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ARCHIV

RAFORMATIONSGESCHICHTE

TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.

In Verbindung mit dem Verein ftr Reformationsgeschichte

herausgegeben von

D. Walter Friedensburg.

IX. Jahrgang. 1911/12.

Leipzig Verlag von M. Heinsius Nachfolger 1912.

170795

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a Inhaltsverzeichnis.

Fr. Roth, Dr., Professor in München, Sylvester Raid, der Brand-, Proviant- und spütere Rentmeister des Mark- grafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulm- bach, und Georg Fróhlich, der Verfasser der ,Historia belli Schmalcaldici“ : .

O. Clemen, D. Dr., Professor in Zwickau, Briefe von Antonius Musa an Fürst Georg von Anhalt 1544—1547

W. Kóhler, D., Universitütsprofessor in Zürich, Brentiana und andere Reformatoria I, IT. . . . S. 79—84;

P. Kalkoff, Dr., Professor in Breslau, Die von Cajetan verfaßte Ablaßdekretale und seine Verhandlungen mit dem Kurfürsten von Sachsen in Weimar, den 28. und 29. Mai 1519 . A

Fr. Roth, Zur Lebensgeschichte dob Ängabutzer Form- schneiders David Denecker und seines Freundes, des Dichters Martin Schrot . 3

G. Berbig, Dr., Pfarrer in Neustadt-Koburg (5, Ein Streit- fall zwischen einem .Koburger Bürger und einem Kaplan 1550 ;

B. Willkomm, Lic., Universitätsbibliothekar in Jene. Bei- träge zur Reformationsgeschichte aus Drucken und Handschriften der Universitütsbibliothek in Jena I, II

S. 240—262;

W. Friedensburg, D. Dr., Universitütsprofessor a. D., Archivdirektor in Stettin, Aus den Zeiten des Interim

H. Böhmer, D., an, in Marburg i. H.,

| Karlstadt in Tirol? . . . so O. Clemen, Georg Motschidler, ein aeuantdecliter- Flug- schriftenverfasser .

J. Kvačala, Dr., Universitätsprofessor in ! Dorpat, "Wilhelm Postell. Seine Geistesart und seine Reformgedanken I K. Pallas, Pastor in Herzberg-Elster, Der Reformations- versuch des Gabriel Didymus in Eilenburg und seine Folgen 1522—1525 I . . . . Ed Mitteilungen: W. Friedensburg, Zur ersten Festsetzung der Jesuiten in Bayern 1548 bis 1549 S. 85—89.

G. Bossert, D., Pfarrer a. D. in Stuttgart, Zur Vor-

geschichte des Reichstags in Augsburg S. 280.

Aus Zeitschriften S. 172—183; 863—877. Neuerscheinungen S. 89—92; 183—188; 280—283; 878—880. Bibliographie S. 284.

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Sylvester Raid, der Brand-, Proviant- und

spätere Bentmeister des Markgrafen

Albrecht Alcibiades von Brandenburg-

Kulmbach, und Georg Frölich, der Ver-

fasser der „Historia belli Schmalcaldiei“. Von Friedrich Roth.

Unter den Geschichtswerken über den Schmalkaldischen Krieg, die uns von gleichzeitigen Schriftstellern überliefert sind, waren es von jeher zwei, die besondere Beachtung fanden, nämlich das des kaiserlichen Kammerherrn Louis de Avila, der als des Kaisers „anderes Selbst“ die Ereignisse „aus dessen Sinn und Gedankenwelt heraus“ betrachtet und beschreibt, und das für uns hier in betracht kommende eines Anonymus, gedruckt im III. Bande der von Mencken herausgegebenen Scriptores rerum Germanicarum, das in der Auffassung des Ganzen wie in der Darstellung der Einzelheiten den entgegengesetzten Standpunkt einnimmt, heftig gegen Avila polemisiert und ursprünglich keinem Geringeren zugeschrieben wurde als Sebastian Schertlin von Burtenbach. Später jedoch kam man zu der Er- kenntnis, daß dies ein Irrtum sei, und gab sich viele Mühe. den Schleier, der über dem Anonymus lag, zu heben. Es wurde dargetan, daß der Verfasser dieser Historia kein Kriegmann sondern ein Jurist und politischer Geschäfts- mannn gewesen sein müsse, der Schertlin als Mensch und in seiner Berufsstellung sehr nahe gestanden, während des Krieges, wenigstens bei gewissen Episoden, in dessen Umgebung geweilt habe und wie dieser ein Opfer des kaiserlichen Sieges geworden sei. Es deutet ferner, wie man nachwies, alles darauf hin, daß er „mit der Stadt

Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 1. l

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Augsburg in engem Zusammenhang, mit den Zuständen derselben und allem, was dort geschah, besonders vertraut war“. Als sich Georg Voigt in seiner bekannten Ab- handlung Die Geschichtschreibung über den Sehmalkaldisehen Krieg!) nach den Männern um- sah, bei denen diese Voraussetzungen zutreffen, kam er zu dem Ergebnis, daB das meiste auf den seit 1536 in Augsburg als Syndicus, dann als Stadtschreiber tätiren Georg Frölich passen würde und alles in Ordnung wäre, wenn nicht ein einziges, freilich „höchst wichtiges Indieium^ im Wege stünde, nämlich der Umstand, daß der Stadtschreiber anscheinend während des ganzen Krieges Augsburg nicht verlassen habe. Und nun kam Voigt bei der weiteren Suche nach dem Autor, an dem Stadtarzt Gereon Sailer?) vorübergehend, auf Dr. Nikolaus Meier?°), der, seit Ende 1544 als Advokat in den Diensten der Augsburger stehend, in den nächsten Jahren eine ebenso eifrige als tiefgreifende Wirksamkeit für die Interessen seiner „Herren“ und des Schmalkaldischen Bundes entfaltete., Voigt stellte nun mit großer Umsicht und Geschickliehkeit alle Punkte zusammen, die diese Annahme begründen könnten, aber seine Ausführungen entbehrten trotzdem der über- zeugenden Beweiskraft und wurden später durch mehrere von andern Forschern beigebrachte Argumente erschüttert. Noch weniger vermochte Druffel durchzudringen, der in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Vigliusschen Tagebuches*) wahrscheinlich zu machen suchte, daf der Verfasser unserer Historia in dem bekannten Neu- burger Rentmeister Gabriel Arnold zu suchen sei. So kam es, daß Lenz in einem Exeurs zum dritten Bande

5 In den Abhdlg. der philol. hist. Cl. der K. Sächs. Gesellschatt der W., Bd. VI (Leipzig 1874) S. 729ff. Vgl. Lorenz „Beiträge zur Kritik der Geschichtschreibung über den Schmalkaldischen Krieg“ (Kónigsb. Diss., 1876) S. 22ff.

%) Auf ihn hat zuerzt aufmerksam gemacht Rommel, Philipp der Grofmütige, Bd. II, S. 483.

3) Voigt, S. 7381f. S. über Meiers Tätigkeit in Augsburg Roth. Augsburgs Ref.-Gesch., Bd. III (München 1907) S. 224ff. und Reg.

*) Viglius von Zwichem, Tagebuch des Schmalkaldischen Donaukrieges (München, 1877).

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des von ihm publicierten Briefwechsels Landgraf Philipps des Großmütigen von Hessen mit Bucer (Leipzig 1891 S.527ff.) auf Frölich zurückgreift, aber doch zu keinem sicheren Schlusse kommt, weil auch er annimmt, daß der Autor des Buches bei dem berühmten Ritte Sehertlins von Lauingen naeh Augsburg?) doch wohl an dessen Seite gewesen sein müßte, was aber nicht nur nicht nachgewiesen werden kann, sondern durch einen Blick in die von Frölich in dieser Zeit geschriebenen Briefe und Zettel (in der Literaliensammlung des Augs- burger Stadtarchivs) geradezu widerlegt wird. So blieb die Frage aueh jetzt noch offen und wurde noch einmal gründlich erörtert von Radlkofer in seiner 1900 erschienenen Biographie Frólichs?) Er sucht zu er- weisen, daß sich die Schwierigkeiten, die von seinen Vor- gängern gegen die Autorschaft Frölichs erhoben wurden, ohne besonderen Zwang heben lassen, und bringt noch ver- schiedene neue Gründe bei, die die Annahme, daß die in Rede stehende Historia doch von Frölich herrühre, unterstützen sollen. (ewißheit vermochte aber auch Radl- kofernichtzuschaffen. Bald darauf machte uns Leidinger in seiner Ausgabe der Werke des Andreas von Regensburg?) mit einem bis dahin noch unbekannten Werk Frölichs bekannt, nämlich mit einer Übersetzung dervonAndreasvonRegensburgverfaßtenHistoria de Prineipibus Bavarorum; daraus konnte man sehen, daß Frölich sich ernsthaft mit historischen Arbeiten beschäftigte, und es wuchs damit die Wahr- scheinlichkeit, daß er auch die Historia belliSchmal- ealdici geschrieben habe. Trotzdem mußte der Verfasser dieser Zeilen, der im II. Bande seiner Reformations- geschichte Augsburgs Veranlassung hatte, diese Frage flüchtig zu streifen, bekennen, daB er aus mehreren von

!) Am 12. Oktober 1546.

*) „Leben und Schriften des Georg Frölich, Stadtschreibers in Augsburg von 1537—48“, in der Zeitschr. des hist. Ver. für Schwaben u. Nbg., Jahrgang 1900, S. 93 ff.

3) Andreas von Regensburg, Sämtliche Werke (München 1903), Einleitung S. LXXXXVIIT, CIII.

1*

4 4

ihm angedeuteten Gründen nicht annehmen könne, dab Frölich wirklich der gesuchte Anonymus sei, und er sprach dabei die Ansicht aus, daß weitere Klärung der Sache nur von einem zufälligen Funde zu erhoffen sei.

Ein solcher wurde nun von ihm gemacht, und zwar in den Urgiehten des Sylvester Raid, die in der Urgiehten-Sammlung.des Augsburger Stadt- Archivs aufbewahrt sind. Wer ist Sylvester Raid? Den Keunern der oberdeutsehen Reformationsgeschiehte wird er nicht ganz unbekannt sein. da er sowohl bei der Refor- mation der Stadt Donauwörth als bei den kriegerischen Unternehmungen des Markgrafen Albrecht Alei- biades öfter genannt wird. Er entstammte einer an- gesehenen, in Augsburg ansässigen Familie und findet sich in den städtischen Büchern unter 1535 als Notar, dann als Spitalschreiber, aus welcher Stellung er am 26. Januar 1538 entlassen wurde!). Eine von ihm damals an den Rat gestellte Bitte, ihn als Syndieus aufzunehmen, fand kein Gehör, und so mußte er froh sein, dab er als solcher bei den Fuggern ein Unterkommen fand?). Nebenbei betätigte er sich als hervorragender Freund und Kenner der Musik. Als er im Jahre 1539 wohl im Auftrage der Fugger in Ge- schäftsangelegenheiten zu dem Herzog Albrecht von Preussen reisen mußte und dabei von dessen Vorliebe für kirchliche Musik hörte, nahm er die Gelegenheit wahr, ihm das eigene hohe Interesse an dieser „hehren Kunst“ zu erkennen zu geben, was freundlich aufgenommen wurde. Nach seiner Heimkehr sandte Raid dem Herzog einige geistliche Gesänge, worauf ihm dieser eine Anzahl von Ton- dichtungen seines aus Augsburg stammenden „Componisten“ Hans Kugelmann übermitteln und ihn ersuchen lieb, sie in den Druck zu geben. Natürlich beeilte sich Raid, diesem Wunsche naehzukommen?), und zwar mit Hilfe des

!) „Dreizehner Protokolle“ des Jahres (im Augsb. Stadt-Archiv) 8.9. 2) Voigt, Blicke in das kunst- und gewerbliche Leben der heiehsstadt Nürnberg (Berlin 1862) S. 48; Denkmiüler der deutschen Tonkunst, Band V, 1. Lieferung (Leipzig 1904) von Sandberger S. LI. ?) Vier Bändchen für Tenor, Discant, Altus et Vagans, Bassus. Der Haupttitel in dem Bändchen für Tenor: Tenor /Concentus novi; trium vo-

5o. 5

in der Musikgeschichte Augsburgs wohl bekannten ,Stadt-

= ea

cum /ecclesiarum usui in Prussia precipue accomodati/Joanne Kugel- mano, tubicinae Symphoniarum authore. / News Gesanng, mit dreyen stymmen / den Kirchen vi Schulen zu nutz, newlich in Preussen / durch Joannem Kugelman Gesetzt. / Item etliche Stuck, mit Acht, Sechs, Fünf vnd Vier Stymmen hinzu gethan. / Getruckt zu Augspurg, durch Melcher Krießstein. Am Ende: Augustae Vindelicorum / Melchior Kriesstein Excu- debat. Die Vorrede Raids und der Lobspruch Frölichs findet sich in dem Bändchen für Altus et Vagans. Titel und kurze Beschreibung des Werkes bei Tschackert, Urkundenbuch zur Reformationsgeschichte des Herzogtums Preussen (in den Publicationen aus den k. preuß. Staatsarchiven), Bd. II, (Leipzig 1890), S. 407 Num. 1278. Ausführlichere Beschreibungen bei Wackernagel, Bibliogr. des deutschen Kirchen- liedes im XVI. Jhdt. (1855) S. 167 und bei Dóring, Zur Gesch. der Musik in Preußen (Elbing 1852) S. 20ff. Raid sandte von dem Werke 820 Exemplare an den Herzog (Tschackert, IT, S. 413, Num.1298). Der Brief, in dem Raid von dem Herzog um die Druck- legung der Kugelmannschen Gesänge ersucht worden war (22. Jan. 1540), ebenda S. 395, Num. 1234. Eine kurze Inhaltsangabe der Vorrede Raids ebenda S. 404, Num 1279. Wir wollen diese Vorrede, da der Druck sehr selteu und es von Interesse ist, Raid auch als Liebhaber der Musik genauer kennen zu lernen, hiervollstándig mitteilen:

Genediger Herr. Als ich des verganngen Neünvnddreissigisten Jars bey Ewrn Fürstlichen gnaden Botschafftweiß vnnderthenigklich erschinen, Haben sich Ewr f. g. meinem Herrn vnd beuelchgeber zu besondern gnaden nit allain mit gnediger anhórung meiner vner- thenigen werbung vn fürbringen, Sonndern auch in der hauptsach an jr selba so gnedig vnd willfärig erzaigt, das ich mich desselben bey menigklich von Ewr f. g. nit gnüg zu berümen weiß, zugeschweigen, was Christlichen Eifers zu der Euangelischen warhait, was Fürstlichen, aufrechten gemüts, Recht, gerechtigkait vn billichhait züfürdern vnd zu . handthaben gegen menigklich, ich bey Ewr f. g. gespürt, vud bevorab gegen meiner (wiewol vnansehnlichen person) würklich vnd vnder anderm auch mit vnderthenigen frewdeu vernommen hab. das Ewr f. g. der lustbaren vnd hertzbiegenden wolgeordenten Music besondere naigung vnd begird tregt, in sonnderhait aber, wann dieselb zum lob vnd preiß des allmechtigen himlischen vaters gericht würdt. Deu- selben nach vnd dieweil Ewr f. g. genedigklich von mir begert, jr etwann mein Schreiben zükommen zülassen, ist ervolgt, das ich Ewr* f. g. neben vndertheniger züsendung etlicher newen, meins erachtens in dem loblichen Ewr f. g. Fürstenthumb Preüssen hieuor vnbekannten Gesánngen vnderthenigklich meinem geringen verstandt nach geschriben: Darauff auch Ewr f. g. mir widerumb genedigklich züschreiben lassen, das Sy mein Brief, zügeschickte Gesanng genedigklich empfangen, vnd vbersendten mir dagegen etliche, durch meinen lieben Herrn vnnd Landts-

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pfeifers"* Sigmund Salminger!) eines ehemaligen Wiedertäufers, und Georg Frólichs, mit dem er als politischer Gesinnungsgenosse schon seit längerer Zeit eng befreundet war. Er bewog Frölich, das Werk dureh eine literarische Beigabe zu bereichern, und so entsand dessen rrlicher Sermon ‘om i Nutz- herrlicher S „VO Preiß, Lob und Nut barkeitder Musiea“?). der rasch Verbreitung fand und o

mann, Ewr f. se. Musicu Hannsen Kugelman, gemachte Tria vnd Gesanng mit genedigem begeren, dieselben ordenlich, fleissig vnd souil müglich mit aigentlicher vnndersetzung der Text Trucken zulassen. Welchs ich uff gónstigklich zulassen der Erenuesten, fürsichtigen vnd weisen meiner gepietenden Herren vnnd Christlichen Obern, Bürger- maister vnd Rate der loblichen Reichs Statt Augspurg, nit minder willig, begirig vnd gern als auB schuldigem gehorsam vnderthenigklich eethan: Dartzu mir ander der edlen Musica liebbaber, beuor aber mein lieber herr vnd freünd Sigmund Salminzer, diser fürtreffenlichen kunst Lermaister allhie, der, Ewr f. g. vnd gemainer Music begirigen Eren vnd vnnderthenigem gefallen, etlich mer gaistliche Gesanng hinzü gethan hat, hoch beholifen gewest: Gleicher gestalt vnd merer aufbraitung derselben ist auch mein besondergönstiger, lieber Herr vn fründ Georg Frölich, Stattschreiber zu Augspurg, be- wegt worden, nachuolgenden Lobbrief vber die Musica in gemain zumachen. Sende also Ewr. f. g. solch Werk hiemit vnnderthenigklich zů, desselbizen nit allain ain herrlicher, statlicher verthüdinger sein, Sonnder auch mit gnaden vou mir vnd anndern dazufürdernden gut- hertzigen Mannen mit gnaden an vnd für gut zunemen vnnd mich, auch dieselben in jr Fürstlich gnad befohlen zuhaben. Der allmechtig Got geruch Ewr f. g. lang leben, glückliche Regierung vi wolfart zu seiner götlichen Ere vnd des nachsten hail laugwinig zufristen vin erhalten. Amen.,

Geben zu Ausspurg am NNI, tag des Herbstmonats nach Christi gepurt M. D vnnd. NL.

E. F. G. vındertheniger Sylnester Raid, Burger zu Auuspurg,.

!'j Siehe über ihn: Denkmäler der Tonkunst (Sandberger) I. c. NS. XLVI; Radlkofer, Jakob Dachser u. Sigmund Salminger in den Beitr. zur Bayr. Kirchen-Gesch., VI N. 1f£; Roth, Augsb. Ref.-Gesch. I, II, HI. Register; Roth, Zur Gesch. der Wiedertäufer in Oberschwaben in der Zeitschr. des hist. Ver. f. Schw. u. Nbe. (Augsburg 1901), Register.

2) Sandberger, L e. XLVII. Frölichs Lobspruch erschien auch in mehreren Einzeldrucken. Im Auszug mitgeteilt von Winter- feld, Zur Gesch, heiliger Tonkunst, II, S. 278 und bei Tschackert, l. e. S, 408, Num. 1280. Neudruck von Friedr. Jae. Beyschlae.

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in unserer Zeit wieder „nach Würden hervorgezogen wurde“ !),

Erwarb sich Raid auf diese Weise bei Herzog Albrecht hohe Gunst, so geriet er, wie die Ratsdekrete und Straf- bücher bezeugen, wegen einiger Streithändel, die er anfing, mit der einheimischen Obrigkeit mehrmals in Konflikt, und im Jahre 1543 wurde ihm auf Beschluß des Rates auch wegen un- sebührlichen Auftretens vor Gericht „ein gutes Kapitel ge- lesen*?). Am 31. Juli 1548 erhielt er, nachdem er aus den Diensten der Fugger ausgeschieden, auf sein Ansuchen die später mehrmals erneuerte Erlaubnis, ein Jahr außerhalb der Stadt zu wohnen?), und begab sich nach Donauwörth, wo er nach einiger Zeit Stadtschreiber wurde. Im nächsten Jahre lud ihn der Rat der Stadt Augsburg als seine recht- mäßige Obrigkeit vor Gericht?), weil er dort Hildesheimer Kreuzer, die nur fünf Heller wert waren, in grober Menge als vollwertig in Umlauf gebracht hatte. Raid wurde während der Untersuchung gefangen gesetzt, nach Feststellung seines Vergehens um einhundertundzwanzig Gulden gestraft und nur gegen eine schimpfliche Urfehde ausgelassen. Ein von ihm’ im Jahre 1553 unternommener Versuch, vom Rate die Zurück- gabe dieses Schriftstückes zu erwirken ?), hatte keinen Erfolg).

!) Lenz bezeichnet in seinem Briefwechsel Landgraf Philipps von Hessen mit Bucer, III S. 530 diesen Lobspruch „wohl als das Geistreichste und Poesievoliste, was wir von seiner Frölichs Hand besitzen“.

^) Ratsdekret des Jahres (Augsb. St.-Arch.), 1. Februar.

3) Steuerbuch 1518 (ebenda). Raid mußte, dem Brauche nach, drei Nachsteuern entrichten pro 1548, 49, 50 und bezahlte dreimal 5 fl 10 er 1 d, war also nicht. unvermóglich.

4) Die Geheimen von Augsburg an Sylvester Raid, 8. Juli 1549 (Urgichten-Sammlunz des Augsb. St.-Archivs).

5) Raid an Stadtpflexer, Bürgermeister und Rat von Augsburg, 25. April 1553 (ebenda). Er sagt in diesem Schriftstück unter anderem zu seiner Entschuldigung: Móvhte man mir vorhalten, „daß ich züvil untz und gewin an den kreutzern gesucht, so trueg ich sorg, daß die gefengknussen zu Aupspurg. Ulm und Nuermberg vil zu eng wurden sein, die all gefaugen legen, die zwölf, fünfzehen guldin, ja vil ain mehrers au gold und silber von hundert guldin haben und ge- winnen, und wurde mit der geringen sum der barmhertzigen (= erbürin- lichen) kreutzer mein wol vergessen“.

*) Stadtpfleger und Ratgehen an Raid, 29. April 1553 (ebenda).

8 S

Schon im Jahr vorher (1552) hatte Raid sein Stadtschreiber- amt verloren, als in Donauwörth der Rat, der ihn an- gestellt, am 2. Februar einem auf Befehl des Kaisers von Heinrich Hase eingesetzten neuen Magistrat weichen mußte !).

Als sich Raid Gelegenheit bot, bei Beginn des Fürsten- krieges in die Dienste des Markgrafen Albrecht zu treten, griff er mit beiden Händen zu und wurde über Nacht aus dem musikalischen Schreiber ein Kriegsmann. Es gelang ihm, in kürzester Zeit das Vertrauen seines neuen Herrn in so hohem Maße zu gewinnen, daß er das verantwortungsvolle Amt eines Brand- und Proviantmeisters erhielt, mit ver- schiedenen wichtigen Missionen betraut wurde und im Lager zu Frankfurt im Namen Albrechts alle einlaufenden Briefe, die nicht an einen der verbündeten Fürsten gerichtet waren. zu öffnen hatte?) Raid war ein eifriger Protestant und stellte sich nun an die Spitze der evangelischen Partei in Donauwörth, um dort (Ende März 1552) im Einverständnis mit den Fürsten und mit ihrer Unterstützung den alten Rat wieder herzustellen und die Zurückberufung der verjagten Prüdikanten zu betreiben ?); und das gleiche tat er im Auf- trage des Markgrafen auch in Dinkelsbühl‘) und wohl noch an anderen Orten. Als der Krieg beendet war, erschien er in den letzten Tagen des Jahres vor dem unterdessen wieder eingesetzten Haseschen Rate, verlangte von diesem in trotzigen Worten unter Hinweis auf den Aus- söhnungsartikel des Passauer Vertrages die Freigabe seiner Habe, die der Kaiser mit Beschlag hatte belegen lassen ?), und gebärdete sich im Vertrauen auf den Rück- halt, den er bei dem Markgrafen hatte, in Donauwörth

1) S. hierzu Stieve, „Die Eintührung der Ref. in der Reichsstadt Donauwörth“ in den Sitzungs-Ber. (hist. Cl) der bayr. Akad. d. W., München 1884 S. 424ff, u. 127 mit Anm. 1.

7) Chr. Tiefstetter an die Geh. von Augsburg, 23. Juli long (Literaliensammlung im Augsb. St.-Arch.).

3) Stieve, l. c. S. 429.

t) Fürstenwerth, Die Verfassungsünderungen in den ober- deutschen Reichsstädten zur Zeit Karls V. (Göttinger Diss. 1893) S. 74 und 75.

$ Stieve, L c. S. 445.

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auch sonst so trotzig, daß sich der Rat vor ihm zu fürchten begann. Man war hier, nach Ansicht Raids ohne jede Not. wieder zum Interim zurückgekehrt, und er drang nun darauf, es abzutun. Schon am 2. Januar 1553 setzte er im Namen der von ihm in Erregung gebrachten evangelischen Mehrheit der Bevölkerung beim Rate durch, daß dem evangelischen Gottes- dienst wenigstens in einer Nebenkirche wieder Raum ge- geben wurde; am 27. Januar nötigte er seine „Herren“, einen vom Pfalzgrafen Ottheinrich gesandten Prädikanten aufzunehmen und ihm die Pfarrkirche der Stadt zu öffnen.) So wurde Raid der Wiederhersteller des Protestantismus inDonauwörth. Etwas vorher war er jetzt als mark- gräflicher Rentmeister bezeichnet für den Markgrafen tätig gewesen, indem er neben Wilhelm von Stein als dessen Bevollmächtigter mit dem Herzog von Alba und dem Bischof von Arras (im Herbste 1552) die Verhandlungen geführt, die den bekannten zwischen dem Kaiser und Albrecht abgeschlossenen Vertrag vom 24. Oktober zur Folge hatten?). „Der von Arras“, der Raid dabei näher kennen lernte, fand so großen Gefallen an ihm, daß er zu aller Verwunderung für ihn ein Patent fertigen ließ, auf das hin er für den Kaiser Geld aufbringen sollte ’).

Im Jahre 1554 begab sich Raid als Gesandter des Markgrafen mehrmals an den Hof des Königs Heinrich ll. von Frankreich, worüber er selbst berichten mag*).

Er sagt: „Er sei zum dritten mal aus und ein in Frankreich wegen seines herrn, des marggraven, postiert. das erste mal hab der könig von Frankreich den herrn von S. Lorentzen, ein abbt, so des kunigs am- bassador in Schweitz gewesen, dem marggrafen, wie derselb in Sachsen geschlagen, mit ainer capitulation ab- gefertigt, mit diesem bevelch: er solle dieselb capitulation dem marggrafen ilberantworten und alsdann von wegen des

1) Stieve,l.c. S. 446, 449.

2) S. hierzu Voigt, Markgraf Albrecht Alcibiades von Branden- burg-Culmbach, Bd. II, (Berlin 1852) 8. 3.

*) Zasius an König Ferdinand, Augsburg, 20. Febr. 1553 in Druffel, Briefe und Akten zur Gesch. d. XVI. Jhdts, Bd. IV Nr. 47 S. 44.

*) In einer seiner Urgichten.

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kunigs begern, daß der marggraf seine gesandten gen Schaffhausen welle abfertigen. daselbst wurden des kunigs verordnete auch sein, die sollten dieser capitulation halben schließlich handlen?!). die eapitulationsarticel, so Friderich Spät anstatt des marggrafen mit dem kunig von Frankreich abgeredt, sind die gewesen, daB der marggraf den hertzogen von Amal umb 100000 eronen soll ledig geben, und daß der marggraf sich in des kunigs von Frankreich dienst und puntnis geben soll; so welle ime der kunig auf 3000 pferdt und 40 vendl knecht monatlich 30000 eronen geben, und mit solchem volck soll der marg- graf auf das Niderland ziehen, daselbs welle der kunig mit seinem haufen im stoßen. es welle auch der kunig mitt! furnemen, damit der marggraf mit seinen widerwertigen vertragen werde? I „Darauf hab marggraf dem Raiden ein instruction, mit ziflern geschriben, zügestellt, die niemands denn marggraf und Raid lesen können, ungeferlich des inhalts®), daß der marggraf den hertzogen von Amali gegen erlegung vou 100000 eronen welle ledig geben. er, der marggraf, kündt sich aber umb ein so geringe suma gelts nit bestellen lassen; welle in aber der kunig balten, wie er hertzogen Moritzen im 52. jar gehalten hab, welcher ungeferlich auf 60 vendl knecht und 400 reuter monatlich 72 m eronen gehabt, so well sich der ımarggraf mit dem kunig einlassen, doch dab der kunig dem marggrafen vergun, s solch kriegsvolk züvor wider seine veindt gebrauchen. darauf ist Raid mit obzemelter instruction dem ersten mal in Frankreich geritten und sein werbung vor dem kunig in teutscher sprach forbracht, in beisein seines und des kunigs von Frankreich dolnetsch*). darauf ime der kunig persönlich geantwurt und dureh des kunigs dolmetschen ime verdeutseht worden.“ „Zu dem andern mal, wie Raid in Frankreich postiert, hab er den Franzosen, den Amali, mit ime gefiert und dem kunig presentiert”).“

!) S. hierzu Ernst, Briefwechsel des Herzogs Christoph von Württemberg, Bd. II, (Stutte, 1900) Nr. 493 S. 392 ff. mit Anmerkungen. Druffel,]. c. Nr. 371, 383, 885.

*) Die Antwort des Königs auf Späts Werbung bei Ernst S. 393, Beil. A.

3) Die Instruction Raids ebenda S. 396, Beil. C.

Bes 4) Siehe das „erste Anbringen Raids“ beim König ebenda S. 395, eil. B.

5) Voigt, Albrecht, If, 5. 198 und die dort S. 199 Anm. 1 aufgef. Literatur, S. hierzu auch Ernst, Nr. 619 S. 514, wonach der Markgraf seinen Gefangenen am 28. April selbst dem Leutnant des Obersten von Metz übergab. Vgl. auch ebenda Nr. 649 8. 537.

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„Zu dem 3. mal ist Raid in Frankreich der ursachen postiert, daD der kunig dem marggrafen, wie er von seinem land vertriben gewesen, ein herschaft hat sollen eingeben, so welle der marggraf selbst hinein kommen?!), welches alles im 54. beschehen.“

Was Raid hier erzählt, umfaßt durchaus nieht alle „Handlungen“, die er damals betrieb, auch verschweigt er, daß man ihn im Herbste 1554 in Frankreich wegen eines „praktizierlichen“ Briefes, der bei ihm gefunden worden, auf kurze Zeit in Haft genommen hatte?).

In den nächsten Jahren kommt uns Raid aus dem Gesicht, und wir hören von ihm erst wieder in der Zeit nach dem Tode des Markgrafen Albrecht (8. Januar 1557). Er war wie so manche andere, die gehofft hatten, im Dienste des Markgrafen zu Gut und Geld zu kommen, statt dessen in missliche Vermögensverhältnisse geraten, und so verfiel er, obwohl er (im Herbst 1557) mit der „Annehmung“ von 500 Reitern für den Herzog von Florenz und mit anderem „Kriegszewerb“ beschäftigt war und auch mehrere kleinere Bestallungen, z. B. bei David Baumgartner, hatte, auf den Gedanken, sich bis zum Eintritt besserer Zeiten dureh Beteiligung an Raubritterunternehmungen auf- zuhelfen. In der Schule, die er bei dem Markgrafen dureh- gemacht, hatte er ja das Räuberhandwerk gründlich erlernt und auch genügend Gelegenheit gefunden, persönliche Be- ziehungen mit Rittern und „Reutern“, die sich damit ab- zaben, anzuknüpfen: so mit dem bekannten Wilhelm von Grumbach, mit dessen Vetter Hessel von Grumbach und dem diesen eng ,verwandten* Wilhem von Stein. Von kleineren Anschlägen, die er ausheckte, wollen wir hier absehen, um gleich auf das „stattliche“ Unternehmen ein- zugehen, das er im Herbste des Jahres 1557 vorbereitete. Die beiden Grumbach. Wilhelm und Hessel, hatten Wind davon bekommen, daß um Weihnachten der wöchentlich nich VenedigabgehendeAugsburger Bote eiue gróDere Sendung von Geld und Kaufmannswaren nach Italien führen werde, und sie machten sich nun an Raid heran.

) Voigt, Albrecht, II S. 219. ?) Ernst Nr. 811 S. 672, 812 S. 673.

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um durch diesen, der ja in Augsburg heimisch war, das Nötige auskundschaften zu lassen. Raid selbst fand in dem Augsburger Bürger Joachim Elsässer, „seinem liebsten Bruder und Freund“, sowie in dem früheren markgräflichen Profosen Hans Baldauf willige „Verräter“, die ihm alle ge- wünschten Einzelheiten zutrugen. Schließlich bildete sich zur Durchführung der Sache dureh gegenseitige „Verschreibung“ eine Gesellschaft von zehn Mitgliedern, welche, die Kundschafter eingeschlossen, alle gleichmäßig an der Beute Anteil haben sollten. Der Leiter des Überfalles selbst war Hessel von Grumbach, der den ihm genau bezeichneten Boten nicht weit kommen ließ, sondern schon auf dem Lechfeld in der Nähe von Landsberg niederwarf und ausraubte. Raid erhielt aus der Beute zweihundert Kronen, drei Beutelchen mit Perlen und drei Rubinringe.

Dieser Überfall machte wegen der Höhe des den Räubern in die Hände gefallenen Wertes und verschiedener Neben- umstände weithin ungeheures Aufsehen, und Schertlin von Burtenbach, der natürlich auch ein genauer Be- kannter Raids war?) fand den Vorfall wichtig genug, um ihn in seiner Selbstbiographie zu erwàühnen?. Aber der Gewinn war für Raid wegen der großen Anzahl der Teil- haber nieht ergiebig genug, und er sah sieh nach wie vor in Geldverlegenheiten. Im April 1558 ersuchte er seinen Freund Elsässer, für ihn ein Darlehen von zweihundert (xulden aufzubringen?), und gleichzeitig suchte er einen neuen „Gesellen“ zu einem Raubhandel. Indem wir das, was sich in unseren Quellen darüber erhalten hat, aufgreifen, kommen wir wieder auf den Mann, dem diese Zeilen eigentlich gelten, denn der ,Geselle*, mit dem Raid diesmal Gemeinschaft machte, war niemand anderer als Georg Frólich. Dieser versah damals in den Diensten Ottheinrichs das Amt des Vorstandes der pfalzneuburgischen Kanzleiverwaltung

1) Daß Schertlin mit Raid viel zu tun hatte, ergibt sich aus mehreren Stücken in den von Druffel herausgegebenen „Briefen und Akten“ und in dem Briefwechsel Herzog Christophs.

2) S. unten S. 17 Anm. 1.

3) Schreiben Raids an Elsässer vom 21. April 1558 (Urvichten- sammlung).

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und hatte eben erst die Ehre gehabt, den von Frankfurt zurückkehrenden neu gewählten Kaiser Ferdinand im Auftrage seines Herrn zu Nördlingen zu begrüßen'). Auch Frölich befand sich im Frühling 1558 in der Klemme. Seine Tochter Anna, die in zweiter Ehe mit dem Arzte und Alchymisten Dr. Keller aus Ulm verheiratet gewesen, war damals gestorben, und nun forderten die Vormünder ihrer Kinder aus erster Ehe von Frölich das Muttergut. Einen Teil dieses Geldes aber hatte Frölich nebst eigenen den Augsburger Kaufleuten Hans und David Weiher übergeben, die in Lyon Bankrott machten?). Die Haupt- schuld daran maß er dem mit den Firmen Bimel und Linek in engen Geschäftsverbindungen stehenden Kaufmann Hans Lagnauer?) zu, der unmittelbar vor dem Zusammenbruch der Weiher sein bei ihnen eingelegtes Geld noch zu retten sewußt hatte. Frölich war über diesen Verlust im ganzen etwa 4200 Gulden wütend und suchte in un- gestümer Weise auf dem Rechtswege zu dem Seinigen zu kommen. Bald aber sah er ein, daB dies vergeblich sein würde, und da er, wie er sich rühmte, „Gott sei Dank genugsam mit Verstand begabt war“, um sich in einem solchen Falle selbst zu helfen, kam er mit Raid, der bei dem Bankrott ebenfalls Geld verloren haben wollte, überein, sich durch gewaltsame Wegnahmne von Lagnauerschen und Bimelschen Kaufmannsgütern „ihres Schadens zu ergótzen**). Aber dieser Plan und andere Anschläge, die

) Radlkofer, l.c.S. 70 Anm. 7. Ferdinand kannte Frölich schon von früher her, als dieser noch Stadtschreiber in Augsburg war. Im Jahre 1548 hatte Frölich dem Kaiser und dem König seine deutsche Übersetzung der an König Nikokles von Cypern gerichteten Rede des Isokrates „Vom Reiche“ gewidmet. Radikofer S. 85ff.

? Radlkofer 5 81. Über Frölichs Handel mit den Weihern und Lagnauern haben sich mehrere Schriftstücke in der Autographen- sammlung des Augsb. St.-Arch., Faszikel Frólich, erhalten.

7) S. über diese Firmen etwa Strieder, Zur Genesis des modernen Kapitalismus. Forschungen zur Entstehung der großen bürgerlichen Kapitalvermögen . . . in Augsburg (Leipzig 1904) ‘N. 146fi., 1ö1ff., 210ff.

*) Am 11. April 1558 ersuchte Raid seinen Freund Elsässer in einem Briefe, ihm die Handelszeichen der Bimelschen Gesellschaft und des Hans Lagnauer, wenn er ein eigenes führe, zu übersenden.

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Raid noeh hegen mochte, kamen nicht mehr zur Ausführung. Die Eigentümer der auf dem Lechfeld geraubten Güter hatten beim Kaiser, als er n Schwaben geweilt, Klage erhoben und einige der Täter, unter ihnen Raid, angezeigt. Anfangs Mai erschien darauf hin ein kaiserlicher Kommissär vor dem Rate in Donauwörth und verlangte von diesem unter Vorlage eines schriftlichen Befehls die Auslieferung des „im ganzen Reiche verschreiten, bannisierten und auf- ruherischen* Raid). Dieser wird herbeigeholt, erschrickt, wie er sieht, um was es sich handelt, erhebt zuerst heftigen Widerspruch gegen die Forderung des Kaisers, ergibt sich aber, nachdem er die Nutzlosigkeit des Widerstandes ein- gesehen, in sein Schicksal und läßt sich zur Donau führen, um die Fahrt nach Österreich hinab anzutreten. Die Untersuchung wurde unter reger Beteiligung des Kaisers selbst in Neustadt geführt, wo Raid wiederholt „gütlich und peinlich“ verhört wurde?) Seine Ausrede, er babe ge- glaubt, die bei Landsberg aufgehobene Sendung sei ein für Rom bestimmtes Quatembergeld und dürfe, da damals der Papst des Kaisers Feind gewesen?), straflos weg- genommen werden, half ihm nichts, denn er wurde überführt, genau gewußt zu haben, daß das geraubte Gut einer Menge ihm mit Namen bekannter Partieularpersonen gehört habe:

-

„Bin bedacht, neben dem herrn Frölich die ballen (dieser Firma) auf recht (!) zu arrestieren an ortn und endn, da wir nit so ain langen proceß gewarten muessen“.

1) Königsdorfer, Gesch. des Klosters zum Hl. Kreuz in Donauwörth, Bd. IT (Donauwörth 1825) S. 214 nennt als Tag der Verhaftung, wie es scheint richtig, den 3. Mai, aber unter dem falschen Jahre 1553.

*, Ein Auszug der ersten Verhöre Raids wurde vom Kaiser dd. Wien, 20. Juni 1558 an die Geheimen von Augsburg gesandt, worauf ihm diese unter dem 3. Juli die Urgichten des von ihnen unter- dessen eingezogenen und inquirierten Joachim Elsüsser überschickten. Nachdem diese Raid vorgehalten worden, ließ Ferdinand den Augs- burgern, Wien, 18. Oktober, die späteren Aussagen Raids zugehen, die nun als Grundlagen für weitere Verhóre Elsässers dienten. Sämtliche Schriftstücke in der Urgichtensammlung des Jahres 1549.

*) Krieg des Papstes Paul IV. gegen Kaiser Karl V. und dessen Sohn Philipp II. Paul verweigerte auch Ferdinand, Karls Nachfolger in der Kaiserwürde, die Anerkennung.

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er sei doch, hielt man ihm spöttisch vor, „ein vermeiuter Kriegsmann*; da müßte er wohl wissen, daß Perlen und Edelsteine „keine Bezahlung im Kriege wären“.

Bei den Verhören, handelte es sich aber auch noch um andere Dinge als diese Raubhändel, nämlich um Raids politische Tätigkeit. Man erkannte immer deutlicher, daß er bei allen „Konspirationen“, die seit 1551 gegen den Kaiser angesponnen worden waren, seine Hand im Spiele gehabt und noch habe, daß er zu den „aufrührerischen“ Elementen zählte, die wiedieAugsburgerG@eorgÖsterreicher, Jakob Herbrot, GeorgFrölich und eine Zeitlang auch Schertlin als geschworene Feinde des Kaisers die ihrem „Vaterland“ und ihnen selbst zugefügte Ver- gewaltigung nicht vergessen konnten und, wie man annahm, nur auf eine günstige Konstellation lauerten, uin das durch die Eingriffe des Kaisers Verlorene wieder zu gewinnen und im besonderen in den Reichsstädten das Zunftregiment wieder- herzustellen‘). Man meinte ferner, daß er enge Beziehungen unterhielt zu dem „Erzverschwörer“ Gabriel Arnold nnd zu dem gefährlichen Kreis der mit Wilhelm von Grumbach in Verbindung stehenden Ritter und Fürsten, und hegte sogar den Verdacht, daß er an der Tötung des Bischofs Melehiorvon Würzburg unmittelbar beteiligt gewesen sei Auch wiesen verschiedene Indieien darauf hin, daß er in die Umtriebe, die in den ersten Monaten des Jahres 1558 das Reich mit neuen kriegerischen Un- ruhen bedroht, verwickelt sei. „Er soll auch erklären“, heißt in den an ihn gestellten Fragen, „auf web befelch, fürderung oder hilf ain unversehenlicher zug durch Franken und ains tails Bayren und die marggrafschoft Burgaw und furter, dem kunig von Francekreich zum posten, mit raub und prandschatzung den jetz verschinen frueling

———

1) Raid sollte nach den allerdings sehr schwankenden und un- zuverlässigen Aussagen Elsüssers geäußert haben: „So die fürsten (1558) wider alher werden kommen und er dabei sei....... , woll er darob und dran sein, daß man den jetzigen rath entsetze, die rüttl- fürer zum tail zum fenster hinaushencke, zum tail denen, die bepstisch wern, die köpf hinder den hintern legte, die zünft wider aufrichte, einen andern rath setze und [andere] pollicei aufrichte.*

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furgeen sollen? Was er im selbigen zug fur bevelch haben sollen, und wer die rädlfuerer und bevelchsleut sein haben sollen? Sonderlich, was er und ainer oder mer genach- baurten im Rieß wider mein gnedigen fürsten und herrn hertzogen Bairen darunder furzünehmen willeus gewesen, und was sie sich für hilf im land Bayren, Schwaben und anderswo verftröst und von wem?“!) Be- sonders scharf aber inquierierte man ihn wegen seines Ver- hältnisses zu Frölich, denn abgesehen von dem oben er- wähnten Raubanschlag und anderem war dieser dem Kaiser bekannt geworden als der Verfasser eines „famosen Buches“ über den schmalkaldischen Krieg offenbar unsere Historia belliSchmalecaldiei-., das die Bestimmung habe, neuer- dings Aufruhr in den Städten zu erregen. Raid gab, trotz der schrecklichen Folterqualen, die er schließlich erleiden mußte, auf alle diese Dinge nur ausweichende, nichtssagende Ant- worten, denn er sah das einzige Mittel zu seiner Rettung im Leugnen. Aber bald mußte er erkennen, daß er vor diesem „parteiischen Gericht“, wie er es nannte, trotzdem ver- loren sei, und nahm in einem Schreiben, das er aus dem Kerker an seine Fran richtete, für immer von ihr Urlaub. Dennoch forderte er sie auf, alle ihm bekannten Fürsten und Herren zu sciner Rettung in Bewegung zu setzen und zu Fürschriften an den Kaiser zu veranlassen. Daß solche in größerer Zahl einliefen, ist nieht zu bezweifeln; ausdrücklich bezeugt ist eine von dem Kurfürsten Ottheinrich, die wahrscheinlich durch die Vermittlung Frólichs „aus- gebracht“ wurde. Der Bote, der sie überbrachte, hatte auch einen Brief von Raids Frau bei sich, den er ihm auf eigen- artige Weise in die Hände spielte Er gab ihn nämlich einem Schüler, der vor Raids Gefängnis ein Lied sang und ihm dann den Brief unter dem Schein, als ob er ihm den Text des Gesungenen überreichte, zum Gitter des Fensters hineinlangte. Aber alle Mühe, die sich Raids Frau und seine Freunde gaben, das bittere Ende, das vor Augen stand, von ihm abzuwenden, war vergeblich: am 14. November 1558

?) Was über diese Pläne bekannt reworden, ist am genauesten festgestellt bei Ortloff, Gesch. der Grumbacher Händel, Bd. I (Jena 1868) S. 122.

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starb er dureh die Hand des Henkers!). Mit ihm schied ein kluger, energischer Mann, ein frischer, kühner „Reuter“, ein ceschiekter „Händler“ bei Abmachungen aller Art, der Typus der jenem Zeitalter eigentümlichen Abenteurer, die, zum Teil unter dem Deckmantel des Evangeliums, in der Ausnützung kriegerischer und politischer Wirren ihr Glück suchten und überall da auftauchten, wo sie im Trüben zu fischen hoffen konnten. Einen Monat nach ihm, im Dezember, wurde sein Genosse Hessel von Grumbach, der als Ritter von der. l.ındstraße eine sehr umfassende Tätigkeit entfaltet hatte, vondenNürnbergern gerichtet?), am 16. März des nächsten Jahres Joachim Elsässer, dem außer seiner Teilnahme 4n Räubereien auch die Vergiftung. seiner Frau zur Last zelegt wurde, von den Augsburgern?). * Fr.

Und nun wollen wir aus den Raidschen Urgichten die wichtigsten Stellen mitteilen, die sich auf Frölich überhaupt und sein „famos Buch“ imbesondern beziehen:

1) Schertlin sagt in seiner Selbstbiographie (Leben und Taten des... Seb. Schertlin v. B., ed.Schönhuth (Münster 1858) S. 114: „Es ist vil raubens und reuterei dits jars fürgangen, derohalb Sylvester Raid, ain raum raisiger zu Thonawerde, in der statt von ainem ratt daselbst bei nacht dem rö. ke. gefencklich hbinausgeben worden, dar- nach Wien entbaupt. und ainer, genant Hessle von Grumpach, zn Francken in der margrafschafft Brandenburg, von denen von Nuern- berg auß einem bad genomen und gen Nuernberg füncklich gefiert worden, umb daf die baid denen von Augspurg 26000 fl ufm Lech- feld geraubt und anderes mer von des margräfischen handels wegen getriben sollen haben; der ist im monat december zu Nuernberg ent- haupt“. Das genaue Datum der Hinrichtung Raids bei Ortloff, l. c. S. 140 Anm. 1.

7) Siehe die vorige Anmerkung.

5) Seine Urgichten sind in der Urgichtensammlung, 1549 und 1558 sämtlich erhalten. Die Augsburger Annalen von Gasser (Deutsche Übersetzung, Frankf. a. M., 1595), III S. 98 berichten über sein Ende: „Den 16. Tag desselbigen monats (März) ist Joachim Elsässer, ein hurger allhie, rücklings und auf bretter gebunden, wie man die mórder zu binden pflegt, vom rathaus mitten durch die statt fur Unser Frawen Thumb uber und dem Wertachbrucker thor bis zum hochgericht hinauß zeschleift und daselbsten aus bewiesener gnad enthauptet worden, umb daB er seiner hauffrawen mit gift vergeben und Heßlino Grumbachen. wie noch andern straßenraubern, nicht allain unsre burger sondern auch

ire waren verraten hatte." Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 1. 2

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Über die vorige artiel ist Sylvester Raid von neuen dingen auf die hernach geschribne articl befragt worden.

1. „Der kai. mt. wer unverborgen, in was innerliehem. grossem vertrauen er mit Górgen Frelichen, gewestem stattschreiber Augspurg, lange zeit, insonderheit aber seit des aufrurischen franzósischen kriegs anno ete. 52 bis auf die stund seiner einziehung, herkommen, und daß ir kainer one den andern nichts furnemlichs gehandlet oder ainiche gehaim dem andern verborgen gehalten, inmaßen sie dann. auch kurzverruckter monaten gar enge und haimliche an- schleg mitainander vorgehabt und beschlossen hetten uber Hansen Langnauer, burger zuAugspurg, und dem- selben von wegen aines gelts, so sie beed in Frankreich bei den verdorbenen We yern gehabt, trotzlich und abelags- weise sammthaftig zuegeschriben, auch ainer auf den andern sich referiert, auf mainung, daß je ainer dem andern setzen gedüchte, wie dann nit allain dasselb sonder auch gar vil anderer gehaimer hendl mer, so sie die ermelte zeit her mitainauder gefuert, der kai. mt. zimlich woll bewißt weren.“

„Wiewol nun irer kai. mt. ernstlicher bevelch, willen und mainung, daß er aller solicher practicen handlungen und ver- stendnussen, so sie beede obgemelt mitainander die bestiinbte und sonderlich die zeit here seid marggraf Albrechten

abzug vor M ö tz !) gehabt, nichts verschweigen, sondern kleins -

und groß und dasselbe alles elaar und in specie aussagen und erclären sollte, und, wo das nit geschehen, daß gegen ime die schärpf, davon andermals gnügsam meldung gethan, das mittel wurde sein miessen, solichs aus ime zwingen: so wollen doch ir kai. mt. jetzo und dasselb on alles verziehen und gleich in eontinenti von ime beschaid und lautern bericht haben, weß ime bewüßt wer umb das concept aines famos

buechs, so gedachter Frölich noch in lebenzeiten marggraf -

Albrechts ungevärlich vor vier jaren under den henden gehabt und aus seinem kopf gedichtet, verfaßt und begriffen, in welichem furnemlich die alte kai. mt. von wegen des

Schmalkaldischen kriegs und sonderlich der verenderung

halber der oberkeiten in den reichsstetten und dann auch die jetzige kai. mt, damals kon. mt., und sonst vil und ge- horsame ehurfürsten, fürsten und stend, bevorab die geist-

lichen, und daneben insonderhait die statt Augspurg. .

zum tail auch Ulm und andere stett mer aufs allerhitzigist und verletzlichist angezogen und das thema solches puechs

) Siehe Voigt, Albrecht, IT S. 26#.

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dahin gestellt worden, damit dahere die unruesamen gemueter hin und wider im reich teutscher nation wider auf- ruerischen unthaten, furnemblich aber das pöfel in den reichs- stetten wider die darinnen [sitzenden] kai. regiment sich empören bewegt werden sollten, mit anderm widerwertigen inhalt mer, alles stiftung neuen unrats im Teutschland gemaint.“

„Nun were grundtliche kundtschaft vorhanden, daß der an- fang solches puechs erstlich Laugingen, und ee dann vorbemelter Frelich geen Gundlfingen kommen, aufs pabier, aber volgendts daselbsten, Gundlfingen!) völligem beschluß gebracht worden?).*

„In gleicher erfahrung were auch ain unverneinliche ge- wißheit, daß beruerter Frölich ime, Sylvestern, in dem vertrauen, das zwischen inen nit woll grösser sein können. den inhalt solches seins verfaßten famos buechs vertraut, vom anfang bis zum end lesen lassen und dasselb, eemalen er es gar zum beschluß gefuert. und das mer, daB auch er, Sylvester, solche arbait nit allain in der materi, sondern auch der zierlichait des gedichts zum höchsten gebriesen und gelobt und sonder groß frolocken darüber gebabt.“

„Wann dann irer kai. mt. bericht, daß er ain mann wer aines gueten gedechtnus, so sollt er sehen und sich alles des inhalts, in vil bemeltem buech begriffen, nur wol erinnern und von artieln artieln aussagen, was derselbe inhalt durchaus gewest wer, und sollte nit fälen, fur ains.“

2. „Fürs ander, so sollte er auch elürlieh anzeigen, wer mer umb solich gedicht erstbenanten buechs gewüßt, dasselb gar oder zum tail gelesen und gefallens darob gehabt hette.“ -

3. „Fürs 3. sollte er gleichfalls auch anzeigen und elaar reden, weD bemelter FrölichundGörg Osterreicher?)

-~ -

1) Nach Lauingen kam Frölich im Sommer 1553, in Gundelfingen wurde er ansässig Ende 1554 oder anfangs 1555.

2) Spätere Forscher kamen auf Grund des Inhalts des Buches auf eine andere zeitliche Begrenzung der Entstehung und der Beendigung. Siehe z. B. Voigt, Geschichtschreibung ete. S. 728, Radlkofer S. 94. ,

3) Georg Oesterreicher, 1518 der letzte Bürgermeister Augs- burgs aus den Zünften, war während des Fürsten-Krieges neben Herbrot der Leiter der gegen die „Neuerungen“ des Kaisers vor- genommenen Reaktion und galt als heimlicher ,Verbündeter^ des Kurfürsten Moritz. Der Kaiser verhängte deßhalb über ihn, trotz des Aussöhnungsartikels im Passauer Vertrag, die Strafe der Verbannung aus der Stadt. Oesterreicher wurde dann sächsischer Amtmann zu }hemnitz und Zell, später Pfleger in Lauinzen und führte gegen deu Augsburger Rat, dem er die Schuld an seiner Exilierung zuschrieb, einen.jahrelang sich hinziehenden erbitterten Prozeß, der damals noch in der Schwebe war. S. über ihn Roth, Augsburgs Ref.-Gesch. IV.

Register. Ss

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vor diser und auch vor neulicher zeit für besonder rat- und anschläg miteinander gehabt, die mittl und weg ainmal finden und tretfen, dureh weliche in den reichsstetten widerumb verenderungen der gesetzten kai. regiment er- langen und die saehen in vorigeu verstandt, wie die zur zeit der zuuften gewest, bringen. und er sollte gedenken, den rechten grundt und kain nain darzü zu sagen, denn man hett sovil grundts, daher die vergwissung verhanden. daß er diser ding volkomner mitwüsser wäre; darumb dörft es kaines vernainens.*

.Man wollte aber nit allein die rat- und anschleg, sondern auch die gemeinen reden, so er debhalben von disen beeden und sonst auch allen andern hievor bestimten personen diser sachen halben jemalen gehört, von ime claar und völlig wissen, und insonderhait, warumb er und sein hauf die be- ruerten kai. regiment in ernst und schimpf des Hasen rat oder regiment genannt!) und sonst von demselben jeder zeit zum widerwertigisten, schwirigisten und verächtlichisten ge- redt hetten. in dem er nun kains leugnens sich understeen sollte, dann man wüßte ine solicher durch in und sein eebemelte gesellschaft gethaner schwirigen reden, zAm tail auch ansehlege besetzen.“

Auch auf diese Fragen hatte Raid nur die Antwort, daD er nichts wisse. Mit Frölich, sagte er, „hab er kein practic oder geheimnuß nie gehabt anderst, dann wie oben von im verstanden, nemlich mit niederwerfung der „Pimli- schen ete. gueter, ires schadens damit einzukommen* ... „Des famos buechs halben wib er nit, ob dasselbig Frölich gemacht, aber der buechfuerer Thonawerdt hab im dasselb in sein haus bracht, ist von dem Schmalkaldischen krieg gewest, darinnen die vorig und jetzig kai. mt. zum heftigisten angegriffen, welches hernach Frölich in seim, Sylvesters, haus gesehen und gleichförmigs von dem buechfüerer Thonawerdt kauft hat“ ?).

Das Ergebnis dieses Verhörs liegt klar zu Tage. Wenn auch wohl im Auge zu behalten ist, daß man in den Frage-

!) Fürstenwerth macht auf Grund des ihm vorliegenden Materials S. 74 Anm. 2 die tretfende Bemerkung: „Sylvester Raid bietet . . . ein Gegenstück zu Hasse in seinem eifrigen Streben nach Abschaffung der Hassenräte und Herstellung der Zünfte“ (im Jahre 1552).

2) Er sagt letzteres offenbar nur, um Frólich zu entlasten, wenn bei diesem eine Handschrift des Buches gefunden würde.

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stüeken, die an die Gefangenen gestellt wurden, häufig nur auf den Buseh klopfte und ihnen Dinge, die nichts als Verdachtsmomente waren, als erwiesene Tatsachen vorhielt, so ist doch in dem vorliegenden Falle ersichtlich, daß die Frager durch die von ihnen eingezogenen Kundschaften und erhobenen Zeugenaussagen wirklich gut unterrichtet waren. Und auch die innere Wahrscheinlichkeit spricht ganz dafür, daß sich der heißblütige Frölich gegen Raid und andere Ge- sinnungsgenossen über den ,Hasenrat* und die ihn wenig befriedigende Lage der Dinge überhaupt des öfteren in Klagen und Verwünschungen ergangen und wohl auch den Wunsch ausgesprochen hat, dab es noch einmal anders werden möchte, wozu er das Seinige gern beitragen wolle.

Imbesonderen aber macht das, was m den Fragen über Frölich als Autor des „famosen Buchs“ und Raids Kenntnis desselben vorgebracht wird, durchaus den Eindruck, daß dem kaiserlichen Hofe genaue und bestimmte Angaben vorlagen, und der Eifer, mit dem man von dem Gefangenen noch weiteres darüber zu erfahren suchte, läßt erkennen, wie sehr man über den Inhalt desselben, den man doch nur vom Hürensagen kannte, erregt war. So lassen denn diese Fragen keinen ernstlichen Zweifel mehr obwalten, daB Georg Frölich, wie Voigt. Lenz und Radlkofer vermutet, wirklich der Verfasser des berühmten Geschichtswerkes ist. Das wird auch durch die ausweichende Antwort Raids indirekt bestätigt. Er, der es handschriftlich besaß und genau kannte, sagt, um seinen Freund zu schonen, er wisse nicht, „ob dasselbe der Frólieh gemacht“; aber hätte er einen andern als Autor angeben können, so hätte er es gewil getan.

Daß Frölich von der Animosität, die der Kaiser gegen ihn und sein Buch hegte, erfuhr, ist sicher anzunehmen; doch ist uns unbekannt, ob wegen des letzteren oder wegen des Raubanschlages auch gegen ihn ein Proceß eingeleitet wurde. Wenn er keine andere Strafe erlitt, traf ihn wenigstens die, daß er sein Werk, das ja für die Öffentlichkeit bestimmt war!) nicht in den Druck geben konnte, sei es,

!) Es geht dies, abgesehen von anderem, hervor aus den Worten (Mencken, Halbseite 1480): „Weil hochzemelte stend des reichs wol

22 22 daß ihn die Furcht vor dem Zorn des Kaisers davon abhielt, oder daß es ihm von diesem oder seinem Landesherrn direkt verboten wurde. So vergingen nahezu zweihundert Jahre, bis das Buch in die Presse kam, und Frölichs Autorschaft blieb bis zum heutigen Tage fraglich. Schade, daß wir bei dem Bemühen, diese festzustellen, an dem Charakterbilde Frölichs, das schon nach den bisherigen Forschungen nicht ganz fleckenlos dastand, noch einen neuen Makel bloßlegen mußten.

mehr und anders vill, so sich in anschlegen, thatten, handlungen etc. zügetragen, wissen, ist an sie mein unterthenig, dienstlich anlangen uud bitt, sie wóllen diß mein schreiben erörtern, corrigieren, mindern, mehren, wo es die notturfft und warheit ereischet“.

Briefe von Antonius Musa an Fürst Georg von Anhalt 1544-1547. `

Mitgeteilt von Otto Clemen.

In meinen Beiträgen zur Reformationsgeschichte I (1900), 8. 62ff. habe ich ein kurzes Lebensbild von Antonius Musa vornehmlich auf Grund der von diesem an Stephan Roth ge- schriebenen Briefe gegeben. Über die letzten drei Lebens- jahre, in denen Musa als Domprediger, Superintendent und Mitglied des Konsistoriums in Merseburg Hand in Hand mit Fürst Georg von Anhalt die Reformation im Bistum durch- führen half, bin ich schnell hinweggegangen. Und doch hat Musa in diesen Jabren das meiste geleistet, Reichen Aufschluß über seine Merseburger Tätigkeit gewähren uns seine Briefe an Fürst Georg, die im Zerbster Archiv anf- bewahrt werden und die mir Herr Archivrat Professor Dr. Wüschke freundlichst zugänglich machte. Ich drucke die wichtigsten Stellen daraus im folgenden ab!)

Am 4. Januar 1544 war der Merseburger Bischof Sigismund v. Lindenau gestorben. Von seinem Regierungs- antritt (1535) ab hatte er dem Eindringen der Reformation in sein Gebiet ununterbrochen zäben Widerstand entgegen- gesetzt. Anfangs hatte er auch zu Gewaltmaßregeln gegriffen, um die lutherische Sekte fernzuhalten. Trotzdem erzwang sich die neue Lehre von den Grenzgemeinden aus, solchen besonders, die sich evangelischer Kirchenpatrone erfreuten,

1) Einiges hat schon Paul Flemming daraus verwertet in seiner ausgezeichneten Abhandlung „Die erste Visitation im Hochstift Merseburg (1544— 1545)“, Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen III (1906), S. 145ff. Derselbe hat in der liebenswurdigsten und uneigennützigsten Weise die vorliegende Edition gefördert.

24 24 den Eintritt ins Bistum. Auf dem Stiftstag zu Pfingsten (13. Mai) 1543 mußte der Bischof auf Drängen seiner Stände die Zusage geben, „das Evangelium solle im Stift gepredigt werden wie in ganz Sachsen“. Dieses Versprechen löste er jedoch nicht ein. Er drückte sich nicht nur um die Be- rufung evangelischer Geistlicher herum, er erschwerte auch ihre Anstellung, wo er nur konnte. Doch halfen sich die Gemeinden in der Regel selbst. Als er die Augen schloß. war der Sieg der Reformation in seinem Bistum bereits entschieden.

Herzog Moritz von Sachsen, der Schutzherr des Stifts. bestellte nun (am 14. Mai 1544) seinen Bruder, Herzog- "August, zum weltlichen Regenten des Bistums und gab ihm (am 16. Mai) den Fürsten Georg von Anhalt zum Koadjutor in geistlichen Sachen bei. Diesem trat unser Musa Zur Seite. Schon zu Lebzeiten Bischof Sigismunds spielte seine Berufung naeh Merseburg, gesichert aber war seine An- stellung erst im März 1544. Am 29. Juni hielt er die erste evangelische Predigt im Merseburger Dom‘). Bei den Visitationen, ` die auf seine Anregung alsbald vorgenommen wurden, die des Küchenamtes Merseburg wurde in den "Zeiträumen 23. bis 27. September, 30. September bis 4. Oktober. 13. bis 18. Oktober 1544 bewerkstelligt, das Amt Lützen wurde vom 28. Januar bis 3. März 1545, das Amt Lauchstädt vom 12. bis 20. März, das Amt Schkeuditz vom 15. bis 21. Mai visitiert wurden an seine Arbeitskralt die größten Anforderungen gestellt. Die rechte breite Basis erhielt seine Tätigkeit aber erst mit der Errichtung des Konsistoriums in Merseburg am 11. Februar 1545. Mit den Domherren in Merseburg, die vom katholischen Kultus möglichst viel zu retten suchten, und anderen papistischen Geistlichen hatte er manchen Strauß zu bestehen. Auch machten ihm das weltliche Treiben und die kirchlich-religiöse Gleichgültigkeit und Unwissenheit der Bauern und Bürger viel zu schaften. So wechselten für ihn Siegesjubel und Hoffnungsfreude mit Niedergeschlagenheit, Ärger und öfters explodierendem Zorn.

Mr nn Be

1) Der Brief Fürst Georgs an Justus a bei Kawerau. Der Briefwechsel des Justus Jonas II (1855), S. 126 Nr. 717 ist danach zu datieren: Vor dem 29, Juni 15-4.

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Jedenfalls aber müssen wir staunend stillstehen vor dem Eifer und der Leistungsfähigkeit des viel mit Krankheit und Leibes- schwachheit beladenen, sich damals wohl schon den Sechzig nühernden Mannes!) Die Briefe sind nicht nur für die Merseburger, sondern auch für die allgemeine Reformations- geschichte von Wichtigkeit. Hier sei nur beispielsweise aus- drücklich hingewiesen auf die Nachrichten über die in Leipzig erfolgte Drucklegung von Luthers Ratschlag vom 6. März 1530 (Nr. 34), über den Naumburger Bischofsstreit und die Belagerung Leipzigs ?).

1. 24. Juli 1544,

. a Celsitudine vestra binas accepi subinde litteras pernieiosum illud dissidium inter Parochum et Diaconum Weyssensehensem?) nunciantes, qua inquam simultate grauiter commoti sumus, tum lllustris Principis Augusti eto. Strenui ac prudentissimi Consiliarij, tum ego quoque, lllis metuentibus, ne qua inde sedieio cooriretur in vulgo, quod vterque suas partes defensantes habeat asseclas, Me vero maximi faciente offendiculum illud, quod ex illo simplicium hominum conscientie hauriunt. Auf den 4. Aug. haben wir beide Parteien vorgeladen. |

) Wahrscheinlich ist er zwischen dem 15. und 28. Mai 1547 gestorben. (Nach Opel, Naumburg im Schmalkaldischen Kriege. Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-antiquar. Forschungen 13 [1896], 512, hielt Antonius Muha (Musa!] Sonntag Vocem Jocunditatis [15. Mai] 1547 im Feldiager Herzog Augusts vor Naumburg seine letzte Predigt; „nach wenig Tagen in Gott verschieden“. Im übrigen vgl. Flemming S. 154.)

2) Vgl. Georg Voigt, Die Belagerung Leipzigs, Archiv f. d. Sächs. Gesch. XI (1873), S. 225ff. Der Abschnitt bei G,. Wustmann, Geschichte der Stadt Leipzig I (1905), S. 523ff beruht ganz auf jener Abhandlung. —- Außer dem oben schon erwähnten Aufsatz von Flemming (unten immer einfach mit ‚Flemming‘ zitiert) und Kawerau, Jonas Briefw. (mit Kawerau zitiert) ist in den Anmerkungen besonders noch folgeude Literatur benutzt: Frau- stadt, Die Einführung der Reformation im Hochstifte Mersebure, Leipzig 1843; O. Clemen, Georg Helts Briefwechsel (Arch. f. Ref. , Erg. Bd. ID, Leipzig 1907; F. Westphal, Fürst Georg der Gottselige zu Anhalt, Dessau 1907: Derselbe, Zur Eıinnerung an Fürst Geor: den Gottseligen zu Anhalt, Leipzig 1907.

3) Pfarrer von Weißensee war damals Joh Hachenburg (Jócher- Adelung II [1787]. S. 1707), Diakonus wohl Joh. Heller (UR. V, 815,

26 26

Mag. Valentin Paceus!), Pfarrer in Querfurt, war bei mir ae pecijt se aliquo suffici parochum, caussatus summam inopiam, quam Querfurdie sustineret, adeo vt ne liberos quidem suos et vestire et alere pro necessitate saltem commode posset. Cum vero oppidulum illud, cui ab ouibus schaffstet nomen, illi offerrem, respondit, si aliter non possit, cogi se necessitate accipere, que illi eumque offerretur funecio. hie ego hominis preclaram mecum expendens erudieionem deinde turpe duxi ineptos multos opulentis prefici paroecijs, Doetis ae bonis neglectis. So vertröstete ich ihn auf Eure Hoheit.

Interin aduenit ad me Andreas Bohemus Questor Lauchensis?) vir et ipse doctus ac bonus, ac nunciauit opus esse, vt alius quispiam pastor Schaffstadium sub- stitueretur quamprimum, et significauit de quodam, quem itidem dicebat non vulgariter doctum esse quique a populo Sehaffstetensi antea quoque sepe flagitatus, sed non impe- iratus esset, ae dicebat illum iam parochum esse in quodam exiguo ac sua erudicione indigno Pago nomine Möcker- lingk?) in Prefectura Freiburgensi nee dubitabat illum funeeionem Schaffstetensem subiturum ef vicissim ab eadem illum Ecelesia auide postulandum. Si igitur tam probe inter illos conuenit et homo ille doctus est, putabam non incom- modum fore, vt coniungerentur, nam ad aedificacionem non parum prodest amari ab Ecclesia Parochum . . .

De Paceo, vt et illi se digna funecione prospiceretur, existimauit Questor Lauchensis posse illum Eeclesie Luczensi prefiei. Nam Senatus zcu Lüczen antea apud me questus est de suo parocho*) eum neque frigidum neque ealidum esse... Ich aber möchte den Pfarrer von Weißensee nach Lützen und den friedliebenden Paceus an seine Stelle setzen.

fuit apud me eciam Parochus quidam ex Pago quodam Nawkyrchen°), Nomine Petrus kyrchener, qui ante biennium monachum egit in Monasterio Petri vicino Merse- burgio, Juuenis bona indole et tolerabiliter doetus ae vt audio facundus, commendatus mihi a D. Doctore Jona. Is flagitauit, vt se kegen Ranstet*) sufficerem, ac significauit se ab Ecclesia sua ita diligi, vt nollent eum dimittere, atque, ne ab illis diseedere posset, frumenta sua in agro a rustieis

1) Ueber ihn vgl. Flemming 8.186 ff. und dazu noch ZKG. 31, 307. *) Laucha. 3) Möckerling bei Mücheln. Dieser Pfarrer hieß Joh. Heyße (Flemming 8. 203 unten).

*) Friedrich Metz (Flemming S. 186 und 155 unten).

6) Neukirchen. Der dortige Pfarrer heißt im Visitationsprotokoll Kaspar Kirchner (Flemming S. 205 unten). 5) Markranstädt.

27 24

sibi vadari ac retineri. cui respondi, expectaret, donec a Cel- situdine vestra institueretur visitacio, tum posse huie causse adhiberi remedium. Tandem dixit, si sue Ecclesie adderetur alia vicina Ecelesia, cui Corbete!) nomen, velle se isthic per- durare, nam nisi hoc fieret, suam paroeciam ad se alendum illi minime sufficere. Quia vero tam belle conuenit plebi cum rustieis, vellem non disiungi. reieci tamen caussam hane ad visitacionem.

Accusauerunt apud me eciam agricole zeu Wesemar*) et Raseniez?) pagis illis pastorem suum*), quod Euangelium non doceret nec eucharistiam iuxta Christi institutum por- rigeret. Ich habe ihn freundlich ermahnt, und er hat Besse- rung versprochen.

Significatum mihi eciam est de quodam Monacho, qui vestitum monastieum eciam adhue gestans parochum agit in pago, eui Franckleben?) nomen, quem dicunt horribiliter blasphemare Doctrinam Christi, de quo denique certis testi- monijs dieitur stuprasse eum et vxorem et filiam simul cuiusdam honesti Consulis zcu Leutendorff®) vnter Graff heynrichen von Sezwarezburgk?) cui consuli nomen est hans Beeke, qui illum pessimum monachum nihil tale de eo eeiam suspicans omnibus officijs et beneficijs adfecit. Et est hoe flagieium publice isthic confessum tum a matre tum a filia. quem monachum ego vellem quo debet relegatum . . .

... Merseburgij in vigilia Jacobi 44...

Beilage xu Nr. 1.

... hesterno die [23. Juli] cum ex Roma: c. vj de bap- tismo ac poeniteneia pro mea virili eoncionarer, . . . dicebatur mihi Dominum Decanum illum a Lyndenaw?*) concioni interfuisse et diligenter auscultatum fuisse, de quo tamen lama est, quod nullas antea solitus sit vnquam audire con- ciones neque papisticas eciam, Si interfuit, quod pro veri- tate mihi qui illum viderunt dixerunt, Spero rediturum ac seeum alios quoque adducturum . . .

1) Klein-Korbetha an der Saale. 2) Weßmar. Flemming S. 154 Anm. 1. * Raßnitz.

*) Bartholomäus N. Flemming S. 207 unten.

5) Frankleben. Der dortige Pfarrer heißt im Visitationsprotokoll Baltzar weiskart, ein predigermönch von Koberg (Fleinming S. 182 unten). n

© Leutenberg scheint gemeint zu sein. Uber das dortige Dominikanerkloster vgl Einicke, Zwanzig Jahre Schwarzburgische KMeformnationsgeschichte I (1904), S. 77f., 97.

%) Graf Heinrich XXXII. von Schwarzburg (1531—1538).

*) Sigismund von Lindenau (Fraustadt 8. 157).

28 28

L. Laurencius!) eeiam modeste agit, sed hoe solum in eo reprehensione dignum existimo: congregat senatum ct pellieit eos in suam sentenciam adeo, vt jam minetur ipse ex Senatus consensu abicionem diacono suo?), viro bono. Deinde aedituo?) decerpunt de priori salario plus quam xx f; ac minantur illi, nisi velit tredecim florinis contentus esse. vt a funceione sua diseedat. id omne agit pro suo nutu. Laurencius est ambieiosus vir, qui sibi multa arrogat a nemine sibi commendata. Ista fiunt me clam imo plane neglecto, eum hec omnia constituenda ad vestram celsitudinem pertinent.

Senatus eurauit illi domum tolerabilem, in qua se potest vnam sustinere hyemem . .. datum vt supra ete.

2, 2. August 1544,

Dank für Brief und Vollmacht, geeignete Pfarrer ein- zusetzen. Sed celsitudo vestra primum sciat me in con- stituendis pastoribus valde esse sollicitum, propterea quod multi pseudoprophete passim vestitu ouium sese venditent mihique suo fuco imponant, quamobrem in serutandis singu- lorum moribus paulo euriosior esse soleo. Paceum oh erudieionem amo illique quam optime prospectum cupio. Scd aiunt hominem mire óÓvorgo;tov eivat, cuius rei gracia tum ab vrbe Eyselebensi tum a Querfordia dimissionem accepisse ferunt. ego vero ingenia placida et tractabilia amo, et nouit celsitudo vestra, quam plenam offendiculis tragediam Weyssensehenses mera ambicione et morositate excitarunt, adeo vt Illustris Principis Augusti ete. Pruden- tissimi Consiliarij metuant, nisi illi malo salubri consilio obuiam eatur, fore, vt altereaneium partes sibi mutuo, vt nihil acerbius dicam, insultent. iam si idem malum vel a Paceo aut a quouis alio expeetandum esset, in promouendo vel illo vel alio calculum meum certe subducerem. Nihilo- tamen minus iterum ad me seripsit his dicbus Paceus et flagitat, vt, si alio non queat, saltem Sehaffstadium trans- feratur, vxorem eeiam suam malle isthie quam alibi habitare dicit .

Senatus zcu Ranstedt‘) iam multis diebus pastore carens docto ae bono quopiam parocho prospiei sibi petit.

1) Lie. Lorenz Reynhart, Pfarrer an der Maximikirche 1543—1554. Fraustadt S, 191, Flemming S. 169. 1538 als Senior des Chor- herreustitts zu St. Thomä in Leipzig genannt (Seifert, Die Reformation in Leipzig. Leipzig 1883, S. 199).

, Heinrich Wittich. Flemming a. a. O. " Augustinus Rosenberger. Flemming a. a. O. 5) Flemming S. 154 Anm., 1.

!

29 29

idipsum passim a multis ruricolis petitur. Fruges quidem albeseunt ad messem, vtinam queamus a deo patre messores ista saneta messe dignos impetrare. Ehesachen. Zwei Hin- xerichteten haben Musa und Laurencius!) beigestanden, so daß sie in Glaubensmut verschieden sind.

Ceterum de Controuersia Eyslebensi?) antea nihil mihi constitit, sed ipse sencio eum Sanctissimo viro Domino Doctore Martino, quod post communionem reliquum est vini vel panis, non debere vel effundi in terram vel alij vino aut pani non consecratis misceri, sed vel a ministro, qui simul ipse communicat, vel ab vno communicancium absumi. eum morem et ego in dicione Electoris lhene semper seruaui et habui spectatores totam vniuersitatem Wittem- hergensem, imo approbatores .

Coneionator ille in Sacello diui Michaelis?), quem cel- *itudo vestra nuper obiurgauit, is superiore dominica [10. Aug.| inire debachatus est in doctrinam nostram, vt tota ciuitas inde offensa sit. Celsitudo vestra cogitabit de remedio . . . Merseburgij II. Augusti 44 ...

3. 8. August 154.

. . Ego hodie Ciriaci in templo Saneti Maximi con- cionatus sum, hoe tantum celare Celsitudinem vestram haud queo Dominum Decanum illum a Lindenaw proxime elapsa quarta feria |6. Aug.], cum in Summo concionarer, interfuisse coneioni ae diligenter auscultasse, nam vidi ipse eum. Deinde aderat nouus eciam quidam auditor, Dominus Liceneiatus, quem vocant Er Jost*): ego illorum hominum preseneia mire gauisus fui. ideo non potui temperare mihi, quin illius gaudij mei Celsitudinem quoque vestram participem redderem . ... De Paroecia Schaffstediana res in vestre celsitudinis ad- uentum reiecta est. Paceus annuit accipere illam, modo Sacerdotium quoddam, quod in eo est loco, adijceretur et ludus literarius isthic institueretur, quod, vt ego existimo, fieri commode potest vtrumque). Exhibuit mihi Paceus proposiciones quasdam Wittemberge a Domino Philippo

1) D. h.: Lic. Lorenz Reynhart.

Y) Vgl. Kóstlin-Kawerau, M. Luther II 580f.

*) Georg Trubenbach. Vgl. 'Fraustadt S. 173 f, Westphal, Georg S. 140 ff... Ueber die zwischen Dom und Propstei gelegene Michaelskapelle vgl. O. Rademacher, Neue Mitteilungen aus dem Gebiet histor.-antiquar. Forschungen 22 (1905), S 254 f.

53) Wohl der Domherr und bischótliche Sekretär Jodokus Maler (Flemming S, 156 oben).

*) Vgl. Flemming S. 204.

30 30

Melanthone in disputacionem adductas, quas vestre cel- situdini, si prius non vidit, legendas supplex mitto !). Deinde venit ad me Hungarus quidam?), qui fatebatur se apud Turcam eaptiuum fuisse annos tredecim et, cum Turea aduersus regem Persarum pugnaret, se cum multis alijs ad Persas aufugisse, deinceps Persarum opera per Armeniam euasisse, donee in has terras rediret. Dono dedit libellum de moribus Turearum?), quem itidem celsitudini vestre legendum mitto ... Merseburgij die ipsa Ciriaci 44...

4, 11. August 1544,

... hinnulum integrum, quo celsitudo vestra clementer me donauit, cum qua debeo supplici ac reuerenti submissione accepi vna eum volueribus. Ago pro illo munere celsitudini vestre gracias summas ... hesterno die mercatus hic fuit, confluxerat ingens turba vulgi, concionatus sum in templo Maximi magna populi frequencia, tractaui Euangelium: Nisi granum frumenti ete.* Adfuit Consul quidam hallensis, cui Joanni Bauaro?) nomen, qui a D. D. Jona litteras ad me attulit offieiosas. Dono dedi illi partem ferine, partem Domino Theodorico®), Ernesto Brotauff?), foeci multos eius muneris participes, vt celsitudini vestre a multis gracie agerentur. hesterno die accepi a D. Phil: Mel: literas"). quibus commendat consilium nostrum ac probat, quod nego- eium salutis eum moderaeione agimus. misit eciam has proposieiones bie insertas. Deinde accepi a quodam diacono Zeu Zceiez hec noua, que qualia sint celsitudini vestre iudieanda supplex mitto. Hesterno die adfuit quidam Magister ex lypsia, eui eum D. Decano a lyndennaw negocium fuit.

!) Welche Thesen sind hier gemeint? ,In deu Jahren 1544 und 1545 ist in der philusophischen Fakultät nicht disputiert worden; ob in der theologischen (mit Ausnahme der durch die Doktorpromotionen veranlaBten Disputationen), bleibt dahingestellt* (Haußleiter, Me- lanchthon-Kompendium, Greifswald 1902, S 56).

2) Bartholomaeus Georgiewitz. dem Luther und Melanchthon aiu 11. August ein Zeugnis austellten (CR. V 463).

3) Wohl Machumetis Saracenorum principis, eiusque successorum vitae, ac doctriua, ipseque Alcoran, ... Basel, Joh. Oporinus 1543 (Weimarer Lutherausgabe 30 ?, 201 ff.).

4) Joh. 12, 24.

5) Jedenfalls identisch mit dem Jo. Beier, der Jonas! Brief an Fürst Georg vom 3. Juni 1541 überbrachte (Kawerau, Briefwechsel des Justus Jonas II £5).

6) Der Merseburger Bürger Dietrich Redel, einer der Visitatoren (Flemming S. 156).

?) Ernst Brotauf nahm gleichfalls an der Visitation teil (Flemming S. 157f.).

8) Vom 8, August (vgl. den nächsten Brief). Nach Flemminv S. 158 Anm. 1 im Zerbster Archiv vorhanden. `

31 31

is me rogauit, vt secum ad D. Decanum accederem. accessi in aedes eius. excepit vtrumque nostrum valde humaniter, tractauit comiter, promisit sua officia quecunque posset, itidem et illi vicissim ego foeci. Spero benignitate et leni- tate nostra plus effecturos nos quam duricie et acerbitate ... Datum Merseburgij XI. Augusti 44 ...

D. 25. August 1544.

. . . Cum superioribus diebus celsitudini vestre supplex indicassem vacare parochiale officium in pago quodam, cui nomen Keussbergk!) eiusque collacionem ad Franciscum a Sehonbergk Canonicum pertinere, ac tres nobiles, qui isthic habitant, vna cum tota Ecclesia ad me accedentes pecijsse parochum, verum cum ad Franciscum ius conferendi attineat, iussi sunt ab eo parochum sibi dari. At Franciscus per septimanas quattuor plus quam sexies a plebe Keuss- bergiana rogatus pertinaciter ae insolenter eum horribilibus eonuicij ac minis negauit parochum Lutheranum se illis daturum. admonitus denique ae rogatus a Strenuis et prae- stantissimis dominis Consiliarijs Illustris Principis Augusti ete. nihil itidem et illi quoque ab Francisco impetrare potuerunt. Tandem eum nulla vspiam consequendi parochi spes illis affulgeat, ad vestram celsitudinem confugere coacti sunt ae proprio misso nuncio Supplieant humillime, celsitudo vestra Sacerdotem quendam, eui Bartolomeo Erbe?) nomen, quem ipsi elegerunt, parochum illis constituere et confirmare sua autoritate dignetur. Est Bartolomeus ille vir honorifica persona, a me examinatus, tolerabiliter doctus ac iuuenis bone spei, satis facundus. fuit eciam ante paucos annos ludimagister zeu Luchaw*) ae plane talis, quem ego satis aptum ad hoe munus in tali pago sustinendum censerem . . .

Cetera que hie geruntur reeta adhue dei gracia sunt omnia. hoc tantum addere volebam adulteros et adulteras in vinculis teneri, qui supplicio adficientur, sed quali aut quanto,. cognitum non habeo. ex choralibus vnus propter adulterium dies aliquot in vinculis detentus propter meam et aliorum intercessionem hodie ad quinquennium pro- seriptus est. |

Superiori hebdomade fui hallis eum D. D. Jona, hospicio acceptus apud D. D. Wie*) conterraneum meum’). postridie,

1) Keuschberg. Flemming S. 151f. und 195 unten.

*) Flemming S. 195.

3) Laucha.

*) Gemeint ist entweder der Leibarzt Kardinal Albrechts Dr. Joh. Nikolaus von Wyhe oder dessen zweiter Sohn, Dr. Melchior Nikolaus von Wiyhe, seit 1526 Stadtphysikus in Halle. „doct. Wihe* bei

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hoc est 19 Augusti, D. Jone et alioram praecibus coactus fui ad Beatam. virginem frequentissimo auditorio concionarier. foeci, quod largiebatur Christus.

Litteras D. Philippi 8 Augusti ad me datas!) Celsi- tudini vestre legendas supplex mitto. Sed oro humiliter, celsitudo vestra velit exemplar remittere. Nam amo Philippi litteras . . . Merseburgi) XXV Augusti 44...

6, 17. Oktober 1544.

. Illustris Princeps Augustus etc. hoe vesperi iussit nunciari Merseburgum suam celsitudinem venisse Friburgum hoe eodem vesperi et iubere, vt equites quidam illius celsi- tudini ex Merseburgo Friburgum obuiam eant, ae venturum vel eras vel perendie ad nos... Quamobrem hune nuncium euestigio ad Vestram Celsitudinem ista signifieatum misimus. Obsecro Supplex, Celsitudo vestra ad nos quantocius redire velit. Nam Franciscus a Sehonnenbergk et Decanus probibuerunt suis rusticis. ue biblia a nobis acciperent, et si quo modo possunt, obnituntur conatibus visitacionis etc.?).. tota religionis causa pendet ex hoe vno congressu. Taxıoru Merseburgij postridie Galli 44 . . .

4. 22, Oktober 1544.

. Celsitudinis vestre litteras vt primum accepi ac” pellegi, scripsi ad lllustrem Principem Augustum etc. ac significaui illius celsitudini mandatum a vestra celsitudine mihi esse, vt nonnullis de rebus ad illius elemenciam referrem.

Dionisius acceptis litteris abijt Friburgum (nam isthic in hune vsque diem venatur Princeps Augustus) post biduum retulit hoe responsum, quod Celsitudo vestra leget ipsa. Fuerunt ante biduum apud eius sublimitatem Cancel- larius et Malticius?). Sed promittit se breui Merseburgum rediturum. quum autem eadem ad celsitudinem vestram se seripsisse mihi significari iussisset, nolui celsitudinis vestre litteras resignare, sed vna cum meis mitto. Reliqua nobilis ille adolescens uarrabit verbo. De vino Jhene emendo renunciauerunt mihi Consules Jhenenses parum vini hoc anno prouenisse et magno nummo emi a eiuitatibus passim Alden-

Kawerau, Jonas II 16 (vgl. die Berichtigung Enders 13, 324 !?) ist sicher ersterer. Ueber beide vgl. Hertzberg, Gesch. der Stadt Halle a. d. S. II, Halle a. d. S. 1891, S. 370.

5) Beide stammten aus Wiehe in Thüringen.

!) Vgl. deu Brief Nr. 4.

*? Flemming S. 155 unten. Fraustadt S. 163.

3) Hieronymus Kiesewetter und Christoph [oder Heinrich? Vgl. Brief Nr. 10] von Maltitz (Fraustadt S. 192).

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burgo, Cygnea, Vinaria et alijs. Si celsitudo vestra emere isthic velit, necesse fore, vt mittat illo aliquem ex familia, qui que meliora sunt degustet et quam possit paruo emat. audio vendi ij fs. eciam ij taleris, vrnam, eynen eymer, vt vocant . . . Reliqua omnia dei gracia salua adhue sunt. Principis Augusti ad nos reditus vt gratus nobis ita incertus est. Vtinam adesset et vna celsitudo vestra cum illius sub- limitate colloqueretur. Hoc tandem significatum eciam volebam: Etsi nuper negabam me ad Commerstadium!) seripturum esse, mutata tamen sententia nihilominus scripsi per proprium nuncium de rebus communibus. quiequid respon- derit, idipsum celsitudini vestre quamprimum significabo ... Merseburgij feria post Galli ete. 44...

8, 28. Oktober 1544.

... Examinati sunt nuper a me duo papistici parochi?) aeque arrogantes et prefraeti atque fuit monachus ille zcu Franckeleben?). Quid dicam? hi duo papiste vna cum Monacho Franekelebensi accusauerunt me litteris apud Capi- tulum de stricto examine et nescio quibus alijs additis a se nugis. Capitulum scripsit Illustri Principi etc. Augusto duci Saxonie Friburgum et inseruit illas papistarum litteras. lllustris Princeps Augustus respondit valde, valde duriter Capitulo, ac inter eetera in hane sententiam: se non eredere Capitulum a suo affini ab Anhalt ete. vlla in re offensum esse, deberent igitur omnibus modis illius seilicet ab Anhalt ordinacioni, iussioni ac mandatis omnino parere, hoc se irre- fragabiliter velle et iubere . . . ad has litteras sunt facti submissiores... Secundo adfuit proxima sexta feria |24. Okt.| Jonas adducens secum duas filias natu maximas, quarum altera ex gingiuarum putredine laborabat. voluit chirurgicum quendam apud nos diuersantem eonsulere*) hodie aduenit eciam Doctor Kilianus Hallensis Syndicus?) nescio in qua caussa quorumlibet nobilium patrocinaturus. Nos visitatores quotidie varijs rebus distringimur, ita vt non liceat iustam operam rebus omnibus commissis impendere. Cras, hoc est postridie Simonis et Jude [29. Okt.], audiemus caussas matri-

1) Über Georg Kommerstadt vgl. ADB. 16, 498.

2) Vielleicht die zu Rössen und Leuna (Flemming S. 183 Anm. 1).

*) Vgl. oben den Brief vom 24. Juli 1544.

1) Am 2. Nov. 1544 schickte Musa Jonas von dem Leipziger Arzte Sebastian Roth, den er für Jonas' Tochter konsultiert hatte, Arzeneien, die dieser ihr verschrieben hatte (Kawerau, Jonas II 133, wo statt Fotum Roth zu lesen sein wird; über diesen vgl. Flemming. Zum Briefwechsel Philipp Melauchthons, Naumburg a. S. 1904, S. 41).

6) Goldstein. Über ihn vgl. Nik. Müller, Die Kirchen- und Schulvisitationen im Kreise Belzig, Berlin 1904, S. 19—21.

Archiv für Reformationsgeschichte IX. 1. 3

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moniales von Luchaw illius, qui ob digamiam in vinculis tenetür... valde vellem celsitudinem vestram adesse. Fuerunt nuper Consiliarij zcu Friburgk apud Principem Augustum, sed quid egerint, perspectum non habeo ... ego hodie Simonis et Jude mane concionatus sum, eras |29. Okt.| a prandio, deo volente, solita hora itidem. Sabato [1. Nov.], quoniam agunt omnium diuorum festum, itidem concionabor, quoniam ita promisi et adest certe satis magna auditorum frequentia Sacerdotum etc., sed a prandio perquam pauci adsunt. dicitur quendam vicariorum egrotare, sed quis sit, non teneo... Merseburgij die ipso Simonis et Jude 44...

1. Beilage zu Nr. 8.

Eciam hoc Celsitudini vestre significandum duxi Dominum Doetorem Commerstadium ad me de ordinacione conseribenda scripsisse. Quod si principes id omnino flagitant, valde metuo oportere nos ad eam parandam accingi . . . Deinde sex ciues ex plebe zcu Ranstedt venerunt ad me hodie et petiuerunt sibi dari parochum senem illum virum, de quo antea significaui, et grauissime con- queruntur se sine parocho dimidiatum iam annum vixisse et pene redigi in tureas, adeo sine predieacione verbi euadunt rudes ete. Quamobrem concessimus nos reliqui visitatores. ut ille parochus, quem ipsi petunt. interim parochialibus fungatur officijs, donee celsitudo vestra redeat . . .!)

2, Beilage zu Nr. 8,

Quod pene oblitus eram, Abbas Petri?) fuit paucis preteritis diebus bis Hallis et multos dies isthic eonstitit, nomine, ac si apud medicum opem quereret. Sed certo scitur eum. ascendisse ad arcem Mauricianam ad Coadiutorem?) isthic et pecijsse ab eo consilium, Si Princeps Augustus vellet illi monasterium eripere. quid illi faciendum esset. Deinde pecijsse eciam, vt Hallim reciperetur ae alicubi ad vitam sustentaretur. Ista eerta sunt. Hine mire insolescit Abbas nugator ille, Sed si hoe Principes nostri optime reseirent. metuo, vt istud Abbati esset bene cessurum ete.

9. 2. Dezember 1544, l Schickt Brief von Kommerstadt, quibus significatur Superattendentum nonnullos ad diem Joannis Euangeliste in

"Flemming S. 154 unten.

2 Wolfgang Gräfinger (Fraustadt S. 159 u. 250, Flemming S. 174 unten). `O 3) Markgraf Joh. Albrecht von Brandenburg-Ansbach (Hertz- berg II, 151. Enders 13,3097, 324 !*), |

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Cellam haud proeul ab Dresda sitam euocatos esse !), quemadmodum ex litteris celsitudo vestra vberius cognoscet, que conuocacio valde me sollicitum habet vel hae potissimum eaussa, quod ignorante nec vocata simul celsitudine vestra id fiat et ecclesiastice gubernacionis constitucio penes illos eollocetur, qui non solum subditi esse debebant, verum nee intelligunt eeiam, quomodo administracio tam sublimis constitui debet. equidem, quorsum ista tendant, nulla possum coniectura eonsequi, varie mihi suspiciones suboriuntur . . . Schickt seine Antwort an Kommerstadt?). Der Dresdener Bote, der Kommerstadts Brief brachte, dixit Illustres Principes venatum abijsse ad sex miliaria a Dresden, Delectos vero, qui Dresdam euocati fuerant, discessisse rursum, ac addebat nuncius se putare ante Natalem Christi vix hue concessurum Illustrem Principem Augustum. ita res nostre non differuntur tantum, verum quotidie aliam atque aliam faciem eeiam soreiuntur . .

Merseburgij 3* feria post Andree 44...

Beilage: Musas Brief an Kommerstadt vom 2. Dezember 1544.

Hat K.s Brief empfangen mit der Meldung, daß Herzog Moritz etliche Superattendenten „vff Joannis Euangeliste schirst kunfftigk kegen der Cellen“ erfordert habe. Wundert sich, „daß meine gnedige Fursten zeu Sachsen etc. diese grosse wichtige sachen deß geistlichen regiments vnd Consistorium halben auff die Superattendenten ym lande wollen stellen vnd wirt mein gnediger herre zeu Anhalt etc hyrynnen vbergangen, de gnad dise sache am hochsten betrifft, der sol anderer et se multo, multo indoceiorum et inferiorum hominum iudicio et cognieioni gestehen. daß, sage ich, wirt nicht mich alleyn. sondern auch S. F. G. zcu Anhalt ete. ganez hocblieh ver- wundern . . .“ Merseburg, Dienstag nach Andreä 44.

10. 5. Dezember 1544.

. hesterno vesperi hoc est postridie Barbare?) redierunt ex Dresda Strenui ae preclari viri domini Consiliarij et attulerunt litteras has, quas mihi commendarunt, vt celsitudini: vestre reddi curarem. misi igitur extemplo atque illas accepi. D. Doctor Commerstadius cum Ernesto a Miltitz^*)

1) Ueber diese Konferenz vgl. Westphal, Zur Erinnerung S. 49f., Sehling, Die Kirchengesetzgebung unter Moritz von Sachsen und Georg von Anhalt, PDE 1899, S. 39 ff.

3) S. Beilage zu Nr.

3) Das wäre Freitag ET 5. Dez. 1544. An eben diesem Tage ist aber der Brief geschrieben. Entweder steckt also in dem hesterno vesperi oder dem postridie Barbare oder dem Datum am Schluß ein Fehler.

^) E. v. M. auf Watzdorf. E 3%

36 36

et D. D. SBtrambergero?) lypezensi proxime elapsa quinta feria [4. Dez.| hie pernoetarunt, abituri legati nescio quo missi ab Illustri Principe Mauricio. vocarunt me ad coenam. D. D. Commerstadius a me de nonnullis artieulis ad celsitudinis vestre et offieium et dignitatem attinentibus admonitus respondit in his que iam allate sunt, litteris ad singulos pro necessitate Celsitudini vestre responsum esse. cum autem de Cancellariatu amplius interrogarem, dixit post multam deliberaeionem tandem constitutum esse, vt ex Cancellaria subornarentur vicecancellarij lypsie, Es solt bey der Cancelley bleyben. Hie ego addidi matrimoniales et alias difficiles et odiosas caussas in celsitudinem vestram reieetas iri, ille vero, que paululum honoris, commodi vero nihil haberent, in aula retineri. tum respondit: si lypezensis vniversitas suppli- cauerit, forte reddetur Caneellariatus lllustri Principi An- haltensi. hoc colloquio paucis verhis finito dixit se breui hue rediturum ete. Ornatissimus vir D. D. Cancellarius Merseburgensis”) non temere profectus est in hac proxima legacione Dresdam. Nam volentibus ac petentibus vtrisque Principibus desponsa illi est filia D. Doctoris Commerstadij, id quod D. D. Commerstadius ipse mihi dixit et Cancellarius (dumsalutem illi optarem)alfırmauit... Dominus Franciscus aSchonnebergk proxima dominica aduentus [30. Nov.] coneioni mane interfuit summaque diligencia vsque ad aliorum circum stancium admiraeionem eciam auscultauit. Illius eciam caussa institutam concionem ad illius ingenium accom- modaui .. . sexta feria post Barbare 44...

10. 8. Februar 1545.

Dankt Gott, dab er Georg trotz des schlechten Wetters heil und unversehrt nach Dessau geführt hat. Wir haben die Visitation am festgesetzten Tage angefangen, Strenuus a Walthhausen?) non adfuit, qua causa, ignotum omnibus nobis est, pergemus deo aspirante eras |9. Febr.] et reliquis diebus. Ego proxime elapsa sexta feria [6. Febr.] non conci- onatus sum, hae vna causa, vt visitacionis causas proueherem. Dominus Ernestus*) compater meus. et dominus Theo- derieus?) diligenter suam operam ad visitacionis negoeia adhibuerunt strenue.

1) Joh. Stramburger. Uber diese Räte Moritz von Sachsen vgl. Brandenburg, Politische Korrespondenz des Herzogs und Kur- fürsten Moritz von Sachsen I und II, Reg. s. v.

?*) Hieronymus Kiesewetter, 8. o. den Brief Nr. 7.

3) Lorenz von Walthausen zu Teuditz sollte als Vertreter der „Landschaft“ an der Visitation teilnehmen. Flemming S. 155.

4) Ernst Brotaufl. Flemming S. 157 f.

5) Dietrich Redel. Flemming S. 156.

37 37

| Sehiekt einen von ihm auf Befehl Georgs erbrochenen Brief Herzog Moritz mit Randbemerkungen an Georg. Quis vero Theologus ille germanice lingue expers fuerit, cognoscet celsitudo vestra ex literis Danielis Parochi Dresdensis?), quas simul mitto?) Intelligo illum 'Theologum ab eodem parocho nobis obtrusum. adeo ducuntur affectibus quidam, quorum pocior eura esse debebat, vt sue funeeioni recte preessent ete. odi zroAv;rgeyuoobvovs ete. | .Commendauit nobis idem Daniel ludimagistrum quendam Posniezensem a nescio quanta erudicione, verum examinatus fatebatur se neque in veteri neque in nouo testamento quicquam vnquam egisse, et nihilominus habebatur Danieli valde doctus ac lignus, qui ad locupletem aliquam paroeciam suffieeretur. dos autem eum tanta erudicione illum Danieli remisimus ae nomine consistorij reseripsimus non posse a nobis talem ad nllam paroeeiam admitti, qui sponte fateretur se scripturam vunquam legisse. Sehiekt einen Brief Kommerstadts . .. neripsi has dominica vesperi ad lucernam. nam hodie per Seeupaciones non licuit...

De rebus nouis nihil peculiariter habeo. Paceus superori quinta feria [5. Febr.] cum Questore Lucensi?) hie fuit. is narrauit se pro certo audiuisse Imperatoriam maiestatem tribus periculosissimis morbis ad vite vsque metum decumbere!). Contra hodie prausus sum a pomeridiana con-

!) Daniel Greser (Greiser). Vgl. über ihn Beiträge zur sächs. Kg. 15 (1901), S. 227 ff.; 20 (1907, S5. 248 ff

2) Gresers Brief an Musa vom 22. Januar 1545 ist im Zerbster Archiv vorhanden Ueber jenen Theologus heißt es da: „Rogavi proinde [Objekt: Kommerstadt] pro illo doctore, qui ex Bohemia pulsus est a Ferdinando ob evangelion, qui etsi germanicam linguam perfecte sonare et respondere nequeat, tamen eam intellegit et sic satis inter- rogantibus reddit. Est homo mire modestus et affabilis, doctus et pius: Nomen illi est Doctor Weutzeslaus Brodensis. Agit iam Witten- bergae et ex meris vivit eleemosinis amicorum, multa aureornm millia evangelii ergo amisit.“ Winter 1546/47 als , Wentzeslaus Brodensis Bohemus doctorandus theologiae* in Frankfurt a. O. immmatrikuliert. Vgl. ferner CR. VI 501, 517, 742. VIII 118 ein Brief Melanchthons vom 1. Juli 1553, überschrieben: .. . Venceslao Brodensi Doctori Theologiae, fratri suo carissimo in Russia. Er ist gewiß auch der von Moritz empfohlene Theologe, der bei Fraustadt N. 184£. erwähnt wird („der deutschen Sprache nieht fast geübet"*). In demselben Briefe empfiehlt Greser den ludimarister l’olswicensis (Pulsnitz; Musa schreibt irrig: Posniezensen). Er hieß Joh. Kiffler von Hertzburgk und wurde am 7. Febr. 1545 geprüft (Merseburger Examenbuch Bl. 55) mit fol- gendem Resultat: ,Tenet quidem verba decalogi et exposicionem eius iuxta interpretationem Lutheri in minore catechismo, de Evangelio uihil tenet, ne verbum quidem, imo palam fatetur se non legisse aut perquam parum legisse tum in veteri tum in novo testamento; missus fuit ad nos ab parocho Dresdensi, illi remissus est, quia fuit valde tenuis."

3) Lützen.

*) Vgl. Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer 1509—1548, herausgeg. v. Tr. Schieß Il, Freiburg i. Br. 1910, S. 350f.

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cione apud D. Doctorem Cancellariam, vbi assidens mihi Strenuus vir Henricus a Maltitz Magister curie ducalis Merseburgij'). is dixit Imperatorem incolumem esse et hac- tenus in extinguenda crudeli et miranda quadam seeta in inferiori germania nuper autore quodam neseio quo propheta orta hactenus impeditum fuisse, alias maiestatem eius ad conuentum Imperialem iampridem venturum fuisse et se existimare, quod iam adsit. Sponsa D. Doctoris Cancellarij °) nostri proxime preterita sexta feria [6. Febr.] vesperi sub noctem hue Merseburgum illi adueeta est comitata matre. heri hilarem diem transegerunt. hodie rogauit, vt ad se venirem. veni. prandebam, donabam munus nupeiale et abij. parant abitum in diem crastinum. largiatur Christus, vt felieiter redeant Dresdam . . . Dankt für ein Faß Zerbster Bier... Datum Merseburgij dominica Sexagesime 45 ...

11. 13. Februar 1545.

. Strenuus ab Walthhausen proxima 2°? feria [9. Febr.] venit ad nos et visitacioni haetenus Strenue inter- fuit. procedit eciam visitacio dei gracia satis feliciter. Ex aula nondum quicquam accepimus eorum, que Celle con- stituimus, et miror de proerastinacione. Doctor Knetlingk?) et alius quidam Doctor hie fuerunt in aula versati dies ali- quot. Sed Knetlingk non compellauit quemquam nostrum, quia hospicio erat apud Decanum. neque quid hie egerit, cognoscere potui. Reliqua omnia per dei graciam recte adhue geruntur. Dominus jaurcneius?) vult bis carnispriui- alibus diebus parat iter lypsiun ad aegrotantem. vxorem [!], rediturus post nonnullos paucos . . . Merseburgij 6'^ feria post Scholastice 45... .

Beilage za Nr. 11.

Illud eciam celsitudini vestre significatum volebam, quo- niam triduo illo carnispriuiali (vt vocant) [16.—18. Febr.| vulgus preter solitum bibendo ac sese ingurgitando insanit. ne igitur prorsus essent d4oyoı, decreueram eo triduo mane octaua hora concionari vel ad s. Maximum vel in nostra ecclesia vel ubicunque videretur, id enim in alijs vrbibus, vbi eeclesijs prefui?), solitus fui facere. volo tamen celsitudinis vestre senteneiam audire ete.

1) Vgl. Brief Nr. 7.

2) Vgl. den vorhergehenden Brief.

*) Joachim vou Knethling. Vgl. Brandenburg s. v. 3) Reynhart.

9) Erturt, Jena, Rochlitz.

39 39

12, 5. März 1545.

... Hat Georgs von großer Fürsorge für die Merseburger Kirche zeugenden Brief erhalten . . . Ceterum, vt Celsi- tudinem vestram a curis nonnihil liberem, ordine exponam euneta, que hie interim gessimus, potissimum diebus illis furiosis, quos earnispriuium vocant. Dominica Esto mihi ]15. Februar] bis pro more concionatus sum, Secunda [16.]| et tercia [17.] ferijs sequentibus in templo Maximi de poenitencia dixi magna vulgi frequencia, Die Cinerum [18.] de poeni- tencia iterum ad elerum latine declamaui in summa ecelesia, Quinta [19.] et Sexta [20.] ferijs octaua antemeridiana hora liben- ter id concedente Decano solitas conciones de tercio precepto habui, Eodem biduo A prandio circiter vespertinam horam coepi exercere catechismum eum puerili aetate in nouo foro !), Sabbato i21.] post completorium orsus sum de confessione dicere, finita eadem eoncione bymnum: ,Christe, qui lux^ germanice cantari iussi. In hune modum transegimus eam septimanam. Dominica Inuocauit [22.| iterum pro more concionatus sum, Tercia [24.] et Quarta |25.] ferijs post cepi eatechismum in Ecclesia Maximi a prandio pueros docere, vt quattuor diebus traetetur eateehismus, Tercia seilicet et Quarta feria Maximi, Quinta et Sexta in nouo foro, et eum laborem ego hactenus subij. Nam Sacerdotulus ille, qui lunam?) destinatus erat et nunc'in xenodochio alitur, valde ineptus ad eum laborem mihi videtur. preterea preter Celsitudinis vestre iussionem arrogabat sibi munus pastorale in nouo foro, ministrauit aegrotis eucharistiam et reliqua munera Ecclesiastica tentare ausus fuit, preterea cum Consule in nouo foro insolenter expostulauit, quod non agnosceret eum suum parochum. ego vero eum id illi prohiberem, passim ab eo accusor ac varijs eonuieijs pro- scindor, in summa eB ist eyn baderknecht. vellem tales omnino amotos. Ea de caussa cogor catechismum in illa ecelesia ipse exercere.

Visitacionem lucellanam?) hoe biduo absoluimus. pulchre processit, omnia reete mihi transacta videntur. vnum tantum vehementer me cruciauit, quod, cum ruricolas ex singulis pagis ad visitacionem accersitos interrogaremus, an decalogum, Symbolum et dominicam precacionem nossent. comperimus centesimum quemque vix pauca verba tenere. nedum totam deealogum, Symbolum aut precacionem pronunciare posse. 0 pastores, quid respondebitis seuero iudiei Christo pro tam irreparabiliter vastata vinea domini!

!) Vorstadtgemeinde Neumarkt bei Merseburg. Flemming S. 170 und 173.

3) Leuna. Flemming S. 184.

3) D. h. im Amt Lützen. Flemming S. 18511.

10 4t)

Nos quam potuimus serio inianximus illis, vt discerent, minati excommunicacionem, penam pecuniarum et carceres, nisi discerent. hic boni rustici attoniti summa fide promiserunt sese omnibus viribus adnixuros, vt ista discerent et posthac doctiores ad visitacionem venirent. vehementer mouit me hoc malum ?).

Que vero reliqua ad officium ecclesiasticum pertinent, ea pro virili exequar. nulla negligencia dei misericordia haetenus admissa est, largiatur Christus, vt posthae quoque singula reete procedant. Laureneius dominiea Esto mihi |15. Feb.] abijt Lipsiam ad vxorem nonnihil aegrotantem, sed reuoeatus a me redijt Mersburgum eadem septimana sexta feria [20.]. Erant quidam ministri quorundam nobilium, qui Merse- burgij tanquam obsides in diuersorio bey dem Schoten diuer- sabantur die noctuque sese ingurgitantes. illi dominiea Esto mihi [15.| vesperi in diseordiam excitati mutuis sese vulneribus eonfeeerunt, ita vt vnus illorum postridie vita decederet. is vero. a quo vulneratus fuit, deprehensus Sabato post Cinerum [21.] eadem videlieet septimana penas eapite dedit vieissim, quem nos, eum ad supplieium duceretur, comitati verbo dei con- solabamur, ita vt salubriter extremam horam subire mihi videretur. |

Celsitudinis vestre absenciam, etsi optaremus presenciam, tamen, quia isthie quoque habet Celsitudo vestra que agat necessaria negocia, aequo vt debemus animo perferimus. Rogo autem, vt primo quoque tempore ad nos festinet.

Que ad visitacionem attinent, sedulo eurauimus. diligentes adfuerunt Strenuus à Waldhausen, Dominus Ernestus et Theodoricus. nulli pepercerunt labori. quanta potuimus eura et diligeneia omnia transegimus.

Gratum mihi id quoque est Dominum Doctorem Lutherum in prouehendis rebus ecclesiasticis operam et consilium suum celsitudini vestre promisisse. de consultaeione nostra Celle habita nihildum ad nos remissum est. fuit hesterno die [4. Miirz| apud nos parochus et Superattendens zuWeyssenfelß?) is signifienuit mihi nostram Cellensem consultacionem Lypsim ad Theologos missam esse et isthie a Theologis percenseri.

Illustris Prineeps Augustus hesterno die hoe est quarta feria post Reminiscere |4. März] Merseburgum venit. quanto autem tempore hie mansurus sit, me et multis alijs elam es... |

) Flemming S. 163. 2) Wolfg. Stein.

41 | m

Que de Theologo Gessensi!') parocho indicata mihi sunt, grata ipsa quoque mihi sunt. hoc tantum celsi- tudinem vestram admonitam supplex vellem, vt sciscitari iuberet, quis esset ille Theologus, nam audio in eadem regione in quopiam pago, et haud scio an Gessen sit, parochum esse quendam cognomine Cordatum?), qui alias Cygnee concionator fuit. Si in eundem celsitudo vestra incideret. premonuisse vellem, vt ab eo abstineretur. nam est sediciosus et mire impudens declamator. ls vero, qui Numburge est), cuius antea quoque apud Celsitudinem vestram mencionem feci, iterum apud me sollicitauit, Et est satis probe doctus et supra quinquagesimum aut circiter annum, Ego eum noui et vellem ad nos aecersitum, modo id commode fieri posset. Quare sic censeo, vt celsitudo vestra hoc negocium suspendat vsque ad reditum ad nos ..

Postridie quam celsitudo vestra discederet hine, Canonicus quidam Sixtinus^) vita defunctus est, nomine Caspar Seydeman. illius prouentus possent interim adijei ad Salarium concionatoris, quemadmodum presens deo volente celsitudini vestre exponam. Est eciam interim quidam vicarius mortuus nomine Sebastianus, reliquit domum elegantissime exedificatam intra duos illos muros, eum per portam exitur in eiuitatem. valde oportunum esset illa de re colloqui cum principe Augusto. mea verba non magni erunt ponderis, tamen, si daretur copia, proponere.

Esocein pregrandem illum accepimus . . . et quadri- fariam partitum vnieuique partem dedimus, Waldhausen, Ernesto, Theodorico singulis singulas partes . . .

Merseburgij quinta feria post Reminiscere 45 ...

13. 10. März 1545.

Die Kunde vom Tode optimi viri Forehemij?) war mir um so schmerzlicher, als ich gehofft hatte me futura aestate iucundum aliquod exercieium Theologieum cum illo ini- turum fuisse . . .

. . Sabbato proximo scilicet post Reminiscere |7. März] misit Illustris Princeps Augustus ete. in Consistorium Codi-

1) Jessen. Wohl Wolfgang Braun, den Luther am 20. März 1545 dem Kurfürsten als Nachfolger Spalatins empfahl (Seidewann- de Wette 6, 372).

2) Cordatus war damals vielmehr Superintendent in Stendal, wo er 1546 starb (Nik. Müller, Belzig S. 71).

3) Georg Mohr, seit 24. Aug. 1544 Domprediger in Naumburg. vgl. Albrecht, Theolog. Stud. u. Krit. 1904, S. 81 Anm. 1.

*) D. h. vom Unterstift St. Sixti.

5) Georg Helt + 6. März 1545.

42 42

eillum, quo continetur totum negocium Consistorij!), quo- modo in caussis matrimonij decernere, quid eciam ac quo- modo in rebus Ecclesiasticis agendum nobis sit, deinde misit eeiam ingens diploma pergameno seriptum ae duobus ingentibus et elegantissimis signaculis vtriusque Principis et Mauricij et Augusti consignatum, quo continetur eonfirmaeio Consistorij que quia ad celsitudinem vestram maxime per- tinere videbantur, primo statim tempore mittenda duximus. Das Codizill schicken wir im Original, vom Diplom eine Copie.

Proxime elapsa quinta feria [5. März] seripsi Supplicatorias ad Principem Illustrem Augustum, quibus pecij admitti ad presens colloquium, sed toto triduo venacioni intentus nihil respondit. Heri, hoe est dominica Oculi [8. März], cum ingrederer templum, venit ad me D. Cancellarius ae dixit Jussisse Illustrem Prin- cipem Augustum, vt, si quid haberem, sibi recenserem. cum igitur intelligerem me ipsum non admittendum esse, indicaui D. Cancellario, que vestra celsitudo mihi mandauerat. Sed nihildum mihi responsum est... Subsistit adhue apud nos, sed quamdiu, id ignoramus. Audiuit hesterna dominica concionem. Ecclesia dei gratia quotidie ereseit. Ego quic- quid et possum et debeo pro mea virili strenue ago. Canoniei diligentes hactenus fuerunt in audiendis concionibus atque ipse eeiam decanus . . .

Mitto celsitudini vestre stultieiam, deelamaciunculam dieere volebam, habitam a me die Cinerum [18. Febr.], quam multitudine negociorum obrutus pene recognoscere non valui, impendi illi dietande et scribende non nisi vnum diem... Mitto eciam hymnos quosdam a Gygante?) ludimagistro in Porta ad me datos, qui valde mihi placent, vt celsitudo vestra [!] desyderium sublati Forchemi,) nonnihil leuent. nos hic omnem eius suppelleetilem inclusam obsignauimus . . . elaues mihi demandauerunt D. Ernestus et Theodericus... Ex D. Cancellario heri audiui Imperatoriam | maiestatem nondum venisse ad Conuentum et adeo illam languere, vt se iam ligno Guaiaco committere velit?) . . . Merseburgij 3^ feria post Oculi 45... |

1) Es wurde am 11. Februar 1545 errichtet (Flemming S. 146).

2) Vgl. über ihn Flemming, Briefe u. Aktenstücke zur ältesten Geschichte von Schulpforta, Naumburg a. S. 1900, S. l6ff. Im Mai 1544 war Gigas nach Pforta übergesiedelt (S. 18). In deu Epistolae Martini Lutheri et Philippi Melanchthonis ad Principem Georgium de morte Georgii Helti, Lipsiae in officina Valentini Papae 1548 steht am Schlusse ein Epitaphium auf Helt von Gigas vom 17. März 1545. Offen- bar hatte Gigas die Verse damals zunüch-t handschriftiich Musa über- sandt: ,hymnos* nannte dieser sie im Hinblick auf die frühere Ver- öffentlichung des Gigas: Hymni aliquot et innocua poemata, Lipsiae ex officina Valentini Papae 1544.

» Vgl. Brief Nr. 10.

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14. Bald nach 1. April 1545.

... Venit ad me quidam ex Wittemberga, qui has litteras attulit, quas celsitudini vestre mitto. is narrauit Egregium virum dominum doctorem Pomeranum quarta feria post palmarum [1. April| a duobus fratribus, filijs doctoris olim Crausen, qui ante annos aliquot hallis se ipsum interfecit !), Witteniberge ex suis ipsius aedibus ab illis fratribus euo- catum et paucis verbis factis euaginatis gladijs parum ab- fuit quin Pomeranum oceidissent, quod horrendum factum etsi omnipotens pater auertit, tamen vestram celsitudinem hoe vesperi celare non potui?) in tanto perieulo versamur nos miseri professores Euangelij et Christi Jesu domini nostri ete. eras deo propicio hae de re narrabit ille idem studiosus plenius . . .

15. 8. Juni 1545.

.. . Que Spangenbergius?) respondit, non tam grata quam necessaria sunt, et nisi successore quopiam onus meum nonnihil leuetur, haud credo me id ferre tandem posse ... vires me destituunt, parum abfuit, quin hesterno die in suggestu concidissem. et nisi id presensissem, nullo modo renunciassem pomeridiane concioni. Sepe rogaui supplex, vt mei racio haberetur. id adhuc rogo. Si vnum tantum mensem paululum quietis mihi concederetur, sperarem me pristinarum virium recuperaturum aliquid. iam vero nulla die vlla mihi conceditur tranquillitas. Die Ehesachen würde ich gern (vt illius professionis ignarus) an die Juristen abgeben ... An non pocior est Eeclesiarum eura, an non eor vrit horribile hoe malum, quo laborat tota hec dicio, quod in hoc vni- uerso Episcopatu ne vnus quidem rusticorum sit, qui reete et integris verbis pronunciare queat decalogum, Symbolum, precacionem dominicam, de baptismo et eucharistia? . . interim ex illo cetu multi ex vita decedunt in tali inseieia. queso, an queant tales saluari, cum Christus Beatos pro- nunciet eos tantum, qui audiunt et eustodiunt verbum dei)...

Reliqua negocia omnia sunt mere prophana et faciunt nos (illorum tractatores) eciam prophanos et sunt aliud nihil quam ministraciones mense, vt in actis?) dicitur . . .

1) Am 1. Nov. 1527, Enders, Luthers Briefwechsel Vl, 147*, VHI, 378°, Weimarer Lutherausg. 303, 402 ?. 38, 123 ? u.a.

?) Vgl. den Bericht des Justus Jonas an Fürst Georg vom 14 Febr. über einen Studententumult in Wittenberg (Kawerau II 146). 3) Joh. Sp., Pfarrer an St. Blasii in Nordhausen (RE? XVIIT 26531F.). *) Luc. 11,28. Flemming S. 163. >) Apg. 6, 2.

44 +4

In prefeetura, que hue ad arcem Merseburgensem attinet, quam [!| vulgo daß kuchen ampt appellatur, tanta fuit diebus illis penteeostes [24. Mai| rusticorum ingurgitacio, tantus clamor, ehorea diu integrisque noctibus. mane in aquis con- gressi sunt, morgen haben sye vif dem wasser gestochen, ante concionem, magno concursu vulgi, magna templorum inanitate. lbi nullus est Principis prefectus, qui prohibuisset, nulli consiliarij, qui precauissent, ad ista conniuentur. ab hesterna crapula ad me eurritur et in me debachatur, sed héc alias, sed satis... ex aedibus meis feria post Corporis Christi 45...

16. 22. Juni 1545.

... quod mihi nuneiari celsitudo vestra per Capitaneum Hederum!, iussit, dolenter audiui, et non parum miror talium övw» confideneiam, qui Hessiaeos mores in nostram Ecclesiam inuehere conentur?) Perlegi inane hoc commentum. quod ad Illustrem Principem Mauricium Principem Saxonie cte. dominum meum clementissimum nuper dedit?) nihil est aliud quam inanis gerroAoyía, in qua multa verba facit. quibus nihil rerum subest, nullo solido et e scriptura deprompto argumento vtitur. dieit enim, si in conseeracione sacerdos se ad populum vertere deberet, periculum fore, vt venticulo aliquo de patena particulae deflarentur et magna irreuereneia hoe modo Sacramento contingeret. Pulehrum commentum! simili stulticia vsi sunt veteres: si laici altera Sacramenti parte vti deberent, fieri posse, vt illis ex ore aliqua guttula destillaret in terram; ad vitandum hoc periculum neganda illis est altera saeramenti species, nempe sanguis... ac tandem eo euadit, vt nolit eleuari Saeramentum neque velit Sacer- dotem ad populum versum in conspectu illius consecrare. Si igitur non debet eleuari et ostendi Eeclesie corpus Christi neque eonseerans Sacerdos se ad conspectum populi vertere propter hane solam caussam, ne vulgus intueatur corpus Christi, ergo in quopiam tenebroso angulo eonseerandum erit, ne quisquam videat eonseeratum eorpus. deinde nullis nisi solis eeeis dandum, aut omnibus, qui vtuntur, obuelandi sunt oculi, ne videant, quam rem edant aut bibant... Ritum illum, vt eonsecrans Sacerdos ad populum se vertat, fateor me Antonium Musam L. instituisse et Jhene seruasse totum duodecennium *).

1) Oswald Röder (Flemming S. 155).

2) (seht auf den Dresdener Pfarrer Daniel Greser, vorber Pfarrer in Gieben.

3) Im Namen mehrerer Superintendenten hatte Greser ein Schrift- stück bei Herzog Moritz eingereicht, in dem er sich u. a. gegen die Elevation aussprach (Westphal, Zur Erinnerung S. 49f.).

5) 1524—1536.

45 45

quo tempore tota vniuersitas Wittembergensis bis Jbenam eonfugerat propter pestem et singulis vicibus isthic versata est ad dimidiatum annum!) Fuit isthie semper Philippus, l'reterijt aliquoeies Lutherus et ibi eoneionatus est, qui ambo eum tota schola ritum illum toto dimidiato anno presentes viderunt. et non a reliqua schola solum, verumeciam a Philippo et Luthero vehementer commendatus est, et optarunt talem morem in Ecclesia Wittembergensi institui posse, id quod neuter illorum ne hodie quidem negabit?) Institui postea eundem morem Rochlicij, priusquam Hessus ille in Mysniam veniret?), neque opus habeo, vt ecclesiarum administracionem ab illo Hesso discam. "Vtinam isti disciplinatores, si bene Ecclesias suas disciplinare vellent, instituerent publicam ora- cionem, qua vulgus in genua prolapsus aliquamdiu cum vera cordis meditacione oraret, sieut Jhene et Rochlicij ego in- stitueram, deinde cirea finem itidem publicam graciarum aeeionem instituerent, quemadmodum deo propicio Merseburgij aliquando instituemus. Ipsi nullam euram vulgi habent, illorum parum refert, teneat populus an non teneat oracionem dominicam. Scio certo in ipsa quoque vrbe Dresdensi multos adultos repperiri, qui preeaeionem dominicam nequaquam saltem rectis et integris verbis pronunciare, queant. Ibi deberent iactatores illi discipline curam suam intendere, sed hie surda aure transeunt et occupantur interim stultis nenijs, veluti magnis rebus, de festis, de Corocco et alijs nugis...

Illustris Princeps, ego obiter ad scriptum illud Danielis meam sentenciam adieci, quia non vacabat pluribus scribere. Celsitudo vestra curet illud deseribi et seruet originale exemplar ... octava die Viti 45...

17. 22. Juni 1545,

. Magister Andreas Ernst Northusanus * rescripsit se condicionem Lauchensem accipere velle et heri [21. Juni| isthic coneionatus est?) seripsi senatui, vt vna eum illo Merseburgum veniret ad confirmandam pactum.

Magister Joannes Gygas, ludimagister in Porta, ex Wittemberga reuersus hac transijt et me salutauit. ac primum

!) August 1527 bis Juni 1528, Juli 1585 bis Febr. 1536.

*?) Uber Luthers und Melanchthons Stellung zur Elevation vgl. Kóstlin-Kawerau II 578, Herrlinger, Die "Theologie Melanchthons, Gotha 1879, S. 141f., Flemming, Beiträge zur baye- isch en Kirchengesch. 16 (1910), S. 39ff., O. Clemen, ZKG. 32,292f. 296.

*) Musa kam 1537 oder 1538 nach Rochlitz, Greser 1542 nach Dresden.

*) Vgl. Kawerau, Jonas II 3. 166 oben.

*) Vgl. den nüchsten Brief.

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narrauit Danielem!) cum suis complieibus Wittemberge fuisse. quid autem isthie egerint, dixit se neque ex Philippo neque ex quoquam alio eognoseere potuisse. preterijt autem proximo Sabbato [20. Juni]. Deinde narrauit se a sua funceione in Porta missionem impetrasse et futuro Michaelis festo isthine abiturum propter intolerabiles molestias, quibus ab Oeconomo illius monasterij?) affieitur, neque adhue se vllam funecionem scire aliam. hie ego cum eo collocutus tantum intellexi eum facile posse ad nos transferri. Est in Porta integrum annum eciam coneionatus et non -vult amplius in pulueribus . scholastieis versari, sed ad ministerium se conferre. dixit eeiam: si Philippus sciret bane condicionem mihi offerri, certe suaderet, suseiperem. Ego, quantum hominem noui, valde vellem eum nobis socium adhiberi propter insignem condicionem et animi moderacionem. Üelsitudo vestra deliberet et pereontetur Philippum °).

18. 24. Juni 1545.

Magister Andreas Ernst Northusanus, qui superiore dominica |21.Juni |seripserat se Luchauie conceionatum esse, huc Merseburgum neque Senatus Luchauiensis, quemad- modum per litteras iusseramus, non venerunt neque quicquam rescripserunt, vt mirer, quomodo ea caussa habeat. Spero tamen bonum finem sortituram. Illustris Princeps Augustus dux Saxonie ete. hac preterita nocte seilicet in vigilia Joannis baptiste [23.| curru vectus circiter primam horam post mediam noctem huc venit et hodie in die Joannis baptiste iterum abiturus est, vt retulit Malticius, festinato itinere petiturus Dresdam. Ex Dresda a duce Mauricio nuncius nondum redijt. Reliqua per dei gratiam omnia adhuc salua sunt. Neque admodum multe causse ad consistorium hactenus relate sunt. Tantum hoc oro, Celsitudo vestra inquirat, quo- modo Hessus ille*) nos Wittemberge traduxerit. quid lesimus hominem, quis K«xoóaíucv vrget illos óvovc? Intelligo eos doctrine pure et summo studio (quo solo edifieatur Ecclesia) tradende non admodum intentos esse. Sye wolten 1) Greser. |

*) Michael Lemmermann.

3) Vgl. zum Vorstehenden Flemming. Briefe u. Akten zur ältesten Geschichte von Schulpforta S. 70f., sowie auch die von mir in den Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Schul- und Er- ziehungsgesch. 17 (1907), S. 238 ff. veröffentlichte Beschwerdeschrift der Pfortaer Lehrer über Lemmermann. Uebrigens wurde dann die Merseburger Dompredigerstelle wirklich Gigas augeboten (Fraustadt S. 185). Dieser lehnte jedoch ab (vgl. seinen Brief an Fürst Georg

vom 12. Aug. 1545 im Zerbster Archiv). *) Greser.

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gerne eyn feyn euserlich bapstum wider haben, das mit eynem. hessischen Senatu Ecclesiastico vnd anderen legibus fein ge- fasset were, doctrinam non perinde magnifaciunt... decalogus. est illis exigua doctrina, quam diaconus aliquis aut aedituus singulis quattuor temporibus semel tradat, neque babent deca- logo opus, vt ad illius prescriptum forment confessionem suam, possunt enim peccata sua aliunde satis cognoscere, non est opus decalogo ... Merseburgij in die Joannis Baptiste 45 . .

19. 12. September 1545.

.noua hie nulla sunt, nisi quod ex Malticio nuper cognouerim Episcopum Treuerensem vita functum esse !). Deinde et hoe quoque significandum duxi Magistrum Wolf- gangum Stein die natali diue virginis [8. Sept.] ad Con- sistorium querulatum venisse se apud lllustrissimum Prin- cipem Electorem Saxonie ete. accusatum esse hoc nomine, quod in conferenda paroecia Osterfeldensi ipse conaretur Eleetori subtrahere suum ius, nam collacionem ad Illustrissi- mum Electorem attinere, non ad Illustrem Principem Mau- ricium, et huius rei solum illum Wolffgangum Stein caussam esse. Quamobrem Illustrissimus Princeps Elector Saxonie vellet praedictum Wolffgangum vicissim priuare omnibus beneficijs, facultatibus et possessionibus suis, que Wolffgangus in Illustrissimi Principis Electoris dicione haberet (habet autem non exigui precij, deinde se summa indignacione Wolffgangum proseeuturum esse. Wir haben ihm geraten, selbst zu seiner Entschuldigung zum Kurfürsten zu reisen. Abijt necdum reuersus est...

Seripsit interim D. D. Fachsius?) ac censuit (vti vestra celsitudo prius constituerat), vt Magistrum Wenezeslaum Sturmium destinatum sibi parochum Lyssenses?) ad se adueherent. Ego vero rescripsi tragediam illam Woltigango- oblatam ac iussi, vt Sturmius tamdiu se Lypsie contineret, donec cognosceremus, quid responsi Wolffzangus relaturus esset ...

In consistorio difficiles sane caussas matrimoniales ex- plicuimus adhibito D. Decano. Concubine Sacerdotum certo.

1) Johann v. Hagen. Er starb aber in Wirklichkeit erst 23. März 1547. Auch sein Nachfolger Johann Ludwig von Isenburg (+ 18. Febr. 1556) wurde schon 1555 totgesagt (Eubel, Hierachia catholica medii aevi III, Monasterii 1910, p. 337sq., Flemming, Beiträge zum Brief- wechsel Melanchthons, Naumburg a. S. 1904, S. 52).

2) Ueber Ludwig Fachs vgl. ADB. 6, 528—230 und Krebs, Die Beziehungen Heinrichs von Einsiedel auf Gnandstein zu Herzog Georg von Sachsen vor 1528, Leipzig 1896, S. 16.

3) Lissen bei Osterfeld. Flemming S. 148 unten. Ueber W. Sturm vgl. auch K. G. Dietmann, Kursächs. Priesterschaft 3, 1035.

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nunciantur omnes ad suos forniearios Sacerdotes receptas [!] esse, sed nondum prodeunt in publicum. De aduentu Illustris Principis Saxonie ete. D. Augusti nihil constat . . .

.... Cum Senatu de suscipiendo diacono +) egimus, respon- dent se libenter suscepturos magistrum illum, qui nuper eoncionatus est, sed plus quam quinquaginta f; numerare se non posse. Accersimus eciam Senatum ex nouo foro vna eum nonnullis alijs. illi grati accipiunt, vt singulis septimanis vnam eoneionem in suo templo habeant, et petunt, vt quarta quaque dominica eciam celebretur officium et prebeatur eucharistia illis, qui petituri sunt, ae vltro promittunt se daturos omnia, que nomine Ecclesie antea dederunt Sacer- dotibus, que summa circiter vj fs faeit aut supra. .

Postea, si ex xenodochio et alijs quibusdam possit cor- radi addicio quedam, vt summa ad octogiuta fz exeresceret, tune posset suscipi ille Magister in diaconum. lch sehne mich immer mehr nach ihm. est solide doctus, solide docet, et in linguis ae litteris saeris solide versatus, preterea mansuetus vir et pacis amantissimus . . . Merseburgij XII Septembris 45 . ..

20. 23. und 24. September 1545.

Principio hoc nunciandum fuit Senatum Merse- burgensem in aedes meas venisse flagitatum, vt Magistrum illum destinatum diaconum aecerserem, se illum sponte aecepturos, sed non nisi 50 fs, additis illis viginti ab Sixtinis, numeraturos. Est igitur vocatus in quintam feriam post Matthei [24. Sept.], Nam hee Quarta feria ante [23.] seripsi . . . vnde vero eius merces corradi queat, significabit Scheda ab D. Ernesto?) mihi tradita, quam his adnexam supplex mitto. Alter vero diaconus D. Christophorus accept a me commendaticias Oscha- ciam versus, quo profectus sperat se funecionem isthic conse- euturum?). In Consistorio satis diffieilium et perplexorum

!) Vgl. Brief Nr. 18.

*) Brotautt.

3) Christoph Neuß (Flemming 3. 169 Anm.2). Nach dem Merseburger Examenbuch Bl. 208 wurde er am 26. Mai 1548 vom Konsistorium geprüft, weil er als Prediger nach Rochlitz kommen sollte, aber nur kurz, ,Quia hic [d. h. in Merseburg] quoque diaconum egit aliquamdiu et postea etiam in Oschitz ministerio Ecclesiastico functus“. Er ist höchst wahrscheinlich identisch mit Christoph Neyssen aus Mittweida, der nach dem Wittenberger Ordiniertenbuche I Nr. 599 am 4. Juni 1544 für Machern ordiniert wurde, aber vielleicht sein Amt gar nicht antrat, und dem bei Kreyßig, Album der evangelisch- lutherischen Geistlichen im Königreich Sachsen ® Crimmitschau 1898, S. 475, als Diakonus in Oschatz 1545 genannten Christoph Reuf [Druckfehler]. Die dort. sich findende Notiz: „zog von hier nach

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negociorum habemus. D. Deeanum semper adhibemus, et is vltro ae lubens suam operam confert. Concubine Sacer- dotum nondum prodierunt in publieum. dominus Cancellarius diligenter et scripto et presenti sermone admonuit Judocum!) et reliquos nonnullos, vt vitam emendarent, aut fore, vt ali- quando graue quiddam sint experturi. Promisit Judocus meliorem frugem, sed metuo, vt sui similis mansurus sit. Nam hodie adhue suum scortum apud se fouet. D. Malti- eius et D. Cancellarius hodie vna Dresdam profecti sunt. Coneionatus sum in der Aldenburgk et in nouo foro et nuneiaui populo celsitudinis vestre sententiam.

De abitu meo Jhenam nunciabo celsitudini vestre. non puto me ante proximum mercatum lypezensem iturum. Doc- torem Heinichen?) diebus aliquot in publico non vidi. Sunt illa Lutheri Themata ex Lipsia (isthic eciam excusa sunt) ad me missa ... gaudeo Louaniensium insanie obuiam itum esse?).

Est doetus quidam Magister Joannes Policarius nuper Wittemberge promotus?) qui ad me scripsit ae petit func-

Merseburg und erhielt vom Stadtrate 27 Groschen als Beitrag zum Fuhrlohn“ wird so zu erklären sein, daß er, nachdem er in Oschatz seine Probepredigt gehalten hatte, nach Merseburg zurückreiste, um seine Familie und seine Habe zu holen, und die Umzugakosten vom Oschatzer Stadtrat vergütet bekam. Dann wäre er also nur ein paar Monate in Merseburg gewesen.

1) Jodocus Maler. Vgl. Brief Nr. 3.

2) Franz Richter aus Hainichen, 28. März 1530 in Leipzig zum Dr. iur. utr. promoviert (Matrikel der Universität Leipzig II 38, 51; vgl. auch Neue Jahrbücher f. d. klass. Altertum, Gesch. und deutsche Literatur u.f. Pädagogik 20, 123f.). Auch bei Fraustadt 8.184 erwähnt.

3) CONTRA / XXXII. ARTICVLOS / LOVANIENSIVM / THEO- LOGISTA/RVM./ MARTINUS LV-/THER DOCTOR THEO-/LOGIAE VOCATVS. / LIPSIAE / IN OFFICINA VALEN- / TINI PAPAE. ; ANNO /M.D XLV./ 8ff. 8°. 1b und 8 weiß. Zwickauer Ratsschul- bibliothek XXII. VIII. 38,. Die Wittenberger Ausgabe in 49: CONTRA XXXII./ ARTICVLOS LOVANIEN-/SIVM THEOLOGI / STARUM./... (Zwickauer Ratsschulbibliothek XX. VIII. 7 ,,) ist also ein Nach- druck. Übrigens enthalten beide Drucke nur 75 Thesen (Nr. 5 in dem Abdruck Opera varii argumenti IV 486 fehlt) und weisen beide (also nicht erst die deutsche Ausgabe) die Schlußbemerkung auf: Dixi dicamque breui plura, Deo fauente (gegen Köstlin-Kawerau II 609). Vgl. auch noch Melanchthon an Justus Menius, 9. Sept. 1545: „Mitto tibi propositiones editas contra Lovaniensium sophistarum articulos, quas integer liber sequetur“ (CR. V 848) und Luther an Veit Dietrich, 23. Sept.: „Existimo M. Hieronymun: Propositiones meas contra Nostrollas ad te misisse" (de Wette V, 758 f.).

*) Johannes Pollicarius Cyguaeus wurde am 1l. Sept. 1545 in Wittenberg magister artium (Köstlin, Die Baccalaurei und Magistri der Wittenberger philos. Fakultät 1538— 1546, Halle 1890, S. 18). Vgl ferner über ihn Beiträge zur bayrischen Kirchengeschichte III en) S. 146 Anm. 1 (wozu aber zu bemerken ist, daß er in Weißen- els stationiert war und nur vertretungsweise in Freiburg a. d. Unstrut zu tun hatte), auch Gödeke, Grundriß II ?, S. 98 Nr. 53, 190f. Nr. 64.

Archiv für Reformationsgeschichte IX, 1. 4

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cionem in dicione Merseburgensi, cui respondi, expectaret celsitudinis vestre reditum, me ad celsitudinem vestram eius . peticionem relaturum. Est doctus et bonus, sed in ministerio Euangelico hactenus non est versatus, quare nihil grauaretur diaconi vices interim subire.

Hactenus leta, nunc non admodum iucunda et quedam eciam tristia narrabimus. Primo de Canonicis , nostris, qui proxime elapsa dominica |20. Sept.| templi sui dedicacionem celebrauerunt. pridie eius dominiee |19. Sept.| petiuerunt a Domino Decano, curaret, vt concio et officium dominicae a nobis posthaberentur. decanus autem consultis et me et Laurencio respondit illis ad se id non pertinere, sed ad eelsitadinem vestram, si quid mutandum esset. Canonici vero nihilominus misse sue cantum prorogauerunt vsque ad medium octaue hore, postea nos nostrum officium more nostro cepimus et deo concedente feliciter peregimus, Eadem dominiea Nebulo ille, qui ad S. Michaelem conecionatur'). turpissime de doctrina nostra et nobis pro concione locutus est .. . habuit auditores multos et inter reliquos vxorem D. Deeani, quod ipse dolenter mihi conquestus est seduci suam vxorem a matre. Deinde et vxor domini Ottonis solet in id sacellum sacra auditura ire, item Canonici Storekius et Sehonnebergius ac plerique alij. Sixtini offieium meum coneionandi a me illis gratuito oblatum sim- plieiter respuunt vnd sprechen, wir sollen sye zu frieden lassen, se hanc nostram doctrinam nolle.

D. D. Fachsius seripsit Consiliarios Illustris Principis Mauricij et in primis D. Pistorem cancellarium?) vrgere. vt Magister Sturmius mittatur kegen Lyssam. Den con- sistoriales scheint es geraten, vt celsitudo vestra seriberet ad Magistrum Wenezeslaum Sturmium Lyptzensem, vt se Lyssam conferret, Deinde etiam Lyssensibus scriberet, vt Magistrum Sturmium ad se adueherent, donec conciliaeio aliqua inter Principes contingeret. Consistoriales metuunt seribere, ne in aliquam indignacionem lllustrium Principum incidant . . .

Sacerdos ille a Bendorff?) omnino petit se transferri a Bendorf ad aliam Ecclesiam. Wir haben ihm Roßbach angeboten ... |

Hesterno die 23 Septembris Quarta seilicet feria post Matthei klagte bei uns eine Frau contra quendam lectorem ehori nostri Andreas Winter, der mit ihr 14 Jahre lang in publico matrimonio gelebt. 6 Kinder erzeugt, dann aber sie verlassen habe. Wir haben ihn verhaftet.

1) Georg Trubenbach. Vel. Brief Nr. 2.

2) Ueber Simon Pistoris, Herzog Moritz’ Kanzler. vgl. zuletzt Neues Archiv f. süchs. Geschichte 31 (1910), S. 134 ff.

3 Flemming S. 182.

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21. 27. Sept. 1545.

Der Pfarrer zu Lauchstädt, den kürzlich der Schlag gerührt, ist vor 12 Tagen gestorben!) E Consistorio seripsimus eius loei Questori, ne paroeciam Lauchstadianam euiquam locaret ante celsitudinis vestre reditum, nam collacio ad v. e. pertinet.

Formule seu testimonia ordinandorum exeusa sunt trecenta et ab Joachimo Camerario ad me missa’), qui scripsit constare ij taleros, preterea quantum pro vectura earrucarius postularet.

De aduentu Prineipis Augusti nihil prorsus dieitur. Con- siliarij, vt dixi supra, Dresdam abierunt . . .

D. Christophorus?) diaconus funecionem nactus est zcu Oschacz, et scribit ad me parochus isthic petitque, vt quam primum Christophorum dimitteremus, vt illo concederet.

Magister ille valentinus*), qui noster futurus erat diaconus, accersitus a me petente Senatu hue venit. cum autem Senatui per Magistrum Joannnem?) nunciari iuberem, vt ad consistorium ascenderent, iussisse enim celsitudinem vestram, vt vestre celsitudinis nomine a nobis in consistorio acciperetur et data nobis manu celsitudini vestre obedienciam promitteret, hie Consul Mostelius®), apud quem Magister Valentinus diuerterat, Valentino ipso audiente palam subiraeundus responderat Magistro Joanni Senatum non velle ascendere ad consistorium, der Musa wolte capplan enturleben vnd an nemen, wen er wolte, das gedechten sye nicht zeu leyden. hoc responso Consulis Mostelij audito Magister Valentinus euestigio discessit Lypsim, Senatu tacente ipsumque dimittente... Merseburgij dominiea post Matthei 45.

Hieronymus Clauser (Flemming S. 202),

2) Ueber Wittenberger Ordinationsformulare von 1553 und 1558 vgl. O. Clemen, Alte Einblattdrucke, Bonn 1911, S. 77.

*) Neuß, s. o. Brief Nr. 20.

4) Gräser aus Hof? Flemming S. 202 unten. Uebrigens auch in Wittenberg immatrikuliert, W. 1539/40, bekannt mit Kaspar Brusch (Horawitz, Caspar Bruschius. Prag und Wien 1874, S. 80), mit Georg Fabricius und Wolfgang Meurer (Baumgarten-Crusius, G. Fabricii epistolae ad W. Meurerum et alios aequales, Lipsiae 1845, p. 11: 25. Sept. 1541; Gr. war damals in Leipzig). 1546 ist er als Ober- pfarrer in Münchberg (Oberfranken) nachzuweisen (Zapf, Gesch. der Stadt Münchberg, M. 1829, S. 139).

5) Wohl Mag. Joh Reiffschneider, der im Merseburger Examen- buch am 31. Oktober 1545 als Mitglied der Prüfungskommission, am 30. Nov. 1548 als Notarius consistorii publicus genannt wird (vgl. auch CR. VI, 956). Vgl. über ibn im allgemeinen HauBleiter, Melanchthon- kompendium, Greifswald 1902, S. 152 ff.

$) Hans Mostel, bei Fraustadt S. 193 A. 7 erwähnt.

4*

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Beilage zu Nr. 21,

Ego deo volente ibo Jhenam proxima dominica post ‘Michaelis |4. Okt.| a prandio’). diucius expectare non possum. oro, vestra celsitudo huc festinet. Cum Synodo vellem expectari vsque ad meum reditum.

Adfuit Magister Georgius Móhr?) qui a Numberga propter Medlerum dimissus est, ae peeijt funeeionem et parat iam iter Wittembergam. Ego respondi, vt se primum Illu- strissimo Principi Electori ete. deinde domino doctori Luthero ... isceret; si isthic nihil adipisceretur, peteret ab lllustrissimo Electore dimissionem et hue rediret, me adnixurum, vt illi prospiceretur. videretur mihi idoneus satis consistorio et esset contentus ij* fs. vellem tamen, si interim, dum absum. rediret, vt nihil illi promitteretur . . . Attulit eommendaticias a Domino Episcopo Czeiczensi?) ad vestram celsitudinem, quas hie simul mitto . . .

92. 29, Sept. 1545.

. Etsi ante biduum |27. Sept.| nuncium ad celsitudinem vestram multis litteris ae grauibus caussis onustum miserim. tamen, quia sperabat se celsitudinem vestram Magdeburgij inuenturum, illo iter instituit, et ego iam ex nescio quo adolescente cognoui celsitudinem vestram illo nondum per- uenisse, et alie eciam graues eausse interim in manus meas venerunt, necesse duxi fore, vt denuo scriberem. Ae primo loco, quod celsitudini vestre signifieatum volebam, hoe est: Illustris Princeps ae dominus, dominus Augustus, Princeps Saxonie ete. dominus meus elementissimus hesterno vespere [28. Sept.| venit Friburgum, illo canes venatiei eodem hesterno vespere ducti sunt, vnde putatur dies aliquot isthic venacioni operam daturum esse. Sed an Merseburgum venire con- stituerit, nemini constat. Si celsitudo vestra eius clemenciam Friburgi conuenire velit, licet.

Deinde scripsit heri ad me D. D. Pfeffingerus ex Lvpsia horrenda noua, que Hex Ferdinandus admisit in vallibus Joaehimieis. mitto supplex illius litteras eelsitudini vestre legendas. Fecit eciam cuiusdam concionatoris M athesij mencionem, de quo plura deo volente presens. etsi dicitur mihi Numbergam illum suffieiendum in locum Medleri, sed tamen eoram plura). Feci mencionem de alio quodam Magistro

1) Vgl. Brief Nr. 20.

*) S. oben Nr. 12 und RE? XII, 495.

3) Amsdorf.

*) König Ferdinand hatte die Grafen Schlick gezwungen, Jo- acbimsthal u. alle ihnen zugehörigen Bergwerke ihm zu übergeben. Wegen dieser bedenklichen politischen Veränderung erwog Mathesius

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Moro, qui et ipse ab Numberga propter Medlerum dimissus est, de quo sententiam meam celsitudo vestra cognoscet in prioribus litteris.

Magister Wolffrangus!) Superattendens Weyssen- feldensis admonitus a D. D. Fachsio et a me, vt Magistrum Sturmium lyssam induceret, sed pertinaciter renuit, quem- admodum littere illius testantur, quas itidem supplex mitto...

Hesterno die scilicet in die Wenceslai [28. Sept.| pecijt Nobilis ille zeu Czesen?) Wolfgangus a Brandenstein?), vt ad se exirem, in suo pago eoneionarer, nam dedieaeionem templi eo die agebant. Quum non admodum multe essent illo die in consistorio causse. exiui comitatus Magistro Joanne?*, misit currum et equos. eduxit et reduxit nos, eoncionatus sum, et extemplo a prandio redij Merseburgium.

Hodie Michaelis de Sanctis Angelis declamaui in nostro templo. Constitui proxima dominica |4. Okt.| abire Jhenam, supplex rogo, celsitudo vestra festinet domum... Merseburgij in die Michaelis Anno ete. 45...

23. 15. Oktober 1545.

. Celsitudinis vestre litteras accepi. vtprimum Jhena Merseburgum redij (abfui enim dies duodecim et hodie quinta scilicet feria, nempe XV octobris, redij Merseburgum). Quod vero celsitudo vestra de motibus illis bellieis seribit, nihilo minore animi maerore et ego illos audio atque celsitudo vestra aut quisquam alius . . .

De Moguntini obitu?) ante dies octo Jhene cognoui ... De Synodo vellem illam prorogari in octiduum. nempe in diem XXVI Octobris .

Inter seribendum... venit ad me quidam vicinus meus, qui affirmauit se ex ore deB herezogen Augusti Schenken audiuisse iam circiter quartam horam Regem Ferdinandum armata manu inuasisse et populari cepisse dicionem lllustris Principis

den Gedanken, nach Naumburg zu gehen: Lósche, Joh. Mathesius I 123. Daß aber auch seine Berufung nach Merseburg in Erwägung gezogen wurde, zeigt der Brief Paul Ebers an Mathesius, Wittenberg, 20. No- vember 1545, bei Loesche, Johannes Mathesius, Ausgewählte Werke 4 (Handsteine), Prag 1901, 193 f.: »Non desunt loca honesta et anipla, vbi Ecclesiae seruire poteris, quod ad te iamdudum relatum existimo. Nam et a Philyra te expeti et a nouo praefecto Martiae turris scio." Denn Martia turris = Merseburg. nicht = Königsberg (Loesche S. 684.

1) Stein.

2) Zöschen.

3) Flemming S. 206.

4) Vgl. Brief Nr. 21.

5) Albrecht von Mainz + 24. Sept. 1545 (Hertzberg, Halle II 181).

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Mauricij: Der Konigk Ferdinand sey M. G. H. Herczogen Moricz ynB landt gefallen. et dum stans ille meus vicinus hec audit ex Pincerna ), ablezatur eques quidam nuncius, qui celerrimo cursu abit, hec indicaturus Illustri Principi Mauricio, qui rumor supra modum me terruit, et Sacerdotes nostri dieuntur mirabiliter superbire.

De oraciuneula Synodali?) deo propicio cogitabo. De molendini ae reliquorum edificiorum conflagratione vehementer fui obstupefactus. non parum affuit, quin idem nuper mihi accidisset, dum in vieini mei edibus quidam eques bombardam manuariam ineaucius exeuteret.

Synodus antea celebrari solitus fuit quarta feria post communes [7. Okt. que dies iam preterijt, quare vellem prorogari dietam Synodum vsque ad secundam feriam post vrsule (26. Okt. vt super memini. Non puto id ingratum celsitudini vestre fore, si renuuciabimus paroecianis ruralibus.

Magister Wolffgangus Stein Paroehus et Super-

attendens zu Weyssenfelö per Illustrem Principem Mau- rieium ete. sua funceione amotus est, quia Magistrum illum Sturmiu m ad paroeciam l y ssensem noluit inducere. mitto celsitudini vestre illius ad me litteras?). commouit me haee res non parum, quod emeriti iam ae grandeui pastores tam facile debeant abijei. oro, celsitudo vestra huie malo, si fieri potest, mederi velit. ... De nostrorum principum exercitu varia dicuntur et dissona. Elector superiori sabbato [10. Okt] mouit ab Molhausen^*) ae recta profectus esse dieitur in Saxonie nescio quam vrbem. rumor magnus de mutuo conflictu sparsus est...

Canonici nostri dicuntur aliquocies in aree fuisse, petentes aliquid referre ad Prineipem Augustum ipsum. At Princeps noluit illos neque admittere neque audire. Mussitatur a qui- busdam voluisse eos petere, ne amplius in Ecelesia (vt vocant) ipsorum eucharistiam porrigeremus.

Ciuis quidam Numbergensis narrauit mihi superiori hebdomada Numberg:un transijsse tria militum peditum milia et quingentos, paulo post secutos equites eataphractos sexcentos, qui omnes ad Illustrem Principem Mauricium attinuisse certo dieuntur. Ipse Princeps pernoetauit in Porta equis quadra- ginta, lectica illo. vectus.

1) Mundschenk.

2) Ueber Furst Georgs Synodalreden vgl. Nik. Müller. Zur Chronologie und Bibliographie der Reden Melanchthons, in: Beiträre zur Reformationsgesch , Köstlin gewidmet, Gotha 1896, S. 124 tt.. Westphal, Georg N. 144 ff.

3) Dieser Brief vom 9. Okt. 1545 ist im Zerbster Archiv erhalten.

*) Melanchthon an Mich. Meienburg in Nordhausen, 5. Okt. .Noster dicitur venturus ad Molhusen post triduum* (CR V 861).

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Comes ille a Mansfelt apud nos iam moratur, acceptus ab Jodoco in aedes suas. Comes autem ille est, qui Canonieus ae nisi fallor decanas est Magdeburgij Merseburgij quinta feria post Gereonis 45 . . .

Certo dicitur Braunswiczensem bis vno die oppugnasse ac exturbasse arcem Wolffenbuttel et bis repulsum magna iactura suorum militum !).

Beilage zu Nr. 23.

Que de rege Ferdinando scripsi, hoc vesperi circiter vetauam horam, eum bas obsignassem, cognoui vana esse et ficta. nam puer quidam in aula istum rumorem sparserat, sed deo gracia, quod vanus rumor sit.

24. 17. Oktober 1545.

. . . Sublimitatis vestre litteras hodie paulo ante primam horam pomeridianam a Nobili adolescente Herezhaimero?) accepi, quibus eognoui Sublimitatem vestram de futura Synodo nimium sollieitam fuisse et illius caussa alijs grauioribus negocijs interim sepositis huc aduolare constituisse. Etsi enim res digna est, cui prineipes viri summis viribus in- tendant, . . . pium fore existimo, si pocioribus precipua ad- hibeatur eura . . . Nos Celsitudinis vestre subditi destinato scilicet ad consistorium libenter renunciassemus Sacerdotibus diem Synodi constitutam, sed quia temporis angustia id minime paeiebatur, hoc iniuimus eonsilium, velle nos permittere, vt Sacerdotes proxima secunda feria [19. Okt.] (quemadmodum ante dies quattuordecim iussi sunt) huc veniant. Et cum venerint, in templo nullam oraeionem (sicuti soliti sumus) habebimus, Sed eonuoeabimus eos in Sublimitatis vestre aedes et primo exeusabimus Celsitudinis vestre absenciam, Deinde pericula impendencia proponemus etad racionem adhortabimur, Tercio, si qui errores vspiam extent, illos audiemus et signabimus et ad vestram sublimitatem referemus, postea denuneiabimus illis aliam Synodi diem a vestra Sublimitate constitutam et ita eos vicissim dimittemus, admonebimus eciam, ne grauentur ad diem constitutum redire . . .

Caussam Matrimonialem ab Eysleben audiemus et signabimus, vt iussit celsitudo vestra. Dominus L. Laurencius

!) Melanchthon an Anton Lauterbach in Pirna, 18. Okt. 1545: «Lycaon Brunswicensis] Arcem Lupinam his diebus oppugnauit, sed frustra... < (CR. V 869,

23) Ein Sohn oder Verwandter eines der beiden Hertzheimer (Joh. Evangelista u Joh. Baptista), die Sommer 1512 in Wittenberg imwa- rriknliert wurden (Enders I, 12, ZkG. XVIII. 391)?

56 56

libenter nostre ecelesie inseruit. Senatus in suscipiendo diacono est paulo eunetaeior, non dicam morosior . ..

De rege, nostre dicionis populatore, hodie adhue rumor passim volitat, sed oramus Christum pro illuminacione erraneium et pro pace ae conseruacione Ecclesiae.

Ex quodam Sacerdote a Saleza hue misso cognoui Braunswiezensem vndique a nostris obsessum, ita vt effugium illi nullum pateat. vellem bonum Principem ad cor redire (sie vt scriptura dicit) et illum recordari, quod huius mundi omnia caduca sunt. Christus illi et toti suo exercitui adsit. Amen...

Quod ad Superattendentem Weissenfeldensem!) attinet, scripsi illi hodie, meo nomine, et consolatus ipsum sum ae iussi eum bene sperare et orare et pollicitus illi meam sum operam. hec fuit summa litterarum. Non dubito. quin, si Illustris Prineeps Mauricius et Augustus receius instituti fuerint, aliter iussuri sint. cedendum aliquando est principum indignaeioni. Est tamen vir bonus et valde diligens. quare spero res illius prosperiores aliquando fore... Merseburgij postridie Galli 45...

Beilage zu Nr. 24.

Ego deo patri omnipotenti in precibus meis quendam Prineipem Episcopum Magdeburgensem?) obtuli ac rogaui, vt per illum regnum Satane destruere et Christi regnum in eo Episcopatu plantare velit. Et hodie ex quodam Sacerdote Hallensi a D. D. Jona hue misso certo cognoui illum principem, quem ego intelligo, a Capitularibus quidem (non tamen admodum) repudiari, Sed a nobilitate et tota dicione pertinaeissime peti. Ego orare non desinam, vt Christus ad instituendum suum regnum idoneos principes adhibeat et impiorum conatibus aduersetur, nec dubito me tale quiddam impetraturum, nam tempus destruendi regni Satane aduenit.

Et valde admiratus sum illum sacerdotem eum meis seeretissimis cogitaeionibus, quas vsque ad id tempus nulli mortalium aperueram, conuenire. significant hee aliquid. Christus Jesus adsit Ecelesie sue et det pastores ae Episcopos sua funeeione dignos. amen ete...

25. 17. Mürz 1546. . Ach mein gnediger vnd aller liebster herre Furste,

quam grauiter aegrotaui totum quatriduum Sabbato dominica

Inuocauit secunda ae tercia feria post |13.—16. März] adeo 1) Wolfgang Stein. | 2) Joh. Albrecht von Brandenburg-Ansbachh, Kawerau II 167.

DT 5T

vt meam vitam in manus patris misericordiarum commendarim et singulis momentis expectarim abicionem ad Sanctorum in aeterna vita deum iam laudancium consorcium, quo me obitus Lutheri tanta cupiditate rapit, vt cupiam eum isthic videre in medio cetu prophetarum, apostolorum atque omnium eleetorum et coram videre, quam ineffabili preconio et gaudio isthic celebrent dominum nostrum Jesum Christum. Ach, Eya, weren wir auch da! quid hie in his terrenis sordibus agimus, nisi quod Jesu Christi sanguine paratum regnum in terris qualicunque nostra opera... administramus ac propagamus? alias non video, eui eo prosim aut quem in vsum diu viuam . .. Fiat tamen voluntas non mea, sed domini! . . . Ich habe an Invocavit [14. März] Lie. Laurencius für mich predigen lassen müssen, quod bonus vir cam laude et libenter fecit, sed deo propicio eras quinta feria post Inuocauit [18.| redibo ad conciones meas, quas hac quadragesima de Confessione et eugagıorie in vtilitatem ecclesie illaque petente me facturam promisi... Merseburgij 4 fs. post Invocauit 46 ...

26. 22, März 1546.

. . . Quidam Magister venit ex Lypsia hue et aiebat se ad diaconatum in Ecclesia Pegauiensi vocatum esse!) ac petijí vt absente celsitudine vestra ego illum ordinarem aut concederem Pfeffingero, vt eum Lypsie ordinaret. Hie eum vtrumque illi negarem, accurrit ad dominum Cancellarium et Secretarium et per illos valde me sollieitauit, permitterem eum Lypsie ordinari. ego vero non audebam hoe illi con- cedere, nam nulla est tanta necessitas. habet enim Ecclesia Pegauiensis Parochum?) qui potest Sacramenta interim ministrare. Jussi igitur, vt interim docendi officium vsurparet, abstineret a tractacione Sacramentorum ac rediret sexta feria post Letare (9. April Hoc autem ipse renuit et, vt a Magistro Joanne?) audiui, instituit iter ad celsitudinem vestram. vellem, vt neque hic neque Lypsie quisquam alius preter celsitudinem vestram ordinaret sacerdotes. est enim hoe veri Episcopi munus. Rogo igitur, ne celsitudo vestra concedat, vt Lypsie ordinetur, propter multa inconuenieneia ete. . . . Merseburgij feria post Heminiseere 46 . ..

97. 28. Mürz 1546. ... Honestus Juuenis Alexius celsitudinis vestre scriba *) celsitudinis vestre nomine bona omnia mihi precatus interro-

1) Kaspar Lindner? Kreyßig, Album S. 485. *) Andreas Schmidt ebd.

3) Reiffschneider, vgl. Brief Nr. 21.

t) Vgl. meinen Helt S. 131.

58 58 gauit, num quid vel in gubernacione vel in Ecclesia aceidis- set vicij, celsitudinem vestram, si opus esset, ilico hue aecursuram . .. quod ad prefatam interrogationem attinet, equidem, me deus amet, nihil mihi constat de vllo peccato, quod in tota gubernacıone, dum celsitudo vestra abfuit, acciderit; omnia hactenus eo ordine, quo a celsitudine vestra constituta fuerunt, obseruata fuerunt, domini de Consistorio suum faciunt officium diligenter, ego pro virili meo ineumbo officio . . . Illustris Princeps Augustus creditur hoc vespere aduenturus. alij de fratre quoque duce Mauricio itidem affirmant, alij negant . . . litteras ad D. D. Pfeffingerum et prudentissimum Consulem ae D. D. ordinarium Lypezensem dominum Ludouicum Fachsium dedi Ma- gistro Joanni, ae iussi curaret illas quamprimum Lipsiam perferri. Profeecionem in Marchiam, quam celsitudo vestra instituit, supplex censeo non obmittendam esse +). hoc tantum peto, vt celsitudo vestra huc redeat tercia vel quarta feria post Palmarum [19., 20. April]... Valde ocyter Merseburgij dominica oculi |28. März] 46...

28. 30. März 1546.

. . . Oelsitudinis vestre litteras Illustribus principibus vtrisque, et Prineipi Mauricio et Principi Augusto, per dominum Cancellarium illis exhibendas dedi et flagitaui hodie res- ponsum, vbi per dominum Theodericum cognoui Ma- gistrumJoannem responsum suscepisse et preterea nescio que secreta ex quodam scriba accepisse ad vestram celsi- tudinem referenda. Cum autem cognouerim Magistrum Joannem libenter se negocijs sibi non commissis ingerere et me (ad quem hane rem pertinere sciebat) insolenter preteriri, cessi et coactus fui quiescere. ex illo Celsitudo vestra cognoscet, quid Princeps Mauricius responderit, Quod vero ad lllustrem Principem Augustum attinet, misi ad dominum cancellarium in consilijs sedentem ae flagitaui responsum. ibi retulit quidam seriba dominum Cancellarium iam consul- taeionibus detentum respondere mihi nihil posse, ita coactus fui ad vestram celsitudinem hae vice nihil rescribere, sed vrgebo (deo propicio) eras responsum, quemadmodum et celsitudo vestra ex Alexio rem totam plenius cognoscet , . . 3 feria post Oculi 46.

1) Vgl. Nik. Müller, Beziehungen zwischen den Kurfürsten Joachim I. u. IL. von Brandenburg u. dem Fürsten Georg III. von Anhalt in den Jahren 1534—1540, Beiträge zur Kirchengesch. der Mark Brandenburg im 16. Jhrh., Leipzig 1907, S. 1if.

Beilage zu Nr. 28,

Postquam has obsignassem, venit ad me ex aree a domino Cancellario nuncius, qui significauit se ad litteras ad lllustrem Principem Augustum seriptas eras responsurum, ad alteras vero ad principem Mauricium Magister Joannes responsum suscepit me nescio. iam si celsitudini vestre grati- fieatus est, equo animo fero. Ego certe non auderem alienis, maxime principum, negocijs iniussum me ingerere ete.

29. 3. April 1546.

Empfehlungsbrief für Jacobus Reütel ex Haczkenrode'!) zum Schuldienst. Merseburgij sabbatho post oculi 46.

80. 5. April 1546.

. . . Erholt sich von seiner Leibesschwachheit. Porro quod ad Ecclesiam nostram attinet, significatum mihi est Georgium Trübenbachium?) in ecclesia cathedrali singulis dominicis summo mane missam celebrare et nonnullis auf der Aldenburgk vetulis quibusdam euxagıoriavr praebere altera specie tantum solitum esse. Etsi dominiea letare [4. April] iusseram id animaduertere, tamen certi nihil adhue accepi. quod si veritatem cognouero, significabo id vel celsitudini vestre vel interpellabo dominos Consiliarios, malim tamen ea in re celsitudinis vestre sententiam audire. hec vesperi ad lucernam festinanter scripsi. Fürst Georg möge bald zurückkehren, Herzog August habe durch den Kanzler geantwortet se vel Merseburgij vel in vicinia post hae fre- quenter versaturum; für Fürst Georg werde er immer gern zu sprechen sein. De altero concionatore accipiendo responsum est Canonicos velle aecersere Morum?) ex lipsia idque coneessurum prineipem Augustum, et hodie actum est eum canonicis, vt rem maturarent, et illi spoponderunt se pecuniam illi daturos . .. Merseburgij 2 feria post Letare 46...

31. 15. April 1546,

... Seripsit ad me Sartor Illustris Prineipis ete. Augusti cecidisse quendam primatem e sua dignitate, qui antea potens visus fuit. quis autem ille sit, non indieauit. adduxit autem

) Nach dem Wittenberger Ordiniertenbuch I Nr. 592 wurde am 21. Mai in Wittenberg von Bugenhagen ordiniert: ,Casparus Schmidt von Mellerstadt, Schulmeister zu Hatzkerade, Beruffen gein Guenterb- berg vnter der Herschafft von Anhalt zum Pfarambt‘. Der oben ge- nannte Reutel sollte ibm gewiß in Harzgerode nachfolgen. Ein Brief Reutels an Fürst Georg, Dessan, 6. April 1546, im Zerbster Archiv.

*) Vgl. Brief Nr. 2 und 20.

3) Vgl. Brief Nr. 12 und Beilage zu Nr. 21.

60 60

me in suspicionem vnius atque alterius consiliariorum. an alter illorum lapsus sit, equidem nulla possum coniectura eonsequi . . . Deinde misit ad celsitudinem vestram D. Czilerus!) propositiones, quas breui disputaturus est?). spero celsitudini vestre gratas fore.

Tercio neque hoe celare possum parochum zcu Lauchstedt Magistrum Valentinum), qui apud nos ambiebat superiori autumno diaconatum, is, inquam, iam septimanas quattuor a sua Ecclesia abfuit in Voitlandia et isthic accepit aliam Ecclesiam et cogitat Lauchstadianam Eeelesiam deserere, quod me valde male habet, et indignissime feret hoe Ecclesia in illo oppidulo et grauiter offendentur animi piorum in ea Ecclesia ... Ad vltimum scripsit ad me Simon Rost*),scribad.doetorisCommerstadij, filium Illustris Principis ae D. D. Mauricij ete. a Saxonia ducem Albertum secunda feria post Judica (12. April] vita in Christo functum esse’), quemadmodum ex illius litteris Celsitudo vestra cognoscet . ..

lllustris Princeps, video tempora quotidie perieulosiora fieri. dominus Theodericus ante biduum fuit Lipsie, qui narrauit Lypsie pro certo dici Cesarem aduentasse iam ad Comicia et lIllustrem Principem Hassie Landtgraffium cum eius maiestate diu solum collocutum esse . . . quinta feria post Judica. celsitudo vestra reseribat de die palmarum et pulsandis eampanis in die passionis Christi, anno 46 .

32. 16. April 1546.

. Celsitudinis vestre litteras hodie circiter terciam horam pomeridianam Andrea pocillatore?) exhibente supplex accepi. Et inicio gratulor celsitudini vestre, quod de ducatu celsitudinis vestre concordibus animis statueritis, que et ad presens et ad posteros vtilia sunt visa?) magna res concordia est precipue principum virorum, et ibi effundit benedieeionem suam deus, vbi fratres vnanimes habitant in domo)...

I) Bernhard Ziegler. Vgl. über ihn Enders 7, 135 L

2) Die drei Thesenreihen (CR. XII, 661—677 und 677—082, können hier nicht in Betracht kommen: Joh. Haußleiter, Melanchthon- Kompendium, Greifswald 1902, S. 26.

3) Grüser aus Hof? Vgl. oben den Brief vom 27. Sept. 1545.

4) Sein Brief vom 13. April 1546 im Zerbster Archiv. Später Amtmann in Weißenfels (CR. IX 1017).

5) Vgl. ADB 22, 304,

9$) Mundschenk.

*) Die am 27. Sept. 1544 beschlossene Teilung der anhaltischen Linder unter die drei Brüder „wurde erst zwei Jahre später tat- sächlich durchgeführt.“ (Westphal, Georg S. 88).

5) Ps. 133, 1.

6l 61

Porro quod de Ecelesie nostre felici gubernacione celsitudo vestra sit tam sollicita, pietati deditissime mentis documentum est...

Que vero ad palmas !) et reliquas Saerificulorum nostrorum impietates attinent, colloquar deo propicio eras eum dominis eonsiliarijs ipse. non ambigo Dominos Consiliarios suum officium facturos esse?) fuerunt enim hactenus erga me eerte offieiosissimi et valde diligenter audiunt de &'yegiuoríc eoncionantem me.

Quod vero in Ecclesia nostra statuendum: ita mihi cum domino L. Laurencio et domino Jacobo?) consultanti visum, vt dominica palmarum [18. April] offieium in nostra Ecclesia solito more celebraretur, non deerunt communicantes, Deinde in cena domini [22.| in vtraque Ecclesia, et Maximi et nostra, itidem officium exerceretur, spero non defuturos communicantes, adhibita concione, quemadmodum diebus do- minicis facere hactenus soliti sumus. Sexta feria [23.| trac- tabimus deo fauente dominice passionis historiam. Petam a Dominis Consiliarijs, vt pulsetur vel omnibus vel saltem vna campana. finita passione ad Maximum parabunt mensam domini et prebebunt petentibus Synaxim. Hane ordinem, Illustris Princeps, censuimus Ecclesie nostre commodissimum et celsitudini vestre non ingratum fore... Datum Merseburgij sexta feria post Judica vesperi 46 . ..

33. 16. Juni 1546.

. . . Consilium meum de suseipiendis insignibus doctora- libus, quemadmodum eum celsitudine vestra nuper supplex statueram, non existimo hoe tam negocioso tempore et loco vel Illustri principi Augusto ete. vel D. Doctori Fachsio significandum esse. Nam metuo, vt valde intempestiue ea de re et [llustrem Principem Augustum ete. et D. d. Fach- sium compellasse videri queam, quare expectandum censeo, donee feliciter domum redeant . . . ex aedibus meis hoe vesperi quarta scilicet feria pentecostes Anno 46 ...

34. 31. August 1546. . . . Postridie quam domum redij, euestigio lypsiam ad D. Camerarium proficiseebar ac de scripto illo Lutheri‘)

1) Ueber die Palmenweihe an Palmarum (1546: 18. April) vgl. Adolf Franz, Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, I, Frei- burg i. Br. 1909, S. 470 ff.

2) Vgl. jedoch Westphal, Georg S. 141 ff.

3) Wohl Jakob Steyrer, bei Fraustadt S. 191 A. 1 irrtümlich als Archidiakonus an St. Maximi genannt. Als Kaplan Fürst Georgs wird er gelegentlich aushilfsweise in Merseburg gepredigt haben. Vgl. über ihn Enders 13, 355 *.

+) Luthers Ratschlag vom 6. März 1530 (Theolog. Studien und

62 67

contuli cum eo et contendi ab illo, quantis potui persuasionibus. eaueret, ne in publicum ederetur. hie respondit Camerarius scire se, quando a Luthero et quibus occasionibus scriptum esset. verum istas occasiones presens deo propicio narrabo. et, vt non exeuderetur, cauere id in sua potestate esse mini- me. nam aiebat Widemannum!) viceconsulem Lypsie hoc seriptum vspiam nactum esse et passim ostentare ac iactare contra nos et nostros et timere se dicebat, vt Widemannus imprimi iuberet nescio Camerario et tota vniuersitate. nam ita soleret senatus vel pocius Widemannus prohibere, ne doetorum hominum aliquis vel literam auderet dare in publi- eum nisi consenciente senatu, ae ipsi sinerent excudere pro suo libito quidquid vellent magno fastu nemine in consilium adhibito. in has augustias aut pocius seruitutem redacta sunt doctorum hominum studia et lucubraciones. Re igitur ita stante in hac caussa nihil efficere potui amplius, quin iterum me domum recepi. fecit tamen eius scripti copiam mihi Camerarius, quam celsitudini vestre supplex mitto. Dedit preterea seriptum aliud, quod est typis exeusum, quod simul mitto. Ingolstadium (certo illi ex Nurnberga significatum fuit) decima nona Augusti in graciam Principum nostrorum se dedidisse?) inuenti sunt in eo sex militum peditum milia, partim Germani, partim externarum nationum, Equitum vero mile. ae quid cum illis actum sit, ignorabat.

Ratisbonam refugisse Caesarem cum suis Hispanis. qui Turcis crudelius in miseros ciues seuire dicuntur.

Fecit eciam mencionem D. Joannis Furstheri. qui hactenus zcu Sehleusingen egit?) ac exhibuit mihi illius ad se litteras. Deinde scripsit ipse eeiam Joachimus illius nomine ad celsitudinem vestram, quas litteras celsitudo vestra his adiunetas reperiet *).

Cum D. Jona nomine Alberi") sum eollocutus tale.

——— [u ————————

Kritiken 1909, s. 480 ff., dazu noch: Franz Branky, Der Reichstag des Jahres 1530 und die Wahl Ferdinands zum deutschen Könige, Jahresber. des öffentl. Untergymnasiums in der Josefstadt, Wien 1903 (Histor. Zeitschr. 103, 446], Joh. Luther, Zentralbl. f. Bibliotheks- wesen 27, 242, P. Schwenke und E. Voulliéme in: Aus den ersten Zeiten des Berliner Buchdrucks, Berlin 1910 [Festschrift der Kgl. Bibliothek], S. 86 tf. Nr. 25).

1) Wolf Wiedemann (Enders 9, 293 t,

?) Vgl. CR VI 215, 223 (215 wird die Augustini zu lesen sein).

*) Joh. Forster batte nach dreijühriger Tütigkeit sein Amt in Schleußingen niedergelegt, weil er mit seinen Kirchenzuchtsplänen nicht durchdrang: RE? VI, 131.

*) Dieser Brief des Camerarius au Fürst Georg vom 28. Aug. 1516 ist im Zerbster Archiv erhalten und von mir im Neuen Archiv für Sächs. Gesch. 28 (1907), S. 128 f. mitgeteilt worden.

* Erasmus Alberus damals stellenlos in Wittenberg: E. Körner. Erasmus Alber, Leipzig 1910, S. 96.

63 63-

is censet optimum factu esse, vt celsitudo vestra Senatui Northusensi de Albero scribat, se autem, Jonam scilicet, priuatim ad amicos eadem de re litteras libenter daturum et sperare se impetrare aliquid posse. Sed hoe metuebat, ne annuum salarium illi sufficeret, nam dicebat vix nona- ginta aut ad summum centum fj numerari . . .

Noua alia hodie ex Wolffgango, qui prineipis Augusti aerario preest, quem vulgo den Cammermeister appellant!) accepi Imperatorem seilicet habere exercitum centum et quadraginta milibus militum. Sed arbitror vana esse, nam ferunt a quodam nostrorum ciuium conficta esse ad illudendos papistas, creduntur tamen ista noua a qui- busdam.

Abbas a Walkenroda?) eum suo parocho hodie adfuit et attulit grauissimas erga parochum querelas. tandem autem parochus a nobis admonitus loco se libenter cessurum promisit. itaque hoc modo coneiliati sunt, vt parochus cedat, Abbas alium substituat. D. Zobelius?) nondum redijt, sed dixit Magister Joannes seripsisse eum breui rediturum. Plura, Illustris Princeps, modo non habeo, quam flagitem, vt celsitudo vestra primo quoque tempore hue redeat, Nam seripsisse huc consiliarios dixit Magister Joannes proxima secunda feria |30. Aug.] illos hie futuros in caussa Canonicorum . .. eum iam essem has litteras obsignaturus, commodum adferebatur mihi a Sartore Principis Augusti etc., de quo sepe dixi, hoc scriptum, quod his insertum celsitudini vestre supplex mitto, in quo scribitur breui fore, vt Princeps Augustus totum papisticum regnum euertat. Celsitudo vestra sola id legere velit nee vlli homini communicare et mihi remittere... date Merseburgij 3* feria post Bartholomei 46...

35. 24. November 1546.

. [Ilustres principes nostros vtrosque Hale dicuntur |!] subsistere et in arce acceptos diuersari*) quid vero agant aut quid consilij captent, nondum vidi quemquam, qui certo nunciare mihi posset. dicitur milites pedites alio able-

p Wolf Prager, erwühnt bei Fraustadt S. 192 Anm. 2, S. 200 Anm.

) "Der letzte Abt von Volkenrnde Nikolaus Seber hatte das Patronat über Großkörner und präsentierte am 6. Sept. 1546 für diese Stelle Justus Hartung. Der „parochus“ in unserm Briefe wird dessen Vorgänger gewesen sein.

3) Ueber den Juristen Christoph Zobel vgl. ADB. 45, 382f. Er war Konsistorialassessor in Merseburg (Westphal, Zur Erinnerung S. 51).

*) Vgl. den Bericht über die Ereignisse in Halle vom 22. bis 26. Nor. bei Kawerau II 213ff. u. Hertzberg, Halle II 203 ff.

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gandos, sed quo, ipsi milites ignorant. Dicitur eeiam nonnullos frigore consumptos et plurimos esse, qui abieionem ae dimissionem gerant a milicia, sed nullis concedi. dominus Theodericus dixit hodie se certo scire Julium a pflugk Pegauie expectare, donee a Principe nostro ad Episcopatum Czeitzensem introdueatur, quemadmodum celsitudini vestre seribet ipse, sed simul dicunt Principem M. ipsum id faccre nolle, sed instigare Hallensem, vt ille pflugum introdueat!). misimus Theodericus et ego huius rei eaussa nuncium, vt celsitudo vestra ista sciret et si qua vlla racione posset, illum nostrum P. M. admoneret, vt sobrius iniret consilium neque tanto cum diserimine bis, qui domino aduersantur. tam arete se coniungeret tamque diligenter illis patrocinaretur. verum ista ad eelsitudinem vestram seereto. Quod ad Canonieatum Sehonnenbergij ?) attinet, ago celsitudini vestre gratias de benigna erga me voluntate, et, vt verum fatear, non dedignarer accipere, si hae racione conferri mihi posset, qua Schonnebergius possedit, nempe vt 15 fz pro statutis et 50 pro aedibus non eogerer pendere. Et sunt quidam, qui ita censent posse lllustrem Principem Augustum illum Canonicatum in sua potestate retinere, vt semper conferreretur|!| eoncionatori alicui; quod si mihi conferre vult, conferat. sine grauamine, vt dixi, libenter aecipiemus ... Fama est (vt Theodericus certo dixit, et hodie in foro fama publiea fuit) diuersoria in ciuitate nostra parata esse ad sexcentos equites breui hue venturos, cum quorum numero putant P. Augustum simul venturum, qui scilicet huc veniret. vellem celsitudinem vestram vna quoque adesse, possent multa bona transigi . . . calculus me quotidie parat ad sepulchrum . . . Merseburgij postridie Clementis 46

36. 2. Dezember 1546. . . . Que mihi duo misit celsitudo vestra Philip: Mel: seripta?), supplex accepi et gracias celsitudini vestre

[m

1) Am 12. Nov. zeigte Pflug den Stiftstädten an, daB er das Bistum einnehmen wolle, am 29. ließ er das Schloß in Naumburg be- setzen. Herzog Moritz, König Ferdinand u. Hans v. Mansfeld hatten zuvor die Stiftsuntertanen zu gehorsamer Unterwerfung ermahnt, widrigenfalls sie zur Execution des kaiserl Mandats schreiten müßten (A. Jansen, Neue Mitteilungen aus dem Gebiet histor. antiquar- Forschungen 10 [1863], II 58).

*) Um das Ranonikat des Franz von Schönburg kann sichs hier kaum handeln, da dieser erst Anfang Dezember plótzlich starb (s. Nr. 48 und 49).

3) Wohl der Ratschlag für Fürst Georg CR. VI Nr. 3614 (nach Christmann, Melanchthons Haltung im schmalkaldischen Kriege, Berlin 1902, S. 15. vom 23. Nov.) u. CR. VI Nr. 3608 (,frühestens 23. Nov.“) oder Nr. 3615 („einige Tage nach Nr. 3608") oder Nr. 4076 (29. Nov.)

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cum omni subinissione ago summas. placet mihi Philippi sen- teneia, in qua et ego semper fui. vtilius enim Ecclesie eenseo fore, vt plus opere ponamus in explicandis dogmatis christiane doctrine et in asserendis illis, que vera, que recta queque salutaria sunt, quam in reprehendendis flagicijs hominum et in iudicandis caussis politicis, precipue quarum iudicium neque ad nostrum ordinem spectat neque a quoquam nobis mandatum est. mundus sui similis perpetuo manebit neque si similis esse nisi post extremum iudicium desinet, etiam si ringantur. Quare simus assidui et fideles in hoc solo. vt scilicet aedifieentur muri M hierusalem, vt aedificetur Eeelesia ete, . . .

Pastores Ecclesiarum de moderacione in concionibus prestanda admoneri necessarium ae non minus vtile fore et ipse censeo, ef valde cuperem nostros, qui in Episcopatu Merseburgensi habitant, hue Merseburgum acciri et cum presentibus serio agi vt omissis disputaeionibus de illis prophauis rebus doetrinam sanam pure doceant ae populum ad poenitentiam et oracionem diligentem diligenter ad- hortentur. Quare, si celsitudo vestra probat, iubebo illos. vtprimum fieri poterit adesse . . .

Von Fürst Johanns Krankheit !).

Quod vero ... ad seriptum attinet, quo domini Super- attendentes vestre celsitudinis nomine admonendi essent, vellem tale seriptum a vestra celsitudine aedi et ad eos mitti. verum, si per negocia non licet, dabo interim operam ego, vt vestre celsitudinis nomine a me admoneantur, ac spero id paucis diebus effectum iri posse, nam nunciorum et raritas et peruieacia multum hie nobis obest . . .

De bellico apparatu aut vrbis Wittembergensis obsidione vehementer doleo vtriusque partis eaussa. vellem meum lllustrem et ehariss. Principem M. ex eo periculo ereptum . ..

Wünscht Fürst Georgs Rückkehr.

Alias hie nihil est certi. Julius aratrum?) est Episcopus eontirmatus Numburgensis, sed audio Czeiezenses nolle eum admittere . . .

Merseburgij quinta feria post Andree ete. 46...

37. 8. Dezember 1546.

. . . Quod nuper a celsitudine vestra mandatum accepi, vt dominis Superattendentibus seriberem, vetarent parochis sibi commissis, ne de his bellicis rebus vtpote politicis pro

! Damals ‚sehr schwach u. betrüht': Westphal, Georg S. 167. 3) Pflug.

Archiv für Reformntionsgeschichte. IX. 1. 9

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coneione atque eciam alibi in cetu hominum temere iudi- earent, illud inquam mandatum hactenus distuli exequi certo consilio. imprimis enim metuebam, vt meum scriptum Superattendentes tanta eum reuerencia non essent accepturi. Deinde eciam hoc consyderaui, ne Illustris Princeps Mau- ricius aequo animo esset accepturus ae omnino putaret sui racionem non haberi, si celsitudo vestra ipsa eius peticioni morem non gereret. nam olfacio aliquid in illius litteris, et exemplum nuper aeditum monet, vt prudenter agamus ete. Quare celsitudinem vestram supplex et impense rogo. non grauetur tale aliquod mandatum aedere et relatum in litteras ae v. €. signo communitum hue ad me mittere. curabo ego, vt ad singulos perferatur.

Quod vero ad parochos in Episcopatu Merseburgensi attinet, omnes iussi sunt ad proximum sabbatum |11. Dez.| a datis his litteris adesse, quibus ego summo studio pro- ponam deo propicio mandatum illud, vt intelligat Illustris Princeps Mauricius vestre celsitudini ae mihi eeiam vt minimo temeraria illa hominum inconsyderatorum iudicia minime placere. spero gratum illius sublimitati fore.

Ex Andrea pocillatore cognoui Canonicos nostros Celsitudini vestre propter Canonicatum Sehonnenbergij serip- sisse. impense rogo, Celsitudo vestra adnitatur. vt Canoni- eatus ille mibi conferatur, neque sinat eeiam sibi aedes illius ex manibus eripere.

Apud nos plane nihil est nouum preterquam quod dici- tur Czeiezenses nolle admittere neque in ciuitatem suam neque in areem neque iureiurando se obnoxios facere Julio Pflugk.

Heri vesperi postridie saneti Nicolai |7. Dez.| venit ad me quidam doctus, qui se appellabat Petrum Keczle a Nurnberga!) et salutauit me nomine D. Zcygeleri et eum inter reliqua sciscitarer, num quid noui haberetur Lypsie, Respondit certo eereius fore, quod Illustris Princeps Lantgrauius Hassie vel heri vesperi vel hodie. die seilicet Conceptionis, esset venturus Lypsim centum tantum comitatus equitibus et festinanter ire ad Illustrem Principem Mauricium ?).

1) Wohl := Magister Peter Ketzmann aus Nürnberg, den Melanchthon am 18, Juli 1545 als Schulmeister nach Grimma sandte (CR. V 796). Vgl. hierzu Lorenz, Die Stadt Grimma, Gr. 1871, S. 1417 tf. Ihn zufolge war K. „bis um 1549“ in Grimma „und ließ sich dann ‚ohnweit Leipzig‘ als Pfarrer anstellen“. Sicher ist, daß er einige Jahre Pfarrer in Elsterwerda war, vgl. CR. VII 1095. 1116 (Okt. 1552), ehe er nach Augsburg (CR. VII 1146) ging. Vgl. über ihn auch Beitr. z. bayer. Kirehengesch. 8, 33, 16,88, Frdr. Roth, Augsbures Refor- mationsgesch. IV, München 1911, S. 705 f.. ADB. 15, 688f., Gödeke IT? 192 Nr. 76.

*) Vgl. Melanchthon an Paul Eber, Zerbst 13. Dez.: , Nunc enim,

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Ibi cum quaererem, Num bellum Caesarianum finitum esset, an principes (vt hie diceretur) se disiunxisset [!], Respondit: „nequaquam, Nam landtgrauius suum exercitam apud reliquos dimisit, breui rediturus ad illos. tantum com- ponende pacis causa festinanter in has nostras oras venit." dixit eciam aduentum lantgrauij adeo certum esse, vt certo sciret Lypsie in arce parari victam ad ipsius aduentum . . .

Is Petrus Keezel venit hue accersitus a Malticio et affirmabat se ab eo acceptum in parochum kegen Elster- werda. dixit eciam idem Petrus Imperatorem pecijsse sex mensium inducias, a nostris autem nullas illi concessas et rem Electoris et Landgrauij ac cum illorum exercitibus bene habere. hec vt accepi, ita reddo.

De conuentu Hallensi nihildum cognoscere potuimus, quid isthic agatur !).

Celsitudinis vestre litteras ad lllustrem Principem Au- gustum etc. pertinentes racione Canonieatus etc. dedi Theoderico, ille vero Secretario, Secretarius illas in hune vsque diem apud se retinuit nec misit Principi Augusto ete. exeusauit enim se, quod pluribus quam quattuordecim diebus nullus nuneius ex arce Merseburgensi iuisset ad Principem Augustum etc. nee satis certo sciri posse, vbinam locorum reperiri possit . . . missurum se tamen hodie . . . Supplex peto, celsitudo vestra velit iterum ea de re scribere et per hane nuncium, quem den Naskittel appellant, litteras ad P. Aug. mittere, vt cognoscatur, qua voluntate sit P. Aug. de illo canonicatu . . . De obsidione Wittembergensi nihil hic nouimus neque quicquam hue a quoquam nobis significatur ... Merseburgij die ipso Concepte Virginis ete. 46...

388. 8. oder 9. Dezember 1546.

. etsi non habeam quiequam noui, quod celsitudo vestra aut antea non nouerit aut ex domini Theoderici litteris non intellexerit, tamen, cum hic hans bote dicebatur a Consistorio ad V. C. mittendus, nolui oblatam scribendi oecasionem omittere. De subito obitu Francisci a Sehonne- bergk ex Theoderici litteris Celsitudo vestra cognouit. horrendum est, quod in paruissimo momento loquitur ille Sehonebergius haud seeus atque incolumis aliquis homo et cicius quam aliquis dicere possit ,saluete* extemplo efflat animam sine cognicione male aete vite, sine poenitentia, sine

cum certo nuncietur Lipsiam venturus Macedo, . . .^ (CR. VI 315, an denselben 20. Dez.: „Lipsiae convenient Macedo et gener“ (3206, an Joh. Marcellus 21. Dez.: ,Hodie... convenire dicuntur Macedo et gener“ (327).

1) Vgl. Nr. 35 Anfang.

5*

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confessione fidei, in summa vt brutum ... Ego hesterno die nouum parochum zcu Korbeta et Scopa!) magna po- puli et nobilium zcu Scopa gratulacione introduxi deo gracia feliciter. Concionari autem propter insolitam vocis rauim haud queo. dominus Jacobus?) hodie vices meas egit acturus eeiam proxima dominica deo volente. reliqua per dei misericordiam omnia adhue salua sunt, Nuncius ab Episeopo Czeitzensi nondum redijt. vtprimum autem redierit, mittam illius rescriptum . . . Merseburgii ete. 46.

39. 9. Dezember 1546,

...de horribili illo casu Francisci a Sehonnebergk antea scripsi. hoe tantum celsitudinem vestram admonitam supplex cupiebam, postquam ius oceupandarum illius aedium ad vestram celsitudinem pertinere ab omnibus dieitur, non vellem quiequam statui ante vestre eelsitudinis aduentum... Merseburgij postridie post conceptam virginem 46 . ..

40. 16. Januar 1547.

. . . hodie dei gracia eoneionatus sum de forma orandi et diligentissime adhortatus sum ad oracionem Ecelesiam, et finita concione magna populi frequencia mansit in templo ae orauit longe diligeneius quam autea et valde diligenter auscultauerunt. retuli eciam ad Ecclesiam celsitudinis vestre abicionem et caussam abicionis ae recensui v. cel. versari in condicionibus pacis inter lllustres Saxonie principes con- stituendis, breui etiam redituram ... vicarius quidam nosíre Ecclesie Nicolaus Weise vetulus et Organista quidam hodie primo proelamatus est, vult enim et ipse concubinam suam ducere vxorem.

Preterea hesterno die |15. Januar| nouus quidam Capi- taneus?) vt vocant in arcem nostram aduenit et hodie in templo diligenter auscultauit concionem. Quingenti eciam milites hae nocte hie pernoetarunt eum nonnullis tormentis bellicis, qui hodie mane circiter septimam eum tormentis suis abierunt ad Eleetorem lypsiam, missi vt ipsi dixerunt a Comite Mansfeldensi Alberto. nihil damni cuiquam ciuium attulerunt, venerunt hue, pernoctauerunt et rursus abierunt pacifice. "Tormenta bellica septem secum duxerunt, quorum maximum trahebant XXIX equi, reliqua viginti, decem et octo equi, hee ompia in eaput misere vrbis Lypezensis.

——— on

1) Der Name dieses neuen Pfarrers von Korbetha-Schkopau iat nirgends genannt (Flemming 3. 179 unten).

3) Steyrer.

3) Vgl. unten Brief Nr. 44.

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Lypsiam certo dieunt ita dilaceratam vt horrendum auditu, nedum visu sit). Dixit hodie ab finito officio quidam in nouo foro habitans mihi probe notus: Gener meus, inquit, heri redijt ex ipsa vrbe Lypezensi et se vidisse dixit globum ingentem ex castris Electoris Bombarda in ciuitatem Lyp- sensem iactum in ingentes illas aedes frumentarias, que Lypsie preelare habentur vff dem nawen marckte, ae pertriuisse istam domum ita, vt perspici potuerit; in summa horribiliter Bombardis fractas ae pertusas esse domos fere omnes, Et quendam Magistrum Bombardarum in castris eleetoris in ipso Bombardarum apparatu ietu globi perijsse. Preterea ex ipsa Lypsia missos globos in Electoris castra vno impetu strauisse quattuor fossores vallorum vier sehanez greber, arme bawrb leute. Sed hoe certo putatur hodie Bombardis frangendos muros et eapiendam vrbem ... Aiunt Illustrem D. Augustum grauiter indignari suasoribus huius belli et poenam minatum esse. Dicunt eciam lllustrem Principem Maurieium eum magno exereitu auxilio illis vel hodie vel eras venturum, pu- tatur tamen a quibusdam id minime futurum. Rex Bohe- morum fertur nongentos pedites Cygneam misisse, vt in ipsa vrbe presidio essent Cvgneis contra Eleetorem, sed a Cygneis non admissos in vrbem ae retro, vnde venerunt, reuersos?). Hec ex vulgata, sed tamen non omnino incerta fama accepi . .. Merseburgij XVI Januarij 47.

41, 19, Januar 1517.

. Herzog Moritz soll gesagt haben: Non posse iniri concordiam aut non posse vllam constitui pacem rursus nisi aduersa parte a medio funditus sublata. hoe velle Impera- torem, hoc Hegem ete. ldem ex aduerso dieitur non quie- turum Lypsiec vrbis oppugnatorem, donee profligarit D[ueem| M[aurieium]... Bedauert die Krankheit Johanns v. Anhalt... O malum omnium malorum malissimum bellum et discordia! O gratarum ae chararım rerum omnium gratissimum et eharissimum pax, eciam externa, quid dicam et quis satis dicere potest de interna. que est vita aeterna! Ach Gott hilf propter sanguinem Jesu Christi.

Der Pfarrer in Zweimen Valentin Schmidt’) gibt immer mehr Anstoß und muß abgesetzt werden... Merseburgij quarta feria Antonij 47

1) Am 13. Jan. begann die Beschießune (Georg Voigt. Die Be- lagerung Leipzigs, Archiv f. d. Sächs. Gesch. XI [1873], 3. 279).

?) Mitteilungen des Zwickauer Altertumsvereins T (1887), S. 53.

?*) Flemming 5. 206 unten.

10 ... L

49. 23. Januar 1547.

. que scribam, non habeo, nisi quod preterita nocte et hac die dominica vrbs Lypsia crudeliter impetita est tormentis bellicis. tota nocte et hodie iaeti sunt globi tormentarii sine vlla intermissione in ipsam vrbem Lypsiam, vnde metuo misere dilaeeratam csse optimam ciuitatem, et dieitur eras vi inuadenda, vülgo zu sturmen, ae valde timeo omnino fore vt perdatur pulcherrima ciuitas . . . Tormenta, que in Lypsiam emissa sunt, hie sunt audita Merseburgij hae nocte adeo, vt eiues summo illorum sonitu exciti sint et trepidarint aedes ac fenestre. in summa: omnium rerum misera facies est.

D. Zeobelius!) propter suam pecuniam in quoddam iurgium incidit cum quodam milite Mansfeldensi et vulneratus est... Merseburgij dominica post Sebastiani 47

Beilage zu Nr. 42.

Hoc vesperi euocati sunt omnes incole in suburbio, vulgo alle manschafft yn der Aldenburgk. missi sunt Lypsiam hae nocte, adiuuent expugnacionem vrbis Lipsiee, das sye sollen eezliche vil hundert wagen mit mist vnd holez beladen zcu Leyptzigk yn den Stadtgraben werffen, das man vber- hin kan vud mit den sturmleitern die Stadt ersteigen, da man gewis saget, das man morgen montagk nach Agnetis [24. Jan.| sturmen wil.

43. 25. Januar 1547.

. Lypsia grauissime adbuc oppugnatur, totum triduum tam grandes Bombarde in illam emisse sunt, vt sonitus illarum in rostro oppido non auditus tantum fuit, sed trepidarunt eciam aedes ciuium. nee famen cogitant dedieionem ... dicunt eciam nonnulli ab tormentorum iactu in ipsa ciuitate Lypezensi perijsse de promiscua turba ancil- larum, puerorum, militum circiter quingentos et esse misera- bilem eiulatum muliereularum et liberorum. rabies illa, qua ducuntur hoe tempore bellatores, est immanis, quotidie noui aeceurrunt milites ad Electorem, quotidie eciam multi aegro- tare incipiunt . .

Elector euocauit omnes ruricolas in tota illa circum nos regione, vt quidam putant, quater mille rusticos, vt eant in sua eastra et expleant fossas eirca muros, vt queant milites adijeere scalas ad muros et expugnare ciuitatem ... Merse- burgi] XXV Januarij 47...

1) S. oben Nr. 34.

44. 27. Januar 1547’),

. . . Illustris Princeps, nolui celsitudinem vestram caelare, quod hodie sexta feria, dum post concionem templo egrederer. aecessit ad me novus ille noster praefectus Wolff ab hage- nest et dixit se heri ex castris Electoris rediisse et Elec- torem eum toto exercitu ab oppugnacione lypsieae urbis discessisse et festinare Cygneam et circum regiones ad ipsum nostrum dueem Mauritium, qui dicitur horribiliter sine discrimine in omnes homines grassari, rapere eorum facul- tates, violare tum virgines tum mulieres, occidere denique multos, in summa Er soll grossen schaden thun.

Quare vult Elector illi ire obviam, et sieut sonuerunt verba prefecti, Er wil mit yhm hindurch, hoc est, vult eum vel opprimere vel vult opprimi ipse. Preterea dixisse Elec- forem, ut parceretur exercitui, vel Electorem solum cum Mauricio solo in patenti campo ad duellum descendere velle. Alii etiam dicunt (id quod et ego credo) nonnullos milites relietos esse in obsidione lypsieae urbis, in summa dimica- turos de vita et salute. Adeo pertinax est fratrum ira, Christus largiatur suum spiritum illis omnibus, Amen.

Husserni visi sunt circum civitatem Aldenburgk et passim dicuntur diripere hominibus, quecumque habent, et queritur predictus noster praefectus, ante biduum suas aedes exturbatas esse, uxorem profugisse, hussernos illi omnia sua mobilia abripuisse, In summa, Elector vult in eum tendere. An vero aliquem habeat exercitum dux Mauricius, qui possit opponi Electori, id nemo potest pro certo adfirmare. Molen- dina lipezensia dieuntur omnia exusta esse nec esse reliquum nisi unum, quod equis trahitur, neque id sufficere tantae multitudini alendae. Civitatem horribiliter dicunt Bombardis laceratam, sieut nuper seripsi . . . Merseburgii XXVII Ja- nuarii 47.

45. 1. Februar 1547,

... Nos hie in magno metu sumus, nam milites residui ex vrbe Lypezensi erumpentes spoliauerunt proxima dominica (27. März] sub noctem oppidum Luczen, deinde prefeetum ab Eleetore Saxonie in arcem Weissenfelss collo- catum eadem nocte ex ipsa arce vi ereptum lypsim duxerunt eaptiuum. In summa faciunt se formidolosos toti regioni.

Dietum mihi hodie est pro veritate equites mille quin- gentos eum nonnullis peditibus hae nocte pernoctaturos hallis,

1) Diesen Brief stellte mir Herr Prof. Dr. Flemming freund- lichst zur Verfügung.

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missos ab Magdeburgensibus et Halberstadiensibus suppeeias laturos Eleetori. in summa omnia sunt hostilia.

Arx Lypezensis ita est lacerata Bombardis, vt exeuntibus plana via per arcem pateat, et nulla dum porta aperta esse dieitur in ciuitate, sed tantum per areem intus et extra fit iter, nemo tamen nee amittitur neque immittitur nisi consen- ciente prefeeto, qui iam dicitur esse Fiseher, antea Friburgi prefeetus!). Merseburgij in vigilia purificacionis 47

Beilage zu Nr. 45.

Certo hie dietum hodie est D[ueem] Mlaurieium, metu Electoris sese inseetantis aufugisse in Bohemiam et Electo- rem illo profligato ingenti manu redire ad Lypsiee vrbis oppugnaeionem . . . Princeps Augustus. frater Mjaurieii]. fertur consternatissimo animo esse . ..

46. 4, Februar 1517.

. Nouus ille noster Prefectus?) mire humanum se erga me exhibef, quare vellem eum mihi libenter demuleere et obnoxium facere lauciore aliqua cena. sed eum non habeam ferinam, Obnixe ae supplex celsitudinem vestram rogo, dignetur non grauari aliquam eoxam de hynnulo mihi impartiri, vt possim eum paulo dignius excipere. nam est mihi ab eo petenda merces mea, frumentum, ligna, pecunia...

. . . Saerifieulus ille, quem vulgo appellabant den Tauben Jorgen, paucos dies decumbens hae nocte am donnerstage zeu nacht [vom 3. zum 4. Februar| vmb xij horen mortuus est, Alle Bekehrungsversuche seitens der evange- lischen Geistlichen sind vergeblich gewesen.

Deinde proxima dominica [30. Jan.] in meridie sub meridiana concione vetus Prefeetus zeu Wevssenfelß Christoff ab Ebeleben cum triginta tantum equitibus et totidem militibus claro medioque die e Lypsia profectus irruit in ciuitatem Weyssenfeldensem et abstulit XXU milia f}. quos isthuc eongregauerat nouus ille constitutus prefeetus de exaccionibus passim eolleetos ad Eleetorem pertinentes. [lle inquam Ebeleben preuenit et abripuit. Postea in oppidulum Lützen irruens spoliauit nonnullos et redijt Lypsim?).

Elector misit kegen Weyssenfelß Presidium quadrin- gentorum equitum et quingentorum militum.

!) Vielleicht identisch mit dem bei Fraustadt S. 122 erwähnten Amtmann von Lützen Hans Fitzscher.

2) Vel, Nr. 40 und 44.

3) Vgl. Voigt a. a. O. 5. 802. Über Christoph von Ebeleben auch schon S. 262,

~] ww

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Ab Comite Alberto Mansfeldensi quingenti milites ad Electorem missi !), in die purificacionis |2. Febr.| hie pernoc- tauerunt, zou Pegaw spacio quattuor dierum vna vice XIII, altera vice XVI centena militum transierunt ad Electorem. In Summa: Elector contrahit ingentem exercitum. Dicunt eciam quidam regem Ferdinandum venire ex Bohemia cum XVIII milibus militum, sed hoc ex vulgi rumore accepi. Tempora sunt plenissima perieulorum ... Valde rogo, vt in hoe tanto frigore medici diligenter aduertant ad lllustrem Principem ae dominum dominum Joannem ete. nam frigus nonnihil intempestiuum est et adferet morbos.

Hoe eeiam pene oblitus eram. Elector misit hue cen- tum Bombardarios, qui arci et nobis omnibus, si quis inopi- natus incursus forte accidere vellet, essent auxilio. fuerunt plerique hodie in concione; sunt Iuuenes ab Querfurt hue aecersiti, pacifici ete. Datum sexta feria post purifieatam virginem 47 ...

47. 13. März 1547.

Hat den von Hans Bote vom Herzog August gebrachten Brief aufgebrochen und gelesen, in quibus non animaduerto vllum vestigium pacis, imo speratur breui venturus Imperator, euius aduentus non admodum frugifer his regionibus a non- nullis censetur . . . proxime clapsa quinta feria [10. März] magnus equitatus cum valde multis eurribus et peditibus preterij vrbem nostram foris, non ingrediebantur ciuitatem, vnde oppidani in magnum metum coniecti putabant se peti, sed extra muros pacifice transierunt Hallim, ista meis oculis vidi Ad id quod in aedes Sehonnenbergij migraui. nihil responsum est, metuo indignaeionem aliquam. Est forte aliquis lupus in aula, qui hane praedam captat, et dolet sibi faucibus ereptum bolum istum .. . Merseburgi) dominica Oculi mane ad lucernam +47.

48. 26. Mürz 1547,

Briefüberbringer ist Caspar vnrein?) ... Porro neque indignum neque ingratum existimo, quod Prefeetus noster hesterno die in templo mihi narrauit se eerto scire ducem Maurieium pacem ab Electore petere et missas a Mauricio ad Electorem litteras ingenti signaculo obsignatas,

1) K. Krumhaar, Die Grafschaft Mansfeld im Reformations- zeitalter, Eisleben 1855, 5. 289,

?) Vgl. über ibn meinen Helt Reg. s. v. und Nik. Müller, Fürst Georgs Ill. von Anhalt. schrittstellerische Tätigkeit in den Jahren 1530—1538, Leipzig und Newyork 1907, S. 16 Anm. 3.

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quas arbitrabatur prefeetus condiciones pacis continere. nos quotidie pro pace supplices Christo procumbimus.

Ceterum alterum est, quod auditu non adeo iucundum est, nempe hoc: Ecclesia nostra plane desolata est. nullus ciuium ad nostrum templum amplius ascendit die dominica. Pauci adsunt ad concionem operarij mercenarij, aurige, nonnulle muliercule, perquam exiguus numerus, vt haud sciam, opere praecium ne facturus essem, si bona sexía feria [8. April], vt vocant, historiam dominiee passionis magno eum sudore recitarem, cum nemo adfuturus sit. queso celsitudo vestra vel respondeat, quid fieri hae in re velit, vel veniat ipsa ante dominicam palmarum [3. April]. Spero pacem futuram . . . Dankt für Salm . . . Datum Merseburgij postridie Annuneiacionis [26. März] 47 ...

Beilage zu Nr. 48.

Vacant eciam nonnulle parochie, nisi fallor quinque aut sex, neque quisquam petit vllam sibi conferri. Celsitudo vestra velit cogitare de pastoribus. nam hie nulli vspiam apparent ete.

49. 29, Mürz 1547.

. . . Que bona de pace noua hue ab Illustriss. Principe Eleetore Saxonie etc. allata sunt ad prefectum nostrum, summo gaudio perfusi vestram celsitudinem celare non potuimus. Cognoscet celsitudo vestra, que certa et que vera sunt. Prefectus ardenter optauit ista celsitudini vestre nota fieri nee dubito celsitudini vestre ista grata futura, De officio Ecclesiastico hoc significo parochum zcu Lünaw!) proxima dominica Judica [27. März) mane vita in Christo functum esse. Deinde parochus zeu Wesemar?) valedixit suo populo et vult discedere a sua parochia et se hallim conferre. si celsitudo vestra vspiam inquirere potest bonos viros, qui in illorum loeum suffiei possent, queso faciat. Hee summa festinacione summo mane ad lucernam scripsi Merseburgij tercia feria post Judica 47

50, 3. Mai 1547.

... Omnia sunt ineertorum rumorum plenissima. Here- mus hie suspensi ac ambigui. quo inelinandum sit. quidam

I) Leuna. Vgl. Brief Nr. 12.

2) Wegümar. Vel. Brief Nr. 1. Der dort erwähnte pastor war wahrscheinlich noch 1544 abgesetzt worden, In unserm Briefe handelt sich's um seinen Nachfolger Laurentius Tunger, der der erste evange- lische Prediger zu Neumarkt bei Halle wurde (Hertzberg II 220).

15 79

minautur irrupeionem Hispanorum, quorum tyrannis dicitur ipsius esse Satane, alij miciorem rumorem spargunt et red- dunt nos valde attonitos. Ego certe in istis fluctibus cir- cumferor, vt ignorem, in quem portum mihi euadendum sit. Dicitur Hispanos circa oppidum Delisch magna caterua horribiliter vastare, corrumpere et vastare omnia, Delisch tribus miliaribus a nobis distat, quare idem exieium nobis quoque metuendum, Deus misereatur nostri.

Deinde ineredibili maerore adficior propter imminentem celsitudinis vestre dicioni adfliccionem. proh deum atque hominum fidem, quam atrociter punitur vnum hoc delictum, «cui nomen Verachtünge def Euangelij ... Et quod est amnium horribilium horribilissimum, nemo mortalium vel hodie adhuc his plagis emendatur . ..

De rebus nostratibus non habeo peculiaria que scribam ... quidam Saerificulus plane Satanieus, qui diu admodum de- eubuit, eui nomen esse ferebant der Swarez Jorge, nuper defunctus est... Der Sangkmeister hydropismo laborat et est desperatus, non poterit superesse . . . sed agnouit suos errores ct peeijt absolucionem . . . 3* feria post Ju- bilate Merseburgij 47.

Als Anhang folgen hier noch zwei Briefe Musas an den fürstlich anhaltischen Leibarzt Wolfgang Furmann!) die zu den letzten Briefen Musas an Fürst Georg, besonders zu den Nachrichten über die Belagerung Leipzigs, wertvolle Er- eänzungen bieten?)

16. Januar 1547.

S. in Christo. Rogo te, mi charissime in Christo frater Magister Woltfzange, significato mihi, an feliciter Dessaviam veneritis. metuo enim vobis propter pericula itineris. nos hie diligenter pro lliustri Principe et vobis omnibus oramus. Ego nonnihil mihi dei gracia et tua prudenti ope redditus sum.: Spero me posthac aliquamdiu salubriore vita futurum, mallem tamen tua presencia et docto consilio praesens uti, dato tamen operam quaeso, uf, quam unquam fieri queat brevi, redeatis. lllustres Principes ae dominos meos gra- eiosos Dominum Joachimum et dominum Joannem, si per occasionem commode potes, queso meo nomine supplex salutato et officia mea submisse nunciato. que hie nun-

!) Vgl. über ihn meinen Helt S. 144 Anm. 1. 2) Die beiden Briefe sind mir von Herrn Prof. Dr. Flemming gütigst mitgeteilt worden.

10 "n

eiantur, ex literis ad lllustrem et Clarissimum Principem nostrum ae D. D. Georgium cognosces, in summa, auditis hie wenigk guts, vil arges, Christus Jesus fungatur in hac caussa officio suo, seilicet liberaeionis et salutis, Amen.

Strenuum virum dominum Johannem ab heynitz Marschaleum Dessaviensem et dominum Cancellarium pera- menter te rogo qnam benignissime et olfieiosissime meis verbis multa, imo multissima salute imperti. ltidem quaeso facias ad Prudentissimum Consulem ac preelarum civem Zcervestensem, Patrem tuum, virum honestissimum et amicum meum charissimum. vale, Magister et in Christo frater charissime, ac te impense rogo, reseribe, si quid novorum habes. vale iterum, Merseburgii XVI Januarii 47.

20. Januar 1547.

S. in Christo. Nihil iucundius contingere mihi potuit, Mi domine Magister Wolffeange. quam quod tam humaniter mihi ae tam copiose rescripseris; de bello, quod nune in nostra ipsorum viscera geritur. alia que seribam non habeo quam que tu seribis. gliscere scilicet quotidie acerbius. proxime elapso sabbato [22. Jan.] totam noctem, deinde se- quentibus diebus, nempe dominica, 2*, 3%, feriis continuis |23.—26.] una eum noctibus sine intermissione ingentes Bombardae in lypsiam emisse sunt, quarum sonitus nostras quoque aedes nonnihil eoncussit, multae domus misere lace- ratae dicuntur. hodie quidam in Aldenburgio suburbio Merseburgensi habitans, ex castris Eleetoris reversus (fuit enim eo una eum multis aliis accersitus ad fodiendum val- lum proxime muros civitatis lvptzensis), dixit hesterno die igneum globum in ipsam urbem atque adeo in aedes D. Pfeffingeri iactum, qui e vestigio ineendisset ligneam structuram, Sed fuisse a quibusdam operariis evestigio re- stinetum. quod ubi vidissent Magistri tormentorum, qui foris in eastris fuissent Electoris, ita perciti iecissent extemplo alium. globum lapideum in eandem Pfeffingeri domum. quo domus fuit deturbata, ut eorruisset, et ilico auditum misera- bilem eiulatum elamantium: O Got hilff uns! Istud autem pro eerto affirmabat is, qui dixit, imo probavit se vidisse.

Deinde in aliam quandam plateam non proeul a portis saneti Petri itidem igneos globos inieetos et hae nocte duas domus eonerematas fuisse: ista pro certo affirmantur a qno- dam, qui se spectatorem fuisse ait. Postea dixit idem im- mensam molem lignorum comportatam esse an den Stad- graben, que hae nocte coniceretur in ipsum alveum den Staderaben, ut expleatur, ut tuto transiri possit. et sealac

"n "an

muris admoveri, eras enim aut ad summum perendie extur- banda dieitur civitas, wil man sturmen.

De Imperatore hie quoque nihil certi habetur, imo altissimum de illo silentium est; multi pro certo adfirmant desiisse eum apud superos morari. De nostro vero D. Mlau- ricio] neque hie neque Dresde scitur, ubinam locorum agat: quidam dicunt Cygneae esse, sed neque hoc pro certo ereditur.

Ludimagister noster!) superiore dominieo me insalutato abiit ad castra videnda Electoris, at neque ille dum rediit.

Consilia Illustrissimorum atque optimorum principum de pace revocanda fortunari a Christo peto et ago gracias, quod apud illorum celsitudinem mei honorifica mencio faeta est.

De pace nulla spes uspiam apparet, nisi forte aeternus pater domini nostri Jesu Christi arcano ae sapienti suo con- silio aliquam ineat racionem, qua odio etiam habentes pacem ad ultro quaerendam petendamque pacem adigat.

A Ferdinando non magnopere metuo, est enim cum eo oppositum in abiecto |!], hoc est, horrenda fortassis in animo destinat, et vires proposito illius non respondent. moliantur boni papiste, quiequid volunt et possunt, Consilium tamen domini stabit et voluntas eius fiet, quia dominus deerevit, et quis poterit infirmare, ut Esa. ait?).

hesterno die quidam Bombardarum magistrorum Magister iacto ingenti globo in urbem lvpsieam foras procucurrit, visurus, quonam volasset globus ille, et quid damni intulisset urbi, et, dum incaucius prospectat, alius quidam a muro urbis rursus parva Bombarda emissa globula illum Bombardarium necat. dicunt parandis et eiaculandis Bombardis valde peritum et Electori charum fuisse. Sepultus a militibus et tribus astulis, vulgo uff dreyen halbarten, hat man den corper zcu S. Joes getragen und begraben preeunte Tym- pano, haben mit eyner Trommel furher zeum grabe gangen, illa fuit eorum campana; huius rei itidem spectator fuit in- vola ille in der Aldenburek, de quo supra.

Urbs lypsica fertur intus firmissime muuita, haben das pflaster aufgehoben und die thor und zeersehossen mauren vnnewenigk wider verwart uffs beste. Arx lypsiea dieitur horribiliter concussa ae dilacerata esse Bombardis. Man hat

1) F. Witte, Gesch. des Domgymnasiums zu Magdeburg I (Pro- yramm von 1875), S. 28 nennt nach 1545 als Schulmeister in Merse- burg Mag. Schloebitz („Georgius Schlöbiz Crimmizensis* am 8. Aug. 1542 in Wittenberg Magister) und als seinen cooperarius Thomas Arnold. Wahrscheinlich war aber vielmehr der letztere ludimagister, vgl. Wittenberger Ordiniertenbuch II S. VII Nr. 1907 („praefuit scholae Merseburgensi 5 annos").

2) Jes. 14, 27.

18 TR

sich utfs aller nehest hynnan an die Stadt geschanzet, Lu ist eyn gros holtz zeum Stadtgraben getragen und wirt heint noch mehr dohin bracht werden, und die graben gefullet, das man uberhin lauffen kan und mit den sturmleitern die Maur erreichen, den vel morgen vel ubermorgen will mau sturmen. Multi sperant rediturum D. M[aurieium] et allaturum suppecias, sed multi metuunt frustraneam spem futuram.

Undique ex omnibus locis aecurrunt novi milites quotidie ad Electorem, urbs obsessa est quattuor locis, imo cireum- circa, adeo ut nemo in illam ingredi aut egredi queat, et si qui fraude isthine effugere vellent, statim impetuntur Bom- bardis ab illis, qui in muris advertunt, et perimuntur. Man scheust mit grausamen grossen stucken vom Sonabent zcu nacht her, bis uff diese stunde ane nachlassen tagk und nacht.

Pro certo dictum est ubique illis quattuor diebus circiter quingentos homines promiseuae turbae, utpote muliercularum, puerorum, ancillarum, servorum, militum eciam, Bombardis perditos esse, Got erbarmß. dieitur eciam de quadam mu- liere cive (sed nescio cuius fuit uxor) eum omnibus suis liberis periisse, miserandum, nihilo tamen minus insolentissime dicuntur abnuere pacem.

De parocho zcu Zeweima!) statuam hoe, quod iussit Princeps. Itidem dudum respondi Parocho Lauchensi?. expeetabit reditum Illustris Principis nostri.

Si certo cognovero, quem eventum habitura est isthee urbis lypezensis oppugnacio, extemplo significabo vobis.

Sed heus, miranda nova, Cetus?) ille Saeerdos, nostrae Ecclesiae vicarius, bis proclamatus a me est, vult enim con- eubinam suam ducere uxorem, mirum, homo tam grandevus. Deinde est adhue alius quidam vicarius Er Niclas Weiße, fuit antea organista Ecclesiae nostrae, is quoque bis pro- elamatus est et cogitat suam concubinam ducere uxorem. Canonici Sixtini et quidam alii nostrae Ecclesiae Sacerdotes iam diligenter audiunt conciones.

Illustres Prineipes omnes, Anhaltinos scilicet ae imprimis valetudinarium Principem Joannem salvos cupio. Illustris- simo eciam Principi Electori Brandeburgensi meas praeces et humile ae supplex obsequium ex animo offero, plura nune non habeo. valedicito, quaeso, meo nomine lllustrissimos prin- cipes omnes. Nos diligenter orabimus. Christus sit vobis omnibus propicius. Amen. Vale in Christo quam felieissime. Merseburgii postridie conversi Pauli 47.

1) S. oben Brief Nr. 41. *) Andreas Ernst? Vgl. Brief Nr. 17 und 18. *) Wohl Spitzname.

Brentiana und andere Reformatoria. Von W. Köhler in Zürich.

Im folgenden biete ich einige Brentiana, die gelegentlich der Arbeit an meiner Bibliographia Brentiana oder im An- schluB an sie gesammelt wurden. Sie möchten weitere Bausteine sein zu einer Brenzbiographie, die uns doch ein- mal geschenkt werden muB. Einiges andere fügte ich bei.

a) Der Codex Suevo-Hallensis.

Im Vorwort zu seinen Anecdota Breutiana (1868, S. V) schrieb Th. Pressel: „In Hall selbst findet sich mit Ausnahme eines angeblich von Brenz’ Hand geführten Hausbuches kein Buchstabe mehr aus der Feder des Reformators ... Selbst der glücklicherweise noch von Bretschneider [im Corpus Reformatorum] verwendete Codex Suevo-Hallensis ist spurlos verschwunden.“ In Kod. theol. fol. 297 der Stuttgarter Kön. Landesbibliothek gelang es mir, den Verlorenen wiederzu- finden. Über die Herkunft des Codex berichtet der Katalog der Landesbibliothek: „Aus dem Nachlaß des Rektor Graeter in Hall (gest. 1830) zunächst an das statistisch-topographische Bureau übergegangen, von diesem an die Bibliothek ab- getreten, welche diesen Codex früher als hist. fol. 670 ver- wahrte.^ Der praefectus bibliothecae Stutgardianae, Tafel, schrieb für Bretschneider, der damals den ersten Band seines Corpus reformatorum vorbereitete, die ihm wichtigen Refor- matoria ab (vgl. Bretschneider in der Einleitung des ge- nannten, 1834 erschienenen Bandes). Auch die Brenzbiographen

80 80

Hartmann und Jäger müssen, wie ein Vergleich zeigt, den Kodex benutzt haben; sie haben ja leider darauf verzichtet, ihre hdsehr. Quellen anzugeben. Seitdem galt der Kodex als verschollen. Die Frage seiner Herkunft ist nicht mit voller Sieherheit zu beantworten. Zwar die ibm von Bret- schneider gegebene Signatur: Suevo-Hallensis trägt er zu Recht. Sowohl die Aufbewahrung bei dem Rektor Graeter wie namentlich sein Inhalt weisen ihn nach Schwäbisch-Hall. Aber es fragt sich, wann er geschrieben wurde? Mit Aus- nahme eines Stückes sind sämtliche Aktenstücke von einer Hand, uud diese Hand ist nieht die von Brenz; es ist die Hand eines Schreibers, der sorgsam kalligrapbisch aufzeichnet. Hie und da wird auch die den einzelnen Nummern ge- gebene Überschrift von ibm stammen; wenigstens hat er an einer Stelle für die Überschrift Raum gelassen, aber ver- gessen, sie wirklich darüber zu setzen. Wann hat der Schreiber geschrieben? Eine Nummer von seiner Hand trägt die Überschrift: legacio regis Mathie Ungarorum in comieiis imperialibus Nurnberge die Thome apostoli anno MDixxx. Danach kann er nicht vor 1580 geschrieben haben. Mög- lich bliebe allenfalls, daB die vor dieser Nummer liegenden Stücke etwas früher aufgezeichnet wären, aber nichts deutet darauf hin; das Ganze ist in gleichmäßigen Schriftzügen nacheinander geschrieben. Aber welches waren des Schreibers Vorlagen? Angesichts einer Betrachtung der einzelnen Stücke, wie sie die folgende Veröffentlichung bringt, glaube ich mit Bestimmtheit das Urteil wagen zu dürfen: der Abschreiber hatte Brenzsche Papiere vor sich. Wir wissen, dab 1548 Brenzens Papiere, Briefe und Predigten in die Hände der Kaiserlichen fielen. Aber doch wohl nur die aus der damaligen Zeit. frühere bietet unser Kodex, und falls sie nicht etwa aus der kaiserlichen Konfiskation sich gerettet haben sollten, was nicht gerade wahrscheinlich ist, müssen wir annehmen, daß sie irgendwie, vielleicht im Archive der Stadt Hall, aufbewahrt gewesen sind. Unter den Papieren mögen die meisten Originale gewesen sein; von der „Christ- lichen Sendordnung* (s. u.) können. wir beweisen, daß sie dem Schreiber abschriftlich vorlag; er hat die SehluBnotiz, (wohl von Brenz): descriptum 28. januarii anno 1531 getreulich

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wieder abgeschrieben. Das auf 1580 lautende Stück paßt natürlich in die Brenzischen Papiere nicht hinein; wie es in sie versprengt wurde, steht dahin; vielleicht fand es sich unter den Akten des Hallschen Archivs und schob sich in die Brentiana hinein. Ob und wieweit der Schreiber an den vorgefundenen Papieren geändert hat, wage ich nicht zu entscheiden. Die getreuliche Herübernahme jenes de- scriptum usw. läßt aber auf getreuliche Abschrift mutmaßen; höchstens könnte in der Gruppierung der einzelnen Stücke geändert sein. Vielleicht aber war die Vorlage schon eine Art Zusammenstellung, wie sie in den fünf Lebküchnerschen Sammelbänden uns vorliegt? (Vgl. darüber Pressel im Vor- wort der Anecdota Brentiana.)

1. Die Haller Kirchenordnung 1526.

Sie ist von Richter im ersten Bande seiner „Kirchen- ordnungen“ S. 40 ff. publiziert worden aus den Haller Kollek- 'taneen Lebküchners. Unser Kodex bietet aber noeh nach- stehenden „Beschluß“, der nicht ganz unwichtig ist. Zwar daß Brenz die Kirchenordnung als Entwurf einreichte, wuBten wir schon (Hartmann-Jäger I, 99), aber für die ganze Art und Weise, wie er sie verstanden wissen wollte, bringen die Schlußworte erst die rechte Würdigung. Sie sind von prin- . :zipieller Bedeutung, wenn sie betonen, daß die Kirchen- ordnung nicht mehr als „eußerlich Ordnung oder Zucht“ ist, deren Beobachtung nur Züchtigkeit, aber nicht Frómmig- keit beweist Unter den pädagogischen Gesichtspunkt der ‚Zucht gestellt, ist sie je nach den pädagogischen Bedürfnissen verbesserungsfähig, nicht unveränderlich, starr. und die Selig- keit an ihren buchstäblichen Vollzug knüpfend wie. eine - römische Kultinstitution.

Beschlus.

. . Dise obgeschriben ordnung fur die kirchen ist allein ein zucht und kein not oder zwangknus, dero halb sie frey soll sein, wie es ein Erbarn Rat fur gut wurd ansehen und dem volek nutz zu bessern, zu endern, meren oder mindern; allein das es gottis wort enlieh sey und der kirchen zu guttem kem; dan das ist vast der großen feyl einer in den eeremonien und kirchendinsten von den papisten aufigesetzt, das sie alles gnot und gezwungen wollen haben. Darzu

Archiv für Beformationsgeschichte IX. 1. 6

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wollens nit lassen ein zuch sein, sonder muß ein rechte ‚trumkeit sein, also das ein ytlicher, so solche kirchendinst ‚außricht, soll dardureh frumb und gerecht sein, so doch allein die kirchendinst ein eusserlich ordnung oder zucht seih

sollen, und ein yetlicher, der sie auBricht, der dabey ist,

dart sich allein beromen, das er zuchtig sey gewesen und

noch nit frumb. Die frumkeit ligt in hohern stucken dan an kirchendinsten. Man lernt woll jn der kirchen, wie man

.frumb soll sein, darnach die frumkeit will heraussen in den gscheften geubt sein; darumb und dieweyl an der ordnung

in der kirchen vor gott nichs gelegen ist (Sie were dan gant ungotlich), so mag ein Erbar Rath alwegen nach not

.and nutz der kirchen sie endern, meren oder mindern lassen.

2. Christliche Sendordnung.

Abgedruckt in meiner Bibliographia Brentiana S. 390 tL Zur Sache vgl. Hartmann-Jäger I, 336 ff., 396, Bossert, RE? 3, 381. Einige Bemerkungen möchte ich hinzufügen. Hartmana- Jäger sehen in dieser Sendordnung ein Übergangsstück zur Konsistorialverfassung (a. a. O.). Diese Beurteilung ist aber

‘schief. Zum Verständnis der Sendordnung muß man viel-

D

‘mehr vom Begriff der christlichen Gemeinde ausgehen. ' Brenz will eine Zuchtordnung für die christliche Ge-

meinde schaffen, die aber eben auch nur Gemeinde- ordnung ist und mit bürgerlichen und staatlichen Funktionen nichts xu schaffen haben soll. Die Funktionstrennung ist mit denkbarster Schärfe durchgeführt, es soll „keine Un- ordnung zwischen dem weltlichen Gericht und Send, welcher

‘ein Kirchengericht ist, entstehen“. Die Obrigkeit wird

in keiner Weise herangezogen, nun etwa als praecipuum

membrum ecclesiae tätig zu sein, vielmehr ist der gat

Luthersehe Gedanke lebendig, daß die ohristliche Gemeinde ihre Bedürfnisse (hier in der Form der Bestrafung von Vergehen gegen Gebote und Sitte der Kirche ausdrücklich [vgl. S. 393] handelt es sich nur um solche Vergehen, die die „welt-

lichen Gerichte“ nicht strafen —) aus sich selbst deckt. Den .von Luther einst ausgesproehenen, aber dann wieder fallen gelassenen!) Gedanken einer Aussonderung der dunEDI

[u

!) Siehe darüber meine Kistüügungn iu der Ztschr. f. Kirchen- recht 1906 S, 199 ff. 2

83: 83:

aas der Gesamtheit der äußeren Christenheit hat auch Brenz nicht mehr, wie für Luther in der Leisniger Kastenordnung falen auch für ihn bürgerliche und kirchliche Gemeinde dem Umfang nach zusammen. Aber der Dualismus tritt wieder zutage in der schroffen Funktionsscheidung. Was einst Luther für die „Gemeinde der Gläubigen“ vorgesehen hatte, die Kirchenzucht auf der Grundlage von Mt. 18,16 ff.. wird hier dem ,Kirchengerieht* zugesprochen. Ermahnung; Strafen bis hinauf zur Spitze des Bannes und der Abend- mahlsverweigerung sind seine Aufgaben. Für das durch die Strafen eingehende Geld wird ein „Trysol“ gebildet, der aber ausdrücklich nur Kirchenkasten ist (vgl. S. 391, 395). Das Geld soll „allein zur steur und hilf der armen in einer pfar seßhaftig als ein almusen verordnet und außgeteylt werden“. Von diesem Gesichtspunkt also der Selbst- regulierung kirchlicher Nöte ist die Sendordnung zu würdigen; er ist für Brenz der beherrschende. Allerdings schiebt sich nun ein anderer Gesichtspunkt dazwischen. Wer soll den Send oder die „Landzucht“ (S. 392) vornehmen? Nicht die Gemeinde selbst, weder als Ganzes noch in Ver- tretern, vielmehr „vier oder auf das allerwenigst drei Männer“; sie werden „erwelt und verordnet“. Durch wen? Das ist nicht gesagt, sicher ist nur, daß sie seitens der Stadt auf das Land deputiert werden; denn sie entsprechen genauestens den Sendrichtern, die im Auftrage des Bischofs auf den Dörfern Sendgericht abhielten (S. 392). Daraus ist aber zu schließen, daß die deputierende Stelle diejenige ist, die unter den veränderten Verhältnissen die Stelle des Bischofs ein- nimmt. Das aber ist zweifellos die Obrigkeit, der „Regierung und Administracion wolgeburt und zimet“ (S. 391). Hier tritt sie als praecipuum membrum ecclesiae auf, die einst von Luther anfänglich auseinander gehaltenen Kreise der inneren und äußeren Christenheit schneiden sich, der Ge- meinde wird von außen her eine Gerichtsbehörde auf- oktroyiert. Das ist in der Tat die Linie, die schließlich in der Konsistorialverfassung mündet; insofern haben Hartmann-Jäger recht; aber sie übersahen, daß in der Brenzschen Sendordnung zwei disparate Gedankenreihen sich kreuzen. 6*

84 uA

3. De restitueione bonorum ablatorum, seu furto, seu impio bello, seu fraude. D. Johan. Brentius.

Diese Ausführungen von Brenz haben Hartmann-Jüger (1362) wohl mit Recht als ein Gutachten aufgefaßt. Eine zeitliche Einordnung vermag ich nicht zu geben, auch nicht zu entscheiden, ob es sich um ein privates oder amtliches (Gutachten handelt; beides ist möglich. Daß es sich etwa um die Frage entwendeten oder eingezogenen Kirchengutes gehandelt habe, verrät nichts. Das Problem führt Brenz, anstatt sich mit der einfachen Lösung: Weggenommenes ist zurückzugeben, zu begnügen, zu der prinzipiellen Frage der Stellung des Christen zu irdischem Gut.

(Fortsetzung folgt.)

Mitteilungen.

Zur ersten Festsetzung der Jesuiten in Bayern (1548-1549). Bekanntlich ist neben Köln das bayerische Ingol- stadt die früheste Stätte in Deutschland gewesen, an der der neu- gegründete Orden der Jesuiten sich auf die Dauer niedergelassen hat. Der Rückgang der im Jahre 1471 gestifteten Ingolstädter Hochschule unter dem Einfluß der Reformation, der sie sich abwehrend entgegen- stellte, veranlaßte den Herzog Wilhelm IV. von Bayern, auf Mittel und Wege zu trachten, wie er, da geeignete einheimische Lehrer nicht aufzutreiben waren, von auswärts aus denjenigen Lündern, wo der Katholizismus sich noch behauptete Lehrkräfte, in erster Linie Theologen, gewinnen möge, die der Hochschule ihr ehemaliges An- - . sehen zurückzugeben imstande wären. Dabei richtete der Herzog, nach- dem seine Bemühungen längere Jahre hindurch ohne Erfolg geblieben . waren, sein Augenmerk schließlich auf den aus Savoyen gebürtigen Jesuiten Claudius Jajus (Le Jay), der zuerst im Jahre 1542 Deutsch- land betreten hatte und hier bald auch mit Wilhelm in Berührung gekommen war. Hernach wohnte der Ordensmann dem Trientiner Konzil in dessen erster Periode (1545—1547) bei und wurde endlich 1547 in das Herzogtum Modena gesandt, um protestantischen Regungen, die sich dort bemerkbar machten, entgegenzuwirken. Jetzt aber er- reichte Wilhelin mit Hilfe der römischen Kurie, daß Loyola Ende 1518 oder Anfang 1519 einwilligte, seinen Schüler abermals nach Deutsch- land und zwar eben nach Ingolstadt zu entlassen, um an der dortigen Hochschule zu lehren. Jajus selbst aber scheint es dann gewünscht und angeregt zu haben, daß, da er selbst wohl an baldige Rückkehr nach Italien dachte, einer oder zwei seiner Ordensbrüder mit ihm reisten. So wurde bestimmt, daß außer Jajus noch zwei Ordenspriester, der Spanier Alfonso Salmeron und der Niederländer Petrus Canisius, der sogenannte ,erste deutsche Jesuit", der damals an der soeben begründeten jesuitischen Studienanstalt zu Messina wirkte, sich an die bayerische Hochschule bezäben. Sie verließen Rom im September 1549 und erreichten ihr Ziel im November desselben Jahres, wenige Monate vor dem Tode Herzog Wilhelms. Vgl. E. Gothein. Ignatius von Loyola uud die Gegenreformation (Halle 1895) S. 691 f.; B. Duhr S. J., Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge 1 (Freiburg 1907) S. 53 ff.; sowie meine Skizze „Die ersten Jesuiten iu

86 86

Deutschland* (— Nr. 41 der Schrr. f. d. d. Volk hrsg. vom Verein f. RG., Halle 1905) S. 12; 45—55; 61—61.

Die nachfolrenden Aktenstücke, die, soweit ich zu sehen vermag, noch unbekannt sind, beleuchten die geschilderte Entwicklung. Nr. ! u.2 betreffen die augenscheinlich erfolglos gebliebenen —- Bemühungen der Kurie, noch im Jahre 1548 aus dem Erzbistum Salgburg sowie aus dem Bettelorden in Italien, Frankreich und den Niederlanden Lehrkrüfte für die Ingolstádter Hochschule zu gewinnen; die Nrn. 3—5 dagegen haben es dann mit der Berufung der ersten Jesuiten dorthin zu tuu; es sind die leider undatiert überlieferten Entwürfe zu drei Schreiben des Kardinalnepoten Pauls III., Alessandro Farnese, Vize- kanzlers der römischen Kirche, an den Herzog; sie fallen ohne Zweifel sämtlich in das Jahr 1549; das erste mag in die früheren Monate dieses Jahres gehören, die beiden anderen sind anscheinend kurz hintereinander im Hochsommer und gegen den Herbst geschrieben. Besonders interessant ist Nr. 5 wegen der Mitteilungen, die Farnese dort über die Eigenart des neuen Ordens macht, der, wie er hofft, in Deutschland bald weitere Anhünger gewinnen und an sich ziehen werde.

l. Papst Paul III. an Herzog Ernst von Bayern erwühlten Erz- bischof von Salzburg: wünscht, daG er einen Theologen als Professor an der Universität Ingolstadt unterhalten möge. 1548 Oktober 24 Rom.

Ernesto electo Salezburgensi. |

Intelligentes . . . Wilbelmum, Bavariae ducem, fratrem tuum. studium generale & vestris majoribus in oppido Ingolstadio erectum omni diligentia, cura ac etium impensa qua potest ad Dei omnipotentis landem et studiosorum eommodum manutenere ac promovere, et quam plures prelatos, suffraganeos tuos, propriis sumptibus aliquot lectores in dicio studio alere, nos, etsi credimus te pro tua probitate ac tua et tuorum gloria, cum presertim ecclesiam Dei benignitate opulentam obtineas, aliquem, qui in dicto studio vel sacram theologiam vel jus canonicum publice profiteatur et legat, sustentaturum et honesto sti- pendio conducturum esse: te tamen hortari voluimus, ut id quod tua sponte . . . eras facturus, nostro etiam hortatu et suasione ac in nostram gratiam facere velis . .

Datum Romae apud sanctum Petrum die 24 octobris 1518 anno M.

Rom, Arch. Vat, Armar. 41 vol. 43 Nr. 697 Min. brev.

2. Papst Paul III. an die Generäle und Oberen der Bettelorden in Italien, Gallien und den Niederlanden: sollen zwei oder drei ihrer Ordensleute nach Ingolstadt delegieren und dort als Professoren der Theologie leben und lehren lassen. 1548 Oktober 24, Rom.

Universis et singulis generalibus et aliis superioribus ordinum mendicantium in Italia, Galliis et inferiori Germania constitutis.

Cum, sieut Wilhelmus Bavariae. dux nuper nobis exponi fecit, ipse cupiat studium generale a suis majoribus de licentia sedis aposto- licae in oppido suo Ingolstadii Eystetensis dioc. pro omnibus quidem facultatibus laudabiliter et pie institutum et, forsan ob malas tem- - porum conditiones, imminutum, viris probis ac doctis illustrare, his precipue qui sacram theologiam sincere, catholice ac pie profitentur, desyderetque aliquos ex vestris ordinibus ad id idoneos honestis sti-

8 87

pendiis conducere: nos... vos... hortamur ac requirimus, ut eidem -Wilhelmo duci pro tam pio et laudabili opere duos vel tres ex vestris, :non tamen ejusdem ordinis!) quos ipsi Wilhelmo duci ob eorum sin- ‚gularem doctrinam et probatam religionem gratos et acceptos esse .cognoveritis, conducere et ipsis sic conductis, quod Ingolstadium pro- .ficisci et inibi, etiam extra loca regularia vestrorum ordinum, alias tamen sub regulari observantia et juxta vestra instituta vivendo, ad effectum predictum dumtaxat commorari et theologiam publice profiteri possint, liberam licentiam impartiri velitis, quod erit Deo acceptum et nobis pergratum..

Datum Romae apud salictum Petrum 24 octobris 1548 anno 14.

Rom, Arch. Vat. Arm. 41 vol. 43 Nr. 696 Min. brev.

3. Kardinalvizekanzler Alessandro Farnese an Herzog Wilhelm von Bayern: mit dem vom Herzog erbetenen Jajus werden zwei andere Mitglieder desselben Ordens zu ihm kommen. Undatiert (etwa Anfang des Jahres 1549).

Cognovit Sanmus Dominus Noster ex literis et secretarii Excel- lentiae Vestrae oratione, quam impense cupiat, Claudium theologum et item alterum vitae sanctitate et optima doctrinae ratione ipsius similem hinc ad Ingolstadiensis civitatis suae scholas mitti, quo eorum -praeceptis ac disciplina et qui minus recte sentiant, ab errore abdu- .cantur, et qui optimam religionis viam tenent, in officio contineantur. fuit certe haec Vestrae Excellentiae pietas et minime vulgaris in reli- -gionis causa diligentia Sanctitati Suae gratiosissima, quae cum Ignatio :preposito quam accuratissime egit, ut primo quoque tempore Claudius -istuc mitteretur. atque ut accumulatius tam honestae optimi ac pro- dentissimi principis postulationi satisfaceret, ejusdem ordinis et collegii non unum tantum, sed duos deligendos curavit, qui et Ignatii et Claudii ipsius judicio probitate et literis antecellunt. tres igitur hi -siri Sanctitatis Suae jussu propediem ad Excellentiam Vestram iter. "3aturabunt, quorum operam ad hominum animos instituendos et con- firmandos valde utilem ac salutarem Beatitudo Sua fore confidit. si qua alia in re aut Sanmi Domini Nostri benigpitas aut opera mea woluntatem et consilia Vestrae Excellentiae juvare possit, id quoties significarit, toties intelliget suarum postulationum summam esse habi-

ftam rationem.

= Mailand, Bibl. Ambros. cod. A 179 inf. fol. 34* Entwurf.

4. Kardinalvizekanzler Alessandro Farnese an Herzog Wilhelm ‚von Bayern: seinen Wünschen entsprechend werden nicht Jajus allein, sondern noch zwei andere Theologen sich beim Nachlassen der sömmer- lichen Hitze nach Bayern aufmachen. a (etwa 1549 Juli bis August). ' Duci Bavariae.

Valde gratum Sanmo Domino Nostro fuit, ex aliquot Excellentiae . Vestrae literis in eaudem prope sententiam scriptis cognoscere, quanta ‚zara, ac verius solicitudine, . in studium incumbat vere religionis et -erthodoxae fidei in iis civitatibus, quae in ipsius sunt imperio, conser- andae et confirmandae, cum tam saepe et tam accurate theologos ad se mitti efflagitet, qui in Ingolstadiensi gymnasio suo saluberrimis -sanctioris doctrinae praeceptis atque institutis hominum animos ex- „colant. qnare et tantam ac tam perspicuam summae DOREEN a

“y non ordinis von anderer Hand am Rande. .

88 88

rationem Sanctitas Sua paterna caritate exosculatur et cum plurimum ‚ad pravas opiniones, quae per tam multos jam annos in Germania in- valuerunt, convellendas profecturam et illustri Excellentiae Vestrae gloriam allaturam sperat. quod vero ad theologos mittendos attinet, magnae fuit Sanctitati Suae curae ut Claudius, quem Excellentia Vestra nominatim postulavit, primo quoque tempore istuc iter faceret; sed cum Claudius ipse affirmaret se jam minus ad illud publice interpretandi munus idoneum esse, et idcirco comites dari sibi posceret, quorum auxilio, quod sibi oneris impositum esset, facilius posset sustentare, de Sanctitatis Suae mandato duo alii viri et sacrarum literarum intelli- gentia et vitae probitate »pectati, quaesiti et jam electi sunt, qui cum ipso ad Vestram Excellentiam veniant. eorum alter e Sicilia expec- tandus est et hoc unum in causa fuit, quamobrem minus mature tau pio Excellentiae Vestrae desiderio satisfieri potuerit; sed cum pro- pediem sit ille huc appulsurus, simulae se calor, qui nnnc vehemen- tissimus est, fregerit, pro uno tres theologi ad Excellentiam Vestram se conferent. quae interim . . . . Romae etc.

Mailand, Bibl. Ambros. cod. A 179 inf. ful. 181 ab korrigierte Entwurf.

5. Kardinalvizekanzler Alessandro Farnese an Herzog Wilhelm von Bayern: durch die Hitze nicht zurückgehalten, kommen Jajus und seine beiden Gefährten, die ebenfalls dem Jesuitenorden angehören. Angesichts der Art und Nützlichkeit dieses neugegründeten Ordeus erwartet er, daß der Herzog für den Unterhalt der Priester aufkommen und die Verbreitung des Ordens in Deutschland fördern wird. Undatiert (etwa 1549 September). |

Duei Bavariae.

Quos!) ex Sicilia venturos ad Excellentiam Vesti superioribus diebus scripsi theologi duo maturius certe expectatione mea adfuerunt; tanta eniu cum animi alacritate Sanmi Domini Nostri jussis paruerunt, ut eos qui vehementissimi sunt in his locis calores, non retardaverint. ambo cum vitae integritate tum sacrorum literarum peritia atque omni christiano homine digna eruditione excellunt. racerdotes amıbo de fratrum familia quae Jesu nomine ac titulo celebratur. eos nihil dubitat Sanmus Dominus Noster piaeclaris Excellentiae Vestrae cogi- tationibus plenissime responsuros et in ista amplissima provincia docentium vitam plus ponderis quam verba habituram. mittit itaque eos et cum ipsis una magistrum Claudium, quem Vestra Excellentia nominatim poposcerat. qui quamvis non possit istic diu commorari, ejus tamen aliquot vel dierum vel mensium opera valde utilis futura est ad pulcherrimi et maxime salutaris operis fundamenta jacienda. hoc quidem horum fratrum collegium omnia studia, omnes curas vigi- liasque suas in id unum confert, ut depravatos horum temporum mores emendet et cum vitae exemplis tum animarum expiationibus, tum vero eo literarum ac doctrinae genere quod pura sinceraque fide et sacro- sanctis Jesu Christi praeceptis nititur, a pernieiosis voluptatum ille- cebris ad bene beateque vivendi rationem, a carne ad spiritum, a mundo ad Deum hominum mentes avocet. hac sane disciplina quaenam. acco- modatior esse possit his praesertim temporibus, quibus vinea, quam

-—_ ———

') Der Entwurf fol. 191 nennt die Namen der Kommenden: qui Excellentiae Vestrae meanı hanc epistolaın reddiderunt, duo illi theologi sunt . . . dominus P. Cauisins iE [s0!] et Alfonsus Salmeru Hispanus, usw; l

89: 89

plantavit dextera Domini, aper de sylva exterminare et singularis ferus depascere conatur [Psal. 80 v. 14], ad bonorum animos in recta sententia confirmandos et errantes oves ad Christi caulam revocandos? hos igitur patres quavis veneratione dignissimos laeta fronte et maxime benevolo animo Excellentia Vestra accipiet. et quoniam ita vitam iustitnerunt, et. hoc est collegii sui sanctio, ut non quae sua, sed quae Jesu Christi sint. quaerant, et indiem de adventitiis atque oblatis victitent, ea quae ad vitam degendam necessaria fuerint, sibi istis in locis nulla ex parte, defutura Jesu Christo domino suo et Excellentiae Vestrae pietate freti minime dubitant. aequissimum vero est serentes ea quae spiritus sunt, quae corpori necessaria sunt metere, sperandum certe est, non defu- turos qui et vitae admiratione et praeceptorum sanctitate adducti se in horum patrum disciplinam tradant. id si evenerit, non enim vineam suam visitare dominus desinet —, hujusmodi novos operarios Excellentia Vestra gratia et favore suo prosequetur et omnino eorum numerum augeri laetabitur. quantam enim gratiam ab ipso Deo domino nostro et a sacrosancta ecclesia inibit, si eadem vinea ab hujusmodi seminario excitata, quod Excellentia Vestra excoluerit et sua quasi irrigaverit maxime pia liberalitate, extenderit novos hos palmites et propagines suas! ut haec praecipue cara sint Excellentiae Vestrae, eam majorem in modum rogat Sanmus Dominns Noster. cui gratissimum et optatissimum futurum est intellivere fratres hos tres doctissimos ac probissimos viros ab Excellentia Vestra humanissime ac benignissime fuisse tractatos. quae ut diutissime felix valeat opto. Romae etc.

Mailand, Bibl. Ambros. cod, A 179 inf. fol, 73b Reinkonzept. Ebehdaselbst fol. 191 und 198 zwei andere Entwürfe zu dem gleichen Schreiben. W

Neuerscheinungen.

Untersuchungen und Darstellungen. H.v.Schubert, Reich und Reformation (Heidelberger Rektoratsrede), gibt eine großzügige Übersicht über die Entwicklung des Verhältnisses zwischen den Bestrebungen zur Reichsreform und denen zur Kirchenreform im Deutschen Reiche seit dem ausgehenden Mittelalter. Es handelt sich dabei um die bedeutsame Frage, ob nicht auch bei uus die Kirchenreform auf nationaler Grundlage hütte durchgeführt werden kónnen. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, gewinnt insbesondere Luthers Berufung auf den Wormser Reichstag eine eigenartige, bisher noch kaum klar- gestellte Bedeutung, insofern als durch die Tatsache dieser Berufung Luthers vor den Kaiser und die aus Geistlichen und Laien gemischten Reichsstände entschieden wurde, daß, wer in den Kirchenbann geraten, damit noch nicht ipso facto der Reichsacht verfallen war. Das Reich nahm also damals mindestens den Ansatz, die Sache der Reformation vor sein Forum zu ziehen und ohne die höchste kirchliche Instauz zur Entscheidung zu bringen. Die nüchstfolgeuden Jahre aber brachten in der Epoche des Reichsregiments, an dem der kursüchsische Ver- treter Hans von der Planitz eine bedeutsame Rolle spielte Reich und Reform noch weit nüher zueinander. Eine starke Partei in der Reichs- regierung und auf den Nürnberger Reichstagen von 1522 bis 1524 be-

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90 90.

gehrte die reichsgesetzliche Regelung der brennenden Religionsfrage, und zwar in einem Luther und den Sachsen weit entgegenkommenden: Sinne; der Gedanke kam zum Durchbruch, daß ein nationales Konzil oder eine deutsche Nationalversammlung unter der Teilnahme von Laien die Entscheidung treffen sollte. Aber der Einspruch des Kaisers und bekanntlich nicht minder die Selbstsucht des Territorialfürstentuma, die das Reichsregiment zu Fall brachte, vereitelten diesen Weg. Se ist die damals das Reich durchwogende patriotisch-religióse Strömung nicht zum Anfang einer Reichskirchen- und -lehrordnung, sondern ganz im Gegenteil der Ansatzpunkt protestantischer Bekenntnisbildung ge- worden. Seit 1526 endlich verbinden sich, unter dem Eindruck des fort- dauernden Versagens der Reichsgewalt in der wichtigsten Frage der Nation, Reformation und stündische Libertät zu unlöslicher Interessen- gemeinschaft. Dem gehaltvollen Vortrag folgen Anmerkungen, die die Belegstellen und einzelne Erläuterungen darbieten. Tübingen, Mohr (P. Siebeck) 1911. 488.

An Literatur über Luthers Verhültnis zu den Juden ist kein Mangel, aber eine unvoreingenommene, methodische, auf die Schriften des Reformators gegründete Untersuchung, wie sie Reinhold Lewin (Luthers Stellung zu den Juden. Ein Beitrag z. Gesch. d. Juden in Deutschland während des Reformationszeitalters) angestellt hat, ist gleichwohl als eine Bereicherung der reformationsgeschichtl. Literatur zu bezeichnen. Chronologisch vorgehend zieht Verf. alle Aussprüche Luthers über die zeitgenóssischen Juden herbei und untersucht ein- gehend die Begegnisse und Erfahrungen, die auf L.s Beziehungen zu den Juden Einfluß gewonnen haben. So beleuchtet seine Abhandlung ' auf der einen Seite die Verhältnisse der Juden jener Zeit, andererseits gibt sie Beiträge zur Geschichte Luthers und zur Entstehungsgeschichte seiner Schriften und Ansichten. Verf. beschönigt nicht die Heftigkeit und Derbheit der antijüdischen Schriften L.s von 1548, aber er läßt keinen Zweifel, daß es tiefster, heiligster Ernst ist, der jenem die Feder geführt hat. Ala summarisches Ergebnis seiner Studie bezeichnet Verf.: nach einer Periode der Gleichgrültigkeit den Juden gegenüber faßt Luther, durch eine Begegnung mit zwei Juden in Worms 1521 angeregt, die Hofi- nung, daß die Juden für sein Evangelium zu gewinnen sein würden. Die Missionsschrift aber, die er alsbald in die Welt hinaussendet, bleibt ohne den erwarteten Erfolg, und persónliche Erfahrungen trüber Art enttäuschen ihn vollends. Und als er endlich gar wahrzunehmen glaubt, daß die Juden zugunsten ihrer Religion gegen das Christentum agitieren, erklärt er ihnen den Krieg aufs Messer. Berlin, Tro- witzseh & Sohn 1911. XVI, 110 S. M 4.40 (= Bonwetsch und Seebery, Neue Studien z. G. der Theol. u. d. Kirche X).

Die vor wenigen Jahren erschienene Monographie Creutzbergs über Miltitz (vgl. ds. Ztschr. 4 S. 4181) gibt P. Kalkoff Anlaß, in einer eigenen Schrift ,Die Militziade. Eine kritische Nachlese zur Gesch. des Ablafstreites^ auf M. zurückzukommen. Indem er dessea Leben und seine Beteiligung am Lutherschen Handel aus vollster Be-

91 91.

herrschung des Materials heraus mit eindringender Kritik überblickt, zeigt er, daß M.s Persönlichkeit und geschichtliche Rolle fast durch- weg bedeutend überschützt worden ist. Wie Miltitz an der Kurie, wo er lediglich die Titel und Vorteile, die man einem gut empfohlenen jungen Edelmann ohne weiteres zuzugestehen pflegte, erlangte, sich besonderer Anerkennung nicht erfreut hat und somit auch nicht als päpstlicher Diplomat, sondern nur als untergeordneter Kommissar mit eng umschriebenem Auítrage nach Deutschland entsandt worden ist, so befühigten ihn auch seine Gaben nicht, in den Gang der Dinge dort, wie er es allerdings wünschte und erstrebte, tiefer einzugreifen. So ist er auch bald von der Bühne der Geschichte abgetreten und hat seine späteren Jahre bis zu seinem jähen, vielleicht nicht un- verschuldeten Tode als päpstlicher Pfründner gemächlich in der Heimat zugebracht. Die wissenschaftliche Diskussion über die Episode Miltitz darf hiermit wohl als geschlossen angesehen werden. Leipzig, M. Heinsius Nachf. 1911. 81S.

Friedr. Kipp, Silvester von Schaumberg, der Freund Luthers. Ein Lebensbild aus der Reformationszeit (— Berbig, Qu. u. Darst. a. d. G. d. Ref.-Jahrh. XVII, Leipzig, Heinsius 1911. 271 S.). Dem frünkischen Ritter Silvester von Schaumberg (ca. 1470—1534) gebührt infolge seiner Botschaft und seines Briefes an Luther vom Jahre 1520 ein Platz in der Reformationsgeschichte. Sein Leben aber lag bisher fast völlig im Dunkel, und erst Kipp ist es gelungen, in emsiger Forschung ein ansehnliches Material zusammenzubringen, das den Lebensgang des Ritters wenigstens in den Hauptzügen zu über- sehen gestattet. Silvester hat das ziemlich unstete Dasein seiner Standesgenossen geführt, sich vielfach in Krieg und Fehde getummelt, teils auf eigene Faust, teils im fürstlichen Dienst; die Reformation hat sein Leben weder ausgefüllt noch wesentlich bestimmt, und wir erhalten mehr ein übrigens wertvolles und anziehendes Kulturbild aus der Ref.-Zeit als die Biographie eines „Freundes Luthers“. Doch ist Silvester seiner 1520 so mannhaft bekannten Überzeugung nie nntreu geworden, und aller Wahrscheinlichkeit wird ihm im wesentlichen die Evangelisierung des würzburgischen Amtes Münnerstadt, wo S, seit 1526 bischöflicher Amtmann war, und seiner eigenen, benachbarten Herrschaft Thundorf verdankt. In dem faksimilierten Schreiben Silvesters von 1519 (S. 121) Z. 3 lies: „vor Tubingen“; Silvester hat sich also bei den Belagerern dieser Feste im württembergischen Feldzug eingefunden, was Kipp entgangen ist.

„Zur Borromäus-Enzyklika“ betitelt D. W. Hadern (Pfarrer in Bern) zwei Vorträge, von denen der erste ein wohl abgewogenes Charakterbild des Kardinals Borromao bietet. B. gilt dem Verf. als einer der hervorragendsten Vertreter der Gegenreformation, in dem alle Seiten dieser Bewegung in eins verschmolzen waren: der neu er- wachende Glaube an die Kirche, der unerbittliehe Kampf mit den Überresten der Fäulnis aus der Zeit des 15. Jahrhunderts, der un- versöhnliche Haß gegen den Protestantisımus und die religiöse Sehn-

92: 92 sucht des nenen Jahrhunderts; aber „eins fehlt ihm. Er ist kein befreiender Geist; er weist nicht vorwürts, er führt zurück. Er hat nicht groBe Gedanken, sein Gesichtskreis ist beschränkt durch den engen Horizont seiner Kirche“. Der 2. Vortrag behandelt die gegenwärtige Lage der kathol. Kirche gegenüber dem Modernismus. Verlag von A. Francke, Bern 1911 78 S. M 1.—

Als zweites Stück seiner „Forschungen zur Lebensordnunz der Gesellschaft Jesu im 16. Jahrh." erörtert H. Stoeckius „das gesellschaftliche Leben im Ordenshause*, und zwar betrachtet er so- wohl den Verkehr der Ordensangehörizen untereinander und schildert das gesamte Leben und Treiben im Kollegium, wie auch untersucht er die Beziehungen der Ordensangehörigen zu den Externen. Aus zahllosen Einzelheiten, die er den reichen Quellen-Publikationen zur älteren Ordensgeschichte abrzewinnt, weiß der Verf. in streng durch: geführter Disposition interessante Bilder zu gestalten und manche neue Züge dem Ordensleben hinzuzufügen. Nicht leicht anderswo tritt uns das Abrichtungssystem des Jesuitismus, die methodische Er- tötung alles dessen, was den Menschen eigentlich zum Menschen macht, die Unterdrückung alles Individuellen so packend vor Augen wie hier; es berührt ordentlich wohltuend, wenn wir einmal lesen, daß Streitereien und Schimpfereien unter den Brüdern trotz allem nicht selten waren. Merkwürdigerweise scheint der Verf. jenem System gegenüber eher Bewunderung als Abneigung zu empfinden und spart nicht mit Epitbeten wie „weise“ und ,vortrefflich", wo dem natür- lichen Empfinden sich wohl ganz andere Bezeichnungen aufdrüngen. München, Beck 1911. X, 198 S. M 5.—.

Die Abhandlung von D. Eb. Vischer, Die Lehrstühle und der Unterricht an der theol. Fakultät Basels seit der Reformation, nimmt ihren Ausgangspunkt von dem Eindringen des humanistischen und reformatorischen Geistes in die 1460 gegründete Hochschule, das zuerst im Jahre 1523 dadurch in die Erscheinung trat, daß der Rat vieren der entschiedensten Anhänger Roms, darunter zwei Theologen, ihre Besoldung entzog und an Stelle der letzteren Oecolampad und Pellikan zn Lehrern der hl. Schrift ernannte, von denen der erstere dann an der Reorganisation der theol. Fakultät auf den neuen Fundamenten den größten Anteil genommen hat. Verf. verfolgt die Geschichte der Fakultät nach ihrer persönlichen und sachlichen Seite bis in die Gegenwart. Unter den Beilagen werden die wichtiren Statuten der Fakultät von 1540 mitgeteilt. Basel. Helbing & Lichtenhahn 1910. 1328. M 2.— (=SA. aus der Fest- schrift zum 450jáhrigen Bestehen der Universitit Basel).

Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H, Gräfenhainichen.

Brentiana und andere Reformatoria.

Von, W. Köhler. (Fortsetzung.)')

De restitucione bonorum ablatorum seu furto seu impio bello seu fraude. D. Johan. Brentius.

Prineipis bona ablata restituenda esse et ex iusticia civili et iusticia divina manifestum est. Iustieciam enim eivilem aiunt eam esse, que unicuique tribuit que sua sunt. Quanto magis igitur divina iusticia, que est fides, restituit unicuique sua, Est enim fidei fructus charitas, porro charitas largitur alteri eeiam propria tantum abest, ut bona aliena dolo aut impietate parta contra proximum sibi retineat, Huius autem restitucionis certe regule tradi vix possunt. ubi videlieet, quando, quot, aut cui restituenda sint bona ablata. Equidem existimo primam esse curam habendam, ut aliquis e Iesu Christo vere renascatur. Deinde autem prudencie fidei reliquendum, quatenus bona impie parta restituantur; si enim fides vera resignet in regeneracione omnia sua temporalia bona in manus dei et facit ex pos- sessore dispensatorem, nimirum et eadem fides per caritatem operans optima suae ipsius in distribuendis bonis suis con- sultrix erit, Tale quid legitur Luce 19 [V51f, 8]. lesus perambulans Jericho videns Zacheum, publieanorum principem, dixit: Zachee, festinans descende, quia hodie domi tue oportet me manere ete. Et stans Zacheus dixit ad DOMINVM: Ecce dimidium bonorum meorum, domine, do pauperibus ete. Vides primam Christi curam fuisse, ut Zacheus renasceretur et fieret Abrahe filius per fidem. Non enim a principio dixit: Zachee, si volueris bonorum tuorum dimidium pauperibus elargiri, et si quem fraudasti quadrup- lum reddere, tune descende et manebo in domo tua. Tanti Zacheus nondum renatus Christum ne optasset quidem in domum suam. Postea autem per fidem faetus Abrahe filius non audit ullam distribuendi bona sua regulam a Christo, sed ipse iam spiritu renascencie et fidei edoctus suo sponte nullo praeceptore in hane vocem erumpit: Ecce dimidium

1) Vgl. oben S. 79 ff. Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 2. 7

94 | 2

bonorum meorum do ete. Sed quid illud est, quod non totum dixit se pauperibus distributurum et quod addit: si quem defraudavi, reddo quadruplum? Fidei verba sunt, : quo resignat quidem omnia bona in manum dei parata mox omnia eciam externo usu relinquere, si id postularit Christus. Habet tamen fides suam prudenciam. Nam enim ita distri- buit bona alienis (non usque adeo necessitate pressis) ut tu cogaris proximo tuo gravis. esse et mendieimonio molestus, quemadmodum hactenus monachi relinquentes patrimonia sua et laborem fugientes mendieitate sua aliis fuerunt oneri’). Sed quamdiu DOMINVS voluerit et partim ea bona in usum suum, partim in egenorum commodum administret, ne et tu ipse molestus sis proximo mendieitate, neque interim aliorum inopia deseratur. Atque hoe est, quod Zacheus dixit: dimi- dium bonorum (non autem totum) distribuo pauperibus. Hoc est omnia quidem mea bona in manum tuam, mi Christe, resignavi. Sed ne interim vieino meo onerosus sim, dis- pensandi munus pro tua voluntate reservo mihi, ut et ego habeam, unde vivam, ae debitoribus meis satisfaciam, deinde ut egeni e sua inopia subleventur. Principio enim fides hoe exequi eurat, quod eoram deo et hominibus debemus. Postea exequitur, quod eoram deo tantum debemus. Exempli gracia: Debeo alicui, est commodaticia pecunia, qua et ipse et sua familia eget, centum aureos. Hos, inquam, debeo et eoram deo, qui iubet unieuique reddere que sua sunt, et eoram hominibus; bominum enim iure commodatum restituere eogor eciam, si nolim. Pauperi autem debeo non quidem eoram hominibus, sed coram deo, ut in egestate sua opibus meis ipsi adsim. lam fides hoe primum curat, ut satisfiat debito coram deo et hominibus (simodo posset), deinde que filiis dei sunt debita exequitur. lline Zacheus ait: dimidium bonorum meorum do, non totum, ut habeam, ut satisfaciam eis, quos defraudavi. Ceterum quod addit: Si quem defrau- davi, reddo quadruplum, ad legem Mosi respicit, Exo. 22 [V 1]: Si quis furatus fuerit ovem, reddam pro una ove quatuor ete. Est autem sentencia: si quem defraudaverim, paratus sum omnia ei pro civili iure restituere. Quicquid ius civile reddere iusserit, reddam. Ex hoe Zachei exemplo possem de restitucione ablatorum bonorum sie consulere, ut primum «quis per fidem renasceretur, e renascencia fieret resignacio bonorum in manum dei, ex illis bonis iuvet pro fidei sue dictamine pauperes, postea autem paratus sit unieuique a se defraudato reddere quidquid iure civili?) postulaverit. At si nihil postulaverit et ignoret se

! Am Rande: Cor. 8: Non et aliis sit relaxatio ete. 23 Mser.: civile.

3 95

defraudatum aut nesciat hune esse defraudatorem, eonsulen-, dum puto, ut defraudator iam renovatus liberaliter et muni- fire defraudntum iuvet, si quando viderit ipsum sua opera facere. Finis.

4. Ordinacio in baptisandis pueris.

Die Autorschaft von Brenz an diesem Stücke ist in unserem Kodex zwar nicht ausdrücklich angegeben, darf aber füglich angenommen werden. Wenigstens wüßte ich nicht, was dagegen geltend gemacht werden könnte. In- haltlieh passen die Ausführungen vortrefflich zur Brenzischen Theologie. Wir erhalten zuerst den Vorschlag einer Tauf- liturgie. Sie beginnt mit der Lektion von Luc. 18, 15—17, dann folgt eine Ansprache = eommendaeio baptismi, an sie schließt sich, si libet, ein Nachweis der Möglichkeit des Kinderglaubens, es folgt eine Ermahnung zum (rebet, aus- klingend in die Bitte um göttliche Verleihung des Glaubens an das Kind. Dann werden die Gebete aus Luthers Tauf- büchlein von 1523 gesprochen, endlich folgt die intinetio. An die Liturgie schließt der Verfasser noch die Beantwortung einiger die Taufe betreffender Fragen:

1. Nach dem Ort der Taufe. Wenn möglich, soll die Taufe sich dem öffentlichen Gottesdienste anschließen. Im Notfalle ist Haustaufe durch die Hebamme gestattet, soll aber nachträglich durch die Gemeinde geprüft werden; auch sollen die Getauften mit Namen dem Gebet der Kirche empfohlen werden, damit nieht etwa eine Wiederholung der Taufe stattfindet.

2. Nach der Notwendigkeit der Anwesenheit eines Tauf- zeugen. Im Interesse der Kirche wird die Frage bejaht.

3. Nach der Gültigkeit der Haustaufe in Zweifelsfällen. Die Kirche kann hier auf Zweifel sich nicht einlassen, sie gibt sich zufrieden gegenüber bestimmter Versicherung und Zeugen. Solche sollen darum die Hebammen bei den Haustaufen zuziehen. Auch sollen sie über die rechte Taufformel instruiert werden; das Apostolikum soll ge- sprochen werden, der Pate sein Ja darauf sprechen, und dann soll getauft werden.

4. Nach der bedingten Taufe. Sie wird abgelehnt. 7*

96 4

5. Nach Zwangstaufen von Juden- oder Wiedertäufer- kindern. Die Taufe darf vollzogen werden, wenn der Groß- vater väterlicherseits (nicht mütterlicherseits) einwilligt oder das Kind zur Taufe bringt; denn er besitzt zivilrechtlich Verfügungsrecht über das Kind. Doch ist man gegenüber den Wiedertäufern zu einer derartigen Rücksichtnahme auf die Verwandten nicht verpflichtet; denn sie sind keine öffentlich geduldete Religion. Täuferkinder sind also auch gegen den Willen der Familie (invitis parentibus) zu taufen. Wer innerhalb der christlichen Gesellschaft aus christlichen Eltern geboren wird, wird geboren hinein in die Gesellschaft der Kirche deutlicher wohl kann das Prinzip der Einheitskirche innerhalb der Gesellschaftsverfassung nicht zum Ausdruck kommen, Gesellschaft, christliche Gesellschaft und Kirche decken sich. Folglich hat die Kirche ein Recht, die durch die Geburt ihr gehörigen Kinder zur Taufe zu bringen. Die Taufentziehung seitens der Wiedertäufer ist ein Vergehen gegen die Gesellschaftsordnung, und diese ist alteingewurzelt.

6. Nach der Taufe nicht ausgeborener Kinder. Nur ausgeborene Kinder dürfen getauft werden. Auch hier klingt die Betonung der Taufe als christliche Gesellschaftsordnung durch: ein noch nicht ausgeborenes Kind ist noch kein Mensch, kann also in die Gemeinschaft der Menschen noch nicht aufgenommen werden.

7. Nach der Notwendigkeit der Taufe durch Unter- tauchen. Hier ist Ortsbrauch als maßgebend zu betrachten, dem Werte nach sind Untertauchen und Besprengung gleich.

8. Nach der Fähigkeit der Patenschaft von „Sakra- mentierern“. Hier befindet sich Brenz offenbar in einer Schwierigkeit. Seinem Herzen nach wäre ihm Ausschluß das Liebste; darum läßt er auch predigen über die Glaubens- artikel und es aussprechen, daß die Anerkennung derselben die Patenschaft recht eigentlich bedinge. Wenn dadurch einer abgeschreckt würde, so wäre es besser. Aber wenn er es nicht wird?! Wenn es sich ferner nur um einen täuferischer Lehre Verdächtigen handelt? Ausschluß ist unmöglich, denn eine Kirchenpolizei existiert für die Evan- gelischen nicht, die hier nach Art des städtischen Rates ein

5 97 Urteil fällen könnte, der Pfarrer darf sich Urteilsgewalt nicht anmaßen, darf einen, der weltlieh-rechtlieh nieht ver- urteilt ist, öffentlicher Schande denn das bedeutet der Ausschluß vom Patenamt nicht preisgeben. Nur ein selbst über die Folter hinaus Hartnäckiger oder ein aus- gesprochener Andersgläubiger (dogmatista) dürfte Brenz drückt sich sehr vorsichtig aus nicht zugelassen werden, denn solche haben sich selbst aus der Gemeinde aus- geschlossen. Man merkt, wie Brenz dieser Verzicht schwer wird, er tröstet sich schließlich mit dem Gedanken: der Unglaube des Paten wird dem Kinde nicht schaden. Für das Verständnis der Banngewalt bei den Evangelischen aber ist seine Auslassung wichtig. Der Bann ist auf die seel- sorgerliche Maßnahme beschränkt (vgl. Friedberg: RE? 2, 383.)

9. Nach der Zeit der Taufe. Darf man unter Berufung auf die christliche Freiheit die Zeit beliebig hinausschieben? Nein. An sich zwar besteht die christliche Freiheit zu Recht, aber die Liebe ist der beherrschende Maßstab. Ein Aufschub der Taufe aber kann den Verdacht der Wieder- tiuferei im Nächsten wachrufen, diesen Anstoß darf man dem Nächsten nicht geben. Die Obrigkeit soll die Hart- näckigen zur schleunigen Taufe zwingen. Sie hat, so müssen wir ergänzen, dazu die Befugnis, da die Taufe Grundelement der christlichen Gesellschaftsordnung ist (s. 0.)

Die chronologische Einordnung unseres Aktenstückes muß erschlossen werden. Wahrscheinlich ist, daß es sich nieht um Taufvorschriften für eine einzelne Ortschaft oder Stadt handelt, vielmehr um eine Landschaft. Denn es heibt bei der Frage nach der Taufart: in huiusmodi agendis observanda est loci eonsuetudo Worte, die mehrere loca voraussetzen, es sei denn, daß sie ohne Anwendung auf den vorliegenden Fall prinzipiell gemeint sein sollten. Vielleicht geht man nicht fehl in der Vermutung, auch diesen Entwurf, wie so manches andere, an die Adresse des Mark- grafen Georg von Brandenburg-Ansbach gerichtet sein zu lassen; dann wäre die zeitliche Fixierung + 1530. Die be- sondere Heraushebung der von den ,Sakramentierern^ und Wiedertäufern drohenden Gefahr würde dazu gut passen.

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Ordinaeio in baptisandis pueris.

Principio utile ae commodum videtur, ut ante omnia evangelium Luce 18 |V. 15—17| de pueris ad Christum allatis eoram ecelesia legatur eum hae aut simili prefaeione: „Lieben freund, horrendt das Euangelion durch Lueam be- schriben, darin uns angezeigt wurdt, das die kinder von Jesu Christo angenommen und gesegnet seven worden.“ Ob has autem causas sencio commodum esse. ut ante omnia prelegatur eeclesie evangelion: primum. ut ecelesia audiens verba sacre seripture attencior reddatur et maiestate ver- borum divinorum ad maiorem reverenciam invitetur, deinde ut minister ex verbis evangelii commodiorem occasionem ad sequentem exhortaeionem suam habeat et nonnunquam idonea exhortandi argumenta ex ipsis ducere queat. Post lectum autem evangelion sequitur eommendaeio maiestatis baptismi, deinde exhortacio ad eflundendas preces pro infante.

Commendacio baptismi.

„Lieben freund, es ist uns hie ein kindlin furgebracht, das wir es im nomen Jesu Christi taufen sollen. Nun ists nit weniger alles, so sich hie aufwendig erzeigt ist gering und schlecht anzusehen, das kindlin ist ein arme elende schwache blode creatur, da ligts und weyß seins lebens oder sterbens weder rat noch hilft. Darbey sicht man an dem tauf nicht dan ein schlecht wasser, so ist der teufer ein mensch wie ein anderer. Aber wir seven cristen und ge- burt uns in gotlichen Saeramenten nieht naeh dem sehein zu urteylen, sonder naeh dem warhaftigen, unbetruglichen wort gottes. Darumb so wollen wir uns aus dem selbigen be- richten, wie herliche maiestet der tauf sev, auf das wir, so vorhin getauft, erinnert werden, was grosse gnad uns durch den tauf von unserm hern got gethon sev, und dester ernst- lieher bitten, das got wolle disem kindlin N. auch die selb gnad des taufs verleyhen'). Unnd anfencklieh so ist das menigklich kundbar und wissent. das unser HERR Jesus Christus selbs die tauf hat aufgerieht und eingesetzt, da er zu seinen aposteln sagt: |Mt. 28, 18 und 19| Mir ist geben aller gwalt in himel und auf erden, darumb geth hin und lerent alle voleker und tauft sie im namen des vaters und des sons und des hevlgen geists. Was mocht aber herlichers von dem tauf gesagt sein, dan das in Jesus Christus selbs hab aufgericht und bestetigt. Es moeht villeicht einer den tauf gering achten, wan er von gott durch ein Engel oder dureh ein schlechten menschen wer verordnet. Aber so unser

!) Am Rande: Abh.... [Rest weggeschnitten.]

7 | 99

HERR und gott der himlisch vater hat den tauf nitt wollen dureh ein blossen menschen noch durch ein Engel aufrichten. sonder allein durch sein aingebornen gliebten sun Jesum Christum, so muß freilich der tauf nit menschlich, nit irdisch, ja auch nit engelisch, sonder allein himlisch und gottlich sein, und so Christus eben denselben hatt angericht, nach dem er ein neü!) himlisch wesen an sich ge- nomen hat, so konden wir wol erachten, das der tauf er- sehe, wie irdisch er woll, jedoch nicht anders dan himlisch sey. Dan ob er wol ytz durch menschen wurdt außgericht auff der erden sichbarlich. yedoch dieweyl Christus den aposteln beuolhen hat zu taufen nit in jrem namen und von irer selbs wegen, sonder im namen und von wegen des vaters, Sons und hevligen geists, und darbey gesagt: Mir ist geben aller gwalt im himel und auff erden, und [V. 20]: sihe. ich bin alle tag bey euch bib zu end der welt, so hat er gwislich hiemit zuversten geben, das er noch auf disen tag selbs [als] der taufer gegenwertig sey und durch das eusserlich ampt dem so getauft wurdt selbs das wasser aufgies mit seiner aigin hand, in abwesch und in aller seiner sund lof und ledig sprech?) Ist nun Jesus Christus, der eingeborn sun gottes, selbs der teufer, wie mocht er on sein himlischen almechtigen got und vater. auch on den heilgen geist zu dem tauf komen? Lieber, die drey person seven mit einander dermassen vereinigt, das sie nimer zertrent mogen werden, und naeh dem in dem heilgen propheten Daniel (7, 10] ge- schriben steet, das tausentmal tausent und zehen tausent- mal hundert mal tausent bey unserm HERRN steen und auf den dinst warten, so mereken wir aber einmol, das bey dem tauf das gantz himlisch her zugegen sev und helf denselben dinstlich volnbringen. Man sieht wol niehs mit den eusser- lichen augen, so an gotlichen sachen blind seyen, aber die- weyl das gotlich wort (das also warhaftig ist, das ehe himel und erden zergen must, ee ein spitz oder tittel daran erlogen wurdt (Mt. 5, 18]) bey dem tauf Christum Jesum selbs zugegen stellt, und Christus von seinem himlischen vater und heilgen geist imer geleitet wurdt, auch die un- zalbarlich menge der engel auf den dinst unsers herren gottes warten, so kunden die augen des glaubens gantz wol den himel auf erden die himliseh schar bey dem eusserlichen ampt, werck oder dinst des taufs ersehen und erkennen. Wer welt nun den tauf gering und schlecht rechnen, der von dem sun gottes selbs autfgericht und durch den vater, Son,

1) Am Rande: Der t[auf] ist him/lisch). 2) Am Rande Bemerkungen, durch Abschneiden des Blattes unleserlich.

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heilgen geist, ja allen engeln volnbracht wurdt? Was soll ich aber vil sagen von dem grossen unaussprechen- lichen nutz, der darauß!), so er durch den glauben in Jesum Christum entpfangen wurdt, entsteet, und wie notturftig cer einem yetlichen sey, der die seyligkeit begert? Furwar, ich bin im zu gering, dasselb gnugsam heraußzustreichen. Aber doch zu unser besserung will ich ein wenig darvon anzeigen. Christus spricht [Me. 16, 16]: Wer glaubt und getauft wurdt, der wurdt seylig. Das seyen wenig wort. Aber der Inhalt ist gros. Was ist dem menschen nutzlichers, ja, notigers dan die seyligkeit? nemlieh, so er seiner sund halben, darin er entpfangen und geborn ist, mit im nieht anders auf erden- reich bringt dan unseligkeit und ewige verdamnus. Nun horen wir auß den worten Christi, das die sevligkeit in dem tauf auß glauben entpfangen als in einen außerwelten werck- zeug gesetzt und gestelt ist, welches doch uns nit so hoch verwundern soll, dieweyl wir des vorhin bericht sein, das der vater, Son und heilger geist selbs die tauf halten und gegenwurtiglich dureh das eusserlieh ampt volnbringen. Wa aber dise auf gnaden gegenwertiglich handeln, wie solten sie nit ein seyligkeit schaffen und aufgiessen? Und da- mit dester clerer gemacht werde, was Christus durch den tauf selbs handle, so wollen wir auch den heylgen Pau- lum horn, der sein leer von keinem blossen menschen auff erden gelernt, sondern von unserm HERRN Jesu Christo selbs im paradis und dritten himel erholt hat |2. Cor. 12, 2]. Diser Paulus sagt also [Eph.5, 25£.|?: Christus hat geliebt die gmein, und hat sich selbs fur sie geben, auff das er sie heyliget, und hat sie gereinigt durch das wasserbad im wort. Sihe, lieber, sihe: Paulus bezeugt mit wenig worten zwey herlicher grosser stuck in dem tauf: Zum ersten, das Christus selbs, wie wir vorhin gehort, der teufer sev. Zum ander, das dureh das wasserbad im wort, das ist dureh den tauf, mit dem glauben auf das wort des evan- gelij entpfangen, die reinigkeit und heiligkeit der kirchen zustehe. So hor ich woll, als bald einer getauft wurdt, so ist er sehon rein und heilig. Warumb nit? Es kan ye das gotlieh wort nit liegen, so kan die heilig gsehrift nit betriegen, welche bezeugt, das durch das wasserbad im wort die reinig- keit und heiligkeit der kirehen zukam. Und nit allein dise stuck, sonder auch die seyligkeit, welches nach Christo auch S. Paulus [Tit. 3, 5, 6] schreibt und sagt: Er macht uns seylig nach seiner barmhertzigkeit durch das bad der widdergeburt und erneuwerung des heilgen geists. Was bedarf es aber

1) Desgleichen (vgl. vorhergehende Anmerkung). ?) Desgleichen.

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viler wort, so doch von Paulo deutlich und elerlich geschriben wurdt (Gal. 3, 27]: Wie vil euwer getauft seyen, die haben Christum angezogen. Ist aber der tauf nit ein nutzlicher werekzeug, naeh dem wir durch den tauf mit Jesu Christo geckleidt werden? Lieber, bedenck doch, wer Jesus Christus sey, auf das auch bedacht werde, wie nutzlich und notig der tauf sey. Christus Jesus ist das lieht [!|, das leben, die weyBheit, die gerechtigkeit, die frumkeit, die heilig- keit, die aufferstehung und die erlósung, und wer wolt es alles erzelen konnen. was Christus sey? So nun wir durch den tauf mit Christo beeleidt werden, ist dem nit also, das wir auch durch den tauf mit dem leben, weyßheit, gerechtig- keit, frumkeit, heiligkeit, auferstehung und erlósung becleidet werden? O, das kan ein seiliger sintfluß sein, darin all unser sund, boßheit und verdamnus erdrunken und darneben uns all gerechtigkeit, heiligkeit und seyligkeit zufleust und [wir] mit disen gaben und tugenten uberschut werden. Darumb, so uns Christus der allernutzlichst ist, so muß uns auch der tauf, dardurch uns Christus mitgeteylt wurdt, der allernutzlichst sein. So wir Christi unsers hern am aller noturftigsten seyen, so ist uns auch der tauf am noturftigsten, als derjenig werk- zeug, dardurch wir mit Jesu Christo becleidt werden. Die- weyl nun uns zuvor in unser Jugent die gab des heilgen taufs durch die barmhertzigkeit gottes, so er uns durch sein son Jesum Christum bewisen hat, mitgeteylt ist, so sollen wir got darumb danckbar sein und dargegen auß cristen- licher pflicht bitten, das unser HERR got auch disem kindt N. ein warhaftigen glauben verleyhen woll, auf das es der gnad des taufs vehig sev":

Post commendacionem baptismi priusquam ecelesia ad- monetur ad precandum pro puero, ostendendum est, si libet, argumentis, quod infantes possint habere fidem.

Primo, quia deus non est respector personarum. Jam, si infantibus propterea non daret fidem, quod infantes sint, tune esset personarum respector.

Secundo: fides non est ex usu racionis humane, sed ex dono dei et misericordia eius. lam cum deus eque complectatur miserieordia sua infantes ac adultos, consec- taneum est deum eque infantibus ac adultis fidem dare.

Tertio: Nihil magis adversum est fidei quam prudencia racionis humane. Cum autem infantes adhuc careant usu humane racionis, multo capaciores sunt fidei quam adulti racione utentes.

Quarto: Impossibile est sine fide deo placere. In- fantes autem placent deo et placent ei ad dandam ipsis sa- lutem sempiternam; proinde placent eciam ei, ut fidem ipsis conferat.

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Quinto: Infantes diligit deus et dat eis spiritum sanc- tum id quod probatur exemplo Jacob, quem dilexit deus adhue in utero matris existentem, et exemplo Iohannis bap- tiste, qui est repletus spiritu sancto in utero matris. Si autem infantes sunt capaces spiritus saneti, cur non et fidei, que est donum spiritus?

Sexto: Christus lesus adhuc infans fuit filius dei natu- ralis, quomodo igitur alii infantes non possent esse filii ad- optionis, eum Christus ob hane causam in mundum venit et etate crevit, ut declararet omnem etatem deo acceptam esse? Nemo autem potest esse filius adoptionis citra fidem.

Quod autem quidam obiieiunt: infantes nescire aut non intelligere fidem, itaque non posse habere fidem, vana dicunt. Neque enim infantes seiunt, se naturaliter vivere, nesciunt se esse homines, nesciunt se habere corpus et animam. Quis autem tam stupidus esset, ut hinc eoneludat ipsas non vivere, non esse homines, non habere corpus et animam?!

Alii obiiciunt: fides ex auditu est |Róm. 10, 17]. In- fantes non audierunt evangelium, non igitur eredunt. Re- sponsio: Paulus, dum dieit fidem esse ex auditu, sentit de fide revelata. Infantes autem non habent fidem revelatam, sed oeeultam, soli deo cognitam. Nam ut omnes creaturae gemitus habent (autore Paulo dieente [Röm. 8, 22]: Omnis ereatura eongemiscit nobiseum), quos nullus hominum, solus autem deus cognoscit et audit, sic et infantes dono dei occultam fidem habere possunt, quam tamen nee ipsi nec alii homines. solus tamen deus cognoscit.

Ostenso, quod infantes possint habere fidem, sequitur exhortaeio ad preces, que subinde ex aliis atque aliis raei- onibus sumi potest. Prima racio: sumitur ex promissionibus divinis, quibus deus pollieitus est se exauditurum duos vel tres in nomine eius congregatos Math. 18 |V. 20] et Esaie 65 |V. 24]: Erit antequam clament exaudiam ete. Et ut certi essemus de exaudieione, confirmavit illud Christus dicens Johan. 16 [V. 23]: Amen dico vobis, si quid pecieritis etc. In hoe autem loeo eongregati sumus, non in nomine nostro. sed in nomine Christi, videlicet ut institueionem Christi ob- servemus, ut que sunt proximi nostri hoe est pueri recens nati queramus. Sie enim Christus precepit. Certa igitur fiducia orabimus deum, ut sua bona, precipue autem fidem huie infanti eomunicet. quo possit Christum in baptismo in- duere et salutem per baptismum consequi.

Secunda exhortaeio: sumitur ex caritate Christiana, que ad auxilium proximi obligatur Math. 22 |V. 39]: Diliges proximum tuum sicut teipsum ete. Item dileetio proximi implet legem Ro. 13 |V. 10]. Que dilectio animam pro sa-

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lute proximi ponit, ut patet in Abrahamo, Mose et Paulo. Si animam proximo debemus, qualis hie puer est, quia eget auxilio, quantomagis preces etfundere debemus etc.

Tertia racio: sumitur ex pueri respectu, quem apud deum et angelos habent. Angeli enim, inquit Christus Math. 18 [V. 10], vident faciem patris mei in celis. Item ad Hebreos primo ca. |V. 14]: Omnes sunt administratorii spiritus. qui in ministerium emittuntur propter eos, qui heredes erunt sa- lutis. Si ergo angeli, quanto magis nobis conducit ete.

Quarta exhortacio: Sumitur ex peccatis et ira dei, in qua pueri concepti et nati sunt. Infantes enim nihil habent quam peccatum et mortem, ideo in gravissima ira dei. lam deus per prophetam Ezechielem 13 [V. 1315] et 22 [V. 211f.] eapite vehementer irascitur iis, qui non interponunt sepem ire eius per oracionem. Ne igitur et nobis iraseatur, si non oracionibus nostris precludamus viam ire eius. quem |!| habet super puerum hune baptisandum propter peccata. Agite, oremus pro fide ete.

Quinta admonieio: Sumitur ex baptismo, qui est lava- erum regeneracionis, ut Ephe. 5 |V. 26] Christus sanctificavit ecclesiam mundatam lavacro aque per verbum, et ad Titum 3 [V.ö]: Non ex operibus, que sunt iniusticia, que facie- bamus nos, sed seeundum suam misericordiam salvos nos fecit per lavacrum regeneraeionis ac renovaeionis spiritus saneti. Similiter Petrus 1 Petri 3 |V. 21]: Cuius figure nune respondens baptismus nos quoque salvos reddit, quo non carnis sordes abiieiuntur, sed quo fit, ut bona consciencia bene respondeat apud deum. Audis, quante dignitatis sit baptismus? Per baptismum, inquit Christus, salvi efficimur. per baptismum, inquit Paulus, salvos nos fecit deus, per baptismum, inquit Petrus, habemus pactum bone eonseiencie. Oremus igitur pro puero, ut salus per lavaerum ei tribuatur ete.

Sexta adhortacio: Sumitur ab exemplis saere seripture veteris et novi testamenti. Unde Gen. 21 [V. 15ff.] fletum pueri Ismael a matre abiecti!) exaudivit dominus. Si ergo fletus pueri commovit dominum ad misericordiam. quanto magis oracio ete. ltem Mathei 9 [V. 211] et Luce 5 |V. 18ff.| respiciebat dominus caritatem et sollicitudinem baiulorum paralitiei ex fide faetam et paralitieum nihil tale pre infir- mitate postulare potentem sanavit. Ideo oremus et nos pro puero etc.

Septima racio: Sumitur ex miseria pueri, qui totus ab alieno pendet. Jam deus promisit [Ps. 10, 14] se fore orphanorum et viduarum auxiliatorem, proinde exorenus eum puerum hune benigniter suscipere velitis etc.

1) Mser.: abiectus.

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[Octava racio:| Sumitur ex potestate sathane, quam habet propter peeeatum in puerum, vel vietoria Christi super sathanam. Unde dixit [Joh. 16, 11]: princeps huius mundi iam iudicatus est. Orandum igitur est, ut Christus suam vietoriam super sathanam in hoc puero declaret atque ipsum e faucibus eripiat.

Post admonicionem sequuntur oraciones: Si vero infans baptisandus per imbecillitatem omnes expectare non possit. licet aliquas intermittere aut accipiant due prime aut altera sola ante intinetionem.

Oracio: |folgen die Gebete aus Luthers Taufbüchlein 1523 vgl. Richter: K.O.I 7f. Das bei Richter Eingeklammerte fehlt, ebenso der Exorceismus|. Quando infantes baptisandi sint.

De tempore queri potest, quo esset infans commodius baptisandus, num mox post nativitatem suam, ne morte prae- veniatur? Responderi potest ibi consideranda esse duo. utilitatem scilicet et necessitatem. Utile fuerit. ut expec- tetur dies et hora publice eoneionis. ubi ecelesie congre- gacio adfuerit, ut finita concione parvulus precibus ecclesie commendetur. Quodsi necessitas periculi alicuius extiterit, permittitur obstetrieibus, ut domi baptisent, hie vero baptismus domi factus postea censeri debet coram ecclesia; sed ne reiteretur, profuerit autem baptisatos appellaeione nominis sui commendare eeclesie precibus, ut dominus ceptam iusti- ficacionem et salutem in ipsis conservare et provehere velit.

An absque patrino possint baptizari?

An baptizari rite quis possit absque patrino? Respon- detur: Testis non ex necessitate parvuli quidem requiritur. sed propter ecclesiam, que non potest recipere testimonium, nisi quod in ore duum aut trium testabitur |Mt. 18, 16].

Baptismus in strepitu domi factus an legittime sit datus? Item obstetrieum informacio.

Quid, si addubitarent de parvuli baptismo, qui ob ne- cessitatem domi faetus num legittime esset datus, si forte in strepitu et tumultu nemo advertisset? Respondetur: Ecclesia tantum de manifestis iudicat, manifestum vero, non est, quod unus dicit aut dubitat. Quodsi forte ab Anabaptistis aut qui huie secte clam faverint metu penarum ab magistrati- bus suspieio esset, ne mencientes parvulos suos baptisatos esse dieant et offerant in eeelesiam. ita agendum arbitramur: si parentes in ecelesia eoram certis testibus asseverent par- vulum suum domi ob periculum |baptisatum] fuisse, recipiendi erunt eritque minister excusatus. Viderint ipsi parentes in eonspeetu DOMINI, si mentiti fuerint. Ceterum ministri ecclesiarum obstetrices monere debent, ne domi baptisent in necessitatis perieulo, nisi adhibito patrino aut certis testibus,

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qui videant et audiant, qui postea coram ecelesia testari possint. Docendae eciam erunt obstetriees, ut sciant formam baptisandi: In nomine patris et filii et spiritus saneti, quam recitare possint eoram testibus, quin indioent parvulum a se domi baptisatum fuisse. Admonende similiter erunt, ut vo- lentes baptisare parvulos reliquam familiam, que aderit, ad preces adhortentur pro gracia baptismi dieendas, ipso pro- nunciato toto symbolo fidei et respondente patrino baptisent.

Baptismus condicionalis.

Baptismus condieionalis ab ecelesie usu omnino reiiei- endus est. Nam ecclesia certum baptismum habere debet. Condicionalis autem nihil certum statuit.

De parvulis furatis et anabaptistarum.

Àn parvuli anabaptistarum et Iudeorum repugnantibus parentibus vi ablati baptisandi sint? Respondetur: Si avus paternus in baptismum parvuli consenciat aut eum offerat, licet baptisari. Nam avus paternus potestatem super par- vulum habet ordinacione legum civilium, ut in institutis de patria potestate. At de avo materno secus est. Porro ut diserte de hae re disserere possumus |!|, distinguemus duplicem religionem, unam Iudaeorum, alteram anabaptistarum. quorum religio publiee non tolleratur neque ea, que ad religionem pertinebunt, tollerantur; horum itaque parvuli baptizandi sunt eeiam invitis?) parentibus. Si enim in societate eeclesie et rei publicae manere volunt, eam eciam observare debent aut eiiciantur. Tum eciam qui inter Christianos e Christianis nascitur, in societatem ecclesie natus esse iudicatur; videtur igitur ecclesiam habere potestatem offerendi parvulos ad baptizandum. Hee colligi possunt ex Augustino in epistola ad Bonifacium, que est 23?). Et ut furiosis non permittitur pro sua voluntate se aut suos perdere estque pietatis eos prohibere, ita anabaptistis per vertiginosum spiritum nimis supersticione furiosis non permittendum est, ut contra socie- fatem et communem religionem parvulos suos privent bap- tismate. De furioso patre, in euius potestate filius non est, ordinacio civilis extat institutis de nuptiis).

Plurimum eciam refert, ut iste receptus et vetus mos ad baptisandos parvulos conservetur, ne postea confuse fiant ecelesie in adultis, de quibus sepius dubitabitur, quisnam baptisatus necne esset. Nihil enim nune habemus cereius

1) Vgl. Iustiniani institutiones I tit. 9 8 3.

*) Mser.: invitus.

3) Vgl. Migne: patr. latina Bd. 33 pag. 559ff.

4) Vgl. Institutiones Iustiniani I tit. 10 principium.

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quod opponamus anabaptistis obieetantibus nobis baptismi nostri ignoraneiam, quam quod ad publieum morem et ad nostros patrinos provocamus, qui nostri baptismi certi sunt testes.

Religio autem Judeorum publicis legibus et privilegiis toleratur eum suis privatis synagogis eorum; itaque parvuli ad baptismum rapiendi non sunt.

Utrum parvuli nondum integre nati sint baptizandi?

Accidit, idque non admodum raro, quod ob difficilem par- tum parvuli vita in perieulo mortis versetur, antequam integre enixus sit, nunquid igitur lieebit adhibere baptismum illi membro, quod prominet? Respondetur: Non licet; non enim potest renasci, quod natum nondum est, renasci enim !) pre- supponit natum fuisse. Homines baptismum suscipere debent. At proles nondum plene edita in societatem hominum non- dum venit. Neque leges pro posthumo habent existentem in utero materno, nisi intra parietes vagitum ediderit?). Es sol kain erb sein. er hab dan die vier wend beschrauwen.

An parvuli necessario toti sub aquas sint immergendi propter misterium et signifieaelonem mortifieacionis. cuius tinetio signum est? Respondetur: In huiusmodi agendis ob- servanda est loci consuetudo, nihil autem videtur distare inter aspersionem et immersionen, quantum ad misterium?) et significacionem pertinet. Solet eciam seriptura indifferenter loqui de ablueione sive inmersione, sieut ait: Abluo peccata tua etc. et vocatur baptismus lavacrum regeneracionis "Act. 22.16 Tit. 3,5].

An saeramentarii, qui contra eeclesie usum de sacra- mento perperam seneiunt, patrini sint admittendi?

Quodsi minister tales civiliter et commode repellere posset, quemadmodum si quis semel aut iterum in anno in publicis coneionibus expliearet artieulos fidei asserens patrinos hoc animo et hae opinione admitti, quod fateantur eandem in arti- eulis fidei exposicionem et eandem nobiseum de sacramento cene tenere sentenciam, qui lioc modo absterreretur, ne fieret patrinus, melius esset. Similiter qui de anabaptistieo dogmate suspectus esset aut nondum fuisset in carcere aut vinculis confessus neque esset dogmatista, tales iure vix repelli possent ab offieio patrini, neque enim impietas parentum aut perfidia patrini nocebit parvulo baptizando. Ut vero tales non repellantur, ideo cavendum, quia earemus policia ecclesiastica; non habemus senatum, qui senteneiis collectis iudicialiter pronunciandi autoritatem habeat, neque lieet soli ministro iudicandi publice potestatem arrogare, aut non

1) Mskr.: non. 2) Vgl. Codex Justin. VI tit, 29 lex 3. *) Mskr.: ministerium.

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accusatum neque iudicatum publica ignominia afficere, quo esset cum a publico officio repelleretur. Qui in tormentis perfidiam est confessus pertinaciter aut dogmatista sit, non admittendum eum censuerim, eo quod de facto sentenciam ipsi de se dixerunt excommunicacionis. |

Quid vero cum iis agendum, qui libertatem pretexerent Christianorum baptisandi tempus liberum esse asserentes, ideo pueros suos offerre ad baptisandum, donee sibi libuerit, volunt? Respondetur: Verum quidem est liberum esse bap- tismum in se, hane quidem libertatem novisse Christianos decet. Attamen in his rebus eireumstaneie sunt eonsiderande, que charitatem offenderent, si iuxta scieneiam agere velim, ut dieitur [1. Cor. 8. 1|: sciencia inflat, charitas edificat, modo caritas quod utile fuerit proximo promovet, quod vero offenderit, cavet. Ex ea igitur baptismi dilacione suspicio apud alios esse poterit, quod fiat ob eonsensum in anabaptismum, quam nemo bonus de se prebere debeat. Tum eciam aliis dubi- tacionem de suo baptismo, num parvulus baptisatus fuerit aut ne, sui parentes pretextu libertatis differre maluerint, donee in oblivionem baptisandi devenerint. Propter has circumstancias earitati quilibet debet pocius studere, que, ne alios offendat, publieum morem observat. Ob easdem causas a magistratibus cogendi sunt, qui forte pertinaciores fuerint de baptismo longius differendo.

5. Quaestiones quaedam, quae circa cenam dominicam agitari queunt. Et compendiose responsiones earum.

Aueh für diese Ausführungen gibt unser Codex die Autorschaft von Brenz nicht an. Zahlreiche Berührungen aber mit den Gedankengängen von Nr. 4 lassen denselben Autor wie dort erschließen, beide Nummern stehen oder fallen zusammen. Inhaltlich handelt es sich zunächst um die Frage, ob sittlich AnstóDige zum Abendmahle zuzulassen sind? Die Antwort reguliert sich nach dem uns schon be- kannten Grundsatze (vgl. Nr. 4): caremus policia ecclesiastica et publicis iudiciis. Danach ist der kirchenrechtliche Aus- schluß vom Abendmahl nicht gestattet. Man darf die An- stößigen nur ermahnen, vor Besserung ihres Wandels nicht zum Abendmahl zu kommen; lassen sie sich dadurch nicht abschrecken, so ist die Kirche mit ihren Maßnahmen zu Ende, sie muß diese „Unordnung“ hinnehmen; als Vor- beugungsversuch kann sie nur in wiederholter Predigt zur Sakramentsenthaltung mahnen. Vielleicht auch, daß die trotz

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Abmahnung zum Sakrament Gehenden schon heimliche poenitentiarii sind! So salviert Brenz hier das kirchliche Gewissen, genau so wie er bei der Taufe sich salvierte mit dem Gedanken, die Patenschaft der Ungläubigen werde den Kindern nicht schaden. Es verdient aber diese Stellung zur Kirchenzucht besondere Heraushebung, sofern Luther und die Reformatoren sonst den Abendmahlsausschluß als sog. kleinen Bann vertreten (s. Friedberg in RE? 2.383). Offen- bar ist die Brenzsche Anschauung die konsequentere, indem sie von der Gemeinde als Glaubens- und Liebesgemeinschaft die der Obrigkeit als „äußere Christenheit" zustehende Polizeigewalt auch in der Form der Bannzucht ausschließt. So scharf wie möglich sollen die beiden Kreise: christliche Gemeinde (innere Christenheit) und christliche Gesellschaft (äußere Christenheit) geschieden bleiben.

Weiter wird nach der Art der Beichte gefragt. Beichte und Absolution sollen öffentlich sein, doch soll man vorher die Kommunikanten fragen, ob sie vielleicht etwas heimlich auf dem Herzen hätten, das sie beschwere; in dem Falle. so muß man ergänzen, sollen sie diese Beschwernisse privat beichten.

Dritte Frage: Darf man Fremde zur Kommunion zu- lassen? Es ist Vorsicht zu beobachten. Die Betreffenden müssen den Unterschied zwischen der papistischen und unserer, wahren, evangelischen Kommunion kennen; sie müssen ehrbar und unanstößig sein. Eigenartig macht sich also hier wiederum das Gemeindeprinzip geltend; während anstößige Gemeindeglieder nicht zurückgewiesen werden können (s. 0.), ist die Zurückweisung möglich bei Fremden. Man soll sie zudem ermahnen, keine papistischen Messen zu besuchen; denn die Messe ist im Sinne der römischen Kirche Bekenntnisakt für die Laien. Freilich, wer unter obrigkeitlichem Zwange die Messe besucht, dem mags hin- gehen, vorausgesetzt, daß er sein lediglich pflichtgemäßes Handeln vorher irgendwie kundgibt. Denn in puncto con- fessio, Bekenntnis, darf kein Zweifel herrschen. Auf alle Fälle verboten ist das offerre, d. h. offenbar die Teilnahme am MeBopfer durch Knieen,

Die Fragen an den Kommunikanten (scil. bei der

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Privatbeichte, s. o.). Deutlich tritt bei ihnen die antikatho- lische Tendenz heraus. Der Beichtende soll sich allein auf die göttliche Gnade verlassen und die communio sub utraque als die stiftungsgemäße betrachten. Daneben wird eine Tendenz gegen die Sakramentierer deutlich; es wird das Problem aufgerollt, wie der Glaube an das Sitzen Christi zur Rechten Gottes neben dem seiner Anwesenheit im Sakramente bestehen kann? Gut Lutherisch lautet die Ant- wort: in jener Welt, in der nun Christus lebt, gibt es keine verschiedene Örter im Angesicht Gottes, wie jetzt auf Erden im Angesicht der Menschen. Vor Gott sind alle Örter ein Ort, deshalb kann Christus zugleich an zwei verschiedenen Orten sein; auch das Abendmahl ist eine res coelestis, darum ist Christus auch bei ihm „im Himmel“. Der Zweck des Abendmahls ist Stärkung der Glaubensschwäche; daher sind Früchte des Glaubens, die im einzelnen aufgezählt werden, nach dem Sakramentsgenusse zu erwarten. Weiterhin bietet Brenz Formulare, die ante communionem zur Weckung des Glaubens gesprochen werden sollen, offenbar öffentlich. Das erste variiert das Motiv: Christus unser hospes, und klingt aus ins Vaterunser; das zweite behandelt das Motiv: die Gaben des Sakramentes, das dritte die Erkenntnis Gottes hübsch ist hier das Bild: das Abendmahl ein Fenster vor dem Herzen Christi —, das vierte die Heiligung vor dem Abendmahle, das fünfte die Sündhaftigkeit als die rechte Heiligung vor dem Sakrament.

Die chronologische Einordnung dieses Stückes hat eine Handhabe an der Erwühnung der Erlaubnis Luthers an die Fürsten, pflichtgemäß bei der Messe zu stehen, weil sie ihr Bekenntnis dargeboten hatten. Das kann sich doch nur auf die Überreichung der Augustana am 25. Juni 1530 beziehen, dieser Tag also wäre der terminus a quo. Aber wo hat Luther diese Erlaubnis gegeben? Mir ist es nicht gelungen. eine entsprechende Äußerung Luthers ausfindig zu machen, auch Anfragen bei den Herren D. D. Kawerau, Kolde u.a. waren ergebnislos, möglicherweise handelt es sich um eine mündliche Auskunft Luthers, die Brenz weitergab; daß das Thema in der Luft lag, zeigen die Vorgänge auf dem Augs- burger Reichstage (die Fronleichnamsprozession vom 16. Juni!)

Archiv für Reformationsgeschichte IX. 2. 8

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und die Luther-Korrespondenz (vgl E.A. 54,154 if, Enders 7,385 ff., 8, 11f) zur Genüge. Einen terminus ad quem zu bestimmen, ist kaum möglich. Es kann sich auch um eine Anfrage handeln, aus dem Fürstenkreise, die erheblich nach dem Augsburger Reichstage fällt; Luthers Äußerung hätte dann darüber belehrt, wie sich Fürsten in einem analogen Falle wie dem zu Augsburg zur Frage stellen sollten. Darf man das ganze Stück mit Nr. 4 verbinden. so würde sich die Ansetzung + 1530 nach 25. Juni empfehlen.

Questiones quedam, que circa cenam dominicam agitari queunt. Et compendiose responsiones earum.

Num adulteri, ebrii, avari ete. sint admittendi? Respon- detur: privatim et clam sunt diligenter admonendi, ne ad sacram cenam accedant, donee a peccatis suis resipuerint ad vite emendacionem. Quodsi privata admonieione absterreri nolint, nequaquam lieet eos vi et cum ignominia publica repellere. Caremus enim policia ecclesiastica et publicis iudiciis; ferenda quippe est hec inordinacio pocius quam temere absque iudieiis condemnare. Attamen ministri debent bis aut sepius in anno uno admonere eos, qui tam impuri sunt in vita, ut a comunione abstineant altaris, ne simul at- que deum sua temeritate otffendant et ecclesiam sua impuri- tate gravant['] affieientes eam ignominia.

Tum eciam addendum erit in publieis concionibus, ne ecelesia (eum tales peccatores admitti viderit) eos diiudicet eo quod suspiria et eoneuciones cordis eorum non videant; fuerunt quidem manifesti peccatores, at nune pocius censeant eos occultos penitenciarios. Sic enim charitas solet nihil mali eogitare de his, quos videt vel in speciem bene agere.

De confessione queritur, quam prestare debeant comuni- eaturi? Respondetur: Seripture clare docent, eui debeamus peccata nostra confiteri. Verum, ne obmittatur, cum inter- rogentur comunieaturi, si quid clam habeant questionum, quo conseiencie labefaetate sue fuissent. Postea generalis seu publica confessio premittenda est, quam eeiam sequatur publica consolaeio.

De peregrinis, qui aliunde in nostras ecelesias con- fluunt, quid respondendum fuerit, eum ad nostram comu- nionem recipi petiverint? Respondetur: ne facile admittantur, nisi discrimen habeant inter papisticam eomunionem et nostram veram; item, ne alibi ob vite impuritatem abieeti fuerint, sed sint honesti, qui diligenter de cruce persecucionis premuni- antur et doceantur, ne facile postea ad defectionem deseiseant. Tum eciam dehortandi sunt, ne missas papistieas ingrediantur.

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Nam hec fere laicorum quos vocant confessio est; ideo enim coguntur ad templa sua presto esse tempore sacrificiorum, ut videantur dogma illud non sequi aut abiicere, quod de vero usu cene in evangelio docetur.

Ceterum qui sub magistratu subditus est et propter eomitatum principis sui missas ingreditur, videtur esse tollerabile; sed tune, quando missarum blasphemias ante eonfessus est, quemadmodum si quis exciperet coram prin- cipe suo se non propter religionem intrare ad missas, quas eredit esse inutiles et abominabiles, sed propter officium, quod illi debeat. Sicut D. Lutherus!) permisit principibus offieii prestandi graeia Cesari, ut eum ipso ad missas pre- sentes adstarent, eo quod confessionem suam obtulissent. Seeus est, ut dixi, de privatis aliis, qui coguntur ad sacrificia nulla de se adhuc exhibita de impietate missarum confessione. Item ut poteris adesse officii causa missis, nequaquam tamen licebit offerre, ne cum impietate comunices et coin- quineris coram?) hominibus. Si quis itaque prorsum abs- tinuerit a sacris illis impiorum, melius facit et securius vitat offendieulum. At confessis seeundum indulgeneiam permitti- mus, non iudicamus, si propter studium dominorum suorum fecerint.

Interrogaeiones, que a comunicaturo requiri possunt:

Agnoscisne te graviter adversus deum peccasse et nullum ex praeceptis eius plene ac recte observasse? Ag- noseisne te peccatis tuis optime meritum esse perpetuam damnacionem, et deum posse te iusto iudicio inferni ignibus tradere? Faterisne te nullis tuis operibus, nullis meritis tuis, nulla iusticia tua, nulla virtute tua posse peccata ex- piare et pro peccatis tuis satisfacere ac plaeare iram dei super peccata tua conceptam? Credisne, quod solus Jesus Christus sit meritum, iusticia, virtus et sanctitas tua? Petis igitur cenam dominicam a Christo institutam? Credisne hane eenam ita institutam, ut non solum panis distribuendus sit, sed eciam vinum? Unde certo cognoscis hoc sie a Christo institutum esse? Respondeo ex verbis Christi dicentis: Bibite ex hoc omnes ete. [Mt. 26 V. 27]. Credisne, quod Christus in pane distribuat corpus suum edendum et in vino sanguinem suum bibendum? Credisne Christum sedere ad dextram patris in eelis? Si ergo Christus in eelis sedet, quomodo corpus eius est in pane? Respondetur: In altero seeulo, in quo nune vivit Christus, non sunt distincta loca in conspectu dei sicut loea in hoe seculo in conspectu hominum. Sed sicut coram deo omnia tempora unum momentum sunt, ita coram eo

1) S. dazu die Einleitung. 2) Mskr.: coinquinaris quam. N*

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omnia loca unus locus sunt. Itaque etiamsi corpus Christi sit in celo, tamen eciam est in cena dominica, propterea quod et cena dominica res sit celestis, et coram deo non distinguatur localiter a celo. Ad quid postulas cenam domi- nicam? Respondeo: ad confirmandam imbecillitatem fidei mee. Nunc enim tentor a iudicio peccatorum, nune a gra- vitate afflietionum, nune ab horrore mortis, nonnunquam dubitem, num deus me adhue respiciat? num adhuc mihi propieius sit? Aceipio igitur cenam dominicam, ut hoe externo signo confirmetur consciencia mea. quo certius reddar, deum adhue me respicere et propicium esse mihi per Jesum Christum filium suum, qui mihi corpus et sanguinem suum donavit ete. \isne ob hane graciam ac miseriam tibi a Christo exhibitam dignos peniteneie fructus facere?

Possunt autem digni penitencie fructus eciam articulatim inquiri :

Visne solum deum per Jesum Christum et non homines demortuos in adversis tuis invocare?

Visne publicis et legittimis ordinacionibus ac parentibus ' tuis obedire?

Visne blasphemias nominis dei et execraciones vitare?

Visne fratri tuo iniuriam tibi illatam ex animo remittere?

Visne pauperes pro tua facultate adiuvare et ablatum restituere?

Vis usuram vitare? Vis ab ebrietate declinare?

Vis eastam vitam sive in matrimonio sive in celibatu ducere?

Et si que sunt alie id genus questiones, quas unusquisque parochus pro sua prudeneia communicaturo iuxta temporis et persone qualitatem ae racione e preceptis dei proponere potest, si libet.

Exhortacio ad fidem ante communionem cene dominice ducta ex eommendaeione Christi hospitis:

In institucione eene dominice illud precipue nobis pro- ponitur et inculeatur, quod Jesus Christus dominus noster corpus suum, quod pro nostris peccatis in cruce obtulit, nobis ad vescendum dederit et sanguinem suum, quem ad emenda- cionem peccatorum nostrorum effudit, ad bibendum exhibuerit. Quod quid aliud est quam quod Christus Jesus unigenitus ile dei filius non solum in hospites suos nos invitet, verum eciam se ipsum pro cibo et potu proponat. Considerandum igitur est, qualis ille sit, qui nos invitet et se ipsum pro cibo ac potu apponat, ut ex cognicione hospitis incitemur ad maiores graciarum actiones et ut maiori veneracione convivium illud pereipiamus. Est autem Jesus Christus unigenitus dei filius ab eterno ex patre eelesti deus genitus, in plenitudine tem-

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poris, ex virgine Maria homo natus [Gal. 4, V. 4], per quem omnia sunt condita, qui est equalis potencie et glorie cum patre. rerum omnium dominus, qui tanto amore nos miseros peccatores complexus est, ut propter nos exinaniverit se ipsum forma servi assumpta, in similitudine hominum con- stitutus et figura repertus ut homo |Phil. 2, £.] humilem pre- buerit se ipsum, factus obediens usque ad mortem, mortem autem crucis. Et cum alius pro bono ac iusto homine mortem non sustineret, tamen Christus, ut commendaret charitatem suam erga nos, pro nobis impiis mortuus est propter delicta nostra et resurrexit propter iustifieacionem nostri [Róm. 5, 8. 4,25]. Cum ergo talem ac tantum habeamus hospitem, qui ad convivium suum nos vocavit, qua, obseero, reverencia, qua observancia, qua obediencia ipsum adeamus?! Non enim existimandum est, quod Christus ante passionem suam hane cenam ita preparaverit, ut tunc quidem presens fuerit, nunc autem absens. Absit hec cogitacio. Qui tune cenam preparavit, idem nune quoque preparat. Nos ministrorum loeum tenemus. Qui vero illa consecrat, sanctificat et invitat, idem ipse est omnia illa potenti suo verbo perficiens. Hec autem observancia et reverencia ipsi acceptissima est, si verbum eius audiamus et custodiamus illud. Ait enim [Me. 3. 35]: Mater mea et fratres mei hi sunt, qui sermonem dei audiunt et faciunt illum. Et alibi [Le. 11,27 f.|: Beatus quidem venter est, qui me portavit. Sed pocius beati sunt, qui audiunt verbum dei et custudiunt illud. Audimus autem nune verbum dei, videlicet quod Christus propter peccata nostra mortuus sit et propter iustificacionem nostri resur- rexerit, et quod corpus et sanguinem suum nobis in cibum ac potum prebuerit, ut fide illa accipientes participes remis- sionis peccatorum et vite eterne efficiamur. Hoc ergo ver- bum capescenduin est et custodiendum. Custoditur autem fide; fides enim memoria est firmissima, unde nihil verborum dei elabitur. Custoditur eciam dignis fructibus penitencie seu fide. Itaque credamus Christum esse nostram iusticiam et sanctificacionem, credamus corpus Christi esse vitam nostram et sanguinem eius expurgacionem peccatorum. Deinde proferamus huius fidei fructus et maiori observancia, maiori reverencia hospitem nostrum adire non poterimus. Orabimus igitur, ut Christus in nobis fidem augeat et vires prebeat, quo fide fructus proferre queamus dicentes: Pater noster.

Alia ducta ex commendacione cibi et potus cene do- minice: In cena dominiea proponuntur quidem nobis panis et vinum, sed in his visibilibus rebus commendavit nobis Jesus Christus corpus et sanguinem suum invisibiliter. Videamus igitur, quam splendidus, quam sumptuosus, quam opiparus cibus ae potus in hoe eonvivio nobis apponantur.

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Ne illud Pauli [1. Cor. 11, 29] audiamus: Qui edit aut bibit indigne, iudicium sibi ipsi edit et bibit, non diiudieans corpus domini. Est autem corpus seu earo Christi, quemadmodum Christus ipse Johan. 6 [V. 51| docet, vita mundi. Nam cum dominus deus noster Adamum parentem nostrum in paradisum collocasset et prohibuisset ei, ne vesceretur de fructu arboris sciencie boni et mali, quocunque, inquiens, die comederis ex eo, morte morieris [1. Mos. 2, 17]. et ille contra mandatum dei de fructu arboris illius vesceretur, continuo veram mor- tem et eorporis et anime eomedit. Mors autem secum veluti comites traxit omnes corporales afflietiones, omnia morborum genera, omnes ealamitates, omnes tristicias animi, omnes maledictiones et eternam damnacionem atque interitum. Unde statim post esum pomi eiecit deus hominem e paradiso, ut scriptura testatur |1. Mos. 3, 22|, ne forte mittat manum suam et sumat eciam de ligno vite et comedat et vivat in eternum. Aique ita per Adam mors intravit in mundum et regnavit super omnes homines |Röm.5 V. 14], ut quotquot ex Adam generarentur, depulsi et abieeti essent, ne fructum seu cibum ex arbore vite decerpere possent. Posteaquam autem Christus Jesus advenit, rursus nobis arbor vite revelata est, ut ex ipsa fructum pereipiamus. Est enim Christus ipse vera vita et sicut seipsum vocat [Joh. 6, 49 ff.| panis vite. Apposuit autem in convivio cene dominiee corpus suum in pane et dedit potestatem, ut, quotquot ex fide corpore illo vescerentur, pomum seu cibum vere vite pereiperent. Et hee de corpore. Sanguis vero Christi est emundacio a peccatis. Sicut enim seribitur 1. Johan. 1 [V. 7]: Sanguis Jesu Christi emundat nos ab omni peccato; in lege quidem omnia purificabantur sanguine taurorum et hircorum et Mose testamentum suum sanguine dedicavit |Heb. 9|, insuper tabernaculum et omnia vasa ministerii sanguine sanetifieabantur. Sed hee sancti- fieacio tantum ad carnis purificacionem proficiebat, non ad purgacionem anime. Non enim potest sanguis taurorum et hireorum auferre peccata, sanguis autem Christi talis est, ut purget conscienciam nostram a mortuariis peccatis ad ser- viendum deo viventi . . . [ete.]

Alia exhortaeio ducta ab officio pii hominis, cuius inter- est deum cognoscere.

(t) Wir sollen Gott über Alles lieben; dazu aber müssen wir ihn kennen. Gott aber wird nur durch Christus er- kannt, Christus aber wird am besten im Abendmahl erkannt: Est enim cena dominica veluti fenestra ante cor Jesu Christi

) Das ff. ist eine kurze Inhaltsangabe des von Brenz lateinisch Gebotenen.

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posita, per quam dilucide perspici potest, qualis sit affectus Christi erga nos.]

Alia exbortacio, quod nemo nisi sanetus cene dominiee particeps esse debet.

[Wie Gott zu Mose [2. Mos. 19, 10] sagte, er solle erst das Volk heiligen, bevor es das Gesetz empfinge, so müssen wir vor dem Abendmahl uns heiligen. Das geschieht nicht in honestis et civilibus virtutibus ae operibus, denn mit allen unseren Werken bleiben wir unnütze Knechte. Auch in angeblichen Wundern besteht nicht die sanctitas, vielmehr ist unsere sanctitas Christus, den wir im Glauben ergreifen.]

Alia exhortaeio. quod nemo nisi peccator debet esse particeps eene dominice.

[Das ist kein Widersprueh zur vorhergehenden Er- mahnung, denn: soli peccatores sunt sancti. Unter pecea- tores sind die zu verstehen, welche ein lebendiges Sünden- schuldbewußtsein in sich tragen.]

6. Brief von Brenz an Georg Vogler, Montag nach Egidii 6. September [1529] mit Beilagen.

Der Brief von Brenz an Georg Vogler ist in Hartmann- Jügers Brenzbiographie Bd. I S. 440 ff. bereits zum Ab- druck gekommen. Es geht aus dem Briefe hervor, dab Vogler an Brenz ein „Verzeichnus von dem brauch der zween saeramenten“ geschickt hatte mit der Bitte um Beurteilung. Dieses „Verzeichnis“ bieten wir im Folgenden. Brenz ist mit dem ersten Teile. den Ausführungen über die Taufe, einverstanden gewesen, er hat sie ,vast gerne gelesen und ist meins verstands also wie begriffen recht glaubt*. Die Taufe wird gefaßt als Sakrament der „Einleibung und Ver- einigung“ mit Christo; sie ist ein sichtliches und greifliches Ding, an das unsichtliche Wort gebunden. daher von gleicher Kraft wie das Wort, ein Siegel und Zeugnis für alles, das der Glaube aus dem Worte erhofft. Der durch die Taufe in Christus Einverleibte darf sich Christi und seiner ganzen Herrlichkeit rühmen. Der Verfasser polemisiert gegen eine falsche Anschauung von der Taufe, nach der jeder Täufling persönlich („in sunderheit“) der Sünde absterben muß, auch an seinem Fleisehe. Das kann meines Erachtens nur gegen die Täufer gehen. die die persönliche Heiligkeit von ihren getauften Mitgliedern forderten, während der Verfasser den Tod Christi als die prinzipielle Überwindung der Sünde

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faßt, deren der Einzelne dureh den Glauben teilhaftig wird. (Man erkennt aber hier deutlich die gefährliche Klippe der Lutherischen Rechtfertigungslehre, die die persönliche Ethik des Einzelnen unberührt lassen konnte). Der Gläubige hat im Glauben an Christus prinzipiell die Sünde überwunden, fällt aber tatsächlich noch „zu zeiten* in Sünde; doch schadet ihm die Sünde vor Gott nichts, da er in Christus einen Für- sprecher bei Gott hat. Er empfängt außerdem in der Taufe den Geist, der ihn immer treibt, des Fleisches Geschäfte zu töten, sodaß die Taufe ihre Kraft durch das ganze Leben bewährt. Der Christ ist ein Doppelwesen, fleischlich und geistlich, Sünder und gerecht, Geist und Gerechtigkeit aber gibt die Taufe. In ihr hat man „den ganzen Christus“. Man versteht ohne Weiteres, wie Brenz diesen gut lutherischen Gedankengängen seine Zustimmung geben konnte.

Weniger ist er mit den Darlegungen über’ das Abend- mahl zufrieden. ,Von dem Nachtmal seyen etlich punkten, so mich ansehen, als wolle diser mit worten die gegen- wertigkeit des leibs im nachtmal bekennen und im grund verleucknen.“ Auch das versteht man. Der Verfasser stellt an die Spitze den Satz, das Abendmahl diene dazu, die Taufgnade ins Gedächtnis zu rufen, „dazu hat Christus uns sein leib und blut in dem sacrament des altars zu seiner gedächtnis zu niessen befohlen.^ Das mußte nicht Zwing- lianisch verstanden werden, war auch nicht Zwinglianisch remeint, aber es konnte misverständlich wirken. In seinen Darlegungen setzt der Verfasser die Realpräsenz gewiß voraus, aber sie ist ihm nicht eigentlich wertvoll, der Nachdruck fällt auf das Gedächtnis an Christi Tod oder auf die Gemeinschaft der Gläubigen. Er nennt die Speise und den Trank „geist- lich“, sie können daher auch nur „im Geist und Glauben“ genossen werden. Irgend etwas Besonderes neben der Taufe gesteht der Verfasser dem Abendmahl nicht zu. „Und ist also bey diesem sacrament gar nichts erstlich zu suchen, das nicht zuvor durch den glauben im tauf gefunden war.“ Hier empfand der Lutheraner Brenz doch eine Lücke. Ihm misfiel insbesondere, daß der Verfasser Joh. 6 auf das Abend- mahl deutete. Das lehnt Brenz mit Luther ab. Auch darin kann Brenz dem Verfasser nicht zustimmen, daß das Abend-

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mahl als Freudenfest betrübten und beschwerten Gewissen nicht zu reichen sei. Für Brenz hat das Abendmal doch die Kraft, von der Traurigkeit zu entledigen. Betreffend die Prüfung vor dem Empfang des Sakramentes tritt Brenz ge- genüber dem Verfasser dafür ein, daB es sich nicht nur um ein Gedenken an die durch Christus erhaltene Gnade handle, sondern auch um eine „Bewegung seiner Sünde und Un- geschicklichkeit“, denn die gehöre auch zum „auf den Glauben seben.^ Darin stimmt Brenz dem Verfasser zu, daß eine besondere anderweitig noch nie hervorgetretene VerheiDung bei dem Abendmahle nicht zu suchen sei, es handle sich nur um eine „neue Weise“ der Bekräftigung einer alten Verheißung. Gebt aber aus den Worten des Verfassers ein deutliches Zurückschieben der Realpräsenz hervor, so stößt er in punkto Konsekration mit Brenz ernstlich zusammen. Er kennt keinen besonderen Weiheakt, sondern will die „Konsekration* gesetzt wissen in die Austeilungsworte beim Reichen des Brotes und Kelches. Sofort aber fürchtet Brenz davon eine Aufhebung der Realpräsenz; er verlangt einen besonderen Konsekrationsakt und will auch das ge- weihte Brot und den geweihten Wein nach der Konsekration ein für alle Mal Leib und Blut Christi bleiben lassen, während für den Verfasser sie außerhalb der Weihung „gemein Brot und Wein“ sind. Das „ungläubige Essen und Trinken“ hatte der Verfasser aus der historischen Situation heraus von einem „Mißbrauch und nicht nach der rechten Weise essen und trinken“ verstanden, nicht etwa von einem wirklichen Unglauben. Darum auch hatte er in der Strafe des „Gerichtes“ nur eine Züchtigung und Mahnung erblickt, nicht aber die ewige Verdammnis. Denn der Ungläubige empfange nur Brod und Wein, nicht aber Leib und Blut Christi. Anders Brenz: der Ungläubige empfängt Leib und Blut Christi, aber nicht die damit verknüpften Güter; er ißt und trinkt zum Gericht, d. h. zur ewigen Verdammnis. Ja, Brenz geht der Argumentation des Verfassers gegenüber so weit, zu behaupten, daß eine Maus oder Ratte, die kon- sekriertes Brot frißt, Leib und Blut Christi in sich aufge- nommen hat!

Wer der Verfasser des Gutachtens war, hatte Vogler

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an Brenz nicht mitgeteilt. Dieser nennt ihn „ein klugen, feinen Mann, er sei, wer er woll“ und bittet, ihn zu grüßen. Wer er ist, vermag ich nicht zu sagen, Althammer ist aus- geschlossen, da er in der Abendmahlfrage ganz auf Lutherisch- Brenzschem Standpunkte stand. Sollte es Rurer sein, oder gar Vogler selbst? Jedenfalls eine Persönlichkeit, die die Härten des Lutbertums in der Abendmahlsfrage zu mildern bestrebt war. Noch ist zu bedenken, daß der Verfasser eine tägliche Kommunion voraussetzt.

Was die tauff bedeut und warzu sie dem getauften diene.

Christenlichs wesen, sovil unser rechtfertigung gegen gott in disem leben angehort, steet samptlich in zweyen stücken: das ein ist, das wir der sund absterben, das ander ist, das wir der gerechtigkeit widerumb lebendig werden sollen, welches dan einig die recht bus ist, die Johannes gepredigt hat, und zu der Christus die sünder zu fordern in diese welt kommen ist: Luca 5. [32 ff| Dieweyl aber solche pues zu thon menschlichem vermügen ganez unmuglich ist, hatt gott unserer schwachen wollen zu hilf komen und uns also Jesum Christum zu einem mitler fürgestelt Ro. 8 [32]!) der meinung, das wir an im suchen, finden und zu aigin haben solten alles, was uns auf) unser schwacheit mangelt zu solcher bues. und dits durch mitlung des glaubens. Nemlich so wir von hertzen glauben und bekennen, das dieser ein son gottes uns zu einem hayland von dem ewigen vatter gegeben sey, der unser sünd' alle auf sich genomen und an das ereutz gehenekt hat, und also uns mit seinem plut und todt bey ge- nantem seinem vatter versont und gentzlich zu gnaden ge- bracht hatt, das wir alsdan in craft solehes glaubens tevl- haftig sein sollen alles des, was Christus hatt und ist, ja, das wir auch Christus selbs sein sollen. Dan also hatt es gott wolgefallen, das, wie wir im Adam sterben, das wir also auch in Christo widerumb lebendig werden sollen [1. Cor. 15, 22], das ist wie wir in Adam gesteckt und eins mit im gewest sein, da er gesundigt hatt?) das also die sund und todt von im in uns erblich geflossen ist, dermassen das ein einige sund, die auch nur ein mal im an- fang der welt volnbracht, uns ydoch, sovil unser bisz zu endt der welt geborn werden. alle begreyft und verdampt, ob wir gleveh ausserhalb derselben sunst gar keine mehr thetten,

1 Am Rande: In gerechtigkeit zu leben feilt uns, darumb ist Christus komen unser mangel zu erstatten das aber geschicht durch daz mittel-glauben.

2) Zum ff. am Rande: Nota.

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und dis allein umb der einleybung willen, mit der wir alle eins im Adam, ja, der Adam selbs gewesen sein. Also auch, so wir in Christum durch den glauben ein- geleybt, und eins mit im worden sein, das sein leiden und todt für die sund, so er an dem creütz under Poncio pilato ein mal erstanden hat, darzu auch sein gerechtigkeit, die er am dritten tag darnach mit seiner geweltigen urstend vor aller welt bezeigt hatt, uberflüssig an uns alle, die wir glauben, aus- flies. Also das dise zwey uns in Christo zugeeignet uns vol- komenlich vor gott zu gnaden bringen und rechtfertig machen. Ob wir gleicb ausserhalb derselben nichs mer haben und dis auch gleicher maß umb der einleybung willen, mit der wir Christo durch den glauben vereinigt und eingeleibt sein. Und eben dis maint Paulus Ro. 5!) [folgt freies Zitat V. 17 u. 18].

Nun dieweyl aber solchs, so man es allein durch das gotlich wort lert, gantz geistlich und deshalber menschlicher blodigkeyt etwas zu scharpf und unbegreiflich ist, hatt gott auch in disem fall durch freüntlichs mitlevden unserer schwachheit wollen heltfen, und nicht allein mit seinem wort, sonder auch durch ein gewislich leiblich saerament uns solcher vereinigung und einleibung mit seinem son in dem glauben gwiß machen wollen, und also verordnet in die welt auD- zurüeffen: weicher glaubt und getauft würdt, der würdt seelig (Me. 16, 16], das also die tauff als ein sichtiglich und greyflich ding an das unsichtlich wort gebunden und gleiche kraft mit im haben soll, und das sie ein sigel und gezeucknus sein solt alles des, das sich der glaub auD gehortem gotlichen wort annimpt?).

Nun nimbt sich aber der glaub alles des an, das von der herlichkeit Christi gpredigt würdt durch das götlich wort. [folgen Bibelstellen in freiem Zitat Joh. 1, lif, Röm. 6, 1ff., Col. 2, 1ff., Eph. 2, 11f., Joh. 5. 19ff., Röm. 8, 17, 1. Cor. 6, 3ff.] Aber solehs alles, das es ye der mensch begreyffen mag, wurdt es im durch den tauff in dem wort gegeben bezeügt und versigeltert, das also getauft sein noch apostolischer art nichs anders ist dan Christo eingeleibt unnd gantz einer mit im worden sein?) Also das sich der getauft mensch in eraft seiner tauff warlieh rhümen mag des gantzen Christi und aller seiner herlichkeit als eines aiginthums, das er auch daruf trutzen mitg und in solcher herlichkeit alle seine feind, sündt, welt, teuffel, hell ete. und auch sein aigin fleisch verachte und under die fues trette.

1) Am Rande: Roma. ».

23 Am Rande: Der Tauf ist ein leiblich zeichen, dem wirt an- gehenckt welches vergwist [?| der einigung Christi.

3) Am Rande: Christus et fidelis in baptismo uniuntur.

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Unnd das ja dises der einig und recht brauch der tauf sey, den auch die apostel nicht anders gelert haben. beweyst sich erstlich aub der epistel Pauls Ro. 6 [folgt Zitat von V. 1 bis 11, frei]. Alhie sicht und greyft menigklich, das Paulus den tauf eben also anzeucht, wie ytz zuvor ge- melt ist, nemlich das er uns ein versiglung sey der ein- leybung Christi, und das wir uns des todts Christi annemen und zu aigen komen sollen, indem wir der sund in im under Pilato einmal gestorben sein, und furan gott leben.

Nun deutten aber etlich disen text anderst und leren also, die tauff sey ein sacrament, in dem die getauften in gleichen todt mit Christo gepflantzt werden, das ist, in dem sie bewilligen der sund auch zu sterben, wie Christus ge- storben ist, und also Christo nacbzuvolgen. der mensch sterb aber der sund nit, das fleisch sterb den auch leiblich etc. Unnd machen also noch ein andere absterbung der sundt, die nicht der einig todt Christi ist, sondern die ein yeder getauffter in sunderheit an im selbs ersteen soll. Solichs aber ist Sant Pauli meinung nie gewesen, es mocht auch die warheit nit leiden, etwas der massen zu leren, dieweyl Christus allein der sund hat mogen sterben, also das sie hinwegk genomen wurdt, und sein todt der sunden todt, kein menseh mag anderst der sund absterben dan in dem ainigen todt Christi, welchs todts wir dureh den glauben und tauf, wie vor gehort ist, tevlhaftig werden. Im geben wir die eer. das er alles allein und volkomenlich mit seinem ainigen sterben und einigen urstend außgericht hab, sovil unser seyligkeit belangt. Was aber wir nach unserer rechtfertigung im glauben thon oder leyden, mit leben und mit sterben, das dasselbig alles ein frucht und daneksagnug sey abgestorbner sund und aufgerichter gerechtigkeit in uns durch Christum. Weyter zu den Collos. 2 [folgt eine Exegese von V. 1 ff., be- sonders von V. 11 und 12]. Und entlich zu den Gallatis 3 [folgt eine Exegese besonders von V. 27, der sich anschließt eine Erklärung von Joh. 3, 5).

Mocht aber yemant sagen: Ja, es ist woll war, wie yt- zundt von dem tauf gesagt ist, aber bey denen allein, die nieht nach dem fleisch, sondern nach dem geist wandeln, das ist die nicht mer sunden; wofur sollen sich aber die halten, die noch teglichen sunden?

Antwort: man soll zweyerley sunder vermercken in der schrift: Einen, der fleischlieh gesinnet ist, das ist, der nicht an gott noeh Christum glaubt, auch sein nit achtet, nichs auf in helt, sonder gantz gotloß nach aigin mutwillen lebt, stirpt und verdampt wurdt, und dise meint eigentlich Paulus, [Röm. 8. 6] da er spricht: fleischlich gesinnet sein ist der

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todt, ein feindschaft wider gott und mag gott nit gefallen. Und abermal: [Róm. 8, 13] wu ir nach dem fleisch lebt, so werdt ir sterben mussen, dise aber, die fleischlich leben, kunnen noch sollen sich gar nicht vorgemelter freyheit und gerechtigkeit in Christo durch den tauf bey gott annemen oder romen. Die andern sunder sein die, so glauben und getauft sein und yedoch zu zeiten sundigen und dem fleisch zuvil nochhengen; solche aber, wie scherlich sie ymer sundigen, weyl sie nur auß dem glauben nit fallen und sich irer tauf nut verzeihen, das ist weyl nur die sund uber sie nit hersehet, sonder inen misfelt, schadet es inen fur gott gar nichts, dieweyl sie einen fursprecher haben bey gott, Jesum Christum, den gerechten, welcher ein versonung ist fur solche in sundt (1. Joh. 2,1], an dem sie alsbald sich wider aufrichten sollen durch den glauben und tauf, so oft sie fallen. Und dise seins aigentlich, die sich aller wolttüt: Christi dureh den glauben und tauf entpfangen mit der war- heit offentlich wol romen mugen, man findt sie auch in diser zeit nit besser ete.

. Denen gehort aber zu imerdar durch den geist, den sie aus dem glauben unnd tauf entpfangen haben, des fleischs gescheft zu dotten [Róm. 8, 13| und der sund also zu wider- streben, das sie also von irer tauf an bis zu endt ires lebens sich selbs imerdar gott begeben und ire glider got zu woffen der gerechtigkeit darstellen (Róm. 6, 13].

Sprieht aber yemant weytter: wie kan ich mieh dan mit der warheit fur got der gerechtigkeit und frumkeit be- remen, weyl ich yedoch (wie auch du sagst) noch ein sunder bin, und etwan dem fleisch zuvil nachheng?

Antwort: Ein Christenmensch, so lang er lebt in diser zeit, befindet er zweyerley art in sich. Die erst ist sein naturlich art, die im fleischlieh angeborn ist nach seiner ersten geburt. Die ander ist ein gotliche geistliche art, welche im angeborn ist durch sein widergeburt im wasser und im geist, das ist das neuw gemüet, das er durch den glauben in Christum und entpfangnen tauf erlangt hatt, welches man sunst den geist Christi nent. So nun yemant mich fragt, ob ich gerecht sey?, ee nur ich etwas antwort, will ich zu- vor wissen, auf welche art es gemeint sey, das ich alsdan von der gefragten art antwort gebe. Sobald man mir nun uff mein natur zaigt, antwor [!] ich: sey ein elendt fleischlich mensch, verkauft under die sund, in dem nichts guts, ja, der auch wider sein willen args thut und demnach werd sey des zorn gottes unnd ewiger verdamnus. So man mich aber fragt umb meinen glauben, ytz schauw ich mit niebten uff mein natur, sehwacheit oder sund, sonder ich sehe nur

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fur mich auf Christum, und wie ich mich des im glauben und tauff angenomen hab, also rome ich mich zu aigin alles des, daz er hatt und ist. Nemlich: Christus ist ein sun gottes, auch ich Johan. 1 (ete. folgen die obigen Belege aus Gal. 3, Röm. 6. Col. 2, Eph. 2].

Wiewol nun dise andere fleischliehe art sich auch imer- dar in einem cristen neben der rechtfertigung des glaubens findet, so lang der mensch zeitlich lebt, so ist yedoch der ander gotsevlig teyl vor gott so groß angesehen und geacht umb Christi willen, das es fur gott gleich ist, sam het die sund gar aufgehort, und das ists, so oft die heilig gschrift die auserwelten in Christo beschreibt, gedenekt sie gar keiner uberigen sund in inen, sonder melt nur eytel gnad, frid, gerechtigkeit und seyligkeit [folgt Exegese über Röm. 5, 1, köm. 8, 1]...

Dises ist nun auf das kurzest die gantz sum des Cristen- lichen taufs, in welchem wir sampt dem glauben vergebung aller sund erlangen und fur got genztlich gerechtfertigt werden, wie dan geschriben steet |Me. 16, 16]: wer do glaubt und getauft wurdt, der wurdt sevlig, das also gar on not ist, etwas mehr außerhalb dises zweyen sam netig, und on das man nicht rechtfertig werden mag zu begern, dieweyl auch alles anders, was ye zu der rechtfertigung dint, aus disen zweyen als aus einem wellenden brunnen den ursprung nimpt; dan so man als wie bißher gehort durch den tauf im glauben sich des gantzen Christi warlich annimpt unnd gar einer mit im wurdt, ist man auch im hertzen und gmuet verneut, das man umb Christi willen nun furan alles, was got zuge- schiekt und wil. zu thon und zu leyden nicht allein willig. sonder auch begirig und frolich ist, da hilft und dienet man dem nechsten nach vermegen zu allem gutten. da bewart und besehutzt man alsdan nieht allein die freund, sonder auch die feind, so viel man kan, vor allen schaden, und ge- schicht also, das man nut cristenlicher vor der welt bey dem menschen gerechtfertigt wurdt, wie man zuvor bey gott durch den glauben und tauf gerechtfertigt worden ist.

Von dem rechten brauch des saeraments des leibs und bluts Christi.

So wir nun also durch den glauben und die tauf (wie bißher beweist ist) Christo eingeleibt, in angezogen. Einer mit im worden und demnach für got gerechtfertigt worden. das ewig leben entpfangen haben, das ist ware rechte Cristen worden sein, das nun furan solchs alzeit uns in gedechtnus und nimmer vergessen werd, sunder das sieh der glaub teglich on underlos an der widdererneuwerung solcher großen gnaden zuvor in dem tauff in Christo entpfangen yebe unnd

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vemerdar yemer sterck, darzu hat Christus unser her uns sein leib und blut in dem sacrament des altars zu seiner gedechtnus zu niessen bevolhen und zu letz gelassen; dan also spricht er Luce 22 und 1. Cor. 11 [folgt V. 19 ff. in freier Citation] . .. Unnd reimen sich also die tauf und das sacrament gantz artlieh unnd wol zusammen. In dem tauf werdt wir in den todt Christi eingeleibt, das er uns von got fur aigin zugerechnet und wir in demselben der sunden abgestorben und gantz ledig worden sein fur gott Ro. 6, (V. 3ff], in dem sakrament des altars verkundigen wir denselbigen todt 1. Cor. 11 [V. 26]. Das ist: wir erinnern und beromen uns vor menigklich yemer der sterbung Christi fur uns und unserer mitabsterbung in im ete. ..

Nun hatt Christo sunderlieh wollgefallen, durch ein leibliche und naturliche zleichnus den brauch seines leibs und bluts unD furzustellen. Nemlich zu dem ersten wie zweverley leben ein naturlichs und ein geistliehs in einem cristen sein, das also auch zweyerley speis und dranek sein solten, dardureh ir yedes naeh seiner art erhalten wurdt. Wie wir nun das naturlich leben mit naturlichem essen und drincken erhalten und vemerdar stereken, also auch erhalten und stercken wir unser geistlichs leben des glaubens durch den leyb und plut Christi, so wir die teglieh zu seiner ge- dechtnus nemen. Und herwiderumb wie das naturlich leben durch lange entperung des naturlichen essens und trinckens schwach und mat wurdt und entlich sich zu dem todt nahendt, also anch wu man nicht yemerdar die gedechnus Christi im hertzen hatt, und den glauben stets darmit ubt und anfrischt, verschwelckt er und wurd gar schwach, bis er doch endtlich gar verschwindet.

Zu dem andern so ist die naturlich spevß ein gwisse be- weysung des warhaftigen, naturlichen lebens bey denen, die solchs sehen, als da Christus die tochter Gayry vom todt erweckt hett, hies er ir zu essen geben |Lue. 8,55], und er selbs, nachdem er von dem todt erstanden was, bezeugt er zu etlich malen seinen iungern sein warhaftigs leben mit leiblichem essen. Johannis 21 und sonderlich Luce 24 |folgt Citat von V. 39 ff, frei] . . . Also auch helt sichs mit dem sacrament des altars; dan in dem, das wir solehs saerament in der gmein essen und trincken, beweysen wir vor menigklich, das wir ja die sein, die sich des tods Christi durch den glauben und die tauff zu aigin angenomen haben und sich in demselben der sund abgestorben und der gerechtigkeit nun furo an in Christo lebent und also fur gott gerecht- fertigt beweysen und römen, und dises ist die recht ver- kundigung des todts Christi, die wir yemerdar im brauch haben sollen, bib er kompt 1. Cor, 11. [V. 26.

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Zum dritten wie die naturlich speyß und dranck nicht darzu dienet, das sie die gestorbnen lebendig machen, sonder das sie die da vor lebendig sein stercken und also lang bey leben behalten, der massen hatt auch Christus sein leib und blut nicht darzu geben, das es die gestorbnen, das ist die unglaubigen essen und drincken und also da erstlich das leben, das ist den glauben erlangen sollen, sonder das man das leben, so vor erlangt ist durch den glauben und taut. durch dise speyß erfrischen und lang wesenlich halten soll. Dan wie dise speiß und dises tranck geistlich sein, also sollen sie von niemandt anderst den in dem geist das ist durch den glauben gessen und druncken werden. Den geist soll man zuvor haben und mit sich hinzubringen, gleich wie man auch das naturlich leben zu der naturlichen speis hinzutragen aber nicht daselbst suchen soll. Man ist nit darumb, das man lebendig werden woll, sonder darumb, das man zuvor lebt, isset man, die speys gibt nit das leben, sonder erhelt es.

Unnd ist also bey disem sacrament gar nichts erstlich zu suchen, das nicht zuvor durch den glauben im tauf ge- funden war. . .

Und hie ermanne ich alle schriftverstendigen, zu be- dencken, ob nit auch Christus Johan. 6 gantz auff dise mainung und von disem sacrament geredt hab [folgt Citat von V. 53 u. 54)... das also auch Christus daselbst in der rechten gleichnus und art des leiblichen essens und trinckens beliben sey; dan es gar ungereumbt geredt und wider alle art des essens und kein gleichnus wer, so er also gemeint hett, das man erstlich durch die essung seines fleisch und bluts solt lebendig werden, da man vor nit gelebt hatt... sonder das man das vor erlangt dardurch erhalten und gegen mengklieh beweysen soll.

Spricht aber yemand: so mein gwissen beschwert ist der sunden halben und ich den zorn gottes und den todt des- halben forchte und also nicht glaubig bin, soll ich nit bey disem sacrament vergebung der sund und sicherheit des gwissens suchen?

Antwort: nein, sonder bey dem tauf in dem wort durch den glauben soll man solche vergebung der sund und sicher- heit des gwissens suchen, die auch aigentlich (wie vor in dem ersten teyl anzeigt) darzu von gott eingesetzt ist, so man die aber daselbst gefunden hatt, soll man alsdan durch dises saerament den ainmal gefundnen trost und frid durch stette widergedechtnus (wie auch vor ofit gesagt ist) be- waren, das man sein nimer vergeD, dan Christus spricht: [Luc. 22, 19] solchs thut zu meiner widergedechtnus und dises ist

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das einig und recht ampt beyder sacramenten, des taufs und der eucharistien. Also auch die apostel, so sie Cristen machen oder cleinmuttig gewissen stercken wolten, thetten sie das durch die predig des glaubens, in welchem so ye- mandt also underricht ward. das er Christum fur seinen selgmacher annam, tauften sie in alsdan zu einem gezeuck- nus, das er ye warlich bey gott zu gnaden durch und in Christo angenomen wir . . . [Beweis: Act. 8,26 ff]. So er nun den glauben angnomen und in Christo getauft und ein Christ worden ward, ging er alsdan zu disem sacra- ment als zu einem freydenfest und gemeiner dancksagung umb erlangte rechtfertigung in Christo, welchem nach die alten unnd auch wir noch dises sacrament eucharistiam, das ist ein dancksagung nennen, und ist also die niessung dises sacraments mit geistlicher jubilirung und frolicheit bey den apostoln gehalten worden . .. Es bezeugt sich auch aus dem das dises abentmal an statt des osterfests uns Cristen gegeben ist, welches bey den vettern ye nur ein freydenfest war, dabev sich die alten erinnerten der erlosung auß der gfencknus auß Egypten ete. . .

Wie man sich zu disem sacrament bereiten soll, und was sich selbs brufen sey:

Die recht und einig bereitang zu dem sacrament des leibs und bluts Christi ist, das ein yeder, der solchs ent- pfahen will, zuvor dureh den glauben und tauff in Christum gruntlich und woll sein aigne rechtfertigung sampt den wol- thaten und gnaden, so er also in Christo entpfangen hatt, erlern, erken und wisze, welehe erkantnus und wissenheit er alsden durch niessung dis sacraments in gedechtnus behalten und also vemerdar mer anfrischen soll Unnd darbey er auch vor menigklich die herlichkeit des tods Christi durch solche sein oflenliche niessung verkundig [Beweis: 1. Cor. 11, 28}... |

Das aber etlieh leren, sieh selbs brueffen sey sein sund und ungeschicklicheit bewegen und also durch solchs in die forcht des zorns gottes und des tods fallen, das man als- dan durch solche forcht gleichsam gezwungen zu disem sacrament zu geen und alda heill und trost zu suchen dise leer hatt gar kein grund auf dem wort gottes . .. [Auch Paulus hat das nieht gemeint:] und ist also Paulo sich selbs prueffen nieht anders dan auff seinen glauben und die recht einsetzung des sacraments sehen ... Das aber solehs war sey und das wortlin nieht yndernt ein menschliche geprachlicheit, sonder allein auff den angezeigten rechten praueh der verkundigung des tods Christi zeige, beweist sich unwidersprechlieh auß der einsetzung des sacraments,

Archiv für Reformationsgeschichte IX. 2. 9

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das es Christus allein seinen glaubigen, die durch den glauben und tauf ein frolich gewissen zu gott haben, vermeint hatt, und das auch nindert in der gantzen gschrift von solcher forcht des gotlichen zorns und ewigen tods zu der vor- bereitung zu disem sacrament gar nichs gefunden wirdt, dieweyl die apostel solche erschrockne und forchtsame gwissen nit zu disem sacrament, sonder zu dem glauben ins wort und tauf geweist haben . ..

Ob auch ein verheissung bey disem sacrament sei.

Bei dem saerament des altars ist gar nicht erstlich zu suchen, das nieht in dem glauben und tauff vorhin begriffen und erlangt sein solt, darumb ists eittel menschlicher wan unnd gar nieht das wort Christi, so man lert, das bey disem sacrament ein sonderliehe verheissung sev der vergebung der sund, die man durch die essung und trinckung desselben erstlieh erlangen soll und mug. Oder so man lert, das uns Christus alhie erstlich etwas der massen anbiet, Sonder er will sein leib und blut zu niessen andern hie eingesetzt haben, dan das die zu seiner widergedechtnus und teglicher widererinnerung aller gnaden und wolthat, die wir zuvor durch den glauben und tauff in im entpfangen haben, ge- nossen werden sollen . . . |Beweis: 1. Cor. 11, 25 und 26]

. also soll man auch den brauch des sacraments gar allein bey den worten Christi: Solchs thut zu meiner wider- gedechtnus bleyben lassen und nichts darzu noch darvon thon. Das aber ya wol auch bey disem sacrament ein meldung geschicht der dargebung des leibs und vergiessung des bluts Christi zur vergebung der sund, so ist yedoch solehs mit nichten auff den brauch des sacraments zu deutten, das man da erstlieh auß denselben worten lernen solt, das sein leib fur uns gegeben und sein blut fur uns vergossen sey, und das wir also alda vergebung der sund erlangen solten. Es hats auch Christus nicht darzu geredt noch vermeint, sonder er hatt durch wort wollen anzeigen, was das brot und diser keleh sey, nemlieh nit ein gmein brot und wein, sonder sein leyb, den er fur uns geben, und sein blut, das er fur uns vergossen hatt zur vergebung der sunden, und gehoren also dise wort . . . nur allein zu der substantz und wesen disz sacraments, das sie den nemenden anzeigen sollen, was doch dib brot und diser keleh sey, den man jnen also reicht. Warumb man aber dises reicht, und warzu man es niessen soll, sol man. allein auf disen worten nemen, do Christus spricht: Solehs thut zu meiner widergedechtnus.

Was die recht eristenlich consecracion sey.

Die consecracion der eucharistien ist nicht anders, den das man das brot und den wein nach der einsetzung

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Christi dem glaubigen mit denen worten (wie es Christus gethon hatt) darreich. Als nemlich: Nemet hin, esset, das ist mein leib ete. Nemet hin und drinckt, das ist mein blut etc. Welliche so sie der nement glaubt, und als von Christo geredt annimpt und den wein und das brot also naeh laut und in craft derselben entpfecht, so hatt er warlieh den leib und das blut Christi entpfangen und bedarf gar keiner andern segnung mer, dan dise ist allein die recht... [Die päpstliche Consekration die „auch noeh vast bey allen kirehen* üblich ist, sei ,menscblieher dant"] ... Nun sein aber drey ding, die man haben muß, wu das sacrament des leibs und bluts Christi nach der einsatzung Christi warlieh sein und gessen und getruncken werden sollen; das erst wein und brot, das ander die wort Christi: Nement hin ete. das drit ein glaubiger mensch, dem solches beides gereicht werden. Wu diser dreyer ding eins mangelt, da hatt die einsatzung Christi nit stat . . . Was aber dise darreichung nit erlangt, das erlangt auch die consecracion nit, und also kan nieht anders sein dan was es vor gewest ist. Demnach soll man das brot und wein, so etwan uber- bleyben von des herren abentmal und dise darreiehung sampt den worten Christi nit erlangt haben, nicht anders dan fur gemein brot und wein achten. [Das Gegenteil ist: „menschliche superstieion“.] Wie man den text Pauli 1. Cor. 11 [v. 29] von der essung des gerichts und schuldig werdigung versten soll. Das Paulus zu den Corinthiis schreibt von der unwirdigen essung und trinckung des leibs und bluts Christi und von der essung uud trinckung des gerichts, soll man mit nichten von yedert einer gotlosen essung und drinckung versteen, dar- durch man die ewig verdamnus verschuldet, wie bisher die meisten ausleger der gschrift gethon und noch imerdar thun, das ye doch die wort Pauli nicht leiden sonder es ist ein solche verschuldung die auch in den gutten cristen stat hat. Als wo sie nit nach rechter ordnung und etwan mit unfleyf und neben eingefurten misbreuchen gotliche ding handeln, wie dan dasselb eigentlieh der Corinther fall was, das die reichen hett vil zu essen, das die armen schaimrodt und hungrig bliben ... Die weyl aber in soleher sach gar kein unglaub, welcher allein ewig verdampt, sonder nur ein mißbrauch gemeldt wirt, so kan noch mag auch alles, was darnach volgt und auf dise haubtsach gestelt ist, durch Paulum, mit nichten auf irgent ein unglauben noch ewig verdamnus gedeuttet werden. Und heist also dem heylgen Paulo unwirdig essen und trincken nit im unglauben, sonder mit einem misbrauch und nicht nach der rechten weyss essen 9*

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und trineken und also in das Bericht, das ist in die zuchtigung des heren fallen...

Ausz welchem sich dan ye gwislich findet, das alhie das gericht nicht anderst ist dan des heren gnedige und freuntliche zuchtigung und ein bewarung vor der ewigen verdamnus, welches ye mit nicht von yndert einem unglauben oder ewigen verdamnus mag verstanden werden.

Den sich solehe verschuldigung, die Paulus hie in den Corinthern straft, auch bey den auserwelten findet, da sie sich etwan in gotlichen Dingen vergreyffen und dennoch auß dem glauben nicht fallen, dise aber zuchtigt gott yemerdar jnen selbs zu gut mit zeitlicher straff, als da ist kranckheit, zeitlicher todt etc.

Ob auch ein gotloser unglaubiger den leib und das blutt Christi in sacrament des altars enpfahe.

Ein grosser teil deren, die die gschrift bisher gehandelt haben, sein durch unfleyssig ansehen des vorgemelten texts Pauli 1. Cor. 11 verfurt worden, nemlich dieweyl si darfur geacht haben, das das gericht essen so vil war als die ewig verdamnus vorschulden, haben sie herauß geschlossen, weyl man den leyb und das blut Christi unwirdig essen und drincken und das gericht daran essen, das ist die ewig verdamnus verschulden kan, so mussen auch die unglaubigen und gotlosen den waren leib und das war blut Christi in disem sacrament entpfahen gleich so woll als die glaubigen, yedoch das es inen zu der verdamnus reich wie es den glaubigen heilwertig ist ... |da aber, wie gesagt, jene Aus- legung falsch sei] bleibt also gar nichs mer, weder hie noch anderswo in der gantzen gschrift, damit man auch den got- losen des leybs und bluts Christi under dem brot und wein theylhaftig sein beweysen mochten ... das demnach der unglaubig unchrist albie nicht zu suchen hatt noch finden kan, dan schlechts brot und schlechten wein, darumb das im der levb und das blut Christi nit vermeint ist und das wort Christi auf in nit lautet . . . |Beweis: Christi Worte: Nement hin ete.) Nun kan man aber zu keinem unglaubigen mit warheit sagen er glaubts auch nit das der leyb Christi fur in gegeben sey ...

Zum andern spricht der her auch: Solchs thut zu meiner widergedechtnus. Wie aber Christus sein widergedechtnus von gar keinem unglaubigen, sonder allein von denen er- fordert, die in zuvor fur iren seligmacher erkont und an- genomen haben wie das dan auch dis krichisch wortlin dvauvioıg, welches da ist widergedechtnus allhie mit seiner aigin beteutung beweyst, also das niemandt eines dings widergedencken kan, er hab es dan zuvor gehort oder ge-

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sehen also heist er keinen unglaubigen seinen leib essen und sein blut trineken, sonder allein die glaubigen .

Zum dritten . : . [Beweis aus 1. Cor. 10. 21, alle Un- gläubigen seien in der Gemeinschaft des Teufels, ergo können sie nieht zugleich Christi Leib essen.|

Zum vierden ist unwidersprechlich, das der leib und das blut Christi ein gantz geistliche speis und tranck auch allein dem geistlichen leben zugeordnet sein, darumb man sie auch allein durch den glauben entpfahen ınuß. Dan solcher geistlicher ding ist allein der glaub vehig, welehem sie aueh gar allein dienen . . .

Zum funften wollen wir sie sampt zu einem uberfluf warnen alle die, so auch die unglaubigen bey disem sacrament den leib und das blut Christi entpfahen zu beweysen sich understeen, das sie vor bedencken, ja, auch fur gewiD wissen sollen, das auD allen iren argumenten, damit sie solche zu erhalten vermeinen, eben gleicher mo volgen wurd und muß, do wue etwan ein mauß oder radt von disem sacrament etwas nemen wurdt, auch dasselbig den leib und blut Christi warhaftiglich gessen unnd getruncken hett. Unnd her- widerumb mit wasserley argumenten sie solchs nit zugeben wolten, das auch eben auß denselben unwidersprechlich volgen muB. das auch der unglaubig alhie nichts dan brott und wein esse und trinecke . . .

Wir lassen uns auch mit nichten abfuren, das wir die wort Christi: Nement hin und esset, das ist mein leib etc. anderst versteen wolten oder solten, dan sie aufs deutlichst lauten und durch Christum geredt sein. Erstlich darumb, das wir in dem gantzen testament nindert anderst weder von Christo noch seinen aposteln ausgelegt finden, demnach dan alle andere auBlegung, wie sie ytz gescheen, ye nit gwiß noch stark gnug sein mugen, das sieh der glaub und das gwisen ungezweyfelt darauff verlassen mochten. Fur das ander, das wir unserm Christo so vil eehr wol geben wollen und sollen, das seine wort gentzlich war sein... Amen.

7. Thesen, betreffend die Auslegung von ep. 6 des Jo- hannesevangeliums.

Auf die Auslegungen von Joh. 6 hatte Brenz in dem Antwortbriefe an Vogler ausdrücklich Bezug genommen. Wenn aber Brenz die Beziehung dieses Kapitels auf das Abendmahl ablehnte, so kann er nicht der Verfasser vor- stehender Thesen sein, die ausdrücklich (vgl. These 18 ff. be- sonders 25) jene Bezugnahme vertreten. Damit rückt der

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Verfasser der Thesen heran an den Verfasser des vor- stehenden Gutachtens, mit dem sich auch sonst Berührungen finden (vgl. z. B. These 26 die Ablehnung des Genusses von Fleisch und Blut durch die impii, die Bezugnahme auf Jairi Tóchterlein in These 30 u. a) Möglicherweise sind beide identisch.

Pro intellectu 6ti capitis apud Johannem.

l. Christus Johannis 6 sub panis mencione sese totum, id est deum et hominem, predicat mundo.

2. Duplicem enim panem constituit, sicuti et ipse duplicem in se naturam habet.

3. Primo dei panem predicat, quem pater suus de celo dat panem verum, qui vitam mundo dat.

4. Ita innuens se verum deum esse et a patre suo exivisse, qualiter vere panis vitae est, ut ita venientes ad eum non esuriant et credentes in eum non siciant unquam.

5. Cuius panis participes sunt omnes, qui in Christo deitatem vident et in eum credunt.

6. Ut ita visio illa non eorporalis sed spiritualis sit. qua tantum hi Christum vere vident, qui illi a patre dati sunt, hoc est, qui predestinati a patre docentur ac trahuntur.

7. Est igitur hune panem edere nihil aliud quam Christo confidere, quod verus dei filius de celo descenderit, ut ex ipso edat, idest, in ipso confidat aliquis et non moriatur, sed in eternum vivat.

8. Seeundo aliter panem definit, qui caro sua sit et quem ipse sese non patrem daturum esse ait, daturum autem pro mundi vita.

9. Qui quidem panis non de celo descendisse, sed per spiritum sanctum in utero matris Marie tum primum in tempore incepisse et inviolata virginitate post novem menses deitati indissolubiliter coniunctus prodiisse creditur.

10. Ut ita nemini dubium esse queat, quin hune carnis sue panem ab illo coelesti priore Christus hic alium intelligi voluerit atque ita gratia docendi distinxerit.

11. Videlicet, de quo non dieit hic, ut ante de illo eoelesti dixerat, quod ipse mundo vitam det, ‚sed quod pro mundi vita ipse detur.

12. Christus enim quafenus homo est, non suapte po- testate aut virtute ex sese cuiquam vitam dare, sed quasi per commutacionem seu maius contractionem ex pacto a deo impetrare potest (perinde ut pecunia quidlibet emimus); unde eciam precium redemptionis nostre Christi corpus ac sanguinem vulgo predieainus.

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13. Ergo Christus quatenus deus est vitam mundo dat, quatenus autem homo est iure predestinacionis (quod ita constituerit deus per hune hominem Christum salvatum iri omnes electos) vitam impetrat.

14. Que quidem duo, quamquam per se diversa sunt, attamen propter deitatem indissolubiliter cum humanitate in Christo coniunctam ita in unum coeunt, ut nusquam non in saeris literis eciam filio hominis adseripta legantur ea, que alias non nisi solius deitatis propriissima dicenda fuerant et diverso.

` 15. Sie Johannis 3 legitur neminem ascendere in celum, nisi qui descendit e celo, filius hominis, qui est in celo.

16. Sie eeiam hic sexto eapite post longam utriusque panis descriptionem tandem utrimque ceu per epilogum in se ut deo et homine coniungit, cum ait [Joh. 6 V. 58]: sieut misit me vivens pater et ego vivo propter patrem, ita et qui ederit me, et ipse vivet propter me.

17. Negari autem a nemine potest, quin quiequid hic Christus de alieno pane hoc est carne sua dicit, eciam ipsum certissime de eucharistia dici posse.

18. Nam quod hie carnem suam vocat, idem in eucha- ristia corpus suum ab eodem dici nemo dubitare potest.

19. Tum eciam quod hic ait: panis, quem ego dabo, caro mea est, quam ego dabo pro mundi vita, adeo convenit cum illo, quod apud eucharistiam dixit: Accipite (panem) et manducate; hoc est corpus meum, quod pro vobis (i. e. vita vestra) tradetur; ut eciam hic Christum de instituenda ali- quando eucharistia hoc prelibasse omnibus modis facilius sit probare quam refellere. Imo non minus eucharistiam quam quidlibet aliud hie intelligi voluisse.

20. Denique quod asserit eum habere vitam eternam, qui earnem suam ederit et sanguinem suum biberit, et ipsum non minus eciam de eucharistia adfirmari oportet.

21. Ut enim earo sive corpus Christi vere cibus est et sanguis eius vere potus. ita non possunt edi aut bibi nisi a vitam eternam habentibus i. e. credentibus.

22. Qui vita carent corporali, neque edere neque bibere eorporaliter possunt.

23. Ita quoque qui spiritualiter non vivunt i. e. Christo non vere credunt, neque ipsi spiritualiter Christum edere aut bibere possunt.

24. Atque id est, quam ob rem Christus non omnibus eucharistiam suam instituit, sed tantum his, pro quibus cor- pus suum tradidit ae sanguinem suum effudit i. e. ovibus suis, electis suis a patre suo sibi datis i. e. vere credentibus. Atque ita vitam spiritualem, quam eternam voeat, viventibus.

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25. Nihil ergo dicunt, qui hune textum de eucharistia ideo intelligi non posse adserunt, quod Christus hie preter diserinen omnibus suam carnem edentibus et sanguinem suum bibentibus vitam eternam polliceatur. Quod tamen de eucharistia asserere plane impium sit, in qua scilicet eciam impii eorpus et sanguinem Christi edant ac bibant, et tamen non vitam eternam, sed iudicium et perpetuam damnacionem sibi ipsis acquirant.

26. Non enim Christus hie voluit, ut eciam impii carnem suam ederent ae sanguinem suum biberent, aut ut quisque ita edendo et bibendo vitam eternam sibi tam primum quereret, sed ut qui vitam eternam ante per veram fidem in se adepti essent, carnem suam ederent ac sanguinem suum biberent.

27. Quod enim hie ait [V. 54]: nisi ederitis carnem filii hominis et sanguinem eius biberitis, non habetis vitam in vobis, plane idem est, quod vulgo dici solet: Nisi quis eciam corporaliter edat, vivere non potest naturaliter. Non dicit enim: habebit vitam, sed: habet vitam.

28. Et iterum: qui edit meam carnem et bibit meum sanguinem, habet vitam eternam; quod perinde est ut vulgus loquitur: quamdiu quisque eorporaliter edit ac bibit, non moritur.

29. Fuit hoe argumentum Christo admodum peculiare, ut ita per esum et potum presenciam vite certam faceret, quod nos argumentum a re effeeta ad causam efficientem vocamus.

30. Sie dum Luce 8 [V. 55] filiam Jayri a morte suscitasset, iubebat ei aliquid dari quod ederet, nempe in hoe, ut ita qui viderent eam edere, eciam certo cognoscerent eandem vere vivere.

31. Quin eciam ipse Christus Luce 21 [Lue. 24 V. 42] suam veram resurrectionem coram discipulis hesitantibus sumpto cibo tanquam certissimo ae infallibili argumento testifieatus est.

32. Ut ita nihil dubium sit Christo certissimum ae in- dubitatissimum fuisse neminem edere aut bibere posse, nisi qui idem vere viveret. Nam cur alias hoe argumento in testifieanda vita tocies usus esset, nisi pro infallibili habuisset?

33. Quemadmodum ergo Christo certo sequitur tum qui non edit aut bibit et iam non posse naturaliter vivere, quod ita a natura comparatum sit, hominis vitam citra cibi aut potus alimentum eonsistere non posse.

34. Ita haud secius eciam hic eolligit apud Johannem 6: Nisi quis carnem suam edat ae sanguinem suum bibat, neque

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illum habere posse vitam i. e. viventem sive credentem esse, quod caro ac sanguis eius nostre fidei i. e. vite spirituali idem plane sit quod cibus ae potus vite corporali.

8. Ein Mandat wider die Wiedertäufer.

Das nachstehend abgedruckte Mandat gegen die Wieder- tiufer wird in das Jahr 1529/30 fallen; denn es ist often- bar niehts anderes als die partielle Exekution der 1528 und 1529 erlassenen Kaiserlichen Mandate wider die Täufer, die die Verfügung im Auge hat, wenn sie von „Kaiserlichem Befehl“ redet. Wo sie zu lokalisieren ist, vermag ich nicht zu Sagen.

Ein Mandat wider die widertauffer, sich vor irem irthum zu verhutten.

Nachdem zu diser zeit under dem schein unnd namen des heilgen Euangeliums etlich falsch, irrig und verfurisch leer entstanden, so heimlich und offentlich mit viln, doch unnützen worten, auch mit manigfaltigem auß der heylgen gschrift doch unbequemlich, unwarhaftiglich und verkerisch gezogenen spruchen aufgeben und leern, als solt der kinder- tauff unnutz und verwerflich und darumb dieselben getauften kinder, so sie zu iren verstendigen jaren komen, wider zu tauffen not sey, gleych als solt der almechtig gott als ein anseher der person der tauff gnad an das alter gebunden und gefangen, und so er selbs die kinder gehertzigt und gesegnet |Matth. 19, 13f.), den tauff des wassers abgeschlagen und ver- boten haben; aber das so er außtrucklich und offentlich bezeugt, das den kindern das himelreich zugehorig und derohalben jnen der tauff als denen so zur seligkeit verordnet, nit ent- zogen soll werden. Auch neben des heylgen taufs jrrung vil ander schedlich and verfürisch artickel on allen rechten grund der heylgen gotlichen gschrift dem einfeltigen gmeinen man furgeben und einbilden, nemlich wie kein Crist nach bevolhenem ampt der oberkeit zur straf der bosen das welt- lich schwert furen mög. Wie auf) gebot und anmutung der verordneten oberkeit kein Crist ein ayd oder glubdnus zur bekantnus der warheit oder zur furderung des nechsten menschen nutz thon soll. Wie man zum burgerlichen schirım dem weltlichen gwalt nit gehorsam sein soll, auch andere nur aufrurisch artickel die gemeinschaft des zeitlichen guts betreffend. Dieweyl nun solch jrrig verfurisch leer aub falschem aigensinigem verstand der heilgen gotlichen gschrift gesogen nit allein der seel seyligkeit nachteylig, welches doch am aller furnembsten einen Christen von dem fur- genomen jrsall abwendig machen solt, sonder auch alle

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burgerliche handtierung, frid, verbundnus, einigkait, beschirm. beystand, auch alle ordenliche und Cristenliche Oberkait gentzlich vernichtiget und auffgehebt, darauD mit der zeit niehs anders wurdt erfolgen, dan das niemands in seiner aigen hütten sicher sein wurdt, niemands in frid und ruw sein kinder auffziehen, sein hantwerck und andere gwerb statlich treyben möcht, auch niemands dem andern weder glubdnus, verbundnus noch gethonen ayd halten wurdt, und entlich niemands vor des andern unbilligkeit und under- truckung beschirmpt möcht werden, darauß sich on zweyfel groß rauberey, mordt, und blutvergiessen zum letsten erheben wurde. Unnd so wir als ein ordenliche oberkeit uns solche ewig und zeitlich lesterliche verfurung auß kays. Majestät beuelch, auch fur uns selbs nach unserm vermögen von unsern underthonen abzuwenden schuldig erkennen, hierumb wollen wir alle und yede unser underthon samptlich und sunderlich hiemit Christenlich gewarnt, auch zum ernstlichen und hochsten gebotten haben, das sich nun hinfuro ein yeder vor gemelter uncristenlicher verfurischen leer und seinen falschen leermeystern, zum fleyssigsten fursehen, die wider-, tauff von andern keins wegs entpfahen, oder fur sich selbs niemandt solcher gstalt widerumb tauffen woll, nachdem die- selb widdertauff dem claren wort gottes ungemeß, und der Cristenlichen kirchen gebrauch und rechten entgegen. Darzu soll auch kainer der unsern dieselben widertauffer weder heimlich noch offentlich enthalten, hausen, hoffen, oder underschleiffen.

9. Ein kurzer und klarer Bericht von beiden Sakra- menten.

Wie die genaue Überschrift (s. u.) dieses Stückes be- sagt, kehrt es sich nach zwei Fronten, gegen die Wieder- täufer und Sakramentierer d. h. die Zwinglianer. Beiden gegenüber wird der Sakramentscharakter von Taufe und Abendmahl betont unter genauer Berücksiehtigung der ent- gegenstehenden Argumente. Die Autorschaft von Brenz ist nicht angegeben, erscheint aber sehr wahrscheinlich, nament- lich angesichts der Beweisführung bei der Abendmahlsfrage. Die Ablehnung der Deutung von Joh. 6, ferner der Zwing- lischen Charakteristika sprechen für Brenz als Autor. Jeden- falls gibt der „Bericht“ in klaren und bestimmten Worten die Lutherische Tauf- und Abendmahlslehre wieder. Zeit- lich dürfte wohl auf + 1530 anzusetzen sein. als der Kampf gegen jene beiden Fronten noch lebendig war.

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Ein kurtzer und elarer bericht von beiden sacramenten, nemlich des taufs und sacraments des leibs und bluts Christi, darin nidergelegt und vernichtigt wurd der grund und ar- gument beyder partey, der widertauffer und sacrament- sturmer.

Der tauff, wie in Sant Paulus bschreibt, [Tit. 3, 5] ist ein bad der widergeburt, dardurch der glaubig ein gutt gwissen fur gott und die seyligkeit uberkompt, dan in der einsatzung des taufs spricht Christus also: [Me. 16, 16] Welcher glaubt und getauft wurdt, der wurdt seylig. Auff dises !) streitten, der tauff sey nur ein bloß zeichen und wasser, dardureh ein Christ von einem Tureken oder Juden werd abgesundert oder underschidlich erkent, und gelt allein zwischen uns und dem nechsten, aber nit zwischen uns und gott. Sagen hieruff des ein ursach und sprechen, wie das wasser des taufs ein eelement sey, so hab Paulus [Gal. 4, 3f.] verbotten, das wir die seyligkeit oder verzeihung der sunden an den elementen diser welt nit suchen sollen, und gebure sich nit, das wir uns von dem geist auff die eusserlieh element wolten bekeren. Darumb kunde der tauff nitt mer sein dan ein bloß zeichen, daran kein gotlich gnad oder gab zu suchen sey. Antwort: Es ist wol war, so man des wasser des taufs will bloß bedencken und ansehen, so ist es ein element unnd ein schlecht wasser wie ein ander wasser. .. Aber wan man das wasser bedenckt mit seinem zugehorigen zusatz, nemlich mit dem wort und bevelch Christi . . . so bleibt es nit ein schlecht blos element, sonder wurdt zu einem sacrament, welches ist nit ein bloß zeichen, sonder ein sichbarlich zeichen der unsichbarlichen gnaden oder gaben gottis. Dan element und sacrament haben ein grossen under- schid; element ist ein schlecht irdisch und bloß ding, als wasser, brot, wein etc, aber sacrament begreift mit dem irdischen auch das himlisch und ist kein blosse creatur, sonder ein creatur mit gottes goben, doch unsichtbarlich verfast.

Darumb welcher sich mit glauben (wie dan Christus bevolhen) zu dem tauff wendet unnd last sich tauffen, der wendet sich nit zu einem blossen element, sonder zu einem sacrament ...

[Folgen Beweise für die Unterscheidung von Element und Sacrament: die Beschneidung war zu Abrahams Zeit kein Element, sondern Sacrament; wenn Paulus die Be-

1) Folgte im Texte urspr.: felt nun ein zwispaltung, das etliche. Die Worte sind durchgestrichen und von anderer Hand an den Rand gesetzt: sunderlich fallen zwo Zwispaltung ein. Der ein ist deren, 50 do.

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schneidung ein Element nennt, so sieht er auf sie „bloß an ir selbs“ und „auff die evangelisch zeit,“ da durch die Taufe die Beschneidung niedergelegt ist. Die eherne Schlange war ein Sacrament, weil „das wort, die ordnung und ein- satzung gottes^ dabei war; desgl. der Kot, mit dem Christus dem Blinden die Augen bestrich.]

Die ander zwispaltung, so sich des taufs halben erhebt, kumpt her von den widertauffern; dise sagen, man soll kein kind tauffen, sonder allein alt, verstendig leut, und ob einer schon in der kindtheit getauft wer worden, so were es doch ` nit ein rechter tauff, sonder man musse sich in den jaren der verstentnus allererst recht tauffen lassen. Hierutf haben sie ir vermeinte gschrift unnd ursach, sprechen: in der einsatzung des taufs, so Christus spricht: wer do glaubt und getauft wurdt etc. werd der tauff!) vorhingesetzt unnd kom aller erst das tauffen hernach; dieweyl dan die kinder noch nit glauben konden. biß sie zu irer verstentnus komen, so gebure es sich nit, das man sie tauffe. Item Philippus [Aet. 8, 26 ff.) hab den moren nit tauffen wollen, er bekenne dan zuvor seinen glauben . . . Item der glaub kompt aus dem gehör, [Róm. 10. 17.] aber die Kindlein horn noch nichs verstent- lich, darumb konden sie nit glauben . . . Und was dan andere dergleichen ursach mehr seyen, so die widertauffer zur beschöniung ires irsals furwenden. Hieruff wollen wir zum ersten beweren, das die kinder wol mogen und sollen getauft werden, darnach wollen wir der widertautfer falschen grund niderlegen.

Auff erst ist es woll war, das dise buchstaben (Ir solt die kinder tauffen) in diser ordnung nit in der heilgen gschrift gefunden werden. Aber die mainung, das man kinder tauffen moge und soll, wurdt grundtlich gnug in der gschrift begriffen. Dan die bschneidung der Juden hatt eben als wol den glauben erfordert als der Christen taut, und niemand ist recht oder nutzlich bschnitten worden, er hab dan der zusagung und dem bund gottis der bsehneidung angehenckt geglaubt ... So dan die bschneidung den glauben erheischt und nit allein die alten, sonder auch und der merer tbeil die jungen kinder beschnitten worden sein, warumb solten dan der Cristen kinder von dem tauff außgeschlossen werden, dieweyl doch der tauff an stat der beschneidung ist eingedretten.

Item Christus unser HERR hatt die kinder selbs autf sein arm genomen, sie gehertzt und gesegnet |Mt. 19, 14 ff.]. . .

Zudem sagt Christus: werendt den kindern nit, zu mir zu komen, dan solcher ist das himelreich . . , Aber hierzu

1) lies: glaub.

45 137

geschicht ein einred: Ja, sprechen sie, Christus hat nit ge- sagt, daß der kinder, sonder solcher, so werden wie die kinder, [Mt. 18, 3] sey das himelreich. Wollan, wir wollen es gleich also gescheen lassen, so folgt aller erst daraub, das das himelreich der kinder zu forderst sey; dan so der- jenig, der entpfahet das himelreich als ein kindlin, wurd hineinkomen, so muß ye von notten das kind auch das himelreich entpfahen, wie mocht sunst ein alter das bimel- reich als ein kindt entpfahen . . .

Item Marci 9 [V. 36 f] . . . Uber das alles, so ist Christus auch ein kind worden und in der wiegen gelegen, unnd freylich damit anzeigendt, das gott die kinder von seinem reich nit verwerfe, dieweyl sein aingeborner geliebter son auch ein kind gewesen; so dan gott die kinder von seinem reich nit ausschlecht, wie solten dan wir sie von dem tauff mit guttem gwissen mogen vortreyben? Und so Christus seinen aposteln ein cauilantes list, das sie die kinder von im treyben, vill mer wurdt er uns als sein amptleut in seinem gericht unwurseh ansehen, wan wir die kinder vom tauff wolten treyben . . . [Zu der Berufung der Täufer auf Róm. 10, 17.| Paulus... meint . . . nit den verborgnen glauben, den got heimlieh sehaft in eins menschen hertzen, der doch das ewangelion nie eusserlich gehort hatt, sonder er meint den glauben, der dem gehor enlich sev, das, wie das gehor offenlich geschicht, also kumpt auch der offenlich glaub darauß . . . Wie das kind kein glauben hatt, so mocht es auch kein seyligkeit haben, es wurdt ye on den glauben in Ihesum Christum niemands, weder jung noch alt, seylig ; kan nu das kind seelig werden, so muß es von notten auch glauben kunden. Johannes der tauffer hat in mutterleyb den heilgen geist entpfangen, der doch eben als woll durch das gehor sunst wurdt mitgeteylt als der glaub. Ist nun das kind Johannes des heilgen geists vehig gewesen, wie solten dan die andern kinder nit mogen des glauben vehig sein? Ja, sprichstu, damit ist noch nit bewert, das die kinder glaubeu, ob sie woll mogen glauben. Antwort: Ich wil auch nit beweren, das sie glauben, das wil ich aber bewern, das sie mogen glauben, unnd das ein ytlich kind, so seylig wurdt, muß glauben oder den glauben haben. Dan dise zwey stuck: mogen glauben und den glauben bekennen seyen fur dem amptman Christi gnug, den tauff des wassers mittzu- teylen, sonst wan er niemands solt tauffen dan denjenigen, so gewißlich glaubt, wen wolt er zu tauffen haben? Musten nit als wol die alten ungetauft bleyben als die kinder, dieweyl man ires glauben bekantnus mundtlieh wol hort, man ist aber noch nit gwiß, ob der glaub im hertzen recht geschaffen sey oder nit... . [Weitere Beweise für die Berechtigung der Kinder-

138 46

taufe : 1. Gott siehet nicht die Person an Vgl. oben. 2. Christus war auch als Kind Gottes Sohn 3. Jacob wurde im Mutter- leibe von Gott geliebt.]

Wevtter sprechen die widertauffer: ob das kind woll glaub, so kunde es doeh den glauben nit bekennen, dieweyl dan der tauff zuvor die bekantnus des glaubens erforder, so soll man die kinder nit tautfen. Antwort: Es ist war, man soll und kan niemands tauffen, er bekenne dan zuvor seinen glauben mundtlich. Nun wie das kind ein mund hett, also bekent es auch seinen glauben. Dan diewevl das kind sunst unmundig genant wurdt, so kan man woll erachten, das man hie dises nit fur des kinds mundt versteet, damit es saugt, greint oder brey isset, sonder darmit es vor ratht, gericht oder oberkeit ein autoritet und ein ansehen hatt. Aber vor gericht und oberkeit gilt des kinds mund. damit es saugt, gar nichts, und ob es sehon etwas redt, so zelt mans doch under kinder oder narrenwerck. Es gilt aber der mund des vatters, der formunder oder ander von dem vatter gewalt habende, und was dieselben fur das kind vor gericht oder oberkeit versprechen und zusagen, das wurdt als bstendig in des kinds namen auffgenomen, das demnach des vatters oder formunders mundt recht und war- haftig des kinds mund ist . . . So nun dise ordnung natur- lichem und burgerlichem rechten gmeD ist, so muß sie frey- lich auch ein ordnung gottis sein . . . So sie aber ist ein ordnung gottis. warumb wolt sie der amptman der kirchen nit eben als woll in kirchenhendel als in weltliehen hendeln gelten lassen? . . .

Demnaeh so die kinder glauben mogen, ja, sollen sie seylig werden, glauben mussen, wie hievor angezeigt, und den glauben dureh iren gwalt habenden mund bekennen, wer es nit allein geferlich, sunder auch ungotlich. inen den tauff abzusehlagen; dan das wer nichts anderst als dan alle kinder der seyligkeit berauben und, als vill an uns lege, der verdamnus zustellen . . .

Von des HERRN nachtmal und seiner einsatzung.

So man von dem saerament des nachtmals handeln will, mussen dise zwey stuck (das gantz nachtmal und die speis und dranek als die stuck des nachtmals) woll underschiden werden. Dan das gantz nachtmal als segen, dancksagen, essen unnd drincken ist von Christo dahin verordnet, das seins tods und desselben frucht unnd nutz darbey gedacht (das ist) gepredigt, verkundigt unnd offenlieh außgeruft soll werden: Luce 22 1. Cor. 11 . . . [folgt der Vergleich mit dem Passahlamm| Aber in disem nachtmal seien wein und brot als stuck des nachtmals von Christo verordnet, welche

47 139

seyen zum ersten recht warhafftig wein unnd brot, zum andern noch laut des worts Christi so ist das brot der warhafftig leib Jesu Christi, und der wein das warhaftig blut, und diß nit aub menschlichem segen und benedeyen, sonder aub gotlicher kraft, willen und ordnung, welche craft und will er offentlich durch sein wort zu versten hatt geben, sprechent: Das ist mein leib, das ist mein blut ete. [Nun sprechen einige, Christus] . . . hab allein mit denen worten des leibs und bluts zeichen auftgericht. Beweren dasselb also: Christus spricht: das fleisch zu essen sey kein nutz, wie hatt er dan wollen sein fleisch zu essen verord- nen? Item: Christus ist gen himel gefaren und hatt gesagt, er verlaó die welt, wie solt er dan im brot sein? Item: Christus sitzt mit dem leib zur gerechten gottis, wie kan dan sein leib im nachtmal sein? ...

|Dagegen, zunächst gegen die Berufung auf Joh. 6.]... Christus sagt hie [V. 63] nit: das fleisch zu essen ist kein nutz, sondern schlecht: Das fleisch ist kein nutz. Item er sagt nit: Mein fleisch ist kein nutz, sonder on zusatz: das fleisch ist kein nutz. Hieruff antworten die wider- secher sprechent: die umbstend der red Christi geben es, das er rede von seines fleisch essen, dan er hab zuvor gesagt: wan ir nit werd essen das fleisch des sons des menschen [ete.| . . . Antwurt: dis hett woll ein schein der warheitt, wan dise zwen spruch . . . on mittel und einred uff einander und miteinander geredt und gesetzt weren. Aber es geschicht nach dem ersten spruch ein einred . . . [vgl. V. 52] Dieweyl dan die vorgenden wort autf den un- verstand und unglauben der Capernaiten gehn, so mussen von notten die eingeschloßnen worter auch darauff gehn, es wer sunst ein ungereumbte red... [Die Schrift setze auch sonst, wenn sie von Christi Fleisch rede hinzu: mein Fleisch oder das Fleiseh des Sohns des Menschen; auch wenn, wie in vorliegendem Spruche, die Schrift Fleisch und Geist ent- gegensetze, sei nie das Fleisch Christi gemeint; auch 1. Tim. 3 |V. 16] heiße: im Fleisch, under den menschen in diser welt. Aber selbst einmal zugegeben, Joh. 6 sei Christi Fleisch ge- meint] Liebe, was wollen sie darmit erkriegen? das der leib Christi nit im sacrament sey? aber nach diser weyB wolt ich beweren, das, wo in einem vaßb seyger oder vergifter wein lege, daselbst kein wein were, und sprech also: diser wein ist unnutz zu drincken, darumb ist der wein nit im fab. Also furthin: Christi leib ist unnutz zu essen, darumb ist Christi leib nit im himel ete. . . . Aber es ist nit eins, unnutz zu essen oder zu drincken sein und nit dasselb gegenwurtig sein. Oder wollen sie damit beweren, das Christus sein leib im nachtmal zu essen nit verordnet und

j

140 48

beschiden hab, dieweyl sein fleisch zu essen kein nutz sey? Das hett woll ein schein der warheit, wan diser spruch im nachtmal stunde .. . Aber diser spruch steet nit in der einsatzung des nachtmals ... unnd ist gericht auff das essen des fleischs Christi (wan ve der zenckisch durch das fleisch Christi fleisch essen verstanden haben) wie es die Capernaiten verstonden. Nun verstunden sie es also, das man Christi fleisch eben must essen als rindfleiseh oder kalpfleisch . . . Was geth aber dises das essen im nachtmal an? dan im nachtmal isset man den leib Christi auff ein weyt andere weyß, dan wie es die Capernaiten verstonden. Man isset in verborgenlieh in dem brot unzerhauwen unnd unzerrissen und unzerkift und dasselb ist dazumal nutzlich und heilsam, so es mit dem glauben geschicht, aber verdamlich; so es im unglauben geschicht . . .

[Gegen den Einwand: Christus sei gen himel auffge- stigen] . .. Hieruff wollen wir erstlich seheen, ob Christi himelfart so vill vermog, das er nicht mer nach seiner menscheit hie, doch unbegriflicher weyß zugegen sey, sonder sitz droben auff der bloen bine an einem sonderlichen ort des himels und regire allein an allen orten mit seiner gotheit. das also die menscheit an ein ort gebunden oder verfasset sev,und gehe dieweyl die gotheitt allenthalben umbher spatziren. Wollan, der himel naeh art der gschrift wurdt autf mancherlev weiß genomen. Zum ersten heist man das den himel, daran son und mon, auch andere gestirn steen . . . Zum andern braucht man das wort (himel) nit allein fur die feste der gestirn, sunder fur alles, das leiblieh hoeh uber sieh uber der erden ist; daher wurdt der luft, die woleken, und was uber uns hinautf geht, der himel genant . . . Zum dritten wurdt das wort (himel) gebraucht metaphorice fur alle gotliehe hoheit, heimlicheit, weyßheit, gwalt, reich, freud. ewig leben unnd alles gutt . . . |Bewcis: Luc. 18, 22, Luc. 20, 4, 2. Cor. 12, 2] . . . Hieruff wollen wir besehen. in welchen himel unser HERR Christus gefaren sey, und in welchem er sey sitzen bliben. Das Christus sichtbarlicher wevD in die hohe, in den himel des lufts gefaren sey, steet ge- schriben Acto. 1. [folgt Zitat von V. 9—11|... Ist aber er daselbst siehtbarlieh weyß bliben? Nein, dan es steet geschriben |V. 9]: Ein wolek nam in auff von iren augen... So er nun nit im himel des lufts sichtbarlicher und ent- pfindlieher weyß bliben ist, so ist er villeicht leiblicher weyD in dem gestirnten himel, zu welehem er vor den augen der aposteln auffgefaren, bliben? Das er aber nit an einem sonderliehen ort des gestirnten himels allein bliben sey, be- wevst die heilig gschrift gweltigklieh Hebre 4 [folgt Zitat von V. 143]... und hernach Heb. 7 |folgt Zitat v. V. 26. So

49 141

er nun hoher dan der himel ist, muß er freilich nit an einem ort inwendig im himel bliben sein . . . [Folgt Beweis durch Eph. 4, 10. Also:| dieweyll Christus nit allein im himel des lufts und im himel der'gestirn an einem sonderlichen ort bliben ist, unnd wurdt doch von im gesagt, er sey, wone und regir im himel, so muß von notten dureh den himel verstanden werden alle gotliche hoheit, heimlichkeif, weyßheit. allmechtigkeit, reich, freud, ewig leben und alles gutts. Unnd nachdem dise stuck an kein sonderlieh ort . . . gebunden seyen, sonder seyen und erfullen alle ort, darin gott ist und wonet, so muß auch unser HERR Christus mit seinem leib unnd menscheit an allen orten gegenwertig. doch unbegreyflicher weyD, sein und regirn, da got ist und regirt. [Das aber auch Christi Menschheit alles erfülle, beweise Paulus Eph. 4, 10.] Aber hieruff sperren sich die widersecher, sprechen: alles erfullen heiß hie nit alle ort, sonder alle gschrift erfullen . . . [Be- weis: Lue. 24, 26ff.| Ist es aber nit zu erbarmen, das die widerpartey so durstigklich unnd frevenlich darff den feinen, lieblichen und trostlichen spruch Sant Pauls so gar mit aigner unbewerter außlegung verkeren? . .. [Folgt eine Erörterung über den verschiedenen Brauch des Wortes: erfüllen; man muß daher jedes Mal aus dem Zusammenhang erschließen, welehe Bedeutung vorliege. Eph. 4 heife es: alles erfüllen und gegenwurtiglieh regiren . . .|

(Fortsetzung folgt.)

Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 2. 10

Die von Cajetan verfasste Ablassdekretale und seine Verhandlungen mit dem Kur-

fürsten von Sachsen in Weimar, den 28. und 29. Mai 1519.

Von Paul Kalkoff.

Bei der Nachforschung nach den „Akten* zu Luthers römischem Prozeß ergab sich, daß uns alle wichtigeren Kundgebungen der Kurie in hinlänglich beglaubigter Form erhalten sind!) und zwar wesentlich dank den Bemühungen des Kurfürsten Friedrich und dem geschichtlichen Sinn Luthers, dann Aleanders. Dies gilt besonders auch von dem feierlichen Akte, durch den der Streit über Wesen und Kraft des Ablasses endgültig entschieden und die Entwicklung der kirchlichen Lehre in diesem Punkte abgeschlossen wurde, von der Bulle „Cum, postquam“, die aus der zwischen Cajetan und Luther in Augsburg stattgehabten Auseinander- setzung erwaehsen war und von dem Legaten zum Zweck einer überzeugenden Begründung der schon bereit gehaltenen Bannbulle entworfen wurde?) Die Überlieferung dieser Urkunde führte dazu, einen wichtigen Abschnitt der Ver- handlungen des römischen Bevollmächtigten mit dem fürst- lichen Beschützer Luthers ins Licht zu setzen und in den Zusammenhang der Ereignisse einzufügen.

Die Dekretale ist von Cajetan bald nach der Abreise Luthers verfaßt worden, indem er sie seinem damaligen

1) P. Kalkoff, Forschungen zu Luthers römischem Prozeß. Rom 1905. I. Kap.: Kritik der Überlieferuug.

?) Über die Verfasserschaft Cajetans vgl. Forschungen S. 66f.; ZKG. XXV, 430 Anm., XXXII, 21ff.

5l 143

Sekretär G. B. Flavio diktierte, und dann gelegentlich, da ihm in der stillen Zeit nach Schluß des Reichstags nicht mehr die häufigen päpstlichen Kuriere zur Verfügung standen, mit der Post der Fugger nach Rom beförderte. Hier hat der Sekretär Leos X. Pietro Bembo!) den Entwurf mit den nötigen Formalien am Eingang und dem Datum des 9. No- vember 1518 am Schluß dem ,Seriptor^ Albergati?) behufs

1) Das Weltkind Bembo stand dem Inhalt der Bulle völlig fremd gegenüber. Vgl. die ausgezeichnete Charakteristik. bei L. v. Pastor, Gesch. d. Päpste IV, 1, 431 ff.

2) Dieser Name findet sich als der des Ingrossisten auch unter der Bulle „Exsurge“ (ZKG. XXV, 129 Anm. 1; Forschungen S. 75) und bezieht sich auf die in mehrfacher Hinsicht interessante Persön- keit eines jener hochmütigen, ümtergierigen Kurialen, die, auf ihre nepotistischen Beziehungen gestützt, sich unter den Mediceern sehr wohl fühlten, den strengen Hadrian VI. aber mit bitterm HaB und Spott verfolgten, wie dieser Vianesio A., der in seiner von Pastor (a. a. O. IV, 2, 153) treffend gekennzeichneten Schrift, „das Konklave Clemens VII.“ über „den Geiz, die Härte und Dummheit" des nor- dischen Barbaren sich in selbstgefälliger Rhetorik ergeht. Der sonst, nicht eben wertvolle Bericht ist von E. Bacha in den Comptes rendus de la commiss. d’hist. de l’acad. de Bruxelles, ser. V., tom. I (1891), 109—166 abgedruckt mit dem Schlußvermerk: „finis primi libri“; die Fortsetzung dürfte nicht erfolgt sein. Die hier und in IV. ser., tom. XVII vorausgeschickten Angaben über den Vf. sind nichts als eine unzuverlüssige Wiedergabe aus G. Fantuzzi, Notizie degli scrittori Bolognesi. Bol. 1781. I, 136 ff. V. stammte aus einer vornehmen, ein halbes Jahrtausend in zahlreichen Gelehrten und hohen Kurialen, besonders Juristen blühenden Familie, unter denen besonders der zur Zeit der großen Konzilien berühmte Staatsmann, Kardinal Niccolö A. (+ 1444) hervorragt. Unser Vianesio (juniore) war 1516 Dr. iur. utr. und dann in Rom Prothonotar geworden; er hatte sich aus seinem Erbteil eine Stelle im Kollegium der „scriptores litterarum apost." gekauft und erhielt 1519 das Amt des „nuntius et collector“ der Spolien in Spanien; doch darf er in dieser Eigenschaft nicht, wie A. Pieper (Entstehungsgesch. der ständigen Nuntiaturen. Freiburg 1894, S. 61) tut, mit den diplomatischen Vertretern der Kurie, den „nuntii et oratores“ (vgl. Kalkoff, Aleander gegen Luther. Leipzig 1908. S. 7ff.) auf eine Stufe gestellt werden. Er ist nun, wie einige von F. angeführte Breven beweisen, zwar etwa von Mitte 1520 bis Herbst 1521 in Spanien gewesen; kurz nach dem Tode Leos X. aber berichtet er (20. Dez. 1521) an seine Vaterstadt, der er unter Hadrian VI. als Gesandter in Rom gedient hat (Pastor a. a. O. S. 12 Anm. 5, 74 u. ö.). Das Kardinalskollegium schickte ihn auf seinen Posten zurück und

10*

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Eintragung in sein Register diktiert und diesen Schriftsatz eigenhändig korrigiert und mit seiner Unterschrift versehen. Die Ausfertigung und Absendung des Originals ist un- mittelbar darauf erfolgt. Der Bogen mit dem Konzept aber ist mit einem willkürlich zusammengerafften Stoß der ver- schiedenartigsten, auf die auswärtige Politik des päpstlichen Kabinetts bezüglichen Schriftstücke, meist flüchtigen Ent- würfen der an die Nuntien und die fremden Höfe gerichteten Depeschen, zu einem Bande der „Brevia ad principes“ ver- einigt worden.

Die Bulle sollte durch den Legaten allen Bischöfen und sonstigen kirchlichen Obrigkeiten in Kopien übermittelt werden, die durch die Unterschrift eines Notars und das

ersuchte (Pieper a. a. O.) Hadrian VI, von V. A. genaue Rechnung über die von ihm gesammelten „Einkünfte und Spolien“ zu fordern. Diese Rechnungslegung muß nun für V. À. nicht eben günstig aus- gefallen sein, denn in dem von Fantuzzi im vat. Archiv. nachgewiesenen Aktenstück (.Handbuch der Ein- u. Ausgánge der ap. Kammer in Spanien vom 20. Juli 1520 bis 26. Febr. 1522“) bittet er schließlich den Papst um eine Pfründe, da er außer seiner Stelle als Seriptor nichts besitze und ihm aus den spanischen Zehnten noch 15000 Du- katen geschuldet würden. Die Eingabe dürfte an Clemens VII. ge- richtet sein, wührend Hadrian VI. ihn zur Deckung jener Summe angehalten hatte: hinc illae lacrimae. V. A. befand sich schon wieder in Spanien (erwáhnt vom Vizekanzler Medici, als sein Vertrauensmann, in einem Schreiben an Aleander v. 20. Febr. 1521; ZKG. XXVIII, 224f.), als die Wahlgesandtschaft den Kardinal von Tortosa um Annahme des Pontifikats ersuchte, und als Hadrian angesichts der ernsten Ent- scheidung zauderte, hatte der Italiener die Dreistigkeit ihm zuzurufen: er móge doch lieber verzichten, da er die hohe Ehre mit solchem Miüvergnügen aufnehme Am 15. Februar 1522 berichtete er auch von hier aus an den Rat von Bologna über die Ánnahme der Wahl (Fantuzzi l. e.). Über sein weiteres Leben weiß auch F. nichts; seine Grabinschrift aus San Francisco in Bologna mit dem verlesenen Vor- namen „Vincentius“ (bei L. Schrader, Monum. Italiae, Helmstädt 1592, fol. 592), die ihm sein bei Jöcher (Forts. des Gelehrtenlexikons I, 401 f.) als Jurist erwühnter Neffe Fabio 1572 gewidmet hat, erwähnt seine Stellung an den Hófen jener drei Püpste, besonders als Nuntius Leos X. in Spanien; gestorben wäre er danach 1532 im Alter von 55 Jahren. Zum Bischof von Cajazzo in Süditalien wurde er nach den Konsistorial- akten (Eubel-van Gulik, Hierarchia III, 160) am 29. Okt. 1522 ernannt, und schon am 3. Januar 1528 wurde die durch seinen Tod erledigte Stelle neu besetzt.

53 | 145

Siegel eines Prälaten zu beglaubigen seien, und zu diesem Zweck ließ Cajetan am 13. Dezember auf seinem Zimmer im Franziskanerkloster zu Linz!) durch den ihn begleitenden päpstlichen Notar die feierliche Eröffnung und Verlesung der auf ihre Echtheit vorschriftsmäßig geprüften Urkunde in einem Schriftstück bezeugen, in das die Dekretale selbst eingerückt wurde. Dabei setzte der Legat die Frist für ihre Bekanntmachung dureh die Bischöfe auf einen Monat fest.

Das Ganze lieb er alsbald in Wien auf einem großen Folioblatt als Plakat drucken, damit es durch Anheften an die Kirchentüren bequem bekanntgegeben werden könne. Von diesem Druck fand sich nun neuerdings ein Exemplar in einem allerlei gedruckte Bullen und Erlasse bis auf Pius V. vereinigenden Bande des päpstlichen Archivs?), und zwar ohne Beglaubigung. Es ist also keines von den zur Ver- breitung in Deutschland bestimmten Exemplaren, sondern das Belegstück, das der Legat bei der Kurie eingereicht hat. Der Befund bestätigt zugleich meine Annahme, daß die eigentliche Korrespondenz Cajetans zu dem einen Teile unter den Papieren des Vizekanzlers in Florenz verblieben ist, wo sich noch ein aus Augsburg an den Papst gerichtetes Schreiben vorfand?), zum andern Teile von ihm selbst dem Dominikaner- archiv bei S. Maria sopra Minerva in Rom übergeben wurde, mit dem das Original der Bulle wie das des notariellen Aktes vom 13. Dezember zugrunde gegangen sind.

Dieses römische Exemplar des Druckes ist nun insofern besonders wertvoll als sich in Deutschland keines erhalten zu haben scheint. Die älteren wie die neueren Nachdrucke gehen alle zurück auf den 1545 erschienenen ersten Band

1) In Linz war von dem dreimonatlichen Aufenthalt des Legaten keine Spur zu finden, wie Herr Prof. Dr. Schiffmann die Güte hatte mir mitzuteilen. Auf der Stelle des Minoritenklosters befindet sich heute das Landhaus; von dem alten Bau ist kaum etwas erhalten geblieben.

7, In Arm. IX, c. 1 unter Nr. 57, 18 gefunden von Herrn Prof. Dr. Göller; die Beschreibung verdanke ich der Güte des Herrn Prof. Dr. Schellhaß. In verso gleichgültige Kanzleivermerke: „Nova bulla super indulgentiis etc.“ „In capsula bullarum.*“ Fünf Zeilen mit dem dogmatisch wichtigsten Inhalt sind mit einem Tintenstrich eingefaßt.

*) Forschungen S, 211 f.

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der gesammelten Werke Luthers, nach dem zunächst die Jenaer Ausgabe hergestellt wurde!) Auch die neuesten Abdrücke bei W. Köhler und C. Mirbt?) beruhen auf der nach Luthers Werken hergestellten Wiedergabe bei Loescher oder H. Sehmidt?). Dasselbe aber gilt von den älteren Sammel- werken und Darstellungen, die in einer für ihre Zeit recht ` gründlichen kritischen Untersuchung über „die neue Decre- talis Papst Leo X.“ von J. E. Kapp angeführt werden‘). Dieser verzeichnet nun zwar unter seinem der Witebergensis entlehnten Texte umständlich die Varianten einer von dem Schweizer Kirchenhistoriker J. H. Hottinger?) wiedergegebenen Fassung; doch handelt es sich hier nur um willkürliche stilistische Änderungen eines humanistisch gebildeten Ab- schreibers. Die wichtigste sinnentstellende Auslassung aller Drucke, auch des römischen Originaldruckes, das Fehlen der von Bembo am Rande des Konzeptes unter Beifügung seines Namens nachgetragenen Worte „regnum celorum“ (hinter: „potestate clavium, quarum est aperire“), begegnet auch bei Hottinger; man hatte eben in Rom bei Herstellung der Rein- schrift diese Korrektur tibersehen und bis auf den heutigen Tag ist die Unvollständigkeit des Relativsatzes niemandem -

1) M. Lutheri opp. ed. Witeberg. I, fol. 228, Jenensis I, fol. 114.

*) Köhler, Dokumente zum Ablaßstreit von 1517. Tübingen u. Leipzig 1902. S. 1581f. Mirbt, Quellen z. Gesch. des Papsttums. Ebenda 1901. S. 182.

3) V. E. Loescher, Vollständige Reformations-Acta usw. Leipzig 1720. II, 493, wo schon die Vermutung geäußert wird, daß die Bulle „auf Cajetani Vorschlag entworfen“ worden sei. H. Schmidt, M. Luth. opp. lat. var. arg. etc. Francofurti 1865, II, 428—434.

*) Kapp, Sammlung einiger zum Päpstlichen Ablaß gehöriger Schrifften. Leipzig 1721. S. 422—481. Die wichtigsten älteren Drucke, von denen einige bei Hefele-Hergenrüther, Conciliengeschichte, Frei- burg i. Br. 1890. IX, 89, Anm. 1 vermerkt werden, finden sich bei Abr. Bzovius, Continuatio annal. eccles. Baronii ad ann. 1518, Colon. Agr. 1630. tom. XIX, 347. J. Chr. Lünig, Continuatio spicilegii ecclesiastici. Lipsiae 1720. I, 147sq. Le Plat, Monum. ad hist. concilii Tridentini. Lovanii 1782. II, 91 sqq. Die übrigen Stellen wie Seckendorf, hist. Lutheranismi, J. Gerhardus, confessio catholica, Pufendorf usw. bei Kapp a. a. O. S. 457 ff.

5) Hist. eccles. sec. XVI. Pars IIT, p. 183sq. Kapp S. 459 ff.

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aufgefallen, auch nicht dem gleichzeitigen Übersetzer!) Die Zuverlässigkeit des Wittenberger Textes wird durch die im übrigen ziemlich genaue Übereinstimmung mit dem Konzept erwiesen. Bei einer Neuausgabe müßte natürlich das römische Exemplar des Druckes zugrunde gelegt und nach den Korrekturen Bembos berichtigt werden.

Das Wittenberger Exemplar, das unter dem „Impressum“ die handschriftliche Beglaubigungsformel des Notars und das kleine Siegel des Kardinals trug, ist verloren gegangen. Es hätte sich in einem von O. Clemen entdeckten Bande der Kamenzer Stadtbibliothek vorfinden müssen, der in 28 Original- drucken und einigen Abschriften aus der Zeit von 1517 bis 1520 einen Teil der Materialiensammlung für die Wite- bergensis enthält?): besonders sind hier die Stücke des I. Bandes, die wie die Acta Augustana mit der Bulle „Cum, postquam“ in engem Zusammenhange stehen, darunter einige Unica, wie die von Luther nach seiner Rückkehr von der Heidelberger Disputation auf einem Plakatdruck erlassene Erklürung?), erhalten. Vielleicht hat man später den Druck der Dekretale, ähnlich wie es der Laudatio Karlstadts er- ging*), vernichtet, oder es ist ihm einfach das Siegel ver- derblieb geworden.

Die u. a. auch von Hergenröther übernommene Bemer- kung, daD ,die Konstitution in vielen Exemplaren durch Deutschland verbreitet wurde“, geht auf des Kardinals Sforza Pallavieini Istoria del concilio di Trento?) zurück, der dies. für selbstverständlich gehalten haben dürfte. Indessen die große Seltenheit der gedruckten Exemplare und die geringe Beachtung, die eine an sich so bedeutsame Kundgebuug des heiligen Stuhles nicht bloß auf lutherischer, sondern fast

1) Vgl. unten. Spiegel läßt jedoch den vom Vf. beabsichtigten Sinn dadurch hervortreten, daß er „claves“ mit „Himmelschlüssel“ übersetzt („welchen zugehört aufzutun“) und „claviger“ mit „der himmlischen Schlüssel Träger“. Forschungen S. 67. S. unten S. 77 ff.

?*) Von Clemen beschrieben in ZKG. XXVI, 246 ff.

3) Vgl. meine Untersuchung in ZKG. XXVII, 3201f. XXXII, 574 ff. 4) Clemen S. 248.

5) Rom 1664. Lib. I, cap. XII, 8 4.

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noch auffallender auf katholischer Seite gefunden hat’), widerspricht jener Annahme. Wenn man sich nun die Schwierigkeiten vergegenwärtigt, die bald darauf Aleander mit der Verbreitung der beiden Bullen vom 15. Juni 1520 und vom 3. Januar 1521, sowie mit der des Wormser Edikts hatte, obwohl er auf einem Reichstage die meisten Kirchen- fürsten persönlich angehen konnte, ferner die Unkosten, die mit der Versendung durch eigene Boten, die Umständlich- keiten, die mit der verbindlichen Insinuation und Publikation bei den Obrigkeiten verbunden waren?) so begreift man, daß Cajetan, der seine Mittel bald nötiger für die Betrei- bung des Wahlfeldzugs brauchte, nur sehr wenig für die Bekanntmachung der kathedralen Entscheidung Leos X. hat tun können.

Während sich nun von der Anwesenheit Cajetans in Linz an Ort und Stelle keine Spur hat nachweisen lassen, wissen wir zwar, daB er bei seinem Eintreffen in Nürnberg am 25. Februar 1519 von dem Juristen Chr. Scheurl im Auf- trage des Rates mit einer seine Gelehrsamkeit feiernden Rede begrüßt wurde, und möchten vermuten, daß er wenig- stens den Pröpsten der Hauptstifter von S. Sebald und S. Lorenz die Bulle mit seinem Publikationsdekret übergeben habe; doch hat sich keine Nachricht über eine Veröffent- liehung erhalten®). Am 28. Februar reiste er nach Aschaffen-

!) In den Enzyklopädien von Herzog wie von Wetzer-Welte wird in der geschichtlichen Übersicht über die Entwicklung der Ab- lüsse dieser abschließenden Entscheidung Leos X. nicht gedacht. Über die Vorgeschichte der wichtigsten Ablaßfragen, so der auch von Cajetan genau umschriebenen „absolutio a poena et a culpa“, vgl. das auf umfassenden Quellenstudien beruhende Werk von E. Göller, Die päpstliche Poenitentiarie, Rom 1907 u. 1911, besonders das Kapitel über die Entwicklung der Plenarindulgenzen (I, 213ff.); doch konimen die von Cajetan behandelten dogmatischen Grundlagen hier nicht zur Erörterung. Die bei Behandlung der Organisation, der Geschäfts- praxis und des Taxwesens der kurialen Behörde erwühnten „Reformen“ Leos X. (1513) betreffen nur die Überforderungen und sonstigen Mib- bräuche der Beamten (lI, 1, 108 ff., 2, 90).

2) Vgl. etwa Kalkoff, Anfänge der Gegenreformation in den Niederlanden. Halle 1904. I, 23 ff., 33 ff., IT, 14 ff.

3 Während im städtischen Archiv derartige Akten überhaupt nicht zu suchen sind, hat sich auch in den Bestünden des Kgl. Kreis-

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burg weiter!), wo er als Gast des Erzbischofs von Mainz, dem er vielleicht jetzt erst die Abzeichen der Kardinals- würde überreichte?), etwa zehn Tage verweilte?). Es ist nun selbstverständlich, daß er dem Primas von Deutschland die Bulle mit dem Ersuchen um Bekanntmachung und Voll- ziehung mitgeteilt hat, freilich auch ebenso sicher, dab Albrecht bei seiner in jenen Jahren beobachteten passiven Widersetzlichkeit gegen alle Maßregeln der Kurie auch diese Anordnung des Legaten mißachtet hat.

In Frankfurt, wo Cajetan am 10. März eintraf, wurde er weder von Priesterschaft noch Rat eingeholt, von letzterem jedoch am nächsten Tage in seiner Wohnung begrüßt. Doch finden wir außer dieser kurzen Notiz weder in den Rats- protokollen noch in den Akten der dortigen Stifter etwas von einer Intimierung der Dekretale. Hier hat der Kardinal am 14. und 15. März Urkunden für das Dominikanerkloster ausgestellt, in denen er den Besuchern und Wohltätern seiner Kirche den üblichen hunderttägigen Ablaß an neun be- stimmten Festtagen verlieh‘).

archivs weder ein Exemplar der Bulle noch in den reichsstädtischen Repertorien ein diesbezüglicher Eintrag gefunden. Auch die Müllner- schen Annalen berichten nichts davon. An Beziehungen Cajetans zu Nürnberg findet sich sonst nur ein Schreiben desselben und ein päpst- liches Breve vom 7., bzw. 28. Juni 1513 über die Reformation des Klosters Engelthal vor. Gütige Mitteilung des Herrn Archivrats Dr. Schrötter.

1) Zur Reise Cajetans s. Deutsche Reichstagsakten, Jüng. Reihe I, 346 Anm. 3 und ZKG. XXV, 409, Anm. 2.

2) Vgl. ZKG. XXXI, 62, Anm. 2.

3) Über diesen Aufenthalt iu der Residenz Albrechts hat der beste Kenner der Mainzer Akten aus der Reformationszeit, die im Würzburger Kreisarchiv beruhen, Herr D. Fr. Herrmann, nichts finden können, auch nicht in den freilich sehr leichtfertig geführten Proto- kollen des dortigen Stifts von SS, Peter und Alexander.

*) Und zwar zunächst an Mariae Himmelfahrt, S. Dominicus, S. Maria Magdalena, S. Sebastian; in der zweiten Urkunde an SS. Phi- lippus et Jacobus, S. Quirinus, S. Barbara, S. Lucia, S. Augustinus. Beide sind von Cajetans Sekretür unterzeichnet: ,de mandato Felix Trofinus^. Nur an der zweiten ist das Siegel Cajetans in einer Blechkapsel erhalten. Gütige Mitteilung des Herrn Archivdirektors Dr. R. Jung.

150 908 ,

Über den wiederholten Aufenthalt Cajetans in Mainz haben wir im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als püpst- licher Wahlagent zahlreiche Nachrichten); aus der Samm- lung seiner Werke wissen wir, daß er dort am 22. März 1519 einen Traktat über die Frage schrieb, „ob der päpstliche Stuhl in den Kanones die Worte der Hl. Schrift mißbrauche‘“?). In der örtlichen Überlieferung aber war hier keine Erinne- rung an seine Tätigkeit zu entdecken, ebensowenig wie seine Beziehungen zu dem Erzbischof von Trier während seiner Anwesenheit in Koblenz eine Spur hinterlassen haben?).

Auf seiner eiligen Rückreise aber, die Cajetan nach dem Mißerfolg seiner Beteiligung an der Kaiserwahl alsbald antrat*) dürfte er ebenfalls wenig Gelegenheit gehabt haben, für die Verbreitung der Bulle „Cum, postquam* zu wirken.

Über die Stellung Karls von Miltitz an der Karie’) und die Verhültnisse, unter denen sieh seine Entsendung nach Deutschland vollzog, haben sich neuerdings quellenmäßige Nachweise ergeben, die meine frühere Darlegung bestätigen, dab der unwissende und unzuverlässige, eitle und vorwitzige Junker keineswegs zu Verhandlungen mit Luther und dem Kurfürsten behufs schiedlicher Beilegung des kirchlichen Konfliktes ermächtigt, sondern, dem Legaten streng unter- geordnet, nur die Auslieferung oder mindestens die Aus- weisung Luthers zu erwirken beauftragt war. Der be- schäftigungslose Notar gehörte keineswegs der den Haus- prälaten zunächst stehenden Rangklasse der päpstlichen „Kammerherren“ (camerarii) an, sondern hatte nur eben den Titel eines , Kammerjunkers* (eubieularius extra cameram);

!) Bes. Reichstagsakten S. 494f. und Kalkoff, Aleander gegen Luther S, 27, 59.

*) Thomae de Vio opuscula. Lugduni 1558. p. 126. tract. XXX. C. F. Jäger in der Ztschr. f. hist. Theol., 1858, S. 442 Anm.

3) Gütige Mitteilung des Herrn D. Herrmann bzw. des Kgl. Staats- archivs in Koblenz. Von dem Mainzer Dominikanerkloster sind nur wenige Nachrichten vorhanden.

t) Forschungen S. 133 und P. Kalkoff, Die Miltitziade. Eine kritische Nachlese z. G. des Ablaßstreites. Leipzig 1911. S. 81.

5) Das Folgende nach Miltitziade Kap. I, II u. V.

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seine Ernennung zum „Nuntius“ bedeutete nicht eine Gleich- stellung mit den zu selbständigen Verhandlungen berufenen Diplomaten der Kurie, den „nuntii et oratores“, sondern nur die Erteilung eines eng begrenzten Auftrags, wie ihn die durchaus subalternen „nuntii et commissarii“ empfingen. Ja, nicht einmal diese Funktion war ihm ursprünglich zu- gedacht, sondern er sollte zunächst nur in eiligem Ritt die Goldene Rose so schnell über die Alpen befördern (10. Sep- tember 1518), daß sie dem Kurfürsten noch auf dem Reichs- tage in Augsburg durch den Legaten überreicht werden könnte. Da entschloß sich der Papst infolge des gleich darauf eingegangenen Berichtes Cajetans zu dessen Delegie- rung als Richter in Luthers Sache, und als sich nun nach erfolglos verlaufenem Verhör die Bestrafung des schon in contumaciam verurteilten Ketzers und Schismatikers als un- umgänglich, seine Verhaftung aber als recht schwierig her- ausstellte, wurde der Nepot des einflußreichen Dominikaners Nikolaus von Schönberg mit der entsprechenden Kommission an den kurfürstlichen Hof entsandt. Da sich seine Abreise naeh. Ausfertigung der nötigen Breven noch einmal ver- zögerte, so daß er von den Jagdschlössern in Toscana, wo- hin er den Hof begleitet hatte, wieder nach Rom zurtick- kehrte, so hatte er dabei Gelegenheit manches zu beobachten, was er sonst bei seinen recht lockeren Beziehungen zur Kurie nicht erfahren hätte.

Gerade die kanzleimäßige Ausstattung der mit dem Bleisiegel zu versehenden Dekretale konnte erst nach der Rückkehr des Papstes nach Rom besorgt werden, und so er- zählte Miltitz dem Nürnberger Juristen Chr. Scheurl ganz zutreffend, diese an den Kardinal S. Sixti gerichtete ,decre- talis Leonina declaratoria Unigenitus“ habe der Papst ,her- ausgegeben am 15. oder 16. November nach Empfang der Antworten Luthers (edidisse . . . acceptis tuis responsionibus"; Scheurl an Luther, Nürnberg, 20. Dezember 1520), also nach Eingang des Berichtes Cajetans mit den von Luther auf die vorgeschriebenen Fragen abgegebenen Erklürungen?. Die

7) Von Enders, Luthers Briefwechsel I, 327, 57 ff., 331, Note 14 irrig auf die „Responsio M. Lutheri ad dialogum Silv. Prieratis" bezogen.

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von Bembo nach vollzogener Durchsicht vom 9. November datierte Bulle ist also eine Woche später, rite ausgefertigt und besiegelt, dem Kommissar im Augenblick seiner Abreise übergeben und durch ihn in Augsburg dem Legaten, der von der Ausführung seines Antrags verständigt worden war und die wichtige Sendung abwartete, übermittelt worden),

1) In seiner Dissertation über Karl v. Miltitz (Freiburg 1907. Vgl. meine Besprechung in der Hist. Ztschr. 101, 120 ff. und meine Miltitziade) wundert sich H. A. Creutzberg, daß ich in der kritischen Studie über den „Briefwechsel zwischen dem Kurfürsten Fr. u. Cajetan“, ZKG. XXVII, „Heft 3^ (soll heißen S. 332) .Miltitz in Augsburg schon jetzt mit dem Legaten zusammentreffen lasse, ohne jedoch hier- für eine Quelle zu zitieren", obwohl in Anm. 4 auf ZKG. XXV, 283 Anm. 2 verwiesen wird, wo ich wie in den „Forschungen zu Luthers römischen Prozeß“ S. 109 Anm. 3 die Bemerkungen des Nürnberger Juristen Chr. Scheurl zu Schlüssen über Cajetans Verhalten nach Be- endigung des Reichstags benutzt habe. Der Legat war auch nach Luthers Rückreise noch in Augsburg verblieben, wo er, wie Antang November berichtet wird, mit der Berechnung des Ertrags der Türken- steuer beschäftigt war, d.h. mit den Fuggern über die Modalitäten der Sammlung der Gelder verhandelte. Von hier aus sandte er den Entwurf der Dekretale ein und wurde gewiß alsbald darüber ver- ständigt, daß die Bulle sofort nach der Rückkehr des Papstes nach Rom ausgestellt werden würde. Miltitz, den man damals bei dem Jagdausfluge nach Toscana von dort aus abfertigen wollte, konnte hier wohl mit den Breven (11.—24. Oktober; Forschungen S. 61f.) aus- gestattet werden; die vorschriftsmäßige Ausführung aber der ,,bulla plumbea cum cordulis ex canopo“ (Luth. opp. var. arg. II, 429) konnte nur in Rom erfolgen. Miltitz, der sich über diese Vorgünge genau unterrichtet zeigt, ist also erst etwa Mitte November von dort ab- gereist und Ende November bei dem Legaten, seinem Vorgesetzten, eingetroffen. Erst am 20. Dezember meldet Scheurl an Luther, was er von dem am 18. in Nürnberg angelangten Kanzler Pfeffinger gehört hat, daß der Legat nunmehr „dem Kaiser nachreise* (Enders I, 328, 98). Abgesehen von der bequemen Verbindung mit Rom war es auch für Cajetan wünschenswert, die Ankunft Miltitzens in Augsburg ab- zuwarten, weil weder er noch der Kommissar in der Lage waren. teure Kuriere zu bezahlen. Anfang Dezember ist der Legat dann wieder an den Hof gegangen, der nach einer langen Irrfahrt durch Tiroi in Oberösterreich angelangt war; in sechs bis sieben Tagen konnte Cajetan bequem nach Linz gelangen, wo er nun reichliche Muße hatte, sich mit der Publikation der Dekretale zu beschüftigen. Miltitz scheint ihn bis nach Niederbayern begleitet zu haben, wo er sich dem gut püpstlich gesinnten kursüchsischen Kanzler Pfeffinger anschloB, der soeben von seinem heimatlichen Gute an den Hof Friedrichs

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während die Goldene Rose und die Ablaßbullen für die

zurückkehren wollte und dann (a. a. O. S. 326, 38 ff.) zwei Tage mit ihm in Nürnberg rastete. Bekanntlich stellte es Miltitz hier so dar, als ob er den Kurfürsten nur als Privatmann aufsuche, und zwar auf die Bitten und Verheißungen Pfeffingers hin, der eine gütliche Einigung mit Luther für leicht erreichbar erklärt habe, wenn man diesem für den Widerruf ein Bistum oder eine andere hohe Würde in Aussicht stelle; das werde besser wirken als die Goldene Rose und die Ablaßbullen (a. a. O. S. 327,65 ff., 76 ff.), die Miltitz zu seinem großen Ärger in Augsburg hatte zurücklassen müssen. Auch hatte ihm die Beobachtung der großen Beliebtheit Luthers seinen Auftrag, den Professor gefangen hinwegzuführen, verleidet. Seine Flunkereien begannen also schon in Nürnberg. Nun meldete er sich am 26. De- zember von Gera aus bei Spalatin an mit einer Darstellung, die sein zufälliges Erscheinen in Sachsen glaubhaft machen sollte: er habe beabsichtigt, dem Legaten zu folgen (oder nachzureisen), der damals beim Kaiser in Österreich sich aufhielt (statueram sequi . . . legatum apud Caes. Mte" in Austria tunc agentem); da er aber gehört habe, daB Pfeffinger sich zum Kurfürsten begebe, habe er an ihm nicht vorbeireisen wollen, ohne ihn vorher noch zu sprechen; „infolgedessen sei er nach eilfertiger Beratung mit Pfeffinger (itaque tumultuarie deliberatus cum eodem) an den sächsischen Hof gegangen; die Gründe werde man vom Kanzler selbst erfahren usw. (Cyprian, Nützl. Urkunden. Leipzig 1718. II, 105). Auch wenn diese Darstellung nicht tendenziös zurechtgemacht würe, lieüe sich mit dem angeführten Wortlaut die auf der obigen chronologischen Erwägung beruhende Ansicht ver- einigen, dag Miltitz den Legaten noch in Augsburg antraf und nur einige Tage später als er aufbrach, wobei ins Gewicht fällt, daß Miltitz immer darauf bedacht war, seine Unterordnung unter den Legaten zu verbergen.

Pfeffinger, der am 27. Dezember beim Kurfürsten in Altenburg - Bericht erstattete, war nun kurz vor seinem Zusammentreffen mit Miltitz, also Anfang Dezember beim Kaiser auf Sachsenburg bei Linz gewesen; wenn er erzählte, der Kaiser sei „ganz fröhlich und bei guter Gesundheit gewesen", während doch seine Krankheit schon „um Ende November“ zum Ausbruch kam (H. Ulmann, Kaiser Maxi- milian I. II, 761) so will dies nichts besagen, da die Erkrankung des Herrschers sorgsam verheimlicht wurde. Im Gegensatz zu der Be- hauptung Miltitzens, daß Cajetan schon „beim Kaiser in Österreich“ geweilt habe, berichtete Pf.: „der Legat zeucht Kais. Majestät nach“ (F. A. v. Langenn, Herzogin Sidonie in den Mitteil. d. Sächs. Altertums- vereins. Dresden 1852. I, 114). Auch diese Quelle deutet also darauf hin, daß Cajetan so lange in Augsburg geblieben war, daß M. ihn dort noch antreffen mußte, der auf alle Fälle verpflichtet war, sich bei seinem Eintreffen daselbst mit dem Legaten in Verbindung zu setzen (vgl. ZKG. XXVII, 327 Anm. 2).

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Schloßkirche in Wittenberg bei den Fuggern niedergelegt wurden. Wenn Miltitz fortfährt, „eam se utroque sermone invulgaturum apud vos“, so übertreibt er wie gewöhnlich die Wichtigkeit seines Anteils an dem Geschäft: die feier- liche Veröffentlichung mit nachfolgender Drucklegung und Beglaubigung der Kopien war Sache des Legaten, und auch die wohl schon von Rom aus angeordnete Übersetzung ins Deutsche wurde durch Cajetan gleichzeitig besorgt. Denn der höchst seltene von E. Weller!) vermerkte Druck „Copey der Bullen unsers heiligisten Vatter Babst Leo des zehendten Von krafft des Romischen Antlaß* trägt am Schluß den Vermerk: „Getruckt zw Wienn in Österreich. Mit gonst und willen des gnedigisten herrn Bischoff daselbst“, wie das lateinische Original den Vermerk: „Impressum Viennae Pannoniae cum reverendissimi Domini Episcopi ibidem assensu et voluntate?).“ Doch ist in der Übersetzung nur die Bulle selbst wiedergegeben, nicht der notarielle Akt über ihre rechtsverbindliche Publikation durch den Legaten; sie sollte also den authentischen lateinischen Stücken nur behufs be- quemerer Mitteilung ihres Inhalts an das Volk beigegeben

7) Repertorium typographicum. Nördlingen 1864. S. 134f., Nr. 1102. Außer diesem in einer Privatbibliothek nachgewiesenen Exemplar hat Herr Lie. Dr. O. Clemen, dem ich auch für Abschrift und Kollation des Druckes zu wärmstem Danke verpflichtet bin, zwei Exemplare in der Ratsschulbibliothek von Zwickau aufgefunden (XII, VI, 18, und XVII, X, 15,.). Ferner teilte mir die K. K. Hofbibliothek in Wien mit, daß sich dort die „Copey“ unter der Signatur 20. T. 191, aber kein Exemplar des Plakatdruckes befindet, und Herr Domkapitular Dr. Wimmer hatte die Güte festzustellen, daß sich im fürsterzbischöf- lichen Konsistorialarchiv unter den aus der Zeit Bischof Georgs er- haltenen Archivalien weder die beiden Drucke noch eine Spur eines etwa anläßlich der Drucklegung mit Cajetan gepflegenen Briefwechsels vorfindet. Wahrscheinlich hat Spiegel alles persónlich in Wien be- sorgt, da am Hoflager in dem bei Linz belegenen Wels während der Todeskrankheit Maximilians ein völliger Stillstand der Geschäfte ein- getreten war, so daß sich auch in Innsbruck aus dieser Zeit keinerlei Archivalien befinden (ZKG. XXVII, 332 Anm. 5). Wie das Auskunfts- bureau der deutschen Bibliotheken feststellte, waren beide Stücke in ihrem Bereiche aufer an den mir schon bekannten Stellen nicht auf- zufinden.

2) M. Luth. opp. var. arg. II, 434,

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werden, da man wohl nicht ganz sicher war, ob die Pfarrer eine leidlich zutreffende Wiedergabe wtirden leisten können. Zugleich wurde diesen schon auf dem Titelblatte eine nicht mißzuverstehende Anleitung gegeben, in welchem Sinne sie ihren Zuhörern Anlaß und Bedeutung des päpstlichen Ge- setzes zu erläutern hätten: „man wird aus der Bulle er- kennen, daß gewisse Predigten über die Ablässe, die samt ihrer theologischen Begründung dem Volke aufgedrängt wurden (,etlieh predig darvon eingetruckht mit yrer be- festigung‘ opp. v. arg. II, 430: ‚super indulgentiis ... publice praedicando multorum cordibus imprimerent errores‘) weder die Stärke des Eisens noch die Größe und Schwere der Berge haben, da sie infolge der Erkenntnis der Wahrheit so recht leichtfertig zerfließen und zu Kot werden und nichts weiter zurücklassen als den faulen Gestank einer grauen- erregenden Ketzerei*.

Die Übersetzung ist, wie aus den schon auf dem Augs- burger Reichstage mehrfach naehweisbaren Beziehungen des Legaten zu dem Vorstande der lateinischen Kanzlei Maxi- milians, dem Dalmatiner Jakob de Bannissis und seinem Untergebenen, dem Sekretär Jakob Spiegel aus Schlettstadt, dem literariseh rührigen Neffen Jakob Wimpfelings, hervor- geht!) von dem letzteren besorgt worden, indem Bannissis, der eigentliche Vertrauensmann der Kurie in der kaiser- lichen Regierung, sich dem Legaten gefällig zu erweisen be- müht war. Spiegel hat ja dann auch auf dem Reichstage von 1521 für den Nuntius Aleander wiederholt die Über- setzung der lateinischen Entwürfe, wie besonders des Wormser Edikts, gegen bare Bezahlung besorgt?). Auch der Bischof von Wien, Georg von Slatkonia, war ein alter kaiserlicher Rat, der dieses geistliche Amt gewissermaßen

1) Forschungen S. 12, 102 f., 128.

2) P. Kalkoff, Depeschen des Nuntius Aleander vom Wormser Reichstage 1521. Halle 1897. S. 135 f., 152 ff. w. ö. Derselbe, Jakob Wimpfeling und die Erhaltung der kathol. Kirche in Schlettstadt. In der Ztschr. f. d. Gesch. des Oberrheins, N. F. XIII (Karlsruhe 1897/98), S. 88 ff., 111 f., 264 ff. und die Entstehung des Wormser Edikts usw. in ARG. IX.

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als Ruheposten erhalten hatte. Seine Zustimmung erbat sich der Legat in gewissenhafter Befolgung des vom V. Lateran- konzil erlassenen Zensuredikts („Inter sollicitudines“), das die Drucklegung aller Schriften von der Genehmigung des Ordinariats abhängig machte.

Nur die Fassung des Titelblattes rührt nieht von Spiegel her, der als Jurist und Humanist doch zuviel Selbstbewußtsein besaß, um sich mit der Partei Tetzels, den Gegnern Reuchlins. völlig eins zu fühlen und sich zu derartigen fanatischen Ausfällen gehen Luther hinreißen zu lassen. Zudem war er gerade in jenen Jahren unter dem Einfluße seines Oheims Wimpfeling am Werke, wegen der rücksichtslosen Eingriffe römischer Pfründenjäger in die kirchlichen Verhältnisse seiner Vaterstadt die konziliaren Überlieferungen des deutschen Reiches durch Wiederabdruck der pragmatischen Sauktion aufzufrischen und vollzog seine Schwenkung zugleich mit dem von Aleander schwerbedrohten greisen Pädagogen erst zur Zeit des Wormser Reiehstages?) Doch läßt sich auch ein positiver Beweis dafür erbringen, daß diese Überschrift von deutschen Dominikanern in der Umgebung Cajetans herrührt.

Tetzel hatte im April 1518 eine weitere Streitschrift, seine „Vorlegung“, d. h. Widerlegung, gegen Luther ver- öffentlicht*), in der er eine neue Disputation in Frankfurt ankündigte, die freilich nicht stattgefunden hat. Luther ant- wortete ibm mit einer im Laufe des Monats Juni gedruckten Gegenschrift, die er schon am 4. Juni seinen Freunden Spalatin und Lang ankündigte*) In diese Verteidigung („Freibeit“) seines Sermons von Ablab und Gnade wandte er sich mit einer dureh Tetzels rohen Ton hinlänglich ge- rechtfertigten Schärfe gegen die „quaestores et haereticae

1) ZKG. XXV, 283. Über die 1513 erfolgte Wahl und Be- stitigung des „Vorstehers der kaiserlichen Kapelle und erwählten Bischofs von Pedena", G. v. Slatkonia, zum Bischof von Wien vgl. W. Friedensburg, Informativprozesse über deutsche Kirchen, Qu. u. Forsch. aus ital. Arch. I, 168 ff.

2) Wimpfelings kirchliche Unterwerfung. Ztschr. f. Gesch. des Oberrheins XXI, 262 ff.

3) N. Paulus, Joh. Tetzel. Mainz 1899, S. 54.

4) Enders I, 205, 27 ff, 207, 16 ft.

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pravitatis inquisitores“, die der Belehrung weitaus bedürftiger seien als die von ihnen irregeführten Laien, und bot ihnen im Namen seines Kurfürsten „sicher Geleit, offne Thore. freie Herberge und Kost“ in Wittenberg an, wenn irgendwo „ein Ketzermeister sei, der sich Eisen zu fressen und Felsen zu zerreissen verdünke!)*. Diese Herausforderung zu einer Disputation, die im Grunde nur eine Erneuerung des mit dem ,Disputationszettel^ vom 31. Oktober 1517 erlassenen Angebots akademischer Erörterung der Ablaßfragen war. muß den Ordensgenossen Tetzels sehr unbequem erschienen sein, denn sie benutzten die auffälligste Stelle des päpstlichen Erlasses, um die Welt wissen zu lassen, daß die Argumente, denen der Augustiner so fest vertraute, der römischen Bulle gegenüber sich nicht so als „Fels und Eisen“ bewähren würden.

Die Besorgung der Übersetzung und der Drucke dürfte sich bis in das neue Jahr hingezogen haben, so daß der Legat in der Versendung schon durch den Tod des Kaisers gestört wurde, durch den er seine Mission überhaupt be- endet glaubte. Sein Schreiben aus Augsburg vom 25. Oktober hatte der Kurfürst erst am 19. November erhalten, da Cajetan die Kosten für einen besonderen Boten nieht hatte aufwenden können und es wohl durch die Leipziger Faktorei der Fugger hatte bestellen lassen. Friedrichs Antwort vom 18. (nieht vom 8.) Dezember hatte er ja beim Ableben Maximilians I. am 12. Januar in Händen; ob aber jener sieh nun veran- laßt gesehen hatte, den Legaten durch einen besondern Boten auszuzeichnen, dem Cajetan eine Sendung an Miltitz hätte mit-

1) Luthers Werke. Krit. Gesamtausgabe. Weimar 1883. I, 380 f. bes. 392,12 ff, 393, 19 f. Auch Cochlaeus, der in seinen Commentaria de actis et scriptis Lutheri (Mainz 1519) die Antünge der Reformation durchaus unter dem Gesichtswinkel der Dominikaner darstellt, kannte die Bedeutuug dieser Stelle, die er als Beweis für den durch den Schutz des Kurfürsten gesteigerten Übermut Luthers aus dessen „Defensio sermonis de indulgentiis* wörtlich anführt (p. 11): ausus fuit etiam Protectoris et Principis sui autoritate Wittenbergam publico seripto citare quoslibet haereticae pravitatis inquisitores, si qui vide- antur sibi devorare ferrum petrasque dirumpere, ut veniant illuc cum jpso disputaturi, habituri non modum salvum conductum, sed etiam liberum hospitium sumptusque a Principe. Vgl. ZKG. XXXII, 22f, 227 Anm. 1, 436 Anm. 4. XXXIII, 63 f.

Archiv für Beformationsgeschichte. IX. 2. 11

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geben können, muß sehr zweifelhaft erscheinen; eine solche hätte ihn vermutlich auch nicht mehr erreicht, da Miltitz, der im Januar in Leipzig und dann noch einmal beim Kurfürsten in Lochau weilte, bald nach Mitte des Monats die Rückreise nach Augsburg, wo er den Legaten zu treffen hoffte, antrat!).

Während seines ersten Aufenthalts am sächsischen Hofe also hat der Kommissar die Dekretale noch nicht in Händen gehabt; er hat sie Luther nicht in verbindlicher Form vor- legen oder auch nur ihrem Inhalt nach zum Gegenstand der Verhandlungen machen, sie dem Wittenberger Professor, als Norm für den erwarteten Widerruf vorhalten können. Es war denn auch in den als kirchenpolitische Intrige des Kur- fürsten aufzufassenden Altenburger Abmachungen keine Rede von dieser Kundgebung des höchsten Richters, doch hat sie Miltitz Luther ebenso wie Scheurl gegenüber erwähnt: der unwissende, oberflächliche Mensch, der ja ganz unfähig war auch nur die wesentlichen Sätze zu behalten, konnte indessen auf Luthers Frage, ob denn das Schriftstück irgendwelche Stellen der heiligen Schrift oder des kanonischen Rechts anführe, doch soviel richtig mitteilen, daß dies nicht der Fall sei. Luther hat nun die bei Miltitzens Abreise bestehende Lage in seiner Antwort an Seheurl vom 13. Januar 1519 knapp und klar damit gekennzeichnet: er habe mit jenem sich über zwei Punkte verstündigt: gegenseitiges Schweigen und Bezeichnung der irrigen und demnach zu widerrufenden Sütze dureh einen deutschen Bischof, wobei der leichtfertige Junker den Hauptpunkt alsbald ausser acht ließ, den Luther scharf betont: diesen Schiedsrichter müsse Miltitz mit päpst- licher Genehmigung (mandato Summi Pontifieis) ernennen. Er fügt auch sofort hinzu, daraus werde ja ohne besonderes Zutun (xottes nichts werden, besonders wenn die Kurie, wie zu er- warten stehe, ihn mit der neuen Dekretale bedränge, die er noch nicht gesehen habe, die sieh aber ohne Berufung auf jene Autoritäten einfach auf die päpstliche Vollgewalt ver- steife, der er sich nicht unterwerfen kónne?)

1) ZKG. XXIII, 323 f., 327, 332; XXV, 400 Anm. 1. Am 22. Ja- nnar schreibt M. aus Gräfenthal an den Kanzler Pfeffinger. *) Enders, Luthers Briefwechsel I, 349.

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Luther zeigte dann später während der Leipziger Dis- putation, daß er die Dekretale nun kennen gelernt habe, doch lieB er wie sein Gegner Eck die den Ablaß betreffenden Streitfragen absichtlich zurücktreten!) da es sich jetzt viel- mehr um die grundlegende Frage der höchsten kirchlichen Autorität, die Lehrbefugnis, oder, wie man zu sagen pflegte. das göttliche Recht des Papsttums, handelte. Luther erwähnt daher die Dekretale nur, indem er dem Papste oder mit Anspielung auf die Autorschaft Cajetans und das Gutachten des Prierias „den Kardinälen, Notarien, Pönitentiariern und Palasttheologen" das Recht bestreitet. Glaubensartikel zu machen. Bezüglich des Inhalts der „declaratoria Unigenitus“ bemerkt er nur, daB das Verdienst Christi durch keines Menschen Gewalt zugeeignet werden könne als allein durch den priesterlichen Akt der Absolution; im übrigen lasse er sie auf sich beruhen. Daß sie das Werk Cajetans sei, der ihm darin das Schlußwort zu ihrer Augsburger Disputation übermittelte, hatte er sofort bei der ersten Einsichtnahme erkannt und in der im Frühjahr entstandenen Vorrede zum Galaterbriefe ausgesprochen?), die nach den folgenden Aus- führungen nicht vor den ersten’ Tagen des Monats Juni ent- standen sein kann.

Denn nun ist es möglich, einen wichtigen Schritt Miltitzens, der diesmal nicht auf eigene Faust handelte, sondern in der Hauptsache nach einer mündlichen Anweisung Cajetans, hier einzuordnen, nachdem letzthin Creutzberg ihn in die erste Häfte des Januars 1518 verlegt und zu einem Ausfall gegen die „grenzenlose Systemlosigkeit des römischen Prozeß- verfahrens* benutzt hat?) das vielmehr, von den Wahl-

!) Köstlin-Kawerau, M. Luther I, 250.

2) Kapp a. a. O. S. 444 ff. Forschungen S. 67.

3 K. v. Miltitz S. 54, Vgl. Militziade S. 3 Anm. 2 die treffende Bemerkung Hermelinks, Ein weiteres Beispiel für die Arbeitsweise Cr.8: 8.59 heißt es: „Cajetan traf am 18. März in Frankfurt ein, was er Miltitz mitteilte.“ Die Anm. spricht von einem Briefe bei Cyprian I, 499 f. Da findet sich aber kein Brief Cajetanus, sondern M. teilt dem Kurfürsten S. 431 ff. am 20. Mürz aus Augsburg mit, er wolle heute nach Frankfurt abreisen, wo er den Legaten zu finden hoffe, wie ihm dieser geschrieben habe. Vgl. ZKG. XXV, 400 Anm. 1, 409 Anm. 2. Cajetan traf am 10. März in Frankfurt ein (D. Reichstagsakten I, 346

Anm. 3) und reiste von da ab, ehe M. zu ihm kam. li”

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manövern Leos X. abgesehen. hier in seiner Folgerichtigkeit bestens gerechtfertigt wird.

Zunächst muß daran erinnert werden, daß die in Alten- burg verabredete Übertragung der Entscheidung an einen deutschen Bischof von beiden Teilen, vom Kurfürsten wie von Miltitz, nicht aufrichtig gemeint war: der Kurfürst hatte diese Finte dem leichtfertigen Kommissar suggeriert, und dieser wieder gedachte sie als Falle zu benutzen, um Luther zum Widerrufe zu drängen oder auch je nach Gelegenheit sich seiner Person zu bemächtigen. Der „alte Fuchs“, Erz- bischof Richard von Trier, der genau wußte, wie weit er in dieser scheinbaren Vermittlung würde gehen dürfen, hatte sich Anfang Mai zu solcher zweideutigen Rolle bereit finden lassen; die Einwilligung des Legaten als des von der Kurie delegierten Richters wird aber nur verständlich, wenn man beachtet, dab der Erzbischof nur „neben ihm“ Richter sein sollte, wie Miltit& dem Kurfürsten am 3. Mai anzeigte ^). Cajetans Zusage, daß er „nichts widerrufen werde, was der Bischof von Trier tun werde*, ist natürlich dahin zu ver- stehen, dab dieser keine Entscheidung treffen konnte, die für den Legaten unannehmbar war. Dieselbe Versicherung in den

t) Enders II, 25. Als Miltitz seiner offiziellen Eigenschaft als päpstlicher Kommissar und der Aufsicht des Legaten ledig war, ver- stieg er sich gar zu der einfältigen Anmaßung, selbst neben dem Erzbischof als Richter Luthers fungieren zu wollen. Miltitziade S. 35, 39, 43. Nach dem Erscheinen Aleanders. der den mit dem Trierer Kommissorium getriebenen Schwindel gründlich aufdeckte (ZKG. XXV, 515 f), beschränkte sich Friedrich vorsichtigerweise auf die Fiktion. als sei der Trierer wenigstens mit der Voruntersuchung, der inquisitio famae, vom Legaten betraut worden: so sagt Spalatin im Entwurf einer Antwort an Hadrian VI.: Miltitz habe damals mit Luther selbst dahin verhandelt, daß dieser Wittenberg nicht verlassen solle, und „der Erzbischof als Komimnissarius sich auf des Kardinals S. Sixten Bitte damit beladen, die Sache zu ver- hóren; das habe Luther angenommen und vor Trier zu erscheinen bewilligt“; nur darum sei er in Wittenberg verblieben (September 1523). In der Instruktion für seinen Gesandten auf dem Nürnberger Reichs- tage vom 16. Februar hatte der Kurfürst nur behauptet, Miltitz habe damals angezeigt, daß der Erzbischof von Trier als ein Kommissarius Befehl hütte die Sache zu verhóren, was Luther angenommen und daraufhin unter dem Schutze des Kurfürsten verblieben sei (Wülcker- Virek, Planitz-Berichte. Leipzig 1899. S. 367, 32 ff., 610, 37 ff.).

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Schreiben an Luther und an Spalatin’), daß der Legat alles genehmigen werde, was der Trierer „in seiner Gegenwart tue“, wird überdies erläutert durch die vorausgeschickte Bemerkung: „Cajetan sei voll gütiger Gesinnung gegen Luther, vorausgesetzt, daß dieser widerrufen wolle (dummodo . . . se emendare velit), wie er ja mit Miltitz in Altenburg mehrfach übereingekommen sei.“ Dieser stelltesich also naiver Weise auf den Standpunkt, daß die Entscheidung des Prozesses durch den Trierer subdelegierten Richter für Luther als eine anständige Art des Rückzugs nur will- kommen sein könne. Cajetan dagegen vergab seiner Stellung als Richter nichts und hat damals schon die Mitwirkung des Trierers als ganz nebensächlich behandelt, sie auch nach Beendigung seiner Legation nieht weiter empfohlen.

Denn als Cajetan unmittelbar darauf den Nuntius an den Kurfürsten abordnete, um ihm die ersten Eröffnungen über seine vom Papste gewünschte Kandidatur zu machen. ersuchte er ihn gleichzeitig Luther vorerst noch in Wittenberg zu belassen, bis Miltitz dort noch weiter über seine An- gelegenheiten mit Friedrich verhandelthabe?): der Nuntius mußte am 11. Mai den Kurfürsten ersuchen, die von ihm vorge- schlagene schiedsrichterliche Behandlung einstweilen ruhen zu lassen, womit Cajetan seine vorübergehende Einwilligung schon zurücknabm. Denn nun instruierte er seinen Unter- rebenen zugleich darartig, dab ihm bei dem schon in Weimar (26. bis 30. Mai) erfolgten Zusammentreffen mit dem Kur- fürsten und Spalatin ?) wenig Spielraum zu Seitensprüngen blieb.

1) Cyprian II, 121, 124 f.

») ZKG. XXV, 413f. |

3) Vgl. ZKG. XXV, 412 Anm. 1, 416 Anm. 2. Wahrscheinlich läßt sich die Zeit der Verhandlungen während der aus dem Itinerar des Kurfürsten bekannten Dauer seines Aufenthalts in Weimar von Donnerstag, dem 26. Mai bis zum 30., Montag nach Rogate, noch ge- nauer festlegen. In der umfassenden Denkschrift vom Ende des Jahres, in der die kurfürstlichen Räte die durch Miltitz dem Kur- fürsten übermittelten Drohungen der Kurie ablehnen mufiten (Cyprian II, 112—148. ZKG. XXV, 437 ff. Miltitziade S. 29 ff.), wird die an- gebliche schiedsrichterliche Kommission des Erzbischofs von Trier

ausgenutzt und daran erinnert, wie Miltitz bald nach der anfünglichen Vorladung Luthers nach Koblenz sich dessen Kommen brieflich ver-

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In der schriftlichen Instruktion (etwa vom 15. Mai) !) die Cajetan diktiert hat, wurde Miltitz angewiesen „vor allem“ bei dem Kurfürsten den Befehl zu erwirken, „daß in Kirchen und Klöstern, sowie bei allen Versammlungen von Geistlichen und Laien,* (also auf den Ruralkapiteln und den Landtagen) „beglaubigte (authentica) Exemplare der neuen Dekretale über die Ablässe feierlich und verbindlich (cum effectu) be- kannt gemacht würden.^ Die Bulle selbst schrieb vor, daB die zu diesem Zwecke verbreiteten Kopien durch die Unter- schrift eines óffentlichen Notars und das Siegel eines Práülaten bekräftigt sein müßten ?): derartige Exemplare wurden dem Nuntius also mitgegeben.

Dann sollte Miltitz die Bitte des Legaten um Gewährung einer Zusammenkunft bei Frankfurt in Sachen der Kaiser- wahl vortragen; die weiteren Punkte, über die Miltitz münd- lich mit dem Kurfürsten verhandeln sollte, hatte Cajetan, wie man dies bei einer ostensibeln Instruktion der besseren Beglaubigung wegen zu tun pflegte, eigenhändig angedeutet:

„Über das Kommen Martins zu uns usw., wie wir verab- redet haben. Über die Ursache des Aufschnba (der Über- bringung) der Rose, wie wir gesagt haben.“ Schließlich folgen Empfehlungen des Legaten an den Kurfürsten.

Die angedeuteten Erklärungen über Luthers Angelegen- heit. die Cajetan dem Kurfürsten zur Kenntnis zu bringen wünschte, sind nun niedergelegt in einem Gutachten Miltitzens?).

beten ind sein demnächstiges persönliches Erscheinen beim Kurfürsten zu mündlichem Bericht angezeigt habe; „also wäre er darnach un- gefährlich Freitags nach Vocem iucunditatis“ (= Sonntag Rogate) zum Kurfürsten gen Weimar gekommen und habe diesem nebst andern Schriften (besonders der Bulle „Cum, postquam‘) einen Brief des Erzbischofs von Trier gebracht. in dem dieser meldete, wie der Kardinal und Miltitz ihnum gütliche Vermittlung ersucht hätten usw. (p. 145). Dieses Datum, das uns auf den 3. Juni führen würde, ist natürlich falsch, aber wahrscheinlich liegt nur ein Schreib- fehler vor, indem es heißen sollte: „Freitag vor V.i.“; Miltitz wäre also am 27. Mai in Weimar eingetroffen, so daß die Verhandlungen am 28. und 29. stattgefunden haben.

1) Cyprian II, 115 ff.

2) Opp. var. arg. II, 431.

3) Cyprian II, 131 ft. Das darauf folgende Gegenbedenken Spa- latins liegt in Cod. Goth. A. 337 vor.

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in dessen Eingang er sich auf einen Wunsch Friedrichs be- zieht, ihm darzulegen, „was in der Sache des päpstlichen Stuhles und Herr Martin Lutters nützlich möchte erfunden werden.“ Denn es gehörte zu den Gepflogenheiten der reichs- ständischen Diplomatie, der Gegenpartei die Vorschläge zu einem Ausgleich zuzuschieben.

Diesmal stellt nun Miltiz klipp und klar als unerläßliche Hauptbedingung voran, daß Luther sich vor der römischen Kirche demütigen müsse, indem er alles, womit er ihr und dem päpstlichen Rechte Abbruch getan habe, widerrufe; wenn er dabei dreist hinzufügt: „wie wir denn unter uns kon- kordierten und übereingekommen sind,“ so meint er damit den zweiten Teil der Altenburger Abrede, bei dem Luther freilich seine Überführung durch einen unparteiischen Schiedsrichter zur Voraussetzung gemacht hatte,

Dem sachlichen Zusammenhange nach schließt sich zu- nächst der fünfte Punkt an, indem in stillschweigender Anspie- lung aufFriedrichsSchreiben an Cajetan vom 18. Dezember 1518 darauf hingewiesen wird, daß Luther künftig nicht mehr be- haupten könne, er sei ungehört „nondum cognita causa et sufficienter discussa!)^ verurteilt vorden. Denn der Papst habe sich durch seine Schriften veranlaßt gesehen, eine Dekretale abzufassen, in der Luthers Zweifel endgiltig behoben würden, so daß er hinfort auf keine weitere Belehrung über die Ablässe zu warten habe und nicht mehr seiner eigenen irrtümlichen Auffassung zu folgen brauche. Der Nuntius übergab gleichzeitig eine Kopie der Bulle, die dem- nach als Unterlage für den Widerruf dienen sollte. Aber während in den Breven vom 23. August und 11. Septem- ber 1518 der Legat ermächtigt worden war, Luther nach geschehener Unterwerfung wieder in den Schoß der Kirche aufzunehmen und nach heilsamer Buße die völlige Wieder- herstellung seiner Ehre auszusprechen („ad famam honores- que restituendi^)?) verlangte er jetzt folgerichtig, daß, wenn Luther, der zu seiner Halsstarrigkeiten dem delegierten Riehter gegenüber die Berufung an ein Konzil hinzugefügt

1) Opp. var. arg. II, 409. 2) Forschungen S. 58 f.

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hatte und dessen Absolvierung durch die neue Bulle dem Papste vorbehalten wurde, auch jetzt noch den Widerruf zu beschwerlich finde, der Kurfürst ihm „auf ewige Zeiten“ das Predigen untersagen müsse. Diese Vollstreckung der suspensio a divinis wäre eine tatsächliche Anerkennung der längst eingetretenen excommunicatio latae sententiae gewesen, und nach diesem ersten Zugeständnis hätte Friedrich den Bemakelten auch an seiner Universität nicht mehr halten können. Und, auch wenn Luther sich nachträglich noch zum Widerrufe entschlossen hätte, wäre es bei dieser Ab- machung geblieben.

Es entsprach ferner nicht der von Miltitz sonst und auch in den Formen dieser Denkschrift zur Schau getragenen hö- fischen Devotion, wenn er dann den Kurfürsten aufforderte zu bedenken, ob er sich getraue Luther und seine Anhänger auf die Dauer gegen die römische Kirche zu beschützen. Nachdem also Friedrich den Forderungen des Papstes gegen- über schon zweimal die Auslieferung Luthers, dem Legaten seine Ausweisung verweigert und sich notorisch der in dem Breve vom 23. August 1518 den Gönnern Luthers angedrohten Strafen schuldig gemacht hatte, ließ ihm der Legat hier mit aller Schonung, die dem gegenwärtigen Thronkandidaten des Papstes gebührte, zu Gemüte führen, wie die Macht des Oberhauptes der Kirche der seinigen doch unzweifelhaft überlegen sei: Miltitz mußte ihn an den Sieg Julius II. über die schismatischen Bestrebungen Ludwigs XII. und Maximilians 1. erinnern, die mit der Absetzung von vieren der beteiligten Kardinäle (24. Oktober 1511) und dem kläglichen Scheitern des Konzils von Pisa geendet hatten 5); nur daß der Nuntius dabei naeh seiner Art den Mund etwas zu voll nahm uud auch „Engelland, Schottland, Burgundia und ganz Italia“ als gleichzeitige Feinde der Kurie aufzählte, auch von neun ab- gesetzten Kardinälen redete, deren „Statuen der Papst ver- brannt habe.*

Das Gegenbedenken Spalatins ist in aller Kürze her- anzuziehen, weil es vor allem beweist, daß diese Verhand-

1) Pastor, Gesch. der Päpste III, 649 ff., bes. 683, wo eine Ver- brennung hólzerner Bilder der kardinüle, wie sie am 12. Juni 1521 mit einem Standbilde Luthers vorzenommen wurde, nicht erwühnt wird.

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lungen noch während der Anwesenheit und Zuständigkeit Cajetans geführt wurden, die mit der Kaiserwahl ihre End- schaft erreichte. Es war zunächst nur eine schwache Aus- flucht, wenn der Hofkaplan Friedrichs angesichts der Über- reichung der Bulle „Cum, postquam“ noch verlangte, daß Miltitz den begehrten Widerruf bestimmt formulieren müsse, da er ihn vielleicht in größerem Umfange fordern könne als der Legat, der nach Luthers „Acta Augustana“ in der Ab- laßfrage nur den einen Satz angefochten habe, „daß das Verdienst Christi der Ablaß sein sollte.“ Mit der Oberfläch- lichkeit, die das Korrelat seiner sonst so nützlichen An- passungsfähigkeit war, übersah Spalatin dabei, daß viel- mehr Luther es war, der die Gleichsetzung des Verdienstes Christi mit den vom Papste kraft der ihm verliehenen Schlüssel- gewalt gespendeten Ablässen, die nur von zeitlichen Strafen entbinden könnten, bekämpft hatte,!) und so ist es ihm mög- lich, kurzer Hand zu behaupten, daß Luthers Meinung mit den Erklärungen der Dekretale über diesen Punkt völlig im Einklang sei, so daß Miltitz sich auf die Bulle gar nicht berufen könne.

Zutreffend aber führt er fort, daß, wenn Luthers Wider- raf auch den Nuntius befriedigen („besättigen“*) sollte, doch vermutlich der Legat oder andere weiter gehen würden: denn einmal erinnerte er sich doch vielleicht, daß Cajetan schon in Augsburg noch eine andere grundliegende Lehre Luthers, die vom Glauben als der notwendigen Voraussetzung für den heilbringenden Empfang der Sakramente, beanstandet hatte; und dann bemerkte er, daß ja seit der Absendung Miltitzens manche Veränderung in Luthers Standpunkt vor sich gegangen und durch gedruckte Schriften belegt sei, die den Papst und den Legaten zu entsprechenden Maßregeln veranlassen müßten, wie das in erster Linie der zwischen Luther und Eck ent-

1) Kóstlin-Kawerau, M. Luther I, 204, 207f, 220f. Einen weiteren urkundlichen Beweis für die theologische Rückständigkeit. des sonst so nützlichen und fleiBigen Hofkaplans, der sich keineswegs von eigenem Wissensdurst getrieben, sondern im Auftrage des kur- fürsten um die religiösen Unterweisungen Luthers bemühte, habe ich in der Miltiziade S. 31 Anm. 3 gegeben.

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brannte Streit über „das göttliche Recht“ des Papsttums !) tatsächlich auch zur Folge hatte.

Die Forderung, Luther von der Kanzel fernzuhalten, wies Spalatin, der in dieser Hinsicht der Übereinstimmung mit seinem Herrn von vornherein gewiß sein durfte, unter Berufung auf S. Paulus, 2. Tim. 2, 9 („das Wort Gottes ist nicht gebunden“) zurück; die Drohung des Legaten aber erklärte er für unstatthaft unter Hinweis auf das Hirten- und Lehramt des Papstes, wie es S. Petrus und die ersten heiligen Bischöfe von Rom verstanden hätten.

Nun hatte aber Miltitz es sich nicht versagen können, auf seine vorwitzigen Machenschaften zurtickzukommen ' und, wie er es schon im Herbst in Liebenwerda wieder versuchte, auf seine Manier die Unterwerfung Luthers anzubahnen: er bemerkte also, daß wenn Luther ,alhie* beim Kurfürsten wäre, so hoffe er bei geeigneter Einwirkung Friedrichs von Doktor Martinus eine Erklärung zu erlangen, die der Papst mit einem „tolorari potest^ annehmen könne; vielleicht könne man sich auch auf einen fremden, für Luther unverdächtigen Richter einigen, der die Sache untersuchen solle. Er wagte

1) Über diesen Kernpunkt des ganzen Streites verriet wieder Miltitz bei der übrigens völlig belanglosen Unterredung mit Luther in Liebenwerda (9. Oktober 1519) eine Unwissenheit, die man bisher wohl aus überliefertem Respekt vor dem ,, Nuntius und Kammerherrn“ nicht gebührend hervorgehoben hat: Kostlin (M. Luther I, 264) er- wühnt nichts davon; Creutzberg schreibt nur die verworrene Über- setzung Spalatins (Cyprian II, 141) wórtlich ab, zitiert aber gerade hier den lateinischen Bericht Luthers bei Enders II, 188. Danach machte der mit kanonischem Recht offenbar nicht beschwerte Junker Luthern von vornherein das Zugestündnis, daß der Papst die von ihm gegenwürtig beanspruchte Gewalt nicht kraft góttlicher Verleihung besitze, doch sei sein Auftrag immerhin verschieden von dem der übrigen Apostel; und als sich Luther nach dem Wesen dieses Unter- schiedes erkundigte, wußte der Unglückliche nichts weiter vorzubringen, als daB die Vollmacht Petri sich auf einen andern Teil der Welt er- strecke, im übrigen sei es dieselbe wie die der andern Jünger. Er meinte damit offenbar nichts weiter, als daß der Nachfolger Petri eben tatsüchlich von Rom aus die Herrschaft über die abendlündische Kirche ausübe. Auf diese Weise konnte er freilich hoffen mit Luther ‚der Sache bald eins zu werden“. Es ist dies das einzige Mal, daß M. auf eine der Streitfragen sachlich eingegangen ist, was von vornherein nicht seines Auftrages war; dieser aber war damals schon erloschen.

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also den Trierer Erzbischof, dessen Mitwirkung Cajetan schon wieder ausgeschaltet hatte, nicht mehr zu nennen, und er- leichterte es so dem Vertreter Friedrichs. diesen Vorschlag als ganz aussichtslos bei Seite zu schieben und statt dessen Luthers Anerbieten zu empfehlen, der sich der Prüfung und dem Erkenntnis der vier Universitäten Freiburg, Löwen, Basel und Paris oder eines Schiedsgerichts der gelehrtesten Italiener, Franzosen und Deutschen unterwerfen solle. Dies war natürlich für die Vertreter der Kurie derartig unan- nehmbar, daß Miltitz dem Legaten kaum davon Mitteilung gemacht hat, wie Luther seinerseits die Ladung vor den Trierer Erzbischof ohne vorherige Zustimmung des Papstes als eine plumpe Finte mit bitterem Hohn zurückgewiesen hatte. !)

Seiner Sehlufbemerkung zufolge hat nun Spalatin die, Dekretale sofort an Luther übermittelt?) der sich indessen zu keiner besonderen Kundgebung veranlaßt sah, weil der Streit gegen Rom längst in ein neues Stadium getreten, er auch mit den Vorbereitungen für die Leipziger Disputation be- schäftigt war; wie er am 30. Mai einem Ordensbruder mit- teilte, war der Druck seines Kommentars zum Galaterbrief in Leipzig dem Abschluß nahe ?): in der nun erst nieder- geschriebenen Vorrede gönnt er dem Werke Cajetans eine spöttische Erwähnung. |

Die von dem Legaten vorgeschriebene Veröffentlichung der Ablaßdekretale hat Miltitz auch im Herbst, als er bei Übergabe der goldenen Rose in Altenburg die beiden Ab- laßbullen für die Wittenberger Schloßkirche publizierte, nicht vornehmen dürfen, und so wird das an Luther weiter- gegebene Exemplar das einzige sein, das nach Kursachsen gelangte. Die Kenntnis der abschließenden päpstlichen De- finition der Ablässe verdankt man also bis jetzt im wesent- lichen der Sorgfalt, mit der Luther dieses Aktenstück aufbewahrt und den übrigen Denkmälern jenes weltgeschichtlichen Kampfes

1) Luther an Spalatin, an Lang, beides vom 16. Mai, an Miltitz, 17. Mai. Enders II, 46, 51, 53 ff.

*) Vgl. die schnelle Beförderung des Schreibens Cajetans nach Wittenberg an Luther, ZK(. XXVII. 329.

3) Enders II, 63, 20.

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einverleibt hat. Die Bulle „Cum, postquam“ war, wie ein katholischer Kirchenhistoriker !) urteilt, die Antwort auf Luthers Appellation an den besser zu unterrichtenden Papst; durch sie „wurde der theologischen Opposition gegen die Wittenberger Reformlehre der Stempel der kirchlichen Or- thodoxie aufgedrückt.“ Ihr Verfasser hat dann aber auch als delegierter Richter in Luthers Sache alles getan, was in seinen Kräften stand, um die Vollstreckung des nun der Öffentlichkeit gegenüber feierlich begründeten Urteils anzu- bahnen.

[BI j*]

Copen der Bullen vnfers beiltaijten Datter Babit fco des zehendten: Don krafft des Xomijden Antlal:

Aug der man wol finden wirdt / das etlid) predig daruon eingetrucht mit yrer befefttgung / nod) eifnen ftercfhe noch der perg groß puo fhiwer haben / fo fy durdh den anfchen der warhayt fo gar liederlicdh zerflieffen ond zw Phot werden / Dnd niht anders butter. yn laffen als faulen acftandh graufja: mer yerrung.

1) H. Laemmer, Die vortridentinisch-katholische Theologie des Reformationszeitalters, Berlin 1858. S. 12f. In einem Breve an die Schweizer Kantore vom 30. April 1519, das der Nuntius Anton Pucci wegen seiner Auseinandersetzungen mit Zwingli erwirkt hatte, ver- weist der Papst auf die beiliegende Bulle, die er aus Anlaß eines ähnlichen Streites „inter aliquos theologos partium Alemanniae“ an den Kardinallegaten Thomas gerichtet habe über die Gewalt des Papstes bei Verleihung der Ablässe „juxta Romanae ecclesiae veram definitionem", die bei Strafe der excommunicatio latae sententiae von allen beobachtet und gepredigt werden müsse. Der Papst erwartet. daß die Eidgenossen solche Disputationen nicht anhören und „verae determinationi S. Romanae ecclesiae et huius S. Sedis, quae non permittit errores“, sich anschließen werden. Löscher, a. a. O. TII, 925 f. Die Kurie hat also dem Inhalt der Dekretale den vollen Wert einer endgültigen Entscheidung des höchsten unfehlbaren Lehramtes beigemessen.

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[Unter dem Titel das prüchtig in spütgotischem Stil gehaltene Wappen Leos X.; der Schild mit den sechs Kugeln der Medici, in der obersten der Reichsadler, überragt von der dreifachen Krone, dahinter die gekreuzten päpstlichen Schlüssel mit Bändern. Der Holzstock ist geschnitten worden in freier Nachahmung des Papstwappens Leos X. wie es auf den offiziellen Drucken etwa der Bullen des V. Lateran- konzils erscheint, doch zeigt da die oberste Kugel drei Lilien, das Wappen von Florenz.]

[BI. ij]

Eo pabst ein diener der diener gottes. Dem lieben sun Thome des titel sand Sixt zw dem allerliebesten in Christo vnserm sun Maximilian erwelltem Kayser,

vnserm vnd des Romischen stuel Legaten hayl vnnd pabst- lichen segen. So nach dem dein weibhait khomen ist in Deutsche landt, ist an vnns gelangt, das etlich geistlich auch zu predigen das wort gottes verornt, von dem antlab von vns vnd andern bapsten vnsern vorfodern von vnge- denckhlicher zeit here gewonlich verliehen, offenlieh predigent maniger menschen hertzen yrrung einpildent, das vns den vn rechter erkhantnuß vil zw schwere und betrieblieh was. Haben wir yn anderm vnserm schreiben beuolhen deiner weißhait von der wir vmb yr sunderliche lere vnnd yn wi- riehliehen sachen erfarung sunderlieh in Christo dem herren

5 vertrawen haben, befolhen das dw durch vnsern gewalt dy

ding die dan bestatung wirdig weren bestetten mechtest. Aber dy ding die der warhait nit geleichen, auch so sy ge- rett wurden von den dy da der Romischen kirehen lere nachzuuolgen sich willig bekhenten, zuuerwerffen vnd ver- damen vleiß ankherest. Vnnd das nicht hin fur etwas vn- wissenhait der leer der Romischen khirchen, die solichen antlas vnd krafft des antlaß berueret, fursehlag oder von wegen solieber vnwissenhait sieh entschuldig, oder mit ge- diehter protestation sieh behelfe, sunder das dy selbiug von gewisser lug als die strafflichen vberwunden vnd billich verurtellt mogent werden. Haben wir vns furgenomen dir zu verkhunden dureh dise gegenwirtige geschrifft, das dy Ro-|Bl. ijP|misch kirehen, der dan dy aundern als yrer mutter sehuldig sindt nach zu volgen. Hat in der lere ge- geben das der vatter Babst ain nachuolger Petri der himlischen- schlisseltrager vnd Jesu Christi auff der erden stathalter in macht der himelschlissel, welichen zu gehort autf zw thuen. in abnemung der hindernuß der Christgelaubigen, das da ist dy sehuld vnd penn, die do gepurt den sundern aus aigem willen volbracht. Die schlussel nemen ab die schuld durch mittel des sacrament der pueß. Aber die zeitlich penn die

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naeh gotlicher gerechtikhait gepuert den sundern des aigen willen dureh mittel des antlaD, mag verleichen antlaB auß auffrichtiger vrsach der Christgelaubigen menschen dy do sind gelider Christi in verainigunder lieb aintzwer sy sindt in disem leben oder in dem fegfewr. Vnd das auß dem vberflussigen verdienen Christi vnd der heiligen, Auch yn verleiehung des antlaß auß Babstlichem gewalt den schatz des verdienen Christi vnd der heiligen austailen als wol fur dy lebendigen als fwr dy totten, hat auch gewonhait soliehen antlaB mit zutailen in weiß der ablosung oder in weis barmhertziger hilff den totten zuuerleichen. Vond darumb alle als wol die lebentigen als die totten, die warhafftikhlichen solichen antlaß erlangt haben, erledigen von so vill grosser zeitlicher penn die nach Gotlicher gerechtikhait gepuert, vmb yr aigenwillig sundt als vil da geleicht dem verlichen vnd erlangten antlaD. Vnd durch gewalt des Romischen stuel in lautt der dasigen geschrifft, entlich verornen wir, das es also schol von allen gehalten vnd gepredigt werden, pey gefeltem vrtail der pen des grossen pann, von welichem [BI iij*] die dar ein khomen werdent, nit mogent entpunden werden, von khaim andern als von dem heiligen vatter Pabst ausgenomen todliehe notte. Vnnd das niemant von den vor- geschriben dingen mog anziehen die vnwissenhait so gebietten wir deiner weißhait, das dw alle vnnd ainen yeden sunderlich Teutscher landt Ertzbiseholtf, Bischolff, vnnd ander aigensel- trager, in krafit der heiligen korsam, vnd bey der pen der enthaltüg von den gotlichen amptern, manest vnd in strengen gebot gebietest das sy dise gegenwirttige geschrifft oder yer gelaubhafftig abgeschrifft in der zeit dy in von deiner weiDhait auffgesetzet wirdt, verkhunden in yren khirchen so dar ynnen die menig des volekh zw gotlichem dienst besambt wirdt. Vnd bey vorgemelltem antlaß die obgeschriben ding halten vnnd predigen sullen, bei geleicher pen, gefelter vrtail des grossen Pann. Vnnd niemant darwider yn ainigerlay weiß ebengeleieh oder frembt verporgen sich vermeß zu streben. Nichtz weniger verleich wir dir in gegenwirttiger geschrifft, vol- khomen vnd freyen gewalt, gerichtlich zu handeln, wider die tor- stige vnd vngehorsamen, dy auch mit gepurlicher pen nach deinem guettem bedunekhen zu straffen. Allso das khainerlay die ding hindern soll. Vnd angesehen das es schwär were die gegenwirttigen brieff zu bringen an all besunderbar stett do es not were. Wellen wir vnd in eegemelltem gewallt entlich verornen wir. das vrer gelaubhafftiger abgeschrifft vntersehriben, mit handtgeschrifft aines offenbaren Notarij dar zu gepeten, vnd besichert mit sigel aines Prelaten, oder ainer person in geist- licher wird bestellt, oder khirliehs hoff, |Bl. iij^] gentzlieh solicher gelaub im gericht, vnd ausserhalb des gerichts vnd

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anderswo geben werde, als diser gegenwirtiger geschrifft 8 so sy furgebracht vnnd gezaiget wurde.

Geben zw Rom bey sandt Peter in dem iar von der menschwerdung des herrü Tausent funffhundert achtzehen. Quinto Idus Nouembris. In dem sexten iar vnnser pabstlichen wirdt.

90 Bembus Der schreiber ist gewesen Albergatus Registriert außwendig wonunt !) bey mir Bembus.

Getruckt zw Wienn in Osterreich. 95 Mit gunst vnd willen des gnedigiste herü Bischoff daselbst. [Bl. 4 weiß]

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1) So! Der Notar beschreibt: „A tergo vero literarum apostoli- carum praefatarum: Registrata apud me Bembum.‘“ Gemeint ist also: „wohnend‘“ == verbleibend, zu finden bei... Bei der Seltenheit des Druckes war zunächst eine diplomatisch genaue Wiedergabe notwendig.

Mitteilungen.

Aus Zeitschriften.)

Allgemeines, Über den Konstanzer Ablaß von 1513 und 1514, über den seinerzeit Schulte (Die Fugger in Rom) ausführlich handelte, bringt H. Baier aus neu aufrefundenen Akten des bischöf- lichen Archivs einige weitere Nachrichten, die besonders für die Vor- bereitung des Ablasses nicht unwichtig sind; unter den Beilagen be- gegnet ein Verzeichnis der General- und Vizekommissare für den Ablaß. ZGObrh. 65 (N. F. 26) S, 193—203.

Auf Grundlage der vatikanischen Dokumente, die im An- hang mitgeteilt werden, behandelt G. Brom den König Karl (V.) im Jahre 1515 von P. Leo X, verliehenen AblaB zur Herstellung der verwahrlosten Dümme in den Niederlanden; in Wahrheit war es auf Bereicherung des Königs wie des Papstes (der die Hälfte erhielt) ab- gesehen: De Dijk-aflaat voor Karel V., in Bijdragen en Mededeelingen van het hist. Genootschap te Utrecht, 1911 S. 107— 459,

Über „Wetterzeichen der Reformation nach Murners Satiren aus der vorlutherischen Zeit" handelt G. Schuhmann in RQuSchr. 25, 3 S. 162*—184*. Er gibt Auszüge aus Murner, die die sittlichen Schäden der Zeit aufzeigen.

W. Köhler, Reformation und Mission, untersucht, weshalb die Reformation auf dem Gebiet der Mission nicht fórderlich gewesen ist. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die Reformatoren die Heiden- bekehrung, getreu dem Grundsatz „alles aus Gnaden“, Gott anheim- stellen, dem sie es überlassen, „Apostel“ zu erwecken: eine plan- mäßige Heidenmission wäre ihnen als Werkdienst erschienen. Schw. theolZ, 98. S, 49—66.

Aus den Actis generalatus Aegidii Viterbiensis, die sich, aus dem Archiv des Ordens ausgezogzen, in einer von der K. Bibl. zu Berlin kürzlich erworbenen engl. Hs, 18. Jh. befinden, gibt G. Kawerau einige Extrakte von 1510—1518, die auf die Verhältnisse des Ordens in Dentschland sowie die Anfänge des lutherischen Handels Licht werfen, ZkG, 32,4 S, 605 6006.

I) Die Redaktion ersucht die Herren Verfasser hóflichst um Zu- sendung einschläriger Zeitsehriftenartikel zur Anzeige an dieser Stelle.

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In The Biblical World 38, 4 S. 235—245 charakterisiert Pr. Smith Erasmus, Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin als Bibelinter- preten, indem er hervorhebt, daB mit ihnen die Bibelkritik erst be- ginne; sie seien gleichsam die Vorläufer der modernen historischen Schule.

Im Nachtrag zum 32, Jahrg. d. Ges. f.d.Gesch.d.Prot. in Österreich S. 73—91 verteidigt J. Bidio, „Zur Frage über das konfessionelle Verhältnis der Brüderunität zum Luthertum", seine in 2 tschechisch geschriebenen Schriften entwickelte Ansicht, wonach die Brüderunität von Anfang an den Reformierten konfessionell näher gestanden habe als dem Luthertum, gegen J. Kvacala („Die Beziehungen der Unität zu Flacius und Lasco", im Jahrg. 30 und 31). Kvacala bekennt sich am Schluß als nicht überzeugt.

Aus der Autographensammlung der Wiener Hofbibliothek teilt O. Clemen einen Brief Kf, Friedrichs des Weisen an den Bischof Bernhard Cleß von Trient, Rat Erzherzog Ferdinands, vom 16. August 1524 mit. Friedrich äußert sich hier über seine Stellung zur Refor- mation, aber mit der ihm eigenen absichtlichen Unbestimmtheit. NASG. 32 S. 136—138.

W. Stolze, Zur Gesch. der 12 Artikel, würdigt die ein- schlägigen Arbeiten von A. Peters und H. Böhmer (vgl. diese Ztschr. VIII S. 219), gegen deren Ergebnisse er verschiedene, formale und sach- liche Bedenken geltend macht: HZ. 108,1 8.97—104; er kündigt dabei eine eigene Arbeit über Hubmeier an. |

W. Müller teilt eine Eintragung in ein auf der Darmstädter GroBh. Bibliothek befindliches Exemplar der Weltehronik Hartmann Schedels (1493) mit, wonach das Exemplar in der Schlacht von Pfeddersheim (24.—25. Juni 1525) von Eberhard Schenck von Er- bach den geschlagenen Bauern abgenommen wurde, die es anscheinend bei der Plünderung des Augustinerklosters in GroBfrankenthal (zwischen Speier und Worms) geraubt hatten. „Vom Rhein" X (1911) S. 49 f.

In der ZHV. Niedersachsen 1911, S, 119—135 behandelt Roscher etwas dilettantisch das Unternehmen Kf. Moritz’ von Sachsen vegen das in Verden stehende Mansfeldische Kriegsvolk (1550 Dez. bis 1551 Januar); er sieht darin eine wichtige Etappe auf dem Wege M.s nach Passau,

W. Platzhoff, Eine deutsche Brautwerbung für K. Heinrich III. von Frankreich i. J. 1574 (— ZVhessG, 45 S. 202—212) behandelt nach Marburger Akten einen Versuch Katharinas von Medici, durch Ver- schwägerung mit einem deutschen protestantischen Hause die pro- testantische Partei in Deutschland zu schwächen. Daß Lf. Wilhelm von Hessen diesem Bestreben einigermaßen entgegenkam, ist kein Ruhmesblatt für ihn.

Biographisches. „Romae wolt meum avum ex purgatorio erlosen, gieng die treppen hinauf Pilati, orabam quolibet gradu pater noster. Erat enim persuasio, qui sic oraret, redimeret animam; sed in fastigium veniens cogitabam, quis scit an sit verum!“ Diese alle

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Merkmale der Zuverlässigkeit tragenden Worte Luthers über sein Erlebnis auf der Pilatustreppe in Rom teilt G. Buchwald aus einer noch ungedruckten Predigt L.s, die er auf der Zwickauer Ratsschulbibl. fand, in ZKG. 32,4 S.606f. mit, zugleich als eine bündige Widerlegung der leichtfertigen Darstellung bei Grisar I S. 24f.

Im 2. Teil seiner „Ausschnitte aus dem Leben des jungen Luther“ setzt sich O. Scheel mit Grisar über dessen Dar- stellung von Luthers Verhältnis zu den Observanten (von denen er angeblich zu Spalatin und den Konventualen abgefallen sein soll, was dann gewissermaßen der erste Schritt auf dem Wege fort von der Kirche gewesen sei) sowie über die Örtlichkeit des „inneren Erleb- nisses“ Luthers im Wittenberger Kloster in minutiöser, durchschla- gender Kritik auseinander, nach deren Ergebnis er sich zu dem Aus- spruch berechtigt fühlt, daß Grisar „das Wichtigte nicht gelernt habe, nämlich historische Fragen historisch zu behandeln“. ZKG. 32,4 S. 531—571. i

P. Kalkoff behandelt als Nr. 6 seiner neuen Forschungen zu Luthers römischem Prozeß „Luthers Rechtfertigung und Widerklage“ gegenüber den Machinationen der Dominikaner nach der Heidelberger Disputation. ZKG. 32, 4 S. 572—595. Den Schluß der Studie bringt Bd. 38, 1 S. 1—66; als Endergebnis bezeichnet es K., daß die schonungslose Verfolgung durch die Dominikaner und seine von diesen eilivst betriebene Prozessierung Luther zu der von ihm zunächst mehr geahnten als gewollten Reformation im Gegensatz zur Papst- kirche vorwärts getrieben habe.

In „Luthers Stellung zur Inkorporation und zum Patronat 1522 bis 1525" polemisiert U. Stutz gegen die Auffassung K. Müllers (Kirche, Gemeinde und Obrigkeit nach Luther) von Luthers AuBe- rungen über die Inkorporation aus Anlaß des Altenburger Streites von 1522. Nach Stutz vertritt L. hier die Anschauung, daß die Stadt- pfarrkirchen den Bürgerschaften deshalb gehören, weil sie sie erbaut haben und die Baulast tragen. Z. Sav. Stift. f. Rechtsgesch., kanon. Abt. I S. 309 -313.

L. Cristiani beschäftigt sich in RQH. 90 (N.S. 46), Liefer. 180 S. 470— 497 in auregender Weise mit den Tischreden Luthers, und zwar zunüchst nach ihrer Entstehung, indem er die erste Ausgabe durch Aurifaber und die neuen Entdeckungen an Tischreden sowie die verschiedenen Sammler charakterisiert; ein zweiter Artikel soll sich über die der Wissenschaft durch die Tischreden gestellten Auf- gaben auslassen.

Ein Vortrag von Theobald über die Bedeutung des kleinen Katechismus Luthers für die innere Bildung des dentschen Volkes ist abweiruckt in NkirchlZtschr. 23, 2 5. 89— 107.

In dem alten Einbanddeckel des Jenenser Univ.-Bibl.-Exemplars des Lufitschen Quartdruckes des N. T. von 1540 hat O. Albrecht von Rörers Hand eine Abschrift des Lutherliedes: „Was fürchtstu Feind Herodes sebr“ gefunden, die er als die älteste Fassung des

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Liedes nachweist; vielleicht hat Luther Rörer das Lied diktiert; das beigeschriebene Datum des 12. Dez. 1541 bezeichnet wohl sicher den Tag der Dichtung des Liedes. Mitgeteilt und erläutert in ThStK. 1912, 2 S. 287—303.

E. Fr. Fischer, Zum Schicksal lutherischer Gedanken im 16. Jahrhundert (Nkirchl. Ztschr. 22 S. 719—737; 745—760), sucht, an- knüpfend an Tschackerte „Konkordienformel 1580", nachzuweisen, daß in der Lehre vom Glauben wie von der Prädestination die Gedanken Luthers in der 2. Hälfte 16. Jahrh. zwar nicht unverändert geblieben seien, aber doch ihrem Kern nach sich behauptet haben.

E. Koerner, Zur Liturgik der Reformatoren (= Nkirchl.Z. 22, S. 761--796), erörtert an der Hand der Schriften des Erasmus Alber dessen liturgische Bestrebungen, d. i. seine Ansichten über Zeit des Gottesdienstes, Kirchenschmuck, Priesterstand, Sakramente, Gottesdienst- ordnung, Erstkommunion, Gesang und Zeremonien usw. Alber lehnt sich, in scharfem Gegensatz nicht nur zu Rom, sondern auch zu den .Schwürmern", durchweg an die Ideen und die Praxis Luthers an.

H. Ammann beendigt seine Arbeit über Gregor Angerer von Angerburg B. von Wiener-Neustadt. in Forsch. u. Mitt. z. G. Tirols cet. VIII, 4 S. 304—319 durch Mitteilung von Angerers, meist von Kirch- mair abhängigen historischen Aufzeichnungen 1521—1526 (vgl. ds. Ztschr. VIIL S. 413).

O. Clemen druckt in ThstKr. 1912, 1 S. 129—139 aus dem Hauptstaatsarchiv in Dresden eine noch unedierte, bei Seidemann er- wülinte Streitschrift des sächsischen Pfarrers Franciscus Arnoldi gegen Luthers Schrift von der Winkelmesse und Pfaffenweihe mit einleitenden Erläuterungen über das Verhältnis Arnoldis zu Hz. Georg von. Sachsen ab.

Einen anon. Bericht über das Regensburger Religionsgespräch von 1546, in Letters and Papers, Henry VIII, vol. XXI, 1 (1908) Nr. 501, weist A. Hasenclever aus inneren und äußeren Gründen Bucer zu; der Bericht stellt danach das älteste publizistische Zeugnis eines Teilnehmers dar: ZGObrh, 65 (N. F. 26) S. 491—500. Derselbe teilt ebenda S. 715—718 aus seinem Besitz einen poetischen Nachruf Sleidans anf Bucer (30 Zeilen) mit.

8 Briefe des Nürnberrers Hieron. Besold (1520 —1562). Tisch- genossen Luthers, aus Wittenberg 1511 und 1542, an Veit Dietrich in Nürnberg veröffentlicht G. Kawerau aus Knaakes, jetzt im Besitz von O. Albrecht-Nanmburg befindlicher Abschrift. eines „Manuscriptum Thomasianum“, das zahlreiche Briefe aus Dietriehs Nachlaß enthielt. Die Briefe betreffen die Vorgänge und Verhältnisse in Wittenberg, Literarisches usw. BBK. 18 S. 38—47: 81—89; dazu S. 89f. eine „An- frage“ O. Clemens in betreff der in den Briefen erwähnten Schrift des G, Bucoldianus über die „Hungerkünstlerin M. Weiß in Speier“.

K. Francke, Erasmus als Denker und Künstler, betrachtet E. als Haupt-Repräsentanten der den deutschen Humanismus charakte-

risierenden Verstandeskultur, und zeigt, wie E. zleichwohl in dem Lob 12*

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der Narrheit und den Vertrauten Gesprächen aus seiner rein intellek- tuellen Betrachtung des Lebens heraus wahre Kunstwerke von dauernder Bedeutung zu schaffen vermocht hat. Internat. Monatsschrift, I Heft 3 (Dez. 1911), s. 270—292.

Vermischte urkundliche Beiträge zur Geschichte Hz. Georgs vou Sachsen (1490—1538) aus dem Bautzener Stadtarchiv veröffentlicht in Regestenform P. Arras (NLaus. Mag. 87 S. 280—294); mehreres betrifit Klosterangelegenheiten.

Eine poetische Grabrede auf Hz. Georg von Sachsen, die eine eingehende Charakteristik dieses darbietet, teilt O. Clemen in NASG. 32 S. 138—141 aus einem Wolfenbütteler Druck von 1540 (auf der Wiener Universitütsbibl.) mit.

Th. Henner führt in einem Vortrag, der sich z. T. auf die Er- gebnisse eines Aufsatzes von M. Lenz über Florian Geyer (1896) stützt, die Bedeutung Geyers und seiner angeblichen „schwarzen Schar“ für die Würzburger Kämpfe im Bauernkrieg auf ihr richtiges Maß zurück und gibt über den Ausgang Geyers zuverlässige Mitteilung. Archiv HV, Unterfranken 52 S. 181—-193,

St. Ehses veröffentlicht in RöQuartalschr. 25. 2 S. 196*—]129* eine von ihm in Bibl. Pia 198 (Vat. Archiv) neben anderen Akten gefundene. bisher unbekannte Denkschrift, die Bischof Joh. Fabri von Wien 1539 dem Papst übersandte, um ihn zur Abhaltung des Konzils zu mahnen.

Zur Familiengesch. des Breslauer Reformators Joh. Heß bringt E. Fuhrmann in Schles.Geschichtsbll. 1911, 1 S. 9—13 Material über die beiden Ehen H.s bei, worüber bisher Unklarheit geherrscht hat.

Zwei Verfügungen der Kff. von Sachsen zugunsten des Justus Jonas, von 1528 und 1537, und eine Melanchthon betreifende Kauf- urkunde von 1533 teilt F. Bode aus einem Dresdener Kopialbuch aus- züglich mit. Thür.-Sächs. Z. f. Gesch. u. Kunst I, 2 S. 263f,

A. Nügele verfolgt in Rö.Quartalschr. 25, 2 S, 83*—109* und 139*—161* das Leben des Daniel Mauch (vgl. da. Ztschr. VIII S. 415) weiter von 1525 bis zu seinem Tode 1567. M. war verschiedentlich in der Umgebung Campeggis, über ein Jahrzehnt Sekretär des Bisch. Georg von Brixen, endlich seit 1545 Domscholaster in Worms; zum Priester ist er nie geweiht worden. Beigegeben ist der Briefwechsel M.s mit Wolfgang Rychard in Ulm.

E. Kroker behandelt in Schrr. Ver. f. d. Gesch. Leipzigs X S. 113 bis 126 „Anekdoten Melanchthons und Leipzig“. Es handelt sich um allerlei Erzählungen, Berichte, Urteile, Erinnerungen vieltach aus der Gelehrtengeschichte, auch allgemeiugeschichtlichen oder geo- graphischen Inhalts, in Anknüpfung an Bibelsprüche usw. --, die Melanch- thon in seinem Kolleg vorzutragen liebte und die dann von eifrigen Schülern nachgeschrieben und gesammelt wurden, also gleichsam eiu Gegenstück zu Luthers Tischreden. In Anknüpfung an eine Hs. dieser „Anekdoten“, die der Leipziger Stadtbibl. gehört, teilt K. Beispiele mit

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und zeigt, wie diese eigenartige, unter Umstinden recht ertragreiche Geschichtsquelle nutzbar zu machen ist.

Tbomas Münzere Briefwechsel während seines Aufenthalts in Mühlhausen (1524 Aug.—1525 Mai) verzeichnet R. Jordan; dazu druckt er die im Marb. St. A. beruhenden beschlagnahmten „Akten Th. Münzers usw.“ (Küch, Polit. Archiv I, 141f.), soweit noch unveröffentlicht, ab (1525 Mai 6—14): Mühlh. Geschiehtsbl. XII S. 26—42. Der nüm- liche entnimmt ebenda S. 133 einer Eintragung in einem Exemplar des Sleidanus die Namen des Ritters, der Münzer gefangen nahm, und seines Knechtes (Otto von Eppe u. Schrotfell von Waldeck).

Aus kürzlich von der Hzl. Bibl. in Gotha erworbenen Autographen teilt R. Eh wald eine von Mutian ausgestellte Quittung über eine an- sehnliche Schenkung des Kf, von 1526, wenige Tage vor seinem Tode, und einen Brief des Friedr. Myconius von 1512 an Kf. Johann Friedrich zugunsten der 1524 begründeten Schule im Augustinerkloster, der Vorstufe des Gymnasiums zu Gotha, mit: Mitt. Vereinig. f. Goth. G.u. A. 1911 S. 43—47.

Eine Übersicht über das Leben des aus Nordhausen gebürtizen Kurialisten Johannes Sander (1455—1544) gibt nach einer hsl. Familien- geschichte K. Meyer in Thür. Sächs. Z. f. Gesch. u. Kunst II, 2 S. 272 bis 274. Sander, der u. a. zur Anima-Bruderschaft gehörte, war bei dem Neubau der Animakirche (1503—1511) tätig.

Aus dem Nachlaß des leider inzwischen verstorbenen Pfarrers G.BerbigbringtdieNkirchl.Z. 23,38.250—260 weitere„Spalatiniana“, die den Neudeckerschen Mss. auf der Hzl. Bibl. zu Gotha entnommen sind. Es sind 9 Stücke aus Sept. bis Dez. 1525, die vorwiegend die An- welegenheiten des Kapitels zu Altenburg betreilen.

Das Leben und die Schriften des Johann Spreter aus Rottweil, der, seit 1526 dem Evangelium gewonnen, unter den Förderern der Reformation in Konstanz erscheint, später die Pfarrei Trossingen inne- hatte und zahlreiche reformatorische Schriften (leider auch mehreres über Hexenwesen im Sinne des Malleus) veröffentlichte, behandelt auf Grund alles erreichbaren gedruckten und hsl. Materials G. Bossert in Bl. f. WKG. 1911 S. 103—125.

Dr. Eberhard Weidensee 1486-1547, ein „Reformator 2. Ranges“, der als tatkrüftiger Gesinnungsgenosse Luthers in Nord- deutschland eine vielseitige Tätigkeit in , Halberstadt, Magdeburg, Iladersleben, endlich als Superintendent von Goslar entfaltet hat, wird von (T) P. Tschackert in NStGThK., Stück 12 (VIII, 104 S.) auf Grund der Bestände der Stadtarchive von Goslar und Magdeburg und anderer Quellen gewürdigt, unter Beigabe von Bibliographie und Fundortverzeichnis der Schriften Weidensees.

Brehm handelt über das Leben und die schriftstellerei des Propstes Melchior Zanger von St. Moritz in Ehingen a. N. (+ 1603); Z. ist u. a, Vf. einer Schrift gegen Luthers Bibelübersetzung (gedr. März 1605): Schwüb. Archiv 29, 3 S. 33—39; 4 S. 53--59.

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Territoriales. Das im Ulmer Stadtarchiv liegende Proto- kol über die Einladung der Stadt Ulm zum Trienter Konzil nebst dem päpstlichen Einladungsschreiben vom 13. Dezember 1560 und die Antwort der Stadt (26. Mai 1561) wird im Schwäb. Archiv 29,5 S. 78 bis 80 mitgeteilt.

Die Gagenreformation zu Biberach von 1546—1618 nach den Akten des kathol. Pfarrarchivs behandelt in kurzem Überblick Rummel in Schwäb. Archiv 29, 2 S. 17—22; 8, 39—44.

Nach Akten des Augsb. Stadtarchivs behandelt in BBK. 18 S. 129 bis 141 F. Roth einen „seltsamen Wiedertüuferprozeü in Mittel- schwaben“ von 1530. Es handelt sich um Weiterungen, die un- bedachte Angaben eines gefangenen Wilderers nach sich zogen.

O. Clemen teilt in BBK. 18 S. 121—128 aus Druck der Zwickauer Ratsbibl. ein unbekanntes Totentanzgedicht von 1517 mit, das ein aus Rothenburg a. T. stammender Poet, Andreas Seiden- schwanz, verfaßt und dem Rat seiner Vaterstadt gewidmet hat.

Streitigkeiten zwischen den Gnesiolutheranern in Weißenburgi.N. und den philippistisch gerichteten Geistlichen in Brandenb.-Ansbach 1564 und 1573 behandelt K. Schornbaum in BBK. 18 S. 97—110 unter Mitteilung einer Eingabe der Philippisten an den Mfen. aus dem Nürnb. Kr.-A. |

Im 58. Jahresber. des HV. f. Mittelfranken S. 120—130 teilt K. Schornbaum Bruchstücke aus dem Briefwechsel des (ehemal.) Ansbachischen Kanzlers Georg Vogler (von 1536 und 1540) mit. Der noch im 18. Jahrh. gesammelt vorhanden gewesene Briefwechsel V.s ist jetzt zerstreut, einige Reste bewahrt die Ulmer Stadtbibl. Der Nämliche veröffentlicht ebendort S. 130—136 einzelne Briefe des Ansbacher Stadtpfarrers Georg Karg 1549 und 1558, dessen Brief- wechsel (im Besitz des HV. v. Mittelfr.) er zur Herausgabe vorbereitet; und handelt S. 136 f. über den von Bischof Konrad v. Würzb. 1528 gefangen genommenen Priester Friedr. Pretscher, für dessen Frei- lassung sich Mf. Georg vergebens verwandte.

Den Bericht des Muggendorfer Pfarrers Leipold an seinen Dekan v. J. 1583 teilt aus späterer Abschrift Bickel in BBK. 18 5. 110—120 mit. Der Bericht L.s schildert eingehend die kirchlichen Zustände in seiner Pfarre und sein kirchliches Walten.

Eine poetische Beschreibung des ehem. Jungfrauenklosters Himmelskron bei Kulmbach von dem lutherischen Pfarrer Loer zu Meikendorf v. J. 1559 veröffentlicht aus der Urschrift das AfG.u.A.v. Oberfranken 24,3 S. 1—20.

Seinem Aufsatz zur Gesch. des Bauernkrieges in Baden (vgl. ds. Ztschr. 8 S. 417) fügt G. Bossert noch einige Notizen nach, die in die Gegend von Pforzheim und Bretten führen. ZGObRh. 65 (N. F. 26) S. 514—540.

Den Abdruck der Visitationsberichte aus dem Bist. StraDburg i. 16. Jahrh. (vgl. ds. Ztschr. VIII S. 417) beendigt K. Haber in ZGObRh.

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65 (N. F. 26) S. 501—543, 573—598 unter Beigabe eines Orts- und Personenregisters.

Unter dem Titel „Antitrinitarisches aus Nassau* untersucht K. Pagenstecher die Berührungen des Grafen Johann des Älteren von N.-Dillenburg und seiner Theologen mit antitrinitarischen Ele- menten, wie Erasmus Johannis und insbesondere Mathias Vehe, über deren Schicksale und Ansichten wir dabei Näheres erfahren. Mit 6 archival. Beilagen aus den Archiven von Wiesbaden und Aurich. Ann.V.Nass.Alt. 41, 4 S. 97—119.

In den Friedberger Geschichtsbll. 8 S. 55—59 handelt F. Dreher kurz über einen mißglückten Aufstandsversuch der Friedberger Bürger vom 27. April 1525 und die Bestrafung der Rädelsführer; ebenda S. 60—62 bespricht R. Schäfer Melanchthons Eingreifen in die Friedberger Schulverhältnisse 1545 auf Ersuchen des Burggrafen Joh. Brendel von Homburg.

Die soziale und wirtschaftl. Gliederung der Bevölkerung Erfurts in der 2. Hälfte 16. Jabrh. betrachtet A. Loffing in MittVGErf. 32 S. 131—240. Er richtet sein Augenmerk auf die Volkszahl, die Gliederung der Bevölkerung nach Beruf und Stand und die wirtschaft- liche Lage der einzelnen Berufsklassen, im wesentlichen auf Grund des „Vorrechtsbuchs“ von 1569, U. a. begegnen 7 Pfarrer, 1 Lizentiat, 23 Magister und 19 Doktoren.

Die ostwärts gerichteten Kriegszüge des sog. Mühlhäuser Haufens unter Pfeifer und Th. Münzer, die ihrem Zug ins Eichsfeld voraufgingen, schildert R. Jordan auf Grund der Urkunden, aus denen vielerlei Einzelheiten mitgeteilt werden, in Mühlh. Geschichtsbl. XII S. 47—92.

Die Sequestration der geistlichen Güter in den Landkreisen Meißen, Vogtland und Sachsen 1531—1513 behandelt in ein- dringender, instruktiver Weise A. Hilpert in MittAV. Plauen i. V. 22 S. 1—136. Diese Sequestration bildete die Vorstufe zum Übergang des geistl. Besitzes an den Kurfürsten und zu ihrer Veräußerung für Rechnung des letzteren, der aber die eingehenden Summen und die Erträge der unveräußerten Güter zum erheblichen Teil den Zwecken des neuen evangelischen Kirchen- und Schulwesens zugewandt hat. Hilpert lehrt die Verhältnisse kennen, aus denen der Gedanke an Sequestrierung erwuchs, schildert deren Verlauf und gibt dann sehr ausführliche Mitteilungen über besitz und Einkommen der einzelnen sequestrierten Klöster sowie über die Neueinrichtung und die Ver- sorgung der Klosterpersonen; endlich faßt er die finanziellen Ergeb- nisse der Sequestration ins Auge: alles, wie sich versteht, auf Grund der reichen Bestände des Weimarer Archivs.

In den Geschichtsbll. f. Magdeburg 46, 1 S. 59—102 gibt M. Riemer eine Zusammenstellung der Geistlichen des Kreises Neu- haldensleben von der Ref. bis 1850 unter kurzer Mitteilung alles dessen, was über die einzelnen bekannt ist, hauptsächlich nach den alten Konsistorialakten, dem sog. Kultusarchiv des Magdeb. St.A.

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Im Jahrb.f. KG. des Hzt. Oldenburg 20 S. 128—145 gibt G.Rüthning allerlei Notizen aus verschiedenen Quellen zur Gesch. der Ref. in den einzelnen Kirchspielen des Landes, als Ergänzungen zu dem Werke „Die Prediger des Hzt. Oldenb. seit der Ref.“.

Über die landesherrlichen Einkünfte (in Schleswig-Holstein) im 16. Jabrhundert handelt auf Grund von Registern und Berech- nungen, die bei den verschiedenen Landesteilungen aufgestellt wurden, R. Hansen in Z.Ges.Schl.H.Gesch. 41 S. 214—272; bei den späteren Einkommensberechnungen fallen die mittlerweile säkularisierten Klöster stark ins Gewicht.

Zur Pommerschen Reformationsgeschichte bringen die Bal- tischen Studien N. F. XV (1911) 2 beachtenswerte Beitráge: 1. S. 77 bis 142 beendigt E. Bütow seine Abhandlung über „Staat u. Kirche : in Pommern im ausgehenden Mittelalter“ (vgl. ds. Ztschr. VIII S. 225). Er behandelt hier die Stellung des Herzogs zum Klerus (Besetzung der Kirchenämter, politische Ansprüche des Staats an die Geistlichkeit; herzogl. Aufsichtsrecht über die Kirche) und zur geistlichen Gerichts- barkeit; der Schluß betrifft Staat und Kirche während der Einführung der Ref. (1520—1534). Als Hauptergebnis bezeichnet B. den Nach- weis, daß die Begründung der ev. Landeskirche in P. nicht sowohl mittels Bruches mit der Vergangenheit als nach allmühlicher An- kündigung und Vorbereitung durch Weiterbildung erfolgt sei. 2 S. 1—76 behandelt K. Schröder auf Grund des Urkunden- materials „Pommern und das Interim“, wobei er zeigt, daß die Unter- werfung der Herzöge unter den Willen des Ks. eine wesentlich for- melle war, die die Hauptpunkte nicht berührte. Die Hze. haben die Wiedereinführung des kathol. Gottesdienstes nicht nur abgelehnt. sondern auch, durch ihre Mitwirkung zur Wahl des ev. Martin Weiher zum Bischof in Kammin, zu verhindern beigetrazen. Der Abhandlung folgen 12 archivalische Beilagen.

Aus den ausführlich erhaltenen Materialien über die Stettiner Kirchen- und Schulvisitation von 1578 druckt M. Wehrmann in Balt. Stud. N. F. 15 S. 153—181 „zunächst“ die wichtigeren Stücke ab. die sich auf die Schulvisitation beziehen, wobei W. hervorhebt, daß dem rechten Gedeihen des Schulwesens besonders die Zwitterstellung der Schule zwischen der Stadt- u. der Kirchenverwaltung im Wege stand.

Über das polnisch geschriebene Werk Ignatz Warminskis über die beiden ältesten posenschen Reformatoren Andreas Samuel und Johann Seklucyan macht K. von Miaskowski dankenswerte Mitteilungen in den Histor. Monatsbll. f. Posen 12 S. 148—154.

In Posen ums J. 1600 aufgeführte Jesuitendramen, die sich in einer Hs. der Univ.-Bibl. zu Upsala finden, behandelt O. Wieselgren in Histor. Monatsbll. f. Posen 12 S. 33— 40.

Die Geschichte der unitarischen Gemeinde in Meseritz - Bobel- witz, die bis auf die Reformationsepoche zurückführt, schildert mit urkundl. Beilagen Th. Wotschke in ZHG. Prov. Posen 26, 2 S. 161—223.

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Einen Erlaß des Braunsberger Rates zur Verhütung von Unfrieden zwischen Jesuitenschülern und Handwerksgesellen von 1569 teilt P. Simson aus Abschrift des Ratsarchivs von B. in ZGA. Erm- lands 18,1 8. 168—170 mit; in jenem schlechten Verhältnis zwischen den Ordensleuten und den Bürgern kam deren Abneigung sowohl gegen die unter den Schülern stark vertretenen Polen, wie gegen den Orden selbst zum Ausdruck.

Ausland. Als Nachtrag zum Jahrb. Ges. Gesch. Prot. Österr. Bd. 32 geben G. Loesche und G. A. Skalsky die übliche Lite- rarische Rundschan über die den Prot. in Österreich betreffenden Veröffentlichungen des Jahres 1910 (S. 1—71).

„Beiträge“ zur Geschichte Erzbischofs Wolf Dieterich von Rai- tenau von Salzburg (geb. 1559, Erzb. von 1587—1612) gibt, anstatt einer ausführlichen Geschichte dieses Prälaten, F. Martin in Mitt. Ges. Salzb. LK. 51 (1911) S. 209—336. Er behandelt auf archivalischer Grundlage Herkunft und Vorleben; Bautätigkeit; Verhältnis zur Gegenref. und Streit mit B. Sebastian von Chiemsee; Familie.

Die Unterwerfung des utraquistischen Prager Administrators Heinrich Dworsky (Curius) von Helfenberg unter den katholischen Erzb. A. Brus 1572 behandelt A. Kröß in ZKTh. 34, 4 S. 702—712 zugleich mit dem, was sonst über Dworsky den Quellen zu entnehmen ist. Für seine Person scheint D. damit aufrichtig gewesen zu sein.

A. Waldburger, Zwingli exclusus, zeigt die grobe Leicht- fertigkeit, mit der F. Rüegg in ZSchr.KG. 2 (1908) Zwingli mit dem Makel einer Exklusion seitens der Universitát Wien aus schwerer Ver- fehlung zu behaften versucht hat. Ist es schon durchaus unsicher, ob nicht das Wort ,exclusus* in die Wiener Matrikel von späterer Hand, vielleicht der eines Feindes des nachmaligen Reformators, hinzugefügt ist, so nótigt nichts, falls die Ausschließung wirklich stattgehabt, da- für schwerwiegende, am wenigsten Z. moralisch belastende Anlässe anzunehmen. Schw. theol. Z. 28 S. 39£., 89—94, 134—140, mit Nach- trag 181—184.

Den in der zwischen R. Steck und G. Schuhmann über die Berner Disputation von 1528 schwebenden Kontroverse (vgl. ds. Ztschr. VIII, 226 und 419f.) erwáhnten Brief des Jacobus Monasteriensis druckt R. Steck mit angehängter Übersetzung und eingehender Würdigung ab, in der er zeigt, daß kein Grund vorliegt, wie von gegnerischer Seite versucht worden ist, den Brief, der aus dem katholischen Heer- lager stammt, aber für die katholische Sache ungünstig ist, für eine Fälschung zu erklären oder, wie Schuhmann versucht hat, W. Capito als Verf. anzunehmen. Schweiz. theol. Z. 28 S. 193—214.

Im Jahrb. f. Schweizer. Gesch. 36 S. 215—344 gibt E. Bühler ein Lebensbild des bernischen Staatsmanns Nikolaus Zurkinden (1506—-1588). Nach kurzer Darstellung der Jugendjahre und der Betätigung Z.s im bernischen Staatsdienst verfolgt B. eingehender die Beziehungen des Berners zu hervorragenden Zeitgenossen, wie Musculus, Bucer, Zwingli, Farel, besonders aber Calvin, Beza, Curio.

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Castellio an der Hand der mit ihnen geführten Korrespondenz Z s, die teils in Druckwerken, wie den Opera Calvini, vorliegt, teila aber nur handschriftlich vorhanden ist, wie die Korr. mit Beza in einem Gothaer Codex, anderes in der Simlerschen Sammlung in Zürich usw.

In RH. 108, 2 S. 225—250 beginnt L. Romier eine Darstellung des kirchenpolitischen Streites zwischen Papst Julius IIT. und K. Hein- rich II. von Frankreich („La crise gallicane de 1551; 1. partie“).

In der RH. 108, 1 S. 59—74 und 2 S. 291—318 weist H. Hauser die zuerst 1573 gedruckten, aber wenig ausgebeuteten „Acta tumultuum gallicanorum | (1559—1569^) als wichtige Geschichts- quelle für die drei ersten Religionskriege nach und beginnt einen Neu- druck. (Fortsetzung folgt.)

In Revue d’hist. mod. et contempor. 16 S. 50—61 führt H. Hauser die meist in der Ausgabe von 1743 benutzten ,Mémoires de Condé* ihrem Kerne nach auf eine 1563 im Hauptquartier der ,,Condéens* zu Orléans veranstaltete Zusammenstellung von Schriften über die jüngsten Unruhen zurück; seine Untersuchung bestätigt den hohen authentischen Wert der „Mémoires“.

Im Juli/August-Heft 1911 des Bull. der Soc.H.Pr.Fr. S. 289—311 weist H. Hauser gegen P. Fouqueray, Hist. de la Comp. de Jésus en France (1910) nach, daß der Jesuit P. Auger zu den Anstiftern der Protestantenmorde in Bordeaux 1572 (vgl. diese Ztschr. VIII S. 420 unten) gehört hat; mit Dokumentenanhang.

Zur Geschichte der Streitigkeiten zwischen der Universitit Padua und den Jesuiten, die dort eine konkurrierende Studienanstalt planten, bringt A. Favaro, der den Gegenstand schon 1878 behandelt hat, seither aufgefundene Dokumente von 1597, Durch die Vertreibung der Jesuiten aus dem Venetianischen fand der Streit 1607 sein Ende. NA Veneto. N.S. 21 S. 89—109.

Anknüpfend an neuere Lebensbeschreibungen des Kardinals Reginald Pole charakterisiert G. Constant letzteren als eine zur Mystik neigende Natur, die für die Realitäten des Lebens wenig Sinn gehabt habe und für diplomatische Missionen völlig ungeeignet gewesen sei: RQH. 90 (N.S. 46), Liefer. 180 S. 498— 514.

In RóQuSehr. 25, 2 S. 110*—123* setzt A. Zimmermann seine tendenziósen Betrachtungen zur Reformation in Schottland fort.

Das Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis N.S. VIII bringt folgende einschlägige Artikel: S.1—29 I. Lindeboom, Georgius Cassander en zijne pogingen tot bemiddeling en verzoening naar aanleiding van zijn strijd met Lindanus. 3. 62—73 W. Meindersma, De reformat. beweging der 16. eeuw te's-Hertogenbosch. S. 74 —80 A. A. van Schelven, Petrus Delenus en Albertus Hardenberg. S. 81—96 L. Knappen, Stukken uit den stichtingstid der Nederlandsche hervormde Kerk IV. („Een Leidsch theol. student 1577—80*), S. 107—109 I. S. van Veen, Overgang van Lunteren tot de hervorming (1580). S. 194—199 A. A. van Schelven, Lambertus Danaeus to Leiden (1581). S. 200—201 I. S. v. V., De Harderwijksche predikant Otto van Heteren (1580).

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S. 202—204 A. A. van Schelven, Een brief van Pieter Hazaert (1562). S. 293—295 L. Knappert, De verloren schuldbekentenis van Moded teruggevonden en uitgegeven (1590). S. 297—321 W. Meindersma, Ovet het protestantisme in westelijk Brabant, S. 322—332 A. A. van Schelven, Cassiodorus de Reyna; Christophorus Fabricius en Gaspar Olevianus. S. 818—351 A. A. van Schelven, Moded (1560) S. 352—356 A. A. van Schelven, Karakter en stand van van Haetnstede. Den Schluß ($.357— 389) macht eine Übersicht über Neuerscheinungen auf dem Gebiet der niederländ. KG.

In Kyrkohistorisk Arsskrift 1911 S. 1—51 handelt E. Linder- holm von Nordischen Kirchenordnungen des 16. u. 17. Jahrh. (Om norrlänska kyrkostadgar fran 1500— och 1600—talen); dazu eben- daselbst S. 95ft. der Meddelanden och Aktstycken Abdruck von Visi- tationsartikeln des Erzb. von Upsala, ,apud Helsingenses et reliquos Nordmannos" von 1585, sowie spätere Stücke. Ebendaselbst S. 197 bis 203, 203—214 referiert Hj. Holmquist eingehend über Grisars Luther I (ablehnend) und H. von Schuberts ,Bündnis und Bekennt- nis^ usw.

In Hist. Monatsbll. f. Posen 19 S. 178f. weist Th. Wotschke auf die neue große Quellensammlung zur evangel. Kirchengesch. Polens hin, die Mon. ref. Poloniae et Lithuanicae, deren Herausgabe 1908 von der ref. Wilnaer Synode beschlossen und kürzlich durch Ausgabe des l. Heftes inauguriert worden ist, das 38 Urkk. vorwiegend zur litauischen Ref.Gesch. enthält.

Neuerscheinungen.

Allgemeines. Die alte, auf d. J. 1557 zurückgehende Kon- sistorialbibl. zuRothenburg a.T. besitzt reiche Schätze an Druck- schriften der Reformationszeit, die ihrem größten Teile nach aus dem Nachlaß des bekannten Ansbachischen Kanzlers Georg Vogler (t 1550) stammen. Es sind i. g. gegen 1000 Schriften, die zu einigen 60 Miszellanbänden zusammengefaßt sind. Von diesem ganzen Bestande erhalten wir nun durch (F) A. Georgii und A. Schnizlein sehr dankenswerte Verzeichnisse; den Hauptteil bildet die Inhaltsangabe der einzelnen Miszellanbünde (mit den erforderlichen literarischen Nachweisen); dazu treten außer einer einleit. Gesch. der Bibliothek Register der Autoren, der Druckorte und Drucker, endlich der wich- tigsten in den verzeichneten Schriften behandelten Materien. („Die Mis- cellanea reformatoria der Rothenburger Bibl.“: Beilage z. Jahresber. des K. Progymnasiums zu R. 1909/10, LVI, 125 S.; dazu Nachtrag im Jahresber. 1910/11: Verzeichnis der sonstigen Reformationsschriften der Bibl., 18 S.)

In der eben ausgegebenen Lieferungder „Religionin Geschichte und Gegenwart, Handwörterbuch in gemeinverständl. Darstellung, unter Mitwirkung von Hermann Gunkel und Otto Scheel hrsg. v.

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F. M. Schiele und L. Zscharnack“ behandelt W. Köhler in prügnanter Kürze „Martin Luther“: Er gibt zunächst eine Übersicht über L.s Leben und Entwicklung (Jugendzeit; Entwicklung zum Reformator; vom Ablaßstreit bis zum Bauernkrieg; der spätere Luther), erörtert dann die „Wandlungen und Umbiegungen Lutherscher Theologie“ (u. a. im Verhältnis zur Bibel, im Glaubensbegriff, in der Stellung zu abweichenden Ansichten, in der Abendmahlsanschauung, in dem Problem von Kirche und Staat), wobei K. jedoch mit besonderem Nachdruck auf das ver- bindende Band hinweist, das den jüngeren mit dem älteren L. zusammen- hält; endlich behandelt er „L. und die Gegenwart“; letztere hat L.s „ganzen Weltanschauungsrahmen gesprengt“; „gleichwohl läßt sie alle die L.schen Motive, welche die neue Zeit heraufführen halfen, gelten, vertieft und ergänzt sie, findet auch neue in dem unerschöpflichen Borne L.schen Genies“. Es folgen reichhaltige Literaturangaben. Die gleiche Lieferung bietet u. a. auch die Artikel „Lutherische Kirche“ (rechtlich) von Foerster, „Luthertum“ (konfessionskundlich) von Scheel. Wir weisen bei dem Anlaß auf das rüstige Fortschreiten des trefflichen Werkes hin; es ist zu hoffen, daß es, wie vorgesehen, Ende 1913 in 5 Bänden abgeschlossen vorliegen wird; der Gesamtpreis wird sich auf M. 120 stellen. Verlag von J. C. B. Mohr (P. Siebeck), Tübingen.

Quellen. O. Scheel bringt reichhaltige „Dokumente zu Luthers Entwicklung“ (bis 1519), für die zunächst an den Gebrauch in kirchenhistor. Seminaren gedacht ist; aber auch darüber hinaus wird man diese Quellenzeugnisse gern in bequemer handlicher Form bei einander haben. Es sind teils Zeugnisse über Luther („Quellen 2. und 3. Ordnung", Nr. 1—104), teils Aussprüche Luthers selbst („Quellen 1. Ordnung", Nr. 105—326), letztere soweit möglich in chronologischer Ordnung. Wie Scheel im Vorwort bemerkt, hat bei der Auswahl die Rücksicht auf die „augenblicklichen Probleme der Lutherforschung* miteespielt, also zumal auf die bei den Kontroversen im Anschluß an Deuitles und Grisars Lutherwerke im Vordergrund stehenden Fragen und Materien, doch so, daß nach Möglichkeit nur Stücke gegeben wurden, deren Inhalt ihnen dauernde Bedeutung verleiht. Krüger, Samml. ausgew. kirchen- und dogmengeschichtl. Quellenschriften II, 9. Tübingen, Mohr 1911. XI, 146 S. M. 3.—.

Das 4. Heft des IV. Bandes der ,Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation“ bringt einen von K. Schotten- loher besorgten Neudruck der kraftvollen Streitschrift, die Zwinglis Berner Freunde, allen voran Sebastian Meyer und Berchthold Haller, gegen den vor der neuen Lehre warnenden Hirtenbrief des Konstanzer Bischofs Hugo von Landenberg vom 2. Mai 1522 verfaüt und am 11. November 1522 an Zwingli gesandt haben, damit er die Schrift revidiere und zum Druck befürdere; sie erschien dann aber weder in Zürich noch in Basel, sondern bei dem ,,rütselhaftesten Drucker der Reformationszeit“, tiber den Schottenloher demnächst eine eingehende Untersuchung veröffentlichen wird; höchst wahrscheinlich ist er in Augsburg zu suchen. Meyers Schrift ist für die Reformationsgeschichte

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von Bern von hoher Bedeutung geworden, hat auch aut Nikolaus Manuel stark eingewirkt. Im 5. Heft bietet W. Lucke einen Neudruck der Spottpraktik „Doctor Schrotentrecks von Bissingen" nach dem Original- druck, der in der Bibliothek des Würzburger Historischen Vereins wieder zutage gekommen ist; er ist wie der 2. Druck von Wolfgang Stürmer in Erfurt hergestellt worden; wahrscheinlich ist ein aus der Maingegend stammender Erfurter Student der Verfasser dieses wohl zu Fastnacht 1523 erschienenen Scherzes. Die Vorlage ist die „Practica Doctor Johannis Roßschwanz“ von 1509 (Vierteljahrsschr. f. Literaturgesch. 3, 203 ff). Im Kommentar hat Lucke wieder manche harte Nuß aufgeknackt. Es folgen noch Ergänzungen, Berichtigungen, Register zu Bd. I--IV und damit hat die Sammlung leider ab- geschlossen werden müssen. Der Zufall fügt es, daß ich wie VIII 334 die Blicke der Leser unseres „Archivs“ von meinen Flugschriften hinüberlenken muß zu der „Bibliotheca Reformatoria Neerlandica“. Hier eine Sammlung, die voraussichtlich für immer auf die vier bescheidenen Bändchen beschränkt bleiben wird und deren Erscheinen nur dem Idealismus der Herausgeber und des Verlegers zu verdanken ist, und dort acht stattliche, höchst splendid ausgestattete Bände in Lexikonformat, denen sich noch zwei andere zuresellen werden! Mit Wehmut bin ich von der mir liebgewordenen Arbeit geschieden. O. Clemen.

Bibliotheca Reformatoria Neerlandica. Geschriften uit den tijd der hervorming in de Nederlanden, opnieuw uitgegeven en van inleidingen en aanteekeningen voorzien door S. Cramer en F. Pijper. Achtste deel: Het martelaarschap van Hendrik Vos en Joannes van den Esschen, Willem van Zwolle, Hoste vander Katelyne, Christophorus Fabritius en Oliverius Bockius, Guido de Bres en Peregrin de la Grange, bewerkt door F. Pijper. 's-Gravenhage, Martinus Nijhoff 1911. IX, 667 blz.

Während der 2. Teil der „Bibliotheca“ den Mürtyrern aus den Kreisen der Doopsgezinden gewidmet war, führt uns dieser 8. Teil einige Märtyrer aus den Reihen der Lutherischen und Reformierten vor. Zuerst erhalten wir die drei Hauptquellen zur Geschichte der zwei Antwerpener Augustinermünche, die als die ersten Märtyrer des evangelischen Glaubens „in geheel Europa“ am 1. Juli 1523 in Brüssel den Feuertod erlitten: 1. Der actus vnd hand- / lung der degrada / tion vnd verpren/ nung der Cristlichen drey / en Ritter . . ., und zwar ist das die Ausgabe, die durch „das recht Christenlich Salue“, d. h. eine Umdichtung des Salve regina, bereichert ist. 2. Historia de duobus Angustinensibus, . . . 3. Dye histori, so zwen Augustiner / Ordens gemartert seyn . . . von Martinus Reckenhofer. Ich möchte nicht zu denjenigen Rezensenten gerechnet werden, die die Veröffentlichungen anderer zuerst daraufhin ansehen, ob ihre eigenen Arbeiten berücksich- tigt sind, muß es aber doch bedauern, daß Pijper meine Beiträge zur Reformationsgeschichte I 40ff. entgangen sind. Manches war da schon untersucht, was P. nun erst noch einmal hat untersuchen müssen,

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manchen Literaturhinweis hätte er sich dort holen können: vgl. ins- besondere über Reckenhofer I 49 fË., III 105. Es schließt sich an: Eenen Troostelijken Sentbrief, voor alle die om derwaerheyt, ende om Christus naem veruolcht worden, vielleicht eine Übersetzung aus dem Englischen. Zwei Drucke, Emden 1530 und Wesel 1558, sind nach- weisbar. Da von dem 1. nur ein unvollständiges Ex. erhalten ist, ist. der 2. dem Neudruck zugrunde gelegt. Es folgt die mit einem Vor- wort Bugenhagens 1530 von Joseph Klug in Wittenberg gedruckte Schrift: Artickel der Doctorn von Louen, zu welchen, Wilhelm von Zwollen, Königs Christiernen Forirer, Christlich hat geantwort, . .. nebst dem Glaubensbekenntnis und dem innigen Liede dieses am 20. Oktober 1529 zu Mecheln verbrannten Dieners des seit 1523 in Lier in Brabant im Exil lebenden Königs Christian II. von Dänemark. Vgl. noch Wackernagel, Bibliographie (1855), S. 112 Nr. CCXC und kirchenlied I (1864), 8.395 f. Nr. XXXWWXy, Geisenhof, Bibliotheca Bugenhagiana (1908), S, 297 ff. Nr. 262, Katalog III von Martin Bres- lauer in Berlin S, 366 Nr. 208 und Bibliothek I. K. F. Knaake IIl Nr. 62, 5. 87 Reproduktion des Titelblatts (Titelbordüre: Luther, Titel- einfassungen II Nr. 44, Schuchardt, Cranach IE, S. 292 Nr. 140), Ganz besonders ergreifend ist sodaun das von Martin Microen heraus- gegebene und bevorwortete und wahrscheinlich noch 1555 in Emden gedruckte Martyrium des Hoste oder, wie ibn sein englischer Meister nannte, Jooris vander Katelyne; aus Gent gebürtig, reiste er als Jüng- ling nach England, um hier das „Damaszieren“ von Messern, Klingen und Rüstungen zu betreiben, gehörte der niederländisch-reformierten Gemeinde in London bis zur Thronbesteirung der blutigen Maria an, ving dann nach Norden (wo Mieroen seit 1554 Prediger war), protestierte in Gent gegen die Predigt eines Dominikaners, des später 80 berühmten Petrus de Backere (Pistoris) über die Transsubstantration und Anbetung der Hostie, wurde gleich. darauf am 11. April 1555 verhaftet und am 27. verbrannt. Auch (Christophorus Fabritius, dessen Martyrium uns darauf nach der zweiten Ausgabe von 1565 dargeboten wird (die erste ist verschollen), weilte einige Zeit in England; als Prediger der Ant- werpener Gemeinde wurde er am 2. Juli 1564 von der mit den Jesuiten verbündeten „Lanse Margriete* beimtückisch verraten und dem Mark- grafen und Schultheiß von Antwerpen ausgeliefert. Ein Ex. des 2. Druckes der französischen Übersetzung der „Historie“, Leyde 1614, ist angezeigt im Catalogue de la bibliothéque de M. le Pasteur H. A. I. Lütge à Amsterdam 1910). p. 8 Nr. 61. Den Schluß bildet das Martyrium des am 31. April 1567 zu Valenciennes hingerichteten George de Bray, des Verfassers der „Confession de foy“ (ein Ex. des 3. Drucks seines „Baston de la foy*, 1565, im Catalogue p. 28 Nr. 176): die Einleitung führt in einigen Punkten über L. A. van Lanceraad. Guido de Bray, Zierikzee 1881 (vel. auch desselben schlecht übersetzten Artikel RE* 3, 3641.) hinaus. Mit Recht betont der Herausgeber wiederholt denerbaulichen Charakter dieser „ınartelaars-geschiedenissen“. Laudate Dominum in sauctis eius! O. Clemen.

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Darstellungen. Von Hartmann GrisarsS. I. „Luther“ sind bisher 2 Bände erschienen; der erste behandelt „Luthers Werden; Grundlegung der Spaltung (bis 1530)“, der zweite „Luther auf der Höhe des Lebens“ (Freiburg, Herder 1911, XXXV, 656 u. XVII, 819 S. M. 12.— und M. 14.40; der Schlußband „Vor dem Ausgang; Lebens- resultat“ ist in Vorbereitung).

Wir können in eine nähere Würdigung des weitschichtigen Werkes hier nieht eintreten, sondern müssen uns mit kurzer Wiedergabe des allgemeinen Eindrucks begnügen, den wir erhalten haben.

„Unsäglich traurig“, schreibt Grisar im Anschluß an die Schilde- rung der Leipziger Disputation von 1519, „stimmt den heutigen fühlenden Beobachter die Wahrnehmung, wie Luther, der einst eifrige Ordensmann, immer mehr sich dem Herzen der Kirche, ihrem Leben, Denken und Fühlen entfremdet ... Das ist der bochbegabte feurige Mann, so sagt der Katholik sich mit Schmerz, dessen Worte hätten beitragen können, auf dem Boden der Kirche eine wahre kirchliche Reform für die Zukunft anzuregen, wofern sie sich nach dem Geist und den Normen dieser Kirche mit Ernst und Gelassenheit, mit Gott- vertrauen und Beharrlichkeit an die Gläubigen und an die Oberen der Kirche gewandt haben würden“ (I S. 299).

Wer diese Worte liest und erwägt, dem muß es schon recht zweifelhaft werden, ob Grisar der richtige Mann dazu war, ein Leben Luthers zu schreiben. Ein Luther, wie er ihn hier wünscht, der seine brünstire Heilssehnsucht der Entscheidung der kirchlichen Oberen anheim gibt, der die Stimme seines Gewissens zum Schweigen zu bringen vermag, wenn Menschen ihm dies weisen, wäre eben kein Luther. Katholische Kirchen- und Ordensheilige gibt es zu tausenden, auch an Männern, die sich der Schäden der Kirche bewußt wurden, beim Zu- saımmenstoß mit den Mächten der Tradition aber das Opfer des Intellekts gebracht undsich dertriumphierenden Kirche löblich‘' unterworfen haben, ist kein Mangel; aber ein Luther darf augenscheinlich weder an den einen noch den anderen gemessen werden. Grisar jedoch tut eben dies; er mifit Luther an dem Ideal katholischer Rechtgläubiekeit und vollkommener Werkheilirkeit, und da Luther nun den überlieferten Normen der Kirche sich tatsächlich nicht gefürt, seine Sache den kirchlichen Oberen nicht in Gelassenheit und Ergebung anheimzestellt hat, so ist er für Grisar von vornherein verurteilt. Hat ihn nicht, wie Denifle behauptete, un- vebändigte Sinnlichkeit von der Kirche getrennt, so sind es nach Grisar -— kaum minder schwere sittliche Mängel gewesen, Hochmut, Widerspruchsgeist, Rechthaberei, denen sich mangelhafte Kenntnis der Kirchenlehre beigesellte. Ein Sakrileg bleibt sein Vorgehen in jedem Fall, und ein solches kann denn auch nicht andere als unheilvolle Wirkungen nach sich ziehen.

Der Versuch, dies im einzelnen nachzuweisen, macht nun den Inhalt des Grisarschen Werkes aus, wobei nicht selten die sich jedem Unbefangenen aufdrängende Beurteilung der Tatsachen und Verhiült- nisse in ihr gerades Gegenteil verkehrt wird, wie wenn Grisar in

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Kapitel 22 Abschnitt 5 (II S. 481—522) nachweisen möchte, daß Luther Frau und Ehe von der Höhe der mittelalterlich-katholischen Schätzung herabgezogen und entwürdigt habe (!) Dabei trägt es für das Ganze auch nicht sonderlich viel aus, daß andererseits der Jünger Loyolas einen glatteren Ton anschlägt als seinerzeit der polternde, grobe Dominikaner Denifle; daß ersterer auch an Luther einzelnes zu rühmen weiß, wie etwa seine Mildherziekeit, die Gewalt seiner Sprache, selbst wohl einmal seinen sittlichen Ernst; daß er endlich eine Reihe der schlimmsten Bezichtigungen, die die Gegner von den Tagen des Cochlaeus an bis zur Gegenwart grundlos und vielfach gegen besseres Wissen auf Luther gebüuft haben, abweist und widerlegt oder wenigstens zu widerlegen scheint; denn eine Hintertür läßt er allemal dem offen, der nun doch noch weiter an jene Verleumdungen glauben möchte. Und es bleiben auch so noch in Luthers Bilde, wie es Grisar malt, der ungünstigen, ja verwerflichen Züge gar viele übrig!

Mittlerweile hat nun aber die protestantische Forschung und Nachprüfung mindestens in Stichproben mit aller nur erreichbaren Evidenz bereits erwiesen und gezeigt, wie unsolide der Aufbau Grisars ist, wie leichtfertig er mit den Zeugnissen der Quellen umspringt, wie planvoll er diese nach seinen vorgefaßten Ansichten gruppiert und beleuchtet. Ich möchte dazu noch auf die Darstellung des Verhaltens Luthers während des Augsburger Reichstages von 1530 (am Ende von Bd. I) verweisen; wie absichtsvoll sind da doch aus der überreichen, hunderte von Druckseiten füllenden Korrespondenz des Reformators aus der Zeit des Koburger Aufenthalts nur ganz vereinzelte Wen- dungen herangezogen, und zwar solche, die, aus dem Zusammenhang gerissen und in eine gewisse Beleuchtung gerückt, Luther als zaghaft und wankelmütig, ja sein Verhalten in jener Krisis als unlauter er- scheinen lassen können.

Mit der Objektivität, über die der Verf. in der Vorrede so schöne Worte macht und an die er vielleicht selbst auch glaubt, ist es also nichts; wir haben in Grisars „Luther“ ein Buch vor uns, das schlecht- weg den katholischen. durch die Autorität gebundenen und voraus- bestimmten Standpunkt vertritt. Dabei ermangelt Grisars Werk auch des Verdienstes, das Denifle nicht abzusprechen ist, nümlich unsere Kenntnis von Luther erweitert und vertieft zu haben. Neue Quellen hat Grisar nicht benutzt; das aber, was an seinen Darlegungen neu erscheint, wie seine Entdeckung des Abfalls Luthers von den Obser- vanten seines Ordens zu den laxeren Konventualen, was dann als eine Art Vorspiel zu dem Abfall von der Kirche erscheint, ist nicht richtig. So besorgen wir aussprechen zu müssen, daB Grisars ,Lutherwerk* (soweit es bis jetzt vorliegt) keinen Fortschritt in der wissenschaft- lichen Lutherliteratur bedeutet.

Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H., Gräfenhainichen.

Zur Lebensgeschichte des Augsburger Formschneiders David Denecker u. seines Freundes, des Dichters Martin Schrot;

ihranonym herausgegebenes „Schmachbuch“ Von der Erschrocklichen Zurstörung vnnd Niderlag deß gantzen Bapstumbs. Von Fr. Both.

Der von 1512 bis 1548 in Augsburg nachweisbare Formschneider Jobst Denecker, besonders bekannt durch seine Mitarbeit am Theuerdankwerk und durch die Herausgabe einer vergrößernden Kopie des Holbeinschen Totentanzes, vererbte seine Kunst auf seine zwei Söhne namens Samson und David!). Der letztere, mit dem wir uns hier beschäf- tigen wollen, wurde um 1530 geboren und übernahm, bei seiner in verhältnismäßig günstigen äußeren Verhältnissen lebenden Mutter wohnend?), naeh dem Tode des Vaters, der _ auch sein Lehrer gewesen, dessen mit einer kleinen Druckerei verbundenes Gescháft?) worauf er sich im Jahre 1550 oder

1) Siehe tiber Jobst Denecker (Danecker, Tanegker, Dienecker) und seinen Sohn David den Artikel in der Allg. D. Biogr. (Bd. 23 S. 355) von Steiff. Aus der dort angeführten Literatur heben wir hervor das Werk von Butsch, Die Bücherornamentik der Renaissance, Bd.I (Leipzig 1878), wo S. 16 das, was über die Lebensumstände der beiden Formschneider früher bekannt war, durch Notizen und Auszüge aus den alten Augsburger Stadtbüchern wesentlich vermehrt wurde.

2) Jos Denecker ist in den Steuerbüchern zum letzten Male im Jahre 1547 eingetragen. Er bezahlte eine Steuer von 60 d, 6 fl, 3 d, seine Witwe im Jahre 1548 30 d, 3 fl, 6 d.

3) Aber nicht sofort. Im Gerichtsbuch 1549 Bl. 138 findet sich unter dem 27. April der Eintrag: ,,Josen de Neckers, formschneiders, wittib hat zügesagt, inner ainem viertl jar, dem nechsten, ainen form- schneider, der des handwercks wol bericht, einzüstellen, den Christoffen Plapharten, iren lernjungen, das handwerck trewlich, eerlich und redlich

Archiv für Reformationsgeschichte IX. 3. 13

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1551 verheiratete. Seine Frau, Sarah Langenmähntlin, eine Waise, entstammte einer der uralten Augsburger Patrizier- familien, deren es damals nur noch sieben gab. Sie war eine Tochter des der Stadt als „Reisiger“ dienenden Marx Langenmantel und der ebenfalls einer sehr angesehenen Augsburger Familie angehörenden Barbara Wielandin'), scheint aber vermögenslos und bedeutend älter als ihr Mann gewesen zu sein?) Trotzdem wird die vornehme Verwandt- schaft, in die er so geriet, ihm „mit wenig Gunst“ gegen- übergestanden sein, da sie die Verbindung der Sarah mit dem jungen Formschneider als sehr anstößigen Schritt in die Tiefe hinab betrachtete.

Die Zeiten waren, als Denecker seinen Hausstand be- gründete, schlecht, und wir lernen, indem wir, soweit dies möglich, seine Wege verfolgen, das ganze Elend kennen, unter dem oft recht tüchtige Künstler, namentlich wenn sie ihre Kunst handwerksmäßig betreiben mußten, zu leiden hatten. Die glänzende Periode des den Gelehrten und Künstlern so wohl gewogenen Kaisers Maximilian, der dem Vater Jobst wie so vielen anderen lohnende Beschäftigung gegeben, lag schon ein Menschenalter zurück, und die reli- giöse Bewegung. die in ihren Anfängen, als sich eine Flut von polemischen Flugblättern und satirischen „Schmach- bildern“ unter das Volk ergoD. den Zeichnern und Form- sehneidern reiehe Gelegenheit zu mannigfaltiger Produktion

ufzülernen; dann wo sie inner ainem viertl jars, dem nechsten, kainen formbschneider, der den knaben lernen wollt, einstellen wurde, sol der knab der ubrigen lernjar allerding von ir ledig und loß sein.‘ David Denecker war demnach damals noch nicht imstande, den Knaben ,auszulernen", oder er war in der Stadt nicht anwesend. Im Steuer- buch 1548 ist er noch nicht eingetragen, auch nicht 1549. 1550 steht bei seinem Namen unter dem der Mutter: „Dat heur nit“, was besagen will, dag er jetzt steuerpflichtig gewesen würe, aber für diesmal frei ausging, weil er heiratete. Im Jahre 1551 und in den nüchsten Jahren ist David, bei seiner Mutter wohnend, angeschlagen mit 30 d, 1 fl, 6d.

1) Nach Seifferts Stammtafeln. des Langenmantelschen Ge- schlechtes, wo er als „Herr von Necker“ aufgeführt und seine Hoch- zeit in das Jahr 1551 gesetzt ist.

*) Ersteres erhellt daraus, daß der Vater als „Reisiger“ dienen mußte, letzteres aus dem Hochzeitsjahre der Eltern: 1498. Der Vater starb 1540, die Mutter schon 1537.

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verschafft, hatte ihnen in ihrem weiteren Verlauf schwere Schädigung ihres Gewerbes gebracht, indem infolge reichs- gesetzlicher Bestimmungen und kaiserlicher Spezialmandate in fast allen Territorien, im besonderen auch in den Reichs- städten, eine strenge Bücher- und Bilderzensur eingeführt wurde, die die Veröffentlichung aufreizender Schriften und „Gemälde“ streng verbot und den Verkauf von solehen schwer bestrhfte. So hatte auch Augsburg seine Zensurherren, die je nach den herrschenden Zeitläuften und dem persönlichen Standpunkt, den sie zu den ihnen vorgelegten Manuskripten und Bildern einnahmen, bald schärfer, bald nachsichtiger aber auch in diesem Falle für die Autoren noch hemmend genug ihres Amtes walteten. Das besserte sich zwar in den letzten Jahren vor dem Schmalkaldischen Krieg, als sich bei den Protestanten die Rücksicht auf den Kaiser und der Gehorsam gegen ihn immer mehr lockerten, und noch mehr während des Krieges selbst im Sinne der Zeichner und Drucker, aber desto schmerzlicher empfanden sie dann die Reaktion, die nach dem Siege des Kaisers hereinbrach. All die vielen Bücher und Bilder, die in dem benannten Zeit- raum „hervorgekommen“ waren, alte und neue, mußten jetzt augenblicklich verschwinden, zumal in Augsburg, wohin der Kaiser am 23. Juli 1547 kam, um auf einem Reichstag die Verhältnisse des Reiches seinen Wünschen gemäß neu zu ordnen. Die hier gepflogenen Religionsverhandlungen führten zu dem im Mai 1548 publizierten Interim, und da der Kaiser fürchten mußte, daß sich gegen dieses eine heftige polemische und satirische Literatur erheben würde, sorgte er dafür, dab ein außerordentlich drückendes Reichspressegesetz zur An- nahme kam, das noch einmal auf das eindringlichste gebot, alles zur Veröffentlichung Bestimmte vor dem Druck der obrigkeitlichen Zensur vorzulegen und ohne Angabe des Autors, des Druckortes und des Druckers nichts, auch nicht das geringste „ausgehen“ zu lassen!) Zwei Jahre später

1) Der Wortlaut des Gesetzes ist abgedruckt bei Voigt, „Über Pasquille, Spottlieder und Schmähschriften aus der ersten Hälfte des XVI. Jhdts.“ im Hist. Taschenbuch, ed. Raumer, Bd. IX (Leipzig 1838) S. 354 ff.

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wurden diese Gebote durch ein kaiserliches Mandat!) neuer- dings eingeschärft und zu ihrer Durchführung scharfe Ver- ordnungen erlassen, denen der nach Abschaffung des Zunft- regiments am 3. August 1548 in Augsburg eingesetzte Herren- rat mit dienstwilligem Eifer nachzukommen bemüht war. Das mußte natürlich auf die Buchdrucker und die zeichnenden Künstler, die sich mit der Illustration von „Schmachbüchern“ und der Herstellung von satirischen Bildern durchgebracht hatten, geradezu erstickend wirken und in ihnen eine ver- zweiflungsvolle Stimmung erwecken?) Zwar kam noch einmal eine für sie günstige Periode, nämlich während des Fürstenkrieges (1552), als auf Befehl des Kurfürsten Moritz und seiner Mitverwandten, die in die Stadt eingelassen worden waren, die Zünfte und ihr Regiment wiedererstanden und der Herrenrat abgesetzt wurde. Da druckte man die „schmalkaldischen Schmähschriften* und anderes, das in besseren Zeiten erschienen war, rasch nach, holte die auf den Böden und in den Kellern versteckten Vorräte solcher Erzeugnisse hervor und fertigte neue an. Aber bevor man noch Zeit gehabt, diesen unvermuteten Wandel der Dinge recht auszunützen, erfolgte ein zweiter ,grausamer* Rück- schlag: Der von den „rebellischen“ Fürsten verjagte Kaiser kam wieder in die Höhe, zog nach dem Abschlusse des Passauer Vertrags am 20. August 1552 in Augsburg ein, setzte das Zunftregiment zum zweiten Male ab und restituierte die „Herren“, die sich sofort daran machten, die seit ihrer Verdrängung vorgekommenen Druckerexzesse zu untersuchen, die Schuldigen zu bestrafen und einer Wiederholung solcher ,Frevel^ vorzubeugen. Die ganze, durch den Fürstenkrieg für die Drucker und Formschneider geschaffene Herrlichkeit hatte kaum fünf Monate gedauert.

!) Ordenung vnd Man-/dat Keiser Caroli V. ver- newertim/AprilAnno 1550... Ein Register der ver- / worf- fenen vnd verbottenen Büchern, Auch von gu- /ten Büchern, welche man inn der Schulen lesen /mag. 4°, 31 Bl.

*) Am 19. März 1551 reichten die Augsburger Buchdrucker an den Rat eine „bewegliche“ Bittschrift ein, in der sie um Milderung der gegen sie geübten Zensur baten; die „Beschwerden“ der Form- schneider waren die gleichen. Augsb. St, Arch., Literalien.

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Daß unter solchen Umständen ein junger Meister wie Denecker, der damals seinem evangelischen Herzen am liebsten durch recht viele das Papsttum verhöhnende Bilder Luft gemacht hätte, auf keinen grünen Zweig kommen konnte, ist wohl verständlich; aber auch er selbst trug einige Schuld daran, denn er war, wie man aus den Augsburger Gerichts- und Strafbüchern ersehen kann!), ein Mann, der sich allzu gern in der Schenke „einen guten Mut“ holte, in der Wahl seiner Gesellschaft sehr wenig heikel war, solang es ging, ein ängstliches Abwägen von Einnahmen und Ausgaben ver- schmähte, sich durch ein böses Maul recht unnötig manche Feinde machte und schon im vierten Jahre nach seiner Ver- heiratung mit einer aus Nürnberg stammenden Magd vielmals Ehebruch trieb und deshalb von den Zuchtherren bestraft wurde.

Bald steckte Denecker ziemlich tief in Schulden, und verschiedene Versuche, die er machte, sich ihrer zu ent- ledigen, waren erfolglos. Was er veröffentlichen durfte, wie sein Passionale vom Jahre 1557, fand wenig Liebhaber, und die Anfertigung soleher Dinge, nach denen Nachfrage bestand hauptsächlich stark gepfefferte religiöse und politische Satiren —, war zu gefährlich und erforderte ein raffiniertes Versteckenspielen, das einen guten Teil des etwa zu erhoffen- den Gewinnes verschlingen mußte. Trotzdem hat Denecker sicher gar manches auf dem Markt gut abgehende Stück in seiner Werkstätte nachgedruckt und zum Verkauf gebracht, wenn er auch später, als er deshalb zur Verantwortung ge- zogen wurde, nur zwei zugestand: ein noch zu Lebzeiten seines Vaters geschnittenes „altes Gemel, vor 100 Jaren in einem Kloster in den Niederlanden gefunden von der baby- lonischen Huren“ und einen „Ablaßbrief, auf dem der Teufel sitzt“; aber auch der Dialog „Warumb nit muglieh gewest, daB Hertzog Johann Friedrich, Kürfürst, gesigen können wider kai. Mt. Carolum“, gehört hierher, denn wenn er ihn auch nicht selbst nachdruckte, so ließ er doch eine neue Auflage des Schriftehens dureh den ihm befreundeten Buch-

1) Das meiste, was sich hier erhalten hat, ist zusammengestellt bei Butsch Ll c. ?) S. unten die Beil.

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Außerdem aber beschäftigte ihn, natürlich mit Unter- brechungen, jahrelang ein größeres Werk, von dem er sich goldene Berge erhoffte: die Anfertigung von Schnitten zu der von dem Augsburger Dichter Martin Schrot verfaßten Komödie „Von der erschrocklichen Zurstörung und Niderlag des gantzen Babstumbs“!). Wer war Martin Schrot?)? Er wird in einem alten Verzeichnis der Augsburger Meistersinger als einer ihrer ältesten Zugehórigen ë) und in einem poetischen Bericht über die Augsburger Singschule vom Jahre 1575 *) unter den zwólf Münnern aufgeführt, die den Meistergesang in Augsburg „ausgebreitet“. Als seine Heimatstadt wird München genannt, das Augsburger Bürgerrecht erwarb er sich im Jahre 1547 °); von Beruf war er Goldschmied, „Meß- stecher“ ®) und wohl auch Uhrmacher. In den politisch und religiös so erregten Jahren vor dem Religionskrieg war er mit mehreren Tendenzdichtungen hervorgetreten, in denen er sich als fanatischer Eiferer und Vorkämpfer des Evangeliums erweist; er betrachtet den Kaiser als Verderber des Vater- landes und Feind Gottes, den Papst als ein alles Gute auf ‘rden zerstörendes Ungeheuer und beide, den Kaiser und den Papst, als von Gott Verdammte, die dem zeitlichen und ewigen Verderben verfallen sind. Was Schrot an dichterischen Einfällen und an Schwung der Sprache fehlte, suchte er durch Häufung biblischer Zitate, durch derbe Kraftworte und blutrünstige Bilder, die er mit Vorliebe den Propheten und der Apokalypse entnahm, zu ersetzen. An diesem Schrot nun scheint Denecker großes Gefallen gefunden zu haben. wohl weil er in ihm wenigstens soweit der Haß gegen das „römische Pfaffentum“ in Betracht kam einen Geistes-

1) Aufgeführt bei Weller, Ann. der poet. Nat.-Litt. der Deutschen. Bd. I S. 323, Bd. II S. 549 ohne Kenutnis der Autoren,

2) Siehe über ihn den Artikel in der Allg. D. B. (Bd. 32 S. 556) von Róthe.

3 Keinz, Ein Verzeichnis der Augsburger Meistersinger des XVI. Jahrhunderts, München 1893, S. 3,

4) Abgedruckt bei Hartmann, Das Oberammergauer Passions- spiel (Leipzig 1880) S. 189,

5 Roth, Augsbures Reformationsgeschichte, Bd. III (München 1907) S. 178 Nr. 106.

9) Instrumentenmacher.

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verwandten erblickte und sich durch dessen radikale An- schauungen künstlerisch angeregt fühlte,

Unter den Dichtungen Schrots finden sich zwei, nämlich ein ,Freudengeschrei über das gefallne Papsttum“ !) und „Ein neuer römischer Pasquillus“ ?), beide in das Jahr 1546 fallend, mit denen die Komödie „Von der Zerstörung des Papsttums“ in engem, hier nicht näher zu erörternden innerem Zusammenhang steht, und es ist kein Zweifel, daß sie auch in derselben Zeit entstanden ist wie jene. Wir entnehmen einem im Frühling 1546 von dem Augsburger Kardinalbischof Otto an Alessandro Farnese bzw. die Konzilslegaten gerichteten Brief, daß man damals überall in ganz Deutschland Komö- dien aufführte, um bei dem Volke den Haß gegen das Papst- tum zu schüren, namentlich eine in Sachsen gedruckte, worunter wir wohl den schon damals in ein paar deutschen Übersetzungen vorliegenden Pammachius des Thomas Nao- georg zu verstehen haben werden. Besonders stark, meldet der Kardinal mit Entrüstung, werde diese Sache von den rebellischen Augsburgern betrieben, die sieh nicht mit der erwähnten Komödie begnilgten, sondern noch eine andere zur Aufführung gebracht hätten, deren Inhalt er mit einigen flüchtigen Zügen skizziert?). Seine Andeutungen, namentlich

1) Apocalypsis./ Ain frewden geschray/uber das gefallen Bapstumb, so/yetz diser zeit durch Gottes wort vnd/schwert überwunden ist. S.l. e.a. 4°, 4 Bl. (Reime). Holzschnitt auf dem Titelblatt.

?2AÀinneüwer Rómi-/scher Pasquillus, von dem Bapst,/seinemReych, vnnd seinemStul, derStatt/ Rom, vnd jren Töchtern, Pariß vnd Cóln,/sampt allen jren glydern, Cardinäl, Bischoff,/Pfaffen, Münch,vndallvermainten Gaist-/lichenderRómi- schen Kirchen, jr wesen, leben/handlung, vnder- gang,vndau&dilck-;ung durch die krafft Gottes etc. M. D. XL. VI. Am Schlusse des Textes: Gedruckt zu Augspurg durch Valentinum Othmar. 4°, 13 Bl. Mit Holzschnitten auf Bl. 2b und als Anhang zum Text.

3) Nuntiaturber, ed. Friedensburg, Band VII Nr. 130 S. 577 (14. März): „Li Luterani non cessano con libri stampe et comedie, secondo il suo solito, accrescere l'odio alli populi contra la Sautità di Nostro Signore e !] stato ecclesiastico, et secondo che ho scritto et mandato a V, Rma et Ill ma di una comedia, stampata in Saxonia, la

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was er von der in dem Stücke vorkommenden Beraubung des Papsttums sagt, lassen vermuten, daß er damit die Schrotsche Komödie meint. Die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme wird gesteigert durch die uns aus anderer Quelle!) bekannte Nachricht, daß die Dichtung Schrots tatsächlich in Augsburg aufgeführt worden ist, was im Jahre 1546 gewesen sein muD, da hier weder vorher, noch viel weniger nachher von der Aufführung derartiger Stücke die Rede sein konnte.

In den nächsten so bösen Jahren ruhte das Manuskript der Komódie wohl verwahrt in der Truhe, und auch die meisten der gedruckten Blätter und Büchlein Schrots mußten von der Bildfläche verschwinden und konnten sich erst 1552 während des Fürstenkrieges wieder vorübergehend ans Licht ‚wagen. Als aber ein Augsburger Buchführer, Hans Zimmer- mann, auch noch im Oktober des Jahres, nachdem die Reak- tion schon in vollem Gange war, ein Schrotsches Gedicht „vom Untergang des Adlers“ (des Kaisers) ?) verkaufen wollte und dabei betreten wurde, führte man ihn auf Befehl des Rates in die Fronfest?) und auch Schrot wäre „eingelegt“ worden, wenn er sich nicht noch rechtzeitig heimlich unter Zurücklassung seines Weibes davongemacht hätte, um zu

giocano adesso per tutta la Germania con personagi per commover più li populi; et questi rebelli d'Augusta avanzano tutti in far piü cose contra Dio et la santa sede apostolica; et non si contentano solamente di giocar questa comedia, ma sopragiongeno altre invention ridiculose, tra le qual per conclusion di la comedia fano comparer un papa vestito, en pontifical, con cardinali, vescovi et tutti gradi e ceremonie ecclesia- stiche, mettendolo in sedia, dove al incontro metteno un imperator con re, principi et tutti stati seculari, li quali uno ad uno dal vilano fin al imperator si lamentano de glingani di pontifici e stato ecclesiastico et rivoltono sotto sopra il papa, caciando, il cardinali, vescovi et il elero, riparteno tra loro tutti li spogli, il regno, aneli, croce, mitre, capeli, la sedia, il sceptro et tutte le altre regalie et ornamenti et poi al ultimo fano fine tal che non l'ardisco scriver* etc.

1) S. unten.

?) Die Phrophecey,;Deßvierten Büchs Esdre./ am Ailften Capitel./Von dem Adler seine vnder- gang./In Germania./Im Tholner Thon zu sinngen. / ete. Titel- bild. 49. 6',Bl S.l. e.a.

3) Urgicht Hans Zimmermanns, dd. 9. Oktober 1551 in der Ur- gichten-Sammlung. Vgl. Roth, Augsb. Ref.-Gesch., ITI S, 178 Nr. 106.

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den Wiedertüufern nach Mähren zu ziehen. Bevor er aber die Stadt verließ !), übergab er seinem Freunde Denecker das Manuskript der Komödie „Von der Zurstörung des Papsttums* zur freien Verfügung. Was sollte dieser damit anfangen ? Freilich fanden auch jetzt, nach dem Passauer Vertrag, und später nach dem Religionsfrieden Verhöhnungen des Papst- tums bei den Evangelischen noch Käufer genug, aber derer, die noch im Ernste an die von Schrot verheißene Vernichtung des „römischen Ungeheuers“ glauben mochten, waren es nur mehr wenige. Dieses Thema hatte, abgesehen von den Kreisen gewisser Theologen, seine Aktualität verloren; die Komödie war nur noch eine Dichtung wie jede andere und nicht wie früher eine Prophezeiung, deren Erfüllung man mit Begierde entgegensah. Denecker aber, verführt von der Er- innerung an den Beifall, den das Stück seinerzeit bei der Aufführung gefunden, war der Meinung, daß sich damit ein schönes Stück Geld verdienen ließe, wenn er es auf seiner Presse druckte, mit Holzschnitten aufputzte und auf fremden Büchermärkten zum Verkauf brächte?). Aber als er sich an die Arbeit machte, wurde er gar bald gewahr, daB das Schrotsche Manuskript in schlechter Ordnung war, und dab er nicht zum Ziele kommen könnte, wenn es der Dichter nicht noch einmal durchsehen und das, was noch fehlte, ergänzen würde. Wahrscheinlich ließ er das Schrot durch Botschafter wissen, und dieser, der ohnehin Sehnsucht nach seinem Heim haben mochte, entschloB sich, den Bitten des Freundes zu willfahren und im Sommer 1557 nach Augsburg zu kommen. Aber da er vor fünf Jahren als ein dem Rate „Ungehorsamer“ weggezogen war, hatte er die Verhaftung zu gewärtigen und mußte daher darauf bedacht sein, sich bei seinem Aufenthalt in der Stadt, der länger als einen Monat dauerte, sorgfältig verborgen zu halten. Er schlich sich während dieser Zeit dreimal in das Haus Deneckers, um sein Manuskript zu korrigieren, es druckfertig zu machen und mit einer Vorrede und einem „Beschluß“ zu versehen. Anfangs des Jahres 1558

!) In den Steuerbüchern ist Schrot noch eingetragen bis 1557; in diesem Jahre heißt es: „Christoph (statt Martin) Schrot ab.“

2) Dies und alles Folgende, wenn nichts anderes bemerkt ist. aus den als Beilage mitgeteilten Urgichten Deneckers.

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muß das Buch, von dem 1000 Stücke gedruckt wurden, fertig vorgelegen haben. Das erste Exemplar, das er hinausgab, machte er dem als Sammler von seltenen und seltsamen Büchern bekannten Kurfürsten Ottheinrich zam Geschenke, das zweite dem Markgrafen Karl von Baden; dann verkaufte er eine größere Anzahl von Exemplaren an den Buchführer Georg Wuller, der sie, das Stück um fünf Batzen, als Abtrag einer Schuld annahm und nach Leipzig schickte !); etliche Exemplare setzte er bei dem nach interessanten Neuigkeiten lüsternen Schreibpersonal der Firmen Craffter und Bimel ab °), etliche bei einigen einheimischen Bücherfreunden vor allen bei dem bekannten Ratsdiener und Chronisten Paul Hektor Mayr und auch der Frau des Schrot gab er einige Stücke. Die Hauptmasse der Auflage aber brachte Denecker selbst auf die Frankfurter Messe und „wurde“ auch in Nürnberg 150 Stücke „an“, die wahrseheinlich Martin Sehrot absetzte.

Noch war Deneeker mit der Ausbeutung dieses Unter- nehmens beschäftigt, als der Rat im Auftrage Kaiser Ferdi- nands mit großen Vorbereitungen für einen im nächsten Jahre in der Stadt abzuhaltenden Reichstag begann, auf dem auch eine feierliche „Besingnus“ des am 21. September 1558 ver- storbenen Kaisers Karl V. stattfinden sollte. Letzteres hatte für Deneeker die angenehme Folge, daß Ferdinand bei ihm 2900 hierzu benótigte Wappen bestellte, deren Anfertigung ihn und sein Gesinde Tag und Nacht beschäftigte. Da pochte am Abend des 22. Januar, eines Sonntags, das Unglück an die Tür. Der draußen stand, rief Denecker zu dem Wirt Kapfer am Lech, und von diesem hörte er, daß der Rat ihn, den Formschneider, „fangen lassen“ werde. Dieser mochte die Warnung als schlechten Scherz betrachten und schlug sic, wie er selbst sagt, in den Wind. Aber es hatte mit dem, was der Wirt ihm gesagt, seine Richtigkeit); am nächsten Morgen erschienen die Stadtknechte bei Denecker und holten

1) Wullers Urgicht vom 27. Januar 1559.

?) Siehe über diese Firmen Strieder, Zur Genesis des mod. Kapitalismus (Leipz. 1904) S. 146 ff., 208 ff.

3) Der Hat hatte am 21. Januar beschlossen: „David Denecker soll angesprochen, gebunden und aufgestellt aber nit [auf der scheibe] aufretzogen werden.“ Ratsdekrete 1559, Bl. 5b.

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ihn aus den Federn in die Eisen, wie man das Stadtgefängnis nannte. Was war geschehen? Man hatte am kaiserlichen Hofe ein Exemplar der Schrotschen Komödie zuhanden be- kommen, auf irgendeine Weise den Namen des Verlegers erkundet und dem Rate befohlen, sich seiner sogleich zu bemächtigen.

Der Kaiser hatte freilich allen Grund, gerade in diesem Augenblick, in welchem er nach dem ergebnislosen „Zer- gehen“ des Wormser Religionsgespräches auf die Einleitung neuer Vergleichsverhandlungen bedacht war, über die Heraus- gabe und Verbreitung derartiger „Hetzlibelle“ sehr ungehalten zu sein, und die Sache sah für Denecker gefährlich genug aus. Die gegen ihn zu führende Untersuchung wurde dem Rate übertragen und ihm dabei befohlen, über das Resultat derselben zu berichten und zugleich ein Gutachten wegen der über den Frevler zu verhängenden Strafe einzusenden. Daraufhin wurde Denecker dreimal, am 24., 27. und 30. Januar, in dem Verhörszimmer, in dessen Hintergrund der auf die Weisungen der „Examinatoren“ harrende „Züchtiger* stand, einer strengen „Befragung“ unterworfen !), bei welcher man ihn über alle bei solchen Pref)vergehen in Betracht kommenden Einzelheiten ,einvernahm*: Wer ihn hierzu angestiftet, von ` wem der Text des Buches herrühre, ob er die Schnitte selbst gefertigt, wer ihm dabei geholfen, an wen er die bereits ab- gesetzten Exemplare verkauft, was er mit dieser Publikation habe bezwecken wollen, was er sonst noch Verbotenes ge- druckt usw. Denecker gestand, da er wohl sah, dab Leugnen nichts helfen und ihm vielleicht auch noch die Folter zu- ziehen würde, seine Vergehen offen ein und beantwortete die an ihn gestellten Fragen im allgemeinen der Wahrheit gemäß; doch ist als sicher anzunehmen, daß er außer den von ihm eingestandenen Schnitten und Drucken auch noch andere, die ihm nicht nachgewiesen werden konnten, „verschuldet“ hat. Dem Vorhalt, wie er denn trotz so vieler und strenger Verbote habe wagen dürfen, ein solehes Buch erscheinen zu lassen, begegnete er mit der schwächlichen Ausrede, er habe gemeint, „es werde mit diesem Druck, weil er ein schwänkig,

1) Siehe in der Beilage Nr. I, II, III.

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lächerig Ding, wol abgehen“, und man werde, weil er ja kein eigentlicher Drucker, sondern ein Formschneider sei, nicht so gar hart gegen ihn vorgehen. Die Absicht, damit Unruhe und Unfrieden zu stiften, habe er nicht gehabt, son- dern er habe nur etwas „erobern“ wollen, um seine Schulden damit bezahlen zu können. Das konnte man ihm wohl glauben. Aber es gab noch andere Dinge, die man von ibm wissen wollte. Man hatte nämlich in seiner Wohnung verdächtige Handschriften gefunden, über die er Rechenschaft geben sollte, und verlangte auch von ihm, daß er den Drucker eines wegen seiner Schärfe großes Aufsehen erregenden Pasquillus und den Verfasser des oben erwähnten Dialogs über die Nieder- lage desKurfürsten von Sachsen nennen solle, da er beide kennen müsse. Die von ihm gemachten Aussagen befriedigten seine Verhörer gerade in den ihnen wichtigsten Punkten nicht, aber trotzdem sie ihn mit der Marter bedrohten, konnten sie ihn über das hinaus, was er gleich anfangs eingestanden, zu keinem weiteren Geständnis bringen und mußten vorläufig von ihm ablassen. Seinem von „Fürschriften* der Ver- wandten unterstützten Flehen, ihn doch auszulassen, damit er die bei ihm bestellten Wappen rechtzeitig liefern und auf der bevorstehenden Frankfurter Messe seinen Verbindlichkeiten nachkommen könnte, wurde natürlich nicht stattgegeben, sondern beschlossen, ihn bis auf weiteres „liegen zu lassen“. Es mögen recht traurige Stunden gewesen sein, als er am 24. und 25. Februar, an welchen Tagen die „Besingnus“ vor sieh ging '), im Gefängnis das Geläute der Dom- und andern kirehengloeken vernahm und an die vielen schönen Wappen dachte, deren Fertigstellung er andern hatte überlassen müssen. Drei Wochen später, am 17. März, drangen die Verhörer bei einer vierten Vernehmung mit Macht in ibn, endlich zu sagen, wer den Dialog über den Kurfürsten von Sachsen gemacht und zuerst gedruckt, aber die Antworten waren die gleichen wie früher ?). Jetzt wurden die Untersuchungsakten und mit

1) Siehe hierzu den auf Grund von Quellenschriften bearbeiteten Aufsatz Luitpold Brunners, „Kaiser Karls V. Todtenfeier, veranstaltet von Kaiser Ferdinand I. im Dom zu Augsburg am 24. und 25. Fe- bruar 1559* im 31. Jahresbericht des hist. Kreisvereins im Reg.-Bezirke von Schwaben und Neuburg für das Jahr 1868 (Augsburg 1869) S. 71 ff.

2) Siehe in der Beilage Nr. IV.

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ihnen Vorschläge, was mit dem Delinquenten geschehen solle, dem kaiserlichen Hofe übermittelt. „Wiewol“, heißt es hier, „einem ehrsamen Rate nit gebühren will, Ihrer Kais. Mt. als dem Brunnen der Gerechtigkeit vorzugreifen und hierin Maß und Ordnung zu geben, so will er doch derselben als einem milden Kaiser allergnädigst zu bedenken heimgestellt haben, ob er, Denecker, angesehen seiner langwierigen Ge- fängnis, ehrlichen Freundschaft und des ansehnlichen Für- bitts, seinethalb beschehen, aus sondern Gnaden [nur] nach Inhalt der Polizeiordnung, im 48. Jahr hie aufgericht!), zu straffen sein soll, dieweil er solchen dialogum selber nit ge- macht sondern seines Vorgebens aus Armut, sich darmit aus Schulden zu erledigen, nachgetruckt hat?).“ Beigelegt wurde noch eine Bittschrift der Mutter und der Frau Deneckers, die schon früher nebst der ganzen „Freundschaft“ an den Kaiser suppliziert hatten und ihn nun inständigst noch ein- mal baten, die Freilassung des Gefangenen zu verfügen ?). Der vom kaiserlichen Hofrat den mit der Führung des Prozesses betrauten Ratsherren erteilte Bescheid?) lautete: Denecker habe zwar nach Gestalt seines Verbrechens wohl eine Leibesstrafe verdient, aber der Kaiser wolle doch „aus den vorgebrachten Ursachen leiden, daß ein ehrbarer Rat ihn nach Inhalt der Polizeiordnung strafe, damit er und andere sich hinfüran solcher Sachen enthalten“. Am 13. April wurde Denecker, dem der Rat dies mitteilte, auf eine schrift- liche , Urphede* aus dem Gefängnis entlassen und ihm dabei, den angezogenen Bestimmungen des Reichsgesetzes ent- sprechend, „das Handwerk niedergelegt“ mit dem Zusatz, daß er es ohne Bewilligung des Kaisers oder des Rates nicht wieder aufnehmen dürfte®). Die noch erreichbaren

1) Gemeint ist hier das der Polizeiordnung vom Jahre 1548 ein- verleibte Pressegesetz, von dem oben (S. 2) die Rede war.

*) Dieses Schriftstück liegt im Konzept den Urgichten bei. Befremdlich ist es, daß hier nicht mehr von dem Druck und der Heraus- gabe der Schrotschen Komödie, sondern von dem Nachdruck des die Niederlage des Kurfürsten von Sachsen behandelnden Dialogs als Grund der Verhaftung gesprochen wird.

3) Mitgeteilt in der Beilage II.

4) Vermerk auf dem Rücken der eben erwähnten Bittschrift.

5) Ratsdekrete 1559, 13. April (Bl. 272).

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Exemplare des Buches werden wohl konfisziert und verbrannt worden sein !).

Denecker war jetzt frei; aber wenn die über ihn ver- hängte Strafe nicht recht bald aufgehoben wurde, mußte er zum Bettelstab greifen. Der Rat, der aus Rücksicht auf die mächtigen Verwandten der Deneckerin schon bisher bemüht gewesen war, soviel als möglich von ihrem Mann das Ärgste abzuhalten, gab diesem auf sein wiederholtes Bitten am 3. Juni die Zusage, ihm zu seiner Restitution behilflich zu sein; er móge den Kaiser schriftlich darum bitten, dann wolle man sich, wenn Bericht gefordert werde, „nach Gebühr halten“ ?), Denecker beeilte sich natürlich, seine Eingabe °) an den Kaiser einzureichen, und seine Sache wurde auch durch „Förderung“ von verschiedenen Seiten her auf gute Wege gebracht; aber die vielen Geschäfte, die die Feststellung des Reichstagsabschiedes und die Vorbereitungen zu der am 21. August erfolgenden Abreise des Kaisers mit sich brachten, verzögerte die endliche „Absolution“ Deneckers um einige Wochen. Erst am 7. September 1559, nachdem seit seiner Gefangennahme mehr als siebeneinhalb Monate verflossen waren, wurde ihm durch den vom Kaiser hierzu ermächtigten Rat eröffnet, daß er sein Handwerk wieder ausüben dürfe. „Doch soll er“, wurde hinzugesetzt, „angeloben, nichts aus- gehen zu lassen, er hab es denn zuvor die Schulherrn (die zugleich die Zensoren waren) besichtigen lassen und seinen Namen darunter gesetzt *).* Und einen Monat später (7. Ok-

1) Nach Angabe des Lagerkatalogs VIII (1911) der Leutnerschen Hofbuchhandlung in München sind nur noch sechs vollstindige Exem- plare des Buches vorhanden, von denen der Verfasser dieser Zeilen das an der Kgl. Staatsbibliothek in München und das der Stadtbibliothek in Augsburg vorhanden gehabt. Ein siebentes, unvollständiges, das sich im Besitz ©. Weigels befand (Kusinsky 3639) ist nun in dem Leutnerschen Katalog als Nr. 37 aufgeführt. S. zu dem Buch Schnorr v. Cavolsteld im Arch. für Litt.-Gesch,, IV S. 405.

2) Ebenda, 3. Juni (Bl. 8b).

3) Sie ist gedruckt bei Butsch, S.17 Anm. 3. Der 7. Sep- tember ist aber nicht das Datum der Eingabe, wie Butsch anzunehmen scheint, sondern das des Tages, an dem Denecker vom Rate seine Be- gnadigung verkündet wurde.

3) Ratsdekrete 1559, 7. Sept. (Bl. 33"),

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tober) wurde, offenbar im Hinblick auf diesen Fall, sämtlichen Buchdruckern und Buchführern noch einmal eingeschäfrft, sich bei Ausübung ihres Gewerbes genau an die Reichs- presseverordnung vom Jahre 1548 zu halten ').

Das Unternehmen, durch das sich Denecker aufzuhelfen gehofft, war also gründlich mißglückt, und anstatt seine alten Gläubiger befriedigen zu können, war er noch in neue Schulden geraten. In dieser Not war es, daß er das Toten- tanzwerk seines Vaters in dritter Auflage (1561) herausgab. Um dieses sowie verschiedene andere gangbare Bücher und Bilder zu verkaufen, besuchte er als Buchführer die großen Messen und kleineren Jahrmärkte und scheint damals nur selten zu eigener Produktion gekommen zu sein. Am 21. Januar 1561, an dem gleichen Tage, an dem der Rat vor zwei Jahren seine Verhaftung angeordnet, erhielt er von diesem die Erlaubnis ,ain Jahr daust wonen*?), machte davon aber erst 1562 Gebrauch und bezahlte, wie es üblich war, beim Abzug drei Steuern, im ganzen 1 fl 15 Kreuzer 3 d, also nur 25 Kreuzer pro Jahr?) Er blieb aber Augs- burger Bürger und kam zeitweise in die Stadt zurück; sein Name findet sich in den Steuerbüchern noch eingetragen bis 1567, jedoch ohne Anlage; im Jahre 1568 und weiterhin fehlt er. '

In der Zwischenzeit, im Jahre 1564 brach Denecker noch einmal durchs Eis. Am 10. Juni dieses Jahres zeigte nämlich Bürgermeister und Rat von Dinkelsbühl den Stadt- pflegern und Geheimen von Augsburg an, daß ein Buchführer, Christoph Eberhard, zwei verbotene Schandbriefe feilgchabt, die er tags zuvor von David Denecker auf der Nördlinger Messe gekauft. Denecker habe diese Briefe selbst gemalt und gedruckt und bringe sie ungeachtet der strengen Ver- bote und des Ärgernisses, das sie bei vielen erregen müßten, unter die Leute‘). Die Geheimen sprachen den so wach-

I) Stetten, Geschichte von Augspurg (Frankfurt und Leip- zig 1743), I S. 534.

2) Ratsdekrete 1561. 21. Januar (Bl. 55).

3) Steuerbuch 1562 (unter: Salta zum Roten Tor) Bl. 9v.

*) Das Schreiben und die Antwort darauf liegen bei den Urgichten des Jahres 1564.

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samen Dinkelsbühler Herren schon am 12. Juni für diese Mitteilung ihren Dank aus und versicherten ihnen, daß man gegen Denecker, der jetzt nicht zu Hause sei, sobald man ihn fassen könne, vorgehen werde, wie es sich gezieme. Der so Denunzierte muß schon an einem der nächsten Tage zurückgekehrt sein, denn am 15. Juni lag er in den Eisen. Er wurde von den ihn verhörenden Herren mit Vorwürfen überhäuft !), daß er sich, seiner im Jahre 1559 ausgestellten Verschreibung entgegen, nun neuerdings „Untaten und Miß- brauch seines Handwerks“ schuldig gemacht, so daß er „meineidig und gelübdlos* geworden sei. Denecker wußte darauf wieder nichts vorzubringen, als daß die beanstandeten Stücke alte Sachen seien, die man früher auf den freien Messen in Frankfurt und anderswo offen habe verkaufen dürfen, und daß er seine Verfehlung nur aus Not und Armut begangen. Über ein Manuskript Schrots, das man in seinem Schreibtisch gefunden hatte, vermochte er beruhigende Aus- kunft zu geben.

So sehr der Rat über Denecker erzürnt sein mochte, machte er es diesmal, da er selbständig bandeln konnte und ein leichterer Fall vorlag als im Jahre 1559, mit ihm kurz und „glimpflich“, indem er noch am 15. Juni das Urteil fällte: „David Denecker soll zu einer gnädigen Straf vier Wochen in Eisen liegen bleiben und ihm seiner Hausfrauen Brietlein furgehalten werden ?).“ Welchen Inhalt dieses gehabt, wissen wir nicht; keinesfalls einen erfreulichen, da die „Herren“ die Mitteilung desselben gewissermaßen in die Strafe mit- einbezogen. |

Nach einem Vierteljahre kam Denecker, wenn auch nur vorübergehend, noch einmal in die Eisen, und zwar diesmal wegen eines mit seinem Handwerk in keinerlei Zusammen- hang stehenden Reates. Das Strafbuch von 1563 bis 1568 berichtet nämlich (Bl. 65°) unter dem 19. September 15641: „Gilg Meichsner und David Denecker haben Kugelin in die Wertach geworfen, davon die Fisch über sich gangen und

1) Siehe Deneckers Urgicht vom 15. Juni 1564 in der Beilage unter Nr. VI. 2) Ratsdekrete 1564, 15. Juni, Bl. 53b.

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gestorben sein !); derhalben sie in Fronfest gelegt aber auf Fürbitt ausgelassen worden sind.“ Nach dieser neuen „Miß- handlung“ scheint Denecker sein Heim in Augsburg für immer aufgegeben zu haben und hat, wenn er die Stadt überhaupt noch einmal betrat, in ihr nur als „Gast“ geweilt. In spätere Zeit, als er sich bereits in Wien niedergelassen, fallen zwei ihn betreffende Einträge in den Augsburger Rats- dekreten, die jedoch für uns belanglos sind °).

Beschreibung des von Schrot und Denecker heraus- gegebenen „Schmachbuches“.

Das Buch, Fol., trägt den Titel:Von der Erschrock- li- / chen Zurstórung vnnd Niderlag deß/ gantzen Bapstumbs, gepropheceyetvnd ge-/ weissagt, durch die propheten, Christum, vü/ seine Aposteln, vi aub JohannisApoca-/lypsi Figtrlichvnndsichtlichgesehen/. Durch ain Hoehgelehrten, dise gegen/würtige ding,vor sehr vil Jaren/beschriben, vnd der wellt trew- /lich, auffs kürtzest hiermit /furge- halten, Nutz vü/güt, derSeelen, zum/Ewi- gen Leben/. Mathei am 7:/ Weicht ab jr ybeltheter all behendt / Daü ich hab euch noch nie kain mal erkeüt. Dieser Titel ist von einem aus vier Leisten bestehenden Rahmen umgeben. Obere Querleiste: in der Mitte ein Altar; links steht vor demselben Christus mit dem Lamm, den zu ihm herandrängenden Auserwählten den Kelch darreichend ; rechts

1) Diese Art des Fischtötens scheint damals in Deutschland ziemlich in Schwung gekommen zu sein. Der Advokat Dr. Hieronymus Fröschel erzählt in seiner Hauschronik (jetzt im Staatsarchiv zu Marburg) aus seiner Studentenzeit unter dem Jahre 1552: „Am 12. april hab ich die kunst mit den vischkugeln im Rein versucht, daß die visch doll worden und jechling ans gstat geschossen, daß ich etlich zimlich grosse bachvisch.... heraus genomen."

2) Ratadekr. 1577, 2. Mai: „David Dennecker soll nachgesehen und seinem sone (Hercules?) die begert urkund eelicher geburde mit- getailt werden." 7. Mai: „David Dennecker soll, do er die ausstendig steur betzalt, ain urkund, wie die sachen (wol sein Weggang von Augsburg) an ir selbst geschaffen ist, mitgetailt werden." Bl. 40», 41v.

Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 3. 14

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der Papst mit dem siebenköpfigen Tier der Apokalypse und seinem „Gesind“ von Kardinälen, Bischöfen und anderen geistlichen Personen, den vor ihm knienden Kaiser belehnend. Untere Querleiste: links die Schar der Auserwählten, die ein Engel in das Reich der ewigen Seligkeit führt, rechts der Papst und sein Anhang, die der Satan in den Rollen- rachen treibt. Längsleiste links: der nackte Christus mit Marterwerkzeugen in den Händen, darunter der Tod; rechts: der Papst in prächtigem Ornat mit den Insignien seiner Macht und Würde, darunter der Satan in fratzenhafter Gestalt.

Den Hauptinhalt des Buches bildet die von Denecker mit Holzschnitten !) ausgestattete Komödie Schrots, die von den 39!/, Blättern, die es zählt, 27 einnimmt. Sie gehört zur Gruppe der protestantisehen Tendenzdramen, die den Zweck verfolgen, die „Schande“ der alten Kirche aufzudecken. das Papsttum als eine Schöpfung des Teufels zu erweisen und es dadurch verächtlich und verhaßt zu machen, wie dies, um die berühmtesten Namen zu nennen, in den Totenfressern des Basler Druckers Pamphilus Gengenbach, in den Fast- nachtspielen des Berner Malers Nikolaus Manuel und vor allen in den großen Kampfdramen des sächsischen Pfarrers Thomas Naogeorg geschieht). Das von Sehrot in kurzen leinpaaren verfaßte Stück ist wie die meisten „Spiele“ dieser Art ohne Handlung im eigentlichen Sinne des Wortes und besteht nur aus einer Folge von Vorgüngen. die sich in ziemlich sehablonenhaft angelegten Monologen der nach- einander auftretenden Personen oder in Dialogen von höchst einfacher Gestaltung abwiekeln. Uber der Liste der „Namen, so in disem Handel begriffen seind*, sehen wir einen auf einem Felsen sitzenden Mann vielleicht den Dichter —. der, einen Stab in der Hand, zu einer nicht sichtbar gemachten Person spricht: „Simplex, die Werk Gottes seind vor Augen ?).*

!) Im ganzen nicht weniger als 101.

*) Siehe hierzu Holstein, Die Reformation im Spiegelbilde der dramatischen Literatur des sechszehnten Jahrhunderts, Halle 1886 S. 166 ff.

3) Wie in Schrots oben (S. 195) erwähnten „Newen Römischen Pasquillus“. Siehe die Beschreibung dieser Schrift bei Roth, Augs- burgs Ref.-Gesch., Bd. III S. 166 ft.

19 207

Die „Agierenden“, nicht weniger als 55, sind in drei Gruppen eingeteilt: in die der „Himmlischen“, unter denen sich der eben verstorbene Luther befindet, in die der „Höllischen“, die den Teufel nebst dem Papst und den „Seinen“ umfaßt, und die der ,Irdischen*. An dieses Verzeichnis reiht sich das Bild des Herolds, der „die Vorred thut“, und das eines Knaben, der „das Argument redt“.

In Akte und Szenen ist das Stück nicht gegliedert, da- gegen wird jeder der sich von selbst ergebenden Abschnitte gewissermaßen eingeleitet durch einen Folioschnitt Deneckers, der den Inhalt desselben veranschaulicht. Der erste mit der Aufschrift: Der Bapst rüfft seine Schutzherren an zeigt uns eine auf dem siebenköpfigen Tier sitzende Frauensperson „Angnes, ain Weib aus Engelant, Johannes der sibent genant, A. 851 1)“ —, das den Kaiser, den König sowie andere Potentaten und Würdentrüger aus einem Kelche trinken läßt und sie dadurch zu ihrem Schutze feierlich in Pflicht nimmt. Der dazu gehörende Vorgang auf der Szene: Der Papst erfordert die weltlichen Herrscher vor sich; es erscheint zuerst der Kaiser, um ihm den Treueid zu leisten, dann treten, von einem Domherrn einzeln zitiert, der römische König, die Könige von Fraukreich, von Spanien, von Eug- land, von Portugal, von Schottland und von Polen, ein Herzog, ein Graf, ein Edelmann und ein Bürgermeister hervor und versichern dem heiligen Vater, mit Leib und Leben zu ihm halten zu wollen. Natürlich fehlt auch der Narr nieht und der Satan, der mächtigste Protektor des Papstes. Alle diese Personen sind, teils freistehend, teils mit hübschen, manch- mal recht originellen Rahmen umfaßt, in typischen Einzel- figuren oder durch ihre Wappen dargestellt. Für jede Person wird in der Regel durch das ganze Buch hindurch das Bild gebraucht, mit dem sie da, wo sie zum ersten Male auftritt, eingeführt ist.

. Auf dem zweiten Hauptbild: Der Saluator wirt zornig vber das gefallen Bapstumb erblicken wir den über feuerspeienden Wolken thronenden Gott Vater

" Siehe hierzu Dóllinger, Die Papstfabeln des Mittelalters. 2. Aufl., ed. Friedrich (Stuttg. 1890). Wegen des Namens Agnes

insbesondere S, 27. 14*

208 20

als Richter, der ein flammendes Schwert aus dem Munde schnaubt und eine Sichel in der Rechten hält. Im Halbkreis umschweben ihn die apokalyptischen Engel mit dem Mühl- stein, mit dem Kelch, mit dem Rauchfaß, mit dem Bauch, mit der Posaune und der, der unter Freudengeschrei die Hände über dem Haupte zusammenschlägt. Der Siebente nimmt von dem Salvator die Sichel in Empfang, um damit das Papst- tum zu zerschlagen. Das siebenköpfige Tier, der Papst und seine Leute hören dies, brechen vor Schrecken zusammen und wälzen sich in wirrem Haufen auf dem Boden. Szenischer Vorgang: Der Salvator und fünf der genannten Engel künden, jeder einzeln (in Reden von je 28 Zeilen), den „Verworfenen“ die Vernichtung an, halten ihnen ihre Missetaten vor und schicken sich an, zur Tat zu schreiten.

Drittes Hauptbild: Das jemmerlich Geschray der verworffnen Geistlichen. Das Strafgericht ist vollzogen. In der Höhe schwebt der von feurigen Wolken umgebene Racheengel, der in jeder Hand ein Flammenschwert schwingt. Auf der Erde liegt regungslos der zerschmetterte päpstliche Haufen. Zur Linken desselben steht der Satan, der sich bemüht, einen der Kardinäle aufzurichten, zur Rechten der Narr und hinter ihm das Nürrlein, die „ir all- sam spotten vnd in die Warheit sagen“. In einiger Ent- fernung von dieser Gruppe sieht man die bestürzte Schar derer, die noch vor kurzem dem Papste unverbrüchliche Treue geschworen. Szenischer Vorgang: Der Papst, der Kardinal, der Bischof, der Legat, der Cortisan, der Cometer oder Creuz- herr, der Offizialehorriehter, der Anthonier Pfaff, der Thum- herr, der Layen-Pfatf, der Apt, der Cartheuser Orden, der Augustiner Münch, der Prediger Münch, .der Barfüßer Münch, Uuser Frauen Brüder Münch, die edel Nunn, die gemeine Nunn, die vielberufene Pfatlen Magt und der Jakobs Bruder ergehen sich nacheinander in verzweiflungsvollen Klagen über das, was sie verloren, und das. was ihnen nun bevor- steht. Die Spritchlein, die sie hersagen (alle wieder 28 Zeilen lang), heben, freilich in Anlehnung an bekannte Vorbilder, das für jeden dieser Stände Charakteristisehe in recht ge- Schiekter Weise hervor und decken in Form von Geständ- nissen alle die Miüstiinde und Mißbräuche auf, die dem

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„päpstlichen Pfaffenwesen“ von den Evangelischen zum Vor- wurf gemacht wurden; es war für Denecker eine dankbare Aufgabe, für diese vgn dem Dichter vorgeführten Typen den entsprechenden bildlichen Ausdruck zu schaffen. Zum Schlusse kommen noch der Narr und das Närrlein, um zu dem Ge- schehenen ihre Glossen zu machen, und der Satan, der den Papst zu trösten versucht, aber auch seinen Spott nicht ver- beißen kann.

Viertes Hauptbild: Hie wirdt das Bapstumb widerumb geblindert. Auf die leblos auf der Erde liegenden Geistlichen treten von links her der Kaiser sowie die übrigen Potentaten und Herren, von rechts her Leute aus dem Volke heran, um jedem von ihnen das wegzunehmen, was die Vorfahren ihnen einst geschenkt und gestiftet. Im Hintergrunde breitet sich das erregte Meer aus, auf dem ein paar Schiffe dahingetrieben werden, und am Strande steht je eine Gruppe wehklagender Kaufleute und Schiffer (Apok. 18). Szenischer Vorgang: Der Kaiser, der römische König, die bei Beschreibung des ersten Bildes genannten Herrscher,

° der Herzog, der Graf, der Edelmann, der Bürgermeister, dann

der Handwerker und der Bauer sprechen in Monologen (von je 28 Zeilen) ihre Gedanken über das Geschehene aus und greifen, die wehrlos vor ihnen Liegenden plündernd, nach dem, was sie als das Ihrige erkennen. Dann kommen noch hervor ein Bettler, der sich in sehr derben Worten über die Hartherzigkeit und die verüchtliche Behandlung ausläßt, womit sich die üppigen Pfaffen an ihm versündigt, und der „einfältige Mann“, der Gott dankt, von dem gleisnerischen Papsttum erlöst zu sein. An sie schließen sich der Kauf- mann und der Schiffer, die darüber jammern, daß sie infolge der über das Papsttum hereingebrochenen Katastrophe ihre besten Kunden, die hohen kirchlichen Würdenträger, verloren hätten. Endlich erscheint der Papst selbst, gedenkt dessen, was er bis vor kurzem noch war und was er jetzt ist, und „weint und verzweifelt“.

Fünftes Hauptbild: Hie wirdt das Vnkraut inb Hólliseh Feuwr geworffen. Der Salvator thront in seiner furchtbaren Herrlichkeit über den flammenden Wolken, zu seinen Füfen schwebt, das Angesicht auf die Erde ge-

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richtet, der Engel mit dem Buche. Unter ihm, in der Tiefe, wird der Haufen der Päpstlichen, der mit starken eisernen Ketten umfangen ist, von den Racheengeln und dem Tod an den Höllenrachen hingeschleppt und in ihn hineingestoßen. Szenischer Vorgang: Der Engel mit dem Buch höhnt den Papst, indem er ihm vor Augen führt, daß er und die Seinen jetzt von all ihren mächtigen Anhängern und Schützern ver- lassen und dem Verderben preisgegeben worden seien. Er schließt mit den Worten:

„Nun Tod, Sathan, nimms hin s’ ist Zeit Und quäl sie nun mit Herzeleid Von Ewigkeit zu Ewigkeit.“

Nachdem noch der siebente apokalyptische Engel der Ge- fallenen „gespottet“, ertönt ein Lobgesang der Engel und Heiligen Gottes, der das von diesem über das Papsttum gehaltene Gericht mit jauchzendem Halleluja preis. Der die Sense schwingende Tod macht sich auf, um die Leiber des Papstes und seiner Genossen zu „würgen“, während ihre Seelen in ewiger Pein fortleben sollen. Dann erscheint Christus mit - dem „Siegfahnen“ in der Hand, der in längerer Rede das Ur- teil des Salvators wiederholt und noch einmal die erst zeitlich Gestürzten in alle Ewigkeit verdammt. Sofort befiehlt nun der Engel mit dem Buch den ihm untergebenen Geistern des Lichts, das Papsttum. in Fesseln zu schlagen und der Hölle zu überantworten. Das geschieht. Zuletzt wird auch noch der Satan, des Papsts „Gesell“, trotz heftiger Gegenwehr überwunden und in den Avernus binabgestürzt.

Das sechste Hauptbild: Die Außerwölten standt bey ainander vmb das lamb Gottes. Oben, über den Wolken, das Lamm in der Glorie, im Halbkreis umgeben von singenden und musizierenden Engeln. Unten, auf der Erde, zwei einander gegenüberstehende Gruppen: links die Gelehrten und Leute aus dem Volk, rechts der Prophet Daniel. der Apostel Paulus, der Evangelist Johannes und Martin Luther. Die drei Erstgenannten erinnern an die Prophezei- ungen, in denen sie das, was jetzt eingetreten, vorausgesagt. Luther versichert, daß er an der Niederlage des Papsttums keine Sehuld trage. sondern dieses sieh ganz und gar selbst

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ins Verderben gebracht habe. Er begründet das durch ein langes Sündenregister, das er ihm vorhält, meint aber schließlich :

»Doch ist mein redt, hülfft es in nott, Last vns noch für sy bitten Gott,

Ob doch etlich vnder in wern,

Die sieh ein mal wolten bekern, Damit globt wird Gottes namen.

Wer das begert, der sprech Amen!“

Damit endet die Komódie; die Figur des Herolds, natürlich dieselbe wie die am Anfang des Stückes, ist die letzte, die Denecker hierfür geschnitten. Aber Schrot veranlaßte ihn, noch ein siebentes Hauptbild zu fertigen, das mit dem Stück in keinerlei innerem Zusammenhang steht und betitelt ist: Die war heylig, einig, christlich Kirchen, darin die newgebornen Kinder Gott deb Vatters sein, die erlöst seindt durch das Plüt Christi vnd Vergebung derSünden im heylign Geyst han empfangen, eine frostige, spitzfindig aus- geklügelte Allegorie, deren Konzeption natürlich ganz und gar das Werk Schrots ist. Auf der Höhe einer zwischen zwei Felsen ansteigenden Treppe mit zwölf Stufen den Artikeln des christlichen Glaubens steht Christus, der den Tod hinabstößt; in der Mitte der Treppe erblickt man den Heiligen Geist als Taube. Über den Wolken, links von Christus, sitzt Gott, der Vater, auf einem prunkvollen Stuhl; unter den Wolken stürzen sich Engel mit Schwertern auf den Satan, um ihn in die Hólle zu treiben. Rechts von Christus steht auf einem kleinen, über die Wolken sich er- hebenden Hügel das Lamm, das von einer Schar, unschuldiger Kinder umgeben ist; unter den Wolken schweben hier bewaffnete Engel, die aufgestellt sind, die binterlistig, auf falschem Wege dem Reich Gottes Zustrebenden abzutreiben ; denn in dieses führt nur ein Weg, das ist der über die Treppe hinauf. Am Fuße derselben drängen sich die, denen es ernst ist mit dem Kampfe um die Seligkeit; umschlungen mit einer Kette, von deren Gliedern jedes eine christliche Tugend verkörpert, lauschen sie mit Andacht den Worten

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der Propheten und Johannis des Täufers. -Außerhalb dieser Kette steht die untibersehbare Menge der noch nicht zur Gemeinde Christi Gehórenden, vor ihnen Moses mit der Gesetzestafel, wie er ihnen, „sonderlich den Juden, ihre Sünde anzeigt“. Links unten schlägt das wilde Meer an den Felsen der Kirche und „grausame Mórthier und Syrenen* bereiten ihr Gefahren und Versuchungen. Gegenüber, in der Ecke rechts, zeigt sich ein mit der päpstlichen Tiara bekrönter Teufelskopf, der gegen die Gemeinde der Auserwählten sein Gift spritzt.

Warum Schrot dies Bild den andern hat anfügen lassen, ist klar. Er wollte die Herausgabe der Komödie, von der er hoffte, daß sie weite Verbreitung finden werde, benützen, um im Anschluß an den Text die Summe seines Glaubens darzulegen und für ihn in den Kreisen der nach seiner An- sicht noch „in der Irre Gehenden“ zu werben. Wie aber war damals sein Glaube beschaffen ? Schrot war, wie man Grund hat anzunehmen, ursprünglich zwinglisch, besaß dabei aber doch so viel Sinn für die Bedeutung und die Größe Luthers, daß er diesen mit den in der Komödie auftretenden Propheten und Aposteln in eine Linie stellte. Aber bald nach dem Jahre 1546 muß Schrot, vielleicht infolge persön- licher Berührung mit dem damals in Augsburg lebenden Täufer Pilgram Marbeck +), täuferische Anschauungen in sich aufgenommen haben, sonst wäre er nicht, wie er im Jahre 1552 tat, nach Mähren gezogen, wo die Täufer in einer Anzahl geschlossener Niederlassungen hausten?) Natürlich wurde

-

1) Siehe hierzu Roth, Augsburgs Ref.-Gesch., III S. 248.

?) Über das Leben, Leiden und Treiben der mährischen Brüder- gemeinden sind wir trefflich unterrichtet durch das Werk Josef Becks, „Die Geschichts-Bücher der Wiedertäufer in Österreich-Ungarn, betreffend deren Schicksale in der Schweiz, Salzburg, Ober- und Nieder- Österreich, Mühren, Tirol, Böhmen etc. in der Zeit von 1526 bis 1785“. (Wien 1883) Fontes Rer. Austr, Diplomata et Acta, Bd.43. Polemisch: Der Hutterischen/Widertauffer Tauben- Kobel...DurehChristophorumAndreamFischerD.! Pfarrherrn zu Velsperg. Darunter ein Holzschnitt, einen Taubenkobel darstellend. Mit Róm : Kay: Mayest: freyheit./ (Getruckt zu Ingolstatt, in der Ederischen Truckerey, / Durch Andream Auger- mayr/ Anno M.DC.VII.

25 213

er hier in seinem neuen Glauben bestärkt und gefestigt, nahm aber doch die Lehre der Brüder nicht in allen Punkten an, denn er war ein selbständiger Bibelausleger und Denker, der seine eigenen Wege gehen wollte. Als er nun im Sommer 1557 mit Denecker die zur Veröffentlichung des Buches nótigen letzten Arbeiten erledigte, schrieb er eine im Druck hinter dem Titelblatt eingereihte prosaische Vorrede (2'/, Bl.) hierzu, in der er die Gott zur Vernichtung des Papsttums bewegenden Gründe auseinandersetzt und die Komödie mit ihren sechs Hauptbildern nebst den dazu gehörenden Nebenfiguren als den ersten Teil des Buches bezeichnet; der zweite werde von dem siebenten Hauptbild und der ihm angehängten Erläuterung gebildet. Diese eben- falls in Prosa verfaßte Erläuterung (8'/, Bl.) war ihm offen- bar das Wichtigste des ganzen Buches. Ich will, kündigt er in der Vorrede an, hier, „so viel mir Gott der Gnaden hat gegönnt und gegeben, mein Licht nit unter die Bänk setzen und einen Metzen drüber stürzen sondern es frei auf den Tisch aller Gutherzigen ... setzen, daß aller Gläubigen Hausgesind mein Licht, von Gott angezündet, scheinen seh zu Lob und Preis der Ehre Gottes, des himmlischen Vaters, der das lebendige Wort durch seinen heiligen Geist in mir als einen Samen des ewigen Lebens gesäet hat, des Frucht und Nutz aus dem neu gebornen Wort herfürbricht wie die schöne Morgenröte und [das] Blut [des] Bräutigams Jesu Christi, seines eingebornen Sohns, so durchs Wort, das er selbst ist, mein Herz durchleuchtet mit dem Glanz seines heiligen Geists nach Maß meines Glaubens, darmit ich jetzt, nachdem mich der Herr gestärkt hat, auch meine Brüder möge stärken“. Und es ist jetzt, meint er, wahrlich nötiger als je, zu ihnen mit mahnenden und warnenden Worten zu reden, denn nun, nachdem das Papsttum aus den Herzen verbannt ist, geht der Teufel um, um die Menschen mit den Satzungen des neuen Papsttums zu beladen, allenthalben neue Sekten zu stiften und, wenn dies möglich wäre, selbst die Auserwählten zu verführen. |

Was Schrot mit dem neuen Papsttum meint, ist nicht zweifelhaft. Er zielt damit auf die evangelischen Landes- kirchen und die Lehre der in ihnen wirkenden Prädikanten,

214 26

die nichts wissen vom lebendigen Wort und nur den toten Buchstaben zu predigen vermögen. Im Gegensatz zu diesen Kirchen steht die „wahre christliche Kirche“, wie sie die Täufer und Schrot auffaßten: „Die Versammlung aller Gläu- bigen, die, durch den heiligen Geist versammelt, durch die reine Lehre Christi von der Welt abgesondert und durch die göttliche Liebe vereint, dem Herrn aus dem Herzen geist- liche Opfer bringen. Wer in diese Kirche eingeführt, ein Hausgenosse Gottes werden will, muß in Gott leben und wandeln; wer außerhalb dieser Gemeinde ist, ist außerhalb Christo !').“ Auch Schrots „Meinungen“ über das Wesen der Obrigkeit sind täuferischh Die Kindertaufe wird von ihm mit Nachdruck abgelehnt und statt ihr die Taufe der durch das Wort Gottes Unterwiesenen, also die Spättaufe, gefordert. Das Abendmahl ist ihm zwar eine Einsetzung Christi, aber, wie den Zwinglern und den Täufern, nur eine Feier des Gedächtnisses an das Leiden und Sterben des Heilands und zugleich ein Dankfest hierfür. Als drittes Sakrament nach der Taufe und dem Abendmahl nennt Schrot jedoch nicht wie die mährischen Brüder die Ehe, sondern „die Gewalt der Schlüssel“ und „das Regiment des heiligen Geistes“. Den Schluß dieser Ausführungen, von denen, wie er dies auch in der Komödie durchgeführt hat, fast jeder Satz, ja manchmal jedes Wort mit dem Zitat einer Bibelstelle belegt ist, bilden die Aufforderung. „in der einigen christlichen Kirche“ und im rechten Glauben zu verharren, ein Aufruf zur Buße angesichts des nah bevorstehenden Gerichtes und eine noch- malige Warnung vor den Verführern, die er in die für ihn so bezeichnenden Verse fabt:

Wer auß dem allten Bapstumb ist gegangen,

Der schauw, das er nit im Neuwen werd gefangen, Dan yetzund vil hell Geister vmbher brangen,

Die manchem sein gwissen bschweren mit drangen. Mit vil yrthumb seind sy selbst behangen.

Mügen doch Gotts gnadt vnd Geist nit erlangen. Solche seind wilde, verdorbne Wein rangen, Seorpion, Basiliseus vnd stechent Schlangen,

1) Beck S, XL

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Die züsamen werden bunden mit strangen

Vnd in das Höllisch fewr geworffen mit zwangen; Aber die frumen mit Englischen gesangen

Ewig leben; da wirt Gott von iren wangen

Die treheren abwischen, mit Lieb vmbfanger.

Anhangsweise mögen hier noch einige Notizen zu dem späteren Lebenslaufe Martin Schrots folgen. Er hätte, nach- dem er zur Herausgabe der Komödie das Seine getan, seinen ständigen Wohnsitz gern wieder in Augsburg genommen, erhielt aber, als er beim Rate der Stadt, mit dem er seit seinem Entweichen im Jahre 1552 immer noch nicht „ver- glichen^ war, um die Erlaubnis zur Rückkehr supplizierte, den in ähnlichen Fällen häufig erteilten Bescheid: „Wer ihn hab heißen hinausgehen, der soll ihn wieder heißen herein- gehen.“ So wanderte er nochmals zu den Brüdern nach Mähren, von wo aus sich das Gerücht von seinem Tod ver- breitete, so daß seine Frau Margareta in dem im Oktober 1558 angelegten Steuerbuch als Witwe verzeichnet ist. Schon im nächsten Jahre ist sie wieder zu Schrots „Ehewirtin“ ge- worden, die in einem ihr gehörenden Häuschen „an des Geigers Garten“ wohnte und jedenfalls alles aufbot, um durch „Fürsprachen“ den Rat endlich für ihren Mann gnädig zu stimmen. Das gelang erst im Jahre 1563, wenigstens findet sich erst von dieser Zeit an sein Name wieder in den Steuer- büchern, und zwar an der Stelle, an der bisher der seiner Frau eingeschrieben gewesen und mit demselben Steuersatz, der von dieser bezahlt worden war !).

Sehrot kam nach Hause als ein verbitterter Mann. Seine religiósen Ideale hatten bei den Táufern den Huterischen so wenig dauerndes Genüge gefunden wie einst in der Lehre Luthers und Zwinglis, und die Sympathie, die er an- fangs den mährischen Brüdern entgegengebracht, war schließlich in solchen Unwillen gegen sie umgeschlagen, daß er sich

?) Die Steuerquote der Schrotin und dann Schrots betrug nur 30 d, 20 kr., 6 d; sie scheint sich aus dem Ertrag des Hüuschens er- geben zu haben,

916 28

sogar binreißen ließ, ein Büchlein gegen sie zu schreiben, in dem er sie als schädliche Verführer anklagte ?. In Augs- burg verlebte er fortan äußerlich still dahinfließende, aber von dürftigen Verhältnissen getrübte Jahre. Von poetischen Arbeiten, durch deren Ertrag er sich aufzuhelfen versuchte, kennen wir aus dieser Zeit nur eine einzige unter seinem Namen erschienene, nämlich „Die X Alter der Welt“ ?) (die zehn Lebensalter), ein damals außerordentlich beliebter Stof. Außerdem war er damit beschäftigt vielleicht unter Be- nützung von Sammlungen seines wappenkundigen Freundes Denecker —, Material zu einem größeren Wappenwerke zusammenzubringen, starb aber, bevor er damit zu Ende kam, in den letzten Monaten 1575 oder im Frühling 1576. Der Buchdrucker, in dessen Verlag das Buch erscheinen sollte, Adam Berg in München, gab es dann, soweit es fertig vor- lag, mit einer Widmung an König Rudolf vom 21. Juni 1576 heraus?) Den größten Teil des Werkes bilden die Wappen

1) S. die Beilage I, E, Punkt 7 und 8.

?) Die X Alter/der welt, mit jrem lauf/vnd aygenschafften erkläret,/nach dem Gesatz gaist- licher weifj,/vnd in Reymenverfaft, durch/Martin Schrot, im 1574./Jar, liebliehzó lesen; vnd hórenetce/ 1. Johann. am 3. cap. / Die Welt vergeht mit jrem glust,/ wer aber Gottes willen thüt, /der wirt bleiben in/ewigkait./ Cum gratia & priuilegio. / Getruckt Augspurg, durch / Philipp Velhart. (Exemplar in der Universitüts-Bibliothek zu München). Siehe hierzu den Auf- satz von Á. Englert in der Zeitschr. des Ver. für Volkskunde in Berlin, 1907 S. 16ff., wo der wichtigste Teil des Schrotschen Büchleins ab- gedruckt ist. |

3 Wappen Buch/Des hohen Geistlichen vnd/ Weltlichen Stands der Christenheit in Europa,/ des Apostolischen Stuelszu Rom: Der Patriarchen, Cardi-/nálen, Ertz vnd gemaine Bistumben: der Gefürsten Preläten,/Abbteyen, Auch der Uniuer- giteten vnd ho-/hen Schulen Namen vnd/Wappen.! Deßgleichen auch des Römischen Reichs vnnd/ Kayerthumbs, der Christlichen Kónigreichen, Chur/vnnd Fürstenthumb,/Graff vnnd Herrschafft- ten,/sambt den Freyen Reichs-/Stütten./ In wel- chem jetztgemeltem Wappen Buch gleich/als inn einem Spiegel zusehen, wie weit sich der/Christ- liche Glaub vnnd sonderlich das Rómische/Reich vnd Kayserthumb etwan/erstrecket hat./ Durch

29 ! 217

der „geistlichen Stände“, an ihrer Spitze das des „aposto- lischen Stuhles“, den Schrot einst als den Sitz des Antichrists und der babylonischen Hure in seinen Dichtungen in die tiefste Hölle hinabgeschleudert hatte; dazu ein einleitendes, sichtlich von Sehrot selbst herrührendes Gedicht, in welchem „die päpstliche Heiligkeit“ die „geistlichen christenlichen Stände“ zum Gebet um die Hilfe und den Beistand Gottes wider den Feind der Christenheit, „den greulichen, blut- dürstigen Türken“, ermahnt. Es ist schwer zu sagen, ob Schrot, von Not getrieben, um ein Geschäft zu machen, ein- fach eine sein Gesicht verdeckende Larve vorgebunden hat und dabei der Alte geblieben ist, oder ob er zu den nicht gar so wenigen gehört, die erst lutherisch, dann zwinglisch, dann täuferisch oder schwenkfeldisch geworden, um endlich als reuige Söhne zur „Mutter“, der alten Kirche, zurückzu- kehren !).

Im übrigen werden wohl die meisten Schriften Schrots gleich seiner „Komödie“ anonym erschienen sein, und es muß dem Zufall überlassen werden, diese Anonymität aufzudecken. Die engen zwischen ihm und David Denecker bestehenden Beziehungen aber, die wir nachgewiesen, werden künftige Forscher, die den Arbeiten dieses Künstlers nachgehen, ver- anlassen, alle bekannten Bücher und Schriften Schrots darauf- hin zu prüfen, ob sie nicht Holzschnitte von David enthalten. In den vor 1548 erschienenen könnten noch solche seines Vaters Jobst zu finden sein.

Martin Schrott von Augspurgzusa-/men getragen./ Getruckt zu München. / Mit Róm: Kay: May: freyheit nit nachzu- trucken./ M.D.LXXVI. Eine zweite Ausgabe vom Jahre 1580 an- geführt bei Weller, Annalen der poet. National-Literatur der Deutschen, Bd. I S. 333. In der Vorrede des Druckers zu der Aus- gabe von 1576 wird bemerkt, daß Schrot eben gestorben sei. Das bestätigen auch die Augsburger Steuerbücher: 1575 ist er noch ein- getragen, 1576 an seiner Statt seine Witwe.

1) In den Ratsdekreten 1575, 8. April (Bl. 40a) findet sich der Eintrag: „Martin Schrots supplication soll den pflegern uber sant Antonspfründt nach gepflogenheit zugestellt werden.“ Nimmt man im Hinblick auf ähnliche Einträge, deren Zweck und Folgen wir kennen, an, daß Schrot sich in seiner Supplikation um Aufnahme in die Antons- pfründe beworben habe, so müßte man in ihm einen „Bekehrten“ er- blicken, da die Pfründe eine streng katholische war.

Archivalische Beilagen.

I.

Die an David Denecker bei den gegen ihn 1559 und

1564 geführten Untersuchungen gestellten Fragen und

seine darauf gegebenen Antworten (in der Urgichten- sammlung des Augsburger Stadtarchivs).

A.

DavidDeneckersolluffnachvolgendearticul

ernstlich angesprochen und, da er nit gleich

züsagen würd, gebundenundaufgestellt, aber doch unaufgezogen, angesprochen werden:

1. Wer das puech vonunderdruckung despabs- tumbs gedruekt und zue trucken gegeben hab.

2. Wer die form darzue geschnitten und es verlegt hab.

3. Wer es gemacht oder darzue geholfen hab.

4. Er hab es selbs alles angericht und gemacht; aus weß anstiften es beschehen sei.

5. Aus was ursachen er es gethan, und was er ver- maint hab, damit auszeriehten und erlangeu.

6. Er wird es nit aus im selbs allain gethon, noch den eosten allain darauf gewendt haben; darumb soll er anzaigen, wer im geholfen zum gedieht und verlegen.

t. So hab er aueh die formen. so er darzü gepraucht, nit allain geschnitten; wer im in selbem geholfen hab.

8. Da er dann je nit bekennen wollt, daB er es selbs gemacht oder gedruckt. soll er die anzaigen, die es gemacht oder gedruckt und die formen geschnitten haben.

9. Woher im die exemplaria komen, die er gehabt, wie vil derselben gewest seien.

10. Wem er dieselben verkauft, und wie vil, auch wohin, das soll er underschidlich anzaigen.

ll. Was in oder dieselben verursacht, dab sie es wider gemain und sunder verbot unangezaigt gedruckt und ver- kauft oder publiciert und under das volck pracht haben.

12. Wer in gewarnet, und von wem es derselb erfarn, daß man nach im greifen wöllen.

Aetum. afftermontag den 24. januarii anno 1559 hatDavidDaneckervonAugspurguffbei- ligende fragstuck gütlich bekant!), wie volgt:

Erstlichen: Dises büch hab ainer gemacht, so Martin Schrot haiß, aber jetzo nit mer hie, sonder, wie er ver-

u 3) Verhürer waren: Herr Wolf Langenmantl, Herr Otto Lauginger.

31 219

numen, bei den gartenbrüdern im landt Merhern sei. der habs ime, Tanecker, ungeferfich vor 6 oder 7 jaren uff sein beger zügestelt, und er, Danecker, willens gewest, mit der zeit ain werck daraus zuezerichten, formen darzue zeschneiden und es in truck bringen. und sei dise comedi vor jarn dureh ermelten Schroten alhie ottentlieh gespielt), aber ime bald darnidergelegt worden; und sei Sehrot selbs der teufel im spiel gewest. nachdem sich aber mittler weil zügetragen, daß der Schrot von hinnen komen?) habe er mit dem büch nit fort gekundt bis etwo ungeverlieh vor anderhalb jaren. [da] sei derselbe Schrot alher komen und ain zeit lang hie gewöst, doch haimblich und in der stille. der habe die schriften, vorred und beschlub alles corrigirt und fertig ge- macht, daß er, Danecker, es hernaeh in truck gebracht und selbs mit seinem gesindt getruckt, dann er die formen alle selbs geschnitten und mit seinen eigen schriften getruekt und es sonst niemanden zuekomen lassen. und koste in diser truck bis in die 400 gulden. und habe das erste exemplar, das er ausgeen lassen. dem pfaltzgraven, churfürsten, utťs sehónst mit gold eingebunden, geschenekt; so habe er des Schroten handsehriften, als des autors, noch dahaimen in seinem haus. auch wisse der Michel Frey *, sehuester, wol umb dises gestelte büch; habs oft bei ime im haus gesehen, ee er gar mit fertig sei worden.

Zum 2.: Er, Danecker, habs selbs geschnitten und ver- legt, der hoffnung. was damit erobern.

Zum 3.: Der Sehrot hat die reimen, vorred und beschluß ime, Danecker, alles in schriften, zügestelt und seines wissens selbs gemacht, und er kainen büchstaben davon oder darzue gethon, dann dab er die formen geschnitten uud getruckt hab.

Zum 4. sagt er wie oben. also sei es zügangen: von Sehroten hab ers empfangen, volgents die formen darzü ge- schnitten und mit seinem aignen gesind selbs getruckt, und hab ime sonst niemand darzü geraten noch geholfen.

Zum 5.: Er hab kain andre ursaeh gehabt, dann daß er für feiren ain werk zuericht, daß er auch gelt gewinnen, seine schulden bezalen und sieh ernehren kónne.

Zum 6. nimpt ers zum höchsten, dab ime weiters kain

1) S. oben S. 195.

*) S. oben S. 196.

3) Der Schuster und Meistersinger Michel Frey. ein Freund Deneckers, hatte, wie es scheint, im Kreise von Bekannten oder auch Fremden gegenüber von dessen Buch gesprochen, war verhaftet und am 27. und 30. Januar über sein Verbältnis zu dem Formschneider so- wie über das, was er von dessen Arbeiten und anderen verdüchticen Schmachschriften wüßte, verhórt worden. Er hatte sich dabei natür- lich als „unwissend“ und unschuldig hinzustellen versucht.

220 32

mensch darzü geholfen oder verlegen hab helfen, sondern habs allain für sich selbs heraus gearbait. so wiß er auch mit dem gedicht niemand dann den Schroten, ders gemacht hab; der habs ime auch geben.

Zum 7.: Seine gesellen und bueben hab er darzue ge- braucht, wie ain jedlicher sein gesind braucht und inen arbeiten furgeb. und hab kain frembde sondern allain seine diener darzue gebraucht.

Diser 8. artieul ist ime unnot furzühalten gewest.

Zum 9.: 1000 exemplare hab er gefertigt. l

Zum 10.: die ersten 2 exemplar hab er ains dem pialtz- graft, churfürsten, und das ander marggraff Carlen von Baden !) geschenckt. darnach in der vasten verschinen hab er 400 exemplar gen Frankfurt gefurt, deren noch ain teil unverkauft daselbs ligen. item gen Nurenberg hab er 150 anworden. wie vil er aber deren hie anworden, könne er nit aigentlich wissen oder anzaigen. dem Jórgen Wüller, büchfürer alhie?), hab er bis in 60 ungeverlich geben, dem Laux Remen 1, Herrn Hans Jörgen Pomgartner zwai, Thoman Arnold ains, Hans Vogel ains, dem Gegler ains, Hector Mayr ains, in des Bümel schreibstuben 4, item in die Kraffterische?); Jürgen Wiüllers diener hab auch 8 für sich selbs genomen.

Zum 11.: Er hab grosse mühe, arwait und costen darauf gewandt und darnach besorgt: mache er vil geschreis daraus oder bitte umb erlaubnus trucken und solts ime abge- schlagen werden, so wurde er in groDem schaden ligen bleiben. habs deDhalb gleich getruckt und verhofft, weil es ain sehwenekig, lecherieh ding sei, es solt nit vil daran ge- legen sein. bitt derhalben ain ersamen rath umb Gotts willen, imbs nieht im ergsten aufzünemen sondern gnediglich verzeihen und der fengknus ledigen. er welle solichs und dergleichen nit mer thuen sondern muessig steen; dann er solte der kai. mt. eilend 2200 wappen zur besingnus schneiden, malen und zueriehten*); das könne sein gesind on ine nit thuen, und wurde sein verderblieher nachtail daraus volgen.

1) Markgraf Karl II. von Baden-Durlach.

2) Georg Wüller wurde auf diese Aussage hin ebenfalls verhaftet und wie Frey am 27. und 30. Januar „befragt“; das gleiche war dem Buchführer Hans Gegler, der auch eine Druckerei besaB, zugedacht, doch konnte sich dieser noch rechtzeitig davon machen. Ein Kupfer- stichbildnis G. Wüllers (geb. 1514) aufgeführt in F. Schöninghs Antiqu.- Kat. 123 (1911), Nr. 309.

3) Die genanuten Persönlichkeiten sind alle wohl bekannt. Über die Bimelsche und Kraftersche Firma siehe Strieder „Zur Genesis des modernen Kapitalismus“ (Leipzig 1908) S. 146 und 208.

*) S. oben S. 198.

33 |. 221

Zum 12.: Am sontag |22. Jan.) abends hab der Kapffer, wirt am Lech, nach ime geschickt und ime anzaigt, man werd nach ime greifen. das hab er damals in wind geschlagen, bis morgens die statknecht ihs haus komen. und kónne nit wissen, wers dem Kapflfer anzaigt hab.

Bitt um gnad wie im nechsten articul.

B.

David Denecker soll ferner angesprochen werden.

1. Als Martin Schrot vor anderthalb jaren wider her- komen, wie lang er damalen hie gewest.

2. Wo und bei wem er herberg gelegen und sich enthalten hab.

3. Ob und wie oft er sunst und außer desselben mals hie gewest, wie lang und bei wem.

4. Derweil im die comedie ze halten ernidergelegt orien solt ers desto weniger gedruekt und ausgeprait haben, sun- derlich unerlaubt, über verbot und so vil reichsabschid.

5. Er hab sunst mer schmachpuecher und schandtliche gemel gedruckt und verkauft, die soll er anzaigen und nichts verhalten.

6. Wer im zedrucken geholfen hab.

7. Wem er der eomedien oder tragedien verkauft hab, die soll er sambt den vorigen anzaigen.

Actum. freitag den 27.januarii anno 1559 hat

David Danecker von Augspurg uff beiligende

fragstück gütlich, doch uff ernstlich betroen, bekant, wie volgt:

Erstlichen: Als der Sehrot vor anderhalb jaren hie gewest, sei er in ainer wuchen drei malen in seinem, Daneckers, haus gewest und den beschluß und vorred des büchs corrigirt und verfertigt. wie lang er aber damals hie gewest, könne er nit aigentlieh wissen. woll hab er von seines, Schrots, weib gehört, daß er dazümal bei vier oder bis in die fünfte wuchen hie gewest. er, Danecker, und der Michel Frey haben auch auf fleißig bitt des Schroten weibs ine, Schroten, mit ernst angesprochen und. sovil an inen gewest, vermanet und gebetten, daß er ir eeliehe beiwohnung thuen welle, wie aim eeman geburt, aber sie haben bei ime

Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 3. 15

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nichts erhalten können, sondern er bat wider seinen brüdern in Merhern gewolt !).

2. Er wiß nit anders, dann daß er sich in seinem haus bei seinem weib enthalten, dann er ine daselbs gesehen hab.

Zum 3.: Er wiD nicht, daß er sonsten, seid er von hinnen komen, merers weder dißmals hie gewest.

Zum 4.: Er sei in schulden und abnemen komen und vermaint, mit disem truck, weil es als ain lecherlieh ding wol abgeen werd, etwas erobern und sich aus den schulden bringen und, weil er selbs kain büchtrueker sondern ain formsehneider und briefmaler sei, vermaint, es solle nit so hoch schaden.

Zum 5.: Er hab sonsten kain buech nie dann dises ge- truckt, allain ain passionalbuch mit schönen figuren ?), reimbs- weiß. gleichwol hab er allerlai gemalte brief gemacht, deren etliche widers babstum seien, als ains auf 3 regal bogen, des titel: ain alts gemel, vor 100 jarn in aim closter im Niderlandt gefunden, ist von der babilonischen hurn etc., welches stuek bei seines, Daneckers, vaters lebzeiten ge- sehnitten worden. item ain gemeld auf aim pogen, alda der teufel uff aim ablaDbrief sitzt. die stück seind bede vor langs gemacht. und habs er hernach von neuem truekt. item ain dialogus, des tittel stet: Warumb nit muglich gewest, dab hertzog Johanns Fridrich, ehurfürst, gesigen können ete. wider kai. mt. Carolum 3). diser dialogus sei ungeverlich vor ander- halb jaren durch den Gegler getruckt worden und offentlich verkauft worden. desselben hab er, Daneeker, auch 1000 exemplar denselben Gegler nachdrucken lassen. deren hab er mertails gen Franckfurt gefurt und verkauft und deren ungeverlich bei 400 exemplar noch im haus. habs weiter nit verkaufen sondern behalten wollen; und habe Abraham Schaller, tüchgwanter alhie, wie er bericht [sei], am ersten solchen dialogum dem Gegler in truck zügestelt.

Zum 6.: Ime hab niemand geholfen, sondern was er getruckt, als obstat, das hab er selbs gethon mit seinem algnen dienstgesind und weiters, dann obstat, weder getruckt noch verkauft.

1) Aber erst. nachdem ihm vom Rate die Bitte, in die Stadt zurückkehren zu dürfen, abgeschlagen worden war. (S. oben S. 215). Von seinem Aufenthalt bei den mährischen Brüdern findet sich in deren Geschichtsbüchern keine Spur, wenn nicht etwa der bei Beck S. 213 erwähnte Martin N, mit Schrot identisch ist.

7) S. oben S. 193. Die Reime dieses Buches werden wohl von Schrot sein, der ja im Jahre 1557, wenn auch nur kurze Zeit, in Augs- burg weilte.

*) Von diesen drei Stücken konnte ich nur das letzte zu Gesicht be- kommen, und zwar (handschriftlich) in Cod. 118 der „Schätze“ des Augsb. Stadtarchivs.

35 . 223

7. Dem hauptman Vogl 2, Martin Marquart, gold- schmied, 2, dem Zorer underm herrn Ilsung 1, Anthonien Pfeffenhauser 1, Stoffl Müller, notari, 6, des Schroten weib 4 oder 5, Portern am schüchhaus 1 und frembden, die er nit alle nennen wib.

Item, als ime der getruckt pasquillus !) furgehalten, sagt er, er hab dessen kain wissen, deßgleichen von dem andern büch, ain christlich bedencken?), wiß er kain wort, habs nie gesehen.

Bitt umb gnad. hab je die sachen so fleissig nit bedacht.

C.

David Denecker soll uffs ernstlichist verner

angesprochen werden,und da er weiter nichts

bekennen wollt, gebunden und aufgestellt, jedoch unaufgezogen.

1. Was er, über das er hievor bekannt. von schmach- puechern oder gemel getruckt oder verkauft hab.

2. Ob er auch des Wernheri postill 5) verkauft hab.

3. Wie vil er derselben gehabt, von wem ers bekommen, und wem ers verkauft hab.

4. Wer den eingang in sein gedruckt puech geschriben hab, und weß handschrift es sei, so mit S bezeichnet.

5. Web handschrift das dabei ligend missiv sei.

6. Was er dem Michel Freien für ain puechle lesen geben hab, als er vor anderhalb jaren uff ainem floß gen Lintz gefaren sei ^)

7. Wo er dasselb puechle hingeton, und ob er es bei Passaw von sich in die Thonaw geworfen hab. (Durchstrichen.)

8. Wie oft der Frei bei ime im haus gewest, dweil er an seinem schmachpuech gedruckt habe.

9. Ob und wie vil er im exemplar zügestelt hab.

10. Er kenn den truck des pasquilli vom teufel geiaid 9), deshalb soll er guetlieh bekennen, wer in getruckt, oder man wird das und anders mit der marter aus im pringen.

1) S. unten Anm. 5.

2) Dieses Buch ist nicht bestimmbar.

3) Habe kein Exemplar dieses Buches erlangen können. Der Verfasser war wohl der Schlesier Joh. Werner, einer der bekannteren Schwenkfelder.

*) Michel Frey hatte bei seiner Vernehmung am 27. Januar an- gegeben, er habe auf seiner FloBtahrt nach Linz ein ihm von Denecker mitgegebenes Büchlein bei sich gehabt, in dem er und andere „für die Langweil" gelesen. , Weil aber grob ding darin gestanden, hab ers bei Passau in die Thonaw geworfen; die materi sei im abgefallen."

5) Wohl der Pasquillus, Von dem gejág der Deuitel, des sich furgenomen haben on zweiffel, das sie wellen Jagen faiste Schwein, wie der Bapst, vnnd Antichrist sein, die Netz schon auff gespannen,

15*

224 36

11. Also kenn er auch des andern trucks !) puechstaben und wid, wer in hie gedruckt hab. das soll er auch an- zaigen und sein selbs damit verschonen.

12. Er sei vom Wüller treulich gewarnet worden, sein puech nit zedrucken, er werd dardurch in unglück kommen ?); warumb er darüber nicht minder frevelich und verechtlich furgefarn sei, und wer in derhalb vertröstet hab.

13. Wo die 400 gedruckte piecher in seinem haus finden seien, so Hans Gögler ime von den tausent, so er ge- druckt, zügestellt.

14. Was im wissent, dab Gögler sonsten für schmach- schriften gedruckt hab, das soll er aigentlich anzaigen.

15. Wer der Abraham Schaller sei, so das biechlin von hertzog Hans Friderichen von Sachsen den Gögler erstmals habe trucken lassen.

Actum. montag den 30. januarii anno 1559 hat

David Danecker uff beiligende fragstück

guetlich, doch uff ernstlichebetroung, bekant und gesagt, wie volgt:

Erstliehen: Uber das er angezaigt, hab er weiters kaine schmachbücher getruckt noch verkauft; dobei well er ime wol und weh geschechen lassen.

Zum 2. und 3.: Nain, er habs nie gesehen.

Zum 4.: Seine gesellen und gesind, die er zum trucken und fertigung des büchs gebraucht, haben des Schroden schrift nit wol lesen können; derhalb er, Danecker, des Sehroden schrift lauter abgeschriben, und sei diß, mit S be- zaichnet, sein, Daneckers, aigen handsehrift.

Zum 5.: Als ime die missif?) furgehalten, auch etlich zeilen darinnen lesen lassen, nimpt er zum höchsten, daß er die handschrift mit nichten kenne, wollts nit verhalten.

vnd schon etlichen gefangen, die jm handt verhaissen zil, denen ers warlich nit vergessen wil. S. l|. e. a. 8 Bl. 4, (Gespräch zwischen Dr. Joh. Faber und dem Jagdteufel. Weller, Ann. I S. 61, Nr. 202; II S. 512.

1) Den Druck des oben (S. 223 Z. 8) erwähnten „Christlichen Bedenkens*.

3) Wuller hatte in seinem Verhör vom 27. Januar geäußert: „Er habe nichts überal daran (an dem Deneckerschen Schmachbuch) gemacht noch darzü geholfen sonder, wie ims der Danecker ains mals bei 2 jaren verschinen angezairt, daß er im werck mit aim solchen büch sei, und hernach ains mals, als ers in truck bringen understanden. hab ers ime treulich widerrathen." Verhörer: herr Wolf Langen- mantel, herr Ott Lauginger.

3) Es wird nirgend angedeutet, um was für ein ,Missiv* es sich handle.

37 225

Zum 6.: Das sei der dialogus, davon er jüngstlich an- gezaigt, von dem churfürsten, hertzog Johans Fridrichen; warumb er nit gesigen können, den der Gegler getruckt hab,

Zum 7.: 0.

Zum 8.: Der Frey sei vor nie, weil er am trucken des büchs im werck gewest, ime komen. aber zůvor, ehe er das büch trucken angefangen, hab er den Frei etlich mal sampt andern gůten freunden, nit von wegen des. búchs, sondern sonsten als güten freund, gast gehabt. alda hab er ine, Frei, etlich mal die schriften sehen und lesen lassen. er habe aber sonst nichts dazü geholfen noch gefurdert; wollt ains sagen wie das ander.

Zum 9.: Er hab ime kains geben.

Zum 10. nimbt er zum höchsten uff seiner seel selig- kait, daß er nicht wissen könne, weß dieser truck des pas- quilli sei.

Zum ll. sagt er sein unwissen wie uff den 10. artiel.

Zum 12.: Er sei schon tief in der arbait gewest mit dem form schneiden und allem, so darzue gehörig; hab one schaden nit wider zurueck kündt und gleich mit fort gefaren.

3.: In seiner schlafkamer, in aim eingemachten kasten, in der obern taten!) ligen sie; wiß gleichwol nit aigentlich, ob es ebenso vil als 400 exemplar oder etwas weniger seind; sein hausfrau wisse es wol anzüzaigen, wo sie ligen.

Zum 14.: Wib nit, was Gögler sonsten getruckt, dann ain passion vom gefangnen churfürsten von Sachsen sei ge- truckt worden?) den habe seines achtens der Gegler auch getruckt.

Zum 15.: Der Gegler hab ime anzaigt, daß der Abra- ham Schaller ime denselben dialogum erstlich trucken ge- geben; und sei diser Abraham Schaller ain lediger gesell; hab ain tüchladen zwischen des Caspar Ettingers und der Heissin heisern.

Die schriften in 8°, so steet „die irdischen personen“,

——

1) Schublade, Fach.

2) Passio. / Wie der Durchleuch-/tigst Hoch- geborn Fürst vnd Herr, Herr/Johanns Friderich Sachssen, des Hayligen/Römischen Reychs Ertzmarschalk vnd chur-/fürst etc. Von Keyser Karel dem Fünfften/(auß verhengknuß Gottes, vnnd ver-/lassung seiner Bundtsverwand-/ten) bekriegt vnnd ge-/fangen ist wor-/den etc./ Marci 10. spricht Christus: / Wer mir will nachfolgen, der verleüg- / ne sich selbs, vnd neme sein Creütz auff / sich, vnd folg mir nach./ 1548. Auf der Rückseite des Titels eine gereimte Ansprache an den Leser mit der Jahrzahl 1547. Am Schluß des Büchleins: Ende des Ersten theils dises passions. Der ander Theil von seiner begräbdtnus vnnd aufferstehung, steckt beim Pasquillo noch in der Füder, 80°. Im ganzen 13 Bl.

226 38

zaigt er an, sei vornen herein alles des Schroden handschrift und hinden sein, Daneckers, schrift, wie sie das büch in ain ordnung stellen wellen. das register von A bis uffs G sei des Holzmans, so auf harnisch etzet, handschrift !).

Item, als er gebunden, aufgestelt und uff die marter betroet worden, dann man hab bevelch, daß mans nit umb- geen künne, man mueßt in martern ; aber er hat mit heftigem elagen und wainen zum hóchsten uff seine seligkait genomen, daB er über das, so er hieoben angezaigt, unschuldig, auch von den zwaien trucken und der handschrift des missifs kain wissen hab. und da es sich in jar und tag mit warhait anders uff ine erfind, begere er kainer gnad, sondern daß man ine an leib und leben straf.

Item weiter sagt er des Holtzmans schrift halb mit den buchstaben A bis auf G, daß derselbe ime, Danecker, uff sein beger dieselben reimen gemacht. er hab ime aber von disem werk und püch anderst, dann was dise reimen betrifft, nichts gesagt, und wiß derselbe Holtzman vom puech nichts. das zaige er seines gewissens halb darumben an, damit der güt man nit unschuldigelich in verdacht oder haft kome. und wißte er merers oder weiters mit warhait anzüzaigen, das wolte er ja nit verhalten.

Bitt umb Gots willen umb gnad, wie er jüngstlich auch gebetten, damit er das werck, so er jetzo kai. mt. ver- fertigen, verrichten könnte, dann er je one das in grossen anfechtungen und schuldenlast sei und sonderlich, daß er wider in die Franckfurter meß komen, trauen und glauben halten möge.

Actum. 17. mareii anno 1559 ist dem Danecker mit ernstlicher troe uff der marter furge- halten worden:

Well er ime selbs vor marter sein und sich seiner entledigung der gefengknus selbs befurdern, soll er guetlich bekennen, wer den dialogum ?) gemacht, auch wer in zum

!) Dieses Rerister fand in dem Druck wenigstens in den von mir eingesehenen Exemplaren keine Aufnahme. Der erwähnte Holz- mann ist wohl Ulrich Holzmann, der Dichter von „Ain New Lied Wie die Predicanten der Statt Augspurg geurlaubt und abgeschafft seind, Den 26. Augusti, Anno Domini, 1551, geschehen". (Siehe die ver- schiedenen Ausgaben bei Weller. I S.56 Nr. 239.) Er ist auch auf- geführt in dem K ain z schen Meistersinger-Verzeichnis S. 15 Nr. 271.

?) S. oben S. 222,

39 227

ersten getruckt hab, dann ain ersamer rat güte kundschaft hab, daß er es wisse.

Darauf er geantwurt und zum höchsten genumen, daß er nicht wisse, wer den dialogum gemacht hab. das sei aber wahr, der Abraham Schaller, tüchgwanter, hab disen dialogum alhie den Gegler, wie er von ime vernomen, am ersten trucken lassen. und nachdem diser truck offentlich fail gehalten worden, hab er, Denecker, etlich hundert, wie er vormals anzaigt, nachtrucken lassen, auch von gedachtem Abraham Schaller gehört, daß er gesagt, ainer in Sachsen hab solhen dialogum gemacht, der sei vor etlich jaren gestorben. grund- liches wiß er, als ime Got helf, davon nit sagen.

Bitt umb Gottes willen umb gnad und barmhertzigkait.

E.

David Tanneckher, formschneider, in fron- fest, sollernstlich angesprochen werden:

1. Ob er sich nicht erinnern wiß, wasmaßen und warumb er jungstverschinen 59. jars gefangen glegen sei.

2. Dieweil er wol wiß, wasmaßen er damals uf seiner mueter, hausfrauen und viler seiner freind underthenig bit von kai, mt. und ainem ers. rat begnadt worden, und wie hoch er sich datzümal verschriben hab, wider die reichs- abschid, pollicei ordnung und gemaine recht nichts schmech- lichs zetrucken, zemahlen noch ausgeen zülassen: warumb er solichem nit glebt und voltziehung gethon sonder sein urphed, glübt und aid brochen hab.

3. Was in not angangen, daß er die zwai lesterliche gemel, darinnen die catholischen zum schmehlichisten an- griffen, von neuem getruckt, gemahlen und ausgeprait, und wie er so vermessen und verzweivelt an im selbs sei, dab er dieselben wider sein verschreibungen offenlich hab feil- haben und verkaufen dürfen.

4. Ob er soliche gemäl und schriften aus ime selbs ge- dicht und erfunden, oder wer ime soliches angeben und disem werck geholfen habe.

5. Was er sonst mer gedruckt, so etlichen stenden des reichs schmach und nachtail gelanget, und wer im solche Stuck anfangs trucken gebracht habe.

6. Wievil er derselben exemplaria getruckt und wohin dieselben komen seien.

7. Woher im das tractetlin komm, oder wer ims züge- stelt, das in seinem schreibtisch funden worden.

228 40

8. Warumb im ein solches zügestelt und durch in ab- geschriben worden; ob er es nit auch trucken sollen und wem.

.9. Was im deßhalben verhaissen oder schon auf solich werck gegeben worden und von wem.

10. Warumb er im die vorige gnedige straf und erlangte vatterliche begnadigung nit ain warnung sein lassen und sich dergleichen unthaten und mißbrauchs seines handwercks enthalten hab, dieweil im ain ers. rat zum andern mahl und sonderlich im september a9. 59, nachdem er auf april darvor erlassen und im das handwerck ernider gelegt worden, dise gnad bewisen und seinem weib und kindern guetem das handwerck weiter treiben erlaubt, doch der gestalt, daß er hinfuro nichts ausgehn soll lassen, es haben dann die schuelherrn soliches züvor gesechen, bewilligt und er seinen namen darunder gesetzt, weliches er abermals halten an- globt. warumb er sich selbs so oft mainaid und gelübtlos gestellet habe.

Actum.15.juniianno 1564 hat David Tanecker, formschneider von Augspurg, uff beiligende fragstück guetlich bekant?), wie volgt:

Erstlich: ja:

Zum 2: Er hab nichts anders als ein alt ding. so vor vil jarn gemacht worden, nachgemacht, weil es keuflich und ander sein arbeit mit abgeen wölle, darzue ine auch die not und armüth verursacht, nachdem aueh diß und anders vil in freien jarmessen Frankfurt und anderstwo offentlich veilgehalten und verkauft werden. bitt derohalb zum die- muetigisten, ain er. rath wol ime das nit zum ergsten zue- messen. à

Zum 3. sagt er wie oben.

Zum 4. sagt er auch wie züvor, daß diß gemeld anfenk- lich vor 24 jaren Nürnberg, Leipzig und ander orten ge- stochen. nachmals hab der poet, so Fridperg enthaubt worden?) etliche reimen darzue gemacht, sonsten hab ime niemand darzue geholfen.

Zum 5., 6.: hab sonsten nichts getruckt, das wider die stende des reichs.

Zum 7. 8.: Martin Schrot hab ime diß buechlein zü- gestellt). sei wider die Hueterschen taufbrueder, so in Mehern

1) Verhórer: Herr Melchior Ilsung, Hans Schmid.

*) Über die in Rede stehenden „Gemälde“ und den Friedberger Poeten vermag ich keine Auskunft zu geben, Die „Gemälde‘‘ lagen der Anzeige der Dinkelsbühler bei, sind aber jetzt verschwunden.

*) Es kam, wie es scheint, nicht zum Drucke; wenigstens konnte ich keine Spur davon finden.

41 229

großen schaden thuen und verfuerung anrichten, gestellt. diß hab er angefangen sauber abzüschreiben, darnach den pre- dieanten sehen lassen und folgents fur die rö. kön. mt., so großen uberlauf von disen widerteffern hab, bringen und ain privilegium erlangen, es in truck verfertigen.

Zum 9.: nain. E :

Zum 10. sagt er wie oben. hab allain den passion und sonsten nichts von neuem gemacht und es so weit nit be- sonnen, dieweil diß und anders vil schärfers an freien märkten oder messen unverscheucht feil gehalten werde.

Bitt umb gnad.

II.

Bittschrift von Deneckers Mutter und Frau an den Kaiser um Begnadigung des Gefangenen. 16559.

Allerdurchlauchtigister, großmächtigister und unüberwindt- lichister romischer kaiser, allergnedigister herr!

Eur. rö. kai. mait. bitten wir zwue betruebte weibs- personen gantz diemuetigklich, volgendt unser anliegen aller- gnedigist behertzigen. E. kai. mait. haben wir verschiner zeit allerdiemuetigist furgebracht !), wie leider unser lieber son und eewirt Davidt Denegkher, formschneider, burger alhie Augspurg, von wegen der buecher, so er getruckt, bei et- lichen wuchen verschinen von unsern gebietenden und gun- stigen herren stattpfleger, burgermaister und rähte der statt Augspurg füngklieh angenomen und bißher also endthalten worden, das mir, seiner eewirtin, und unsern kleinen kindern zue grossem nachtail und verderben gelangt. und wiewol wir mermals bei gedachten unsern herren von Augspurg umb erledigung unsers sones und eewirts underthänigklich an- gesücht, haben wir doch biBher nichtzit erlangen mögen, also daB wir dardurch besorgen, derselb unser son und eewirt habe mit angeregten buechern, die er doch unsers wissens selbs nit gemacht sonder allain nachgedruckt hat, etwas gegen E. kai. mait. verwurckt, welches doch uns ain hertz- lichs laid were. darauf umb ergebung bemelts unsers sons und eewirts gefüngknus allerdiemuetigist gebetten und bei E. kai. mait. allergnedigiste antwurt, jedoch bibher kain er- ledigung erlangt. und dieweil dann je in allen sachen bei Gott, dem allmechtigen, gnad und barmbertzigkait er- langen verhoffenlich und Christus Jesus, unser erlóser, die

nn

!) Dieses Schriftstück war nicht aufzufinden.

230 42

schuldt des ewigen tods mit seinem bittern leiden und sterben aus lauter gnaden und barmhertzigkait fur die menschlich natur betzalt, derowegen auch hie in zeit die barmhertzig- kait der strengen gerechtigkait furgetzogen und E. kai. mait. aus hochangeborner guete und miltekait bei menigklichen allerhöchst beruembt sein, ist hierauf an E. rö. kai. mait. als unsern allergnedigisten herren abermals zum allerdiemueti- gisten unser underthánigist mueterlich und weiblich flehen und bitt, E. kai. mait. wollen umb des unschuldigen, bittern leiden, sterben und bluetvergiessens des eingebornen son Gottes, auch aus hoch angeborner miltekait und auf der in unser hievor ubergeben supplieation endt sametlich unter- Schreiben unserer gunstigen lieben herren, auch vettern, schwäger und verwandten aller underthänigist furbethe uns bemelten unsern sone und eewirt allergnedigist ergeben und obgedachter seiner füngknus zu endtlassen allergnedigist bevehlen. wirdet er sich hinfuro ungezweifelt aller under- thänigkait und gehorsame befleissen und umb E. röm. kai. mait. als unsers allergnedigisten herren gesundthait, langk- wirige, friedliche regierung bei Gott, dem allmechtigen, sambt uns bitten nimmermer vergessen. allergnedigster antwurt gewartende

E. rö. kai. mait. allerdiemuetigiste:

Anna Denegkerin, Jobsten Denegkers verlassne wittib, und Sara Langen- mäntlin, Daviten Denegkers eeliche hausfrau, sambt der gantzen fraindt- schaft, so in vor ubergebner subli- eation, kai. mait. ubergeben, under-

schriben sendt.

Ein Streitfall zwischen einem Koburger Bürger und einem Kaplan 1550. Von (T) G. Berbig.

Seine ,ehrbare, achtbare, fürwichtige Weisheit", der Rat von Koburg hatte es manchmal nicht leicht. Die Zeiten waren manchmal recht bewegt, und wenn die Geister auf einander platzten, dann war der Stadtrat die Instanz, die innerhalb der Körperschaft zu ordnen, zu schlichten hatte. Solch ein Streitfall liegt heute vor in zwei Briefen; ein ehr- samer Bürger und Buchbindermeister beschwert sich über einen geistlichen Herren wegen fortwährender Eingriffe in sein Handwerk und Gewerbe. Denn Gewerbefreiheit gab es damals noch nicht, und so mußte es als lästige Konkurrenz empfunden werden, wenn ein Kaplan sich fortwährend mit Buchbinderei beschäftigte, sich dann noch einen Gesellen hielt, wie der Beschwerdeführer angab.

Immerhin lehren uns die beiden geharnischt geschriebenen Briefe einen Blick tun in das kulturelle und bürgerlich- sittliche Leben um die Mitte des Reformationsjahrhunderts, etwa 1550. Während wir von den Lebensumständen des ehrsamen Buchbindermeisters Wagner nur Kunde aus unseren beiden Briefen erhalten, aber auch sie kónnen doch nie- mals einen völligen Rückschluß auf den wahren Charakter des Mannes gestatten —, so tritt anderseits die sehr streit- bare Gestalt des alten Koburger Kaplans Johann Bauern- schmidt aus dem Rahmen seiner Briefe hervor, was um so willkommener ist, als die sonstigen Notizen tiber das Leben dieses Koburger Geistlichen im Reformationszeitalter sehr spärliche sind. Er wird zwar bei Thomae ganz kurz erwähnt),

1) Vgl. Joh. Chr. Thomae, „das der gantzen Evangelischen Kirchen / insonderheit in dem gesammten Fürstenthum Coburg aufgegangene Licht am Abend" etc. Cob. 1722. S. 438,

232 44

und auch Chr. Schlegel ') macht ihn als einen Freund und Amtsgenossen des im Jahre 1548 verstorbenen Johann Langer, des ersten Koburger Generalsuperintendenten, nam- haft. Bauernsehmidt's theologische Stellung und Richtung aber wird am klarsten durch sein Verhältnis zu Ciriacus Schnauss, dem bekannten Koburger Apotheker, Dichter und Buchdrucker?). Man geht wohl nicht fehl, ihn als einen scharfen Gegner des Interim vom Jahre 1548 zu bezeichnen `). Wahrscheinlich aber nur er, selbst der Verfasser des Liedes gegen das Interim, mindestens hat er seinen Freund, den Drucker Schnauss, inspiriert. Das „Lied“ trägt den Titel:

„Interim. // Ein newes vnd mit Heiliger // Sehrifft wolgegrüntes Lied / wieder // das schöne heuchelische vnnd gladstreichende Ketzlein // genant // Interim // Auf die weise / Christ vnser Herr // zum Jordan kam ze. /j Hüt dich (fromer ehrist) für den Katzen // die forn leeken vnd hindten Kratzen ze.“

Es ist nun interessant, auch aus dem Privatleben des Koburger Kaplans einiges zu erfahren, wozu die Klageschrift des Buchbindermeisters Wagner daselbst immerhin einige Veranlassung bot. Johann Schmidt, alias Bauernschmidt trieb demnach als Nebenbeschäftigung die Buchbinderei, die er nicht zunftmäßig und nach altem herkommenden Gebrauch erlernt, sondern als Antodidakt sich angeeignet hatte. Gegen die Ausübung dieser Nebenschäftigung des Kaplans protestiert - nunmehr der wirkliche Buchbindermeister von Koburg, da er dadurch in seinen Geschäftseinnahmen geschmälert wurde. Er, der Kaplan, habe überdies eine regelmäßige Besoldung und zeitliche Nahrung, sei überdies ohne Kinder und dazu steuerfrei als Geistlicher. Überdies habe der ehrwürdige, nunmehr in Gott verschiedene Magister Johann Langer bei Gelegenheit der letzten Gehaltsaufbesserung jedenfalls in

1) Vgl. Christian Schlegel: Initia Reformationis Coburgensis. Gothae 1717, p. 294.

2) Vgl.die erschöpfende Darstellung bei C. Höfer: „Beiträge zu einer Geschichte des Koburger Buchdrucks im 16. Jahrhundert. Ein biblio- graphischer Versuch.“ Koburg 1906. S. 38,

3) B. hat den Protest der Koburgischen Pfarrer gegen das Interim unterschreiben, vgl. „Fortges. Sammlg. v. alten u. neuen theol. Sachen.“

Anf. d. Jahr 1738. Lpz. S. 33—62. Unterschriftlich erscheint er da als Joh. Schmidt.

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der Visitation des Jahres 1545 auf der Kanzel darauf hingewiesen, daB die Kirchendiener und Geistlichen deshalb steuerfrei und in ihren Bezügen aufgebessert seien, um sich aller bürgerlichen Erwerbe zu entschlagen. Besagter Bauern- schmidt aber kümmere sich um solches Verbot nicht, sondern treibe aus eigenem Fürwitz ohne Genehmigung der Obrigkeit das Buehbinderhandwerk, ihm, dem Kläger zum Schaden. Er möge doch bedenken, daß er einst arm in die Stadt ge- kommen sei, daß männiglich mit ihm habe Geduld und Mitleid gehabt. Nun sei er reich geworden, halte sich sogar einen Buchbindergesellen, unter Vorwendung des Apothekers und Druekereibesitzers Ciriacus Schnaus, d. h. letzterer verlege - die Arbeiten. Offenbar wurden die in dieser Koburger Druckerei fertig gestellten Flugschriften durch den Kaplan Bauernschmidt in Buchform gebunden und zwar unter Her- anziehung eines gelernten Buchbindergesellen. Das war natürlich dem Meister Wagner zu stark, und er hat vielleicht nicht ganz unrecht, wenn er sich in seinem Klagebrief auf seine „vielen kleinen Kinder“ beruft, die bei seinem schlechten Geschäftsgang Mangel leiden mußten, und wenn er auf sein Bürgerrecht und auf seine Gewerbeprivilegium, das in der Stadt Geltung habe im Gegensatz zu den Dörfern, sich beruft. Das alles respektire der Kaplan nicht, berufe sich vielmehr auf seinen Amtsvorgänger Veit Köhler, der ebenfalls Buchbinderei getrieben habe. Nun aber habe Köhler die Buchbinderei zu Nürnberg zünftig gelernt, dazu sei er ein Koburger Bürgerkind gewesen, was bei Bauern- schmidt nicht der Fall sei. Außerdem sei aber früher kein Buchbinder in der Stadt Koburg gewesen usw. Was aber besonders bedauerlich sei, das sei die Tatsache, dab Kaplan Bauernsehmidt die Preise drücke und billiger ar- beite, als er, der Meister, es kónne, der doch für sein Alter sorgen müsse, dazu für Weib und Kinder, die nicht andern Leuten einmal beschwerlich fallen, oder, an den Bettelstab gebracht, dem ,Gemeinen Kasten*, d. h. der kirchlichen Armenkasse zur Last werden sollten. Das möge der Stadt- rat verhindern! Dagegen solle der Kaplan sich um sein Kirchenamt kümmern und seinen Beruf gewissenhaft ver- sehen und ihn in Ruhe lassen.

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Man sieht, daß es dem ehrsamen Meister an Angriffs- punkten gegen den Kaplan nicht fehlte.

Der ,fürsiehtige und weiBe* Herr Bürgermeister und Rat der Stadt Koburg sandte durch den Ratsdiener diese Klage in Ursehrift an den Kaplan Bauernschmidt zur Beant- wortung und Rechtfertigung. Natürlich blieb letzterer die Antwort nicht schuldig, eine Antwort, die an Deutlichkeit und Derbheit, dem Charakter der Zeit entsprechend nichts zu wünschen übrig ließ. Eigentlich sei es, meint Bauernschmidt. unter seiner Würde, auf „səlch böses, un- gereimtes und grundloses* Schreiben, auf solch „schwäbisches Geschwätz“, zu antworten. Nur deshalb, weil der Stadtrat, er gewünscht, wolle er es tun. Wagner, der Buchbinder, beschuldige ihn ganz ohne Grund. Allerdings treibe er diese Beschäftigung. aber nicht als Handwerk, neben seinem Amte als Kirchendiener. Wagners Unfleiß und Untreue im Buchbindergeschäft hätten ihn aber dazu gebracht, seine Bücher selbst zu binden. Es sei ihm Schafleder für Schweins- und Kalbleder eingeredet und geliefert worden, wie er be- weisen könne. Außerdem aber habe er niemand um Arbeit gebeten und angesprochen, auch keine Geschäftstafel aus- gehüngt. Nur aus Gefülligkeit habe er, der Kaplan, die Bücher anderer zu binden übernommen. Denn diese hätten erklärt, sie wollten ihre Bücher im andern Falle in Hildburg- hausen oder in Nürnberg binden lassen. Besonders betont der Kaplan. daß niemand in der ganzen Gemeinde ihn der Versiiumnis in seinem Kirchenamt bezichtigen könne. Wenn er die Buehbinderei treibe. so tue er es in seiner freien Zeit, sieh zur Ergötzung und einigen guten Herrn und Freunden zu Gefallen. Auch die Apostel hätten gearbeitet, wenn sie nieht gepredigt. Paulus habe Decken gewebt. Die anderen seien fischen gegangen, Das sei besser. als täglich auf der Bier- und Litgenbank zu sitzen, die Leute auszumachen und neue Zeitungen zum Schreeken der armen Leute auf dem Lande zu erliehten usw.

Wagner treibe es so. Mit Karten, Würfeln. Wein- und Bierkandeln schädige er seine Familie sehr schwer; so habe er im Spiel auf dem Steinweg vor kurzem 19 Gulden ge- wonnen, aber wiederum verspielt, entgegen dem Rat frommer

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Leute. Auf dem Burgschloß (Veste) habe er etliche Taler eingenommen, diesen Arbeitslohn aber wiederum verspielt, ehe er nach Haus gekommen. Auch mit dem Apotheker Cyriak Schnaus habe er mutwillig hoch gespielt. Das sei es doch kein Wunder, wenn Weib und Kinder wie Schnee- tticher aussähen!

Im übrigen habe Wagner seine, des Kaplans, Worte verdreht, wenn er ihn beim Stadtrat des Ungehorsams ver- dächtigen wollte. Sofern Wagner ein Zunftprivileg aufweisen könne, wolle der Kaplan’ aufhören, Bücher zu binden, d. h. für andere, nicht zum eigenen Gebrauche. Andererseits solle sich Wagner seines losen Geschwätzes gegen ihn enthalten, ebenso aller Drohungen, wie er ihn einstmals in der Bade- stube des Jörg Liab, mit Züchten zu reden —, im Bei- sein vieler frommer Bürger und Bauern „angetastet und schändlich ausgeholhipelt haben.“

Damit befiehlt der Kaplan den Bürgermeister und Rat in Gottes Gnade und wünscht ihm eine glückliche Regierung.

Ob damit der Streitfall beendigt war, ist aus den Akten- stücken nicht zu ersehen.

k E *

Ein Klagebrief des Buchbindermeisters Wagener gegen den Caplan Bauerschmidt.

Erbare, achtbare, fürsiehtige, weise, günstige gebietende Herren, Ewer E. f. w. (Ew. fürsichtige Weish.) sind mein gantz vnderthenige willige pflittige Dinst mit allem Fleiß zuvor bereit. Erbare, fürsichtige, weise Herren. Aus Erforderung der Not thue ich armer, Ewer E. f. w. vndertheniglichen er- suchen, mit anzeigen wie volget: Nachdem sich Er Hans Bauerschmidt, alhie zu Cobergk Capellan, vnderstanden das Buchpinder Handwerck zu treiben, welches er nit gelernet, bei keinem erlichen Meister, wie es sich nach alther- komenden Gebrauche des Handwerkes zu treiben gebüren will, zum andern, kein Bürger oder bürgerecht er erbet noch erkauft, auch keine bürgerliche Aufsätze, als nemlich, beten, wachen, fronen, thorhüten, knechthalten, reisszüge, vnd dergl., solche nie gemelt keins mit bidet oder duldet, sondern von solcher bürgerlichen beschwerung aller befreiheit auch mit der zeitlichen Narung vor hin gantz reichlich, nach aller notturft versehen, auch wie der ehrwirdige Herr in Gott ver-

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schieden vnd seliger gedechtnis, Magister Langer vnser pfarrer öffentlich in der Kirchen publiciret, das die Kirchen- diener darumb frei sitzen vnd zulage gethan, auf das sie auch aller bürger Händel vnd Handwerk müssig stehen vnd enthalten sollen. Das der gedachte Bawrnschmidt, solchem Verbot nit nachkompt noch eingedenk ist, sondern sich aus eigenem Gewalt und Fürwitz, unangesehen oder mit Erlaub- nus oder Vergnügung der Oberkeit, understeet bürgerliche Händel und Handwerk zu treiben, dar zu keine Kinder, und gar nit nötigk, sondern mich sampt meinem Weibe und un- erzogenen Kindern zum Verterbnis fürnimpt, vnd er gemelte Baurnschmidt, behertzigen mochte, wue christliche oder brüderliche Liebe in ihm were, wie er tegelich in der Kirchen leret vnd prediget von Geiz, Wucher vnd ein itlicher in seinem Beruf bleiben, vnd er der erste der solches bricht vnd in das Handwerk stóret, welchs ihm nit gezimet, auch mochte der bawrnschmidt wol eingedenck sey vnd sich erinnern, wie reich er her kame, das menicklich mit leiden vnd geduld mit ihme trüge, solcher woltet nit gar vergessen, vnd itzund so er reichtum bei ihm entpfindet, einen gesellen des buch- binders handwereks gehalten, mit vorlegung, des Ciriacus schnaus, den sie sind soleher erbet gantz stetig, vnd darzu vil cleiner kinder, das sie in alten hendel storen ete. wan soleh stóren einem iden gestattet werde, was weren hand- werker freyheiten, bürgerrecht, oder stette, so were kein vnderschidt vnder Dorffern oder stetten. Bauernschmidt gib für, es häts veit Keler seliger getriben vnd ein kirchendiner gewest; Veit Keler seliger bat zu Nurnbergk das buchpinden bey eynem erlichen Meister gelernet, dar zur eins bürgers kindt hie zu Cobergk gewest, das bawrnschmidt nit ist. Uber solches ist kein buchpinder hie gewesen. Auch wendet Baurnsehmidt fur, er mach es oder pind es neher dan ich. muß ich nachgeben, wan ich aber auch ierlichs so vil ein- kommens hette, als bawrnschmidt, wolt ichs auch neher (billiger) machen, vnd keine kinder, ob mir ein erlicher Mann eynes gnacken oder schillingers mer gibt, auff das ich die tag meines alters auch die zeitliche aussenhaltung, sampt meinem Weibe vnd kindern hinbringe, vnd meine vnerzogene Kinder was lernen lasse, das sie andern leutten nit beschwer- nis weren, oder an den Bette] aber an den gemeinen Kasten gedeihen.

Darzu ist meniglich gut wissen, wie itzund alles theur ist, vnd in sonderheit das leder in totem Kauff, solches alles wird mir aus Vngunst vnd Nachtheil aussgeleget, welchs ich hiemit vorantwort wil haben, vnd der bawrschmidt, gegen mir gesaget, er wolle das Handwerek triben, vnd gern sehen. wer es ihm weren wolle, das wil ich ewer E. f. w. heim-

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gestellet hab zu erkennen, auff solhes ist mein gantz vnder- thenige fleissige bitt an ewer E. f. w. mich armen bürger sampt meinen weibe vnd vnerzogenen kindern zu bedencken, welhes von ewer E. f. w. gerhumet, als veter der armen vnd Notgedreuthen zu schützen, vnd handzuhaben, vnd er hansen bawerschmidt, do hin halten vnd abschaffen, meines hand- wereks müsick zu stehen, darzu mich mit bosen vnnutzen worten gegen menicklich vnvorhindert, vnd vnausgewaschen lasse, vnd seines kirchen ampt vnd beruff alleine warte, damit wil ich ihn auch zufriden lasse, solehes alles wil ich mich gentzlich zu ewere E. F. W. vndertheniglich vordresten, das habe ich ewer E. F. w. als meinen gebittenden günstigen herrn nit lenger weyse zu vorhalten. Ewer e. F. w. günstige antwort bittende etc. Ewer E. F. W. vndertheniger williger burger Cristof Wagner puchpinder. Die Adresse lautet: Dem Erbaren achbaren fürsichtigen vnd weisen herrn bürgermeister vnd Rath der stad Coburg, meinem günstigen herren. Darunter von des Bürgermeisters Hand: Hern Hansen Pauerschmidt zuzustelen vnd sein antwort Einem Erbarn Rathe hirauf zu geben.

Antwort des Caplans Bauerschmidt.

Erbare fürsichtige vnd weyse grosgünstige libe hern, E. E. W. sind mein willige vnd gevlissene Dinst zuuor. Er- bare grosgünstige liebe hern, E. e. w. haben mir nechst ver- gangene Freytags, bey iren Diener ein supplication so Cristoffel Wagner buchpinder an e.e. w. gethan, zustellen lassen, mit vnterschribenem beuelch meine gründtliche ant- wort, vnd warhafftigen gegenbericht darauf schriftlichen zu- geben. Wiewol ich aber bey mir solches böses, vngereimbstes darzu vngegründes schreiben, vnd schwebische geschwetz, zuuerantworten vnwirdig geacht, doch weil mir solehs von e. e. W. derwegen uberantwort ist, hab ichs im bedacht des gehorsams, nicht vnderlassen konnen, bit derhalben e. e. w. wollen gegen solcher vnnotiger klagschrift, meine kurtze ver- antwortung, vnd gegenbericht, anzuhoren, vnbesehweret sein.

Erstlieh das mich Wagner gegen e. e. w. beschuldiget, wie das ich im in sein Handwerck gefallen, vnd dasselbig nieht gelernt, etc., daran redt er recht, ich habs nit ge- lernt, hab mirs auch zu lernen nie fürgenommen. Das ich

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aber darzu kumen bin, hat mich niemands auf erden zw solchem mehr verursacht, dan eben genanter Wagner, welcher durch seinen Unfleis vnd Untrew, also vnd der gestalt gegen mir gehandelt, das woe ich anders meine bücher rechtschaffen haben wollen, die selbst müssen binden, aus ursachen, das er mir offtmals scheffin leder, für sehweine vnd kelbere, (wie die bücher verhanden vnd sein erbeit in selbst vberzeuget) eingeredt. Derhalben ich solehs aus not, vnd nicht, wie er mit gesparter warheit dichtet, aus eignem gewalt vnd firwitz, hab thun müssen. etc.

Uber das hab ich auch nyemals ymants vmb erbeyvt gebeten noch angeredt, darzw kein tafel ausgehenkt, sondern so mir was gebracht, oftmals zw im gewisen, aber die jenigen gesacht, sie woltens ehe, wo kein buchpinder zw Hilpertaußen wehr, gehn Nürnbergk schicken, aus was vrsach solchs ge- scheen, weiss er vnd sie, am allerbesten. Hab auch mein erbeit, die bisher gering gewesen, ia so voll bezalet genomen, als er. Derwegen er sich zum anderen mal verstigen.

Das er mir aber mein ampt vnd kirchenbeuelch sampt meiner besoldung fürwirft, hoff ich mein her pfarher, auch e. e, w. sampt der gantzen gemein, werden meines bindens- halben, kein verseumnis in meinem Kirchenampt spüren, dan ieh vnderweilen nur zur lust vnd etzlichen guten hern vnd freundten zugefallen binde, auf die Zeit, so ich der kirehendinst befreyet bin, auf das ich gar nit müssig sitz, vnd solehs ist meinem beruf unverweislieh. Haben doch alle apostel gearweit, wan sie nicht geprediget. Paulus hat Deck geweben. Die anderen sind fischen gangen. Ich acht es dafür es stehe mir viel besser an, dan wan ich den tag vber etwa auff der Lügenbank sesse, vnd richt die leut aus, oder aber macht mit erdichter loser neuer Zeitung (wie etzliche) ein schrecken in das arme einfeltige bauersvolk, so iren lügen glauben geben.

Und darzu weiß ich gewiss, alles. was ich bisher ge- bunden, wer im kein bogen zutheil worden, ehe anders wohin geschickt, oder vngebunden bliben.

Das aber (welchs sein haubtklag ist) meiner arbeit halben. sein weyb vnd Kindlein an den bedelstab oder gemeinen Kasten gedeien mochten, acht ich darfür. wie e. e. w. vnd meniglich woll wissend, wo er selbst seinem frome Weib vnd Kindern, mit Würffeln, Karten, Wein und Birkandeln. so wenig schaden thet als ich mit meinem binden, so dorfft er warlich derselbigen sorg gar nicht. Ich hab noch kein 10 fl. mit binden verdinet (habs auch darum nicht angefangen) so er doch vor kurtzen Jaren 19 fl. auf dem steinweck ge- wunnen, vnd vnangesehen fromer leute treuen rath, bald widerumb iemerlieh verspilt hat. Item etzliche thaler auffm

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berckschlo eingenommen, vnd dieselbigen bey der alten Kornerin zum Bir (ehe er heim keeme) verspilt. Item dem Ciriaco schnaussen 5 gr. zu einen gesetzt im bretspil, vnd mutwillig verspilet. Und der stück sind sehr vil, welche wol ursach sein mögen, entlieh des bedelstabs zugewarten. In summa wo er selbs seine arme Weib vnd Kindern (die er hie hoch fürwürfft vnd doch sunst lech vnd wie die schnetücher helt) das brodt recht fur dem maul vnvetterlich absehnidt, vnd mit seinem spil für dem maul hinweck rükt, würd es sunders zweifels besser mit inen stehen, dann es leider steht.

Letzlieh das er aber felschlich anzeigt, als solt ich freuentlicher weiß gesagt haben, solchs zuthun, vnd sehen wer mir weren wolt ete. damit er meinet, mich gegen e. e. w. zuverunglimpfen, da hat er die parten gar zu weit geworffen, vnd wirt sie schwerlich wider holen konnen. Das aber hab ich gesagt: Ich wol binden vnd zusehen uelcher Buehbinder mir das weren woll, vnd nicht die Herrschaft veracht.

Was aber den gesellen (den er on alle vrsach bey necht- licher weil, mit grosser vngestümlichkeit vnd gotslesterung, aus seiner behausung gestossen) belangt geht mich gar nichs an, dan nit ich sunder Cyriacus hat in angenumen. So er deshalben zu im zuklagen hat, maeh ers wol thun, so acht ich, im sol gebürliehe antwort widerfaren.

Nachdem er aber das Handtwerck hin vnd wieder meldt etc, Erbeut ich mich vntertheniglich, so er ein autfgerichte Zunfft, oder aber sunderliche privilegia, von e. e. w. ausleget, nymants forthin zu binden, doch mir selbs zu binden vnbegeben.

Bitt e. e. w. wollen solche mein antwort, vilgedachten Wagner, sich darin zuspiegeln, zustellen, vnd mich durch solehs loss geschwetz gegen e. e. w. nicht verunglimpflen lassen, als ich mich gegen e.e. w. als den verstendigen gentzlich versehen, auch mich hiemit in e. e. w. gunst vnd schutz beuelen wil, mit demütiger bit Wagnern ernstlich dahin zuhalten, das er sich seiner losen stocher vnd trawe wort, damit er mich eins in Jorgen Lieben mit Züchten badt- stuben, in beysein viler fromer bürgern vnd bauern angedast vnd sehendtlich ausgeholhipelt hat, entschlaken vnd enthalten wol, er sol von mir in seiner narung wol ungehindert bleiben. Welchs ich mich von einer e. w. bey im zuverschaffen gentz- liehen vertrosten will.

Hiemit ich e. e. w. in gotes Gnaden mit glückseliger Regirung beuelen thue.

E. e. w. vntertheniger caplan johan pauerschmidt.

EEE -———————

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Parturiunt montes.

Nascitur ridiculus asinus.

Beiträge zur Reformationsgeschichte aus: Drucken und Handschriften der Universitätsbibliothek in Jena.

Mitgeteilt von Bernhard Willkomm.

I.

1. Nova metamorphosis, ein bisher unbekanntes Seitenstück zu Luthers: „Ein newe Fabel Esopi“.

In einem Sammelbande der Universitätsbibliothek zu Jena, der Schriften aus der Reformationszeit enthält, befindet sich als letztes Stück ein nur auf den Innenseiten bedrucktes Doppelblatt, auf dem rechts folgende Verse stehen:

Nova metamorphosis.

In nova fert animus mutatas dicere formas Corpora, dii, coeptis quaeso favete meis.

Et quia vos illas mutastis imagine turpi Pandite quae formae causa sit ista novae.

Egregii vates celebresque fuere magistri, Inflati sophia turba superba sua.

Utque solent rapidis turgescere carbasa ventis Atque tumet succo fertilis uva suo,

Sic illi nimia turgebant arte poetae, Foedantes seriptis iusque piumque malis.

Sacraque coniugii dissolvere iura volebant Versibus incomptis ridieulisque logis.

[Qu]i tamen ex merito poenas subiere pudendas, Quas meruit nugis impia causa suis:

Nam Deus in stultos subito mutavit asellos, Auribus ut longis prodita faeta forent.

Talibus exemplis moneo Germana iuventus, Cauta velis libros composuisse pios.

Non modo in humanis irato a numine quondam Corporibus facies saepe novata fuit.

Nuper enim nostros quia commeruere magistros Vertit in auritum turpia monstra gregem

Jamque opus exegi superi sit gratia vobis, Qui mihi divinam paene tulistis opem

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Die linke Seite des Doppelblattes bietet als Illustration hierzu einen Holzschnitt: in der Mitte des Bildes ein Esel, nach rechts schreitend und la schreiend, dahinter zwei auf den Hinterfüßen aufrecht gehende junge Esel, die mit den Vorderfüßen eine Krone mit einem Kothaufen über dem Kopfe des ersten Esels halten, den außerdem zwei gleichfalls auf- recht gehende kleine Esel mit Hellebarden tiber den Schultern eskortieren.

Wie mir Herr Prof. Lie. Dr. Clemen in Zwickau, dem ich den Druck zeigte, freundlichst mitteilt, ist der Holzschnitt nicht unbekannt, sondern findet sich bereits in der wohl Luther zuzuschreibenden „Neuen Fabel Esopi“ vom Jahre 1528 und außerdem auf einem Einblattdruck eines Gedichtes von Melanchthon.

Die Nova metamorphosis berichtet, wie Magister, die aufgeblasen und stolz ob ihrer Weisheit sind und sich auf ihre Dichtkunst viel einbilden, in Schmähschriften entweihten, was anderen heilig ist, ja, in rohen Versen und lächerlichen Possen „sacra coniugii dissolvere iura volebant“ und zur Strafe dafür in Esel verwandelt werden. Nun ist die „Neue Fabel Esopi* nach Köstlin-Kawerau, Luther II, S. 146 und Thiele in der Weimarer Ausgabe von Luthers Werken (W. A. 26, 537) bei Gelegenheit der Angriffe der Leipziger Magister Johannes Hasenberg und Joachim von der Heyden (= Myricianus) auf Luthers Verheiratung wenn auch nicht erst entstanden, so doch veröffentlicht worden, speziell als Gegengabe für Myricians Übersetzung der Schrift des Am- brosius: ad virginem vestalem corruptam et ad corruptorem nepharium. Durch die letztere wie auch durch: M. Joh. Hasenbergii epistola Martino Ludero et suae parum legitimae uxori Catherinae a Bhor, Christiano prorsus animo, scripta, in hoc, ut aut vel tandem cum prodigo filio resipiscant, ae ad poenitentiam coenobiorumque sanetimoniam redeant, aut certe Luderus nonnam suo sponso Christo matrique eeclesiae postliminio reponat sollte Luther zur Lósung seiner Ehe ver- anlaßt werden. Dasselbe beabsichtigen aber auch die Magistri der nova metamorphosis mit ihren Schriften. Das legt die Vermutung nahe, daß die magistri unseres Gedichtes eben Hasenberg und von der Heyden sind, und sie wird

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durch einige weitere Beobachtungen noch gestützt: Wie nämlich in der nova metamorphosis offenbar ironisch ganz besonders die poetische Begabung der Magister betont wird (— Utque solent rapidis turgescere carbasa ventis atque tumet sueco fertilis uva suo, sic illi nimia turgebant arte poetae —), so wird auch in der gegen die Leipziger er- schienenen Gegenschrift der „Illuministen der Bücher Myri- ciani !)" ihre Dichtkunst gebührend hervorgehoben, besonders Myrician wegen eines fünffüßigen Hexameters, den er sich in einem Schmähgedicht auf Luther geleistet hatte, zur Gentige aufgezogen (W.A. 26, 546). Ferner wird die Beziehung der nova metamorphosis auf Hasenberg und Myrician auch noch dadurch gestützt, daß ihr Verfasser die Magistri gerade in Esel verwandelt werden läßt. Allerdings waren ja gerade in damaliger Zeit Titulaturen aus dem Tierreiche und Er- zählungen von Verwandlungen in Tiere, wobei besonders der Esel eine große Rolle spielte, nicht selten, wie ein Blick in die Pasquillen-Literatur jener Zeit lehrt (vgl. z. B. die „Abbildung des Bapstums“ von 1545, den „Papstesel“ und besonders Schade, Satiren und Pasquille IT, 190 ff. und Clemen im Archiv für Reformationsgeschichte II, 87 ff), aber gerade die beiden Leipziger Magister werden von Luther und seinen Anhängern ausgesucht oft als Esel tituliert. So schreibt Luther an Wenzel Link: ,Lipsenses asini meam Ketham impetiverunt ...* (W.A. 26, 535, vgl. auch S. 545 Zeile 26); auch Rórer nennt an einer Stelle eines Briefes, die sich auf die neue Fabel Aesopi bezieht: „Azinos Lipsenses* (W. A. 26, 535); und die Verteidiger Luthers bezeichnen die Leipziger in ihren Gegenschriften immer wieder als Esel, vgl. W.A. 26, 542 Zeile 17, 544 Zeile 9, 546 Zeile 15, auch das Rätselquadrat (W.A. 26, 542) und die Beischrift: „Et quia estis vobisipsis suspeeti de multa sciencia, est quidam frater habens mirabilem probleumam circa quadraturam circuli, petens declarationem, quotiens in ista figura possit legi nomen dignitatis vestrae.“ die zugleich für die Betonung des aufgeblasenen Wesens der Magister eine Parallele bietet zu den Worten der Nova meta- morphosis: Inflati sophia, turba superba, sua. Ja, sogar von

1) Luther W. A. 26 S. 537 Zeile 16 und S. 547 Zeile 4/5.

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der Heydens latinisierter Name muß herhalten: aus Myri- cianus wird Myriti onos (W.A. 26, 546£.; 553 Zeile 19ff.; 554 Zeile 8/9). Und wenn aueh in der neuen Fabel Aesopi mit dem Esel, den die Tiere zu ihrem Könige wählen, eigentlich der Papst gemeint ist, unter dessen Herrschaft sich die Menschen beugen, statt ihren angestammten Fürsten zu gehorchen (vgl. Thiele im Lutherkalender für 1910 S. 114), so wird doch die Stelle, in der erzühlt wird, wie der Esel naeh dem Raben, der sieh ihm auf die Lippe gesetzt hat, schnappt und ihn so ohne eigene Anstrengung und Mühe fängt, noch besonders zu einem Seitenhieb auf Myrieian und auf die Art, wie er seine Leipziger Collegiatur erlangt haben mag, benutzt dureh die Randbemerkung: ,Hie fehet Myri- tianus die Collegiatur zu Leiptzig“; also wird auch wieder Myrician im Esel dargestellt. Es macht fast den Eindruck, als sei in dem durch Hasenberg und von der Heyden an- geregten Streite Esel, asini Lipsenses zur stehenden Bezeich- nung der beiden Leipziger Magister geworden, die jeder ohne weiteres verstand; und in diesem Kreise, dem die neue Fabel Aesopi ihre Veröffentlichung verdankt, würde auch die Ent- stehung eines Gedichtes wie die nova metamorphosis recht wohl möglich und verständlich sein. Scheinen doch auch örtlich und zeitlich beide Drucke zusammenzugehören. Die nova metamorphosis ist zwar undatiert, aber das Jenaer Exemplar trägt den handschriftlichen Vermerk: Joh. Sauro- mannus vitebergae und dazu eine Jahreszahl, deren letzte Ziffer aber leider durch ein Loch im Papier unleserlich ge- worden, ebenso gut als 7 wie als 9 gelesen werden kann, so daß nicht zu sagen ist, ob 1527 oder 1529 dagestanden hat. Immerhin wird dadurch der Druck zeitlich nahe an die 1528 erschienene neue Fabel Aesopi herangerückt, während der Name auf den Wittenberger Kreis weist. Wer dieser Joh. Sauromannus ist, läßt sich allerdings nicht mit Bestimmtheit sagen. Der Breslauer Kanonikus kann es nicht sein, denn der ist bereits 1510 gestorben. Aber G. Bauch (Zeitschrift d. Vereins f. Gesch. u. Alterthum Schlesiens 38 S. 317) erwähnt noch zwei dieses Namens, die in Wittenberg studiert haben: einen Joh. Sauermann aus Herieden, der im Winter- semester 1511, und einen aus Kupferberg, der im Winter-

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semester 1518 in Wittenberg immatrikuliert wurde. Einer von diesen könnte es wohl sein.

Schließlich läßt auch die Verwendung des gleichen Holz- schnittes vermuten, daß beide Drucke irgendwie zusammen- gehören. Ob ihn einer vom andern tibernommen hat, bleibt fraglich; vielleicht stammt er anderswoher, denn er scheint in keinem der beiden vorliegenden Drucke original zu sein, da er bei keinem zum Texte recht passen will: die nova metamorphosis erzählt von mehreren Dichtern, die zur Strafe in Esel verwandelt werden. Dem Zeichner des Holzschnittes kommt es aber offenbar nur auf den in der Mitte befindlichen Esel an, mit ihm allein geschieht etwas: er wird gekrönt; oder genauer genommen: er wird als einer bezeichnet, dem eine solche (schmutzige) Krone zukommt. Die vier anderen, kleineren Esel dienen wohl nur als Staffage. Man wird also in dem Bilde keineswegs eine zutreffende Illustration zur nova metamorphosis sehen können. Der Verfasser wird es fertig vorgefunden und sich etwa durch den Gedanken an die Dichterkrönungen bewogen gefühlt haben, es seinem Gedichte als Illustration seiner in Esel verwandelten Dichter beidrucken zu lassen.

Ebensowenig wie zur nova metamorphosis paßt der Holz- schnitt nun aber auch zurneuen Fabel Äsopi. Sie erzählt, wienach dem Tode des alten Löwen auf Betreiben etlicher falscher, un- getreuer Räte mit Hilfe des Fuchses nicht der junge Löwe, sondern der Esel zum König der Tiere gewählt wird. Auf einer Illustration dieser Fabel sollte man doch nicht nur Esel, sondern auch die anderen, bei der Wahl des neuen Königs beteiligten Tiere, vor allem den jungen Löwen, die falschen Räte und namentlich auch den Fuchs erwarten. Nach der überaus anschaulichen Schilderung der Fabel hätte sich doch mit Leichtigkeit auch eine recht anschauliche Illustration her- stellen lassen. Statt ihrer ein Bild, in dem nicht einmal der Sinn der Fabel angedeutct ist, daß nämlich unter dem Esel der Papst zu verstehen ist! Und das hätte sich doch leicht machen lassen, wenn der Zeichner etwa der Krone die Form der Papstkrone gegeben hätte, wie sie sich auf ähnlichen Bildern tatsächlich findet, z. B. auf Cranachs Holz- schnitt zu Luthers Vers: „Der Bapst kan allein auslegen /

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Die Sehrift und irthum ausfegen / Wie der Esel allein pfeiffen / Kan: vnd die Noten recht greiffen“ /, in der „Abbildung des Bapstum“ 1545 (abgebildet bei Brieger, Reformation in von Pflugk-Harttungs Weltgeschichte Bd. 4 S. 421; weitere Bilder mit der Papstkrone ebenda S. 387 und 410, ferner im Passional Christi und Antichristi“ ebenda S. 248/249). Es drängt sich auch hier die Vermutung auf, daß der Holzschnitt nicht als Illustration zur neuen Fabel Äsopi hergestellt ist, sondern daß die Herausgeber der Fabel ihn fertig vorfanden und ihrer Ausgabe beidrucken ließen, weil er nach ihrer Meinung dazu paßte. Allerdings bleibt dies zunächst Ver- mutung, solange uns nicht ein glücklicher Fund einen Text liefert, in dem sich unser Holzschnitt sicher als Original- Illustration erweist.

Die Annahme, daß ein und derselbe Holzschnitt mehr- fach verwendet wurde, ist kein Grund gegen die eben aus- gesprochene Vermutung, denn gerade unser Holzschnitt ist 28 Jahre später noch einmal verwendet worden, nämlich auf einem Einblattdrucke aus dem Jahre 1556, von dem - Herr Prof. Clemen ein Exemplar in der Gymnasialbibliothek zu Zerbst entdeckt und auf das er mich freundlichst auf- merksam gemacht hat; er dient hier als Illustration zu folgendem Gedichte Melanchthons !):

Gigantes clamore asini dissipati.

Impia eum ruerent Titanes in arma furentes, Conati aetherias profodere ense domos, Jupiter at?) patriis depelleret arcibus hostes, His tamen incussus nee pavor inde foret:

Mentitis imitans Pan Aegocerota figuris, Terruit hae specie grandia monstra truci. Sed neque tune fracti bello cessere Gigantes, Bacche, tuus veetor donec Asellus abest. Ille rudens rauco dum classica personat ore, Anguipedes turpi dant sua terga fugae.

1) Der Druck ist bei Hartfelder, Melanchthon als Praeceptor Germa- niae S, 613 unter Nr. 598 erwähnt, das Gedicht Corp. Ref. X Sp. 631 abgedruckt. Der Direktion des Herzogl. Gymnasiums zu Zerbst bin ich für freundliche Überlassung des Originaldruckes zu Dank ver- pflichtet. |

*) Corp. Ref. a. a. O.: ut.

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Haud secus Autolyci callentes furta Sophistae, Dicentes vero erimina multa Deo, Terribili fugient asini clamore repressi, Bella uararahóywy exitus hie sequitur. PHILIPPVS MELANTHON

ANNO 1556.

Herrn Prof. Clemen verdanke ich außer der freundlichen Mitteilung seines Fundes zugleich den Hinweis auf die Be- deutung des Stückes: Es war die Antwort der Wittenberger auf die „gelinden Fürschläge“, die Flacius im Mai 1556 an Paul Eber in Wittenberg sandte, um eine Aussóhnung und Einigung mit Melanchthon und seinen Anhängern herbei- zuführen. (Ellinger, Phil. Melanchthon S. 560). „In den Versen wurde die Fabel, daß die Giganten im Kampfe mit den Göttern durch das gräßliche Geschrei des Esels, der Silen gehörte, zurückgeschreckt worden seien, auf den Kampf der Protestanten gegen das Papstthum angewendet, und mit unverkennbarer Deutlichkeit dem Flacius und seinen Freunden die Rolle des Esels zugetheilt* (W. Preger, Matthias Flacius Illyrieus und seine Zeit. 2. Hälfte S. 13).

Der Einblattdruck zeigt recht deutlich, wie naiv man bei der Verwendung schon vorhandener Holzschnitte für die Illustration anderer Schriften verfuhr: Abgesehen davon, daß der mittlere Esel des Holzschnittes schreit, paßt das Bild im übrigen ganz und gar nicht zu den Versen, die es illustrieren soll: hier ein gewöhnlicher Esel, der durch sein Geschrei die Giganten verscheucht, dort fünf Esel, unter denen der mittlere offenbar eine besondere Stellung einnimmt: So wenig die Illustration hier original ist, so wenig wird sie es in der neuen Fabel Ásopi und in der nova meta- morphosis sein. Wie hier, mögen sich auch dort Verfasser oder Herausgeber durch einzelne besondere Züge auf dem Bilde, die zufällig in ihren Zusammenhang paßten, haben bestimmen lassen, den Holzsehnitt als Illustration ihrer Publikation zu wählen.

2. Ein Brief Melanchthons an Andreas Tricesius. Viro optimo D. Andreae Tricesio Amico suo praecipuo S. D. Signifieaui tibi nuper, nos eum Cinglio et oecolampadio eolloeuturos esse. His diebus ex illo congressu domum

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reversi sumus. Non plus biduo collocuti sumus. Nec potuit res confici tam brevi tempore. Itaque adhue heret res de Coena domini. Ipsi suam sententiam non corrigunt, Nos Nostram defendimus. Egimus cum eis de Trinitate, deque alis quibusdam Articulis, de quibus non satis commode sentire visi sunt. De omnibus rebus sunt nobis assensi, tantum de Coena Domini nihil mutarunt. Si non movissent tantam tragoediam, nune opinor non excitarent, vident se non posse veteris Ecclesiae Autoritate Dogma suum tueri. Et ego nolim contra vetustae Ecclesiae sententiam, et tam multa testimonia vewregllew xal oracıaleıw. Tabulas Sarmatiae accepi missas per Hessum. Effieiam ut a me habeas, ut Jure Civili praeceptum est &vríóvwgo. Nune autem non licuit hune tabellarium onerare nempe hominem ignotum, De Mathematicis libris valde me delectant, quae scribis, malo autem habere uesodıra quam zroaxrıza. Si quid mihi miseris, maximo beneficio me tibi devinxeris. Vale felieiter. Mense octobri Magni exereitus comparantur apud nos adversus Tureas, qui Viennam nunc obsident. Salutat te Falco. Dikıros

Der Adressat ist der polnische Edelmann und Humanist Andras Trzecieski (cf. Janociana Vol. I. Varsaviae et Lipsiae 1776 S, 274ff). Wie sein Vater des Lateinischen, Grie- chischen und Hebräischen kundig, wurde er mit anderen für die Übersetzung der Bibel ins Polnische gewonnen (Loesche, Luther, Melanchthon und Calvin in Österreich- Ungarn. Tübingen 1909 S. 246, 249, 264; cf. auch Calvins Brief an Tricesius, Corp. Ref. XV Sp. 910 ff.) Als Dichter begegnen wir ihm in der polnischen Literatur (A. Brückner Geschichte der polnischen Literatur Die Literaturen des Ostens I Leipzig 1901 S. 71). Zwölf Lieder von ihm hat Joh. Seklucyan in sein Gesangbuch aufgenommen (cf. Th. Wotschke, Andreas Samuel und Johann Seklueyan, in der Zeitschrift der histor. Gesellschaft für die Provinz Posen Jg. XVII 1902 S. 238), und wie sein Vater spielte auch er eine Rolle in der polnischen Reformationsgeschichte (ef. Val. Krasinski, Geschichte des Ursprungs, Fortschritts und Ver- falls der Reformation in Polen. Nach dem engl. Original bearb. v. W. A. Lindau, Leipzig 1841 S. 56; K. Völker, Der Protestantismus in Polen. Leipzig 1910, bes. S. 6f. u. 281f). Er wurde im August 1544 in Wittenberg imma- trikuliert (Album acad. Viteberg. ed. Fórstemann), hatte

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aber bereits 1527 in Leipzig und Erfurt studiert (Kasimir v. Miaskowski, Die Korrespondenz des Erasmus von Rotterdam. Diss. theol. Breslau. Posen 1901. S. 31f., Wotschke, Brief- wechsel der Schweizer mit den Polen: Archiv f. Reformations- gesch. Ergänzungsbd. 3. Leipzig 1908 S. 421 Anm. 2) und vermutlich schon bei Gelegenheit dieses Aufenthaltes in Deutschland Melanchthon kennen gelernt, denn der oben ab- gedruckte Brief Melanchthons ist ja kurz nach dem Marburger Gespräch, also wohl noch im Oktober 1529 geschrieben (Corp. Ref. I Sp. 1108) und zeigt beide schon in freund- schaftlichen Beziehungen. Zu diesen vgl. auch H. Dalton, Beiträge zur Gesch. der evang. Kirche in Rußland III: Lasciana. Berlin 1898 S. 163 und den von Hartfelder in der Zeitschrift f. Kirchengesch. XII, 1891 S. 194f. veröffentlichten Brief des Tricesius an Melanchthon.

In unserm Briefe berichtet Melanchthon kurz über das Ergebnis des Marburger Gesprächs. Besonders charak- teristisch für seine vorsichtige und gewissenhafte Art ist der Satz: Et ego nolim contra vetustae Ecclesiae sententiam et tam multa testimonia vewregilew zal oracıclev, der an folgende Stelle in seinem Schreiben an Ökolampadius aus Speier 1529 anklingt: „Ego enim nolim alieuius novi dogmatis in Ecclesia vel autor vel defensor existere.^ (Joach. Camerarii de vita Philippi Melanchthonis narratio rec. G. Th. Strobelius, Halae 1777 pag. 404). Im übrigen zeigt uns der Brief Melanchthon in der Vielseitigkeit seiner Interessen, hier speziell seine Vorliebe für Geographie und Mathemathik. Zu den Tabulae Sarmatiae missae per Hessum sei auf Jul. Kóstlin in der Zeitschrift des Vereins f. Gesch. u. Alter- tum Schlesiens 12. Bd. 1874 S. 420 verwiesen: „Heß schreibt 11. Mai 1529 [an Pirkheimer]: Cracovia nuper dedit tabulas duas Sarmatiae et Seythiae; am 13. Juli schickt er tabulam Sarmatiaé secundam und hat um die erste an Krakauer Freunde geschrieben.“ Zu Melanchthons mathematischen Interessen cf. Bernhardt, Philipp Melanchthon als Mathe- matiker und Physiker. Wittenberg 1865. Der letzte Satz des Briefes mit seiner „neuen Zeitung" ist ein Beleg dafür, wie falseh es ist, sieh Melanchthon als weltfremden Stuben- gelehrten zu denken: nieht nur für die Wissenschaft im

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weitesten Sinne, sondern auch für die Tagesereignisse hatte er lebhaftes Interesse.

Der mitgeteilte Melanchthonbrief findet sich in einem Sammelbande der Jenaer Universitätsbibliothek auf einem Blatte, das den Umschlag zu der achten Schrift des Sammel- bandes bildet, in Abschrift von der Hand des im Briefe selbst mit erwähnten Johann Hessus. Diese achte Schrift: Was zu Marpurgk in Hessen vom Abendtmal vnd andern strittigen artickeln gehandelt vnd vergleicht sey worden. Andreas Osiander. stammt nach der handschriftlichen Widmung: D. doctori Heíso dono dedit Jacobus lippa, die sechste Schrift des Sammelbandes: Was sich D. Martin Luther ete. mit Huldrichen Zwinglin etc. der Strittigen Articul halb / vereint vnd verglichen auff der Conuocatz zu Marpurg / den dritten tag Octob. M. D. xxix nach der eigenhündigen Ein- zeichnung („Sum Joannis Hessi Nuremburgensis* cf. Köstlin a. a. O. VL Bd. 1864 S. 99 Anm. 1) aus dem Besitze des Joh. Hessus. Beide Schriften beziehen sich auf das Marburger Gespräch. Heß hat sich den Brief also wohl besonders wegen seiner Nachrichten über das Marburger Gespräch ab- geschrieben, ganz abgesehen davon, daß der Brief schon wegen seines Verfassers für Heß große Bedeutung hatte: stand er doch zu Melanchthon in ganz besonders innigen Beziehungen (Köstlin a. a. O. VI. Bd. S. 219). Doch auch der Adressat war ihm bekannt, wie aus dem Briefe selbst hervorgeht (cf. auch Köstlin a. a. O. VI S. 251 über Heß’ Beziehungen nach Polcn) und gehörte zu den von Köstlin a. a. O. XII S. 420 erwähnten Krakauer Freunden.

3. Entwurf einer Aufforderung zur Fürbitte für den Augsburger Reichstag 1530.

Bevor der sächsische Kurfürst zum Reichstage nach Augsburg abreiste, gab er an die Stadträte und Amtmänner Erlasse aus, in denen er von seiner beabsichtigten Teilnahme an dem Reichstage Kenntnis gab und zu treuer Aufrecht- erhaltung der Ordnung während seiner Abwesenheit ermahnte; in einem Zusatze lieB er noch besonders die Pfarrer zur Fürbitte für einen guten Ausgang des Reichstages ermahnen. Die Erlasse sind von Förstemann im Urkundenbuch zu der

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Geschichte des Reichstages zu Augsburg i. J. 1530, 1. Bd. S. 131ff. abgedruckt. Eine andere Fassung dieser Auf- forderung zur Fürbitte, vielleicht ein Entwurf dazu, hat sich auf einem Blatte von Caspar Crucigers Hand in der Jenaer Universitätsbibliothek erhalten.

Unter den aus Buders Besitz stammenden Handschriften der genannten Bibliothek befindet sich eine Sammlung von Reichstags- und Landtagsakten, teils in Abschriften, teils auch nur in Excerpten, aus 13 Foliobänden bestehend und die Jahre 1521—1611 umfassend. Die Bände sind alle gleichmäßig gebunden: rotbraune gepreßte Lederbände mit grünen Bändern; auf dem Vorder- und Hinterdeckel bringen sie alle in Golddruck das Sachsen-Weimarische Wappen, auf dem Vorderdeckel über dem Wappen die Buchstaben S. G.I. Y.D., unter dem Wappen die Jahreszahl 1630, eben- falls in Golddruek. Es liegt nahe, die Buchstaben I. V.D. als iuris utriusque doctor zu lesen und in S. G. den Namen des Besitzers zu vermuten, der sich die Sammlung anlegte oder anlegen ließ, zum mindesten, der sie sich in die Bünde wie sie noch jetzt vorliegen, binden ließ. Nach einer sehr ansprechenden Vermutung des Herrn Archivar Dr. Kritzner, früher in Weimar, kónnten die Buchstaben S. G. Samuel Göchhausen bedeuten, der um 1630 Kanzler in Weimar war. Später kamen sie in den Besitz des Jenaer Professors Philipp Müller, wie der in allen Bänden vorn und hinten sich findende handsehriftliche Vermerk: Philippus Müller Sangerhusanus, S.S. Theologiae Doct. Prof. Publ. Jenensis Áo. 1670 besagt, und dann in die Budersche Bibliothek und mit der letzteren schließlich in die Jenaer Universitätsbibliothek.

Im 2. Bd. dieser Sammlung, der Akten des Reichstages zu Augsburg vom Jahre 1530 enthält, findet sich das oben erwähnte Blatt von Crucigers Hand (Cod. Bud. fol. 2 Bl. 11).

Es bietet folgenden Text: „Weyl man ietzund weg zeucht, vnd sachen fur hatt, die nieht alleyn vnser person farlich, sonder die gantze Christenheit betreffen, Ist not, das man Gott mitt grossen Érnst anruffe, vnd bitte, das ehr vns gnade verleyhe, das alle sachen also gehandelt werden, das da dureh Gottes nahm geehret werde, vnd das es zu friden in

allen lendern reiche, vnd zusonderheyt bey vns. Denn es ist nicht moglich, solche grosse sachen mit

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menschlicher veysheit zu furen oder zu handeln, so hatt auch Gott gepotten in solcher vahr yhn anzuruffen, vnd hilff zu- gesagt, welche ehr on zweyfel erzeigen wirt, so man yhn mit ernst anruffen wirt.

Wer nu mit Ernst betten solt, dem ist nott, das ehr sich besser, vnd vergebung seyner sunden suche, vnd durch Gottes wort vnd sacrament glauben schopfe vnd sich sterke, das ehr getrost hoffen moge, Gott werde seyn gebett erhoren vnd annemen. Dazu sind die sacrament Ingesetzt das wir dadurch zu besserung vermanet werden, das wir auch glauben dadurch fassen.“

4. Eine bisher unbekannte Redaktion von Melanchthons Einleitung und Schluß zur Augustana.

In dem oben erwähnten Cod. Jen. Bud. fol. 2 stieß ich auf ein Schriftstück, das meine Aufmerksamkeit zunächst durch seine Aufschrift erregte. Sie lautet: „Supplication vnd Erelerung des Churfürsten zu Sachsen an Kay. Mtt: woher die Lehr, so zu jhr Churf. Gnaden Landen ge- predigt, rührt, vnd wouon sich dieselbige verursacht, Mitt pitt [= Bitt?] solche Sachen gft [= gnädigst?] zu beherzigen, daß Recht vnd die wahre Lehr zu schützen vnd die falsche abzuschaffen u. s.“ Bei dieser Aufschrift denkt man unwill- kürlich zunächst an die Sonderverhandlungen des Kurfürsten Johann mit dem Kaiser vor dem Reichstage und könnte in dem Stück etwa einen Entwurf für die Darstellung der neuen Lehre und Rechtfertigung wegen ihrer Duldung ver- muten, die der Kurfürst an den Kaiser nach Innsbruck sandte. Aber ein Blick in den Inhalt zeigt, daß es nicht in diesen Zusammenhang gehört. Das Schriftstück, eine nicht sehr sorgfältige Abschrift von Schreiberhand, aus dem 16. Jahrhundert, mit Korrekturen z. T. von anderer Hand aus derselben Zeit, vielleicht sogar von der Hand des Kanzlers Brück, lautet:

Diweil die Kay Mät vnnser aller genedigster Herr jn nechstem Irer Mät aufschreiben dieses angesezten gemaynen Reichstags sich gegen Churfürsten, Fürsten vnd allen andern stenden des Reichs genedigklieh erboten, jnn sachen die christlich Religion belangend, Eins izlichen gutbedtincken, opinion vnd maynung zwuschen jnen selbs jn lieb vnd gutigkait zuhorenn, So wolle Ire Mät genedigklich vnter- tenigen Bericht anhoren vnd vernehmen, der lehre vnd

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kirchenbreuche halben, so jn des Churfursten zu Sachssen Landen vnnd gebieten gefirt vnnd gehalten werden, auch wie diese sachen allenthalben gelegen?) worauf der grund ge- melter lehre vnnd kirchenbreuche ruhet?).

*) Dan also habenn vor alters, die vorigen Romischenn kaiser als Constantinus, Theodosius, Carolus Magnus, Hainricus der ander Inngleichenn sachen die Religion vnnd den christ- lichen glaubenn belangend auch getan vnnd die hendel vnnd pact nach noturfit allenthalb genedigklich gehort, damit sie jn so hochen sachen, die seele vnd gewissen berurend, nicht wider got handeltenn.

So vermanet auch der hailig geist jm andern psalm, die konig, fursten, potentaten, vnd Herrn auf erden, vnd weiset sie alle zu Christo dem hochsten aynigen konig, das Euangelium zuhoren, vnnd sollen sich solcher vormanung so am jungsten tagk wird am licht stehen, mit herzlichem Ernst annehmen, dan also spricht der psalm, So seyt nhun klueg vnd last euch zuehtigen, jr Herrnn vnnd Richter auf erden, das jr horet den Christum, das Euangelium etc. Item es sagt der xlvij psalm, die fursten vnter den Volekern seind ver- samlet zu aynem volek dem Goth Abraham wan sieh die beschuzer der erden zu Gott thun. So zaiget der prophet ahn, das dann die Recht Ehre gottes, der rechte hoche ware gotsdinst gemehret vnnd erhaldtenn wirdet, wann konig vnnd fursten gotfurchtig*) vnnd die rechte Rayne Christliche lahre Inn der kirchenn erhaldtenn. Darumb werden sie auch be- schüzer der Erdenn genennet, das Inenn got aufgelegt, die frommen vnd gotfurehtigenn Inn trewlichem schuz vnnd sehirm zu habenn. a

Nachdem nhun kay Mat vnnter allen Romischen, kaisernn, so yhe gewesenn, der gewaltigsten ayner seind, vnnd vonn hoehadeliger kay Tugent, lobliehem gerucht, vnnd nahmen, nieht weniger berumbt, dan Constantinus, Theodosius, Carolus, Hainrieus der ander, So werdenn lr Maiestat daran gar loblich christlich, vnnd kaiserlich handelnn, so sie jnn solehenn sachenn der Christlichen Religion dem kaiserlichen aulz- schreibenn nach jnn liebe vnnd gutigkait dermassenn vor- aynigung zu maehenn trachtenn werdenn.

Auf das alle sachenn der Religion nach der gotlichen

1) So ist wohl zu lesen. Das Wort ist durch Korrektur un- deutlich geworden. Ursprünglich scheint gegiven dagestanden zu haben, was der Schreiber selbst in gelegen korrigiert hat.

2) Einige gestrichene und dadurch unleserlich gemachte Worte folgen noch.

*) Am Rande ist hier von späterer Hand hinzugesetzt: NB. KeiBer haben in Religionssachen die Partheyen gehört.

*) Von anderer Hand gestrichen: seind.

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schrifft vnnd der warhait Christlicher Religion aus derselbenn geschepfft vnnd erforscht werde, nicht aus menschenn sazungen, altem herkomenn, gebreuchenn ader gewonhaiten, welche ob sie woll jn welt hendeln, zeitlich gut vnnd dergleichenn be- langend stathabenn, mugen sie doch jnn sachen des glaubens nicht furdruckenn noch haftenn!), wie dan die wort Augustinj vnnd Gregorij dasselb anzaigen, so jm Decret?) viij diss. in e. veritate manifestata vnnd c. s.?) eonsuetudinem angezogen sein, do sie bezeugenn, das Inn solehenn sachenn des glaubens, wan die warhait geoffenbart wirdet, alle gewonhaitenn so darwider gehaltenn sein wordenn, weichen mussen, wie alt vnnd langwerig die gestandenn sein, vnnd beweret Gregorius dasselb mit dem Spruch Jo: am xiiij, do er sagt, Ich byn der wege, die warhait, vnnd das leben, spricht nicht (sagt sand Gregorius) Ich byn ein gewonhait*), sondern die warhait, dann das gleichwoll zu zeitenn mißbreuche wider die schrift, auch vor denn zeitenn gemelter veter jnn der kirehenn eingewurtzelt seind, zaigenn berurte jre|?] wort genugklieh vnnd klar abn. Dann wo dieselbigenn also auch, das sie vor ein gewonhait vnnd hergebracht Recht haben angezogen wollen werden, nicht eingewurtzelt, hetenn sie nichí darwider disputirn oder dieselbigenn mit solchenn vnnd mehr worden anfechtenn durfenn. Vnnd weil nhun bald nach der Erstenn kirehenn der feynd der warhait nicht ge- feyert, sondern solchenn samen des mißbrauchs mit ein- gestrauet hat, Als das gedachter veter wort. vnnd sonderlich des hailigenn, furtretilichenn gelerten Bischoffs vnnd merterers Ciprianj, so Gregorius an gemeltenn ort darzu auch einfuret, °\anzaigenn, wieuil mehr T zu achtenn, das er solehenn boßenn samen der mißbreuche, nhun jn denn letzternn ferlichenn gezaitenn, do aygennuzige leuthe aufstehenn wurden, Als der heilig Apostell sand Paul dasselb clerlich anzaigt, vnter souil vnd mancherlay ordenn, Secten vnnd trennungen zutrauenn. nicht wirdet vnterlassenn noch darbey gefeiert habenn. Dana sand Bernhart hat bey seinenn Zeitenn beravt, wie er die kirche mit jrem wesen vnnd breuchenn angesehenn, daruber

!) Oder: haltenn [Korrektur!].

*) Corpus iuris canonici instr. Aem. Friedberg Pars I Lipsiae 1879: Decretum Gratiani Distinctio VIII Cap. IV Veritati et rationi consuetudo est postponenda: Item Augustinus de unico baptismo lib. IIa [lib. III de baptismo, contra Donatistas c. 6] „Veritate manifestata cedat consuetudo ueritati, Cap. VI Veritate revelata consuetudinem sibi cedere oportet: ltem Augustinus in libro de baptismo paruulorum [lib. III de Baptismo, contra Donatistas cap. V]: Nam Dominus ... non dixit ego sum consuetudo.

3) Undeutlich geschrieben; vermutlich: s. [= sechs].

*) Cf. Anm. 3.

*) Am Rande hinzugefügt: + ist +.

Archiv für Reformationsgeschichte IX. 3. 17

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geelagt, warnet vnnd besorget sich, das aus denselben miß- breuchenn entlieh nichts- anders dann der greulh dauon Christus gesagt, erfolgen wurde.

So gebeut auch der Babst Inno: der dritte den prelatenn, das sie nicht gestatenn sollenn, die leute so jnn jre kirchenn komen, mit manicherlay figmenten vnnd ertichtungen noch falsehenn lehrenn betriegen zulassenn wie dann an vielen ortenn vmb geniess ader nuzes halbenn zugeschehen pflegte (spricht er) aus welchem Babst Innocencij gezeugknis genug- sam zuuernemen ist mit was betrug vnnd falsehenn lehrenn auch zu der zeit der teufell berait vmbgangen vnnd jnn denn gotsdinst vnnd lehre, zubringen, vnterstandenn.

Darzu wissenn die kay. Mat sich genedigklieh zuerjnnern wie vnnd was manicherlay handt mifbrauch auf Irer Mat Erst gehaltenenn Reichstagk zu wormbs auf Irer Mat. genedige zulassung zusamengetragen vnnd vbergebenn wordenn.

Auch hat Babst Adrianus der nechst durch aynen legaten auf vorgangenem Reichstagk zu Nurmberg [1522/23] vonn solchen mißbreuchere=- meldung thun lassenn mit er- bietung dieselbigenn mit der hulf des almechtigenn zu andernn vnnd bessernn.

. Vnnd solehs wirdet zu vntertenigster_ erjnnerung kay. Mat. darumb angezaigt, das sieh Ire Mat dureh nyemants wolle beredenn ader bewegenn lassenn, Als sie auch ane zweiuel nieht thun werde, Als ob kain mifbreuche jnn der kirehenn, der leren, vnd Cerimonien halbenn, die wider got vnnd die sehriffte, vorhandenn sein mochtenn.

Vnnd wiewollsolehe miübreuche vonn aynem zu dem andernn Kay. Mat. ist alsbaldt kondtenn namhaftig angezaigt vnnd erzelet werdenn, So wirdets doch zu vnterlassen bedacht, das die kay, Mat. hernach stuckweis schen vnnd vernemen werden, was jn des Churfurstenn zu Saehssenn landen gelert vnnd gepredigt, Auch wie es mit denn Cerimonien vnd saeramenten gehaltenn wirdet. Aus welchem Ire kay.Mat. vnnd me- nigklieher, dem dieser handell furkumbt, leichtlich zuuerstehen habenn, was dargegen die mißbreuche gewesenn, die dadurch gefallen vnnd sieh abgelaynt haben. :

Aber domit gleichwoll die kay. Mat. herrurung der lehr so jnn des Churfurstenn zu sachssenn landen gefurt , wirdet, vnnd ablaynung der mißbreuchlichenn Cerimonien, wo vonn sieh dieselbige notwendig verursacht, bericht entpfahenn mugen, So ist Jedermann!) sonderlich jnn deuzscher Nationn, wissenntlich, das man fast an allenn orten wenig von denu Hauptstuekenn, Christlichs glaubens gepredigt vnnd gelert, sondern dem volek vill schedlicher auch vnnotiger lehrenn

1) Gestrichen: firderlich.

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ann stat gotes wort furgetragenn hat. Vnnd jnsonderhait vonn Indulgentien, dauonn yhe zu Zeitenn die questorn, so dorzu verordent wordenn, also gar ungotlich vnnd vnschicklich vor dem volck geredt das domit vrsach gegeben ist wordenn vonn denselbigenn vnnd dergleichen falschenn Jehrenn, die zu verfurung des volcks einwachssen wolten zuredenn vnnd disputirn. Dann vnter andern jren vnschantbarn furgebungenn dorffenn etlich offentlich auf der Canzel sagenn vnnd ausschreyhenn, wann das gelt jns beckenn fielh, so fihr die seelh?) dafir das gelt eingeworfen alsbald gein hymel. Darumb hat sich geburt die leute vonn solchenn sachen christlich zu vnterrichten, dann wan man gleich darzu lenger zu verfurung des einfeltigenn volcks stiller geschwigenn, Hetenn doch solche offentliche gotslesterung?) vnnd darneben auch dye wahre christliche Religion jnn veraehtung komenn mussenn, So gof aus genadenn vnnd Barmherzigkait dar- wider nicht bestendige vnnd rechte warhafftige lehre gebenn hete. Als sieh aber nhun etliehe aus gedreneknus jrer ge- wissenn wider solch vngeschickt predigen vnd ausschreyen von Indulgentien gelegt... ®)habenn die widersacher vnnd jre anhenger so solche vngegerundte vnnd lesterliebe lehre die sie vonn den Indulgentien, als obstehet, getriebenn, vor- tednigen vnd vorfechtenn wollenn wie menigkliehen jm Reich bewust ist aufs hertest mit schreibenn vnnd sehreyen vonn den Canzeln darwider gedrungenn vnnd sich zu vorigenn jren vnsehambarn*) furgebungen noch mehr vngegrundter dingk zu erhaltenn vnterstandenn, das man auf diesem taill hat grundt vnndt vrsachenn der beschehenn Christlichenn vnter- richtung, wider solche gefurthe falsche lehre von vnmeidlicher noth wegenn, an tag gebenn, vnnd das volek mit anzaig gotlicher hailiger sehrifft, darwider vnterrichten®) mussen wie man genadt vnnd vorgebung der sundenn erlangen vnnd dye gewissen dureh glauben an Christum tróstenn sold, das allen Christenn zuwissenn noth ist. Daraus dann hat volgenn mussen, diweil man dodurch gedrungen ist worden vom grunde jrer vnschicklichen lehr zuredenn, So hat aus an- zaigung der gegrundeten warhait ein mibbrauch nach dem andern auch fallen, vnnd so avner durch bestendigenn grundt abgelaynt, hat der ander vnnd aber ein ander so darauf hat wollen gewidembt werdenn, aueh fallenn mussen, Als

1) Gestrichen: als.

*) Hinter „gotslesterung“ scheint etwas zu fehlen. Cf. unten.

*) Unleserlich; es scheint nur eine etwas groß geratene Form des folgenden h dagestanden: zu haben oder nur ein ganz kurzes Wort wie: so.

*) Korrigiert aus: vnschantbarn.

5) Gestrichen: mugen.

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wie mit aynem gebeudte, do der grundt darauf es gefast wandelbar vnnd nicht bestendig ist. Die prelatenn haben berurte vngeschickte predigen!) vnnd schreiben?) hyngehen lassenn vnd dorjnnen als sich woll geburt hete, nicht ge- sehenn, das die sachenn mit schrifften soweit getriebenn wordenn, das vill redlicher vnnd gelerter leute welche die ergangen baider part schreibenn gegeneinander erwogen vnnd gesehenn, diesem tail vnnd jrer lahr habenn zufalh gebenn vnnd dieselb vor christlich vnnd guet achtenn vnnd riehtenn mussenn, Nemlich das auf diesem taill vonn dem stuck, wie man genad vnnd vorgebung der sunde erlangenn soll, recht gelert, vnnd der widersacher furgebenn vngegrundt vnnd vnrecht jha wider die helle gotliche schrifit erticht were. So kann auch kay. Mat. genedigklich bedenckenn das den- jhenen, denen goth genade des vorstands gotlicher schrift vorliehenn, nicht hat geburen wollenn An vnterlaß darzu stiller zu schweigenn vnnd das christlich volck mit solchenn ertichtenn vnnd ergerlichen lehren annvnterlaß vorfuren zu- lassen vnnd das gezeugknus der erkandten warhait zu vor- bergen ader vorhaltenn. Dann wie sand Chrisostumus sagt. das wort xi.q.iijc nolite timere referirt werdenn, So soll nyemants vmb menschlicher forcht willenn vnterlassenn, das er die warbait nieht frev bekenne. Dann nicht allain ist das ein falscher gezeuge, der anstat der warhait lugen redet. sundern aueh der so die warhait nicht frey bekennen thuet ader dieselbige nieht vorthednigt, jst auch ein falscher ge- zeuge. Beweret solehs durch den spruch sand paulus zu denn Romern?) mit dem herzenn glaubenn wir zu der ge- reebtigkait, aber mit dem munde bekennen wir zu der seligkait. Dorzu hat sich auch. kain ergernusse wollen ansehen noch schewhen*) lassenn, das dorumb die warhait wider die offentliche_vnwarhait nicht sold an tag gebenn wer- denn, Dann kay. Mat. wissenn, das es nuzlieher?) ist jn sachen des glaubens ergernuß zuentstehenn vnnd erwaehsenn lassenn, dann das vmb ergernuf willenn die warhait vorschwigenn vnd vordruekt sold pleibenn.

Das aber nhun auch die widerpart heyschenn dieser lehre vnnd den predigern derselbigenn gern auflegenn wolltenn, Als wurdenn alle guete ordnungk, Cerimonien vnnd gotselige nuzliche kirchennbreuche dodureh zuruttet vnnd

1) Korrigiert aus: prediger.

?) korrigiert aus: schreiber.

3) Köm. 10, 10,

*) = schauen?, korrigiert aus: ansehenn.

^ Am Rande von anderer (Kanzler Brücks?) Hand: meñig- licher wers.

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nydergelegt, Auch wie sie vnerfintlich_redenn durffenn, gute werck verbotenn, So wirdet kay. Mat. aus nachverzaichen- tenn berichtenn vnnd den artigkeln berurter lehre spuren, wie es sich vmb die kirchenbreuche, Cerimonien vnnd anders jnn des Churfurstenn zu Sachssen Landenn haltenn ist, auch was allenthalben dorjnne gelert wirdet, vnnd ob recht schaffene christliche werek vnnd ordnungen ader anders das gotselig ist, nydergelegt, vorworffenn vnnd zuruttet werde, 'jader nicht, vnnd das solche der widerpart angebenn ein vnnotturfftige vnd vnerfintliche, vnpilliche auflag ist, dann diese lahr ist gar nicht dohin gericht.

Schon bei oberflächlicher Betrachtung fällt die große Ahnlichkeit unseres Schriftstückes mit der Einleitung der von Schornbaum im Nürnberger Kreisarchive gefundenen und von Kolde veröffentlichten Nürnberger Rezension der . Confessio Augustana auf?) Eine vergleichende Betrachtung des Inhaltes beider Stücke möge dies noch deutlicher machen.

In Ja, wie ich das Stück aus der Jenaer Handschrift in Anlehnung an Koldes Bezeichnung der Nürnberger Rezen- sion durch Na der Kürze halber nennen will, wird zunächst die Kais. Majestät auf Grund des Reichstagsausschreibens gebeten, den folgenden Bericht über Lehre und Kirchen- gebräuche in des Kurfürsten Landen anzuhören, wie vor Alters auch die früheren römischen Kaiser wie Constantinus, Theodosius, Carolus Magnus und Heinricus Il. in Sachen der Religion und des Glaubens getan haben, und wie ja auch in Psalm 2 und 47 die Könige, Fürsten, Potentaten und Herren auf Erden ermahnt werden, Christus, das Evan- gelium zu hören, durch Erhaltung der rechten, reinen christ- lichen Lehre in der Kirche die Ehre Gottes und den wahren Gottesdienst zu mehren und als Beschützer der Erden die Frommen und Gottesfürchtigen zu schützen. Da nun die Kais. Majestät unter allen römischen Kaisern der gewaltigsten einer ist und von hochadliger, kaiserlicher Tugend, löblichem

1) Am Rande von anderer (Kanzler Brücks?) Hand: sonderlich. *) Kolde, Die älteste Redaktion der Augsburger Konfession mit Melanchthons Einleitung zum erstenmal herausgegeben und geschichtlich gewürdigt. Gütersloh 1906. Zur Bezeichnung der Einleitung als Sup- plikation vgl. jetzt: Wilh. Gussmann, Quellen und Forschungen zur Geschichte des Augsburg. Glaubensbekenntnisses 1911. I, 1 S. 431.

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Gerücht und Namen und an Ruhm den oben genannten Kaisern nicht nachsteht, wird sie dem kaiserlichen Aus- schreiben nach in Liebe und Güte eine Einigung herbei- zuführen trachten, auf daß alle Sachen der Religion aus der Schrift erforscht werden und nicht aus Menschensatzungen, altem Herkommen, Gebräuchen und Gewohnheiten, die in Sachen des Glaubens keine Berechtigung haben, wofür auf Augustinus und Gregorius verwiesen wird.

Auch Na beginnt mit einer captatio benevolentiae, aber sie ist hier viel kräftiger und deutlicher als in Ja, indem vor allem die Milde und Güte betont wird, die die Kais. Majestät bisher gezeigt und auf die der Kurfürst nächst auf Gott seine höchste Hoffnung und Zuversicht setzt. Der Kaiser könne nichts Gott Angenehmeres noch sich selbst Ehrenvolleres und Rühmlicheres tun, als seine Macht und Gewalt zur Einigung der Christenheit zu gebrauchen. Nun wird auch hier auf Theodosius, Karl den Großen und Heinrich U. (— Constantinus fehlt in Na! —) verwiesen und auf Psalm 2 und 47; ebenso folgt der Appell an die kaiser- lichen Tugenden und an seine Gewalt, dagegen findet sich die Warnung vor den Menschensatzungen mit dem Zitat aus Augustinus und Gregorius in Na nicht.

Ja geht naeh der eaptatio benevolentiae zunächst auf die Mißbräuche ein, die sehr bald schon in der ältesten ehristliehen Kirehe eingerissen seien, wie mit den angeführten Stellen aus Augustinus und Gregorius sowie besonders durch den Hinweis auf Cyprianus und auf den Apostel Paulus be- wiesen wird. So seien der Mißbräuche in der Kirche immer mehr geworden, so daß bereits St. Bernhard darüber klagt und besorgt ist, daß aus ihnen schließlich der Greuel, davon Christus gesagt, erfolgen würde. So ermahnt auch Papst Innocenz III. die Prälaten, nicht zuzulassen, daß die Leute in ihren Kirchen mit Erdiehtungen und falschen Lehren be- trogen werden, „wie dann an vielen Orten umb Genieß oder Nutzes halben zu geschehen pflegte“. Ferner wird der Kaiser daran erinnert, wie auf dem Reichstage zu Worms mit seiner Zulassung eine Zusammenstellung von Mißbräuchen übergeben worden sei; und schließlich wird noch auf Hadrian VI. hin- gewiesen, der auf dem Reichstage zu Nürnberg (1522,23)

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durch seinen eigenen Legaten Mißbräuche in der Kirche aufzeigen ließ und Abhilfe versprach.

Als Zweck dieses ausführlichen Beweises wird angegeben, daß der Kaiser nun von niemandem überredet werden könne, als seien überhaupt gar keine Mißbräuche in der Kirche vorhanden! Für die Einzelheiten wird auf die später fol- gende „stückweise“* Behandlung dessen, was in des Kur- fürsten Landen gelehrt und gepredigt wird, verwiesen.

In Na fehlt der Abschnitt über die Entstehung und Ver- breitung der Mißbräuche in der Kirche. Dafür wird hier an dieser Stelle, bevor „die im Kurfürstentum gepredigte Lehre erörtert wird, gezeigt, daß der Kurfürst nicht aus bösem Vorsatz dieser neuen Lehre Vorschub und Beistand getan hat“ (Kolde a. a. O. S. 36) und zu diesem Zwecke hier eine Verteidigung des Kurfürsten und seines Bruders Friedrichs des Weisen eingeschoben.

In Ja wird nun die Ursache der neuen Lehre und der Abschaffung mißbräuchlicher Zeremonien in des Kurfürsten Landen besprochen: Wie jedermann sonderlich in deutscher Nation weiß, ist fast überall wenig von den Hauptstücken christlichen Glaubens gepredigt und gelehrt, vielmehr sind dem Volke viel schädliche und unnütze Lehren anstatt Gottes Wort vorgetragen worden; besonders von den Indul- genzen ist ungöttlich und unschicklich vor dem Volke ge- redet worden. Da ist es denn nötig gewesen, die Leute hierüber christlich zu unterrichten, weil durch längeres Schweigen zu dieser Verführung des einfältigen Volkes die wahre christliche Religion in Verachtung gekommen wäre. Als sich nun aber etliche in ihrem Gewissen gedrungen fühlten, gegen dieses ungeschickte Predigen von den Indul- genzen aufzutreten, haben die Widersacher und ihre Anhänger ihre ungegründete und lästerliche Lehre durch. Schrift und Wort zu verteidigen gesucht, ja, sie noch überboten, so dab man dagegen auf Grund der heiligen Sehrift das Volk hat unterrichten müssen, wie man (Gnade und Vergebung der Sünden erlangt. Nachdem man nun aber der gegnerischen Lehre auf den Grund gegangen war und die Wahrheit auf- gezeigt hatte, hat ganz von selbst ein Mißbrauch nach dem andern fallen müssen. Die Prälaten haben die falschen

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Prediger in ihrem Tun nicht gehindert und haben nicht gesehen, daß viele redliche und gelehrte Leute der rechten Lehre von der Gnade und Vergebung der Sünden zugestimmt und sie für christlich und gut gehalten haben. Die aber, denen Gott die Gnade des rechten Verständnisses göttlicher Sehrift verliehen hat, konnten nicht stillle dazu schweigen und zulassen, daß das christliche Volk noch länger durch falsche Lehren verführt würde. Sie wären ja sonst (nach dem Urteile des Chrysostomus) selbst wie falsche Zeugen gewesen, wenn sie die erkannte Wahrheit verborgen gehalten hätten. Zum Schluß wird noch gegen die Beschuldigung der Widersacher, daß in den kurfürstlichen Landen alle gute Ordnung, Zeremonien und gottseligen, nützlichen Kirchen- bräuche dadurch zerrüttet und aufgehoben und die guten Werke verboten wären, auf die folgenden Beriehte und Artikel der neuen Lehre verwiesen.

In Na schließt sich der entsprechende Abschnitt über die Entstehung der neuen Lehre direkt an die oben er- wähnte Verteidigung des Kurfürsten an. Die neue Lehre sei nieht von ihm ausgegangen, ,sondern von den vielen Frommen, die davon beschwert wurden, daß die christliche Lehre mit Menschensatzungen, unnützem Geschwätz und täglich sich mehrendem Mißbrauch unterdrückt und ver- finstert wurde, von der Buße aber und der uns nicht um unserer Genugtuung willen, sondern durch den Glauben an Christum gegebenen Gnade niemand etwas zu sagen wußte“ (Kolde, Die älteste Redaktion der Augsburger Konfession S. 36) Wie in Ja wird daun auch in Na die Predigt von den Indulgenzen als die eigentliche Ursaehe der Neuerungen angegeben, aber hier wird nun im Unterschiede von Ja das Auftreten Luthers, der in Ja sonderbarer Weise überhaupt nicht erwähnt wird, geschildert. Auch in Na wird am Schluß der Einleitung auf die Beschuldigung der Gegner eingegangen, daß in den kurfürstlichen Landen. „alle Zere- monien abgeschafft und alle geistliche Ordnung zerrüttet“ (Kolde a. a. O. S. 37) sei, hier werden aber die guten christ- lichen Zustände in Kirche und Schule viel ausführlicher als in Ja behandelt.

Aus dieser Vergleichung von Ja mit Na erhellt deutlich,

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daß beide trotz einzelner Abweichungen doch im Großen und Ganzen den gleichen Inhalt haben und ihn auch in der gleichen Anordnung bieten. Sie berühren sich aber an vielen Stellen auch im Ausdrucke und stimmen zum Teil wörtlich miteinander überein. Das möge die folgende Zu- sammenstellung zeigen, die übrigens nur die gleichen Aus- drücke an den sich entsprechenden Stellen berticksichtigen soll. Außerdem ist hierbei zu beachten, daß wie Na!) so vielleicht auch Ja eine Übersetzung aus dem Lateinischen ist wenn die Latinismen in Ja nicht einfach damit zu erklären sind, daß: in einer Zeit, in der Latein geläufiger als Deutsch war, einem Deutsch schreibenden Verfasser ganz unwillkürlich lateinische Wendungen in die Feder kamen. Hätten wir beide Stücke im deutschen Originale, so würden die wörtlichen Übereinstimmungen vermutlich noch viel zahl-

reicher und deutlicher sein.

Ja.

So vermanet auch der hailig geist jm andern psalm die könig, fürsten, potentaten ... dan also spricht der psalm, So seyt nhun klueg.

Die fursten vnter den Vol- ekern seind versamlet zu aynem volck dem Goth Abra- ham, wan sich die beschützer der erden zu Gott thun.

So zaiget der prophet!) ahn, das dann die Recht Ehre Gottes . . . gemehret vnnd erhaldtenn wirdet.

Darumb werden sie auch beschützer der Erdenn ge- nennet, das jnenn got auf- gelegt, die frommen vnd got- furchtigenn jnn trewlichem schuz vond schirm zu habenn.

1) Kolde a. a. O. S. 32f. 43/44.

Na.

. .. wie dan der heilig geist die fursten furnemlich vermant, . . ., da er spricht im andern psalm, so seyt nun klug ir könig.

Die fursten der volcker versamlen sich mit dem Gott Abraham, wenn die fursten des lands sich zu got ver- samlen .

mit diesen worten will der prophet!) anzeigen, das gottes eer gefurdert werd.

Darumb nennt er auch die fursten . . . beschutzer des lands, das si die fromen und gotsforchtigen sollen mit irer gewalt schutzen und hand- haben.

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. was jn des Churfur- stenn zu Sachssenn landen gelert . . . wirdet.

haben die widersacher ... lesterliche lehre

diweil man dadurch drungen ist worden . ..

ge-

vill redlicher vnnd gelerter leute diesem tajl vnnd jrer lahr habenn zufalh gebenn.

... als wurdenn alle guete

ordnungk, Cerimonien vnnd gotselige nützliche kirchenn- breuche dodurch zuruttet vnnd ny dergelegt.

. . . dann diese lahr ist gar nieht dohin gericht!

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' die leer . . die in dem ehurfurstentumb Sachsen ge- leret wirdt.

aber seine widersacher... Jießen viel lesterlicher buch- lein ausgeen.

nicht dest minder wardt Luther gedrungen . . .

und hetten vil fromer und gelerter leut ob seiner ant- wort ein gefallen.

. als hetten wir alle ceremonias ernider gelegt und zurutten alle geistliche ord- nung und satzung.

dan dise leer nit dahin ge- richt ist...

(Schluß folgt im nächsten Heft.)

Aus den Zeiten des Interim. Briefauszüge aus Nord- und Westdeutschland. Mitgeteilt von Walter Friedensburg.

Die Jahre nach dem Schmalkaldischen Kriege bilden eine Prüfungszeit für den deutschen Protestantismus. Bisher unter der Gunst der Umstände machtvoll emporgetragen, hatte dieser nun, nach schweren Niederlagen im Felde, zu bewähren was in ihm war, zu zeigen ob die Wurzeln, die er geschlagen, festhielten. Nicht ganz ohne Opfer ist der Protestantismus durch diese Periode hindurchgegangen, aber im großen und ganzen hat er die Probe, auf die das Geschick ihn stellte, bestanden, ja, aus Unglück und Not neue Kräfte gesogen. Mochte auch, von einer einzigen Stelle abgesehen der siegreiche Kaiser, der Vorkämpfer des Katholizismus im ganzen Umfang des deutschen Reichs keinem Widerstande begegnen, mochten Fürsten und Stadthäupter wetteifernd herbeieilen und seine Gnade anflehen, das Volk war nicht gemeint, vom Evangelium, das ihm längst lieb geworden und mit seinem ganzen Dasein innerlich verwachsen war, abzulassen.

Die nachfolgenden Brief- und Zeitungsbruchstücke spiegeln diesen Verlauf wider. Sie zeigen, wie der Katholizismus, anf den Kaiser und dessen Erfolge gestützt, im Westen und Norden unseres Vaterlandes wieder Fuß zu fassen versucht, aber alsbald auf starken Widerstand stößt, an manchen Orten auch völlig abgelehnt wird. Wegen der Einzelheiten, die die an Ort und Stelle aus genauester Kenntnis abgefaßten Aufzeichnungen enthalten, sind ihre Schilderungen nicht ohne Wert. Die Namen der Verfasser wie der Adressaten sind unterdrückt; wir erkennen nur, daß beide Teile im katholischen Lager stehen. Vorgefunden haben sich die Stücke ab-

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schriftlich oder auszüglich teils unter den Briefschaften des Kardinals Marcello Cervini in Florenz, teils in den Farnesischen Papieren in Neapel.

1. Nachrichten aus Halberstadt: Wirken des Justus Jonas in Hildesheim. Die Altstadt und die Neustadt Hildesheim. Rückkehr Herzog Heinrichs von Wolfenbüttel in sein Land. Der vertriebene Erzbischof von Bremen und die Stadt Bremen. Markgraf Johann von Brandenburg bei Herzog Heinrich: Katholische Restaurationsbestrebungen desletzteren. Zahlungen der Diózesen Halberstadt und Magdeburg und der Stadt Halle an den Kaiser. 1547 August 16. |

Ex literis datis 16 augusti 1547: ex Halberstadio.

In civitate Hildensemensi adhuc magna pressura et oppressio cleri est; nam circa primum hujus Justus Jonas), Lutheri incarnatus, ymo ipsius diaboli unigenitus, in collegiata ecelesia Sancte Crucis Hildensemensis incepit legere epistolas saneti Pauli ad Ephesios, et omnes monachi et clerici totius civitatis sub pena proseriptionis extra civitatem eorum per senatum Hildensemensem compulsi sunt violenter ad eandem lectionem auschultari. et per hoe constituitur eidem Jonae ibidem salarium a clerieis; una ecclesia dat ei plus, altera minus et ecclesia Sanete Crucis coacta est ei 80 florenos polliceri annuatim pro eorum personis, et; omnes clerici ibidem compulsi sunt per consulatum ad dandum consulatui vigesimum denarium omnium bonorum suorum mobilium et immobilium.

Ante mensem vel circa omnes incolae novae civitatis Hildensemensis compulsi sunt senatui antiquae civitatis Hilden- semensis dare ex qualibet domo duorum florenorum con- tributionem; ineolae autem novae civitatis nolebant dare. ideo incolae antiquae civitatis clauserunt ad 8 dies portas civitatis antique et coegerunt eos ne emerent cibos et alia vietus necessaria, et proseripserunt eos extra eorum anti- quam civitatem. et sie compulsi vi cogebantur dare unum florenum ex qualibet domo senatui antiquae civitatis; sed alterum florenum pro qualibet domo addidit senatus novae eivitatis.

Henricus dux Brunswieensis cum mile equitibus rediit ad dominia sua unacum Carolo filio primogenito.

!) Jonas war nach der Niederlage Johann Friedrichs vor dem Zorne Herzogs Moritz von Sachsen, mit dem er sich überworfen hatte, aus Halle, wo er Prediger war, geflüchtet; bis Februar 1548 wirkte er in Hildesheim.

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Philippum, alterum filium, dimisit apud imperatorem. et iterum occupavit omnia dominia sua etiam attinentia ad diocesim Hildensemensem. omnia possidet, quasi nunquam profugatus fuisset, et hodie est in Wulffenbuttell, principali castro ducatus sui.

Cives Brunswicenses vendunt ei cerevisiam et panes et omnia necessaria.

Row d. archiepiscopus Bremensis !) est per Bremensem civitatem profugatus non solum extra diocesim Bremensem, sed etiam Verdensem, et ipsi Bremenses occupant vi ambas dioceses. dieitur quod idem Henricus dux fratrem suum archiepiscopum ex commissione imperatoris nunc velit restituere et nomine imperatoris civitatem Bremensem iterum obsidere. et dicitur quod Sua Cesarea Majestas iterum mittet ad dictum Henricum 3000 equitum pro obsidione Bremen. et heri ac hodie fuit hic rumor quod Bremen jam sit iterum obsessum, de quo tamen non est certitudo.

Illm»: princeps Johannes marchio Brandeburgensis, frater eleetoris, gener ejusdem ducis Brunswicensis °), venit cum eodem duce, qui, ut dieitur, est commissarius imperatoris, et die veneris 12 hujus intravit Brunswicensem civitatem, ubi etiam uti princeps est acceptatus honorifice, et agit quotidie cum Brunswicensi civitate super restitutione damnorum per ducem passorum, et speratur quod sit spes concordie.

Idem dux Henrieus jam restituit omnes monachos et moniales e suis terris profugatos et facit per eos divina juxta morem sanete Romane ecclesie resumi, et restitui facit illis bona eorum antea in absentia sua per Lutheranos illis vi ablata, et undiquo facit colligi fratres ad sua monasteria desolata. et debet dixisse, etiam si 2000 fratres venirent, illos in suo dominio velit colligere. et colligit predicatores catholicos, qui in terris suis predicent et inducant populum ad verum antiquum catholicum ordinem.

Hie in Halberstadt adhue sumus absque eapite et episcopo, et etiam in diocesi Magdeburgensi?).

Hec nostra diocesis Halberstadensis dedit noviter impera- tori viginti millia florenorum, et Magdeburgensis diocesis dat quadraginta millia flor.; oppidum Halle Magdeburgensis dioc. dat quindecim millia flor.

Neapel, Grande Archivio Carte Farnesiane Fasc. 744, gleichzeitige Abschrift.

!) Christoph, Bruder Herzog Heinrichs von Braunschweig- Wolffenbüttel, Erzb. von Bremen 1511—1558, zugleich Bischof von Verden (seit 1502).

2) Johann war seit 1537 mit Katharina, Tochter Herzog Heinrichs, vermühlt.

3) Bischof von Halberstadt und Erzbischof von Magdeburg war Johann Albrecht von Brandenburg.

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2. Nachrichten aus Bremen: Dänemark erstrebt Frieden mit dem Kaiser, die verheirateten Bischöfe treten zurück. Der Erzbischof von Bremen ist mit dem Kapitel versöhnt. Kaiser verlangt Wiedereinsetzung der alten Hierarchie in Däne- mark. Oldenburg nimmt das Interim an; andererseits Wider- stinde gegen den Kaiser und das Interim bei den nord- deutschen Städten. 1548 Dezember 11.

Ex civitate Bremensi 1548 dec. 11.

Ferunt regem Datie!) conditiones pacis a Caesarea Majestate oblatas aeceptare velle et civitatem Hamburgensem partes regis tenere nee Caesarem bello provocare aut ad regnum Dati elicere. episcopi certi regni Datie uxorati episcopatus ad manus capituli resignaverunt in favorem quorundam catholicorum canonicorum, nepotum et amicorum ipsorum, timentes exitum rei. cautiores facti exemplo villici iniquitatis?) episcopatus amicis dimittent, ut uxores retineant.

R=» et I]?"* dominus archiepiscopus Bremensis tandem pacem cum suo capitulo, nobilibus ae civitate confecit, per Caesaream Majestatem confirmandam et approbandam, et ad omnia eastra et dominia sua integre restituetur hie in diocesi Bremensi, prout in Verdensi restitutus est, laus Deo!

Ferunt Caesaream Majestatem requisivisse Danorum regem ut archiepiscopatus et episcopatus, abbatias et monas- teria restituat reedificetque, et ideo in ducatu Holtsatie ac regno Datie dietas binas generales observatas esse; quid fiet, videbimus.

Item comes Oldenburgensis?) illud Interim in suis comi- tatibus aeceptari ubique mandavit isto mense preterito, sub penis eorporis et bonorum. dieitur tamen a multis, presertim a mercatoribus, quod multe civitates Saxoniae et marittime septentrionales unacum quibusdam principibus, etiam regibus. novum foedus inierunt de non acceptando illo Interim, quod- que legationem ad Caesarem mittent pro obtinenda sua intentione, alioqui velint se. ut melius possint, defendere.

Neapel, Grande Archivio Carte Farnesiane fasc. 737, gleichzeitige Abschrift.

3. Nachrichten aus Speier: Wiederherstellung des Reichs- kammergerichts unter dem Bischof von Speier; Austreibung

1) Christian ITI 1533—1559.

?) 8o!

3) Vgl. von Drussel, Briefe und Acten III (Beiträge zur Reichs- geschichte 1546—1552) S. 148. (Graf Anton von Oldenburg erklärt 1548 September 24, er will nach Möglichkeit das Interim beobachten.)

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genannter Prokuratoren. Katholische Restauration im Württem- bergischen und Kurpfälzischen. 1548 Dezember 23.

Ex Spira 1548 dec. 23.

Rm dominus meus episcopus Spirensis !) est supremus commissarius Iudieii Camerae Imperialis, quod de novo fuit ordinatum prima die octobris 1548, deputatis personis 24, additis decem assessoribus, qui adjuvent illas 24 personas; sunt igitur simul 34, qui prestiterunt eidem R™° domino episcopo Spirensi prima octobris nomine Caesareae Majestatis juramentum.

Et dicta die prima octobris fuit etiam solemniter cantata missa de spiritu sancto et finita missa te deum laudamus decantatum.

Deinde quinta octobris procuratores ejusdem Judieii Camere Imperialis prestiterunt suum juramentum, attamen quidam eorum fuerunt exclusi, qui nunquam debebant in ludieio Imperiali advocare aut procurare, videlieet doctor Helffman, doctor Engelhart, doctor Hoes et licentiatus Maji.

Ex aliis litteris.

In ducatu Wirtenbergensi continuatur ordinatio et restitutio antiquae religionis, deficientibus presbiteris catho- licis, qui undique solicitantur et apud capitula Spirense et Wormatiense ac ex aliis locis.

Similiter Il»! princeps elector Palatinus?) mandavit in suis ditionibus antiquam catholicam religionem restitui di- missis lutheranis coneionatoribus.

Neapel, Grande Archivio Carte Fornesiane fasc. 737, gleichzeitige Abschrift.

4. Nachrichten aus Hildesheim betreffend den Stand der kirehlichen Dinge in Stadt und Bistum und in der Nach- barschaft, den Streit Herzog Heinrichs d. J. mit den Städten Braunschweig und Goslar, Brände in Einbeck, Tod der Landgrüfin von Hessen, Kirchliches im Kurfürstentum Sachsen, in den sächsischen Herzogtümern, in Stadt und Bistum Merseburg. 1549 Mai 2.

Ex civitate Hildensemensi 2 maji 1549.

Nostra civitas Hildensemensis manet indurata, neque scitur ubi pro nune sit noster episcopus?), longa defatigatione

et cura eurisque exhaustus, neque in ea civitate acceptarunt Interim.

1) Philipp von Flersheim 1529—1552. 2) Friedrich II, Kurfürst von 1544—1556. 3) Valentin von Teutleben 1587—1551.

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Tamen post tot annos atque mandata Caesarea Rev. d. abbas saneti Godehardi ad suum monasterium in civitate Hildensemensi restitutus est unacum fratribus suis et ad omnia bona ipsius monasterii, initis tamen concordia et paetis cum senatu Hildensemensi, inter que est unum, quod divina et cerimonias juxta ritum catholice ecelesie peragere possunt clausis januis, veluti faciunt.

Simili modo restituti sunt canonici collegiate ecclesie Sanete Crucis Hildensemensis, de qua restitutione concionatores Lutherani in eadem civitate furiunt et blaterant ex suggestu; ymo clamant monachos et canonieos esse omnino necandos et e medio submovendos.

In locis nostris eircumvieinis omnia peraguntur Luthe- ranorum more, ubi potius Lutheranismus augetur, et nullibi acceptatum est illud Interim.

Il®® d. Henricus dux Brunswicensis adhuc est in magna discordia eum civitatibus Brunswicensi et Goslariensi; sed istis diebus elapsis fuit in tractatu cum eisdem civitatibus et fuerunt mediatores pacisque traetatores principes et pre- eipui ex senatibus civitatum Lubicensis et Luneburgensis; qui licet valde laboraverint et per plures dies tractaverint, tamen nihil effeetum fuit, quinymo omnis labor perditus est, ideoque negotium istud videtur esse in majori periculo quam hactenus. hine Brunswicenses cives alunt in corum civitate 400 equites, eolleeturi plures. contra dux cogitat quo pacto possit eorum insultibus resistere, ideoque et ipse militem colligit. et si ad arma deventum fuerit, erimus in maximo diserimine etiam in hae civitate Hildensemensi ob malos concionatores civesque.

Oppidum Eimbicense ante aliquot annos miraculose quasi exustum, eum deriderent sanetos, iterum pro medietate exustum est et eque obstinati manent in eorum Lutheranismo. ubique sunt perieula nihilque eurantur, adeo viget obstinatio.

Item uxor lantgravii Hassie, filia bo. me. ducis Saxonie Georgii catholici, mortua est et in vigilia pasche sepulta ').

In dominiis eleetoris Saxonie ducis Mauritii omnia aguntur Lutheranorum more, ubi tumultuantur tam nobiles quam plebei et rustici, dieiturque quod dux non sit admo- dum in Caesaris gratia, nee sciatur ubi nune sit idem dux.

Filii dueis eaptivi, olim electoris, Saxonie?) vivunt suo more ef permiserunt quod subiditi eorum invaserunt depre- dantes dominia eivitatis Erfurdensis, que Caesari obediens

1) Christine, geb. 1506, vermühlt 1523, gest. 15. April 1549.

*) Johann Friedrich der Mittlere, Johann Wilhelm, Johann Ernst und Johann Friedrich der Jüngere, die Söhne des abgesetzten und gefangenen Kurfürsten Johann Friedrich.

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est, licet Lutherana, sed nunquam adhesit conjurationi Smal- ealdiane neque clerum expulit minusque spoliavit, nisi tan- tum in jurisdictione ecclesiastica.

In civitate et ecclesia Merseburgensi adhuc omnia pera- guntur Lutheranorum more ef canonici pro majori parte duxerunt uxores, qui omnes sunt Lutherani effecti et indies magis deficiunt a catholica religione. nostri amici, domini Joachim a Latorff!) et doctor Joannes Horneburg, Merse- burgenses canonici, constantissime perseverant in catholico ritu et sese opponunt Lutheranis quantum possunt. et dicitur quod sub finem hujus mensis maji celebrabitur aliud capi- tulum ad eligendum episcopum juxta commissionem Caesaree Majestatis in personam R. d. suffraganei Maguntinensis, si Lutherani canonici non impediunt, sieut jam per plures annos fecerunt?).

Florenz, Archivio di Stato Carte Cerviniane filza 28 fol. 101a bis 1023, Abschrift.

5, Nachrichten aus Halle, betreffend die unentwegt lutherische Haltung der Stadt Magdeburg und die an- scheinende Unmöglichkeit einer Restitution des Katholizismus dort. Die kaiserliche Acht scheint wirkungslos zu bleiben. Der Erzbischof ist seiner Güter beraubt und führt krank ein elendes Dasein. 1549 Mai 17.

Ex oppido Hallis Magdeburgensis dioc. de dat. 17.maji 1549.

Status hujus nostre patrie est infelicissimus et indies magis augetur suppressio ecclesiasticorum magisque in- saniunt nostri cives Magdeburgenses in sacram catholicam religionem. quo fit ut plures, qui meliora sperabant, retra- hantur ab resipiscentia. frustra post Caesaris victoriam biennio jam actum est et solicitatum pro restitutione, quae etiam debite nunc minime fieri posset; nam fundi et bona ecclesiastica sunt alienata ecclesieque pro majori parte, domus curieque ecclesiasticarum personarum everse, usurpate et alienate, adeo quod, etiamsi ipsi latrones cives Magde- burgenses permittere vellent restitutionem fieri, non esset in eorum potestate minusque damna resareire possent. et casu quod restitutio fieret, non reperiuntur catholici religiosi neque

1) Ein Joachim von Latorff erscheint 1520 als Havelberger Dom- herr; die aus dem Anhaltischen stammende Familie war außerden im Brandenburgischen und den Gebieten der heutigen Provinz Sachsen angesessen.

3) Im Bistum Merseburg hatte Herzog August von Sachsen die Administration, die er seit 1544 versah, im Oktober 1548 niedergelegt. Kandidat der katholischen Partei war Michael Helding, Weihbischof von Mainz.

Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 3. 18

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presbyteri seculares, ut catholica religio de novo instituatur. interim boni successive interierunt et indies moriuntur, desti- tuti omni spe post tam longam moram admissam in defen- sione religionis nostre catholice, et si qui (pauci licet) restant Catholiei, defatigantur in solicitationibus et querelis suis ac impensis. quid erit sperandum, nisi solus Deus in melius provideat?

De restitutione R™! et Ill”! domini nostri archiepiscopi Magdeburgensis parum gloriari valeo, quia nunquam sue eeclesie Magdeburgensis possessionem habuit et maxima pars dominiorum suorum, unde vivere et statum intertenere deberet, occupatur per civitatem et consulatum Magdeburgen|sem] preter omnem rationem et jus. vilipendunt etiam imperatorem nec hie in propinquo principes, comites, barones et nobiles Caesaris edictum ) exequi audent. nam ipsi Magdeburgenses sunt adeo feroces quod cunctos terreant eum comminatione quod velint eorum dominia auferre et subvertere. jactitant se habere maximam confederationem et subsidia; sed spero ex illorum desperatione hane spem potius esse confictam.

Preterea de valetudine ejusdem R®i et gratiosissimi domini nostri archiepiscopi Magdeburgensis nihil boni scribere valeo. ultra quasvis tribulationes et sue Magdeburgensis eeclesie spolia gravi cruris infirmitate continue detinetur nee dextrum pedem curvare potest, sed simpliciter extensum intertenere cogitur. et eirurgieum habet, qui morbum ineurabilem dieit, et nullibi ire potest nisi portetur. parum quiescit et noctes insomnes ducit. misera vita principis hujus! nam bonis spoliatus eorpore quoque affligitur absque intermissione. hoc spolium triennio jam elapso duravit, preterea quod clerus in hae regione martirium suffert. Deus concedat nobis meliora!

Florenz, Arch. di Stato, Carte Cerviniane filza 28 fol. 109a, Abschrift.

6. Briefauszug aus Worms betreffend Kirchliches aus Heidelberg, Frankfurt und Straßburg, wo überall das Luther- tum sich behauptet; kirchliche Zugeständnisse erscheinen unabwendbar. 1549 Mai 18.

Ex literis de dat. Wormatie 18 maji 1549.

Palatinum eonjugemque?) ejus audivi hoc paschate sub una tantum specie communicasse, major autem pars auli- corum sumpserunt in pago Heydelberge vieino utramque speciem.

1) Das ain 27. Juli 1547 erlassene kaiserliche Achtsdekret. 2) Dorothea, Tochter K. Christians II. von Dänemark, vermühlt 1532, gestorben 1580.

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Venerabile sacramentum aliquot diebus post illius!) canonicos Heydelbergenses in ecclesiam S. Spiritus remi- gravit. ut autem non omnino consentirent catholice eeclesie et viderentur aliquid plus sapere, adposuerunt argenteum vaseulum, in quo sanguis Christi per eos consecratus una eum hostiis conservatur, ut infirmi qui petunt in promptu habeant utramque speeiem, quod est in ecelesia prohibitum et eredo neminem hereticorum antea vel fecisse vel cogitasse. dicunt tamen nullo infirmo petente sacerdotes de biduo in biduum sumere, ne acescat.

Frankfordienses babent sex concionatores hereticos et unum solum catholicum, ovem inter lupos, quem pauci audiunt et omnes rident, licet vir sit valde doctus et probus. nuper quidam ex illis ita induxit evangelium?): ,modicum et non videbitis me et iterum modicum et videbitis me ete.‘: „nonne dixi vobis semper evangelii persecutionem non diu duraturam vosque bono animo esse debere? quod nunc iterum dico, quia brevi aut imperator erit fautor evangelii aut morietur, quia etiam est mortalis, et in modico tempore libere per fotum mundum predicabitur evangelium!“

Argentinenses omnes coneionatores ex oppidulis, que imperatori resistere non possunt. profugos benigne excipiunt et favent. nulla adhue ibi missa est celebrata aut hore decantate; in aula tamen imperatoris de illis dicitur quod aeceptaverunt illud Interim.

Et in summa omnia sunt pejora prioribus, et nisi per coneilium aut pontificem et imperatorem super communione utriusque speciei ef pretenso sacerdotum conjugio, item qui debeant ad eoneionandum admitti, declaratio et determinatio facta fuerit, frustra celebramus synodos, frustra nos refor- mamus, et timendus est ingens . . .?) tumultus aut universalis ruina Germanie.

Hee sunt que post nuperrime seripfas ad R. Ill. D. V. literas audivi. ex his reliqua atque adeo universus status noster facile colligi possunt.

Florenz, Arch. di Stato, Carte Cerviniane fasc. 28 fol. 100^, gleichzeitige Abschrift.

7. Nachrichten aus Mainz über den Besuch des dortigen Provinzialkonzils. 1549 Mai 24.

Ex Moguntia de dat. 24 maji 1549.

Fuit bic celebrata synodus provincialis, que fuit incepta 6 hujus et finita et publicata hodie, scilicet 24 maji. nullus

1) So! Es ist wohl etwas ausgefallen (vielleicht: jussu per). *) Evang. Joh. 16 V. 16. *) Durch einen Ri im Papier der Vorlege ist ein Wort ausgefallen.

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episcoporum suffraganeorum personaliter comparuit preter episcopum Eistetensem'), qui adfuit. alii comparuerunt per eorum nuncios; etiam Ru et Ill»»* dominus Joannes Albertus archiepiscopus Magdeburgensis misit suos oratores ratione sue ecelesie Halberstadensis, et episcopus Hildense- mensis in termis?) existens misit suos; sed archiepiscopus Bremensis ratione sue ecelesie Verdensis et episcopus ...?) neminem miserunt, quod archiepiscopus Maguntinensis valde egre tulit.

Florenz, Arch. di Stato, Carte Cerviniane fasc. 28 fol. 1005, gleichzeitige Abschrift.

8. Briefauszug aus Osnabrück: Werbungen. Annahme des Interim und katholische Haltung im Westfälischen. Wirren in Minden. Bremen und der Kaiser. 1549 Mai 26,

Ex literis de dat. ex Osnaburgis in Westphalia 26 maji 1549.

Colliguntur in loeis vicinis milites, presertim equites, qui proficiseuntur versus Brabantiam, ubi lustrabuntur; dicitur quod sint in favorem regis Angliae. dubitatur tamen ne sint in alium usum.

Aliquot oppida vicina, presertim Hervordia et Lemegat), aeceptarunt illud Interim. nostri cives Osnaburgenses obediunt mandatis R"i domini nostri episcopi quoad ordi- nationem veteris religionis; quidam autem moriuntur absque sacramento eucharistie, quando illud sub utraque specie consequi non possunt. si episcopus noster vellet consentire tantum quoad communionem sub utraque spetie juxta tenorem Interim, Lutherani hic essent quietiores; nam de matrimonio ecclesiasticorum hie non curatur.

Monasterienses tam in civitate quam tota diocesi vivunt juxta antiquum ritum catholice ecclesie; similiter in diocesi Mindensi; sed in urbe Mindensi senatus nondum potest ple- bem compescere. ideo H'""* dominus noster episcopus coge- tur armis agere contra eosdem. verum timende sunt civi- tates "vicine adhue valde potentes. ideo episcopus noster non potest absque perieulo solus rem aggredi. speramus quod Deus et tempus moderabuntur multa, presertim si Bremensis civitas acceptaret Interim, ad quam respicit civi- tas Mindensis. existimatur autem, uti mussitatur, quod ante festum nativitalis saneti Johannis Baptiste erit alia rerum

1) Moritz von Hutten 1539—1552.

2) D. i.: thermis (im Bade). -

*) Der größte Teil des Wortes ist durch einen Riß im Papier zerstört.

4) Herford und Lemgo.

5) Franz Graf von Waldeck 1532—1553, gleichzeitig auch Bischof von Münster, |

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facies; nam forsann Caesar aliquid statuet contra Bremenses, qui tamen cupiunt gratiam Caesaris; sed pecuniam, quam Caesar ab eis postulat, non possunt, etiam si vellent, numerare, eum non sit in eorum potestate. existimant non- nulli quod Caesar ideo tam magnam pecuniae summam ab ipsis exigat, ne facile consequantur ipsius gratiam ob longam eorum inobedientiam.

Florenz, Arch. di Stato, Carte Cerviniane filza 28 fol. 1015, gleichzeitige Abschrift.

Karlstadt in Tirol?

Von H. Böhmer.

Am 3. Oktober 1525 starb der Fürstbischof Sebastian von Brixen. Das Kapitel ordnete sofort eine Neuwahl an. Aber einer der Kapitelsherren, Ludwig von Emaushofen, Pfarrer und Spitalsverwalter zu Clausen, erklärte am 10. Oktober, in einem an Franz Anton Sinnacher, Beiträge zur Geschichte der bischöflichen Kirche Säben und Brixen in Tirol 1830 Bd. 7 S. 246f. aus dem Archiv des Brixener Hochstiftes mitgeteilten Briefe: er könne zu dem anberaumten Termine (21. Oktober) nicht in Brixen erscheinen, weil ihm durch die Knappen der Villander Erzgruben zurzeit so viele Schwierigkeiten bereitet würden. ‘Coneionatorem Carolo- stadium hominem nefandissimum variis loeis et nuper ex Lüsen pulsum in predieatorem quantumcumque me reluctante acceperunt. Ist das wahr? Hat Karlstadt wirklich im Herbst 1525 versucht, in dem abgelegenen Luisentale nordöstlich vom Neustift sich festzusetzen, und ist er wirklich danach auch an dem 10. Oktober von den Villander Knappen in Clausen zum Prediger gewählt worden? Johann von Kripp !) und Loserth?) haben diese Frage ohne weiteres bejaht, ja Kripp scheint Karlstadt mit dem ungenannten Prädikanten identifizieren zu wollen, der mit Michael Gaisimaier im Juli 1525 nach Brixen kam und dort nach dem Bericht des Domprobstes nichts als Aufruhr und Empörung, nach anderen Berichten in und um Brixen auf den Dörfern, hierauf zu

!) Ein Beitrag zur Geschichte der Wiedertäufer in Tirol. Programm des Staatsgymnasiums in Insbruck 1857 S. 27.

?) Der Anabaptismus in Tirol, Archiv für österreich. Gesch. 75 (1892) S. 447 f.

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Sterzing und Meran „viel lutherischer und ketzerischer Lehren“ gepredigt haben soll. Bargn sind diese An- gaben entgangen. Sonst hätte er sicher dazu Stellung genommen. Holen wir dies nach, indem wir fragen, ist ein Abstecher Karlstadts nach Tirol im Herbst 1525 wahr- scheinlich oder auch nur denkbar.

Am 12. Juni 1525 befand sich Karlstadt nachweislich in Frankfurt am Main. Von hieraus schrieb er an Luther den bekannten demütigen Entschuldigungsbrief mit der dringenden Bitte, ihm bei dem Kurfürsten die Erlaubnis zur Rückkehr nach Sachsen zu erwirken, vgl. Enders Luthers Briefwechsel m. 946,5 S. 193. Zur selben Zeit schickte er seine Frau nach Sachsen zurück. Am 26. Juni weilte diese in der Nähe von Wittenberg wohl in Segrehna bei ihren Verwandten, vgl. Melanchthon an Camerarius Ci. R 1, S. 751.

Am 25. Juli faßte Karlstadt selbst seine „Erklärung“ auf, „wie Karlstat sein lere von dem hochwirdigen Sacrament und andere achtet und geacht haben wil", vgl. Bargn 2 S. 3661 Vor dem 12. September war er schon in die Nähe von Wittenberg übergesiedelt, vgl. Enders m. 976, 5 S. 239, Bargn 2 S. 580. Am 12. September verwandte sich Luther für ihn bei dem Kurfürsten, vgl. de Welte 3 S. 2Sf. Am 17. September antwortete der Kurfürst auf dies Bittgesuch, Enders 979, 5 S. 241 ff. Am 9. Oktober, also einen Tag vor dem Datum des Berichtes des Clausener Pfarrers, über- sandte Karlstadt von Segrehna aus dem Kurfürsten seinen inzwischen in Wittenberg bei Grünenberg mit einer Vorrede Luthers gedruckten Widerruf, vgl. Bargn 2 S. 581. Hieraus ergibt sich zur Gentge: Karlstadt ist im Herbst 1525 sicher nicht in Tirol gewesen. Aber wie konnte Ludwig von Emaushofen dann so etwas behaupten? Vielleicht ist er von den Villander Knappen mistifiziert worden oder was mir noch wahrscheinlicher dünkt, Sinnacher hat den be- treffenden Passus in dem ihm anliegenden Buche, der in seiner Wiedergabe auch sonst einen verdächtigen Eindruck macht (concionatorem Carolostadium in predicatorem ucceperunt), falsch gelesen. Jedenfalls haben wir keinen Anlaß, die sicheren chronologischen Angaben, die sich aus

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den oben angeführten echten Urkunden tiber Karlstadts „Reisegeschichte“ ergeben, zu bezweifeln.

Im Anschlusse hieran noch zwei nebensächliche Be- merkungen zu Karlstadts Lebensgeschichte:

1. Im August 1525 schreibt Lutber an Johann Brismann nach Königsberg, Enders 5 S. 226 m. 969: 'Seripsi antea de Martino Cellario et num latiur ad principem Adelbertum, simal de ceremoniis instituendis. Ideo brevissime nunc tecum ago tot scribendis obrutus. Si Carlstadii vel Zwinglii venenum de sacramento ad vos pervenerit, vite, ut vigiles. Fuit homo miser apud me clauculo servatus. Nune totus vrbis ei angustus est: ita ubique petitur, ut ab hoste coactus sit petere praesidium. Tractavi hominem quantum potuo humaniter atque juvi, sed sensu suo non cedit etiam comictur, ut solet hoc genus spiritum. Tu ergo cave eum et dogma ejuo. Ego inveni omnia vera esse in ipso, in hae re praesertim. Das Original dieses Briefes ist leider ver- schollen. Es ist also möglich, daß der Text Schaden gelitten hat, möglich aber auch, daß die große Eilfertigkeit, mit der Luther geschrieben hat, die große Unklarheit erklärt, die den zitierten Versen anhaftet. Der Passus Fuit homo bezieht sich nach dem Zusammenhange auf Zwingli. Die Schlußsätze scheinen dagegen auf Cellarius zu gehen, der im Juni schon in Königsberg angekommen war, vgl. ebd. S. 191 m. 944. Daß Luther Zwingli nicht gemeint haben kann, ist klar. Aber auch Cellarius ist ausgeschlossen, wie Kawerau, Kóblin-Cawerau 1* S. 795 Anm. 2, gezeigt hat. Denn Cellarius war von Württemberg oder der Schweiz über Österreich, Polen, Danzig damals naeh Kónigsberg gekommen. Es bleibt also, trotzdem der Wortlaut diese Deutung eigentlich ver- bietet, nichts anders übrig, als seine Angaben auf Carlstadt zu beziehen.

2. Nach einer mir handschriftlich vorliegenden Notiz aus Reershemius, Ostfriesiches Predigerdenkmal, Aurich 1774, S. 49, hätte Carlstadt 1529/30 nahe bei Marienhafn in Ost- friesland zeitweise ein Landgut besessen. Ob das wahr ist, vermag ich nicht zu entscheiden.

Georg Motschidler, ein neuentdeckter Flugschriftenverfasser. Von 0. Clemen.

In der Zeitschrift für deutsche Philologie 37, S. 66—113 hat Alfred Götze unter dem Titel: „Urban Rhegius als Satiriker“ auf Grund scharfsinniger sprachlicher Unter- suchungen folgende Flugschriften dem Augsburger Reformator zugewiesen: Klag und Antwort von lutherischen und päpst- ischen Pfaffen über die Regensburger Reformation (= Schade, Satiren und Pasquille aus der Reformationszeit III Nr. VII Panzer, Annalen Nr. 2438), Weggespräch gen Regensburg zu ins Konzilium zwischen einem Bischof, Hurenwirt und seinem Knecht Kunz (= Schade III Nr. VIII = Panzer Nr. 2941 und Weller, Repertorium typographicum Nr. 3677), Gespräch zwischen einem Edelmann, Mönch und Kurtisan = Schade III. Nr. V = Weller Nr. 3372, andere Ausgabe Weller Nr. 3373 [Gymnasialbibliothek zu Hirschberg i. Schl.]), Unterred des Papstes und seiner Kardinäle (= Schade III Nr. IV = Panzer Nr. 2937 [Dessau]), Gespräch zwischen einem Barfüßermönch und einem Löffelmacher (= Weller Nr. 1776), andere Ausgabe Weller Suppl. I Nr. 190 [Hirsch- berg i. Sehl]) Gedicht vom Almosen (Weller Nr. 1308f, 1313f. und S. 455; der von Götze benutzte Druck ist Weller Nr. 1313). Ferner hat Gótze die Deutung der Pseudonyme Simon Hessus und Henricus Phoeniceus auf Urbanus Rhegius und die Zuweisung des Dialogs zwischen Kunz und Fritz an ibn bestätigt. In der Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen 1905, S. 74f. erschien alsbald eine kurze Besprechung der Gótzesehen Abhandlung von K. M., in der

1) Den hübschen Titelholzschnitt schreibt Róttinger Jörg Breu zu. Vgl. Frankfurter Bücherfreund, Mitteilungen aus dem Antiquariate

von Joseph Bär & Co. 8. Jhrg. 1910 Nr. 4, S. 107 Nr. 3624; S. 110 ist der Titel der Flugschrift reproduziert.

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gegen diese Zuweisungen leise Bedenken geäußert wurden. Inbesondere machte der Rezensent darauf aufmerksam, daß in den von Götze für Urban Rhegius in Anspruch genom- menen Flugschriften Schade III Nr. V und IV wiederholt der Wahlsprueh: ,Es ist assun(n)", einmal mit den hinzu- gefügten Initialen „J. M.", begegnet!) Nun gebe es aus späterer Zeit eine Schrift mit der ganz ähnlichen Unter- schrift: „Es ist assun. G. M.“; als Verfasser nenne sich der Wittenberger Büchsenmeister Georg Motschidler. Also werde wohl auch in der Unterschrift des „Gesprächs zwischen einem Edelmann, Mönch und Kurtisan“ J. M. der Verfasser Jürg Motschidler stecken und dieser als der Verfasser des „Gesprächs“ und der „Unterred“ anzunehmen sein.

Nach längerem Suchen fand ich die in Rede stehende Schrift Georg Motsehidlers, von der Gödeke, Grundriß U? S. 282 Nr. 45,2 ein Göttinger Exemplar erwähnt, auf der Zwickauer Ratsschulbibliothek, und zwar gleich in zwei Exemplaren (XVII. XII. 1,, und XXIV. VIII. 16,,): Eneas Siluius: / darnaeh. Dapst Pius Secun- / dus genand, Der gelerts al-/ler Bepst, sagt von Frawen gluck, Wie sie / manchen vnuerdienten menschen, so/bald als den besten erhóhet, jun / Deutsch Reim gefast / durch / Georgen Motsehidler. / . . . 16 ff. 4°. 1P und 16^ weiß. 16° unten: Es ist assun./ G. M. Die Vorrede ist datiert vom 19. April 1539 und überschrieben: Dem Edlen vnd Vhesten, Curfürstlieher durchleuchtigkeit zu Sachsen Land vnd Oberzeugmeister, Friedrichen von der Grun’),

7) Am Schlusse der „Vorred“ zur ,Unterred" heißt es (Schade S. 75): „Verstehe mich recht, ob er gewünn, Mein reim heißt: Es ist assunn“, am Ende des „Beschluß“ zur Unterred (Schade S. 100): „Darumb ist er ein seltsamer kun [= Kunde], Hie stehet mein reim, heißt: Es ist assunn.^ Unter dem „Gespräch“ endlich steht (Schade S. 111): „Es ist assun. J. M.“ Götze S. 74 möchte assun(n) mit dem hebräischen às tun zusammenbringen und die Worte als Schlußformel fassen = Es ist vollbracht. Oder ist etwa an As, die Eins (unio) auf Würfeln oder Spielkarten, zu denken?

2) Der Zeugmeister Fritz v. d. Grün erscheint noch 1546 beim Wittenberger Festungsbau: G. Mentz, Johann Friedrich der Grob- mütige III, Jena 1908, S, 156 Anm. 5. Ein Brief Luthers an ihn bei Burkhardt, Luthers Briefwechsel S. 403; zur Datierung vgl. Preser- ved Smith, The American Journal of Theology 14, p. 284, ders., The Life and Lettera of Martin Luther, Boston and New York 1911, r. 364.

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Wundsch ich Georg Motschidler Büchsemeister, Gottes gnad vnd seligkeit. Es ist eine poetische Übersetzung des Somnium de fortuna des Eneas Silvius Piecolomini (Brief an Prokop von Rabstein, Wien 26. Juni 1444) }).

(Bei dieser Gelegenheit darf ich noch eine andere, aber prosaische Übersetzung dieses für die Geschichte der Ver- breitung des Märchens vom Schlaraffenland?) wichtigen Somnium erwähnen: Vom Schlauraffen / Landt. / Eyn vast kurzweilige vnnd /lüstige Histori zu / Lesen. / % Zu Wormbs truckts Sebastia- / nus Wagner. /12ff. 4°. 1P und 12 weiß. 11^ unten: * Zu Wormbs truckts Sebastianus Wagner j Im jar nach der geburt Christi vnsers / Herren, M. D. xlj./ F. W. E. Roth, Die Buchdruckereien zu Worms am Rhein im XVI. Jahrhundert und ihre Erzeugnisse, Worms 1892, S. 39 kennt diesen Druck nieht. Dagegen hat ihn Gódeke II? S. 282 Nr. 46* naeh einem Wolfenbütteler Exemplar ver- zeichnet. Ein zweites Exemplar in Zwickau: XXIV. VIII. 16,.)

Wir haben von Motschidler auch noch eine Versifizierung des Luthersehen Katechismus; es hat sich nur noch ein defektes Exemplar in Dresden (Theol. ev. cat. 187. 8°) er- halten. Das Widmungsschreiben ist an den kurfürstlichen Kämmerer Hans von Ponikau gerichtet und datiert: Witten- berg, 10. Mai 1539?). |

Ob unser Autor identisch ist mit dem 1587 in Reins- bronn in Württemberg verstorbenen Georg Motschidler *), steht dahin.

!') Rudolf Wolkan, Der Briefwechsel des Eneas Silvius Picco- lomini I. Abteilung: Briefe aus der Laienzeit (1401—1445), I. Band: Privatbriefe, Wien 1909, S. 343 ff. Nr. 151.

2, Vgl. dazu die reichen Nachweise bei Joh. Bolte, Bilderbogen des 16. und 17. Jahrhunderts, Zeitschrift des Vereins für Volkskunde in Berlin 1910, Heft 2, S. 187ff.

3) Weimarer Lutherausgabe 30!, S. 659, 726, 825; Reu, Quellen zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts in der evaugelischen Kirche Deutschlands zwischen 1530 und 1600, I. Teil, II. Bd., 1. Abteilung, Gütersloh 1911, S. 472*.

*$) M. Schlenker, Blätter für württembergische Kirchengeschichte. N. F. 14, S. 139.

Mitteilungen.

Zur Vorgeschichte des Reichstags in Augs- burg 1530. Die Vorbereitungen, welche die Theologen in beiden Lagern für den Reichstag in Augsburg trafen, kennen wir ziemlich genau. Für die evangelische Seite kann jetzt auf das reichhaltige Werk von Wilh. Gußmann, „Quellen und Forschungen zur Ge- schichte des Augsburgischen Glaubensbekenntnisses“, Bd. I, 1 und 2, Leipzig und Berlin 1911, verwiesen werden. Hier sind bis jetzt un- bekannte theologische Gutachten in guter Anzahl mitgeteilt. Über die Rüstung der katholischen Theologen vnterrichtet am besten Joh. Ficker in der Einleitung und den Beilagen zu seiner Schrift „Die Konfutation des Augsburgischen Bekenntnisses* (Leipzig 1891). Wie eifrig aber schon im Februar gearbeitet wurde, um den Kaiser mit jenen kräftigen Schriften wie Ecks 404 Artikel, den Monstra secta- rum ex Luthero et Lutberanis enata etc. über den Protestantismus zu orientieren, zeigt folgender Eintrag im Protokoll des Senats der Uni- versität Tübingen Fol. 22V: |

Die sexto februarij (1530)... Eodem die mandatum regie maiestatis, ut colligantur in unum omnes Lutheranorum errores, commissum est facultati theologice (Acta senatus 1, 2, 1524—1545). Das theologische Gutachten der Fakultát ist nicht erhalten, es ist aber anzunehmen, daf es sich in Wien unter den Papieren Joh. Fabris findet, da es höchstwahrscheinlich an die Regierung in Wien eiu- gesendet wurde. G. Bossert.

Neuerscheinungen.

Quellen. Von H. Lietzmanns „Kleinen Texten f. Vorles. und Übungen" (Bonn, Marcus und Weber) sind drei neue Stücke an- zuzeigen.

In Nr. 86 gibt O. Clemen „Alte Einblattdrucke“ heraus, die sich im Laufe der Jahre bei ihm aus allerlei entlegenen Stellen zusammengefunden haben, eine recht reichhaltige Sammlung, die vom Ende des 15. bis über die Mitte des 16. Jahrh. hinausreicht: Ablässe, Bruderschaftsbrief, Volkslieder, kursächsische Mandate gegen das kirch- liche und sonstige Bettelwesen, Pasquille, Leipziger Vorlesungs- und Bücheranzeigen, ein Leipziger Osterprogramm, zahlreiche Melanch-

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thon und einzelne P. Speratus und C. Brusch betreftende Stücke. 77 S. M.1.50. Nr. 87. Der ,Unterricht der Visitatoren an die Pfarhern im Kurfürstentum zu Sachsen“. Wittenberg 1528, hrsg. von H. Lietzmann. 48 S. M. 1.—. Nr.88. Joh. Bugenhagens Braunschweiger Kirchenordnung 1528, hrsg. von dem nüm- lichen. 1528. M. 2.40.

P. Leonh. Lemmens O.F.M., Aus ungedruckten Franzis- kanerbriefen des 16. Jahrh. (Greving, Ref.-geschichtl. Stud. u. Texte 20. Münster, Aschendorff 1911, X, 120 S., M. 3,30) ist eine Nebenfrucht der in den norddeutschen Archiven und Bibl. angestellten Forsch. zur Gesch. der Sächs. Franziskanerprovinz, und zwar handelt es sich um die Ausbeute aus den Archiven von Zerbst und Dresden (Stadtarchiv). Die Briefe werden zuerst in umfassenderem Rahmen besprochen, dann mitgeteilt, und zwar die Zerbster (die hauptsüchlich den Briefwechsel der katholisch gebliebenen Fürstin Margarethe von Anhalt über die Clemen im 2. Ergz.-Bd. unseres „Archivs“ zu vgl. entstammen) in kurzen Regesten (da ihre Veróffentlichung anderswo erfolgen soll), die Dresdener (vermischte Franziskanerkorresp.) im Wortlaut. Die sorg- fültige Arbeit gibt über das Verhältnis des Franziskanerordens zur Ref. und für die Schicksale zahlreicher Ordensleute in den Stürmen der letzteren wertvolle Aufschlüsse.

Untersuehungen und Darstellungen. K. A. Meissin- ger, Luthers Exegese in der Frühzeit (Leipzig, Heinsius Nachf. 1911; VI, 86 S., M. 2.75). Das unter dem Einfluß Joh. Fickers in Straß- burg entstandene Schriftchen stellt einen Beitrag zu dem Thema: ,Luther und das Mittelalter^ dar. Es behandelt Luthers vor 1517 fallende biblische Vorlesungen, die sich durch ihre Zusammensetzung aus Glosse und Scholien von den späteren unterscheiden, Der Stoff ist eingeteilt in „Luthers Verhältnis zur Vulgata“ und „zu den Urtexten“; ein Anhang erörtert die Notwendigkeit, eine „Bibliothek Luthers“, d. h. ein Verzeichnis aller von diesem benutzten Schriften zusammenzustellen, ` und gibt selbst ein alphab. Verzeichnis der von L. in der Frühzeit ge- lesenen Exegeten.

P. Heidrich, Karl V. und die deutschen Protestanten am Vorabend des Schmalkald. Krieges (I. Die Reichstage 1541—1543, VI, 164 S.; II. Die Reichstage 1544—1546, 161 S.) kommt zu dem Ergebnis, dem Kaiser habe sich vom Regensburger Rt. von 1641 ab infolge der unerwarteten Hartnäckigkeit der Protestanten, die ihm dann auch auf den Rtt. von 1542—1543 entgegengetreten sei, die klare Erkenntnis der unbedingten Notwendigkeit des Krieges aufge- drängt, ohne daß damit zugleich die sofortige Ausführung des Kriegs- planes beschlossen gewesen sei. Dann aber habe der Sieg über den Hg. von Cleve nicht nur die politische Situation zu Gunsten des Kaisers veründert, sonderen letzterem auch die Augen über die politische Un- fähigkeit der Schmalkaldener geöffnet. So bringen die Reichstage von 1544—1546 nur die Ausführung seines Entschlusses, die eigentlich schon 1545 erfolgen sollte; doch wird auf dem Wormser Rt. die Ent-

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scheidung nochmals vertagt bis darauf endlich 1546 der Regensburger Reichstag bis an die Schwelle des Waffengangs führt, Das Ergeb- nis ist, soweit es sich um die von Karl selbst in seinen Kommentarien bezeugte Einwirkung des Clevischen Krieges handelt, nicht neu; anderer- seits hätte diese Erklärung Karls, wonach für ihn der Protestanten- krieg damals überhaupt erst möglich geworden ist, den Vf. warnen sollen, von einem festen EntschluB zum Kriege bei Karl schon seit 1541 zu sprechen. Aber selbst nach dem clevischen Feldzuge be- herrscht letzteren der Kriegsgedanke nicht in dem Grade, daß er jede andere Kombination ausgeschlossen hätte; ich habe im Gegen- teil in der Einleitung zum 8. Bande der Nuntiaturberichte nachweisen können, wie noch bıs zur zwölften Stunde der Kaiser nicht unwider- ruflich zum Kriege entschlossen ist, sondern unausgesetzt nach Mög- lichkeiten Umschau hält, die ihn vielleicht noch sicherer ans Ziel führen möchten. Dem gegenüber kann man nicht mit Heiderich sagen, daß es seit 1541 mit der Friedenspolitik des Kaisers für immer vor- bei gewesen sei. Dazu berechtigen auch die neuen Aufschlüsse nicht, die H. besonders aus dem reichen Brüsseler Archiv beibringt und die im übrigen unsere Kenntnis der Geschichte jener bedeutsamen Jahre in erfreulicher Weise bereichern. Küntzel, Frankfurter historische Forschungen, Heft 5 und 6. Frankf., J. Baer & Co 1911, 1912, à M. 5.—.

Der Verein f. RG. beginnt eine neue Serie von Veröffentlichungen (unter dem Titel: Studien zur Kultur u. Gesch. der Ref) in glück- lichster Weise durch. eine Gesch. der Ref. in Polen von Th. Wotschke. Selten ist wohl ein Autor so trefflich gerüstet an seinen Stoff herangetreten wie W., der in mehr als 50 Einzelunter- suchungen (das Verzeichnis s. S. X f.) das ganze Gebiet der poln. RG. durchforscht hat, das er nun einheitlich zusammenfaßt. Er zeigt kurz die allgemeine Lage der Dinge in Polen, um dann das erste Ein- dringen und allmáhliche Erstarken der Ref. in den verschiedenen Teilen der Monarchie (unter Berücksichtigung auch Litauens sowie der bóhmisehen Brüder) zu schildern. Epoche macht der Tod des Kónigs Sigismund I. (1548); der Nachfolger, Sigismund August, er- zeigt sich der Ref. freundlicher und diese.tritt mehr und mehr in den Vordergrund und schickt sich an, den endgültigen Sieg zu erringen, als der Ausbruch innerer, dogmatischer Streitigkeiten die Macht der Evangelischen schwächt und den Anhängern Roms die Möglichkeit gibt, den Kampf mit Erfolg wieder aufzunehmen. Immerhin behauptet bis in die 70er Jahre (bis wohin W. seine Darstellung führt) der Protestantismus eine achtunggebietende Stellung; noch 1570 faßt er seine Kräfte in der Union von Sandomir zusammen und diese erlangt bei der nächsten Thronerledigung unter geschickter Benutzung der Umstände in der Warschauer Konfoederation von 1573 die rechtliche Grundlage ihrer Bekenntnisfreiheit, die freilich den Protestantismus in Polen nur so lange schützte als er selbst sich zu schützen im Stande war. Verhängnisvoll ist es für den Prot. in Polen geworden, daß seine Bekennerschaft auf Bürger und Adel beschränkt blieb; in die Bauern-

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schaft ist er nieht eingedrungen. Gleichwohl bildet die Reformations- zeit politisch wie literarisch den Hóhepunkt der polnischen Geschichte; an dem Rückfall zur römischen Kirche ist Polen zugrunde gegangen. Leipzig, Haupt, 1911. XII, 316 S.

Aus einer Preisfrage von Teylers Godgeleerd Genootschap her- vorgegangen ist die gekrönte Schrift Geschiedenis van het Luthe- ranisme in de Nederlanden tot 1618 von dem besten Kenner dieser Materie I. W. Pont, eine sehr sorgfältige und ergebnisreiche Arbeit. Das Luthertun spielt ja nur eine bescheidene Rolle in den Niederlanden; immerhin zeigt Pont seine Verbreitung über die meisten Provinzen. Den órtlichen Mittelpunkt bildet zuerst Antwerpen, spüter Amsterdam. Deutscher Einfluß macht sich nicht nur bei der Begrün- dung luth. Gemeinden in den Ndl., sondern auch später fortdauernd geltend, In die angrenzenden deutschen Gebiete flüchten die Lutheraner Antwerpens beim Kommen Albas und organisieren sich dort in „Haus- kirchen“, die sie später in ihre Heimat zurückzubringen sich bestreben. Zu Anfang des 17. Jh. findet eine festere Verbindung der einzelnen Gemeinden zu einer „Synode“ statt. Sehr instruktiv ist der Abschnitt über die durchweg aus Deutschland bezogenen lutherischen Schriften und Lieder (S. 257fl.; vgl. den Exkurs S. 589ff. über die luth. Gesangbücher). Die Schrift bildet den 17. Teil der Neuen Serie der „Verhandelingen rakende den Natuurlijken en geopenbaarden godsdienst“, uitg. door Teylers Godgeleerd Genootschap*. Haarlem, Erven F. Bohn 1911. XVI, 632 S.

Unter dem Titel Protestantismus und Toleranz im 16. Jahrh. (Freib. Herder 1911: VI, 3971 S., M. 5.10) stellt N. Paulus 25 von ihm an verschiedenen Orten veröffentlichte Einzelunter- suchungen zusammen, die alle das Gemeinsame haben, daß sie die Reformatoren möglichst intolerant zeigen. Die Art Paulus’, seinen Stoff mit großem Spürsinn zusammenzutragen, ebenso aber auch dessen tendenziöse Gruppierung und einseitige Verwertung, ist bekannt. Wie wenig sicb diese Eigenschaften hier verleugnen, hat eingehend und schlagend G. Bossert (in ThLZ. 1912 m. 5) erwiesen. Um so weniger wird man die Schlußfolgerungen des Vf., der bewiesen zu haben glaubt, daß der Protestantismus nicht der Vater der Toleranz sein könne, un- besehen hinnehmen wollen. Und wer sähe nicht, daß für das Auf- kommen religiöser Toleranz die Wegräumung des ungeheuren Geistes- drucks der allbeherrschenden Papstkirche, dem das ganze Mittelalter unterlag, die unerläßlichste, entscheidendste Vorbedingung war! Diese befreiende Tat aber haben Luther und seine Mitstreiter vollbracht, und wenn die Toleranz im heutigen Sinne noch nicht ihre Sache sein konnte (wo wäre übrigens je ein großer Neuerer tolerant gewesen’), so haben doch schon die Zeitgenossen der Reformation die Früchte einer bis dahin ganz unerhörten Freiheit der Freiheit, in kirchlich-religiösen Dingen der Stimme ihres Gewissens weithin zu folgen genossen.

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! Bibliographie '. (Bei der Redaktion eingegangene Blicher.)

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Dürrwächter, A., Jakob Gretzer und seine Dramen. Ein Beitrag zur Gesch. des Jesuitendramas in Deutschland. VIII, 216 S. M 5,10.

Eder, G., Die Reformvorschläge Kaiser Ferdinands I. auf dem Konzil von Trient I. Münster, Aschendorff 1911. XII, 259 S. M 6,80.

Hecker, O. A., Religion und Politik in den letzten Lebensjahren Herzog Georg des Bärtigen von Sachsen. Leipzig, Quelle & Meyer. 128 S. M4.

Keller, A., Die Wiedereinsetzung des Hzs. Ulrich von Württemberg

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Lang, A., Die Domkirche und die Domgemeinde zu Halle a. S. Mit 17 Abb. Halle, G. Moritz 1912, 57S. M 0,75.

Lauchert, F., Die italienischen literarischen Gegner Luthers. Freib.. Herder 1912. XVI, 7148. M 15,—.

Luthers Werke in Auswahl. Unter Mitwirk. von A. Leitzmann, hrsg. von O. Clemen. Erster Band. Bonn, Marcus & Meyer 1912 IV, 5128. geb. M 5,—.

Mentz, G., Handschriften der Reformationszeit. Bonn, Marcus & Meyer 1912. VIII, 50 Tafeln u. 38 S. Text. fol.

Müller, A. V.. Luthers theologische Quellen. Seine Verteidigung gegen Denifle und Grisar. Gießen, Tópelmann 1912. XVI, 244 S. M 5,—.

Schieß, Tr., Rriefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer 1509—1567, in Verb. mit dem Zwingliverein in Zürich, hrsg. von der Bad. Histor. Komm. Bd. 3 (1549—1567). Freib., Fehsenfeld 1912. XX, 936 S. M30,—.

Schriften der V. f, Ref.-Gesch. Jahrg. 29, St. 2/3 (Nr. 106/07): Ney, J., Pfalzgr. Wolfgang zu Zweibrücken. Krone, R., Lazarus von Schwendi. Leipzig, Haupt 1912. 166 S. M 2,10.

v. Schubert, H., Die Vorgeschichte der Berufung Luthers auf den Reichstag zu Worms (SB. d. Heidelb. Ak, W. Phil.-hist. Kl. 1912, VI) Heidelb., Winter 1912. 29 S.

Staub, P. Ignaz, Dr. Johann Fabri. Generalvikar von Konstanz (1518—1523) bis zum offenen Kampf gegen M, Luther (Beil. zum Jahresb. der Stiftsschule Einsiedeln 1910/11.) Benziger, Einsiedeln 1911. 187 S.

7) Vgl. Jahrg. VIII S. 339f, (nebst Anmerkung).

Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H., Gräfenhainichen.

Wilhelm Postell.

Seine Geistesart und seine Reformgedanken. Von J. Kvačala.

I.

Schon bevor Bossert auf Postell die Aufmerksamkeit der Theologen gelenkt!), hatte ich, älteren Winken folgend, dessen bedeutsame Stellung in der Geschichte der Wandlung des religiösen Denkens seit der Reformationszeit zu beleuchten versucht?). Weitere Studien, gerichtet auf die Erforschung der persönlichen und sachlichen Bedingungen dieser Stellung- nahme P.s, ergaben, wenn auch nicht mit voller Deutlichkeit, einen Zusammenhang zwischen seinen nafuralistischen und seinen apokalyptisch-chiliastischen Neigungen, was nicht über- rascht. Mystik und Naturalismus schließen ja auch sonst in der Geistesgeschichte häufig einen Bund. Außer dem, was sie einzeln bedeuten und bewirken, beansprucht zuweilen auch die Art der Verbindung der Beiden im persönlichen oder im gemeinschaftlichen Leben die Aufmerksamkeit des Forschers. Eine Geisteskraft, die scharfe Gegensätze zu einer Einheit ausgliche und so zu dauernden Schöpfungen befähigte, finden wir bei Postell nicht vor. Obwohl er auch in der Philo- sophie bewandert war und mehrere Werke systematischen Charakters abgefaßt hat, zeigen sich Zerrissenheit und Wider-

1) Theol. Literaturzeitung 1907, S. 209.

2) Vgl. mein Buch: Th. Campanella, ein Reformer der ausgehenden Renaissance, Berlin 1908, S. 78—87. Da mir eine deutsche Re- zension, die wenigstens über den Inhalt des Buches orientierte, nicht bekannt geworden ist, so verweise ich auf F. Toccos Abhandlung: „Le pubblicazioni del professor Kvačala sul Campanella“ (in der Rendi- condi der Akademie der Lyncei in Rom XVIII, 12, auch als besonderes Heft) Roma 1910.

Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 4. 19

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sprüche sogar in seinen flieBend geschriebenenSehriften. Darum hat ihn auch sein Anhang nicht überlebt.

Wodurch er auf dem Höhepunkt seines Lebens gefesselt hat, das war die Fülle neuer und edler Gedanken, die, gegen die Scholastik gerichtet, zuweilen, wenn sie aus orientalischen Quellen stammen, allzu bizarr anmuten, die aber von ihm mit reichem Wissen begründet, ohne Scheu vor Gefahr und Mühe, dabei mit einem Enthusiasmus, der vermutlich in einer krank- haften Veranlagung seine tiefste Quelle hatte, unentwegt ver- kündet wurden. Indem er mit den meisten bedeutenden Per- sonen einer großen bewegten Zeit in Berührung kommt, zeigt er uns ein Doppelbild: einerseits prophetische Weihe in Ver- kündigung erhabener Ideen, andererseits erscheint er infolge Mangels an Konzentration und infolge der Nichtbeachtung der Welt wie ein törichter Sonderling. Aber dies Doppel- bild zeigt sich als einer kühnen, von Freiheitsdrang erfüllten Individualität gehörend, die prinzipiell nicht gegen die Autorität gerichtet, sich dieser auf die Dauer doch nicht zu fügen weiß. Während sich so in seinen Schriften und in seinem Benehmen eine Lösung des inneren Widerspruchs nicht bietet, tritt; er beständig als Prediger des Friedens und der Toleranz auf.

Die folgenden Zeilen sollen, dieser Sachlage entsprechend, zunächst ein Verständnis der Person P.s anstreben, dann aber diejenigen seiner Schriften und Lehren besprechen, die auf den mannigfaltigsten Gebieten des menschlichen Lebens und Wissens (die Sprachwissenschaft muß leider unberücksichtigt bleiben) für Reformen eintreten. Von einem System kann dabei, auch wenn wir die abenteuerlichsten Gedanken nur flüchtig streifen, nicht die Rede sein. Auf eine minuziöse Verzeichnung, geschweige denn Ausmalung der biographi- schen Details, und auf literärhistorische Vollständigkeit und Genauigkeit hat es diese Arbeit, wie schon die Aufschrift zeigt, nicht abgesehen. Eine solche ist einstweilen bei der Beschaffenheit seines Nachlasses nicht zu erreichen. Es ist fraglich, ob und wo das Bedürfnis nach einer erschöpfenden Biographie Postells entsteht, auch wenn eine eingehende Kritik der bisherigen Bibliographien seiner Werke dazu die Grundlage geschaffen haben wird. Für unsere Zwecke gibt

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es an verläßlichem Material genug und zu dem bisher be- kannten habe ich manches Neue hinzugeführt.

Als erste Quelle sind Postells Werke zu betrachten, von denen aber auch die gedruckten größten Teils sehr selten sind; von den zahlreichen, früher: handschriftlich vorhandenen Ar- beiten ist heute kaum mehr als die Hälfte nachweisbar. Außer den Aufzeichnungen und Berichten zu unserem Thema aus dem XVI. und XVII. Jahrhundert, besitzen wir eingehendere theologische, bzw. kirchenge- schichtliche Würdigungen aus dem XVII. Jahr- hundert von Ittig), Buddeus?, Gottfried Arnold. Chaufepié?*)hat durch die Publikation der Briefe Postells an Masius, Mosheim durch die Herausgabe der Apologie für Servet, Des-Billons durch den Versuch einer wissen- schaftlichen Bibliographie wenigstens der gedruckten Werke Postells die Forschung vorwärts gebracht (1773) 5. Wo diese Bibliographie ausreicht, verweise ich hiermit, um Raum zu sparen, auf ihre größtenteils genauen Angaben, wie wohl auch Des-Billons Buch heute schon zu den selteneren gehört. Adelung hat in seiner „Gesch. d. menschl. Narrheit“ auch Postell nicht vergessen. Wie schief auch sein Stand- punkt ist, so ist seine Skizze, vielfach auf Des-Billon ruhend, im ganzen verläßlich, und er hat uns aus den von ihm per- sönlich durchgemusterten seltenen Schriften Postells auch manche Einzelheit von Wert aufbewahrt (1787). Während dieser im Laufe des XIX. Jahrhunderts weniger beachtet wurde, hat an dessen Neige in Frankreich G. Weill sowohl den Lebensumständen als auch den Meinungen Postells umfang- reiche und eingehende Studien gewidmet, das Althergebrachte

!) Eigentlich ist es eine Dissertation von Petzsch, die den Titel trágt: Exercitatio ... de G. Postello. Lipsiae 1704, aber Ittig hat sie auch in seine Opuscula, Lipsiae 1714 aufgenommen.

?) Thm sind zuzuschreiben die Observationes selectae, Halae 1700, u. ff. Für uns kommt besonders T. I in Betracht.

3) Nouveau dictionnaire historique et critique (Ergünzung zu Bayle) Bd, III. Artik. Postell. Amsterdam und La Haye 1758. |

*) Nouveaux éclaircissements sur la vie et les ouvrages de Guillaume Postell. Liége 1771.

19*

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mit Scharfsinn kritisch geprüft und manches neue festgestellt !). Leider befriedigt das, was er von seinen Ergebnissen bietet und wie er es tut, das wahrhaft historische Interesse nicht in dem MaaBe, wie es von Seiten des so gut orientierten Verfassers hätte geschehen können, und wie es der Leser wünschte. Nach ihm hat Picot in seinem Werke: „Les français italianisants* Paris 1905, Bd. I eine kurze, aber im Ganzen verläßliche, besonders Weills Forschungen aus- beutende, Skizze geboten, die aber leider eben die für sein Thema interessanten Beziehungen Postells zu der venezia- ‘nischen Jungfrau sehr flüchtig erledigt. Für diesen Mangel entschädigt das Verzeichnis der Kapitel aus dem für des Verfassers Aufgabe hauptsächlich in Betracht kommenden Buche Postells nur in sehr bescheidenem Maße. Zu dem von Weill verwerteten Material ist seitdem neues hinzuge- kommen. Über P.s Beziehungen zu dem neu entstehenden Jesuitenorden brachten die Monumenta Societatis Jesu, und der Briefwechsel des Canisius und über seine Anknüpfungen an das Tridentinum die Mit- teilungen Josef Sehweizers?) neue dankenswerte Einzel- heiten. Erstere sind bereits, allerdings etwas knapp, letztere noch nieht ausgebeutet in Fouquerays Buch: „Histoire de la Compagnie de Jésus en France, I. Paris 1910.

Ieh habe zu dem schon so oft gewtirdigten und heraus- gegebenen Brief Postells an Schwenkfeld einen zweiten ge- funden, die Mosheimsche Datierung der Apologie für Servet korrigiert, eine irenische Schrift Postells an Melanehthon (schon früher) in Wien und eine bisher unbekannte, bedeutsame Handsehrift in Berlin vorgefunden und habe so besonders den dramatischen Abschluß der Pariser messianischen Ver- kündigung als auch den der Wiener Professur eingehender schildern können. Natürlich habe ich auch die schon von anderen, so auch von Weill ausgebeuteten Pariser Hand- schriften und die venezianischen Inquisitionsakten berücksichtigt.

1) De G. Postelli vita et indole (These an die facultas literarum) Paris 1892. Bei Weill sind die genauen Titel der hier nur kurz ge- nannten Schriften (S. 5—11) zusammengestellt, Diejenigen, deren Titel ich hier ausführlich wiedergegeben habe, zitiere ich einfach mit .

dem Namen des Verfassers, P. bedeutet stets Postell selbst. 2) Róm. Quartalschrift 1910, Heft 4.

3 989

Ich hoffe im folgenden zu zeigen, daß der neben bahn- brechenden neuen auch recht sonderbare Lehren verktindende Mann, den die neueste allgemein bekannte Geschichte Frank- reichs !) als Denker und Unabhängigen in der Reihe der hervorragendsten Franzosen des XVI. Jahrhunderts nennt und bespricht, auch außerhalb der Grenzen seines Vaterlandes Aufmerksamkeit und Würdigung verdient, schon deshalb, weil er und sein Werk das Gesamtbild der Reformationszeit durch manches interessante, ja überraschende, Detail bereichert.

I.

Humanistisch-naturalitische Anfänge und Beschäftigung mit Kabbala. Irenische Apologetik im Interesse der Mission.

Über Postells Bildungsgang haben wir fast gar keine Nachrichten; wir erfahren nür, daß er äußerlich in Not lebend großen Wissenseifer und Raschheit im Auffassen und Be- halten des Lehrstoffes, besonders fremder Sprachen bekundet hat?) Die fruchtbare Zeit, wo Frankreich, von allen Seiten neuen Anregungen ausgesetzt, allmáhlieh zur selbstündigen Mitarbeit an den so gewaltigen Aufgaben der Erneuerung der menschlichen Bildung überzugehen begann, mußte auch den Geist des so begabten und eifrigen Zöglings vielfach anregen. Wir wissen darüber nur dürftige Einzelheiten.

Von Italien aus hatte der Humanismus auch direkt Ein- gang nach Frankreich gefunden, er fand im Ferneren Stütze an den Verbindungen, die seine bedeutenden französischen Vertreter, Budé und Lefévre, mit dem zwischen Italien und England herumziehenden Erasmus eingegangen waren. Be- deutende Spanier brachten, teils vor, teils mit der Renais- sance, neue Motive in die Erörterung der alle erfülllenden Wissens- und Lebensfragen. Dazu kam bald die Nachricht von Luthers Taten, dann seine Schriften selbst.

! Vgl. den von Lemonnier verfaßten Band über die I. Hälfte des XVL Jahrhunderts in E. Lavisses bekanntem Sammelwerke.

2) Nach de Thou’s Manuskript Marier S. 559, Austaärliehet schildert die Jugendjahre Weill a. a. O. S. 12—15.

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Bekanntlich hatten diese in den offiziell leitenden theo- logisehen Kreisen Frankreichs, in der Sorbonne, ebenso erbitterte Gegner gefunden, wie etwas früher Reuchlins Intervention zugunsten der jüdischen literärischen Tradition. Aber der neue Geist regte sich allenthalben, und die Freunde der Reform fanden, wie allgemein bekannt, zeitweise Anklang auch in den vornehmsten Kreisen. |

Das Meiste hing ja auch hier vom Herrscher ab, der seine Stellung zu der im Nachbarreiche immer mächtiger werdenden Reformation nach seinen Bedürfnissen änderte, anfünglich aber, in Gemeinschaft mit seiner Sehwester, die freier sich bewegenden Geister bevorzugte und schätzte; ja gar daran dachte, für sie auch eine von der Sorbonne ab- weichend organisierte Arbeitsstätte in einem neuen Kolleg zu schaffen. Es scheint, daß Postell, obwohl mit der Haltung der Sorbonne, im Ganzen nicht einverstanden, schon am Ende seiner Studienzeit eine Schrift gegen die Reformation veröffentlichen wollte. Schon war es in Deutschland zwischen den beiden reformatorischen Richtungen zu einem Kampf über das Abendmahl gekommen, und von Wittenberg aus hat Luther außer anderen auch gegen Bucer geschrieben'). Postell war auf Luthers Seite, aber dessen Schrift genügte dem jungen Franzosen nicht. Sie schien wohl „ex animo“ gekommen zu sein, aber so kühl, daß man meinte, Luther spiele eher, als daß er kümpfte?) Da machte sich Postell selbst ans Werk, und sammelte aus den ältesten Doktoren der Kirche Zeugnisse gegen die in der Abendsmahlslehre zum Vorschein kommende Gottlosigkeit, die infolge der Wirksamkeit von Bucer, Oecolampadius und Zwingli in Deutschland bereits weit verbreitet war. Doch hatte schon seine erste Arbeit kein Glück.

Einige Jahre früher hatte die theologische Fakultät in Paris von dem König die Befugnis erlangt, die theologischen

1) Vermutlich handelte es sich bei dem uns nicht genau be- schriebenen Anlaß um Luthers Brief an den Verleger der Bucerschen Übersetzung seiner Postille, der Brief ist Anfangs 1527 aus einer Hagenauer Presse aus Licht getreten. Vgl. Köstlin-Kawerau, M. Luther, V. Aufl. S. 82.

. *) Vgl. Postell, Alcorani et Evangelistarum concordia, Vorrede: S. 10: ,ita frigide ut ludere quam refutare potius diceres".

7 291

Schriften auf ihre Druckfähigkeit hin zu prüfen. Eingedenk . dessen, hatte sich Postell an ein angesehenes Glied der Fakultät um Uuterstützung beim Druck seiner Arbeit ge- wandt. Aber infolge verschiedener Umstände gewann sein Gegner Vinet Oberhand. Die Gegnerschaft stammte von einer theologischen Auseinandersetzung her, bei der Vinet behauptete, niemand sei ein gelehrter Theologe, der nicht in den Scholastikern tüchtig bewandert sei; in deren Reihe zählte er aber zu Postells größtem Ärger auch Ambrosius, Hilarius, Hieronymus, Augustinus auf. Nie hatte Postell ge- hört, daß man diese zu den Scholastikern zähle, er fand vielmehr, daß diese den „sinuosis sophismatibus" „alienissimi“ seien. Darauf suchte Vinet seinen Gegner zu überschreien; Postell bemerkte, es sei Gewohnheit der Sophisten zu glauben, daß ihnen alles erlaubt sei, und statt der Gründe Lärm, statt des Urteils Autorität anzuwenden. Auf Vinets Eintreten hin hat die Fakultät Postell nicht nur die „venia“ ver- weigert!), sondern ihm auch das Werk konfisziert. Später hat sich so berichtet Postell das Werk ein anderer angeeignet.

Aus dieser Darstellung läßt sich folgern, daß P. in seinen ersten Jahren für eine humanistische Reform einge- treten ist. Wie im Kampf mit Vinet, so zeigt er sich auch in den folgenden Schriften, die wir zu betrachten haben werden, zunächst als einen Gegner der scholastischen Methode. Aber auch das Thema der von der Sorbonne abgewiesenen Sehrift ist nicht aus den Augen zu verlieren. Es war eben die katholische Abendmahlslehre, deren Sache er kaum zwanzig Jahre alt gegen Bucer und wohl auch gegen die Schweizer?) geführt hat. Wir werden sehen, daß er das eucharistische Geheimnis bis zu seinem Lebensende besonders verehrte. |

An der Pariser Universität studierte und gelangte ein anderer Jüngling, mit Postell von gleichem Alter, bald zu Einfluß, der später für Bucers Theologie und die von ihm

1) „non tantum sum exclusus" S. 11.

2) Wenn er schreibt, Luther sei in seiner Schrift gegen seine Gegner nicht scharf genug gewesen, so läßt er uns vermuten, daß er nicht alle Streitschriften Luthers in dieser Frage gelesen hat.

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vertretene Sache große Taten vollführen sollte. Wir meinen Postells nachmaligen Gegner, Calvin. Wie sich in den durch Cops Rektoratsrede geweckten Kampfe Postell verhalten hat, darüber erfahren wir nichts. Aber für theologische Fragen bewahrte er ein reges Interesse. Schon früh hat er sich die Aufgabe gestellt, den christlichen Glauben zu rechtfertigen, ja verständlich zu machen") Gaben hiefür Apologien des Christentums seit jeher Stoff genug, so ist es wohl zu merken, daß es nach Postells noch später festgehaltener Ansicht besonders Raymund von Sabieude ist, „ee grand et admirable Medecin de l'ame*, der in seiner „Theologie naturelle“ dem christlichen Glauben zum Siege verholfen, besonders in deren erstem Buch „über die Eintracht der Welt“ ?). Raymund erreichte das Ziel in dem genannten Werke durch eine Beobachtung der äußeren Welt und deren Vergleich mit dem Menschen: er gelangte so zu der Gewißheit von Gott, der uns die Herrschaft ttber die Welt verliehen. Deshalb unsere Pflicht dem einzig Höheren uns in Anschauung und Liebe zu ergeben. Diese Liebe schafft eine fraternitas mit der ganzen Welt, (man denke an Franeiseus!, insbesondere aber auch unter den Menschen (CXXV). Denn jeder Mensch ist verpflichtet einen jeden Menschen zu lieben eine Folge davon der Spruch, der die von Postell angewandte Benennung des ersten Buches?)

1) Vgl. P.s Widmung seiner Kosmographie an Ferdinand I. (neu abgedruckt von mir in den Dokumenten zu dieser Abhandlung).

2) Vgl. P.s Retractations (Ms. franç. der Bibl. Nationale 3400, enthaltend in 6 Kapiteln Abwehr mannigfaltiger gegen den Verfasser gerichteten Verleumdungen und Erörterungen über die baldige 1585 zu erwartende Widerkehr Christi:), Cbap. I.: „— et pour dire en-un- mot toutes les scolastiques sans y penser ont rendu la dicte Raison, et dernierement ce grand et admirable Medecin de lame Raymond de Sebunde en sa Theologie naturelle la rendue aprés touts les quelles ie me suis eforcé dedans des quatre Liures et principellement au pre- mier de la Concorde du monde."

3) In den mir bekannten Exemplaren des Liber creaturarum o. Theologia naturalis fehlt eine Einteilung in Bücher; Zóckler gibt in seiner Geschichte der christl. Apologetik (Gütersloh 1907, S, 228) als zum I. Buch gehörend die Abschnitte 1—205 an. Ob dies den im Postellschen Satz gemeinten I. Buch entspricht, kann ich nicht beurteilen, da Zückler über die Grundlage jener seiner Einteilung nichts sagt.

9 293-

der „Theologie naturelle“ rechtfertigt: „unitas jure naturae inter homines esse debet“ (Cap. CXXVIII), wobei die Be-- gründung der Einheit „jure naturae“ besondere Beachtung verdient, wie ja P. auch an einer anderen späteren Stelle Haß und Zwiespalt als unnatürlich, „contra totum naturae- ordinem“ bezeichnet (CXXIX).

Wahrscheinlich soweit die Grundgedanken Raymunds, die auf Postell, nach seinen eigenen Worten zu urteilen, solchen: Eindruck geübt haben. Über die übrigen Teile der „natür-- lichen Theologie“ mögen hier einige Worte genügen. Die: Verehruug Gottes fordert nach Raymund, daß man seinen. Sohn, den Einzigen, der sich als Gott bekannt hat, verehre,. daraus folgt auch die Autorität der Heiligen Schrift, die die Natur zur Voraussetzung hat und dem Menschen eben- so übergeordnet ist, wie sie selbst unter der Natur steht. Fügt sich die tatsächliche Natur des Menschen in diese Harmonie nicht leicht ein, so zeigt dies nur, daß sie nicht mehr rein und unversehrt ist. Wie gekünstelt aber manche: Sätze und Folgerungen auch sind, so bleibt doch das Schluß- resultat Raymunds: die Theologie hat an der Hand der Natur zu gehen und auch die christliche Theologie siegt nur unter ihrer Führung.

Schon vor Postell und noch mehr in der Folgezeit haben Sabieudes Deduktionen manche, u. zw. den mannigfaltigsten. Richtungen angehórende Denker ergriffen und er hat sowohl im Ganzen als auch in Einzelheiten zur Quelle oder wenigstens. als Stütze vielen gedient.

Ein anderer früherer Raymundus (Lullus) hatte gerade im Interesse der Mohammedanermission seine, lange Zeit hin- durch so einflußreichen, mannigfaltigen, auch philosophischen Schriften abgefaßt. Ein für diesen Gedanken nicht weniger interessierter Spanier, der bald im Norden zu Ansehen und Berufstätigkeit gelangte, hat mit den gut christlichen Huma- nisten des Nordens Freundschaft geschlossen und hatte ge- rade auch in Paris Beziehungen und Einfluß. Ist Vives und sein vielseitiges, edles Streben, seine neuen Geist atmende Gelehrsamkeit nebst seinen hohe Begabung bekundenden Büchern dem jungen Postell bekannt geworden? Etwa schon in. der ersten Hälfte der dreißiger Jahre? Dies ist als sehr mög-

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lich, ja wahrscheinlich zu bezeichnen, und vielleicht haben Vives’ in den Jahren 1532—33 erschienenen Schriften „de concordia et discordia“ und „de pacificatione“ Postells ver- wandte Gesinnung genährt und gestärkt. Ebenso selbst- verständlich ist anzunehmen, daß Vives die theologie naturelle Raymunds gekannt hat!) Jedenfalls reizt die geistige Ver- wandtschaft beider zu einem Vergleich. Auch Vives hatte gegen die Türken den christlichen Westen zur Eintracht aufgefordert und den Versuch gemacht, des Christentums Wahrheit im Gegensatz zu anderen Religionen zu erweisen. Auch ihm galt als Quelle die gesamte Natur, dann besonders die menschliche und dann Jesus Christus. Zur Natur gehört aueh die Vernunft als Geschenk Gottes, sie kann also der Wahrheit nicht widersprechen, somit ist auch die Ratio- nalität des Christentums gegeben. Äußere Bürgschaft der Wahrheit ist der consensus gentium. Freilich gegenüber dem Judentum ist Vives wenig anerkennend, es bleibt nur in spiritualem Sinne in Geltung. Und auch die mohamme- danische Glückseligkeit erscheint ihm des Menschen nicht würdig. Aber für die christliche Wahrheit fordert er den vernünftigen Nachweis, der auf Experimente gegründet und praktisch gerichtet sein soll.

AuDer durch das Beispiel und Material, das ihm Werke anderer Denker boten, fühlte sich Postell zum christlichen Apostel der Welteintraeht dureh sein Sprachtalent berufen?) Durch Selbststudium, ohne Lehrer, hat er sich das Hebräische und bald nachher auch andere semitische Sprachen an- geeignet, und in dem so Erworbenen nicht nur eine Legiti- mation, sondern auch eine Verpflichtung erblickt, das Talent besonders zur Erforschung und dann zum Gewinnen des Orients für das Christentum fleißig zu verwenden. In- folge glücklicher Umstände haben ihm gerade diese Sprach- studien den Weg auch zu äußerem Emporkommen eröffnet.

Á—— ni 0

!) Unter den von Vives benutzten Autoren, wie sie Majans in seiner großen Vivesausgabe (I, S. XXI ff.) aufzählt, finden wir aller- dings Raymund v, S. nicht vor.

2) Vgl. die Widmung der Schrift Orb. Terr. Concord. (abgekürzt 'OTC), mein Buch, Th. Camp. ein Reformer etc. S. 79,

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Nachdem er nämlich mit seinen orientalistischen Studien die Aufmerksamkeit einflußreicher Kreise auf sich gezogen !), wurde ihm der Auftrag erteilt, für die Bibliothek des Königs Bücherschätze zu sammeln. Über Ägypten kam er auf der Rundreise nach Konstantinopel. Hier traf er mit dem fran- zösischen Gesandten La Forest zusammen, der es ihm ermög- lichte, das vornehme Leben im Morgenlande aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Wichtiger ist aber ein anderes Ereignis. Sein nach Erkenntnis gieriger Geist erhielt hier eine bedenkliche Nahrung. Von seinen jtidischen Bekannten wurde P. in die Geheimnisse der Kabbala eingeweiht?).

Angesichts der Dürftigkeit der Nachrichten über P.s bisherige Entwicklung können wir die Tragweite dieses Ereignisses nicht genau ermessen. Aber aus dem Späteren steht uns so viel fest, daß durch die ihm nunmehr bekannt gewordene Geheimlehre in P.s Seele Neigungen genährt wurden, die bald seine gesamte Geistesarbeit beherrschen und in bedenkliche Bahnen lenken sollten. Der den Orient gedanklich erobern wollte, wurde fast dessen Beute.

Die Kabbala hatte auch auf andere christliche Theologen einen Reiz ausgeübt, schon infolge der historischen Be- gründung der in ihr entfalteten Doktrin. Diese sollte eine Überlieferung sein, die auf die Ursprünge des Menschen und überhaupt der Welt zurückgeht. Aber auch ihr Inhalt vermochte zu fesseln. Es war ich muß hier kurz an all- gemein Bekanntes erinnern ein Versuch, die spätjüdischen Spekulationen von den Engeln mit der platonischen ldeen- lehre zu vereinigen. Etwas Ähnliches hatte ja schon Philo gelehrt: im Logos ist eben die Fülle und die Summe der Engel- oder der Ideenwelt verkörpert. Er ist berufen, den Abstand zwischen dem unnahbaren, unbeschreibbaren Gott und der materiellen Welt auszufüllen. Allein was bei ihm inhaltlich doch mehr platonisch ausklingt, genügt den späteren nationalistischer gesinnten jüdischen Grüblern nicht mehr, und so kommt es zu einer phantastischeren Kon-

1) Vgl. über die für uns wenig geklärten Jahre 1531—37 Adelung a. a. O. S. 112 und Weill a. a. O. S. 15. 7, Vgl. Ps. Linguarum duodecim Alphabetum, Vorrede zu. „de lingua chaldaica“. u

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struktion, bei der anscheinend pythagoreische Einflüsse die jüdischen Legenden und Phantasmen in der abenteuerlichsten Weise färben, doch so, daß, während der Grundcharakter des Systems platonisch bleibt, die Spekulation doch schließ- lich zum Messias, und was damit verbunden ist, zur Apo- kalyptik gelangt!)

Die Lehre ist in mehreren Büchern niedergelegt, die keineswegs den Schöpfungsbericht bestreiten oder berichtigen, vielmehr nur ergänzen wollen. Auch ist man nicht einig darüber, inwiefern die Darlegungen metaphysischer Art sind, d. h. ob die geschilderte vermittelnde Welt eine selbständige Welt gegenüber Gott ist, oder ob die ganze Lehre nur eine Deutung der göttlichen ‚Allmacht in ibren Beziehungen zu der Welt sei und fast nur menschliche Vorstellungen ohne realen Hintergrund wiedergebe. Jeden- falls ist es eine Emanation, die in der Kabbala gelehrt wird; das eschatologische Ziel ist auch in dem Prozeß der daran teilnehmenden menschlichen Seele inbegriffen: die letzte Seele ist nämlich die des Messias. Selbstverständlich hängt damit eine Lösung des Weltganges zusammen, durch die alles Böse überwunden und den Kindern Gottes Be- freiung und Seligkeit gewährt werden wird.

Der erste, der nach Frank dem christlichen Europa den Namen und die Existenz der Kabbala enthüllt hat, war der von Postell háufig genannte, auch von uns be- reits erwähnte Raymund Lullus. Er hat über sie sehr hoch gedacht, sie wie eine Offenbarung betrachtet, die sich an die „äme rationelle^ wendet. Ansprechend ist auch die Vermutung Franks, daß das Operieren der Kabbalisten mit Buchstaben dem Raymundus Lullus Anstoß zur Entdeckung seiner Ars Magna gegeben hat. Lullus unterscheidet auch schon zwischen alten und modernen Kabbalisten.

Picus Mirandola hat in wenigen Thesen, deren Quelle er gar nicht angegeben, das umfangreiche System der Kabbala zusammenfassen wollen: doch ist das, was er bietet,

| ?) Vgl. über die Kabbala die bekannte Schrift A. Franks, mir zu- gängl. die 2. Aufl. Paris 1886.. Auch in der folgenden historischen Übersicht habe ich sie benutzt. Kürzere Orientierung in Herzogs Realenzykl. III. Aufl. Bd. IX. |

13 297

fragmentarisch. Eingehender und für den Westen einfluß- reicher war der Bahnbrecher der semitischen Studien in Europa, J. Reuchlin. Aber auch dieser hat seine Kennt- nisse der Kabbala nicht aus den reichsten und verläßlichsten Quellen geschöpft, er zitiert keine Autoritäten, auf die er sich stützt; was man noch als solche erkennen könnte, scheinen aristotelisch gerichtete Kommentatoren des XV. Jahr- hunderts gewesen zu sein; auch die dialogische Form ent- spricht nicht gut dem Thema und man ärgert sich meint Frank über die „imaginäre Filiation“, die er zwischen der Kabbala und dem Pythagoreismus aufstellt. Die Schrift „De arte Cabbalistica“ gibt eine regelrechte Darstellung der esoterischen Doktrin der Juden; die andere „De verbo mirifico“ ist nur wie eine Einleitung dazu, mehr persönlich als sachlich, des Verfassers mystischer und abenteuerlicher Geist will hier nachweisen, daß alle religiöse Philosophie, die griechische wie auch die orientalische, ihren Ursprung in den jüdischen Büchern habe, und so legt er den Grund zu der später sogenannten christlichen Kabbala.

Von hier gehen aus die beiden Arbeiten des Agrippa. Aber nicht die enthusiastische (de occulta philosophia), viel- mehr die skeptische (de incertitudine scientiarum) hat der Kabbala Dienste geleistet, sowohl dadurch, daß A. ihre Be- ziehungen zu der Genesis gezeigt hat, als auch dadurch, daß er die Verwandtschaft der Zephiroth mit den zehn mystischen Namen bemerkt, über die Hieronymus in seinen Briefen an Marcella spricht).

Diese Sympathie zur Kabbala wird in neuerer Zeit häufig mit einer Abneigung weiter christlicher Kreise gegen die Scholastik in Zusammenhang gebracht. Nicht mit Un- recht. Hatten die freieren Geister die schematisierenden Zwangsformeln der Scholastik satt bekommen, so konnte nun die wissensdurstige Seele alle Fesseln der lästig ge- wordenen Form in Anschluß an heilige Überlieferungen, ablegen. Und hatte man den Stoff der Sentenzen nach allen Seiten bereits zum Überdruß kommentiert, so ergab die jüdische Lehre vieles Neue, dabei war es, was man hier

2) De vanitate scient. Lib. III. Cap. II.

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hörte, ursprünglicher, führte tiefer in die überweltlichen Ge- heimnisse und klang namentlich in der Eschatologie trüst- licher aus als die obligaten „Summae“ der christlichen Lehre. P "i | |

Möglicherweise ist bei Postell erst damals eine Neigung zur Apokalyptik erwacht, vielleicht ist sie aber schon seit langem lebhaft gewesen. Jedenfalls konnte solche Neigung das Interesse für die Geheimlehre nur steigern, ebenso wie die Kabbala geeignet war, eine religiös krankhafte Ver- anlagung zu stärken. Doch können wir darüber nichts Be- stimmtes sagen. Soviel scheint festzustehen, daß Postell die neugewonnenen Eindrücke einstweilen nur im stillen für sich verarbeitete, da er anderweitige praktische Aufgaben zu lösen hatte, die vielleicht durch eine äußere Verpflich- tung seiner Erledigung harrten. Wir wissen aber bereits, daß diese Aufgaben mit dem bereits früher gefaßten großen Vorsatz für eine concordia orbis zu arbeiten —, im engen Zusammenhange standen. Wir können sie hier nicht ganz umgehen.

Mit seinem Typographen Bromberg besprach er auf seiner Rückreise in Venedig die bald vorzunehmende Pu- blikation seiner Studien. Eine Bekanntschaft mit dem Orientalisten Theseus Ambrosinus führte zu einem Meinungs- austauschh der für Postell später mißliche Nachklänge brachte). Über diese linguistischen Publikationen, die nach seiner Ankunft in Paris beginnen, mögen einige Worte ausreichen.

Die erste, schon erwähnte Schrift?) gibt einige Proben aus folgenden Sprachen: „Hebräisch, Chaldäisch, Samaritanisch, Punisch oder Arabisch, Indisch (eigentlich Athiopisch), Griechisch, Georgisch, Tzervianisch, Illyrisch, Armenisch und Lateinisch.“ In der Widmung an den EB von Vienne, Pal- merius, sagt Postell, er wollte mit der gegenwärtigen Schrift prospicere: „ne quiequam haberem quod statim non omnibus communieatum cuperem", er verrät ferner, daß er sich mit Kosmographie, besonders mit Sittenbeschreibung der

7) Vgl. Picot a. a. O. S. 314. ?) Linguarum duodecim characteribus differentium alphabetum, introductio, ac legendi modus longe facilimus. Paris 1538.

15 29%

orientalischen Völker befasse. In der kurzen Einleitung zu der chaldäischen Schrift lesen wir über die bereits oben angeführte Tatsache folgende Mitteilung: „Nihil tamen usquam. quicquam scriptum in bis reperi, praeter quandam Cabalam, euius mihi copiam fecit Mose Almali medicus Regius Judaeus apud Constantinopolim."

Die folgende Schrift: ,de originibus* verwendet die er- worbenen linguistischen Kenntnisse zum Nachweise dessen, daB die vorhandenen Sprachen aus der hebräischen stammen. Proben aus der Grammatik und dem Wortschatze der in voriger Schrift vorgeführten Sprachen sollten das mit be- weisen. Eines von diesen grammatischen Spezimen ist gleich- zeitig aueh besonders erschienen: „Grammatica arabica“ !)

Diese Schriften haben in der Geschichte ihrer Disziplin dadurch einen festen Platz, daß sie die Sprachenvergleichung nicht nur fordern, sondern auch beginnen?) Daß dabei der Ausgangspunkt wie die Ergebnisse nieht stichhaltig waren, wer wird sich darüber aufhalten? Tatsächlich findet P. für den Sprachenunterrieht die Verwendung der bereits be- kannten verwandten Sprachen, und berichtet mit Vergnügen über den Erfolg, den ihm die Kenntnis des Hebräischen bei der Aneignung des Arabischen erbracht: die ihn lehrenden Türken in Konstantinopel nannten ihn einen Dämon, weil er alles so schnell erfaßte?).

Aber damit war nicht alles, was der Orient an wissen- schaftlichem Material und Anregung geboten hatte‘), erschöpft. Es galt ältere apologetische Vorsätze weiterzuführen, wenn er in einem Buche den Nachweis führen wollte, daß die Kenntnis Christi seit 1200 auch bei allen Katholischen da- hingeschwunden sei, und zwar sollte dies Werk nicht in erster Linie auf die göttliche Autorität, sondern auf mensch-

1) Die Klarlegung des Verhältnisses zwischen diesen drei ersten Schriftlein Postells findet der g. Leser bei Des Billons und Adelung.

?*) Vgl. Benfey: Gesch. d. Sprachwissenschaft usw. S. 225. „Den ersten Versuch einer umfassenderen Sprachvergleichung scheint G. P. aus der Normandie gemacht zu haben.“

3) Gramm. arabica, mir nur in den Origenes bekannt. Praefatio Din.

*) Eine kurze Beschreibung Syriens gab er auf Wunsch seiner Hórer heraus; vgl. die Widmung der Schrift.

:300 16

liche Vernunft gegründet sein!) Wenn vielleicht auch die Nachricht von der Entstehung des Jesuitenordens auf den Verfasser mitgewirkt hat, so kann der Einfluß jener Nachricht nur ein beschränkter gewesen sein.

Erleichtert war jene Arbeit durch die königliche Huld und Anerkennung. Gleich nach seiner Rückkehr aus dem Orient wurde er nämlich mit gutem Gehalt zum Professor an dem von vielen mit großen Erwartungen begrüßten neuen Kolleg ernannt. Damit war auch für seine fernere Tätig- keit die Richtung vorgezeichnet, denn nach manchem Schwanken ist allmählich der Charakter des Kollegs ein be- stimmter geworden.

Man kann drei Phasen in der Gründung des Kollegs unterscheiden’). Die erste (1517—1518) bestand in Verhand- lungen mit Erasmus behufs Übernahme der Leitung eines solehen. Man war noch nicht im klaren, was man wollte, eine Stiftung allgemeinen Charakters oder ein Institut analog dem, das Leo X. für junge Griechen errichtet hat; Erasmus zieht die Verhandlungen in die Länge, ohne daß ein Erfolg zu verzeichnen würe. In der zweiten Phase nahm der Ge- danke eines junggrieehischen Kollegs Oberhand, aber wegen der Kriege kam es zu nichts (1519—1522). In der dritten Phase (1522—1529) erfolgte fast eine Übersiedlung des Erasmus nach Paris; aber nach der Schlacht bei Pavia zer- schlugen sich die Hoffnungen. Erst als mit dem Friedensschluß von Cambray die Ruhe im Reich wiederkehrt, kommt der König dazu, seinen Plan auszuführen, wobei das Hauptverdienst dem Budaeus zufällt. Damit zog gegentiber der Sorbonne ein neuer Geist in den höheren Unterricht Frankreichs ein”).

Das wenige, was wir über Postells Stellung zu den

1) Postells Widmung der Kosmographie an Ferdinand II.

2) Vgl. Lefranc: „Histoire du Collège de France". Paris 1899. S. 99 ff.

3) Lefrane sagt (a. a. O. S. 107): ,Plus de grades obligatoires, plus de licence pour enseigner, plus des frais d'études arbitraires et monstrueux: des cours indépendants, gratuits, ouverts à tous, le grec et l'hebreu envahissant l'École." ...„Quell’ immense changement quand on songe à cette école du vide, à cette gymnastique du néant qu'était Alors l'Université."

17 301

Fragen seiner Zeit gesagt haben, läßt diese Berufung!) er- klärlich erscheinen, zumal ja den maßgebenden Personen jene Stellung noch deutlicher gewesen sein mag. Zu seinen besonderen Gönnern zählte er den bald zur höchsten Stelle emporkommenden Minister Poyet. In einem diesem ge- widmeten Schriftlein, „De magistratibus Atheniensium“, zählt er ihn zu den hervorragendsten Staatsmännern. Die Schrift, die die damals als verloren geltende Schrift des Aristoteles ersetzen will, hat eine mehr als antiquarische Tendenz, indem sie mit der alten die neueren (besonders die venezianische) Regierungsformen vergleicht. Budes Autorität gelangt sehr oft zur rühmenden Anerkennung. Die französische Ver- fassung wird auch herangezogen, aber als monarchische von der alten demokratischen, über die die Schrift handelt, ausdrück- lich unterschieden. Trotz der praktischen Nutzbarkeit blieb das auch später noch beliebte Werk doch ein wissenschaft- liches und wurde lange Zeit an verschiedenen Orten nach- gedruckt?).

Aber gewiß hat ihn beständig schon seit langem die Arbeit beschäftigt, in der er, wie wir oben gesehen, seine Lebensaufgabe erblickte. Nach fleißigem Sammeln und Vor- arbeiten wurde sie in verhältnismäßig kurzer Zeit abgefaßt und der theologischen Fakultät zu Paris vorgelegt. Aber sechs Monate lang erhielt er von dieser keine Antwort. Um die Buchhändler schadlos zu halten, gab er das erste Buch auf eigene Kosten heraus. Dann erfolgte die Antwort der Fakultät; sie lehnte dem Buch die venia ab, weil P. ihre Glieder Sophisten genannt). In der Not gelang es ihm aus- wärts, in Basel, mit dem er bereits in buchhändlerischen Be- ziehungen stand‘), einen Verleger zu finden. Begreiflicherweise

1) Postell blieb in der Stellung von 1539—43. Vgl. Lefranc a. a. O. S. 381.

2) Gar Adelung findet es noch des Lobes wert a. a. O. S. 115.

3) Vgl. Postells Schrift: Alcorani ete. concordia S. 8, 9.

*) Soviel scheint festzustehen, daß es Postells orientalische Schriften waren, die ihm in den Schweizer evangelischen gelehrten Kreisen Sympathien erwarben. Ferner war ein Schulfreund von ihm, Johannes Bibit, als Professor des Griechischen nach Lausanne gekommen. Einem Briefe Ribits an Pellican in Zürich (bei Herminjard Correspondance des réformateurs etc. VIII. 331), dat. 22, April 1543, entnehmen wir, daß

Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 4. 90

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hat aber dieser an der Handschrift auch eine Zensur geübt. So liegt uns das erste Buch in zwei Ausgaben vor, die übrigen Bücher bloß in dem den Schweizern zulieb mannigfach ge- änderten Wortlaut: der Buchhändler es handelt sich um den berühmten Verleger Oporin hat offenbar in seiner evangelisch gesinnten Kundschaft einen geeigneten Mann behufs Neutralisierung der Postellschen Arbeit gesucht und gefunden.

Die Vorreden der beiden Ausgaben sind fast identisch; ausgelassen sind in der schweizerischen Ausgabe nur die zahlreichen Gönner, die er in der Pariser Ausgabe auf zweieinhalb Seiten aufgezählt hatte. Es waren, be- ginnend mit dem König Franz und seiner Schwester Marga- rete, Kardinäle, hohe kirchliche Würdenträger, Erzbischöfe und Bischöfe, auf deren Huld er auch im ferneren zu bauen gedachte. Als sie ihm alle bei dex Sorbonne nicht halfen, lieb er in der Basler Ausgabe die irdischen Gönner weg und schrieb, er baue auf Jesu Gunst.

Im ferneren wollen wir die nicht übermäßigen Unter- schiede nicht berücksichtigen '), denn der Standpunkt des Buches ist ein religionsphilosophischer, überkonfessioneller, der uns auch die Antwort gibt, warum die Schrift in den beiden Lagern der Reformationszeit einen partiellen Erfolg haben Konnte.

Die Schrift „de OTC“ war von einem jungen Mann, wie es Postell bei ihrer Abfassung noch gewesen, ein auf- sehenerregendes Zeugnis der Gelehrsamkeit und des christ- lichen Eifers. Auch konnte das Ziel als höchst lobenswert in den beiden christlichen Lagern erscheinen; stand doch der Verfasser für sein Werk mit einem praktischen Gedanken

Ribit auf Pellicans Zureden an Postell unlängst geschrieben, er möge endlich seine arabische Grammatik herausgeben, wobei er sich sowohl auf Biblianders Autorität, als auf die mit Postell gemeinsame Studien- zeit und die dort begründete Freundschaft berief. Ribit berichtet weiter, daß wegen der großen Entfernung eine bestimmte Verbindung nicht gut möglich sei, daß er jedoch Aussichten habe, bald einen Ver- mittler der gelegentlichen Korrespondenz bei sich zu sehen.

!) Einen ausführlichen Bericht über das Buch findet der Leser im Diction. des scienc. philos. Paris 1851. IV, S. 182—187; von dem dritten Buch in meinem Thom. Camp. ein Reformer etc, S. 80 ff.

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ein: er erstrebte die Einheit der Menschen in Zeiten der aus- gedehntesten und erbittertsten Kämpfe und Kriege dadurch, daß er das Christentum als gedankliche Grundlage der Ein- tracht darzulegen unternahm.

Dabei ist unschwer zu merken, daß der Verfasser sein Material mit ungenügender Kritik gesichtet, in der Anlage des Werkes nicht genug selbständig, und keineswegs befähigt ist, ein fest zusammenhängendes, in der Überfülle der Einzelheiten klares und übersichtliches Ganze zu schaffen. Darum kann ein Bericht über das Werk dessen inhaltlichen Reichtum nicht erschópfen, und er darf nicht den fragmen- tarischen Charakter der Einzelheiten verschleiern. Das Werk ist der ganzen Kirche gewidmet.

Der erste Teil will ,die wahre, d. i. die christ- liche Religion mit der Philosophie (‚ex philosophis?)* be- weisen, und nimmt den Ausgang von Gott und der Welt. Gott ist wie das sechste Element, die Einheit der fünf ersteren, die er in sich einschließt. Recht ausführlich sind l die Beweise (im ganzen 15 Argumente) der Trinität, außer den Philosophen (Kap. IV) zeugen gar das Alte Testament, die Kabbala und Talmud (V), ja gar Mohammed dafür (VI), dessen Anhänger als demnach abgefallene Christen zur Be- sinnung aufgefordert werden. Von der Welt lehrt Postell, daß sie nicht ewig, sondern geschaffen sei, und zwar aus nichts, und daB der Schöpfer auch über die particularia darin waltet. Zwei Kapitel sind der Lehre von den Geistern, den Magiern und den Propheten gewidmet. Von dieser natür- lichen Theologie werden wir zum Christentum durch ein Kapitel über die Natur des Menschen hinübergeführt, das doch nicht in einem materialistischen Naturalismus stecken bleibt.

1) Vergleichshalber möge hier die Einteilung der Vivesschen Apo- logie ganz kurz mitgeteilt werden.

B.I. Betrachtung, die „die in der ganzen sichtbaren Schöpfung sich kundgebenden Wege und Ziele der Weisheit und Güte Gottes“ aufzeigen will. Beweisführung aus den Klassikern. | B. IL. Verteidigt die Heilsoffenbarung des A. u. N. Testaments. B. III, IV. (Dialoge: Widerlegung der Juden und Mohammedaner.)

B. V. De praestantia doctrinae christianae.

20*

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Die Menschen stammen so lesen wir in diesem Kapitel de hominis natura von einem, sind also ein einheitliches Geschlecht, wie dies Aben Reis bezeugt hat: „Nam un a forma est, ipsa scilicet humanitas, qua omnes dotantur, nec plures sunt visae.^ Gott hat sie ihrer Natur überlassen: „quod natura potuit (Deus), nunquam extra ejus limites traducere voluit“ $). Freilich kann die Ars die Natur ändern (die langen Köpfe des Hippokrates!) Aber das bezieht sich nur auf die Form. Über alle anderen Geschöpfe er- haben, fiel der Mensch um so tiefer, und sinkt noch immer weiter. Wie ist dies möglich, wo doch stets der Geist neu geschaffen wird? Dreierlei ist dabei ja zu beachten: der agens, das instrumentum und der patiens. Am Instrumente der Seele liegt es, wenn sie ihrer Aufgabe nicht entsprechen kann. Deshalb darf man doch nicht gleich mit Galen von des corporis temperamentum die animi mores abhüngig machen. Gerade, daB wir über die Bewegungen der Natur in uns abfällig urteilen, beweist, daß wir nicht bloß aus ihr sind. Damit ist die himmlische Gabe, der Geist, gerettet: „Esse itaque hominum genus depravatum omnino constat, nec ullum propterea esse in animo hebetudinis aut tarditatis imper- fectionisque vitium."

Diese himmlische Gabe deutet zugleich auf des Menschen himmlisehe Bestimmung, die zu der Notwendigkeit einer Menschwerdung Gottes führt. Die Richtigkeit dieser Deduk- tion zeigt die Geschichte Christi und des Christentums, die Postell langwierig beweist. Die christliche Lehre nimmt nun Postell nach einzelnen Teilen durch und legt großen Nach- druck auf die „Excellentia* der von Christo gestifteten Sakra- mente, die zugleich ein Beweis seiner Göttlichkeit sind. Die Bewahrung des Evangeliums ist eine Bedingung, um das Heil zu erreichen. Nicht weniger als 18 Beweise sprechen für die Unsterbliehkeit, sie sind geschüpft aus der Forderung der góttlichen Gerechtigkeit, aus der Konsti- tution des Weltalls, und dann aus der Seele selbst.

1) ,. .. omnes eisdem legibus naturae tenentur, eos agit eadem rationis vis, idem appetitus invitat, idem scopus urget, quo maxime patet eadem et animi et corporis natura et compositione teneri, materiaque et forma semper connecti.*

21 305

Unter diesen Beweisen finden wir auch den, daß der Mensch die Unsterblichkeit wünscht. Bei der Auferstehung wird eine allgemeine große Wandlung eintreten.

Das zweite Buch befaßt sich mit Mohammed und dem Alkoran. Da sich der Verfasser die Daten zu diesem Zwecke aus der Autopsie gesammelt, so ist begreiflich, daß er hier seinen Lesern viel Neues mitteilen konnte, auch für “uns ist dieser Teil von zeitgeschichtlichem Wert. Zuerst wird uns Mohammeds Leben geschildert, dann folgt Schritt für Schritt Darlegung der mohammedanischen Lehre und deren Widerlegung, so daß fast nichts davon zurück- bleibt.

Das dritte Buch befaßt sich mit dem Rechte und der Religion. Angesichts der Verderbnis der Rechtswissen- schaft, die sich in Sophismen und Spitzfindigkeiten zu verlieren schien, will Postell auf ihren Grund zurückgehen. Charakte- ristisch ist seine Auffassung von der Verbindung der Religion und Politik. Er erkennt zwei Quellen des Rechts an: die natur- gegebene Notwendigkeit, sich zusammenzuschließen, und den Gottesglauben. Aus der Verbindung der beiden entstand nach- _ einander das Natur-, das Völker- und das Zivilrecht, und so klingt denn dieser Teil in Erörterungen über Behörden und Gerichte aus.

Wichtiger, als die angeführten Details, erscheint uns der Versuch Postells, die Gedanken zusammenzustellen, iu denen alle Religionen übereinstimmen. Zwar ist der Versuch selbst nicht ganz neu, unter seinen Zeitgenossen war es be- sonders Augustinus Steuchus, der die natürliche Ein- heit des menschlichen Geschlechts in Glaubenssachen ver- kündigte!) Diese Einheit geht auf göttliche Überlieferung zurück, darum haben alle Völker etwas von Gott, Schöpfung, Engeln usw. Das so natürlich Gewonnene will Steuchus auf- zeigen, auf daß erhelle, daß es dem menschlichen Geschlecht notwendig sei, eine Religion zu haben?). Nach einem nicht ganz gerade vorwärtsschreitenden, teils historische, teils

1) Das bekannte Buch des A. Steuchus „de perenni philosophia" ist 1540 in Lyon erschienen und wird dem Postell bekannt gewesen sein. Zweite Ausgabe Basel 1542.

2) Vorrede.

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philosophische Partien aufweisenden Gedankengange gelangt er im Kapitel X zu dem Resultate, daß die christliche Religion alle „ambages“ löst: ihre Summe ist contemplatio et cultus Dei. Die Schilderung zeigt im einzelnen eine deut- liche Anlehnung an Plato und an die Stoa.

Vor der Sündflut war diese Einheit vorhanden. und wenn die Menschen jene beiden Grunderfordernisse erfassen und begreifen werden, wird in bezug auf die übrigen Fragen der Religion keine Differenz mehr nachbleiben. Da diese verlorene Einheit in dem Christentum da ist, so hat der in den übrigen Religionen vorhandene Aoyog Osreguarızos gegenüber der allein wahren christlichen Offenbarung nur einen untergeordneten Wert.

Nicht so Postell. Er will tiefer graben und eine psycho- logisch faßbare Religionsgeschichte entwerfen, deren Anfänge, wie wir sehen, mit denen des Rechts verbunden sind: auch die religiösen Kämpfe sind immer mit politischen Motiven verwoben. Sollte man da nicht hinter und unter den fremden Motiven die Keime der ursprünglichen Einheit suchen und finden? Die Antwort darauf erteilt der Ver- fasser in einem Abschnitt: Persuasionum omnium communes eanones, wo er die Hauptzüge der natürlichen Religion. die sich auf Vernunft und Natur gründet, entwerfen will, und von welcher Religion die Folgezeit zu ihrem Schaden abgewichen sei.

In diesen „Canones communes“ gehen theologische und juridisch-politische Sätze durcheinander. Die Religion sei staatlich festzustellen und niemand dürfe private Götter ver- ehren, an die Spitze der staatlich-religiösen Organisation sei ein Pontifex zu stellen, die Kirchen sind als Asyle offen zu halten, die Mysterien müssen in Geheimnis gehüllt bleiben, die Sünden sind zu sühnen. Die staatlieh-ereierten Pontifices haben im Bereich des Glaubens selbständige Autorität. Ein Blick auf die bestehenden Religionen zeigt, daß sie alle die gleichen Institutionen aufweisen: Priester, Mysterien, Pontifiees und zwar die letztgenaunten mit ethischen und politischen Befugnissen ausgestattet. Aber auch die Glaubens- sätze lassen sich auf natürliche Erkenntnisse zurückführen. Von den späteren Thesen einer Naturreligion fehlt hier

23 307

auffallenderweise nur die im ersten Buch freilich bereits so klar bewiesene Unsterblichkeit, dafür finden wir eine Nebeneinanderordnung Gottes und der Natur: „Si in Deum aut naturam gratius peccaverint, duplex poena esto.“

Man mag dies Resultat einer unausgesetzten Religions- vergleichung gering einschätzen, prinzipiell ist es ein bahn- brechender Vorgang gewesen, von dem sich die Linien zu hervorragenden Religionsphilosophen des XVII. Jahrhunderts ohne Sehwierigkeit ziehen lassen. Der Zweck des ganzen Werkes, wie er im Titel zum Ausdruck gelangt, kulminiert gerade in diesen zwei Folioseiten !).

Das letzte Buch gibt Anweisungen, wie man die Moham- medaner, Heiden und Juden zum Christentum führen soll. Wie auch in anderen finden wir hier eine Fülle von guten Gedanken. Es ist beachtenswert sowohl die Betonung der Notwendigkeit eines langsamen, stufenmäßigen Vorgehens der Missionare und des Sich-Aecomodierens an die zu belehrenden. Er zeichnet also den erfolgreichsten fachgenössischen Arbeiten an dem Werke ihren Weg voraus. Dabei sehen wir frei- lieh aueh in diesem Teile geringe Sorgfalt bei Auswahl der Argumente, man könnte auch sagen, Mangel an Kritik, was namentlieh bei einer Missionspredigt sehr bedenklich er- scheint. Was er so z. B. über die Trinität, die er fast als ein Postulat des Intellects erweist, über die Satisfaktion Christi, über dessen Auferstehung, anführt, verlor durch das ,multum demonstrare* schon damals den praktischen Wert.

Das ganze Werk trägt die Merkmale auch der späteren Schriftstellerei seines Autors an sich: Mangel an innerer Ord- nung, gar auch am Zusammenhang zwischen den einzelnen Teilen, deshalb auch Mangel an Klarheit und an überzeugender Kraft. Neben den Arbeiten anderer mußte dies seiner Wirkung: Abbruch tun. Es ist nicht so durchsichtig wie die Schrift des Raymundus und Vives, zum Teil, weil der Verfasser weniger streng logisch vorgeht. Aber nicht nur deshalb. Ein Vergleich mit den Genannten zeigt es leicht, daß er naeh etwas größerem strebt oder wenigstens über die Vor- gänger weit hinaus will. Dies zeigt sich schon in der

1) Es sind S. 290— 292.

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reichen Verwendung der außerchristlichen Gedanken, be- sonders der neu mitgebrachten, orientalischen, die mehr oder weniger geschickt zugunsten des Christentums verwendet werden. Dies zeigt sich aber besonders in dem Versuch, auf der christlichen wenn auch dürftigen Basis eine all- gemeine religiös gedankliche Einheit für das menschliche Geschlecht zu schaffen. Wir werden sehen, wie ernst er es damit meinte. Eine kraftvolle Zusammenfassung des so aus- gedehnten, vielfach neuen oder neuangewandten Materials,. eine folgerichtige Ableitung der erstrebten bedeutungsvollen gedanklichen Resultate wäre auch für einen mehr systematisch begabten Forscher eine große Aufgabe gewesen.

| Man nehme ferner, daß gerade die Ableitung der besagten Kanones an sich schon ein bedenkliches Unternehmen war, und so wird man es verstehen, daß das Werk aus vielen Gründen die erhofite Wirkung nicht ausüben konnte. Einiges konnte doch wenigstens der IV. Teil retten. Er versuchte hier, wir sahen es, für die Mission die Waffen zusammenzutragen und ihren Gebrauch in vielen auch treffenden Einzelheiten zu lehren. Auf letzteres kam es schließlich für das Leben hauptsächlich an, und deshalb konnte der vielleicht bei vielen Lesern schlechte Eindruck des ILI. Teiles schwinden oder ge- mildert werden, und so ist es zu erklären, daB gar ein Canisius das Werk herrlich genannt hat).

3) 10, Juni 1546 schreibt er darüber: „illud admirandum ac plane divinum opus De totius Christiani Orbis concordia." Er be- dauert nur, daß man es „scholiis foede additis“ befleckt habe. (Vgl. die bereits zitierte Corr. des Canis. I. S. 204). Aus den Anmerkungen des Herausgebers der Korrespondenz ersehen wir, daß die in der Basler Ausgabe befindlichen „Annotationes“ zu Postels OT Concordia in den Katalog der Lówener Theologen aus den Jahren 1546, 1550, 1558 verboten worden waren. Am Titelblatt der OTC steht folgende, bei Des Billon und Adelung fehlende Bemerkung: „Adiectae sunt quoque Annotationes in margine a pio atque erudito quodam viro, ne deli- catioris palati, aut iniquioris etiam iudicii aliquis, ut sunt fere hodie quam plurimi, offenderetur.^ Diese Anmerkungen selbst sind übrigens ohne größere Bedeutung. Sie korrigieren manche Versehen, geben bei einigen Materien die Dispositionsgründe, eine verteidigt schüchtern die Evangelischen. „Pii, qui hodie credunt Evangelio in Germania et in aliis regionibus, non contemnunt vera miracula“ usw. S. 96.

Auch ist am Anfang des Werkes eine recht detaillierte Inhaltsangabe der vier Bücher enthalten, die die vorliegende vielfach ergünzen kann.

25 309:

Postels Tätigkeit nach dem Erscheinen des großen Werkes konnte in den gut katholischen Kreisen den Eindruck stärken. Mit wachsendem Eifer verficht er nun Roms Interessen, so auch gegen die Häretiker. Als Ergänzung zu der OTC faßte er ein Werk ab, darin er die Gleichheit der Evangelisten mit den Mohammedanern nachweist, in all dem, worin sie von der katholischen Kirche abweichen. Er nennt sie Cenevangelisten, und gibt in der Widmung das. zweifache Etymon diesen von ihm geschaffenen terminus tech- nieus an!) Nach einer Entschuldigung der Mängel seiner großen Schrift(OTC), als welche in übermäßiger Eile abgefaßt werden mußte, gibt er kurz deren Inhalt wieder, wobei er von der Verwendung der talmudischen Literatur über- mäßige Erwartungen betreffs der Christianisierung der Juden hegt Die Devise jener wie auch der vorliegenden Schrift sei natura und ratio.

Weil das große Werk in Basel gedruckt wurde, konnte darin tiber die Häretiker nicht alles frei gesagt werden. Deshalb mußte es ergänzt werden durch die gegenwärtige Schrift. Der Grundgedanke des Schriftleins ist ein theore- tischer und praktischer; (1.) zu zeigen: Mohammedem plane eadem via ineipisse atque Lutheranos et (2. easdem pro- positiones contra Christi ecclesiam introduxisse. Daraus er- hellt schon die gemeinsame Gefahr, die Deutschland, ja der Welt, von den beiden drohe. In 28 Punkten gibt dann P. die Verwandtschaft zwischen den beiden Gegnern der katho- lischen Kirche; die Zusammenstellung ist Postels anderen Arbeiten ähnlich, sowohl wegen des Mangels einer Ord- nung und Symmetrie, als auch wegen der Fülle der Wahr- nehmungen, die freilich nur zu häufig äußerst gekünstelte sind. Interessanter als diese erzwungenen Analogien ist ein Nachwort?), das den Titel trägt: „de iudicio Dei iamiam imminente“?), das aus der Lage der Dinge der Welt, wie aus der Kombinierung von mancherlei Berechnungen die nahe

1) Der geschichtliche Wert der Schrift (vgl. den Titel oben S, 290 Anm. 2) erhellt aus der Widmung, die an die OTC anknüpft.

? Widmung S. 87. *) Beginnt S. 88.

310 26

Wiederkunft Christi verkündet und zu. deren würdigen Er- wartung mahnt.

Eine weitere Ergänzung der OTC bietet die in dem- selben Jahre erschienene Schrift: Sacrarum Apodixeon ete., die im I. Buch die christlichen Hauptwahrheiten von Gott, der Welt, dem Menschen zusammenstellt; im 2. Teile will der Verfasser die Notwendigkeit der Menschwerdung beweisen. Ein „impetus spiritus“ habe ihn zu dieser Materie getrieben, über die er (er ruft dafür Gott zum Zeugen an) früher nicht nachgedacht habe. Dabei denkt er von der Macht seiner Gründe wiederum das Höchste !).

Eine dritte Schrift: „de rationibus spiritus sancti“ zeigt schon in der Widmung (an alle Menschen) einen Fortschritt. Die natürliche Weise der Mission wird zwar auch hier be- tont, aber ebenso der göttliche Charakter des Christentums, das ein Produkt des heiligen Geistes sei. Über das erstere lesen wir:

„... in quo a natura et secundum naturam esse de- dueta omnia ostendo, quae in refutatione haereticorum ad hane diem tradidit ecclesia: ut constanti rationis tenore videatur et vetus et novum testamentum, et sanetae eeclesiae statuta, lieet simplici authoritate nitantur (. . .) tamen ex eodem spiritu naturae parente orta esse duceque natura eius filia traditis demonstrationibus ex intima philosophia

petitis confirmabo.“ Wie die vorhin besprochene Schrift, will aueh diese

höheren Ursprungs sein: ,... in quo nil plane meum agnoscere debet lector, nisi mihi simile id est instabile male- que firmum. Hoe enim solum meum est, quod est imper- fectum. Coetera omnipotentis dei sua ut vult distribuentis munus sunt?).“

Wohl schon seit längerer Zeit beseelten den eifrigen Forscher und vielseitigen Gelehrten auch ilberschwängliche

1) Widmung an die Vorsteher der Kirche S. 2. „vis argumen- torum . .. docebit a ratione sublimi haec profecta, meipsum vel ingenue fatear in hac re ignoro“, woraus man schon betreffs seiner Geistesverfassung betrübende Schlüsse ziehen muß (die Sperrung der beiden Sátze ist von mir).

2) Die Einteilung des Buches ist etwa die: I. Über die Gegen- stände des Glaubens; II. Über das Handeln des Frommen. Doch ist ‚diese Einteilung nicht streng durchgeführt worden.

27 3l

patriotische Gefühle. Auch hier konnte er an namhafte Vorgänger anknüpfen.

Schon am Anfang des Jahrhunderts, noch unter Lud- wig XII. hat Claude Seyssel der französischen Nation die Rolle, die Welt zu erobern, vindiziert. Nachzuahmen seien dabei die Römer. Deren Sprache war auch einst arm, da- dureh, daf man ihr die ganze griechische Literatur zugeführt, hat man sie vervollkommnet, uud sie wurde ein ausgezeich- netes Mittel der Wissenschaft!) Unter den Zeitgenossen Postells war es aber geläufig Frankreichs Emporkommen als Zeichen besonders hoher Bestimmung zu betrachten. Juristen und Politiker treten für den Vorrang ihres Landes ein, aber nicht nur sie? So wird uns verständlich, daß auch der junge Gelehrte für diesen Gedanken Sinn und Eifer gefaßt, und daß der Theologe in der prinzipiellen Eigenart der französischen kirchlichen Einrichtungen auch eine Stütze für Verkündigung von Lehrsätzen fand, die eine grobe Wandlung der bestehenden Verhältnisse bedeuteten.

Während des rastlosen Arbeitens, das freilich bereits hie und da Zeichen eines krankhaften Selbstbewußtseins zeigt, ereilte seinen Gönner, den unterdessen zum Kanzler ernannten Poyet, die Katastrophe, der nicht nur seine Stellung, sondern auch seine Freiheit zum Opfer fiel. Man nehme hinzu, daß während einer kurzen Zeit in Frankreich vier ähnliche Fälle zu verzeichnen waren. Wir wissen, daß Postell es versuchte, den König zugunsten Poyets umzu- stimmen. Wir wissen es ferner, daß Postell vor dem Könige im Sinne des oben charakterisierten französischen Patriotis- mus ernste Klagen betreffs der öffentlichen Zustände des Landes erhob. Und zwar tat er es mehrere Male. Es mag sein, daB eine solche Auseinandersetzung mit dem König in- folge Poyets Sturz stattgefunden hat, und daß sie auch für Postells Schicksal entschied.

Jedenfalls führte er es einmal dem Könige vor die Augen, wie in seiner Umgebung alles verdorben sei, darunter auch die Kirche, die Universitäten, besonders aber die Justiz.

!) Vgl. A. Jaquets Artikel über S. in Revue des Quest. hist. LVII (1895). 2) Weill a. a. O. S. 89ff.

312 28

Dabei versprach er dem König, wenn er angehört wird, die Weltmonarchie, den Besitz des heiligen Landes, die Eintracht der Welt, ohne von den ähnlichen Versprechungen des Vinzenz zu Paula vernommen zu haben’). Der König war nach Postells Erzählung zu Tränen ergriffen, aber bald wnrde er von einer Frau davon abgelenkt?).

Eine Folge seines Eintretens für Poyet war, daß P. seine Professur aufgab. Aber langes Bleiben war ihm in Frankreich auch in seiner Zurückgezogenheit nicht mehr beschieden. Am Ende 1543 verließ er sein Vaterland, ohne

daß wir die Motive dieses Schrittes ganz klar sähen.

II.

Postells innere Kümpfe bei den Jesuiten und seine apokalyptisch gefärbte, national-synkretistische Eingaben an das Konzil zu Trient.

Sein Vaterland verlassend, ging Postell (zu Fuß) nach Rom und schloß sich dort der neugegründeten Gesellschaft Jesu an?). Es ist anzunehmen, daß er seiner Zeit von Loyolas berühmtem Gelübde am Montmartre mit Interesse vernommen, zumal ja sein Streben mit dem des Ignatius, der ja eben- falls in Paris, gar auf dem neucn Colleg studiert hatte, in vielen Punkten verwandt war. Es blieb aber nicht bei einer theoretischen Verwandtschaft. Beide hatten bereits zu Missions- zwecken eine Reise nach dem Orient über Venedig unter- nommen. Während nachher Postell an dem College des Lom-

1) Adelung sagt (a. a. O. 118) nach seiner Art: Postell wäre schon jetzt ein halber Narr gewesen, sei deshalb auf seine Ideen ver- fallen und habe deshalb Frankreich verlassen,

2) Dies alles erzählt nach Postells in der Nat. Bibl. zu Paris be- findlichen Apologie schon Sallier in Mémoires de l'Acad. des Inscript. Bd. XV. S. 814.

*) Schon nach Adelung (a. a. O. S. 125) ist Postell zu Ignatius gegangen, damit dieser seine Universalmonarchie durch Mission fürdere, danach hätte also Postell für seine Zwecke Ignatius gewinnen wollen. Die Zeitbestimmung der Romreise schwankt zwischen 1548 und 44. Bei Weills Annahme, Postell sei Ende 1543 oder anfangs 1544 von Paris aufgebrochen, erscheint Fouquerais Entscheidung für 1544 über- flüssig. Übrigens ist das Datum für das folgende nicht von Belang.

29 313

bards das Hebräische vortrug, hatte er Gelegenheit, die seit 1540 in Paris erscheinenden Sendlinge des Ignatius kennen zu lernen. Ihre Bescheidenheit und ihr Arbeitseifer ergrift den Lehrer so sehr, daß er öfter an ihren Übungen und Er- holungen teilnahm; und den beiden Brüdern, J. Domenech und P. d'Achille, das Glück unter ihrer Regel zu leben pries. Doch hüteten sich die beiden, ihn zum Mitleben ein- zuladen: „à cause de certaines exagerations“ !).

Es waren den beiden Brüdern offenbar auch die großen Differenzen zwischen Postell und Ignatius nicht unbekannt geblieben. Postell ging von dem alttestamentlichen Gedanken eines erwühlten Volkes aus, und fand es wie wir bereits erwähnt in seinem eigenen. Dessen Herrscher er- schien demnach selbstverständlich als ein Werkzeug Gottes, deshalb auch als der ideelle Herr der Welt. Er war ferner überzeugt, wir sahen es, daß die letzten Zeiten sich nähern und ihm die Aufgabe ohne sein Zutun zugefallen sei, dies zu verkündigen und die Menschheit zur Erwartung des bald erscheinenden Herren zu sammeln?) Angesichts dieser Tatsachen werden wir uns nicht wundern, wenn wir lesen, daB Postell in den Orden nicht gut paßte®). Trotzdem hat es Postell an Versuchen und an Mühe nicht fehlen lassen, sich zu fügen und bei dem Orden zu bleiben. Wir wissen darüber folgendes.

Nachdem sich Postell in Rom bei dem Leiter der Ge- sellschaft gemeldet, legte er am 2. Juli‘) 1544 das Gelüdde schriftlich ab, den Ignatius für seinen Praepositus an-

1) Fouquerai, a. a. O. S. 143.

*) Vgl. o. S. 310ff.

3 Polancos Chronik (Monum. Soc. Jesu, Madrid 1894. I. S. 148/19) sagt darüber nur, daß P. sich als Noviz gemeldet hat und zur ,probatio^ zugelassen wurde. ,Sed cum spiritu, ut ipsi vide- batur, prophetiae, ut autem Ignatius et alii de Societate judicabant, erroris multa sentiret, diceret ac scriberet, quae nec vera, nec ad aedi- ficationem et unionem cum Societate fovendam, facere viderentur, frustra remediis multis tentatis, dimissus est.“ Das Zeugnis, das ihm Polanco ausstellt, ist sonst günstig: ,Vir alioqui pius et moribus bonis praeditus, si humilius et ad sobrietatem sapere, et suum judi- cium in obsequium fidei ac obedientiae captivare didicisset."

*) Octavo Nonis Juliis. Mon. Ign. 4 S. 708.

314 30

erkennend, und bestätigte es nachher in den Hauptkirchen Roms!) Schon am 10. Mai 1545 haben Salmeron, Lhoost und Ugoletto, offenbar von dem Orden damit betraut, über ihn ein Gerieht gehalten und die Sentenz gefüllt: ,il suo spirito et prophetie ei pareno illusioni manifeste del demonio", und sprechen dabei den Wunsch aus: „che lui fossi rimuosso et separato de simil[i]eose". Am 1. Oktober desselben Jahres widerruft Postell und verspricht Gehorsam?). Im Dezember versprach er auf zwei Jahre, mit Ignatius „d’uno medesimo giudizio* zu sein. Schon nach einem Vierteljahr, Februar 1546, verdammte er ausdrücklich „illas inspirationes, quae mihi jam ab anno uno maxime, et supra, tam in interpretatione serip- turae, quam in privatis revelationibus, sunt suggestae, als tentationes* in einer eigenhändigen Erklürung?).

Darauf hat ihn der Vikar der Stadt, Philippus Archintus vorgenommen?) Ihm hat Postell seine Ergebenheit an die katholische Kirche beschworen: den Gedanken an eine be- sondere persönliche Mission wolle er lassen und auch in der Zukunft sich bemühen, ähnliche Gedanken aus seinem Gemüt zu bannen und werde niemandem solches mitteilen; er sei bereit, auf Wunsch öffentlich Abbitte zu leisten. Darauf- hin beschlicßt der Vikar „ne abscedat ex domo vestra, atque illum restituo ad omne altaris mynisterium, ut prius, et quanto minus de iis verba fiunt, laudo").

Aus diesen Schriftstücken ist deutlich, welch großen Kampf Postell mit sich geführt. Er hatte inspirationes (Ein- gebungen), die den Ordensgenossen ebenso verwerflich

!) In diese Zeit versetzt Fouqueray (S. 144, 145) Postells Emp- fehlung der Jesuiten an Nicol. Psaume in Frankreich vgl. MS. lat. Bibl. Nat. Paris. 8585, 36, bei Weill App. I. S. 112—114.

?) Mon. Ign. 4 S. 710.

5) Daselbst S. 711.

*) 2. Juli 1546 meldet Faber an Canisius (von Rom nach Kóln), dab Postell der ,vix quemquam sibi parem habere hoc saeculo existi- matur" sich der Gesellschaft als Koch zur Verfügung gestellt hat, und als künftiger Prediger des Herrn es als Vergnügen empfindet, in den niedrigsten Geschüften verwendet zu werden. Vgl. O. Brauns- berger, Korrespdz. des Canisius. Freiburg 1896 I. S. 192.

5) Diese Sentenz des Vikars trägt leider kein Datum. Nach dessen Unterschrift liest man: Ita volo, G. Postell. Vgl. Mon. Soc. Jes. IV S. 711.

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schienen, als seine Schrifterklärung und der Gedanke von einer höheren Mission, und zwar besonders seit dem Jahre 1544. Nähere Details fehlen wohl in den amtlichen Schriften des Ordens, aber wir wissen es anderwärts, welche Fragen es sonst noch waren, die er gegen den Willen des Ordens behaupten wollte. Wir wissen es aus mehreren authentischen Quellen, daß Postell in dem Kampfe unterlegen ist. Nachdem er etwa 20 Monate im Orden gelebt, mußte er aus ihm scheiden. !

Hatte er schon in seinen Apodixeon behauptet, daf er vom Heiligen Geist getrieben spreche, so war ihm die von lgnatius geforderte Unterordnung und Gehorsam gegen die Leitung der Gesellschaft an sich nicht leicht. Das, was man ihm als Irrtum vorhielt, war vor allem die Auffassung vom Verhältnis der weltlichen und der geist- lichen Macht im allgemeinen, dann die Betonung der Supre- matie des Konzils über den Papst, namentlich aber die Forderung, der König von Frankreich müsse, um Roms Ver- derbnis zu beseitigen, in Frankreich ein neues Konzil ein- berufen und einen neuen Papst wühlen lassen. Es blieb dann nichts übrig, als daß Postell, der, wie wir vernehmen, unterdessen zum Priester ordiniert worden war, sich füge und die bereits erwühnte Konsequenz ziehe.

. Über die Feindseligkeit des Ordens gegen Postell brin wir nach der Lösung des Verhältnisses häufig, ebenso, dab dieser, obwohl von den Jesuiten angefeindet, seine Sympathie zu ihnen auch später nicht verleugnet hat. Übrigens hatten die Jesuiten Verständnis für seine Person, und es waren seine Lehren, mit denen er nicht mehr zurückhielt, weshalb sie ihn auch später verfolgten, und zwar, wie wir sehen werden, ohne persönliche Verbitterung.

Denn die meisten rein kirchlichen Fragen, in denen er von Ignatius abwich, harrten ja erst der Entscheidung. Daß die Kirche einer Reform bedürfe, war ja den Besseren auch früher, und auch dem eben herrschenden Papste klar, und nicht nur ihm. Hervorragende kirchliche Würdenträger hatten schon vor Jahren Pläne einer Verbesserung der kirchlichen Zustände ausgearbeitet, der Papst bemühte sich unentwegt um ein Konzil, das die religiöse Frage Deutschlands, die

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allmählich zu einer europäischen geworden war, löse, und die von allen Seiten ertönenden Klagen verstummen lasse.

Rasch wechselten die Zustände und die Stimmungen in den führenden Kreisen der Christenheit. Zur Zeit, wo Postell aus dem Orden schied, haben die beiden sich bekämpfenden Herrscher Westeuropas sich versóhnt, um ihre Waffen gegen die Häresie zu wenden. Der Papst und der Kaiser schlossen ein Bündnis zu dem Kampfe gegen die Gegner des Reiches und der Kirche. Als eine Krönung des Werkes sollte das so oft anberaumte Konzil nunmehr auch einberufen werden und zustandg kommen.

Bald zeigten sich freilich auch die Differenzen inner- halb des Katholizismus, so besonders auch in den Interessen -der Machthaber. Der Kaiser will die Einheit des Reiches und fordert Zugeständnisse von Rom für die Evangelischen, die Kurie will die Überlieferung, auf der sie selbst ruhte, vor dem Ungestüm der Reformer retten, Während dieses Umschwunges hielt sich Postell eine Zeit lang außerhalb des Ordens noch in Rom auf, war aber schon anfangs 1547 in Venedig.

Trotz der Anfeindungen des Ordens, die vielleicht auch zu kürzeren Verhaftungen geführt haben!), hat er sich aber auch in den höheren kirchlichen Kreisen ein Ansehen er- worben und es fehlte ihm auch an Verbindungen nicht. War auch vieles von dem, was er schrieb und predigte, be- denklich, so ist es ja auch bei zahlreichen andern Propheten der Kirche nicht anders gewesen: seine Opferwilligkeit, sein Eifer für die Kirche, seine Gelehrsamkeit und sein asketischer Wandel forderte auch von seiten der Gegner Respekt für ihn. So wird es uns erklärlich, daß er, als das Konzil seine Be- ratungen begonnen, im Geiste mitarbeitete. Hatte er ja gegen die Gesellschaft Jesu den Vorrang des Konzils verfochten! Freilich interessierten ihn nicht so sehr die Lehrfragen, durch deren Entscheidungen das Konzil in seinen ersten Sitzungen die Reformation verurteilt hat. Er schaute viel weiter hinaus! Von Venedig aus, wohin er von Rom schon um 1546 ge- zogen war, hat er dem Konzil die Nachricht über eine

1) Vgl. Postells Brief an Masius v. 22, Jan. 1547 bei Chaufepié III .S. 219 Anm. r

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bereits dem Druck übergebene Schrift „de restitutione humanae naturae“ unterbreitet „impulsus lumine, quod nulla creatura refugere potest“, damit es diejenigen, die im Kon- zil das Wort haben, kennen lernen. Und zwar habe er dies der Sicherheit halber unterbreitet, weil er die Ansicht der Kirche auch in einer Frage hochhalte, die „simplieiter pro- poni, ut coelitus advenit, poterat“').

Die Schrift, die noch von Rom nach Basel an den Buch- drucker geschickt worden war, war noch mehrere Jahre nachher vorhanden, ob sie noch irgendwo zu finden ist, kann ich nicht sicher sagen. Über ihren Inhalt sagt Postell selbst folgendes. |

Es war „opus iustae magnitudinis, quod inseribitur, Abscondita a constitutione mundi, De naturae humanae restitutione, in eam conditionem quam ante peccatum habebat, nune adfutura in inferioribus eum magno foenore: in quo haee continentur, Clavis seripturarum, qua ad interiora itur velaminis: Ostium apertum aeterni mysterii: Septem Sigillorum libr ab agno aperti reseratio: Evangelion aeternum, seu naturae et gratiae conjugium: ad Consilium divinitus coactum ubivis* ?),

Es ist nicht ganz klar, ob Postell dies Werk auch in Handsehrift an das Konzil eingereicht hat, oder ob er den Druck abwarten wollte, um es dann erst der heiligen Ver- sammlung zu widmen. Jedenfalls ging der Druck nicht so vor sieh, wie Postell es sich gedacht. Unterdessen war es mit dem Kouzil selbst zur Krise gekommen, es wurde durch den Papst nach Bologna verlegt. Da fand sich unser Autor irgendwie veranlaBt, über seine mit der Schrift verbundenen Absichten die in Bologna beratenden Väter aufzuklären.

In einer Satisfactio und Retractatio für die Schriften „de Naturae humanae instauratione tam in magno opere quam

1) Vgl. Schweizers Artikel a. o. a. O. i

2) Diese Angabe verdanken wir dem für uns sehr wertvollen Verzeichnis Postellscher Schriften, das er selbst für die von J. Simler besorgte Ausgabe der Epitome Bibliothecae Conradi Gesneri vor 1555 ab- gefaßt hat (vgl. C. Gesners Vorrede zu den Buch). Das oben angeführte Exemplar schließt mit den Worten: ,liber nondum editus, extat apud Jo. Oporinum, Basileae: aliquando in lucem edendus, cum Deus voluerit."

Archiv für Reformationsgeschichte IX. 4. 91

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in appendicibus ejus*!) versichert der vermutlich unterdessen von neuem angegriffene Verfasser das Konzil, daß er, obwohl seiner Sache völlig sicher. für seine Ansichten die Appro- bation der Kirche anstrebe, denn in einer Häresie möchte er nicht bleiben. Der Buchdrucker habe in der Sache nicht ganz im Sinne seiner Intentionen gehandelt. Alles unter- werfe er dem Urteil der Kirche, beanspruche aber für sich die Freiheit, in theologischen Fragen außerscholastische Bahnen wandeln zu dürfen. Die Autorität habe nur Wert, wenn sie von der Kirche erläutert wird. Er habe seine Wahrheiten „contemplatione veri magis“ erreicht und halte sie für so evident, wie 2 X 2 4. Er beziehe sich auf das früheste Christentum zurück, denn dem Adam hat sich der- selbe Gott, wie später, geoffenbart. Also ein Übertrumpfen der zu den Ursprüngen des Christentums zurlckrufenden Reformation!

Zunächst verteidigt Postell seine Lehre von der anima Christi mit der Ansicht der Juden, Ismaeliter, als eine natur- gemäße. Dann, daß die in Adam genossene Frucht ein Typus des Sakraments gewesen sei: eine ihm geoffenbarte Wahrheit, wie er dies im aeternum evangelium?) mit Hilfe der Natur nachweist. Ebenso verteidigt er andere noch abenteuerlichere Anschauungen: aber alles empfiehlt er als bereits alt herge- brachtes und ist bereit, das, was sein persönliches wäre, zurück- zunehmen?) Die Unredlichkeit des Druckers Oporinus, über die Postell in dieser Eingabe klagt, erklärt sich einfach. Oporinus erschien das ihm anvertraute große Werk zu umfang- reich, und wohl als Probe hat er zwei kleinere Schriften, die als Anhänge des Werkes gedacht waren, veröffentlicht, und da- durch über die Vorschläge des Verfassers auch die große Öffentlichkeit aufgeklärt, obwohl dessen Name dabei tüber- haupt nicht‘), oder nieht in wahrer Form genannt wurde?) Diese beiden Schriften erfordern von uns eine aus-

1) Veröffentlicht von Schweitzer a. o. a. O.

2) Zwei Kapitel dieser sonst unbekannt gebliebenen Schrift ab- gedruckt bei der Panthenosia S. 133 ff.

3) Vgl. Schweitzer a. a. O,

4) So auf dem Titelblatt der abscond. clavis.

5) So in der Panthenosia, |

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führlichere Würdigung, und zwar nicht bloß deshalb, weil Postells Eingabe von ihnen spricht.

Die erste enthält einen Hinweis auf den Zweck schon in ihrem Namen: Panthenosia, und tritt demnach als Seiten- stück zu seinem von uns ausführlich besprochenen großen Werke OTConcordia vor den Leser. Es handelt sich um eine Ein- heit in den ewigen Wahrheiten (oder Wahrscheinlichkeiten heibt es im Titel selbst), die er nicht nur zwischen den ver- schiedenen Religionen der Gegenwart, sondern auch in der Ver- gangenheit schaffen will. Er trägt hier den Namen Elias Pandocheus, nennt sein Wort „tubae penultimae stridor", und fügt hinzu: „Solus erit Iudex, qui meliora dabit.^ In den ersten Kapiteln zeigt er seine uns schon aus den letzten Pariser Arbeiten bekannte Legitimation zu solehem Plan: es rede nieht er selbst, es rede Christus aus ihm. Er weist auf ähnliche Beispiele der Geschichte hin, besonders auf den Apostel Johannes. Sein Ziel ist, Jesum zu restituieren, bzw. seine Glieder zu sammeln, und zwar bei Beobachtung der Vorgänge in der Natur, feststehend in der unabänderlichen Wahrheit. Gab es schon im alten Bunde abweichende An- sichten. so wurden sie geduldet, niemals wurde gegen sie mit Excommunication gekämpft.

Die Restitution vollzieht er ideell gleich, indem erall- gemeingültige Wahrheiten zusammenstellt!). So zunächst über Gott. Gott ist Ursache des Alls, an sich un- begreiflich, unendlich, unbeweglich, unveränderlich, obwohl allmächtig handle er nicht nach seiner absoluten Macht, sondern nach der von ihm festgestellten Ordnung, zum Zicle aber hat er seiner Schöpfung das erhabenste, sich selbst, gestellt. Über die Natur lehrt der Verfasser: nichts kann von sieh selbst entstehen, alles Geschaffene ist endlich und faßbar, das Materielle wird von außen bewegt, aber seiner Natur nach, scheinbare Unordnungen finden sich nicht in der „primigenia rerum compositio“, ein gewisser Geist be- herrscht alle Dinge ihrer Natur nach durch Zeit, Ort und Bewegung. Nach diesen kosmologisch-ontologischen Thesen kommen einige Wahrheiten über das Heil oder das höchste Gut. Das vornehmste ist, was von Natur alle anstreben;

)) Von mir abgedruckt im Th. Camp. usw. S. 81 Anm. 4, 21*

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da aber die Natur keine Vollkommenheit in sich hat, so teilt sich dies Heil als Strebens- oder Sehnsuchtsziel allen Wesen mit, den Engeln ebenso wie den Menschen. Für den Menschen muß dies Heil Anfang und Ende sein, anwendbar dem Körper und dem Geist in gewisser Übereinstimmung mit anderen Dingen und es muß durch unsichtbare Art der Liebe mit uns vereinigt werden.

Dies die Grundaxiomen Postells. Man kann ihre Zu- sammenstellung keine hervorragende Leistung und keine fruchtbare Errungenschaft nennen: eine Überwindung der Differenzen bedeutet die neue Wahrheit nicht, und zwar weder in der rationalen Theologie noch auch in der Ethik. Die Atomisten werden die Kosmologie wie auch die Sätze von der Natur zurückweisen, und die mystische Erfüllung der Geschöpfe mit dem Heilsgedanken, vermittelt durch die Liebe, ist eine nicht ganz neue Mythe. Es gehörte ein Ver- kennen der Geschichte mit ihren Kämpfen und abenteuerlichen Phantasien über die Zukunft dazu, wenn man solche Theorien als eine Grundlage für die geistige Einheit der Menschheit aufstellen konnte. Und doch bezeichnen die Sätze einen wichtigen Fortschritt auf der von Postell betretenen irenischen Bahn. Was in der OTC ein vage Erörterung war, ist hier in einer Anzahl von Sentenzen klarer formuliert, zu der ratio, auf der der intellektuelle Teil der Religion ruht, tritt nun die Liebe als die eigentliche Trägerin des Heils, freilich auf eine Weise, die eine Beschränknng der Vernunft be- deutet. Die Metaphysik der beiden ersten Kapitel erhält so eine Ergänzung, die den Bedürfnissen der Religion ent- gegenkommen kann. Freilich ist all das, was er hier zu- sammengebracht, allzu abstrakt, und es ist fraglich, ob des- halb, weil es eine Konstruktion ist, oder ob deshalb, weil das eigentlich, wahrhaft Religiöse an Geschichte ankntipft, aus der Geschichte lebt, die in abstrakte Schemen nicht leicht zu unterbringen ist. Trotzdem ist es als praktische Irenik ebensowenig wertvoll, wie es außer Zweifel die, aller- dings tiefer begründeten, späteren Versuche antizipiert, die die Religion vereinfachen, bzw. in ihrer ursprünglichen allgemeinen Form auffinden wollten. Dies sollte die Geschichte nicht mehr vergessen!

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| Seine eigentlichen Mittel kramt freilich der Verfasser

erst im folgenden aus. Auf die immerhin einigermaßen feste Grundlage der allgemeinen Wahrheiten richtet er eine noch weniger einleuchtende Theorie von der Weltseele, oder der Seele des Messias auf. Gott so meint Postell als vollkommenes Wesen konnte die Welt, wie sie ist, nicht un- mittelbar erschaffen haben. Vor allem schuf er die Seele des Messias, von dieser Seele stammt alles, wie das Postell im folgenden einzeln nachweist. Es ist nun die Pflicht dieses selben Messias, alle Geschöpfe zu Gott und Seligkeit zurück- zuführen, indem sie vom Satan und der Sünde befreit werden. Zu der Seligkeit gehört auch die Wiederherstellung der Ein- heit der Anschauungen in den Fragen, die durch die allgemein- gültigen Sätze nicht berührt wurden. Die Versuche, die da- mit Postell anstellt, zeigen, daB er sich diese Aufgabe recht harmlos vorgestellt hat. Auch die positive Darstellung seiner Ansichten kann auf keine besondere Wertschätzung Anspruch erheben, interessant sind vielmehr nur einige praktisch- kritische Bemerkungen: so „de censurae virtute“ (Kap. XXVI); „de primatu concilio et clave“ (Kap. XXXI), hier tritt er für eine ókumeniseche Kirche in Jerusalem unter Christo ein; da der Papst sich dagegen ausgesprochen, so sei er der Antichrist. Besonders auffallend ist die hohe Wertschätzung des Mohammed, den er als einen Propheten im Sinne des Paulus bezeichnet, wie solche etwa bei den Christen Methodius, Merlin, Joachim, Birgitta, Catharina waren. Bald darauf wird auch die Kabbala zum Beweise dessen, daß es im Alcoran viele Mysterien gebe, erwähnt und das Verhältnis zwischen Abraham, Isaak und Israel gekennzeichnet!) Es naht aber ein Ende aller Streitigkeiten, und es wird mit Taten gekämpft werden; deren Ausgang ist das letzte Kapitel ge- widmet. Rom mit seinen Anathemen hat abgewirtschaftet, jeder wird ohne Rücksicht auf seine Konfession von Gott angenommen werden, Christus blickt nicht auf den Irrtum, sondern auf die Intention. :

!) S. 112. Hier begegnen wir auch die von Postell öfters an- geführten Stadien: lex naturae, lex scripta, lex gratiae, die später die Grundlage der Fóderaltheologie (des Coccejus) bilden. Auf diese Ver- wandtschaft mit Coccejus, die auch später noch erwähnt werden wird, hat schon Ittig verwiesen.

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Die Schlußaufforderung knüpft jedoch nicht an Christum, vielmehr an die eingangs besprochene Weltseele an, wenn er sagt: „Seien wir alle Jesuaner, wir wünschen und nennen als Genossen die Juden und die Ismaeliten . . . die ganze menschliche Natur.“ Wie in den oben skizzierten allgemeinen Wahrheiten, so fehlt auch in den Schlußworten der Schrift das spezifisch christliche, und das Christentum erscheint den übrigen Religionen, besonders der jüdischen und mohammedanischen, höchstens koordiniert. Besonders scharf wird Rom mitgenommen, an dessen Stelle ein orienta- lisches Zentrum der Menschenverbrüderung verkündet wird. Das Einheitliche, an das sich all das Bunte reiht ist die Natur, noch näher, die restituierte Menschennatur, sie wird bald die von so vielen sehnsüchtig ersehnte Einheit des menschlichen Geschlechtes erbringen.

Man muß staunen, daß der Verfasser so eine Schrift an das Konzil gerichtet, auf dem Roms Legaten präsidierten und daß er in einem der Legaten gar einen Protektor gefunden. Noch mehr bezeichnend sind die letzten Seiten des Büchleins, die, weil sie frei geblieben waren, der Typograph dazu be- nutzt hat, um aus Postells sonst unbekannt gebliebenem Werk „Evangelium aeternum“ zwei Kapitel mitzuteilen, die direkt Rom als Hindernis einer Reform bezeichnen, das, als Babylon. fallen müsse und mit dem man keinen Frieden eingehen könne solange Birgittas Prognosticum nicht erfüllt wird ?).

Das zweite Programmwerk „Absconditorum Clavis“ enthüllt die verborgenste Zukunft. Hier spricht der Verfasser nicht unter seinem Namen, die spätere Ausgabe sagt von ihm: „ex divinis decretis exscriptor.“ In den einleitenden Kapiteln belehrt er den Leser, daß die restitutio Christi ihr Ziel noch nicht erreicht hat, weshalbsie jetzt pro extremo naturae remedio zu erwarten ist. Dies ist die Einverleibung Christo im Sinne des Jesuanismus der Panthenosia. Indem die restitutio die Vernunft zur Wahrheit anleiten wird, werden alle in den Besitz des rechten Glaubens gelangen. Grund- lage für diesen rationalen Glauben ist die bekannte Deu- tung der Trinität, und namentlich die Lehre von der Seele Christi. Nachdem dann die folgenden vier Kapitel die

1) S, 142—143.

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Hauptfragen der Christologie und Anthropologie erörtert haben, gelangt P. zu dem Hauptthema der Schrift: zum Ge- richt, zur Betrachtung der höchsten Vollkommenheit und zu deren Bedingung, der communio perfecta, zur Notwendig- keit eines Mittlers und zu der Auferstehung. Ein letztes Kapitel enthüllt uns den Sinn der ewigen Disposition, indem der Verfasser entsprechend den Bestandteilen in Christo vier Zeitalter der Kirche unterscheidet, und dafür aus dem Alten und Neuen Testament zahlreiche Beweise erbringt.

Die vier ,considerationes^ Christi entsprechen den vier Zeitaltern der Kirche auf folgende Weise. In der ersten wird er als die ewige Weisheit Gottes gedacht. Die zweite gilt von seiner Seele, als von einer Weisheit, die vor allen Dingen geschaffen und mit der göttlichen vereint worden ist; die dritte als von dem menschgewordenen Gottessohn. Die vierte denke ich wörtlich wiedergeben zu missen !): „At in quaría omnia cumulantur, in qua est sub saneto sacra- mento ecelesiae Mariae et dei filius, eo modo, quo se ipsum communicare suis creaturis potest, modo et sibi et illis conve- nientiori. Sieut enim est ipse Panis vitae, verbumque Dei, omnia spiritualiter alens, et conservans in Hominum gratiam: ita non potuit majus de se specimen edere, quam sub specie Panis et Vini realiter et vere seipsum membris sibi incorpo- randis inserere: ut qui illum in se fide, fame, ardore, sui nudi, illo vestiti, recipiunt, omnino in eum mutentur, et illi adnectantur, sine qua insitione nulli est perfecta salus. Hoc est quartae aetatis ecclesiae foelieitas, et Convivium omnia uniturum.* Es erfolgt also eine Verchristung der Menschheit, die Postell an dem von ihm so oft besprochenen Geheimnis des Abendmahls beleuchtet.

Zum Schluß folgen einige Nachweise aus dem Alten "Testament über die Art und die Zeit dieser Vollendung des vierten Zeitalters, die, wie schon eine Pariser Schrift ver- kündet hatte, nahe bevorsteht ?).

Die Väter des Konzils, die gerade eine Spaltung ihrer von Postell prinzipiell so hochgehaltenen Versammlung hinter sich hatten, konnten diese henotischen Träume ebensowenig

1) Absc. clav. hgeb. von Abr. Frankenberg. Amsterdam 1646. S. 48. 2) Das. S. 47—73.

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für höhere Botschaft erkennen, als die abenteuerlichen Spekulationen, die in den beiden von Oporin heraus- gegebenen Schriftlein enthalten waren. Es ist freilich frag- lich, ob ihnen jene Schriftlein schon damals bekannt ge- worden sind. Aber den Jesuiten, die bereits in Trient, be- sonders bei der Verhandlung des Justifikationsdekrets eine Rolle gespielt haben, waren die eben erwähhten Phantas- men schon aus Postells Zugehörigkeit zum Orden gut be- kannt geworden. Es bedurfte jedoch nicht einmal des An- sehens eines Lainez, damit die Postellsche Satisfactio und Retractatio ihren Zweck verfehlte.

Nicht entmutigt oder wankend gemacht, beschließt Postell, die im großen Opus enthaltene Botschaft in einer neuen Schrift zu wiederholen. Er will den Vätern von neuem das Herannahen der letzten Zeit verkündigen und die Kirche an die Notwendigkeit der renascentia erinnern. Er habe diese Verkündigung als seinen Beruf von Christo erhalten, und faßte den Gedanken, das, was er schon vor- hin geschrieben hatte, dem Konzil etwas kürzer vorzulegen. Er versieht die so entstandene Schrift „de nativitate mediatoris ultima^ mit einer Widmung an die Väter, in der er sie von neuem zum Aufriehten jener Ein- heit mahnt. Wie wenig Beifall auch die Schrift unter den Konzilvätern gefunden haben mag, so hat man die Widmung als ein Zeugnis hohen Sinnes schon früher erkannt und an- erkannt. Nach diesem Schriftstück ist die Grundlage, auf der eine, jene renascentia aufnehmende Einheit unter den Menschen geschaffen werden könne, die Herrschaft der Ver- nunft ohne Autorität, bei der dadurch herbeigeführten Frei- heit ist Bann und Fluch antiquiert, was die Väter selbst durch Tat beweisen mögen '). Freilich sei das Konzil selbst weit da- von entfernt, ein ökumenisches zu sein, es fehlen viele Nationen daran. Er empfichlt nochmals die durch das Heilige Abend- mahl genährte natürliche Vernunft als Leiterin der Natur und wiederholt zum Schluß: „. .. haee seripta . . . nostra non sunt, sed Christi, sensibiliter in nobis Evangelium suum exponentis“ ... Er unterzeichnet sich aber „Inutile ser-

1) Buddeus sagt hierüber (Obs. Halens. I 357): „Usus profecto hic est Postellus tanta libertate, quae in animum mediocrem non cadit".

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vorum Dei mancipium“, ferner mit dem Pseudonym der Panthenosia Elias Pandochaeus.

Auch die übrigens ziemlich umfangreiche Schrift „de nativitate Mediatoris ultima" tritt zunächst für den Rationalis- mus in den Glaubenssachen ein. Besonders in den Bekennt- nissen müsse es „ratio“ geben, die allen mit Vernunft Aus- gestatteten genüge. Aber noch mehr als sonst wird hier zur Stärkung unserer rationellen Tätigkeit das Heilige Abend- mahl empfohlen, dessen Genuß uns unglaubliches Licht bietet !). Die Darstellung dieser vernunftmäßigen Erkenntnis beginnt: wiederum mit Christo, als substantia substantiarum. Christi eigenen vier Naturen entspricht in dieser Welt: terra, caelum, aqua, aer. Das Feuer aber ist der Geist, der in ihn von den Personen der Gottheit geflossen ist. Indem Postell diesen Christum in dem Lauf des Werdens und der Geschichte nachweist, unterscheidet er dessen mehrere Nativitäten; die letzte steht bevor. Durch sie wird er in die ganze Natur eindringen, so wie die Speise nur in ihren wertvollen Teilen in den Körper dringt, um ihn zu beleben. Ist Jesus der Körper und die Materie des Universums, so ist Christus wie dessen Form die Seele. Nachdem in der letzten Nativität des Mittlers die früheren vereinigt werden, werden wir selbst vergottet: Alles wird in ihm und er überall. Da unsere Seele ein Teil der universellen Seele der Welt ist, so er- reicht sie die Unsterblichkeit in der eigenartigen, wenn auch nicht neuen Form einer Apokatastasis ?).

Beurteilt nach dem so energisch betonten Prinzip der Vernünftigkeit und Natürlichkeit, waren die von Postell

1) S. 12. De vero cognoscendi modo, quo certissime ad summi cognoscibilis veritatem veniatur.

S.18. „Necesse est ut in sacrosanctis axiomatibus, sed prae- cipue in fidei articulis subsit talis ratio, quae omnibus ratione praeditis faciat satis.

,Certissimo modo per synceras notiones arte epagoges et syllo- gismi in viam solius rationis deductas, et ab autoritatis ergastulis deductas, tandem eo unde decidimus in Adamo, repedabimus', indem wir zugleich aus dem Abendmahl ein unglaubliches Licht erhalten.

*) Vgl. hierüber das Kapitel: „De Christi dilatatione in Universo futura per hanc sancrosanctam Nativitatem, sicut est ab Initio" S. 159 ff. Die abschließenden Worte S. 168.

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vertretenen Doktrinen freilich ein wenig einleuchtendes Zeugnis seiner von ihm behaupteten höheren Sendung, die letzte Zeit, die Widerherstellung des Menschen zu verkündigen. Die orientalistische Messiasidee, als Abschluß der chiliastischen Er- wartungen konnte schließlich gegen die Reformation als älterer Zeuge angerufen werden, für die Konzilväter hatte sie wenig praktischen Wert. Die Predigt der Toleranz war nach der Neuaufrichtung der Inquisition ein Anachronismus. Und auch zu der politischen Lage paßte sie nicht. Gewiß hat Fr. Buddeus mit seiner von uns zitierten Sentenz über Postells Großmut recht, und wir geben gerne zu, daß dieser in der Abmahnung von Anathem und Index als kühner Vorbote neuer Zeiten und Ideen erscheint, zumal wir sehen werden, daß dies bei ihm nicht ein vereinzelter Einfall gewesen. Aber sollte etwa der Kaiser seine Beute freigeben, auf daß die Kämpfe von neuem beginnen !)? i]

So haben die Schriften nur die Feindseligkeiten gegen ihren Autor vergrößert. Die Jesuiten hörten nicht auf, ihre Anklagen gegen ihn zu wiederholen, andere gesellten sich ihnen bei?) Man verbot ihm gar die Predigt in Venedig. Da erschien es dem Verfolgten von neuem angezeigt, sich zu rechtfertigen und er richtet jetzt an den Kardinal Cervino und an „totius consistorii patres^ eine Apologia und Postulatio. Er bittet aus drei Gründen gerade ihn um seinen Schutz und seine Gunst. Er verweist hier auf die beiden Punkte, wegen welcher er von den Jesuiten am ärgsten an- geleindet würde, daß der König von Frankreich universi imperator werden solle, und daß die „sedes ipsi Petro Romae concessa“ nach Jerusalem zum Grabe Christi zurück- zuverlegen sei. Nachdem er diese Punkte von neuem er- örtert, erklärt er, daB er sich dem Konzil, wenn es diese Ansichten verurteilt, fügen werde, wie er sich auch dem Ver- bot des Predigens in Venedig gefügt habe, und bittet um

!) Es ist bemerkenswert, daB diese bald so selten gewordene Arbeit auch in Handschriften kursierte. Die K, öffentliche Bibliothek zu Petersburg hat nicht nur eine Abschrift des Werkes, Lat, Ms. Q. 1144, sondern auch einen Folioband, der Exzerpte aus dem vielfach so eigenartigen Werke enthält, Ms. Lat. I 538.

` ?) Zu ihnen gehörte auch der Postell sonst wohlgesinnte Ambrosius Catharinus. Vgl. Schweitzer a. a. O, S. 96.

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eine Stelle als Lehrer der Sprachen in Rom. Auch als Bibliothekar wäre er gerne tätig, sich begnügend mit einem Sdide, der nur für die Naturnotwendigkeiten ausreiche!). Diese Apologia hat auf den Legaten des Papstes, und wenn er sie überhaupt weiter vorgelegt, auch auf die Väter in Bologna, kaum einen Eindruck geübt und vermutlich, ja höchst wahrscheinlich, hatten sich, seitdem P. sich in Venedig aufhielt, die Anklagepunkte gegen ihn gehäuft. Offenbar hatte er sich in Venedig ebenso wenig beherrschen können, wie in der Gesellschaft zu Rom. R. Etienne erzählt uns, daß Postell auf dem Platze Rialto in Venedig an mehrere eine Rede gehalten in dem Sinne, daf, wenn man eine gute Religion haben wolle, man eine solehe aus den drei vor- handenen, der christlichen, der jüdischen und der türkischen zusammenstellen miisse, und daß besonders die türkische, wenn man sie näher betrachte, viele Vorzüge habe?) Diese Rede, verglichen mit der eben besprochenen Apo- logie zeigt uns die Disziplinlosigkeit in Postells Geiste. Hatten wir sie bereits früher gesehen, so haben wir aus seinem Aufenthalt in Venedig einen neuen Grund zu ver- zeichnen, der sie wesentlich mehren und steigern mußte, Es wurde allgemein bekannt, daß Postell in Venedig eine Frau kennengelernt, in der er eine Art Mutter Gottes, jeden- falls ein hóheres Wesen, erkannte und die er, mit einer be- sonderen Aufgabe in der eintretenden letzten Zeit ausstattend, bald auch in den Gedankenkreis seiner Botschaft aufnahm, ja ihr bald darin eine zentrale Stelle zuwies. Daß dies sein Ansehen in Bologna nicht heben konnte, braucht nicht näher bewiesen zu werden. Diese Tatsache ist aber auch sonst von großem Interesse für unsere Untersuchung. Es tauchen zwei Fragen auf und die beschäftigen die Forscher seit

1) Schweitzer a. a. O. S. 104—106. |

2?) Vgl. H. Etienne, Apologie pour Herodot. A la Haye 1735 I S. 184: „Toutesfois ie ne scay pas si entre les livres qu'il a voulu estre imprimez, se trouvent des propos lesquels il a tenus une fois à Venise à plusieurs, et à moy entr'autres, en la place de Realte, a scavoir que pour faire une bonne religion il faudroit qu'elle fust com- posee des trois religions, de la Chrestienne, de la Judaique, et de la "Turquesque: et que nommeement la religion des Turcs auoit de bon points, si on la consideroit de pres.“

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langem: 1. seit wann datiert die Bekanntschaft mit diesem Weib?, und 2., hat sie in Postells Geisteswelt und in seine Predigt Neues gebracht und worin besteht dieses Neue?

Einstweilen wollen wir uns mit der ersten beschäftigen und dabei die Frage mit berücksichtigen, ob denn nicht schon die bisher genannten Schriften eine Spur oder Zeugnis der neuen Bekanntschaft aufweisen.

Des Billon will die Bekanntschaft mit der Jeanne, so (auch Johanna) hieß die Jungfrau von Venedig, ins Jahr 1546 setzen; so infolge der Angabe: die virgo sei, als sie Postell kennen gelernt, 50 alt gewesen; sie sei aber 1496 ge- boren.. Ferner könne die in einem Brief P.s (22. Jan. 1547) genannte Schrift de restitutione humanae naturae, die be- reits als zehn Monate vorher nach Basel geschickt erwähnt wird, nur seit der Bekanntschaft mit der Johanna entstanden sein. Daß Postell selbst für das Jahr 1547 zeugt, sei nicht ein autobiographisch-historisches, sondern ein rabbini- sches Datum. Darum nimmt Des Billon (a. a. O. S. 12) an, daß die von uns bereits kurz charakterisierten Schriften unter dem Einfluß der Johanna geschrieben worden sind. Dagegen meint Adelung (S. 128 Anm.), das Ms. De resti- tutione etc, das schon im März 1546 nach Basel geschickt wurde, konnte nicht unter Johannas Einfluß stehen, aber wohl die Absconditorum Clavis und die Panthenosia (das. 5. 137), ohne daß sie jenen Einfluß verrieten. Diesen habe Postell erst 1547 der Welt kundgetan, indem er Johannas Offenbarungen an Oporin geschickt hat.

Mit voller Sicherheit läßt sich das Datum der Bekaunt- schaft nicht feststellen, da wir nicht wissen, wann Postell hom verließ. Sein Brief an Masius, Jan. 1547, ist schon aus dem Krankenhause datiert, wo die Jungfrau die Kranken pflegte: es ist nicht unmöglich, daß er sie schon 1546 dort gesehen hat. Aber die von Adelung genannten Schriften sind alle noch aus Rom, und zwar aus der Zeit seiner Zu- gehörigkeit zum Orden nach Basel geschickt worden, sind also von der Jungfrau unabhängig. Auch die Schrift „de nati- vitate“ verrät noch nicht unzweifelhaft die neue Wendung in Postells Anschauungsweise, weshalb wir sie noch im Zu- sammenhange mit der Restitutio erörtert haben.

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Von diesem ersten römischen venezianischen Aufenthalt ist anhangsweise noch zu verzeichnen, daß er Postell zwei Freunde, zugleich Schüler in den semitischen Sprachen, be- scherte, die ihm, obwohl gut katholisch, ungeachtet aller seiner Extravaganzen, treue Freundschaft bewahrten. Der eine ist Masius?) ein herzoglich elevescher Rat, dessen Briefwechsel uns, wie fragmentarisch er uns auch erhalten, zahlreiche wert- volle Nachriehten über Postells Leben und Wirken erschließt. Der andere, Widmannstetter?), hat mit Postell kabbalistische Studien getrieben, denen auch Masius nicht fern stand. Dieser letztere findet in diesen Studien?) den Ursprung der absonderlichen Lehre seines Freundes. „In Hebraeorum penetralibus“ habe auch Masius mit Postell von der zweiten Wiederkehr des Messias, von der Wiederherstellung der Seelen gelesen, habe aber der Botschaft keinen Glauben geschenkt. Im ferneren widerlegt Masius auch die sonstigen eigenartigen Gedanken Postells mit Anlehnung an die Autorität der Kirche. Masius sagt dabei nicht, ob Postell auch die Gedanken von der zweiten Eva und von der Heilsbedeutung des weiblichen Geschlechts aus der Kabbala geschöpft hat. Eine solche Deutung der Masiusschen Sätze ist nicht ausgeschlossen, aber auch nicht gefordert. Ein flüchtiger Blick in die Kabbala, besonders das Buch Zohar, zeigt uns, worauf wir noch ver- weisen werden daß der jüdische Einfluß auch in diesen Anschauungen anzunehmen ist.

Haben wir diesen Judaismus schon bisher vielfach ge- merkt, so werden wir ihn bei unserem Autor in der Folge noch konkreter, noch anspruchsvoller auftreten sehen. Freilich ist er nicht konsequent genug, und man erkennt gleich, daß Postell nicht eigentlich das Judentum wollte, wie er es auch seinen Freunden in Venedig gesagt hat. Aber jüdische Ge- danken und Reminiszenzen und Bräuche herrschen in seiner Gedapkenwelt immer mehr, in oft verblüffender Weise, vor!

1) Vgl. über ihn seinen Briefwechsel, hgeb. von Max Lossen. Leipzig 1880.

2) Vgl. über ihn die Allg. D. Biographie.

*) Vgl. Lossen, Briefwechsel des Masius S. 162, Brief des Masius vom 13. April 1555.

330 46

Es möge noch erwähnt werden, daßPostells orientalistische Gelehrsamkeit auch an der Kurie bekannt und gewürdigt wurde. Darüber zeugt uns ein auch zeitgeschichtlich inter- essantes Ereignis. Im Jahre 1548 erhielt der Papst von einer lusitanischen Matrone in verschiedenen Sprachen geschriebene Briefe, und er betraute Postell, darauf chaldäisch und arabisch zu antworten!) Doch wäre es zuviel, daraus zu schließen, daß der Papst sich mit ihm wirklich versöhnt hätte. Das wäre angesichts der Panthenosia und der wiederholten Äuße- rung, der Papst sei Antichrist, auch beim besten Willen nicht möglich gewesen. Jedenfalls war die Bitte, die Postell an Cervino gerichtet, man möge ihm eine Bibliothekar- oder Lehrerstelle unter den bescheidensten Bedingungen verschaffen, nicht erfüllt worden.

1) Postell: Les merveill. hist. des femmes Cap. VI. Auch bei Weill S. 23.

Beiträge zur Reformationsgeschichte aus Drucken und Handschriften der Universitätsbibliothek in Jena.

Mitgeteilt von Bernhard Willkomm.

H.

4. Eine bisher unbekannte Redaktion von Melanchthons Einleitung und Schluß zur Augustana. (Schluß.)

Auf Grund dieser Vergleichung von Ja mit Na, die eine weitgehende Übereinstimmung beider Stücke in Inhalt, Anordnung und Form ergeben hat, halte ich es für sicher, daß Ja und Na von ein und demselben zum gleichen Zwecke verfaßt sind, daß also Ja ebenfalls eine Einleitung Melanchthons zur Augustana oder wenigstens der Entwurf einer solchen ist. Da wir wissen, daß Melanchthon vielfach an der Augustana geändert und daß er auch die Einleitung umgestaltet hat. so ist es nicht auffällig, wenn sich mehrere Bearbeitungen der Einleitung von ihm finden. Es fragt sich nur noch, in welchem Verhältnisse die beiden Rezensionen zueinander stehen. Ja ist etwas kürzer als Na; es verhält sich zu letzterem etwa wie 3:4. Ja könnte also ein Auszug aus Na oder Na eine weitere Ausführung von Ja sein. Die erstere Annahme, Ja eine verkffrzte Bearbeitung von Na, stößt aber aufSchwierigkeiten, weil, wiewirzum Teil schon oben sahen, Ja tatsächlich kein bloßer Auszug aus Na ist, sondern trotz seines geringeren Umfanges doch manches bietet, was in Na fehlt, z. B. bei den römischen Kaisern den Namen Konstantinus, ferner die Zitate aus Augustinus, Gregorius und St. Bernhard, ferner den Erlaß Papst Innocenz’ III, sowie die Erwähnung der Reichstage zu Worms und Nürnberg,

‚332 48

überhaupt die ganze Darstellung der Entstehung der MiB- bräuche in der Kirche. Dagegen wird die andere Annahme, daß Na eine ausführlichere Bearbeitung von Ja ist, gestützt, ja geradezu gefordert durch Melanchthons Notiz in dem Briefe, den er von Augsburg am 4. Mai 1530 an Luther nach Koburg schrieb: „Ego exordium nostrae apologiae feci aliquanto önrogıxcwregov quam Coburgi seripseram').“ Hier- nach hatte Melanchthon also schon in Koburg mit der Um- arbeitung der Torgauer Artikel zur „Apologie“ begonnen, mindestens bereits eine Einleitung dazu geschrieben, die er dann nach seiner Ankunft in Augsburg rhetorischer aus- gestaltet hat. Wenn nun Na diese rhetorischer ausgeführte Einleitung bietet, so haben wir in Ja höchstwahrscheinlich die in Koburg geschriebene Einleitung Me- lanchthons zur Augustana zu sehen. Schon die aus- führlichere captatio benevolentiae zeigt, daß Na tatsächlich die rhetorischere Einleitung hat, desgleichen der Abschnitt, der die Verteidigung Friedrichs (des Weisen) und Johanns (des Beständigen) enthält, sowie die ausführliche Besprechung der vorzüglichen religiösen Verhältnisse in Kirche und Volk Kursachsens. Daß Melanchthon in dieser späteren Fassung (Na) den Abschnitt tiber die Entstehung der Mißbräuche in der katholischen Kirche wegließ, erklärt sich wohl leicht aus der Besorgnis. die zu starke Betonung der Mißbräuche könnte bei den Gegnern Anstoß erregen. Ängstlichkeit und Vorsicht haben ja Melanchthon überhaupt bei Abfassung der Augustana die Feder geführt. Er war durchaus bestrebt, die Abweichungen Luthers und seiner Anhänger von der katholischen Kirche als möglichst geringfügig, dagegen ihre Verschiedenheit von den Schweizern u. a., wie den Wieder- täufern, als möglichst groß darzustellen. Bekannt ist Luthers Urteil vom 15. Mai über die Augustana, soweit sie damals fertig und ihm zur Begutachtung zugeschickt worden war: „Ich hab M. Philippsen Apologie uberlesen: Die gefället mir fast wohl, und weiß nichts dran zu bessern, würde sich auch

1) C. Ref. IT, 39. Näheres über die Entstehungsgeschichte der Augustana s. bei Kolde, Historische Einleitung in die symbolischen Bücher der evang.-luth. Kirche. Gütersloh 1907 S. IV ff., zur Stelle besonders S. VI.

49 333

nicht schicken; denn ich so sanft und leise nicht treten kann. Christus, unser Herr, helfe, daß sie viel und große Frucht schaffe, wie wir hoffen und bitten, Amen.“

In Ja war Melanchthon nun allerdings noch weit sanfter und leiser getreten als in der Fassung der Einleitung, die er Luther von Augsburg aus zuschickte: Da hat er ja, wie wir bereits sahen, nicht einmal gewagt, bei Darstellung der Entstehung der neuen Lehre Luther mit Namen zu nennen! Oder sollte dies wirklich zufällig, ganz ohne Absicht unter- blieben sein? Nun, wie dem auch sei, jedenfalls hat sich Melanchthon selbst bald besonnen und es geändert, wie es scheint, noch vor der rhetorischen Bearbeitung, die er in Augsburg vornahm: denn wenn nicht alles täuscht, reiht sich jetzt hier ein Blatt von Melanchthons Hand ein, das im Weimarer Archiv aufbewahrt wird, in dem schon Kolde (Die älteste Redaktion ete. S. 34) ein Bruchstück der Einleitung vermutet hat, die Melanchthon „auf der Reise nach Augsburg während des Aufenthalts in Koburg ausarbeitete“') und das seinem Inhalt und seiner Form nach zwischen Ja und Na zu gehören scheint, da es sich sowohl mit Ja als mit Na bertlhrt, besonders mit Ja, mit dem es an vielen Stellen wörtlich übereinstimmt.

Auch von diesem Stück, das ich mit Wa bezeichnen will, findet sich in dem Jenaer Sammelbande Cod. msc. Bud. fol. 2 eine Abschrift, die aber von anderer Hand als Ja aus späterer Zeit stammt und einen modernisierten Text bietet. lch gebe im folgenden einen Abdruck von Wa nach Förste- mann, Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstages zu Augsburg im Jahre 1530 Bd. 1 S. 109—112:

Melanchthons Bedenken über Mißbräuche in der katholischen Kirche. (Eigene Handschrift des Verf., im Archiv zu Weimar Reg. E. Fol. 37 Nr.2.) T meniglich weyß, das viel grosser vnd schedlicher mis- breuch In der Kirchen, christliche lahr vnd ander geistliche sachen belangend, lange zeytt gewesen. Daruber viel hoher vnd treffenlicher leut vor diser Zeit seer geklaget haben, wie sieh K. M. gnediglich wirt wissen zu er-

1) Vgl. jetzt auch Gußmann, a. a. O. I, 1, S. 439 Anm. 24. Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 4. 29

334 00

innern, das zu Worms auff yhr M. gehaltem reychstag solcher mißbreuch viel zusamen ge- fragen vnd yhr M. von stenden zugestaltt sind, So hatt nachmals Bast (sic!) Adrianus durch eyn legaten für des reychs stenden zu Noriberg meldung da von thon lassen, vnd vertröst, gedachte mißbreuch, so viel müglieh, zu endern vnd zu bessern.

vnd ist vnter andern mißbreuchen!) der furnemst ge- wesen, das man fast In allen schulen, clóstern vnd kirehen wenig von haubtstuken christliches glawbens geprediget vnd gelart hatt, sonder dem volk viel schedlicher lahr furtragen von falschen gotsdienst, da durch die gewissen hoch vnd seer beswert worden, vnd wurden menschliche satzungen, orden, heyligen dienst, walfarten, Indulgentien vnd ander vnnótige vnd vntuehtige ding mehr vnd hefftiger ge- trieben zu verderbung der seelen, denn was das Euangelium leret?), die gewissen zu trösten, dazu wurden teglich newe misbreuch vmbs geniess willen, newe stiff- tungen, newe misbreuch der messe, newe heylgen vnd andere erdacht?), und Ybeten die m ó n ch solch Tyranney, das nicht alleyn geringe leut, sonder auch Bischóne [so bei Fürstemann!] vnd audere prelaten dazu mußten stiller sweygen, da durch der gross vnwill erstlich. wider die mönch jn viel leuten erwachsen. Denn mann weyß, wie sich die sachen von den Indulgentien erstlich zu getragen haben, welchevrsach geben von allerley mißbreuchen zureden, denn da man solch vnchristlich ding leret, wenn das geltt Ins becken fiel, so füre die seel gehn himel vnd ander vnschickliche rede viel, nieht alleyn zu wider gottlichem wort, sonder auch Bebstlichem rechten, hatt sich geburet, das pfarner vnd prediger die leut von solchen sachen vnter- richten, denn ob schon‘) davon kheyn christ- lichervoterrichtweyter geschehen were, hetten soleh óffentliche lugen doch mussenvallen, vnd were christlichreligionIn verachtung khomen,

1) vnter andern mifbreuchen] M. schrieb dafür zuerst: ,,vnter anderm bosen Ergerniß“, durchstrich aber diese Worte und machte die obige Abänderung.

?) Nach ,leret' schrieb M. zuerst: „zu trost", durchstrich es aber dann.

3) An den Rand schrieb M. bei dieser Stelle: „das christliche religion nicht viel andere gestaltt hatte, denn heydnische religion mitt soviel heylgen vnd gottern vnd bauch gott". Auch diese Bemerkung hat M. wieder gestrichen.

t) ob schon] zuerst schrieb M. dafür: „so“.

51 335

so gott nieht rechte vnd bestendige lahr dagegen geben hette!). Als nu Luther dises vngeschickt predigen vnd außschreyben von Indulgentien, wie ehr schuldig gewesen, mitt eyner kurtzen lateinischen predigt gestrafft hatt, vnd doch Bebstlicher gewaltt allenthalb mitt allemvleysverschonet, haben die widersacher so hart vff yhn gedrungen mitt lateinischen vnd teutschen schmeschrifften, dasehr seiner meynung grund vnd vrsach hatt mussen anzeygen. Darinn ehr von vielen grossen vnd wichtigen sachen solchen bericht gethan, wie man die gewissen durch glawben an Christum trósten solle, das viel gelarter vnd redlicher leut seyn lahr fur christlich?) vnd nóttige gehalden vnd befunden, das man zu uor viel falscher vnd vnrechter lahr von diesem stuk, wie man gnad vnd vergebung der sund erlangen soll, geprediget vnd geschriben hatt, so doch dises stuk In der christenheit die furnemist predig vnd lahr seyn soll von der gnade Christj?) So hatt auch Luther erstlich*) kheyne andere mißbreuch anruret5), sonder alleyn dieses haubtstuk getrieben, welchs furnemlich nott ist zu wissen allen christen. °)Aber die widersacher haben nieht abgelassen, sonder fur vnd fur widern Luther mitt citirn?), Bannen vnd vnschickliehen schrifften gefochten, vnd viel mehr?) mißbreuch erregt, vnd durch yhr eygne vnschick- licheyt?) ynen selbs eynen solchen abfall gemacht, das enderung ann viel orten gevolget, darinnen sieh doch Luther also ge- halden, das ehr vntüchtige lahr vnd vnnótige Enderung vff das hefftigest geweret hatt. Denn es haben auch vor Luthern etliche andere nicht alleyn der geistlichen leben, sonder viel dogmata angefochten, daraus viel grosser vnlust gevolget wehre, so Luther nicht geweret hette.

1) so gott nicht geben hette] dafür schrieb M. zuerst: „so nicht aussgereicht were“.

2) christlich] zuerst hatte M. „christlicher“ geschrieben.

3) von der gnade Christj] zuerst hieß es: „von vordienst Christi vnd der gnade“.

4) Nach „erstlich“ schrieb M. ursprünglich: „nicht gehandelt oder geschrieben“.

5) anruret] zuerst hieß es: „wollen anruren*.

©) Aber] diesen Satz fing M. zuerst also an: „vnd nicht“. Beide Wörter hat er aber wieder gestrichen.

?) eitirn] zuerst schrieb M. dafür „bullen‘,

5) mehr] zuerst hieß es: „andere“.

?) Nach dem Worte: „vnschicklicheyt“ fuhr M. zuerst also fort: „mit gemeynem“. Dieß ist aber gestrichen.

22*

336

Qt IV

Mit Na berührt sich Wa an folgenden Stellen, z. T.

wörtlich: Wa.

Dadurch die gewissen

hoch und seer beswert

worden.

Dazu wurden teglich newe milbreuch vmbs geniess willen, newe stifftungen, newe misbreuch der messe, newe heylgenvnd andereerdaeht.

Vnd vbeten die mönch solch Tyranney, das nicht alleyn geringeleut, sonder auch Bischóne[!] vnd andere prelaten dazu mußten stiller sweygen.

Als nu Luther... mit eyner kurtzen lateinischen predigt gestrafft hatt, vnd doch Bebstlicher gewaltt allenthalb mitt allem vleis verschonet, haben die widersacher... mitt lateinischen vnd teutschen schmesehrifften ...

... viel gelarter vnd redlicher leut seyn lahr für ehristlich ... gehalden.

Denn es haben auch vor Luthern etliche andere nicht alleyn der geistlichen leben, sonder viel dogmata ange- fochten, daraus viel grosser vnlust gevolget wehre, so Luther nicht geweret hette.

Na. 7,5Í: die gewiDen der einfeltigen wurden teglich mit neuen aufsetzen be- schwert.

7,41: in den kirchen erdacht man alle tag neue gottsdinst, die gelt trugen, neue weis die meß zu ver- ' kaufen, neue heiligen, neu ceremonias, ablas on zal, neu müncherey.

7,9f.: sollchs klagt nit allein der gemein man, sonder auch die bischofe wie wol in geheim, dan offentlich dorft niemand da- wider reden, die weil die munch also gewalticklich in der eristenheit auch über die bischove regirten.

... Widersprach Martinus Luther ... in der schul und nit vor dem volck auch on alle schmah und verletzung des babsts. aber seine wider- sacher... ließen viel lester- licher buchlein in beiderley sprachen ausgeen ...

7,23: ... und hetten vil fromer und gelerter leut ob seiner antwort ein ge- fallen.

7,34—8,2: Dan er dan luther ichts geschriben, hett sich schon allgereit allerlei irriger und ergerlieher leer angespunnen, welche vil be- schwerlicher neuerung und eroberung in der christenheit verursacht hat, wo das durch Luther nit unterkomen wer.

337

Mit Ja stimmt Wa an folgenden Stellen wörtlich überein:

Wa.

... wie sich K.M. gnedig- lich wirt wissen zu er- innern, das zu Worms auff yhrM.gehaltemreychstag solcher mißbreuch viel zu- samen getragen

.. So hatt nachmalsBast[!] Adrianus durch eyn le- gaten ... zu Noriberg meldung da von thon lassen... zu endern vnd zu bessern.

. das man fast jn allen schulen wenig von haubtstuken christliches glawbens geprediget vnd gelart hatt, sonder dem volek viel schedlicher lahr furtragen ...

b .. Indulgentien . . , welche vrsach geben von allerley mißbreuchen zu reden ... wenn das geltt Ins becken fiel, so füre die seel gehn himel... hatt sich geburet, das ... die leut von solchen sachen vnterrichten, . . hetten solch öffentliche lugen doch mussen vallen, vnd were christlich re-

ligion In verachtung khomen, so gott nicht rechte vnd bestendige

lahr dagegen geben hette.

"verachtung

Ja.

Darzu wissenn die kay. Mat sich genedigklich zuerinnern wievnnd was... mißbreuch auf Irer Mat Erst gehaltenem Reichs- tagk zu wormbs... zu- samengetragen.

Auch hatBabstAdrianus der nechst durch aynen legaten ... zu Nurmberg vonn ... meldung thun lassenn ... zu anderenn vnnd bessernn.

Das man fast an allenn orten wenig von denn hauptstuekenn Christ- liehs glawbens gepredigt vnnd gelert, sondern dem volek vill schedlicher... lehrenn...furgetragenn hat.

. Indulgentien ... das domit vrsach gegebenn ist wordenn vonn denselbigenn vnnd dergleichen falschenn lehrenn .. . zuredenn.... wanndasgeltInsbeckenn fielh, fihr die seelh ... alsbald gein hymel. Darumb hat sieh geburt die leute vonn solchenn sachen ehristlich zu vnterrichten..., hetenn doch solche offent- liche gotslesterung") vnnd darneben auch dye wahre christliche Religion jnn kommenn mussenn, So got aus ge- nadenn...darwider nicht bestendige vnnd rechte warhafftige lehre gebenn hete.

1) Hier scheinen einige Worte vom Abschreiber ausgelassen

worden zu sein, wohl etwas Ahnliches wie: „müssen fallen‘, Vgl. diese Zeitschr. 1912 S, 255.

bietet.

das Wa

338

Als nu Luther dises vn- geschickt predigen vnd außschreyben von Indul- gentien..., haben die widersacher ... gedrun- gen.

. wie man die ge- wissen durch glawben '" an Christum trösten solle, das viel gelarter vnd redlicher leut seyn lahr fur christlich... gehalden

.wie man gnad vnd vergebung der sund er-

54

Als sieh aber nhun et- liche ... wider solch vn- geschickt predigen vnd

auschreyen von Indul- gentien ..., habenn die widersacher ge- drungenn.

wie man ... dye

gewissen durch glauben an Christum tróstenn sold...

Das vill redlicher vnnd gelerter leute Irer lahr habenn zufalh gebenn vnnd dieselb vor christlich

langen soll ... . achtenn ...

wie man genad vnnd vorgebung der sunde erlangenn soll.

Wie diese Zusammenstellung deutlich zeigt, sind. die Übereinstimmungen zwischen Wa und Ja zahlreicher als die zwischen Wa und Na. Besonders im Anfang schließt sich Wa auffallend eng an Ja, weniger an Na an. Dagegen hat es mit letzterem die Erwähnung des Namens Luthers gemein. der in Ja vermieden wird. Ist unsere Datierung von Ja vor Na richtig, so scheint Wa hiernach zeitlich zwischen Ja und Na zu gehören: es bringt nachträglich eine neue Be- arbeitung der Abschnitte über die kirchlichen Mißbräuche und die Entstehung der neuen Lehre. Und diese Vermutung wird dadurch bestätigt, daß sich das Blatt schon äußerlich tatsächlich als einen Nachtrag zu erkennen gibt: es trägt nämlich am Anfang ein Kreuz (f), das doch sicher auf ein gleiches Kreuz hinweist, das im Original an der Stelle stand, an der Wa als Nachtrag oder Korrektur eingeschoben werden sollte. Da sieh Wa nun besonders im Anfang sachlich wie formell ganz auffällig an Ja anlehnt, so möchte man fast vermuten, daß es eine nachträgliche Korrektur zu Ja sein soll: Wa faßt im Anfang kurz zusammen, was in Ja über die Entstehung und das Zunehmen der Mißbräuche in der Kirche ausführlicher behandelt worden war, es soll also

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wohl diesen ausführlicheren Abschnitt ersetzen, und geht dann nach dem Hinweis auf die Verhandlungen über die Mißbräuche auf dem Wormser und dem Nürnberger Reichs- tage dazu über, zu zeigen, wodurch Luthers Auftreten ver- anlaßt und gerechtfertigt ist. Vielleicht findet sich zu Wa auch noch das Original von Ja und bringt Sicherheit über unsere Vermutung. l Ist sie richtig, so würde die Bedeutung unseres Fundes darin liegen, dab er einen tieferen Einblick in die Vor- geschichte der Augustana, speziell ihrer Einleitung, gewährt: Wir könnten jetzt ihre allmähliche Entstehung vom ersten Entwurfe in den Torgauer Artikeln, wo Melanchthon durch die Bemerkung: ,Inn hane sententiam prodest preponere prefacionem longam et Rethoricam“ auf die beabsichtigte weitere Ausarbeitung hinweist!), über Ja nebst der Korrektur Wa hinweg bis zu Na verfolgen. Es ist zwar nur eine kurze Spanne Zeit von 2!/, Monaten, um die es sich hier handelt: die einleitende Bemerkung zu den Torgauer Artikeln stammt aus der zweiten Hälfte des März 1530, Ja ist, wie wir sahen, wahrscheinlich in Koburg, also zwischen dem 15. und 22. April, und Na nicht nach dem 3. Juni 1530 verfaßt, denn an diesem Tage schickten die Nürnberger Ge- sandten die lateinische Augustana, soweit sie damals fertig war, an den Rat ihrer Heimatstadt. Aber in diese Zeit fällt ein Ereignis, das auf die Gestaltung der Augustana von größtem Einfluß war: Kurz nach ihrer Ankunft in Augsburg (2. Mai) erfuhren die Wittenberger von der Schrift, die Eck auf Grund eines Auftrages der bayerischen Herzöge an die theologische Fakultät zu Ingolstadt verfaßt und dem Kaiser übersandt hatte, die eine Zusammenstellung von 404 Artikeln derer, „die den Frieden der Kirche stören“, enthielt. Hier hatte er Sátze aus Schriften Luthers, Melanchthons, Zwinglis, Karlstadis aus dem Zusammenhange gerissen und mit Äußerungen von Wiedertüufern und anderen Ketzern zu- sammengebracht. Konnten die Wittenberger sich vorher, in der Meinung, hinsichtlich der Lehre noch völlig auf dem Boden der offiziellen Kirche zu stehen, auf die Darstellung

1) Förstemann, Urkundenbuch I S. 68. Th. Kolde, Die Augs- burgische Konfession lateinisch und deutsch, Gotha 1896 S. 128.

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ihrer Neuerungen in den Zeremonien besehrünken, so sahen sie sich jetzt in ihrem Glauben verdächtigt und angegriffen und mußten nun natürlich auch die Lehre in ihrer Ver- teidigungssehrift mit berücksichtigen. Melanchthon erweiterte daher seine Umarbeitung der Torgauer Artikel, die die Zeremonien betraf, durch eine Darstellung der Lehre, der er die Scbwabacher Artikel zugrunde legte. Und auch auf die Einleitung scheint das Bekanntwerden von Ecks Schrift nieht ohne Einfluß geblieben zu sein. So können wir Melanehthon dureh Vergleichung von Ja, Wa und Na gleichsam bei der Arbeit beobachten. Wir sehen, wie er nicht nach Luthers Art frisch darauf los die Einleitung gleich in ihrer endgültigen Form niederschreibt, sondern immer wieder daran zu ändern findet, um ja nicht durch einen zu starken Ausdruck anzustoßen. Vorsichtig und ängstlich wagt er zunächst gar nicht den Namen dessen zu nennen, dessen Werk die neue Lehre, das neue kirchliche Leben im sächsi- schen Lande ist: der ist ja noch geächtet und gebannt und wird deshalb heimlich auf die Veste Koburg in Sicherheit. gebracht und gar nicht auf den Reichstag mitgenommen. Wie leicht könnte da schon die bloße Nennung seines Namens vor Kaiser und Reich Anstoß erregen! Aber dann (in Wa) faßt Melanchthon doch Mut, Luther zu nennen, doch vor- sichtig geht er dabei zu Werke, indem er nicht unterläßt, ganz besonders zu betonen, daß es Luthers Pflicht und Schuldigkeit war, gegen den Ablaßunfug aufzutreten, und daß er es zunächst auch nur „in einer lateinischen Predigt“, also nicht öffentlich vor allem Volke getan, und auch ohne jeden Angriff auf den Papst; die eigentliche Schuld an den Änderungen schiebt er dem ungeschickten und unschicklichen Auftreten der Ablaßprediger und der Gegner Luthers zu; auch darauf verfehlt er nicht hinzuweisen, daß Luther nicht der erste ist, der gegen kirchliche Mißbräuche aufgetreten ist, daß er aber gerade durch sein Auftreten das Umsichgreifen anderer, antikirehlieher Lehren verhütet hat. Besonders in Na wird der letzte Punkt noch weiter ausgeführt dureh den Hinweis auf dieSchweizer (?, vgl. Kolde, Die älteste Redaktion S.8 Zeile 13—15) und die Wiedertäufer (Kolde S.8 Zeile 15 ff.) und dadurch der Abstand Luthers und seiner Anhänger von

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den Genannten besonders deutlich gemacht (Kolde S. 8 Zeile 26ff.), was vielleicht durch Ecks oben erwähnte Schrift veranlaßt ist. Doch beinahe als wollte Melanchthon den Vorstoß, den er durch die Nennung Luthers getan hat, den Gegnern gegenüber wieder ausgleichen, mildert und kürzt er gegen Ja in Na nun die Darstellung von der Entstehung der Mißbräuche in der Kirche; auch wird nun die besondere Verteidigung des Kurfürsten Johann und seines Bruders ein- geschoben und die Darstellung der guten Folgen der neuen Lehre im Kurfürstentum Sachsen, wie sie sich in den er- freulichen, echt christlichen Zuständen in Kirche, Schule und Leben zeigen, angefügt. Und auch hier wird die Über- einstimmung mit der römischen Kirche oder wenigstens die Geringfügigkeit der Abweichungen von ihr und der gute Wille, soweit irgend möglich, auf dem Boden der offiziellen Kirche zu bleiben, nachdrücklichst betont. „Dis ist die ordnung der kirchen in dem churfurstentum Sachsen, des meisten teyls nach altem gebrauch und gewonheit der römi- schen kirchen nach ausweisung der heiligen leerer, und wollten nit liebers, dan das solche den bischofen auch gefellig wer“ ... (Kolde, Die älteste Redaktion S. 10 Zeile 6 ff.). Man vergleiche besonders auch, was Melanchthon in Na über die Gestaltung der Messe in Kursachsen sagt (Kolde S. 9 Zeile 3 ff.) und über die geistliche Gewalt (ibid. S. 10 Zeile 15f.) und dazu die starke Verwahrung gegen die Böhmen und die Schwärmer (ibid. S. 10 Zeile 201f, 30ff.). Man merkt hier gegen Ja deutlich Melanchthons verstärkte Absicht, die Lutherischen der offiziellen Kirche möglichst zu nähern und von den Sektierern nach Kräften abzurücken, doch wohl wieder eine Folge von Ecks erwähnter Schrift,

Natürlich ist es durchaus richtig, wenn Melanchthon die religiösen Motive in Luthers Auftreten besonders betont, und auch alles andere, was er anführt, entspricht ganz den Tat- sachen, aber wie er es tut, wie er in der späteren Re- zension (Na) hier streicht und dort hinzufügt, ist so charak- teristisch für ihn und zeigt so recht seine vorsichtige, ängst- liche Art. Doch wir wollen auch nicht ungerecht sein. Es ist ja leicht gesagt: er hätte beherzter und energischer auf- treten sollen, aber das ultra posse gilt doch auch ihm. Das

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beherzte Auftreten und mutige Dreinschlagen war nun einmal so gar nicht seine Sache. Und leicht war seine Situation damals doch auch keineswegs: der stille, vorsichtige, zaghafte Gelehrte mit der schwächlichen, leicht zu Indispositionen geneigten Konstitution sah sich jetzt plötzlich in exponier- tester Stellung! Luther, der Starke, an dem er bisher Halt gefunden und der bisher immer auf dem Plane gewesen war, wenn es galt, die Sache des Evangeliums zu vertreten, war zu unfreiwilliger Muße verurteilt, fern vom Schauplatze, und an seiner Stelle sollte Melanchthon nun plötzlich die Führung übernehmen! Wie sollte er jetzt auf einmal dieser schweren und verantwortungsvollen!) Aufgabe völlig gewachsen sein? Doch mag auch immerhin sein weitgehendes Ent- gegenkommen im weiteren Verlaufe des Reichstages den Römischen gegenüber recht bedenklich sein, er ist doch mit Ernst und Hingebung an seine schwere Aufgabe gegangen und hat der Sache der Evangelischen zu dienen und zu nützen gesucht, wie er es für geboten und richtig hielt. Das zeigt im kleinen auch die gewissenhafte Sorgfalt, die er seiner Ein- leitung zur Augustana widmete.

Aber alle Mühe, die er auf sie verwendete, sollte schließlich doch vergeblich gewesen sein. Die Augustana war ursprünglich nur als Rechtfertigung und Bekenntnis des sächsischen Kur- fürsten gedacht. Aber im weiteren Verlaufe schlossen sich ihr Markgraf Georg zu Brandenburg-Ansbach, Herzog Ernst zu Lüneburg, Landgraf Philipp von Hessen, Fürst Wolfgang zu Anhalt, sowie die Städte Nürnberg und Reutlingen an. Da sie nun das gemeinsame Bekenntnis der unterzeichnenden evan- gelischen Stände wurde, mußte das speziell auf Kursachsen Bezügliche fallen. So wurde denn auch Melanchthons Ein- leitung gestrichen und durch ein allgemein gehaltenes, vom Kanzler Brück verfaßtes Vorwort ersetzt. Hieraus erklärt sich zugleich, wie sie abhanden kommen konnte: sie hatte eben keinerlei offizielle Bedeutung mehr.

') Trotz der Beteiligung der kurfürstlichen Räte an der Ab- fassung der Augustana bleibt Melanchthon doch der gegebene Führer und fühlt sich selbst verantwortlich. Zu der Frage, ob ihm wirklich

alle Verantwortung aufgebürdet werden kann, vgl. Gußmann, a. a. O. I, 1 8.447 Anm. 30 und 31.

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Unmittelbar an die Einleitung (Ja) schließt sich in dem Jenaer Cod. mser. Bud. fol. 2 folgendes Stück von derselben Sehreiberhand an:

Vngeferlicher beschluss.

1) Diweil dann die kay. Mat als ein hochlöblichster christ- liehster kaiser hiraus genedigklichenn zuuornemen habenn, warauf die lehre Ruhet, so jnn obgemeltes Churfirsten zu Sachssen fürstentumb landenn vnnd gebieten gelert vnnd gepredigt wirdet, vnnd nemlich warjnn die rechtfertigung des menschenn stehet, auch wo der mensch vergebung seiner sunde vnnd erlangung der genaden gotes suchenn ader nicht suchen soll. Item welchs christliche vnd gotselige Cerimonien vnnd warzu dye dinstlich vnnd nutz vnnd wie dieselbigenn zuhaltenn, Auch welche?) Cerimonien ergerlich sein, vnnd?) zu dem wie das volck gelert vnd vnterrichtet wirdet, das es sich gegen den obrigkaitenn (:do es nicht wider got vnnd zu sundenn gedrungen wirdet:) mit vntertenigster erher- bietung, forcht vnd gehorsam, jon aller vntertenigkait zu haltenn sehuldig sey, So geruch*) der almechtig Barmherzige Goth Irer Mat genade vnnd kayserlichen muhet zuuerleihen, Irer Mat aufschreibenn genedigem vnnd christlichem erbietenn nach, jnn diesen aller grostenn vnnd wichtigstenn sachenn, dermassen zuhandelnn, domit nach erhorten jn liebe vnnd gutigkait eins jeden opinion vnnd maynung Alles das so wider die elare vnnd helle gotliche schrifft befundenn, vnnd derhalbenn auf diesem ader jhenem taill vnrecht gehalten vnd furgenomen zu ayner aynichen christlichen warhait dye got selber vnnd dureh nichts dann sein ayniges wort, vnnd Christum der weld kundt werdenn?) was sein gotlicher wille ist, vnnd ehr von den menschenn erfordert, Auch wan er den fur jme will rechtfertig vnnd selig werdenn lassenn, zuuorpringen vnd zuuorgleichen Alle spaltung vnnd mib- verstant der schrifft, jun welcher aynigkait vnnd vnitas der christenhait als auf die Recht grundtfestenn allain ruhet vnnd “stehenn soll, abgetann vnnd also zwuschenn allen stenden ein aynige ware christliche Religion angenomen vnnd ge- haltenn, vnnd so geferlicher vnnd sórglicher zwaispalt, Als itzt jnn kirchenn vnnd gemainden vorhandn, gentzlich hin- gelegt vnnd abgestellet werde. Dann wo solehs dermassen vnnd wie kay Mat jnn obberurtem jrem kaiserlichen aus-

1) Von anderer (Brücks?) Hand hinzugefügt: Vnd. *) korrigiert aus: welcher.

3) gestrichen: darzu.

*) gestrichen: vnd wolle got.

5) Von anderer (Brücks?) Hand hinzugefügt: ist.

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schreibenn aynen genedigen vnnd christlichenn wege ange- zaigt nieht furgenomen sold werden, wold zubesorgen stehen, das es?) nhur teglich zu weiter ferliehen zwaispalt, trennung vnainigkait vnnd zuruttung der kirchen geraichen wurde. Nachdem |. wie man?) fur augen sicht.] leider?) jn deutzscher Nation, vill furwitziger leut sein, die sich nhur vmb aigens Rumbs willen vill disputirens vnnd darneben allerlay sched- liche vnnd geferliehe lehrenn wider die christlichen vnnd von got eingesetztenn Saerament*) zuerwecken vnterstehenn. Auch ferner (. wie fur handen.) jn andern artigkeln zuthun vnterstehenn werden, jnnsonderhait?) wo sie etwo anhang vnnd handthabung wie dan leiehtlieh beschehen kondt*), darzu finden vnnd erlangen") vnnd dann?) diejenigen auf diesem taill?) vnbracht!?) verjagt ader vortrieben weren, die bis anher aufs hefftigst mit vnterriehtung der warhait dar- wider gestrebt vnnd solche vnnd dergleichen ketzerey auf hefftigst widerfochtenn habenn, dann wo die nicht vorhandenn, wurdenn sich darnach die andern weniger schewhen vnnd zu vorigen ketzereyen, so sie der sacrament halben erwecket habenn, nicht mehr sehedlicher jrtumb einfuhren.

Hirumb wolle die Romisch kay Mat jn der fromen konig fusstapfenn schreitenn, so etwan vber das judisch volek Regirt die jnen nichts hocher haben anligenn lassen, dann dasjenige abzuthun, vnnd nyderzulegen was wider die gebot vnd beuelch gotes fur aynen!!) gotsdinst jm volek aufgericht worden, Seind aueh darumb das sie jn sachen gotes Ehre vund dinst belangend mehr auf seinen beuelch vnd gebot, dan menschliche erfindung vnnd zusetze gesehen, von den propheten, so zu jrenn zeiten gewesen, aufs hochst gebreiset die andern aber welehe das nieht getan (vnnd denn falschenn gotesdinst nicht vmbgestürtzt noch verboten haben) !?) heftigk- lich gestratit wordenn, vnnd derwegen, der gantzenn Christen-

1) Von anderer (Brücks?) Hand korrigiert in: die sachen.

2) Von anderer (Brücks?) Hand hinzugefügt: leider (?).

3) Von anderer (Brücks?) Hand gestrichen: leider.

*) Von anderer (Brücks?) Hand am Rande zwei unleserliche Worte hinzugefügt.

^) Von anderer (Brücks?) Hand gestrichen: jnnsonderhait.

5) Von anderer (Brücks?) Hand gestrichen: wie dan leichtlich beschehen kondt.

‘) Von anderer (Brücks?) Hand hinzugefügt: wurd.

*, Von anderer (Brücks?) Hand korrigiert in: insunderhayt itzo (?).

») Von anderer (Brücks?) Hand gestrichen: auf diesem taill.

1) Von anderer (Brücks?) Hand korrigiert aus: vnbericht (?).

!!) ,aynen" gestrichen.

1) ,vnud denn falschenn gotesdinst nicht vinbgestürzt noch ver- boten haben* gestrichen.

61 | 345

bait, auch vyber menschen seelenn, Hayl behertzigen, vnnd sich jnn diesenn sachenn erzaigenn, Domit got dem almech- tigen zu rechtem lobe vnnd der deutzschen Nation zu friden !) den leuten zu besserung christlicher lahre vnnd die vor- kundigung des hailigen Euangelij vnnd gotes worts pleiben, die jugent getreulieh dorjnnen vnterwiesen, vnnd die rechte christliche lahr, auf die nachuolgend weldt komen müge, wie dan jederman schuldig ist vor dieselb zusorgen. Das wirdet anzweiuel das höchst vnd lóblichst kaiserlich werck sein, Das jre Mat, jn solcher jrer Hochayt jmmer thun mügen. Dann jr kay Mat wissen genedigklich zubetrachtenn, das diese sachenn nicht zeitliche gueter landt ader leut sondern ewigs haylh vnd vnhaill der seelenn vnnd gewissen belangen, vnd wie hierjnnen gehandelt, so wirdet got am jüngstenn gericht rechenschafft dafür fordern. Got vorleihe jrer kay. Mat. zu solcher aufgeschriben handlung genad vnnd haill Amen. T |

Wenn es auch aus dem Anfange nicht deutlich hervor- geht, so ist doch wohl anzunehmen, daf dieses Stück nicht ‚als Schluß der Einleitung, sondern als Schluß der ganzen Augustana gedacht war. Dafür spricht doch der Charakter des ganzen Stückes: es macht mit seinen Rekapitulationen durchaus den Eindruck des Abschlusses für das ganze Be- kenntnis und wäre als Abschluß der Einleitung wenig am Platze. Auch die letzten Sätze und das Amen am Schluß bestätigen dies. Vielleicht darf man daher am Anfang des Stückes einen Schreibfehler annehmen und statt: „Diweil dann die kay. Mat... hiraus . . . zuuornemen habenn“ lesen: ... „vernommen haben“, bei der Mangelbaftigkeit -der Abschrift gewiß keine zu gewagte Annahme! So hätten wir in diesem Stücke wohl den bis jetzt für verloren ge- haltenen Schluß Melanchthons zur Augustana, von dem die Nürnberger Gesandten bei der Übersendung der Abschrift des lateinischen Augustana-Textes am 3. Juni an ihren Rat berichteten: „Aber es mangelt hinten an ... dem Beschluß, daran die sächsischen Theologi noch machen“, oder und das ist bei der allmählichen Entstehung der Augustana und auch nach der Überschrift: Vngeferlicher (— „ungefährer“) Beschluß sogar das Wahrscheinlichere einen Entwurf für den Schluß der Augustana zu sehen. Im Stile und der

1) hinzugefügt: auch.

346 | 62

ganzen Haltung stimmt es völlig zu seiner Einleitung. Auch hier „erwartet Melanchthon alles vom Kaiser“ (Kolde, Die älteste Redaktion S. 39), ohne die Möglichkeit einer Bei- legung des religiösen Zwiespaltes durch ein Konzil auch nur zu erwähnen; auch hier die Verwahrung gegen die Sakramentierer. Und da das Stück auch lediglich als Schluß eines Sonderbekenntnisses Kursachsens gedacht war, so hatte es dasselbe Schicksal wie die Einleitung: es wurde bei der definitiven Fassung gestrichen und konnte, als offiziell nicht mehr von Bedeutung, um so leichter abhanden kommen.

Der Reformationsversuch des Gabriel Didymus in Eilenburg und seine Folgen. 1522—1525.

Neue urkundliche Nachrichten. Von K. Pallas. °

Einleitung.

Die bisher bekannten Nachrichten über das Auftreten des ehemaligen Augustinermónches und Predigers im Witten- berger Kloster seines Ordens Mag. Gabriel Didymus (Zwilling) in Eilenburg bestanden, wenn wir von den kurzen Auf- zeichnungen in Spalatins Annalen (bei Mencken, Scriptores r. Germ. II, 609) und beim Pirnaischen Mönch (ebenda S. 1472 und 1549) absehen, in der Hauptsache in den ,Beriehten dreier Augenzeugen über die Vorgünge in Eilenburg, Neu- jahr 1522“, die Johann Karl Seidemann in seinen Er- läuterungen zur Reformationsgeschichte, S. 36 f., abgedruckt hat und denen er das Sehreiben des Herzogs Georg an seine Sóhne vom 10. Januar 1522 (im Auszug) beifügte, da diesem der Entwurf zu einem dureh das Auftreten des Didymus veranlaßten Mandate gegen die aus Luthers Lehre sich ergebenden kirchlichen Neuerungen beigelegt ist. Auch hat Seidemann a. a. O. S. 42f. zwei Briefe des Rates zu Leipzig, vom 16. Mürz und 21. Mürz 1522, angeschlossen, den einen an Kurfürst Friedrich und Herzog Johann, den andern an Herzog Georg, beide Berichte über die Aussagen eines wegen Teilnahme an der Eilenburger Abendmahlsfeier am Neujahrstage 1522 auf Befehl des Herzogs Georg inhaf- tierten Leipziger Handlungsgehilfen. Seidemann gibt nachseiner Gewohnheit nicht die Fundorte der von ihm veröffentlichten Urkunden an. Doch ist der erste der drei Berichte als eine

.918 64

Kopie von der Hand des Bischöflich Meißnischen Kanzlers Georg v. Rothschitz bezeichnet, also wohl ursprünglieh im Meiüner Archiv bewahrt gewesen und nun im Dresdener Hauptstaatsarchiv zu finden. Und ebenda dürften auch die anderen Berichte zu finden sein, die ohne Zweifel ursprüng- lich für die Hand des Herzogs Georg bestimmt gewesen sind und aus denen denn aueh dessen Kenntnisse über die Eilenburger Vorgánge stammten. Mit diesen hat er unter den Mitgliedern des Nürnberger Reichsregiments lebhaft agitiert (vgl. Virek, Des Kursächsischen Rats Hans v. d. Planitz Beriehte usw. S. 67 und 72f, Berichte vom 16. und 28. Januar 1522) und schließlich den Erlaß des Reichsregi- ments-Mandats vom 20. Januar 1522 gegen die kirchlichen Neuerungen erreicht. Die nach Planitz Bericht vom Herzog gebrauchten Ausdrücke, auch die im genannten Mandat gemachten tatsächlichen Angaben über vorgekommene Einführungen wider langhergebrachte kirchliche Ordnung und Gebrauch stimmen mit dem Wortlaute dieser Berichte z. T. genau überein. Auch ist es z. B. nur aus den Worten des zweiten Seidemannschen Berichts: und seind dar- nach zu getretten man, frauen, iunkfrauen und kinder von zehen und eilf iaren, verständlich, wenn es im Reichs- regiments-Mandat (dieses Archiv V [1908] S. 239) heißt: auch dergleichen den kindern das sacrament geben.

Zu diesen Nachrichten, die wir Seidemann verdanken, hat dann Kolde in der Zeitschrift für Kirchengeschichte V (1881) S. 327 f. einen Bericht über „Gabriel Zwillings Um- triebe in Eilenburg“ hinzugefügt, den er dem Thesaurus Baumianus der Kaiserlichen Bibliothek zu Straßburg ent- nommen hat. Dieser Bericht ist eine Abschrift, die Baum von dem Original, dessen Fundort er nicht erwähnt, ge- nommen hat. Irrtümlich ist diesem Berichte vom Ab- schreiber die Überschrift gegeben: Gabriel Lonicerus quae- nam concionatus sit in Eylenburg (manu Capitonis) Es kann, wie Kolde richtig sagt, nur Gabriel Zwilling gemeint sein. Wenn Kolde aber hinzufügt: Der Berieht dürfte aus der Feder des Ulscenius oder eines anderen Wittenberger Korrespondenten Capites stammen (S. 327 a. a. O., Anm. 3), so dürften dieser Annahme berechtigte Zweifel entgegen-

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zusetzen sein. Die Briefe des Ulscenius an Capito, die wir be- sitzen, sind lateinisch geschrieben, und wir können uns auch nicht denken, daß ein anderer Wittenberger Student, der an Capito geschrieben hätte, anders als in lateinischer Sprache seinen Brief verfaßt hätte. Und der Bericht im Thes. Baumianus ist deutsch geschrieben. Aber dieser Bericht macht zudem auch gar nicht den Eindruck, als ob er einem Briefe entnommen und etwa nur für einen der lateinischen Sprache nicht sonderlich Kundigen übersetzt sei. Er macht viel eher den Eindruck, als sei er von vornherein ein Ganzes für sich gewesen. Dafür spricht der Eingang und der Schluß des Schriftstüicks. Der Eingang lautet: Eitzliche punc(t)h, am nechsten heiligen christage im 21. und 22. ihare ezu Eylenburgk gescheen, wie volget, vorzeichnet. Und der Schluß ist eine allgemein gehaltene Ermahnung: Wollen wir Christum nachvolgen, so müssen wir alle von der enthe- .ehristliehen leher abesteen und heltfen, den rechten christen glauben bekennen. Damit seyt Got befollen. Dies macht vielmehr den Eindruck, als ob wir es hier mit einem für die breiteste Offentlichkeit bestimmten Bericht über die Vorgünge in Eilenburg zu tun haben, der von einem Freunde der Be- wegung zum Zwecke der Propaganda noch während des Aufent- haltes des Zwillings in Eilenburg veröffentlicht ist. Denn verfaßt ist der Bericht frühestens in der Nacht vom 29. zum 30. Dezember, da noch erwähnt wird, was am Abend des 29. Dezember um 9 Uhr geschehen ist; und anderseits ist über die bedeutsame Abeudmahlsfeier auf der Kapelle bei dem Schlosse auf dem Berg bei Eilenburg am Neu- jahrstage 1522 noch nieht berichtet, sondern nur die Er- klärung des Didymus in der Predigt am 29. Dezember, eine solche Abendmahlsfeier sub utraque specie halten zu wollen, mitgeteilt, Es erscheint also sehr wohl denkbar, daß dieser Bericht veröffentlicht ist, um auf diese Abendmahlsfeier die allgemeine Aufmerksamkeit hinzulenken und zum Bekenner- mute, der dazu gehürte, sieh an ihr zu beteiligen, aufzu- fordern. Vielleicht handelte es sich um einen der Einblatt- drucke, die in der Reformationszeit eine so bedeutsame Rolle gespielt haben. Denn wenn auch Eilenburg ohne Druekerei gewesen ist, so liegt doch Leipzig ihm so nahe, Archiv für Reformationsgeschichte IX. 4. 23

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daß in kurzer Zeit ein solches Flugblatt von dort beschafft werden konnte.

Zu den von Seidemann und Kolde gebrachten Berichten ist dann in neuerer Zeit noch der in der „Neuen Zeitung* des Thomas von der Heyde enthaltene getreten, den aus dem im Dresdener Hauptstaatsarchiv beruhenden Original wohl ebenfalls die Abschrift eines Einblattdruckes zuerst Barge in der Zeitschrift für Kirchengeschichte Bd. 22 S. 124f., dann Geß, Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs v. Sachsen I S. 261 f., und zuletzt Nic. Müller, Die Wittenberger Bewegung 1521 und 1522 S. 170f. ver- öffentlicht hat. In diesem Berichte aus der „Neuen Zeitung“ ist zwar auch ein kurzer Bericht über die Predigten des. Zwilling gegeben, indem drei Sätze der „wunderlichen Dinge“, die der Mönch gepredigt hat, angeführt sind, aber hauptsäch- lich kommt es dem Berichterstatter auf die Abendmahlsfeier vom Neujahrstage an. Daß er die Wiederholung dieser Feier am h. Dreikönigstage nicht kennt, gibt zusammengefaßt damit, daß er von Gabriel Didymus im Präsens berichtet: wirt dafselbs uffm schlofs enthalten, einen sehr wichtigen Anhalt für die Zeitbestimmung dieser nicht datierten „Neuen Zeitung“.

Aber so interessant diese Berichte waren, sie mußten für die Freunde der Reformationsgeschichte doch ein Doppeltes- vermissen lassen: einmal erfuhren wir aus ihnen nichts über die Vorgänge in Eilenburg nach des Didymus wohl durch das zu Wittenberg abgehaltene Generalkapitel der deutschen Augustinerkongregation veranlaßte Abreise, von denen der Pirnaer Mönch (a. a. O. S. 1549 s. v. Eylenberck) be- richtet: .. . und erhub sich daselbst di naue uncristliche Luterische secta underm schucz der obirkeit, das di ein- woner troczlich (1522) stórmten di pharne, der bruder haus prediger ordens zu Leipez und ander pfaffenheuser, triben di pfafheit (:alten kirchlichen brauch geflissen zu halten :) mit gwaldiger hant aus; das richte zu der ... münch Gabriel usw.; wir vernahmen auch nichts über die Stellung, die der Rat der Stadt diesem tumultuarisehen Vorgehen einzelner seiner Mitbürger gegenüber eingenommen hat, auch nieht, was der Propst des Klosters auf dem Peters- berge, unter dessen Patronat die Eilenburger Pfarre stand,

67 351

zu den Angriffen auf diese Pfarre gesagt hat. Auch was Gabriel Didymus selber zu diesen Folgerungen aus seiner Predigt gesagt hat, blieb im dunkeln, wie wünschenswert auch, das zu wissen, für die Charakteristik dieses in den nüchsten Wochen in Wittenberg in so bedenklicher Weise mit seinen Predigten in den Vordergrund tretenden Mannes erscheinen mußte. Aber was noch viel bedauerlicher war, wir erfuhren nichts über die Stellung des Kurfürsten und seiner Räte zu den Eilenburger Vorgängen. Daß die kurfürstliehen Beamten, der Rentmeister Hans v. Taubenheim, der Gleitsmann Michael v. d. Straßen u. a., den Didymus nach Eilenburg berufen und ihm dort die Möglichkeit zu predigen verschafft hatten, auch sich bei seiner Abendmahls- feier in erster Linie beteiligt hatten, war bekannt. Wie standen nun aber dazu die während der Abwesenheit des Kurfürsten im Thüringischen in Eilenburg die Regierungs- geschäfte besorgenden Räte, vor allem Haugold v. Einsiedel, der bald naeh dem Sturm auf die Pfarre nach dorthin ge- kommen sein mußte. Hier war der Punkt, wo diese Eilen- burger Angelegenheit in intimster Berührung mit der Witten- berger Bewegung stehen konnte, wenn nämlich das Ein- greifen der kurfürstlichen Räte, das in Eilenburg notwendig geworden war, ein solches in Wittenberg zur Folge hatte. Aber bisher hat keiner darauf geachtet, weil nähere Nach- richten eben fehlten. Man hatte vielmehr sein Augenmerk ausschließlich darauf, inwiefern das Vorgehen des Didymus in Eilenburg in Parallele zu setzen sei mit dem Vorgehen des Karlstadt in Wittenberg, die von Didymus in seinen Predigten vorgetragenen Gedanken, soweit man sie aus den vorliegenden Berichten kannte, den im Kreise der Witten- berger Reformfreunde üblich gewordenen Anschauungen ent- sprüchen und ebenso die Eilenburger Abendmahlsfeier am Neujahrstage der Wittenberger vom Christtage gleichmäßig sei. Kolde hatte in seinem Luther (lI, 35) zuerst die Mög- lichkeit einer Verabredung des Didymus mit Karlstadt als vorliegend erachtet. Fischer, Zur Geschichte der evan- gelischen Beichte, II, S. 152f. und S. 227 (Anm. 30) sieht diese Verabredung sich deutlich aus den Umständen er- geben: am 22. Dezember kündigt Karlstadt seine Absicht, 23*

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die Messe „evangelisch“ zu halten, an, am 24. Dezember fährt Didymus ab: offenbar habe Karlstadt Vorkehrungen getroffen, daß möglichst gleichzeitig mit seiner evangelischen Messe ebensolche Feiern in der Umgegend, eben in Eilenburg und in dem in der „Zeitung aus Wittenberg“ er- wähnten unbekannten Dorfe, stattfinden. Aber so unaus- weiehlieh auch Fischer diese Schlußfolgerung nennt, so scheitert sie, was Eilenburg anbelangt, schon daran, daß Didymus ohne Zweifel, wie in den Berichten steht und er selbst betont, von Eilenburg erfordert ist dort zu predigen. Die aber, welche ihn erfordert haben, müssen diesen Beschluß spätestens am 22. Dezember gefaßt haben, denn ihr Brief mußte am 23. in Wittenberg gewesen sein, wenn Didymus, ihrer Einladung folgend, am 24. früh von Wittenberg weg- fuhr, um am h. Abend in Eilenburg anzukommen. Also isí wenigstens die Einladung an Didymus von Leuten er- gangen, die von Karlstadts Ankündigung nichts wuDten. Und man wird wohl, da es sich bei diesen Leuten in erster Linie um kurfürstliche Beamte handelte, auch annehmen dürfen, daß ihnen von dem dem Karlstadt in der kurfürst- lichen Räte Namen durch Christian Beyer eröffneten Verbot, die öffentliche Messe zu ändern (Nic. Müller a. a. O. S. 125 f), nichts bekannt gewesen ist. Auch hat, soviel wir aus den Beriehten ersehen kónnen, Didymus in allen Predigten, die er in den Weihnachtsfeiertagen in Eilenburg gehalten hat, nieht ein einziges Mal etwas verlauten lassen, daß er selbst die Messe veründern wolle. Er hat wohl vom Pfarrer in der Predigt verlangt, daB er die Leute sub utraque kom- munizieren sollte, und hat die Gemeinde aufgefordert, sonst der Messe fern zu bleiben. Aber seine Absicht, selbst Messe zu halten, so wie er sie für richtig halte, hat er erst am Sonntag naeh Weihnachten ausgesprochen, und da ist es nicht unmöglich, daß nun erst das Wittenberger Vorbild, das inzwischen auch in Eilenburg bekannt geworden war, auf ihn und die, die sich ihm angeschlossen haben, eingewirkt hat.

So viel ist jedenfalls klar, daß vieles an den Eilenburger Vorgängen noch dunkel war und daß eine Ergänzung der bisher vorhandenen Berichte nach verschiedenen Seiten hin wünschenswert blieb. Vor allem mußte es erwünscht er-

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scheinen, neben den teils von Feinden der evangelischen Bewegung stammenden, teils aus der Bewegung selbst hervor- gegangenen Berichten über das in Eilenburg Geschehene Angaben vom Rate der Stadt Eilenburg selbst zu besitzen, ferner ersehnte man eine Äußerung des Didymus selbst, über dessen Vorgehen bisber immer nur Berichte anderer vor- lagen, endlich war es, um den Verlauf der Eilenburger Be- wegung und auch den der Wittenberger Bewegung zu ver- stehen, notwendig, die Maßnahmen der kurfürstlichen Räte kennen zu lernen.

Völlig dunkel blieb bisher die Stelle im Briefe des Christian Beyer an Einsiedel vom 25. Januar (Nic. Müller a. a. O. S. 174), die Didymus betrifft: Mit Gabriel ist die sach ganz gestilt. Denn daß diese Stelle sich nicht auf die Wittenberger Predigttätigkeit des Didymus beziehen konnte, war schon deshalb klar, weil ja das Einschreiten gegen diese erst nach dem 25. Januar erfolgte. Aber ebenso- wenig reichten unsere bisherigen Kenntnisse über das, was Didymus in Eilenburg gepredigt und ausgeführt hatte, aus, um Luthers Urteil in seinem Briefe an Spalatin vom 17. Januar (Enders III S. 286): Evlenburgensibus nova vel imponuntur vel finguntur de usu sacramenti. Man konnte ermessen, welche Bedeutung diese Absage Luthers gegen- über dem im Namen des Evangeliums Verkündigten und Ein- gefübrten gerade an die Adresse Spalatins, des kurfürst- lichen Hofpredigers, hatte, da dieser über die Stimmung am Hofe wegen der Vorkommnisse in Eilenburg am besten unter- richtet war und vielleicht selbst Luther über diese Vor- kommnisse und den Eindruck, den sie auf den Kurfürsten gemacht hatten, Mitteilung gemacht hatte. Aber um so wünschenswerter mußte es erscheinen, über diese nova, die den Eilenburgern auferlegt oder vorgemacht wurden, Nüheres zu erfahren.

So dürfen denn die hier mitgeteilten, bisher unbekannten Nachrichten über die Eilenburger Bewegung auf einiges Interesse der Freunde der Reformationsgeschichte rechnen. Wenn sie auch nicht alles Dunkel aufzuhellen vermógen, so werden sie doch nach verschiedenen Seiten hin aufklärend wirken können.

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Es handelt sich in der Hauptsache um drei Aktenstücke des Weimarer Ernestinischen Gesamtarchivs, die die Be- zeichnung tragen Reg. li 104 und 106 und Reg. N 47.

Das interessanteste dieser Schriftstücke ist das nicht datierte Schreiben des Didymus „an den christlichen Rat zu Eylburgk“, in welchem er darum bittet, gegenüber allen dem Evangelium feindlichen Stimmen, die den vom Teufel angezettelten Aufruhr diesem zur Last legen wollten, treu bei der Predigt des Evangeliums, wie er sie ihnen gebracht habe und sie sie gern von ihm angenommen hätten, zu bleiben und entgegen der ihm gewordenen Mahnung: er solle nicht mehr zu ihnen kommen, denn sie wollten ihn nicht predigen lassen, dem Boten, der seinen Brief über- bringe, den Bescheid zu geben, daß er zu ihnen zurück- kehren dürfe, um durch seine Predigt das Evangelium frei zu machen von dem Vorwurf, dab es Ursach des Aufruhrs gewesen sei Die Art der Entwicklung der Gedanken in diesem Schreiben läßt einen Schluß. auf die anpackende Predigtweise des Briefsehreibers zu, der zur Treue gegen die einmal erkannte evangelische Wahrheit auffordert, und gelte es darüber Gut, Leib und Leben fahren zu lassen. Die Gedanken, die Luther in „Eine treue Vermahnung zu allen Christen, sich zu verhüten vor Aufruhr und Empörung“ geäußert hat und die dem Didymus gewiß bekannt gewesen sind, da diese Schrift Luthers gerade in diesen Tagen in Wittenberg gedruckt wurde (der Schlußbogen trägt das Datum des 19. Januar 1522), sind hier wiederholt: Nur die Obrigkeit hat das Recht, gegen alles, was dem Evangelium entgegen ist, einzuschreiten. Der einzelne darf es nicht, das wäre Aufruhr. Er darf nur versuchen, die Obrigkeit zu bewegen, gegen das Widerevangelische einzuschreiten; tut sie es nicht, so hat er still zu schweigen und zu dulden. Es ist Didymus kein Zweifel, daß „die Obersten, Fürst und Rat einer Stadt“, die Pflicht hätten, die Verführer des Volkes auszutreiben und den öffentlichen Mißbrauch in Messen, Seelmessen, Brautmessen, Bruderschaften, Feiertagen usw. abzuschaffen. Doch der Fürst fürchtet den Kaiser und der Untertan den Fürsten. „Aber sehet darauf, daß ihr nicht unter dem Haufen seid, welcher um zeitlicher Güter willen

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oder um des Weibes willen Christum fahren läßt, ver- Jeugnet und nicht öffentlich bekennt.“

Es muß auffallen, daß dieses umfangreiche und für die Denkweise der in der Wittenberger Bewegung in erster Linie Stehenden charakteristische Schriftstück bisher unbe- kannt geblieben ist. Es ist dies wohl nur damit zu er- klären, daß die Forscher an ihm vorübergegangen sind, weil ihnen die Unterschrift, Gabriel Dies, anstößig war und sie es nicht wagten, in dem sich so Unterschreibenden den Gabriel Didymus, der sonst, soviel wir sehen, nie den Namen Dies führt, zu erkennen. Und doch ist kein Zweifel über die Identität der Person. Die Handschrift ist die- selbe, die sonstige Schriftstücke von der Hand des Didymus zeigen, z. B. sein Brief Reg. li 1805 Bl. 2. Aber vor allem ist unser Schreiben als von Didymus verfaßt dadurch sicher- gestellt, daß Spalatin mit seiner unverkennbaren Hand auf die Adresse geschrieben hat: Gabriel. 1522. Denn da wir aus den Akten und Briefen zur Wittenberger Bewegung wissen, daß Didymus gemeinhin mit seinem Vornamen be- zeichnet worden ist, so ist kein Zweifel, daB eben mit diesem Vornamen ohne Zufügung eines anderen Namens damals auch kein anderer von Spalatin bezeichnet werden konnte. Und wer hätte auch außer Didymus diesen Brief schreiben können? Man müßte geradezu an eine Mystifikation der Eilenburger denken, und dies verbietet die Spalatinsche Auf- schrift, auch gibt der Inhalt des Schreibens, das durchaus der Situation entspricht, keine Veranlassung dazu. Wie dieses an den Rat der Stadt Eilenburg gerichtete Schreiben aber in die Hände Spalatins gekommen sein mag, dies zu erörtern, sei einer darstellenden Arbeit vorbehalten, wo auch dem Gedanken nachgegangen werden soll, inwiefern das in diesem Briefe ausgedrüekte Ansinnen des Didymus an die Eilenburger mit der erwähnten Stelle in dem Schreiben Beyers an Einsiedel vom 25. Januar etwa in Verbindung zu bringen sei. Nur ein Wort noch über die Datierung des Schreibens. Daß Didymus von Wittenberg aus ge- schrieben hat, ist wohl nicht zu bezweifeln. Für die Zeit der Abfassung des Schreibens ist als oberster Termin der "Tag des Tumultes und Sturmes auf die Pfarre in Eilenburg

356 72

gegeben, dies ist wahrscheinlich der 12. Januar, wenn nicht die Nacht vom 11. zum 12. Januar gewesen. Denn in dem unten zu behandelnden Schreiben des Rates an den Kur- fürsten vom 11. Januar 1522 ist dieses Attentats noch nicht Erwähnung getan, wie es hätte geschehen müssen, wenn die Gewalttat der Pfarrstürmer schon geschehen gewesen wäre. Eine Subsumierung dieser Tat unter die vom Rat in dem Briefe beklagte durch Zwillings Vorgehen erregte „vil zwitraght und gezenke mit worten und werken im ge- meinen volke“ ist nicht angüngig. Anderseits geht aus dem ebenfalls unten zu besprechenden Bittgesuche der 7 Eilen- burger Bürger an den Kurfürst Johann vom 29. November 1525 hervor, daß die 13 Pfarrstüirmer am Sonntag den 12. Januar in gefängliche Verwahrung genommen sind. Immerhin wird man aber gut tun, das Schreiben des Didymus nicht zu nahe an diesen Termin zu legen. Denn vor dem 13. Januar kann kaum die Nachrieht von dem Eilenburger Vorkommnis. . in Wittenberg bekannt gewesen sein. Es fragt sich ja nun freilieh, ob die Worte des Sehreibens: Der rumor und auf- rur ist vor mich kommen und bin auch vormanet wurden, ich sal nicht mehr zu euch kommen so zu verstehen sind, daß der Rat der Stadt gleich von vornherein ihm durch irgendeine Vertrauensperson hat eröffnen lassen, da man sein Vorgehen für die Veranlassung des ürgerlichen Tumultes erachte, so wünsche man nieht, dab er etwa sich einfallen lasse, noch einmal zu ihnen zu kommen, denn er würde nur Öl in die Flammen gießen, oder ob Didymus an einen Be- kannten in Eilenburg sein Bedauern über das Vorgekommene und seine Absicht, dureh seine Predigt zur Beruhigung der Gemüter beizutragen, ausgesprochen hat und erst auf diese Ankündigung seines Besuches die Ábsage an ihn gekommen ist. Nach der Stellung, die der Rat in seinem Briefe vom 11. Januar einnimmt, ist die erstere Möglichkeit durchaus nicht von der Hand zu weisen. Immerhin hat die zweite die grüDere Wahrscheinlichkeit für sich. Dann würde aber schon mindestens der 16. Januar herangekommen sein, ehe Didymus die Mahnung, er solle nieht kommen, empfangen hätte, so daB also unser Brief nicht vor dem 17. Januar geschrieben sein dürfte. Und so erklürt sich denn auch am

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besten die auffüllige Übereinstimmung seiner Gedanken mit der von Luthers „Eine treue Vermahnung“. Denn dann hat Didymus seinen Brief unter dem unmittelbaren Eindrucke der Lektüre der ersten zwei Bogen dieser (2!/, Bogen starken) Schrift gemacht, die bis dahin die Presse werden verlassen gehabt haben.

Das Aktenstück N 47 enthält das schon erwähnte Schreiben des Rats der Stadt Eilenburg an Kurfürst Friedrich vom il. Januar 1529, worin sie angesichts des Neuen, was Unruhe und Zwitracht in die Bürgerschaft bringt, um Rat bitten, um naeh des Kurfürsten Willen leben zu können. Dieses Schreiben ist wichtig wegen der genauen Angaben über den Inhalt der Predigten des Didymus und seine Abendmabhlsfeier, die wir hier von berufener Stelle ge- geben finden. |

Die in eben demselben Aktenstücke enthaltenen Schreiben des Kurfürsten an Haugold von Einsiedel vom 13. Januar und an den Propst Johannes von Kanitz auf dem Peters- berge vom 15. Januar sind Zeugnisse von der überaus behutsamen und vorsichtigen Art, mit der Friedrich alle Saehen, die an ihn herantraten, behandelte.

Im Aktenstück li 106 interessiert zunächst der Brief des Propstes vom Petersberg an den Rat der Stadt Eilen- burg vom 13. Januar 1522, aus dem hervorgeht, daß der Rat nicht gezögert hat, sofort gegen die Pfarrstürmer vorzu- gehen und sie zu inhaftieren. Die übrigen Schriftstücke betreffen die Kosten der Verurteilung und des Gefüngnisses dieser Übeltäter und das weitere Verfahren gegen sie und diejenigen, welche sich für sie, um sie ihres Gefängnisses. zu entledigen, verbürgt hatten. Dieses Verfahren hat sich, wie wir ersehen, bis zum Ende des Jahres 1525 hingezogen, ohne daß wir aus den uns vorliegenden Akten etwas darüber erfahren, welche Entscheidung schließlich von dem kurfürst- lichen Geriehte gefällt worden ist. Wichtig ist aus der Ein- gabe der sieben Eilenburger Bürger an Kurfürst Johann vom 29. November 1525 vor allem, was sie über Alter und Herkunft der am Sturm auf die Pfarre beteiligten Personen mitzuteilen haben. Aus der Eingabe des Rates von Eilen- burg an den Kurfürsten vom 1. Dezember 1525 nimmt außer-

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dem das unser Interesse in Anspruch, was über den Streit der Stadt mit dem Patron ihrer Kirche wegen Besoldung eines Predigers gesagt wird.

Die Streitigkeiten zwischen dem Rate von Eilenburg und dem Kloster auf dem Petersberge als Inhaber der Pfarre haben schließlich dazu geführt, daB Verhandlungen iiber ein Abtreten der Pfarre an die Stadt eingeleitet sind. Wir fügen den obgenannten Aktenstücken ein Schriftstück bei, das in Weimar Ges. Arch, Reg. Ii Nr. 96 bewahrt ist. Es enthält einen von einem Verwandten des Propstes vom Petersberger Kloster, Balthasar v. Kanitz, gemachten Vor- schlag über‘ die Bedingungen, unter denen die Stadt in Besitz der Pfarre kommen könnte. Dieses Schriftstück ist nicht sicher datiert. Nach Clemen, Die Einführung der Reformation in Eilenburg (in Beiträge zur Reformations- geschichte III S. 40f., eine Arbeit, die sonst für den hier behandelten Gegenstand nicht in Betracht kommt), ist aus Briefen des Ägidius Seitz, die dort abgedruckt sind, ge- folgert, daß der Rat erst 1527 in den Besitz der Pfarre gelangt ist.

Endlich sind aus dem Aktenstücke Weimar Ges. Arch. O 225 einige Schriftstücke mitgeteilt, die Notizen über den Prozeß gegen die Eilenburger Pfarrstürmer aus dem Jahre 1522 (Januar und Februar) enthalten. Es sind dies das Inserat zu den Akten, worin Hugold v. Einsiedel notiert, welche Schreiben bzw. Kopien er am 2. Februar dem Kur- fürsten übersandt hat (Bl. 3), das Schreiben Einsiedels an den Kurfürsten vom 14. Februar (Bl. 105f.) und das Ant- wortschreiben des Kurfürsten darauf vom 17. Februar (Bl. 132 £). Diese drei Schriftstücke werden hier nur in den (Schluß-) Teilen veröffentlicht, welche bei ihren bis- herigen Publikationen im Corpus Reformatorum I S. 556 f. und S. 5581. und Nie. Müller, Die Wittenberger Bewegung 5. 177, 2031. und S. 206 f., weggelassen sind. Es erscheint gewiesen, trotzdem von diesen Schlußteilen der Schriftstücke nur einige Sätze zu den Eilenburger Vorgängen in Beziehung stehen, doch nicht nur diese Sätze, sondern alles bisher nicht Veröffentlichte abdrueken zu lassen, da es für die Politik Friedrichs d. W. und sein Verhältnis zu Einsiedel,

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auch für einzelne Fragen, wie den Streit der Stadt Belgern mit dem Abt des Klosters Buch, von Interesse ist.

Die Sehriftstücke werden im vollen Wortlaut genau nach den Originalen, aber mit Vereinfachung der Orthographie gegeben.

Eine Darstellung des Eilenburger Auftretens des Didymus und dessen Folgen, wie diese sich aus diesen neu veröffent- lichten!) Dokumenten mit Zuziehung der bisherigen Quellen nun ergeben, wird in einem der nächsten Hefte der Zeitschrift -des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen er- scheinen. Auf diese Darstellung, die als Kommentar zu den hier abgedruckten Urkunden dienen kann, sei hiermit hin- gewiesen.

Aktenstücke.

1. Der Rat der Stadt Eilenburg an Kurfürst Friedrich. Eilenburg 1522, 11. Januar.

Weimar, Ges. Arch. Reg. N 47 (Pag. 72, C. N? 18, 9) Bl. 2. Original. Unterschrift: E. c. f. g. gantswillige, gehorsamen der raedt zu Eylburgk. Adresse (Bl. 5°) wie gewöhnlich. Auf- schrift: Der rath zu Eyllenburgk. Bitten umb rath in den irrungen, die sich bei inen der evangelischen lare halben ‚erregen. Papiersiegel erhalten.

Durchlauchtigster, hochgeborner churfurst und herre. Euern churfurstlichen gnaden seindt unsere gants willige, gehorsame dienste auD schuldigen pflichten zuvoran bereidt. Gnedigster her. Wir bitten e. c.f. g. undertheniglich wissen:

1) Während des Druckes ist mir bekannt geworden, daß Fel. Geß im Neuen Sächs. Archiv 1911 S. 372f. Anm.1 einen kurzen Auszug des Briefes Gabriels an den Rat der Stadt Eilenburg mitgeteilt hat. Wegen der Weitschweifigkeit des Briefes hat er geglaubt, dessen ganzen Um- fang nicht mitteilen zu können. Er hat die Frage hinzugefügt: Ob der Brief, der gewiß in die Zeit vor Luthers Rückkehr, wohl in die Mitte des Februars füllt, an seine Adresse gelangt ist? Im Obigen ist darauf hingewiesen, daß trotz der nicht zu leugnenden Weitschweifig- keit der ganze Brief für die Freunde der Reformationsgeschichte zur Charakterisierung der Predigtweise des Didymus wertvoll sei. Auch ist oben die Frage nach der Datierung des Schreibens und nach seiner Ankunft in die Hand des Rats von Eilenburg genauer zu beantworten gesucht. |

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nach dem sich in vielen örthern und stethen mancherlei zwitracht zwischen dem gemeinen volke auß der nau vor- genommen weiß und predigten erwachsen, dieweil wir dann auch einen prediger aus der hochberumbten universitet Witten- bergk auch dermaessen bei uns von nehstem christtage bis auf Trium Regum vorschinen gehabt, welcher die messen, so itzo ein lange zeidt in gebrauch gehabt, alle zu bodem zustossen und die evangelische messen nach einsetzunge Christi zu erheben vorkundiget, zunfte, bruderschaften und innungen vor nicht helt, kerzen anzunden, lichtlein börnen, bethen, fasten, die heiligen tage, außgeschlossen die sontag, zu feiern und alles, was so vor guthe werk scheinen, vor nieht halden thut, die freiheit eines christen menschen, das er an keinen tagk, zeidt ader stund mit fleisch, putter und keße zu essen aber nicht gebunden sein solle, erfuher wendeth, unhngesehen bebstliche ader bischoffliche einsetzung, und alles, was von menschen ie erticht, nichts zu achten, messen, vespern, metten und der gleich zu singen auf der cancel offentlich vor geschnurre gehalden, auch das volk under beider gestalt auf vorgangnem nauen iars tage disses unden beschriben iares comuniciret und inen das sacrament in ire eigen hende, das zu geniessen, gegeben, daraus sieh nuhn vil zwitracht und gezenke mith worthen und werken im gemeinen volke bei uns sich erheben; uber dis alles, wohin sieh die unsern in umbligende stethe, ire narung zu suchen, fugen, werden sie vor ketzer und ungleubigen gescholden. Darauf die gemein uns sulehs e. c. f. g. undertheniglich zu eroffnen und e.c. f. g. umb gnedigen und mitthetheiligem rathe zu bitten angelanget. Dieweil wir dan disses und grössers fals hinder e. c. f. g. gnedigen willen ethwas fur- zuwenden nicht wissen noch wollen, ist derhalben an e. c. f. g. unser demutigs und underthenigs bith(en), e. c. f. g. wollen uns armen mith e. ec. f. g. milden und hochloblichen rathe, dieser sachen nach e.c.f.g. gnedigen willen zu geleben, gnediglieh bedenken, darinnen wir uns e. c. f. g. allezeidt in gehorsamlicher underthenigkeidt emsiglich zu dienen emp- fehlen. E. e. f. g. umb gnedige anthwurth bittende. Gegeben under unserm stadtsecret sonabents nach Epiphanie (anno) dni. im funfzehenhunderthen und zwee und zwenzigsten iaren.

2. Johannes von Kanitz, Propst des Klosters auf dem Petersberge, an den Rat zu Eilenburg. (Petersberg) 1522, 13. Januar.

Weimar, Ges. Arch. Reg. li 106 (Fol. 32^, A1.22) Bl. 2. Kopie. Unterschrift: Johannes von Kanitz, probist ufm peters-

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berge. Adresse unter dem Texte: An rath zu Eyluburgk ete. Ohne Aufschrift.

Meine willige dienst. Erbare, wolweise, gunstige, lieben herren und freunde. Ich bedanke mich höchlich euers vleissigen beistandes, so ir euch kegen den ubeltetern und götlichen fride brechern, die meine pfarne bei nacht wider Got, ehre und recht ane alle ursachen beschedigt haben, (erzeiget habt), gar freuntlich. Bitte dieselben in guter ver- warung zu halten und nicht lohß zu lassen, bis solange ich €. w. furder ansuchen werde. Was dorrauf uncostung ergehet, soll wol bezalt werden. Wollet euch nochmals nagkbarlich und freuntlich erzeigen und beweisen, wie ir gethan von mir wolt nehmen. Das wil ich sambt meinem convent umb e. w. fruntlich vordinen. Datum am achten tage Trium Regum im 1522. iar.

3. Kurfürst Friedrich an Hugold von Einsiedel. Alstedt 1522, 14. Januar.

Weimar a. a. O. Bl. 3. Kopie. Uebersehrift: Friderich etc. Adresse unter dem Texte: An Hawbolten von Einsiedel.

Lieber getreuer und rath. Nachdem du weist, welcher gestalt der probst uff sand peterßberg nagst an uns ge- schrieben und was wir ime darauf zu antwurt geben, auch was wir dir derhalben bevolen ete, als geben wir dir zu erkennen, das uns nechten spat ein schrift von dem rathe zu Eylenburgk zukomen, die sich fast mit des probst(s) schreiben vergleicht, wie du ab inligender copien vernemen wirdest. Weil du uns dan itzo geschrieben, wie sichs furder mit dieDer sachen halden wirdet, das du uns solchs unver- halten lassen wilt, und wir nit wissen, was du mitler zeit in berurten sachen gehandelt hast, so haben wir der von Eylenburgk boten anzaigen lassen, dem rathe zu vermelden, das sie bei dir umb antwurt ansuchen solten. Das ist aus dem bescheen, das wir hie nit gerne antwurt geben wolten, die dem, so durch dich gehandelt, entgegen sein mocht. Wu du nu etwas in der sachen gehandelt und solchs dermassen gelegen, das du demselben nach den von Eylenburgk antwurt geben mochst; so wollest das uff ir ansuehen thun, wu aber nit, ine zu irem ersuchen anzaigen, du hettest uns derhalben auch geschrieben und, wan dir antwurt wurde, so wollest du inen unser meinung unverhalten lassen). In dem thustu

!) Hier folgten im Texte die Worte: und wollest uns von stund, wie es mit der sachen gelegen und, ob du etwas darinnen gehandelt hast, schreiben, uff das wir dir unser bedenken darauf zu erkennen geben mugen. Diese Worte sind gestrichen. |

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uns zu gefallen. Datum zu Alsted dinstags nach Erhardt anno dni. 1522.

4. Kurfürst Friedrich an Johannes von Kanitz, Propst des Klosters auf dem Petersberge. Alstedt 1522, 15. Januar.

Weimar a. a. O. Bl. 4. Konzept mit Korrekturen derselben Hand, aber mit anderer Tinte. Ueberschrift: Got walds. Von Gots gnaden Frid(erieh ete). Adresse unter dem Texte: Probst uf sand Petersberg. Aufschrift (Bl. 4*): An brobst uff sand Peters berg, belangend die beschwerung, so gegen der pfar zu Eylenburg furgenomen sein sol.

Lieber andechtiger. Wir haben dein schreiben und anzeige, was gegen der pfarre zu Ilenburg furgenomen sein sol, empfangen und, so sich gegen euch und den eurn mud- williger beswerung understanden, horten wir nit gerne, nach dem wir euch das uf nast eur sehreiben angezeigt, das wir unsern reten zu Ilenburg derhalben bevelen wolten, wie dann bescheen, itziges euer schreiben auch zugeschickt. Bei dem mogt ir ansuchen. Dann uns ist ie nit gemeint, das ir oder imanz ander ubelliger weiß besturmt werden solt!. Das wolten wir euch genediger meinung nit verhalten. Datum zu Alsted mitwoch nach Felicis in pincis anno 1522.

!) Die Worte: wie dann bescheen werden solt sind für die ursprünglich geschriebenen und danach gestrichenen Worte eingesetzt: wie wir dann sind des getan. So mogt ir bei denselben ansuchung thun, ungezweivelt, sie werden geburlich in die sachen sehen. Außer- dem sind von derselben Hand, die Aufschrift auf Bl. 42 geschrieben hat, an den Rand die Worte gesetzt: Derhalben haben wir denselben unsern reten, diese Worte sind aber nach reten abgebrochen. Diese Hand ist dieselbe, die im Aktenstücke O 225 Bl. 8ff., Bl. 42ff., Bl. 48 u. 49, Bl. 111ff. geschrieben hat.

(Schluß folgt im nächsten Heft.)

Mitteilungen.

Aus Zeitschriften.)

Allgemeines. C. Rodenberg, „Kirche und Staat im MA. und die Entstehung der sog. Landeskirchen des 15. Jahrh.“ (Vor- trag), zeigt, daßam Ende des MA, die Fürsten eine sichere Obergewalt über die Kirchen und Geistlichen ihres Landes begründet hatten. Eigentliche Landeskirchen sind darum freilich noch nicht entstanden, da diese Kirchen in keiner Weise aus der Organisation der allgemeinen Kirche ausgeschieden waren; gleichwohl erscheinen diese Bildungen als notwendige Vorstufe der Landeskirchen in der Reformationszeit, wie denn im Wesen der landesherrlichen Kirchengewalt von vornherein der Trieb lag, über die Temporalien hinauszugehen. Schrr. V. f. Schlesw. Holst. KG. U. Reihe V, 2 S. 129—149.

N. Paulus, „Die Anfänge des sog. Ablasses von Schuld und Strafe“, möchte diesen Ausdruck mit Bonifaz VIII gleichsam auf ein volkstümliches Mißverständnis zurückgeführt wissen, uud leugnet, daß gegen Ende des Mittelalters im Wesen des Ablasses eine Wandlung stattgehabt habe. Zkath.Theol. 1912, I S. 67—96.

Eine sehr fleißige, von großer Belesenheit zeugende Abhandlung über „die Eheauffassung des ausgehenden deutschen MA.“ veröffentlicht R. Koebner im Archiv f. Kulturgesch. 9 S. 136—198, 279—318. Seine Absicht ist, auf Grund der bezügl. zeitgenóss. Lite- ratur die Entwicklung der Moralbegriffe zu verfolgen, die das volks- tümliche, gelehrte und dichterische Denken dem Gattenverháültnis zu- grunde legt. Er behandelt: die Eheschließung (Frühheirat; Gattenwahl); die Gewaltrechte des Ehemanns (eheherrliche Erziehungsgewalt; Gewalt über Leib und Leben der Frau); endlich die Beurteilung der Frau (Charakterwerte; geistige Wirkung der Frau; der Frauenhaß). Dabei ist auch vielfach der Stellung der Kirche gedacht. Koebner bemüht sich zu zeigen, dad die Auffassung der Kirche von der Frau von der der weltlichen Gesellscnaft nicht weit abwich; so móchte er auch den Hexenhammer nicht der Kirche als solchen oder dem Dominikanerorden zur Last legen. Seine kurzen Bemerkungen hierüber erschópfen freilich

1) Die Redaktion ersucht die Herren Verfasser hóflichst um Zu- sendung einschlügiger Zeitschriftenartikel zur Anzeige an dieser Stelle.

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die Frage nicht, noch widerlegen sie die gegenteilige Auffassung J. Hansens u. a.

Als Herausgeber des letzten der vorlutherischen Bibel- drucke, der Halberstüdter Bibel von 1522, sucht E. Breest gegen die herrschende Annahme, die sie Ludwig Trutebul zuschreibt, Curt Drake zu erweisen, den Begründer einer noch jetzt bestehenden Halber- stüdter Offizin (Döll); er stützt sich auf eine Angabe des Halberstädter Generalsuperintendenten Schäffer von 1701 und die in der besagten Bibel viel erscheinenden Buchstaben CD, die man bisher auf den Meister der Zeichnungen gedeutet hat. ThStKr. 1912, 3 S. 478—488.

B. Clausen gibt eine zahlenmäßige Darstellung der nieder- deutschen Drucke im 16. Jh., aus der die bedeutsame Einwirkung der Reformation auf die Bücherproduktion hervorleuchtet; um 1520 tritt eine plötzliche Steigerung letzterer auf das Vielfache ein, und zwar dauert diese Hochflut bis in den Beginn der vierziger Jahre an; es folgt ein merklicher Niedergang bis 1575, worauf die Anzahl der Drucke bis zum Ende des Jahrhunderts wieder dauernd steigt. Zbl. BW. 29, 5 S. 201—209,

Grützmacher, ,Beitráge zur Gesch. der Ordination in der ev. Kirche“, findet bei Butzer eine Auffassung der Ordination, die trotz unleugbarer Verwandtschaft mit Luther in dem Bestreben, ihr eine besondere Weihe beizulegen, eine katholisierende Auffassung der Ordi- nation darstellt, wogegen bei der Reformatio Hassiae von 1526 die „Katholische“ Formel Accipe spiritum sanctum durchaus im evang. Sinne gebraucht wird. Endlich behandelt G. die Entwicklung der Ordi- nation in Pommern, um zu zeigen, wie die dortige Kirche „nach der kurzen Verirrung Knipstros* durch Runge im Punkte der Ordination zu durchaus lutherischen Anschauungen gelangte. NkZ. 23, 3 S. 363 bis 379.

O. Clemen: gibt zwei Miszellen zur Ref.Gesch., 1. „Wittenberg und Savonarola“. .Lenkt die Aufmerksamkeit auf einen Wittenberger Sammeldruck von 1521 (mit 3 gegen S. gerichteten Schriften) und macht Mitteilungen daraus; der Zweck jener Publikation bleibt freilich dunkel. 2, teilt Cl. ein Pasquill auf den Tod Clemens! VII. mit. (ZKG. 33, 2 S. 268—218, 278--285.)

K. Kaser, „Die Ursachen des Bauernkriegs“ hält gegen Wopfner und Stolze an der hergebrachten Ansicht fest, daß die Ursachen der Erhebung wesentlich auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet zu suchen seien, weniger auf dem religiösen; die Religion diene den Bauern vielmehr als Schlagwort ihrer weltlichen Tendenzen. „Die soziale Reform borgte von der kirchlichen die Farbe, aber nicht den Inhalt.“ VjSchr. f. Soz. u. Wirtsch.G. 9, 4 S. 578—588.

Ein eingehendes Referat über Wilh. Gu mann, Quellen und Forsch. zur Gesch. des Augsburg. Glaubensbekenntnisses I, 1. 2. (1911) erstattet Th. v. Kolde in BBK. 18, 6 S. 287—994. In dem Hauptpunkte, der Frage der Beeinflussung der Confession durch die von G. herangezogenen vorbereitenden „Ratschläge“, verhält sich v. K.

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sehr skeptisch; er erblickt ihre Hauptbedentung in dem, was sie über die Zustände und Ansichten in den verschiedenen Gebieten der werdenden Reformation erschließen lassen.

„Neue Briefe vom Rt. zu Augsburg 1530“ bietet H. Jor- dan, nämlich Briefe zweier Crailsheimer, des Pfarrers A. Weiß und des Handwerkers Caspar Schuller. Sie sind entnommen einer neuer- dings wieder aufgefundenen Dinkelsbühler Hs, betitelt „Etliche Ratschläg, Missiven und Verträg von 1530 ff.“, die von Jordan ein- gehend beschrieben wird; es ist ein von dem Dinkelsbühler Bgm. Michael Bauer ,hergestellter Abschriftenband, der noch viele andere nicht unwichtige Inedita der gleichen Epoche (z. B. eine bisher un- bekannte Sammlung von Tischreden Luthers) bietet. BBK. 18, 4 S.159—180; 5, 210—233. Man beachte auch die eingehenden An- anerkungen.

Aus dem Orig. der Zwickauer Ratsschulbibl. teilt O. Clemen einen Brief K. Franz’ I. v. Frankreich an Albrecht vonMainz vom 20. November 1536 mit, der auf Beziehungen des Schreibers zum Kurfürstenkollegium hinweist, das vielleicht gegen das Mantuaner Konzilsprojekt gestimmt werden sollte. HVjSehr. XV, 3 S. 378f.

N. Paulus kommt in einem, übrigens mangelhaft fundierten Artikel ,Religionsfreiheit und Augsburger Reli- gionsfriede* zu dem (selbstverständlichen) Ergebnis, daß damals 'keine der beiden Glaubensparteien Toleranz im modernen Sinne geübt hat. HPBIl, 149 (1912) S. 356—307, 401—416.

F. Menéik teilt (aus dem Harrachschen Familienarchiv?) den Brief eines niederösterr. Schulmeisters an einen Freund in Wien v. JJ. 1607 mit, worin in beachtenswerter Weise von den Wiedertüufern, ihrer Geschichte und Lehre die Rede ist. ZDV.f.d.Gesch. Mährens und Schlesiens XV (1911) S. 361—372.

W. Platzhoff zeigt die Wandlung in der Auffassung über den Ursprung der Bartholomäusnacht durch die Jahr- hunderte; die Namen Ranke und Baumgarten bezeichnen den Durch- bruch einer objektiveren Betrachtung des Ereignisses, das übrigens nur im Zusammenhang mit der internationalen Politik jener Epoche verstanden werden kann. Außerdem weist Pl. auf den Zusammenhang hin, der zwischen der Bartholomäusnacht und der Ausbildung der Lehre von der Volkssouveränität und dem Widerstandsrecht des Volkes besteht. Vergangenheit und Gegenwart 1912, 1 S. 49—57.

K. Schellbaß veröffentlicht aus vatikanischen Hss. 7 Briefe von 1573—1575, die sich auf die Arbeiten ds LaurentiusSurius, die Unterbringung eines konvertierten jungen Dänen Nicolaus Michaelius im Colleg. German. sowie auf die gegenrefor- matorischen Bestrebungen der Zeit beziehen. QuFPrJ. XIV, 2 S, 287—314. |

Biographisches. Die HPBll 149 (1912) S. 771—785, .856—874 und 901—910 bringen anonyme Betrachtungen, betitelt ,Prinzipielles zur Lutherfrage“; sie knüpfen an die Beurteilung an,

Archiv für Reformationsgeschichte. IX. 4. 24

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die Grisars „Luther“ auf protest. Seite gefunden und werfen die Frage anf, ob ein Katholik Luther objektiv darstellen könne, fördern sie aber trotz mancher guten Bemerkungen nicht wesentlich, weil sich an der entscheidenden Stelle doch stets die katholische Befangenheit wieder einstellt. Von der Verurteilung Luthers durch den Papst heißt es, der katholische Historiker sei verpflichtet, diese Verurteilung als objektiv gerecht zu betrachten; das sei aber das gute Recht des Historikers, „da er sich für seinen katholisch konfessionellen Standpunkt aus wissenschaftlich vollkommen einwandfreien (!) Gründen entscheidet“.. Mit dieser Auffassung ist, fürchten wir, eine Verständignng unmöglich. Wie tief aber das Verstäudnis des Vf. für den Protestantismus ist, geht wohl aus seiner Behauptung hervor, daß mit einer so oder so sich darbietenden Geschichte der Reformation die konfessionelle Über- zeugung des Protestanten stehe oder falle (). Folgerecht müßten also wir Protestanten, nachdem Grisar „wissenschaftlich einwandfrei“ nach- gewiesen hat, daß Luthers „Abfall“ unberechtigt war, insgesamt. schleunigst zum Katholizismus zurückkehren.

In erfreulichem Gegensatz zu diesem Anonymus zeigt E. Her- zog, „Ein Lutherbild", einleuchtend, wie weit Grisar im ersten Bde. seines , Luther" von der vorgegebenen Objektivitüt entfernt sei; es sei zumal ganz willkürlich, von vornherein den Standpunkt der päpstlichen Infallibilität der Beurteilung von Luthers Tun zugrunde zu legen und dessen Bruch mit dem römischen Papsttum einfach als „Abfall von der Kirche" zu bezeichnen. „Der Abgefallene“, hält H. dem entgegen, „war in Luthers Augen der Papst selbst, der der Lehre Christi und seiner Apostel widersprach“ usw. Internat. kirchl. Zeitschr. I (1911) S. 438—443,

In Polemik gegen R. Kuhn, Verhültnis der Dezemberbibel zur Septemberbibel (Greifsw. 1901) sucht Weber, „Zu Luthers September- und Dezembertestament“ nachzuweisen, daß Luthers Verbesserungen in der zweiten Ausgabe seiner Übersetzung des NT. (Dezembertestament) gegenüber der ersten (Septembertestament) nur geringfügige gewesen, insbesondere der griechische Text nicht aufs neue verglichen worden sei. ZKG. 33, 3 S. 899—439.

In Evang. Freiheit XII, 1 (Jan. 1912) S. 11f. weist K, Lincke auf das später durch den Katechismus ins Hintertreffen geschobene „Betbüchlein“ Luthers von 1519 hin und auf die Bedeutung, die insbesondere die darin enthaltene „kurze Form des Glaubens“ noch für die kirehl. Liturgik der Gegenwart gewinnen könnte. '

Aus einem von Luther benutzten Exemplar des Psalters in seiner Übersetzung von 1534 (auf der ehemal. Helmstüdter Univ.-Bibl.) teilt O. Albrecht zwei Eintragungen mit, die sich als Abschriften lutherischer Aufzeichnungen kundgeben: ein Beichtgebet und eine Glosse zu Ps. 2, 2. Bei diesem Anlaß spricht sich A. auch in an- regender Weise über das Desiderium einer wissensch. Sammlung der Gebete Luthers aus, ZVKG. d. Prov. Sachsen 9, 1 S. 51—56.

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In der Fortführung seiner Untersuchungen über .die Tisch- reden Luthers (vgl. oben S. 174) legt L. Cristiani die Mängel der Sammlung Aurifabers dar. RQH. 91 Lief. 181 S. 101—135.

In HPBll. 149 (1912) S. 126—137 verbreitet sich N. Paulus über die von Kawerau in ZKG. 32 mitgeteilten Notizen des Ägidius von Viberbo zuLuthers Romreise (vgl. oben S. 172) als neue wertvolle Belege der Annahme, daß L. nicht von Staupitz, sondern von den sieben renitenten Klöstern, und zwar Ende 1510 von Erfurt aus nach Rom gesandt worden sei, und polemisiert wider Scheeles Ansicht (in ZKG. 32, 392).

In Beiträge z. Sächs. KG. 25 S. 1—7 reproduziert Wuttig zwei Lutherschreiben an die Grafen von Mansfeld 1542, in denen er deren Gewalttütigkeiten scharf tadelt als Zeichen, daB L. kein ,Fürstenknecht" gewesen sei.

Anknüpfend an den kürzlich von Prof. Spaeth in Philadelphia aufgefundenen, als längst bekannt nachgewiesenen Bericht über Luthers Lebensende sucht J. Strieder die vorhandenen authentischen Berichte über Luthers Ausgang näher zu bestimmen und in ihrem gegenseitigen Zusammenhang zu analysieren. Einen hohen Wert legt er dem von B. Sepp (Zur Literatur über das Lebensende Luthers., SA. aus Beilage der Augsburger Postzeitung vom 14. Dez. 1901) zuerst mitgeteilten, W. R. unterzeichneten Bericht bei, als dessen Autor er Wolfgang Roth, mansfeldischen Beamten, nachweist; dieser Bericht, der seiner Bedeutung nach an zweiter Stelle steht (nach dem Briefe des Jonas), hat die weitest verbreiteten Todeserzählungen be- einflußt. HVjSchr. XV, 3 S. 379—396.

„Lutherspuren in der neueren Volksüber- lieferung“ geht K. Reuschel nach (Thür. Sächs. Z. f. G. u. K. II, 1 S. 45—71). Er will an der Hand volkstümlicher Luthergeschichten und volkstümlicher Bräuche, die sich an L. knüpfen, zeigen, wie sich dieser und sein Werk in Sprache, Sitte und Volksdichtung widerspiegeln. So erörtert er kurz: „L.s Name wortbildend; L. im Sprichwort; Kinderlieder und -sprüche auf L.; Martinsfeier und Martinslied; deutsche Luthersagen; L. und das Ausland; L. nach dem Tode.“

In der Monatschr.f. Gd. u. k. K. XVII, 8 S. 245—248 veröffent- licht Fr. Spitta nach gleichzeitigen, der Vergessenheit anheim- gefallenen Drucken ein längeres Lied des Ambrosius Blaurer gegen die Trunksucht („von allen Vollsaufern und dollen Brüdern“).

Der Nümliche stellt ebenda S, 7—14, 40—51, 79—91 die bisher ganz im argen liegenden Lebensumstände des Benedikt Ducis, Musikers der Ref.Zeit und Komponisten von Kirchenliedern, scharfsinnig fest. Ducis oder Dux (eigentl. Herzog) scheint aus der Gegend von Konstanz zu stammen, war bis etwa 1516 in Antwerpen, dann kurz in England, in Wien (im Verkehr mit Grynaeus und Vadian); hernach wegen seiner evangel. Gesinnung aus den kathol. Ländern ausgeschlossen, tritt er zuerst 1532 in Ulm auf und endet 1544 als. Landpfarrer im Ulmischen. | 21*

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In NJahrbb. f. d. klass. Alt. usw, Bd. 29, 3 S. 208—215 wirft L. Enthoven die Frage auf, ob Erasmus Weltbürger oder Pa- triot gewesen sei. Er beantwortet sie, indem er an der Hand der Briefe des E. dessen Gesinnung gegenüber seiner niederländ. Heimat, Deutschland und Frankreich prüft, dahin, daß E. zwar für nationales Empfinden empfünglich gewesen sei, sich aber nur dort wohlgefühlt habe, wo wissenschaftliches Streben herrschte und in Ehren stand und er selbst Anerkennung fand. Er war mehr Kosmopolit als Patriot.

P. Kalkoff erórtert in ZKG. 33, 2 8. 240—267 die Biographie Kajetans aus der Feder seines langjährigen Sekretärs Giambatt. Flavio aus Aquila (1482—1544). Es stellt sich heraus, daß Flavios Bericht über das Augsburger Verhór Luthers nur mit Vorsicht zu gebrauchen ist; andererseits wird Kajetans Sittenreinheit und Uneigen- nützigkeit von Fl, nicht ohne Grund gepriesen. Besonders gut ist Fl. über die Zeit Hadrians unterrichtet, sein Bericht vervollstündigt das Bild der Intrigen, mit denen die Italiener diesen Papst umsponnen hatten, Die Arbeit Flavios zuerst ein kürzeres Gedicht, dann eine Schilderung in Form einer Rede erschien kurz nach Kajetans Tode (+ 1534); je einen Orig.-Druck besitzt die Bresl. Stadtbibl. und die Bibl. Vitt, Emanuele zu Rom.

Über eine wahrscheinlich 1530 abgefaßte Streitschrift des Mün- sterischen Humanisten und Schulmannes Johann Glandorf (später, 1533— 1534, Vorstand der evangel. Schule in M.) gegen Heinrich Vruchter, Lehrer an der Domschule, referiert Kl. Löffler in Zvat. G. u. A. 69, 1 S. 86—95.

Th. Hermann tritt mit gewichtigen Gründen für die Richtig- keit der vielfach und noch neuerdings (von Wolkan) bestrittenen An- nahme Ph. Wackernagels ein, wonach der Dichter des bald in die Gesangbücher der Lutheraner und Reformierten übergegangenen Liedes „Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn“ der 1530 in Kufstein ver- brannte Täufer Georg Grünwald ist. Monatschr. f. G. u. chr. K. 1912, 6 S. 197f.

Die Anfünge des Fürstbischofs von Münster Johann von Hoya (1566—1568) behandelt W. E. Schwarz in Z. vat. G. u. A. 69, S. 14—71, und zwar seine Wahl und Bestätigung und die Einrichtung der neuen Verwaltung; einige archival. Urkunden sind beigegeben. Ein Exkurs (ebendas. S. 460—462) behandelt die Gründe der Resi- gnation des Vorgängers Johanns, Fürstbischof Bernhard von Raesfeld 1566, die in der Erkenntnis seiner eigenen Unzulänglichkeit bestanden haben sollen.

Von dem frühesten Regensburger Drucker Paul Kohl, der von 1522 bis 1531 nachweisbar ist, führt K. Schottenloher nicht weniger ala 43 Drucke auf, während bisher nur 8 nachgewiesen waren. Kohl übernahm die eingegangene Druckerei des Bambergers Joh. Pfeil; er begann mit Drucken zur Verherrlichung der Jungfrau Maria, druckte dann aber auch (was bisher unbekannt war) Lutherische Schriften, hernach wieder, unter Einwirkung des Regensb. Konvents von 1524,

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Antilutherisches, 1525 Schriften für die Bauern, später solche wider sie; auch amtliche Regensburger Drucke gingen aus seiner Offizin hervor. Seit 1532 begegnet auf den Regensburger Drucken nur mehr Pauls Sohn Hans. Zbl. Bw. 29,9 S. 406—525.

Das 4. Heft der ThStK. von 1912 weist ausschließlich Melanch- thon betreffendes auf. F. Cohrs betrachtet M. in seiner Bedeutung für den religiósen Jugendunterricht (S. 498—517); O. Ritschl be- spricht die Entwicklung der Rechtfertigungslehre M.s bis 1527 (S. 518 bis 541); P. Flemming gibt eine ansehnliche Nachlese zu Vogts Nachweis von Melanchthonbriefen S. 511—639); O. Clemen gibt zu Melanchthons ,Scriptum simalca dianam ad Reges“ 1537 eine bisher kaum beachtete Streitschrift des Cochlaeus (in Form eines Briefes an Herzog Wilhelm von Bayern 6. Mai 1537) heraus, aus der über die große Verbreitung der Schrift M.s usw. manches zu entnehmen ist (S. 640—653). Den Schluß des Heftes bildet eine Anzeige der Supple- menta Melanchthoniana (I, 1 und II, 1) von O. Clemen (S. 654—658).

In ZVKG d. Prov. Sachsen 9, 1 S. 57—91 stellt R. Hermann einen Vergleich an zwischen Th. Münzers „Deutsch-evangl. Messe“ von 1524 und Luthers liturgischen Schriften von 1523 („Von Ordnung Gottesdiensts in der Gemeinde" und „Formula missae et communionis“) und 1526 („Deutsche Messe und Ordnung Gottesdiensts"). Er urteilt, daß die Art, wie Münzer den römischen Gottesdienst reformiert habe, trotz aller Abhängigkeit von Luther als eine berechtigte Über- gangsform in jener Zeit des Übergangs anerkannt werden müsse; M.s Reform habe eineın Bedürfnis entsprochen und sei daher auch noch lange nach seinem Tode in Gebrauch gewesen.

Zwei Briefe des Wolfgang Musculus an Gereon Sailer vom 26. und 28. April 1554 veröffentlicht Fr. Roth in BBK- 17, 5 S. 235—241 nach Abschriften des Münchener RA.; der erste und längere Brief ist Musculus’ ablehnende Antwort auf das ihm gemachte Angebot der Superintendentur zu Lauingen; der zweite Brief betrifft Rafael Sailer, Gereons Sohn.

Über den Chronisten und evangel. Prediger Neocorus (eigentl. Johannes Adolphi), dessen Chronik eine Hauptquelle für die schleswig- holsteinische Reformationsgesch. bildet (geb. vor 1559, 4 1630), handelt ein Vortrag von Heesch, gedr. in Schrr. des V. Schlesw. Holst. KG., II. Reihe V, 3. S. 345—357.

Ein im Verein f. Gesch. der Stadt Nürnberg gehaltener Vortrag von Chr. Beck über den Nürnberger Paul Pfinzing (1523 bis 1570), der sich im Dienste Karls V. und Philipps II. betätigte, mit seiner Vaterstadt aber nach Ausweis seiner mit dem Rat von 1548—1558 geführten Korrespondenz in inniger Verbindung blieb, ist im Unterhaltungsbl. des Fränk. Kuriers Jahrg. 58 (1911) Nr. 29, 31, 33 veröffentlicht worden (vgl. 34. Jahresber. des gen. Vereins S. 7—9),

Einen Vortrag E.Reickesüber „Willibald Pirkheimer in seiner Jugend und seinen ersten Briefen“ skizziert der 34. Jahresber. des Vereins f. G. der Stadt Nürnberg S. 26—28 (1911).

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J. W. Pont veranstaltet einen mit einer biograph. Einleitung und Anmerkungen versehenen Neudruck der holländ. Ausgabe des „Kleinen Corpus Doctrinae“ von Matheus Judex (oder Richter). Letzterer, 1528 im Meißnischen geboren, war ein Geistesverwandter des Flacius Illyricus; sein C. D., 1564 zuerst hochdeutsch erschienen, diente hernach auch den niederländischen Lutheranern als kirchliches Lehrbuch. Der Neuausgabe liegt die in Wesel 1564 gedruckte nieder- ländische Redaktion zugrunde. Jaarboek der Vereeniging voor Nederl. Luther. Kerkgeschiedenis IV (1911) S. 3—47.

O. Clemen teilt aus den Rothschen Briefsammlungen der Zwickauer Ratsbibl. 2 Briefe von 2 Klarissinnen in Eger an Stephan Roth in Zwickau von 1520—1521 mit, die u. a. zeigen, daß R. den Schreiberinnen Bücher Luthers zu verschaffen sich erboten hatte, was jene allerdings vorsichtig ablehnen. MVGD in Böhmen 50, 4 S. 599—602. |

„Weitere Beiträge zur Lebensgeschichte Martin Schallings“ (vgl. ds. Zeitschr. Bd. 8 S. 222) gibt Trenkle in BBK. 18, 4 S. 180 bis 185, und zwar auf Grund der abgedruckten Eintragungen Sch's. in das Trau- und das Taufregister von Vilseck, aus denen hervorgebt, daB Sch. von 1574—1577 dort Pfarrer war.

Ein Aufsatz von Fr. Nägelsbach, „Ein verkannter Märtyrer der Ref. in Franken“, gibt aus Erlanger Dekanatsakten Kunde von dem Pfarrer zu Thuisbrunn (Dekanats Greifenberg) Dietrich Solfert, der dort das Evangelium predigte, Ende 1533 aber von dem Bischof von Bamberg, als er sich auf bambergischem Gebiet betreten ließ, ins Gefüngnis geworfen wurde, aus dem ihn erst die Dazwischenkunft des Mfen. Georg befreite. BAK. 18, 4 S. 145—159.

Weitere Abschnitte der ,Spalatiniana'" G. Berbigs (T) von 1525—1529 reichend, bringt NkZ. 23, Heft 4—8 (vgl. oben S. 177).

„Johann Turnowski, ein Senior der Böhmischen Brüder“, wird von Th. Wotschke im neubegründeten Jahrb. der Ev. Ver. f. die KG, der Prov. Posen (,Aus Posens kirchlicher Vergangenheit") Jahrg. I, S. 73—111 behandelt. Turnowski (1568—1629), der früh- zeitig in Genf die entscheidenden Eindrücke seines Lebens erhielt, erscheint mehr als Schüler der Schweizer denn als Nachkomme der alten Brüder; es veranschaulicht die Verschmelzung der Unitüt mit der reformierten Kirche, in gewissem Sinne ihr Aufgehen in diese, Den Schluß des lehrreichen Artikels machen sieben archival. Beilagen, meist Briefe Ts.

Im Trierischen Archiv XVII/XVIII, S. 55—64 macht uns H. Reimer mit Johann Wimpheling (1533—1577), einem kurtrierischen Staatsmann der zweiten Hälfte 16. Jahrh. bekannt, der den Erzbischöfen, insbesondere auch bei der Unterdrückung und Fern- haltung des Protestantismus, an die Hand ging; u. a. ist er bei Grün- dung des Jesuitenkollegs in Koblenz beteiligt; außerdem hat er in die Kölner Kämpfe zwischen Gebhard Truchseß und Ernst von Bayern zu-

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gunsten dieses erfolgreich eingegriffen. Ob er ein Verwandter des Humanisten Jacob W. war, läßt sich nicht nachweisen.

Lamdschaftliches. Joh. Schöch beginnt in Forsch. u. Mitt. z. G. Tirols und Vorarlbergs IX, 1 S. 21—37 eine Darstellung -der religiösen Neuerungen des 16. Jahrh. in Vorarlberg bis 1540 und bespricht die wirtschaftliche Lage sowie die Ausbildung und das ‚sittliche Leben des Klerus.

‚Im Freib. Dióz. Archiv N. F. 12 (1911) S. 65—134 behandelt K.Reinfried die „Religionsveränderungen im Landkapitel Otters- weier“ im 16. u. 17. Jahrh.; die Veränderungen in diesen zu fünf ver- schiedenen Herrschaften gehörenden Gebieten erfolgen durchweg der kirchl. Stellung der Herrschaften entsprechend, wie denn die Baden- Badenschen Teile zwischen 1522—1634 achtmal die Religion änderten.

R. Lossen veröffentlicht aus Kop. Buch des GLA. zu Karls- ruhe eine um 1495 angefertigte Beschreibung sämtlicher kur- pfälzischen Patronatspfründen mit Angabe ihrer Gefälle, .der auf ihnen ruhenden Verpflichtungen und der Inhaber, eine nicht nur für die wirtschaftliche Lage jenes Klerus kurz vor der Reformation wertvolle, aufschlußreiche Geschichtsquelle. Freib. Dióz. Archiv N. F. 11 (1910) S. 176—258. .

Einen vorreformatorischen Visitationsbericht teilt K. Schorn- baum in BBK. 18, 6 S. 283—235 mit. Es handelt sich um eine von dem Eichstüdter Kanonikus Joh. Vogt 1480 im Auftrag des Bischofs vorgenommene Visitation des ganzen Bistums. Der Bericht liegt im bischöfl. Ordinariat Eichstádt vor und würde den Druck nach Sch. sehr lohnen. Als Probe gibt dieser den Bericht über ‚seine eigene Pfarre Alveld.

Aus dem Arenbergischen Archive in Brüssel usw. bringt H.Goldschmidt eine Anzahl von Briefen über das Projekt einer Vermählung der Prinzessin Sibylla, Tochter Wilhelms von Cleve, mit dem kathol. Grafen von Arenberg. Obwohl die Heirat durch ‚Österreich und Bayern hintertrieben wurde, ist Sibylla doch, als einzige unter den Töchtern Wilhelms, katholisch geworden. Beitr. z. G. d. Ndrh. 24 (1911) S. 105—118.

Eine auf sorgfältige statistische Nachweise gestützte Studie von K. Schumacher über die konfessionellen Verhältnisse des Her- zogt. Berg vom Eindringen der Ref. (spezieller vom Ausgang der -alten hrzl. Regierung 1609) bis zum Xantener Vergleich (1614) zeigt. ‚daß in den Zeiten der brandenburgisch-neuburgischen Gesamtregierung der Protestantismus (und zwar in den gesamten Jülicher Landen) eine wesentliche Förderung erlebte. Von 1609 bis 1614 sank im Bergischen die Zahl der katholischen Gemeinden von 101 auf 74, die der evangelischen aber stieg von 55 auf 84. Ein Schlußwort verfolgt die Entwicklung bis 1673. Beitr. z. G. d. Ndrh. 24 (1911) S. 1—104.

Die Ansprüche der jülich-bergischen Landesregierung -auf die Besetzung der Pfarrstellen erläutert O. R. Redlich an dem Haaner Pfarrstreit von 1535, in Beitr. z. Gesch. d. Ndrh. 24

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(1911) S. 263—270. Im Konflikt blieb gegen den Erzbischof der Herzog- Sieger, allerdings nur mittels Anwendung von Gewalt, wie sich aus. den beiden archival. Beilagen (aus dem Düsseldorfer St.A.) anschaulich ergibt.

Der dritte Abschnitt von H. Rothers „Kirchengesch. der Grafschaft Mark“ behandelt in knapper Darstellung aus guter Kennt- nis die Reformation, und zwar nach folgenden Gesichtspunkten: Gründe der Ref.; ihre Einführung; Stellung der Staatsgewalt zur Ref. (bis 1672); Organisation der reformatorischen Kirche bis 1687. Jahrb. d. V. f. d. ev. KG. Westfalens 14 (1912) S. 1—175.

Die Aufänge der Jesuitenmission in Köln behandelt Therese Virnich in einem Aufsatz über ihren ersten Oberen Leonhard Kessel (1544—1574) in Ann. hVNiederrh, 90 S. 1—37.

Aus dem Staatsarchiv zu Münster veröffentlicht Chr. Schüssler eine etwa aus der zweiten Hälfte 16, Jahrh. stammende, im lutherischen Geist gehaltene „Korte underweijssynge des hundristen und negen- teynden psalmen“, die aus dem ehemal. Damenstift Herdecke stammt. Jahrb. d. Ver. f. d. ev. KG. Westfalens 14 S. 232—235.

Einen großzügigen Überblick über die Entwicklung der hessi- schen Kirche unter Philipp dem Grofimmütigen gibt B. Beß in ZKG. 33, 2 S. 309—345. Er betont insbesondere den beherrschenden Einfluß, den der Landgraf ausgeübt und hebt den Parallelismus zwischen. der Reichs- und kirchlichen Landespolitik Philipps hervor.

Aus dem Archive der Leipziger theologischen Fakultät stammen einige in ZKG. 33, 3 S. 440—447 abgedruckte Stücke, die der seither verstorbene Leipziger Theologe O. Kirn dort aufgefunden hat. Sie bestehen aus einem Briefwechsel der Fakultät mit Melanch- thon v. J. 1552 (Schreiben und Antwort), aus zwei Schreiben des Kf. August an die Fakultät über die erste Ausgabe des Konkordienbuches- (1581) und aus einem Schreiben des Kf. Christian an die Fakultät über Druck und Verkauf Seineckerscher Schriften (1589).

Die Werdauer Schulverhältnisse bis in die Reformationszeit behandelt F. Tetzner in BSKG. 25 S. 26—40 aus den Akten, mit einigen urkundl. Beilagen.

Aus den Visitationsakten von 1539 und 1574 (in den Archiven zu Dresden und Magdeburg) stellt P. Schrüpler in instruktiver Weise die Nachrichten über „die Pfarr- und Küsterhäuser der alten Ephorie Delitzsch, ihren Zustand, ihr Inventar und ihre Bau- last im 16. Jahrh.“ zusammen. ZVKG. Prov. Sachsen 8, 2 S. 181—208,

Den Streit zwischen den evangelischen Geistlichen Eislebens 1548 über die Reliquiae Sacramenti (d. h. was mit dem übrig bleibenden. Abendmahlswein zu geschehen habe) behandelt auf Grund neuen Materials (das abgedruckt wird) G. Kawerau in ZKG. 33, 2 S. 286 bis 908. Der Streit spitzt sich zu der Frage zu, wie lange die Gegen- wart des Leibes und Blutes Christi währe; wir sehen, daß Luther und Melanchthon hierzu grundsätzlich verschiedene Standpunkte einnehmen; wie der Streit geendet, erfahren wir nicht, doch hat unzweifelhaft

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Luthers Meinung vorgewogen, wonach die Überbleibsel zu profanen Zwecken nicht verwandt werden durften. Übrigens scheut sich L., um nicht eine neue Scholastik erstehen zu sehen, vor präziser Beantwortung der sich aufwerfenden Fragen.

Nik. Müller (t)setzt in ZVKG.Prov. Sachsen VIII, 2 S.129—1680: seine Mitteilungen über die Funde in den Turmknäufen der Stadt- kirche zu Wittenberg (vgl. ds. Zeitschr. 8 S. 418f.) unter Beigabe zahlreicher erläuternder Anmerkungen fort; es handelt sich um einige Schriftstücke von 1556 sowie Münzen und Medaillen (S. 1451f. über die Funde v. J. 1750).

In ZVKG. Prov. Sachsen 8, 1 S. 119—126; 8, 2 S. 225—244 und 9, 1 S. 92—114 macht G. Arndt aktenmäßige Mitteilungen über die Pfarrbesetzung im Fürstentum Halberstadt.

In der ZhV.f. Niedersachsen 76 (1911), 4 S. 1—63 schildert R. Stempell den Bauernkrieg auf dem Eichsfelde nach seinen Ursachen, seinem Verlauf, seiner Niederwerfung und den von den Herren geübten Repressalien, unter Heranziehung ungedruckten Mate- rials und Beigabe von fünf archival. Beilagen.

In ZHarzVer. 45, 3 S. 165—225 veröffentlicht Fr. Arnecke die von 1564—1593 reichenden Aufzeichnungen des Hildesheimer Bürgermeisters Henni Arneke, die hauptsächlich dessen politisches. Walten betreffen; auch auf die kirchlichen Verhältnisse der Stadt aber fallen Streiflichter (z. B. S. 177).

In den Schrr. V. Schlesw. Holst, KG. II. Reihe V, 3 8. 314—344 schildert C. Rolfs in der Form eines Vortrags die Einführung der Reformation in Dithmarschen; ebendas. S. 247—297 behandelt er an der Hand der älteren Dithmarsischen Visitationsprotokolle Art und Verlauf der Visitationen.

Eine bisher ungedruckte Verordnung Hz. Johanns des Alteren vonHolstein v. J. 1571 über das Kirchen-, Armen- und Schulwesen in Rendsburg veróffentlicht W. Jensen in Schrr. V.f. Schlesw. Holst. KG. If. Reihe V, 3 S. 298—313 nach Abschriften im Rathaus- archiv.

Die Mitt. des Westpreuß. GV. 1912 Nr. 2 S. 21—23 bringen ein Referat über den Vortrag von Freytag über „Neue Beiträge zur Reformationsgesch. Westpreußens“; wir können nach letzteren jetzt sicherer die Epoche sowie den Umfang der Protestantisierung Westpreußens bestimmen.

Aus den Protokollen des Elbinger Rats von 1601—1606 teilt L. Neubaur Aufzeichnungen über die dortigen Mührischen Brüder mit, die von deren innerem Leben ein anschauliches Bild geben. ZKG. 38, 3 S. 447—455.

Ausland. J. Loserth in ZhV. Steierm, 9 S. 163—179 zeigt, wie sich der Steiermärkische Adel i. J. 1575 der sog. Refor- mation Kaiser Friedrichs III. (in Wahrheit ein reichsritterschaftl. Programm aus d. J. 1522) bedient hat, um bei Erzherzog Karl II. seine

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Forderungen auf Einschränkung des Einflusses der (katholischen) ge- lehrten Juristen (Doctores) in der Landesverwaltung zu begründen.

Als Beitrag zur Gesch. der Gegearef. in der Pfarre Aussee «(in Steiermark) teilt J. N ö 81b ö c k einen Bericht des dortigen Pfarrers Mathäus Molitor an die Kommissare Erzh. Ferdinands über die reli- giösen Verhältnisse der Pfarre sowie ein Gutachten des Verwesers zu Aussee Math. Gartner von 1607 aus dem Grazer Statthalterei-Archiv mit. ZhV.Steierm. 9 S. 265—273.

Auf ständische Beziehungen zwischen Böhmen und Inner- österreich zur Zeit Ferdinands I., die eine Zusammenfassung der Kräfte zunächst zu Zwecken der Landesverteidigung bezweckten, weist J. Loserth hin und teilt eine Auswahl einschlägiger Akten aus dem Steierischen Landesarchiv (zwischen 1537 und 1556) mit. MVG. Deutschen in Böhmen 50. 1 S. 1—41. |

Ebenda 50, 4 S. 594—598 druckt der Nämliche ein Schreiben des böhmischen Oberstburggrafen Wolf Frh. von Kreig an Herrn Wolfgang von Stubenberg vom 8. April 1547, das die allgemeine politische Lage Bóhmens in jener Krisis illustriert, aus dem Stuben- berger Archiv ab.

Beiträge zur Gesch. der Ref. in Iglau beginnt F. Scheuner in ZdV. Gesch. v. Mähren und Schlesien, Bd. 15 S. 212—255, 364—372 darzubieten, Der erste Abschnitt behandelt wesentlich die Tätigkeit des Speratus in Iglau 1522/23, der hier den Grund zum Prot. ge- legt hat, und seine späteren Berührungen mit der Stadt; als Anlagen folgen 11 einschlügige von Speratus ausgehende oder an ihn gerichtete Briefe von 1523/1532.

Über ,Erinnerungen an U. Zwingli" (Trinkgeschirre) handelt kritisch H. Lehmann in Zwingliana 1911 Nr. 1 (Bd. II Nr. 13) S. 387—391; G. Finsler untersucht die Verhültnisse, unter denen H. E mser 1502 Basel verlassen mußte, im Hinblick auf Zwinglis „Antibolon* gegen Emser von 1524, wo davon die Rede ist (S. 392—398); W.Merz teilt ein Bullinger betr. Dokument von 1522 (eine Nach- laßsache) mit (S. 399—400); Frida H um b el desgleichen das Gedicht eines Anonymus wider Zwingli von 1326 (S. 400—400); endlich handelt E. Gagliardi über eine auf der Züricher Stadtbibliothek neugefundene Quelle zurZürcherischen Reformationsgesch., Auf- zeichnungen des Zürcher Seckelmeisters Hans Edlibach, eines Gegners der Reformation, zu den Jahren 1528 —1531 (S. 407—414).

In Zwingliana 1911 Nr. 2 (Bd. II Nr. 14) gibt G. Finsler eine Sammlung von Epitaphien usw. auf Zwingli, nach den Verft. alphabetisch geordnet mit Angabe der ültesten Fundorte (S. 419—433); G. Schultheß-Rechberg sucht den Bericht des Schweizer Nuntius Ennio Filonardi über die Schlacht von Kappel, der im Kardinalskolleg verlesen wurde, nach einem aus dieser Verlesung geschüpften Briefe des Kard. Accolti an Sadoleto zu rekonstruieren; ‚der Bericht hat als Stimmungsbild, wie als Beispiel humanistischer Darstellungsweise historischer Vorgünge ein gewisses Interesse (S. 484

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bis 489). Ferner handelt W. Köhler von einem Spottlied auf Zwingli von 1524, von dem wir aus behórdl. Akten wissen, und hält für möglich, das es mit dem angeblich 1526 entstandenen Lied identisch sein könnte, daß in Zwingliana II, 13 (s. o.) veröffentlicht ist (S. 439 bis 441). Ein weiteres ungedr. Lied über Zwingli von 1533, unbe- kannten Vfs. teilt W. J. Meyer aus Ms. der Bürgerbibl. zu Luzern mit (S. 441—444); sodann erhalten wir noch aus E. Eglis Feder, eine Biographie von Gregor Bünzli, Lehrer und Freunde Zwinglis (S. 444—419); den Schluß bilden Miszellen, u. a. zu den Namen Oekolampad und Myconius; für letzteren ist der deutsche Name Müller bezeugt (S. 450).

Über die ältesten Züricher Liturgien handelt J. Bauer in Monatsschr. f. G. u. k. K. 1912, 4 S. 116—124 und 6 S, 178—187; u. &, vergleicht er die Gottesdienstordnungen Luthers und Zwinglis mit einander; letztere sei geschlossener und nach einheitlichen Grund- sützen gebildet; dem gegenüber war jene einer weiteren Ausbildung zugänglicher und die Bewegungsfreiheit im Gebrauch war größer.

„Calvins Lehre von Gott und ihr Verhältnis zur Gotteslehre ‚anderer Reformatoren“ behandelt N ös gen in NEZ. 23, 9 S. 690—747.

Im Bull. de la Soc. de l'hist. du prot. franc. 60 (= Ser. 5, Vol. 9, 1911) S. 404—410 verbreitet sich N. Weiß über den Widerruf, den Francois Buffet, Karmeliterprior zu Dijon, der spüter in Genf zum Protestantismus übertrat und als reformierter Pfarrer in Metz starb, am 25. März 1580 leisten mußte, und gibt Kenntnis von einer leider Fragment gebliebenen Aufzeichnung Buffets selbst über seine innere Entwicklung. Ebendaselbst S. 508—508 erörtert E. Belle die Anfünge der Reformation in Dijon, und besonders den Anteil, den mehrere Schulmeister daran hatten. Endlich veröffentlicht ebenda S. 509—512 R. N. Sauvage einen Brief des Jean Fernagu, ,procu- reur-syndic* von Caen (eines Protestanten) über die Pariser Un. ruhen vom April 1561.

Über drei Beza- Briefe von 1571, 1572 und 1574, die die .Société du Musée de la Réformation in Genf kürzlich erworben, wird im Bull. de la Soc. prot. franç. vol. 60 S. 574f. berichtet. Sie behandeln vorwiegend die französischen Ereignisse (Bartholomäusnacht usw).

Im Bull. de la Soc. de l'hist. du Prot. Franç. 61 (1912), Heft 1 S. 18—26 gibt H. Quilgars aus den Akten eine Gesch. des Prot. in der Sénéchaussée Guérande (Bretagne); danach ist der Prot. hier 1558 gepflanzt worden und hat alsbald starken Anhang gefunden, sich auch, wennschon unter Kämpfen, bis gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts, gehalten; die 2, Hülfte zeigt ihn im Niedergang. Ebendas. S. 27—44 gibt E. de Parquier Auszüge aus den Registern des Parlaments der Normandie (in Rouen) zur Gesch. des Prot. 1562—1564; S. 45—56 behandelt P. Beuzart den Prot. in Douai in der ersten Hälfte des 17. Jahrh, auf Grund beigegebener „Akten aus dem dortigen Archiv. Endlich enthält das Heft S. 87f.

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ein Referat von P. Beuzart über das Werk von J. Desilve, Le prot..

dans la seigneurie de Saint-Amand (prov. Tournaisis) 1562—1584 (1911).

Ebendort Heft 3 S. 193—203 handeln H. Patry n. N. W(eiß) über „Frère Nicole Maurel, Apostat Célestin, dit „le prédicant" ; es gilt die bisher sehr dunkeln Lebensumstände eines Mónches Nicole festzustellen, der in Saintonges für die neue Lehre tütig war und 1516 für sie den Scheiterhaufen bestieg. Ebendort S. 204—213 ediert und erläutert P. E. Martin einen Brief Farels vom 8. März 1538 (im Genfer Staatsarchiv), der sich auf die Waldenser Piemonts bezieht;

ferner veröffentlicht M. Luthard S. 213—236 aus Mss. der Toulouser

Bibl. eine Eingabe der in Anduze versammelten Reformierten von Languedoc an die dortigen Stände von 1579, die über Ver- gewaltigungen von katholischer Seite klagt, mit zahlreichen Einzel- heiten. Eine Übersicht über einschlägige französische Zeitschriften- artikel und ein Referat über ein neues Werk zur Geschichte von Reform und Inquisition in der Franche-Comté, von L. Febvre, gibt N. Weiß S. 260—963, 271—272.

In einer Abhandlung „Les évéques Henriciens sous Henri VIII* legt G. Constant den Nachdruck darauf, zu zeigen, daß die Gardiner, Bonner, Tunstall trotz ihrer Konnivenz gegen den König im Herzen katholisch geblieben seien. RQH. 46, Lief. 182, (1, April 1912) S. 384—423.

In seiner akad. Antrittsvorlesung „Die Bartholomüusnacht-* (abgedr. im Pr. Jahrb. 150, 1, Okt. 1912, S. 52—67) behandelt W. P latz- hoff hauptsüchlich die für die Valois vernichtenden, für Frankreich äußerst schädlichen Folgen der Bluttat; andererseits deutet er darauf hin, wie der zunächst in vermehrter Glut auflodernde Glaubens- fanatismus schließlich doch der Durchsetzung des Toleranzgedankens Vorschub geleistet habe.

G. Constant, Le mariage de Marie Tudor et dePhi- lippe II (Rev.dipl. XXVIII, 1 S. 28—73; 2 S. 224—274) schildert aus den Quellen (Gesandtschaftsdepeschen, Chroniken usw.), ohne wesentlich Neues zu bringen, die Vorgeschichte der Ehe und die Ehe- schließung nebst den gleichzeitigen Ereignissen in England (Wyatt). Er urteilt, daß die den Englündern verhaßte Verbindung dem künftigen Wirken Elisabeths und der Durchführung der Reformation wesentlich vorgearbeitet habe.

Hatte i. J. 1911 Alfred Morel-Fatio in Mém. de l'ac. des inscr. et belles-lettres t. 39 auf eine neue Geschichtsquelle aus der Mitte des 16. Jahrh., die Gesch. Karls V. aus der Feder seines Hoffuriers Hugues Cousin le Vieux, hingewiesen, so teilt nun in RH. To. 110 (Année 87., Mai—Juni 1912 S. 57—76) Ch. B&mont den manches Eigentümliche bringenden Abschnitt Cousins über die engli- schen Kämpfe von 1553 und 1554 (Kgin. Maria, Jane Grey, Th. Wyattusw.),

unter vorangehender Würdigung des Geschichtswerkes und speziell dieser

Nachrichten mit,

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A. Ferrajoli veröffentlicht aus Cod. Vat. lat. 8598 den Ruolo della corte di Leone X 1514—1516 (über den ich 1903 in Bd. 6 der Quellen u. Forsch. aus ital. Archiven usw. berichtet habe). Seiner Angabe nach hat er das Stück schon 1895 aufgefunden; er gibt jetzt nur den Text, die Erläuterungen sollen folgen. Arch. della Soc. Rom. di st. p. 34 S, 368—391.

T. Pandolfi behandelt Giovan Matteo Giberti als italienischen Patrioten in den Jahren 1521—1525 (G. M. G. el'ultima difesa della libertà d'Italia: Arch. della R. Soc. Romana di st. p. vol. 34 S. 181—245), besonders seine Bemühungen, nach der Schlacht von Pavia die Kurie im antispanischen Fahrwasser festzubalten. Einige Beilagen aus dem Vat. Archiv machen den Schluß. (Befremdlicher- weise wird pag. 181 Aleander schon z. J. 1524 als „vecchio cardinale" bezeichnet!)

Aus der Bibl der Reichsuniversität Leyden veröffentlicht I. Lindeboom einen Brief des bekannten Rechtsgelehrten Francois Baudouin (Balduinus) aus der Umgebung Calvins in Genf vom 26. August 1547 an Jacques de Bourgogne, Herrn von Falais, damals in Basel, eifrigen Anhänger der Ref., mit biographischen Erläuterungen: Nederl. Archief voor Kerkgeschiedenis N.S. 9, 1 S. 70—81. Eben- daselbst S. 82—114 veröffentlicht und bespricht I. S. van Veen ver- schiedene Dekrete, Briefe usw. über Pfründenbesetzungen im Geldrischen und andere geistliche Angelegenheiten von 1590— 1594. Im N.S. 9,2 er nämlichen Zeitschrift veröffentlicht I. C. Overvoorde eine kürzlich vom Leydener Stadtarchiv erworbene authentische Abschrift der Akten der Dordrechter Synode von 1578 mit einer neben- geschriebenen Begutachtung der einzelnen Punkte durch den Leydener Stadtrat: S, 117—149; weiter gibt S. 150—183 A. A. van Schelven Aufschlüsse über die Originalakten des Weseler Konvents von 1568 auf Grund eines Briefes von Jo. Gysius in Dordrecht von 1639; endlich veröffentlicht S. 181—202 K.Heeringa Beiträre zur Gesch. der reformierten Kirche von Schiedam aus dem Gemeindearchiv, zu- ` nächst aus den Listen der obrigkeitlichen Personen von 1563—1593, mit Erláuterungen und Beilagen.

In Theol. Arbeiten aus d. rhein. wiss. Predigerverein N.F. 18 S. 110 bis 128 handelt P. Bockmühl über den Druckort der ersten Aus- gabe des Werkes „Der Leeken Wechwyser“ von Joh. Anastasius Ve- luanus, das nach ihm zuerst im April 1554 durch Joos Lambrecht zu Wesel gedruckt worden ist.

Im Jahrbuch des Ev. V. für die KG, der Prov. Posen, ,Aus Posens kirchl. Vergangenheit“, Jahrg. I S. 29—73 behandelt Th. Wotschke „Das Hussitentum in Großpolen“, das jedoch nicht als Vorstufe des Luthertums aufzufassen ist. Es läßt sich nach W. nicht nachweisen, daß um 1520 utraquistischer Geist in Großpolen noch lebendig gewesen sei und zu Luther hingeführt habe; vielmehr spricht manches dagegen.

378 94.

Neuerscheinungen.

Quellen. Vor uns liegt der erste Band von „Luthers WerkeinAuswahl, unter Mitwirkung von Alb. Leitzmann herausgeg. von Otto Clemen“ (Bonn, Marcus & Weber 1912; IV, 512 S., geb. M. 5.—). Die auf vier Bände berechnete und in erster Linie zu Seminarübungen und zum Selbststudium bestimmte Ausgabe soll, auch in der Auswahl, den „ganzen Luther“ zeigen, ihn allseitig als Reformator und Begründer einer neuen Kultur, als Er- bauungsschriftsteller, Bibelübersetzer und -erklärer, Polemiker, Satiriker zur Geltung bringen; nur die „Initia Lutheri“ sind beiseite gelassen und in den polemischen Schriften soll Maß gehalten werden; anderer- seits sollen insbesondere kirchen- und literaturgeschichtlich berühmte Schriften und solche, die gegenwärtig und voraussichtlich auch noch zukünftig im Vordergrunde des Interesses stehen, aufgenommen werden. Die Ausgabe erhebt, indem sie sich, wie selbstverständlich, an die WA. anlehnt, gleichwohl Anspruch auf selbständige Bedeutung, insofern sie die dort vorgetragenen Forschungsergebnisse nie ungeprüft übernimmt, auch in Einleitungen und Anmerkungen, besonders zu L.s früheren Schriften, manche Ergänzung und Berichtigung bringt. Der vor- liegende Band bietet 15 Schriften, die, in chronologischer Anordnung, von der Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum von 1517 zum Praeludium de Captivitate Babylonica ecclesiae 1520 reichen. Bürgt schon der Name des Herausgebers dieser neuen Publikation für eine in jeder Beziehung treffliche Leistung, so wird der erste Band durch peinlichste Sorgfalt und Sauberkeit der Ausgabe den gehegten Erwartungen in vollstem Maße gerecht. Allerdings hätten wir unserer- seits eine gewisse Modernisierung auch der deutschen Texte vor- gezogen; wir erkennen für eine derartige Ausgabe die Notwendigkeit oder Ersprießlichkeit, die Originaldrucke so genau wir nur irgend tunlich mit Abbreviaturen usw, zu reproduzieren, nicht an; doch ist das natürlich Ansichtssache und wir zweifeln nicht, daB Clemen seine Entscheidung nach reiflichster Erwägung getroffen haben wird.

„Aktenstücke zur Wittenberger Bewegung Anfang 1522“ ediert und erläutert H. Barge. Es ist eine Aus- wahl von 23 Nummern aus den in unserer Zeitschrift er- schienenen Publikationen von Nik. Müller und Pallas. Barge beab- sichtigt darin das für die Beurteilung der Vorgänge entscheidende Aktenmaterial darzubieten, wobei er auch den Einwirkungen nach- geht, den die Haltung des Reichsregiments und des Bischofs von Meißen auf Friedrichs des Weisen Stellungnahme ausgeübt hat. Leipzig, Hinrichs 1912. VI, 52 S. M, 1.50.

Von den Abschieden der 1540—1542 in der Altmark gehaltenen ersten Generalkirchenvisitation, die namens des Altmärk, GV. Müller und Parisius herausgeben, ist Heft 2 des 2. Bandes (Seehausen; Kl. Neuendorf; Gardelegen) erschienen (S. 153—256). Magdeb. 1912.

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Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer 1509—1567. In Verbind. mit dem Zwingli- Verein in Zürich hera. von der Bad. Hist. Kom., bearbeitet von Trau- gott Schieß. Bd, III, 1549—1567. Freiburg i. Br, Vehsenfeld 1912 (XX, 936 S) M. 30.—. Der verheißene Schlußband der: Blaurer-Korresp. (vgl. Bd, 8 S. 135f. ds. Zeitschr.) ist in kurzem Abstand den beiden ersten Bänden gefolgt; in die erforderl. Mittel haben sich Zwingli-Verein und BHK. geteilt. Der Bd. behandelt den Lebensabend der Brüder (Ambrosius + 1563, Thomas + 1567); daß: Ambrosius seinen ständigen Wohnsitz seit 1549 in der Schweiz nahm, hat ein stärkeres Hervortreten der Schweizer unter den Korrespondenzen unseres Bandes zur Folge; allein neben den Vorgängen in der Eid- genossenschaft finden doch auch die deutschen Dinge ausgiebigste Berücksichtigung; in kirchlicher Beziehung sind es die traurige Lage des Protestantismus in den Zeiten des Interim, die Besserung seit 1552, dann die ausbrechenden Zwistigkeiten unter den Theologen, die die Aufmerksamkeit besonders in Anspruch nehmen; im ganzen aber bleibt selbst über Deutschland hinaus kein für die Reformationszeit jener Periode bedeutungsvolles Ereignis unerwähnt. Der Band, den eine Einleitung des Herausgebers, ein Verzeichnis der Briefe nach Briefschreibern und Adressaten und ein Namenregister bereichern, bringt die laufende Nummer der Briefe auf 2761; dazu kommen als Anhänge, Beilagen und in den Anm. noch gut 300 Stück, so daß der: Gesamtertrag dieser bedeutsamen Veröffentlichung sich auf nahezu 3000 Briefe beläuft.

Untersuchungen. H.Liebmann, DeutschesLand und Volk, nach italienischen Berichterstattern der Reformationszeit (= Histor. Studien LXXXI; Berlin, Ebering 1910 241 S.). Verf. will mit dieser Arbeit ebensowohl Bei- träge zur Kenntnis Deutschlands, wie zur italienischen Geistes- geschichte des 16. Jahrhunderts liefern. Was die kirchlichen Ver- hältnisse Deutschlands angeht, so darf man bei den durchweg katholischen Berichterstattern abgesehen vielleicht von den im allgemeinen unbefangeneren Venetianern ein Verständnis und eine gerechte Beurteilung der Ref. kaum erwarten; um so wertvoller sind andererseits die Nachrichten, die insbesondere die Nuntien über die Entartung und Auflösung des alten Kirchentums darbieten.

Als Ergänzung zu seinem schönen Aufsatz „Reich und Refor- mation“ (vgl. oben S. 89£.) untersucht H. von Schubert „die Vorgeschichte der Berufung Luthers auf den Reichstag zu Worms 1521“ (SB. der Heidelb. A. d, W., philos.- hist. KL, 1912, 8; Heidelb., Winter 29 S). Verf. zeigt, wie die Be- rufung L.s vor den Reichstag aus Kf. Friedrichs Gedanken der Bestellung eines deutschen Schiedsgerichts in dessen Sache hervor- gegangen ist'und welche Stadien dieser Gedanke im einzelnen durch- laufen hat. . | | EE.

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„Dr. Johann Fabri,Generalvikar von Konstanz (1518—1523), bis zum offenen Kampf gegen M. Luther (August 1522)“ wird von P. Ignaz Staub O.S.B. auf Grund der sehr fleißig herangezogenen älteren und neueren Literatur sowie eigener ‚Studien in schweizerischen und süddeutschen Archiven und Bibl. ein- gehend gewürdigt. Vf. betrachtet F.s Studiengang, seine Wirksamkeit als Generalvikar des Bistums Konstanz, seine humanistischen Be- ‚strebungen und Beziehungen, endlich sein Verhalten zur beginnenden Ref, und seine Romreise von 1522. Besonders eingehend ist Fabris Stellung zu Luther dargestellt, worüber allerdings wesentlich Neues nicht erhellt. Fabri gehört eben zu den zahlreichen humanistisch ge- bildeten Männern, die eine Reform der entarteten Kirche wünschten, ‚aber die letzten Konsequenzen dieser ihrer Auffassung nicht zogen, auch wohl durch den stürmischen Gang, den die durch Luther ent- fesselte Bewegung nahm, abgeschreckt wurden. Bei Fabri im beson- deren mag wohl noch die Rücksicht auf sein hohes Kirchenamt mit- gespielt haben, Und die Sicherung der fetten Konstanzer Pfründe, der seine Romreise von 1522 galt, war dann das unmittelbare Vorspiel zu Fabris offenem Auftreten gegen die Reformation, das der Verf., nach den Andeutungen des Vorworts, uns wohl demnächst schildern wird. (Beilage zum Jahresber. der Stiftsschule Einsiedeln 1910/11. Einsiedeln, Benzinger 1911. 187 S.)

In der Schrift von Gottfried Eder, Die Reformations- vorschläge Kaiser Ferdinands I auf dem Konzil von Trient IL (—cGreving, Reformationsgeschichtl. Studien und Texte 18/19; Münster, Aschendorff, 259 S. M. 6.80) handelt es sich um das sogenannte ,Reformationslibell^ des Kaisers, der Form nach ein ihm von seinen Rüten erstattetes Gutachten über die Frage, wie das Konzil die kirchliche Krisis beilegen möge, ein Schriftstück, das dann Ferdinand sich zu eigen machte, indem er es am 29. Mai 1561 an seine Oratoren in Trient einsandte, um den Legaten und Konzils- vütern vorgelegt zu werden. Verf. beabsichtigt die Vorgeschichte und die Schicksale des Libells aut dem Konzil zu untersuchen; die Lósung des ersten Teils dieser Aufgabe stellt die vorliegende Schrift dar. Sie behandelt zuerst die Stellung Ferdinands zu Kirche, Konzil und Reform bis zur Entstehung des Libells und untersucht dann die Stadien, die letzteres von den ersten Vorarbeiten ab bis zur endgültigen Fassung durchlief, wobei sich auch der Anteil herausstellt, der dem Fürsten und seinen einzelnen Mitarbeitern zukommt. Als Beilage folgt ein Abdruck des Entwurfs Singkhmosers (aus dem Wiener HHStA.).

Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H., Gräfenhainichen.

ARCHIV FÜR: RRFORMATIONSERSCHICHTE,

TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN. In Werdihdiänt halt s dem Verelir für » —ewo€

herausgegeben von

D. Walter Friedensburg. IX. Jahrgang. Heft 4.

Wilhelm Postell. Seine Geistesart und seine Reformgedanken I

J. Kvačala.

Beiträge zur Reformationsgeschichte aus Drucken und Handschriften der Universitäts- bibliothek in Jena I

B. Willkomm.

| Der Reformationsversuch des Gabriel Didymus in Eilenburg und seine Folgen 1522—1525 I

K. Pallas.

Mitteilungen | (Zeitschriftenschau. Neuerscheinungen).

Leipzig Verlag von M. Heinsius Nachfolger 1912.

| Ausgegeben im November 1912, Preis für Subskribenten 3,25 M., einzeln bezogen 4,55 M.

Vor kurzem erschien:

Quellen und Abhandlungen

üchweizerischen Aeformationsgeschichte

II. Serie

der Quellen zur Schweizerischen Reformationsgeschichte

herausgegeben vom

Zwingliverein Zürich

unter Redaktion von D. Dr. Georg Finsler, D. Dr. Walther Köhler,

Religionslehrer am Gymnasium in Basel. Professor an der Universität in Zürich.

Loc u aa

L (IV der ganzen Sammlung)

Ulrich Zwingli

und seine Reformation im Spiegel der gleichzeitigen, schweizerischen volkstümlichen Literatur

Dr. phil. Frida Humbel.

Preis 8 Mark 70 Pf.

Verlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig.

Ergänzungsbände

Archiv für Reformationsgeschichte:

Beiträge zur Geschichte der Mys tik in der Reformationszeit.

Von Alfred Hegler, | Dr. u. Prof. der Theologie in Tübingen. Aus dem Nachlasse herausgeg. u. mit einer biographischen Ein- leitung versehen von Prof. Lic. Dr. Walter Köhler. Mit einem Bildnis Heglers. Preis für Subsk. M. 8.—, Einzelpreis M. 10,—

„Das Lebenswerk des früh verstorbenen Hegler ist die Erforschung des Spiritualismus des 16. Jahrhunderts geworden. Aber außer seinem wertvollen Buch: Geist und Sohrift bei Sebastian Franck (1892) vermochte er nur noch Bruch- stücke für die große Geschichte der protestantischen Mystik zu liefern. In der vorangeschickten, sehr lesenswerten Biographie liest man mit Wehmut den umfang- reichen Entwurf, den er sich gemacht hatte ... Prof. Köhler hat die Daten der Bio- graphie sehr geschickt mit einer Einführung in Heglers Schriften verknüpft und uns ein anziehendes Erinnerungsblatt geschenkt. Auch dafür sind wir ihm dankbar, daß er den Nachlaß der Vergessenheit entrissen und ein brauchbares Hilfsmittel aus den Blättern geschaffen hat. Die fast ganz auf Archivalien ruhenden Sammlungen ver- dienten es durchaus, der Öffentlichkeit unterbreitet zu werden.“

( Theol. Literaturbericht 1907, Nr. 8.)

II. Georg Xelts Briefwechsel Von Lie. Dr. Otto Clemen, Gymnasial-

oberlehrer in Zwickau i. S. Preis für Subskribenten M. 4.40, Einzelpreis M. 5.50.

n. » . Georg Helt ist der Mentor und spätere lebenslüngliche treue Freund des Fürsten Georg, in vielen Beziehungen das Bindeglied zwischen ihm und den Witten- bergern. Sein Briefwechsel ist daher auch wertvoll durch Nachrichten über diese Personen und ihre literarische Tätigkeit. Der Briefwechsel umfaßt die Jahre 1517—45. Unter den Briefschreibern finden wir so bekannte Persönlichkeiten wie Stephan Roth, Camerarius, Cruciger, N. Hausmann, A. Lauterbach, Franz Burkard, Veit Dietrich, G. Major, C. Oordatus, J. Stigelius, Hier. Weller, vor allem aber den Fürsten Georg selbst, Von besonderem Interesse sind die Jahre, in denen die Reformation am

Dessauer Hofe Eingang fand... Gute Anmerkungen dienen der Erläuterung . . .* (Deutsche Literaturzeituug 1907, Nr. 49.)

1 i Von Lic. Dr. Der Briefwechsel der Schweizer mit den Polen. Von Lie. 1

Wotschke, Pfarrer in Santomichel. Preis für Subskribenten M. 12.60, Einzelpreis M. 15.75.

»... Dieser Urkundenband beweist, daß er (der Verf) mit der polnischen Reformationsgeschichte durch lange Sammlertätigkeit vertraut ist. Es ist eine wirk- lich stattliche Sammlung von Briefen, von 1546 —1572 reichend, und in den erläutern- den Anmerkungen erkennt man stets den sachverständigen Berater des Lesers, der

auch die entlegene Literatur übersieht und das Wichtige herausheben kann..." ( Theolog. Literaturbericht 1908, Nr. 10.)

IV. Studien über das beginnende Eindringen der lutherischen

im Nebst einem Bibelübersetzung in die deutsche Literatur. Nebst einem über 681 Drucke hauptsächlich Flugschriften der Jahre

1522—1525. Von Dr. Helm. Zerener, Preis für Subskribenten M. 4.—, Einzelpreis M. 5.—.

Verlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig.

Verlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig.

Luthers Werke.

Herausgegeben von

Pfarrer D. Dr. Buchwald, Professor Dr. Kawerau, Professor D. Julius Köstlin, Professor D. Rade Pfarrer Ew. Schneider u. a.,

die Ergänzungsbände von Prof. D. Scheel. Dritte Auflage.

8 Bände (einschließlich Namen- und Sachregister) und 2 neue Ergänzungsbände.

Preis für alle 10 Bände, vornehm gebunden M. 35.60: (Die beiden Ergänzungsbände allein M. 9.60.)

Durch Ergänzung um die zwei neuen Bände wurde diese Sammlung von Luthers Werken zur weitaus besten, für die Al- gemeinheit bestimmten und auch zurzeit einzigen völlig ab- geschlossenen in deutscher Sprache vorhandenen Ausgabe.

Der den Bünden beigegebene ausführliche Kommentar macht dieselben auch für wissenschaftliche Ansprüche ge- eignet.

INHALT:

Band I: und II: Beformatorische Schriften. II: und IV: Polemische Schriften.

V: und VI: Erbauliche Schriften. VII: Vermischte Schriften. VIII: Lieder, Tischreden, Briefe usw. Sachregister. I Ergänzungsband: Wider die himmlischen Propheten.

Urteile über die Mónchsgelübde (verdeutscht).

IL Ergänzungsband: Vom verknechteten Willen (verdeutscht).

(Ausführliche Inhalteverzeichnisse stehen auf Verlangen kostenfrei zur Verfügung.)

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Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H, Gräfenhainichen., .

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