.

5) Vgl. Melanchthon am 2. Dez., ebd. 222 u. Anm. 5.

6) Melanchthon am 4. Nov., ebd. 199 u. Anm. 16.

?) Die katholischen Stünde.

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consilij coepit [so], petimus vt velit nobis significare. Mitto autem Vestrae Celsitudini protestationem, quam Euangeliei initio habituri sunt!) Bene ac foeliciter valeat illustrissima Vestra Celsitudo. Vormatiae septimo die mensis Nouembris.

V: Illustrissimae Celsitudini Addietissimus

Alexander Alesius.

2. Alexander Alesius an Joachim II.

Worms, 2. Dezember 1540. Original, ebd.; Adresse fortgelassen.

Illustrissime Princeps et Domine Clementissime. Colloquium ceptum est xx. die Nouembris ante Granueli aduentum ?), Neque enim praesidentes diutius poterant dissimulare se mandata habere a Granuelo ineipiendi colloquium, prius- quam ipse ueniret, cum seirent euin iam Spirae esse et postridie hue uenturum?). Quare conuocatis obedientium et protestantium legatis in praetorium fecerunt nobis legi Caesaris et Gran- ueli literas et petiuerunt certiores fieri de nostris uoluntati- bus. Hie primum ab obedientibus petiuimus, ut nos in suum numerum admitterent et nos ad praesidenteis*) de- ducerent ac curarent, ut etiam nostrae literae reciperentur ab his, qui Caésaris locum oeeuparent. Idque non difficulter impetrauimus, una enim cum ipsis eodem die stetimus et responsum dedimus, grata esse nobis Caesareae Maiestatis mandata nosque in hoe colloquium consentire. Sed prote- stantes petiuerunt tempus deliberandi usque a prandio ef exemplar literarum Caesaris atque Granueli, quarum copiam etiam nobis fieri postulauimus. Multorum opinio fuit prote- stantes velle excipere contra praesidentes, propterea quod Archiepiscopus Moguntinus suffectus esset in locum Treue- rensis?), Et quia praesidentes haberent etiam suos Theologos in nostra domo. Sed tamen assensi sunt colloquio, hoc unum ineireumspeetius ab ipsis faetum uidebatur, quod priuatam causam inter Regem et Ducem Saxoniae publico negocio miscuerunt, quod etiam Praesidentes in responsione non dissimularunt. Caeterum cum peterent praesidenteis, ut nuncij Regis interessent colloquio, Protestantes uicissim postularunt, ut aliarum gentium legati quoque admitterentur. Sed nihil ipsis hactenus ad hune articulum est responsum. Vigesimo secundo Nouembris aduenit Granuelus, sed non eum tam magno apparatu, quam exspeetabatur: hune prote- stantes pulchra oratione exceperunt. Nos soli inter obedientes Vestrae Illustrissimae Celsitudinis nomine ipsius aduentui

!) Corp Ref. III, 1145 ff. 2) Vgl. Corp. Ref. III 1159. 3) Vgl. ebda. 4) Nicht Schreibfehler, sondern öfters wiederkehrend. 5) Vgl. Enders XIII, 203.

Archiv für Reformationsgeschichte VIII. 4. 27

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qualicumque oratiuncula gratulati sumus. Regios etiam nuncios reuerenter salutauimus ipsisque nostra officia de- tulimus. Quarto et uigesimo Nouembris Granuelus nos una cum aliis conuocauit et binas Caesareae Maiestatis literas nobis obtulit habuitque orationem), quam ex multis pugillaribus collatis concinnatam uestrae Celsitudini una cum Caesaris et Granueli literis mitto. In ea oratione hoc offendit protestanteis, quod omnium malorum causas in doctrinam puriorem deriuauit. Quod ubi intellexisset et eos uelle se de hoc articulo purgare, misit ad eos suum secretarium et orauit, ut hoc in optimam partem acciperent; se facturum in eausa, quod deceret bonum uirum?) Responsum est ad ipsius orationem non statim neque palam. Displicuit enim Praesidentibus et Electorum ac Principum legatis, quod. exterae gentes ipsius orationi interfuissent. Quare curatum est, ut duo ex obedientibus et duo ex protestantibus communicato inter se ante consilio, et oratione ab utrisque uisa et probata, ut Granuelo in suis aedibus responderetur xxv. Nouembris. Postero die oblati sunt nobis quatuor articuli, scilicet, vt omnes nomina darent, qui essent missi ad conuentum. Item vt a Protestantibus eligerentur duo notarij et duo ab obedientibus, qui colloquium exciperent. Praeterea ut nihil euulgaretur ante Comitia Ratisponensia?). Postremo ut protestantes suos articulos in scriptis traderent). His quatuor articulis ante nostram responsionem duo additi sunt, scilicet, vt qui uellent sibi copiam colloquij, non a notarijs, sed a praesidentibus peterent. Et ut inciperemus a missa de spiritu saneto. Etsi autem ualde instetimus. ut liceret nostro quoque Notario interesse colloquio, et Colonienses atque Palatini nobis sunt assensi, tamen Eckius cum Bauarorum, Julia- censis et Argentinensis Episcopi uotis, se adiunxit Moguntino et Treuerensi, qui id nobis ante negassent. Sed tamen Notarius noster!) quanta potest diligentia omnia ordine per- scribit et Vestrae lllustrissimae Celsitudini quae hactenus in hoe conuentu aeta sunt, breui est missurus, ego interim egi apud aliorum scribas, ut haee mihi describerent. Hodie uoeati sunt obedientes a Reuerendissimi Moguntini Legatis, qui nihil nobis aliud proposuerunt, quam se propterea nos uocasse, ne putaremus eos esse eessatores, quod quatriduum feriati essemus. Hic ab omnibus petitum, ut apud Prote-

a) Ratisponentia.

1) Corp. Ref. III, 1163 hier als vom 25. November.

*) Vgl. Corp. Ref. III, 1183, wo statt cum nil suspicaretur zu lesen ist: cum uel suspicaretur.

3) Corp. Ref. III. 1176, nach unserm Brief vom 26. November.

*) Es war der Frankfurter Professor Christoph Pannonius (Preiß), vgl. Heidemann, S. 246. |

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stanteis et Granuelum instarent, ut tandem incipiatur colio- quium. Idque se facturos responderunt, sed tamen non ob- scure significauerunt, sibi commodum uideri, ut ex nostro numero eligerentur aliquot, qui de protestantium articulis de- liberarent, quod quo consilio propositum sit, Celsitudo uestra facile iudicabit. Sed tamen adhue nulli sunt electi nec ex- elusi a deliberationibus. Mitto etiam uestrae Celsitudini tragoediam Doctoris Anthonii Angli), ut uideatis optimi uiri exitum dignum plane Relligionis Doctore, et quem pij sibi debeant optare. Hue allatum est a uestrae Celsitudinis famulo imperiale deeretum Bruxelle aeditum contra nostram doctrinam. Sed is tantum unum diem hie mansit nee ulli uoluit libellum communicare, sed spero eum breui *) mis- surum esse ad uestram Celsitudinem edietum Imperatoris. Ex Italia hodie hie duo uenerunt, qui affirmant Florentinos excommunicatos esse a pontifice, nee ullam Florentiae missam celebrari: eausa est quod renuunt dare deci- mas, Verum ipsi allegant se semper dedisse decimas in subsidium orbis Christiani, idque libenter faeturos, sed tamen agnoscere se iam imposturas pontifieis?). Dux Florenti- nus accersiuit duos monachos Augusti|nilanos, qui praedicant eontra doctrinam papistieam. Filius papae?) curauit quatuor Cardinales occidi. Ante sex dies ex Italia hue uenit Epis- copus Mutinensis," quid adferat nescio, sed tamen nihil interim nobis est propositum. Bene et foeliciter ualeat uestra Illustrissima Celsitudo. Wormatiae secundo Decembris Anno Dni M. D. xl. V: C: `

Famulus Alexander Alesius.

3. Alesius und Ludecus an Joachim II. Worms, 6. Dezember 1540. Original, ebd.; Adresse fortgelassen.

S. D. Illustrissime et Clementissime Princeps. Ante biduum scripsimus acta superiorum dierum. Postea haec sunt acta. Pug- natum est de suffragatione. Quia enim ex propositione praesiden- tium intellexerunt protestantes, quod callide hoc ageretur, ne esset libera suffragatio singulorum, ut per eam uafriciem Palatini et Celsitudinis uestrae suffragia impedirentur,’) Ideo protestantes contendunt, ut singulorum suffragia in utraque parte diserte audirentur et perseriberentur. ^ Postea in nostro coetu de eadem re deliberatio incidit. Volunt unam

a) breue.

1) Vgl. Enders XIII, 211 u. Anm. 5. ?) Vgl. ebd. 222 u. Anm. 8.

*) Pier Luigi Farnese; vgl. Corp. Ref. III, 1189, t) Morone; vgl. Corp. Ref. IIL, 1184. 5) Vgl. Enders XIII, 232, Anm. 7.

27*

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esse omnium suffragationem ef cogitant se nogocium inchoa- turos esse hoe modo: Nomine omnium nostri coetus uolunt inicio proponere condemnationem decere, quod cum illa con- fessio sit condemnata, debeant eam reuocare protestantes et ad Ecclesiam redire. Et claris verbis addunt, eos quibus haee condemnatio non placet, non habituros suffragium ae debere se ad alios conferre. His artifieijs conantur totum colloquium impedire. | Nos summa pacientia hactenus ibi inter maledieos homines stetimus modeste, semper respon- dimus, ne adhue haberent occasionem eos eijeiendi. Petiuimus heri Palatini concionator et nos, ut ageretur iuxta recessum Hagenoensem et esset libera suffragatio singulorum, et ne inieium fieret a condemnatione. Existimamus autem futurum, ut nos eijeiant, quia non uolumus assentire condemnationi. Itaque si nos eiecerint, deereuimus una cum Palatini legatis, petere a Praesidentibus, ut resistant machinationibus illis, quibus impediunt aliqui et colloquium et liberam suffraga- tionem. Fortassis Praesidentes efficient, ne excludamur. Nam hoe responderunt protestantibus, quod si petent principium legati, ut habeant suffragationem, se eorum suffragia audituros et seripturos esse. Sed quid sit futurum, nondum scimus. Vnus est uir bonus inter eos, qui tenent locum praesidentium, senex de Fleckenstein, qui his diebus questus est de malicia collegarum, inquiens: Hat mich der Teuffel vnter die pfafen gefürt, ich khan niehts mit yhnen ausrichten. Speramus fore ut Juliacenses etiam nobis se adiungant. Heri confessionem Augustanam +) nostri in manus acceperunt, sed quia postrema aeditio aliquanto copiosius et clarius res explicat quam illa prima, quae anno tricesimo prodijt, queruntur nostri mu- tatam esse confessionem et constituerunt, ut singula uerba in recentiori aeditione addita exeipiantur a Notarijs et offe- rantur Praesidentibus. His artibus rem detrahunt. Deus nobis adsit et consilia ae deliberationes gubernet.*) Pro- fecto opus habemus orationibus ecclesiae in tanta hominum eallidissimorum turba, qui hoc hactenus egerunt, ut ^) inueni- ant occasionem, qua nos eijeiant. Bene ae foeliciter ualeat lllustrissima Celsitudo uestra. Wormatiae VI. die Decem- bris Anni M. D. xl. C: Famuli Alexander Alesius Joannes Ludecus. °)

a) gubernat. b) urspr quod, dann gestrichen, ut übergeschr. c) Auch dieser Name von des Alesius Hand geschrieben.

1) Vgl. Kawerau, Briefw. d. Jonas I 411 u. 124: Corp. Ref. IV.33.

a

Mitteilungen.

Aus Zeitschriften.)

In Teylers Theol. Tijdschrift Jahrg. 9 Abt. 2 S. 182—217 handelt A. Bruining über Lutheranisme, Roomsch-Katholicisme en Zwinglio-Calvinisme in hunne enderlinge verhouding in de 16de eeuw. Er untersucht zunüchst Luthers Verhültnis zum Katholizismus und charakterisiert das Luthertum in diesem Betracht als ,transpositie van de in de roomsche kerk ontwikkelde heilstheorie in een nieuwen religieusen toon-aard". In Abt. 3 ebendaselbst wird die Untersuchung fortgesetzt.

A. L. Veit, „Zur Frage der Gravamina auf dem Provinzial- konzil zu Mainz 1487", teilt aus dem Würzb. Ordinariatsarehiv die auf jenem Konzil von seiten Würzburgs vorgelegten „Avisamenta“ mit, die in 31 programmatischen Punkten die Summe aller Beschwe- rungen der deutschen Nation durch Papst und Kaiser zusammenstellen. HJG. 31 S, 520—537.

In Fortsetzung seiner Gesch. der Spendeformel beim Abend- mahl in den d.-evang. Kirchen betrachtet F. Krüger: die Straßburger Ordnungen 1524—1526, die Nürnberger Messe 1524—1526, die Preuß. Messe 1526, um dann weiter „die Fixierung der Spendeformel nach Form und Inhalt gemäß dem Bekenntnis einer jeden Konfession“ von 1526 ab zu erörtern. Monatsschrift f.G.u.k.K. 16,4; weiter ebenda- selbst Heft 5 (die Spendeformel in den kryptocalvinistischen Streitig- keiten ca. 1550 —1580 usf.).

A. Fuckel schildert die Herzogin Elisabeth von Rochlitz, Schwester des Landgrafen Philipp v. Hessen und Gemahlin des ältesten vor dem Vater gestorb. Sohnes Hz. Georgs von Sachsen, vor allem als eine überzeugte und unermüdliche Verfechterin des Protestantismus und deutscher Gesinnung. ZVHenneb.G.u.L. 16, S. 7—34.

Die Beziehungen zwischen den Brüdern Mf. Georg von Ans- bach und Hz. Albrecht von Preußen 1529—1540 verfolgt G. Sommerfeldt an der Hand von vier eigenhändigen Briefen des letzteren, die er aus dem Nürnb. Kreisarchiv mitteilt. Sie besprechen

1) Die Redaktion ersucht die Herren Verfasser höflichst um Zu- sendung einschlägiger Zeitschriftenartikel zur Anzeige an dieser Stelle.

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persönliche, kirchliche und politische Angelegenheiten. ZKG. 32,1 S. 99—110.

F. Spitta, „Römisches Urteil über den ersten ev. Fürsten Preußens vier Jahrhunderte vor der Borromaeus-Enzyklika“ stellt der tendenziósen Erzühlung des katholischen zeitgenóss. Chronisten Simon Grunau über Albrecht von Preußen einige Gedichte, die dieser während einer Krankheit 1529 abgefaßt, als echte Zeichen seines da- maligen Gemütszustandes entgegen. Deutsch Ev. I (1910) S. 449—453.

K. Jacobs teilt aus dem Wernigeroder Stadtarchiv Bekenntnisse eines Mordbrenners v. J. 1541 mit und macht wahrscheinlich, daf die Mordbrennereien, unter denen um jene Zeit die evangelischen niedersächs. Städte zu leiden hatten, von Hz. Heinrich d. J. von Wolfenbüttel planmäßig ins Werk gesetzt worden sind. Z.d.HarzV. 44,2 S. 149—168.

In Forsch. Mitt. z. G. Tirols u. Vorarlb. 8, 1 S. 921—80 veröffentlicht F. Schneller aus dem Lodronschen Familienarchiv zu Nogaredo drei Schreiben K. Ferdinands vom Aug./Sept. 1546 an seinen Sohn Maximilian, die dessen Besuch in München und seinen Wunsch nach Bóhmen zu gehen betreffen.

Aus den Berichten, die vom Augsburger Reichstage 1547/18 der Syndikus von Mühlhausen i. Th., M. Lukas Otto (Verf. einer „des- eriptio“ über die Ereignisse von 1551/52) an seine Stadt gerichtet hat, teilt R. Bemmann in den Mühlh. Geschbl. XI S. 23—29 die „neuen Zeitungen" über einzelne Begebenheiten allgemeineren Interesses am Reichstagsort (Einzug des gef. Landgr. v. Hessen, Hinrichtung Vogels- bergers usw.) mit.

Römische Beiträge zur Korr. des Hz. Wilh. V. von Bayern 1588—1592 gibt J. Schweitzer in RQuSchr. 24, 2 S. 141—200. Er teilt 38 in einer Einführung erläuterte Schreiben des Hz. an Päpste, Kardinäle und Prälaten aus Vatikanischen Vorlagen mit; sie zeigen W. als Fórderer der Gegenreformation und der Jesuiten.

Die irrtümliche Ansetzung des Todestages des Kard. Nikolaus von Schönberg (9.—10. Sept. 1537) in den zeitgenössischen, sonst wohl unterrichteten Ephemerides Romanae des Cod. Vat. lat. 6978 erklärt und berichtigt St. Ehses in RöQuSchr. 24, 2 S. 106f.

S. Merkle, Zum Streit über die Priorität von Dogma und Reform 1546 (= Quellenkrit. Studien z. G. des Konzils von Trient I) beschäftigt sich insbesondere mit dem „Epilog“ auf das Konzil von Laurent de la Prée (Pratanus), dem Sekretär Kard. Madruzzos, der einzigen Quelle von kaiserlicher Seite über jene Ereignisse. Über- zeugend spricht sich M. für P.s Glaubwürdigkeit aus, wie überhaupt 80 auch in bezug auf seine pikanten Angaben über die Art und Weise, in der die Konzilslegaten am Morgen des 1. Februar 1546 die Ver- tagung der Plenarkongregation den kaiserlichen Kardinülen plau- sibel zu machen wußten. HJG.31 S. 305—322.

Ausführliche Verzeichnisse der in Wien und in Spanien (be- sonders Simancas) bewahrten Akten zur Geschichte des Konzils

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von Trient in seiner dritten Periode (besonders der Gesandtschafts- berichte) gibt G. Constant in Nouv. archives des miss. scientif. et littér. To. 18 fasc. 5 p. 175—587 (1—357). Die Akten beabsichtigt das Comité des travaux historiques in den „Documents inédits sur l'hist. de France" herauszugeben.

Über die spanische Inquisition verbreitet sich G. Caro auf Grund der Schriften von Llorente, Lea, Schaefer. Er sieht das Wesen der I. darin, daß durch sie die Satzungen des kanonischen Rechts, wie es die Kirche auf spätrömischer Grundlage ausgebildet hatte, voll- ständig und mit äußerster Folgerichtigkeit durchgeführt worden sind. Danach ist die I. zu beurteilen. N,Jahrbb.f.d.klass, Alt.27, 1 S. 67—82.

A. Steeger, Der hl. Borromaeus als Erzieher, sucht B. in päda- vogischer Hinsicht zu würdigen: Katholik 90 (4. Folge 6) S. 321—398.

Außerungen der Reformatoren und ihrer Gegner über die Er- scheinung des (Halleyschen) Kometen 1531 stellt aus Briefen und Chroniken J. Rauscher in ZKG. 32, 2 S. 259—276 zusammen. Der Aberglaube, darin ein Zeichen bóser Vorbedeutung von Gott zu sehen, ist ganz allgemein, doch geht, wie Verf. am Schluß bemerkt, dem Kometenglauben gerade bei den Größten und Edelsten keine Spur von Kometenfurcht zur Seite.

Biographisches. Eine Zusammen- und Gegenüberstellung von Luther und Calvin als den „Feuerbränden in unserer evange- lischen Kirche‘ bietet H. Maas in D. Christent. IV, 3 S. 146—159.

P. Kalkoffs neue Forschungen zu Luthers römischem Prozess (vgl. oben S. 220) werden in ZKG. 32,1 S. 1—67; 2, 199 bis 258 und 3, 408—456 fortgesetzt. Es handelt sich zunächst noch um den Anteil der. Dominikaner an dem politischen Kampfe, sodann um den Prozeß des Jahres 1518,

In den Neuen Jahrbb.f.d.klass. Altert.usw. 27,4 S. 277—295 ver- folgt H. Barge das Vorgehen der Kurie gegen Luther 1518—1521 auf Grund der Arbeiten P. Kalkoffs, die uns mit voller Klarheit über- schauen lassen, welche Motive das Handeln der Gegner Luthers be- stimmten, mit welchen Mitteln sie dem Vordringen der neuen Lehre entgegenarbeiteten, inwieweit den Maßnahmen der Kurie und ihrer Vorkämpfer in Deutschland Echtheit und Tiefe der religiösen Über- zeugung, inwieweit lediglich berechnende Interessenpolitik zugrunde lag. Das Ergebnis ist u. a.: die katholische Kirche hatte nichts auf- zuweisen, was den religiösen Werten an die Seite zu stellen gewesen wäre, aus denen die junge erstarkende lutherische Kirche die Kraft schöpfte um mit den kirchlichen Überlieferungen der Vergangenheit zu brechen.

In NASG. 32,1.2. S.23—53 setzt P. Vetter seine Lutherana fort (vgl. diese Ztschr. Bd. 7 S. 98), indem er die Umstände, die zur Abberufung des Superintendenten Jakob Schenck aus Freiberg (1538) geführt haben, und Luthers Stellung dazu, untersucht. Volle Klarheit ist nicht zu gewinnen; Verf. scheint die Dinge aber wohl allzusehr vom Standpunkt Schencks aus zu betrachten.

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In der American HR. 16,4 8. 723—735 veröffentlicht G. L. Burr einen in einer Bibel der Bibliothek der Cornell-Universität (Ithaca, New-York) befindlichen, kurzen hsl. Bericht über Luthers Tod, der vielleicht aus Melanchthons Umgebung stammt, und gedenkt einiger Einträge von Zeitgenossen der Ref. in anderen Büchern der gen. Bibliothek.

Die Inschrift der Grabplatte Luthers, die bekanntlich dessen Lebensdauer falsch, auf 63 Jahre 2 Monate 10 Tage angibt, möchte H. Lietzmann unter Annahme eines Versehens des Gießers ändern in 62 Jahre 3 Monate 10 Tage, wobei er die „10 Tage“ durch den römischen Kalender erklärt. ZwTh. 58,2 S. 171 f.

In NKZ. 22 (1911) Heft 1—3 (S.59—89, 116—142, 189—904) erórtert Pf. Risch, unter Hinweis auf dia Neubearbeitung der Luther- schen Bibel für die kritische Gesamtausgabe, die Frage: Welche Auf- gabe stellt die Lutherbibel der wissenschaftl. Forschung? Überall ausgehend von dem gegenwärtigen Stande der Forschung bezeichnet und erlüutert er in sehr dankenswerter Weise die Fülle der Probleme aus der Religions-, Kirchen- und Sprachgeschichte, die in bezug auf die Lutherbibel zu lósen sein werden.

O. Scheel verteidigt in eingehender Ausführung seine in Heft 100 der Schriften des VRG. (vgl. ds. Ztschr. Bd. 7 S. 456) aufgestellte und in ihren Folgerungen gewürdigte Behauptung, daß Luther in der Praefatio von 1545 beim Rückblick auf seine theologische Entwicklung irrtümlich die zweite, statt der ersten Vorlesung tiber die Psalmen nenne (1519 statt 1513), gegen den Widerspruch O. Ritschls in der Internat. Wochenschr. vom 13. August 1910 (vgl. ds. Ztschr. a.a.0. 8.443): ZIThK. 21,2 S. 89—122 („Luthers Rückblick auf seine Bekehrung in der Praefatio zu seinen gesammelten Schriften").

Von der nämlichen Praefatio Luthers von 1545 geht auch F. Loofs in einer Abhandlung über die ,Justitia Dei passiva in Luthers Anfängen“ (ThStKr. 1911, 3 S. 461—473) aus. Zur Erklärung dieser Begriffe zieht er eine Stelle in L.s Scholien zum Römerbriefe heran, um mit deren Zuhilfenahme unter gelegentlicher Auseinander- setzung mit K. Holl und O. Ritschl L.s Rechtfertigungslehre zu ent- wickeln und den Grad der Zuverlüssigkeit der Angaben der Praefatio zu untersuchen.

In den neuerdings wieder lebhafter geführten Streit über das Verhültnis des landesherrl. Kirchenregiments zu den ursprünglichen Zielen der luther. Reformation greift K. Holls eindringende und scharfsinnige Abhandlung: „Luther und das landesherrliche Kirchenregiment“ ein (ZThK. 21. Jahrg. 1911, 1. Ergänzungsheft 60 S). Sie betont in Auseinandersetzung mit K. Müller (Kirche, Gemeinde und Obrigkeit nach Luther, 1910) und anderen, daß Luther von vornherein dem (christlichen) Fürsten nur dann eine Einwirkung auf die Kirche zugesteht, wenn diese ihre Pflicht versäumt oder nicht erfüllen kann. Die gleiche Anschauung liegt auch der Vorrede Luthers zur Visitationsordnung von 1528 zugrunde, wührend in entschiedenem

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Gegensatz dazu die kurfürstliche Instruktion für die Visitatoren von 1527 das landesherrliche Kirchenregiment begründet. Luther aber ist auch dem werdenden landesherrl. Kirchenregiment gegenüber auf seinem Standpunkt geblieben, nur daß eben die Macht der Tat- sachen stärker war als seine Theorie.

In den HPBIl. 147,2 S. 92—100 glaubt N. Paulus nachweisen zu können, daß Lutber die Tötung katholischer Geistlichen an- empfohlen habe. Eine unbefangenere Geschichtsbetrachtung als die seine wird zu diesem Ergebnis freilich ein großes Fragezeichen machen müssen.

Der Nämliche, Die hessische Doppelehe im Urteile der protestantischen Zeitgenossen (HPBll. 147,7 S. 503—517), stellt die Behauptung auf, daß im Gegensatz zu den protestant. Zeitgenossen die protestant. Geschichtsschreibung der Gegenwart Luthers Haltung in jener Frage zu bemänteln suche. In Wahrheit hat man gerade heute auf protestantischer Seite ein scharfes Auge für die Schwächen Luthers und die Grenzen seines Wesens; freilich sehen wir die Aufgabe der Geschichtsschreibung überhaupt nicht darin zu loben oder zu tadeln, zu entschuldigen oder zu verwerfen, sondern darin, die historischen Fakta und die historischen Persönlichkeiten verstehen zu lehren.

Die Lutherbiographie des Jesuiten Hartmann Grisar (Bd. I. Freiburg, Herder 1911) wird von der protestantischen Forschung so einmütig wie entschieden und durchschlagend abgelehut. Am aus- führlichsten ist G. Kawerau, Luther in katholischer Beleuchtung (= Schriften des VRG. Nr. 105. Halle, Haupt 71 3.); ferner ver- zeichnen wir: O. Scheel, Ausschnitte aus dem Leben des jungen Luther I (ZKG. 32,3 S. 386—4107; der Nämliche kürzer auch in Christl.-Welt 1911 Nr. 23); Pf. Steinlein, „Kritische Anmerkungen zur neuesten katholischen Lutherbiographie*“ (NKZ. 22, 5—7); A. Harnack (in ThLZ. 1911 Nr. 10); F. Kropatscheck (in ZKG. 32, 2 S. 299—301); J. Beyl in Freie Bayer. Schulztg. Nr. 6 (wozu zu vgl. Kalkoffs Hermann von dem Busche, oben S. 357£). Inzwischen ist von Grisars Lutherwerk der 2. Band erschienen. Wir kommen darauf zurück.

Eine Studie über Gregor Angerer von Angerburg, Bischof von Wiener Neustadt (1530—1548) beginnt H. Aumann in Forsch. Mitt.z. G. Tirols u.Vorarlb. VIII, 1 S. 9—20.

Eine Skizze des Lebens Joachims von Berge (1526-—1602) entwirft Pahncke in ZKG. 32,1 S. 68—88 insbesondere auf Grund der an J. gerichteten Briefe, und mit Betonung seiner auf den wissen- schaftlichen Ausbau reformatorischer Gedanken im Sinne Melanchthons gerichteten Bestrebungen. |

Angeregt durch die Herausgabe der Korrespondenz der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer, die auch eine Anzahl von Briefen an deren fromme und tatkrüftige Schwester Margaretha bietet, teilt Fr. Spitta aus gleichzeit. Druck das tief empfundene, poetisch schóne ,Klagelied^ mit, das Ambrosius der am 15. Nov. 1541 ihm

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durch die Pest Entrissenen widmete: Monatsschr. f.G.u.k.K. 16, 7 S. 233—239.

Th. von Kolde behandelt als Episode der Bambergischen Reformationsgesch. die Geschichte des Hieronymus Cammer- meister, älteren Bruders des J. Camerarius (1490—1545) und Kanzlers des B. Wigand von Bamberg, den dieser 1527 plötzlich ins Gefängnis warf und erst gegen eine höchst drückende „Urfede“ daraus entließ. v. K. macht aber wahrscheinlich, daß hier weniger die lutherischen Neigungen C.s ausschlaggebend gewesen seien, als seine Absicht in den Dienst der Stadt Nürnberg zu treten. Einige Briefe und Aktenstücke sind beigegeben. BBK. 17,5/6 S. 201—243.

In RQuH. 89 (livr. 177) p. 120—134 gibt L. Christiani einen Inhaltsübersicht des (1524 erschienenen) „Antilutherus* des Judocus Clichtove (1492—1543), Professors in Paris. Er bezeichnet Cl.s Sehrift als ein Werk der Scholastik, der Schule ohne sonderlichen Wert, gleichwohl habe es für sich die Religion, die Vernunft und selbst die Moral (!).

Aus Nachschriften eines Kollegs, das Veit Dietrich im Sommer 1534 in Wittenberg über Ovids Metamorphosen las (in einer für die Geschichte der Wittenberger Universitütsstudien ca. 1530/40 überhaupt wichtigen Zwickauer Hs.) stellt O. Clemen zusammen, was sich auf D.s Bestreben bezieht, die Ovidischen Fabeln für die christ- liche Ethik auszubeuten und ihnen eine Moral abzugewinnen: BBK. 17, 5/6 S. 279—286.

An der Hand der neuen Ausgabe der Dürerbriefe von E. Heidrich würdigt Ph. Schweinfurth die von Dürer 1506 aus Venedig an Pirkheimer geschriebenen Briefe als psychologische Dokumente der viel- leicht glücklichsten Periode im Leben des Meisters. Balt. Monats- schrift 53,6 (1911 Juni) S. 466—476.

Mit Dürers bekanntem Kupferstich der „Melancholie“ beschäftigt sich W. P. Tuckermann (A. Dürer and the freeinasons in: The Open Court, Juli 1911 pag. 420—427) der darin eine Versinnbild- . lichung der Ideale der Loge erblicken möchte und das Bild danach umdeutet, schwerlich mit Recht! Mehr Beachtung verdienen K.Kühners „Neue Gesichtspunkte zur Würdigung von Dürers Vier- Apostel-Bild“ (Prot. Monatsschr. 15, 6 S. 233—238); er deutet es als Bekenntnis und Entscheidung Dürers gegen die Schwarmgeister, Täufer und etwa noch die mörderischen Bauern, zur Verteidigung des kirch- lich organisierten Luthertums.

Sehr interessant und ergebnisreich ist L. Enthovens aus den Briefen des Erasmus geschöpfte Skizze über „Drucke und Vertrieb Erasmischer Werke“ in N.Jahrbb.f.klass. Altert. usw. 28, 1 S. 33—59. Der Aufsatz handelt u. a. vom Wechsel des Verlags und gleichzeitiger Beschäftigung zahlreicher Buchdruckereien, vom Nachdruck, von Privilegien und Rechtsschutz der Schriften des E., unbefugter Druck- legung seiner Manuskripte und Unterschiebung fremder Schriften; so-

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dann vom Vertrieb seiner Schriften, von Setzerstreiks, Einwirkung der Zeitverhältnisse, vom Absatz u. dgl. m.

Im Katholik 91 Heft 1 S. 23—45 beginnt A. Naegele eiue Lebensbeschreibung des Andreas von Jerin Bischofs von Breslau (1585—1596), eines geborenen Schwaben, unter Heranziehung von Wiener und Römischen Archivalien. In den folgenden Heften wird die Arbeit fortgeführt und beendigt.

Aus englischen Sammlungen teilt Pr. Smith einen Brief des Justus Jonas an Thomas Cromwell aus Wittenberg 13. April 1536 sowie Ergänzungen zu Luthers Briefwechsel mit. ZKG. 32,1 S. 111—114.

Auf eine in der Weimarer Ausgabe der Vorrede Luthers zur Schrift des Liz. Stephan Klingebeil von Priesterehe (1528) über- sehene Nachricht über Klingebeils spätere Schicksale weist O. Clemen in ZKG. 32,2 5. 298f. hin.

P. Flade, Luther und Oswald Lasan von Zwickau (BSKG. 24, 77—92), behandelt die Stellung des Zwickauers Oswald Lasan in den süchs. Reformationsgesch. und seine Berührungen mit Luther.

Briefe und Akten zur Biographie des Domscholasters in .Worms Dr. Daniel Mauch aus Ulm (geb. 1504) beginnt A. Naegele (u. d. T.: Aus d. Leben e. schwäb. fahrenden Scholaren im Zeitalter der Human. u. der Ref.) zu veróffentlichen. Der erste Abschnitt (RóQuSchr. XXV, 1 S. 1*— 26* orientiert über Literatur und Quellen und verfolgt an deren Hand M.s erste Studien- und Wanderjabre (1520—1525).

Unter dem Titel „Melanchthoniana“ faüt O. Clemen in ZKG. 32,2 S. 282—296 eine Vorrede M.s an Staupitz von 1519 (aus einem in Vergessenheit geratenen gleichz. Druck), Bemerkungen zur Datierung einiger Briefe M.s, eine Untersuchung über die vermehrte Ausgabe der Loci M.s von 1536 sowie einige unbekannte Melanch- thoniana aus den Jenenser Rörerhss. zusammen.

Aus Anlaß des 350jährigen Todestages Melanchthons be- handelt K. Bauer (Deutsches Christent. IV, 4 S. 197—207; Melanch- thonpredigt) diesen als den Humanisten unter den Beformatoren; H. Gelderblom (in D.Evangel. I S. 198—196) als den Vater der protestantischen Toleranz und der Vermittlung zwischen Bildung und Frömmigkeit.

Nachkommen und Verwandte des samländischen Bischofs Joachim Mörlin (1567—1571) und ihre Schicksale weist F. Koch aus Königsberger Archivalien nach: Altpreuß. Monatsschrift 48, 3 S. 448—454.

3l Freundesbriefe des Joh. Myconius in Gotha an Johann Lang in Erfurt aus d. J. 1527—1546 teilt aus Abschriften des Cod. Gothanus A 399 O. Clemen in ZVThür.G.u. A. NF, 20, 2 S. 855—979 mit Einleit. u. kurzen Erläuterungen mit. Die für M.s Pflichttreue und Gottvertrauen charakteristischen Briefe sind auch für die Gothaer und Erfurter Ref.- und die allgemeine Zeitgeschichte nicht ohne Ertrag (vgl. z.B. Nr. 12 über Philipps Ehehandel).

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E. Reicke, Pirkheimerbildnisse und andere Porträts alter Nürnberger Patrizier, zeigt, daß ein auf der Nürnb. Stadtbibl. be- findliches Ölbild, das angeblich von Dürer herrührt und Pirkheimer oder Hans Imhof darstellt, vielmehr Kopie eines Wiener Originals von Hans Brosamer ist, das den Nürnb. Ratsherr und Gewandschneider Hans Pirkel darstellt. JB.d.V.f.G.Nürnb. 1910 S. 23—25.

Von des ehemaligen Riddagshäuser Mónches Helmold Poppius Nachweis, daß die nach der Regel Benedikts geleisteten Gelübde nicht christlich sind (von dessen Orginaldruck, Marb. 1533, nur nnch ein einziges Exemplar auf dem Braunschw. Stadtarchiv bekannt ist) handelt P. Tschackert in Braunschw. Mag. 1910 S. 187—140.

„Hans Sachs und die Reformation bis zum Tode Luthers“ be- handelt J. Beifers in MVG Nürnb. 19 8.1—76.; er zeigt den Abglanz, den die reformatorische Entwicklung, in den Liedern des Meisters findet.

War Caspar Sch wenckfeld Dichter? fragt Fr. Spitta, und . beantwortet diese Frage bejahend, indem er Schw. als Dichter nicht nur von 4 Reimpaaren am Schluß des Katalogs seiner Schriften, sondern auch, in Übereinstimmung mit dem Herausgeber Wackernagel, des Liedes: „Von der Lieb Christi“. (Das deutsche Kirchenlied V Nr.787) nachweisen zu können glaubt. Monatsschr. f. G. u. k. K. XVI, 6 Seite 209 —213.

Über einen Sammelband „Pauli Sperati Scripta“ (in der Göttinger Universitätsbibliothek) handelt P, Tschackert in ThStK. 1911, 3 S. 474—476, um zu zeigen, daß von dessen Inhalt nur das erste Stück (Sp.s bekannte Schrift: Wie man trotzen soll aufs Kreuz) mit Speratus in Beziehung steht.

Einen Brief Johann Stigels an Spalatin über literarische Pläne des ersteren (Torgau 27. October 1538) druckt aus dem in der Gothaer Bibl befindlichen Orig. O. Clemen in ZV Thür. G. u. A. N. F. 20, 2 S. 419f. ab.

Daß der „Wiedertäufer“, an den Bugenhagens „Bekenntnis von einem Glauben und Lehre“ (1529) gerichtet ist, Hans Sturm aus Steyr war, zeigt O. Clemen in ZVG 32, 2 S. 297f.

Im NAG. v. Heidelberg Bd, 8 S. 184—259 und Bd. 9 S. 1— 70 bringt H. Rott aus verschiedenen Archiven und Bibliotheken ,Neue Quellen für eine Aktenrevision des Prozesses gegen Sylvan und seine Genossen“ (d. i. der kurpfälz. Glaubensprozeß wegen ,Arianismus" 1567—1576) zu- sammen; sie betreffen u. a. die Gefangenschaft und den Prozeß des Mathäus Vehe, die Verhöre des Simon Grynaeus u. Theophil Mader, den Erast-Pigafetta Prozeß, den Prozeß gegen Joh. Mathaei; dazu kommen Auszüge aus den oberpfälz. Kirchenratsprotokollen, Briefe des Sylvanus, Erast u.a. à

Territoriales. Einen wertvollen Beitrag zur Württem- bergischen Gesch. in der Ref.-Periode bietet G. Bosserts Skizze: „Aus der Zeit der Fremdherrschaft 1519— 1534." Sie schildert/den allge- meinen Charakter der österreichischen Herrschaft, um dann näher bei den Verhältnissen in Stadt und Amt Kirchheim zu verweilen, wo die

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Anhänglichkeit an Hz. Ulrich sich besonders stark erhielt und auch nach den Ereignissen von 1525 (deren eingehende Schilderung den Hauptteil des Aufsatzes bildet) der Haß gegen Österreich und den Schwäbischen Bund vorherrschend blieb; das Unvermögen der österr. Regierung, dauerhafte Verhältnisse herzustellen (wobei auch die Ver- breitung der Reformation ins Gewicht fällt) legt der Schlußabschnitt dar. Württ. Jahrb. f. Stat u. Lk. 1911, 1 S. 49—78.

Auf Grund der Blaurer (Blarer)-Korrespondenz, der Vadianischen Briefsammlung und der Tuttlinger Kirchenrechnungen u. a. m. schildert G. Bossert den Verlauf der Ref. in Tuttlingen und Umgegend, unter Betonung des Umstandes daß die Ref. von den Bewohnern er- sehnt und als Wohltat empfunden wurde. Bll.Württ.KG. N.F. 15 (1911) S. 19—52.

Zwei wertvolle Beiträge zur Reformationsgeschichte bayerischer Territorien liefern Koldes BBK: 1. O. Erhard, Die Sakraments- streitigkeiten in Kempten 1530—1533 (Bd. 17,4 S. 153—173 mit Reigabe eines Briefes aus Kempten an Althamer von 1530), und 2. H. Clauß, Die kirchlichen und sittlichen Zustände der Grafschaft Oettingen in der Ref.-Zeit, (auf Grund der Visitationsakten von 1865—1611): ebenda 4, S. 173—183; 5, S. 243—279; den Schluß bietet Bd. 18, 1 S. 27—38. Über die zu Tage tretenden sittlichen Mißstände sagt C. treffend: „Es sind Schäden an denen das Volk allenthalben und von langen Zeiten her krankt, die aber die Reformation erst recht zum Bewußtsein des Volkes bringt und mit deren Bekämpfung sie erst recht Ernst macht.“

G. Bossert, Z. Gesch. des Bauernkriegs im heutigen Baden, beschäftigt sich mit den Geschicken der in die Bewegung verfllochtenen Geistlichen des Jagsttales (Leutz, Fabri, Lewer), den Taten des „Pfaffen* Eisenhut und dem Ausgang des Ullrich Bertsch; auf letzteren be- ziehen sich die 6 archival. Anlagen. ZGObRh 26, 2 S. 250—266.

H. Rott, Kaiser Karl V. und die Aufführung der Heidelberger Komödie „Eusebia“ von 1550, bespricht eingehend die Schicksale und Wirksamkeit der ersten Niederländischen Emigranten in der Pfalz, Peter Alexander (Beichtiger der Kónigin— Statthalterin Maria), Eu- stachius Quercetanus und Ántons van Schore, des Vf, der von Rott in einer Hs. der Wiener Hofbibl. wiederaufgefundenen Komödie „Eusebia“ (Personifikation der echten Religion und Frömmigkeit), einer gegen den Katholizismus gerichteten dramatiscnen Satyre, deren Auf- führung am 6. Januar 1550 in Heidelberg das Einschreiten Karls V. und die Flucht Schores (p in Lausanne Juli 1551) nach sich zog. Rott gibt einen Abdruck der Komódie (lat. u. deutsch) NAG. von Heidelberg 1X Ss 155—223.

Über Visitationen un Visitationsberichte aus dem Bist. Straß- burg in der 2. Hälfte des 16. Jahrh. handelt K. Hahn in ZGORh. N. F. 26, 3 5. 204—249. Er gibt einleitungsweise eine Gesch. dieser Visitationen und beginnt dann mit dem Abdruck der Akten.

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Im 5. Jahrg. (1911) der Monatshefte für Rhein. K.-G. gedenkt . W. Rotscheidt in kurzer „Festansprache“ zum 850jührigen Refor- mationsjubiláàum der Grafschaft Moers kurz der Evangelisierung von Moers (Heft 1 S.3—14); macht P. Bockmühl Mitteilungen aus zwei Schulprogrammen des Rektors Johannes Monheim in Düsseldorf von 1545 ‘und 1561 (in der Düsseldorfer Stadt- und Landesbibl.) (Heft 4 S. 97—105); bespricht W. Rotscheidt eine bisher unbekannte Weseler Ausgabe der.Augsburg. Konfession und der Apologie von 1558 (in Ratsschulbibl. Zwickau) (Heft 5 S. 129 bis 136); stellt H. Reimer die leider nur kürglichen Quellenaachrichten zusammen, die wir über reformatorische Bewegungen in Coblenz haben; es zeigt sich deutlich, daß um die Mitte des 16. Jahrhunderts der Boden für die Aufnahme der Ref. mehr vorbereitet war als man bisher annehmen durfte (Heft 9 S. 267— 287).

Den päpstlichen Nuntius Kaspar Gropper und die katholische Reform im Bistum Münster bis zum Ende der Nuntiatur G’s (1576) schildert auf Grund der von ihm herausgegebenen Nuntiaturkorres- pondenz G's W. E. Schwarz in Z vat. G.u. A. 68,1 S. 1—96.

R. Jordan legt in den Mühlhäuser Geschichtsbll. XI S. 1—14 abermals Aktenstücke aus den bedeutsamen Jahren 1524-—1525 vor, die allerdings z. T. schon veróffentlicht sind, i. G. 14 Stücke vom 22. September 1524 bis 14. Juni 1525 (aus dem Dresdener HStA und dem Stadtarchiv in M.), und bespricht ebendaselbst S. 101—105 weiteres Material zur Gesch. der Unruhen von 1523—1525. Endlich gibt der nämliche Auszüge aus der „vergessenen“ Schrift Rinckhards über Thomas Münzer, von der sich auf der K. Bibl. in Berlin ein Ex. ge- funden hat, a. a. O. S. 30—38.

Die gerichtliche Untersuchung gegen die Dresdener Bürger, die während des Schmalkaldener Krieges gegen ihren Landesherrn, Hrz. Moritz, Partei genommen haben sollten, schildert O. A. Hecker nach den Akten, unter Beigabe einiger Zeugenaussagen usw., in Dresdener Geschichtsbll. 1910 Nr.4 S. 105—124; das schließliche Urteil fiel insgeniein sehr milde aus. l

Auf Grund der Protokolle der Visitation des Leipziger Kreises von 1578 (im Dresdener HStA.) gibt G. Buchwald „Kulturbilder aus Leipzigs Umgebung“ (Ephorien Leipzig, Grimma, Borna, Rochlitz und Pegau). Seine Mitteilungen betr. besonders die kirchlichen und Schul- verhältnisse, das Gemeindeleben, Spiele und Volkssitten: BSKG. 24 S. 15—89. Ebendaselbst S. 40—76 behandelt Markgraf „die ländliche Sittlichkeit in Leipzigs Umgebung im ausgeh. Mittel- alter“ als Beitrag zur Beantwortung der Frage ob die Ref. zum Ver- fall der Sittlichkeit geführt habe.

„Werdau und seine kirchlichen Verhältnisse unter den Ernesti- nern 1485—1547“ behandelt unter Beigabe einiger archivalischen Bei- lagen F. Tetzner in BSKG. 24 S. 205—251.

Über die bei Herstellungsarbeiten 1902 und 1910 in den Turm- knäufen der Stadtkirche zu Wittenberg gemachten Funde, nämlich

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1556 und 1750 dort eingelegte Dokumente, macht Nik. Müller in ZVKG. Prov. Sachsen 8,1 S. 94—118 (1. Artikel) Mitteilung und druckt zu- nächst die hsl. Einlagen von 1556 mit Erläuterungen ab, nämlich Luthers Widmungsschreiben an F. Pistorius vom 1. Juli 1530 (eigenh.), Denkschrift Melanchthons vom September 1556 (eigenh., nebst gleich- zeit. Abschrift durch P. Eber); Denkschrift des Wittenberger Rats vom 24. Septb., ein Gedicht Abraham Ulrichs vom gleichen Tage.

Die Wittenberger Buchbinder im 16. Jh. werden auf Grund einer auf archivalischer Forschung beruhenden Arbeit des dortigen Buchbindermeisters M. Senf in ZBw. 28, 5 S. 208—214 zusammen- gestellt. "Verschiedene dieser Gewerbetreibenden gingen in den geist- lichen Stand über; einer, Erhard Doßt, pflerté mit Luther nachbar- lichen. Verkehr.

Nach H. Reimers, Zur Gesch. des Kirchenpatronats in Fries- land, zeigen sich dort am Ende des Mittelalters auf landesherrlicher Seite Bestrebungen den Kirchenpatronat an sich zu bringen; doch haben diese vor der Reformation nur teilweise ans Ziel geführt; zu ein- heitlicher Durchführung ist der landesherrliche Patronat noch nicht gelangt; andererseits besaß Ende des Mittelalters u. a. auch der Graf von Oldenburg in Ostfriesland Patronatsrechte. Jahrb. f. G. Hzt. Oldenb. 19 S. 152—194.

In der gründlichen Abhandlung ,Vergerios zweite Reise nach Preußen und Litauen“ (1559—1560) gibt Th. Wotschke einen dankenswerten Beitrag zur Reformationsgeschichte des Ostens. Unter den 29 archivalischen Beilagen ist besonders Nr. 16 interessant, die sich auf den Versuch einer Konkordie zwischen der litauischen und preußischen Kirche bezieht. Altpr. Monatsschr. 48, 2 S. 221—317.

Ausserdeutsehes. Ein von J. Loserth aus dem Steierm. Landesarchiv veróffentl. Wurmberger Schloßinventar von 1527 ver- zeichnet im ,Frauenzimmer* zwei Bibeln (doch wohl deutsche), was immerhin bemerkenswert erscheint. (Veröffentl. der Hist. Landeskomm. f. Steierm. 28.)

Heinrich Grundelfinger als Biographen des 1487 gest., Volks- heiligen“ Nikolaus von Flüe behandelt F. Ruegg in ZSchw. KG. 4, 1 S. 21—384.

Einen beachtenswerten Beitrag zur Schweizer Reformations- gesch. liefert W. Meyer durch seine ausführl. Behandlung des Lebens und der Schriften des Zuger Chronisten Werner Steiner (1492—1542), eines Anhüngers Zwinglis. Geschichtsfreund 65 S. 57—216.

Über den in Zwinglis Briefwechsel begegnenden „Doctor Jesus" (d. i. der Bremgartener Prediger Johannes Burkhard) bringt A. Stern in Zwingliana 1910 Nr. 2 eine Stelle aus Butzer und einige andere Erwähnungen bei.

Treffend weist R. Steeck, Ein kathol. Urteil über die Berner Disputation von 1528, die parteiische Verständnislosigkeit nach, mit der G. Schuhmann in seinem Artikel über die genannte Disputation

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(vgl. oben S. 226) über die große geistige Bewegung der Reformation urteilt: Schw. Theol. Ztschr. 25 S. 193—212, G. Schuhmann ant- wortet sehr gereizt, ohne dadurch freilich seine Sache zu verbessern; Z. Schw. KG. 4, 4 S. 241—256.

Die bei der Entstehung der Theologie Calvins mitwirkenden Momente behandelt D. Nósgen in NKZ. 22 (1911) Heft 7 u. 8 (S. 550 bis 575; 577.—591); er wendet sich gegen die Auffassung C.s als Schüler Luthers, als Fortsetzer und Vollender der Reformation, und sucht die Eigenart der Theologie C.s zu umgrenzen, wobei er besonders auch der Bestimmtheit dieser Theologie durch die Persónlichkeit und Volks- art C.s nachgeht.

Aus dem Jahrgang 1911 (Année 60 V,8) des Bull. de la Soc. de l'hist. du Prot. Franc. ist zu verzeichnen: Jan./Febr. pag. 5/6: N. W[eiss], Le 4. centénaire de Pierre Viret (1511—1571). p. 7—43: J. Bernaud, P. Viret à Lyon (1562/63). p. 44—47: A. Plaget, 3 lettres inédites de Christophe Fabri 1562/63. p. 48 his 60: H. Gebin, Le synode provincial du haut et bas Poitou 28.4.1593. p.60—62: R.N. Sauvage, Le prêche de Bretteville sur Bordel (Calvedos) 1596. März/April pag. 97—110: E. Belle, Les hóteliers et les débuts de le réforme à Dijon. pag. 111—113: V.-L. Bourrilly, Un curé Toulousain brülé pour cause d'hérésie à Aix en Provence 1539. pag. 113—116: R. Garreta, Notes con- cernant l'histoire de la Réf. dans le pays de Bray (Normandie), Forts. Mai/Juni pag. 218—224: N. Weiss et H. Hauser, Une des premiéres écoles de théologie protestante en France (Orléans, 1561—1568).

In der Rev. des ét. hist., année 76 pag. 474—513 und 632—653, be- handelt P. de Vaissiére die Geschichte der Ermordung des Hz. Franz von Guise vor Orléans (1563) und seines Mórders Jean Poltrot seigneur de Méré, und erórtert die Frage nach den Anstiftern des Ver- brechens, als welche einerseits Admiral Coligny und sein Kreis, andererseits die Kgin. Katharina von Medici in Betracht kommen könnten; bestimmte Ergebnisse sind allerdings nicht zu gewinnen.

Der Nümliche verfolgt ebenda 77 pag. 1—47 auf Grund teil- weis neuer Dokumente die Geschichte des Charles de Louviers, seigneur de Maurevert, der am 22. August 1572 den verfehlten Mord- anschlag auf Admiral Coligny unternahm, und erórtert dabei die Vor- geschichte der Bartholomäusnacht; durch die Ermordung des Admirals hoffte Katharina von Medici Hugenotten und Guisen zu erbittertem Kampfe wider einander zu treiben und auf diese Weise über beide zu triumphieren; das Miflingen des Anschlags führte dann zur Bartholomáusnacht.

Zur Geschichte der Religionskriege in Frankreich von 1569 bis 1573 gibt M. Wilkinson in EHR. vol. 26 Nr. 101 p. 127—138 Auszüge aus den Registern des Parlaments von Bordeaux und Ab- schriften der dortigen Stadtbibliothek; darunter mehreres über die Metzeleien in Bordeaux am 2. Okt. 1572.

81 421

Die kirchlichen Kämpfe in Dijon, die 1595 zur Vertreibung der Jesuiten führten; verfolgt J. B. Gossel bis zu deren Rückkehr i. J. 1603: Revue d’hist. de l'église de France I p. 513—532, 641—665.

„Die Einwirkung Luthers auf Italien im 16. Jahrh.“ behandelt P. Zendrini in D. Rundschau Bd. 144 S. 129—452. Fein legt er den Unterschied in der Auffassung der Reformation in.Deutschland und Italien dar, und erklürt, warum sie in letzterem Lande nicht eigentlich volkstümlich werden konnte, um dann einzelne der Reformfreunde in Italien, Juan Valdés, B. Ochino, M. A. Flaminio, Vittoria Colonna, Michelangelo, P. Carnesecchi kurz zu charakterisieren und endlich ein- gehender bei den Schicksalen der Olympia Morata zu verweilen.

In den Atti della R. Acc. delle scienze di Torino vol. 45 p. 586 bis 608 deutet Negri, Note e doce. per la storia della riforma in Italia (I. Venezia ed Istria) auf die von der neueren Forschung nachgewiesene weite Verbreitung reformatorischer Ideen in Italien hin, und erörtert eingehender die kirchlichen Kämpfe in Istrien auf Grund einiger anhangsweise abgedruckter Briefe von 1549.

Im 17. Bde. des Bullettino Senese di storia patria (1910) bringt P. Piccolomini, der an einer Monographie über die religiöse und kirehliche Geschichte Sienas im Cinquecento arbeitet, seine vor zwei Jahren im 15. Bde. derselben Zeitschrift begonnenen archivalischen Auszüge zur Geschichte des Protestantismus in Siena (Documenti sull’eresia in Siena durante il sec. 16) zum Abschluß. Den Auszügen aus dem Vatikan. Archiv schließen sich jetzt solche aus dem Staats- archive in Siena (l. c. pag. 3—35, 30 Nrn., 1531—1558, darunter eine Anzahl über Bern. Ochino) und endlich aus dem Florentinischen Staatsarchive an (l. c. pag. 159—199. 49 Nm., 1559—1570).

Jos. Hilgers handelt in ZBw. 28,3 S. 108--122 über „Bücher- verbot und Bücherzensur des 16. Jahrhunderts in Italien“, näm- lich in Florenz, Mailand und Rom. Es handelt sich um Maßnahmen, die groDenteils durch das Eindringen der reformatorischen Literatur bedingt waren; in Mailand z. B. erging schon 1523 ein Dekret gegen die Bücher von „frate Martino Lauter Alamano*. l

G. Constant führt seine Untersuchung über die Umgestaltung des Anglikanischen Kultus unter Edward VI. (s. o. S. 228) in zwei weiteren Artikeln zu Ende (RHE. XII, 2, 242—270; XII,3, 474 bis 495), die insbesondere das Eindringen zwinglisch - calvinischer Tendenzen untersuchen (zweites Common Prayer Book).

Cranmers Ansichten über die Ehescheidung entwickelt Con- stance H. White an der Hand der (nicht zum Vollzug gekommenen) Reformatio legum ecclesiasticarum von 1551 (Ms. in Brit. Mus., Harl. Mss. 426 mit eigenhünd. Korrekturen Cranmers): Westm. Rev. vol. 174 (Juli/Dez. 1910) S. 60—66.

In einem ersten Artikel ,Zur Reformation in Schottland" will A. Zimmermann die tieferen Gründe der Schottischen Reformation und ihre treibenden Faktoren aufdecken. Was von der Untersuchung

Archiv für Reformationsgeschichte VIL. 4. 28

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bisher vorliegt (RöQuSchr. 25,1 S. 27*—41*) läßt eine Förderung der Wissenschaft kaum erwarten.

| Aus Pijpers Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis NS., Deel 8, Afl. 1 notieren wir: L.Lindeboom, Georgius Cassander (t 1566) en zijne pogingen tot bemiddeling en verzoening, naar an- leiding van zijn strijd met Lindanus: pag. 1—29. W. Meindersma, De reformatorisehe beweging der 16. ceuw te 's-Hertogenbosch:

pag. 62—73. A. A. van Schelven, Petrus Delenus en Albertus Hardenberg (in Bremen) mit Abdr. eines Briefes D.s an H. von 1556: pag.74—80. L.Knappert, Stukken uit den stichtingstijd der

Nederl. Hervormde Kerk IV (8 Briefe des Henricus Geistranus; Student in Leyden, von 1577—1580): pag. 81—96. —- J. S. van Veen' Bestallung des Henr. Deckerus als reformierten Pastors in

Lunteren: pag. 107—109. Afl.2: A. A. van Schelven, Lam- bertus Danaeus (1530—1595) te Leyden (Brief von 1581): pag. 194 bis 199, J. S. v. V, De Harderwijksche Predikant Otto

van Heteren (nach einer Eingabe H.s und seines Amtsgenossen Henningius an den Kirchenrat von Harderwijk, 1585): pag. 200—201. A. A. van Schelven, Een brief van Pieter Hazaert (an die Pastoren zu Einden, 1562): p. 202—204.

Als einen Vorkümpfer der Humanität würdigt R. Kayser den „Remonstranten“ Johannes Grevius (geb. um 1584, nach 1622 ver- schollen), Verfasser des im Gefängnis gesehriebenen Buches gegen die Anwendung der Folter: Prot. Monatsschr. XV, 9 S. 354—365.

Aus einer für die polnische Kirchengesch, wichtigen Hs. der Kais. Bibl. in St. Petersburg, die Korrespondenzen von Kardinülen mit Gliedern des Hauses Radziwill von 1548 ab enthält, teilt J. Ostoya- Mioduszewska einige Kardinalsbriefe des 16. Jahrh. mit, u.a. von Hosius (RöQuSchr. 25,1 S. 55*—.65*).

Mitteilungen über das „Schulwesen der Brüderimität in Groß- polen bis 1586" macht J. Bidlo, der sich schon lünger mit Studien zu einer Gesch. der böhmischen Brüder in Polen befaßt, auf Grund von Handschriften des reformierten Synodalarchivs in Warschau: ZHG. Prov.Posen 26, 1 S. 1—21.

Neuerscheinungen.

Quellen. In Bd. 16 von Berbigs „Quellen und Darstel- lungen* bietet (1) P. Tschackert, ,Analecta Corviniana", Nach- trügliches zur Geschichte des Antonius Corvinus, das er seit seiner Verüffentlichung des Briefwechsels und der Lebensgeschichte des C. (Quell. u. Forsch. z. G. Niedersachsen Bd. 3 und 4, 1900) noch auf- gefunden hat; es sind 56 Nrn., die, aus 28 meist bisher unbenutzten Hss. entnommen, im wesentlichen von 1532 bis zum Tode des Reformators (y 1553) reichen. Wir heben hervor Nr. 4, ein Sendschreiben des C.

83 423

an seinen früheren Abt Hermann Remus von Riddagshausen (1532), das seine eigene theol. Entwicklung vom Klosternovizen zum ev. Pfarrer schildert; Nr. 7, eine satirische Schrift des C. über das Konzil von Mantua 1537 (Pasquilli de concilio Mantuano judicium); Nr. 16 (Stim- mungsbild vom Regensb. Reichstag 1541), zuerst gedr. in dieser Ztschr. I S. 84 ff; Nr. 27, 40, 41, 12, 43, 45, 46: 7 inhaltreiche Briefe des C. an Mörlin aus dessen hsl. Nachlaß auf der Königsberger Stadtbibl.; Nr. 35, C’s Lied über das Trientinische Konzil, als Anhang zu seinem Gesangbuch 1546 gedruckt. Leipzig, Heinsius Nachf. 1910. XXIII, 105 S. M. 4. In der gleichen Serie Nr. 18 veröffentlicht G. Buch- wald ungedruckte Predigten, die Joh. Sylvius (Wildenauer) Egranus in Zwickau und Joachimstal 1519—1522 gehalten hat; sie sind in Aufzeichnungen des Stephan Roth in der Zwickauer Ratsschul- bibliothek hsl. erhalten, z. T. in Auszügen, z. T. aber auch in sorg- fültiger Ausarbeitung. Leipzig, Heinsius Nachf, 1911 VIII, 171 S. M. 5.50. Dem verdienten Herausgeber der Blaurerkorresp., Traugott Schieß, verdanken wir auch die Bearbeitung von. „Johannes Keßlers Sabbata, St. Galler Reformationschronik 1523—1539* die als Nr. 103 der Schrr. des VRG. (Leipzig, Haupt 1911; S, 1—113) er- schienen ist. Sch. gibt einleitend ein ansprechendes Lebensbild des trefflichen Verfassers (1502—1574), der, in jungen Jahren durch Luther für immer der Reformation gewonnen, an deren Durchführung in seiner Vaterstadt St. Gallen, wo er sich als schlichter Handwerker niedergelassen, neben (und Hand in Hand mit) Vadian den vornehmsten Anteil hatte. Später wurde Keßler in den St. Gallischen Schul- und Kirchendienst gezogen. Seine Chronik geht aber im wesentlichen schon auf die Mufestunden und Ruhetage (daher ,Sabbata") seiner Handwerkerjahre zurück, hat freilich später mehrfache Überarbeitungen erfahren; die eigenh. Niederschrift in Cod. 72 der Stadtbibl. von St. Gallen repräsentiert wahrscheinlich eine spätere Fassung. Nach der vom HV des Kantons St. Gallen 1902 besorgten Ausgabe bietet Schieß Auszüge, die die eigentliche Reformationsgesch. von st. Gallen wörtlich, das übrige gekürzt oder im Überblick bieten. Untersuchungen und Darstellungen. Das mit Auf- wendung starker Reklame vertriebene Werk „Der Untergang des Ordensstaates Preußen und die Entstehung der preußischen Königswürde Aus den Quellen dargestellt von J. L. Vota“ (Mainz, Kirchheim & Co. 1911. XXIV 608 SS. M. 10; geb. M. 12,50), angeblich ein „neues historisches Quellenwerk zur Entstehungsgesch. Preußens“ ist vielmehr ein antipreufisches und antievangelisches Tendenzwerk, dessen Verf. im eigenen Interesse gut daran getan hat, seinen wahren Namen zu verschweigen. Als Geschichtswerk betrachtet stellt sich das Buch im wesentlichen dar als eine Kompilation aus be- kannten, größtenteils veralteten und wissenschaftlich überwundenen Schriften. Daneben ist allerdings das Deutschordensarchiv in Wien benutzt: ihm sind die zum Teil wörtlich mitgeteilten langatmigen Verwahrungs- und Protestschriften der Deutschmeister gegen die Um- 28*

424 84

wandlung Preußens entnommen: Prozeßschriften, die natürlich den Verlauf der Dinge nicht aufgehalten haben, auch zu dessen Aufklärung kaum etwas beitragen. Wenn aber der Verfasser am Schluß sagt, dem Orden bleibe „das hehre Bewußtsein des Rechts“, so muß er dem Ref. die bescheidene Frage erlauben, wo denn die Quellen dieses Rechts ruhen? Ist etwa der Orden von Erschaffung der Erde an Landes- herr von Preußen gewesen, oder hat er nicht vielmehr einfach das „Recht“ des Stärkern ausgeübt und sich mittels Unterwerfung und Ausrottung der von ihm vorgefundenen Einwohner mit Gewalt des Landes bemächtigt? Wo bleibt da das „hehre Recht“? Und wäre der Hergang auch anders gewesen: stetig ist auf Erden nur der Wandel; was nicht mehr taugt, geht zu Grunde oder lebt in neuer Form wieder auf. So ist es auch der Schöpfung der tapfern Deutsch- herrn ergangen, und zwar ist ihr dank Dr. Martin Luther und Herzog Albrecht ein beneidenswert schönes Loos gefallen, indem sie durch ihre Umbildung im 16. Jahrh. sich fähig erhalten hat, eine Vormacht des Deutschtums zu sein und endlich berufen worden ist, den Eckstein beim Aufbau des führenden deutschen Staates zu bilden!

Die Schrift von E. Körner, „Erasmus Alber. Das Kämpferleben -

eines Gottesgelehrten aus Luthers Schule, aus den Quellen dargestellt“ (= Berbig, Quellen u. Darstell. XV) ist das Ergebnis einer Arbeit von Jahrzehnten, die durch die Seltenheit der Schriften des A. und die Zerstreutheit der Nachrichten über ihn erschwert wurde. Eine Gesamt- würdigung A’s fehlte bisher überhaupt; freilich bietet auch K. sie in- sofern nicht als er sich eine zusammenfassende Darstellung der theolo- gischen Anschauungen A’s an anderer Stelle vorbehält. Sein Buch schildert an der Hand der (uellen und unter Heranziehung der Schriften und Lieder des Erasmus Alber, was dieser, der illegitime Sproß eines Pfarrers zu Bruchenbrücken südl. Friedberg i. d. Wetterau (geb. dort Ende 15. Jahrh., + 1552 in Neubrandenburg) unter dem Papsttum erlitt und was er bei Luther gefunden, wie er dann aber in der Wittenberger Schule lernte, „daB es Rom gegenüber nicht mit noch so lautem Protest getan ist, sondern nur mit Kampf, mit treuer positiver Arbeit auf Grund klaren evangelischen Glaubens“, den Alber durch alle Wechselfälle seines Lebens hochgehalten hat. Leipzig, Heinsius Nachf. 1910 VII, 203 S. M. 6,50. |

N. Paulus vereinigt 13 Schriften, die er an verschiedenen Stellen über ,Hexenwahn und Hexenprozeß vornehmlich im 16. Jahrh.* veróffentlicht hat, zu einem Bande, an dem, wer sich mit diesen und ähnlichen Studien befaßt, nicht wird vorübergehen können wegen der umfangreichen Literatur, die Vf. heranzieht. Daß letzterer die Konfessionen nicht mit gleichem Maße mißt, ist bekannt und tritt auch hier zutage; man vergleiche nur die den Hexenglauben bei den Protestanten behandelnden Aufsätze mit den beiden letzten, die das Verhältnis Roms zum Hexenwahn betreffen: in jenen macht Vf. den Ankläger, in diesen den Verteidiger! Freib. Herder 1910. 283 S.

Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H., Grüfenhainichen.

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Verlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig.

Quellen und Darstellungen aus der = Geschichte d. Reformationsjahrhunderts.

Herausgegeben von Dr. Georg Berbig, Pfarrer in Neustadt-Coburg.

(Neueste Bände.)

Band XIII. Ungedruckte Predigten Johann Bugenhagens =

en Jahren 1524 bis 1529. Zumeist aus Handschriften der Großherzog- lichen Universitütsbibliothek zu Jena zum erstenmal veröffentlicht von D. Dr. Georg Buchwald, Pfarrer an der Michaeliskirche zu Leipzig. Preis M. 11.50

Band XIV.

Stephan Isaak. Ein Kölner Pfarrer und Hessischer Superintendent

= im Reformationsjahrhundert. Sein Leben, von ihm selbst erzühlt und aus gleichzeitigen Quellen ergünzt von Wilhelm Rotscheidt, Pastor in Mórs. Preis M. 6.—.

Band XV.

Erasmus Alber. Pas Kümpferleben eines Gottesgelehrten aus Luthers m———————————— Schule. Nach den Quellen dargestellt von Emil Körner, Domprediger am freien Hochstift Meißen. Preis M. 6.50.

Band XVI.

Analecta Corvinian d. Quellen zur Geschichte des niedersüchsischen =e Reformators Antonius Corvinus (+ 1553).

Gesammelt, mit einer Einleitung versehen und herausgegeben von D. Dr. Paul Tschackert, ord. Professor der Theologie in Göttingen. Preis M. 4.—.

| Band XVII. Silvester von Schaumberg i der Freund Luthers. Ein Lebens- o= anoo b

ild aus der Reformationszeit von Friedrich Kipp, Pfarrer in Grub a. F. (S.-Coburg). Mit 4 Tafeln. Preis M. 9.—.

Band XVIII. i Ungedruckte Predigten des Johann Sylvius Egranus

(gehalten in Zwickau und Joachimsthal 1519—1522). Zum erstenmal verüffentlicht von D. Dr. Georg Buehwald, Pfarrer an der Michaelis- kirche zu Leipzig. Preis M. 5.50.

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Studien über das beginnende Ein-

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Verlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig

Ergänzungsbände

zum

Archiv für Reformationsges k z 2

Bisher sind erschienen: I. Ergänzungsband.

Beiträge zur Geschichte der Mystik in der Reformationszeit.

Von Alfred Hegler, t Dr. und Professor der Theologie in Tübingen. Aus dem Nachlasse herausgegeben und mit einer biographischen Ein- leitung versehen von Lic. Dr. Walther Köhler, a. o. Professor der Theologie in Gießen. Mit einem ae Heglers. Preis für Subskribenten M. 8,—, einzeln bezogen M. 10,—

H. RERE

Georg Helts Briefwechsel.

Herausgegeben von Lic. Dr. Otto Clemen, Gymnasialoberlehrer in Zwickau i. S. Preis für Subskribenten M. 4,40, einzeln bezogen M. 5,50.

IH. Ergünzungsband.

Der Briefwechsel der Schweizer mit den Polen.

Von Lic. Dr. Theodor Wotschke, Pfarrer in Santomischl. Preis für Subskribenten M. 12,60, einzeln bezogen M. 15,75.

IV. Ergänzungsband.

dringen der lutherischen Bibelüber- setzung in die deutsche Literatur.

Nebst einem Verzeichnis über 681 Drucke hauptsächlich Flugschriten - lo: der Jahre 1522 bis 1525. .

Von Dr. Holm Zerener. Preis für Subskribenten M. 4.—, einzeln bezogen M. 5.—.

Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H., Gräfenhainichen. Bn

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