Ann ge, ER ei n nB a here an jene au. PT Ba a RR genen Arge. Ge Br ee IT Be pa A Per RR RE TERTTEE RS SEE. rag ea ne ma En N Pr N eh nn nn ne ee N pe Rene Am emengn er ee Ba: area Pe at Te Bar BEN ei engen ar wenn Rinne Bi aEe FREE Dun Win un Auer 16 2n kahl IE DRK KIZBENE Eee det = ” u ee - tan Te, u re er wen Ne een weg um Te a u nee: EN rn > u nr ne > 5 ET a a nn a re nr a A ee ee 2 Se mine ehren aY er u vr > 5 a en ee n nn u an er he En en nn ee 44 » 5 & Fa ar nr 4 u Male zutun - in ea Bf 5 er Br We een en, Pr Ro DER . Das, = Pe m hate me > . Fr re ja ee A en 5 R hr na N a nn a re ee mer Dan mn Banner m ehe us ! Fe S j a ee ee eg . En a ee nn ar a ee ART . . a Fe -. 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Er . \ - re end 1938 Library of the Museum COMPARATIVE ZOÖLOGY, | AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. Dounded bp private subscription, in 1861. Deposited by ALEX. AGASSIZ. No. > 3 FAR ARCHIV FÜR ANATOMIE, PHYSIOLOGIE UND WISSENSCHAFTLICHE MEDICIN, IN VERBINDUNG MIT MEHREREN GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN voN DR. JOHANNES MÜLLER, ORD. ÖFFENTL PROF. DER ANATONIE UND PHYSIOLOGIE, DIRECTOR DES KÖNIGE. ANATON. MAMUSEUNS UND ANATGS. TBHEATERS ZU BERLIN, 2 [a r ee Jahrgang 1850. “ Mit zwei und zwanzig Kupfertafeln. HBERLIN. VERLAG VON VEIT ET COMEP. DR N u m u, 5 € FTARLIEH ArARAE PL DATEN: ” N ERLEIM SANKAHOL San" TE 2 4 3 Zr a Sr he FRE Bei ‚Sierra Are rer Cr BRD RI EAU RENTTN. „ERW. ilnzeins BäkrAanr Ugriza de pn Jansen ‚nurare az pas 4 . IEH EIAWR Inhaltsanzeige. Bericht über die Fortschritte der: mikroskopischen Anatomie im Jahre 1849. Von K. B. Reichert in Dorpat ........ Ueber das Stimmorgan und die Bildung der Stimme. Von Dr. BER BENENNEN nn. AOD DERIGSRUEST ESTADOS, GEBET Ueber die männlichen Geschlechtstheile der Campanularia geni- culata. Von Dr. Max Sigmund Schultze, Prosecior in Greifswald.- -(Hierzu Taf: L) ::::::: 22:33:25 94% 1 Ueber den Uterus masculinus. Ein Beitrag zur Entwickelungs- geschichte der Geschlechtsorgane. Von Friedrich Betz in Tubhmgen:'\. (Hierzu -Taf. I:): :::: : v0: 2:24 Arm 1,3 Vorläufiger Bericht über die Fortpflanzungs - Geschwindigkeit der Nervenreizung. ‘Von Dr. Helmholtz, Prof. der Physiologie inakanigsbere:ian.dy4. 730 „uneides) ua eilt ab, Ueber die Endschlingen des Geruchsnerven (Nervus olfactorius). Von. Dr. Herm. Horn in München. (Hierzu Taf. IH. Fi- emtle Is elh.auppi 0 En, 0b MolsgA Zu; d Seite HR) 60 1 IV Histologische Bemerkungen über die Blutgefässwände. Von R. er TEUER ER ER RR FRE Ueber blutleere Gefässe (Lymphgefässe) im Schwanze der Frosch- Be) Non UR emik: : 2 RATE PEIEe > Ueber die Holothurien-Gaitungen Chirodota und Synapta von Prof. Grube. (Briefliche Mittheilung an den Herausgeber.) .... . > Anatomische Studien über die Echinodermen. Von J. Müller . Beobachtungen über das quantitative Verhältniss der Nagel- und Haarbildung beim Menschen. Von Prof. Zaun). in Göt- U EEE oe ee ne en Zur Kenniniss des Milzgewebes Von Dr. Friedrich Günsburg in Breslau: (Hierzu Taf.IH. Fir. 39.) ee: Ueber die Schleimkanäle der Knochenfische. Von Dr. Franz Leydig in Würzburg. (Hierzu Taf. IV. Fig. 1—3.)...- Nachträgliche Bemerkung zu dem Aufsatz: „Ueber die blutleeren Gefässe (Lymphgefässe) in dem Schwanze der Froschlarve.“ Von Benannt ah ee Ueber -die Carotiden der Krokodile und der Vögel. Von Heinr. Kalbkiesri. u a are Tr ee ee - ® Ueber die Geschlechtsverhältnisse der Gattung Cypris. Von W. Zenker:Htlıeızu TOR. Ir see a Bemerkungen über einen hochträchtigen Aal. Von Heinrich Rahel Ne RE a Beschreibung eines Cystosarcoma phyllodes mammae. Von Dr. C. Mettienheimer in Frankfurt a. M. (Hierzu Taf. VI. Fi- gur 1-3)... 22-2222 0 2 ellR Ant busalb) - mama y Berichtigung und Nachtrag zu den anatomischen Studien über die Echinodermen. Von Joh. Müller. „2.2... 2220200. Ueber die Verhältnisse des Geschlechts, der Lebensfähigkeit und der Eihäute bei einfachen und Mehrgeburten. Von H.Mecke! von Hemsbach in Halle. (Hierzu Taf. VIL)........ Beitrag zur Anatomie der Retina. Vom Marquis Alph. Corti. (Hierzu Taf. VI. Fig«.-IV) «07. oagsli. oh ae zub. 156 161 170 182 184 193 203 207 225 Messungen über den zeitlichen Verlauf der Zuckung animalischer Muskeln und die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven. Von H. Helmholtz. (Hierzu Taf. VIIL) . Physiologische Bemerkungen über einige bekannte Eigenihüm- lichkeiten der Vögel. Von Carl Bergmann ........ Ueber die Fortpflanzungsorgane des Sipunculus. Von Dr. Wilh. Peters. (Hierzu Taf. IV. Fig. A.—H.) (Mitgetheilt in der Gesellschaft naturforschender Freunde am 16. Juli 1850.) . . Ueber das Backenzahnsystem des Narwals. Vom Prof. Berthold in Göttingen. (Hierzu Taf. X. Fig. 7 und 8) ........ Ueber die Respiration der Muskeln. Von Georg Liebig Mikroskopische Untersuchung einer Hydatidenmole. Von Dr. C. Mettenheimer in Frankfurt a. M. (Hierzu Taf. IX. u. X.) Ueber eine den Sipunculiden verwandte Wurmlarve. Von Max BE tiherzu: Dar. XI.) :.,.0,0% 000 we Fortsetzung der Untersuchungen über die Metamorphose der Echi- nodermen. Von J. Müller. Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 7. November 18590 ............. Ueber die Sexualorgane der Eudoxia. Von Dr. Wilh. Busch . Ueber eine .eigenthümliche Wurmlarve, aus der Classe der Tur- bellarien und aus der Familie der Planarien. Von J. Müller. BE RI. und. SHL.)2.. 24. 20.00 0: Ueber eine der Thymus entsprechende Drüse bei Knochenfischen. Von Prof. Dr, Stannius. (Hierzu Taf. XV. Fig.2.) .... Ueber eine osteologische Eigenthümlichkeit des Delphinus globi- ceps. Von Prof. Dr. Stannius. (Hierzu Taf. XV. Fig. 3.) Beschreibung eines bei Kerisch in der Halbinsel Krimm aufge- fundenen Stirnbeins eines Macrocephalus. Von Dr. C. Meyer. a Tat XIV; und XV! Bie.v1). Adam une, 32: 8% Ueber den Einfluss einiger Gehirnorgane auf die Speiseröhre und den Magen. Von Prof. Julius Budge in Bonn ...... Die Bursa mucosa patellaris profunda. Von Prof. Dr. H. Luschka ee BER EEE FRE DE IN EN 01 808 910 017 ve Seite Akustisches Experiment. Von Prof. Fick in Marburg .. ..... 526 Neue Untersuchungen über die schraubenförmige Beschaffenheit der Elementarfasern der Muskeln, nebst Beobachtungen über die muskulöse Natur der Flimmerhärchen. Von Martin B atry (aus dem Manuscripte des englischen Orginals übersetzt und mitgetheilt von Prof. Purkinje.) (Hierzu Taf: XVI-XIX.) 529 Ueber das Becken des Braunfisches (Delphinus) von W. Vrolik 5997 Ueber Polystomum appendiculatum (Onchocotyle äppendiculata, e Diesing.): Von Dr. A. Thaer. (Hierzu Taf, XX— XXIL) 602 BERICHT über die Fortschritte in der mikroskopischen Anatomie im Jahre 1849. Von K. B. Reichert in Dorpat. — Allgemeinerer Theil. Für die Theorie der Zelle und den Zellenbildungsprocess ist die von dem Referenten gemachte Entdeckung einer ei- weissartigen Substanz in Krystallform von beach- tungswerthem Interesse. (Beobachtungen über eine eiweiss- artige Substanz in Krystallform. Müller’s Archiv. 1849, S. 197 u. ff.) Referent fand die bezeichneten Krystalle auf der Ober- fläche der Placenta und der Hüllen fast reifer Fötus eines Meerschweinchens (Cavia Cobaya), desgleichen auf der an die Placenta zunächst angrenzenden Schleimhaut des plötzlich verstorbenen Mutterthiers. Die Krystalle erwiesen sich als vollkommen regelmässige Tetra@der, deren Axe bei einigen die Höhe von -; P. L, bei anderen von etwa „4, P. L. erreicht; dazwischen lagen aber alle nur möglichen Grössen- verhältnisse. Sie waren durchsichtig, hatten eine gelbröth- liche, mehr oder weniger in das blutroihe hinüberspielende Färbung; doch schien dieselbe von einem fremdartigen Pig- mentstoffe (Hämatin?) herzurühren. Sie zeigten sich fer- ner von festweicher Konsistenz und elastischer Beschaf- Müller’s Archiv. 1850. Ä 2 fenheit. Unter dem Kompressorium liessen sie sich zu einer Lamelle zusammendrücken und erhoben sich dann nach aufgehobenem Drucke ganz allmählig, um wieder in ihre ursprüngliche Gestalt zurückzukehren ; umgebogene Spit- zen richteten sich wieder gerade. In Wasser, in Säu- ren, in Alkalien, in verschiedenen Salzlösungen sinken sie zu Boden. Referent beschränkt sich darauf, die wichtigsten Resultate, welche aus den mit diesen Krystallen angestellten Versuchen hervorgegangen sind, hier mitzutheilen. Der che- mischen Constitution nach erwiesen sich die Krystalle als eine stickstoffreiche organische Substanz, und zwar von ei- weissartiger Beschaffenheit. Dasselbe Verhalten, welches ein fester eiweissartiger Körper beim längeren Sieden in Alkohol, Aelher, Schwefelkohlensioff, fetten und ätherischen Oelen, bei Behandlung mit Säuren, namentlich auch das Verhalten gegen Essigsäure, Jodlösung und Alkalien, beim Aufenthalt im Wasser von 140 — 160° C. zu erkennen giebt, das zei- gen auf ganz gleiche Weise auch die bezeichneten Kry- stalle.e Es ist dem bei diesen Versuchen zu Raihe gezoge- nen Chemiker, meinem Oollegen Prof. Dr.C. Schmidt, keine einigermassen wichtige Reaklion eiweissartiger Körper bekannt gewesen, die nicht zugleich auch bei den Krystallen sich be- währt hälte. Referent hatte während der Beschäftigung mit den Krystallen den Dr. Paulsen veranlasst, das Verhalten verschiedener, vorzugsweise aus fester eiweissartiger Sub- stanz bestehender Gewebe bei Anwendung von Säuren und Alkalien zu studiren; die dabei gewonnenen Resultate konn- ten stets mit vollkommen gleichem Erfolge bei den Krystal- len erzielt werden; mit vollkommener Sicherheit ist auch oft genug von dem Verhalten der Krystalle auf ein gleiches bei den Geweben geschlossen worden. Ein ganz besonderer Werth wurde in damaliger Zeit auf das charakteristische Ver- halten eiweissartiger Körper nach Behandlung mit Salpeter- säure, durch die dadurch herbeigeführte Umwandlung dersel- ben in Xanthoprotein, und auf die dann nach Zusatz von Kali entstehende Orangenfarbe gelegt. Das Experiment be- währte sich bei den Krystallen vollkommen; die dabei sicht- baren Erscheinungen waren dieselben, wie bei den eiweiss- artigen Geweben unter gleicher Behandlung; die Orangefarbe glich ganz und gar derjenigen, die das Muskelgewebe zeigt. Das bezeichnete Verhalten der Krystalle, welches nicht allein den Referenten, sondern namentlich auch — worauf ein viel grösserer Werth zu legen ist — seine Kollegen, die Prof. ©. Schmidt und Buchheim, die sich mit diesen Krystallen vielfach beschäftigt, genöthigt haben, die eiweiss- artige Natur derselben anzuerkennen; — erscheint dem Pro- 3 fess. Scherer für diese Annahme nicht im Geringsten be- weiskräftig. (Bericht über die Leistungen in der physiologi- schen Chemie: C. Canstatt’s Jahresbericht, Bd.1I. S. 93. Erlangen 1850.) Indem Scherer über alle Versuchsreihen, als nicht charakteristisch für Eiweiskörper, hinweggeht, hält er sich vorzüglich an die vom Ref. hervorgehobene Umwand- lung der Krystallsubstanz in Xanihoprotein und macht da- gegen folgende zwei Einwürfe: „1) Wenn wirklich Xantho- proteinsäure gebildet wurde, so kann diese von der Beimen- gung eines flüssigen, eiweissartigen oder andern amorphen Körpers herrühren, denn Ref. hatte im Anfange gesagt: „Die rothe, die Krystalle enthaltende Substanz war mit Schleim und Epithelien durchsetzt.“ (In der Abhandlung heisst es wörtlich: es zeigte sich hier, ,‚dass die roibe Substanz aus tetra&drischen Krystallen bestand, die mehr oder weniger von Schleim und Epithelialzellen umgeben waren.“) 2) Dieselbe Reaktion mit Salpetersäure und Ammoniak geben auch das Xanthinoxyd, Guanin, und ein neuer von mir (Scher.) im thierischen Organismus entdeckter krystallinischer, Hypoxan- thin genannter Körper: ferner der stickstofffreie Inosit. Alle vier stehen in ihrer Zusammensetzung dem Eiweiss sehr ferne.‘ Was nun den ersten Einwurf betrifft, so ist derselbe Angesichts der in der Abhandlung gegebenen Mittheilungen über die Krystalle, über deren Pellucidität und Homogenität, über deren Verhalten bei denen mit ihnen angestellten Ver- suchen, wozu ein und derselbe isolirte Krystall Tage, selbst Wochen lang benutzt wurde, Angesichts der genauen Mes- sungen der stets scharfen und bestimmten Winkel und der Volum-Veränderungen bei Behandlung mit verschiedenen Stof- fen im höchsten Grade befangen zu nennen, es sei denn, dass Scherer die bei der Untersuchung betheiligten Perso- nen für sehr unbeholfen in der mikroskopischen Beobach- tung hält oder gar eine absichtliche Täuschung zum Grunde legt. In der Einleitung der Abhandlung findet sich sogar die Angabe, dass Referent grössere Krystalle durchschnitten habe, und dass die einzelnen Stücke sich genau so, wie die gan- zen Krystalle bei Versuchen verhalten hätten. Hätte hier vielleicht Ref. die mit der Chemie Vertraulen darauf aufmerk- sam machen sollen, dass diese Stückchen an den Scnnitiflä- chen vom flüssigen Eiweiss nicht überzogen sein konnten, da, wie ausdrücklich angegeben ist, das Präparat mit den Kry- stallen über ein Jahr in starkem Weingeist gelegen hatte? — Aber auch der zweite Einwurf kann bei unbefangener Be- rücksichtigung aller Erscheinungen an den Krystallen die Be- weiskraft der, bei Behandlung derselben mit Salpetersäure A2 4 und Alkalien eintreienden, Reaktion für die Eiweiss - Na- tar nicht im Mindesten beeinträchtigen. Die von Scherer angeführten Stoffe verhalten sich bekanntlich hinsichtlich ih- rer Löslichkeit in Säuren oder Alkalien, oder in Wasser öf- ters ganz anders, als das feste Eiweiss. Unter solchen Um- ständen kann die sehr verbreitete gelbe Färbung durch die Salpetersäure, ja selbst die Annahme einer rothen Färbung bei nachträglichem Zusatz von Alkalien nicht für die Eiweiss- Natur obiger Körper entscheiden; eben so wenig als dieses bei sonstigen, dem festen Eiweiss widersprechenden Eigen- schaften bei der Krystallsubstanz der Fall gewesen sein würde. Die Krystalle verhalten sich aber in allen Stücken wie feste, eiweissartige Körper, und da ist die übereinstim- mende, so charakteristische Reaktion nach Anwendung von Salpetersäure und Zusatz von Alkalien von so grossem Wer- the, dass wir beim Wegfall dieser Uebereinstimmung uns nicht für die eiweissartige Naiur der Krystallsubstanz hätten erklären ‘können. Anstatt daher so flüchlig hingeworfene Einwürfe zu machen, hätte Scherer besser gethan, Körper nachzuweisen, die alle jene Reaktionen, welche an der Kry- stallsubstanz zu beobachten sind, zeigen, die eben so unter Anschwellung mit der Essigsäure, mit anderen Säuren und Alkalien sich verbinden, durch Jod braun zefärbt werden und sich bei Behandlung mit Salpetersäure und Alkalien auf gleiche Weise verhalten, ete., und die dann doch keine ei- weissarligen Körper seien. Oder er hätte aus Interesse für die Sache, die Mühe nicht scheuen sollen, mit fesiem Eiweiss oder mit eiweissarligen Gewebebestandtheilen zu experimen- tiren und dieselben Reaktionsversuche, wie die bei den Kry- stallen angestellten, zu unternehmen, um etwa Gelegenheit zu erhalten, entweder von der Wahrheit unserer Angabe sich zu überzeugen oder auf eine Erscheinung aufmerksam machen zu können, die mit dem Verhalten der Krystallsubstanz im Widerspruch sich befände. Wie die Sachen indess nun einmal stehen, da kann der Schluss in Betreff der wichtigen Kontroverse über die eiweiss- artige Natur der Krystallsubstanz in folgender Weise ge- fasst werden. Es darf hier, wie in ähnlichen Fällen, die Möglichkeit, bei erweiterten Erfahrungen noch auf Unter- schiede zwischen der Krystallsubstanz und den festen eiweiss- artigen Körpern zu stossen, nicht von der Hand gewiesen werden. Da jedoch sich gegenwärtig eine vollkommene Uebereinstimmung der chemischen Reaktionen beider Körper gezeigt hat, da ferner auch die physikalischen Eigenschaften sich damit im Einklange befinden, so ist jeder Forscher nach dem Stande unserer Kenntnisse nicht nur berechtigt, sondern d auch verpflichtet, die Krystallsubsanz für einen festen, ei- weissartigen Körper zu halten; ja er wird auf Grundlage der Uebereinstimmung so wichtiger chemischer Reactionen als höchste Wahrscheinlichkeit hinstellen müssen, dass die etwa noch aufzufindenden Unterschiede nur auf Variationen, wie sie bei verschiedenen eiweissartigen Körpern bestehen, sich beziehen werden. Zugleich ist Referent schliesslich zu der Erklärung autorisirt, dass die Professoren Buchheim und C. Schmidt durch die von Prof. Scherer vorgebrachten Einwürfe und Bedenken nicht im geringsten darüber in Zwei- fel gerathen sind, dass die Substanz der Krystalle eiweiss- artiger Natur sei. Die völlige Uebereinstimmung des physikalischen und chemischen Verhaltens der Eiweiss-Krystalle und der festen eiweissartigen Bestandtheile an Zellen und den daraus her- vorgegangenen histologischen Formbestandtheilen berechtigen zu dem Schluss, dass auch die Art des festen Kohäsionszu- standes bei beiden gleichzustellen sei; bei den in Rede ste- henden Krystallen hat der feste Zustand des Eiweisses, un- ter dem freien Wirken der Krystallisation. die Krystallfornı erhalten, in den organisirten elementaren Formbestandthei- len ist derselbe zwar an sich amorph, doch in den Membra- nen der Zelle, des Kerns zu organisirten Formen verwendet. Mit Rücksicht darauf sind gewisse Resultate, die sich aus den mit den Krystallen angestellten Versuchen ergeben ha- ben, in ihrer gleichzeitigen Anwendung auf die Membranen der Zelle hervorzuheben. Die Krystalle verbinden sich näm- lich mit Säuren und Alkalien unter Veränderung ihres Volu- men nach ganz konstanten Verhältnissen und zum Theil auch ihrer Färbung, bei gleichzeitiger Beibehaltung aller übrigen Eigenschaften und namentlich auch der Krystallform mit pel- lueidem und homogenem Ansehen. Ferner treten die Säuren (die Jodlösung ausgenommen) bei Anwendung des Wassers aus der Verbindung mit den Krystallen, die in Folge dessen, von einer grösseren oder geringeren Abänderung in der immerhin aceidentellen Fär- bung abgesehen, wesentlich mit derselben Beschaffenheit, na- mentlich auch der Grösse, wiederhergestellt werden, wie im ursprünglichen Zustande. Die Verbindung mit einer Kali- lösung wird durch Wasser nicht gestört; vielmehr nehmen die Verbindungen mit stärkeren Kalilösungen noch eine be- stimmte Quantität Wassers auf. Desgleichen lassen sich die mit den Krystallen verbundenen Säuren durch stärkere verdrängen, ohne dass die Krystalle selbst eine andere Ver- änderung erleiden; als die, welche der unmittelbaren Ein wir- kung der stärkeren Säure entspricht. Ebenso wird die Am- 6 moniak-Verbindung durch Kali gelöset. ! Ferner geben die Krystalle die mit ihnen verbundenen Säuren an ‚Alkalien und ihre Alkalien an hinzugeleiteten Säuren leicht ab, wo- bei wiederum die Veränderungen hauptsächlich auf das Volumen und die Farbe sich beziehen. Salzlösungen schei- nen keinen direeten Einfluss sowohl auf die reine Sub- stanz der Krystalle als auf deren Verbindungen mit Säuren oder Alkalien auszuüben. Die Salpeiersäure endlich ver- wandelt die Substanz des Krystalls in Xanihoprotein, und auch diese Verwandlung geschieht nur mit Veränderung des Volumen, (sie werden kleiner), und der Farbe, während die übrigen Eigenschaften, namentlich auch die Krystallform.mit demselben homogenen Ansehen ,„ mit derselben Grösse der Winkel und Schärfe der Kanten sich erbalten. Die so in Xanthoprotein verwandelten Krystaile konnten daun mit ähn- lichen Erfolgen einfach und abwechselnd mit Säuren, Alkalien, Wasser behandelt werden. — Ref. hat sodann es unternommen, auf Grundlage der bei diesen Versuchen sich kundgebenden Er- scheinungen und der genauen Messungen der Volum-Verände- rungen die Art der Verbindung der Krystalle mit den verschiede- nen Stoflen zu bestimmen. Drei Erklärungsweisen lagen vor; man betrachtet die Verbindung, die sonst wohl auch unter den unbestimmten Ausdrücken der „‚Infiltration, Imbibition, Absorption“ aufgefasst werden, für die Wirkung der Ka- pillarattraktion, oder für die Wirkung einer einfachen Auf- lösung, wie z.B. eines Salzes in Wasser (Schwann, Schlei- den, H. Meckel) oder endlich für einen chemischen Akt, indem Referent von den vergeblichen Versuchen, jene drei Processe als Wirkungen einer und derselben physikalischen oder chemischen Anziehung anzusehen absitrahirte und bei der Prüfung sich an unzweifelhaft vorliegende, empirische Unterschiede in dem Entstehen und Bestehen dieser Pro- cesse gehalten, ergab sich, dass die beiden ersten Erklärungs- weisen bei ihrer konsequenten Durchführung mit den an den Krystallen sich darbietenden Erscheinungen nicht zu vereinigen sind, und dass man beim chemischen Akte stehen bleiben müsse. Für ibn sprechen die, in Folge der konstan- ten Volum-Veränderungen der Krystalle bei den Verbindun- gen, nothwendig werdende Annahme, dass diese Verbindun- gen nach bestimmten Gewichisverhältnissen geschehen. Fer- ner stimmt damit überein die Homogenität der Krystallsub- stanz nach den verschiedenen Verbindungen. Endlich wird auch durch das geseizliche Verhalten der Krystaliverbindun- gen bei abwechseluder Behaudlung mit Säuren, Alkalien, Wasser das vollkommene Bild chemischer Zersetzungen und erneuter binärer Verbindungen vor Augen geführt. Gleich- 7 wohl ist der chemische Akt nicht nach der rein dualistischen Theorie zu deuten, denn hier ist es unmöglich, dass von den beiden chemischen Faktoren der eine noch seine wesent- lichsten Eigenschaften und sogar mit der Krystallform im chemischen Produkt sich erhalten könne. Es bleibt daher nur übrig, nach der Theorie der chemischen Typen und der Substitution (Dumas) sich vorzustellen, dass die Eiweiss- substanz der Krystalle aus einem Komplex chemischer Atome bestehe, die sich mit verschiedenen Stoffen verbinden, so- gar (bei der Umwandlung in Xanthoprotein) Elemente aus- scheiden können, ohne wesentlich in ihrer uns immerhin unbekannten Anordnung gestört zu werden, so dass von den beiden chemischen Factoren der eine den Hauptfaktor dar- ° stellt, der den anderen bei der Verbindung in den Komplex seiner Atome aufnimmt, und so mit der Erhaltung seiner wesentlichen chemischen Konstitution auch die Form und seine wesentlichsten Eigenschaften erhalten könne. Mag die Zukunft durch die Entdeckung der wahren chemischen Kon- stitution der eigentlichen organischen Stoffe die Räthsel einer solchen chemischen Verbindung lösen, für die festen eiweiss- artigen Bestandtheile der organisirten Formelemente nimmt Ref. das aus den Versuchen mit den Krystallen gewonnene Resultat in Anspruch, dass die Verbindung derselben mit . Säuren, Alkalien, Wasser nicht als eine mechanische Imbibi- tion oder Infiltration, auch nicht als einfache Auflösung, son- dern als ein chemischer Akt obiger Natur anzusehen sei, was zugleich auf die Vorstellungen der durch die Zellen- membranen vermittelten Erscheinungen der Endosmose und der Exosmose übertragen werden muss. Referent beschliesst den Bericht über die Entdeckung der Eiweisskrystalle unter Hinweisung der daraus resul- tirenden Konsequenzen für die Theorie der Zelle und für den Zellenbildungsproces. Zu allen Zeiten haben sich die Bestrebungen gezeigt, Krystalle und Organismen in ih- rer Bildung in nächste Beziehung zu einander zu brin- gen. Sich stützend darauf, dass in beiden Fällen in oder aus einem flüssigen Stoff bestimmt geformte Körper sich her- ausbilden, huldigte man der Ansicht, dass die Krystallisa- tionskraft und die organisirende, plastische Kraft von den- selben Grundkräften ausgehe, dass in dem ersten Fall die iu bestimmten Axen verschieden wirkende Anziehungskraft der Moleküle einer krystallisationsfähigen Substanz die Bildung eines eckigen Körpers, eines Krystalls und dessen Vergrös- serung durch schichtweise Apposition neuer Molekel-Lagen bedinge, und dass dieselbe Kraft in der organisationsfähigen Materie, modifieirt durch die chemische und physikalische 8 Beschaffenheit derselben, zum Aufbau, der Aggregation und dem Wachsthum der Organismen führe. Nach der Entdek- kung der Zelle schien der Weg für die Durchführung einer solchen Ansicht besonders geebnet; gelang dieses hier, so war auch die Brücke zu den komplizirteren Organismen ge- schlagen. Bekannt ist, dass Raspail den Zellenbildungs- prozess geradezu eine Urystallisation vesiculaire genannt. Bekannt ist auch, wie scharfsinnig und bis zu den äusser- sten Konsequenzen hin Th. Schwann diese Ansicht durch- geführt. Die Wissenschaft kann solehe Unternehmungen nur auf das Dankbarste anerkennen; denn sie führen stets, ge- genüber dem unbestimmten Hin- und Hertappen, am frühe- sten entweder zur Anerkennung der Wahrheit oder des Fehlgriffs einer sich geltend machenden Ansicht. Th. Schwann setzte sich die Annahme, dass Krystallisations- kraft und plastische Kraft der Zellen identisch seien, und suchte nun nach einer ursprünglichen Verschiedenheit der Substanz der Zellen von der Substanz der Krystalle, aus welcher man einsehen könnte, dass die Substanz der Zellen nach den Gesetzen der Krystallbildung, statt in Form ge- wöhnlicher Krystalle, als Zelle herauskrystallisiren müsse. Diese Verschiedenheit fand Schwann in dem festweichen, imbibitionsfähigen Zustande eines Theils der organischen Körper, in Folge dessen sie durchdringlich werden für an- dere flüssige Substanzen, und das Wachsthum nicht blos durch Apposition, sondern durch Intussusceptio bedingt werde. Schwann fährt dann fort: „Da die Krystallisation der Uebergang aus dem flüssigen in den festen Zustand ist, so kann man wohl die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlich- keit einsehen, dass, wenn solche eines Mittelzustandes zwi- schen fest und flüssig fähigen Körper zum Krystallisiren ge- bracht werden könnten, sich eine bedeutende Verschieden- heil von der gewöhnlichen Krystallisationsweise heraus- stellen würde. in der That findet sich nichts, was man Krystall nennt, aus imbibitionsfähiger Substanz zusammen- gesetzt, und selbst von den organischen Körpern krystallisi- ren nur diejenigen, welche nicht imbibilionsfähig sind, z.B. Fett, Zucker u. s. w. Die imbibitionsfähigen Körper krystal- lisiren daher entweder gar nicht, oder unter einer Form, die von den Krystallen so verschieden ist, dass man sie als Krystalle nicht erkennt. In der Folge sucht der Verfasser zu beweisen, wie diese Form die Zelle sei, und dass die bei der Krystallbildung thätigen Grundkräfte mit Hilfe der Imbi- bitionsfähigkeit der organischen festen Substanz zu der Bil- dung dieser Zellenform führe. Auf ähnlichen Grundlagen wie die Schwann’schen Deductionen, erheben sich viele I Vorstellungen des Zellenbildungsprozesses auch noch in der neuesten Zeit. Auch die Theorie der Aggregatkugeln, der Klümpchen, der Umhüllungskugeln gehen bei der Zellenbil- dung zunächst wenigstens von anziehenden Kräften aus und fügen auch wohl nachträglich den Anzug einer Hülle hinzu, Wie dem auch sein mag, durch die Entdeckung der Eiweiss» krystalle sind die Grundlagen für dergleichen Vorstellungen als unhaltbar zurückzuweisen, indem folgende zwei Folge- rungen unvermeidlich daraus gezogen werden müssen. 1) Da die Substanz der Krystalle festweich und wie man sagt, imbibitionsfähig ist, so folgt einerseits, dass die bezeichneten Eigenschaften einer Materie kein Hinderniss für den Ueber- gang derselben in wirkliche Krystallform abgeben können, und dass andrerseits aus diesen Eigerschaften auch nicht die Nothwendigkeit hervorgehe, dass eine Substanz bei Ueber- gang in den festen Zustand, statt in einen wirklichen Krystall, zu einer Zelle sich verwandeln müsse. 2) Bei der Voraus- setzung, dass die Krystallisationskraft und die organisirende plastische Kraft identisch seien, ist mit Schwann unabweis- lich die Konsequenz zu ziehen, dass Verschiedenheiten in der chemischen Konstitution oder in den physikalischen Ei- genschaften der Substanzen die Bedingungen enthalten müs- sen, in Folge deren gewisse Materien bei der Krystallisation zu Krystallen, andere zu Zellen sich verwandeln, und dass Beides zugleich bei einer und derselben Substanz nicht auf- treten könne. Durch die Entdeckung der Eiweisskrystalle ist der Beweis geliefert, dass völlig übereinstimmende Sub- stanzen in dem einen Falle Krystallform annehmen, in dem anderen zur Bildung Jder Zellen verwendet werden, und so folgt, dass die Krystallisationskraft und die plastische Kraft nicht identisch sein können. In der That, wer die Erschei- nungen des Zellenbildungsprozesses da, wo sie wirklich sich genauer beobachten lassen, z. B. während des Furchungspro- zesses bei Strongylus auricularis, verfolgt hat, der muss zu- gestehen, dass gerade an der einfachsten organisirten Form, an der Zelle, die völlige Verschiedenheit der bei der Krystal- lisation und in der organisirenden plastischen Thätigkeit wirk- samen Grundkräfte sich recht anschaulich und bestimmt her- ausstellt. Man darf dann nicht von der Grundlage ausgehen, dass bei der Zelienbildung, wie bei der Krystallisation, in oder aus einer Flüssigkeit feste Körper herauskrystallisiren, sondern der Zelleninhalt geht ganz oder in einzelnen Portio- nen als flüssiges und festes zugleich in die dadurch zusammen- gesetzte und (einseitlich) organisirte Zellenform über. Des- gleichen beruhen’ die für uns sichtbaren Erscheinungen bei dem Zellenbildungsprocess nicht, wie bei der Krystallisation, 40 auf der Wirkung von anziehenden Kräften, sondern auf einem Sonderungs- oder Differenzirungsakt, in Folge dessen eben — und nicht durch Aggregation — die Hauptbestandtheile der Zelle, Zellenmembran und Inhalt erstehen, und weiter- hin die Abscheidung des Kerns vom übrigen Inhalt und seine Ausbildung veranlasst wird. Mit anderen Worten, die Zelle entwickelt sich und verfolgt dabei genau die gesetzliche Weise, die auch bei der Entwickelung der aus Zellen zusammenge- setzten Organismen sich zu erkennen giebt, wobei es wohl Niemanden einfallen kann, behaupten zu wollen, dass die Bestandtheile solcher Organismen, wie bei einem ;künstlichen Bauwerk, durch Aggregation zusammengebracht werden. Die Krystallisation zeigt nicht die Spur einer Erscheinung, die auf einen Entwickelungsprozess zu beziehen wäre. Es giebt endlich ‚allerdings Bestandtheile der Zelle, deren Bil- dung nicht ohne Betheiligung von anziehenden Kräften ge- schehen könnte; diese sind die aus dem flüssigen Eiweiss hervorgehenden Membranen der Zelle und des Kerns. Allein, dass eben die Konsolidation nicht weiter dringt und in der Begrenzung der Membranen sich hält, setzt nothwendig die Ab- sonderung und Differenzirung der betreffenden Schichten Eiweiss von der übrigen Bildungsmasse voraus und lässt sie als eine nach der Differenzirung, wenn auch immerhin sehr schnell erfolgende Veränderung in dem Bildungsprocess der Zelle erscheinen. Wenn übrigens bei diesem Konsolidations- prozess dieselben Kräfte, wie bei der Krystallisation, wirk- sam sein sollten, so wird man wenigstens zugeben müssen, dass ein freies Entifalten derselben, nach den Effekten zu urtheilen, durch die sonst bei der plastischen organisirenden Thätigkeit wirksamen Kräfte behindert sei. In Betreff der Zellengenesis bringt das Jahr 1849 im Wesentlichen nur Wiederholungen früherer Ansichten, ohne dass Beobachtungen von entscheidendem Werthe an einer eiwa günstigen Stelle gemacht worden wären, oder dass sonst etwa eine Neigung zur Vereinigung der dabei obwal- tenden Kontroverse sich gezeigt hätte. Eine wichtige Rolle zum Beweise der Umhüllungskugel- Theorie nach Kölliker haben auch in diesem Jahr die be- kannten und sogenanten „blutkörperchenhaltige Zel- len‘ gespielt. Pestalozzi, ein Schüler Kölliker’s, be- schreibt das Verhalten des Blutes in den Aneurysmata spuria der kleinen Gehirnarterien folgender Maassen. Der Inhalt der Gefässe, sowohl in den Kanälen selbst als in der blasen- förmigen Aussackung zwischen Tunica adventitia und media, bestand häufig aus den unveränderten Bestandtheilen des Blutes; in anderen Fällen waren die Blutkörperchen mannig- 11 fach verändert, sehr häufig eingeschrumpft, intensiv goldgelb oder braunroth gefärbt, iheils einzeln für sich, theils in grös- seren und kleineren Häufehen zusammengeballt, selbst in einigen Fällen deutlich in Zellen enthalten, wie sie Landis beschrieben und abgebildet hat. Ausserdem kamen noch vor Entzündungskugeln und ein- oder mehrkörnige Zellen, Eiter- kügelchen nicht unähnlich, als Bestandtheile des metamor- phosirten Blutes, von denen es dahin stehen mag, ob sie neue Gebilde oder neue farblose Blutkörperchen sind (über Aneurysmata spuria der kleinen Gehirnarterien etc. Inau- guralabhandlung. Würzburg, 1849, 8. p. 19). — Ausführ- lieber sind die Mitiheilungen Kölliker's (KR. R. Todd: the eyelopaedia of anat. aud physiology, Spleen, part. XXXVI. p- 771 seqq.). Mehrere auf die angeregte Frage sich bezie- henden Angaben finden sich auch in einem Schreiben Köl- liker’s an Herrn Prof. Hasse in Zürich: „Ueber blutkör- perchenhaltige Zellen‘ (Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie, ‘Bd. I. S. 260). Der Verfasser beschreibt in der bekannten Weise die Entstehung der blutkörperchenhaltigen Zellen und die Umwandlung in farblose, granulirte Zellen bei Säuge- thieren, Vögeln, Amphibien, Fischen in der Milz, bei Fischen auch in der Niere Kölliker hielt es für wahrscheinlich, dass der Kern zuerst enistehe und die Zellenmembran sich später umlege. Beim Tritou (Triton igneus) sehe man die betreffenden Zellen am durchsichtigen Rande der Milz inner- halb der Kapillareu in Reihen gelagert und könne sie durch Druck in die grösseren Venen hineintreiben. Bei einigen Fischen (Tinca, Esox, Perca) sind sie in rundlichen Kapseln von 75 —;75 L. im Durchmesser eingeschlossen, die au den Arterienstämmchen liegen und eine Aehnlichkeit mit den ' Malpighischen Körperchen haben, jedoch ohne Zweifel nur falsche Aneurysmen darstellen. In dem veröfientlichien Briefe an Herrn Prof. Hasse nimmt der Verfasser besonders Rück- sieht auf die Bildung seleher Zellen in pathologischen Blut- ergüssen, wo indess die Beobachtung nicht immer so leicht sei, wie bei der Milz. Deutlich soll es zu® verfolgen sein: in der Lunge, in den Bronchialdrüsen, in der Schilddrüse des Menschen, in Lymphkdrüsen von Säugelhieren, in extra- vasirtem Blut nach Brüchen, am schönsten im Gehirn des Menschen. Namentlich hebt Kölliker seine Beobachtungen an einer Apoplexia capillaris in der Commissura mollis eines Kindes hervor, das am Hydrocephalus aculus gestorben war. Die Thatsachen, aus denen hier auf die Bildung von blut- körperehenbaltigen Zellen und deren Umwandlung in Körn- ehenzellen zu schliessen war, sollen ganz unzweilelhaft vor- gelegen haben. Namentlich macht der Verfasser darauf auf- 12 merksam, dass dergleichen Zellen nicht blos Blutkörperchen und Blutplasma, sondern sogar den Inhalt zerstörter Nerven- röhren enthielten (! K.) Solche Thatsachen beweisen dem Verfasser unumstösslich, dass hier eine Zellenbildung um Umhüllungskugeln stattgefunden. Kölliker hält ferner diese Bildungsweise für identisch (!) mit der Zellenbildung um Inhaltsportionen der Mutterzelle, lässt daneben auch noch die Schleiden-Schwannsche und die Zellenbildung durch Thei- lung existiren, und behauptet schliesslich schlechtweg und im Widerspruch mit den Erfahrungen über die gesetzlichen Vorgänge des Entwickelungsprozesses, dass die auch von anderen Forschern getheilte Ansicht des Referenten, es könne nur eine bestimmte Norm der Entwickelung der Zelle geben, gerade so, wie bei der Entwickelung der übrigen organisir- ten Körper, falsch sei. Unter so bewandten Umständen und bei so divergiren- den Ansichten über das Wesen eines Entwickelungsprozesses muss Referent es sich ebenso versagen, über obige Forderuug an die Zellenbildungstheorien mit dem Verfasser sich zu ver- ständigen, als er dieses zu thun auch in anderen Fällen, na- mentlich in Betreff der schlechtweg von Kölliker abgeleug- neten Wahrheit des sogenannten „Kontinuitäts- Gesetzes“ gezwungen ist. Desgleichen vermag Beferent nicht seine schon früher ausgesprochenen Bedenken gegen die blutkör- perchenhaltigen Zellen auch nach erneuten Untersuchungen zu beseitigen; stets hat sich ihm die Deutungsweise Virchow’s in Betreff der Erscheinungen im stagnirenden Blute als die ungezwungenste und wahrheitsgemässe herausgestellt. Na- mentlich gelang es dem Referenten niemals, sich zu überzeu- ger, dass ein Konglomerat unversehrter oder in der bekannten Veränderung begrifiener Blutzellen als der Inhalt einer wirk- lichen Zelle auftrete; und dieses ist es gerade, worauf es bei der vorliegenden Kontroverse ankommt. Ueberhaupt möchten alle jene Orte, wo man die blutkörperchenhaltigen Zellen beobachtete, vielmehr geeignet sein, zu Hypothesen aufzufordern, als dass sie eine genaue Forschung über einen so schwierigen und delikaten Gegenstand, wie es die Zellen- bildung ist, gestatien. Referent vermag daher auch nicht obige Angaben für einen unumstösslichen Beweis der Um- hüllungskugeltheorie in der Zellengenesis anzusehen, und muss zugleich entschieden dagegen sich erklären, dass man die genannte Theorie mit der Zellenbildung um Inhaltsportio- nen der Muiterzelle bei der Pollen-Bildung und während des Furchungsprozesses identißizire. Während des Furchungs- prozesses findet keine Konglomeration, keine Agglutination von Körperchen statt, und die Furchungskugeln besitzen. 13 wie dieses von dem Referenten bei Strongylus auricularis nachgewiesen, von Anbeginn ihre Zellenmembranen und lassen sich nieht etwa dieselben später umlegen. Zwar leugnet das Letztere Kölliker und wird darin von Bruch unterstützt, der in einem Schreiben an denselben (Einige Bemerkungen über die Gregarinen, Zeitschr. für wissenschaftliche Zoologie, Bd. II. S. 110. 1849) dem Referenten den Rath giebt, sich die Mühe zu nehmen, einem mit den schönsten Furchungs- kugeln gefüllten Ei, z.B. von Ascaris (? Referent), einen kleinen Stoss zu geben und dann zu sehen, wie alle diese schönen Kugeln zu einem formlosen Haufen zusammenfliessen, worauf Referent vielleicht weniger hartnäckig auf seinen fal- schen Ansichten beharren würde. Solche Bemerkungen be- weisen nur zu deutlich, dass Bruch sich nicht die Mühe ge- nommen, den Furchungsprozess bei Sirongylas auricularis gründlich zu studiren. Er würde sich dann weniger darüber verwundert haben, dass eben entstandene Furchungskugel- Zellen in Folge eines Stosses, oder wohl richtiger in Folge eines Drucks mit dem Deckplättchen zerstört werden und zusammenfliessen, als vielmehr zu besonnener Betrachtung darüber angeregt sein, wie es geschehe, dass der Dotter bei erwähnter Beschaffenheit in Portionen (Furchungskugeln) sich abtheile, die recht” schön und harmlos isolirt bleiben, und nicht zusammenfliessen. | Ein eigenthümliches Bild von der Zellenbildung während des Furchungsprozesses entwirft Wittich zu Folge seiner Untersuchungen an Arachniden - Eiern (die Entstehung des Arachniden-Eies im Eierstock; die ersten Vorgänge in dem- selben nach seinem Verlassen des Mutterkörpers. Müller’s Archiv S. 113 seqq.). Der Dotter der Arachniden-Eier ent- hält Bildungs- und Nahrungsdotter, letzteren in Form von Eiweisskugeln. Die Bildung von Furchungskugeln beginnt gleichzeitig an ganz gesonderten Stellen des Bildungsdotiers. Es zeigen sich zuerst nach der Angabe des Verfassers auf der Oberfläche den Kernen vergleichbare Körper, bestehend aus einer Verbindung von Albumin und Fett; um diese Kerne soll sich die übrige eivwveissartige Grundmasse mit ihren Fett- molekeln in Tropfenform lagern. Neue, aus der übrigen, noch unbenutzten Dottermasse sich ausscheidende Kerne um- geben sich auch mit dem neu auftretenden Bildungsmaterial, welches mit dem Verschwinden des Nahrungsdotters an Quantität zunimmt, und so fort. Die Vermehrung der Kerne geschieht nicht in Folge einer endogenen Neubildung. Kern und Umgebung werden später immer konsistenter und klei- ner und zuletzt zeigt sich auf der Oberfläche eine deutliche Zellenmembran (S. 146). Im Abdominaltheil des nunmehr 14 sich bildenden Thieres ist noch eine andere Art Zellenbildung bemerkbar. Man findet hier eine grosse Masse von Fett- tropfenhaufen, die um Vieles fester als die ersten Furchungs- kugeln sind, doch ihnen gleich an Grösse. Sie stellen Kör- per dar, die in einer zähen Bindesubstanz grosse nnd kleine Feittropfen enthalten. “Die äusserste Schicht scheint dichter zu sein und eine Art Hülle zu bilden, doch enibehren sie einer wirklichen Zellenmembran und auch des Kerns und gleichen vielmehr den kernlosen Fettzellen der Leber der Arachniden. Der Verfasser hält diese Körper nicht für völ- lig identisch mit den gekernten Zellen, und weiset darauf hin, dass eine analoge Form nicht nothwendig dieselben Qua- ‚litäten in sich schliesse, also auch nicht nothwendig densel- ben physikalischen (! Referent) Entwickelungsprozess durch- gemacht zu haben braucht. Die gleiche Form, in der die verschiedensten organischen Gebilde in ihren Anfängen auf- treten — die Zelle, — soll ihren Grund in dem gleichen physikalischen Verhalten aller ursprünglich zähflüssigen spä- ter zu einer Scholle oder zu einem Bläschen erstarrenden Substanzen haben, die sich gleichwohl noch sehr verschieden in ihrem Entstehen verhalten können (? Referent). Van Beneden beobachtete gleichfalls den Furchungs- prozess an den Eiern von Nicothoe (Ueber die Organisation und Entwickelung der Nicothoe. Schleid. und Fror. Notiz. 1849. S. 165). Der Verfasser ist der Ansicht, dass die Fur- chungskugeln zu Anfang keine eigene Membranen besitzen, indem sonst nicht die bekannten, in der Umgebung des Dot- ters befindlichen Eiweisströpfehen beim Beginn des Furchungs- prozesses heraustreten könnten. In Betreff der Kontroverse, ob der Kern der Bildung der Dotterkugel vorhergehe oder ob er ihn folge; ob demnach der Kern den Dotter bestimme, sich um ihn zu gruppiren oder ob er das Produkt der wei- tergehenden Sonderung des Dotters sei, entscheidet sich der Verfasser für die letztere Ansicht des Referenten. Auch ist es Van Beneden nicht gelungen, an den Kernen der Fur- chungskugeln Membranen nachzuweisen. Nach Art der Umhüllungskugel- Theorie sollen zufolge der Untersuchungen Leydig’s an jüngeren Individuen von Piseicola die sternförmigen Pigmentzellen sich entwickeln. Die bei auffallendem Lichte weissen Pigmentzelleu der Haut stellen anfangs nur unregelmässig um einen oder zwei Kerne vertheille Gruppen von Pigmentmolekeln dar. Von einer umgebenden Membran ist zuerst nichts wahrzunehmen, son- dern dieselbe bilde sich nachträglich aus der die Molekeln zusammenhaltenden halbflüssigen Grundmasse (Zur Anato- mie von Piscicola geometrica ete.; Zeitschrift für wissen- 15 schaftliche Zoologie, Bd. I. S. 106). Es scheint übrigens aus den unregelmässigen Formen der Pigmenthaufen hervorzu- gehen, dass die nachträgliche Membran - Bildung nicht einmal an die Durchgangsform der einfachen elementaren Zelle ge- bunden gewesen sei, sondern dass sie sich vielmehr an einer schon histologisch (!) geformten Masse eingestellt habe (? Referent). Ueber einen sehr auffälligen Vorgang histologischer Entwickelungsveränderungen der Zelle hat Leydig gleichfalls in derselben Abhandlung mehrere Mittheilungen gemacht (a. a. ©. S. 105, 109, 113). Bekanntlich hatte H. Meckel bei den Insekten (an den Speicheldrüsen von For- mica rufa ete.) röhrenförmige Drüsenschläuche sehr einfacher Art entdeckt. Sie bestanden aus einer homogenen Membran und erhielten in ihrem erweiterten, blinden Ende nur eine einzige Drüsenzelle. Bei Piscicola und den Hirudineen fand Leydig die Drüsen an der Kopf- und Fussscheibe, an dem Rüssel, u. s. w., von ähnlicher Gestalt. In dem blinden Ende jedoch zeigte sich nicht eine Zelle, sondern nur ein an der Membran des Schlauches festsitzender, eigenthümlich beschaf- fener Kern und innerhalb des Schlauches körniger Inhalt, der sich frei nach der Oeflinung bewegte und hier ausgetreten za Kugeln, den granulirten Zellen ähnlich, sich zusammen- ballte. Der grosse Kern war angefüllt von Stäbchen, die sich allmählig zu einem Faden-Büschel verlängerten und ent- sprechend die Form des Kerns veränderten. Später verän- dert sich dieser Büschel in einen bräunlichen Fleck, in welchem die Fäden nur noch spurweise erkannt werden. Da in den jüngsten Thieren am Orte der Drüsen sich grosse Zellen mit einem bläschenförmigen, kleine stiftförmige Kör- perchen enthaltende Kerne vorfinden, so ist der Verfasser der Ansicht, dass der ganze Drüsenschlauch aus der Ver- wandlung einer Zelle entstanden sei, die nunmehr nach Bil- dung einer Ausführungsöffnung ihren Inhalt direkt als Sekret entlasse. Ein ähnliches Verhalten beschreibt der Verfasser auch an einigen Fettzellen. — Referent nannte den beschriebe- nen Vorgang auffällig. Bisher hatte sich nur die nicht einmal sicher konstatirte Ansicht Eingang zu verschaffen gewusst, dass Zellen mit ihren Höhlen gegeneinander sich öffnen und zu sekundären, immerhin geschlossenen Zellen sich verwan- deln. Der oben beschriebene, histologische Entwickelungs- vorgang dagegen würde geradezu die Aufhebung des bei der Zellengenesis ausgesprochenen Prineips involviren, welches sich eben in der Abschliessung ihres Inhalts durch ein ge- schlossenes Bläschen wohl deutlich zu erkennen giebt. Für die histologische Entwickelung der Zellen zu soge- 16 nannten sekundären Zellen, was in letzter Zeit auf Grund- lage erneuter Untersuchungen bezweifelt werden musste, ha- ben sich neuerdings wiederum mehrere Forscher ausgespro- chen. H. Meyer giebt an, wie schon im letzten Jahresbe- richte mitgetheilt wurde, dass die durch Verbindungsröhren zusammenhängenden Lappen des Fettkörpers bei den Rau- pen ete. durch sternförmig entwickelte und unter einander mit ihren Höhlen sich in Verbindung setzende Zellen gebildet würden; also nach dem Schema, was nach Th. Schwann für die Bildung des Kapillargefässnetzes in Anspruch genommen wurde. Desgleichen soll nach demselben Verfasser die eigent- liche Membran grösserer Tracheenstämme, welche durch Kern- Rudimente ausgezeichnet ist und den Spiralfaden begrenzt, wahrscheinlich durch longitudinal angeordnete und in einan- der geöffneten Zellenreihe gebildet werden, und der Spiralfa- den durch Ablagerung innerhalb der sekundären Zelle eut- stehen. Die feineren Aeste des Tracheensystems bilden sich durch ästige Auswüchse der Zellen der Hauptstämme. Wo endlich ein Tracheenstamm plötzlich in viele Aeste sich auf- löset, da wachse die entsprechende. Zelle sternförmig aus. (Ueber die Entwickelung des Feitkörpers ete. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. 1. S. 178 und 181.). — Ferner haben wir eine Mittheilung von Leydig (a.a. ©. S. 108. u. 121.) erhalten, dass die Muskelfasern bei Hirudineen, welche, so weit es Referent zu beurtheilen vermag, zu den glatten Muskelfasern gerechnet werden müssen, aus verwachsenen Zellen entstehen. Doch giebt der Verfasser von den gleich- beschaffenen, doch nur mit einem Kern versehenen Muskel- fasern des Ductus deferens an, dass deren Entstehung wohl nur auf einfache Zellen zurückzuführen sei.— Endlich wieder- holt auch Kölliker, ohne auch nur den leisesten Zweifel darüber zulassen zu wollen, dass die gestreiften Muskelfa- sern aus Zellenreihen hervorgehen, und dass die Fibrillen des primitiven Bündels nicht, wie Holst und Referent nach- gewiesen, aus einer Zellenreihe (soll wohl heissen Zelle) entstehen, was schon a priorö unwahrscheinlich sein soll (!! Ref.), sondern einfach modificirten Zelleninhalt der ent- standenen sekundären Zelle darstellen. Der Verfasser bezieht sich dabei zugleich auf die neuerdings bekannt gewordene Entdeckung der Verästelung primitiver, gestreifter Muskel- bündel und zweifelt nicht daran, dass die anastomosiren- den animalen Muskelbündel theilweise aus sternförmigen Zellen entstehen. Wenn der Verfasser sich auf den Standpunkt der Erfahrungen anderer Forscher unbefan- gen zu versetzen im Stande wäre, so würde er in diesen Verbindungen und Trennungen der Fibrillen primitiver Mus- 17 kelbündel nur eine Wiederholung derselben Erscheinung se- hen, die auch an glatten Muskelfasern (dem Aequivalent der Fibrillen animaler Muskeln), desgleichen an den sekundären und grösseren Muskelpartien auimaler Muskeln beobachtet wird. Endlich behar:t auch Kölliker bei seiner Ansicht, dass die Nervenendigungen im Schwanze der Batrachierlar- ven, ferner die kapillären Blut- und Lymphgefässe, auch sein, im letzten Jahresberichte besprochenes, sogenanntes netzför- miges Bindegewebe durch, Vereinigung sternförmiger Zellen sich bilden. (Zeitschr. für wissenschaftl. Zoologie, Bd.1., S. 214 u. 215. Anmerkung.) Sonach scheint es fast, als müsste man es aufgeben, für gleiche und verwandte Formelemente gleiche, und für gänzlich von einander verschiedene auch wirklich verschiedene histologische Entwickelungsweisen in Anspruch zu nehmen. Obschon man Gefahr läuft, aus der Reihe der mikroskopischen Forscher ausgeschlossen zu wer- den, wenn ıman Zweifel gegen die von Prof. Kölliker ge- machten Deutungen erhebt (a. a. ©. S. 214.), so glaubt Ref. dennoch nicht zurückhalten zu dürfen, dass es ihm auch nach wiederholten Untersuchungen nicht möglich gewesen ist, mit den vorgetragenen Ansichten über die Entstehung wenigstens der animalen Muskelfaser, der kapillären Gefässe, der Ner- venfasern und des sogenannten netzförmigen Bindegewebes sich einverstanden zu erklären. In Betreff übrigens der Ent- stehung der Tunica propria der Drüsenschläuche, für die dasselbe Schema der Entstehung angenommen wurde, hat Kölliker bereite neuerdings seine frühere Ansicht zurück- genommen. (Anatomisch - physiologische Bemerkungen, Mit- theilungen der naturf. Gesellsch. in Zürich. Nro. 41.) Die in ihren histologischen Beziehungen zur elementa- ren Zelle so räthselhaft dastehende Sarcode (Ecker’s „ungeformte kontraktile Substanz“) ist von A. Kölliker näher untersucht und besprochen. (Das Sonnenthierchen, Aectinophrys sol; Zeitschrift für wissensch. Zoologie: Bd. 1., S. 198 seqq.). Das ganze Sonnenthierchen besteht nach dem Verfasser durch und durch aus einer einfachen, homogenen Substanz mit Körnchen und Vacuolen. Dieselbe lässt eine Kernmasse und eine Rinde unterscheiden; in ersterer sind zahlreichere Körnchen enthalten; in der Rinde dagegen zeich- nen sich die Hohlräume durch ihre Grösse, durch ihre ziem- lich regelmässige Anordnung, durch die geringere Zwischen- substanz aus, von welcher zugleich als unmittelbare Fort- setzung die Fangfäden ausgehen. Die Körnchen sind rund- lich, dunkel, sehr klein (0,0005 oder 0,001), und wahr- scheinlich Fett, weil sie in Säuren und Alkalien (? Ref.) unlöslich Müller’s Archiv, 1850, B 18 seien. Die Hohlräume führen nur wässeriges helles Fluidum. Das Einzige, was auf Zellen hindenutet, ist, dass in den innersten Theilen des Thierchens beim Zerreissen einige wenige (10-12) blasige Gebilde zum Vorschein kommen, die durch die An- wesenheit eines inneren Körpers an Zellen erinnern. Der Verfasser ist sogar geneigt, sie für Zellen und Kerne zu hal- ten, die in einigen der inneren Vacuolen liegen. Schliesslich gelangt Kölliker zur Erörterung der Fragen, welche Be- deutung der fraglichen Substanz in Beziehung auf die Zelle zu vindieiren sei, und wie sich die kontraktilen Substanzen überhaupt im Thierreich verhalten. — Mit Rücksicht auf den ersten Punkt scheint es nach dem Verfasser vorläufig, dass die Substanz der Rhizopoden, wozu Actinophrys gerechnet werden müsse, als eigenthümlich modifieirte einfache Zellen, die vielleicht selbst eine Membran, aber im ausgebildeten Zu- stande wenigstens keine Kerne haben, zu betrachten sei, Dass sie aus einem ganzen Aggregal bestehe, sei nicht an- zunehmen, und eben so wenig sei es glaublich, dass man es mit einer Masse ihierischer Substanz ohne weitere Differen- zirung, etwa gleich einem selbstständigen lebenden Zellenin- halte (!R.) zu ihun habe. Eine Membran sei zwar von Actinophrys nicht nachzuweisen. Indessen könnte die- selbe so dünn und zart sein, dass sie sich der Beobachtung entziehe. Ausserdem gebe es histologische Formbestandtheile, an denen jede Differenz zwischen Membran und Inhalt ge- schwunden sei, z. B. die Fasern der glatten Muskeln. (Ge- nau genommen könnte man eigentlich nur sagen, dass in dem angeführten Beispiel der Zelleninhalt bisher nicht nachzu wei- sen gewesen ist, oder dass man über das Verhältniss der Zellenmembran und des Inhalts der histologischen Entwicke- lung der glatten Muskelfaser nichts Gescheidtes wisse, R.). Desgleichen finde die Abwesenheit des Kerns bei Actinophrys analoge Fälle vor. Nach des Ref. Ansicht ist dem Verfasser darin vollkonımen beizustimmen, dass die Sarcode nach un- sern sonstigen Erfahrungen als modificirte (histologisch ent- wickelte) Zellen zu betrachien seien. Was man aber bisher von ihr kennen gelernt hat, ist so räthselhaft und noch so wenig mit unsern bisherigen Erfahrungen vereinbar, dass ohne ein genaues Studium der Entwickelung kaum etwas Haltbares von ihr sich aussagen lässt. In Betreff der zweiten Frage glaubt Kölliker das in- teressante Gesetz, aus welchem hervorgehe, dass die Kon- traktilität an der Zellenmembran und auch an dem Zellenin- halt auftrete, durch folgende Aufzählung bewiesen zu haben. Kontraktile Membranen kommen vor a) bei einzelligen Thie- ren und zwar in der Totalität (Gregarina, Kolpoda etc.) oder 19 als bewegliche Auswüchse einer kontraktilen oder unbeweg- liehen Membran (Opalina, Bursaria). b) bei nicht selbst- ständigen, einfachen Zellen, und zwar ebenfalls in der Tota- lität (Herzzellen der Alvtes — Embryonen etc.) und partiell (Wimperhaare an Epitheliumzellen); ce) bei Zellen, die zu ei- ner Röhre verschmolzen sind. ( Kapilläre Lymph- und Blut- gefässe.). — Kontraktiler Zelleninhalt findet sich: a) bei ein- zelligen Thieren (die kontraktilen Räume der Infusorien): b) bei nicht selbstständigen Zellen (Samenkörperchen, die nach dem Verfasser als Niederschlag im Inneren von Zellen, genauer in Kernen entstehen); ec) bei Röhren, die aus ver- schmolzenen Zellen gebildet werden (die Fibrillen des ani- malen primitiven Muskelbündels). — Kontraktile Membranen und kontraktiler Zelleninhalt in eine Masse verschmolzen zeigen: a) Einzellige Thiere (Actinophrys und Rhizopoden); b) Mehrzellige Thiere, bei welchem alle Zellen zur Bildung einer homogenen Leibessubstanz verschmolzen sind. (Hy- dren etc.); c) die glatten Muskelfasern, bei welchen Hülle und Inhalt der Zelle in eine weiche Masse sich vereint haben sollen. — Aus dieser Aufzählung soll sich ergeben, dass es nur zwei Kategorien koutraktiler Theile der Thiere gebe; nämlich kontraktile Zellenmembranen und bewegungsfähiger Zelleninhalt, die sich jedoch nach ihren Differenzen passend folgendermassen klassifieiren lassen: 1) ungeformte kontrak- tile Substanz, die entweder Zelleninhalt ist oder durch Ver- schmelzung von Membran und Inhalt entsteht; 2) Samen- fäden als geformter Zellen-, respective Kerninhalt; 3) Wim- perhaar als Auswuchs einer Zellenmembran; 4) Kontraktile Bläschen als ganze kontraktile Zellenmembran; 5) kontrak- tile Röhren als verschmolzene Zellenmembranen; 6) kontrak- tile Faserzelle als eine verlängerte mit Inhalt und Hülle in Eins vereinigte Zelle; endlich 7) kontraktiles Fibrillenbündel als geformter Inhalt einer Reihe verschmolzener Zellen, wozu auch die glatten Muskelfasern der Hirudineen (Leydig) ge- hören sollen. N Nach des Referenten Ansicht hat Kölliker den Be- weis, dass der Zelleninhalt kontraktil sei, wohl vorausge- nommen, aber nicht geführt. Von seinem Standpunkte aus hat der Verfasser entschieden, was als ungeformter (? R.) und geformter Zelleninhalt genommen werden soll. Allein das Wesen der Substanz in den Infusorien, in der Sarcode ist uns noch ganz dunkel. Dass ferner die Samenkörper- chen und die Fibrillen der quergestreiften Muskelfasern aus dem Inhalt des Kerns oder der Zelle sich allein gebildet ha- ben, das ist eine Partei-Ansicht. Aber gesetzt den Fall, es wäre richtig, so dürfte man gleichwohl diese Bildung nicht B2 20 schlechtweg als Zelleninhalt bezeichnen, sonst könnte man auch den Kern, das Secretbläschen, ja die ganze Zelle eben- so behandeln, da sie alle aus dem Zelleninhalte hervorge- hen. Ebenso ist nicht bewiesen, dass an den bezeichneten Stellen, Zellmembran und Zellinhalt zu einer Masse verschmol- zen seien. Dass ferner die Kontraktilität der Muskelfasern ohne Weiteres auf die Ursache der Bewegung bei den Sa- menkörperchen, an den Wimpern zu übertragen sei, ist neuerdings von v. Sieboldt mit Recht noch in Frage ge- stellt. Ebenso zweifelhaft ist es, dass die kapillären Lymph- und Blutgefässe Kontrakülität besitzen. Noch manche .an- dere Bedenken liessen sich gegen die als anerkannte Thatsa- chen gemachten Behauptungen des Verfassers erheben. Re- ferent wünscht jedoch nur die Bemerkung hinzuzufügen, dass es überhaupt noch nicht rathsam erscheine, auf Grundlage der so räthselhaften Sarcode derartige Zusammenstellungen zu machen; sonst dürfte man auch andere Eigenschaften der- selben, wie z. B. die Empfindungsfähigkeit, zu demselben Zwecke benutzen, was gegenwärtig wohl kaum zu erfreuli- chen Resultaten für die Histologie führen würde. Wir haben schliesslich im allgemeinen Theile noch eines Versuches zu gedenken, der, wie der Verfasser sich in der Abhandlung ausdrückt, gegen das „Dogma der Zellentheorie‘ gerichtet ist. (F. Kilian: die Struktur des Uterus bei Thie- ven; Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift, S. 53 segqq.) Ki- lian vermag in dem Parenchym des Uterus ganz: junger Thiere nur Blastem und Kerne zu unterscheiden. Im diesem Blastem sehe man die Kerne allmählig zwei charakteristische Formen annehmen. Die eine Varietät sei stark in die Länge gezogen, von pfriemenförmiger, in feine Spitzen auslaufender Gestalt und opakem Ansehen; sie werden „pfriemenför- mige“ Kerne genannt. Die zweite Varietät wird der Kürze wegen mit dem Ausdruck „stäbehenförmig‘“ bezeichnet. Sie behält eine mehr bläschenförmige Natur bei, besitzt ne- ben der Ausstreckung in die Länge einen etwas starken Breiten - Durchmesser und mehr stumpf zugespitzte Enden. An den stäbchenförmigen Kernen, die mit der Bildung der glatten Muskelfasern im Zusammenhange stehen, bemerke man eine Veränderung des Inhalts, wie sie von Henle bei der angeblichen Resorption des ganzen Kerns auf den glat- ten Muskelfasern beschrieben sei. Der Inhalt wird körnig und zieht sich allmählig nach der Mitte des Kerns zurück, wo man ihn bald nur noch als feinen, der Länge nach ver- laufenden dunklen Strich von Körnchen bemerkt, der später sich auf 2—3 Pünktchen redueirt, Eine Verschmelzung die- ser Kerne sei nicht zu beobachlen gewesen. Die pfriemen- 21 fürmigen Kerne findet man besonders deutlich im Cervix uteri. Sie liegen in grösseren Massen gewöhnlich dicht bei einander und sehr gradlinig hintereinander, so dass sie dem Präparat hierdurch ein straffes, faseriges, dem fibrösen Bin- degewebe ähnliches Ansehen gewähren. Es sollen dieselben Kerne sein, welche auch die Längsfaserhaut der Tunica ad- ventitia der Arterien bilden. Die Kerne verwachsen mitein- ander und werden so zur Bildung vou Kernfasern (Spiral- fasern) verwendet. Das Blastem endlich, welches um die Kerne liege, sei nicht durch Vermittelung von Zellen entstan- den, sondern es lege sich vielmehr als Emballage um diesel- ben und veranlasse dadurch das Auftreten der Muskelfa- sern, des Bindegewebes. Wenn man schon vorher an dem Blastem bestimmte Form bemerke, die an Zellen erinnern, so sei das künstliche Formation. Es scheint somit, meint der Verfasser, dass der Einfluss, den nach der Zellentheorie die Art der Zellen-Entwickelung auf das Zustandekommen anatomisch verschiedener Gewebe ausübt, - grösstentheils auf die Kernbildung verwiesen werden müsse. — Wenn der Ver- fasser jüngere Zustände des Uterus zur Untersuchung vorge- nommen, so würde er sich überzeugt haben, dass in der Sub- stanz desselben recht viele Zellen vorzufinden seien, ja dass die ersten Anlagen nicht blos nicht aus Zellen, sondern nur aus Zellen bestehen, und dass demnach die spätern Zustände nothwendig aus einer Veränderung der gegebenen Grundlage, also nach dem ‚angeblichen „Dogma der Zellentheorie‘ her- vorgegangen sein müssen. Dass dieses die glatten Muskel- fasern ihun, ist kaum mehr zu bezweifeln. In Betreff des Bindegewebes hätte.der Verfasser es wenigstens versuchen söllen, die Angabe des. Referenten über die Entwickelung desselben zu Rathe zu ziehen, vielleicht: würde das Verhält- niss des Blastems zu den Zellen dann anders beurtbeilt wor- den sein. Dass endlich die Kernfasern mit den elastischen Fasernetzen zusammengeworfen werden, beweist, dass der Verfasser wohl kaum ein unversehrtes elastastisches Faser- netz unter den Händen gehabt hat. Speciellerer Theil. Eier und Samenkörperchen. Ueber die Entwickelung der Eier bei Hirudineen hat Leydig uns seine Beobachtungen mitgetheilt (a. a. ©. S.123 und S. 128.). Bei Piscicola, en Ei sehr complieirt ist 22 und durch eine die Dotterkugel (Bildungsdotter ? R.) becher- förmig umgebende Zellenschicht (vielleicht Nahrungsdotter, wie beim Vogelei R.) sich auszeichnet, scheint das Ei durch endogene Zellenbildung zu entstehen und sich zu entwickeln, doch liess sich im Allgemeinen kein sicheres Resultat gewin- nen. Bei Clepsine dagegen soll die Bildung der Eier nach Art der Furchungskugeln (d.h. nach der Umhüllungskugel- theorie Kölliker’s etc. R.) von slatten gehen. Man sehe freie, bläschenförmige Kerne, dann um diese einzelne Elemen- tarkörnchen unregelmässig gelagert. Später nehmen die Ele- mentarkörner an Zahl zu und das noch hüllenlose (? R.) Ei erbält eine länglich kuglige Form. Schliesslich tritt, wahr- scheinlich als umgeänderle äusserste Schicht der Verbindungs- masse der Elementarkörperchen, die Dotterhaut auf. Doch verhehlt der Verfasrer sich nicht, dass andere, wenn auch im Ganzen seltnere Formen, aufeinen andern Entwickelungs- weg hindenten. Man finde nämlich ausser den freien Ker- nen auch elementare Zellen, welche nur wenige feine Kör- perchen als inhalt bergen; andere zeigen sich schon mehr gefüllt, bis durch allmäbliges Wachsen der Zellenmembran und Zunahme der Elementarkörner als Zelleninhalt, das Ei heranreift. . In diesem Falle entstände also der Dotter nicht durch Umlagerung eines Kernes und schliessliche Bildung der Dotterhaut, sondern dieselbe entwickelte sich als Zellenin- halt in einer schon präformirten Zelle. Bei Nephelis und . Haeımopis ferner lassen sich die Entwickelungsformen der Eier im innern Schlauche meist unter die zweite, letztere Art der Eiergenese bringen. — Referent muss nach seinen früher mitgetheillen Untersuchungen an Ascaris acuminata und Strongylus auricularis, wo unter sehr günstigen Verhält- nissen die Beobachtungen angestellt werden können, dem Verfasser in Betreff der zweiten Art der Eiergenese vollkom- men beistimmen. Dagegen ist er der Ueberzeugung, dass die Vorstellungen über die Eibildung nach der Umbhüllungskugel- Theorie zwar sehr leicht, namentlich an ungünstigen Präpa- raten aufgenommen werden können, dass sie jedoch bei kla- verer Uebersicht der Verhältnisse sich stets als nicht erwie- sen, öfters als irrthümlich herausstellen. Auch die Beobach- tung Leydig's bei Clepsine, bei welcher sich neben den freien Kernen und hüllenlosen, verschieden gestalteten Kör- nerhaufen mit mehr oder weniger Körnchen angefüllte Zel- len vorfinden und zu Eiern verwandeln, würde den Referen- ten gerade dazu bestimmt haben, die zweite Art der Eier- genese als die gesetzliche anzusehen und die Kerne und hül- lenlosen Körnerhaufen als die Zerstörungsprodukte der wirk- lichen Zellen zu betrachten. 23 Wittich beschreibt in der bezeichneten Abhandlung die Entstehung des Arachnideneies nach der Umhüllungskugel- Theorie. Zuerst erscheint nach ihm (a. a. ©. S. 120.) das Keimbläschen. Um dasselbe lagert sich ein zähflüssiges Bla- stem. Späler erst, nachdem schon lange das Keimbläschen als erster, fester Kern der Dotterkugel fungirt habe, scheide sich in ihm der Keimfleck aus, dessen Präexistenz mit der grössten Bestimmtheit zu leugnen sei. Sein Auftreten be- zeichne augenscheinlich mehr eine Rückbildung des Keim- bläschens. Auf der Oberfläche des um das Keimbläschen sich ablagernden Dotters bildet sich später erst die Doiterhülle. Ganz ähnliche Resultate will der Verfasser auch bei der Be- obachtung der Eibildung im Vogeleierstock erzielt haben, wo Referent übrigens bei ähnlichen Untersuchungen niemals auf freie, nicht aus der Zerstörung einer Eizelle hervorgegangene Keimbläschen gestossen ist. Nach Lereboullet zeigt sich das Ei der Cypris im Eierstocke zuerst als einfacher Keimileck; dasselbe umgiebt sich mit kleinen Bläschen, deren Zusammenhäufung das Keim- bläschen bildet. Am untern Ende des Eierstocks sieht man die vollständig entwickelten Eier mit Dotterkügelchen, die sich um die Keimbläschen gesammelt haben (? R.) (LInsti- tut, 25 Oetbr. 1848.) Samenkörperchen. In Todd’s „Oyclopaedia (Part. XXXIV, p. 472 — 508) findet sicb in dem Artikel „Semen‘ eine Zusammenstellung der bisherigen Erfahrun- gen nebst einigen Zusätzen über die verschiedenen Formen der Spermatozoen und deren Entwickelung in der Thierreihe von R. Wagner und Leuckart. - Bei dieser Zusammen- stellung haben sich leider einige Fehler eingeschlichen, was um so mehr zu bedauern ist, als das bezeichnete Werk in England sehr verbreitet ist, die deutsche Literatur dagegen nicht grade sehr berücksichtigt wird. Die Verfasser haben nämlich in dem Auszuge aus den Beobachtungen des Refe- renten über die Entwickelung der Samenkörperchen bei den Nematoden Entwickelungsstufen der Saamenkörperchen von Strougylus auricularis als zu Ascaris acuminata gehörig be- schrieben und gezeichnet, desgleichen Formen der Samen- körperchen von Ascaris acuminata angegeben, wie sie gar nicht existiren. Auch werden die von dem Ref. unter dem Namen „Keimzellen der Speramatozoen“ aufgeführten Gebilde, ohne alle Begründung, gegen des Ref. ausführlich mitgetheilte Beobachtungen als „Nuclei“ behandelt Es wird das letz- tere Versehen wohl daraus begreiflich, dass, nach der neuer- dings umgeänderten Ansicht Kölliker’s, die Vorstellungen über die Spermatozoen die, wie es scheint, unabweisliche 24 Richtung auf die Kerne erhalten haben. Allein die Beobach- tungen an Strongylus auricularis und Ascaris acuminata sol- len und können gerade dazu dienen, unter den günstigsten Umständen über die Natur jener, sich unmittelbar in die Spermatozoen verwandeluden Gebilde eine klarere Einsicht zu gewinnen. — Nach den Verfassern soll die Entwickelung der Spermaiozoen auf dreifache Weise vor sich gehen: 1) Die Zellenmembran und der Kern der Keimzellen (formative vesicles) verwandeln sich unmittelbar in das Samenkörper- chen; 2) die Verwandlung betrifft allein den Kern der Keim- zellen, und die Membran verschwindet; 3) eine neue Bildung, welche im Innern des Kerns oder unmittelbar in der Höhle der Zelle auftritt, verrichtet die Funktionen des Saamenkör- perchens. Von diesen drei Formen halten die Verfasser jene, welche aus dem flüssigen Inhalt des Kerns oder Zelle durch eine Art Niederschlag (nicht durch Vermittelung von Zeilen R.) entstehen, für die am höchsten entwickelte. Indem sie ferner der wohl allgemein anerkannten Ansicht sind, dass die Spermatozoen aller Thiere für identische Gebilde zu hal- ten seien und demnach auch eine im Wesentlichen überein- stimmende Entwickelung haben müssen, behaupten sie gleich- wohl, dass. die eingeführten drei Entwickelungsformen der Spermatozoen nur Variationen eines und desselben Themas, eines und desselben idealen Typus seien. (? R.) Bei der Wichtigkeit, die der Kern nach der Ansicht der Verfasser in der Bildung der Spermatozoen behauptet, vervveisen sie schliesslich zugleich auf die verschiedenen Angaben, nach welchen der Kern allein zu verschiedenen histologischen Formgebilden verwendet werden soll. — Referent vermag den vorgetragenen Ansichten der Verfasser nicht beizustim- men. Es ist allerdings richtig, dass der Kern, und wie es scheint,.sogar das Kernkörperchen sehr auffallenden Formverän- derungen unterliegen können. Aber es ist bisher nirgerd auch nur annähernd sicher erwiesen, dass die genannten Theile der Zelle allein für sich, ohne Betheiligung einer ganzen Zelle, zu irgend einem organisirten elementaren Formgebilde des tbierischen Körpers verwendet seien. Dergleichen An- nahmen sind in neuerer Zeit hauptsächlich dadurch entstan- den, dass man entweder willkürlich den Kern von der ihm zugehörigen Zelle trennte, oder es nach. Belieben für pas- send gehalten, gerade vorliegendes bläschenförmiges Körper. chen, obue "sich über die nothwendigen Kriterien genaue Rechenschaft abzulegen, einen Kern zu nennen. Wenn man aber auch darüber hinweggehen wollte, so scheint dem Ref. doch das unzweifelhaft zu sein, dass der Inhalt des Kerns und der Zelle, desgleichen die Membran des Kerns und der 25 Zelle so wesentlich verschiedene Theile bezeichnen, dass Gebilde, die aus ihnen, als so wesentlich verschiedenen Grund- "lagen sich entwickeln, auf keine Weise für blosse Variatio- nen eines Themas, geschweige für identisch gehalten wer- den können. Hätten die Verfasser die Mittheilungen über die Entwickeluug der Spermatozoen der Nematoden wegen ihrer Vollständigkeit nicht sowohl nebenher als Ausnah- men, sondern vielmehr als Grundlage für die Beurtheilung der Erscheinungen bei den schwieriger zu beobachtenden Spermatozoen anderer Thiere benutzt, so würde das Schema für die Variationen eines und desselben Then:as wohl anders ausgefallen sein. Beobachtungen über die Entwickelung der Samenkörper- chen sind auch von F. Will mitgetheilt. (Ueber die Secre- tion des thierischen Samens; akademisches Programm. Er- langen. 1849.) Bei Angiostoma limaeis Duj. finden sich in dem blinden Ende des ceylindrischen Hodenschlauchs „4, grosse, kernhaltige Zellen mit einem feinkörnigen Inhalte Um den Kern markirt sich ein heller Hof, der um so deutlicher her- vorlritt, je grösser die Zelle ist. Im weiteren Verlauf des Hodeus werden die Zellen allmählig grösser, die Höfe um die Kerne erhalten scharfe Begrenzungen, und bildet sich in jeder Zelle eine endogene Tochterzelle, die an dem in der Zellenmembran der Mutierzelle sitzenden Kern anliegt und später von dem dichter gewordenen Zelleninhalte der Mut- terzelle verdeckt wird. Mutter- und Tochterzellen nehmen allmählich an Grösse zu; erstere verliert dann ihre Membran und der körnige Inhalt scheint (!) sich zu verflüssigen. Die Tochterzellen dagegen entwickeln in ihrem Innern kleine Kernchen bis zur Grösse von —4;,’ (im Durchmesser, welche später frei werden und die Saamenkörperchen dar- stellen. Etwa vorhandene feine Anhänge (Schwänze) wa- ren an denselben nicht mit Sicherheit zu entdecken. — Asca- ris nigrovenosa soll sich die Entwickelung der Spermatozoen vollkommen gleich verhalten. Die von dem Referenten mit- getheilten Beobachtungen über die Entwickelung der Sper- matozoen bei Ascaris acuminata (Müll. Arch. 1847.) lassen zwar übersehen, wie der Verfasser zu seiner Auffassung der Erscheinungen gelangen konnte, sie beweisen aber auch zu- gleich, dass eine genaue Uebersicht der Verhältnisse auf einen ganz anderen Gang der Deutung hinführen muss. — Bei den Fröschen ist die Entwickelung der Samenkörperchen nach dem Verfasser etwas anders. Die kleinsien Zellen der Ho- denbläschen sind ‚rundlich, feiner granulirt, gekernt und ha- ben einen Durchmesser von „4,— 717”. Die grösseren Zel- len enthalten in der Nähe der Zellenmembran gröbere Kör- 26 ner und im Innern ein helleres, kugelrundes Bläschen, wel- ches die Tochterzelle vorstellen soll. Sie scheint an deın in einen länglich runden Haufen von Körnern verwandelten Mutterzellenkern fest zu sitzen. Die Tochterzelle wächst nun viel rascher als die Mutterzelle; verdrängt und verbraucht deren Inhalt, und scheint zuletzt in der Grösse von „,"' al- lein übrig zu bleiben. Bei weiterer Entwickelung verdichtet sich der Inhalt der Tochterzelle in der Gestalt eines halb- mondförmigen Wulstes und zwar zunächst an der inneren Fläche der Zellenhüllen. Diese Verdichtung ist kaum er- kennbar, so sieht man auch schon einzelne schwache Strei-_ fen in der Längsaxe desselben verlaufen. Diese gekrümmte Längswulst verwandelt sich in der Folge in das Spermato- zoenbündel, welches später auch noch den, nicht zur Meta- morphose verwendeten Rest des Zelleninhaltes als eine durch- sichtige Masse gewahren lässt.. Der Verfasser giebt dann noch eine Uebersicht seiner Beobachtungen über die Entwi- ckelung der Spermatozoen bei anderen Thieren, wie dieselbe gemäss seiner Anschauungsweise nach den beiden angeführ- ten Normen von Statien geht. F. Will hat seine Beobachtungen über die Entwickelung der Samenkörperchen besonders zu dem Zwecke gemacht und mit- getheilt, um auf eine besonders anschauliche Weise den Satz zu begründen, dass alle eigentliche Secretionen durch Zellen- bildung und zwar durch endogene Zellenbildung vermittelt werden. In dieser Beziehung kann Ref. nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass es zwar eine alte und theilweise zu rechtfertigende Sitte ist, Hoden und Eierstock wie Drü- sen schlechtweg zu behandeln, dass man auch gewohnt ist, die Entwickelung, Ablösung und Ablegung der Eier und Sa- menkörperchen schlechthin wie eine Secretion anzusehen; dass aber dessenunerachtei die Processe der Zeugung und der Secretion gar zu weit aus einanderliegen, um sie, wie es hier und leider so häufig geschieht, allen Ernstes identi- ficiren zu können. Fettzellen. Von Interesse sind die Mitiheilungen, die Kölliker über die sehr verbreitete Anwesenheit von Kernen an den Fettzellen gemacht hat (Zeitsch. für wissensch. Zool. Bd. Il. S. 118.). Bekanntlich war man der Ansicht, dass Kerne an den entwickelten Feiizellen nicht mehr vorhanden seien; bei den Embryonen kannte man sie, später jedoch hat man sie nur ausnahmsweise wahrgenommen. Bei mageren Indi- viduen, besonders bei solchen, die längere Zeit an Krank- 27 heiten darniederlagen, finden sich nach dem Verfasser fast gar keine Fettzelien der gewöhnlichen. Art, sondern mehr oder weniger abweichende Formen, wie sie auch von an- deren Forschern beobachtet wurden, und die nach Kölliker in „serumbaltige, fetilose, nur Serum und Krystall führen- de“ Fettzellen unterschieden werden können. Bei den se- rumhaltigen Fettzellen ist der Gehalt an Serum noch gering, und der Rest des Fettes erscheint entweder als ein ziemlich grosser Tropfen oder in Forın von mehreren oder vielen Tropfen von gleicher oder verschiedener Grösse. In anderen Fällen ist der Gehalt an Serum schon bedeutender, und das Feit trifit entweder in mehreren Tropfen oder in Form einer intensiv gelbgefärbten Kugel auf. Alle diese Zel- len besitzen ohne Ausnahme einen wandsländigen, meist läugliek runden Kern von 0,003 — 0,004” im Durchmesser (Ref.). Selbst ein Kernkörperchen liess sich zuweilen unter- scheiden. Die Zellenmembran ist entweder normal, oder sie zeichnet sich durch ausserordentliche Dünnheit aus, oder sie erscheint endlich verdickt, bald als ein einfacher, dicker, dunkler Strich, bald in der Weise, dass sie doppelte, blasse Konturen besitzt und eine Breite von 0,001 — 0,002’ zeigt. Die Zellen erweisen sich ferner immer kleiner, als die ge- wöhnlichen Fettzellen, im Mittel 0,01—0,015‘. Die fett- losen, nur Serum führenden Fetizellen finden sich meist neben den. vorher beschriebenen und zwar in grösserer An- zahl in einer blassgelben, gallertartigen Fetithaut. An Stellen, die normal Fett enthalten (z. B. Leistengegend) kommen sie auch zuweilen allein vor. Auch bei ihnen sind stets Kerne nachweisbar, und die Zellenmembran erscheint gleichfalls bald zart, bald verdickt. Die krystallführenden Zellen werden neben den beiden auderen Arten in weisslichgelben oder ganz weissen Fettklümpchen angetroffen. ‚Sie zeigen sich auf den ersten Blick ganz undurchsichtig und wie mit Körnern erfüllt. Bei genauerer Untersuchung erkennt man die Körner als nadel- oder stabförmige Körperchen in stern- förmiger Gruppirung, die wahrscheinlich für Margarin - Kry- stalle zu halten sind. Neben ihnen finden sich auch solche Fettzellen, die nur vereinzelle Gruppen steruförmig geordne- ter Krystallnadeln enthalten, und auf die, wenn Ref. nicht irrt, zuerst Henle aufmerksam gemacht hat. — Auch in pa- thologischen Zuständen beobachtele der Verfasser die be- sehriebenen, gekernten fetigelben Formen. Hier fanden sich ausserdem spindelförmige und sogar sternarlig ge- formte Fetizellen (? R.) vor. Auch sie hatten einen Kern und meist nur spärliche und keine dunkle Fetikörnchen. Die 3—9 Fortsätze an den sternförmigen Zellen waren unregel- mässig und ziemlich lang, Auch unter ganz normalen Ver- 28 hältnissen finden sich nach Kölliker an einer Stelle des Körpers beim Menschen konstant gekernte Fettzellen vor. In der Haut des Scrotum nämlich zeigen ‘sich besonders in den innersten Lagen der Tunica dartos spärliche Fettzellen, die durch ihre reihenweise Anordnung längs den Gelfässen, so wie durch ıhre Beschaffenheit dem Auge auffallen. Die meisten derselben sind entwveder so mit kleinen, mässig dun- keln Körnchen erfüllt, dass sie ganz granulirt und dunkel er- scheinen oder ganz blass und neben einer hellen Flüssigkeit mit einem dunkeln, 0,004‘ grossen, länglich runden Kern versehen. Die Versuche des Verfassers auch an den norma- len Fettzellen der Erwachsenen die Kerne nachzuweisen, sind bisher missglückt. Doch darf man dem Verfasser, wohl darin beistimmen, dass die bekannt gewordenen Umstände — über das Verhalten der Fettzellen bei Embryonen und der wenig entwickelten Fettzellen in dem Serotum bei Erwach- senen, endlich vor Allem, dass die Kerne auch in ganz aus- gebildeten Fettzeilen, wenn das Fett bei Abmagerung oder Wassersucht schwindet, hervortreten — kaum daran zweifeln lassen, dass auch in normalen Fettzellen Kerue konstant vorkommen. Die mitgetheilten Beobachtungen Kölliker’s erinnern den Referenten an eine Erscheinung, die er schon vor meh- reren Jahren an den Fettkörpern der Batrachier und Tri- tonen zu machen Gelegenheit hatte. Im Frühjahre, wenn diese Thiere ganz abgemagert hervorkommen, sind die Fett- körper ausserordentlich redueirt und von intensiverer gelbli- cher Färbung. Unter dem Mikroskop sieht man die Fettzel- len gleichfalls ganz oder bis auf einen oder nur wenige Tropfen des Fettinhalts beraubt und statt dessen Serum darin. Auch die Kerne sind leicht nachzuweisen. Da die Untersuchung hier unter sehr günstigen Verhältnissen anzu- stellen ist, so liesse sich während des Herbstes und Winters wohl leicht die allmäklige Veränderung der Fettzellen ver- folgen und über das Verhalten des Kerns genauere Auskunft gewinnen. Vielleicht enthält der Kern in den normalen Fettzellen gleichfalls Fett und erscheint uns als ein Fett- tropfen. — Epithelialgebilde. Das gewöhnliche Epithelium auf der Oberfläche se- röser Hläute ist von Brinton untersucht und besprochen. (R. Todd’s Oyclopaedia; Part XXXIV, p. 511. seqq.: Se- rous and synovial membranes.) Von den Wänden der bur- sae mucosae subcutaneae lassen sich durch Abschaben 29 verschiedene Elemente darstellen. Am häufigsten zeigen sich blasse und platte Kerne, die durch Essigsäure nur wenig verändert werden; ferner Kerne enger oder weiter umgeben von einer Zellenmembran. Je grösser die Zellen sind, um desto mehr wird der Inhalt granulös, und die Form wird mehr oder weniger polygonal. In diesem Zustande ist die Membran der Zellen noch durch Essigsäure auflösbar. End- lich beobachtet man noch grosse, mehr oder weniger abge- plattete Zellen, deren Inhalt durch die Anwesenheit kleiner oder grösserer, zähflüssiger Tropfen ausgezeichnet ist. Es ist dieses die Reihe der Formen, die man an den sich entwickeln- den und gebildeten Epithelien zu beschreiben pflegt. Die kernhaltigen kleineren Zellen sollen in einfacher Schicht die Oberfläche dieser Schleimbeutel überziehen; darunter liegen ferner zerstreut nackte Kerne und darüber hie und da die abgeplatteten Schüppchen. An den subtendinösen Schleim- säcken finden sich beim Abschaben dieselben Formelemente wieder, nur sind die polygonalen Zellen seltner. Ausser- dem bemerkt der Verfasser, worauf auch Ref. im vorjähri- gen Jahresbericht in Betreff der Gelenkkapseln hingewiesen, dass das Epithelium an denjenigen Stellen, die der Reibung besonders unterliegen, also z. B. an den einander zugewen- deien Flächen der Sehne und des Periosteum, fehle und nur an dem übrigen Theile des Schleimsackes sich erhalte. Auch auf die Oberfläche der Gelenkkapseln trifft man die oben beschriebenen Elemente eines Epithelium, mit Ausnahme an der freien Fläche der Gelenkknorpel. Sie bilden eine ein- fache Lage, und die schuppenförmigen, polygonalen Epithe- lialzellen sind verhältnissmässig selten, was darauf hinzudeu- ien scheine, dass die Zellen des Epithelium hier in einem jüngeren und mehr aktiven Zustande des Zellenlebens ste- hen, als bei den vorhin besprochenen Schleimbeuteln. Auf den sehr gefässreichen, in die Kapselhöhle hervortretenden Fortsätzen der ‚Membran ist das Epithelium ausgezeichnet durch sphärische Zellen von verschiedener Grösse; einige un- ter ihnen sind ausserordentlich gross. Letziere enthalten einen blassen abgeplatteten Kern, im Kontakt mit der Zel- lenmembran. Der Inhalt der Zelien besteht aus einem Flui- dum, welches nahezu die Farbe und Lichtbrechungskraft des Wassers besitzt. In der Beschreibung des Epithelium der serösen Membranen der grossen Höhlen» des Körpers stimmt der Verfasser mit den bekannten Erfahrungen überein. Auf den Plexus ehoroidei haben die Epithelialzellen eine runde Gestalt und sind oft von ausnehmender Grösse. Der ziem- lich grosse Kern ist wandständig. (? R.) Auf der Schleimhaut der Harnblase fand Virchow 30 zuweilen sehr grosse Epithelialzellen mit scharfen, von der Fläche betrachtet, häufig eckigen Kontouren, einem oft sehr groben granulirten Inhalt und mit 1—4 sehr grossen, meist ovalen, granulirten, mit grossen Kernkörperchen versehenen Kernen. An vielen derselben zeigten sich ausserdem auf der Oberfläche helle, rundliche Flecke, von der Grösse der Kerne, 3— 9 an der Zahl. Diese Flecke erwiesen sich bei genaue- rer Untersuchung als die optischen Ausdrücke von Vertie- fungen, in welchen ungleich kleinere, an einer Seite ge- schwänzie, an der anderen keulen- oder kolbenartige Epithe- lialzellen mit dem kolbigen Ende locker aufsitzen. (Archiv f. path. Anatomie und Phys. Bd. Il. S.243. (Ueber Blut, Zel- len und Fasern.) Nach Bruch besteht das Epithelium der sackförmi- gen Drüsen des Magens und der traubigen, den Brunn- schen Drüsen ähnliche Magendrüsen aus polyedrischen Zellen, die breiter als hoch sind und also keine Cylinder darstellen. Auch die Epithelialzellen der Lieberkühn’schen Drüsen des Darms sind keine eigentlichen Cylinder, wie auf der Schleimhaut, sondern es fehlt denselben, wie es Wasmann bereits richtig abgebildet, die untere Hälfte, so dass der Kern unmittelbar auf der Oberfläche des Schleim- hautsubstrats aufsitzt, und der übrige Theil des Cylinders nur einen seitlich abgeplatteten und dadurch gleichsam in die Höhe gepressten Pflasterzelle gleicht oder entspricht. (Ueber Magenkrebs ete.: Zeitschr. für rationelle Medizin. S. 277.) Eine ganz absonderliche Ansicht von den histologi- schen Entwickelungsveränderungen einfacher Epithe- lien hat M. J.S. Schultze allerdings mehr flüchtig hinge- worfen, als genau auseinander gesetzt. (De arteriarum no- tione, structura, constitutione chemica et silu; disquisitio eritica etc. praemio ornata. Gryphiae 1850. 8. S. 11. seqgq.). Der Verfasser denkt sich das bekannte, aus spindelförmigen Zellen zusammengesetzte Gefäss-Epithelium aus faserähnlichen, gekernten Formelementen bestehend, die mit ihren Enden der Reihe nach verwachsen und so zunächst längere Fasern bilden. Diese Fasern sollen durch seitliches Verwachsen die Membran des Epitheliums formiren, in welcher mehr oder weniger bestimmt noch einzelne Zellen oder Fasern durch- schimmern. Allmählig verschwinden dann die Kerne, und die Membrau verwandelt sich in sehr zarte Fasern. Es ist aus der Beschreibung nicht zu entnehmen, wie das Letztere geschehe. Da jedoch der Verfasser dagegen auftritt, dass durch lokale Resorption ein Fasernetz entstehe, so scheint es fast, als sollen die ursprünglichen zur Membran verwachsenen Scheidezellen selbst wieder auseinandergehen und zu den fei- Pr 31 nen Fasern sich verwandeln. Aus solchen feinen Fasern be- stehen nach Schultze die an das Epithelium angrenzenden Schichten der Tunica intima der Gefässe. Die gefensterten Membranen der Gefässhäute sollen aus den in der Tunica media grösserer Gefässe vorkommenden elastischen Faser- netzen mit runden grösseren Oeflnungen auf die Weise ent- stehen, dass die Fasern unter einander verwachsen und runde Oeffnungen zurücklassen. Ist der Process ganz vollendet, so bleiben nur runde Oefinungen zurück. — Die Auffassung des Verfassers von der Zusammensetzung des Gefäss-Epitheliums aus langen Fasern beruht auf Kunstprodukten, die bei der leichten Spalibarkeit des bezeichneten Gebildes sehr gewöhn- lich entstehen, und auf der Unbestimmtheit der Kontouren der einzelnen, spindelförmigen Zellen. Die feinen Fäsern der zunächstliegenden Schichten der Gefässhaut sind feingestreifte (in Folge der Faltenzüge) epitheliale Membranen, die aus kei- nen isolirten Fasern bestehen. In Betreff der Entstehung der gefensterten Membranen hat Schultze ohne weitere Studien der Entwickelung den umgekehrten Weg eingeschla- gen, als Andere und Referent. Die Bildung der gefensterten Membranen und Fasernetze durch locale Resorption der epi- thelialen, glashellen Membranen hält der Verfasser für eine Erfindung und nicht bewiesen. Bei dieser Gelegenheit scheint derselbe übersehen zu haben, dass von dem Referenten zu wiederholten Malen auf die Stelle (innere Scheide der Haar- wurzel) hingewiesen ist, wo sich der angegebene Process beobachten lässt; ob die Kerne dabei mitsprechen oder nicht, ist ganz unwesentlich. Von dem Referenten ist stets nur für wahrscheinlich gehalten, dass an der Stelle, wo die Kerne verschwunden sind, die Resorption beginnt. Wenn endlich der Verfasser behauptet, dass das Gefäss-Epithelium sich unmöglich in die gefensterte Membran an der Grenze der Tunica intima verwandeln könne, weil ja die angeblichen feinen Fasern dazwischen lägen, so ist darauf zu erwiedern, dass wenigstens dem Ref. es niemals eingefallen ist, behaup- ien zu wollen, dass die zu innerst gelegenen Gefässwand- schichten in die nach aussen gelegenen sich verwandeln. Die erste Bildung der Oberhaut des Menschen hat von Neuem Kölliker einer Untersuchung unterworfen. (Zur Entwickelungsgeschichte der äusseren Haut: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. II, S. 67 seqq.). Bei einem Embryo von fünf Wochen fand sich als Vertreter der Ober- haut eine einfache Lage sehr zierlicher, polygonaler Zellen von 0,012 —0,02‘‘ Durchmesser mit Kernen von 0,004 bis 0,006‘ und Kernkörperchen, und unter denselben, in einfa- cher, zusammenhängender Schicht, kleinere Zellen von 0,003 32 bis 0,004" im Durchschnitt als erste Andeutung der Schleim- schicht. (Ref. hält die erste Lage für die Umhüllungshaut, die zweite für die eigentliche Anlage der Epidermis, die aus der von der Umhüllungshaut ganz geschiedenen Anlage der Cu- tis hervorgeht). Beide Lagen (eigentlich wohl nur die un- terste, R.) sind von Corium schwer zu trennen, und dieses mag mehrere Beobachter bewogen haben, die Epidermis des Fötus dicker anzunehmen, als sie wirklich ist. Bei 6—7- wöchentlichen Embryonen ist die äussere Zellenschicht wie im Absterben begriffen, mehr einer homogenen Membran gleich, mit verwischten Zellenuimrissen und undeutlichen Kernen, während unter ihr dem Anscheine nach eine ähnli- che Schicht mit kleineren Zellen sich heranbildet. Bei Em- bryonen‘ von 15 Wochen ist die Oberhaut 0,01 — 0,012‘ dick und besteht aus 2—3 Lagen von Zellen, deren äusser- ste, meist sechseckig von 0,009—0,0012‘" im Durchmesser sind und zuweilen noch von einem fast strukturlesen Häut- chen (Umhüllungshaut R.) überzogen werden. Im fünften Monat ist die Oberhaut an der Ferse und dem Ballen der Hand über dem Leistichen der Cutis 0,020—0,024'' diek, am Rücken ebenso; ein Drittel kommt auf die Hornschicht, zwei Drittel auf das Rete Malpighii. Bei etwas älteren Embryonen misst die Oberhaut an der Ferse 0,06—0,064°', an der Hand- fläche 0,05‘, an dem Rücken 0,02 — 0, Pr Schleimschicht und Hornschicht sind gleich stark. Die Schleimschicht be- sitzt in den untersten Lagen nach dem Verfasser längliche, senkrechtstehende Zellen (wahrscheinlich Folge des Druckes Ref.). Im 6. Monate ist die Oberhaut an der Brust 0,02 bis 0,022‘, in der Handfläche 0.006”, an der Fussohle 0,07“ dick. Die eine oder zwei äussersten Lagen enthalten kern- lose Hornplätichen von 0,01—0,014'”; die Dicke der Schleim- schicht beträgt 2 oder die Hälfte der ganzen Haut. Im 7. Monate beträgt die Dicke der Oberhaut an der Ferse 0,1844 (Ret. Malp. 0,072'', Harnsch. 0,045”), am Rücken 0,07“ (Ret, M. 0,04. Hsch. 0,03‘); bei einem zweiten Embryo an der Ferse 0, 2 0,14 (Bet. M- 0,05—0,06’, Hsch. 0,07 bis 0,08), am Knie 0,0460, 064. Die Formelemente ver- hielten sich wie beim Erwachsenen. Beim Neugebornen ist die Epidermis durch Maceration viel leichter als beim Er- wachsenen vom Corium abzutrennen. Die kernlosen Horn- plättchen hatten eine Grösse von 0,012—-0,016“” an den La- bia majora, wo sie Kerne führen, 0.016—0,02°. Das struk- turlose Oberhäutchen in der ersten Fötal-Periode ist in der zweiten nicht mehr wahrzunehmen. Bei einem Amonatlichen Kinde betrug die Epidermis an der Ferse 0,26‘ (Ret. Malp. 0,12, Hsch. 0,14”), am Fussrücken 0,048 —-0,06'', Ret. M. 33 0,032— 0,04‘, Hsch. bis 0,02‘), an der Handfläche 0,07— 0,1‘ (Ret. M. — 0,07“, Hsch. 0,03”), an den Fingerrücken 0,056 bis 0,07“ (Ret. M. — 0,05“, Hsch. bis 0,02‘), woraus verglichen mit dem Erwachsenen hervorgeht, dass die Epidermis des Säug- lings unverhältnissmässig dick ist, und dass diese Dicke vorzüg- lich auf Rechnung des Rete M. kommt. Die Epidermisschüpp- chen des Fötus und Erwachsenen differiren in der Grösse ihrer Oberfläche sehr wenig, so dass, wie schon Harting erwiesen, die Vergrösserung der ganzen Oberhaut in der Flächenausdehnung nur dem geringsten Theile nach auf Rech- nung der Vergrösserung ihrer‘ Formelemente zu setzen ist. Der Verfasser fügt ferner hinzu, worauf Ref. schon vor meh- reren Jahren aufmerksam machte, dass die so oft beliebte und gemissbrauchte Ansicht, als ob die Zellen der Schleim- schicht um freie Kerne entstehen, irrthümlich sei. Beim Er- wachsenen, wie bei Embryonen jeglichen Alters besteht die Schleimschicht aus Zellen, und freie Kerne fehlen gänzlich. In Betreff des Nagels bemerkt Kölliker (a. a. O. S.84.), dass anfänglich (im 3. Monate) die Gegend des Corium, wo er sich entwickele, von denselben Zellen bekleidet sei, wie an den übrigen Theilen der Cutis; nur sind die Zellen des Ret. Malp. durch die langgestreckte, polygonale Form aus- gezeichnet. Erst im 4. Monate zeige sich zwischen dem Ret. Malp. und der durch eine einfache Lage polygonaler, kern- haltiger Zellen gebildeten Hornschicht des Nagelbettes eine einfache Schicht blasser, platter, polygonaler, kernhaltiger Zellen, von. 0,009’ Grösse, die fest zusammenhängen und als erste Andeutung der eigentlichen Nagelsubstanz anzusehen seien. Der Nagel bilde sich demnach auf dem ganzen Na- gelbette (? R.) in. Form eines viereckigen Plättchens ohne allen Zweifel durch eine Umwandlung der Zellen der Schleim- schicht, und ist ursprünglich ganz von der Oberhaut (Horn- schicht der Epidermis R.) umschlossen. In weiterer Entwicke- lung verdickt sich der Nagel durch Zutritt neuer Zellen von unten (überall? R.) her, vergrössert sich durch Ausdehnung seiner Elemente und Ansatz neuer Elemente von seinen Rändern (doch vorzugsweise von der Wurzel her R.), bleibt jedoch noch einige Zeit unter der Hornschicht der Epidermis ver- borgen, bis er am Ende frei wird und selbst in die Länge ' zu wachsen beginnt. Zu Anfange des 5. Monates sollen auch hier die Zellen der untersten Schicht des Rete Mal- pighii mehr länglich sein und senkrecht stehen. Um diese Zeit verdickt sich der Nagel schnell und lässt sich: isoliren. Er ist dann noch nicht frei und wird vorn von einer que- ren Wulst der Oberhaut begrenzt. Der Verfasser stellt hier die Frage, ob diese Wulst nicht dem ’Nagelbette angehöre, Müller’s Archiv, 1850, Ü 34 und Ref. kann nach seinen Untersuchungen hinzufügen, dass diese Wulst von dem an der Spitze des Fingers endigenden Nagelbette mit seiner Epidermis herrühre, wie es auch bei Er- wachsenen vorkommt. Im 4. Monate sind die Leistchen des Nagelbettes schon angedeutet, im 5 schon 0,02 — 0,024 hoch, bis 0,005‘ breit und 0,008—0,014°' von einander ab- stehend. Der Verfasser macht noch besonders auf den weit nach vorn ragenden freien: Rand der Nägel Neugeborner auf- merksam. Derselbe ist bedeutend dünner und schmäler als der Nagelkörper und (wie bekanntlich auch beim Erwachse- nen Ref.) durch eine halbmondförmige Linie von demselben geschieden. Er hält ihn für den vorgeschobenen Nagel aus dem 6. Monate. Nach des Ref. Ansicht: ist die dünnere und schmälere Beschaffenheit der Nagelspitze aus den Wachthums- Verhältnissen des Fötus und Neugebornen erklärlich, die an- gedeutete Begrenzungslinie vom Nagelkörper: dagegen scheint ihm keine andere zu sein, als die auch bei Erwachsenen vorkommt und die Gegend bezeichnet, wo der Nagel vom Nagelbette sich abhebt und frei hervortritt. Im Allgemeinen stimmen die Ergebnisse der Untersuchungen des Verfassers mit denen des Hef. überein, doch vermisst Ref. ein genaue- res:Eingehen auf die Nagelwurzel und dem dazu gehörigen Theile des Corium, namentlich der eigentlichen Matrix. des Nagels hinsichtlich ihrer Entwickelungsverhältnisse. . Denn auch nach wiederholten Untersuchungen muss Ref. daran festhalten, dass die Bildungsstätte des Nagels in der Um- gebung des Falzes liege, und dass auf dem eigentlichen Na- gelbette keine Nagelsubstanz, sondern nur eine Hornschicht als Unterlage für den eigentlichen Nagel gebildet werde. Nach Rainey (Cannstatt’s Jahresb. 1849; Bd. 1, S.30.) ‚besteht der Nagel aus einer eigenthümlichen Hornsubstanz, aus epidermoidalen Schichten, die ihn an der freien und an- gewachsenen Fläche bekleiden und einer dritten. zwischen Horn und Epidermis die Mitte haltenden Masse, bestimmt beide zu verbinden und ihre Verschmelzung während des Wach- sens zu verhindern. Ausserdem hat der ‚Verf. runde. oder ovale Oefinungen von Follikeln an der Stelle des Nagel- bettes beobachtet, wo die longitudinalen Leisten beginnen. Sie werden öfters durch die zunächstliegenden Leisten ge- schlossen und versteckt. Die Oeffnungen können. deutlicher gesehen werden, wenn die Masse, welche die Follikel ent- halten, eben entfernt. oder in Gestalt weisser ‚kugelicher Massen zurückgehalten ist. (On the structure and formation of the nails of the fingers and toes. Transaet. ‚of the: mi- erose. Society. March.). —- Was die ersten Angaben betrifft, so vermag Ref. wegen der Kürze der Mittheilung, die aus 39 dem Henle’schen Jahresbericht entnommen ist,: sich nicht näher darüber auszusprechen. Die Beobachtung über die Follikel ist ganz richtig. Referent, der den hiesigen Arzt Herrn Ammon schon vor drei Jahren aufgefordert hatte, das Wachsthum und die Regeneration des Nagels zu studi- ren, sah bei diesen Untersuchungen dergleichen mit Hornzel- len gefüllte Kapseln namentlich sehr deutlich auf dem Na- gelbette der grossen Zehe. Die Veröffentlichung der bei den Untersuchungen des Herrn Ammon erzielten Resultate hat sich in Folge der praktischen Thätigkeit desselben ver- zögert. Ueber die erste Entwickelung des Haares giebt Köl- liker folgende Mittheilungen (Zeitsch. für wissensch. Zool. Bd: 11. S. 7i segq.) An Stirn- und Augenbraunen erscheinen bei menschlichen Embryonen etwa zu Anfange des 4. Monates die ersten Anlagen des Haares als weisse, schief in die Lederhaut eindringende Fortsätze des Rete Malp. Ein eigentlicher von der Cutis getrennter Haarbalg ist dann noch nicht ausgebildet. .In der 15. Woche fand sich um diese vergrösserten, flaschenförmi- gen Fortsätze eine structurlose Hülle, die der Verf. für die von ihm beobachtete structurlose Membran an der freien Fläche des Haarbalges hält. In der 16. und 17. Woche haben sich die bezeichneten Fortsätze bis zu 0,04 — 0,06‘ : Länge und — 0,04‘ Breite vergrössert, die Hüllen verstärkt und so die eigentliche Haar-Anlage gebildet. Es ist noch keine Spur des Haares selbst zu bemerken; doch beobachtet man, dass die dem Haarbalge zunächstliegenden Zellen der Fortsätze sich verlängern und senkrecht gegen denselben gestellt sind. Wenn die flaschenförmigen Haaranlagen bis zu 0,1 — 0,2‘ gewachsen sind, so haben sich die centralen Zellen der: Fort- sätze, entsprechend der Längsaxe derselben verlängert, so dass sich eine centrale kegelförmige, unten kolbige angeschwol- lene Masse von einer unten schmäleren, oben stärkeren Rin- denpartie abgrenzt. Diese Abgrenzung wird in der Folge deutlicher, indem der innere Kern heller erscheint und bald. zwei Gebilde wahrnehmen lässt, eine ganz durchsichtige, glashelle Hülle als innere Wurzelscheide und die centrale Partie als Anlage des Haares selbst. Zugleich markirt sich mehr und mehr am Grunde des Haarbalgs die kolbig abge- grenzie Haarpapille selbst. Ganz in derselben Weise zeigen sich die Bildungserscheinungen des Haares an den übrigen Stellen der Haut. Hiernach glaubt der Verfasser annehmen zu müssen, dass die Bildung der Haare und ihrer Scheiden in ihren Anlagen von der Schleimschicht der Oberhaut 'aus- gehe, und dass die bezeichneten Theile eine Wucherung, der letzteren darstellen. Indem Kölliker in Bezug auf diesen C2 36 Punkt nicht den geringsten Zweifel hegt, denkt er sich den weiteren Entwickelungsgang so, dass in der angegebenen Wucherung die centrale Masse von der peripherischen sich sondert, und erstere zur Bildung der inneren Scheide und des Haares selbst verwendet werde. Zugleich erklärt der Verfasser, dass nicht die Haarspitze zuerst da sei, und dann allmählich Schaft und Wurzel sich nachbilden, sondern dass das kleine Haar und die vollkommene Scheide in ihrer To- talität entstehen. Die Annahme der allmähligen Entwik- kelung der fraglichen Theile vom Grunde der Haaran- lage aus. wie es Simon behauptete, sei irrig, Auch hält es der Verfasser für möglich, dass die Haarzwiebel durch Umwandlung der Zellen des aus dem Malpighischen Netz hervorgewachsenen Fortsatzes im Grunde desselben ent- stehe und erst später mit dem Corium in Verbindung trete (IR). | Die Ergebnisse der Forschungen Kölliker’s widerspre- ehen in mehrfacher Beziehung bisher bekannten und aner- kannten Thatsachen, ohne dass demnächst durch sie eine klarere Einsicht in die Bildungsverhältnisse des Haares ge- wonnen wäre. Man ist genöthigt, die Bildung der Haare, wie aller Horngebilde, sobald man auf die gesammte Form und nicht blos auf das histologische Verhalten der Epithe- lial-Gewebe sieht, in nothwendiger Relation zur Matrix zu denken. Wenn man nun auch annehmen wollte, dass die ersten Einstülpungen des Corium auf dem Grunde keine Haarpapille besässen und nur von jüngeren Epidermiszellen ausgefüllt seien, so ist doch mit grösster Wahrscheinlich- keit anzunehmen, dass, sobald den innere Kegel, die eigent* liche Haaranlage, erscheint, auch die Haarpapille vorhanden sein müsse, mit der die genannte Kegelform in Relation zu bringen ist. Mag auch dieselbe schwer nachzuweisen sein, befremden kann das wahrlich nicht. Selbst am ausgebilde- ten Haar ist die Haarpapille öfters gar nicht zu unterschei- den und daher auch bis auf die neueste Zeit von Einigen abgeleugnet Ja fast allgemein lässt man noch gegenwärtig die Haarpapille kolbig endigen, und sieht und zeichnet die Marksubstanz aus schönen Zellen bestehend. Aber schon Bröcker hat in der, im vorigen Jahresbericht besprochenen Abhandlung über die Bildung des Stachels u. s, w. darauf hingewiesen, dass die Marksubstanz des menschlichen Haa- res höchst wahrscheinlich, wie bei der Borste, eine ver- trocknete Matrix sei, und in der Inangural-Dissertation des Dr. Eylandt (Observationes de musculis organieis in homi- nis cute obviis; Dorpati 1850. Fig. IV.) wird gezeigt, dass die Haarpapille in der That unmittelbar in die sogenannte 37 Marksubstanz des menschlichen Haares sich festsetzt. Da- her wird sich auch wohl unter günstigeren Verhältnissen in der bezeichneten Haaranlage die Matrix nachweisen las- sen ; jedenfalls aber ist die ‚Hypothese ganz unhaltbar, dass die Haarpapille aus, einer Umwandlung der Zellen des Malpighischen Netzes entstehen könnte. Sobald man sich aber in der Haaranlage die Matrix hinzudenkt, so neh- men die Vorstellungen über die Bildung des Haares einen ganz anderen Weg, als den, welchen Kölliker eingeschla- gen. “Was endlich den Punkt betrifft, dass nicht die Haar- spitze zuerst, dann der Schaft, endlich die Wurzel gebildet werden, sondern dass das kleine Haar in der: Totalität ent- stehe; so kann man zwar zugeben, dass genau so, wie bei dem sich bildenden Faden, an dem ersten. vorliegenden Ab- schnitt des Haares sich Gegenden bezeichnen lassen, die gleichsam als Spitze, Schaft und Wurzel hingenommen werden können. Allein es bleibt dennoch wahr, dass das kleine Haar nicht das ganze Haar darstellt, sondern nur einen Abschnitt, und zwar den oberen, die Spitze; dass ferner das, was als Wurzel galt, nach einiger Zeit, nach erfolgter Ver- längerung der Matrix, zur Verlängerung des Haares und zur Bildung des Schaftes verwendet werden: und dass endlich der unterste Abschnitt des Haares, die Wurzel, auch wirk- lich der letzte Theil der Bildung. ist. Es wird also das Haar, nachdem die Spitze gebildet, von Grunde des Haar- balges weiter fort und fort entwickelt, mit gleichzeitigem Hervorwuchs der Matrix, genau so, wie bei der Feder. Ueber den Haarwechsel bemerkt Kölliker (2.2.0. S. 78 segq.), dass er denselben in ähnlicher Weise, wie es von Heusinger und Kohlrausch bei den Säugethieren be- obachtet worden, auch bei dem Wechsel der Wollhaare des Menschen verfolgt habe. In einer Verlängerung des Haar- balges bildet sich das neue Haar unter den Erscheinungen, wie sie oben bei der Bildung der ersten Haare mitgetheilt wurden, während die Matrix des absterbenden Haares ver- kümmert, und letzteres allmählich herausgedrängt wird. Ueber die Wallfischbarte, deren anatomische, histo- logische und Bildungs-Verhältnisse sind ausführliche Unter- suchungen von M. Hehn in seiner Inaugural - Abhandlung mitgetheilt, die auf Veranlassung des Referenten abgefasst wurde. (De textura et formatione barbae balaenae. Dorpati Liv. 1849. 4. e. tab. 1II.). Für den Bericht entnimnit Referent daraus Folgendes. Die Wallfischbarte war mit der getrock- neten Matrix zugleich von dem Dorpater Museum aequirirt, und gehört wahrscheinlich einer Balaena rostrata an. Die Untersuchung wurde begünstigt durch die Abwesenheit des 38 Pigments an der Barte. An jeder Platte der Barte lässt sich unterscheiden der faserige Theil, vom Verf. Vexillum ge- nannt, ferner die eigentliche Platte oder der Schaft (Scapus), von deren unterem Rande die Fasern ausgehen, endlich als Fortsetzung derselben oberhalb nach des Ref. Ermessen, noch die Wurzel, welche die Höhle für den platten Theil der Matrix enthält und deren Wandungen einerseits mit den Wandungen der an der Wurzel angrenzenden Theile der Barte, andererseits mit dem die ganze Barte umgebenden Hornkranzbande in continuirlicher Verbindung steht. Die Höhle der Wurzel setzt sich in die Röhren der mittleren Substanz (Röhrensubstanz) des Schaftes und durch diese in die Höhlen der einzelnen Fasern fort, die sich bis zur Spitze derselben hinziehen. Die Röhren sind in der Nähe der Wur- zel weit und nehmen zu den Fasern hin allmählig an Um- fang ab, so dass sie einen kegelförmigen Raum umschreiben. Die Fasern sind demnach hohl, der Schaft lässt schon mit blossem Auge eine mittlere Röhrensubstanz und die diese umgebende Rindenschicht erkennen; die Wandungen der Wurzel ete., und das Hornkranzband erscheinen homogen. An mikroskopischen Durchschnitten zeigt sich die Substanz. aller Theile aus Hornschichten gebildet, deren einzelne, zu- weilen noch gekernte Holzzellen durch Kalilösung sich dar- stellen lassen. An den Fasern der Barte sind die Horn- schichten koncentrisch um die Höhle, an dem Schafte in der höhrensubstanz concentrirt um die Röhren gelagert und neh- men an Zahl allmählig gegen die Wurzel hin ab. In der überall gleich dick bleibenden Rindensubstanz des Schafles liegen die Schichten parallel der Aussenfläche des Schaftes, an der Wurzel und den übrigen Theilen parällel der Ober- fläche der Matrix, auf der sie sich befinden. Zwischen den Köhren der Röhrensubstanz des Schaftes ist Hornmasse ohne deutliche Schiehtung bemerkbar, die von dem Verfasser als Subsiantia interstitialis bezeichnet wird. In der Hornmasse der Wurzel, der die Wurzeln aller Hornplatten verbinden- den Substanz, und des Kranzbandes beobachtet man an Querschnittchen kleine (0.0162 lange 0.0054’ breite, läng- lich oval geformte Flecke in grosser Zahl und den Schichten parallel geordnet. Häufig treten aus ihnen Fetikörnchen her- vor, die iu Folge des Schnittes in zierlichen ästigen Figuren sich gestalten. Donders hat sie an dem käuflichen Fisch- bein Corpuscula barbae genannt und mit Knochenkörperchen verglichen. Eine genaue Untersuchung an Längsschniltchen, desgleichen über das Verhalten der Matrix lehrt, dass die genannten Flecke quere Durchschnitte von feinen, gegen die Matrix hin etwas weiter werdenden Kanälchen darstellen, 39 in. welche feine, lange Papillen der Matrix hineintreten, und die deshalb Papillarröhrchen genannt werden. Eine Schich- tung der Hornsubstanz um diese Röhrchen ist nicht bemerk- bar. Die Rindensubstanz des Schaftes zeigt ganz in der Nähe der Wurzel auch noch eine Deckschicht von Horn mit solchen Papillarröhrchen. Endlich lässt sich auf der ganzen Oberfläche der Barte eine feine Schicht erkennen, die an die Anwesenheit eines Epithelium erinnert. — Als Matrix der Barte ist derjenige Theil der Gaumenhaut anzusehen, an welcher die Barte selbst mit dem Hornkranzbande sich be- findet, und die nach. Aussen durch einen stark hervorragen- den Lippenrand begrenzt wird. Entsprechend den einzelnen Bartenplatten trelen lamellenförmige Fortsätze in die Höhle der Wurzel hervor und entsenden aus dem untern Rande ‘komische Fortsätze, die in die Röhren des Schaftes eindrin- gen und bis zur Spitze der freien Fasern sich fortsetzen. Doch hat das letztere Ende eine Beschaffenheit, wie es bei abgestorbener und vertrockneter Matrix beobachtet wird. Die allgemeine Form der besprochenen Vorsprünge der Ma- trix ist demnach die der Bartenplatte überhaupt. Man kann einen platten Theil und einen faserigen unterscheiden. Doch ist der platte Theil viel kleiner, nimmt nur die Höhle der Wurzel ein, und die konischen Fasern sind um die Länge des Schaftes grösser als die Fasern der Fahne an der Bar- benplatte. Ausserdem ist die ganze Oberfläche der” Matrix von konischen, langen, mit blossen Augen schon deutlich sichtbaren Papillen besetzt, die auch auf den platten Theil der Vorsprünge für die einzelnen Bartenplatten sich forl- seizen, hier jedoch gegen’ die Mitte hin plötzlich kleiner wer- den und in der Nähe des Ursprungs der konischen Fortsätze allmählich ganz aufhören. Diese Papillen sieht man bäufig in die oben beschriebenen Papillar-Röhrchen der Hornsub- stanz eindringen. Was nun die Bildung der Barte betrifft, so ist zwar im Allgemeinen ein grosse Uebereinstimmung zwischen der Forın der Matrix und des auf ihm als Abdruck abgelagerten Horus nicht‘ zu verkennen. Man begreift leicht, dass um die koni- schen Fortsätze das Horn in eirculären Schichten gebildet ist, und wie die Enstehung der freien Fasern der Barte, so wie der Röhrensubstanz des Schaftes, die zugleich nach der Wurzel hin an Dicke abnehmen muss, veranlasst wird. Man sieht ein, dass an der übrigen Oberfläche der Matrix, an dem platlen Theile der Vorsprünge (Wurzelpartie der Barte), desgleichen zwischen denselben und in der Gegend des Kranz- bandes die Schichten des Horns parallel liegen und von Pa- pillarröhrehen durchzogen werden. Allein die Beschaffenheit 40 des Schaftes lässt die Annahme, dass die Barte einfach als Abdruck der beschriebenen Matrix angesehen werden könnte, nicht zu. Hier ist die Röhrensubstanz von einer aus 'paral- lelen Schichten gebildeten Hornsubstanz (Rindenschicht) be- deckt, und in der Nähe der Wurzel zeigen sich. sogar drei Substanzen nebeneinander: nach innen Röhrensubstanz, dann folgt Rindensubstanz und: nach aussen noch Hornsubstanz mit Papillarröhrchen, wie sie an der Wurzel etc. vorkommt. Es ist hier wegen der. gegebenen Verhältnisse nicht anzu- nehmen, dass diese verschiedenen Substanzen, von ver- sehiedenen Stellen der Matrix (wie z.B. beim Nagel) ge- bildet, mit einander verbunden wären, sondern man über- zeugt sich bald, dass die verschiedenen Schichten der Reihe nach von aussen nach innen von einer und derselben Stelle der Matrix, doch mit entsprechender Veränderung der Ober- fläche und Abnahme an Volumen, wie bei der Feder, beim Stachel, entstehen müssen. Demnach kann die Bildungsge- schichte der Bartenplatten mit der Fahne, — denn die Ver- bindungsmasse der Platten untereinauder und das Hornkranz- band bieten keine Schwierigkeilen dar — in folgenden Wor- ten zusammengelasst werden: Zuerst entwachsen der Matrix quere, am freien Rande. mit Papillen besetzte Leistehen, — analog den Querleistchen, die auch bei anderen Säugethieren, . namentlich bei Wiederkäuern ete., an dem Gaumen sichtbar sind, — und-um die mehr und mehr sich verlängernden Pa- pillen (konische Fortsätze) der Leistchen bildet sich von der Spitze aus allmählig die Fahne der -Bartenplatte. Ist die Fahne fertig, so wächst das Querleistchen als Plaite: stärker hervor, unter Verkleinerung und Verkümmerung der. ihre Fläche bedeckenden, kleineren Papillen, und an ibrer Ober- fläche entsteht nun mehr zunächst die Rindensubstanz des Schafles. Ist dieses, jedenfalls unter Verkleinerung des Vo- lumen der Platte, geschehen, so verwandelt sich die Platte in die früher beschriebenen konischen Fortsätze der Matrix (in der Röhrensubstanz des Schaftes), die zugleich als unmit- telbare Fortsetzungen der in den freien Fasern der Fahne enthaltenen Fortsätze der Matrix auftreten. In diesem ver- wandelten Zustande des platten Theiles der Matrix- Vorsprünge bildet sich die Röhrensubstaaz des Schaftes. Ist auf diese Weise der Schaft vom freien Ende der Bartenplatte her bis in die Nähe der Wurzel vollendet. so muss die Matrix zur Bildung der drei nebeneinander liegenden Hornsubstanzen zwei Mal sich verändern. Es wird der platte Theil der Matrix für das Wurzelende des Schaftes an den Seitenflächen mit ebenso langen Papillen besetzt sein, wie in jener Gegend, wo sich die Wurzel bildet. In diesem Zustande entsteht auf 41 ihrer Oberfläche die Hornsubstanz mit den Papillarröhrchen. Darauf verschwinden die Papillen; die Matrix wird allmäh- lich dünner; und jetzt bildet sich die Rindensubstanz. Schliess- lich verwandelt sie sich in die Fortsätze der Röhrensubslanz. Verändert sich die Matrix der Bartenplatte nicht mehr, so bildet sich das Stück derselben, das Ref. die Wurzel nannte. Uebereinstimmend mit der Bildung der Feder, des menschli- chen Haares etc. ist auch das Verhalten, dass die Matrix nach Bildung des Horns und ohne Ablagerung von Marksub- stanz, von der Spitze der Fahne in vorläufig noch nicht ganz bestiimmbaren Grenzen allmählig abstirbt und im vertrockne- ten Zustande in der Höhle der Barbenplatte vorzufinden ist. Die käuflichen Fischbeinplatten haben die Beschaffenheit des Schaftes der beschriebenen Barbenplatte; nur enthält die Hornsubstanz viel Pigment, und die Kapillar-Röhrchen (Cor- puscula barbae Dond.) finden sich auch in der Rindensub- stanz vor, so dass also bei der Bildung derselben hier die Papillen auf der Matrix nicht hinschwinden. Gefässe, M. T. S. Schultze hat in der oben bezeichneten Ab- handlung (a. a. ©..S. 10 segq.) auch eine kurze Uebersicht seiner Untersuchungen über die Struktur der Blutgefäss- wandungen gegeben, die mit den neueren Beobachlungen von Donders, Jansen und Kölliker im Wesentlichen übereinstimmen. Auch Schultze kehıt gegenüber Henle zu der natürlichen Auffassung dreier Häute der Gefässwan- dung zurück. Die Tunica iutima besteht nach ihm ausser dem Gefäss-Epithelium je nach der Grösse der Gefässe aus einer oder mehreren Schichten feiner, elastischer Fasernetze, die nach der Längsaxe der Gefässe hinziehen. Es sind die- ses. die von Jaesche und dem Ref. beschriebenen, epithelia- len Membranen, die nach der Verschmelzung der Epithelial- Zellen entstehen, sich leicht in Längsfalten legen und so zur Deutung von Fasernetzen Veranlassung geben. Auf die be- zeichneten ‚Schichten folgen dann, noch zur Tunica intima gehörig, ein oder mehrere Lagen (bei grösseren Arterien) gefensterter Membranen, von welchen der Verfasser nur die, mit den grossen Löchern versehenen und wahrscheinlich zur Tun. media zu ziehenden, beobachtet zu haben scheint. Die Tunica media zeigt hauptsächlich ceirculäre Fasern, denen je- doch nach der Adventitia hin auch einige wenige Längsfa- sern beigemischt sein sollen. Die Fasern sind von dreierlei Art, elastische Fasern, den glatten Muskelfasern ähnliche Fa- sern und Bindegewebefasern in geringerer Menge. Sie sol- len bald gemischt, ‚bald getrennt die mittlere Haut der Arte- 42 rien zusammensetzen. Die Aorta, die Arteria pulmonalis, die Carotis, Subelavia und die Tliaca in der Nähe des Ursprungs bestehen fast nur aus breiten, ramifieirten elastischen Fasern. Der obere Theil der Carotis, die Art. axillaris, femoralis und deren Aeste, desgleichen die Arterien der Eingeweide ent- halten Muskelfasern, gemischt mit dünnen, ramificirten ela- stischen Fasern, die den Henle’schen Kernfasern entspre- chen sollen. Die Muskelfasern sollen sich durch die weit grössere Breile und Sprödigkeit vor den gewöhnlichen glat- ten Muskelfasern auszeichnen. Chemisch lässt sich mit Was- ser ein Stoff aus ihnen in grosser Menge ausziehen, der alle Reaktionen des Kasein zeigt. In morphologischer Beziehung überzeugt man sich aus den beigefügten Abbildungen, dass der Verfasser nicht eine einzige, unversehrte Muskelfaser der Gefässwandung vor Augen gehabt hat. In der Tunica ad- ventitia hal der Verfasser die Muskelfasern noch nicht er- kannt; es sollen darin nur vorkommen Bindegevwrebe, elasti- sche Fasernetze und gefensterte Membranen. Eine, aus blos- sen elastischen Fasern gebildete Haut, die nach Henle zwi: schen der Media und Adventitia vorkommen soll, konnte auch Schultze nicht auffinden. Die breiten, elastischen Fasern der Arterien sind von denen des Ligam. nuchae und der Ligam. flava durch zahlreichere Verbindungen ausgezeich- net und nähern sich den gefensterten Membranen, namentlich in der Tunica media grösserer Arterien. : Auf die Anwesenheit von Muskelfasern in der Tunica advent. der unteren Hohlvene des Pferdes ete. macht Claude Bernard aufmerksanı, ohne sie jedoch näher zu beschreiben. (Gazette med. de Par. XIX Ann. No. 17. S. 331.) Henle hat in seinem Berichte über die Leistungen in der allgemeinen Anatomie des Jahres 1849 (a. a. O. S. 26.) die unrichtige Mittheilung gemacht, dass Ref. im Jahresbe- richt 1847. S. 31. behauptet hätte, die Angaben Donders über das Verhalten der Muskeln in den Gefässen gegen Sal- petersäure könnten nicht als Erkennungsmittel für die Mus- keln benutzt werden, da auch andere Theile der Arterien- häute durch die Salpetersäure gefärbt würden. Es ist aber an dem bezeichneten Orte nicht von der Färbung der Ge- webe durch Salpetersäure die Rede, sondern von der Oran- genfarbe, welche die mit Salpetersäure behandelten, eiweiss- arligen Gewebe nach dem Zusatz von Alkalien annehmen. Gebilde der Bindesubstanz. Ueber das „formlose Bindegewebe“ hal Bruch bei Gelegenheit seiner Abhandlung ‚‚Ueber Carcinoma alveo- 43 lare und den alveolären Gewebstypus“ (Zeitschrift für ratio- nelle Medicin, Bd. VII, S. 377 seqq.) ausführliche Mittheilun- gen gemacht. Der Verf. geht zunächst von der ganz will- kürlich’ aufgefassten irrigen Ansicht aus, dass die formlose Bindesubstanz und die ähnliche (! Ref.) Structur des Bindege- webes niederer Thiere den Ref. bestimmt habe, die von ihm nachgewiesene Gruppe der verwandten Gebilde die Binde- substanz aufzufassen und festzustellen. Gerade das formlose Bindegewebe diene dazu — so meint Bruch — um sich zu überzeugen, dass das in sogenannte Fibrillen geformte Binde- gewebe und das formlose nicht identisch (soll wohl heissen „verwandt“ R.) seien. In den Netzen und Mesenterien fin- den sich isolirte (! R.) Fibrillen und Bündel von Bindegewebe neben der formlosen Bindesubstanz. Sie bilden hier regel- mässige und konstante Maschen, die auch bei mechanischer Manipulation unveränderlich bleiben. Das formlose Binde- gewebe fülle nicht alle Maschen aus, sondern zeige sich als Träger des geformten Gewebes, breite sich auch in breitere, nackte Häutchen aus, die sich auf’s Zierlichste zwischen den Maschen hin- und herspannen, das aber keine Falten bilden soll. Die Form der Maschen zeige sich an verschiedenen Orten verschieden und einigermaassen typisch. Im subeu- tanen Bindegewebe ziehen sich die Fibrillen und Bündel ne- ben dem formlosen Gewebe nach allen Richtungen und durch- kreuzen sich; die Lücken bilden poly&drische mit Fettzellen ausgefüllte Räume. In der Cutis durchflechten sich die dicken Faserbündel sehr gestreckt und polyedrisch. In den Fascien am Bauche und Oberschenkel etc. durchkreuzen sich die Fa- sern rechtwinklich. Einen dichten Filz ohne deutliche Ma- schen stelle das Gewebe der Bänder (? R.), Aponeurosen und Eingeweidekapseln dar, doch erkenne man auch hier, z. B. in der Selerotika, regelmässige Durchflechtung und Maschen- bildung. In den Bandscheiben verlaufen die Fibrillen con- centrisch, in den Selınen parallel. Kreisrunde Maschen bil- det das Bindegewebe der Darmschleimhaut um die sackför- migen Drüsen des Magens und Diekdarms. In den Mesen- terien finden sich sphärisch-polyedrische Maschen, im Netze oft rein sphärische, eine Eigenthümlichkeit, die sich aus ihrer Natur als hängende Organe soll erklären lassen, und die man künstlich im Grossen nachahmen kann, indem man beliebige - Stücke und Löcher herausschneidet und hineinsticht, die dann sogleich beim Zuge eine sphärische Begrenzung annehmen. Der Ausdruck .‚formloses‘“ Bindegewebe stammt wohl ursprünglich aus älterer Zeit, wo man das Bindegewebe als Sehleimstoff und ursprünglichen Bildungsstoff noch ganz von dem Sehneu-Gewebe elc. trennte. Man begreift leicht, na- 44 mentlich auch’ bei der Präparation von Muskeln, wie ältere Beobachter ohne Beihilfe des Mikroskops zu der Ansicht der formlosen Beschaffenheit des parenchymatösen Bindegewebes gelangen konnten. Wenn man die Bündel der Muskeln bei der Präparation aus einander zieht, so spannen sich die ge- löseten Muskelscheiden oft zu vollkommen glashellen Mem- branen aus, ohne in Bündel oder Fibrillen zu zerfallen. So- bald man die Membran einreisst oder loszulösen versucht, so rollt und faltet sie sich bekanntlich zu einem ganz kleinen, unförmlichen, schlei.: artigen Klüämpchen zusammen, das nun- inehr unter dem Mikroskop sich fein und lockig gestreift zeigt, wie tendinöses Gewebe. Vor etwa zwanzig Jahren zurück wurden daher beide Gewebe nach der Textur nicht mehr getrennt, und man bezog die Ausdrücke „formloses‘‘ und: .„ge- formtes‘“‘ Bindegewebe vielmehr auf das Struktur- Verhalten. Arnold, Henle u. A. wiesen darauf hin, dass die angebli- chen Bündel und Fibrillen des Bindegevwvebes an vielen Stel- len. des Körpers (Arachnoidea u. s. w.) durch eine grössere oder geringere Menge von fester Intercellularsubstanz ver- bunden werden, und Henle rechnete solches Bindegewebe (also mehr. nach der Textur) zu dem formlosen.. Referent hat in seiner Abhandlung über das Bindegewebe etc. gezeigt, dass die ursprüugliche Faser-Textur des Bindegewebes nicht erwiesen sei, dass vielmehr die Streifenzüge den Ausdruck von Faltenzzügen, die streifenlosen Stellen nicht: Intercellu- larsubstanz, sondern faltenlose Gegenden darstellen, und dass ausser dem gesireiften Bindegewebe sehr häufig Bindesub- stanz angetroflen ‚werde, welches, obgleich histologisch auf dieselbe wesentliche Weise sich entwickelnd, mehr oder we- niger, oft gar keine Neigung zur Faltenbildung und Spaltbar- keit habe und dem entsprechend das mikroskopische Anse- hen ändere. Bruch scheint nun die letztere Art des Binde- gewebes als formloses bezeichnen zu wollen, doch will er dasselbe in Theilen des Körpers (Aponeurosen der Bauch- muskeln u. s. w.) gefunden haben, wo es Referent vergebens gesucht hat, und wo vielmehr die faltenlosen Stellen eines sich leicht faltenden und spaltbaren Bindegewebes die Ver- anlassung zur Auffassung seines formlosen Bindegewebes ge- wesen sein. können. Des Verfassers Beschreibung der Ma- schen und Lücken des Bindegewrebes ist zum Theil eine ganz künstliche. In dem Mesenterium, in den Aponeurosen der Bauchmuskeln u. s. w. gehören die als Bündel und Fibrillen gedeuteien Streifen, die sich in verschiedener Weise durch- kreuzen, nicht einer kontinuirlichen Masse an, sondern ganz verschiedenen, getrennten und nur übereinander geschichte- ten Lamellen des Bindegewebes, die sich in einfacherer An- 45 ordnung in den Vater’schen Körperchen so deutlich uns zu erkennen geben. Referent hat bereits im vorigen Jahresbe- richt auf die Erscheinungen aufmerksam gemacht, die auf diesen geschichteten Bau in den scheinbar ganz kompakten Massen aller Gebilde der Bindesubstanz hinweisen. Aus sol- chen sich durchkreuzenden Streifen des Bindegewebes ist demnach auf einen zelligen Bau, welcher z. B. im Unterhaut: Zellgewebe bekannt ist, nicht zu schliessen, Was endlich die Angabe betrifft, dass die Unveränderlichkeit der Streifen- züge im Mesenterium bei mechanischen Manipulationen den Beweis liefern, dass dieselben nicht von Faltenzügen herrüh- ren; — so ist leicht einzusehen, dass eine Veränderung in den Faltenzügen der einzelnen übereinander gelagerten, fei- nen Bindegewebe-Schichten nur dann erzielt werden könne, wenn auch eine entsprechende, mechanische Manipulation für diese Wirkung auf die einzelnen Schichten angevwvendet worden ist. In dieser Beziehung ist aber das Mesenterium ein äusserst ungünstiger Ort für die Entscheidung einer so delikaten Kontroverse. Uebrigens ist es nunmehr bekannt geworden, dass es gerade Fick beim Mesenterium gelungen ist, mit seinem Apparate die Faltenzüge vollkommen auszu- spannen. Ueber den Knorpel und seine Verknöcherung hat H. Meyer seine Beobachtungen im vorliegenden Archiv’ nie: dergelegt. (Jahrgang 1849; S.292 — 358). Der Verfasser scheint dadurch, dass man in neuerer Zeit von zerslreulen Knorpelzellen in solchen, dem Knorpel heterogenen (! Ref.) Geweben, im Binde- und Fasergewebe, in den Franzen der Synovialhäute gesprochen hat, zu der Frage veranlasst wor- den zu sein, was eigentlich eine Knorpelzelle sei. In Beant- wortung dieser Frage nimmt Meyer auf die im histologi- schen Entwickelungsgange mit der Knorpelzelle engverbun- dene Intercellularsubstanz des Knorpels keine Rücksicht, son- dern entscheidet sich dahin, dass eine Knorpelzelle jeder zel- lenartige Körper genannt werden müsse, von welcher die Möglichkeit der Verknöcherung nachzuweisen sei. Im kon- kreten Falle wäre dann jedes zellenhaltige Gebilde für Knor- pel oder Faserknorpel zu halten, welches selbst, so wie es sieh darstelle oder doch in analoger Form, in anderen Kör- pern verknöchert angetroffen wurde, oder doch in unmit- telbarer Kontinuität mit Knochen oder wenigstens mit Knor: pel stehe, dessen Verknöcherungsfähigkeit bereits bekannt: ist. Die Verknöcherung ist jedoch nicht ‘der einzige Aus- gang des Bildungsprocesses, als deren mittlere Stufe der Knorpel zu bezeichnen wäre. Als Schlussstufen der Entwik- kelung des Knorpelgewebes können vielmehr noch angesehen 46 werden: der Uebergang in Fasergewebe und die gallertar- tige Auflösung mit: oder ohne Gefäss- Entwickelung. Die Faserbildung studirt man am besten an Rippenknorpeln ‘und Intervertebralknorpeln. Es erscheinen hier gelbliche kör- nige Trübungen der Intercellularsubstanz; sodann wird letz- iere fein streifig gezeichnet und endlich erkennt man ein deutliches Fasergewebe. Die Knorpelzellen selbst bleıben anfangs noch unverändert, dann verdünne sich die Wan- dung, löse sich auf und schwinde; am längsten erhalten sich ‘die Kerne, die öfters eine cylindrische, spindelför- mige, dreieckig langgestreckte Form annehmen und dann leicht für Kernfasern gehalten werden können, Bei der Zer- fällung der- Intercellularsubstanz finde zugleich. Massenab- nahme statt und in die entstandenen Tücken trete Luft ein. Die gallertartige Umwandlung zeigt sich gewöhnlich, nach- dem kaum der Zerfaserungsprocess begonnen hat. Sie endet mit ‚stellenweiser Auflösung der Knorpelsubstanz und mit Höhlenbildung. Die Höhlen und Röhren des Knorpels, in welchem sich die Gefässe bilden und das Mark befindet, ent- stehen auf die bezeichnete Weise. Doch verfolgt man sie auch (an Rippenknorpeln, Schildknorpel ete.) unter Umstän- den, wo sich keine Beziehung zur Gefässbildung und Ver- knöcherung nachweisen lässt. Die Verknöcherung kann so- wohl beim Beginne der Zerfaserung, als der Erweichung des Knorpels noch auftreten; später geschieht es nicht mehr. Nach eingetretener Erweichung ist Faserbildung ausgeschlossen, desgleichen die Erweichung nach vollendeter Faserbildung. Der Verfasser giebt schliesslich eine Uebersicht derjenigen Veränderungen, welche sich regelmässig in mehr oder weni- ger hohem Alter an den sogenannten permanenten Knorpeln zeigen. Zerfaserung und Verknöcherung kommt vor: im: Rip- penknorpel, im Kehlkopiknorpel (doch selten Zerfaserung), im Symphysenknorpel, Gelenkknorpel; Verknöcherung al- lein: im Knorpel des Processus siphoides, im Nasenknorpel, fibrösen und gelben Knorpel. — Das Knorpelkörperchen, bei welchem Meyer die Anwesenheit. einer Zellenmembran auch im ausgebildeten Zustande nicht zu bezweifeln scheint, erleidet folgende Veränderungen. Es sollen sich in ihnen Kerne, um diese Zellen bilden, und so das Knorpelkörper- chen zur Mutterzelle werden, deren Wandung später. mit der Zwischensubstanz fast zum Verschwinden verschmelze. (Die Verwandlung der Knorpelkörperchen in Mutterzellen ist vom Referenten niemals beobachtet worden. Die Knor- pelkörperchen bilden vielmehr Gruppen, und diese Gruppen, so wie der Umstand, dass die Zwischensubstanz zwischen den einzelnen Körperchen bisweilen schwindet und letztere 47 dadurch in.'eine 'gemeinschaftliche Höhle eingeschlossen wer- den, geben die Veranlassung zur Auffassung von Mutterzel- len.) Ferner soll die Wandung der ausgebildeten. Kuorpel- körperchen sich verdicken, (ein optisches Phänomen R.), die Höhle dadurch beschränkt werden, und sogar eine entschie- dene Andeutung von Tüpfelkanalbildung stattfinden *). — Das Wachsthum eines Knorpels ist nach dem Verfasser abhängig von der Vermehrung der Grundsubstanz, von der Vergrös- serung der Knorpelkörperchen und von der, Vergrösserung derselben. durch Mutterzellenbildung. ' Letzteres soll nament- lich sehr auffallend an den Verknöcherungsrändern der Dia- physen auftreten, das Wachsthum in der Längsaxe bedingen, während die Breiten-Zunahme des ganzen Knorpels von der Vermehrung der Zwischensubstanz abhängt. Die Verknöcherung des Knorpels gestaltet sich. im Allgemeinen nach Meyer folgendermassen: In der homoge- nen Intercellularsubstanz lagern sich die erdigen Theile zu- erst in grobkörnigen (bei fötalen Verknöcherungen) oder fein- körnigen (bei Erwachsenen) Krümeln ab. Häufig auch er- scheint die verknöcherte Intercellular-Substanz gleich anfangs homogen und durchsichtig. Die Ablagerung schreitet dann mehr oder weniger gradlinig vorwärts und umschliesst. ge- legentlich die Knorpelkörperchen oder geht rindenartig um einzelne Knorpelkörperchen herum. Letzteres geschieht na- mentlich da, wo bei sonst unveränderter Grundsubstanz. die Knorpelkörperchen selbstständig verknöchern. Die beim Be- ginn des Zerfaserungsprocesses der Grundsubstanz eintretende Verknöcherung macht die streifige Zeichnung verschwinden. Die Knorpelzelle kann verknöchern vor Verdickung der Wan- dung, oder nach derselben. Im letzteren Falle wird die Wan- dung unmittelbar zur dieken Wandung der Knochenzelle; so.bei Verknöcherung der Röhrenknochen , :wo zugleich die Höhle im Leben mit Flüssigkeit gefüllt sein soll. In. der Tuba Eu- stachü, in. den Rippenknorpeln, Kehlkopfknorpeln findet sich auch Ablagerung krümlicher Salze in das Innere der Höhle dieser mit dicken Wandungen versehenen Knochenkörperchen, Tritt die Verknöcherung vor der Verdickung der Wandung ein, so füllt sich die Höhle des Knorpelkörperchens entwe- der auf einmal mit Kalkrümmeln an (in Gelenkknorpeln ,. in Knorpelscheiben der Symphysen), oder es bilden sich zuerst *) Ueber die so häufig vorgetragene Ansicht, dass die Knorpel- körperchen verdickte Zellenwände hätten und oft in Mutterzellen ein- geschlossen lägen, verweiset Referent auf die unter seiner Leitung abgefasste Inaugural-Abhandlung des Dr. A. Bergmann: Disquisitio- nes microscopicae de cartilagin. in specie hyalinis. Dorp. Liv. 1850. 48 Ablagerungen an der Wandung, und es folgt die gänzliche Füllung, oder ein Theil der Höhle bleibt leer. Die Kanälchen an den Knochenkörperchen scheinen nur da zu entstehen, wo die verknöcherten Zellen sehr nahe liegen. In der Bil- dung derselben schliesst sich der Verfasser an Vötsch an. In Betreff der Struktur und Bildung ganzer Knochen des Körpers hält der Verfasser den auch von anderen Forschern neuerdiugs hervorgehobenen Unterschied zwischen Rinden- substanz (subst. dura) und Marksubstanz (subst. spongiosa ) fest und macht zugleich darauf aufmerksam, dass die Mark- substanz durch den Mangel eines geschichteten Baues ausge- zeichnet sei. Meyer ist nun der Ansicht, dass in der ur- sprünglichen Knorpelanlage des Skeletsystems nur die ossi- fieirende Grundlage der spongiösen Substanz der einzelnen Knochen gegeben sei, und dass die harte Knochensubstanz eine später aufgelagerte Bildung darstelle, die ihre Entste- hung einem verknöcherten Exsudate der Beinhaut verdanke. Nachdem nämlich die Verknöcherung der ursprünglichen Knorpel bis zum Perichondrium vorgerückt sei, werde letz- teres zum Periost und bilde gleichsam die Matrix für die zur Rindensubstanz verknöcherndeu Knorpel- Ablagerungen. Auch die sogenannten permanenten Knorpel, die Gelenkknor- pel, Rippenknorpel, Knorpelscheiben der Symphysen,' Nasen- knorpel enthalten nur die Grundlagen für die spongiöse Knochensubstanz. Die Diploe der Schädelknochen, die Mark- substanz des Unterkiefers und ein kleiner Theil der spon giösen Substanz der Knochen des übrigen Skeletes gehören zur sogenannten falschen, spongiösen Knochensubstanz, die durch stellenweise Auflösung der harten Knochensubstanz gebildet werde. — Der Verfasser entwirft nun ein Bild von den Verschiedenheilen, die bei der Verknöcherung der ur- sprünglichen Knorpel- Anlagen in der Ausführung des bezeich- neten Gesetzes bemerkbar werden. In der Knorpel- Anlage rundlicher, spongiöser Knochen, bei welchen Verknöcherung spät beginnt und die Grösse der ausgebildeter Knochen nahezu entspricht, erreicht die Verknöcherung zu gleicher Zeit alle Punkte der Oberfläche, und dann findet zum Schluss eine allgemeine und allseitige, überall gleichmässig dieke Auflage- rung der Rindensubstanz statt. Eben so verhält es sich bei den Epiphysen der Röhrenknochen. Bei dem Mittelstücke der Röhrenknochen dagegen ist die Vollendung des Verknö- cherungsprocesses verzögert durch das Wachsthum ‚in die Länge. Es fängt hier schon frühzeitig, in der Mitte der Dia- physe die Ossification an, erreicht das Perichondrium und wird mit der Auflagerung einer dünnen Corticalschicht be- schlossen. Inzwischen wächst der Knorpel auf beiden Seiten 49 des verknöcherten Stücks in die Länge mit entsprechender Zunahme an Dicke. Ist hier die Verknöcherung bis zur äus- seren Oberfläche vorgedrungen, so erfolgt eine neue Ablage- rung von harter Knochensubstanz in einer Schicht, die auch über die schon fertige Mitie kapselförmig herumzieht; und so fort, bis die Ossification, gleichzeitige Bildung und das Wachsthum der Diaphyse vollendet ist. Daraus wird er- klärlich, dass bei allen langen und Röhren-Knochen die Rin- densubstanz in der Mitte ihrer Länge amı dicksten ist und gegen die Epiphysen hin allmählig dünner werde. In Betreff endlich der Schädelknochen bemerkt der Verfasser zunächst, dass ursprünglich der ganze Schädel in knorpliger, konti- nuirlicher Gestalt angelegt sei, und dass die von Anderen angenommenen offenen Stellen an der Decke nicht beständen. Inzwischen soll an der Decke, den nächsten Umgebungen derselben, desgleichen im Oberkiefer, Uuterkiefer, Vomer etc. der Knochen durch Ossification des Perichondrium und durch nachträgliche Ablagerungen entstehen, während der Knorpel selbst verschwinde. Zur Beobachtung, wie die Entstehung und Verknöcherung der Rindeusubstanz vor sich gehe, em- pfiehlt der Verfasser die Ränder flacher Schädelknochen sehr junger Embryonen und Längs- und Querschnittchen der Rin- densubstanz sonstiger fötaler Knochen. Es soll hier zu be- obachten sein, dass innerhalb der Beinhaut Ablagerung von Blastem in mehr oder weniger langgezogener, neizförmiger Gestalt enistehe, in welchem alsbald Kerne, junge und ent- wickelte Knorpelzellen auftreten. Dann erfolge die Ver- knöcherung, und in den Maschen des Netzwerks werden Theile des Periost eingeschlossen. Die Verbindung mit den schon bestehenden spongiösen Kuochen geschehe durch senk- rechte Verbindungsstäbe. Die Maschenräume werden durch innere Ablagerungen allmählich verengert und so zu Knochen- kanälchen verwandelt. | Meyer führt die mannigfaltigen Verknöcherungsformen auf drei Hauptformen zurück, nämlich Verknöcherung des fötalen Knorpels, des wachsenden und des ausgewachsenen Knorpels. Bei den beiden ersten Formen verknöchert die Intercellularsubstanz vor den Zellen, bei der dritten Form nach denselben. Die Verknöcherung des fötalen Knorpels findet statt in allen fötalen Knorpelanlagen bei Gründung der Knochenkerne, und ist die einzige Form in der aufgela- gerten Knochenmasse, die aber nicht auf die Zeit des Fötus- lebens beschräukt ist. Der hier verknöchernde Kuorpel ist steis neu gebildet, besteht aus einfachen Zellen und verhält- nissmässig geringer Intercellularsubstanz. Die’ erdigen Be- standtheile werden in den Knochenkernen grobkörnig, in den Müller’s Archiv, 1850, D 50 aufgelagerten Knochensubstanzen feinkörnig niedergelegt. Die Verknöcherung des wachsenden Knorpels zeigt sich da, wo in. unmittelbarer Nähe des Verknöcherungsrandes eines Kno- chenkerns Wachsthum des Knorpels durch Mutterzellenbil- dung statt habe, die von den erdigen Ablagerungen um- kreiset werden. Die gleich hinter dem Verknöcherungs- rande gelegenen Markräume sollen nicht aus denen. in Reihe gestellten Tochterzellen der angeblichen Mutterzellen entstehen, sondern durch Auflösung des bereits gebildeten Knochens. . In Beireff des Fortschreitens dieser Verknö- cherung in den Epiphysen macht der Verfasser darauf auf- merksam, dass dieses nicht allseitig (im Sinne einer sich vergrössernden Kugelfläche) geschehe, sondern nur im.Sinne einer sich vergrössernden Halbkugel. indem gegen die Dia- physe hin keine Vergrösserung statt hat. Die Verknöcherung der ausgewachsenen Knorpel ist dıe der sogenannten perma- nenten Knorpel, bei welchen die Ossification zuerst an den Knorpelkörperchen beginnt. Sie zeigt sich niemals als eine unmittelbare Fortsetzung der etwa angrenzenden Knochen, sondern tritt mit einem selbstständigen Knochenkern auf; mit Ausnahme der Gelenkknorpel Es gehört hierber die etwa auftretende Verknöcherung der Rippenknorpel, der Knorpel- scheiben der Symphysen, der Gelenkknorpel, Nasenknorpel. Bei Thieren mit Interveriebralknochen verknöchern die Car- tilag. intervertebr. schon im fötalen Zustande, und zwar nach der Form wachsender Knorpel, so dass man sich überzeugen könne, dass nicht die Art des Knochens, sondern der Zu- stand des Knorpels die Form der Verknöcherung bestimme. Auch die fibrösen und gelben Knorpel verknöchern nach der in Rede stehenden Weise. Bei Besprechung der Verknöche- ' rung der fibrösen Knorpel macht der Verfasser darauf auf- merksam, dass derselbe nicht zu verwechseln sei mit einem Knorpel, dessen Intercellularsubstanz in Fasern zerfallen sei. Er stelle vielmehr Stücke von Sehnen und Bändern dar, de- ren Elemente mit Knorpelzellen gemischt seien. Dass die Sehnensubstanz ein dem Knorpel nahe verwandtes Gebilde sei, dass die scheinbar faserige Substanz derselben auch nichts An- deres als veränderte Intercellularsubstanz und die Knorpelkör- perchen die restirenden ursprünglichen Zellen dieses Gebildes darstellen, scheint der Verfasser nicht weiter berücksichtigen zu wollen. Das faserige Ansehen des fibrösen Kunorpels schwindet, sobald die Verknöcherung auf ihn sich erstreckt. Es kommen solche Verknöcherungen vor: in den Anlagen der Sesambeinchen, in der Sehne der Köpfe des M. gastro- enemius, in der Sehne des Muse. peronaeus longus. Verknö- 51 cherte Knorpelzellen gelber Kuochenmasse beobachtete Meyer in der Tuba Eustachii alter Leute. Eine gute Uebersicht der verschiedenen Verknöcherungsformen geben senkrechte Schnitt- chen aus dem Wirbelkörperrand und der angrenzenden Knor- pelscheibe kurz nach vollendetem Wachsthum. Schliesslich weist der Verfasser auf die bestöndige Auf- lösung der gebildeten Knochenmasse hin. Durch sie werde demnächst das Auftreten der Markräume bedingt; sie schrei- tet ferner beständig vorwärts mehr in der Mitte des Kno- chens als an den spongiösen Enden, und zerstöre allmählig den grössten Theil der aus der ursprünglichen Knorpelanlage gebildeten Knochenmasse. Sie erstreckt sich schliesslich auch auf die Rindensubstanz, so dass die Knochen dadurch von innen her mehr und mehr verzehrt, dünner und brüchiger werden, Referent hat die wichtigsten Momente aus der ausführ- lichen Abhandlung des Verfassers mitgetheilt und erlaubt sich auf eine Angabe noch einmal zurückzukonımen, gegen die er mit aller Entschiedenheit aufzutreten sich ‘genöthigt sieht. Der Verfasser macht auf die theilweise Unabhängigkeit der Verknöcherung der spongiösen und Rindensubsianz der Kno- chen aufmerksam und behauptet zugleich, wie es scheint, an- geregt durch die bekannte Lehre von dem Primordialschädel, dass die knorpligen Anlagen des Wirbelskeletes nur die Grund- lagen des spongiösen Theiles der Knochen enthielten, und die Rindensubstanz wie ein Sekret von dem Perichondrium (resp. Beinhaut) abgelagert würde. Auch Ref. hat in seiner. Abhand- lung (Zur Controverse über den Primordialschädel. Müll. Arch. 1849, S. 443 seqq.) zahlreiche Beispiele aus dem gan- zen Wirbelthierreich aufgeführt (a. a. ©. S. 501 seqq.), aus welehen noch viel deutlicher hervorgeht, dass dıe centrale und peripherische Substauz eines hyalinischen Knorpels eine theilweise Unabhängigkeit in der Verknöcherung an den Tag legen. Es erweist sich daraus zugleich, dass die Verknö- cherung des Knorpels in einem Falle zuerst in der centralen Substanz, in einem anderen dagegen (selbst bei Säugethieren) zuerst in der Rindenschicht beginnt, dass ferner die Össifi- eation nicht selten auf die ganze Rindenschicht oder auf ei- nen Theil derselben beschräukt bleibt, und die centrale Sub- stanz ganz unverknöchert bleiben kann oder zum Theil oder auch gänzlich resorbirt wird Allein in allen Fällen und in allen hyalinischen Knorpeln des Fötus, die Ref. vor oder beim Beginne der Verknöcherung untersuchte, vermochte er sowohl die knorplige Grundlage zu unterscheiden, welche: zu spongiöser Knochensubstanz sich verwandelt, als auch um dieselbe die peripherische Knorpelschicht deren Knorpel- D2 82 körperchen mit der platten Fläche der Oberfläche des Knor- pels parallel gestellt sind. und die zur Bildung der Rinden- schicht verwendei wird. Beide Knorpelpartieen nehmen mit dem Wachsthum des Knorpels, jede in der entsprechenden und von dem Verfasser bezeichneten Richtung, an Masse zu, und daraus wird das Verhalten beider Knochensubstanzen in der Länge des Knochens hinsichtlich ihrer Mächtigkeit er- klärlich. Aber selbst bei der Verdickung der Rindenschicht des Knochens ist Ref. niemals auf ein ausgeschwitztes, netz- förmiges Blastem gestossen, in dem später erst Knorpelkör- perchen entstehen. Solche netzförmige Figuren erwiesen sich ihm stets als schon verknöcherte Rindensubstanz des Knor- pels. — In Betreff der Schädeldeekknochen beobachtete Ref., - dass die ursprünglich gegebene häutig- knorplige Grundlage es ist, welche zuerst in der milileren Masse verknöchert und die Diploe darstellt, während die festere Rindenschicht sich später auf beiden Seiten bildet. Dass der Oberkiefer, Unter- kiefer ete. nicht als verknöcherte Rindenschichten einer ur- sprünglich für die spongiöse Partie des Knochens bestimmte, gleichwohl aber knorplig verbleibende oder zum Theil hin- schwindende Knorpelmasse angesehen werden könne, geht aus den Mittheilungen des Ref, in der oben bezeichneten Ab- handlung hervor. Die Erörterung dieses Gegenstandes liegt dem Berichte zu fern. A. Krukenberg hat die Beobachtung mitgetheilt, dass die Zahnröhrchen und die Strahlen der Knochenkör- perchen nach einer häufigeren oder geringeren Verzweigung in nahem oder weiterem Umkreise sämmtlich untereinander in Verbindung treten. In Betreff der in der Krone des Zahns scheinbar endigenden Zahnröhrchen empfiehlt der Verfasser die Verfertigung von Schnittchen, die parallel der Schmelz- fläche genommen sind. (Müll. Arch. 1849, S. 403 seqg.) - Auch nach Tomes (a course of leetures on dental phy- siology and surgery. London. 1848. 8.) kommuniciren die Aeste der Zahnröhrchen untereinander oder mit Kanäl- chen der Knochensubstanz. In der Nähe des Schmelzes wer- den die Zahnröhrchen etwas weiter oder so fein, dass sie sich nicht weiter verfolgen lassen. Die Verästelung der Zahnröhrchen zeige sich schon in der Gegend des Halses des Zahns durch das Auftreten zahlreicher, haarfeiner Aestchen. In der Wurzel beginnt die Ramifieation der Zahnröhrchen schon von der Höhle des Zahns ab, am Halse dagegen nur in dem letzten Drittheil ihres Verlaufs. Vor der Veräste- lung findet stets eine Erweiterung statt, in welche Aestchen der benachbarten Röhrchen einmünden. In unvollkommen entwickelten Zähnen beobachiete der Verfasser auch im 88 Zahnbein Knochenkörperchen, welche auf der einen Seile Zahnröhrcehen aufnahmen, auf der anderen Seite andere ent- sendeten. Anastomosen zwischen den Röhrchen selbst sind häufiger in der Wurzel als in der Krone. Oefters haben die Zahnröhrchen, namentlich in Milchzähnen, einen spiraligen Verlauf und bieten ein variköses Ansehen dar. Die Grund- substanz erscheint nach dem Verfasser granulirt. Dieses kör- nige Ansehen entstehe durch kleine, rundliche Körperchen von verschiedener Grösse, welche durch eine andere Sub- stanz verbunden werden. Der Schmelz soll nach Tomes in der Nähe des Elfenbeins von länglichen, unregelmässigen Kanälchen durchzogen sein, die breiter sind als die Schmelz- fasern und sich winklich durchkreuzen. Die Schmelzfasern sollen auch bei Erwachsenen einen engen Kanal ganz oder zum Theil enthalten. Robin unlerscheidet im Knochenmark zweierlei Form- elemente. Die erstere Art ist besonders zahlreich bei jünge- ren Individuen und besteht aus sphärischen oder polyedrischen Zellen, sog. Markzellen, von 0,006—0,008'' im Durchmesser. Sie enthalten eine grössere oder geringere Anzahl Körnchen und einen dunkel konturirten, kreisrunden Kern von 0,0025 bis 0,003” Durchmesser. Die zweite Art sieht man beson- ders an der Oberfläche des Marks, zwischen ihr und der in- neren Fläche der Markröhre. Sie zeigt sich in Form von platten, polygonalen oder unregelmässig sphärischen Lamel- len, von wenigstens 0,025>—0,035' Durchmesser. Sie sind feinkörnig und enthalten 6--t0 Kerne von ovaler Form, mit Molekülen und Kernkörperchen versehen. (Sur l’existence de denx especes nouvelles d’element anatomique, qui se trouvent dans le canal medullaire des os. Gaz. med. No. 51.) Muskelfaser. Von mehreren Seiten ist im Jahre 1349 die Beobach- iung mitgetheilt worden, dass die von vielen Forschern als ein einfaches Formelement angesehene, gestreifte Muskelfaser der Ramification unterliege. Nach v. Hessling (Schleid. und Fror. Notiz. Bd. IX, S. 1.; No. 177.) finden sich solche Theilungen in grosser Zahl und constant am Penis der Schmetterlinge. Man sieht hier ein primitives Muskelbündel entweder von der Seite ein oder mehrerer Aeste abgeben, die im weitern Verlauf sich wieder gabelförmig theilen, oder zuvor knopfartig anschwellen und aus der Erweiterung meh- rere Äeste entsenden, die sich ebenfalls wieder theilen kön- nen. Die abgehenden Aesie sollen bald die Dicke des Stam- mes beibehalten, bald um ein Dritiheil oder Viertheil dün- 54 ner werden. An den Abgangsstellen erleiden gewöhnlich die Querstreifen keine Veränderungen, nur zuweilen werden sie unkenntlich, indem die Fibrillen sich verschieben uud erst in den Aesten wieder deutlicher hervortreten. Die Beobach- tungen wurden gemacht bei Botys limbalis, Orthosia stabilis und instabilis, bei Miselia conspersa. — Kölliker fand die Ramification der primiiiven, gestreifen Muskelbündel in den Vorkammern bei Fröschen, und hier lässt sich, wie Ref. sich überzeugte, das Phänomen leicht verfolgen. Man bemerkt hier und da zwei Bündel durch ein Querbündel vereinigt und überzeugt sich zugleich, dass die primitive Muskelscheide von den Stämmen auf die Anastomosen sich kontinunirlich fort- setzt; auch die Fibrillen gehen aus den Stämmen unmittel- bar in die Aeste über, doch möchte Kölliker nicht grade behaupten, dass dieselben Fibrillen bei den verbundenen Bün- deln wirklich in einander sich fortselzen. (Zeitschr. für die wissensch. Zoolog. Bd 1. S. 215. in der Anmerkung.) — Ley- dig beobachtete dichotonische Theilungen an den radiären Muskeln der Kopf- und Fussscheibe bei Piseicola. (Zeitschr. für wissensch. Zoolog. Bd. I. S 108). Bei den Theilungen verschmälern sich anfangs die Aeste, später jedoch, in der Endausbreitung, werden sie wieder breiter und verschmelzen untereinander durch ihre hellen Randschichten. Die Ramifiecation des primitiven, gestreiften Muskelbün- dels wird verschieden aufgefasst und beurtheilt werden je nach der Ansicht, die man von der Entwickelung des pri- miliven Muskelbündels hat. Diejenigen, welche das Sarco- lemma für eine sekundäre Zelle, und die Fibrillen für faser- arlige Niederschläge in derselben halten, sind zu der Annahme genöthigt, dass die zur sekundären Zelle sich vereinigenden elementaren Zellen nicht blos linear, sondern auch durch Ramifikation, wie es die kapillaren Gefässe thun sollen, un- tereinander in Verbindung setzen. Kölliker zweifelt auch bereits, wie schon zu Anfang des Berichts angegeben wurde, nicht darau, dass die anastomosirenden, amimalen Muskel- bündel wenigstens theilweise aus sternförmig ausgewachse- nen und sich vereinigenden Zellen entstehen. Wie aber diese beiden so verschiedenen Entwicklungsweisen eines und desselben Gebildes zusammen passen sollen, möchte wohl schwer anzugeben sein. Referent ist dagegen nach seinen Beobachtungen genöthigt, die Fibrille des primitiven Mus- kelbündels als das Aequivalent der glatten Muskelfaser anzu- sehen, welche unmittelbar aus der Entwickelung einer ein- zigen Zelle hervorgegangen ist. Desgleichen erwies sich das Sarcolemma als das Aequivalent der sekundären Muskelschei- den, die als Lamellen der Bindesubstanz anzusehen sind. 55 Von diesem Standpunkte aus zeigt sich in der Verflechtung und Anastomosen-Bildung der Fibrillen des primitiven Mus- kelbündels nur eine Wiederholung derselben Erscheinungen, die auch an zusammengesetzten Muskelbündeln beobachtet wird. In Betreff der Muskelelemente der Piscicola kann Ref. dem Verfasser darin nicht beistimmen, dass dieselben für gestreifte Muskelbündel zu halten seien. Leydig leug- net sogar, dass die mit den primitiven Muskelbündeln ver- glichenen Formgebilde sich noch weiter in Faser-Elemente zerlegen lassen, was aus den Beobachtungen v. Holst’s hervorgeht. Ausserdem erscheinen sie vollkommen glatt, und die etwa hin und wieder sichtbare Streifung wird von Leydig selbst ganz anders erklärt, als es bei den primitiven Muskelbündeln der animalen Muskeln geschehen muss Holst konnte in den genannten Formelementen beim Blutegel wirk- liche Bündel von glatten Muskelfasern erkennen, und danach würden die Verflechtung und Anastomosenbildung auf die- selbe Weise zu erklären seien, wie bei den gestreiften pri- mitiven Muskelbündeln. Leydig hat (a. a. ©. S. 108.) an jungen Individuen von Clepsine, die noch an der Mutter hingen, die Entwickelung der eben besprochenen Muskel-Elemente verfolgt. Der Ver- fasser sah hier die Stammmuskeln aus spindelförmig verlänger- ten Zellen zusammengesetzt. Jede Zelle hatte eine äussere helle Schicht, die wohl bei der Verschmelzung der Zellen zur homogenen Rindensubstanz des Muskelcylinders wird, ferner einen feinkörnigen Inhalt und einen Kern. Man könnte, wie es dem Ref. scheint, sich auch leicht vorstellen, dass jede spindelförmige Zelle zu einer Faser auswüchse, aus der nach Holst das primitive, glatte Muskelbündel bestehen soll. Zu dieser Deutung kann man um so eher gelangen, als Ley- dig später in Betreff der Muskeln des Duct. deferens angiebt, dass jede Faser wegen der Anwesenheit nur eines Kerns ihrem Ursprunge nach auf eine einfache Zelle zurückzufüh- ren sei. Ref. hat in einem kurzen Aufsatze (die glatten Muskel- fasern in den Blutgefässwandungen. Müll. Arch. 1849, S.517.) seine Zweifel über die Deutung gewisser faserähnlicher Plättchen in der Tunica media der Gefässwandungen als glatte Muskelfaser (kontraktile Faserzelle nach Kölliker) zu- rückgenommen und zugleich auf die Salpetersäure (204) als ein wichtiges Erkennungsmittel der glatten Muskelfaser hinge- wiesen. Die Anwendung der Salpetersäure bewirkt nicht allein, dass die Muskelfasern durch die intensivere, gelbe Fär- bung vor dem Bindegewebe und den elastischen Fasern stär- ker hervortreien, sondern sie macht auch nach 1—4 tägiger 56 Anwendung, dass die Muskelfasern bei geringer Zerrung, selbsf beim Schütteln des Präparates sich von einander tren- nen und nicht selten eine gewundene, spiralige, wellenför- mige Form annehmen. Es hat neuerdings Remak in seiner Abhandlung über die Gefässwandungen (Müll. Arch. 1550.) gemeint, dass Ref. einen zu grossen Werth auf dieses Er- kennungsmittel lege. Gern kann man zugeben, dass geübte Forscher auch mit Hülfe der Essigsäure und, bei stärker aus- gebildeten Fasern, auch nur bei Anwendung von Wasser die Anwesenheit von glatter Muskelsubstanz erkennen werden. Allein schwierig ist es mitunter, namentlich bei feineren Mus- kelzügen, schon die Richtung der Faserung mit Sicherheit an Durchschnitichen zu bestimmen, und fast unmöglich ist es in den meislen Fällen, unversehrte, einzelne Fasern in genü- gender Anzahl sich zu verschaffen. In dieser Beziehung ist die Salpetersäure bis jelzt noch nach des Kef. Erfahrungen unersetzlich. Nur Salzsäure hat eine ähnliche Wirkung. Würde Kölliker, dem wir in Betreff der glatten Muskel- fasern, namentlich ihrer Ausbreitung, so Manches zu verdan- ken haben, die Wirkungen der Salpetersäure gekannt haben, so dürften seine Angaben über die verschiedenen Formen sei- ner kontraktilen Faser ganz anders ausgefallen sein, und er würde sich auch nicht haben verleiten lassen, für den ge- bräuchlichen Namen „glatte Muskelfasern“ einen neuen „kon- traktile Faserzelle‘‘ einzuführen. Denn wo auch Ref. die glatte Muskulatur bisher zur Untersuchung vorgenominen, in der Haut, in den Gelässen, in den Drüsen, überall bat sich dieselbe Form der Fasern gezeigt, wie sie im Darın, in der Gebärmutter etc. vorkommt. Wozu also einen neuen Namen für Formelemente die längst bekannt und benannt sind, und in deren Erkenntniss wir augenblicklich einen Schritt wei- ter vorgerückt sind. Leydig hat in seiner Abhandlung (Zur Anatomie der männlichen Geschlechtsorgane ete. Zeitschr. für wissensch. Zoologie Bd. Il. S. 45.) Gelegenheit genommen, sich gleich- falls für die Ansicht Kölliker's zu erklären, dass die glat- ien Muskelfasern für verhältuissmässig kurze, isolirte Fasern zu halten seien, wovon jede einen Kern besilzi. Besonders geeignet für die Untersuchungen seien die Harnblase, der Magen kleinerer Säugethiere, der Maus, des Maulwurfs, wo sich die Elemente leicht (? Ref.) isoliren lassen. In den Mus- keln der Prostala neugeborner Kälber seien alle Entwicke- lungsstufen der glatten Muskelfasern aus einfachen rundlichen Zellen zu übersehen. Der Kern der Faser soll jedes Mal läuglich-walzenförmig sein. | Nervenfaser. „Neurologische Bemerkungen“ haben wir durch Kölli- ker erhalten. (Zeitschr. für wissensch. Zoolog. Bd. 1. 8.135. seqq.) Sie scheinen besonders angeregt zu sein durch die Bidder’sche Schrift, in welcher bekanntlich die gemein- schaftlichen Untersuchungen Bidder’s und Reichert’s niedergelegt sind. Der Verfasser bekämpft zunächst unsere Ansicht, dass die Nervenkörper in den Ganglien der Nerven wahrscheinlich durchweg inmitten einer Nervenfaser liegen, und von dem Inhalte der letzteren an zwei Stellen (Polen) berührt werden, so dass die Ansicht von einem Ursprunge der Nervenfasern hier nicht haltbar sei. Nach dem Verfas- ser sei das bezeichnete Verhalten zwar bei den Fischen vor- handen, bei den Amphibien dagegen und allen höheren Wir- belihieren seien „doppelte Faserursprünge eine Ausnahme, einfache die Regel“, ja Kölliker gesteht, dass er keinen einzigen unzweifelhaften Fall vom ersteren Verhalten gese- hen habe. Er stützt sich dabei auf eigene Untersuchungen auf einzelne Augaben von R. Wagner, Ludwig, Engel und Beck, ja selbst darauf, dass in der Bidder’schen Schrift bemerkt wird, es wäre uns zwar bei höheren Thie- ren gelungen, die Nervenkörper im Zusammenhange mit einer Nervenfaser darzustellen, allein wir seien bei der Schwierig- keit der Präparation und den nothwendigen, rohen, me- chauischen Eingriffen niemals davon überzeugt gewesen, dass die zweite Faser nicht abgerissen sei. (! R.) Bei den wirbel- losen Thieren seien gleichfalls doppelte Faserursprünge ‚„un- bestritien‘‘ eine Seltenheit. (Bruch hat sie beim Blutegel ziemlich häufig beobachtet. Ref) — Bei dem Gehirn und Rückenmark betrachtet es der Verfasser als sicher, dass hier Nervenkörper mit einfachen, mit zwei und mehr Fortsätzen vorkommen. Letztere verästeln sich in immer feiner wer- dende und ‚gehen bestimmt nicht in peripherische Nerven über; sehr schön ist die Verästelung der Fortsätze der Ner- venzellen im Kückenmark bei Petromyzon fluviat. zu betrach- ien. Die Nervenkörper mit einfachen oder doppelten blas- sen Portsätzen lassen sich im Rückenmark des Frosches in doppelt kontourirte, einfache Nerverfasern übergehend ver- folgen. Desgleichen spricht sich der Verfasser dahin aus, dass im Gehirn und Rückenmark, in den Ganglien des Sym- pathieus und der Cerebrospinalnuerven konstant und häufig vollkommen freie Nervenkörper anzatreflen seien. — In Be- ireff der histologischen Streitpunkte trägt Kölliker seine Ansicht nunmehr korrekter in folgender Weise vor und ver- langt auch, dass seine früheren Angaben also gedeutet wer- 58 den sollen. Die primitive Nervenscheide und deren Erwei- terung um den Ganglieukörper seien Eins und stellen die nach einer oder nach mehreren Seiten ausgewachsene Zel- lenmembran einer elementaren Zelle dar. Die granulirle, den Kern einschliessende Masse der Nervenkörper vertrete den Inhalt dieser Zelle, welcher unmittelbar in den Cylinder- Axis der Nervenfasern sich fortsetzt. Wie das Mark um die Cylinder-Axis, das sich bekanntlich bei den Ganglien der Fische ganz deutlich bis zu dem Nervenkörper hin verfolgen lässt, zu deuten sei, ist nicht näher bezeichnet. Referent neigt sich in neuerer Zeit mehr und mehr dahin, dass der Cylinder-Axis eine selbsiständigere Bedeutung vindieirt wer- den müsse, als es bisher von dem Ref. und von andereren Seiten geschehen ist. Obgleich sich nun der Uebergang des- selben in die Masse der Nervenkörper bei den von Bidder und dem Ref. untersuchten Fischen nicht verfolgen liess, so glaubt Ref dennoch, dass die Ansicht Kölliker’s ihre Richtigkeit haben könnte. Was aber die Deutung des Ver- fassers betrifft, dass die primilive Nervenscheide und deren Erweiterung eine Zellenmembran darstellen, das darin Ent- haltene aber nur Inhalt einer Zelle sei, so hält Ref. diese Ansicht weder für bewiesen, noch nach seinen Beobachltun- gen für wahrscheinlich. Die in der Entwickelung begriffe- nen Primitivscheiden der Nervenfasern haben selbst in der Nähe von Nervenkörpern ihre eigenen Kerne und verhalten sich ganz so, wie die Bindesubstanz in der Entwickelung. Ist daher die Ansicht Kölliker’s von dem Verhalteu der Cylinder-Axis zu der den Kern umgebenden Masse des \Ner- venkörpers richlig, so müsste die Repräsentation der Be- standtheile einer Zelle in jener Masse des Nervenkörpers um den Kern und in der Fortsetzung derselben in die Cy- linderaxis gegeben sein. An dieser Masse lässt sich nun zwar vorläufig noch keine Zellenmembran und geschiedener Inhalt erkennen, doch wird uns dieses auch in anderen Fäl- len unmöglich, wie z. B. in der glatten Muskelfaser, obschon nicht zu zweifeln ist, dass dieselbe aus einer Zelle hervor- gegangen. — Kölliker macht in der bezeichneten Abhand- lung gelegentlich die Bemerkung, dass die intercurrirenden Nervenkörper zwar ausserhalb der Scheide platt gedrückt, doch innerhalb derselben rund seien. Dem Ref. gelang es dagegen einen recht grossen Nerveukörper in der Cauda equina des Kalbes ohne Zerstörung der Scheide mit der Lupe zu untersuchen und mit Nadeln so zu stellen, dass er von der plattgedrücklen Form auch unter diesen Verhält- nissen sich überzeugen konnte. Stannius hat in seinem bekannten Werke (das peri- 9J pherische Nervensystem der Fische. Rostock 1349, 4 mit 5 Tafeln Abbildungen) vielfach auch auf die mikroskopischen Verhältnisse Rücksicht genommen. Eine besondere Aufmerk- samkeit schenkte der Verfasser dem Vorkommen von brei- ‚ten und schmalen Fasern in den Nerven sowobl des cere- brospinalen als sympathischen Systems. Die aus diesen Un- tersuchungen gewonnenen Resultate nöthigen Stannius zu dem Ausspruch, dass man sowohl im Bereiche des Gehirn- Rückenmarkssystems als des Sympalhieus zwei Systeme von sensibeln — und anscheinend auch von motorischen — Pri- mitiv-Röhren zu unterscheiden habe, die kurz mit „breiten“ und „schmalen“ Fasern bezeichnet sein mögen. Der Unier- schied beider liege jedoch gewiss weniger in der abweichen- den Breiten-Dimension, als in der Verschiedenheit ihres cen- tralen Ursprungs- oder Endpunktes, da dieselben Elemente bei verschiedenen Fischen zu grossen Schwankungen unter- liegen. So weiset der Verfasser darauf hin, dass die breiten, sensibeln Fasern für den Schleim absondernden Apparat so- wohl in der Bahn des N. trigeminus, als des N, facialis oder des N. vagus ihren Centralpunkt bei Knochenfischen in den Lobi posteriores med. oblong., bei den Stören und Plagiostomen in den Corpp. restiformia besitzen. Auch die feinen sensi- bein Fasern, wo sie besonders reichlich in einem Nerven vorkommen, wurzeln in eigenen Anschwellungen, so in dem Lobus impar medull. oblong. bei Cyprinen, in den Lobi pa- res bei Silurus, in den J,obi med. spinal. bei Trigla. Des- gleichen haben auch die Formen motorischer Fasern ihre be- sonderen centralen Anschwellungen, so diejenigen, welche das kontraktile Gaumenorgan bei Cyprinen versorgen, in dem sogenannten JLobus vagi. — In Betreff des Verhältnisses der Nervenkörper zu den Fasern bestätigt der Verfasser die An- gaben Bidder’s, Robin’s, R. Wagner’s und des Refe- renten. Die Existenz unipolarer Ganglienkörper bei den Fi- schen sei sehr zweifelhaft und der Entscheid darüber, ob die dein Auge sich darbietenden unipolaren und apolaren Gan- glienkörper für verstümmelte, bipolare Nervenkörper zu hal- ten seien, oder nicht, keineswegs so leicht, als Kölliker ihn nimmt. Allerdings finden sich apolare und unipolare Ganglienkörper vor, doch besitzen dieselben Scheidenfortsätze, sind daher schwer zu isoliren und stellen uns im isolirten Zustande daher nicht ganz sicher darüber, dass wir keine Kunstprodukte vor uns haben. Wo die Präparation leicht ist und das Präparat klar vorliegt, wie bei den Cyclostomen und Plagiostomen, zeigen sich immer nur bipolare Ganglien- körper. Stannius möchie aber aus diesem Grunde die ana- tomische Selbstständigkeit des Sympathicus nicht, wie es 60 von R. Wagner geschieht, bezweifeln, da man doch die Möglichkeit der Existenz unipolarer Nervenkörper nicht in Abrede stellen könne; und da der Verfasser ferner zwei peripherisch verlaufende, mit einem Nervenkörper in Verbin- dung stehende Fasern gerade in sympathischen Ganglien be- obachtet hat. Desgleichen macht der Verfasser auch auf das Vorkommen multipolarer Nervenkörper im Bereiche des Sympathicus aufmerksam. Von drei mit einem, Nervenkör- per in Verbindung stehenden Fasern schienen zwei periphe- risch, die eine central zu verlaufen. — Stannius hat in der Ganglienniasse an der Basis vom Siamme des N. maxill. superior bei Spinax acanthias eine Nervenröhre verfolgt, die in ihrem Verlaufe zwei kurz aufeinander folgende Ner-. venkörper ganz deutlich zeigt. Das Nervensystem, besonders den Ganglienstrang mit seinen Seitenästen beim Blutegel hat ©. Bruch zum Gegen- stande seiner Untersuchung gemacht. (Zeitsch. für wissensch. Zoolog. Bd. 1. S. 164 segqq.). Die histologischen Resultate werden in folgenden Worten zusammengefasst. In allen Ganglien des Bauchstrangs und an den Theilungsstellen des vorderen Seitennerven und seiner Aeste finden sich freie Ganglienkörper, in allen Ganglien des Centralorganes unipo- lare, endlich in den Aesten der beiden Körpernerven bipo- lare Nervenkörper. Ferner fügt der Verfasser seiner Ab- handlung hinzu, dass es ıhm gelungen sei, an den aus der Scheide herausgefallenen Nervenkörpern des Ganglion Gass. beim Kalbe durch Sprengung einer Membran den kernigen Inhalt zu entleeren und so sich von der Anwesenheit einer distincten Hülle des freien Ganglienkörpers zu überzeugen. Donders und Harting sprechen sich dahin aus, "dass; nach ihren Untersuchungen zu schliessen, sowohl bei höbe- ren als bei niederen Thieren die Ganglienkörper meistentheils nach zwei Polen hin mil Nervenfasern zusammenhängen. (Nederlandsch Lancet. D. 117. S.729. 733.) Bei Piscicola unterschied Leydig (a. a. ®. 5.130.) zwei ganz verschiedene Formen von Ganglienkörpern Die eine Form enthält einen bläschenförmigen Kern mit vielen Kern- körperchen und feinem körnigen Inhalt. Sie sind die häu- figsten und allein mit Fortsätzen versehen. Die andere Forın findet sich in einer runden Kapsel, die unmittelbar hinter dem Halsbande stiellörmig dem Gehirn aufsitzt. Sie zeich- nen sich durch die Grösse, den gross-bröcklichen Inhalt und den jedesmaligen Mangel von Fortsätzen aus. Die Augaben über die Theilurg und Verästelung der Nervenfasern sind zahlreich. Stannius (a. a.0. S.19 seq.) verfolgte die Theilungen von Primitivröhren des N, oculomo- 61 torius bei Pleuronecies, Belone, Esox; desgleichen bei Ga- dus und Esox im Bereiche des N. trochlearis. Sie finden sich öfters schon im Stamme. Der Verfasser beobach- tete nur dichotomische Theilungen , und der Theilungsstelle geht eine charakteristische, leichte Einschnürung voraus. Die sekundären Aeste waren nur wenig schmäler als der Stamm. Kölliker sah zahlreiche Theilungen (diehotomische) in den Nerven der Milz des Kalbes, und zwar sowohl im Inneren der Milz, als auch in den Hauptstämmen vor ihrem Eintritt in die Milz. — Bruch beobachtete diehotomische, trichoto- mische oder büschelförmige Theilungen der Nervenfasern, mit gleicher oder ungleicher Stärke der Aeste, in allen 4 Klassen der Wirbelthiere und zwar am besten in den Au- genmuskeln. Zu rascher Demonstration eignet sich nach dem Verf. besonders das Mesenterium des Frosches und das Anheftungsband des Eileiters beim weiblichen Frosche. Das Präparat wird zweckmässig mit Essigsäure beträufelt. (a.a.O. S.174.) — Kilian bemerkt in der oben angeführten Ab- handlung, dass die Nervenfasern sowohl in Stämmen als in Aesten der Uterinnerven Theilungen zeigen. Hessling ver- folgte eine sehr auflallende Theilung der Nervenfasern in den Nerven der Muskeln des Penis der Schmetterlinge. Es kommt hier vor, dass sich eine Primitiv-Röhre in zwei Aeste spal- tet, die eine Strecke parallel nebeneinander herlaufen und sich sodann wieder zu einer einzigen Faser verbinden (? R.). Ferner sollen zuweilen zwei Nervenfasern durch einen Quer- ast verbunden werden. (Fror. und Schleid. Notiz. 1849. Bd. IX. Nro. I. S.2.) Verästelungen der Primitivfasern des Gehirns begegnet man nach dem Verfasser bei Cyprinus alburnus. Auf dem Boden der Höhle des Lob. opticus lie- gen zwei Ganglien, deren oberflächlichste Schicht aus grauer Substanz, die nächstfolgende aus dieht aneinander liegenden Ganglienkörpern besteht, die öfters mit einer Nervenfaser in Verbindung stehen. Darunter liegt eine Schicht von Fasern mit untermischten Ganglienkörpern. An den genannten Fa- sern lässt sich beim weiteren Verfolge Verästelung und auch Anastomosenbildung beobachten. (Schleid. und Fror. No- tiz. 1849. Bd. IX. p. 145 seqg.) In der Haut des Frosches ist die Theilung der Nerven- fibrillen von Czermak beobachtet. (Müll. Arch. 1849. S. 262 seq.) Der Verfasser fand nur dichotomische Theilung, die sich jedoch oft an den neu enstandenen Aesten wieder- holte. Die neu entstandenen Aeste sind entweder von glei- cher Stärke, oder der eine von beiden Aesten zeigt sich viel schwächer als der andere und erscheint wie eine Abzwei- gung vom Stamme. Die Winkel, unter welchen die Aeste 62 gegeneinander und gegen die Stammfibrille geneigt sind, un- terliegen den grössten. Verschiedenheilen; sind bald stumpf, bald spitz, bald nahe zu 90%. Wirkliche Schlingenbildung oder auch nur Anastoımosen zwischen den einzelnen Fasern liessen sich mit Sicherheit nicht nachweisen, obgleich nicht zu leugnen sei, dass Figuren und Züge von Nervenröhren vorkommen, die die Möglichkeit einer solchen Deutung zu- lassen. Die Einschnürung vor der Theilungsstelle der Ner- venfaser hält der Verfasser wohl mit Recht für eine durch die Gerinnung des Markes entstandene Veränderung der Fa- ser. Denn öfters kommen derartige Einschnürungen vor, wo keine Theilung statt hat, und anderseits sieht ıman auf der Schwimmblase des Hechtes Theilungen der Nervenfasern, die, wenn das Präparat frisch genug ist, keine Spur von Verengerungen wahrnehmen lassen. Die Endigungen der pri- mitiven Nervenröhren in der Haut liessen sich nicht verfol- gen. — In Betreff der Schwinımblase von Esox lucius be- merkt Czermak, dass in derselben nach Behandlung mit Su- blimatlösung und Entfernung der vun ihm entdeckten glat- ten Muskelschicht zweierlei sich iheilende und verzweigende Nerven anzutreffen seien, Die eine Art ist sehr dünn, mit einfachen Kontouren, verlaufen in mehr oder starken Bün- delchen, die ein grossmaschiges Netz bilden iu der Längsaxe der Schwimmblase in ihrem vorderen Drittheile.. Von dem Netze zweigen sich dann und wann ein oder mehrere Fibril- len ab und verlieren sich spurlos oder legen sich an ein an- deres Bündel an. Die zweite Art der Fasern hat einen sehr bedeutenden Durchmesser, doppelie Kontouren, verläuft meist ganz einzeln; sind nicht sehr zahlreich, verästeln sich aber um so häufiger, ohne dass man mit Sicherheit die Endigungs- weise verfolgen konnte. Sie verbreiten sich hauptsächlich in der Gegend der Anheftungsstelle der Blase an den Rip- pen und richten sich gern nach der (ueraxe der Blase. (Zeitschrift für wissensch. Zoolog. Bd. II. S. 121 — 123. — Czermak hat endlich auch Verästelungen der Primitivfasern des Nerv. acusticus beobachtet (a. a. ©. S. 105 segq.). Der Verfasser untersuchte besonders den Stör und fand auch hier zweckmässig die Behandlung des Labyrinths mit Subli- miatlösung. In den Ampullen verlaufen die Nervenfasern vom Sept. transv. aus ziemlich in einer Ebene strahlenför- mig auseinander; in den Gruben der Otolithen hingegen zie- hen sie mannigfach gekrümmt und gebogen in verschiede- nen Höhen über- und untereinander in der Substanz der verdickten Membran des Labyrinthes herum. Unzweifelhaft freie Enden oder Umbiegungsschlingen wurden nirgend be- obachtet, dagegen mit völliger Sicherheit Verzweigungen der \ 63 Fasern. Die Breite der Fasern beträgt ;%"', der feineren Aeste bis „2;"'. An den mit Sublimat behandelten Präpa- raten war noch besonders schön der Axencylinder zu ver- folgen, wie er mit den Verzweigungen der ganzen Faser sich gleichfalls verzweigte und dabei nirgends Einschnürungen zeigle. Drüsen. Mehrere Forscher haben sich mit der Struktur der Le- ber beschäftigt. Hinsichtlich der bestehenden Kontroversen scheinen sich fast alle neueren Resultate dahin zu vereini- gen, dass auch beim Menschen ein lappiger Bau der Leber nicht abzuweisen sei. Dagegen divergiren die Ansichten darüber, ob die Leberzellen in Kanäle eingeschlossen sind, oder frei liegen. Gerlach schliesst sich in seinen Ansichten Henle an. (Handb. der Geweblehre ete. Lief. II. S. 271 seqq.). Nach dem Verfasser fehlt in der Leber des Menschen und der mei- sten Säugethiere eine aus fester Bindesubstanz gebildete Kap- sel der Läppchen, die nur durch die Anordnung der Leber- zellen und der Gefässe markirt sind. Die Leberzellen sind reihenweise und radienartig ohne Umhüllung durch Binde- substanz um die Vena intralobularis der Läppchen geordnet. Gegen die Peripherie des Läppchens sind die Radien durch quere Zellenreihen verbunden und das gestreifte Ansehen macht einem mehr netizförmigen Platz. Die Grösse der Läpp- chen beträgt beim Menschen höchstens 0,3 bis 0,5'' im grössten Durchmesser. Ueber das Verhältniss der Läppchen und ihrer Leberzellen zu den letzten Verzweigungen der Le- bergänge spricht sich Gerlach folgendermassen aus. Die zu. den Läppchen hinzutretenden Ducius interlob., gebildet aus einer strukturlosen Haut mit einzelnen, longitudinalen Kernen, verbinden sich untereinander in der Umgebung des Fäppchens und schicken zahlreiche Aesichen von 0,002 bis 0.004“ Durchmesser in die peripherische Substanz der Läpp- chen hinein. Hier bilden dieselben zuerst ein Netz, dessen Maschen von eckiger Gestalt und 0,038”‘—0,04' weit sind. Dieses peripherische Gallengangnetz steht in injieirten Le- bern mit einem die centrale Masse des Läppchens einneh- menden klein-maschigen Netze in. Verbindung, dessen Gänge weiter sind (um das Doppelte und Dreifache), und deren Kontouren (wie es scheint, in Abhängigkeit von den sie be- grenzenden Leberzellen) sehr ungleichförmig fortziehen. Die Leberzellen füllen übrigens, abgesehen von den Gefässen, die Maschen der besprochenen Neize der Läppchen aus. In dem 64 r peripherischen Gallengangnetz der Läppchen zeigen die Gänge noch Wandungen, gebildet durch eine strukturlose Haut. An den Gängen des centralen Netzes der Läppchen dagegen lies- sen sich Wandungen nicht entdecken, und, obgleich der Ver- fasser die Gallengänge im Läppehen niemals frei endigen sah, und die Injektionsmasse aus dem peripherischen Gal- lengangnetze ihren konstanten Weg zwischen den angeblich leicht verschiebbaren Leberzellen in die geordnete Bahn des centralen Netzes gefunden hat; — so will der Verf. den- noch lieber die Hypothese Henle’s bestätigen, dass jene Gänge des centralen Netzes nur Hohlräume, Intercellular- gänge, zwischen den Leberzellen darstellen. Demnach sollen nach Gerlach die Gallengänge in den Läppchen als ein Netz von Inlercellulargängen zwischen den Leberzellen beginnen, und dann erst in das mit Wandungen versehene, peripheri- sche Gailengangnetz der Läppchen übergehen. — Die Kapil- laren eines Leberläppchens, vereinigen sich nach dem Ver- fasser meist erst in zwei Venenwurzeln, die dann zur Vena centralis zusammenfliessen. In Betreff der Pfortader - Ver- zweigung bemerkt Gerlach, dass der grössere Pfortaderast, von welchen mehrere Venae interlobulares entspringen, auch den Mittelpunkt bildet, um den eine gewisse Anzahl von Le- berläppchen gruppirt ist; — eine Bildung, die vielleicht nicht ohne Einfluss auf das Zustandekommen der Granulationen in der Lebereirrhose sein möchte. ©. H. Jones hat sich in seinen Ansichten über das Verhältniss der letzten Enden der Gallengänge zu den Le- berzellen neuerdings gleichfalls an eine der Hypothesen Hen- le’s angeschlossen. Aus Injektionen schliesst der Verfasser, dass die Gallengänge nicht in das Innere eines Läppchens ein- dringen. Sie endigen vielinehr abgerundet und bestimmt ge- schlossen, oder ihre Wandungen werden in der Nähe des Läppchens unbestimmt und hören gänzlich auf. Man unter- scheidet an ihnen in der Nähe der Endigung als Wandung die Tunica propria (basement membrane der Engl.) mit Ker- nen und eine Epithelial-Schicht. Bei der Eudigung werden auch die Zellen des Epithelium unbestimmt und es bleibt nur eine granulirte, homogene Masse mit eingestreuten Ker- nen übrig. Die in den Leberzellen gebildete Galle so!! vom Inneren der Läppehen zur Peripherie von Zelle zu Zelle fort- geführt werden, dann in den Interstitien zwischen den Läpp- chen (Fissurae interlobulares) angesammelt entweder von den Gefässen oder von den Duclus biliarii aufgenommen wer- den. (Philos. Transaet. 1849; Past. I. p. 109 segq.: On the structure and development of the liver.) Auch Retzius verdanken wir Mittheilungen über den 65 Bau der Leber. (Müll. Arch. 1849. S. 154 segq.) Nach: dem Verfasser ist gleichfalls die Leber im Grunde lobulär, doch können die Läppchen mehr oder minder undeutlich werden und verschmelzen, je nach der Ausbildung der Lebervenen- Verzweigungen etc. Am beständigsten markirt sich der lo- buläre Bau durch die Gailenröhrchen -Netze um die Läpp- chen, aus welchen die verzweigten Röhrchen für das Innere der Läppchen hervorgehen. Ausserdem macht Retzius noch besonders auf die schon von Kiernan angedeutelen Gal- lenröhren -Netze in der Capsula Gliss. aufmerksam, welche die stamm- und zweigförmigen Fortsetzungen der Ven. port. durch das ganze Organ begleilen. Die Gallengänge bilden hier Plexus, aus welchen ein ebenso feines Netz hervorgeht, wie das lobuläre und perilobuläre, und das mit dem letzte- ren zusammenhängt. Die Röhren der Gallengang-Netze be- sitzen überall bestimmte Wandungen (Tunica propr.), was schon aus den Erfolgen der Injektionen erschlossen werden müsse, Doch lässt sich die Grundhaut der Gallenröhrchen am besten an Schnittchen getrockneter Lebersubstanz nach- weisen, die vorher mit Aether vom Fett befreit war. Hin- sichtlich der einzelnen Details, namentlich auch in Bezug auf die Gefässe, die Vasa stellata K. verweist Ref. auf die Ab- handlung, durch welche in der Hauptsache Kiernan’s Un- tersuchungen bestätigt werden. Ueber die Drüsen des Tubus alimentarius ent- nimmt Ref. aus der Abhandlung Frerich’s über die Ver- dauung (Handwörterb. der Physiolog. Bd. III. S. 742 seqgq.) folgende Angaben. Die sogenannten lenticeulären Drüsen- Follikel finden sich am Zahnfleische als Gland. tartaricae, an der Backen-Schleimhaut, am Gaumensegel, im Oesophagus, besonders im unteren Drittheil, ferner im Magen, im Dünn- und Diekdarm. Doch ist ihr Vorkommen im oberen Theile der Digestionsorgane nicht konstant. Im Magen sind sie bald zahlreich, bald gar nicht wahrzunehmen. Am häufig- . sten zeigen sie sich bei denjenigen Individuen, die längere Zeit an Katarrhen gelitten. Bei Kindern sind sie stärker ausgebildet, als bei Erwachsenen. Ihre Grösse variirt zwi- schen „,—1”'. Als Endstadium der Entwickelung (? Ref.) betrachtet Ref. das Platzen derselben und die Ergiessung ihres Inhaltes. Hierher gehören auch die Gland. Peyerianae. Traubige, Schleim absondernde Drüsen zeigen sich nach dem Verfasser im submuceösen Theile der Schleimhaut in der oberen Hälfte des Verdauungskanals, an den Lippen, Wan- gen, an der Zunge, am Gaumensegel, im Oesophagus, im Duodenum. Die schlauchförmigen Aecini messen —F5"; der Ausführungsgang steigt schief empor in einer Länge von Müller’s Archiv. 1850. E 66 11”. Seine Breite beträgt 4,— ‚1;"'. Er zeigt bis wei- len Andeutung von Muskelfasern. “Der flüssige Theil des Inhalts koagulirt nicht deutlich durch Essigsäure. Im unte- ren Drittheil der Speiseröhre liegen sie in Längsreihen ge- ordnet. Die traubigen Brunn’schen Drüsen mit runden, 245 grossen Aecini finden sich nur im Duodenum und konnten an der Pars pylorica des Magens nicht nachgewie- sen werden. — Die schlauchförmigen Labdrüsen sind ent- weder einfach cylindrisch, oder haben eine leichte Ausbuch- tung am Grunde. Fingerförmig getheilte Formen konnten nicht wahrgenommen werden; nur ein paar Male eine di- chotomische Theilung beim Hunde. Nicht selten sind sie gruppenweise zu 3, 4, 7 geordnet. Die Länge beträgt. beim Menschen im Mittel u die Breite „4 — 45. Die Mün- dung der Drüsen ist trichterförmig, und in dieselbe steigen die Cylinder-Epithelien eine Strecke hinab. Nach Beendigung der Verdauung sollen Zellen und Kerne in den Drüsen gänz- lich fehlen. Auch will der Verf. hier auf das Bestimmteste (! Ref.) Zellenbildung durch Umlagerung beobachtet haben. Die Lieberkühn’schen Drüsen des Dünudarms haben eine Länge von 4— +" und eine Breite von „5, — 75. Im Dick- darm erreichen sie eine Länge von 3 und Breite von — bis ‚5‘. Der Inhalt reagirt alkalisch. — Als Inhalt der an- geführten Drüsen giebt der Verf. ziemlich übereinstimmend Fluidum, moleculare Körperehen, Kerne und rundliche, nicht eylindrische Zellen an. Zugleich möchte der Verfasser ge- gen die Ansicht ankämpfen, dass die Drüsenzellen ein Epi- thelium darstellen. — Auch einfache Ausbuchtungen der struk- turlosen, die Epithelien tragenden Membran in die Bindege- webeschicht der Schleimhaut als Cryptae mucosae bis zur Länge von 1” und der Breite von 4‘ wurden beobachtet. Ueber die Drüsen des Magens hat auch Bruch seine Beob- achtungen in der Abhandlung über den en mitgetheilt. (a. a. ©. S. 274 seqgq.). An den hungenbläschen des Schafs und eines zwei- jährigen Kindes hat Gerlach (a. a. ©, S. 248.) Muskelfasern unterscheiden können. Ref. vermag nach seinen Untersu- chungen sich für das Vorhandensein von Muskelfasern nicht zu entscheiden. Die Kontroverse über das Verhältniss der Malpighischen Körperchen der Niere zu den Erweiterungen der Harnka- nälchen (Müller’sche Kapsel) dauert noch fort. Gegen die Bidder’sche Auffassung, zu der auch Ref. zu bekennen sich genöthigt sieht, ist Dr. V. Carus aufgetreten. (Ueber die Malpighischen Körperchen der Niere: Zeitschr. für wissensch. Zoolog. Bd.1l. S.58seqq.) Dass die Glomeruli den Erweite- 67 rungen der Harnkanälchen nur anliegen, wurde von Bidder mit Recht daraus geschlossen, dass der Glomerulus ohne Zerstörung der sog. Kapsel völlig von der letzteren entfernt werden könne. Zugleich macht Bidder (8. 58.) darauf auf- merksam, dass bei den Froschlarven statt vieler, ein einzi- ger verhältnissmässig grosser Glomerulus , gänzlich von den Wolff’schen Körperchen getrennt, daliege. Carus wendet gegen den ersteren Punkt ein, dass bei künstlicher Entfer- nung des Glomerulus, nach eigner Angabe Bidder’s, das Epithelium in der sogenannten Kapsel gefehlt habe, und dass daraus folge, dass Bidder keine unverletzte Kapsel vor sich gehabt habe. Allein Bidder führt nur an, dass er bei sei- nen ersten Mittheilungen, obgleich er davon überzeugt war, dass der Glomerulus die Kapsel nicht durchbohre, dennoch nicht im Stande gewesen sei, die Fortsetzung des Epithe- lium über den, wie er damals glaubte, eingestülpten Theil der Kapsel auf eine befriedigende Weise zu verfolgen. Dass aber die Kapsel mit ihren Zellen, nach der Entfernung oder Verrückung des Glomerulus, sich anders verhalte, als zuvor, ist nicht gesagt, ist auch wirklich nicht der Fall. Ferner bemerkt Carus gegen Bidder’s Ansicht, dass man niemals Seitenansichten gewinne, aus denen eine solche Aneinander- lagerung hervorgehe. Allein Bidder hebt ausdrücklich her- vor, dass man das ausgeschnittene Präparat der Triton- Niere gar nicht zerren müsse, wenn eine gute Beobachtung gemacht werden solle, und in solchen Fällen liegt nun ein- mal der plattgedrückte Glomerulus entvwvreder oberhalb oder unterhalb der sog. Kapsel, und dieses Lagenverhältniss ist ohne Zerstörung des Präparats auch nicht zu ändern. End- lich fügt Vict. Carus noch hinzu, dass bei der Lage des Glomerulus ausserhalb der Kapsel die Kontour der letzteren als Trennungsgrenze von dem Gefässknäuel zu beobachten sein müsse, was doch nicht der Fall sei. Dass dieser Ein- wurf nicht gerechtfertigt ist, ergiebt sich aus der eben ge- machten Bemerkung über das Lagenverhältniss beider Theile zueinander. Ist aber der Glomerulus fortgerückt, so sieht man recht schön die unversehrte Begrenzung der Kapsel. Ref. vermag mit Rücksicht auf diese Kontroverse nur das zu wiederholen, was er im vorjährigen Jahresbericht ausge- sprochen. — V. Carus ist nun der Ansicht, dass der Glo- merulus wirklich frei in der erweiterten Stelle (Triton), oder in dem blinden, angeschwollenen Ende eines 'Harnka- nälchens (übrige Thiere ? Ref.) liege und von einer einfachen Schicht eines Pflaster-Epithels überzogen sei. Die Tunica propria wird dabei von dem ein- und ausleerenden Gefässe durchbohrt. Bei Bufo variabilis sah der Verfasser die Zel- E2 68 len der Kapsel ganz flach werden und immer nur je eine, nach dem freien Ende dicker werdende Cilie tragen. Ref. bedauert, in seinem Exemplar der genannten Zeitschrift nicht die beigegebenen Abbildungen zur Anschauung gehabt zu ha- ben, da die bezeichnete Tafel gänzlich fehlt. Wittich, der die Bidder’sche Arbeit nur aus Citaten kennt, ist gleichfalls der Ansicht, dass der Glomerulus frei in die sogenannte Kapsel eintrete. (Beiträge zur Anatomie der gesunden und kranken Niere: Virchow’s und Rein- hard’s Archiv; Bd. III. S. 147 seggq.) Blutdrüsen. Die sog. Drüsen ohne Ausführungsgang sind von Ecker untersucht und bearbeitet. (Handwörterb. der Phys. Artikel „Blutgefässdrüsen“. Bd. IV. S. 107 seqq.) Der Verfasser rech- net dahin auch den Hirnanhang, wenigstens mit dem einen Lappen. Alle diese Drüsen haben das gemeinschaftlich, dass sie aus geschlossenen, mit feinkörniger Masse, Kernen und Zellen gefüllten Zellen oder Blasen bestehen, die von einer strukturlosen Haut gebildet werden, welche in ein Bindege- webelager eingesenkt sind. Gegen den Hef. bemerkt der Verf., dass die Haut der Blasen keine Bindesubstanz sei, weil sie sich chemisch anders verhält, sich vollkommen isoliren lässt und weil die Blasen zuweilen aus Zellen durch Vergrösse- rung derselben sich entwickeln (Nebenniere der Fische). Der Verf. wird wohl nicht mehr streng auf diese Ansicht beste- hen, da nunmehr auch von Leydig und Kölliker die Tu- nica propria der Drüsenelemenie als Bindesubstanz aner- kannt ist. Von den für seine Ansicht angeführten Beweisen wäre nur ein einziger von Werth, wenn derselbe als sicher konstatirt angesehen werden könnte, nämlich die Entwicke- lung der Blasen aus Zellen durch Vergrösserung der letzte- ren. — In der Schilddrüse haben die Blasen einen Durch- messer von 0,050—0,7m. m. Die Carotiden-Drüse der Frö- sche hält der Verfasser gegen Simor und Stannius mit Huschke nur für ein Wundernetz. Bei den Plagiostomen ist die Schilddrüse seit Stenonis bekannt und liegt am Theilungswinkel des Kiemenarterien - Stamms. Stannius habe sie mit Unrecht für die Thymus gehalten. Ebendaselbst findet sich die Schilddrüse hei Knochenfischen. — In Betreff der Thymusdrüse bemerkt der Verfasser, dass jede Hälfte derselben nach sorgfältiger Trennung der einzelnen Lappen an dem Ende zu einem langen, bandartigen, stellenweise knotig angeschwollenen Körper sich entwickeln lasse, an dem man einen centralen Verbindungstheil und an diesem 69 ringsum anhängende Läppchen unterscheiden könne. Dieser lange Körper erweist sıch dabei in einer Art Spiraltour zu- sammengelegt. Jeder Lappen besteht aus mehreren koni- schen Läppchen, und diese wieder aus gruppenweise ver- mischten Hohlkugeln (Acini) von ungefähr 1— &'" im Durch- messer, deren Höhlen aus der allen Acini gemeinschaftlichen Höhle eines Läppchens und diese mit dem Kanale des cen- tralen Verbindungstheiles in kontinuirlichem Zusammenhange stehen. Als Inhalt der Höhlen zeigen sich ausser Plasma und Füllkörnchen: Kerne, Zellen den Lymphkörperchen ähn- lieh, endlich die vom Verfasser sogenannten ‚‚concentrischen Körper“ der Thymus. Die einfachen Körper dieser Art sind rundliche Blasen von 0,017 — 0,020 m.m. im Durchm. mit einer sehr dicken, koncentrisch gestreiften Hülle, einer fetti- gen, schillernden Kernmasse, 'welche daneben noch einen Kern und körniges Konglomerat enthalten kann. Die grös- seren Körperchen (bis zu 0,060m.m.) bestehen aus mehreren einfachen Blasen mit gemeinschaftlicher, concentrisch ge- streifter Hülle. Valentin hat ähnliche Körperchen aus dem Unterhautzellgewebe des Fusses eines monatlichen Embryo abgebildet. Henle hat sie als Hassallsche, concentrische Körperchen des Blutes bezeichnet. Die „Fettdrüsen“ (Ru- dolphi) oder ‚‚Winterschlafdrüsen‘ (Barkow) mehrerer Säugethiere dürfen nach dem Verfasser nicht für eine persi- stirende Thymus gehalten werden. Bei Vögeln liegt die Thymus an der äusseren Seite der Vena jugularis und des Nerv. vagus, bei Reptilien im Winkel zwischen A. carotis und subelavia (Schildkröten, Schlangen), oder wie bei den Vögeln (Krokodile) etc. — Bei der Milz bestätigt der Verf. die Angaben Kölliker’s über das Vorkommen glatter Mus- kelfasern in der Hülle, den Balken und in den Gefässschei- den. Selbst die mit einem vorspringenden, rundlichen Kern versehenen Faser-Elemente in dem Balkengewebe der Milz des Menschen werden für Muskelfasern erklärt, obgleich Köl- liker seine frühere Ansicht zurückgenommen. In Betreff der Milzbläschen bestätigt der Verf. hinsichtlich der Lage die Angaben .J. Müller’s. Ihr Zusammenhang mit Lymphge- fässen wird geleugnet. Desgleichen nimmt der Verf. Anstand, die Malpigh. Körperchen mit den bei anderen Blutdrüsen vor- kommenden Blasen zu vergleichen, da eine sogenannte Tunica propria nach seinen neueren Untersuchungen fehlen solle. Demnach darf auch die Milz nicht völlig in eine Kategorie mit den übrigen Blutdrüsen gestellt werden. — Dagegen wird der vordere Jappen der Hypophysis cerebri für eine wirk- liche Blutdrüse gehalten; die Blasen darin erreichen die 70 Grösse von 0,03—0,09m. m. Der hintere Lappen wird mit der Marksubstanz der Nebenniere verglichen. Schaffner hält übereinstimmend mit Gerlach die Milzkörperchen für Anhänge der Lymphgefässe. Der Verf. fand sie auch bei Fischen, wo Huschke und Ecker sie nicht beobachtet haben. (Zeitsch. für ration. Med. Bd. VII. S. 345 seqgq.) In Todd’s Cyelopaedia befinden sich die Abhandlungen über die Gland. Thymus und Thyreoidia von Jones, der sich hauptsächlich an die bekannte Arbeit Simon’s an- schliesst (a. a. ©. Part. XXXIX. S. 1087—1118), ferner über die Nebenniere mit besonderer Berücksichtigung der E cker- schen Untersuchungen von Frey nnd endlich über die Milz von Kölliker, dessen Resultate im Wesentlichen mit den- jenigen Ecker’s übereinstimmen. Handbücher und Hülfsmittel. © F. Boucher: Recherches sur la structure des organes de l’homme et des animaux les plus connus. Paris 1848, 8. avec 104 figures. J. Quekett: A practical treatise on the use of the micro- scope. London. 1848. 8. 9 Tafeln. Eine deutsche Ueber- _ setzung dieses Werkes wurde herausgegeben von C. Hart- mann. Weimar. 1850. Ch. Robin: Du microscope et des injections dans leurs appli- cations ä l’anatomie et ä la pathologie, suivi d’une classi- sification des sciences fondamentales, de celle de la biolo- gie et de l’anatomie en particulier. Paris. 8. 1849. Ausserdem Fortsetzungen der früher begonnenen und angeführten Schriften. Ueber das Stimmorgan und die Bildang der Stimme. = Von Dr. A. Rınne in Göttingen. Seit 3. Müller’s umfassenden Untersuchungen über die Stimm- bildung im Menschen *) hat sich die grosse Mehrzahl der Physiologen für die von ihm vertretene Ansicht entschieden. Man pflegt gegenwärtig den menschlichen Kehlkopf als eine mit Ansatz- und Windrohr versehene Zungenpfeife mit zwei durch Spannung elastischen Zungen zu betrachten. Man hat einzeine dieser Ansicht widersprechende Thatsachen nicht ganz übersehen, ohne dass es bisjetzt. gelungen wäre, diesel- ben mit Müller's Theorie in Einklang zu bringen; doch hat man im Allgemeinen diese Widersprüche nicht für bedeutend genug gehalten, um deshalb die ganze Theorie aufzugeben; man hat sich mit dem gemachten Fortschritte begnügt, und die Beantwortung der als Nebenpunkte betrachteten von Mül- ler nieht gelösten Fragen späteren Untersuchungen über- lassen. *)-J. Müller über die Compensation der physischen Kräfte am menschlichen Stimmorgan. Berlin 1839. Desselben Physiologie des Menschen, Coblenz, 1844. II, 433 ff. Müller’s Archiv. 1850, 1 Um die, wie es scheint, wichtigste Abweichung hervor- zuheben, erinnere ich an die Thatsache, dass die Tonhöhe der stabförmigen Zungen sowohl, als der membranösen durch Spannung elastischen nicht lediglich durch ihre Dimensionen und ihre Elasticität bestimmt, sondern wesentlich durch ein unmittelbar angrenzendes begrenztes Medium, durch die in einem Wind- oder Ansatzrohr befindliche Luftsäule influirt wird, — und W. Weber’s und Müller’s Arbeiten über die Zungenpfeifen hatten besonders den Zweck, die Gesetze die- ser Einwirkung festzustellen, — während diese Luftsäulen den Ton des menschlichen Kehlkopfs in seiner Höhe, we- nigstens bei gelungenen Versuchen durchaus nicht abzuändern vermögen. Die Frage nach den Ursachen dieser Erscheinung ist der Gegenstand der Untersuchungen, welche in den fol- genden Blättern vorliegen. $. 1. Müller hat diese Abnormität dadurch zu erklä- ren gesucht, dass die Stimmbänder des menschlichen Kehl- kopfs nur in einer Richtung gespannt, und dass deshalb ihre Schwingungen viel geringerer Modificationen fähig seien, als _ die der allseitig gespannten Zungen von Kautschuck. Abge- sehen davon, dass diese Erklärung von ihm durch keine wei- teren Versuche begründet ist, widersprechen ihr auch ganz bestimmte Erfahrungen. Denn die Tonhöhe der einlippigen Zungenpfeifen, mit denen Müller exprimentirte, liess sich durch Ansätze um eine Octav vertiefen, und gerade sie sind nur‘ in einer Richtung gespannt. Auch wird sich im weite- ren Verlaufe meiner Untersuchungen zeigen, dass der Ton zweilippiger Zungenpfeifen in vielen Fällen ganz unabhängig von der Länge der Ansätze ist. Auf eine zweite Erklärung werden wir leicht durch eine andere Angabe Müller’s geführt. Es heisst nämlich in dem angeführten Werke über Compensation, dass Zungenpfeifen, deren Zungen einander ihre Innenflächen zuwenden, in ihrer Tonhöhe sich am meisten dem menschlichen Kehlkopfe ana- log verhalten. Nun liegt der Gedanke nahe, dass eben diese 3 Convergenz der Zungen in einem mehr oder weniger spitzen Winkel es sei, welche die Einwirkung der angrenzenden Luftsäulen auf die eine oder andere Weise kompensire. Durch die ersten‘ Versuche, welche ich mit einer solchen Zungen- pfeife,. dem künstlichen Kehlkopfe anstellte, schien diese Annahme vollkommen bestätigt zu werden. Doch bald fand ich, dass sehr oft, namentlich bei geringer Spannung, sich die Tonhöhe dieses Apparates durch Ansätze sehr merklich ändern liess, und dass derselbe nur in seinen höheren Tönen Müllers Angabe rechifertigte. Will man endlich, wie es ja geschehen ist, in der grös- seren oder geringeren Weite, welche 'Trachea und Bronchien im' Leben: annehmen können, oder in ihrer wechselnden Länge und Spannung eine Möglichkeit der Compensation se- hen, will man viele sonst schwer begreifliche Thatsachen auf eine mögliche Verengerung des Aditus glottidis inferior durch die entsprechenden Muskeln beziehen, oder sie durch die Einwirkung der oberen Stimmbänder und des Kehldek kels erklären, so genügt zur Widerlegung dieser Hypothesen die Erfahrung, dass eben der Ton des ausgeschnittenen Kehl- kopfs auch dann bei jeder Länge des Wind- und Ansatzrohrs derselbe bleibt, wenn man alle über der Stimmritze liegen- den Theile entfernt, der Trachea ein hölzernes Rohr substi- tuirt, und den Ad. glott. inf. ohne künstliche Einwirkung seiner Elasticität und dem Luftdrucke überlässt. Da mir keine der bekannten Thatsachen zur Erklärung genügend schien, so stellte ich eine Reihe von Versuchen an, von denen ich einige zur Mitiheilung auswähle. Diejenigen, welche mit Müller’s bekannten Erfahrungen übereinstimmen, werde ich in der Regel nur kurz andeuten, und nur dann ausführlicher behandeln, wenn sie in Verbindung mit ande- ren mich zu Schlussfolgerungen veranlassen, welche von den früheren Ansichten abweichen. Die bei meinen Versuchen benutzten Kautschuckzungen spannte ich auf eylindrische Röhren von 1 Par. Zoll Durch- 1* 4 messer und Höhe. Da nach Weber's und Müller's Erfah- rungen ein sehr kurzes Ansatz- oder Windrohr die Tonhöhe einer Zungenpfeife nicht merklich ändert, so konnte die ge- nannte Höhe des Rohrs die Richtigkeit der Resultate nicht beeinträchtigen. Diese Cylinder verband ich mit Ansätzen von demselben Durchmesser und je nach Bedarf verschiede- ner Länge. | Ich stelle im Folgenden die Versuche, bei denen der Ton durch Anblasen mit einem Tubulus erregt wurde, als die einfacheren voran. Bei ihnen war, abgesehen von den sich bildenden Verdichtungswellen, der Luftdruck an beiden Seiten der Zunge gleich stark. Erst nach diesen folgen die Versuche, bei denen ich den Rahmen oder das an ihm be- festigte Windrohr mit den Lippen umfasste, Diese sind we- gen der Einwirkung einer mehr oder weniger comprimirten Luftsäule auf die eine Seite der Zunge in ihrer ganzen Aus- dehnung etwas verwickelter, als die ersteren. \ ‚I. Versuche bei jederseits gleich starkem Luft- druck. $. 2. Die aufgespannte Kautschuckzunge ' deckte die obere Oeffnung des Rahmens zur Hälfte, die andere Hälfte Fig. 1. der Oefinuag blieb unbedeckt. (Fig. 1, Querschnitt.) Die Resultate waren fol- | | sende: In einer ganzen Heihe von Versu- chen blıeb die Tonhöhe unverändert die- selbe bei jeder Länge der Ansätze. Dieselben hatten auch nicht den geringsten Einfluss: auf die Leichtigkeit des An- spruchs. Der einzige merkliche Unterschied in den Tönen bezog sich auf ihre Stärke. Stärker wurden sie jedesmal, wenn die Ansätze eine solche Länge erreichten, bei der sie nach der Theorie der Labialpfeifen den Eigenton der Zunge oder doch einen diesem sehr nahen Ton gegeben haben wür- den. In einer anderen Reihe wurde zwar der Ton durch d ein Ansatzrohr nicht merklich tiefer, aber er sprach bei ei- ner Länge desselben, — welche bei gewöhnlichen Zungen- pfeifen die stärkste. Verliefung zur Folge gehabt haben würde, weniger gut'an. Ich musste in diesen Fällen, um die Zunge zum Anspruch zu bringen, nicht nur angestrengter blasen, sondern es war auch deutlich zu sehen, wie die Excursio- nen derselben kleiner und kleiner wurden. Manchmal kam es vor, dass je nach der Richtung des Röhrchens entweder der Rand nur in sehr geringer Breite, also wie bei der Fal- settstimme des menschlichen Kehlkopfs vibrirte, oder auch, dass dieser äusserste Rand ganz unbeweglich blieb, und klei- nere dem Aussenrande näher liegende Partien in Schwingung versetzt wurden. Ich erhielt dann bedeutend höhere Töne. Bei. allen diesen Versuchen kommen manchmal -Uebel- stände vor, die, wenn man ein richtiges Resultat erhalten will, wohl vermieden werden müssen. Zuerst die höchst unvollkommene Elasticität des Kautschucks. Hat man ein Blättchen dieser Substanz aufgespannt, so ist anfänglich sein Ton viel höher, als nach einigen Stunden. Besonders rasch mindert sich gleich im Anfange die Spannung, wenn das eben aufgespannte Blättchen in starke Schwingungen ver- setzt wird. Verlängert man dann successive die Ansätze, so fühlt man sich versucht, die eintretende Vertiefung auf ihre Rechnung zu. bringen, und kommt erst von seinem Irrihume zurück, wenn ihre Verkürzung auf die ursprüngliche Länge nicht eine entsprechende Erhöhung des Tons zur Folge hat. Man thut immer wohl, eine aufgespannte Zunge erst längere Zeit vor einem ‚Versuche ruhen zu lassen. Auch durch all- mählige Befeuchtung beim längeren Anblasen. kann der Ton tiefer werden: doch ist dieser Uebelstand leicht zu ver- meiden. $. 3. Der vorige Apparat wurde dadurch abgeändert, dass die freigebliebene Oeffnung des Rahmens durch ein zwei- Fig. 2. tes beliebig, gespanntes Kautschucklätt- chen zur Hälfte gedeckt wurde. (Eig. 2.) er | Bei der geringsten Länge des Ansatz- rohrs war der Ton in einem Versuche — cis. Er blieb bei jeder Verlängerung des Rohrs un- Se derselbe. Bei einer Länge von 20” —22'' sprach er etwas schwerer an; die Excursionen der Zungen wurden dann wie oben kleiner. Jedoch zeigte sich bei anderen Versuchen mit einem gleichen Apparate schon eine merkli- che Veränderung der Tonhöhe je nach der Länge der An- sätze. So in dem folgenden: Länge des Pe LI Tonhöhe. Bemerkungen. 17 19% | © 1.d5 10 dis | der Ton sprieht schwer an. 11” — 13°) Tdis | bei 11“ der Sprung. _ LET, —dis | Schwer. 20° +dis | Sprung. 24" dis | Schwer. 26° -- 29°) dis | bei 26“ der Sprung. $. 4. Die ganze obere Oeffnung des Rahmens wurde durch zwei ge Kautschuckblätter so verschlossen, Fig. 3 dass nur ein schmaler Spalt in der Mitte frei blieb. (Fig. 3) Es war auch hier Hs l natürlich keine gleiche Spannung der Blätter erforderlich, weil nur das eine in Schwingung versetzt werden sollte. Der Einfluss länge- rer Ansätze wurde schon sehr merklich. L | Länge. des Tonhöh H Ansatzrohrs. onhöhe Bemerkungen. 2 — eis d — a ; L der Ton fällt. 175 24‘ + ais 26" e | Sprung. 4 & " der Ton fällt. 34 —h 36“ + h | Sprung. Hier sinkt sonderbarerweise der Ton zuerst von — cis auf + ais, steigt dann aber nicht wieder auf seine ursprüng- liche Höhe, sondern auf c. Dann fällt er wieder, statt auf 4 ais, auf — h, und von da springt er abermals nicht, wie man doch erwarten sollte, auf — cis oder c, sondern auf + h zurück. Nach Weber springt der Ton einer mit ei- nem Ansatzrohre verbundenen Zunge in bestimmten Zwi- schenräumen auf seine ursprüngliche Höhe zurück und nur seine Vertiefung wird allmählig geringer. “So sinkt er vor dem ersten Sprunge um eine Octav, vor dem zweiten um eine Quart, vor dem dritten um eine kleine Terz.*) Mül- ler’s Erfahrungen weichen von denen ‚Weber’s schon be- trächtlich ab. In vielen Fällen gelang es ihm nicht, den Ton um eine ganze Octav zu vertiefen, jedoch sank derselbe mit wenigen Ausnahmen vor den: zweiten und dritten Sprunge eben so stark wie vor dem ersten. Meine eignen Versuche weichen, wie wir weiter unten sehen werden, von denen der genannten Forscher constant ab, und zwar in der Art, wie es im vorstehenden der Fall war. Eine nicht geringere Anomalie finden wir in den zum Sprunge veranlassenden Längen des Ansatzrohrse. Der erste Sprung geschieht 'bei 26‘, der zweite bei 36”. *) Vergleiche Bindseil’s Akustik. Potsdam, 1839, S. 460 ff. 8 TE ET u ET TE ERTEILT u Eu ae Su TR na en II. Länge des | Tonhöhe. Bemerkungen, Ansatzrohrs. q4 IE f 44" a 104” FT der Ton fällt. 14” dis 154" d 17a — d F| bei schwachem Blasen — d, bei starkem f # || der Ton fällt ag dis | er Ton fällt. 38" +e | Sprung. Ich untersuchte noch das Verhältniss der Variationen in der. Tonhöhe zu der Breite des offenen Spaltes an derselben bei mehreren Versuchen gleich stark gespannten Zunge. Bei dem ersten Versuche war die Breite des Spaltes = 2. Länge des | ‚Tonhöhe, Bemerkungen. Ansatzrohrs. _ q4 iarfis gi f | ing] ‘2 _ |, der Ton fällt. 12‘ e i | tiber — fis | Sprung. Beim zyveiten Versuche blieb ein Spalt von 14 unbe- deckt. . Der Ton sank hier nicht mehr als von. —fis auf + £. Wurde der Spalt noch breiter, so war kaum noch'eine Aen- derung des Tons zu bemerken. = uns 9 I. Versuche, bei:denen der Luftdruck auf einer Seite'der Zunge stärker war, als auf der anderen. $. 5. Die obere Oefinung des Rahmens wurde durch zwei gleichgespannte Zungen bis auf einen schmalen mittleren Spalt, geschlossen. (Fig. 3, $. 4.) Von dieser Art der Zun- genpfeifen sagt Müller, dass ihre Tonhöhe am leichtesten durch Ansätze verändert werde. Ich war daher nicht we- nig überrascht zu finden, dass ihr Ton unveränderlich' der- selbe blieb, mochte ich sie mit einem Wind- oder Ansatz- rohre in Verbindung setzen. : Müller machte 'bei einigen seiner Versuche dieselbe Erfahrung, ohne sie jedoch weiter zu verfolgen. Wie von selbst folgt, war es für die Tonhöhe ganz gleichgültig, ob ich den mit den Lippen umfassten Rah- men mit enger oder weiter Mundöfinung anblies. Zog ich die Luft ein, so blieb der Ton ebenfalls unverändert. Bei keinem Versuche, deren ich eine grosse Menge anstellte, ge- lang es mir, ein anderes Resultat’ zu erhalten. | Ich setzte, um den zum‘leisesten Anspruch nöthigen. Lnftdruck zu messen, ein zu diesem Zwecke’ eingerichtetes Windrohr mit einem Manometer: in Verbindung. Da in der Regel ein sehr geringer Luftdruck genügte, so war dasselbe statt mıt Quecksilber mit gefärbtem Wasser gefüllt. Nach einiger Uebung’ gelang ‘es mir, mit ziemlicher Genauigkeit die Höhe-der- Wassersäule-an- der beigefügten-in-Par--Linien eingetheilten Scala abzulesen. Gewöhnlich reichte bei den von mir angefertigten Apparaten ein Luftdruck aus, der ei- ner Wassersäule von 6“ — 8‘ Höhe das Gleichgewicht hielt. Die Höhe der letzteren änderte sich bei keiner Länge des Wind- oder Ansatzrohrs, Einen Stopfen am Eude. des Wirglcahrs mit einer cen- tralen Oefinung von 44° Durchm. konnte ich den Zungen beliebig nähern, ohne die Tonhöhe zu ändern, wenn ich nur genügenden Zwischenraum liess, dass die Zungen in ihren Excursionen nicht den Stopfen berührten. Wurde er im Anfange des Ansatzrohrs angebracht, so erhielt ich ein äln- 10 liches Resultat. Doch durfte ich ihn den Zungen nicht in dem Grade nähern, wie im vorhergehenden Falle, weil sonst nicht der Grundton, sondern ein. viel höherer Flageoleition ansprach. Auch musste seine centrale Oeffinung etwas wei- ter sein, als vorher, wenn ich des Anspruchs sicher: sein wollte. | $. 6. Es wurde derselbe Apparat, wie in $. 5 benutzt, und mit der Modification, dass die eine Zunge etwas stärker gespannt war, als die andere. War die Tonhöhe der einen — e, die der andern = + f, so war der Ton von der Art des Anblasens und der Länge der Ansätze gerade so unab- hängig, wie in. den unter $. 5 angeführten Versuchen. Sie war-in allen Fällen = e, wurde also durch die. schwächer gespannte Zunge bestimmt, ohne durch die stärker gespannte irgend welche Modification zu erleiden. Dasselbe Verhalten zeigte sich, wenn die beiden Zungen auf — fund g gespannt waren. Um nun zu erfahren, ob mit der Grösse des Inter- valls zwischen den Eigentönen der Zungen auch der Einfluss der angrenzenden Luftsäulen stiege, machte. ich eine. Reihe von Versuchen, die hier folgt. | | I. Stimmung der Zungen = + dis und «. en u - 5 Tonhöhe. Bemerkungen. 14 cis 8 N: | de Ton fällt. 10 = Sprung. 27 cis gu ee | de Ton fällt. 35" —d Sprung. Bei Anwenduug eines Ansatzrohrs schwankte der 'Ton swischen + c und cis. II. Stimmung der Zungen = — eund — h. Länge des | Tonhöhe. Bemerkungen. Windrohrs. 1“ — cis A“ c der Ton fällt. gu niet 10° +h —d| bei schwachem Blasen + 1, En. bei starkem — d. u = 2 Z | der Ton fallt. I c 34 +h -+cis; der Sprung bei starkem Luft- druck. > © ix 3 ee des Bemerkungen. Ansatzrohrs. 7 FB 2 a ! der Ton fällt. Wake : Bene = 9“ — cis | Sprung. =, a der Ton fällt. 394 45 er ion fä t. 33” —cis | Sprung. II. Stimmung der Zungen = f und a. Länge des B Windrohrs. Tonhöhe. Bemerkungen. 44 h Beer | der Ton fällt. A ais | 104” |--ais dis| bei schwachem Druck — als, Y bei starkem dis. 134° d | u = » = der Ton fällt. Bar € | 27 h 32 +ais dis) bei starkem Luftdruck dis 11 12 Lanze nes Tonhöhe, Bemerkungen. Ansatzrohrs. 0 + ais = ma \der Tou fällt, 2 als A — ais 'c| der Sprung nur bei starkem Blasen. = g/l h ei ais |\der Ton fällt. da fa 35 —h | Sprung. IV. Stimmung der Zungen ‚gleich T und gis. Fig des | Tonhöhe, Bemerkungen. Windrohrs. u u | sc Wi ; el der Ton fällt. 41! als a Ei 1419 +a —dis| —dis bei starkem Blasen. 1344 LESEN * i 94 Te der Ton fällt.- 24 h | a a aa as bh 3 — ı ; gig d|d bei starkem Blasen. nee I Tonhöhe, Bemerkungen.‘ Ansatzrohrs. r —urTnor Tu - ” Er h der Ton fällt. gu —a +ais) +ais bei starkem Blasen. a 20 am : 30° a C Ton fällt. _ 39. a ' 37 Me ais | Sprung. 13 V. Stimmung der Zungen = — fis und —g BRUR des Tonhöhe. Bemerkungen. Windrohrs. : q' ais 41! Fr Ä FE der Ton fällt. nr gis_ \ 2, — gis . eis. _ Sprung. 19 © 7 TE3 2 re fie Ton fällt. 29” ais \ 36” ae 41" —a ec bei starkem Blasen . Länge des, Tonhöhe: Bemerkungen. Ansatzrohrs. u = : = \ der Ton fällt. Ba) ER | g4 +a | Sprung. u vn Y nr der Ton fällt. 37" gis | 39% +a ı Sprung. VI. Stimmung der Zungen = — fs und — fi. EEE VEEFREEEEESESESEREESSEEEENEEESEEEEE Länge des. ‚| Tonhöhe. Bemerkungen, Windrohrs. 1” ais | ae a — !ider Ton fällt. gu gis 44 —gis 16 — cis | Sprung. 14 lauen des | Tonhöhe. Bemerkungen. Windrohrs. Ä Bar h 29“ ais |! der Ton fällt. 36 a Al“ +gis -cis| bei starkem Blasen —cis. zu Tonhöhe. Bemerkungen. Ansatzrohrs. l — 0 ar E | der Ton fällt. 9” gis 9 -gis -ais| bei starkem Blasen —ais. 14” a 235# gis der Ton fällt. u | 39 —gis —al— gis nur beim leisesten Blasen. VII. Stimmung der Zungen = g und dis, Lange des |Tonhöhe. Bemerkungen. Windrohrs. 1“ gis Ä u va dr 5 der Ton fällt. nz fis 154 ir 164" © | Sprung. 19“ h 22% ais | 264 a der Ton fällt. au gis 43 g A, +fis Xh| +h bei starkem Blasen. 15 Länge des | Tonhöhe. Bemerkungen. Ansatzrohrs. F 0" + fis a fis der Ton fällt. 94 aan 44... —_g Sprung. BY ZZ S, e a. der Ton fällt. a2 —fis Tagan? 7 3 'g |’Sprung. Aus den hier mitgetheilten Versuchen glaube ich folgende Schlüsse ziehen zu können: 1) Die durch angrenzende Luftsäulen bewirkten Abän- derungen in der Tonhöhe von Zungenpfeifen werden um so grösser, je verschiedener die Spannung der beiden Zungen ist. 2) Der Sprung tritt bei den durch Spannung elastischen Zungen nicht, wie nach Weber bei den stabförmigen *), in Folge des schwächsten Luftdrucks ein, sondern durch star- kes Blasen. 3) Die dichtere Luftsäule des Windrohrs hat einen stär- keren Einfluss auf die Tonhöhe, als die dünnere des Ansatz- rohrs: Bei Versuchen mit dem menschlichen Kehlkopfe wer- den wir dieselbe Bemerkung machen. 4) Selbst in einem Falle, wo die Töne beider Zungen um weit mehr, als eine Oktav (dis und g, im siebenten Ver- suche ) von einander entfernt liegen, bleibt die stärker ge- spannte Zunge beim Anblasen nicht vollkommen unbeweg- lich. Wir können das daraus schliessen, dass der beim je- desmaligem Sprunge erzeugte Ton dem Tone der schwächer gespannten Zunge zu fern liegt, um selbst beim stärksten Blasen durch dieselbe hervorgebracht werden zu können. Es muss hier eine gegenseitige Accommodation beider Zungen stattgefunden Haben. *) Vgl. Bindseil, a. a, O. S. 460. 16 Ersetzte ich zuletzt das stärker gespannte Kautschuck- blättchen durch “eine dünne hölzerne Platte (Fig. 4), so war "Fig. A, "das Resultat im Wesentlichen dasselbe, wie bei den letzten Versuchen der eben mitge- * | | | | theilten Reihe. Bei der Mittheilung der noch folgenden Versuche könnte es scheinen, als hätte ich die Einwirkung des Windrohrs zu sehr ausser Acht gelassen. Dennoch habe ich bei fast allen von mir angewandten Zungenpfeifen diese Einwirkung nicht minder beachtet, als die des Ansatzrohrs. Indessen erhielt ich bei vielen, die vermöge ihrer Struktur eine. Vertiefung des Tones zuliessen, bei gewissen Verhältnissen der Länge des Windrohrs zum Grundtone der Zungen nur unreine oder ‚kreischende Töne, oder dieselben blieben bei jeder Stärke des Luftdrucks ganz aus. Nur bei den Apparaten, die sich unabhängig von Ansätzen zeigten, erhielt ich bei je- der Länge des Windrohrs volle und klare Töne von unver- änderter der Spannung angemessener Höhe. Ich darf. daher von der ausführlichen Mittheilung dieser Versuche wohl um so mehr Umgang nehmen, als sie mit geringen Einschrän- kungen im Wesentlichen dieselben Resultate lieferten, wie alle Versuche über die Einwirkung von Ansatzröhren.. Auch möge man mir die öftere Wiederholung der Angaben erlas- sen, welche sich auf das Verhalten der Zungen beim Anbla- sen mit dem Munde oder dem Tubulus, sowie beim Einzie- hen der Luft beziehen. Bei allen Zungen, deren Tonhöhe von Ansätzen abhängig ist, kann ich in dieser Beziehung Müller’s Angaben auf das Vollständigste bestätigen, bei de- nen dagegen, auf deren Tonhöhe Ansätze keinen Einfluss hatten, brachten auch die verschiedenen Arten der Tonerre- gung keine merkliche Aenderung in der Tonhöhe -hervor, $S 7. Es wurde eine einzelne schmale Zunge benutzt, 17 Fig. 5. die über die Fläche des sie beiderseits —_ a. umschliessenden hölzernen Rahmens et- | | | | was erhoben war. (Fig. 5.) L ke |Tomone. Bemerkungen. 0 —d 2 a“ cis der Ton fällt. 964 — cis y g —dis | Sprung. un. 4 7 Sa eis | 9gi Br der Ton er A154" | +e „2 1. | Länge des Tonhöhe. Bemerkungen, - Ansatzrohrs. 044 aan | 5 — 81 — . | Kein Ton bei jedem Luft- druck. g“ — dis Sprung. ? | 25°. ..| —d | der Ton fällt. 27". |. +dis Sprung. in de] — |} der Ton fällt. | 337 —44" | +d Lag die Zunge mit dem Rahmen in einer Fläche, so be- stand der ganze Unterschied darin, dass die Töne viel schwe- rer ansprachen und leicht kreischend wurden. Wurden dem hölzernen Rahmen zwei stark gespannte Fig. 6. Kautschuckblätter, wie in. früheren. Ver- = suchen substjtuirt, so war der Erfolg von | | a | | dem eben bezeichneten etwas verschieden. | (Fig. 6) Da diese Versuche mit den Müller’s Archiv, 1850. 9, r ‚418 ‚unter $. 6 mitgetheilten, im. Wesentlichen übereinstimmten, so beschränke ich mich darauf, das Resultat derselben nur der Hauptsache nach ‚herzusetzen. | Tonhöhe Höchster | Niedrigster des der Ton bei längeren | Tonumfang, Rahmens. | Zunge. Ansätzen. I. —a — ais h ais 2 w er ELe?. +c h 2 II St =WT d +cis —? IV. | —a +d dis +d . var Fi 2 dr NT 14 2 a ee -; LE; _ +1 Stieg der Grundton der Zunge auf — g, so brachten die Ansätze keine merkliche Veränderung mehr hervor. Bei ‚den oben angegebenen Versuchen lag die Zunge etwas über der Fläche des Rahmens. Lag sie bei anderen mit ihm in gleichem Niveau, so war der einzige merkliche Unterschied im Erfolge der, dass schon bei grösseren Intervallen zwi- schen dem Tone der Zunge und dem des Rahmens die An- sätze ihre Einwirkung verloren. Man sieht, dass das Ver- halten des hier benutzten Apparates dem unter $, 6 ange- führten sehr ähnlich ist. $. 8. Deckte ich die Aussenränder der Zungen der un- ter $. 5 benutzten Zungenpfeife so, dass zu beiden Seiten | Fig. 7. des Spaltes ein grösserer oder kleinerer Theil der Zungen frei schwingen konnte | | | | (Fig. 7), so fand ich, dass die Grösse der | Schwankungen in der Tonhöhe bei An- wendung von längeren Ansatz- oder Windröhren ziemlich in demselben Verhältnisse stieg, und die Breite der nicht ge- deckten innern Zungenränder abnahm. Da jedoch jeder Zunge nur die Hälfte des nicht gedeckten Zwischenraums zu 19 Gute kam, so behielt in den meisten Fällen keine von ihnen genügende Freiheit zum Schwingen, und die Töne blieben sehr oft ganz aus. Viel deutlicher zeigte sich die Richtig- keit des genannten Gesetzes bei einem Apparate, bei dem (Fig 8) nur eine Zunge angewandt wurde. Ich lasse, da Fig. 8. diese Versuche für die Theorie der mensch- lichen Stimme von der höchsten Wich- | | | | tigkeit sind, drei Reihen derselben folgen. Erste Reihe. I. Breite des freien Zungenrandes — ?'", Länge des Tonhöhe. Bemerkungen. Ansatzrohrs. 0 +d 4" — kein Ton, Sn gis Sprung? Kan E „ Nez! 3 ° der Ton fällt. ze dis agr" d au e— kein Ton. 45" rF Sprung? II. Breite des freien Zungenrandes = 3’, a u TEE a ET TEE ET ET Länge des | Tonhöhe. Bemerkungen. Ansatzrohrs. a 5" cis gis| gis bei starkem Luftdruck. er e u 7-_ ni dis I der Ton Fällt. 14" d yz eis 2 e Sprung. 20 ‘IN. Breite des freien Zungenrandes = 34". iieistkäinge, desi.) giunane: | Bemerkungen. -Ansatzrohrs. | 09% —d 9% ‘eis +fis] + fis bei starkem Luftdruck. Tv e Bob a 14 d der Ton fällt. aa cis 24. — cis ee e Sprung. IV, Breite des freien Zungenrandes = a", ee Bemerkungen. Ansatzrohrs. | ne (der Ton fällt. 3 ) | eh e Sprung. g" dis if 41, d der Ton fällt. Pe = | 2. eis dis | Sprung. V. Breite des freien Zungenrandes = 61'”. Länge des | ponhöhe Bemerkungen, Ansatzrohrs. “ 0 R 5 . - oe | der Ton fällt. 3 +e 62 d | Sprung. 417 eis a uhikz | der Ton fällt. 25 30 + cis | Sprung. 21 Die scheinbare. Abnormität, dass der erste Sprung bei jedem dieser Versuche durch ein verhältnissmässig sehr kur- zes Ansatzrohr hervorgebracht wurde, erklärt sich leicht dadurch, dass ich der bequemeren Behandlung wegen den Rahmen mit einem knieförmig gebogenen längeren Windrohre in Verbindung setzte, wodurch schon der erste Ton eines jeden Versuchs um ein grösseres oder kleineres Intervall un- ter den Eigenton der Zunge vertieft war. Dasselbe Wind- rohr benutzte ich bei den meisten übrigen Versucheu. Et- was unerwartet dagegen war mir eine andere Erscheinung. Heben wir den zweiten Versuch hervor, bei dem sie beson- ders deutlich war, so finden wir, dass unmittelbar nach dem Sprunge auf gis eine Verlängerung des Ansatzrohrs um 24 genügte, um den Ton auf e, also um vier halbe Töne zu vertiefen. Weitere 21” drückten ihn auf dis herab, noch 41“ waren nöthig, um ihn auf d, und 11“, um ihn von d auf cis zu bringen. Müller fand bei seinen Versuchen ge- rade das umgekehrte Verhältniss, wie es auch Weber für die stabförmigen Zungen angiebt. P Zweite Reihe. I. Breite des freien Zungenrandes = 2”. ar Tonhöhe. Bemerkungen. 0” —e 5 — : | kein Ton. 74 rn Sprung ? 9% f 144“ e der Ton fällt. 18" _e va gis Sprung. 22 II. Breite des freien Zungenrandes = 3". Länge des | Tguhöhe. Bemerkungen. Ansatzrohrs. 0" RR H | + = | "der Ton fällt. Sl — eis ya + f & | Sprung. gi _e des 2 der Ton fällt 134" 7T er on Fällt. 2." eis DT, +c _e| der Sprung bei starkem Bla- sen. Ill. Breite des freien Zungenrandes — 4", N Tonhöhe. Bemerkungen. Ansatzrohrs. 0” = REN a. e N oh +e Sprung. 94" dis | 103° d | > gu ea der Ton fällt. 21 ge 30” — dis | Sprung. IV. Breite des freien Zungenrandes — 64”. Länge des Bemerkungen. Ansatzrohrs. — | der Ton fällt. 54 2: h 61‘ +d Sprung. 63 d 44 cis der Ton fällt. 29 30 — dis | Sprung. Dritte Reihe. 1 1 TER “u I, Breite des freien Zungenrandes = 21“. EAN El Zn EEE EEE GE Er rn) EEE Er Er. Länge des | Tonhöhe. Bemerkungen. Ansatzrohrs. 0 y> S } der Ton fällt. Yu —n% A — kein Ton. Ar og Sprung? 2 fa g4 f > a = der Ton fällt. 23 fi | Sprung. 23 24 1I. Breite des freien Zungenrandes = 3’. Länge des | Bemerkungen. Tonhöhe. Ansatzrohrs. | 0” ia | | gu IE |de Ton fällt. j 5 gis | Sprung. 6 IT. zu f 1444 >= der Ton fällt, 2% dis 23” |-dis -fis) — fis bei starkem Luftdruck. Ol. Breite des freien Zungenrandes — 34". | Länge des u 2 | Tonhöhe. Bemerkungen. 0 dis = 5 nz Sprung. N f 10“ e | | 9qu iz der Ton fällt. 2% — dis IV. Breite des freien Zungenrandes = 4, ae Tonhöhe. Bemerkungen. | 0“ — dis 3 — fis | Sprung. 61‘ f | u i y g: | der Ton fällt. 2 ie dis 5. pe 23 —., | Sprung. V. Breite des freien Zungenrandes = 44. euer Tonhöhe. Bemerkungen. Ansatzrohrs. 0" 1 —dis 41" +e | Sprung. 54 e 2V: dis der Ton fällt. 23" — dis | | 25" | +e | Sprung. VI. Breite des freien Zungenraudes —= 5". Länge des ‚Tonhöhe. Bemerkungen. Ansatzrohrs. 0” ; Ee dis 5 — e | Sprung. gu dis i — I der Ton fällt. | 23’ + d 25 + dis Sprung. 25 26 s VII Breite des freien Zungenrandes — 51”. rn Länge des n Tonhöhe. B k : Ansatzrohrs. ae En 0” +d 5“ — dis | Sprung. RU zu Untersuchen wir nun diese Versuchsreihen mit Berück- sichtigung des oben ausgesprochenen Gesetzes, so finden wir, dass sich der höchste bei einem jeden Versuche vor- kommende Ton folgendermaassen zum tiefsten verhält. Erste Reihe. Höchster Ton, N Tonumfang. Ton. I gis d 7 II. gis cis 8 IMm.| +6s — cis +6 IV. e — dis 174 V. d Er] 3 Zweite Reihe. Höchster Ton. Tonumfang. n. I. gis u 5 1. ern +5 IH. ar 3 +5 IV. — dis +h + 4 ar Dritte Reihe. Höchster Ton. MOIPERSt Tonumfang. .| —a _e 6 gis — dis +6 1 fg — dis 5 IV — fis — dis 4 V +e — dis p. v.| —e Tr 2 VI.| —dis +d — | Bei der ersten und dritten Reihe kann es auffallen, dass im ersten Versuche einer jeden derselben, wo der ungedeckte Zungenrand die geringste Breite hat, der Tonumfang weni- ger gross ausfällt, als in den nächstfolgenden Versuchen, Hier ist jedoch zu bemerken, dass bei der ersten Versuchs- reihe eine Breite von 2‘, und bei der dritten Reihe von: 21“ wahrscheinlich nicht genmügenden Spielraum für die: Schwingungen der Zunge gestatteten. Kurz vor dem jedes- maligen Sprunge trat in beiden Versuchen ein Punkt ein, wo der Ton nicht ansprach. Dadurch wird natürlich in beiden Fällen der resultirende Tonumfang zu klein. Ver-. schmälerte ich den freien Rand noch mehr, so wurde auch durch Anwachsen der Perioden, in denen der Ton nicht an- sprach, der Fehler bedeutender. Diese Versuche glaubte ich weglassen zu dürfen, da sie wegen des Fehlers einer Reihe von Tönen, und zwar der höchsten die hervorgebracht: werden mussten, unmöglich eine genaue Folgerung zu-: liessen. 91 Der bei den drei ersten Versuchen der zweiten Reihe resultirende Tonumfang ist gleichmässig als + 5 bezeichnet. Es würde jedoch unrichtig sein, wenn man daraus auf eine weitere Anomalie schliessen wollte. Es ist eine solche nur scheinbar vorhanden, weil mir die Mittel fehlten, die Grösse 28 der gefundenen Intervalle mit Hülfe genauer Zahlbestimmun- gen zu bezeichnen. Ich hatte die Mittel nicht, die Schwin- gungszahlen der einzelnen Töne zu messen, und es ist klar das die Bezeichnung + 5, indem sie eben nur sagt, dass der gefundene Tonumfang mehr als 5, aber weniger als 54 halbe Töne umfasst, für eine zahllose Menge von Intervallen gebraucht werden kann.. In der That finden wir, dass die drei mit + 5 bezeichneten Intervalle, das von gis bis — e, das von + fbis — cis und das von + e bis c, obgleich ohne die Bezeichnung der Schwingungszahlen der Töne hin- gestellt, und trotz ihrer ungenauen Bezeichnung, nach weis- bar ungleiche Grösse haben. Das zweite dieser Intervalle, von + f bis — eis, ist gleich 5 + x + x, das erste. dage- gen und das dritte nur =5 + x. Wir finden also auch hier dasselbe Verhältniss, wie in der ersten und dritten Versuchsreihe. $. 9. Wir erinnern uns, dass bei den : Versuchen, bei denen der Luftdruck an beiden Seiten der Zunge gleich war, in allen Fällen wo die Tonhöhe je nach der Länge des An- satzrohrs mehr oder minder abgeändert wurde, die: tiefern Töne nahe vor dem jedesmaligen Sprunge nur schwer zum Anspruch zu bringen waren. Nun war es von Interesse zu untersuchen, wie sich in dieser Beziehung die Zungenpfei- fen mit einerseits. stärkeren Luftdruck: verhielten. Eine Art derselben :wurde schon in $. 5 untersucht. ‘Da die. übrigen Formen in dieser Hinsicht einander im höchsten Grade ähn- lich waren, so ist es überflüssig, über jede derselben Ver- suche mitzutheilen. Ich wähle die am künstlichen Kehlkopfe. und: die, welche ich an den unter $. 5 angeführten. Zungen- pfeifen anstellte, 29 Versuch am künstlichen Kehlkopfe. et Me et 0 a zayı g g BE 6 F- BE gU — dis gg u — ais 90 1% a 36 15° gis BE 1 — 20 224u an gg BA. er 36. 26” ad ga DRAN. + gis gu a! +8 Dart Bar ENT Da 36” —g 20 gg“ Sr vl Das in diesem Versuche erhaltene Resultat war mir et- was unerwartet. Da beim Anblasen einer Zunge mit dem Tubulus um so mehr Kraft erfordert wurde, je tiefer der Ton sank, so glaubte ich, auch hier würde bei den tiefsten Tönen die Wassersäule des Manometers am höchsten stei- gen. Indessen hatten alle Proben den gleichen Erfolg. Bei den folgenden beiden Versuchen mit einer Zunge, deren Aussenrand gedeckt war, kam neben der hier aufge- worfenen Frage noch ein anderer Umstand in Betracht. Ich habe schon oben bemerkt, dass die Zunge um so schwerer anspricht, je schmäler der freischwingende Rand derselben wird. Ich benutzte zu beiden Versuchen dieselbe gleich stark gespannnte Zunge, die ich nach aussen durch ein auf ‚30 ihr befestigtes Breitchen deckte, (Fig. 8, $ 8.) Die ver- schiedene Höhe der Wassersäule giebt das Maass ab für das Verhältniss der zum Anblasen nöthigen Kraft zu der Breite des frei schwingenden Zungenrandes. I. Breite des freien Zungenrandes = 5” Länge des Tonhöhe Höhe der Ansatzrohrs. $ Wassersäule. Q I. gu ee z ais 6’ 74 d 14% gu a Zi ya ge 0 eis 10 14" 3. ©, gu 18" © gu az h 6‘ 30° ais 6 32 SE a a 1: ne BEL I cis 12% s 354 fer cis qyıu II. Breite des freien Zungenrandes = 2", Länge des Tonhöhe Höhe der Ansatzrohrs. ; Wassersäule. 31 Länge des Tonhöhe Höhe. der Ansatzrohrs. Wassersäule. 234 + eis 2 254 a +T |16% 26% 27" e 18 $. 10. Der leitende Gedanke, welcher sich durch die ganze Reihe der hier mitgetheilten Untersuchungen hindurch- zieht, ist durch die Versuche selbst leicht zu erkennen. W. Weber stellte die Zungenpfeifen,, was die Lage der Kno- tenflächen anbelangt, *) zwischen die Pfeifen mit einer vollkommen unbeweglichen Grenzschicht, d. h. die ganz ge- deckten Pfeifen einerseits, und die mit vollkommen bewvegli- chen Grenzschichten, d. h. die beiderseits ungedeckten Pfei- fen andererseits. Befestigt man auf der einen Oeffnung ei- ‚nes ‚beiderseits offenen Rohrs ein genau anschliessendes Brett- chen mit einem mehr oder weniger breiten Spalt, so ver- dichtet sich beim Anblasen des Rohrs die in der Nähe die- ser Oeffnung befindliche Luftschicht. Sie gleicht an Dichte nun nicht mehr einer der im Dichtigkeitsminimum liegenden Luftschichten ( welche jedesmal in der Mitte zwischen zwei Knotenflächen, also an den freien Oefinungen eines Rohrs sich befinden), sondern einer solchen, die in dem Zwischen- raume zwischen Minimum und Maximum der Dichte liegt. Sie wird um so dichter, je schmaler der offen gebliebene Spalt ist, und im gleichen Verhältnisse wird der Ton der ganzen Luftsäule tiefer. In diesem Spalte befestige man eine Zunge. Da das ei- nen transversalschwingenden Körper umgebende Medium um so mehr auf denselben retardirend einwirken kann, als seine Dichtigkeit grösser ist, so muss die Einwirkung der vom Rohre umschlossenen Luftsäule auf die im Spalt schwingende *) Vgl. Bindheil a. a. O. S. 486 ff. 32 Zunge um so bedeutender werden, also den Ton um so mehr vertiefen, je schwächer der offen gebliebene Spalt: ist. Bedeckt man nun die eine Oeffnung eines Rohrs nicht mit einem Brettchen, d. h, mit einer vollkommen unbeweg- lichen Grenzschicht, sondern mit einer, wenn auch nur un- vollkommen beweglichen, z. B. mit zwei dünnen Kautschuck- blättern, so sind zwei Fälle wohl zu unterscheiden. Von meinen Versuchen stellte ich die voran, bei denen der Luft- druck an beiden Seiten der Zunge gleich stark war: sie bil- .den den ersten Fall. Bringe ich den Rand des einen Blat. tes durch einen feinen Luftstrom in tönende Schwingungen, so schwingt eben nur dieser unmittelbar getroffene Rand. Der Rest desselben und das ganze nicht tönende Blatt sind so unbeweglich, wie das vorher als Grenzschicht benutzte Brettchen; nur der schwingende Zungenrand bildet mit dem zwischen beiden Zungen offen gebliebenen Spalte, einen et- was mehr beweglichen Theil der Grenzschicht, und der zu- nächst liegende Theil der Luftsäule verdichtet sich hinrei- chend, um auf die Schwingungen merklich retardirend einzu- wirken. Je breiter aber der offene Spalt durch Verrückung des nicht schwingenden Kautschuckblattes oder durch gänz- liche Entfernung desselben wird, um so geringer wird die Verdichtung dieser Luftschicht, und um so unabhängiger ‘- werden die Schwingungen der Zunge. Hierfür die Belege in SS 2, 3 und A. | | Der zweite Fall liegt in den Versuchen vor, bei denen an einer Seite der Zungen die Luft stärker drückt, als an der anderen. Ich gehe von dem Apparate mit'zwei breiten, die ganze Oeffnung bedeckenden Zungen aus. Hier könnte man: vielleicht denselben Erfolg erwarten, wie im vorigen Falle. Aber die Compression der im Windrohr befindlichen Luftsäule ändert die Sache. Es ist bekannt, dass eine oder zwei tönende Zungen den zum Durchgange des Luftstroms dienenden Spalt abwechselnd öffnen und schliessen, oder doch erweitern und verengen. Im Momente der Schliessung 33 oder .Verengerung wird die Luft des Windrohrs, dessen Länge in dieser Beziehung ganz gleichgültig ist, comprimirt; sie drückt gleichmässig auf die ganze Innenfläche beider Zun- gen und treibt sie vor. Im Momente der Oefinung oder Erweiterung strömt die überschüssige Luft durch die Spalte fort, und der in der ganzen Breite der Zungen gleichmässig verminderte Luftdruck erlaubt denselben, ihrer Elasticität folgend, zurückzuschnellen. Da sich dieses Spiel bei jeder Doppelschwingung wiederholt, so fehlt das nothwendige Re. quisit einer Weber’schen Zungenpfeife, die zum Theil un- bewegliche Grenzschicht, welche im Gegentheil in ihrer gan- zen Breite beweglich ist. In Folge dieses Umstandes wird eine zum Retardiren der Schwingungen hinreichende Verdich- tung der den Zungen zunächst liegenden Luftschicht verhin- dert, weil nur in der Nähe einer wenigstens zum Theil un- bewegliehen Fläche eine hinreichende Verdichtang der Luft- säule möglich ist. Vergl. $ 5. In den unter $ 8 angeführ- ten Versuchen wurde durch Deckung des Aussenrandes der Zunge eine solche Fläche hergestellt und die dort mitgetheil- ten Resultate bestätigen auf das Vollkommenste die hier auf- gestellte Ansicht. Aus dem Vorhergehenden folgt die Erklärung der in$6 angegebenen Thatsachen mit Leichtigkeit. Eine verschieden starke Spannung beider Zungen kann an und für sich in den Verhältnissen Nichts ändern. Die abwechselnd eempri- mirte und ausströmende Luft des Windrohrs versetzt beide in ihrer ganzen Breite in Schwingung. Die Excursionen beider werden aber nicht dieselbe Weite haben. Je grösser. die Spannung der einen im. Verhältniss zu der der andern wird, um so kleiner wird die Excursionsweite der stärker sesnannten, um se unvollkommener wird zugleich die Be- wegung der Grenzschicht, und um so mehr gewinnt die im- mer steigende Dichtigkeit der Luftsäule an hemmendem Ein- flusse auf die Bewegung der Zungen. Das Maximum der möglichen Hemmung muss eintreten. wenn man die eine Müllers Archiv. 1850. 3 34 Zunge so stark spannt, dass sie unbeweglich feststeht, wie ein ihre Stelle vertretendes Bretichen, oder, da das unmög- lich ist, wenn man sie wirklich durch ein übergelegtes Brett- chen fixirt. Eine Anwendung dieser Sätze auf die in $ 7 gemachten Angaben ist leicht. $ 11. Frühere Erfahrungen scheinen den von mir ange- führten Thatsachen zu widersprechen. Müller giebt die Abbildung *) einer von ihm benutzten Zungenpfeife, die, wie es scheint, genau so construirt ist, wie die von mir unter Fig. 3 im Durchschnitte dargestellte. Er sagt von ihr wört- lich: ,,Wenn die Stellung der Zungenbänder gegen den Luftstrom senkrecht ist, so wird der Ton der Zungen am leichtesten durch die Luftsäule verändert.“ Mir ist es, wie schon erwähnt, in den vielfachsten Versuchen nicht gelun- gen, ein solches Resultat zu erzielen. Indessen lässt sich diese Angabe auch nach den von mir aufgestellten Sätzen sehr wohl erklären. Wenn es gelingt, beide an diesem Ap- parate angebrachte Zungen so zu befestigen, dass der freie Rand derselben eine viel geringere Spannung hat, als der Aussenrand, dass also jener frei schwingen kann, während dieser verhältnissmässig unbeweglich bleibt, so muss derselbe Erfolg eintreten, wie bei dem Apparate Fig. 7. $ 12. Ebenso wenig widersprechen, wie ich glaube, die am künstlichen Kehlkopfe beobachteten Erscheinungen den von mör gezogenen Schlüssen. Ich will fünf Versuche mit- theilen, die, sosehr sie auch einander zu widersprechen schei- nen, doch alle in der einen Thatsache ihre Erklärung finden, dass eine die schwingenden Zungen begrenzende Luftsäule um so stärker den Ton vertieft, je dichter die die Zungen zunächst umgebende Luftschicht ist. Die Spannung der Zun- gen wurde gradweise veriminuer:t. 3 | I, Im ersten Versuche war der Ton der Zungen = a und blieb unverändert bei jeder Länge des Ansatzrohrs. *) Ueber Compensation u, s. w. Fig, 32, 35 Länge des = höh Länge des T B: 2. Ansatzrohrs. SEINE nad; " Ansatzrohrs. enhöhe, BR gis 0“ fis 3u + gis zu - fis 6“ E 6 ff au gis ? gH te 104 144 | gi Brr 8 15% is 10 —_ 12 rn 224 bi gis Ya /f er 267 (3 IM. bite Orr Tonhöhe. . Erziikai 7, | Fänge des | Tonhöhe. 0 7 Ansatzrohrs. 617 fis 0” fis n 8 +8 6 e 124 "3 7a dis ur —g 10” d. Ds war fis 12 fis 24 : gis In diesen Versuchen nahm der Umfang der bei jeder der angebrachten Spannungen möglichen Töne folgendermaas- sen zu: Tiefster Ton. |Höchster Ton.| Tonumfang. ee | a 1 1 g + gis +2 IH. fis +5 22 vi. te +fs 1° 3 V. d fis nd Bei allen übrigen von mir benutzten Zungenwerken hing die Diehtigkeit der die Zungen zunächst begrenzenden Luft- j = 36 schicht und damit ihr retardirender Einfluss auf dieselben von der grösseren oder geringeren Beweglichkeit der Zun- gen selbst oder des sie umschliessenden Rahmens ab. Dies Fig. 9. ist nun beim künstlichen Kehl- kopfe (Fig. 9) nicht der Fall. Die untere Grenze des Ansatz- _ rohrs wird unveränderlich durch die immer gleich unbewegliche Basis des Apparais, die Fläche a a, gebildet. Es befindet sich also hier bei jedem Versuche eine Knotenfläche. Da die Dich- tigkeit der Schallwelle um so mehr abnimmt, jemehr eine be- stimmte Luftschicht von derKno- tenfläche entfernt liegt, und end- lich in der Mitte auf das Mini- mum herabsinkt, so muss eine Zunge, welche in dem Raume zwischen Maximum und Mini- mum der Dichtigkeit liegt, um so mehr den Einfluss derselben erfahren, je grösser ihre Entfer- | \ nung vom Dichtigkeitsminimum und je kleiner ihre Entfernung vom Dichtigkeitsmaximum ist. . Je höher nun der Eigenton der Zungen ist, um so weniger reicht die zum Retardiren ihrer Schwingungen hinreichend dichte Luftschicht bei auf- rechter Stellung des Apparates nach oben, denn sie wird nie länger, als ein Bruchtheil eines beiderseits offenen Rohrs, welches mit den Zungen einen gleichen Grundton hat. Nehmen wir die Länge dieses Rohrs = 1, den die ‘Grösse des Bruchtheils bestimmenden Divisor = n, so kön- nen wir die Länge der auf die Vibrationen wirksamen Schicht durch 2/, bezeichnen, und dieselbe für jedes Rohr von ge- 37 gebener Länge L durch die Formel !/. L finden. Je tiefer nun der Eigenton der Zungen wird, um so länger muss ein Rohr von ‚gleicher Tonhöhe sein, und um so ausgedehnter die rötardirende Schicht der von ihm umschlossenen, Luft- säule. Ä Vergleichen wir ‚die fünf erwähnten Versuche mit ein- ander, so sei ein beiderseits offenes Rohr mit dem Grund- tone: aa N . +gir = 15% +3 = 15° +fs = 164 | I 5103 Die Längen der retardirenden Schichten verhalten sich also zu einander = 1/,:144:1/, -15 u.s. w. oder = 144 15:152:161:162, und je nach der Höhe der Stimmritze über dem Boden aa wird dieselbe unter oder über der obe- ren Grenze der wirksamen Schicht liegen, bei hohen Tönen meistens oberhalb derselben, bei tiefen unter ihr. Da nach der Structur des künstlichen Kehlkopfs die Lage der Knotenflächen im Windrohre eine ganz andere sein muss, so lässt sich voraussetzen, dass die Versuche über die Einwirkung dieses letzteren ganz anders ausfallen wer- den. Wirklich fand ich, dass der Ton des künstlichen Kehl- kopfs. bei jeder Spanaung der Stimmbänder gleich merklich von der Länge des Windrohrs influirt wurde. $. 13. Kehren wir zur Untersuchung über die Zungen- werke zurück, die bis zum Ende des $ 10 behandelt WUur- den, so drängt sich uns zunächst die Frage auf, ob beide Modificationen derselben, nämlich die bekannte von Müller beschriebene, und die, deren Ton von der Länge der angren- zenden Luftsäulen unabhängig ist, mit Recht zu derselben Art von musikalischen Instrumenten gezählt werden können? Mit dieser Frage hängt eine andere auf das Genauesie zu- sammen, nämlich, welcher der beiden verbundenen Körper, 38 die Zunge oder die Luftsäule, in jeder von ihuen der toner- zeugende sei? Ohne auf alle von W. Weber?) und Müller FIRE ihre beiderseitigen Ansichten beigebrachten Gründe näher einzugehen, glaube ich die Behauptuug aussprechen zu dür- fen, dass unsere Frage wohl kaum durch direkte Versuche gelöst werden kann. Ein solcher Versuch, der sie zu Gun- sten des einen der beiden Körper entscheiden sollte, müsste den Ton des einen von dem des andern zuerst dergestalt isoliren, dass einer dieser Töne allein zum Ohr geleitet wer- den könnte, und wäre diese Schwierigkeit beseitigt, so würde man am Ende noch finden, dass bei jedem Tone beide Kör- per in stehende Schwingungen versetzt werden. Setzen wir einen Stab mit dem Rahmen eines Zungenwerks einerseits und mit einem in unserem Ohre befestigten Stopfen andrer- seits in Verbindung, so können wir allerdings annehmen, dass nur die Schwingungen des Rahmens, die auf den fe- sten Stab sehr leicht übergehen, zu unsren Ohren gelangen, während die Luftschwingungen vollständig von demselben abgehalten werden. Damit sind wir aber erst zum Anfange der Untersuchung gekommeu, und es bleibt die Frage zu be- antworten, ob die Schwingungen des Rahmens durch die Schwingungen der Luftsäule oder durch die der Zunge er- regt werden? Stehende Schallwellen eines gasförmigen Kör- pers aber gehen, wenn auch nicht in bedeutendem Grade, so doch merklich genug auf einen festen Körper über, wenn beide einander in einer grösseren Fläche berühren: So er- zittern auch die Wandungen einer Labialpfeife, obgleich in ihr die Luftsäule tönt. Dass ebenso, und wohl noch voll- ständiger, die Schwingungen einer Saite oder einer schma- len elastischen Membran auf einen sie spannenden Steg oder Rahmen übergehen, bezweifelt Niemand. Haben wir uns 1) Vgl. Bindseil, a. a. O, S. 479 fr 2) Vgl. Müller’s Physi ologie, Bd. II. S. 174 ff. 39 also, wie wir nicht anders können, dahin entschieden, dass beide Momente wirksam sind, so stehen wir wieder auf dem Punkte, von dem wir ausgingen und fragen, welcher der beiden Körper, die Luftsäule oder die Zunge,. der tonerzeu- gende sei? Nicht glücklicher als dieser Versuch ist ein Experiment gewählt, durch welches Weber zu beweisen sucht, dass weder die Luftsäule, noch die Zunge den Ton hervorbringe, sondern dass dieser, wie bei Cagniard Latour’s Sirene, lediglich das Erzeugniss von Luftstössen sei, deren Geschwin- digkeit allerdings durch die Dimensionen und Elasticität der Zunge und durch die Grösse der mitschwingenden Luftsäule bestimmt werde. Er machte die Beobachtung, dass eine Me- tallzunge, durch einen Violinbogen in Schwingungen ver- setzt, selbst in Verbindung mit einem Ansatzrohre nur schwache Töne erregt, während dieselbe Zunge, durch com- primirte Luft in Bewegung gesetzt, die starken und. klang- vollen Töne der bekannten Zungenpfeifen, der Clarinette, der Hoboe u. s. w. erzeugt. Wie mir scheint, wird durch diese Erfahrung weiter nichts erwiesen, als dass die Luft- stösse im Verein mit den angrenzenden Luftsäulen den Ton bedeutend verstärken können, eine Wahrheit, die kaum einer Bestätigung durch das Experiment bedurfte. Im Uebrigen muss ich in Betreff dieser Ansicht auf Müller’s Beleuch- tung derselben verweisen *). $ 14. Um unsre Frage zu entscheiden, müssen wir ei- nen andern Weg einschlagen. Abgesehen von Weber’s Theorie sind vier Arten von acustischen Vorgängen bei dem Zusammenwirken einer. Zunge und einer Luftsäule denkbar: 1) Die Zunge ist tonerregender Körper, und die sie umgebende Luft dient nur als schallleitender. 2) Die Zunge ist tonerregender Körper und die angren- zende Luft verstärkt den Ton durch Resonnanz. *) Müller’s Physiol. a. a. 0. 40 3) ’ Die Luftsäule ist selbsttönend, wie in den Labial- pfeifen. Zi | 4) Beide, Zunge und Luftsäule sind selbsttönend. ' Haben wir. nun bestimmte, leicht erkennbare Merkmale, welche den Eigenton eines Körpers von den Tönen der Re- sonnanz, und beide Arten der stehenden Schwingungen von den fortschreitenden Wellen der Schallleitung unterscheiden, so brauchen wir nur die Erscheinungen, die wir an den ver- schiedenen Modificationen der Zungenwerke beobachten, mit diesen Merkmalen zu vergleichen. Durchgreifende Merkmale glaube ich in folgenden Punkten zu finden: | 1) Jeder eines Eigentons fähige Körper ist unter Um- ständen auch zur Resonnanz und Schallleitung befähigt. 2) Ein schallleitender Körper kann durch seine Dich- tigkeit *) und Elasticität den Ton eines selbsttönenden ab- ändern. So’sind die Transversalschwingungen einer gespann- ten Metallsaite im Wasser langsamer, als ın: der atmosphä- rischen Luft. Er kann aber keinen Ton verstärken, und ebensowenig ihn durch seine Dimensionen ändern. Wer- den die letzteren klein und seine Form regelmässig genug, um stehende Schallwellen möglich zu machen, so wird der schallleitende Körper | 3) zu einem resonirenden, der den Ton verstärkt, aber durch seine Dimensionen und Elastieität in der Höhe nicht ändert. *) Diese mit dem specifischen Gewichte zusammenhängende Dich- tigkeit, die ich Totaldichtigkeit nennen möchte, ist wohl zu un- terscheiden von der an andern Orten erwähnten Partialdichtigkeit einzelner Schichten einer Schallwelle, welche, wie der Wellenberg dem Wellenthale, als komprimirter Theil der Schallwelle dem verdünnten Theile derselben entgegengesetzt ist. Die Totaldichtigkeit ist unabhän- gig von der Grösse und Form eines Körpers, die Partialdichtigkeit fin- det sich nur in Schallwellen, und ist ein Erzeugniss der Wellenbewe- gung. Da überall, wo in dieser Schrift von Dichtigkeit die Rede ist, aus dem Zusammenhange leicht ersichtlich ist, welche Art gemeint sei, so möge ein- für allemal diese Anmerkung genügen. 41 4). Ein selbsttönender Körper. endlich bestimmt mit dem unter 2) genannten Vorbehalte durch seine ‚Beschaffenheit selbst seine Tonhöhe. Zwei mit ‚einander. verbundene Kör- per.dieser Art können jeder seinen Eigenton behalten, oder denselben in grösserem oder geringerem Grade modificiren. Nun will ich nicht in Abrede: stellen, dass diese Merk- male nicht genügen, um manche Uebergangsformen des phy- sikalischen Geschehens mit Sicherheit zu klassifieiren. Die Luft, welche 'eine im Freien tönende Saite umgiebt, kann den Schall nicht. verstärken, ‘sondern nur fortleiten, wäh- rend sie in ein Zimmer eingeschlossen 'schon den Uebergang zur Resonanz macht, welche dann aufs Klarste in dem en- gen Raume eines . die Saite umschliessenden Rohrs hervor- tritt... Eine. verhältnissmässig sehr. kleine: Metallplatte, : die mit einer grösseren in hinreichend enge Verbindung gesetzt wird, ändert deren Tonhöhe nicht merklich ab; nimmt man statt ihrer eine grössere, so sehen wir, dass die beiden ver- bundenen ‚Platten ihren Ton: ändern, bald kaum. merklich, bald sehr bedeutend, je nach ihrer Grösse und. der Festig- keit ihrer ‚Verbindung. ' Indessen sind die Unterschiede zwi- schen selbsttönenden, resonirenden und schallleitenden Kör- pern für die Theorie aller musikalischen Instrumente bedeu- tend, und bei den meisten Formen derselben erkennbar ge- nug, um sie ‚bei der Beantwortung unsrer Frage an die Spitze zu stellen. | Bei einem Zungenwerke, dessen Luftsäule allein den Ton bestimmte, musste die Zunge im Maximum der Dichte, also in einer Knotenfläche liegen, und in Folge davon beim Tonangeben ganz unbeweglich feststehen. Das würde aber kein Zungenwerk mehr, sondern eine Labialpfeife sein. Es bleiben uns also von den vier denkbaren Formen der Zun- genwerke nur drei, die unter 1), 2) und 4) genannten. Die erste Form wird durch jede Zunge ohne Ansätze, die wir durch Anbläsen mit: einem Tubulus ‚oder. durch Zupfen in Schwingung versetzen, hergestellt. . ‚Versetzen wir diese 42 Zunge aber so in Schwingung, dass wir den Rahmen selbst oder ein an demselben 'befestigtes Windrohr mit den Lip- pen umfassen, so haben wir schon eine andere Form, ent- weder die zweite, wenn der Ton in seiner Höhe unverän- derlich ist, und nur verstärkt wird, oder die vierte, wenn er von den Dimensionen der im Windrohr oder in der Mund- höhle befindlichen Luft abhängig ist. Um mich genauer und umfassender auszudrücken, wir haben überall da die erste oder zweite Form, wo in der Luft überhaupt keine stehen- den Schallwellen gebildet werden, oder wo doch die Zunge dem Dichtigkeitsmaximum derselben nicht nahe genug liegt, um ihren retardirenden Einfluss zu erfahren. Die vierte Form dagegen finden wir da realisirt, wo die Zunge inner- halb einer zum Retardiren ihrer Schwingungen hinreichend dichten Luftschicht liegt. In den meisten Fällen findet hier eine Veränderung des Tones statt, doch ist dieselbe für den Begriff dieser Form nicht wesentlich nothwendig, da es für jede Spannung der Zunge bestimmte Längen des Wind- und Ansatzrohrs giebt, wo die letzteren mit der ersteren in Ein- klang sind. Ist dieser Einklang vorhanden, so braucht sich natürlich keiner der verbundenen Körper dem andern zu accommodiren. Die ersten beiden Formen glaube ich füg- lich als einfache Zungenwerke von der vierten, den Zungenpfeifen, trennen zu dürfen. Ich beschränke diese Eintheilung vorläufig nicht auf die Instrumente mit durch Spannung elastischen Zungen, da es mir sehr wahrschein- lich ist, dass auch solche mit stabförmigen Zungen bei zweckmässiger Einrichtung einen gleichen Unterschied zeigen werden. ZZ Ä $. 15. Aus dem Bisherigen ist leicht zu sehen, dass ich auch das menschliche Stimmorgan zu den einfachen Zun- genwerken rechne. Wie bekannt, sind die unteren Stimm- bänder, die bei der Erzeugung des Tons allein in Frage kommen, vorn an den Winkel der Cart. thyreoidea, hinten ‘ an den Vorderrand der Basis der Cartt, arytaenoideae und 43 an die Spitze der weit nach vorn vortretenden Processus vocales geheftet, in der Art, dass der freie Rand eines jeden Stimmbandes etwas kürzer ist, als die weiter nach aussen liegenden Partieen desselben. Die Folge davon ist, dass bei starker Spannung der Aussenrand immer weniger gespannt ist, als der Innenrand, dass er also niemals die zur Herstel- lung einer dichteren Luftschicht nothwendige Knotenfläche veranlassen kann. Wird aber die Spannung der ganzen Bän- der bei tiefen Tönen geringer, so sind sie in ihrer ganzen Breite gegen die leichtesten Impulse der Luft so nachgiebig, dass an die Bildung einer Knotenfläche in: ihrer Nähe eben so wenig zu denken ist. Auch ist ja, was für Gegner mei- ner Ansicht jedenfalls überzeugender sein wird und sein muss, als die bündigste anatomische. Deduction, durch Leh- feldt's*) und Müller’s Untersuchungen hinreichend bekannt, und jeder kann sich leicht davon überzeugen, dass wenig- stens bei den Brusttönen die Stimmbänder stets in ihrer ganzen Breite schwingen. ‘Ich machte mir selbst den Einwurf, di ‚die obigen Betrachtungen freilich die Unabhängigkeit der im Brusttimbre hervorgebrachten Töne von der Länge des Wind- und An- satzrohrs hinreichend erklärten, dass aber bei der Falsett- stimme die Verhältnisse sich anders gestalten möchten. Nach ‚der vielfach bestätigten Angabe Lehfeldt’s schwingt bei der letzteren nur der Innenrand eines jeden Stimmbandes, und ich kann, wenn man sie nicht ganz buchstäblich nimmt, diese Angabe nur bestätigen. Bei genauerer Beobachtung überzeugte ich mich, dass allerdings die Innenränder allein sehr merklich schwingen, dass man dagegen die Bewe- gungen der äusseren Partieen nur bei günstiger Beleuchtung wahrnimmt. 'Stellte ich meinen Apparat so, dass das von der feuchten Oberfläche eines Stimmbandes reflektirte Licht in meine Augen fiel, so sah ich sehr deutlich, dass selbst *) C, Lehfeldt, Nonnulla de vocis formatione. Berol. 1835. 4 .bei den leisesten Falsetttönen das auf diese Weise von mir beobachtete Stimmband in seiner ganzen Breite vibrirte und glaube hierin hinreichenden Grund zu finden zu der An- nahme, dass der menschliche Kehlkopf in Bezug auf Bil- dung oder vielmehr Nichtbildung einer Knotenfläche sich «bei der Falsett- und Bruststimme ganz gleich verhält. '.Indessen beschränken sich die Schwingungen beim Her- vorbringen eines. Tons nicht auf die Stimmbänder. Die Mm. thyreoarytaenoidei, cricoarytaenoidei laterales und arytae- noidei, sämmtliche Knorpel des Kehlkopfs und der Luftröhre schwingen bei jedem Tone mehr oder minder lebhaft mit. Es lässt sich deshalb von vorn herein erwarten, dass man durch keine Vorrichtung jemals bei einem ausgeschnittenen Kehlkopfe eine so starke Vertiefung der Töne werde her- vorbringen können, wie bei: den künstlichen Zungenpfeifes mit hölzernen oder metallenen Waändungen. Ersetzt man auch, ‘wie ich es that, das eine Stimmband durch ein Brett- chen, so schwingen doch bei jedem Tone alle die Stimm- ritze umgebenden Theile stark genug, um eine beträchtliche Verdichtung der an das unverletzte Stimmband angrenzen- den Luftschichten zu hindern. : Der günstigste Erfolg ist noch an stark verknöcherten Kehlköpfen zu erwarten. Mit einem solchen stellte ich Versuche an. ‚Ich ent- fernte das eine Stimmband mit seiner Cart. arytaenoidea, Ian ash 005 jund ‚schloss die dadurch ;gebil- dete Oeffnung durch ein dünnes Breitchen a (Fig. 10.), welches von dem unversehrten Stimm- bande b durch einen schmalen Spalt geschieden war. ‚Eine un- veränderliche Spannung des Ban- des sicherte ich durch die Nadel c. Der obere Rand der’ Cartt. thyreoidea und cricoidea passte genau in den ovalen Aus- schnitt eines grösseren Bretichens dd, in dem beide Knor- 45 pel wieder durch Nadeln befestigt waren. Das letztere hatte den Zweck, zur Unterlage eines Ansaätzrohrs zu dienen, welches ohne diese Vorrichtung nicht genau genug, um ein sicheres Resultat zu erhalten, mit dem Kehlkopfe in Ver- bindung gesetzt werden konnte. Die ziemlich kurz ‚abge- schnittene Luftröhre befestigte ich auf die gewöhnliche Weise an ein 4 langes Windrohr. | | > Trotz dieser Vorrichtungen gelang es mir nicht, durch eih längeres Ansatzrohr eine merkliche Vertiefung des Tons zu Stande zu bringen, so oft ich auch den Versuch wieder- holte. Etwas günstiger war das durch ein längeres Wind- rohr erhaltene Resultat, wenn auch nicht so günstig, ‘wie meine vielfachen an künstlichen Zungenpfeifen gemachten Erfahrungen. Verlängerte ich das Windrohr durch gerade Ansätze, und umfasste diese beim Anblasen unmittelbar mit den Lippen, so blieb die Tonhöhe bei allen Versuchen die- selbe. Blies ich jedoch den mit dem erwähnten 4zölligen Rohre verbundenen Kehlkopf durch Vermittlung meines in einem spitzen Winkel knieförmig gebogenen Windrohrs an, so erhielt ich sehr bedeutende Aenderungen des Tones. Die Vertiefung ging in verschiedenen Versuchen von — dis auf eis, von + dis auf —d, in den beiden günstigsten Fällen sogar von — f auf + eis und von — fis auf + c. ' Diese Versuche wurden, wie schon erwähnt, mit einem stark verknöcherten Kehlkopfe angestelll. Der Ton des nicht verknöcherten Kehlkopfs von einem jüngeren Indivi- duum blieb dagegen unverändert bei Wind- und Ansatzröh- ren von jeder Länge. Selbst als ich einen solchen durch einen senkrechten Längsschnitt in zwei Hälften theilte, und die eine derselben dergestalt an einem hölzernen Rohre be- festigte, dass ein Zungenwerk nach Art des in Fig. 4, $ 6, im‘ Durchschnitt dargestellten zu Stande kam, dessen Wind- rohr 'einerseits durch Holz, andrerseits durch die seitliche Hälfte der Trachea und der beiden äusseren Kehlkopfsknor- pel, und dessen oberer Verschluss einerseits durch ein Brett- 46 chen, andrerseits durch das Stimmband gebildet wurde, war es mir nicht möglich, durch Ansatz- oder Windrohr eine merkliche Vertiefung des Tons hervorzubringen. "So wenig sich daher an den Angaben Müller’s und Andrer zweifeln lässt, welche bei einem unverletzten Kehl- kopfe eine solche Vertiefung des Tons beobachteten, so wwve- nig kann ich mich doch den aus diesen Angaben gezogenen Folgerungen in Beziehung auf die Natur des acustischen Vor- gangs bei der Stimmbildung anschliessen. Die Quellen des Irrthums sind bei der Schwierigkeit dieser Versuche so viel- fach, dass ich jede Abweichung der Beobachtungen am mensch- lichen Kehlkopfe von den oben aufgestellten Gesetzen einem solchen Irrthume zuschreiben muss, besonders da nach dem einstimmigen Zeugnisse aller Schriftsteller über diesen Ge- genstand und nach meinen eignen Untersuchungen diese ab- weichenden Thatsachen immer nur als Ausnahmen vom ge- wöhnlichen Verhalten erscheinen. $. 16. Hiernach fallen alle Hypothesen von einer wech- . selseitigen Accommodation zwischen den Stimmbändern und Luftsäulen, so wie von einer Compensation zwischen den Luftsäulen unterhalb und oberhalb der Stimmbänder in sich zusammen. Allerdings ist das Hinaufsteigen des Kehlkopfs bei hohen Tönen und sein Herabsinken bei tieferen von ho- her Wichtigkeit, aber nicht für die Sicherung der Tonhöhe, sondern für die Stärke der Resonanz. Ich bin für jetzt nicht im Stande, meine Behauptung durch Aufführung direkter Versuche zu begründen. Indessen sind alle Versuche, die man zum Beweise der älteren Annahme anstellte, nichts weniger, als günstig für dieselbe ausgefallen. Meine eignen Versuche haben gezeigt, dass diese Annahme, die allerdings früher als ein bequemes Auskunftsmittel für eine Menge von Widersprüchen gelten durfte, durchaus über- flüssig ist, und ich darf ihr gegenüber wohl unbedenklich eine Ansicht vertheidigen, die in Ermangelung des Beweises durch Experimente, durch bekannte Gesetze der Acustik gestützt an wird. Ich betrachte mit Ausnahme der unteren Stimmbän- der sämmtliche elastische Gebilde mit der von ihnen ein- geschlossenen Luftsäule bis zum Kebldeckel, der die letztere bald mehr, bald weniger von der Mund- und Nasenhöhle abschliesst, als einen einzigen Resonanzapparat. Wollten wir jede der beiden durch die unteren Stimmbänder getrenn- ten Luftsäulen als selbstständig resonirend ansehen, so würde diese Annahme nicht allein in ihren Folgerungen zu unlös- baren Schwierigkeiten führen, sondern sie ist auch, wenn wir das Wesen der Resonanz genauer ins Auge fassen, von vorn herein unzulässig. Die Schwingungen eines resoniren- den Körpers sind stehende. Es giebt keine stehende Schwin- gung ohne Schwingungsknoten, d. h. Orte, an denen die an- schlagenden Schallwellen zurückgeworfen werden; erst durch dieses Zurückwerfen werden -die Schwingungen zu stehen- den. Eine’resonirende Luftsäule hat bald mehr, bald we- niger Schwingungsknoten, aber immer wenigstens zwei an ihren beiden äussersten Enden. Ist nun auch die Bildung derselben in den Luftwegen je nach der Höhe der hervorge- brachten Töne an den verschiedensten Orten möglich, nie- mals liegt einer von ihnen in der Fläche der unteren Stimm- bänder, weil diese, wie oben gezeigt wurde, bei jedem Tone in ganzer Breite vibriren. ‘Bilden aber die Stimmbän- der keinen Schwingungsknoten, so wird es damit unmög- lich, beide Luftsäulen als getrennte Resonanzapparate zu betrachten. Wir wissen, dass jeder Körper, der überhaupt tönender Schwingungen fähig ist, am leichtesten den Ton durch Re- sonanz verstärkt, der seinem Eigentone gleich ist, oder doch sehr nahe kommt. Ferner wissen vr, dass der Eigenton eines Rohrs nicht allein von den Dimensionen der von ihm eingeschlossenen Luftsäule bestimmt wird, sondern auch in hohem Grade von der grösseren oder geringeren Festigkeit seiner Wandungen in der Art, dass der Eigenton um so mehr sinkt, je weniger fest die Wandungen werden. So 48 - vertiefte Sayart den Ton einer 1’ langen Röhre durch all- mähliges Befeuchten ihrer Wandungen um mehr als zwei Octaven. Die möglichen Veränderungen in der Länge der Luftwege reichen, so bedeutend sie auch sind, für sich kei- nesweges aus, um für jeden innerhalb des Umfanges der Stimme liegenden Ton eine kräftige Resonanz herzustellen, und vermögen das um so weniger, da sie den theoretisch geforderten Veränderungen geradezu widersprechen. Um die bekannte Thatsache kurz auszusprechen: bei hohen Tönen sind diese Theile länger, bei tiefen kürzer, während der Ton einer Luftsäule in der Regel um so höher steigt, jemehr‘ das sie umschliessende Rohr verkürzt wird. Nun liegt wohl der Gedanke nahe, dass die RE sich gerade so verhalten werden, wie das von Savart in seinem eben erwähnteu Versuche benutzte Rohr. Werden sie indie Länge gezogen, also gespannt und fester, so wird ihr Eigenton steigen, werden sie verkürzt, also abgespannt und nachgiebig, wie die befeuchteten Wandungen des Sa- vart’schen Rohres, so werden sie zur Verstärkung eines tieferen Tons tauglicher sein. Es könnte freilich scheinen, als ob die Veränderungen in der Länge der Lufiwege doch nicht bedeutend genug wären, um so verschiedene Spannun- gen derselben, wie sie für den Umfang der menschlichen Stimme nöthig sind, zu erklären. Indessen kennen wir die Elasticitätsverhältnisse des elastischen Gewebes, welches hier resoniren soll, noch gar nicht, und müssen, wie ich glaube bis zu ihrer Erforschung eine definitive Entscheidung über diesen Punkt aussetzen. : Ich gebe meine Ansicht nur für eine Hypothese, welche aber neben den angeführten physi- kalischen Gesetzen n@ch bekannte Thatsachen für 'sich hat. Wir wissen und können es besonders an Personen mit dün- nen Thoraxwandungen leicht wahrnehmen, dass beim Her- vorbringen, besonders tiefer Töne, nicht allein Kehlkopf und Luftröhre, sondern auch der ganze Brustkorb #ehr merklich erzittert. Diese Schwingungen werden aber fast unmerklich, 49 und die Stimme weniger klangvoll, wenn wir tiefe Töne mit in die Höhe gezogenem, oder hohe Töne mit herabgezo- genem Kehlkopfe angeben. | Ä ‚$:47. „Wir wissen, dass bei den Zungenpfeifen ein Stopfen ‘dicht vor ‚oder hinter der Zunge. den Ton ‚erhöht, dass aber bei den einfachen Zungenwerken dieses nie der Fall ist (Vgl. $ 5). Die erste Thatsache war schon lange bekannt, und ihr sind, wie ich glaube, manche Irrthümer in Betreff der Stimmbildung zuzuschreiben. Unglücklicherweise finden sich im Kehlkopfe Theile, die ihrer Lage nach, wenn jener eine Zungenpfeife wäre, allenfalls als Stopfen wirken könnten. Ich meine die Mm. cricoarytaenoidei laterales und ihyreoarytaenoidei, die oberen Stimmbänder, und den Kehl- deckel. | : Betrachten wir zunächst die Theile, die auf den Aditus glottidis inferior einwirken können, so finden. wir. zwei Muskelpaare, die Mm. ericoarytaenoidei laterales und thyreo- arytaenoidei inferiores.. Was die ersteren betrifft, so besteht; wie wir wissen, ihre anerkannte und gewisse Funktion iin einer Vorwärtsbewegung der Cartt. arytaenoideae,' und da- durch Verkürzung der unteren Stimmbänder. ° Das ist aber auch die einzige, die ich ihnen zuschreiben kann, .' Wegen der damit wahrscheinlich 'verbundenen Verengerung des Ad. glott. inf. schreibt man ihnen. hypothetisch auch die Funk- tion der Tonerhöhung zu...‘ Diese muss ich nach meinen oben mitgetheilten Versuchen leugnen. Dieselben Versuche nöthigen mich, eine ähnliche Wirksamkeit des zweiten ‚Mus- kelpaars der Mm. thyreoarytaen. inf. in der Art, wie man sie zu statuiren ıpflegt, nämlich als’ Stopfen, abzuleugnen. Freilich ist aus Müller’s Untersuchungen bekannt, dass seit- licher Druck auf die Gegend dieses Muskelpaares den Ton erhöht, und wir dürfen nicht bezweifeln, dass eine kräftige Contraction desselben einen ähnlichen Erfolg haben kann, aber wir können nicht mit Gewissheit behaupten, dass. die- ser Erfolg jemals im Leben eintritt. . Tritt er jedoch ein, Müller's Archiv, 1550, ä 50 so wirken die Muskeln nicht durch Verengerung des Ad. glott. inf. und als Stopfen, sondern indem sie auf die äus- seren Fasern der Stimmbänder drücken, durch Verkleinerung des Querschnitts der schwingenden Theile. Die Tonhöhe von gespannten Saiten und Streifen verhält sich ceteris paribus umgekehrt, wie die oe derselben. Es sind noch die Theile übrig, welche die Weite .der Luftwege oberhalb der Stimmritze verkleinern können. Dass keiner von diesen als Stopfen wirken kann, bedarf wohl nach allem Vorhergegangenen keiner Erläuterung. Dennoch dürfen wir sie nicht als gleichgültig betrachten. Von allen will ich nur noch die oberen Stimmbänder hervorheben, Man hat sie schon lange zu den Resonanzapparaten gezählt, ohne jedoch den Grad ihrer Wirksamkeit zu kennen. Auch ich vermag nicht auf dem Wege des Experiments die Grösse ih- . rer Bedeutung nachzuweisen, doch werden vielleicht längst bekannte Gesetze genügen, um wenigstens annähernd die- selbe schätzen zu Können. ' Obgleich wir die ganzen Luftwege bis zum Kehldeckel als einen einzigen Resonanzapparat betrachten müssen, so lässt sich doch nicht verkennen, dass sie an verschiedenen Stellen ihres Verlaufs eine verschiedene Fähigkeit besitzen, durch Luftschwingungen in Bewegung gesetzt zu ‚werden: Die Trachea mit den Bronchien kann, wie wir annehmen dürfen, in so verschiedenem Grade gespannt werden, dass sie bei allen Tönen, die im Umfange der menschlichen 'Stim- inen liegen, sehr leicht und vollkommen resonirt. ' Das‘ ist ‚aber bei dem aus grösseren Knorpeln gebildeten Kehlkopfe nicht der Fall. ° Und doch ist es für die Möglichkeit einer gleichmässigen Stärke jedes Lautes von grosser Wichtigkeit, dass ein so nahe unter den äusseren Bedeckungen liegender Theil möglichst kräftig resonire. Eine kurze’ Betrachtung möge diese Ansicht rechtfertigen. nn wen Der lebende Mensch mit unversehrten Stimm- und 51 ‚Sprachorganen® bringt ' beim‘ Gebrauch ‘der. ersteren: 'niemals 'einen veinfachen. Ton hervor. ' Was‘ wir ‘hören, sind Töne, die durch irgend eine’Form der’ Mundhöhle modifieirt :wur- den, Vokale' vom bestimmter 'Tonhöhe: Die zur; Hervorbrin- 'gung "dieser Vokale 'nöthige Form’ der Mundhöhle‘ nun.ist sehr mannigfaltig:'>; Indem ich. ‘von! den ‚Bewegungen! aller übrigen Theile’ absehe,' will’ ich nur) diebier ‚besonders wich. tige Verschiedenheit in’'der Weite’ der’ vorderen Mundöffnung berücksichtigen. ''Bei dem Vokale »A’ ist’ die Oeffnung am grössten, bei Ugrossentheils' geschlossen ; und’ zwar durch weiche, die Intensität der Schallwellen ’schwächende Theile. Nun wissen wir aus Beobachtungen an künstlichen‘ Zungen: werken, um diese aus vielen Tonwerkzeugen, die sich ganz ähnlich verhalten, kervorzuheben , dass sie ungedeckt einen hellen und klangvollen, gedeckt dagegen nur einen dumpfen und bei gleicher Stärke des Blasens schwächern Ton her- vorbringen. Dasselbe müsste, wenn nicht durch gewisse Vorrichtungen diesem Uebelstande vorgebeugt wäre, bei den menschlichen Stimmwerkzeugen der Fall sein. Es würde kein Gesang mit dieser gleichmässigen Klarheit aller Töne möglich sein, wenn nicht auf einem andern Wege, als durch die Mundöffnung, der äusseren Luft die kräftigsten Schwin- gungen mitgetheilt würden. In der That können wir uns leicht überzeugen, dass nicht die Schallwellen, die aus der Mundöffnung hervorströ- men, Ursache der starken und klangvollen Töne sind, deren das menschliche Stimmorgan fähig ist. Der Sänger bedarf vor allen Diugen einer breiten, gewölbten Brust und gesun- der Lungen von gleichmässig-elastischem Gewebe. Ist die- ses Gewebe durch Tuberkelmasse zum Theil verdrängt, und die zu kräftigen Resonanzschwingungen nöthige Gleichmäs- sigkeit und Elasticität desselben vermindert, so wird die Stimme dünn und klanglos.. Diese unteren Partien der. Lufiwege dürften für die Resonanz die wichtigsten sein; doch finden wir bei anfmerksamerer Beobachtung, dass auch k* 52 der Kehlkopf leicht an tönenden Schwingungen, die in ihm erzeugt werden, theilnimmt, und für diese Erscheinung finde ich zum Theil die Ursache in den oberen Stimmbändern. Sie bilden einen Apparat zur Verstärkung der Resonanz des Kehlkopfs. Bei der Tonbildung schwingen sie, wie man sich leicht überzeugen kann, obgleich schwächer gespannt, als die unteren, durch die Einwirkung der Luftstösse sehr lebhaft mit; sie, wie die unteren verhalten sich zu den Knor- peln des Kehlkopfs, wie die Klaviersaite zu ihrem Stege und Resonanzboden, und müssen so den Kehlkopf um so stärker in Schwingung versetzen, da sie aus demselben Gewebe ge- bildet sind wie dieser. Ueber die männlichen Geschlechtstheile der Campanu- laria geniculata. Von Dr. Max Sıem. ScHULTzE, Prosector in Greifswald. (Hierzu Taf. I.) Die Fortpflanzung der Campanularia geniculata, welche Loven !) beschrieben hat, ist wesentlich verschieden von der Vermehrungsweise, welche van Beneden 2) bei meh- reren Campanularien-Species beobachtete. Bei ersterer ent- stehen innerhalb axenständiger Kapseln aus Bläschen, welche alle Theile eines Eies enthalten, nach einem deutlichen Fur- chungsprocess bewimperte Embryonen, welche, nachdem sie die sie umgebende, einem unvollständig ausgebildeten Polypen gleichende Hülle verlassen haben, eine Zeitlang frei herumschwimmen, 'ganz den Embryonen der Medusa au- rita ähnlich, sich dann festsetzen, und zu einem Polypen 1) Wiegmann’s Archiv, 1837. 3r Jahrg., p. 249. 2) Memoires sur les Campanulaires etc. Memoires de l’Acad. de Bruxelles, Tom. XVII. Annal. des Sc. natur., 2 Ser., T. XX. 1843. p: 3500. Van Beneden’s Camp. geniculata ist nicht die ächte von 0. Fr. Müller in der Zoolog. Dan. abgebildete, dagegen Lister's Camp. dichotoma (Philos. Transact. 1834. Tab. X. Fig 1.) mit Camp. geniculata in allen Stücken übereinstimmt. 54 auswachsen, gleich dem Mutterthiere.e Love&n beobachtete diesen Vorgang genau, und ich habe mich von der Richtig- keit seiner Angaben überzeugen können. Bei den von van Beneden beschriebenen Campanularien dagegen entstehen in ebenfalls axenständigen Kapseln medusenartige Wesen mit Tentakeln, Verdauungs- und Sinnesorganen versehen, welche, nachdem sie die Kapsel verlassen haben, frei im Wasser herumschwimmen, und sich ganz wie Medusen gehärden. Von van Beneden werden dieselben für die Embryonen gehalten. Er lässt sie aus Eiern entstehen und vermuthet, dass sie sich später fesisetzen, und nach Obliteration und Metamorphose einiger Organe zu einer Campanularie wer- den. Andere Forscher dagegen, namentlich von Nord- mann !), Dujardin ?), halten diese medusenförmigen Ab- kömmlinge der Campanularien für die entwickelten Formen dieser Polypen, indem sie glauben, dass in den auf unge- schlechtlichem Wege entstandenen Medusen sich später Ge- schlechtstheile entwickeln. Die Campanularien werden dann als der Strobila-Form der Medusa aurita entsprechend an- gesehen. | Wenngleich v. Beneden uns den entschiedenen Beweis seiner Ansicht schuldig geblieben ist, indem er die Ei-Natur des Keimes der medusenförmigen Thierchen, so. wie die zur Entwickelung in diesem Falle nothwendige Befruchtung durch Samen nicht erwies, da er, sowenig wie Loven, männ- liche, Samen führende Organe an seinen Campanularien fand, so ist doch nicht zu leugnen, dass eine Uebereinstimmung in der Fortpflanzungsweise der von Loven und v. Bene- den beschriebenen Campanularien leichter bei der v. Bene- den’schen Anschauung, als bei der Dujardin’schen gefun- den wird. Leider bin ich nicht im ‚Stande gewesen, Cam- 1) Compt rend. 1839. 25. Nov., 2. u, 9. Dec. Monographie des Tergipes Edwardsü, p. 88. 2) Ann. des Sciences nat, 3 Ser, Tom. IV..p. 257 ff. 85 panularien mit medusenförmigen Abkömmlingen zu beobach- ten, und muss mich deshalb eines Urtheils zu Gunsten der einen oder anderen Ansicht noch enthalten. Es wird aber, wie mir scheint, Alles darauf ankommen, zu entscheiden, ob die medusenförmigen Thiere ebenso durch geschlechtliche Zeugung entstehen, wie die bewimperten Embryonen der Camp. geniculata. Finden sich in den axenständigen Kap- seln der v. Beneden’schen Campanularien wirklich Ei- keime mit den gewöhnlichen Uebergängen zu Embryonen (so wie dieser Schriftsteller es angiebt), und in anderen Kapseln Spermatozoiden in der von mir jetzt bei Camp. geniculata zu beschreibenden Weise, so würde an der Em- bryonen- Natur der medusenförmigen Abkömmlinge wohl nicht mehr zu zweifeln und eine Entwickelung derselben zu geschlechtlich sich fortpflanzenden Medusen nach allen be- kannten Analogieen für unmöglich zu halten sein *). Findet man dagegen, dass die Medusen auf ungeschlechtlichem Wege in den Kapseln entstehen, und analoge Sperma-Kapseln gar nicht vorkommen, so werden wir die Entwickelung von Geschlechtstheilen nur in den Medusen erwarten, und somit die Campanularien nur als Entwickelungsformen von Aca- lephen betrachten können, Bei Campanularia geniculata wür- den dann die polypenartigen Hüllen der Eier und Embryo- nen, so wie die der gleich näher zu beschreibenden Sperma- kugeln als Analoga der Medusen betrachtet werden müssen, obgleich dieselben nie frei werden, und gar keine Bewe- gung, ausser einer geringen der Arme zeigen, und vollstän- dig unfähig zur Aufnahme von Nahrung sind. *) Eine Beobachtung Kölliker’s darf hier nicht unerwähnt blei- hen. Derselbe sah bei Pennaria Cavolinii, deren medusenförmige Em- bryonen er gerade wie v. Beneden die seinigen beschreibt (Fro- riep’s Notizen, 1843. Bd. 25. p. 81.) Kapseln mit Spermatozoiden (Bildung der Samenfäden in Bläschen). Leider sind diese Kapseln und ihr Inhalt nicht genauer beschrieben, und ist die Wichtigkeit der Beobachtung überhaupt nicht erkannt worden. 56 Wir hätten dann in der Gattung Campanularia 'ächte Polypen, deren Repräsentant Camp. geniculata, und andere, die nur als Entwickelungszustände einer ‘Acalephe betrach- tet werden könnten, gerade so wie bei den Coryneen, de- ren manche, z. B. Coryne squamata, Eier und Samenkap- seln an sich 'entwiekeln, die sich vom Polypen nie trennen, sondern nach Entleerung des Inhaltes sich auflösen, wäh- rend bei anderen, z. B. Coryne aculeata, diese Kapseln sich vor der vollständigen Entwickelung der Eier oder des Sperma ablösen, und als Medusen herumschwimmen, in welchen sich dann erst später die Geschlechtstheile zur Reife ausbilden. : Wir kommen jetzt auf unsere Beobachtungen. Die männlichen, Sperma enthaltenden Organe der CGam- panularien sind, wie ich schon erwähnte, noch nicht be- kannt. Weder Love&n, noch van Beneden haben sie bei ihren © vielen Untersuchungen der Campanularien gesehen, ebensowenig gedenken ihrer ältere Beobachter. Bei Steen- strup !) finde ich jedoch eine kurze Notiz über dieselben. Er sagt: ,„‚Bei den Gattungen Tubularia, Eudendrium, Cam- panularia fand ich stets die Ammenpolypen nur das eine Geschlecht aufziehen, und bei Campanularia geniculata war niemals Same, ausser gerade in solchen Individuen, die un- ter denselben Verhältnissen, wie die eigentlichen Weibchen, die Eier bereiten, entwickelt wurden. Ueber Samen führende Organe anderer Sertularinen ha- ben uns Krohn ?) und Kölliker ?) einige Notizen gege- ben. Ersterer beobachtete Samenkapseln, welche den Eier- 1) Untersuchungen über den Hermaphroditismus, übersetzt von Hornschuch, p. 66, 67. 2) Müller’s Archiv 1843, pag. 174. 3) „Bildung der Samenfäden in Bläschen“ in den neuen schwei- zerischen Wenkschriften, Band Vlil. 57 kapseln an Lage und Gestalt entsprachen, jedoch auf be- sonderen Stämmchen wuchsen, bei Pennaria Cavolinii, Eu- dendrium racemosum, Plumularia cristata, letzterer auch noch bei Sertularia abietina. Genauere Beschreibungen und Ab- bildungen derselben fehlen jedoch, und über die Entwicke- lung der Spermatozoiden führt Kölliker nur an, dass die- selben aus sich verlängernden Bläschen zu entstehen schei- nen, und bildet sie von Sertularia abietina demgemäss ab. "Da ich mehrfach Gelegenheit hatte, in der Nähe von Greifswald in der Ostsee die Campanularia geniculata zu beobachten, so richtete ich meine Aufmerksamkeit alsbald auf die Geschlechtsorgane und’ das Fortpflanzungsgeschäft, und hatte im Herbst vorigen Jahres auch das Glück, die lange vergeblich gesuchten männlichen Generationsorgane zu beobachten, deren genaue Beschreibung und Abbildung ich hier mitzutheilen um so weniger für überflüssig halte, als auch die Entwickelung der Spermatozoiden ganz eigenthüm- liche und bisher unbekannte Verhältnisse darbietet. Bei mikroskopischer Untersuchung der den Campanula- rienstämmchen von einiger Grösse fast immer ansitzenden axenständigen Kapseln findet man ausser den von Loven gut abgebildeten Eierkapseln zuweilen solche, ‘deren Inhalt nicht aus Eiern besteht, sondern aus einzelnen ‚runden Ku- geln, etwa von der Grösse der Eier, aber mit einem gleich- mässig körnigen Inhalte gefüllt, der sich bei genauerer Untersuchung nach dem Zerdrücken der Kapsel als Sperma- tozoiden auf mannichfachen Entwickelungsstufen zu erken- ner giebt. (Vergl. Fig. 1 und 2 auf Taf. I) Diese männlichen Kapseln, wie ich sie. im Gegensatz zu den weiblichen, Eier enthaltenden, nennen will, unter- scheiden sich dem blossen Auge weder in Grösse, noch Ge- stalt, noch Lage von den weiblichen. Wie diese sprossen sie immer aus dem Winkel hervor, wo ein Polyp sich von dem Hauptstamm abzweigt. Ihre Länge beträgt im ausge- wachsenen Zustande 1-4 Linie, ihre Gestalt ist die eines 58 langgezogenen Bechers mit etwas wellenförmig gebogenen Seitenwänden, entsprechend den im Innern liegenden Ku- geln. — (Vergl. Fig. 1. A. die Samenkapsel, B der Becher für einen Polypen, C Fortsetzung des Stammes. Die Kap- sel ist durch Druck mit einem Deckgläschen etwas breit ge- drückt, während die in Fig. 2 dargestellte die Theile in der natürlichen Lage zeigt.) Ihr Stiel beginnt mit derselben eigenthümlich geringel- ten Bildung, wie sie sich bei allen Campanularien am An- fang einer jeden Sprosse findet. Die dem blossen Auge weissgelblich erscheinenden, die Kapsel ausfüllenden einzelnen Kugeln, welche nach dem breiteren oberen Ende der Kapsel zu grösser und undurch- sichtiger, nach dem Stiele zu kleiner und durchsichtiger er- scheinen, sind jede einzeln von einer dünnen Membran (Fig. 1 d Fig. 2 d) und alle zusammen von einer gemeinschaft- lichen durchsichtigen Hülle (Fig. 1 und 2 c) umgeben, In jede derselben geht eine Fortsetzung der in die Kapsel ein- tretenden allgemeinen ernährenden Substanz (Fig. 1 u. 2 a) (Darmröhre nach Loven), welche den ganzen Stamm der Campanularie gleichmässig durchzieht, binein (Fig. 1 u. 2 b), und reicht bis über die Hälfte des Durchmessers der Kugel, und endigt daselbst blind Niese den Inhalt der Kapsel er- nährende Substanz breitet sich, nachdem sie die einzelnen Kugeln versorgt hat, unter der hornigen Decke der Kapsel über das ganze obere Ende derselben aus (Fig. 1 A), gerade so, wie es bei den weiblichen Kapseln von Lov&n abge: bildet ist. Innerhalb dieser ernährenden Substanz ist eine, wahrscheinlich von schwingenden Wimpern herrührende leb- hafte Bewegung von Körnchen. Zerdrückt man mit einem Deckgläschen eine solche Kap- sel, welehe etwa 5—7 Kugeln im Innern enthält, unter dem Mikroskop, so treten die Kugeln theils am oberen Ende nach dem Zerreissen des Deckels, theils am unteren, wenn man die Kapsel vorher von ihrem Stiele abgeschnitten hatte, her- 59 aus und entleeren meist gleichzeitig ihren Inhalt, so dass es leicht ist, denselben nun in allen seinen Theilen deutlich zu erkennen. Die obersten Kugeln enthalten meist sich lebhaft bewe- gende vollständig ausgebildete Spermatozoiden mit kleinem, kaum 0,0001” grossem, runden Köpfchen, und langem, äus- serst feinen, nur bei sehr starkem Lichte deutlich erkennba- rem Anhange, welcher lebhaft hin und her schwingt. (Fig. 3:h.) Die Bewegung der Spermatozoiden lässt sich in der uneröfineten Kugel, wegen der ungeheuren Menge, welche beisammen liegt, nicht erkennen, erst beim Verdünnen des Samens mit Wasser tritt dieselbe hervor. Die weiter nach unten in der Kapsel liegenden Kugeln enthalten keine vollkommen entwickelten Spermatozoiden, sondern Entwickelungsstufen derselben von unten anf in folgender Reihenfolge: Die untersten kleinsten Kugeln enthalten dicht gedrängt blasse, gekernte, runde Zellen, ganz gleich den Spermatozoi- den-Keimzellen anderer Thiere (Fig 3 a). In den höher liegenden Kugeln findet man diese Zellen mit blasserem, fast verschwindendem Kern, der Umriss der Zelle hat seine gleiehmässige Rundung verloren, und beginnt nach einer Seite hin, sich in einen kurzen Fortsatz zu verlängern. (Fig. 3 b) Bei noch weiterer Entwickelung ist der Kern ganz ver schwunden, die Zelle ist etwas kleiner, und der Fortsatz länger und haarfein geworden, und zeigt eine sehr eigen- thümliche langsame Bewegung, nicht unähnlich der des be- weglichen Anhanges einer Euglena, durch welche das ganze Bläschen in eine wackelnde, häufig zu einer geringen Orts- veränderung sich steigerude Bewegung versetzt wird. Doch ist diese Bewegung ganz anders und langsamer als die eines reifen Spermatozoids. Das Bläschen wird hin- und herge- worfen, und es sieht häufig so aus, als stütze es sich auf den Anhang. 60 ' Andere. in derselben Kugel gewöhnlich vereinigt sich findende Entwickelungsformen sind die in Fig. 3 d, e, f ab- gebildeten. Alle Bläschen haben diesen biegsamen .Fortsatz, durch dessen Bewegungen sie 'hin und her geworfen werden, ausserdem aber noch eine grössere oder geringere Zahl von steifen, bevvegungslosen, nicht so sehr feinen Fortsätzen, welche von 1—5 variiren und nach und nach zu entstehen scheinen, durch welche diese Formen den Strahlenzellen Kölliker’s, welche bei den Krebsen eine gewöhnliche Ent- wickelungsstufe der Spermatozoiden sind, ähnlich werden. Doch haben letztere den beweglichen Anhang nicht, und sind überhaupt durchaus unbewreglich. | Es ist mir keine Beobachtung bekannt von Bewegungen so früher Entwickelungsstufen von Spermatozoiden. Was die successive Entstehung der einzelnen Fortsätze betrifft, so bin ich nicht im Stande gewesen, etwas siche- res darüber zu beobachten. Wahrscheinlich scheint mir aber, dass der bewegliche Fortsatz nach einiger Zeit zu einem unbeweglichen wird, und ein neuer beweglicher gewöhnlich an der gegenüberliegenden Stelle hervortritt, um dann bald wieder in einen unbeweglichen überzugehen u.s. f Nur sehr selten fanden sich Bläschen ohne beweglichen. Anhang. Die grösste Zahl der steifen Fortsätze an einem Bläschen, welche mir vorkam, war 4. (Die mit einem Stern (*) bezeichneten Fortsätze in Fig. 3 sind jedesmal die beweglichen.) | | Eine nöthige Vorsichismaassregel, um die Bewegung des feinen Anhanges beobachten zu können ist die, dass man sich hüte, einen zu starken und anhaltenden Druck auf die Kapsel behufs der Sprengung derselben auszuüben. Am be- sten ist.es, wenn man unter dem Deckgläschen ausser der Kapsel noch einen etwas resistenteren Gegenstand liegen hat, Pflanzentheile oder Campanularienstiele, dann während man durch das Mikroskop sieht einen allmähligen Druck auf das Deckgläschen ausübt bis die Kapsel gesprengt ist. Lässt 61 man jetzt den Druck nach, so geht das Deckgläschen ge- wöhnlich wieder etwas in die Höhe, und lässt den darun- ter liegenden Theilen den nöthigen Spielraum. Wie aus den beschriebenen beweglichen 'Strahlenzellen . die reifen Spermatozoiden hervorgehen, ist mir nicht mög- lich gewesen zu beobachten. Trotzdem dass ich Kapseln von der verschiedensten Grösse untersuchte, sind mir nie Uebergangsformen vorgekommen. Die nächst höheren Ku- geln enthielten’immer Spermatozoiden, welche sich nur durch einen etwas grösseren Körper von den ganz reifen unter- schieden (Fig. 3 g), in ihrer Bewegung den letzteren aber ganz ;glichen. | Ob eine Theilung einer Strahlenzelle in mehrere: Sper- matozoiden stattfindet oder nicht, muss daher noch: unent- schieden bleiben. ' Bei den Krebsen kennen wir die Meta- morphose der Strahlenzellen auch nicht, wir wissen: nicht einmal ob sie überhaupt zu beweglichen Spermatozoiden werden. Dromia Rumphii ist nach Kölliker der einzige Krebs, bei welchem neben: Strahlenzellen fadenartige Sper- matozoiden ähnliche Gebilde gefunden worden Bunde 'diesel- ben waren aber unbeweglich. | Was nun die weitere Veränderung der Samenkapsel be- hufs der Entleerung des Samens anbetrifft, so geschieht die- selbe auf eine sehr ähnliche Weise, wie bei den weiblichen Kapseln behufs der Entwickelung und des Gebärens der Em- bryonen. ‘Wenn nämlich die Samen führende Kapsel wie in Fig. 1 in ihren obersten Kugeln reife Spermatozoiden ent- hält, so durchbricht die oberste derselben die deckelartig die Kapsel verschliessende Membran, und die Hülle der Ku- gel, die unterdess etwas an Dicke zugenommen hat, stellt, wie in Fig, 2 A d, einen runden an einem 'Stiele festsiz- zenden Sack dar, dessen dem Stiele gegenüberliegende Fläche mit einem Büschel tentakelartiger Anhänge besetzt ist. ‘Der Stiel enthält eine Fortsetzung der allgemeinen ernährenden Substanz, welche jetzt nur noch ein klein ‘wenig in die 62 Spermatozoiden-Kugel hiueinragt.'. Die’ Tentakeln besitzen einen geringen Grad von Beweglichkeit, indem:'sie sichsehr langsam ausstrecken und zusamimenziehen können, 'haben: aber keine Nesselorgane, und sind 'gewiss ganz unfähig zur Auf- nahme von Nahrung. Sie schliessen zuerst auch nicht ein- mal eine Oeffnung ein, sondern.'diese bildet‘ sich erst» nach einiger: Zeit, wenn die die Spermatozoiden noch’ besonders umhüllende sehr dünne Membran geplatzt ist. Eine.Bewe- gung der ganzen Hülle findet in keiner Weise statt. Zwischen der inneren Oberfläche dieser Hülle und der Spermatozoidenkugel bleibt, wie in Fig 2 A dargestellt:ist, eine Lücke, welche von sich lebhaft bevvegenden! Sperma- tozoiden ‚ausgefüllt wird, wenn man durch Druck (die sie umschliessende Membran gesprengt hat, oder wenn dieselbe von selbst geplatzt: ist.» Die Spermatozoiden gelangen ‚je- doch nicht sogleich nach aussen, ‘wie ‚es geschehen müsste, wenn'von ‘vorn herein eine Oeffüung an der: Stelle wäre, wo die Tentakeln ansitzen, sondern erst dann,‘ wenn durch noch stärkeren Druck die äussere Hülle ‚auch 'geplätztist, vertheilen sich die Samenelemente im Wasser. . hiosola Sind die Spermatozoiden auf die natürliche Weise and leert,; so. schrumpft die polypenartige Hülle zusammen‘ (Fig. 2: B),:und verschwindet endlich ganz „ nachdem mittlervwveile von dem übrigen Kugeln die: nächst höheren: aus' dem: Inne- ren der: Kapsel ausgetreten sind. Man : findet ‚dergleichen Kapseln mit. 4— 5 aussen aufsitzenden polypenäartigen. Hül- len,: von denen einige aber immer schon dern. 1. Verschwinden nahe sind. ei | Sf Von den Gefässen, welche Ibasisniigg oe kapseln 'aufsitzenden ganz ähnlichen Eierhüllen abgebildet hat, die ich jedoch an diesen: Hüllen: nie. habe‘ wrahrnehmen können, finden sich an den beschzibhenen ee keine Spuren. | masıio Jim Da männliche und weililiche Kapseln stets auf Ya dene Polypenstöcke vertheilt sind; so’ wird der ‚Same: häufig 63 eine nicht unbeträchtliche Strecke bis zu den’ zu befruch- tenden Eiern zurückzulegen haben. Es lässt sich deshalb schliessen, dass die Spermatozoiden im Seewasser ihre Be- 'wegung und Befruchtungsfähigkeit nicht schnell verlieren. Eine Stunde nach der Entleerung des Samens konnte ich die Bewegungen der Spermatozoiden noch wahrnehmen. Dass eine Befruchtung durch Samen für die Entwicke-. lung der Eier durchaus nothwendig ist, davon habe ich mich häufig überzeugt, indem nur die Eierkapseln, welche mit männlichen Polypenstöcken in einem Glase vereinigt wa- ren, Embryonen lieferten, bei solchen dagegen, die isolirt aufbewahrt wurden, die Eier, nachdem sie in den polypen- förmigen Hüllen aus der Eierkapsel ausgetreten waren, stets sich auflösten. Der Furchungsprocess begann bei denselben, blieb aber bald stehen, und zu einer Embryobildung kam es nie. Es ist dieser vergebliche, ohne Befruchtung. stattfin- dende Furchungsprocess auch von Loven gesehen ‘und ab- gebildet '(a.'a. ©. Taf. V. Fig. 13 c), aber falsch gedeutet. Er hielt ihn für eine spontane Theilung eines Embryo zum Zweck einer Vermehrung, und glaubte jedes einzelne Bläs- chen würde zu einem Jungen werden. 40 AIG Lister’s Zeichnung und Beschreibung (Philos. transact. 1834. Taf. X. Fig. b. 4. pag. 376), welche Loven bei dieser Gelegenheit eitirt (a a. ©. p. 260.), und für. gleichbedeutend mit dieser angeblichen Vervielfältigung; der Embryonen hält, hat, wie mir, scheint, eine ganz andere Bedeutung. Die Fi- gur spricht entschieden dafür,‘ dass Lister die männlichen Kapseln und das Ausströmen der Spermatozoiden gesehen. Doch hatte er keine Ahnung von der Bedeutung desselben. Was endlich die polypenförmige Hülle der Spermaku- geln anbetrifft, so ist dieselbe, wie erhellt, ganz gleichbe- deutend mit der gleichgestalteten der Eier und Embryonen. Ist diese als Analogon der bei anderen Campanularien sich findenden freien medusenförmigen Abkömmlinge zu be- trachten, so ist es jene, die Hülle der Spermatozoiden, auch. 64 Ich habe mich eingangs schon darüber ausgesprochen, dass_ die Entscheidung dieser Frage erst: nach erneuten, genaue ren Untersuchungen der Campanularien mit Medusen-Brut erwartet werden kann, und enthalte mich daher jetzt jeder unnöthigen Deutelei. —— Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Spermakapsel von Campanularia geniculata, unter einem Deck- gläschen etwas breit gedrückt, bei 200maliger Vergrösserung. B Bruchstück eines Polypenbechers.. C Fortsetzung des Stammes der Polypen. D die einzelnen Spermatozoidenkugeln, jede umhüllt von einer besondern Haut d, alle umschlossen von der Membran c. a allgemeine ernährende Substanz des Poly- penstockes. b Fortsätze derselben in jede Spermatozoidenku- gel. A deckelartige Ausbreitung derselben am oberen Ende der Kapsel. | Fig. 2. Spermakapsel mit 2 ausgetretenen Spermatozoidenkugeln in ihrer polypenförmigen Hülle, A u. B. Erstere mit unverletzter Spermakugel, letztere nur noch wenig Spermatozoiden. enthal- tend, und schon im Begriff zusammenzuschrumpfen. Die übrigen Buchstaben wie in Fig. 1. a 3. Spermatozoiden auf verschiedenen Entwickelungsstufen, 900- mal vergrössert. a Keimzellen derselben. b eine solche im Begriff, sich mit einem Fortsatze zu‘ versehen. c mit einem beweglichen Fortsatz *. d mit einem steifen und einem be- weglichen Fortsatz *. e mit zwei steifen und einem bewegli- chen Fortsatz *. Zwei dieser Strahlenzellen haben keinen be- weglichen Fortsatz. f mit 3—4 steifen und einem bewegli- chen Fortsatz. *. g noch nicht vollständig reife Spermatozeoi- den. h vollständig reife Spermatozoiden. Y\ Ueber den Uterus maseulinus. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Geschlechtsorgane. | Von Friepricn BeETz in Tübingen. (Hierzu Taf, 11.) Obwohl ältere und neuere Untersuchungen, besonders die von E. H. Weber, zur Genüge gezeigt haben, dass die Ve- sicula prostatica als ein rudimentärer Uterus zu betrachten sei, so ist: der Gegenstand doch noch nicht so vollständig erörtert, dass alle Fragen, zumal über die Morphologie des- selben, schon beantwortet wären. In letzterer Beziehung besonders bietet der von mir beobachtete Fall manches In- teressante dar. Indem Gebärhause des Herrn Professor Breit, dessen Güte mir die nähere Untersuchung überliess, wurde ein männ- liches, schon ‚einige Zeit vor der Geburt todtes und unge- fähr 32 Wochen altes Kind geboren. Das Kind zeigle äus- serlich weder ar den Geschlechts- noch an andern Körper- theilen Missbildungen, um so überraschender war daher der Fund des zu beschreibenden Uterus. Zwischen der sehr grossen Blase und dem Mastdarme lag in einer 'Bauchfellfalte der Grund des Uterus, und bil- Müller’s Archiv, 1850. 5 66 dete einen ungefähr 2’ hohen und 5 breiten Wulst zwi- schen beiden Organen. Von der rechten Seite desselben gin- gen zwei dickhäutige Stränge zu dem noch unter der Niere liegenden Hoden ab. Der obere Strang war an der Abgangs- stelle vom Uterus eine Linie dick, ceylindrisch, verjüngte sich aber allmählig und löste sich gegen den Hoden hin in grös- sere und kleinere Bündeln von Bindegewebe auf, die sich, eine membranartige Ausbreitung bildend, in der Hülle des Nebenhodens verloren. Unter diesem Strange gjng ein zwei- ter dünnerer zum Nebenhoden, anfangs gestreckt, später kurz gewunden, ging er in den Schwanz des Nebenhodens über. Es war das Vas deferens. Bei weiterer Verfolgung des Vas deferens fand ich, dass es sich an der Seite des Uterus, schwache Windungen bildend, herunterschlug, Der Samen- leiter war mit dem Uterus ziemlich fest verwachsen, jedoch konnte er ohne Zerstörung noch isolirt werden. — Vom linken Ende des Uterus ging wieder ein rundlicher Strang zu dem schon in den Hodensack herabgestiegenen Hoden; es war das’ Vas deferens. Dieses konnte ich nicht an der Seite des Uterus herabverfolgen, da seine Masse mit der des Uterus verbunden war, jedoch gab es sich noch an der Seite jenes durch einen schnurarligen Streifen zu erkennen. Der geöffnete Uterus masculinus war innen von einer Schleim- haut ausgekleidet, über dieser lag eine blassröthliche Mas- kelschicht, wie an der Urinblase, von ziemlicher Dicke. Grösstentheils war er vorn und hinten durch Bindegewebe an die benachbarten Organe ziemlich fest angeheftet. Bei dem Eröffnen floss eine trübe, klebrige geruchlose, Flüssigkeit aus. Die am Grunde breitere Höhle des Uterus masculinus setzte sich ungefähr 4’ weit in den oberen Strang fort. An der Einmündungsstelle in den Uterus hatte dieser hohle Fortsatz die Breite von ungefähr 2. Von dem nach unten enger werdenden Uterus konnte man eine 4 Linie dicke Sonde leicht in die Urethra führen, die sofort in der Mitte des Caput gallinaginis, an der Stelle der Vesicula prostatica, 67 zum Vorschein kam. Der rechte Samenleiter war hohl und mündete auf der Falte des caput gallinaginis. Der linke Sa- menstrang liess weder an dem caput gallinaginis, noch an der Seite des Uterus einen Canal auffinden. — Die Harn- röhre war weit und offen, wie sich überhaupt sonst keine Missbildung zeigte. Dieser Fall von Uterus masculinus ist dem von Ackermann*) beobachteten sehr ähnlich, bietet jedoch in morphologischer Beziehung viel grösseres Interesse dar; der Ackermann’sche Fall zeigt zwar noch andere Bildungsfehler der Genitalien, wie Spaltung des Scrotum u. s. w., allein er entbehrt des Horns des Uterus. Die Grösse der beiden Uterus scheint ziemlich gleich zu sein. Gehen wir nun die verschiedenen Formen des Uterus masculinus bei Thieren durch, wie sie E. H. Weber in seiner Schrift über den männlichen Uterus angiebt, z.B. den Uterus eines Pferds, des castrirten männlichen Schweins, des Bibers, so finden wir mehr oder weniger die Gestalt des weiblichen Uterus bicornis. Die Samenleiter münden nicht in den Uterus mas- eulinus, sondern laufen getrennt; seitlich an demselben her- unter, und öffnen sich an den gewöhnlichen Stellen... Diese Erseheinung benutzt Weber, um zu beweisen, dass das als rudimentärer Uterus von ihm bezeichnete Organ nicht als zusammengewachsene Samenblasen zu betrachten sei. Mein Fall kann ebenfalls zum Beweis dienen. Auch in dem von Ackermann beschriebenen, münden die Samenleiter nicht in den Uterus, sondern an der normalen Stelle.e Wir können hierüber hinweg, da aller Zweifel beseitigt ist. Wichtiger ist für uns die Bedeutung des oberen Strangs an unserm Uterus. Offenbar ist er als ein Cornu uteri zu betrachten, oder als der Rest einer Trompete.: Es reiht sich deshalb unser Uterus dem Uterus masculinus der oben be- zeichneten Thiere an, oder beziehungsweise dem weiblichen Uterus bicorms. — Es fragt sich nun, in welcher entwicke- *) Infantis androgyni historia. Jenae 1805, I) “ 68 lungsgeschichtlichen Bedeutung steht das 'Vas deferens zu den Tuben’ oder zu dem cornu uteri. ° Es ist die Ansicht von E. H.: Weber und die noch beinahe allgemeine, dass die Vasa deferentia den Tuben und Hörnern des weiblichen Uterus entsprechen. *) Tuben und Vasa deferentia' entwik- keln sich aus einem und demselben Organ. Diesen Vorgang beschreibt Fr. Arnold ganz genau in seiner Physiologie, deshalb ich ‚eine eigenen Worte anführe: „S amenleiter und Eiter entwickeln sich aus dem Ausführungsgange der Wolff- schen Körper, wie ich mich an Embryonen von Schweinen überzeugt habe. Dieser Gang nehmlich, welcher anfänglich an seinem vordern Ende spitz ausläuft, öffnet sich bei weib- lichen Embryonen und erweitert sich nach und nach trich- terförmig (sie !!!); der ganze Kanal erhält eine grössere Weite, wird länger und macht zuerst einige, dann mehrere Win- dungen, seine Wände werden dicker und sondern sich in eine Zell- und Schleimhaut, Eileiter. Bei männlichen Em- bryonen aber bleibt er an seinem vordern Ende geschlossen und erweitert sich in seinem Verlaufe viel weniger, an sei- nem Anfange verlängert er sich, windet sich mehrfach und bildet eine Verknäulung, welche sich mit dem Hoden in Ver- bindung setzt, Samenleiter und Nebenhode. Dieser Beobachtung kann ich nicht in den Weg treten, muss jedoch ‘ bedauern, dass sie weder die Erscheinung eines männlichen Uterus hicornis, noch den von mir beobachteten Fall genü- ° gend erklärt. Wir sehen dass das Vas deferens und die Tuben sich entwickeln können. Es kann also ein Organ zur Metamarphose nur für Eines von jenen Gebilden bestimmt nicht zugleich für beide dienen. Es herrscht freilich über diesen Gegenstand noch ein Dunkel, allein soviel ist sicher, dass das Vas deferens und die Tuben sich aus gesonderten Gebilden entwickeln. Nach Rathke entwickelt sich bei beiden Geschlechtern .der Natter neben dem* Ausführungs- *) In ihrer physiologischen Bestimmung allerdings. 69 gange der Wolffschen Körper ein ‚anfangs solider, später hohl werdender und an dem vorderen Ende der Wolff’schen Körper offen mündender Streifen. Derselbe ist und bleibt bei dem Weibchen der Eileiter, während der Ausführungs- gang des Wolff’schen Körpers schwindet. Bei dem Männ- chen aber fällt dieser neu entwickelte Canal zu einer gewis- sen Zeit wieder der Resorption anheim, und verschwindet gänzlich. Statt dessen wird hier der Ausführungsgang der W olff’schen Körper zum Vas deferens. — Ich habe diesen Strang für die Tuben bei sehr frühen Embryonen von Men- schen einige Mal mit dem Vas deferens verlaufen gesehen, so dass beide Organe nebeneinander lagen. — Meine Unter- suchungen über die Entwickelungsgeschichte des Uterus ma- seulinus bicornis stelle ich an Meerschweinchen besonders an, bei denen er sehr entwickelt ist, und werde sie später mit- theilen. Nach dem Gesagten bewahrheitet sich der Satz, dass in jedem Keim die Primordialorgane zur Entwicklung beider Geschlechter niedergelegt werden. I Was das nicht erfolgte Herabsteigen des rechten Hodens betrifft, so ist mir die Ursache nicht ganz klar. Es wäre möglich, dass die Adhaesion des Uterus-Horns die Locomo- tion verhindert hätte. Ein anderer möglicher Grund könnte die Anhäufung von einer dünnen gallertartigen Masse, die unter dem Hoden und vor dem Leistencanal lag, sein, wo- durch der Descensus unmöglich gewesen wäre. Ersterer Grund scheint mir jedoch der wahrscheinlichere. Erklärung der Abbildungen in natürlicher Grösse. Fig. I. zeigt den männlichen Uterus, wie er sich bei der Eröffnung der Bauchhöhle nach vorwärtsgeschlagener Blase darstellte. a, männlicher Uterus. b. cornu uteri, gegen den Hoden hin membranartig ausbreitend und theilweise gleichsam umwickelnd. 70 c. vas deferens dextr. d. vas deferens sinistr., zum im Hodensack gelegenen Hoden gehend. e. Urinblase. f. f. Harnleiter. g. Rectum. Fig. I. zeigt den aufgeschnittenen Uterus maseulinus und die Höhle des Horns, den Verlauf der Samenleiter an der Seite des Uterus; ferner die Mündung des Uterus in der Harnröhre. Die Blase wurde von der vordern Wand des Uterus abge- löst und mitten entzweigeschnitten. . Uterus masculinus. . cornu uteri. vas deferens dextr. ..vas deferens sinistr. e. Urinblase. f. Harnleiter. . Rectum. ostium urethrale uteri masculini. m 98 sea moa®s SQ Vorläufiger Bericht über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nerven- reizung. | Von Dr. HeLmouoLtz, Professor der Physiologie in Königsberg. (Aus dem Monatsbericht der K. Akademie der Wissenschaften. Ja- nuar 1800). Ich habe gefunden, dass eine messbare Zeit vergeht, wäh- rend sich der Reiz, welchen ein momentaner elektrischer Strom auf das Hüftgeflecht eines Frosches ausübt, bis zum Eintritt des Schenkelnerven in den Wadenmuskel fortpflanzt. Bei grossen Fröschen, deren Nerven 50 — 60 Millim. lang waren, und welche ich bei 2—6° C. aufbewahrt hatte, während die Temperatur des Beobachtungszimmers zwischen 11 und 15° lag, betrug diese Zeitdauer 0,0014 bis 0,0020 einer Sekunde. Die Reizung des Nerven geschah mittels des Stromes, den eine Drahtspirale bei der Oeffnung ihres eigenen Stro- mes in einer andern inducirte. Durch eine eigenthümliche mechanische Vorrichtung wurde bewirkt, dass in demselben Augenblicke, wo der Strom in der indueirenden Spirale auf- 12 gehoben wurde, sich ein zweiter, durch einen Multiplicator gehender Strom schloss. Ich überzeugte mich, dass die Feh- ler in dem vollkommenen Zusammentreffen der Oefinung und Schliessuug jedenfalls bei weitem nicht „!; der Zeitdauer erreichten, um die es sich handelt. Der Strom kreiste so lange durch den Multiplicator, bis die Spannkraft des ge- reizten Wadenmuskels sich hinreichend vergrössert hatte, um ein gewisses an einer Platinspitze auf einer‘ vergoldeten Unterlage hängendes Gewicht mit dieser Spitze von der Un terlage abheben zu können, und so den durch diese Theile geleiteten Strom zu unterbrechen. Die Dauer des Stroms ist also dem Zeitraum zwischen der Reizung des Nerven und der ersten mechanischen Wirkung des Muskels genau gleich. Der Ausschlag, welchen der Strom während seines Durchganges dem Magnetstabe des Multiplicators ertheilt, ist der genannten Zeitdauer proportional, und dieselbe kann aus ihm berechnet werden, wenn man ausserdem die Schwin- zungsdauer des Magneten und die Ablenkung kennt, welche der ununterbrochene Sirom bewirken würde. Ich maass die Ablenkungen mit Spiegel und Fernrohr. Das Wesentliche des Verfahrens entspricht der von Pouillet zur Messung kleiner Zeiträume angegebenen Methode. Die Ergebnisse waren folgende: Die Zeit, welche der Muskel nach der Reizung durch gleiche Ströme braucht, um die den angehängten Gewichten entsprechende Spannung zu erlangen, ist desto grösser, je schwerer die letzteren sind. Die Zeit wird bei gleichen angehängten Gewichten und wechselnder Intensität der Reizung oder Reizbarkeit des Muskels desto grösser, je kleiner die Höhe ist, bis zu wel- cher der Muskel das Gewicht erhebt. Gewöhnlich, doch nicht immer sind die Erhebungshö- hen bei Reizung des oberen Endes des Hüftnerven kleiner als bei der des an den Muskel anstossenden Theils, was den bekannten Erfahrungen über das Absterben ausgeschnittener .. 19 Nerven vom centralen Ende aus entspricht. Man kann aber jedenfalls die Gleichheit der Erhebungen herbeiführen, indem man die Inductionsströme für die reizbarere Stelle schwächt. Es geht alsdann aus den Ausschlägen des Magneten hervor, dass dieselbe mechanische Wirkung bei Reizung des unteren Nervenendes um ein Gewisses früher eintritt, als die nach Reizung des obern. Bei demselben Individuum ist diese Dif ferenz constant, und unabhängig von den angehängten Ge- wichten. In den Beobachtungsreihen an verschiedenen Indi- viduen wechselte dieselbe zwischen 0,0014 und 0,0020 Sek., wobei die höheren Werthe derselben den kälteren Tagen entsprachen. Bei den Versuchen mit niederen Gewichten sind die einzelnen Zuckungen etwas unregelmässiger und man muss die constante Grösse der Differenz aus den Mit- telzahlen der Versuchsreihen berechnen, während dieselbe bei 100 bis 180 grm. Belastung sogleich aus der Vergleichung der einzelnen Zahlen entnommen werden kann. Ueber die Endschlingen des Geruchsnerven (Nervus olfactarius). Von Dr. Herm. Horn in München. (Hierzu Taf. III. Fig. 1—3.) Wie der Nervus acusticus und opticus peripherisch Schlin- gen bilden, so kommt dies auch bei dem Nervus olfactarius vor. Man kann sich hiervon in der Nasenschleimhaut des Frosches (rana temporaria) überzeugen. Trägt man näm- lich ein Stückchen Nasenschleimhant so ab, dass ein Theil vom Stamme des Nervus olfactarius hiermit noch in Ver- bindung bleibt, und betrachtet dieses durch zwei plane Glas- plättchen leicht gedrückt bei einer 216- bis 300maligen Ver- grösserung mittels,eines Mikroskopes, so sieht man den Nervus olfactarius in Nervenzügen sich hierin vertheilen; diese Nervenzüge bilden in ihrer peripherischen Verbreitung theils kolbenartige Figuren, theils breiten sie sich in grösse- ren Segmenten eines Kreises aus. Sie selbst bestehen aus parallel neben einander gelagerten Fasern von 0,001 — 0,0008 p. L. Breite. An der peripherischen Gränze schlagen sie sich schlingenförmig um und kehren zum Siamme wieder zurück. Den ausgebreiteten Nervenfibrillen sind ramifieirte 15 Pigmentzellen und Flimmerzellen überlagert. Aber auch ein- zelne Züge anderer Nerven mit breiterem Durchmesser fin- det man in der Schleimhant in verschiedenen Richtungen eingebettet. Sie haben die Eigenschaften der feineren Cere- bralnerven. | Erklärung der Abbildungen. Die Abbildung stellt in einem Theile des Nervus olfactarius den formellen Typus der peripherischen Ausbreitung der Nervenfibrillen dar. Fig. 1. Ein Theil des Nervus olfactarius. Die Endschlingen lie- gen hier in einer kolbigen Figur gruppirt zusammen. Die Nervenfasern selbst sind äusserst zart, wie die Gehirnfasern und werden sehr leicht varicös. - Fig. 2. Stellt die mehr strahlenförmige Ausbreitung des Nervus olfactarius dar. Man sieht diese vorzüglich in den von dem Stamme des Nervus olfactarius entfernteren Portionen der Nasenschleimhaut. Fig. 3. Züge von eingemischten gröberen Nervenfasern. Ueber den Bau des Herzens. Von R. Remax. Die. Muskelfasern (Muskelprimitivbündel) des Herzens ver- ästeln sich und gehen netzförmige Verbindungen mit einan- der ein, wie ich bisher an dem Herzen des Menschen .und mehrerer Säugethiere (des Ochsen, des Schafs, des Sch weins und des Kaninchens) beobachtet habe. Es hält nicht schwer, diese Beobachtuug zu wiederholen; doch wähle man für den Anfang die dünnen und lockeren Muskelschichten, welche die Hohlvenen und die Lungenvenen begleiten. Hier ist es, na- mentlich bei Schafen, an der äussersten Grenze der Mus- kelsubstanz am leichtesten, dünne Muskelschichten so blos- zulegen, dass man die Fasernetze deutlich beobachten kann. Ich unterscheide in der Muskelsubstanz des Herzens überall Hauptfasern, die parallel neben einander verlaufend einen Faserzug bilden und Zwischenfasern, mittelst welcher jene miteinander netzförmig zusammenhängeu. Die Zwischen- fasern folgen im Allgemeinen der Richtung des Faserzuges und verbinden daher die Hauptfasern unter spitzen Winkeln. Im- mer sehe ich blos Nachbarfasern mit einander verbunden und niemals Hauptfasern von übergreifenden Zwischenfasern ge- kreuzt. Ich habe Hauptfasern grosse Strecken weit verfolgt, mag jedoch nicht behaupten, dass nicht zuweilen eine‘ Zwi- schenfaser zur Hauptfaser werden kann und umgekehrt. Eine Hauptfaser giebt oder empfängt in einer Höhe eine oder zwei Zwischenfasern und danach erscheint sie bald zweitheilig, bald dreitheilig verästelt. Die Verbindung wie, derholt sich zwischen je zwei benachbarten Hauptfasern in 7 längeren : oder ‘kürzeren Abständen mit. mehr oder weniger ausgesprocherem Parallelismus der Zwischenfasern, was eine grosse Mannichfalligkeit der Netze in Form und Umfang be- dingt. In den dünnen Muskelschichten der Vorkammern und der muskulösen Bedeckung der Venenstämme verlaufen die Haupifasern zuweilen nicht dicht neben einander und daher finden sich hier durchschnittlich grössere Netze und längere Zwischenfasern, als in den starken Faserzügen der Kam- -mern. Doch: giebt es auch in den letzteren längere Zwi- schenfasern, die eine Strecke weit mit den Hauptfasern verlau- fen, bevor sie mit einer Hauptfaser verschmelzen. Zuweilen findet sich statt der: Zwischenfaser blos eine partielle Ver- schmelzung der Ränder zweier Hauptfasern. Die Zwischenfasern sind. durchschnittlich weit schmä- ler, als die Hauptfasern und von wechselnder Stärke. Man sieht z.; B. Hauptfasern. von c. ‚45 L. durch Zwischenfasern von „1, bis',4, L. mit einander verbunden. Im manchen Sehichten, namentlich der Kammern, sind die meisten Zwi- schenfasern von der Stärke der Hauptfasern.. Wo dies der Fall, ist, und überdies die Netze dicht aufeinander folgen, da erscheinen die Maschenräume wie, gleichsinnig schiefgestellte Spalten und es, wird schwer, Haupt- ‚und Zwischenfasern von einander zu unterscheiden. Alsdann pflegen auch man- che Haupifasern kurze dnrehdringende Längsspalten zu zei- gen. Die letzteren erinnern an die Entstehung der Mus- en bei welchen nach meinen Beobachtungen (Fro- rip’s neue Notizen 1845 Sept. No. 763) eine Vermehrung der Fasern durch Längsspaltung vorkommt. Die Verästelung und Netzbildung wird an den Muskel- fasern des Herzens an keiner Stelle, weder in den Kammern noch in den Vorkammern, vermisst. Eine sehr dichte Ver- ästelung und Netzbildung finde ich beim Menschen in der Wand der Kammern. Wenn man ein Stückchen der letzte- ven zerfasert, so sieht man jede Faser schon im Bereiche P2 78 von „4; Linie mindestens einmal, zuweilen auch mehrfach verästelt. Hauptfasern und Zwischenfasern gehen überall ohne Einschnürung oder Unterbrechung in einander über und zei- gen keinen Unterschied in Bezug auf Querstreifung und Kern- bildung. Auch habe ich bei den genannten Thieren an fri- schen Fasernetzen aus den Vorkammern die Zwischenfa- sern gleich den Hauptfasern in wellenförmiger oder schie- bender Bewegung begriffen angetroffen. (Vgl. meine Beob- achtungen über die Zusammenziehung der Muskeln in Müll. Arch. 1843 S. 185.) | Wenn die motorische Wirkung der Nerven auf die Mus- kelfasern, wie sehr wahrscheinlich ist, überall der Continui- tät der letzteren folgt, so ist durch die netzförmigen Ver- bindungen der Muskelfasern des Herzens innerhalb der Fa- serzüge eine Verstärkung und Solidarität der motorischen Leistungen bedingt, die den netzlosen, der Willkür unter- worfenen Muskeln fehlen muss. Dieser Ansicht entspricht die Beobachtung, dass die von mir entdeckten Ganglien vorzugsweise auf der Grenze zwischen Vorkammern und Kammern und in den Scheidewänden vorkommen und dass innerhalb der Faserzüge des Herzens der Verlauf verein- zelter Nervenfasern zwischen den Muskelfasern überall ver- misst wird, welcher bekanntlich den netzlosen Muskeln nie- mals fehlt.*) *) Prof. Virchow aus Würzburg sagt mir, dass der netzför- mige Bau der Muskelfasern des Herzens vor Kurzem auch in Würz- burg beobachtet worden ist.- Berlin, den 23sten März 1350. Remak. Histologische Bemerkungen über die Riot: fässwände. a4 Von R. Remax. Die Beobachtungen, deren Ergebnisse ich hier mittheile, sind an Gefässen des Menschen, des Ochsen, des Schafes, des Schweines und des Kaninchens angestellt worden. Sie betreffen theils den Bau der Gewebe, aus denen die Gefäss- wände bestehen, theils die Gruppirungsverhältnisse der Ge- webe in den Gefässhäuten mit besonderer Beziehung auf die Verbreitung der contractilen Fasern (der glatten Muskelfa- sern), namentlich in den Venen. A. Die Gewebe. 4) Das Epithelium. Nach Henle und Maximi- lian Schultze (de arteriarum notione etc. Gryph. 1850) sollen die Zellen des, die Blutgefässe auskleidenden Epithe- liums häufig mit einander verschmolzen sein. Henle unter- stützt seine Angabe durch die Abbildung eines Klappenrandes aus der Vena ceruralis ( Allg. Anat. Taf. I. Fig. 3), Schultze die seinige durch die Abbildung verschmolzener Epithelialzel- len aus der Aorta (Taf. I. Fig. ?2— 4). Wenn Schultze’s Angaben sich auf das Verhalten der innersten, den Kanal zunächst begrenzenden Zellenschicht der Aorta beziehen sollen, muss ich ihnen widersprechen. 80 Ich finde die innerste Zellenschicht in der Aorta des Men- schen, des Ochsen, des Schweines, des Schafes immer aus einer einfachen Lage unverschmolzener Zellen zusammenge- setzt, die leichter als die Zellen irgend eines „Pflasterepithe- liums‘“ sich ablösen und auseinander fallen, daher auch leicht der Beobachtung entgehen. Es ist aber richtig, dass in der Aorta zwischen dieser einfachen Zellenschicht und der ela- stischen Längsfaserhaut sich eine ziemlich dicke Lage von platten, langgezogenen Zellen befindet, die mehr der Länge als der Quere nach mit einander zusammenhängen. Will man diese Zellenlage auch zum ,‚Epithelium‘‘ rechnen, so muss man sagen, dass dasselbe in der Aorta aus mehreren Zellen- schichten besteht, von denen die äusseren einen innigeren Zu- sammenhang der Zellen untereinander zeigen, als die innerste Zellenschicht. Die äusserste Zellenschicht bildet in der Re- gel ein ziemlich festes zusammenhängendes, mit längsovalen Kernen besetztes Häutchen, das nur nach gewaltsamer Zer- ‚reissung in die einzelnen Zellen zerfällt. Eine vollkommene Verschmelzung der Zellenwäude scheint mir aber auch hier zweifelhaft. .Zuweilen sehe ich nämlich auch in diesem Häutchen die einzelnen kernhaltigen Platten durch helle oder dunkle Konturen von einander geschieden. In der Lungen- arterie und deren grösseren Aesten finde ich das Epithelium gleich wie in der Aorta aus mehreren Schichten bestehend. \ In der Carotis und in anderen Arterien von gleicher Stärke - ist es dünner, in der Regel nur aus zwei oder drei Zellen- schichten bestehend. Auch hier finde ich die innere Schicht mehr geneigt in die Zellen zu zerfallen, als die äussere, der elastischen Längsfaserhaut zunächstliegende. Man. bemerkt häufig einen Unterschied der Schichten in Bezug auf, das Verhalten der Kerne: die Zellenkerne der innern Schicht er- scheinen nämlich dunkelrandig und granulirt, die der äusse- ren ganz homogen und ohne dunkle Konturen. Ich habe aber bemerkt, dass Kerne der äusseren Schicht zuweilen nach längerer Einwirkung des Wassers eine gleiche Beschaf- 31 fenheit annehmen, wie die der äusseren und es ist mir des- halb wahrscheinlich, dass die erwähnte Verschiedenheit blos eine Folge der Zersetzung ist, welcher die innere Schicht früher unterliegt, als die von ihr geschützte äussere, "In den grösseren Venen ist ‘das Epithelium dünner und weicher, als in den entsprechenden Arterien. Gewöhn- lich bildet es nur eine einzige Zellenschicht, wie man am leichtesten an Klappenrändern sieht. Eine Verschmelzung der Zellen, wie sie Henle darstellt, scheint mir zweifelhaft. Ich’ finde im frischen Zustande die einzelnen kernhaltigen Zellen immer als Kugelsegmente hervorragen und erst nach Anwendung von Druck sieht man solche Bilder, wie Henle darstellt. Auch zerfällt das Epithelium nach der Ablösung sehr leicht in die einzelnen, oft sehr langgezogenen und brei- ten Plättchen, die bei ‘seitlicher ‘Ansicht wie geschwänzte Faserzellen aussehen. — Die Dicke des Epitheliums wech- selt in den Venen sehr häufig; an demselben Klappenrande sieht man bald eine, bald zwei Zellenschichten. Die kleinen Arterien und Venen von ?2 Linien abwärts verhalten sich in Bezug auf das Epithelium fast gleich. In bei- den finde ich nur eine einfache Schicht sehr dünner kern- haltiger Plättchen. Wie weit das Epithelium nach der Pe- ripherie' hin sich erstreckt, bleibt noch zu untersuchen. In mikroskopischen 'Gefässen (von „4; L.) konnte ich kein Epi- thelium mehr darstellen. Es ist möglich, dass es mit der elastischen Längsfaserhaut verschmilzt; ich glaube aber ent- schieden behaupten zu können, dass es nicht in die Wand der Kapillargefässe übergeht: denn ich sehe an den Gefässen des Gehirns und der weichen Hirnhaut, die sich zu dieser Untersuchung am besten eignen, die Wand der Kapillarge- fässe als ununterbrochene Fortsetzung der inneren elastischen Längsfaserhaut,- mit welcher, wie es scheint, die Ringfaser- haut verschmilzt, nachdem die äussere Längsschicht schon früher geschwunden. | Müller’s Archiv, 1350, 6 82 Nach: meinen Beobachtungen (Unters. über die Entwik- kelung der Wirbelthiere, Berlin 1850, 1. Lieferung S. 13, 14; 20): haben die ersten, in dem mittleren Keimblatte des Hühn- chens entstandenen Bluigefässe eine, aus einer. einfachen Schicht abgeplatteter Zellen bestehende Wand, welche dem Epithelium der ausgebildeten Gefässe sehr ähnlich ist... Es fragt sich, ob jene primitive Gefässwand bei der weiteren Entwickelung der Gefässe sämmtliche Bestandtheile der Ge- fässwand erzeugt oder blos das Epithelium. Nur eine, auf diese Frage gerichtete Untersuchung wird mit Sicherheit ent- scheiden können, ob Reichert’s Hypothese begründet ist, welcher sämmtliche Gewebe-Bestandtheile der entwickelten Gefässe als „‚epitheliale Gebilde‘ betrachtet (Müll. Archiv 1850 S. 517). Jedenfalls scheint es nöthig darauf hinzudeu- ten, wie unfruchibar diese Verallgemeinerungen sind, wenn sie etwa einen Vergleich des Gefäss-Epitheliums mit demje- nigen Epithelium im Auge haben, welches die Schleimhaut des Darmrohrs bekleidet. Das letztere ist, wie meine embryolo- gischen Untersuchnngen ergeben haben, das Entwickelungspro- dukt des unteren Keimblatts (des Schleimblaits) und das Mut- tergebilde für das zellige Parenchym der Darmanhangsdrüsen, (für das Epithelium der Lungen, für die Zellen der Leber, des Pankreas, der Nieren, der Schilddrüse, der Thymus), während das „‚Epithelium‘“* der Gefässe der Ausdruck ist eines Ge- setzes, nach welchem die Grenzwände aller sekundären Höhlen (Gefässhöhlen, seröse Höhlen) gleichwie im embryo- nischen Zustande aus mehr oder weniger gesonderten Zellen bestehen. Viel zweckmässiger wäre es, den Namen „‚Epithe- ‚Hium‘ für die innere Zellenhaut der Gefässe gänzlich auf- zugeben, als durch das Festhalten einer unpassenden Be- nennung irrihümlichen Vergleichen und Folgerungen Raum zu geben. 2). Das Bindegewebe. Nach der noch jetzt allge- mein verbreiteten Ansicht besteht das Bindegewebe aus dün- nen Fasern, welche in der Regel zu geschlängelten Bündeln 83 vereinigt sind. Reichert (Vgl. Beobachtungen über das Bindegewebe, Dorpat 1845, S. 62 — 74) hat zuerst darge- ihan, dass diese sog. geschlängelten Faserbündel nicht aus isolirten Fasern bestehen, sondern gefaltete Lamellen sind, deren „„scheinbare Faserzüge nichts weiter sind, als mikro- skopische Bilder von Erhebungen und Vertiefungen, von ent- sprechenden Runzeln und Falten dieser gleichförmigen Sub- stanz“ (a. a. ©. S. 64). Die Richtigkeit dieser Behauptung lässt sich am leichtesten bei demjenigen Bindegewebe nach- weisen, welches in Verbindung mit elastischem Gewebe die äussere Gefässhaut der grösseren Arterien (z. B. der Caro- tis des Menschen, des Ochsen, des Schafes, des Schweines) bildet. Hier sind nämlich die geschlängelten Tamellen so fest, dass es schwer hält, sie in Längsfasern zu zerlegen. Viel leichter gelingt es, eine solche Lamelle mittelst feiner Nadeln unter dem einfachen Mikroskop so auszuspannen, dass die ursprünglichen: regelmässigen Faltenzüge, welche den Anschein der Faserung bedingen, schwinden und neue Falten nach anderen Richtungen sich bilden. Weniger fest, als das Bindegewebe der äusseren Ge- fässhaut, und mehr geneigt, sich in feine Fäden zu spalten, ist dasjenige, welches sich in der mittleren und innern Ge- fässhaut findet. In der mittleren Gefässhaut begleitet es die eontractilen Fasern und ist reichlicher in den innern, als in den äusseren Schichten. In der inneren Gefässhaut bildet es bald eine Unterlage für das Epithelium, namentlich in manchen Venen (z. B. in der V. cruralis des Menschen ), bald findet es sich, wie wir sehen werden, mit contractilen Fasern vermischt, jenseils der elastischen Längsfaserhaut. In den Klappen der Venen hat es immer den Charakter des Sehnengewebes, ebenso dieht unter dem Epithelium in den Hohlvenen, woselbst es eine Fortsetzung des Endocardiums bildet. | 3) Das elastische Gewebe besteht bekanntlich aus netzförmig - verbundenen Fasern. von der verschiedensten ägn 84 Breite ‚und ‚Dicke. In der Regel sind diese Fasern homogen und solid. Nur. in dem Aortenbogen, der Aorta tho- racica und der Aorta superior des Schafes finde ich, dass die einzelnen elastischen Fasern eine gefensterte Be- schaffenbeit haben. Sie zeigen sieh entweder von einfachen Längsreihen kleiner Löcher durchbohrt, die ihnen das Anse- hen von Flötenröhren geben, oder von vierkantigen,dicht auf einander folgenden Fenstern, wodurch sie mit Leitern einige Aehnlichkeit erhalten. Diese durchlöcherten oder gefen- sterten elastischen Fasern sind am häufigsten in den innersten: Querschichten der mittleren Haut und nehmen nach aussen hin in dem Maasse an Zahl und an Ausbreitung, der gefensterten Beschaffenheit ab, als die Menge der ‚con- tractilen Fasern zunimmt. . Auch die breiten Fasern der sog. gefensterten Membranen sind selbst noch ‚von vielen kleinen Löchern durchbohrt. — Bei anderen Thieren (beim . Schweine und Rinde) konnte ich an entsprechenden Stellen nur ‚sehr wenige, in anderen Gefässen keine gefensterten Fasern finden. Offenbar ist jene Beschaffenheit der Fasern ein Mittel, ihre Elasticität zu erhöhen. ‚Die breitesten, dabei: am meisten abgeplatteien..elasti- schen Fasern sind diejenigen, aus welchen die von Henle entdeckten sogenannten gefensterten Membranen bestehen. Nach Schultze’s, Beobachtungen (vergl. a. a. ©. Tab. 1. Fig. 1—-6), die ich bestätigen kann, gehen von ihnen zuwei- len schmälere Fasern aus, die mit angrenzenden Fasernetzen zusammenhängen. Den gefensterten Membranen am ähn- lichsten sind diejenigen elastischen Lamellen, welche, wie Donders und Jansen (Archiv f. phys, Heilkunde von Vierordt Bd. VIL S. 385) in der äusseren Haut der. grös- seren, Arterien, namentlich‘der Baucharterien zuerst richtig bemerkt haben, mit Schichten von Bindegewebe abwechseln, wobei sie, ähnlich wie die elastischen Zwischenschichten in. ;der Ringfaserhaut, nicht um die ganze Arterie herum, sondern hier und da in einander übergehen. Ganz ähnliche 85 Lamellen finden sich, ‘wie ich hinzufügen kann, auch in der äusseren Wand der grösseren Venen, namentlich der Bauch- venen, woselbst sie, wie ich zeigen werde, einer grossen Menge contractiler Faserbündel als Hüllen dienen. Sie be- stehen aus mehr oder weniger breiten und abgeplatteten netzförmig-verbundenen Fasern, die zuweilen gleich wie die breiten Fasern der gefensterten Membranen nur kleine Lücken zwischen sich lassen. Den zuletzt erwähnten Lamellen durch ihre Struktur am nächsten stehend, ist die elastische Längsfaserhaut, welche, wie Donders und Jansen (a. a. ©. S. 399) und Schultze (a. a. ©. S, 12) zuerst bemerkt haben, die ge- fensterte Membran (der inneren Gefässhaut) von innen be- deckt und zuweilen mit ihr verwachsen ist. Nach Ablösung dieser Längsfaserhaut (z. B. von der Carotis) scheint sie aus einem unregelmässigen Fasernetz zu bestehen. Beobachtet man sie aber in ihrer natürlichen Lage, indem man die 'in- nere Gefässhaut mitsammt einer dünnen Schicht der Ring- faserhaut ablöst und von innen betrachtet, 'so findet man sie mit zahlreichen, ziemlich regelmässig gestellten grösseren Längsspalten von circa —1, L. Länge versehen, welche zahl- reicher und kleiner sind, als die darunter siehtbaren runden Lücken der gefensterten Membran und daher mit ihnen nicht verwechselt werden können. Man kanu daher auch die in- nerste elastische Längsfaserhaut als eine gefensterte Haut betrachten, deren den breiten Fasern der sogenannten ge- fensterten Membranen entsprechende Bestandtheile selbst wieder in ein Fasernetz zerfallen sind, *) *) Ich muss mich dagegen verwahren, als sollte diese Angabe eine Bestätigung der Henle’schen, von Donders, Jansen und Schultze schon berichtigten Behauptung sein, dass die gefensterte Membran auf das Epithelium folgt. Henle hat in der That hier ei- nen error loci begangen, ähnlich demjenigen, der vor mehreren :Jah- ren in Betreff der Stäbchenschicht der Retina allgemein verbreitet war. Ich kann nicht glauben, dass Henle die Längsfaserhaut übersehen 86 Als’ eine besondere Art elastischer Fasern pflegen un- ter dem Namen „Kernfasern‘* nach Henle's Vorgange die- jenigen feineren elastischen Fasern aufgeführt zu werden, welche die contraetilen Fasern netzförmig umspinnen. Ich werde mich dieser Benennung nicht bedienen, da es mir trotz vieljähriger Bemühungen ebensowenig wie Reichert (Müllers Archiv 1841 S. CLXVII) gelungen ist, den Ue- bergang jener Fasern in Kerne, namentlich auch nicht in die langgezogenen Kerne der contractilen Fasern zu beobachten, Andererseits finde ich die sogenannten Kernfasern an vielen Stellen, am leichtesten in der äusseren Haut der grösseren Bauchvenen beim Rinde und Schafe, in continuirlichem Zu- sammenhang mit den dicken elastischen Fasern, aus welchen die oben erwähnten Lamellen bestehen. Ich sehe daher keine Veranlassung, die elastischen Hüllen der contractilen Fasern mit einem Namen zu bezeichnen, welcher eine von den übrigen elastischen Bestandtheilen der Gefässe durchaus abweichende, durch keine sichere Beobachtung bewiesene Genesis voraussetzt, sondern werde sie mit Rücksicht auf die hier am meisten vorherrschende Netzbildung, wo mir der Kürze wegen eine besondere Bezeichnung nöthig scheint, Netzfasern nennen. !) 4) Die contractilen Fasern oder glatten Mus- kelfasern. Kölliker hat in dem schen erwähnten Auf- satze (Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. I.) den Bau dieser von Purkinje und Räuschel bemerkten und von Henle zuerst richtig gedeuteten Fasern genau beschrieben,? ) als habe; er hat sie vielmehr nach aussen verlegt und mit der elastischen Längsfaserschicht identificirt, die zuweilen auf die gefensterte Mem- bran folst. a 1) Wie ich so eben lese (Müll. Archiv 1848, Jahresbericht von Reichert S. 47) scheint jetzt Henle selbst an der Richtigkeit sei- ner Ansicht von den Kernfasern zu zweifeln. 2) Nach Schultze sollen sich die contractilen Fasern der Ge- 87 einkernige, platte oder drehrunde, langgezogene oder kurze spindelförmige Fasern, an denen sich keine Scheide wahr- nehmen lässt. —_ fässe von den glatten Muskelfasern der Eingeweide durch einen rei- chen Gehalt an Casein unterscheiden. Ich finde aber bei Schultze keinen Gegenversuch beschrieben, aus welchem das Fehlen des Ca- seins in den glatten Muskelfasern der Eingeweide hervorgeht. Ferner sollen die contractilen Fasern breiter sein, als die glatten Muskelfa- sern. ‚Diese Behauptung kann nur durch ausschliessliche Untersuchung der Ringfaserhaut der grösseren Arterien entstanden sein, und ist selbst in dieser Voraussetzung unbegründet, da z. B. manche Muskelfasern des Magens mindestens ebenso breit sind, wie die contractilen Fasern der Ringfaserhaut. Endlich sollen die contractilen Fasern brüchiger sein, als die übrigen glatten Muskelfasern. Dieser Ausspruch rührt davon her, dass Schultze die kurzen spindelförmigen Fasern’ für Bruchstücke grösserer Fasern genommen hat. ‘ Brüchigkeit habe ich nie an den contractilen Fasern der Gefässe beobachtet, wohl: aber an den glatten Muskelfasern des Magens, z. B. bei Kaninchen nach dem Eintritt der Todtenstarre. Reichert, welcher so eben (Müll. Archiv 1850. S. 517) frühere Zweifel gegen das Vorkommen der contractilen Fasern in den Blutge- fässwandungen zurücknimmt, spricht mit auffallender Unsicherheit von diesem Gegenstande, der mir nicht zu den schwierigsten im Gebiete der Histologie zu gehören scheint. Es bedarfz. B. gar keiner Salpeter- säure 20% oder Salzsäure 20 %, um die glatten Muskelfasern in den Eingeweiden oder Gefässen zu „erkennen. “ Auch isolirte glatte Muskelfasern mit Querrunzeln sieht man sehr leicht z. B. an der Car- dia des Magens beim Kaninchen. Ich muss meinesiheils erklären, dass ich die histologische Identität der contractilen Fasern der Gefässe mit den glatten Muskelfasern der Eingeweide vollkommen anerkenne. Wenn ich mich zur Bezeichnung der contractilen Fasern der Gefässe nicht des Namens „glatte Muskelfasern‘“ bediene, so geschieht dies aus vielleicht übertriebener Vorsicht, da ich der Meinung bin, dass der Name Muskelfasern nur auf solche contraciile Fasern übertragen werden sollte, deren Abhängigkeit von den Nerven erwiesen ist. Die- ser Beweis ist für die contractilen Fasern der Gefässe noch nicht ge- führt. Denn Valentin’s Versuche (De funct. nervorum, Bernae 1839 S, 147), welcher bei einem Pferde nach Reizung des dritten bis sechsten sympathischen Brustganglions die Aorta thoracica und nach Reizung des Bauchtheils des N. sympathicus die Vena cava inf. sich 88 Nur in einem Punkte muss ich Kölliker widerspre- chen. Derselbe behauptet nämlich. (a..a..0. S. 50), dass wegen der einkernigen Beschaffenheit der contractilen Fasern von einer Aehnlichkeit zwischen ihnen und den quergestreif- ten Muskelfasern durchaus keine Rede sein könne, weil die letzteren ‚einer ganzen Reihe von Zellen‘ entsprechen, die glatten Muskelfasern dagegen nur einer einzigen Zelle. Ich muss aber in dieser Hinsicht auf meine Untersuchungen über die Entwicklung der quergestreiften Muskelfasern beim Frosch verweisen (Froriep’s N. Notizen. 1845. Septbr. No. 768), aus denen hervorgeht, dass die zuerst von Schwann auf- gestellle Ansicht von der Entstehung der quergestreiften Muskelfasern (Muskelprimitivbündel) aus verschmolzenen Zel- len, denen je ein Kern der Muskelfaser entsprechen soll, sich nicht bestätigen lässt, dass vielmehr die gestreiften‘ Muskel- fasern durch Verlängerung von Zellen entstehen, in wel. chendie Kerne sich selbstständig vermehren. Auch die Scheidenlosigkeit! der contractilen Fasern kann. keinen wesentlichen Unterschied bedingen, da nach meinen Beob- achtungen auch die quergestreiften Muskelfasern aufänglich scheidenlos sind. | Frische isolirte contractile Fasern sah ich nicht. selten an ihren Enden sich hakenförmig krümmen, . ähnlich . wie man dies an den Muskelfasern von Insekten wahrnimmt. Zuweilen zeigten sie, so lange sie noch von Netzfasern um- geben waren, dicht auf einander folgende quere Runzeln, die verengern zu sehen glaubte, stehen ganz vereinzelt da. — Ich zweifle. aber nicht im geringsten, dass es gelingen wird, jenen Beweis zu führen. Namentlich lege ich keinen Werth darauf, dass sich Nervenfa- sern blos in der äusseren Gefässhaut beobachten lassen, dagegen in der an contractilen Fasern so reichen Ringfaserhaut vermisst werden. Denn die letztere theilt dieses Schicksal mit der Muskelwand des Ma- gens und Darms, ja sogar mit der Muskelsubstanz des Herzens, in welcher es bisher ebenfalls nicht gelungen ist, den Verlauf vereinzel- ter Nervenfasern zwischen den Muskelfasern wahrzunehmen. 89 beim Eintrocknen des Präparats besonders scharf hervorire- ten und an die Querstreifung der Muskelfasern erinnerte. — Längsstreifung ‘sieht man an den contractilen Fasern der Gefässe weniger häufig, als an den glatten Muskelfasern der Eingeweide. | Das Verhalten der contractilen Fasern in der mittle- ren Gefässhaut ist am genauesten untersucht, namentlich von Henle, Donders und Jansen, Kölliker und Schultze. Nach Kölliker sollen die ‚contractilen Fasern niemals in der innern und äusseren Längsfaserhaut vorkommen (S. 97); doch glaubt er selbst in der inneren Haut der Art. poplitaea und Art. axillaris des Menschen contractile Fasern gesehen zu haben. (S. 81.) An den Venen des schwangeren Uterus beobachtete er sowohl in der äusseren wie in der inneren Haut longitudinale glatte Muskelfasern (S. 84). Schultze erwähnt nur beiläufig (a. a. ©. S. 17), dass er in der äus- seren Gefässhaut der Aorta beim Ochsen auch contractile Fasern mit elastischem und Bindegewebe vermischt gesehen habe. Nach meinen Beobachtungen kommen die contracti- len Fasern sowohl in den Arterien, wie in den Venen nicht blos in der mittleren, sondern auch in der äusseren und in- neren Haut vor. In der äusseren Längshaut bilden’ sie häu- fig spindelförmige oder cylindrische Längsbündel, die man zuweilen (z. B. in der äusseren ‘Haut der grossen Bauch- Venen bei Ochsen und Schafen) schon mit blossem Auge sieht.. Es zeigt nämlich hier die äussere Haut schon dem blossen Auge ein weisses, aus elastischem Gewebe beste- hendes Netzwerk, in dessen Maschenräumen die von dicken elastischen Fasern eingehüllten contractilen Faserbün- del als graue Klümpchen erscheinen. Die 'Fasern sind in diesen Bündeln bald so lang wie die letzteren, bald sehr kurz und spindelförmig, so dass sie mit Epithelialblättchen ‚einige Aehnlichkeit haben. Die längeren Fasern sind durch- schnittlich (um $) schmäler, als die contraetilen Fasern der Ringfaserhaut der grösseren Arterien (z. B. der Carotis). I0 B) Gefässhäute, Ich unterscheide gleich Donders und Jansen, Köl- liker und Schulize drei Gefässhäute, allein nicht nach der Beschaffenheit der Gewebe, sondern nach der Richtung der Fasern : eine innere und eine äussere Längshaut und eine Ringfaserhaut. An den Aesten der Lungenarterien scheitert freilich auch dieses einfache Schema. Hier kreuzen sich die Faserschichten in den verschiedensten Richtungen, und es hält oft schwer, sie auf den Typus der übrigen Gefässe' zu- rückzuführen, a) Die innere Gefässhaut. Abgesehen von den schon oben erwähnten Fällen, in welchen sich zunächst der Zellenhaut (dem Epithelium ) eine bindegewebige oder sehnige Schicht findet, folgt in der Regel unmittelbar auf die Zellenhaut die oben beschriebene, mit zahlreichen Längs- spalten versehene elastische Längsfaserhaut. Sie zeigt, so- bald sie in Verbindung mit der Ringfaserhaut abgelöst wor- den ist, regelmässig gestellte, nach innen vorspringende Längsfalten. Diese Längsfalten zeigen sich an jedem ausge- schnittenen Stückchen der Gefässwand, in welcher Richtung man auch die Schnitte führen mag, namentlich auch voll- ständig an vertikalen und ringförmigen Ausschnitten: sie ent: stehen offenbar dadurch, dass die Längsfaserhaut in querer Richtung nicht hinreichende elastische Leistungsfähigkeit be- sitzt, um ohne Verschiebung aus ihrer Lage der Zusammen- ziehung der Ringfaserhaut Schritt zu halten. Daher sind die Falten um so vorspringender, je stärker das Gefäss sich ver- engert hat, namentlich weit mehr vorspringend in den Arte- rien, als in den Venen. Auf die innerste elastische Längsfaserhaut folgt eine'ge- ‘ fensterte Membran. Die Erstere ist von der letzteren in der Regel ablösbar in allen den Fällen, in welchen auf die gefensterte Membran sofort die Ringfaserhaut folgt, z. B. in der Carotis. Ist aber die Ringfaserhaut an ihrer Innen- fläche noch mit einer Längsschicht bedeckt, dann ist die in- 91 .nerste Längsfaserhaut mit der. gefensterten Membran ver- schmolzen, so z. B. in der Art. mesenterica, renalis, sple- nica, hepatica und in den leichnamigen Venen. In den kleineren :Gefässen (sowohl Arterien wie Venen) von weni- ger als 1 Linie verschmilzt aber auch die innerste Längsfa- serhaut mit der gefensterten Membran, ohne dass überall zwischen der letzteren und der Ringfaserhaut noch eine Längsschicht nachzuweisen wäre uud ebenso wird jene Ver- schmelzung in grösseren Venen beobachtet, ohne dass noch eine Längsschicht folgt, z. B. in der Vena jugularis interna (bei Ochsen, Schaafen). Die Verschmelzung der innersten elastischen Längsfaserhaut mit der gefensterien Membran fin- det sich also im Ganzen häufiger in den Venen, als in den Arterien und in den letzteren blos an den Stellen, an wel- chen auf die genannten Häute noch eine Längsschicht folgt. Diese Längsschicht findet sich aber in keiner Arterie über eine grössere Strecke verbreitet, sondern kommt z. B. in‘den oben genannten Baucharterien blos in kurzen und schmalen Zügen vor. Sie besteht alsdann haffptsächlich aus schmalen contractilen Fasern, die mit Bindegewebe und ela- stischem Gewebe vermischt sind. Die Unbeständigkeit die- ses Vorkommens, das man immer zu vermuthen Grund hat, sobald sich mit der Pincette Längsstücke von der Innen- fläche der Arterie abziehen lassen, veranlasste mich, nach den Bedingungen zu forschen, unter welchen diese contrae- tile Längsschicht an der Innenwand der Arterien sich findet oder fehl. Durch zablreiche, an Menschen, Schweinen, Ochsen und Schafen angestellte vergleichende Beobachtungen habe ich ermittelt, dass das Vorkommen der contractilen Längsschicht in der inneren Gefässhaut auf die Nähe der Ausflussmündungen beschränkt ist und dass sie an der- jenigen Seite des Gefässes, von welcher der Ast abgeht, zum Rande der Ausflussmündung verläuft. Folgt man der Verzweigung der Art. mesenterica superior des Ochsen, so kann man die Richtigkeit dieses Satzes schon ohne mikro- 92 skopische Hülfe bestätigt finden: denn hier bildet die con- tractile Längsschicht dieke in die Gefässhöhle vorspringende mit: blossem Auge sichtbare Längsstränge, und kreuzt sich an den Rändern grösserer Ausflussmündungen mit starken Ringfasersträngen, welche nach Art von Sphincteren die Mün- dungen umkreisen. Sie lässt sich bis zu Zweigen von 1 Li- nie hinab noch darstellen. Schwächer ausgebildet ist sie in der Art. splenica, hepatica, renalis, iliaca. | Die innere contractile Längsschicht hat, wie ihr Vorkom- men und Verlauf zeigt, in den Arterien die Wirkung, die Ausflussmündungen offen zu halten, sobald, namentlich bei spitzwinkligem Abgange der nicht genügend in ihrer Lage befestigten Aeste, eine zu weit gehende Verengerung des Stammes oder Astes oder beider den Ausfluss des Bluts er- schweren könnte. Aus diesem Grunde fehlt offenbar die contractile Längsschicht z. B. in dem Truncus anonymus, in der Art. subelavia, in der Carotis und deren Aesten, woselbst wegen der gesicherten Lage der Gefässe und wegen der Stromstärke der Blutsäule jenes Bedürfniss nicht vorhanden ist. Sie erscheint aber ( aus entgegengesetzten Gründen ) wieder in der Art. axillaris und in der Art. poplitaea, wo- selbst sie schon Kölliker zu bemerken glaubte, nnd ist in den Arterien. des Gekröses am stärksten entwickelt. Auch in den Aesten der Vena portarum (nicht im Stamme), habe ich (bei Ochsen und Schafen) die innere contractile T,ängsschicht beobachtet. Für den Rückfluss des Bluts ist nicht in gleichem Maasse durch eine entsprechende Vorrichtung: gesorgt, vielleicht weil die schwächere Ringfaserhaut der Venen eine Veren- gerung der Mündungen nicht so leicht herbeiführen kann. In.der That finde ich auch eine schwache innere contractile Längsschicht nur in Venen, welche eine etwas stärkere Ringfaserhaut besitzen z. B. in den Aesten der Vena renalis; der V. mesenterica superior, in den Lebervenen ( bei Och- sen und Schafen). In andern Venen ist die Längsschicht, 93 wo sie vorkommt, blos .elastisch (z. B. in. dem Bauchtheil der unteren Hohlvene des Menschen.) . b) , Diemitlilere Gefässhaut oder Ringfaserhaut Sie istin den Arterien am meisten untersucht und ich habe hier mehr zu bestätigen, als Neues vorzubringen. _ Es ist rich- tig, was zuerst Kölliker ausgesprochen und Schultze bestätigt hat, dass. die Ringfaserhaut der Aorta verhältniss- mässig am ärmsten an contractilen Fasern ist, dass sie in den mittleren Arterien ‚und von da bis zu den kleinsten hinab ‚hauptsächlich aus contractilen Fasern besteht und dass sie, in..den’kleinsten: Arterien verhältnissmässig am stärksten ist;, : Auch in den Aesten der Lungenarterie ‚finde ich die Ringfaserhaut reicher an contractilen Bestandtheilen, als im Stamme. Ferner haben sich mir die Angaben ven Donders und Jansen bestätigt, nach welchen die durch elastische Häute ( gefensterte Membranen und Längsfaserhäute ) von einander getrennten Schichten der Ringfaserhaut nicht im- mer das gauze Gefäss umgeben, sondern hier und da aufhö- ren, indem die elastischen Zwischenhäute in einander über- gehen. Und zwar finde ich dieses Verhalten: häufiger in den inneren Schichten der Ringfaserhaut, die in den grösseren Arterien, z.. B. der Carotis, auch die dünneren sind, als in den äusseren dickeren Schichten. — Ich muss endlich auch meine Zustimmung zu Köllikers Deutung (a.:a. ©. S. 82) aussprechen, welcher die quergestellten spindelförmigen Fa- sern‘ der kleinsten Arterien für contractile Fasern hält, de- ren; querovale, verhältnissmässig grosse Kerne schon Henle gekannt hat. Ich habe nur auf die verschiedene Dicke die- ser Ringfaserhaut der kleinsten Arterien bei Gefässen von gleichem Durchmesser aufmerksam zu machen: es schwankt nämlich. bei Arterien von c. „4, L. die Dicke von dem fünf- ien bis zum dritten Theile des Durchmessers. Diese Ver- schiedenheit hängt, wie mich zahlreiche Beobachtungen ge- lehrt haben, von der Festigkeit der Gewebe ab, in welchen die Arterien verlaufen, und von dem Drucke, welchem die 94 Gefässe selbst ausgesetzt sein können. So finde ich die diek- ste Ringfaserhaut von 4 des Durchmessers bei denjenigen kleinen Arterien, welche in der elastischen eontractilen Wand der Aorta vorkommen, die dünnste an den, in dem umge- benden lockeren Bindegewebe verlaufenden Arterien. So kann es kommen, dass, wie schon Henle bemerkt hatte, eine dünnwandige Arterie einen diekwandigen Ast abgiebt, und umgekehrt, je nachdem der letztere einem grösseren oder geringeren Druck von aussen enigegengeht. Diese lokalen Momente für die verschiedene Stärke der Ringfaserhaut walten auch bei den kleineren Venen, de- ren Ringfaserhaut im Allgemeinen schwächer ist, als bei den Arterien, und bei den kleinsten Venen von unter „1, L. gänz- lich fehlt. Ich muss daher Kölliker gegen Henle beistim- men, dass sich auch die kleinsten Arterien und die kleinsten Venen durchschnittlich, unter gleichen äusseren Verhältnis- - sen, durch verschiedene Stärke der Ringfaserhaut von ein- ander unterscheiden. Diesen Satz findet man am leichtesten in den Wänden grösserer Gefässe bestätigt, wo Arterien und Venen (als Vasa vasorum) häufig dicht nebeneinander verlaufen. In dieser Hinsicht zeigt sich der Abfluss des Bluts mehr geschützt und gesichert, als der Rückfluss, was für die Kenntniss der Blutstockungen in den Kapillargefäs- sen (Stasen) bemerkenswerth ist. Kölliker zweifelt, ob der sehr starken Ringfaserhaut der kleinsten Gefässe noch Con- tractilität beizulegen sei. Ich unterstütze diese Zweifel für die starke Ringfaserhaut der kleinsten Arterien dahin, dass ihre Contraclilität jedenfalls nicht im Verhältniss stehen kann zu ihrer Dicke. Schon ihre Härte und Sprödigkeit spricht gegen eine verhältnissmässige Zunahme der contractilen Lei- stungsfähigkeit, vielleicht auch der Umstand, dass jenen Ar- terien ein Verkürzungsapparat (elastische oder contractile Längsschichten) von entsprechender Stärke abgeht, da die innere elastische Haut sehr schwach, die äussere bald fehlt, bald locker anliegend und bindegewebig ist. fe 35 Die mittleren und grösseren Venen sind bekanntlich, ver glichen mit den Arterien, sehr schlaffe, nicht klaffende Schläu- che. Dem entspricht eine weit schwächere Ringfaserhaut, die verhältnissmässig jedenfalls weit schwächer ist als in den meisten kleineren Venen. Bei alledem zeigt sie Ver- schiedenheiten in den verschiedenen Venen, je nach dem Bedarf an Druck und Schutz für die Blutsäule. So ist sie beim Menschen in den aufsteigenden Venen verhältnissmäs- sig stärker und reicher an contractilen Fasern, als an den absteigenden, z. B. stärker in der V. eruralis als in der V. jugularis interna, auch stärker in der Nähe der Gelenke, wo die Gefässe Krümmungen erleiden, z. B. an dem Leistentheil der Vena eruralis und an der V. axillaris, als an anderen Stellen. Sie ist auch stärker in den absteigenden Venen der (gebückten) Säugethiere, als des (aufrechten) Menschen, wie eine Vergleichung der oberen Hohlvenen und der Aeste der- selben bis in die Vena jugularis und subelavia hinein zeigt. Nach Kölliker (a. a. ©. S. 84. 85.) fehlt sie den Venen des mütterlichen Theils der Placenta, den Venen der Gehirn- substanz, den Blutleitern der harten Hirnhaut, den Bre- schet'schen Knochenvenen und den Venen-Räumen der Corpora cavernosa. Ich kann hinzufügen, dass auch der Brusttheil der unteren Hohlvene bis zum Zwerchfell aller eontraciilen Fasern entbehrt und auch nur wenig elastisch ist, während an der oberen Hohlvene nur einer ganz klei- nen Strecke (1 bis 1 Zoll) sowohl die muskulöse von den Herzen ausgehende Bedeckung, wie contractile Fasern fehlen. Der Brusttheil der unteren Hohlvene unterscheidet sich, wie wir sehen werden, durch jenes Verhalten auffallend von dem Bauchtheil, namentlich dem Lebertheil derselben Vene. Aehn- lich wie ‘jener Theil der unteren Hohlvene verhalten sich die Lungenvenen; erst in den Aesten der letzteren tritt eine eontractile Ringfaserhaut auf und zwar nicht gleichmässig in allen Theilen der Wandungen, sondern stärker in denje- 96 nigen, ‚ welche von der Lungensubstanz weniger oder gar nieht umhüllt werden. Die Bauchvenen zeigen die grössten. Verschiedenheiten in Bezug auf die Stärke der Ringfaserhaut. Die letztere ist je näher dem Zwerchfell um so stärker.. Der Lebertheil der ‚unteren -Hohlvene und die Lebervenen haben beim Men- schen und bei Säugethieren (Ochsen, Schafen, Schweinen, Kaninchen) verhältnissmässig die stärkste und an contracti- len, Fasern reichste Ringfaserhaut. _ Beim Menschen, bei Schweinen und Kaninchen ist dieser Unterschied in Bezug auf andere Bauchvenen viel auffallender als bei Ochsen und Schafen. - Die V. mesenterica superior der letzgenannten Thiere und die Aeste dieser Vene enthalten eine sehr starke Ringfaserhaut, die schon dem. ‚blossen Auge in Form'von dieken queren Strängen entgegentritt. .' Diese Stränge um- geben: die Zuflussmündungen gleichwie in den Arterien und finden sich am stärksten diesseits und jenseits der taschen- förmigen Klappen hervorspringend, die ‚sich beim: Ochsen in den grossen Aesten der V. mesenterica finden. — Den- noch umfasst die Ringfaserhaut bei weitem nicht sämmtliche contractile Fasern, welche die Venen der Bauchhöhle über- haupt besitzen ; sie wird in dieser Hinsicht, wie wir sogleich sehen werden, an vielen Stellen übertroflen von der: con- tractilen. äusseren Längshaut. | c) Die äussere Gefässhaut, Sie besteht in der Regel blos aus elastischem und Bindegewebe, dessen Bestandtheile der Länge nach verlaufen, und zwar bildet das erstere, wie schon erwähnt, Membranen, die gleich den elastischen Zwi- schenhäuten der Ringfaserhaut hin und wieder in einander übergehen. Jene Regel erleidet aber mannigfache Abwei- chungen, zum Theil bei den Arterien, noch mehr bei den Venen. Beim Menschen, noch leichter bei Säugethieren (Ochsen, Schafen, Schweinen) bemerkt man an der Aussen- fläche des Aortenbogens und des Brusitheils der Aorta im frischen Zustande mit blossem Auge graue, in das weisse 97 elastische Gewebe eingestreute Klümpchen: dieselben ent- sprechen, wie das Mikroskop lehrt, contractilen Faserbün- deln, die sich in der elastischen Längsschicht eingelagert finden. Bei Ochsen, Schafen und Schweinen zeigen sich diese Bündel, an Zahl und Umfang abnehmend, bis zum Bauchtheil der Aorta, zuweilen bis zu den Art. iliacae. Bei Ochsen und Schafen finden sie sich auch in der Aorta su- perior und ich konnte sie (bei Schafen) von dort aus bis in die Art. carotides und subclaviae hinein verfolgen. Sehr stark entwickelt sehe ich die contractilen Faserbündel in der Art. pulmonalis und in deren Aesten (beim Schafe): sie fol- gen hier nicht immer der Längsrichtung, sondern kreuzen sich häufig unter spitzen Winkeln mit den elastischen und con- tractilen Fasern der Ringfaserhaut, welchesich auch ihrerseits in den verschiedensten Richtungen kreuzen. Daher lässt sich zuweilen die Grenze zwischen äusserer und mittlerer Gefäss- haut nicht bestimmen. Erst bei den Aesten dritten und vierten Grades, die verhältnissmässig reicher an contraclilen Fasern sind, tritt eine regelmässige Kreuzung ein. — Die Baucharte- rien verhalten sich sehr verschieden: beim Ochsen finde ich die contractilen Längsbündel in dem Stamm und den ersten Aesten der Art. mesenterica superior, splenica und renalis, beim Schaf blos in der Art. mesenterica. Beim Ochsen und Schafe sind die Bürdel in der Art. mesenterica zu einer dicken zusammenhängenden contractilen Längsschicht ver- schmolzen. Von weit grösserer Ausdehnung und grösserem Inter- esse ist das Auftreten der contractilen Längsschicht in der äusseren Haut der grossen Venenstämme, namentlich der Bauchvenen. Die letzteren eignen sich, wie schon oben er- wähnt, namentlich bei Ochsen und Schafen, am besten zur ersten Untersuchung der contractilen Bündel. In dem Bauch- theil der unteren Hohlvene, in den Lebervenen, in der V. portarum, splenica, mesenterica sup., renalis, iliaca, (commu- nis und externa), wird man sie ohne Mühe finden. Sie hal- Müller’s Archiv. 1850. _ 7 98 ten zwar im Allgemeinen die Längsrichtung ein, doch sind auch viele von ihnen schief und so gegen einander gestellt, dass sie das Gefäss eben so wohl verengern wie verkürzen können. In der That ist die Verengerung, welche man an diesen Gefässen bei frischgeschlachteten Thieren nach dem Ausschneiden beobachtet, viel zu gross, als dass sie blos der sehr schwachen Ringfaserhaut zugeschrieben werden könnte; denn sie beträgt zuweilen ein Drittel des Durchmessers. Am dicksten ist die äussere contractile Längsschicht (beim Ochsen und beim Schafe) in dem Lebertheil der un- teren Hohlvene und in den Lebervenen, welche überhaupt dem ersteren an Festigkeit und Dicke der Wandung ebenso auffallend gleichen, wie sie sich von dem, aller contractilen Bestandtheile entbehrenden Brusttheile der Vena cava inf. un- terscheiden. Die contractilen Längsbündel reichen immer blos bis zum Zwerchfell und überschreiten nie diese Grenze: sie endigen hier an den zwei- oder dreitheiligen Klappen, welche beim Ochsen und Schafe die Verbindnng des Brust- theils der -unteren Hohlvene mit den Lebervenen und dem Lebertheil der unteren Hohlvene unterbrechen. Vereinzelte pinselförmige Bündel sieht man beim Schafe noch an der Basis der Klappen uud zuweilen bis nahe zu dem freien Rande der letzteren reichend. Sie sind so gestellt, dass sie die Klappe falten, oder an die Gefässwand heranziehen und dem Blutstrom den Durchgang erleichtern können. — In den Lebervenen finde ich die Bündel überall, wo noch die Scheere eindringt; in den Stämmen sind sie von ungewöhnli- cher Breite, beim Ochsen bis zu 4 Linie. Die feinsten Venen von weniger als 4 Linie zeigen nur Spuren contractiler Längsfasern. — In der dünnhäutigen Pfortader ist die äus- sere, aus contractilen Längsbündeln bestehende Schicht dik- ker, als die innere und mittlere zusammen; sie schwindet aber in den Aesten innerhalb der Leber sehr bald, während die mittlere ein wenig zunimmt und die vertikale Kreuzung 99 der letzteren mit der inneren allmälig in eine »unregelmässige spitzwinklige übergeht. — Die weiteste Verbreitung zeigen die contractilen Längs- bündel in den Verästelungen der Mesenterialvenen des Och- sen und Schafes. Sie nehmen an Umfang und Menge bei weitem nicht in dem Verhältnisse ab, wie die Durchmesser der Gefässe. Alle Venen, welche die grossen bis in die Nähe des Darms reichenden Gefässbogen bilden, zeigen noch die contractilen Längsbündel als vorwiegenden Bestandtheil ihrer Wandung. Man sieht die Bündel z. B. beim Ochsen leichter, als anderswo, wenn man eine Mesenterialvene von 4 bis 1 Linie spaltet und bei 4öfacher Vergrösserung betrachtet. Die durchscheinenden Bündel stehen hier mehr vereinzelt, als in den stärkeren Aesten, mit kleinen, ziem- lich gleichförmigen Zwischenräumen, in welchen elastisches und Bindegewebe Ansatzpunkte und Bindemittel für die Bündel bildet. Den dünnen Venen dagegen, welche von den Gefässbogen zu der Wand des Darms verlaufen, scheint die contractile Längsschicht zu fehlen. Beim Menschen habe ich die contractile äussere Längs- schicht in den Bauchvenen ebenfalls beobachtet. In der äus- seren Gefässhaut des Bauchtheils der unteren Hohlvene sah ich contractile Längsbündel von c. „7; L. (mit sehr schmalen contractilen Fasern von c. „1, L.) netzförmig mit einander verbunden. Sie liessen sich von hier aus, an Häufigkeit ab- nehmend, in die äussere Haut der V. renalis ünd V. iliaca bis zum Leistentheil der V. cruralis verfolgen. Auch die äussere Haut der V. portarum, V. splenica. V. mesenterica sup. enthält contractile Längsbündel. In dem dickwandigen Lebertheil der unteren Hohlvene und den gleich beschaffenen Lebervenen findet sich eine sehr starke äussere contractile Längsschicht; sie besteht aber hier weniger aus gesonderten Bündeln, als aus einer dichten Faserlage, die mit der Ring- faserhaut sehr innig zusammenhängt und sich schwer von derselben trennen lässt. — Im Ganzen ist die Menge der w% * 100 contractilen Bestandtheile in den Bauchvenen des Menschen verhältnissmässig geringer, als in den Bauchvenen des Och- sen und Schafes, ist aber, gleichwie bei diesen Thieren, grös- ser in der Nähe des Zwerchfells, in dem Lebertheil der un- teren Hohlvenen und in den Lebervenen, als in den übrigen Bauchvenen. Dasselbe gilt auch von den Bauchvenen des Schweine und des Kaninchens. Bei dem ersteren zeigt der ganze Bauchtheil der unteren Hohlvene und die Aeste desselben eine ähnliche Beschaffenheit, wie der Lebertheil und die Le- bervenen beim Menschen: die äussere contractile Längsschicht besteht nämlich weniger aus gesonderten Bündeln, als aus einer dichten mit der Ringfaserhaut innig verwachsenen Fa- serlage. Auch beim Schwein sind die Lebervenen und der Lebertheil der unteren Hohlvene weit dickwandiger, als die übrigen Bauchvenen. Beim Kaninchen zeigt der Bauchtheil der unteren Hohlvenen und die Aeste desselben überhaupt sehr wenige contractile Fasern: nur der Lebertheil der un- teren Hohlvene und die Lebervenen sind durch grössere Dicke der Wandung und durch grössern Reichthum an con- tractilen Fasern, namentlich auch eine sehr starke contractile äussere Längsschicht ausgezeichnet. In dieser Hinsicht ist die Vergleichung des Kaninchens mit dem Menschen und den übrigen Säugelhieren von besonde- rem Interesse: sie deutet aufein Gesetz, nach welchem die zum Herzen aufsteigenden Blutsäulen früher oder später, jedenfalls vor dem Durchtritt durch das Zwerchfell im Bereiche der Le- ber unter die verstärkte Einwirkung contractiler Fasern gestellt werden. Der durch diese Einrichtung bedingie grössere Druck der Venenwände auf das Blut kann offenbar für die aufsteigen- den Blutsäulen die Zwecke erfüllen, welche nach früheren Ansichten die sogenannte Saugkraft des Herzens ( Va- lentin’s Herzaspiration ) erreichen sollte: er kann nämlich den Brusttheil der unteren Hohlvene beständig in gefülltem 101 Zustande erhalten und das Einströmen des Bluies in den rechten Vorhof befördern. Die Venen der Brusthöhle sind im Allgemeinen ärmer an contractilen Bestandtheilen, als die Bauchvenen, nament- lich beim Menschen, beim Schweine und Kaninchen. Dem Brusttheile der unteren Hohlvene fehlen sowohl beim Men- schen, wie beim Ochsen, Schaf, Schweine und Kaninchen . die contractilen Fasern gänzlich. Derselbe hat (abgesehen von dem serösen Ueberzuge uud der vom Herzen herrührenden muskulösen Bedeckung) eine dünne, wenig elastische , straffe Wand, wahrscheinlich damit der Umfang der Blutsäule hier keinen zu grossen Schwankungen ausgesetzt werde Die obere Hohlvene dagegen zeigt beim Ochsen und Schafe eine kurz (#—1 Zoll) nach dem Aufhören der Muskelbedeckung beginnende äussere, aus zahlreichen Faserbündeln bestehende contractile Längsschicht. Dieselbe leistet wahrscheinlich in Verbindung mit der ebenfalls sehr starken Ringfaserhaut für den Druck auf die absteigende Blutsäule dasselbe, was die contractile Schicht in der Wand des Lebertheils der unteren Hohlvene und der Lebervenen für die aufsteigende Die Bündel lassen sich in die Aeste der oberen Hohlvene bis zu der unteren Hälfte der V. jugularis interna und bis zur V. subclavia verfolgen. Auch die V. azygos finde ich mit vie, len Bündeln versehen und überhaupt in ihrer Struktur dem Bauchtheil der unteren Hohlvene sehr ähnlich. Dagegen vermisse ich die äussere contractile Längsschicht fast gänz- lich in den Lungenvenen und deren Aesten. Beim Menschen finde ich in der äusseren Gefässhaut der oberen Hohlvene nur wenige, in der äusseren Haut der Aeste derselben Vene keine contractilen Fasern, wodurch sich der Mensch von den Säugethieren ( Ochs und Schaf) unterscheidet — ein Unter- schied, der muthmasslich durch die verschiedene Haltung des Kopfes bedingt wird. Ueber blutleere Gefässe (Lymphgefässe) im Schwanze der Froschlarve. Von R. Remak. Vor vierzehn Tagen bemerkte ich zuerst im Schwanze le- bender Froschlarven ( der Rana temporaria ), deren äussere Kiemen geschwunden oder im Schwinden begriffen waren, (fünf Tage nach dem Ausschlüpfen der Larven aus den Ei- hüllen) ein Netz von Gefässen, die keine rothgefärbten Blut- zellen enthielten. Seitdem habe ich täglich an einer grossen Anzahl von Larven jenes Gefässnetz untersucht. Obwohl ich hoffen darf, durch fortgesetzte Beobachtungen noch weitere Aufschlüsse über dasselbe zu erhalten, so scheint mir doch eine vorläufige Anzeige der bisherigen Wahr- nehmungen deshalb angemessen, weil dadurch anderen Be- obachtern die Möglichkeit eröffnet wird, noch während dieses Sommers diesem Gegenstande ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Als ich die blutleeren Gefässe zuerst bemerkte, gingen von den dicht neben einander liegenden Blutgefässstämmen des Schwanzes ( Art. und Vena caudalis ) kurze Aeste ab, die sich bogenförmig mit einander verbanden. In diesen Blutgefässen sah man die, mit Dotterkörnchen mehr oder 103 weniger gefüllten kernhaltigen Blutzellen. Unter den letzteren unterschied man leicht zweierlei Arten, grössere ovale, gelb’ röthlich gefärbte Zellen mit kleineren und spärlicheren Dot- terkörnern und kleinere runde farblose Zellen mit grösseren und reichlicheren, meist eckigen Dotterkörnern, die den hel- len sehr grossen Kern in der Regel etwas verdeckten. Die dünnen, nur selten mit Pigmentkörnchen besetzten Wände der Blutgefässe zeigten in grossen Abständen kleine halb- ovale, in die Gefässhöhle vorspringende Verdickungen. Die etzteren erwiesen sich nach Zusatz von sehr verdünn- ter Essigsäure durch ovale Kerne bedingt. Als Anlagen neuer Gefässe erschienen fadenförmige Ausläufer der Blutge- fässwände, die iheils schlingenförmig mit einander verbun- den waren, theils ohne sichtbares Ende sich verliefen, dabei aber niemals, wie schon Platner bemerkt hatte, (Müllers Archiv 1844, S. 525) mit den bekannten steralörmigen Zel- len in Verbindung traten. Die blutleeren Gefässe mündeten sämmtlich in zwei Stämmcehen, von denen das eine breitere an dem Bauchrande der Art. und Vena caudalis, das andere schmälere an dem Rückenrande; der Schwanzmuskeln der Länge nach verlief. Auf der Grenze des Schwanzes und des Bauches entzogen sich beide Stämmchen, ohne sichtbare Verbindung unterein- ander und ohne dünner zu werden, meiner Beobachtung: ch vermag namentlich nicht anzugeben, ob sie aus der Bauch- höhle hervortraten oder von den Bauchwänden herkamen, Beide Stämmchen gaben auf dem Wege zur Schwanzspitze in querer Richtung nach aussen kurze Aeste ab, wobei sie all- mählig sich verjüngten und nicht bis zur Umbiegungsschlinge der Art. und Vena caudalis verfolgen liessen. In der Regel ging ein blutleerer Ast in dem Zwischenraume zwischen je zwei blutführenden in horizontaler Richtung ab, so dass auf je eine Muskelgruppe (Urwirbel- Abtheilung) ungefähr ein blutführender und ein blutleerer Ast kamen. Doch gab es 104 häufig Abweichungen von dieser Regel, die sich mehr auf das Fehlen eines blutleeren, als eines blutführenden Astes bezogen. Ueberhaupt war die Ausbreitung der blutleeren Gefässe geringer, als der blutführenden. Die Queräste wa- ren sehr kurz und überschritten nicht den Umkreis der Blut- gefässschlingen; die hintersten erreichten ihn nicht einmal. Sie endigten spitz zulaufend in dünne Fäden, die sich ins Unbestimmte verloren, ohne mit den dünnen Ausläufern der sternförmigen Zellen oder der Blutgefässwände zusammenzu- hängen. Sie verästelten sich zuweilen, bildeten aber noch keine Anastomosen mit einander. Ihr Durchmesser war durch- schnittlich geringer, als der Durchmesser der blutführenden, aber immer gross genug, um Blutzellen durchzulassen. Was die blutleeren Gefässe hauptsächlich auszeichnete und ihre Wahrnehmung erleichterte, war die Beschaffenheit ihrer Wände. Während die blutführenden Gefässe nur selten in ihren Wänden Gruppen von Pigmentkörnchen und Dotter- körnern zeigten, waren die Wände der blutleeren sehr häufig mit eckigen Dotterkörnern und mit Pigmentkörnchen besetzt. Die Wände der blutleeren Gefässe waren nicht grade, oder sanft gebogen, wie die der Blutgefässe, sondern sehr un- regelmässig, scheinbar nach innen gefaltet, mit häufigen nach aussen vorspringenden Zacken versehen, von denen feine fa- denförmige Ausläufer abgingen. Auch waren die halbovalen kernhaltigen Verdickungen der Wände weit häufiger und umfangreicher, als in den Blutgefässen, und von Deatterkör- nern bedeckt. Zuweilen zeigten sich halbkreisförmige mit Dotterkörnern angefüllte Vorsprünge der Wandung, die den Kanal beinahe versperrten. In der Regel waren die beschrie- benen Gefässe ganz leer von festen Körpern. Nur höchst selten sah ich in der Gefässhöhle freiliegende runde, mit Dotterkörnchen erfüllte Kugeln, die einerseits mit den run- den farblosen Zellen der Blutgefässe und andererseits mit den halbkreisförmigen Vorsprüngen der blutleeren Gefässe die grösste Aehnlichkeit hatten. Diese Kugeln kamen in der 105 Regel vereinzelt vor, und fehlten in vielen blutleeren Gefäs- sen gänzlich. Nur einige Mal fanden sich in einem Gefässe zwei, auch drei Kugeln kurz hintereinander. Während die Blutzellen der Blutgefässe in der lebhaftesten Bewegung be- griffen wären, lagen die Kugeln in den blutleeren Gefässen fast immer ganz unbeweglich. Obwohl ich eine sehr grosse Anzahl Larven in dieser Hinsicht untersuchte, so gelang es mir doch im Ganzen nur einige Male, eine Kugel in einem blutleeren Gefässe sich fortbewegen zu sehen. Sie bewegte sich eine Strecke weit in kurzen Absätzen oder an der Wand fortkriechend in centripetaler Richtung auf ähnliche Weise, wie die farblosen Blutzellen in den Blutgefässen zu thun pflegen. Dann blieb sie unbeweglich liegen, bis das Thier eine heftige Bewegung des Schwanzes ausführte. Darauf war sie nicht wieder aufzufinden, wahrscheinlich in das Stämmehen geschlüpft, in dessen Nähe sie in der Regel ge- langt war, In dem Stämmchen selbst sah ich niemals Ku- geln. | Die blutleeren Gefässe zeigten niemals Verbindungen mit den Bintgefässen weder durch Kanäle, noch durch fadenför- mige Ausläufer. Bei Larven, die mit verdünntem Alkohol oder mit schwacher Sublimatlösung behandelt waren, liessen sie sich gleich den Blutgefässen der Umgebung mittelst fei- ner Nadeln herausschälen. Die Veränderungen, welche die blutleeren Gefässe seit der ersten Wahrnehmung erfahren haben, beziehen sich auf ihre Ausbreitung und ihren Umfang, auf die Beschaffenheit ihrer Wände und ihres Inhalts. 1) In dem Maasse, als die Blutgefässe an Ausbreitung und Verästelung gewannen, nahm auch die Ausbreitung und Verästelung der blutleeren Gefässe zu. Dies geschah auf dieselbe Weise, wie bei den Blutgefässen, indem die faden- förmigen Ausläufer sich ein wenig verdickten und hohl wurden. | 2) Eine Zeitlang blieben die blutleeren Gefässe in ihrer 106 Ausbreitung ein wenig hinter den Blutgefässen zurück, so dass ihre äussersten Enden in der Regel von den äussersten Schlingen der letzteren umfasst wurden. Seit einigen Ta- gen ist, namentlich an der Spitze des schon mit seitlichen Einschnürungen versehenen, offenbar der Verkümmerung entgegegenhenden Schwanzes in dieser Hinsicht eine Ver- änderung eingetreten: die blutleeren Gefässe lassen sich weiter zum Rande des Schwanzes hin verfolgen, als die Bluigefässe. Es ist dieser veränderte Zustand nicht blos da- durch bedingt, dass die blutleeren Gefässe sich über die äus- seren Schlingen der Blutgefässe hinaus verbreitet, sondern auch dadurch, dass die letzteren bereits zu schwinden begonnen haben. 3) Die blutleeren Gefässe haben an ihren äussersten En- den bisher niemals Schlingen gebildet, sondern verloren sich im: mer mit verdünnten Zweigen und fadenförmigen Ausläufern in der durchsichtigen Substanz zwischen den sternförmigen Zellen. Dagegen gingen sie in ihrem Verlauf nicht selten hoble netzförmige Verbindnngen mit einander ein. Diese Verbindungen sind aber auch jetzt noch weniger zahlreich, als an den Blutgefässen und es bleibt daher der langgestreckte, meist isolirte Verlauf charakteristisch für die blutleeren Ge- fässäste. 4) Die beiden Stämmchen der letzteren nahmen nieth in gleichem Verhältnisse an Umfang zu, wie die Aeste an Ausbreitung gewannen. Sowohl die Stämmchen, wie die Aeste und Zweige der blutleeren Gefässe zeigten immer ei- nen durchschnittlich um etwa ein Drittel geringeren Durch- messer, als die entsprechenden Blutgefässe. 5) Die zackige Beschaffenheit der Wände erhält sich un- verändert. Dagegen schvwvanden die Dotterkörnchen in den Wän- den und namentlich in den kernhaltigen .Verdickungen derselben und machten feinen dunklen Pigmentkörnchen Platz zu dersel- ben Zeit und in demselben Grade, als diese Veränderung auch an den farblosen Blutzellen sichtbar wurde. Statt der Dot- 107 terkörnchen sieht man auch jetzt noch häufig Gruppen fei- ner Pigmentkörnehen in den Wänden der blutleeren Gefässe, und zwar weit häufiger, als in denen der Blut-Gefässe. Die Verdiekungen der Wände haben sowohl absolut, als auch im Vergleich mit den Blutgefässen bedeutend an Zahl und Umfang zugenommen, obwohl auch in den Wänden der letzteren, wie schon Platner bemerkt hat, beständig neue in die Gefässhöhle vorspringende Verdickungen (Kerne) sich bilden. In den bluileeren Gefässen folgen sie so dicht auf- einander, dass zuweilen die ganze Wand grosse Strecken weit verdickt erscheint. 6) In den ersten Tagen nach dem Schwinden der Dotterkörnchen sah ich noch zuweilen halbkreisförmige kernhaltige Vorsprünge der Wandung (Woandzellen) in den blutleeren Gefässen; dieselben kamen in Grösse und Inhalt mit den runden, dunkel pigmentirten kernhaltigen Binnenzel. len überein, die sich bald einzeln, bald zu mehreren verei- nigt in den blutleeren Gefässen fanden und nur in höchst seltenen Fällen eine vorübergehende, langsame, centripetale Ortsveränderung darboten, gleichwie früher die mit Deotter- körnchen erfüllten Binnenzellen. — Diese dunkel pigmentir- ten Binnenzellen der blutleeren Gefässe waren andererseits in Grösse und Beschaffenheit des Inhalts durchaus gleich den zahlreichen nicht roith gefärbten runden Zellen, die sich um dieselbe Zeit neben den grösseren ovalen, roth gefärbten Blutzellen in den Blutgefässen fanden und eine langsamere Orts- veränderung als diese zeigten, indem sie häufig an der Ge- fässwand hafteten, wie dies von den farblosen Blutzellen bekannt ist. Sobald die runden kleineren Zellen der Blut- gefässe das dunkle feinkörnige Pigment verloren hatten, er- schienen auch die Binnenzellen der blutleeren Gefässe farb- los, ebenso wie die Wandzellen, welche um jene Zeit noch zuweilen angetroffen wurden. Seit mehreren Tagen haben aber die blutleeren Gefässe in dieser Beziehung eine auffal- lende Veränderung erfahren: trotz den vielfältigsten Nachsu- 108 chungen vermag ich in ihnen keine Binnenzellen mehr auf- zufinden. Auch fehlen die Wandzellen und man sieht blos sehr zahlreiche und sehr lange ovale Verdickungen der Wände, welche, wie die Behandlung mit verdünnter Essig- säure (1 Tropfen auf 1 Unze Wasser) oder verdünnter Subli- matlösung (4 Gran auf 1 Unze Wasser ) lehrt, durch lang- gezogene mit einer Reihe von drei bis sechs Kernkörperchen versehene Kerne bedingt werden. In der Entwickelungsschichte der blutleeren Gefässe las- sen sich demnach bis jetzt vier Stufen unterscheiden: 1) Aeste kurz, von den Gefässschlingen umfasst, spär- liche Verästelung, keine Anastomosen; Wände stark mit Dotterkörnchen besetzt; halbkreisförmige mit Dotterkörnern erfüllte Vorsprünge (Wandzellen); Binnenzellen von gleicher Beschaffenheit, den kleineren runden farblosen Blutzellen durchaus ähnlich ; (Blutgefässe in den inneren Kiemen schon vorhanden.) 2) Fortgeschrittene Verästelung, Bildung von Anasto- mosen; in den Wänden, namentlich in den Wandzellen, so wie in den Binnenzellen statt der schwindenden Dotterkörn- chen feine dunkle Pigmentkörnchen; die Binnenzellen den runden kleineren nicht roth gefärbten Blutzellen durchaus ähnlich; (äussere Kiemen gänzlich geschwunden). 3) Abnahme des Pigments in den Wänden; Wandzel- len und Binnenzellen seltener und pigmentlos; die letzteren den farblosen Blutzellen durchaus ähnlich, (die Lungen schon Luft enthaltend). 4) Keine Wandzellen, keine Binnenzellen; wandständige langgezogene Kerne sehr häufig, häufiger als in den Blutge- fässen; die äussersten Enden hinausragend über die äusser- sten Schlingen der schwindenden Blutgefässe (Lungen- und Kiemenathmung, beginnende Verkümmerung des Schwanzes),. Ich habe die blutleeren Gefässe bisher bei etwa 150 Larven untersucht, und bei keiner Larve vermisst. Niemals habe ich sie mit Blutgefässen zusammenhängend gefunden, 109 obwohl sie sich häufig mit denselben kreuzten. Mit Nerven werden sie nicht leicht verwechselt werden. Die Nervenfasern erscheinen einige Tage nach den blutleeren Gefässen als pig- mentlose durchscheinende Fäden von kaum messbaren Durch- messer; ihre Enden verlieren sich zwischen den sternförmi- gen Zellen ( ohne mit denselben zusammenzuhängen ) oder bilden Netze mit benachbarten Fasern. In ihrem Verlaufe zeigen sie häufig ovale und an ihren Verästelungsstellen drei- eckige (kernhaltige) Anschwellungen. Ich habe die beschriebenen Gefässe als „‚blutleere‘“ be- zeichnet, weil ich niemals in denselben eine rothgefärbte Blutzelle gefunden habe. Obgleich es mir bisher nicht ge- lungen ist, diese Gefässe in anderen Theilen des Körpers aufzufinden und ihren Zusammenhang mit dem Blutgefässsy- stem darzustellen, so scheint es mir doch kaum zweifelhaft, dass sie Lympfgefässe, d. h. Anhänge des Blutgefässsystems sind, die ihren Inhalt in das letztere ergiessen, ohne dessen Inhalt zu empfangen. Es ist mir auch nach den oben mit- getheilten Beobachtungen wahrscheinlich, dass sie eine Zeit- lang Antheil haben ander Beschaffung der jungen farblosen Blutzellen, indem ihre aus abgeschnürten Wandzellen her- vorgegangenen Binnenzellen (Lymphzellen ) in das Blut ge- langen, und dass sie nach Abgabe sämmtlicher in ihnen ent- standener Binnenzellen blos als aufsaugende, vielleicht der Verkümmerung des Schwanzes dienstbare Organe wirken. Um den wahrscheinlichen Antheil der blutleeren Ge- fässe (Lymphgefässe) an der Bildung junger Blutzellen näher zu ermitteln, machte ich Larven, bei welchen noch Wand- und Binnenzellen in den blutleeren Gefässen sichtbar wa- ren, eine Blutentziehung, indem ich die Spitze des Schwan- zes so weit abschnitt, dass ich die Art. und Vena caudalis verletzte. Der einzige bemerkenswerthe Erfolg dieses Ver- suchs war in den Fällen, in welchen eine reichliche Blut- entleerung stattgefunden hatte, dass sich die blutleeren Ge- fässe binnen wenigen Stunden sehr auffallend, bis um das 110 Doppelte ihres Durchmessers erweiterten.*) Dieselbe Erweiterung zeigte sich gleichzeitig oder später, zuweilen erst am folgenden Tage, auch an den Blutgefässen. In den letzteren waren die farblosen Zellen an Menge vorwiegend; doch ist zu erwägen, dass aus den verletzten Blutgefässen die rothen Blutzellen wegen der grösseren Glätte ihrer Ober- fläche und wegeu der grösseren Schnelligkeit, mit der sie sich bewegen, immer in weit bedeutenderer Menge ausflies- sen, als die farblosen. Neubildung von Wandzellen oder Binnenzellen in den blutleeren Gefässen, konnte ich bis ine nicht wahrnehmen. Berlin, den 7ten Mai 1850. ®) Auch bei Kaninchen (vgl. meine „diagnostischen und pathoge- netischen Untersuchungen“ Berlin 1845, S. 102), die nach wiederhol- ten Blutentziehungen starben, fand ich die Lymphgefässe stark erwei- tert und mit einer an Zellen sehr armen Lymphe gefüllt, Die oben mitgetheilten Beobachtungen waren an Larven ange. stellt, die sich in meiner Wohnung aus den Eiern entwickelt und bei mangelhafter Fütterung kaum 3 Zoll Länge erreicht hatten. Seit einigen Tagen habe ich diese Beobachtungen an dnppelt so grossen, zum Theil schon weiter entwickelten Larven geprüft, die mir aus dem Freien ge- bracht wurden. Ich finde bei diesen Larven die blutleeren Gefässe ‚weit mehr ausgebildet, zuweilen zahlreicher als die Blutgefässe, na- mentlich bei älteren Larven. Bei den leizteren ist der Unterschied der Wände zwischen blutleeren Gefässen und Blutgefässen zuweilen kaum bemerkbar, oder es ist die Wand der Blutgefässe sogar dicker, als die der blutleeren. Zackige Beschaffenheit der Wand und Veren- gerung des Durchmessers erscheint erst nach einigen Tagen unfreien Lebens. Auch zeigen fast sämmtliche, aus dem Freien kommende Larven ( vielleicht in Folge der besseren Nahrung ), hin und. wieder vorspringende Wandzellen und granulirte (zuweilen in centripetaler Bewegung besriffene) Binnenzellen. Bei den grösseren Larven sieht man auch Aeste, die von den Stämmen nach innen (zu den Muskeln) gehen. Berlin den 17ten Mai 1850. —————— Ueber die Holothurien - Gattungen Chirodota und Synapta. Von Prof. GRußBE. Briefliche Mittheilung an den Herausgeber. Dorpat, den 22. März (3. April) 1850. Bei der Bestimmung einer von Herrn v. Middendorf aus dem Ochotskischen Meer mitgebrachten Chirodota wurde auch ich auf die zierlichen mikroskopischen Kalkrädchen auf- merksam, welche sich an gewissen Stellen der Haut in Menge beisammen befinden, und die ich, da sie bei keinem andern holothurienartigen Thiere beschrieben werden, für eine be: zeichnende Eigenthümlichkeit dieser den Synapten so nahe stehenden Gattung halte Jene Art war Chir. discolor Eschsch., doch konnte ich mit dem Originalexemplar leider keine Vergleichung anstellen, weil dieses weder in der hiesi- gen, noch in der Petersburger Sammlung existirt; auch von den beiden andern Arten Eschscholzens suchte ich nach der einen vergeblich, es waren nur von Ch. lum bricoides ein paar Exemplare vorhanden, und diese liessen keine Spur von Rädchen wahrnehmen, sondern zeigten vielmehr statt derselben über die ganze Haut vertheiite, äusserst kleine An- kerchen au ovalen durchlöcherten Platten, wie sie, nur viel 112 grösser, die von mir gesehenen Synapten besassen. Von Ch. verrucosa Eschsch. vermuthe ich dasselbe, nach Abbildung und Beschreibung zu schliessen, und von meiner Ch. Chiaji und Ch. pinnata lehrte mich die Anschauung selbst, dass diese Thiere von mir mit Unrecht zur Gattung Chirodota ge- rechnet sind. Ch. Chiaji ist, wie Sie schon selbst in Ihrem Briefe für wahrscheinlich halten, einerlei mit Holothuria digitata Montagu, welche Forbes ebenfalls in die Gat: tung Chirodota stellt. Demnächst war Chir. rufescens Brandt zu prüfen; durch die Gefälligkeit des Herrn Staats- rath Brandt ward ich in den Stand gesetzt, die von Mer- tens mitgebrachtien Exemplare dieser Art zu untersuchen, und sie erwiesen sich als echte Chirodoten. Auch Ch. pur- purea Lesson dürfte mit Recht in dieser Gattung stehen bleiben und vielleicht Holothuria laevis Fabric., so wie Fistularia’rubeola Quoy und Gaimard, ebenfalls darin eine Stelle finden. Was ich über den inneren Bau habe an einigen Weingeistexemplaren der Ch. discolor ermitteln kön- nen, ‚ist in den Bearbeitungen. von -Middendorf’s Sibiri- scher Reisebeute ‚niedergelegt. _Sie werden diesen kleinen Beitrag hoffentlich in wenigen Tagen erhalten, und die Cha- rakteristik der Gattung vorläufig so vervollständigt finden: 'Chirodota Eschsch. Corpus elongatum, . plus minus vermiforme, hie illie sponte coarctatum, cute molli,: seriebus 3 vel pluribus papillarum haud adhaerentium e longitudine obsita, papillae corpuseulis rotiformibus minimis impletae, tentacula 10— 20, basi eylindrata, apice dilatata, digitata, digitis basin versus brevioribus. Intestinum ansam duplicem componens, mesenteriis. 3 longitudinalibus parieli corporis adjuncetum, mesenteria se- eundum insertionem serie corpusculorum : minutorum pyri- formium munita;‘ vesicae Polianae plures, :parvae; . pulmo aquaticus nullus, organa generationis dichotoma. Wenn die oben angeführten Thiere also zu: dieser Gat- tung gehören, würden sie sich so unterscheiden lassen. 113 A. Tentaeculis duplici ordine collocatis. > 1) Ch. purpurea. Less. Cent. zool. p. 155 pl. 53 Fig. 2: Tentaculis 10 roseis, 6-laciniatis petaloideis, minus digitatıs, externis 5 majoribus, internis 5 minoribus cum illis alternantibus, corpore elongato, cylindrato phoeniceo, laevissimo, papillis dorsualibus singulis. Länge 18 L. Gefunden in der Bai von. Soledat auf den Malouinen, sehr selten. B. Tentaculis corona simpliei collocatis. 2) Ch. discolor Eschschz. Zool. Atl. H. II. p. 13, tab. X. Fig. 2. Tentaculis 12 (rarius 11, 15) aeque magnis, 12- ( 13- vel 14-) fidis, cute corporis albida vel rosea, plus minus transverse rugosa, punctis fuscis aut fulvis ad- spersa, lineis longitudinalibus roseis 5 perlucentibus, inter- vallis 3 serie longitudinali papillarum albarum ornatis, pa- pillis minutis sacciformibus. Länge 13 bis 30 L., ausgestreckt bis 5 Zoll, von der Dicke eines kleinen Fingers. Gefunden an der Küste des Ochotskischen Meeres und bei Sitcha. 3) Ch. rufescens Brdt. Prodr. descript. Fasc. I p. 59. Tentaculis 15—20 fuscescentibus aeque magnis 21-fidis, eute corporis molli laevi e fuscescente carnea, musculis longi- tudinalibus 5 perlucentibus intervallis transverse plicatis, pli- cis numerossissimis, papillis minutissimis nigricantibus se- ceundum musculos longitudinales 3-seriatim collocatis. Länge bis 1 Fuss, im contrahirten Zustande 34 Zoll, bei der Dicke‘noch nicht eines halben Zolles. Gefunden an den Bonininseln. 4) Fistularia rubeola Quoy und Gaim. Voyage de ’Astrolabe Tom. IV. p. 128 pl. VII. Fig. 5, 6: Tentaculis cireiter 20 (iconis 18) aeque magnis, rubentibus, cute corpo- ris rubente, papillis conicis, minime adhaerentibus, floccosa. Länge etwa 3 Zoll. Gefunden im Hafen Carteret auf Müller’s Archiv, 1859, 8 114 Neu-Irland.. Quoy und Gaimard sagen, dass diese Art ei- nigermaassen Ch. purpurea Less. ähnele, aber blässer roth und mit zahlreicheren längeren Fühlern versehen sei. 5) Holothuria laevis Fabric. Faun. Groenl. pag. 353. Tentaculis 12 albidis, apice 8- fidis, corpore vermiformi, candido , pellucido, lineis longitudinalibus lacteis 5 in spatia 5 diviso, quorum medium oceupant totidem strigae lueidio- res punctatae, punctis majoribus minoribusque alternantibus plerumque 15, parum eminentibus, cutem vix scabram red- dentibus, forma papillarum tubularium, strigis 2 Reliane.. mi- nus notabilibus. Länge 1 bis 6 Zoll, Dicke die eines Schwanenkiels. — Gefunden bei Grönland. Könnte vielleicht doch keine wahre Chiridota sein. *) Was die mit Ankerhäkchen bewaffneten fusslosen Holo- thurien betrifft, so scheint mir fraglich, ob man daran Recht thut, diejenigen, welche gefiederte Fühler tragen, alle zur Gattung Synapta zu zählen. Brandt will diesen Namen nur denjenigen lassen, deren Körper mit wirtelförmig gestell- ten Erhabenheiten besetzt ist, also für: Synapta mammillosa Eschsch. Zool. Atl. Hft. I. p--12 tab. X. Fig. 1. Synapta oceanica Less. Cent. zool. p. 99, pl. 35. Fistularia Doreyana Quoy und Gaim. Voyage de l’Astrolabe Tom. IV. p. 124 pl. VII, Fig. 11 bis 12. Bei andern sind anhängende kleinere Papillen über die ganze Haut zerstreut, diese aber doch so rauh, dass es auch dem mit dem Vorkommen von Ankerhäkchen nicht vertrau- ten Beobachter auffällt; dahin werden gehören: Fistularia vittata Forsk. Descript. p. 121 Tabula AXXVI E. Fistularia reciprocans Forsk. Descript p. 121, Tab- XXXVII A. *) Frey beschreibt die Anker von Synapta laevis, womit Holo- thuria laevis Fabr, gemeint scheint. Anm. d, Herausgebers. 115 Fistularia tenuis-Quoy und Gaim. Voyage de l’Astro- labe Tom IV. p. 129 pl. VII. Fig. 8. Fistularia punctulata Quoy und Gaim. 1. e. p. 125 pl. VII, Fig. 13, 14. | Holothuria inhaerens Müll. Zool. Dan. Vol. I, p. 35 tab. XXXI Fig. 1—7 (Synapta inhaerens Rathke Nov. Act. nat cur. Tom. XX. P. I. p. 136, ? Chiridota pinnata Grube, Act. Echin.Würm. p. 41. SynaptaDuvernaea Quatrefages Ann. d. sciences nat. 1842 p. 21 pl. 1—5. Synapta Beselii Jaeg, De Holothuriis p. 15, ta- bula 1. Chiridota verrucosa Eschsch. Zool. Atl.H. I. p. 13, tab. X. Fig. 3. Bei noch andern endlich ist die Haut so glatt anzufüh- len, dass man erst durch das Mikroskop auf die an ihr zerstreut vorkommenden Ankerhäkchen aufmerksam wird. Diese können mit den echten Chirodoten verwechselt wer- den. Von dieser Art sind: Holothuria digitata Mont. Linn. Transact. Vol. XI. p. 22. ;ab. IV, Fig. 6, Fistularia digitata Lam. Hist. nat. Ed. 1, Tom UI, p. 76, Ed. 2, Tom II. p. 448. Mulle- ria digitata Flem. Brit. Anim. p. 484, Holothuria inhaerens delle Chiaje Mem. Vol. I. p. 184, tab. VI, Fig. 4, Chiridota Chiaji, Grube, Act. Echin.Würm. p. 41. Fistularia fusca Quoy und Gaim., Voyage de PA- strolabe, Tom IV, p. 126. pl VOI Fig. 1—4. Die zwei letzten Gruppen dürften schwerlich durch je- nen Charakter sicher getrennt sein, aber auf ein anderes Verhältniss möcht ich mir aufmerksam zu machen erlauben, auf eines, über welches die Anatomie Aufschluss giebt. Bei Synapta Du vernaea erwähnt Quatrefages keiner po- lischen Blasen, ebensowenig konnte ich solche bei dem ein- zigen untersuchten Exemplar von Chiridota verrucosa Esch. entdecken. Bei Holothuria digitata habe ich sie gefun- 8 * 116 den, und bei Fistularia fusca werden sie sogar sehr lang und zahlreich abgebildet. Mir ist wohl bekannt, dass die Zahl dieser Organe bei einer Species von Holothurien wechseln kann, eine andere Frage ist aber die, ob sie bald vorkommen, bald fehlen können, oder ob sie bei manchen Arten einer Gattung vorhanden sind, bei andern nicht‘ Auch kann sich der Darm bei den Synapten der letzten Ab- theilung in eine doppelte Schlinge legen, bei der von Qua- terfages beschriebenen war dies ebenso wenig als bei Ch. verrucosa der Fall, weil das Gekröse des Darms ganz kurz und dieser also in seiner Lage sehr beschränkt ist. — Anlhren Vorräthen von Synapten und Chirodoten wird es leicht sein, sowohl über diesen Punkt ins Klare zu kum- men, als auch vielleicht meine Bemerkungen über den inne- ren Bau der letzteren zu vervollständigen. Jedenfalls aber werden Sie mir darin beipflichten, dass, sobald man alle mit Ankerhäkchen bewaffneten fusslosen Holothurien Synapten nennt, Chiridota digitata und Chiridota lumbricoi- des Synapten sind. Sie fragen endlich nach der Beschaffenheit der Haut von meiner Haplodactyla mediterranea. Das einzige Exemplar, das ich von diesem Thiere mitbrachte, ist mir bei dem Um- zuge abhanden gekommen, später erhielt ich unter einigen Kleinigkeiten von Grohmann aus Palermo eine kleine, stark beschädigte Holothurie, welche ich für dieselbe Art halten muss: bei dieser ist die weiche Haut, welche sich leicht in Lappen ablöst, unregelmässig dicht quergefaltet und gerunzelt, und ich konnte in den untersuchten Stückchen derselben durchaus keine Kalkrädchen sondern nur spiessige oder nadelförmige Partikelchen wahrnehmen. — Für den Fall übrigens, dass die kleine für Sie bestimmte Abhandlung noch nicht sobald in Ihren Händen sein sollte, bemerke ich, dass die Rädchen der Ch. discolor gewöhnlich 6, mitunter auch 10 Speichen und einen Durchmesser von 0,0035 bis 0,0042 Zoll hatten. Anatomische Studien über die Echinodermen, Von Jon. MUELLER, Seit einer Reihe von Jahren mit der Metamorphose der Echi- nodermen beschäftigt, war ich genöthigt, die sehr schwierige Anatomie dieser Thiere im Zusammenhang mit der Entwik- kelungsgeschichte möglichst sicher kennen zu lernen. Diese Untersuchungen haben sich zuletzt auf die Holothurien aus- gedehnt. Das Folgende enthält die Uebersicht der Ergebnisse hinsichtlich einiger Punkte, die noch in der Bewegung der Wissenschaft begriffen und für mich von besonderem Inter- esse gewesen sind. Ich werde sie später durch Abbildungen erläutern. Asterien, In der Abhandlung über die Metamorphose der Holo- thurien bin ich auf Thatsachen gestossen, welche die Frage von der Genesis und Bedeutung der Madreporenplatte und des Steincanals in eine neue Lage bringen. Sowohl in der Auricularia als Tornaria ist eine an der Haut der Larve be- festigte Röhre nachgewiesen, welche der Stamm des Ten- takelsystems zu sein scheint und an welcher in der That 118 die Entwickelung der Tentakelu in der Auricularia beobach- tet ist. Diese Röhre gleicht insofern dem Steinkanal der Asterien, als dieser der Stamm des Wassergefässsystems der Füsse ist. Neue Materialien setzen mich in den Stand diesen Gegenstand wieder aufzunehmen, Die Theorie von Koren und Danielssen über die Entstehung der Madreporenplatte ist auch nach der Verbesserung, welche ihr durch mich aus der Anatomie der Bipinnaria asterigera gegeben wurde, zur Erklärung der mehrfachen Madreporenplatten bei einigen Aste- rien nicht ausreichend, und konnte eben so wenig die Ge- nesis dieser Platte bei denjenigen Asterien erklären, bei wel- chen die Metamorphose sehr früh und ohne Abtrennung von Larvenorganen geschieht. Ich bin jetzt im Stande di- rect zu beweisen, dass diese Theorie nicht ferner festgehal- ten werden kann, und dass sich die Madreporenplatte un- abhängig von der Lostrennung der Larvenorgane und schon vor dieser Trennung bei der Bipinnaria asterigera bildet. Das Ausführliche werde ich in den Abhandlungen der Akademie darlegen. Das Wassergefässsystem zur .Ereetion der Füsschen und das Blutgefässsystem der Asterien sind von Tiedemann so vollständig und naturgelreu beschrieben, dass ich nichts dazu nachzutragen gefunden habe, als dass der unter der Haut des Mundes auf dem häutigen Discus liegende Blutgefässring, ausser den von Tiedemann angezeigten und abgebildeten Aesten auch zu jedem Strahl einen Zweig giebt, der wieder 2 kurze Seitenäste abschickt, wie Tie- demann’s Nerven der Arme. Die Injection vom Blutge- fässring gelang nur bis zum Anfang dieser Gefässe. Das Was- sergefäss des Strahls, entspringend aus dem Ringcanal des Wassergelässsystems „ liegt auf der Knochen-Columne des Strahls am tiefsten in der Rinne dieser Columne. Darüber liegen die Quermuskeln, welche die beiden beweglich ver- wachsenen Hälften der wirbelartigen Stücke gegen einander zu bewegen, die Ambulacren zu verengern vermögen, Er- 119 weilerungen des Wassergefässes drängen sich zwischen je 2 Quermuskeln; hier entspringt der Ast zum Tentakel, quer hin verlaufend. 1er Tentakel ist auf das Loch zwischen den Seiten-Fortsätzen der wirbelartigen Stücke aufgesetat und verlängert sich durch dieses Loch hindurch in die in- wendig unter dem Ambulacralskelet liegende Ampulle. Es giebt noch andere Quermuskeln an der Rückseite der Wir- belstücke, sie erweitern die Tentakelrinne, Agassiz hat. in der Einleitung zum Biking raisonne des echinides Zweifel dagegen ausgesprochen, dass die von Tiedemann beschriebenen Nerven der Asterien wirklich Nerven seien, weil die Nerven der Echiniden an der innern Seite der Schale verlaufen, während die Nerven der Asie- rien über dem Skelet des Ambulacrums verlaufen, nur von der äusseren Haut bedeckt. Das Ambulacrum der Echini- den und Asterien seien aber ein und dasselbe, auch die Am- pullen der Tentakeln in beiden Fällen unterhalb des Ambu- ‘ lacralskeletes also innerhalb der Schale angebracht. Es wäre jedoch leicht gewesen sich zu überzeugen, dass an der Stelle wo bei den Seeigeln die Nerven liegen, an der inne- ren Seite der Schale, in den Asterien gar nichts von einem Strange vorhanden ist. Die Verschiedenheit findet trotz der wirklichen Analogie des Ambulacrums in der That statt, die- selbe Versetzung hat jedenfalls schon das Wassergefäss des Arms erfahren, es liegt bei den Asterien ausserhalb der Ein- geweidehöhle über den Knochenstücken des Ambulacrums, bei den Echinen unter denselben und innerhalb der Schale, wie die Eingeweide. Ich habe diese Veranlassung indess benutzt, die Nerven der Asterien zu untersuchen, dabei hat sich ergeben, dass sie allerdings ganz entgegengesetzt wie bei den Echinen lie- gen, dagegen sind mir Zweifel entstanden, ob Tiedemann die wirklichen Nerven erkannt hat. Zunächst unter der Haut am Munddiscus liegt nach Tiedemann das, was er den orangefarbenen Gefässring 120 nennt, von welchem zur Tentakelrinne ein Ast abgeht. (Tie demann 6. Tafel). Dicht darunter soll sich das ringförmige Blutgefäss befinden, welches jedenfalls leicht aufzufinden, zu injieciren oder aufzublasen ist. Am äusseren Rande des letzteren liege der Nervenring, welcher wie die Aeste für die Arme als äusserst dünn dargestellt ist, wie man von dem Centralorgan des Nervensystems der grossen von Tiede- mann untersuchten Asterie nicht erwarten sollte, zumal da die Nerven der Ambulacren der Seeigel ganz bedeutend brei- ter sind. Was Tiedemann das orangefarbene Gefäss nennt, habe ich dicht über dem Blutgefässring gefunden, aber der Nervenring am äusseren Rande des Blutgefässringes ist mir nicht verständlich; auch in den grössten und vortrefflich erhaltenen Exemplaren des Astropecten aurantiacus habe ich ihn dort nicht wiederfinden können, und es lässt sich dort nichts von dem Gefäss trennen, was nicht zum Gefäss gehört. Am Anfang des Arms kann der Blutgefässast, der zwei kurze Nebenäste giebt, auch fibröse Bündel, für Nerven gehalten werden. Ich finde dagegen, wo das orangefarbene Gefäss liegen soll, dicht unter der Haut einen platten weichen Ring und seine Fortsetzung zu den Armen. Dieser muthmaassli- che Nervenring ist breiter als das Ringgefäss, das ganz be- deckt unter ihm liegt und sehr viel breiter als der von Tiedemann abgebildete Nervenring, ebenso breit und noch breiter sind die Aeste für die Arme, welche fast die ganze Breite zwischen den Tentakeln einnehmen. Diese Stränge sind weich, ganz solid, ohne eine Spur eines Lumens und bestehen‘ grösstentheils aus Längsfasern, so dass sich der Strang ganz so wie die Nerven der Seeigel leicht der Länge nach spalten und reissen lässt, auch ist die Form des Rin- ges ganz dieselbe, wie bei den Echinus. Die Nerven der 5 Arme theilen sich nämlich am Anfang des Ambulaerums in zwei Schenkel, wovon jeder mit dem. entgegenkommenden . Schenkel aus dem nächsten Ambulacrum einen nach dem Mund convexen Bogen bildet. Siehe die Abbildungen der 121 Nerven von Echinus bei Krohn und Valentin. Der Nerve des Arms bildet dicht unter der Haut ein in der Mitte erha- benes breites Band, an welchem man zwei Seitenhälften un- terscheiden kann, wie an den Nerven der Seeigel. Ebenso be schreibt Krohn die Nerven der Holothurien. Zwischen je zwei Tentakeln der Asterie tritt immer ein Zweig hervor, Unter dem Nervenstrange des Armes liegt noch eine fibröse Decke über den Quermuskeln, zu unterst der WVassercanal. Um diese Theile an in Weingeist aufbewahrten grossen Asterien zu sehen, müssen diese in starkem Spiritus aufbe- wahrt gewesen sein. In schwachem Spiritus aufbewahrte Asterien verlieren auf dem Discus und in der Tentakel- rinne sowohl die Haut, als den darunter liegenden Strang. Auf die Analogien und Verschiedenheiten in Skelet der Echinen und Asterien werde ich am Ende dieser Abhand- lung zurückkommen. Die respiratorischen Röhrchen auf dem Rücken der Aste- rien, welche mit der Bauchhöhle communiciren, sollen zu- folge der Injectionen von Tiedemann am Ende offen sein, und zum Wechsel des Wassers der Leibeshöhle dienen, Nach Ehrenberg dagegen sind die Röhrchen am Ende ge- schlossen, er sowohl als Sharpey sahen die Strömungen im Innern am Ende umkehren. An jungen lebenden Exem- plaren des Asteracanthion violaceus sah ich dasselbe, und es gelang mir nicht eine Oefinung wahrzunehmen. Ophiuren. Ich habe den Steinkanal in den Ophiuren aufgefunden. Schon war die Madreporenplatte der Astrophyton an einem der Mundwinkel bekannt. Im System der Asteriden ist auch darauf aufmerksam gemacht, dass eines der 5 Mundschilder der Ophiuren sich zuweilen durch einen Umbo auszeich- net. Dieser Umbo ist bald erhaben, wie bei Ophiolepis 122 eiliata, bald eingedrückt wie bei Ophioderma longicauda, im- mer aber glatt, wie die übrigen Mundschilder und ohne Po- ren. Präparirt man bei Ophiolepis ciliata das fragliche Schild von innen, so zeigt sich eine dem Umbo entsprechende Höhle, in welcher der Steincanal beginnt. Es ist eine häutige in ihren Wänden mit gegitterten Kalkplättchen verstärkte Röhre, welche durch eine sackförmige Erweiterung von gleicher Struetur sich an den Ringtanal des Wassergefässsystems an- schliesst. An diesem Ring-Canal hängen noch 4 polische Blasen auf die 4 übrigen Interradialräume vertheilt. Die po- lischen Blasen sind ohne Verkalkung der Wände und ent- sprechen den polischen Blasen der Asterien und Holothurien. Vom Steincanal lässt sich der Ringeanal und die polischen Blasen und von diesen wiederum die Blase des Steincanals _ und die von dem Ringcanal abgehenden Längscanäle und die Füsschen aufblasen. In der blasigen Erweiterung des Stein- canals liegt eine pulpöse Masse, welche grösstentheils frei, aber nahe der Einmünduug des Steincanals in den Sack an diesem angewachsen scheint. Seeigel. In die mikroskopische Structur der Organe der Echini- den einzugehen liegt nicht in dem Zweck dieser Abhand- lung, ich verweise in dieser Hinsicht auf Valentin’s Werk. Die baumförmigen Kiemen der Seeigel, die äusseren Kiemen Valentin’s sollen an den Enden ihrer Aeste nach Tiede- mann offen sein, und das Wasser in das Innere des See- igels aufnehmen. Diese Ansicht gründet sich auf Injection mit Quecksilber unter gleichzeitiger Anwendung von gelin- dem Druck. Valentin fand diese Organe dagegen an den peripherischen Enden geschlossen, so dass sie also hohle Verlängerungen der Leibeshöhle nach aussen darstellen, und die Athemfunction auf ihrer äussern Oberfläche stattfindet. Auch ich habe bei wiederholter mikroskopischer Untersu- 123 chung dieser Theile von lebenden Seeigeln keine Oeffnungen an den abgerundeten Enden wahrgenommen. Unter dem Mikroskop verhalten sich die Organe daher ebenso, wie die respiratorischen Röhrchen der Asterien. Die mit dem Was- sergefäss verbundenen Füsschen sind bei den Seeigeln so ge- bildet, wie bei allen Echinodermen, nicht offen, wie Valen- tin annimmt; die sogenannten inneren Kiemen der Seeigel sind nichts anders als lediglich Appertinentien des Wasser- gefässsystems zur Schwellung der Füsschen, nämlich das- selbe was die Ampullen der Füsschen bei den Asterien und Holothurien. Tiedemann hat sie naturgemäss beschrie- ben, undDuvernoy giebt gute Abbildungen des Details. Tiedemann unterscheidet mit Recht zwei von einau- der unabhängige Gefässsysteme, das Wassergefässsystem und das Blutgefässsystem, wie bei den anderen Echinodermen. Delle Chiaje hat sie zusammenhängend dargestellt und verwechselt. Auch Krohn scheint sie an den Ampullender Ambulacra zu verwechseln. Tiedemann’s Kenntniss von der Vertheilung der Wassergefässe reicht nicht weiter, als bei Monro. Valentin hat vom Wassergefässsystem nur die Verbindung der Füsschen mit den Ampullen welche beide jedoch die Fortseizungen des Ambulacralcanales sind, und ist über die Blutgefässe sehr ausführlich, die er zum Theil mit den Wassergefässen verwechselt. Wir müssen daher hin- sichtlich des Wassergefässsystems wieder da beginnen, wo Monro und Tiedemann aufgehört. Die allgemeine An- ordnung dieses Systems ist. ganz so wie bei den Asterien und Holoihurien. Das Folgende gründet sich auf die Un- tersuchung vieler Exemplare, sowohl des E. lividus als E. brevispinosus, auch der Cidaris bystrix. Die Seeigel haben zwei Gefässringe am Oesophagus, dicht bei einander, wie bei den Holothurien. Sie liegen am Ende der Laterne, zwischen dieser und der Speiseröhre. 124 Valentin, der beide gesehen, nennt den einen den arteriellen, den andern den venösen; der eine von diesen, nämlich der untere ist vielmehr der Ringeanal des Wassergefässsy- stems, welcher weder von Monro noch Tiedemann beobachtet ist. Beide Anatomen haben die Wassergefässe der 5 Radien bis zur Laterne verfolgt und dort im Zusammenhang mit 5 auf den Interradien der Laterne liegenden Blasen gesehen, Monro lässt auch die Blasen unter sich zusammenhängen. Man kann die Wasserge- fässe der d Ambulacra leicht zur Laterne verfolgen, sie lie- gen hier an der Aussenseite der Laterne über den mus- culi interpyramidales, (sie sind von Valentin als Gefässe von den Kiemen zur Laterne bezeichnet, und auch ab- gebildet). So gelangen sie bis zu den 5 radialen Basalstük- ken der Laterne, hier verbergen sich die 5 Wassergefässe und nehmen einen, bedeckten Verlauf in radialer Richtung gegen den Oesophagus oder vielmehr gegen den Ringcanal der, Wassergefässe. Sie sind nämlich von den ‚5 falces oder Laternradien bedeckt. Unter diesen liegen sie zwischen falx und musculus interpyramidalis und zwischen den Epi- physen der Pyramiden, welche an die falx stossen. Das Gefäss füllt diesen radialen Raum ganz aus und ist hier weiter als vor dem Eintritt in den bedeckten Gang und an die Wände des bedeckten Ganges angewachsen. Von dieser Stelle aus ist das Wassergefässsystem des Seeigels sogleich im ganzen Zusammenhange darzustellen. Wenn man da, wo das Wassergefäss des Ambulacrums bis zur falx gekommen und im Begriff in den bedeckten radialen Gang zu treten, an die Ränder der Oeffnung des bedeck- ten Ganges sich anschliesst, diese Stelle des Eintritts ein- schneidet, so kann man in den bedeckten Gang mit einem feinen Tubulus hineinblasen und auch umgekehrt das Was- sergefäss des Ambulacrums aufblasen. Bläst man in den bedeckten Gang, so blässt sich der Ringeanal um den Oeso- 125 phagus, die damit verbundenen 5 Blasen, welche ich die polischen Blasen nenne, und die Wassergefässe der 5 Am- bulacra zugleich auf, so dass man mit einem Male die ganze Ausbreitung des Wassergefässsystems übersehen kann. Dr Peters hat sich an meinen Präparaten von diesem Zusam- menhang überzeugen können. Die 5 polischen Blasen liegen auf der Membran, welche den oberen Theil der Kiefer oder Pyramiden schliesst und sind noch etwas von den Quer- muskeln der 5 Compasse bedeckt. Diese Blasen mögen wohl dieselben sein, welche Monro und Tiedemann in Zusam- menhang mit den Wassergefässen der Ambulacra bringen, sie sind auch dasselbe was Valentin die 5 blasigen Or- gane nennt, die er vollkommen richtig an seinem venösen Gefässring des Oesophagus sitzen sah, und welche er den Venenanhängen der Cephalopoden vergleicht. Er sah auch den Gang von dem Gefässring zu jeder Blase. Die Be- deutung der zum locomotiven Gefässsystem gehörigen Theile konnte indess bei der Voraussetzung von inneren Kiemen und ohne die gleichzeitige Zergliederung der Asterien und Holothurien nicht richtig verstanden werden. Der Zusam- menhang der Mundtentakeln mit den Wassergefässen ist noch auszumitteln. Dies mag sich so verhalten, wie in den Holothurien. Die Uebereinstimmung der Echiniden mit den Asterien. und Ophiuren hinsichtlich der Wassergefässe ist jetzt so vollständig, dass man fragen muss, ob die Echiniden nicht auch den Steinkanal zwischen der Madreporenplatte und dem Wassergefässsystem besitzen. Zur Beantwor- tung dieser Frage muss man sich vergegenwärtigen, was der Steincanal der Asterien ist. Es ist ein aus dem porö- sen Labyrinih der Madreporenplaite entspringender Anhang des Wassergefässsystems, der sich von den andern Anhän- gen desselben, den poliscben Blasen dadurch unterscheidet, dass er zur Zusammenziehung nicht geeignet ist, wie wir 126 ebenwieder bei den Ophiuren gesehen. Dieser Canal ist inter- radial und steigt von der Madreporenplatte zum Ringcanal des Mundes auf, von dem die Stämmehen des Wassergefässsy- stems für die Radien und die polischen Blasen abgehen. Dann muss der Steincanal der Seeigel von der innern aus- gehöhlten Fläche der Madreporenplatte entspringen. A gas- siz der sich diese Frage bereits vorgelegt hat, hat auch das Verständniss des Gegenstandes eröffnet. Comptes rendus XXV. p. 679. Fror. Not. N. Reihe V. 1848 p. 145. Er sagt: die gegliederten Kalklamellen des Steincanals der Asterien scheinen nur zum Schutz der häutigen Röhre bestimmt, sie fehlen den Seeigeln, deren Sieböffnungen unmittelbar von der Madreporenplaite in eine häutige nicht mit einer festen Hülle versehene Röhre führen. Das Wassergefässsystem ist nicht weiter beschrieben. Die von Agassiz ausgesprochene Analogie geht weiter als er selbst annimmt. Es giebt Seeigel, bei denen der Steincanal wirklich verkalkte Wände hat und völlig steif ist, es sind die Cidaris. Der Steincanal entspringt aus dem kleinen Becken der Madreporenplatte, in welches die Poren der Madreporenplatie einmünden, steigt dann dicht am Herzen, aber ohne Verbindung mit demselben in die Höhe zum Oesophagus und inserirt sich, an der Laterne ange- langt, in den Ringeanal des Wassergefässsystems. Es ist ein sehr feiner Canal, bei Echinus weich, bei Cidaris in seinen Wänden dicht mit Kalkplättchen ausgestattet, so dass er sich dem Druck widersetzt, und beim Durchschnitt ein rundes Lumen zeigt. Das Labyrinth von Kalkplättchen im Innern, welches die Asterien im Steinkanal haben, fehlt den Seeigeln. Der Canal ist so fein, dass er sich zur Injection mit Quecksilber nicht eignet, vor der Insertion in den Ringcanal der Wassergefässe wird er etwas weiter und legt bei Cidaris seine Verkalkung ab. Dieser Theil lässt sich im Zusammenhang mit dem Ringcanal von der Stelle an der Falx aus aufblasen, die vorher bezeichnet wurde und von 127 welcher das ganze Wassergefässsystem aufgeblasen werden kann. Valentin sah das neben dem Herzen in demselben gemeinschaftlichen kleinen Gekröse aufsteigende Gefäss, er hebt es als merkwürdig hervor, dass das Gefäss in einer Rinne des Herzens liege, ohne ihm verbunden zu sein. Das Lageverhältniss dieses Canals zum Herzen ist übrigens ganz dasselbe, wie das des Steincanals zum Herzen der Asterien, welche für die Anatomie des Seeigels die Probe hergeben. Die Blutgefässe verhalten sich so wie es Tiedemann beschrieben. Um den Mastdarm her liegt der bekannte cir- eulus analis dicht auf dem Skelet, auf dem er bei Echi- nus sinuöse Eindrücke zurücklässt, ohne Zusammenhang mit den Ambulacralcanälen. Er hat sehr zarte Wände, und das Ansehen eines venösen Sinus. Er entspricht dem Gefasseirkel am Rücken der Asterien und steht in demselben Verhältniss zum Herzen wie dort. Wo der Gefässcirkel an das Becken der Madreporenplatte anstösst, erhebt sich aus dem Gefässcirkel die Fortsetzung zum Herzen, welche sich vom Cirkelgefäss aufblasen lässt. Um eine klare Vorstellung vom Herzen zu bekommen, muss man es bei Cidaris unter- suchen, es ist bei Cidaris ein weiter, ganz gerader Canal mit dicken weichen Wänden. Nach oben setzt es sich in eine Arterie fort, welche in den arteriösen Gefässkreis des Oesophagus übergeht. Eine Beschreibung der übrigen Ge- fässe würde für jetzt überflüssig sein. Die Nerven der Seeigel liegen an den von Krohn und Valentin angezeigten Stellen und sind am leichtesten von den Auricularfortsätzen am unteren Rand der Schale, durch welche die Stämmchen wie auch die Wassergefässe der Ambulaera durchgehen, zu verfolgen. Sie liegen über den Wassergefässen. Des Moulins (1835) hat zuerst mit Erfolg das vorn und hinten, rechts und links an den Echinen dargelegt. Er hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass die Madre- porenplatte bei Echinoneus und Ananchites seitlich, nämlich 128 die vordere rechte Genitalplatte ist, ganz so wie ich es selbst bei Echinoneus angegeben, ohne die Beobachtungen von Des Moulins zu kennen. Derselbe hat auch bemerkt, dass der After bei Echinus excentrisch ist und immer einem der 5 Ambulacralfelder genähert ist, so dass derselbe entwe- der als hinten oder vorn anzusehen wäre; da aber bei den langen Seeigeln ein Radius vorn ist, so wäre derjenige Ra- dius des Echinus der vordere, dem der After genähert ist, somit läge der After bei Echinus vor dem dorsalen Centrum. Hiernach bestimmt sich aber die Lage der Madreporenplatte so, dass sie die hintere linke Genitalplatte ist. Die Lage des Afters bei Echinus, näher dem einen Radius und nicht einem Interradius scheint auch bei den Asterien sich zu wie- derholen; ich erinnere daran, wie ich bei der Bipinnaria asierigera darauf aufmerksam gemacht, dass die Afterröhre einem Arm entsprechend auf dem Rücken hervortritt. Bringt man den Seestern der Bipinnaria in die Lage, dass der Ra- dius, über welchem die Afterröhre hervortritt, nach vorn gerichtet wird, so ist der nächste linke Interradialraum, also der linke vordere Interradius derjenige der Madreporenplatte, es ist derselbe Interradius, der von dem Schlunde der Larve durchbohrt wird. | | Was vorher von Echinus bemerkt wurde, wiederholt sich in den lebenden Cidaris sowohl als in den fossilen. Bei den Salenien unterscheidet Agassiz nach der Lage der plaque suranale, wodurch der After nach vorn oder hinten gedrängt wird, Arten mit vorderem, und Arten mit hin- terem After. Aber man hat bisher nicht die seitliche Lage der Madreporenplatte bei den Salenien wahrgenommen. An der Salenia petalifera Ag. mit vorderem After, konnte ich mich überzeugen, dass die linke hiniere Genitalplatte po- rös und Madreporenplatte ist. In den ausgezeichneten Arbeiten von Agassiz und Desor über die fossilen Seeigel ist die Lage der Mädreporenplatte nicht immer richtig an- gegeben. Die Beachtung ihrer einseitigen Lage in mehreren 129 Gattungen von Seeigeln, hätte schon längst überzeugen müs- sen, dass diese Platte nicht zur Bestimmung des Hinten, des Rechts und Links dienen kann, wogegen auch die mehr- fachen Madreporenplatten verschiedener Asterien, auf ver- schiedene Interradien vertheilt, streiten. Bei Ananchites und Dysaster ist die vordere rechte Genitalplatte porös, bei Ga- lerites, Nucleolites, Pygurus, Discoidea, Micraster und Toxa- ster ist die poröse Mitte der Schale eine Erweiterung der vorderen rechten Genitalplatte, welche von den übrigen Ge- nitalplatten und den Intergenitalplatten umgeben ist. Bei den Clypeaster und Scutella erscheint die Madreporenplatte ei- genthümlich in keinem Verhältniss zu einer der Genitalöff- nungen im Centrum, von den Genitalöffnungen umgeben, so dass jede Oefinung zwischen einer Ecke des porösen Penta- gons und dem letzten Paar der Interambulacralplatten er- scheint, wie man an fossilen Scutella mit gut erhalteneu Nähten sehen kann. Bei Hemipneustes radiatus endlich scheint nicht eine, sondern viele Platten des Apex porös zu werden, sowohl die Genitalplatten, als Intergenitalplatten, und es scheinen nur die hintersten von der Porosität ausge- nommen Holothurien. Von den fusslosen Holothuriengattungen habe ich die genera Synapta, Chirodota und Molpadia mit Benuz- zung eines bedeutenden Materials und namentlich grosser Arten zergliedert. Synapta. Abgesehen von den mikroskopischen De- tails, in deren Hinsicht ich auf die schöne Abhandlung von Quatrefages über die Synapta Duvernaea verweise, wei- chen die von mir untersuchten Arten bedeutend von dieser Art ab. Kejne von ihnen besitzt die von Quatrefages ent- deckten, der Synapta Duvernaea eigenthümlichen Saugnäpfe auf der Fläche der Tentakeln; dagegen besitzen alle mehrere von Quatrefages nicht erwähnte Organe, namentlich die Müller’s Archiv. 1850. 9 130 Polischen Blasen am Ringcanal des Wassergefässsystems der Tentakeln und den bei allen Holothurien vorkommenden Kalk- beutel. Ferner besitzen die Synapten, gleichwie die andern Ho- lothurien, zwei verschiedene und von einander unabhängige Gefässsysteme, das Wassergefässsystem und das Blutgefässsy- stem, welche Quatrefages verwechselt zu haben scheint. Synapta Beselii Jaeg. Die Anker sind 0,33 bis 0,42’ lang und von häutigen röhrigen Scheiden umgeben. Die Kalkplättchen, auf denen sie sitzen, haben 2 der Länge der Anker, sie enthalten in der Mitte einige grössere Löcher nach der Peripherie kleinere Löcherchen, alle Löcher mit glatten Rändern ohne Zähne. Diese Plättchen sind ver- hältnissmässig lang zur Breite, nämlich doppelt so lang als breit. An dem Theil des Plätichens, wo der Anker aufsitzt, befindet sich noch eine bogenförmige Querleiste, wie eine Brücke. Der Kalkring am Munde besteht aus 15 Stücken, ebensoviel als Tentakeln, 5 darunter sind oben mit einer Oeffnung versehen, welche zum Durchtritt von 5 Blutgefäs- sen dienen. Die 5 perforirten Kalkstücke haben überall 2 undurchbohrte Kalkstücke zwischen sich. An die perforir- ten Kalkstücke setzen sich die 5 Längsmuskeln fest, so dass der grösste Theil ihrer äusseren Fläche, auch der Umfang des Loches von der Insertion bedeckt wird. Nach hinten schliesst sich an den Kalkring eine von Jäger abgebildete, dieser Art eigenthümliche, grosse, ringförmige Knorpelplatte an, welche die Speiseröhre und die aus dem Ringcanal ent- springenden Röhren des Wassergefäss-Systems , für die Tentakeln bedeckt. Diese Knorpelplatte reicht bis zum Ringcanal des Wassergefäss - Systems welcher dieselbe Lage auf der Speiseröhre, wie bei allen Holothurien hat. Vor dem unteren Rand befinden sich in dem Knorpel- ring rundum 15 Löcher, von Jäger abgebildet; sie führen zwischen Knorpel und Speiseröhre und zwıschen den 15 aus dem Ringeanal entspringenden Röhren des Wasserge- fässsystems in einen gemeinsamen Raum zwischen den Was- 131 serröhren und der Speiseröhre hinauf bis gegen den Discus des Mundes. Wenn der Körper des lebenden Thieres sich zu- sammenzieht, so muss das Wasser der Bauchhöhle gegen diese Löcher und in jenen Raum gedrängt werden; den Aus- weg nach aussen oder die Spiracula habe ich trotz des sorg- fältigsten Suchens nicht finden können. Durch die Löcher in je 5 Kalkstücken des Kalkringes, welche nach Quatre- fages zum Durchgang des Wassers dienen sollen, geht kein solcher Canal. Diese Löcher sind ganz von der Insertion der Längsmuskeln bedeckt, sie selbst dienen dem Durch- sang der Blutgefässstämme. Das Wassergefässsystem be- steht aus dem Ringeanal, den daraus entspringenden 15 Röhren, welche zu den Tentakeln gehen und den Anhängen des Ringeanals.. Die Lage des Ringcanals ist beträchtlich weiter unten als der Kalkring, nämlich am unteren Rande des grossen ringförmigen Knorpels. Die aus ihm entsprin- genden 15 Röhren treten zwischen Knorpel und Speiseröhre in die Höhe, dann zwischen Kalkring und Schlund zu den Tentakeln ; diese Röhren sind also sowohl von dem Ring- knorpel als vom Kalkring bedeckt; innerhalb des Ringes auf- steigend liegt jede auf zwei aneinanderstossenden Kalk stücken auf, am oberen Rande des Kalkringes angelangt, treten sie in die Tentakeln, welche sich von ihnen und vom Ringeanal aufblasen lassen. Die Wasserröhre jedes Tenta- kels bildet übrigens im obersten Theil der Bauchhöhle eine blinde bläschenartige Hervorragung, welche auf die äussere Fläche je zweier Kalkstücke angewachsen ist. Am Ringea- nal hängen die Polischen Blasen ringsum, sie sind äusserst zahlreich und es mögen der dünnen Blinddärmehen wohl gegen 50 sein. Zu der Haut des Körpers, entlang den 5 Längsmuskeln gelien keine Verlängerungen des Ringeanals des Wassergelässsystems. Das Blutgefässsystem bildet ei- nen Ring unter der Haut des Munddiseus an der Basis der Tentakeln. Dieser Ring ist leicht zu finden, weil er mehr oder weniger von Pigmeut gefärbt ist; er ist namenllich G# 132 durch 30 schwärzliche Pigmentflecken ausgezeichnet, welche paarweise beisammenstehen und einem Tentakel entsprechen, es ist verästeltes Pigment an der Stelle, wo das Ringblutge- fäss einen Ast zum Tentakel giebt; dieser Ast liegt unter der Haut des Tentakels auf der vorderen Fläche und geht bis zum Ende; das Blutgefäss des Tentakels ist viel dünner, als das Wassergefäss, es liegt auf dem letztern, übrigens ist der Bluigefässring, aus dem die 15 Aeste für die Tentakeln entspringen, gross genug, um ihn und alle seine Verlängerun- gen aufzublasen. Aus dem Blutgefässring gehen 5 Aeste von der Stärke, wie er selbst ist, nach abwärts zur inneren Seite des Kalkrings, hier stossen sie auf die 5 Löcher des Kalkringes, treten durch sie durch an die äussere Seite des Kalkringes in die sich hier ansetzenden Längsmuskeln, mit denen sie an die Seiten des Körpers gelangen. Der Blut- gefässring scheint auch noch mit Blutgefässen zusammenzu- hängen, welche ven der Speiseröhre heraufkommen; dieser Zusammenhang ist mir jedoch unklar geblieben. Ich un- terscheide was sicher ist, das sind die Aeste zu den Tenta- keln und zu den Längsmuskeln. Das. Kalkorgan dieser Syn- apta bildet einen Canal, der viele Aeste abgiebt, er liegt am obern Rande des Gekröses zwischen Darm und Genitalgang. Jeder Ast des Canals endigt mit einer kleinen Krone von Kalk. Die Geschlechtstheile bilden 2 verzwreigte Stämme, die sich zuletzt in einen verbinden, dieser öffnet sich dicht hinter dem Kalkring und hinter den Tentakeln in der Haut. Die Längsmuskeln entwickeln nach oben eine auf ihrer Flä- che senkrecht stehende hohe Kante, die sich mit dem übri- gen Muskel am Kalkringe befestigt, und als Retractor wirkt. _ Der Darm ist sehr lang und bildet auf uud niedergehende Schlingen an 3 Gekrösen. | Synapta serpentina Nob. n. sp. von Celebes. Eine eigenthümliche neue sehr grosse Art. Sie ist drei Fuss lang und fingersdick. In der Haut zeigen sich auf hellem Grunde einzelne seltene grössere dunkle Flecken, die 15 Tentakeln Re a ei # 133 sind gefiedert, mit sehr zahlreichen Seitenfortsätzen, wie bei der vorigen Art. Die Anker sind viel kleiner, als bei der vorhergehenden, nämlich 0,14’ lang, daher sie mit blossen Augen auch nicht mehr wahrnehmbar. Die Oberfläche des Körpers klettet übrigens in hohem Grade. Die Anker haben einen gleichförmig dicken Schaft, der nur an der Basis über der Wurzel etwas dünner ist, wie bei S. Beseliıi. Die Haken sind wie dort ungezähnelt. Die Kalkplättchen, auf denen sie stehen, sind 2 so lang, als die Anker und ha- ben 7 im Stern (eines in der Mitte von 6) gestellte grosse Löcher, deren Rand gezahnt ist, kleinere Löcher sind nicht vorhanden, als an der Stelle, wo der Anker sitzt, hier en- digt das Plättchen in einen Halbring mit einer Reihe Löcher- chen, oben herüber geht eine brückenförmige Kalkleiste. Das Thier ist von Celebes, wir haben es von Schönlein. Der Kalkring besteht aus 15 Kalkstücken, jedes hat in der Mitte einen aufsteigenden Fortsatz, der fast so hoch ist, als das übrige Kalkstück, 5 von diesen haben diesen Fort- satz breiter und darin ein Loch zum Durchgang der Blut- gefässe, an jenen Forisatz und zwar am Umfang des Lo- ches heften sich die 5 Längsmuskeln des Körpers an. Der Knorpelring der vorigen Art fehlt durchaus, und man sieht sogleich die 15 aus dem Ringcanal entspringenden Wasser- röhren, welche nach dem Kalkring aufsteigen und dann von ihm verdeckt werden. Am unteren ausgeschnittenen Rande eines jeden Kalkstücks, zwischen je zwei Wasserröhren, be- findet sich ein Durchgang, welcher zwischen den Kalkring und Schlund führt; es sind die Oefinungen, welche bei den mehrsten Arten von Synapta hier liegen, bei S. Beselii aber weiter unten am untern Rand des Ringknorpels sich befinden. Die 15 Röhren des Ringcanals und das Wasser- gefässsystem der Tentakeln verhalten sich wie bei der vo- rigen Art. Am Ringcanal des Wassergefässsystems hängen rundum sehr viele Polische (gegen 50) Blasen, wie bei der vorigen Art, eigenlhümlich ist aber der Synapta serpentina, 134 dass der Ringeanal rundum mit vielen Anhängen einer 2 wei- ten Art versehen ist. Der Kanal des Kalkorgans ist näm- lich nicht verzweigt, sondern es sind sehr viele Kalkorgane rundum vorhanden, die Canälchen hängen hier am Ringcea- nal fest und endigen jedes mit einer besonderen kleinen Kalkkrone, welche wie das Canälchen frei in die Bauchhöhle ragt. Die Geschlechtstheile verhalten sich, wie bei S. Beselii- Es findet sich der Blutgefässring an der Basis der Ten- takeln unter der Haut des Munddiseus, seine Aeste zu den Tentakeln und die Zweige, welche abwärts durch die Oefl- nungen des Kalkringes zu den Längsmuskeln gehen. Synapta lappa Nob. nov. sp. aus Westindien, 4” dick, über f Fuss lang, an unsern Exemplaren fehlt das Hinterendee Die 15 Tentakeln sind dicht gefiedert. Die Farbe des Thiers ist hell und dunkel gefleckt. Die Anker sind 0,18‘ lang und liegen in häutigen Scheiden. Der Schaft des Ankers nimmt von der ästigen Wurzel gleichmäs- sig bis zum Bogen an Dicke zu. Die Haken sind nicht ge- zähnelt. Die Kalkplätichen sind 2 so lang als die Anker, sie sind den Kalkplätichen der vorhergehenden Art ähnlich, und enthalten 7 grosse Oefinungen mit gezahnten Rändern, wovon 6 im Uinkreis, eine in der Mitte. Kleinere Oeffnun- gen sind nicht vorhanden, als an der Einlenkungsstelle Hier befinden sich 2 grössere und mehrere kleinere glattrandige Löcher. Ueber dieser Stelle biegt sich ein brückenartiger schmaler Riegel von dem einen Seitenrand zum andern. Diese Riegel scheinen die Anker in ihren geneigten Stelluu- gen zu halten, öfter sah ich das Insertionsende des Ankers unter dem Riegel durchgehend. Der Kalkring des Mundes besteht aus 15 Stücken, wovon 5 mit durchbohrten Fort- sätzen für den Durchgang der Blutgefässe von dem Blutge- fässring zu den Längsmuskeln und für den Ansatz der letz- teren, welche den Umfang des Loches einnehmen. Die knor- pelige Verlängerung des Kalkringes fehlt, zwischen dem Kalk- ring und dem Ringcanal des Wassergefässsyslems erschei- 135 nen die 15 Canäle des letztern, welche zu den Tentakeln aufsteigen. Die bläschenförmigen Anfänge der Tentakeln in- nerhalb der Bauchhöhle auf dem Kalkring wie gewöhnlich. Unter dem Kalkring befinden sich wieder die 15 Durchgänge zwischen je zwei Röhren des Wassergefässsystems.. Nach E ntfernungder Haut am Munddiscus erscheint sogleich wie- der der Blutgefässring mit Pigmentflecken, seine 15 Aeste in die Tentakeln und die 5 Aeste abwärts zu den Oeffnun- gen im Kalkring für die Seitenmuskeln und die Haut. Nach Ablösung der fibrösen Schicht des Discus sieht man in einen von vielen radialen Fäden durchzogenen Raum zwischen Schlund und den Aussenwänden. Dieser Raum communieirt mit den Oefinungen, welche aus der Bauchhöhle unter jedem Stück des Kalkringes zwischen den 15 Röhren des Wasser- gefässsystems durchführen. Es ist mir nicht gelungen, die Ausgänge in der Haut zu finden, durch welche das Wasser der Bauchhöhle erneuert wird. Bis jetzt kennt man sie auch von den Seeigeln und Asterien richt mit Sicherheit. Der Ring- canal des Wassergefässsystems ist rundum mit Polischen Bla- sen besetzt, deren nicht weniger sind als in den beiden vorher- gehenden Arten. Das Kalkorgan ist nur einmal vorhanden und unverzweigt, der gewundene Canal endigt mit einer madre- porenförmigen Kalkkrone. Der Darm lang, mit Schlingen. Die Geschlechtstheile wie bei den andern Arten. Zur Untersu- chung, ob die Synapten hermaphroditisch sind oder in Ge- schlechter getrennt, waren unsere Materialien nicht geeignet. Von europäischen Arten habe ich Synapta inhaerens und S. digitata untersucht. | Synapta inhaerens (Holothuria inhaerens Zool. Dan.), sie kommt auch im mittelländischen Meere vor. Wir be- sitzen sie aus Sicilien durch Schultz. Die Kalkplättchen der Haut und die Anker stimmen genau mit den Abbildun- gen, welche v. Düben und Koren von der Synapia in- haerens der Nordsee geliefert. Zur innern Untersuchung ist unser Exemplar aus Sicilien nicht hinreichend gut erhalten. 136 Bei einer Anzahl von fusslosen Holothurien aus Fal- mouth, die ich für Synapta inhaerens halte, waren dage- gen die Kalkplättchen und die Anker nicht erhalten und ich schliesse, dass sie durch Sauerwerden des Weingeistes ver- loren gegangen, weil auch der Kalkring gänzlich erweicht ist. Um für Chirodoten gehalten zu werden, müssten sie die Rädchen der Chirodoten besitzen , auch müssten sie die Eigenschaft zu kletten nicht besessen haben, die nach brief- licher Mittheilung dem Thier von Falmouth beiwohnt. Ad- hesive power very strong. Dr. Busch hat sie kürzlich von Hrn. Cocks in Falmouth erhalten und dem anatomi- schen Museum mitgetheilt. Hr. Cocks unterschied sie von der Holothuria digitata, die er auch gesandt hat, ausdrück- lich, indem er auf ihre 12 gefiederten Tentakeln mit 13 Federästen,, 6 auf jeder Seite hinwies. Diese muthmaassliche Synapta inhaerens hat 12 Aeste aus dem Ringeanal für die 12 Tentakelna und 1—3 Polische Blasen. Der gewun- dene Canal des Kalkorgans liess sich noch erkennen, er ist nur einmal vorhanden. Synapta digitata (Holothuria digitata Montagu) mit 12 vierfingerigen Tentakeln. Wir haben sie ebenfalls aus Falmouth von derselben Sendung des Hrn. Cocks; ob- gleich ihre rothe ‚Farbe noch erhalten ist, so ist gleichwohl auch nichts mehr von den Kalkgebilden vorhanden. Glück- licherweise konnte ich auch ein gut erhaltenes Exemplar aus dem Mittelmeer untersuchen. Unter vielen grösseren und kleineren Bruchstücken von Synapten von Neapel und Sicilien fand sich unerwartet der Vordertheil eines Exem- plars dieser Species. Sie hat kleinere und grössere Anker. Die grösseren sind 0,12,‘ die kleineren 0,07‘ lang. Die beiden Haken des Ankers sind durch einen leichten Eindruck geschieden, und sind ohne Zähnelung. Die Kalkplättchen sind sehr eigenthümlich, sie gleichen einem breiten kurzen abgerundeten Blatt mit einem Fortsatz wie Stiel, zur Ein- lenkung; sie sind kaum kleiner als ihre Anker. Das Blatt 13% ist in der Mitte gross, am Umfang klein durchlöchert; das Gelenkstück ist leicht ausgehöhlt, klein durchlöchert; eine brückenförmige Leiste habe ich hier nicht gesehen. Alle Löcher sind glattrandig, ohne Zähne. Hiernach zeigen sich die Kalkplättchen ebenso verschieden von denen der S. Du- vernaea, als von denen der S. inhaerens. Die Synapta di- gitata hat 12 Kalkstücke am Mundringe, sie sind unge- fähr so hoch als breit, 5 davon haben eine Oefinung, die andern sind hier nur vertieft, an den Stücken mit Oefl- nungen setzen sich die Längsmuskeln mittelst einer Sehne und zwar am Umfang der Oefinung fest. Der Ringcanal des Wassergefässsystems liegt wie gewöhnlich etwas unter- halb des Kalkringes um die Speiseröhre, zwischen beiden erscheinen die 12 Röhren aus dem Ringcanal zu den Tenta- keln. Auswendig auf dem Kalkring erscheinen die blindsak- kigen Anfänge der Tentakelcanäle, in die Bauchhöhle binein- ragend. Unterhalb des Kalkringes sind 12 Durchgänge zwi- schen den Röhren des Wassergefässsystems, unter jedem ausgeschnittenen Kalkstück ein Durchgang. Die Polische Blase ist nur einmal vorhanden. Das Kalkorgan ist auch nur einfach, sein gewundener Canal endigt in„eine madre- porenförmige Kalkkrone. Chirodota violacea Pet. von Mozambique (Ibo) wurmförmig, gegen 1 Fuss und mehr lang, 3 — 4’ dick, hat 12 gefiederte Tentakeln und gegen 10 Fühlerchen an jeder Seite des Tentakels. Die Hautkapseln oder Wärzchen, wel- che die Schnüre mit Kalkrädchen enthalten, stehen in 5 un- ordentlichen Reihen, die Schnüre mit Kalkrädchen sind 2 — 3 lang, meist einfach zuweilen y-förmig getheilt. Die Kalkrädchen haben 0,03 im Durchmesser, 6 Speichen und sind am innern Rande des Reifens gezähnelt. In der Haut zahlreiche halbmond- förmig gebogene mikroskopische Kalkbildungen, wie in den Darmwänden des Echinus. Der Kalkring besteht aus 12 gleichförmigen Stücken. Der Ringcanal des Wassergefässsy- stems giebt so viel Röhren, als Tentakeln sind, aufwärts ge- 138 gen den Kalkring; am untern Rande jedes hier ausgeschnit- tenen Kalkstückes ist ein Durchgang zwischen den Röhren. Auswendig auf dem Kalkring erscheinen die blinden unteren Anfänge der Tentakeln. Am Ringcanal befinden sich 1, oder 2 oder mehrere oder viele Polische Blasen auf der einen Seite des eirkelförmigen Canals. Das Kalkorgan ist nur ein- mal vorhanden, sein gewundener Canal endigt in eine Kalk- krone in Gestalt einer Madreporenplatte. Die birnförmigen Körperchen, welche an den Gekrösen der Ch. discolor Esch. vorkommen (Grube in v. Midden- dorf’s Reise) fehlen bei unserer Art, die auch einen fast ge- raden Darm hat, dessen Gekröse jedoch nicht in demselben Spa- tium bleibt, sondern an einer Stelle mit Ueberspringung eines Spatiums auf das zweite nächste Spatium intermusculare über- setzt. Die Längsmuskeln verhalten sich wie bei den Synapten. Chirodota pygmaea Nob. im zoologischen Museum zu Hamburg. Der Fundort ist nicht angegeben, muthmaass- lich könnte sie aus dem Mittelmeer sein. Sie war in? Exem- plaren vorhanden, wovon ich eines zergliederte, beide waren vollständig, obgleich nur 1’ 4‘' lang bei 24‘ Dicke. Ten- takeln sind 42, sie sind gefiedert, auf jeder Seite der Feder 4 Fühler. Die Hautkapseln oder Wärzchen sind so wie bei der Chirodota violacea und enthalten Kälkrädchen von glei- cher Gestalt, nämlich von 6 Speichen, die jedoch zuweilen gabelig getheilt sind. Die Rädchen haben im Durchmesser 0,04‘. Mehrere Polische Blasen, münden in den Ringcanal. Die Holothurienlarve mit Kalkrädchen, die ich im Ar- chiv 1849 p. 364 beschrieb, scheint einer bisher ungekann- ten Holothurie des Mitielmeers aus der Gattung Chirodota anzugehören. Sie zeichnet sich durch die grössere Zahl der Speichen an ihren Kalkrädchen, 12-16, aus. Die Vermeh- rung der Speichen über die Zahl kommt schon bei der Ch. discolor Esch. aus dem ochotskischen Meer vor, die nach Grube zuweilen 10 hat, Der Aufenthalt der Chirodoten im Sande mag die Ursache sein, dass wir bisjetzt so wenige 139 Arten kennen ; manche die man dafür hielt, werden es nicht einmal sein, da sie dafür genommen worden, ehe die speci- fischen Charaktere in den Kalkrädchen bekannt waren. Molpadia chilensis Nob. aus Chili, durch Philippi in mehreren Exemplaren eingesandt, istgegen 6” lang. 12 bis ‚15 Teniakeln, welche in 4 fingerförmige Fortsätze endigen. Ihre Haut enthält die schnallenartigen Kalkgebilde, wie sie bei den Holothurien gewöhnlich sind. Der Kalkring ist hoch und besteht aus 10 Stücken, wovon 5 abwechselnd viel län- ger hinten in Gabelfortsätze endigen. Der Ringcanal des Wassergefässsystems giebt 5 Aeste, welche zwischen die Gabelfortsätze treten und von da an bedeckt sind. Es ist eine Polische Blase vorhanden. Die auswendig auf den Kalkstücken aufliegenden Anfänge der Tentakeln verlängern sich nach hinten in lange Blinddärmchen, wie bei den ei- gentlichen Holothurien. Das Kalkorgan und sein Canal sind einfach, er endigt mit einer Kalkkrone, die einer Madrepo- renplatte gleich sieht. Diese Gattung hat Lungen, wie die Holothurien; zwei lange Lungenbäume, wovon der eine sich wieder iheilt und noch einige kleinere Lungenbäumchen ge- hen von der Cloake aus, die sehr lang ist. Die -Längsmus- keln sind getheilt, zwischen jedem Paar verläuft ein sehr dünnes Gefäss herab, welches aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zum Wassergefässsystem, sondern zum Blutgefässsystem gehört. Von jedem Muskelpaar gehen 2 Bündel zum Kalkge- rüst, nämlich zum obern Ende der 5 längeren Stücke, also 10 Retractoren. Mit der Cloake sind noch 2 traubenförmige roth-braune Organe verbunden, wie ich sie noch bei keiner Holothurie gesehen habe. Sie bestehen aus sehr kleinen Bläschen von roth-braunem Inhalt, aus jedem Bläschen tritt ein sehr feiner, nur mit dem Mikroskop sichtbarer Ausfüh- rungsgang. Die zuletzt beschriebenen traubigen Organe scheinen eine Modification der durch Cuvier und Jaeger, von letzterem bei Bohadschia beobachteten blinddarmförmigen Organe zu 140 sein, welche Jaeger für die Nieren hielt. Ich habe sie in einer Anzahl von Gattungen von Holothurien gesehen, und werde sie die Cuvierschen Organe nennen. Ihre Auffin- dung ist in manchen Gattungen wegen der Grösse der Or- gane sehr leicht, wie bei Bohadschia, Sporadipus, Sti- chopus, in andern sehr schwierig, am schwierigsten bei der Gattung Holoihuria selbst, wo sie auch vorkommen und Tiedemann entgangen sind. Es giebt davon 3 Typen. Der erste ist der traubige, die bei Molpadia beschriebenen Organe. Der zweite ist der blinddarmförmige. Mehrere oder viele Blinddärme gehen von der Cloake oder dem An- fang des Lungenstammes aus. So ist es in den Arten der Gattungen Bohadschia, Sporadipus, Stichopus. Die Blind- därme sind immer quer gerunzelt und sehen daher wie ge- »ingelt, Würmern ähnlich, für welche sie auch schon gehal- ten worden sind. Beim Ausziehen der Runzeln oder Falten werden sie sehr viel länger, bei manchen Sporadipus kommt ihre Länge derjenigen des Körpers gleich und sie liegen in Windungen in der Nähe der Cloake. Bei Stichopus Tro- schelii Nob.n. sp. ven Celebes bilden .die Blinddärme wegen ihrer Grösse und bedeutenden Zahl ein ungeheures Convolut im hintern Theil des Körpers, ihre Insertion in den Lungen- stamm geht hier von der Cloake an weiter hinauf als in anderen Holothurien, und sie besetzen den Stamm noch, wo der Lungenbaum schon Aeste getrieben. Bei der Insertion ist der dicke Schlauch in eine dünne Köhre ausgezogen. Auch in der Gattung Holothuria sind die Organe Blinddärmchen, aber meist sehr klein und dünn und leicht zu übersehen, wenn sie nicht schon mit den Eingeweiden ausgestossen sind. Bei Holothuria tubulosa ist die Zahl der Blinddärm- chen nicht gross, aber in einigen anderen ächten Holothu- rien nimmt die Zahl zu, und Bündel von mehreren hundert feinen unverzweigten Röhrchen sitzen der Cloake oder dem Anfang des Lungenstammes auf. In den Gatiungen Mülleria und Pentacta zeigt sich der dritte Typus der Organe. Sie 141 bilden hier eine Anzahl Schläuche, welche an der Insertion eng, dann dicker sind, weiterhin aber sehr dünn und faden- förmig werden. Auf dem fadenförmigen Gang sitzt dann am Ende ein Wirtel von einigen, Drüsenschläuchen auf, letztere theilen sich wieder diechotomisch und werden all- mählig dünner. Die Drüsenschläuche bestehen aus Canälen, die in ganzer Länge mit mikroskopisch feinen gestielten Bläs- chen besetzt sind, wie die Meibomischen Drüsen. In allen Arten der Gattung Mülleria Jaeg. fanden sich diese Organe in gleicher Art, und ebenso waren sie bei der grossen nor- dischen Pentacta, H. frondosa Gunner beschaffen. Bei den Pentacten mit ungleichen Fühlern, wie P. do- liolum und mehreren anderen Dendrochiroten habe ich die Organe noch nicht gefunden. Bei den lungenlosen Holo- thurien (Synapta nnd Chirodota) fehlen sie mit der Cloake. Die eben besprochenen Organe haben sehr sonderbare Schicksale gehabt. Cuvier hat sie zuerst gesehen, nämlich in seiner vergleichenden Anatomie erwähnt und fraglich den männlichen Geschlechtstheilen verglichen. Er sagt, in der Nähe des Aflers bemerkt man eine Menge weisslicher wurm- förmiger Fäden, deren jeder aus - ©" EREREBED 11 24 | Zur weiteren Vergleichung dieser Verhältnisse mit de- nen anderer Zeiten und Staaten, verweise ich auf die Anga- ben von Süssmilch (Göttliche Ordnung in den Verände- rungen des menschlichen Geschlechts. Berlin. 1776.) Duges (Revue med. 1826. T. 1.) Riecke (Uebersicht der Geburten 237 in Würtemberg von 1821 bis 1825. Stuttg. 1827.), Oldham, Quetelet u. A. Hiernach lässt sich das Verhältniss der lebensfähig gebornen Kinder in verschiedenen Ländern be- stimmen. Die Sterblichkeitsverhältnisse können fast nur für die lebend gebornen Menschen bestimmt werden. Stati- stische Angaben der abortirten Früchte sind unmöglich zu geben; man weiss, dass die Zahl derselben sehr gross ist. Die meisten in der Menstruation frei werdenden Eier gehen unbefruchtet ab; von den schon befruchteten Eiern mögen ebenfalls viele zu Grunde gehen, nach Art der von Bischoff beim Kaninchen gefundenen Eier (Entwgesch. des Kaninchen- Eies Taf. V. Fig. 33. 34.) Eine grosse Zahl von Eiern wird zu Ende des 1. oder 2. Monats unter Menstruationsblutungen ausgestossen, nicht selten ist hiermit die gleichzeitige Ausstossung und Befruch- tung eines neuen Eies aus dem Ovarium verbunden, so dass verschiedene Abortus sich in schnellen Zeiträumen folgen. Die Ursache des Absterbens der Frucht liegt sehr oft ent- schieden in allgemeinen Verhältnissen der Mutter und die abgehenden Früchte erscheinen als normal, sind wegen der sie in der Decidua umgebenden Blutgerinnsel oft als Fleisch- und Blutmolen bezeichnet und lieferten uns fast die einzige Kenntniss der jüngsten Formen des Fötus. Die durch fri- sche oder alte Blutungen bedingte Trennung der Decidua vom Uterus ist bestimmt die häufigste Ursache des Abortus, In anderen Fällen ist eine ganz lokale Anomalie die Ursache des Absterbens, z. B. Fibroid des Uterus, wie in dem Gre- gorini-Meckelschen Fall von Mola hydatidosa; oder Ei- terbildung und krankhafte Aufwulstung und Verhärtung der Decidua nach H. Müller (Ueber’ den Bau der Molen. 1847.) sowie polypöse Hypertrophie der Membrana uteri interna evoluta (Seiler) oder Decidua (so in einem Fall, der mir durch Hrn. Dr. Wedl in Wien gezeigt ward); dass eine mangelhafte Umschliessung des Eies durch die Decidua nach 238 Martin’s Vermuthung (Jenaische Ann. d. Physiol. 1849; $, 237.) vorkomme, als Ursache eines erst in der 4ten Woche erfolgenden Abortus, ist nicht wahrscheinlich. Entartungen der eigentlichen Eiliäute, namentlich Mola hydatidosa, Ver- dichtung des Chorion und Amnion scheint ebenfalls nicht selten den Aborius zu veranlassen, wobei die Entartung der Eihäute primär oder sekundär durch Uterus oder Fötus. be- dingt sein mag. Ein Missverhältniss im Umfang des ‚Eies und der -Grösse des Fötus findet sich meist mit wulstiger Verdickung der Eihäute, zuweilen auch bei relativ normalen Eihäuten, oft in solchem Grade, dass die Frucht als Was- sermole bezeichnet wird, oder wenu der Fötus häufig ganz fehlt, Windmelen. Hierher gehört der bemerkenswerthe Fall von Denman (Midwifery Lond. 1801. 4°, tab. 9), wonach Imonatlicher Schwangerschaft ein kindskopfgrosses Ei mit bohnengrossem Embryo geboren ward. Der Embryo wird oft durch Maceration im Fruchtwasser mehr oder weniger auf- gelöst gefunden, se Fälle von Pockels, Velpeau, Söm- merring u. A. An jüngeren und namentlich älteren Eiern, bei welchen durch Verhärtung der Eihäute seit längerer Zeit das Fötusleben vernichtet sein musste, findet sich der- selbe zuweilen unförmlich, mit einem eigenthümlich eng an- liegenden Ueberzug, durch welchen Mund, Auge, After als ge- schlossen durchscheinen; und die Hände und Füsse in Strüm- pien zu stecken scheinen, dies sind die sogenannten Fälle von allgemeiner Atresie des Fötus; Otto (Neue seltne Beob. 1824. S. 149) hielt die umhüllende Membran in einem Zwil- lingsei für ein Exsudat. An den im Meckel’schen Museum zu Halle aufbewahrten Fötus der Art, erschien mir dieser Ueberzug meist als das collabirie, vom Chorion gelöste, eng am Embryo anliegende Amnion, welches in einem Fall: bei einem 3 Zoll grossen Embryo den Nabelstrang in verschie- denen Windungen bedeckte und Strümpfe an den Extremitä- ten bildete, seltner als ein Niederschlag, ähnlich wie Vernix caseosa, Die Ausbeute an wirklich monströsen Fötus sehr 239 jungen Alters war bisher, wegen der geringen Beobachtung der Abortus, nicht gross; in Fig. 1 bis 3 habe ich einige Fälle dargestellt, ausserdem giebt Otte (Monstror. sexcen- ‚tor. deser. 1841.) eine sehr genaue Abbildung eines 8 Linien langen Fötus mit eigenthümlicher Missbildung; Rudolphi beschrieb einen Hydrocephalus, W. Vrolik, Tiedemann Jungbluth Anencephalen sehr früher Zeit; eine unklare Ab- bildung eines orangegrossen Eies mit anomalem, 5 Linien langen Embryo, E. H. Weber, (Meckel’s Archiv. 1827. S., 226). Velpeau, Maygrier u. A. geben Abbildungen an- geblich normaler Embryonen, die zu unvollkommen sind, als dass man sie als Missbildungen deuten könnte. Das nach dem ?ien Monat einiretende Absterben des Fötus erscheint vorzugsweise durch Blutungen (Apoplexieen, Placentitis) der Placenta bedingt mit ihren mannigfachen Ver- änderungen und dadurch verhinderten Kreislauf des Fötus. (S. Gierse in Verhandl. der Gesellsch. für Geburtshülfe in Berlin. 1847). Andererseits mögen bedeutendere monströse Zustände des Fötus, namentlich Cireulationsstörungen durch Herzfehler und Ectopia cordis, oft das Absterben bedingen, wenn nicht ein gesunder Zwilling vorhanden ist, der durch Placentar-Anastomese seiner Gefässe mit denen des kran- ken Fötus denselben auf seine Kosten erhält, wie bei den herzlosen Missbildungen; ich kenne keine derartigen Fälle von jüngeren Fötus; an älteren Fötus ist Wassersucht der constante Begleiter tödtlich endigender Herzfehler; ebenso zu- viel Fruchtwasser. Bei mehrfacher Schwangerschaft ist das Absterben, wie die Monstrosilät eines Fötus häufig. — Wenn der abgestorbene Fötus längere Zeit (namentlich bei Zwil- lingsschwangerschaft als sogen. Suprafoelatio) zurückgehal- ten wird, so erleidet ‘er im Uterus andere Veränderungen, als bei der Fäulniss ausserhalb des Uterus. In den Lungen ward nach einigen Angaben (Hencke, Alberti, Schmidt, Schultze Preuss. Ver. Ztg. 1548 Nr. 17) zuweilen bei nahereifen Früchten Gas entwickelt, was der gerichtlich me- 240 dizinischen Anwendung wegen wichtig ist; jedenfalls ist diess Vorkommen selten. Eine änfängliche ödematöse Infil- tration der Cutis und Hydrops der Cavitäten ist sehr ge- wöhnlich. Bei Ovarialschwangerschaften und auch im Ute- rus, namentlich bei Zwillingsschwangerschaft, trocknet der abgestorbene Fötus meistens ein, mumifieirt (Papierfötus), das Fruchtwasser wird resorbirt ; der Blutfarbstoff verschwin- det vollkommen, an seiner Stelle findet sich theils in den Ka- pillargefässen einzelner Organe (Siehe Fig. 4), theils diffus, ein gelber krystallinischer Farbestoff. Letzterer ist zuerst von Virchow als ein nach Blutextravasaten enlste- hender Stoff genau beschrieben. Das Vorkommen der gel- ben Färbungen im abgestorbenen Fötus, welches von ihm herrührt, ist erwähnt von Wrisberg (Descr, anat. embryonis 1764, obs. 4) und von Lobstein unter dem Namen Kir- rhonose (Re£pert. gen. d’anat. et de physiol. pathol. 1826, T. 1). Sie unterscheiden sich von ikterischer Färbung durch den ausschliesslichen Sitz in serösen Häuten, Gehirn- und Rückenmarkssubstanz, Nervus sympathicus und vagus und Schilddrüse; ebenso durch die chemische Reaktion, indem nur durch Schwefelsäure ein deutlicher Farbenwechsel ent- steht. Die Krystallform ist beim Fötus meist spiessig oder amorph, seltner in den grösseren rhombischen Krystallen von Virchow. In seltnen Fällen scheint der Blutfarbstoff nicht zur Bildung eines gelben, sondern eines schwarzen Farbestofis Veranlassung zu geben; so in einem Fall von Billard (Malad. des enfans, 1828, p. 84) wo ein ?monatli- cher Europäer - Fötus für einen jungen Neger ausgegeben wurde. — Bei langer Retention im Unterleib lagert sich zu- erst in den äusseren, allmählig auch in den inneren Theilen eine fettig - kalkige Masse ab, welche später in die Bil- dung eines Lithopädion übergeht. Nach Analogie von verkalkten Lipomen, welche ich frisch vom Menschen und aus der Sammlung des Hrn. Prof. Gurlt vom Pferd und Huhn untersuchte, vermuthe ich, dass die Entstehung des 241 Niederschlags durch Ranzigwerden des Fettes, Bildung von fetten Säuren und Kalkseifen bedingt ist; die Substanz ver- kalkter Lipome, ebenso der atheromatösen Arterien, verkal- kender Grützbälge des Lithopädion erhält sich zum Theil stets als eine Seife mit anorganischer Basis, aus welcher der in Alkohol lösliche Fettantheil durch Anwendung von Salz- säure frei wird. In retenirten Fötus findet sich als Vorläufer der Verkalkung einfache Fettentartung; so in einer Extraute- rinalschwangerschaft in derHohl’schen Sammlung (Schultze Diss. de gravid. extraut. Hal. 1848) in einem Fall von La- eroy (Bull, de la soeiete philomatique T. 1. p. 35). Die Bildung des sogenannten Fettwachs, einer Kalkseife, bei der Verwesung von Leichen in geschlossenen Katakomben von Kalkhöhlen, beruht vermuthlich auf demselben Prozess. — Zuweilen entsteht durch die Einwirkung des zurückgehalte- nen Fötus auf seine Umhüllung eine chronische Eite- rung und die einzelnen Knochen werden allmählig durch Harnblase, Scheide oder Masidarm ausgestossen. Für das Absterben älterer Früchte kurz vor oder mit dem normalen Ende der Schwangerschaft sind statistische Angaben vorhanden. Den lebensfähig Neugebornen werden entgegengesetzt die schon vorzeitig im Uterus abgestor- benen und die bald nach der Geburt verstorbenen Früchte. Die Sterblichkeitstabelle von Hamburg 1848 (Oppenheim’s Zeitsch. 1849 Bd. 41. S. 119) giebt folgende Zahlen der Ge- bornen: | Knaben. | Mädchen. Summe. Leheud, erhoren.. . 2663 | 2524 | 5187. Frühzeitig todtgeboren . . 1a 88-| 202 Zeitig todigeboren . . . - | 99 65, | 464 Nach Quetelets Zusammenstellungen von verschiede- nen grossen Städten ist die Durchschnittszahl des Verhält- nisses der Todigebornen zu den Geburten überhaupt wie 1 Müller’s Archiv, 1850, 16 242 zu 11 (Strassburg) bis 1:36 (Stockholm); nach Riecke im ganzen Königreich Würtemberg wie 1:20, besonders häu- fig kommen todtgeborne und nicht lebensfähige Kinder vor: 1) bei frühen Ehen, vorzugsweise durch Nahrungssorgen der Eltern bedingt, namentlich auch in unehelichen Geburten; 2) in grossen Städten im Verhältniss zum Land, 3) bei Mehr- geburten und künstlichen Geburten. Sehr übereinstimmend werden nach Casper, Quete- let und der Hamburger-Tabelle in Flandern, Berlin, Ham- burg mehr Knaben als Mädehen unzeitig oder zeitig todige- boren im Verhältniss von 7:5. Die Ursachen dieser auflal- lenden Erscheinung sind nicht klar. Ich glaube als eine der "Ursachen eine bei männlichen Früchten häufiger vorkommende Kreislaufsstörung durch zu starke Drehung des Nabel strangs bezeichnen zu können. Normaler Weise beginnt der Embryo die Bewegungen, durch welche der Nabelstrang spiral gedreht wird, bei weitem früher als die Mutter Kinds- bewegungen fühlt; dass die Kindsbewegungen fühlbar wer- den, hängt wahrscheinlich allein von dem Verhältniss der Menge des Fruchtwassers zur Grösse des Fötus und Länge der Nabelschnur ab. Schon wenn der Fötus die Grösse von 1 Zoll erreicht hat, sieht man an normalen Früchten den Nabelstrang wenig gedrebt, kurz und dick, allmählig nimmt die Zahl der Kreistouren zu und am ausgetragenen norma- len Nabeistrang won etwa 20 Zoll Länge beim Neugebor- nen finden sich 12 bis 15 Windungen. Die regere Beweg- lichkeit des männlichen Geschlechts scheint sich schon früh- zeitig dadurch zu äussern, dass männliche Embryonen leich- ter als weibliche sich selbst durch zu zahlreiche Drehungen den Kreislauf im Nabelstrang hemmen. Die Abbildung in Velpeau’s Embryologie pl. 9 fig. 3. deutet auf eine solche Todesart des Fötus (Geschlecht nicht angegeben). Einige Fälle von anderen jungen Embryonen habe ich in Fig. 5 bis 8 dargestellt. Für reifere Embryonen machte zuerst d’Ou- trepont (N. Zeitsch. f. Geburtsk, Bd, 6, Seite 40.) auf den 243 Nachtheil zu starker Drehung des Nabelstrangs auf das Le- ben des Kindes aufmerksam; er sah die bedeutendsten Win- dungen nie bei reifen lebenden Kindern, dagegen bei mehre- ren Frühgeburten, bei denen keine Ursach zu finden war, als Atrophie des Fötus und gedrehter Nabelstrang (Contorsiones totius funis nimiae), — In genauem Zusammenhang mit diesen Fällen stehen die lokal zu starken Torsionen des Nabelstrangs mit mehr oder weniger starker Sirictur oder Stenose der Nabelgefässe. Etwa & Zoll vom Nabel. ring entfernt, ist bei reifen Fötus entschieden der Locus minoris resistentiae des Nabelstrangs. wo die zu starken Windungen krankhafte Wirkungen hervorrufen können. In einzelnen von Chatton (1673), I. Fatio (1752) u. A. ge- nau berichteten Fällen ist vielleicht schon innerhalb des Mut- terleibes der Zusammenhang der Plazenta mit dem Kind an dieser Stelle aufgehoben, nach vorhergegangener Verdünnung des Strangs und Gefässverschluss, so dass Kinder „ohne Nabelstrang mit verschlossenem Nabel“ geboren wurden; wo die Kinder lebten, wie in einem Fall von Rommelius, kann erst bei der Geburt die Trennung erfolgt sein. Für todtgeborne Kinder ergiebt sich aus der Zusammenstellung von 11 Fällen von Barkow, Burchard und Landsber- ger (D. de fun. umbil. striet. Vratisl. 1838. 4. e. t.) und von Breit (Arch. f. physiol. Heilk. 1849. S. 619.) Folgen» des: Das Geschlecht war in 6 Fällen männlich, in 1 Fall weiblich, in Breit’s 4 Fällen nicht angegeben; der Fötus stets anämisch und macerirt, seit mehr oder weniger langer Zeit im Uterus todt zurückgehalten, wie sich aus der Beob- achtung der Kindsbewegungen ergiebt; das Absterben des Fötus war 2mal etwa in der 20 Woche, 3mal (darunter ein Acephalus) in der 24., 5mal im 7ten Monat erfolgt; die Placenta blutreich und gross; die Vene des Placentartheils des Nabelstrangs bis zu der 4 bis 14 Zoll vom: Nabelring entfernten Verenguug sehr weit, dicht an der Verengung ein Sulzknoten; in der verengten Stelle starke Drehung des Na- 16* Bun. - belstrangs, so dass hier 4 bis 7 Windungen in der Länge von 4 bis $ Zoll concentrirt sind, das Lumen der Vene zu- weilen bis auf „*; Linie verengt. Für die Aetiologie ist ein Barkovwr’scher Fall wichtig, wo eine Frau ?7mal ähnliche Abortus gehabt hatte, darunter die zwei untersuchten Ste- nose hatten und Knaben waren. | Wie durch zu unruhige und unzweckmässige Bewegun- gen der Fötus sich so im Nabelstrang verwickeln kann, dass Sugillationen, Furchen, Strangulationen und brandige Ab- stossung von Extremitäten dadurch bewirkt werden, so kann durch totale Kreislaufsstörung im stark gedrehten Nabel- strang der Tod des Kindes herbeigeführt werden. — Ueber andere ätiologische Verhältnisse ist wenig zu sagen; Pocken, Syphilis, Rhachitis des Fötus im Uterus, Verletzungen der Mutter durch Fall u. dergl. sind seltne Veranlassungen. Al- lein hauptsächlich parallellaufend den Krankheiten, welche in der Sterbestastistik der Erwachsenen eine Rolle spielen, sind beim Fötus die Monstrositäten; insofern zwischen Miss- ‚bildung und Krankheit kein absoluter Unterschied besteht. — Die Aetiologie der Entstehung der Missbildungen selbst ist ‚so schwierig und unklar, als die Krankheiten des Erwach- senen; die Theorieen beider haben zum Theil dieselbe Stu- fenreihe mit speziellen Eigenthümlichkeiten durchlaufen ,' in- dem man bei Beiden zuerst alle zahlreichen Verschiedenhei- ten von wenigen einfachen Grundverhältnissen abzuleiten suchte,: von den Temperamenten beim Erwachsenen, vom “Versehen der Mutter oder von Entzündung, oder mechani- schem Druck beim Fötus. Allein für Beide muss erst die sehr kömplizirte spezielle Aetiologie der einzelnen Anoma- lieen festgestellt sein, ehe sich allgemeinere Grundsätze auf- stellen lassen, Jedenfalls erscheint es als ein Missbrauch der Sprache, wenn für junge Embryonen das Wort Entzün- ‚dung benutzt wird, und es kann dies nur verwirrend wir- ken; die grösseren Anomalien des Fötus entstehen bestimmt alle im Beginn. des zweiten Monats, wo die Verhältnisse des 245 Stoffwechsels nicht denen des Erwachsenen gleichen. Als wichtigste Ursache der Monstrosität ist stets jede Erblich- keit zu berücksichtigen, vermöge deren z. B. bei Schweinen Cyelopie und Schwanzlosigkeit, bei Schafen Synotie, beim Rind Rhachitis und grosser Nabelbruch besonders häufig vor- kommt; worüber Geoffroy eine tabularische Zusammen- stellung gab. Ausserdem ist» der Grundsatz von Otto (Monstror. sexcent. deser.) festzuhalten, dass keine Monstro- sität als eigentlicher ,‚Fehler der ersten Bildung‘ unvermit- telt mit dem Normalen hingestellt werden darf, sondern dass eine Monstrosität nur dann als wissenschaftlich „,er- klärt“ zu beirackten ist, wenn man genau ihre Entstehung aus früher normalen Verhältnissen nachwies; daher z.B. das Verfähren roh und oberflächlich ist, eine primäre Miss- bildung und Verkrüppelung der Keime da anzunehmen, wo ein Fötus ohne Kopf, Herz, Leber geboren ward. Tiede- mann u. A. waren geneigt, einen grossen Theil der Miss- bildungen von primären Anomalien der Nerven, Serres von Anomalien der Blutgefässe abzuleiten. Allein so widersin- nig jede Durchführung der von Baer’schen Blättertheorie durch das ganze Leben des Fötus erscheint, insofern dabei alle Blutgefässe aus einem besonderen Gefässblatt entstehend gedacht werden, ebensowenig kann Serres’ Satz irgend eine Geltung erhalten; die Ausbildung der Blutgefässe steht beim Fötus in demselben Verhältniss, wie beim Erwach- senen; durch primäre Verengung der Gefässe entsteht Atro- phie der Organe, und umgekehrt. ° Dasselbe gilt für die Nerven. Mir erschienen als ätiologisch wichtigste allgemeine Bedingung vieler Missbildungen die Raum- und Zeitverhält- nisse der Bildung des Amnios und der Nabelblase. Alle Missbildungen wirken mehr oder’weniger stark für eine geringere Lebensfähigkeit. _ Nach Riecke wurden un- ter 230,939 Geburten in Würtemberg binnen 4 Jahren 50 Monstrositäten amtlich angegeben; Chaussier fand in der MaternitE zu Paris unter 23,293 Kindern 132 mit irgend 246 einer Anomalie, im Verhältniss von 1 : 176; Isid. Geof- froy St. Hilaire (Hist. des anomalies de l'organisat. t. 3, p- 351.) sah in Päris jährlich 4 bis 5 bedeutend monströse auf etwa 27,000 Geburlen; rechnet man gleich viele Mon- strositäten als unbekannt bleibend, so wäre das Verhältniss wie 1 zu 3000 normalen Geburten, so dass auf eine Million jährlicher Geburten in Frankreich 3300 starke Missbildungen kämen. — Ueber die Lebensfähigkeit der Monstra geben Devergie und Hohl (Geburten kranker, missgestalteter und todter Kinder. 1850. S. 164 ) tabellarische Zusammenstellun- gen. Absolut lebensunfähig nach der Entbindung sind Sirenen, Cyclopen und herzlose Monstra, welche im Uterus durch den mit vorhandenen Zwilling erhalten ‘waren; Anen- cephalen leben höchstens 20 Tage, Kinder mit Eetopia cor- dis und grossen Bauchbrüchen höchstens 10 bis 20 Tage, ohne dass Heilung möglich ist; Zwerchfellbrüche und Inver- sion der Harnblase lassen trotz ihrer Unheilbarkeit ein höhe- res Alter zu, ebenso einzelne Doppelbildungen, namentlich Parasitbildungen. Mehr oder weniger heilbar und lebensfä-. hig sind Hydrocephalus, Gehirnbruch, Hydrorrhachis, Nabel- brüche, Wolfsrachen, Atresia ani; viele Missbildungen sind ohne Einfluss auf Lebensfähigkeit. Sehr häufig sterben Ace- phalen, Anencephalen, Sirenenbildungen, Doppelmissgeburten schon im 9ten, Sten bis ten oder Aten Monat der Schwanger- schaft ab. — In Hinsicht des Geschlechts machte J. F. Meckel auf die Häufigkeit des weiblichen Geschlechts bei Monstrosität aufmerksam; Otto (Monstr. sexcent. deser. p. xvı.) fand fol- gende Verhältnisse der Monstra (exclusive Doppelbildungen): | Männlich. | Weiblich. | "'Summa: been „— _ . . | ©. AT. Perocephalen . .... .u... see A730 Spaltungen in der Mittellinie | 33 | 17 | 50 Summe , | 203 | 270 | 473 2AT Bei Mehrgeburten, namentlich Zwillingen, ist all- gemeinste Erscheinung, dass Zwillinge sich zwar häufig sehr ähnlich, dennoch aber verschieden sind. Die bedeutendste Aehnlichkeit findet sich nur bei gleichem Geschlecht der Zwillinge; doch kann auch bei gleichem Geschlecht grosse Unähnlichkeit bestehen (wenn die Eihäute völlig getrennt waren — ähnlich wie in einem Wurf einer Hündin durch Rage verschiedene Junge geboren werden —); die Fälle, wo eine Negerin zugleich ein ihr ähnliches Negerkind und ein dem Vater ähnliches weisses gebar, sind hinlänglich si- . cher, und Meusnier sah 1756 verschieden gefärbte weib- liche Zwillinge einer Negerin. Bouillon’s Negerin hatte einen Mulatten, einen Neger, einen Cabre als Drillinge; De- wees sah Zwillinge von einer Weissen, wo ein Mädchen der Mutter, ein Knabe dem Negervater glich. Mehrfache Geburten hängen bei Menschen und bei Thie- ren meist davon ab, dass mehrere Graaf’sche Follikel mit je einem Ei platzen, entweder in beiden oder nur in einem Ovarium; Zwillinge in Fällen, wo nur ein Ovarium zeugungsfähig war, sahen Cypriani und Granville; Zwil- linge in einer Frau mit völlig getrenntem Uterus et Vagina duplex, wie Tiedemann und A. sahen, können nur aus 2 Ovarien entstammt sein. Hoefft fand bei einer Zwil- lingsgeburt 2 gelbe Körper in einem Ovar; in einem andern Fall einen gelben Körper in jedem Ovar. In allen Fällen, wo zwei Eier ziemlich gleichzeitig aus zwei verschiedenen Follikeln austreten, können sich dieselben sehr verschieden, namentlich zu verschiedenem Geschlecht, entwickeln; es ist nicht wahrscheinlich, dass jemals aus zwei derartigen Eiern eine Doppelmissgeburt durch Verschmelzung entsiehe, weil die Eier von vorn herein durch die Bewegung in den Trom- peten, durch die jedenfalls nicht gleiche Zeit des Austretens und durch die sie Anfangs umgebende Membrana granulosa (aus dem Ovarium) von einander getrennt gehalten werden. Von zwei völlig getrennten Fiern kann, ohne Schaden des 248 anderen, das eine durch Abortus ausgestossen werden. -- Andererseits können mehrere Eier aus einem Graaf’- schen Follikel stammen. Die zahlreichen Fälle von Vo- geleiern, wo in einer Schale zwei Dotter und ein Eiweiss enthalten sind, mögen hieher gehören (verschieden sind die Fälle von eigentlichem Ovum in ovo, wo ein kleines Ei mit Kalkschale innerhalb eines grösseren liegt. v. Baer (De ovi mammal. genesi, 1827.) fand deutlich einmal beim Hund, undeutlich beim Schwein zwei Eier in einem unverletzten Graaf’schen Follikel. Bischoff fand zwei Ovula in einem Follikel beim Kaninchen, Bidder (Müller's Archiv 1842, S. 87) bei der Kuh; hier waren die beiden Eichen in derselben Membrana granulosa nur um die Hälfte ihres eignen Durch- messers entfernt, übrigens jedes normal. Danach ist es mög- lich, dass bei Mehrgeburten ein einziger gelber Körper sich findet; im Halleschen Museum ist ein von Dr. Weber 1834 übergebener Uterus aufbewahrt, welcher einen einzigen gel- ben Körper im linken Eierstock zeigt, ausserdem eine ein- zige Decidua, ein Chorion mit einfacher Placenta, zwei voll- kommen getrennte Amnion und in jeder Eihöhle ein Mäd- chen. Ich betrachte dies als den sehr bestimmten Beweis, dass Doppelbildungen durch Verschmelzung zweier Eier ent- stehen können, die aus einem Graaf’schen Follikel stammen, denn beide Früchte hatten nur ein Chorion. v. Baer (Acta Leopold. Vol. 14. P. 2. p. 830) fand an einem Horn eines Schweins-Uterus in Summa 9 gelbe Körper des Eier- stocks, dabei 8 normale Früchte und ein Ei mit einem ein- zigen Chorion und zwei Amnion, von denen jedes einen un- vollkommenen Fötus enthielt. — Ich vermuthe, dass in allen Fällen, wo Zwillings-Eier in einer Decidua, oder auch einem Chorion eingeschlossen sind, ebenso wo zwei Fötus in einem einzigen Amnion frei oder als Doppelmissgeburten enthalten sind — die zwei Keime stets aus einem einzigen Eierstocksfollikel stammten. Das Vorkommen von Zwillin- gen mit gemeinschaftlichem Chorion ist ziemlich selten, bei 249 weitem seltener ein einziges Amnion für zwei freie Fötus, noch seltner die Doppelmissgeburten. Eine gemeinschaft. liche Placenta von Zwillingen ist nur dann wirklich einfach, wenn Beide nur ein Chorion haben; in den meisten Fällen sind die zwei Placenten nur mit einander verklebt. Zum Behuf einer statistischen Uebersicht benutzte ich mit Hrn. Ge- heimen Raths Dr. Busch Erlaubniss die Listen der Berliner Poliklinik; in den ersten Jahren 1836 bis 1848 sind 137 Zwillingspaare geboren, 47mal 2 Knaben, 41mal 2 Mäd- chen, 49mal verschiedenes Geschlecht; in 4 Fällen (1847 No. 346, 1838 No. 239, 1839 No. 390, 1845 No, 18.) fan- den sich gemeinschaftliche Eihüllen, darunter 3mal 2 Mädchen, imal 2 Knaben. Ich kenne bisher keine sichre Ausnahme von der Regel, dass Zwillinge mit gemeinschaftlichen Eihäuten und Doppelmissbildungen stets gleiches Geschlecht besitzen; was zum Theil auch Hunter aussprach. Es ist zuweilen angegeben, . dass an einer Doppelbildung ein Kind männlich, das andere weiblich gewesen sei; die nähere Un- tersuchung ergiebt stets, dass letzteres ein Knabe mit un- vollkommenen äusseren Genitalien war. Nach J. F. Meckel, Millot,Geoffroy St. Hilaire haben alle symmetrischen und asymmetrischen Doppelmissgeburten gleiches Geschlecht. Eine bekannte Volkssage giebt an, dass von Zwillingen einer ein Zwitter sei; dies mag in seiner Art oft richtig sein. Hunter (Mem. on certain parts of the animal oec. 1792) giebt an, dass er von Zwillingskälbern mehrmals das eine vollkommen, das andere unvollkommen männlich fand. Seltener sind beide Zwillinge unvollkommen männlich, wie die zwei weiblich getauften Maurer, welche Nägele (Meckel’s deutsch. Archiv. 1819. Bd, V. S. 136) beschrieb. — Unter den herzlosen Missgeburten (Acephalen u. s. w.) giebt es keinen Fall, dass eine solche ohne Zwilling geboren ward und wo überhaupt deutliches Geschlecht vorhanden war, war es bei Beiden gleich, — Dass Zwillinge mit gemein. 450 schaftlichen Eihäuten verschiedener Race angehören kön- nen, ist nicht wahrscheinlich; hierher gehört die Mittheilung von Prus (Froriep’s Notizen. 1848. No. 164) an die Pa- riser Akademie, dass von einer Fellahfrau zu Alexandrien eine todte Doppelbildung mit einem weissen Rumpf und 2 Köpfen geboren sei, von denen einer nebst seinem Hals „schön schwarz‘ und so gross, als der eines reifen Kindes, der andere weiss und nur in der Grösse eines Smonatlichen Fötus war; Prus bevorwortet, dass jene Färbung entschie- den nicht von einem Nävus herrührte; allein da bekanntlich alle Neger fast weiss, niemals schön schwarz geboren wer- den, so liegt hier jedenfalls eine Pigment-Anomalie vor. Vor der Hand erscheint es mir wahrscheinlich, dass alle Zwillinge, welche bei gleichem Geschlecht auch durch- greifend ungewöhnliche Aehnlichkeit zeigten, in ge- meinschaftlichen Eihäuten lebten. Aus dergleichen auffallenden Aehnlichkeiten entstand die indianische Sage von zwei Brüdern, welche in der Preisbewerbung um ein Mädchen nicht früher ungleich werden, als bis sie zwei Adler schos- sen, welche eine verschiedene Zahl von Schwungfedern hat- ten. Shakespeare’s „Irrungen‘ beschreiben die Schick- sale zweier Paare von Zwillingsbrüdern, unter denen aus jedem Paar Einer verheirathet ist, der andere nicht, und weiterhin Prügel, goldene Ketten, Ehefrauen, Eifersuchts- reden u. s. w. an den Falschen kommen. — Sinibaldi in Rom (Geneanthropeiae decateuchon, Francof. 1669, lib. &. traet. 2. p. 693.) berichtet, dass an Zwillingen seiner Frau nur die Hebamme angeben konnte, wer der Erstgeborne sei; zwei jetzt lebende Knaben Rätsch in Sorau wurden durch ein blaues und rothes Band unterschieden. Sinibaldi und St. Augustin (De civitate Dei. 16.5. cap. 2.) berichten Fälle von gleichzeitiger Erkrankung von entfernt von einan- der lebenden Zwillingen; ich secirte in Halle 1845 einen 60- jährigen Vergolder, der als Branntweintrinker an Cirrhose der Leber starb, dessen Zwillingsbruder, ebenfalls Vergolder 451 und Säufer, in derselben Stunde im Stadtkrankenhaus, an- geblich an derselben Krankheit, gestorben ist. Gaedechens (Oppenheim’s Zeitschrift, 1849. Bd. 41. S. 532.) berichtet von Zwillingsknaben, welche in verschiedenem Grade, aber sehr gleichlaufend und gleichzeitig an Rhachitis, weichem Hinterkopf, Bronchialkatarrh und starken Schweissen litten, bis der schwächere im Alter von 8 Monaten starb. — Un- » gleichheiten treten andrerseits bei den meisten noch so ähn- lichen Zwillingen auf; so zwischen Romulus und Remus, Ritta und Christina, Eng und Chang, Helena und Ju- dith (den sardinischen, siamesischen, ungarischen Zwillin- gen). Oft wird mit einem normalen Fötus ein monströser Zwilling gleichen Geschlechts geboren. Delbaere (Spee. de polydactylio cong. in gemellis. Lugd. Bat. 1847) beschreibt übrigens wohlgebildete Zwillingsknaben, von denen der grös- sere am linken Os metacarpi pollieis einen überzähligen Finger, der kleinere am rechten Daumen einen überzähligen Daumen halte; es ist zu vermuthen, dass Beide in einem Chorion, vielleieht in einem Amnion eingeschlossen gewesen seien. Es wäre von Interesse, zu verfolgen, ob unter freien Zwillingen bei dem Einen eine Inversio viscerum vorkomme, wie bei Doppelmissgeburten. Sehr allgemein sind Doppel- missgeburten körperlich ungleich gebildet. Das Ge- schlecht steht hier in bestimmter Beziehung zur Zwillings- Asymmetrie; Doppelbildungen weiblichen Geschlechts sind näch meinen Erfahrungen weit häufiger zwillings-symme- trisch, als die männlichen Geschlechts; ebenso fand Hal- ler unter 42 symmetrischen Doppelbildungen nur 9 männ- liche; J. F. Meckel unter S0 Fälien 20 männliche; Otto unter 142 Fällen 52 männliche; Burdach (Physiol. Bd. 1. $. 281) fand unter 258 Fällen 164 weibliche symmetrische, 17 weibliche asymmetrische, 59 männliche symmetrische und 28 männliche asymmetrische. Die geringsten Grade körper- licher Ungleichheit von Doppelbildungen zeigen sich darin, dass nur der Eine eine Hasenscharte oder Cyclopie, Spina 452 bifida, Ueberzahl der Finger, Sirenenbildung, Vesica urinaria inversa, Atresia ani, mangelhafte Genitalien, Nabelbruch, verdrehte Beine u. dgl. hat. Bei stärker ungleicher Ausbil- dung der zwei Persönlichkeiten kommen sehr bedeutende Asymmetrieen vor. Als asymmetrisch ausgebildete, primär gleich angelegte Zwillinge sind alle Fälle von sogenannter Duplieitas per implantätionen und per inclusionem, Parasit, Foetus in foetu, und alle herzlosen Missgeburten zu betrach- ten, indem es alle continuirlichen Uebergänge zwischen sym- metrischen Doppelmonstra und dem formlosesten Acephalus giebt. Bei den Acephalen ist ebenso das männliche Ge- schlecht überwiegend. — Das im männlichen Geschlecht häu- figere Vorkommen von Doppelbildungen, wo der Eine auf Kosten des Anderen mehr oder weniger zu Grunde ging, hängt mit der allgemeinen Erscheinung zusammen, dass zwei Brüder seltener einen gleichmässigen Gang der Entwicklung einhalten, als zwei Schwestern. Von zwei in einem Am- nion eingeschlossenen Früchten geht bei männlichem Ge- schlecht häufiger der Eine zum Vortheil des Anderen: als Acephalus zu Grunde, als bei weiblichem. Unter denjenigen Zwillingen, deren Eihäute völlig getrennt sind, kommt ungleiche Entwicklung häufig vor, vermuthlich zum Theil durch den Uteruskreislauf und durch Druck bedingt; reicht der Uterus für beide Fötus nicht hin, so ist es teleologisch und mechanisch leichter verständlich, weshalb nur Einer erkrankt. Eine ungleiche innere Kraft wird in zwei Fötus auch durch verschiedene Erblichkeitsan- lage bedingt. Seltner werden beide Früchte zeitig, nicht le- bensfähig abortirt. Das Absterben des einen Fötus erfolgt gewöhnlich im 3. bis 6. Monat und Percy (Revue medie. 1823) bemerkte dabei ungewöhnlich früh fühlbare Kindsbe- wegungen im 4ten Monat, (vermuthlich machte die primäre Abnahme des Fruchtwassers die Bewegungen fühlbar). Nach dem Absterben erfolgt entweder sogleich partieller Abortus, und der andere Fötus erlebt die normale Dauer der Schwan- 253 gerschaft; oder der Gestorbene wird vertrocknet bis zur Ent- bindung zurückgehalten; und wird dann meist erst 12 bis 18 Stunden nach dem Lebenden geboren; er verzögert damit die Ausstossung beider verklebter Nachgeburten, weil sein ver- härteter Placentarantheil meist eng am Uterus adhärirt, so in einem Fall von Oruveilhier (Anat. pathol.); Jameson (Dubl. Journ, Sept. 1842) berichtet von einer Frau, welche 7 Wochen nach der Entbindung von einem lebenden Kinde, eine im 6ten Monat abgestorbene Frucht unter neuen We- hen gebar; v.Siebold u. A. fanden Aehnliches. — Die ver- ;rockneten Fötus wurden meist in unverletzten Eihäuten ohne Fruchtwasser geboren; Luber und G. Vrolik (Diss. de foetu maturo cum altero immaiuro. Amstelod. 1811 ce. Tab.) beschrieben eine solche Entbindung, wobei der verkümmerte ‘Fötus mehrfach von der einen Nabelschnur umwunden war. — Von den bis zum Ende der Schwangerschaft er- nährien Zwillingen erscheint ausserordentlich häufig der Eine asphyklisch oder todt geboren, gewöhnlicher der Erstge- borne. Bei Mehrgeburten mit gemeinschaftlichen Eihäu- ten giebt es sehr verschiedene Grade der Verbindung. Eine Deeidua und 2 Chorion u. s. w. findet sich im Präparat Nr. 7583 des Berliner Museums bei einem Fötus von 2 Mo- naten; ähnlich in Nr. 4710, 570, 569 bei ausgetragenen Ei- ern mit eng verwachsener Plazenta. Niemals kommt hier Anastomose der beiderlei Fötalgefässe vor. — Eine Deci- dua und 1 Chorion um 2 Ammion u. s. w. findet sich bei Velpeau (Embryol. pl. 13. fig. 1. 2.) bei 14 Zoll lan- ‚gen Fötus.. Mayer (Acta Acad. Leop. Vol. 17. P. 2. 1834. p. 932 t. 35) bildet die 2 um 34 Zoll von einander ent- fernten Nabelblasen in einem solchen Fall ab. Wo das ‚Chorion einfach ist, findet sich eine wirklich einfache Pla- 'zenta stets vor, wie schon Hunter zeigte. (Der einfache Mutierkuchen der Zwillinge. Marbg. 1845). In Folge da- von entsteht eine mehr oder weniger bedeutende Anasto- 254 mose der Gefässe. Den einfachsten Fall habe ich inFig "9 schematisch, aber in der Hauptsache genau nach einem injieirten Präparat des Meckel’schen Museums dargestellt; höhere Grade in Fig. 10 bis 12. Zahlreiche Fälle von stärkeren Anastomosen sind bekannt; ihre Folgen sind ver- schieden. Bei Früchten, deren eigner Kreislauf wegen Miss- bildung des Herzens unmöglich ist, wird durch den andern Fötus ein nothdürftiges Leben unterhalten, indem zugleich ein allgemeiner Hydrops des Acephalus als nothwendige Folge der Kreislaufsstörung auftritt; in seltnen Fällen hört aber trotz der Gefässcommunikation die Ernährung eines ab- gestorbenen Fötus auf, so bei Guillemeau (Arch. gen. 1833. T. 1. p. 77.), wo die gemeinschaftliche Placenta von Zwil- lingen durchaus normal, ein gemeinschaftliches Ammion mit Anastomose der Arterien und Venen vorhanden, und der eine Fötus sehr verkümmert war. Wenn beide Früchte aus- getragen werden, so muss nach der Geburt des iten Kindes dessen Nabelschnur am Placentar-Ende unterbunden werden, damit das 2te Kind nicht verblute._ Der Grad der Ana- stomose zeigte sich in den von mir untersuchten Fällen, (namentlich mehreren Injeetionspräparaten der Halle’schen - Sammlung) im Allgemeinen im graden Verhältuiss zur Ungleichheit der Insertion beider Nabelstränge an der Placenta; je mehr ein Nabelstrang durch marginale oder ve- lamentale Insertion (die bei Zwillingseiern sehr häufig ist) gegen den andern zurücksteht, desto mehr hat sich seine Collateral-Verbindung mit diesem ausgebildet, so dass hier- durch beide Nabelstränge einen gleichen Antheil Placenta be- herrschen. Doch kommen auch Fälie vor, wo bei nicht un- bedeutenden Anastomosen die Insertion beider Nabelstränge symmetrisch in den Brennpunkten der Ellipse der Placenta ist; so im ersten Fall von Hunter und in einem Fall des Meckel’schen Museums; in 3 Fällen des letzteren sind beide Insertionen stark marginal, dabei die anastomosirenden Ar- terien 4 bis 1 Linie dick, | 255 Bei Vorhandensein von nur 1 Chorion und 1 Am- nion mit 2 Nabelsträngen kommt es für das weitere Ver- halten der letzteren darauf an, wie weit die Placentar-iInser- tion beider von einander entfernt ist. Bei weiter Entfer- ‚nung können beide Fötus völlig getrennt bleiben, ohne Um- schlingung der Nabelschnüre; so ist es in einem Drillings-Ei ‚unter Nr. 572 des Berliner Museums, wo 2 Amnion und in einem derselben 2 Nabelstränge vorhanden sind; ebenso in einem von Mayer beschriebenen Drillings-Ei. Eine Anzahl herzloser, acephaler Missgeburten gehört vermuthlich hierher, bei denen dann Anastomose der Placentargefässe anzunehmen ist (während andere „Acephalen‘* sicher aus ei- ner allmähligen Selbstlösung von Parasitbildungen hervorgehn, wie die freien Gelenkmäuse des Kniees u. s. w., die freien Lipome der Bauchhöhle) — Wo an einem Amnion % Na- belstränge ihre Placentar-Insertion einander nahe haben, entsteht einfache Verschlingung der Nabelschnüre mit mehr oder weniger nachtheiligem Einfiuss auf das Le- ben eines oder beider Kinder. Nach Riecke kamen in Württemberg unter 230,959 Geburten, 2547 Zwillinge und darunter einmal Verschlingung der Nabelstränge vor. Ver- schiedene Fälle sind beschrieben von F. Tiedemann (Lu- eina. Bd. 3. 1806. S. 19. mit Abb.), Niemeyer (Zeitsch. f, Geburtsk. Bd. 1. 1828. S. 189. Taf. 4). Stehen die beiden Placentarinserlionen. sehr nahe, so entsteht die sogenannte gabelförmige Nabelschnur (M&äry. M&m. de l’Acad. de Se. 1720 p. 13. — Diet. de sc, med. t. 42. p. 523: — Rey- nolds in Gerson und Julius Mag. f. ausländ. Liter. 1835 Bd. 29. S. 389, — u. s. w.) Es ist diese bisher als Thei- lung eines an der Placenta einfachen Nabelstrangs bezeich- net. In 2 Fällen, die ich unter Fig. 13. 14. darstellte, fand ich bei anscheinend einfachem Placentarursprung eines ga- belförmigen Nabelstrangs doch völlige Doppeltheit, wobei aber die Umschlingung der Stränge gleich nach ihrem Pla- cenla-Ursprung begann.‘ Vermuthlich verhält sich der von 256 Busch (Atlas f. Geburtshülfe. Fig. 108) aus der Marburger Sammlung abgebildete Nabelstrang ebenso. (Es frägt sich, ob -diess derselbe Strang sei, welchen I. D. Busch. Beschr. zweier Missgeb. Marbg. 1803. 4. mit Taf. beschreibt: es ward zuerst ein normales Mädchen, bald darauf eine weibliche herzlose Missgeburt, bestehend aus einem Unterleib und 2 Beinen, geboren, jedes mit einem Nabelstrang, beide hatten eine völlig gemeinschaftliche Placenta, an deren Rand zwei Nabelstränge dicht bei einander entsprangen, sogleich im Verlaufe von 4 Fingerbreiten um einander geschlungen und weiterhin wieder getrennt waren; eine Kommunika- tion der beiderseitigen Gefässe in der Placenta ist hier si- cher zu vermuthen, ohne bestimmten Nachweis.) — Die bis- her erwähnten Formen stellen die entschiedensten Ueber- gangsformen zu Doppelmissbildungen dar. Unter die- sen würden alle diejenigen seltneren Formen, welche 2 Na- bel und Nabelstränge besitzen, als Disomphali zu bezeichnen sein, im Gegensatz der Monomphali. Isidore Geoffroy St. Hilaire machte auf die Wichtigkeit aufmerksam, die Doppelmissgeburten in solche mit 1 oder 2 Nabeln zu thei- len. Falsch ist höchst wahrscheinlich die von ihm (Hist. des anomal. t. 3. p. 148) als Synadelphe aufgestellte Form nach einem einzigen, unvollkommnen, nach vorausgegange- ner Fäulniss, beschriebenen Exemplar einer Ziege von Delle Chiaje (in Atti del real Istituto d’incoragg. alle scienze na- tur. di Napoli t. 3. 1822. p. 180. e. t.); hier war Kopf, Brust, Unterleib uad Becken vis & vis nach Art der Janus verwach- sen; dass aber 2 Nabel in der Stellung der Janusgesichter vorhanden gewesen seien, deren jeder zur Häfte jedem Fötus angehört habe, ist zwar behauptet, aber nach der Abbildung unwahrscheinlich; vermuthlich, war vielmehr nur eine ei- gentliche weiche Bauchfläche und 1 Nabel vorhanden. Zu bezweifeln ist ebenso die richtige Bezeichnung eines ähnli- chen Falles von Otto (Monstror. sexeent. deser. No. 311.) wo bei einem Kätzchen mit einfachem Kopf, einfacher Hals- 257 wirbelsäule 2 vorderen und einem hinteren Arm, 2 Brust-, Lenden- und Schwanzwirbelsäulen, 4 Beinen, „2 Nabelstränge nur 4 Linien weit von einander entfernt‘‘ vorhanden gewe- sen sein sollen; der Darm war oben einfach, erst von der Stelle an doppelt, welche, der Einmündung des Ductus om- phalo-meseraicus entspricht, der sogenannte untere. Nabel- strang enthielt keine Vene, sondern nur die 2 Nabelarterien des linken Fötus; Alles: spricht dafür, dass hier nicht ein wirklich doppelter, sondern vielmehr ein einfacher, wenig vereinigter, vermuthlich velamentalinserirter Nabelstrang vorhanden war, wie er auch bei menschlichen einfachen oder häufiger freien Zwillingsfrüchten zuweilen als doppel- ter Nabelstrang bezeichnet ist. Aehnlich scheint sich Otto’s Nr, 312, ein Kätzchen, verhalten zu haben, und ein drittes Kätz- chen im Greifswalder Museum, welches Barkow (Monstra dupl. Vol. 2. p. 65), erwähnt, wo „beide Nabelstränge durch eine Amniosfalte verbunden sind.“ Endlich gehört hierher ein angeblich doppelter Nabelstrang bei 2 vom Ma- nubrium sterni bis zum Nabel verwachsenen Mädchen, mit 2 getrennten Placenten und „‚marginaler Insertion beider Stränge,“ deren Carus erwähnt. (Zur Lehre von der Schwangerschaft. 1. Abth. 1822. S. 225). — Sichere Fälle von zwei Nabelsträngen an einer Doppelmissgeburt sind nur 1) die 14 Fälle von Scheitel- und Stirnverwachsung (von Anel, v. Baer, Klein, Albrecht, Zimmer, Sannie, Üccelli, Münster, Otto, Barko w, Regnault), unter de- nen nur der Fall von Villeneuve (Deser. d’une monstruo-» site. Paris. 1831.) in Bezug auf die Eihäute untersucht ist; hier war für die in meiner Fig. 20 kopirten Fötus eine ge- meinschaftliche Placenta mit einer, zwischen den 2 Nabel» strängen liegenden, mittleren Furche vorhanden, in allen übrigen Fällen waren 2 getrennte Nabel vorhanden, also musste die Placenta sich ähnlich verhalten. 2) der Fall der Ungarischen Schwestern Helena und Judith, den ich in Fig. 21 kopirt habe. : Ich kenne nur einen ähnlichen Fall Müller’s Archiv, 1850, 17 258 des Berliner Museums Nr. 2997, von Barkow beschrieben ; einen von Licatus und Lycosthenes abgebildeten Fall von halb seitlich, halb dos-A-dos verwachsenen, 1486 zu Ror- bach bei Heidelberg geborenen Kindern, endlich einen von Normand (Bulletin de la faculte de med. 1818. t. 6. p.2.— Nouv. Journ. de med. 1818. t. 1.) beschriebenen Fall’ von Louis und Pierre Naudin; hier war eine Placenta vor- handen, ‚aus welcher in der Mitte ein Nabelstrang ging, der sich weiterhin iheilte;“ die Kinder hingen durch das Kreuz- bein „dos--dos*“ zusammen, hatten ein Scrotum mit 4 Testes und einen Penis, einen After; sie starben nach 9 Tagen ohne Section; ich vermuthe, dass der Nabelstrang nur scheinbar am Placentar-Ende einfach war. Dass in allen Fällen von einfachem Amnion um. zwei Embryonen mit zwei Nabelsträngen auch die Nabelblase doppelt sei, halte ich für sehr. wahrscheinlich. Mayer fand in einem derartigen Fall die Nabelblase überhaupt nicht deutlich; ieh habe es nicht hinlänglich berücksichtigt. . Nur in einem Präparat des Berliner Museums No. 6046, den Elben (De acephalis. Berol. 1821. p. 79. tab. 22. fig. 2).be- schrieb, fand ich neben einem Chorion und einem Amnion zwei weit getrennte Nabelblasen und zwei Nabelstränge; es ist ein normaler männlicher Fötus von 74 Zoll Länge vom Scheitel bis zur Ferse vorhanden, mit langem, normalem Nabelstrang; ausserdem an einem sehr mageren, kurzen Strang hängt ein 41 Zoll langer, herzloser, kopfloser, männlicher Fötus; beide Nabelstränge sind nicht um einander gewunden. Mit dem höchst seltenen Vorkommen von zweinabli- gen Doppelbildungen nach Art der Ungarischen Schwestern (Pygopage. Geoffroy) und dem weniger seltnen Vorkom- men von Scheitelverwachsungen (Cephalopage) hängt das häufige Vorkommen eigenthümlicher angeborner Geschwül- ste wahrscheinlich zusammen, welche theils nur Cysten und unregelmässige Knorpel enthalten (ähnlich manchen Enchon- m 259 dromen bei Erwachsenen), theils auch Darmstücke und voll- kommne Extremitätenstücke; sie sind als Geschwülste am Kreuzbein und am Gaumen bekannt und namentlich erstere nieht selten. Ich betrachte sie als Fälle, wo ein primärer regelmässiger Pygopage oder Cephalopage unregelmässig, zwillingsasymmetrisch geworden ist; es ist leicht zu begrei- fen, warum die unregelmässigen Formen häufiger vorkom- men, als die regelmässigen. Denn Doppelbildungen mit zwei Nabeln müssen Beide das Bestreben aller Fötus haben, sich spiralig an ihrem Nabelstrang zu drehen; dies kann nur durch enge Umschlingung der Stränge geschehen, bei welcher in dem irgend schwächeren Strang durch Torsion und Atrophie leicht die Cireulation aufhört oder fast von vorn herein nicht- zu’ Stande kommt; ist dann ein Fötus ohne eignen Nabel- strangskreislauf, so kann er nur vermöge seiner Verwach- sung mit dem siegenden Fötus als dessen Parasit durch Col- lateralkreislauf erhalten bleiben, wird aber bei der Geburt um so kümmerlicher erscheinen, je früher sein Kreislauf unselbstständig geworden war. Analogieen zu derarligen Vorgängen bilden alle Parasitbildungen an monomphalischen Doppelbildungen, deren Kreislauf parasitisch von dem des Trägers (Autosit. Geoffroy) abhängig ward. Mit den eigentlichen Scheitel- Verwachsungen steht als nächster, hieher gehöriger Fall der von Frau Habramt 1825 in Verbindung, von Vollem (Deser. des deux Foetus reunis, 1828.) beschrieben. Auf dem Scheitel eines normalen Fötus sitzt schief auf ein unvollkommner Fötus, bestehend aus ei- nem Kopf mit halbzerstörtem Gehirn, dessen Schädelhöhle mit der des Trägers communicirt; einer rudimentären Wir belsäule ohne Rückenmark, zwei unvollkommenen Armen, einem Sirenenbecken und -Bein, verschiedenen Eingewei- den, und einem deutlich erkennbaren, aber völlig obliterirten Herzen; der Kreislauf (durch Injection ermittelt) geschah in der Art, dass das Blut aus der rechten Jugularvene des Trä- 17% 260 gers vermittelst der Schädelvenen in die Venen der linken Seite des Parasiten, von da durch dessen Kapillaren in die Venen der rechten Seite, endlich zurück in die Venen des Trägers ging; ein. arterieller Kreislauf bestand gar nicht. Einen höheren Grad der Verkümmerung stellt der indische Knabe dar, der bis zu seinem öten Jahr lebend auf seinem Kopf einen zweiten verkehrt trug; die eilig angestellte Sek- tion ergab über die Weichtheile nichts Wichtiges; an dem Parasitkopf sass nur ein kurzer halsarliger Stumpf (Home, Philos. trans. 1790. t. 89. p. 296.). — Weitere Beobachtun- gen erst können entscheiden, ob mit diesen Fällen das Vor- kommen überzähliger Füsse auf dem Scheitel von Enten zu- sammenzustellen ist; ebenso ein Schaf von Otto (Monst. sexcent. No. 403. tab. 29.), auf dessen Scheitel Extremitäten- knochen sitzen. Als unbewiesen und unwahrscheinlich er- wähne ich die Vermuthung von Rathke, (Meckel’s Arch. 1830. S. 380.) dass ein auf dem Haupt eines Schafs gefun- dener .häutiger Fortsatz als Nabelstrang eines gleichzeitig ge- borenen kleinen Schafs zu betrachten sei; im Halle’schen Museum befindet ‚sich ein ähnliches Schaf, dessen Fortsatz eine collabirte Hernia cerebri ist. — Den vermuthlichen Zu- sammenhang der erwähnten, vorderen und hinteren termina- len Knorpelgeschwülste mit Cephalopagen darzustellen, muss ich auf eine andere Gelegenheit verschieben, und bemerke nur, dass ich sie hieher rechne, weil sie nicht auf symme- trische monomphalische Grundformen zu reduziren, sind. Durch das Vorhandensein einer einfachen Amnioshöhle über zwei Nabelblasen und zwei Embryonen erscheinen mir demnach für die letzteren folgende verschiedene Zustände bedingt. Beide bleiben lebend, oder durch Umschlingung der Nabelschnur werden Beide oder Einer getödtet; Beide bleiben entweder völlig getrennt und sind nur durch mehr oder weniger starke Anastomosen der Placentargefässe ver- bunden oder sie verwachsen mit dem vorderen oder hinte- 261 ren Ende des Stammes. Wenn einer der zwei nicht ver- wachsenen oder verwachsenen Fötus verkümmert, so wird sein Kreislauf durch den des anderen Fötus unterstützt; so wird namentlich der Acephalus als ein durch die Nabelge- fässe verbundenes Anhängsel des normalen Fötus ernährt, ebenso der Scheitel- oder Gesichts- oder Kreuzbein - Parasit durch die Blutgefässe des Kopfs oder die Seitenäste der Art. sacra media. Aus dem Vorhandensein einer primär einfachen Na- ‚belblase in einem einfachen Amnion mit gleichzeitig doppeltem Fruchthof erklären sich die übrigen Formen der Doppel-Missgeburten, sowohl der einfachen, symmetrisch regelmässigen, als der zahlreichen unregelmässigen Foetus in foetu per implantationem und per inclüsionem. Zu den Dop- pel-Missbildungen rechne ich alle diejenigen Formen, bei denen sich irgend ein Theil der Wirbelsäule, vom Keilbein bis zum Schwanzbein, doppelt findet, oder bei denen am normalen Ende der Schwangerschaft zwar die Wirbelsäule nicht nachweisbar doppelt erscheint, sondern einfach, wohl aber entweder zwei völlig getrennte, vierkammerige Herzen (bei Gänsen, Rebhühnern) oder ein theilweise doppelter Darm (Blasius, Pigne& beim Menschen), eine überzählige Hemisphäre des Gehirns (Gurlt bei Wiederkäuern), ein überzähliges Auge, Ohr, Gesicht, Kauwerkzeuge, eine oder mehrere ganze überzählige Extremitäten; alle diese Fälle bil- den von den höchsten Graden des sogenannten Parasitismus bis zu den vollkommen symmetrischen Doppelbildungen mit symmetrisch doppelter Wirbelsäule so bestimmte Reihen von Zwischenformen, dass überall die primäre Anwesenheit und sekundäre Nichtentwickelung oder Verkümmerung einer dop- pelten Centralanlage des Fruchthofs, namentlich Primitiv- Rinne, Chorda dorsalis, Centralnervensystem und Wirbel- säule anzunehmen ist. Dagegen müssen nach meinen Er- fahrungen von den genannten Formen als gänzlich verschie- 262 den ‚getrennt werden diejenigen, bei denen eine primär dop- pelte Anlage der medianen Centralorgane nicht anzuneh- men ist; namentlich alle Ueberzahl von Gefässen, welche nur aus anomalen Kreislaufsverhältnissen eines Embryo zu erklären sind, ferner die Ueberzahl der Wirbel und Rippen und die in genauer Abhängigkeit davon erscheinende ein- fache Ueberzahl der Finger und Zehen, endlich überzählige Lungenlappen, Milzen, Gallengänge, Ureteren, Zähne. Ich vermochte nicht, mit Bischoff (Wagner’s Wörterbuch, Bd. I. S.909.) anzunehmen, dass zwischen Doppelbildungen des ganzen Stammes und der Veberzahl eines Nagelgliedes eine ununterbrochene Reihe von Uebergangsformen sich finde. Alle in dieser Weise von mir als eigentliche Doppel- bildungen bezeichneten Formen sind daraus abzuleiten, dass von vorn herein mit zwei ganz doppelten oder einer gabel- förmig getheilten Primitiv-Rinne des Fruchthofs sich eine einfache Nabelblase bildete. Nach den wenigen bisher be- kannten Beobachtungen der ersten Entwickelungszustände von Doppelmissgeburten lassen sich zwei verschiedene Ver- hältnisse des Eies als Bedingung denken, durch welche an einer einfachen Nabelblase zwei Embryonen entstehen, so- wohl durch sogenannte Theilung, als durch Verwachsung. Für zweifelhaft halte ich zwar Valentin’s Angabe, dass er am zweiten Tage der Bebrütung beim Hühnchen durch einen Messerschnitt eine Doppelbildung des Hintertheils be- wirkt habe (V.’s Repertorium, Bd. 2, S.169.). Dagegen steht nichts der Annahme gegenüber, dass sich ein primär zu grosser Dotter als Hypertrophie eines einzigen oder durch Verschmelzung zweier gebildet habe; gleichviel, wie der zu grosse Dotter gebildet sei, so ist es verständlich, dass an ihm im geraden Verhältniss zu seiner übermässigen Grösse ein theilweise oder ganz doppelter Fruchthof und Embryo mit stets gemeinschaftlichem Nabel sich bilde. Hierin zeigt sich eine gleiche Grundbedingung für die Entstehung aller 263 Doppelbildungen des Stammes und ich halte keine andere Erklärung für zulässig. v. Baer’s Beobachtungen an Eiern vom Barsch (Ueber doppelleibige Missgeburten. 1845.) wei- sen darauf hin, dass doppelleibige Fische nur auf einem ano- mal grossen Dotter entstehen, dass nach der primären Bildung einer gabelförmigen Centralanlage in den folgenden Stunden und Tagen weder eine Verschmelzung, noch eine Theilung der zwei gabeligen Enden erfolgt, vielmehr die doppelt ge- bildeten Theile in derselben Doppeltheit verbleiben. ‚Weder die Vorstellung einer Verschmelzung zweier primär vollständiger Keime mit späterem Verschwinden schon ge- bildeter Organe ist gründlich zu rechtfertigen, noch die der Theilung eines einfachen Keims vom Wirbelthier in zwei mehr oder weniger vollkommene. Mir scheint allein mög- lich die Annahme, dass an einer zu grossen Nabelblase zwei ideale Mittelpunkte für die Bildung eines Fruchthofs statt des normalen einfachen sich bilden, dass von diesen Mittelpunkten die weitere Ausbreitung der Area opaca s. vasculosa und Area pellucida ausgeht, bis sich früher oder später die beiden Kreise treffen müssen, wie zwei Wellen- systeme in einer Wasserfläche, zwei kreisförmige Geschwüre auf einer Cutis; je früher die Areale sich vereinigen, desto weniger Theile der Embryonalanlage werden doppelt ange- legt, und umgekehrt; daher vollständige Uebergänge zwischen der geringsten Doppeltheit des Gesichts oder des Schwan- zes und der Form der siamesischen Brüder sich finden. Von vorn herein werden jene beiden Mittelpunkte stets genau gleich grosse und sich vergrössernde Areae um sich haben; bleibt aber, unter unbekannten Bedingungen, eine Area in der Entwickelung stehen, so wird der ihr entsprechende Fötus in der weiteren Entwickelung immer mehr zurück- "bleiben, schliesslich als: blosser Anhang des Andren erschei- nen, dem ein besonderes Herz. eine ausgebildete Wirbelsäule und Centralnervensystem fehlt, indem nur seine Eingeweide 264 und Extremitäten sich deutlich ausbildeten. So fand Rathke ‘(Abhandl. z, Entw. 6. Bd. 2. S. 61.) bei Blennius vivipa- rus eine Doppelbildung, wo auf einer Dolterkugel der eine Embryo normal, der andre nur mit einem dünnen Stiel auf- 'sass. Valentin (Zeitschr. f. wissensch. Zool. 1850. Bd. 2. S. 268.) fand beim Hecht ein Ei mit Doppelmonstrum, an dessen einem unvollkommenen Kopf keine Wirbelsäule sich zeigte; dennoch muss angenommen werden, dass eine gabel- förmige Primitivrinne vorhanden war und nur die gleich- förmige Ausbildung der zwei Enden früher aufhörte, als .die Chorda dorsalis gebildet war. Ä Bei Hühnern lässt sich mit einiger Sicherheit vermu- then, dass der, zur Bildung einer Doppelmissgeburt veran- lassende ungewöhnlich grosse Dotter durch Verschmelzung zweier entstehe. Hanovwr (Seltenheiten der Natur. 1733. S. 312.) bekam von einer jungen Henne 6 Eier mit dop- ‚peltem Dotter, und nach Angabe des Lieferanten hatte sie ‚noch mehr dergleichen gelegt; zugleich giebt er an, dass man in einem derartigen Ei mit zwei Dottern bei dureh- scheinendem Licht zwei Keimpunkte nahe bei einander auf- treten und endlich ein Hühnchen mit zwei Köpfen, einem Hals, vier Flügeln und drei Beinen habe entstehen gesehen. Geoffroy (Anomalies. t. 3. p. 108.) sah aus einem Ei von ‚ungewöhnlicher Grösse mit zwei zuerst völlig getrennten Dottern eine nur durch den Bauch communicirende Doppel- bildung entstehen (Omphalopage). Dass aus einfacher Nabel- blase doch zwei Ductus vitello-intestinales sich bilden kön- nen, zeigt ein Hühnchen von Otto (Seltne Beobacht. 1816. ‚S.:25.) mit einfachem Kopf (Hemicephalus) und Hals, dop- pelter Rücken- und Schwanzwirbelsäule, zwei Flügeln, vier Beinen; der Dottersack lag in einem grossen Nabelbruch des gemeinschaftlichen Bauchs, war aussen einfach, innen tief gespalten und ging in zwei Ductus vitello-intestinales aus; der Darm war vom Kopf an einfach und theilte sich kurz 265 vor der Aufnahme des Ductus vitellini in zwei, so dass zwei 'Kolon und zwei After vorhanden waren. Die von C. F. Wolff, v. Baer, Reichert beobachteten frühen Stadien von Doppelbildung beim Hühnchen hatten einen einfachen Dotter. Unter Säugethieren ist die Nabelblase bei Doppelbildun- gen wenig berücksichtigt. Nur v. Baer (a. a. ©. S. 89.) fand bei einem Mädchen, von dessen Nabel parasitarlig ein überzähliges Becken herabhing, im Nabel ein subcutanes Bläschen von der Grösse einer Erbse, innen deutlich schleim- "hautartig zottig, durch eine Falte unvollkommen in ein grös- seres und kleineres Säckchen getheilt; mit einigem Recht "hält er dies für ein Rudiment der Nabelblase. Entschieden für die stetige Einheit der Nabelblase spricht das constante Verhältniss, dass bei allen Doppelbildungen der Darm stets an der Stelle der Insertion des Duetus vitello-intestinalis einfach ist, während gleichzeitig von da an entweder der Munddarm oder der Afterdarm doppelt vorhanden ist; sehr häufig ist bei Janusmissgeburten, mit verwachsnem Kopf, Brust und Bauch, der Darm oben einfach, bis er in eine di- vertikelartige, dem Nabelblasengang entsprechende Erweite- rung übergeht, aus welchem zwei Afterdärme entspringen, jeder für eins der getrennten Hintertheile. So Vieles weiterhin zu erklären übrig bleibt, so bin ich doch bestimmt der Ansicht, dass zahlreiche Fälle von freien Zwillingsgeburten mit den Doppelmissgeburten eine Reihe bilden und dass der grösste Theil der letzteren durch Ver- wachsung zweier Keime zu erklären ist, wie es d’Alton (De monstror. duplie. origine. Hal. 1849. 4.) that. Es wird bei Säugethieren von der primären Nähe beider Eier abhän- gen, in welchem Grade sie zu einem Ei zusammentreten; wenn nach der Bidder’schen Beobachtung an der Kuh zwei Eier in einer Membrana granulosa des Ovariums nur um den halben eignen Durchmesser von einander entfernt sind, 266 so werden. sie in einer Keimstelle ‘des Uterus (beim' Men- schen in einer Decidua) befestigt; . die beiden Zonae pellu- cidae werden bei der Vergrösserung des Eies sehr bald sich berührt haben; da die Zona pellueida nach der ganzen Dar- stellung von Bischoff am Kaninchen -Ei und Hunde-Ei ein vergängliches;: Organ ist, so wird bald an der Stelle der Be- rührung, der beiden Eier die Zona schwinden, die beiden Keimblasen müssen in Verwachsung, treten; da das spätere Chorion ‚aus der obersten Schicht: der Keimblase hervorgeht, so wird ein einfaches Chorion in allen Fällen entstehen, wo die trennende Zona schwand; war die. primäre Verwach- sung noch früher und damit tiefer entstanden, so'wird auch ‚die innere Schicht, das sogenannte vegetative Blatt beider ‚Dotter, gemeinschaftlich werden und: so entsteht eine ein- fache Nabelblase mit einem monomphalischen Doppelembryo; disomphalische Verwachsungsbildungen endlich. entstehen, wenn, bei Verwachsung zweier Eier, in einem einfachen ‚Chorion zwar das vegetative Blatt getrennt blieb, das mitt- lere Blatt aber verwuchs, so dass nicht zwei völlig geson- derte Amnioshöhlen sich. bildeten. Drillings- und Vierlingsgeburten des Menschen zeigen dieselben Verhältnisse der Eihäute, wie sie oben an Zwillingen betrachtet wurden.: Völlig getrennt, mit vier Cho- rion und vier Dezidua, sind vier Früchte des Berliner Mu- seums No. 3085. Häufig kommen unter Drillingen ein oder -awei Missgeburten vor, namentlich ein Anencephalus oder eine herzlose Bildung. Ein von Wernher (Die angebornen Kysten-Hygrome. 1843. 8. 38.) erwähnter Acephalus kam als Drilling neben zwrei normalen Kindern. ‚Ebenso ein Ace- phalus von Superville kam mit zwei andern 'Kindern, in- dem alle drei nur zwei Placenten und zwei Eihüllen 'hatten. ‘Auch Göller’s herzlose 'weibliche Missgeburt ‘kam. als. Dril- ling neben zwei‘ normalen ‘Mädchen... Tiedemann: (Anat. ‚der kopflosen Missgeb., 1813. Beob,'5.) ‘beschreibt aus Söm- 267 merring’s Sammlung eine Missgeburt ohne Kopf und Brust- organe mit sehr rudimentärem rechten Arm, fehlender Le- ber, Milz und Pankreas, mit weiblichen Geschlechtsorganen sie war mit drei anderen im 6ten Monat abgestorbenen Fö- tus in gemeinschaftlicher Eihöhle ohne Scheidewände geboren, jede Frucht mit einem besonderen Nabelstrang. — Im Meckel’schen Museum ist eine durchaus einfache Pla- zenta von Drillingen, mit Anastomose der Gefässe zweier Nabelstränge; es kann dies nur aus einem einfachen Chorion für alle drei Amnien erklärt werden. An einer anderen Nach- geburt von Drillingen hat ein Fötus alle Eihäute für sich, die zwei'anderen haben ein gemeinschaftliches Chorion und zahlreiche feine Gefäss-Anastomosen. Ebenso verhält sich ein Präparat No. 571 der Berliner Sammlung. In der Samm- lung des Hrn. Prof. Grenser zu Dresden ist eine Nachge- burt (Präp. No. 133.) von drei Mädchen, welche drei Am- nien und nur ein Chorion mit Anastomose der Gefässe hat; eine gleiche Nachgeburt beschrieb Haase, welcher (N. Zeit- schrift für Geburtsk. Bd. 3. S. 412.) zugleich an den drei Früchten gleiches, weibliches, Geschlecht fand. — Relativ häufig sind von Drillingseiern zwei durch ein Chorion ver- bunden oder selbst mit einfacher Amnioshöhle. Wenn Dop- pelmissgeburten zugleich mit einem normalen Kind geboren werden, so stellt dies hiernach eine Drillingssch wangerschaft dar, bei welcher zwei Eier noch enger verwachsen sind, als durch! blosse Placentar - Anastomosen, wie es bei den eben: erwähnten ' Acephalen der Fall gewesen sein muss, Hieher ‘gehört namentlich ein von Mayer‘ (Graefe und Waliher’s Journal. Bd. 10. 1827. S. 68.) beschriebener Fall; eine Multipara gebar zwei Knaben, mit Placenta communis; einer der Knaben hatte einen grossen Sack am Steiss, wor- in, als deutliche Reste eines dritten Fötus, Darmstücke und einzelne Wirbel enthalten waren. Ebenso beobachtete Pr.o- chaska einen Parasitfötus per inclusionem bei einem Zwil- 268 ling. ‘Der von Garvens (Diss. praes. d’Alton de inver- sione vesicae urinariae. Hal. 1841. ce. t.) beschriebene männ- liche Fötus mit überzähligen Knochen in der Bauchhöhle ist ‚als Doppelbildung mit Inclusion zu betrachten und wurde neben einem normalen Mädehen geboren. Mit Zwillingen zugleich sind mehrmals herzlose Missgeburten geboren, die nur aus einem Kopf beständen; ein Fall vom Kalb im Me- ekel’schen Museum kam nach zwei normalen Kälbern. — Beim Menschen sah Rudolphi (Abhandl. der Berl. Akad. 1816.) einen einzelnen Kopf neben zwei normalen Knaben geboren (die unter No. 5916 in Berlin aufbewahrten Eihäute lassen nicht deutlich erkennen, wie viele Eihöhlen vorhan- den waren). Ein von Lycosthenes erwähnter einzelner Kopf war ebenso mit zwei anderen Fötus geboren. Es ist mir nach verschiedenen Uebergangsformen wahr- scheinlich, dass diese einfachen Köpfe als durch allmählige Selbstamputation freigewordne Köpfe von Doppelmissgebur- ten zu betrachten sind. | Den höchsten Grad bisher beobachteter Verschmelzung bilden die wenigen Fälle sicherer Tridymi, namentlich .der Fattori’sche Fall von Inclusion zweier Fötus in einem ‚dritten, die von Reina und Galvagni beschriebene, mensch- liche, dreiköpfige Missgeburt, ein von Froriep erwähntes Schaf (mit 12 Beinen, drei vollständigen Wirbelsäulen und einem einfachen und einem Januskopf) welches jetzt im Be- sitz der Giessener Sammlung ist; endlich mehrere Fälle von dreiköpfigen Schafen, welche von Licetus, Geoffroy und J. F. Meckel (Anat.-physiol. Beobacht. 1822. S. 304.) er- wähnt sind. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3 Fig. 4 Fig. >. 269 Erklärung der Abbildungen. Menschlicher Embryo aus der Meckelschen Sammlung, in normaler Grösse; ungewöhnlich stark ausgebildeter Schwanz- theil der Wirbelsäule, kleiner Kopf; Nabelblase deutlich; von Allantois keine Spur. (Man sieht am hinteren Ende die zwei Extremitäten, zwischen ihnen den Schwanz.) _ Menschlicher Embryo, ebendaher (s. J. F. Meckel, Deser. monsir. nonnull. 1826. p. 83. tab. 9). Die Eihäute, in der Abbildung weggelassen, sind wulstig verdickt; an der Stelle der fehlenden Augen (Cyclops?) ist ein grosser Gehirnsack, unter demselben ein rüsselartiger Fortsatz und der Mund; Ohren normal. Nabelstrang lang und stark gedreht und eingeschnürt; der linke Arm unvollkommen entwickelt. Ein mir durch Hrn. Dr. Stephan in Halle 1849 zugekom- mener Abortus, nach angeblich dreimonatlicher Schwanger- schaft unter Blutungen ausgestossen, mit wulstiger, verhär- teter Decidua, worin stellenweise gelber Eiter enthalten war; das Chorion vom Umfang eines Tauben-Eies, mit Pla- centarzellen, unverletzt, aber collabirt; Nabelstrang sehr mager, Nabelblase normal; der Fötus hydrocephalisch, Gelbes krystallinisches Pigment aus einem vor Wochen nach einem Fusstritt abgestorbenen fast reifen Fötus; bei 250maliger Vergrösserung; zum Theil war der Blutfarbstoff als schmierig roth zersetzt noch vorhanden; gelb gefärbt war intensiver nur die Arachnoidea; hier zahlreiche Körn- chen und spiessige Krystalle im Bindegewebe, namentlich aber sternförmige Haufen in den Gefässen beweglich. Bei a ein rhombischer Pigmentkrystall. (Aehnliches fand ich in anderen normalen Früchten, ebenso in einzelnen Theilen eines, mit einem Zwilling gebornen, herzlosen Fötus. ) Abbildung eines Embryo No. 791 des Berliner Universitäts- Museums. Die sehr dicke Placenta ist durch Faserstoffcoa- gulum verhärtet. Der rechte Arm des Embryo ist, lang ausgezogen, völlig in den sehr stark gewündenen Nabel- strang hineingedreht, so dass die Finger der bei a sichtba- ren Hand um 14 Windungen reichen, ohne dass eine Ver- wachsung vorhanden zu sein scheint. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Sehr dünner, stark gedrehter Nabelstrang eines männlichen Embryo der Meckel’schen Sammlung; Nabelstrang 23 Zoll, Embryo 12 Zoll lang; Eihäute wulstig verdickt, verhärtet, der Embryo mit den Zeichen eines längeren Abgestorben- seins. Das dem Nabelring nächste Stück des Nabelstrangs eines. normalen männlichen Fötus von 4 Zoll Länge vom Schei- tel bis After, aus der Meckel’schen Sammlung; der Nabel- strang von 6 Zoll Länge hat im Ganzen 17 Windungen; Placenta normal. — a b c d die 4 ersten Windungen. Von Zwillingen, mit 2 Chorion, 2 Amnion, vom Prof. Hohl dem Meckel’schen Museum zugekommen, war der Eine le- bend ausgetragen geboren, der Andere, ein weiblicher ver- trockneter, inwendig kirrhonotisch gefärbter weiblicher Em- bryo von 4 Zoll Länge; sein Antheil an der gemeinschaftlich verklebten Placenta ist verhärtet; sein Nabelstrang, 11 Zoll lang, macht 95 Windungen, von denen die 13 dem Nabel- ring am nächsten abgebildet sind. Schematische Darstellung der geringsten Form der Gefäss- Kommunikation in der gemeinschaftlichen Placenta eines ausgetragenen Zwillingseies mit 2 Amnion b. b., 1 Chorion a; nach einer injicirten Nachgeburt der Meckel’schen Samm- lung. c. c. die zwei ziemlich marginal an der Placenta stehenden Nabelstränge; die von ihnen ausgehenden Arte- rien vertheilen sich an die Cotyledonen der Placenta; in den Cotyledon d tritt eine Arterie von + Linie Durchmesser aus jedem Nabelstrang zusammen. 10. Anastomose der Arterien in der Placenta reifer Zwillinge, ig. 11. 12: No, 11,968 des Berliner Museums, verkleinert. Ein Cho- rion, 2 Amnion. Der central stehende Nabelstrang ist fet- ter, als der andre marginale; das anastomosirende Ge- fäss $ Linie stark, Nach einer injicirten Zwillingsnachgeburt im Meckel’schen Museum verkleinerte Abbildung. Der eine Nabelstrang en- det velamental und hier hat die Arterie bei a eine aneurys- matische Erweiterung; eine grosse lange Arterie von 1 Linie Durchmesser und eine Vene von 14 Linie Durchmesser bil- det die Anastomose. Abbildung in normaler Grösse nach einem von Dr. Sauer- hering dem Berliner Museum gelieferten Ei No. 14,382. Am Präparat sind Decidua und Eihäute wohl erhalten, 1 Fig. 13. Fig. 14, 271 , Chorion, 2 Amnion, deren Berührungsflächen in Verhält- niss zur Placenta a a durch die 2 Linien b b angedeutet sind. Die eine Amnioshöhle ist bedeutend grösser als die andere; der zu ihr gehörige, wohlgenährte Nabelstrang c sitzt central an der Placenta und trägt einen wohlgenähr- ten Fötus von 24 Zoll Länge vom Scheitel bis After. In der anderen Amnionhöhle ist ein sehr atrophischer Nabel- strang d marginal an die Placenta inserirt, der durch 2 Ge- fässe mit dem grösseren Nabelstrang in Verbindung steht (deren Dicke sich am nicht injicirten Präparat nicht bestim- men liess); e Arterie, f Vene. — Am Nabelstrang hängt ein verkümmerter (vermuthlich herzloser) Fötus mit einem Cyklopen-Auge g, einem Mund h, einem rechten Arm mit 2 Fingern i, einem linken unter der Haut versteckten Arm k und einem einzigen Fuss mit 3 Zehen I. Verkleinert schematische Zeichnung nach No. 8645 des Ber- liner Museums. Dr. Fritzsche in Magdeburg hatte ein Ei mit 3 männlichen Fötus von 3 Zoll Länge (jeder Nabel- strang 4 Zoll lang) eingesandt. Eine Decidua a, ein Cho- rion b umgiebt 2 Amnien c d. Im Amnion c ist ein ebwas fetterer Nabelstrang mit einem um ein Geringes besser ge- nährten Fötus. Im Amnion d sind 2 an der Placentarinser- tion dicht an einander getrennt stehende, balıl eng zusam- mengewundene Nabelstränge, welche am Fötalende ausein- ander gehen (gabelförmiger Nabelstrang). Die Placenta ist allen 3 Fötus gemeinschaftlich, ihr Umfang im Verhältniss zu den Insertionen der Nabelstränge durch die punktirte Li- nie e angegeben. Verkleinerte Zeichnung nach einem von Dr. Gerson in Aachen dem Berliner Museum übersandten Präparat No. 10,488. — Die Eihäute, in der Zeichnung nicht berücksich- tigt, verhalten sich wie bei Fig. 18. — Es ist eine Pla- centa communis für Drillinge vorhanden, die Placenta in einen grösseren, turgideren und einen kleineren Theil schwach abgetheilt; jener gehörte allein einem ausgetrage- nen Kind an, dieser 2 weiblichen Fötus von 24 Zoll Länge vom Scheitel bis zum After. Die beiden letzteren Fötus sind mager und comprimirt, ihre Beine verdreht, die Ei- höhle sehr klein; ihre beiden Nabelstränge, namentlich der des kleineren Fötus, sind sehr dünn und stark zusammen- gedreht (vermuthlich die Veranlassung des Absterbens); der 272 ihnen angehörige Theil der Plazenta lederartig, mit anschei- nend obliterirten Gefässen. An der Plazenta entspringen beide Nabelstränge a a nur in % Zoll Entfernung von ein- ander, aber deutlich getrennt; weiterhin laufen sie 9 Zoll weit vereinigt; dann nach gablicher Theilung 2 Zoll weit getrennt zu den Fötus. In der. Placenta haben beiderlei Nabelstrangtefässe eine Anastomose b. Beitrag zur Anatomie der Retina. Vom Marquis ALPHonsE CorTı. (Hierzu Taf. VI. Fig. I—IV.) An Augen vom Schaf, Kaninchen und Ochsen, welche drei Monate lang in einer Chromsäure- Auflösung gelegen hatten, gelang es mir, die Nervenfasern und die Ganglienkugeln der Retina besonders schön zu isoliren. Hassall (The microscopie anatomy ofthe human body) beschrieb schon geschwänzte Ganglienkugeln der Relina, be- schäftigte sich aber nicht mit ihrem Verhältnisse zu den Nervenfasern, wozu die Chromsäure gewiss nicht nur ein vortreffliches, sondern auch unentbehrliches Mittel ist. In der frischen Retina vom Schaf und Schwein konnte ich nur durch die Bildung von Falten an ihrem freien Rande (innere Oberfläche) geschwänzte Ganglienkugeln sehen. An den isolirten fand ich aber nie einen Fortsatz. Schon bei einer sehr oberflächlichen Zerfaserung kom- men eine Menge Ganglienkugeln zum Vorschein, welche ih- rer Grösse und Gestalt nach in zwei Kategorien unterschie- den werden können. Die kleineren (Fig. II.) sind gewöhn- lich ovaler Gestalt und messen 0,0030 bis 0,0037. Die grösseren (Fig. I.) haben eine durchaus unregelmässige Ge- stalt, und ihre Grösse schwankt zwischen 0,009’ und 0,021”. Bei den allergrössten betrug der Nucleus 0,007’, der Nu- Müller's Archiv. 1850, 15 274 cleolus 0,0015’. Der Inhalt der Zelle und des Kernes ist feinkörnig. . Diese Ganglienkugeln sind immer mit mehreren Fortsätzen, deren ich bei den grössten bis auf acht zählte, versehen. Diese Fortsätze sind einfach contourirt, homogen, nur 0,0003‘, 0,0005’ oder höchstens 0,0007‘ dick, gewöhn- lich schwach varicös, und. verzweigen sich sehr oft gabel- förmig. Die Nervenfasern theilen sich auch oft gabelförmig (Fig. IIL), und stimmen überhaupt mit den Fortsätzen der Ganglienkugeln vollkommen überein. Die ersteren unter- scheiden sich von den letzteren nur dadurch, dass ihre Va- ricositäten oft, aber nicht immer, bedeutend grösser sind. Ich sah z. B 0,0005 dicke Nervenfasern, deren Varicosi- iälen 0,002” gross waren (s. Fig. IV.). An geeigneten Prä- paraten sieht man sehr deutlich die Ganglienkugeln zwischen den Nervenfasern eingelagert, ihre Fortsätze in dem Nerven- bündel sich verlieren, und zu seiner Zusammenselzung mit den Nervenfasern, von welchen sie gar nicht zu unterschei- ‚den sind, beitragen. | Somit bin ich nicht im geringsten im Zweifel, die Fort- tätze der Ganglienkugeln der Retina als wirkliche, nicht mehr doppelt contourirte Nervenfasern des Nervus opti- cus zu betrachten, und folglich ist bei den Säugethieren der Zusammenhang multipolarer Ganglienkugeln mit Nervenfa- sern, ‚welchen neulich Leuckart und R. Wagner (Nach- richten von der G. A. Universilät und der k. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Februar 25. 1850.) vom menschlichen Gehirne beschrieben haben, für die Retina festgestellt. | | In der Retina des Menschenauges fand ich auch, obwohl mit Mühe, geschwänzte Ganglienkugeln; da ich aber keine frische Präparate bekommen konnte, um sie sogleich in Chromsäure zu legen, wie ich bei den oben erwähnten Tbie- ren that, so waren natürlich die Elemente schon zu verdor- ben, um das Studium der feineren Verhältnisse zu gestatten. 275 Der unbedeutende und nicht immer vorhandene Unter- schied zwischen den Fortsätzen der Ganglienkugeln und den Nervenfasern, däss natürlich bei den ersteren die Varicosi- täten gewöhnlich kleiner sind, beweist ‚nichts. gegen ihre Identität, da, wie Kölliker in den Ganglienkugeln der Säugethiere im Allgemeinen und ich bei denen des N. acu- sticus dargestellt haben, die deutlichsten mit Ganglienku- geln zusammenhängenden Nervenfasern in ihrem Ursprung von der Ganglienkugel einfach contourirt, also verschieden- artig beschaffen sind. E1 & Erklärung der Abbildungen. Figur I. Ganglienkugel aus der Retina von einem Schafsauge, wel- ches drei Monate lang in einer Chromsäure - Auflösung ge- legen hatte. Grösste Länge dieser Ganglienkugel „35“. Grösste Breite „85“. Länge ihres Kernes z375. Breite desselben 245‘. Grösse des Kernkörperchens „45. „ 1. Ovale Ganglienkugel aus derselben Retina. IH. Sich theilende Nervenfaser aus derselben Retina. „ IV. Aehnliche Nervenfaser mit ungewöhnlich starken Varicosi- täten, EB, Messungen über den zeitlichen Verlauf der Zuckung animalischer Muskeln und die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven. Von H. HELMHoLTZz. (Der physikalischen Gesellschaft zu Berlin mitgetheilt am 19. Juli 1850.) ‘(Hierzu Taf. VII.) Die erste Abtheilung der vorliegenden Untersuchungen ist ein Theil einer, von mir nach weitläufigerem Plane begon- nenen Arbeit. Ed. Weber hat die Gesetze ermittelt, nach welchen die Muskeln im ruhenden und im anhaltend erreg- ten Zustande wirken, und dadurch die Grundlage für die Kenntniss ihrer mechanischen Wirkungen gelegt. Eine der Hauptfragen in diesem Gebiete kaun aber nicht durch Un- tersuchung des continuirlich erregten Muskels erledigt wer- den, diejenige nämlich nach der mechanischen Arbeit, die er zu leisten vermag. Der andauernd gleichmässig erregte Mus- kel bringt durch die erschöpfendste Anstrengung keine Ar- beit im Sinn der Mechanik hervor, er bewirkt nur, dass die Körpertheile in einer neuen Gleichgewichtslage ruhend ver- weilen. Um eine Arbeit zu leisten, Bewegungen des eige- nen Körpers, oder Veränderungen in der Aussenwelt hervor- 277 zubringen, muss der Muskel zwischen Ruhe und Erregung wechseln, und die Grösse seiner Arbeit wird wesentlich von der Geschwindigkeit des Wechsels abhängen. Ich habe aus diesem Gesichtspunkte begonnen, die Vorgänge bei der ein- fachen Zuckung des Muskels zu studiren; unter einer solchen verstehe ich eine Zusammenziehung, welche auf eine Reizung von verschwindend kleiner Dauer erfolgt. Ausserdem wird durch die elektrischen Erscheinungen bestätigt*), dass wahr- scheinlich jede scheinbar continuirliche Zusammenziehung des Muskels kein wirklich continuirlicher Zustand sei, son- dern auf einem schnellen Wechsel entgegengesetzter Moleku- larzustände beruhe. Wir dürfen also wohl andauernde Zu- sammenziehungen als eine Reihe so schnell sich folgender, einfacher Zuckungen betrachten,- dass jede vorhergehende beim Eintritt der folgenden noch nicht merklich nachgelas- sen hat. Bei diesem Verhältniss wäre also die einfache Zuckung der elementare Vorgang, aus welchem sich die an- deren zusammensetzen, und deshalb verspricht das Studium desselben, uns den leichtesten Zugang zu den hier vorliegen- den Problemen zu eröffnen. Meine Untersuchung der mechanischen Verhältnisse der einfachen Zuckung löst bisher nur einen Theil der zu stel- lenden Fragen, und ich würde ihre vollständigere Durchfüh- rung erwartet haben, ehe ich sie veröffentlichte, wenn nicht die darin ermittelten Thatsachen den Weg gebahnt hätten, die Frage über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven, welche im zweiten Theil der vorliegenden Ab- handlung behandelt wird, zu entscheiden. Da die Resultate dieses letzteren nicht dargestellt werden können, ohne auf das, was ich über die Vorgänge der Zuckung ermittelt hatte, Be- zug zu nehmen, und doch ein hinreichend grosses selbständiges Interesse haben, um eine Veröffentlichung auch dieser noch ") S. E. du Bois-Reymond, Untersuchungen über thier'sche Elektricität, Bd. II. Absch. 3. Kap. IV, $, 4, 278 nicht, vollendeten Untersuchungen zu rechtfertigen , wählte ich. den eingeschlagenen Weg. Eine kurze Andeutung der Methode und der Resultate der Untersuchung über die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven ist schon veröffentlicht in den Monatsberichten der Akad. der Wissensch. zu Berlin, 1850, Februarheft, und in den Comptes rendus de l’Acad. d. sc, T..- XXX. p. 204. 3 3. % Vorläufige Methode und ihre Resultate. Die mechanischen Eigenschaften eines Muskels sind, „ach den Untersuchungen von Ed. Weber, denen eines elastischen Bandes von veränderlicher Elasticität gleich, und ‚wie ‘bei diesem hängt der Zug, den er auf seine Befestigungs- punkte ausübt, oder seine Spannung, von seiner Länge ab. Wenn der Muskel sich im Zustand der Erregung befindet, ist die Spannung bei gleicher Länge eine andere, eine grös- 'sere, und demgemäss die Länge, welche demselben Grade der Spannung entspricht, eine kleinere. Ich beabsichtige im Folgenden namentlich zu untersuchen, in welchen Zeiträu- men diese Veränderungen nach der Einwirkung eines Rei- zes von verschwindend kleiner Dauer eintreten und wieder ‘aufhören. Ed. Weber hat den Zustand, in welchen der Muskel durch Reizung versetzt wird, als den „thätigen‘“ be- zeichnet. Da nun die Thätigkeit des Muskels in diesem Zu- stände nicht nur eine mechanische, sondern auch eine elek- -trische, thermische, chemische ist, und wir von vorn herein nicht wissen, ob in jedem Falle alle diese verschiedenen Richtungen gleichzeitig vermehrt und vermindert werden, — wollen wir die mechanische Aeusserung der Thätigkeit in dieser Abhandlung mit dem Namen der Energie des Mus- 213 kels bezeichnen. Der Gegenstand unserer nächsten Untersu- chung ist also die Frage: In welchen Zeiträumen und Stadien steigt und sinkt die Energie des Muskels nach momentaner Reizung? Die Dauer der Zuckung eines animalischen Muskels ist gewöhnlich nur ein kleiner Bruchtheil einer Sekunde‘, abge- sehn von einer länger dauernden, schwachen Nach wirkung. Da unsere Sinne zur unmittelbaren Wahrnehmung der ein- zelnen Zeitmomente innerhalb einer so kleinen Dauer nicht fähig sind, müssen wir künstlichere Methoden zu ihrer Beob- achtung und Messung anwenden. Von solchen sind na- mentlich zwei hier zu berücksichtigen. Bei der einen ‚wer- den durch einen geeigneten Mechanismus die Vorgänge, de- ren Zwischenzeit man erfahren will, auf einer mit gleich- mässiger Geschwindigkeil foribewegten Fläche notirt. Die Zeilunterschiede erscheinen auf dieser als proportionelle Raumunterschiede wieder und können durch letztere gemessen werden. Davon hat schon Lu d wig für physiologische Zwecke Gebrauch gemacht, um die Schwankungen des Blutdruckes in den Arterien und des TLuftdruckes in der Brusthöhle dar- zustellen. Die zweite davon wesentlich verschiedene Me- ihode der Zeitmessnng ist die von Pouillet vorgeschla- gene.*) Die Zeitdauer wird hier durch die Wirkung be- stimmt, welche während derselben eine Kraft von bekann- ter Intensität hervorgebracht hat. Pouillet lässt einen galva- nischen Strom, dessen Anfang und Ende genau dem Anfang und Ende des zu messenden Zeitraums entsprechen, auf einen ruhenden Magnet wirken; dann ist die Grösse des Bogens der Schwingungen, in welche der Magnet versetzt wird, der zu messenden Zeidauer proportional. Ich ging an die bezeichnete Untersuchung zunächst mit ‚der ersten Methode. Mittelst eines einfachen Apparats, der *) Comptes rendus. T. XIX. p.1384. —Poggendorff’s Annalen d. Physik. Bd. LXIV. p. 452. 280 vorläufig nur dazu dienen sollte, soviel von dem Verlaufe der einfachen Zuckung su erfahren, als ich brauchte um den definitiven construiren zu können, liess ich in ganz ähnlicher Weise, wie es Ludwig mit den Höhen des Blutdruckmes- sers that, die Höhe aufzeichnen, bis zu welcher ein an den Muskel»gehängtes Gewicht in den aufeinanderfolgenden Zeit- punkten der Zuckung erhoben wird. Die Versuche ergaben, dass eine genügende Vervollkommnung der Methode für die Zwecke der vorliegenden Frage durch die unvermeidliche Reibung der einzelnen Theile des Apparats vereitelt ‘werde. Zugleich boten sich mıir aber auch einige neue, den Verlauf der Zuckung betreffende Thatsachen dar, durch deren Kennt- niss es möglich wurde, die zweite Methode der Zeitmessung auf die hier vorliegenden Verhältnisse anzuwenden, Da die Schilderung dieser zweiten, vollkommneren Meihode ohne die Kenniniss der erwähnten Thatsachen vielleicht grössere Schwierigkeiten darbieten würde, und da die ersie Methode einen schnelleren, und durch einfachere Schlussfulgen zu erfassenden Ueberblick über den Verlauf der Zuckung ge- währt, so halte ich es für geeignet eine kurze Angabe ihrer Resultate hier herzusetzen, obgleich dieselben nur auf eine verhältnissmässig geringere Genauigkeit Anspruch machen können, als die der zweiten. An den ausgeschnittenen Wadenmuskel ‘eines Frosches wurde vermitielst einiger festen Zwischenstücke ein Gewicht gehängt. Eines dieser Stücke war ein gut polirtes grades Stahlstäbchen‘, welches durch zwei vertikal über einander befindliche Oefinungen zweier Metallplättchen ging, in denen es keine beträchtliche Reibung erlitt, aber doch verhindert wurde, Seitenschwankungen zu machen. Das Stäbchen trug an einem Querarm eiue feine Stahlspitze, die eniweder auf einer horizontal fortbewegten, leicht angerussten Glasplatte, oder auf einer rolirenden Cylinderfläche zeichnete. Die Be- wegung wurde durch ein sinkendes Gewicht hervorgebracht, und war vielleicht keine streng gleichmässige, sondern eine 281 leicht beschleunigte; jedenfalls war aber die Beschleunigung derselben innerhalb der hier in Betracht kommenden Zeit- räume von -/, bis 4 Secunde zu gering, um die Zeichnungen wesentlich zu entstellen. ‘Der zuckende Muskel zeichnete auf diese Weise Curven, deren horizontale Abseissen der Zeit proportional, deren vertikale Ordinaten der Erhebung des Gewichtes gleich waren. Diese Curven hatten im Allgemei- nen die Gestalt der in Fig. 4 dargestellten, welche mit Hülfe des Mikroskops nach einer der auf dem berussten Glasplätt- chen gezeichneten Linien copirt ist. ABist die Horizontallinie, welche gezeichnet worden wäre, wenn man den Muskel nicht gereizt hätte An ihr und an der Curve sind durch vertikale ‚Striche die Endpunkte von Abscissen angegeben, deren Abstände einer gleichen Zeitdiflerenz im Werth von 0,03 bis 0,04 eine Sekunde entsprechen; die vertikalen Er- hebungen sind 62 mal vergrössert. Den Muskel reizte ein durch ihn hingeleiteter, einzelner Oeffnungsschlag meines im Archiv, Jahrg. 1845, S. 154 beschriebenen Neef’schen Elek- tromotors, ebenso wie dort durch Einfügung grosser Leitungs- widerstände in den Kreis des inducirten Stroms geschwächt. Da der Apparat, wenn die Feder spielte, in’ der Sekunde 300 solche Oefinungschläge und 300 entgegengesetzt gerich- tete Schliessungschläge geben konnte, die Dauer der letzte- ren aber beträchtlich grösser ist, als die. der ersteren, so musste die Dauer eines jeden» einzelnen Oeffnungsschlages viel kleiner sein, als „4; Secunde. Jch betrachte also den reizenden Strom im Vergleich zu den Zeiträumen, welche bei der Muskelzuckung in Betracht kommen, als momentan. Die Curve giebt die Höhen an, bis zu welchen das Ge- wicht in. den durch die Abseisse gemessenen Zeiträunien er- hoben war. Diese Höhen sind nicht identisch mit denen, in ‘welchen das Gleichgewicht zwischen der Schwere des Gewichts und der augenblicklichen Muskelspannung statifin- dei. Wir: wollen diese letzteren „Höhen des Gleichge- wichts“ nennen, : Die Trägheit des Gewichts verhindert, \ 282 dass dasselbe unter dem Einfluss der darauf wirkenden Kräfte sogleich seine Gleichgewichtslage einnehme; desshalb muss sich nothwendig die Curve der Rrhebungshöhen von der der Höhen des Gleichgewichts mehr oder weniger un- terscheiden. Gleich der erste Blick lehrt, dass das Endstück der gezeichneten Curve aus Schwankungen um eine verän- derliche Gleichgewichtslage besteht. Ein Gewicht, welches, an einem elastischen Faden von starker elastischer Nach- wirkung schwebend, in vertikale Schwankungen gesetzt wäre, würde ganz ähnliche Wellenlinien zeichnen. Aber auch das Anfangsstück der Curve besteht aus abwechselnd concaven und convexen Stellen, die sich- allerdings nicht als so regelmässige Wellen zeichnen wie jene. Eine jede nach oben concave Stelle der Curve bezeichnet aber im ansteigen- genden Theile derselben eine Ansteigung mit beschleunigter, im absteigenden eine Absteigung mit abnehmender Gesch win- digkeit. ‘ Beide Arten der Bewegung können nur dadurch entstanden sein, dass während derselben die Resultante der wirkenden Kräfte nach oben gerichtet war. Eine jede nach oben convexe Stelle bezeichnet dagegen im ansteigenden Theile eine Ansteigung mit abnehmender, im absteigenden eine Absteigung mit zunehmender Geschwindigkeit, und lässt auf eine nach unten gerichtete Kraft schliessen. In den con- caven Stellen war also die Spannung des Muskels grösser, in den convexen kleiner als die Schwere des Gewichts; in jenen muss also ‘die Curve der @leichgewichtshöhen höher liegen als die gezeichnete Curve, in letzteren tiefer. An den- jenigen Punkten aber, wo concave in convexe Stellen über- gehn, müssen sich beide Curven schneiden, und die Erhe- bungshöhen .den Höhen des Gleichgewichts gleich sein. Wir lernen auf diese Weise für eine Reihe von Zeitpunkten die Höhen des Gleichgewichts kennen; sie sind in der Figur durch vertikale, punktirte Linien bei a, b, c u. s. w. ange- geben. ‘ Auch diese Höhen steigen anfangs und sinken dann allmälig nieder. Wir entnehmen daraus die bisher unbe- 283 kannte Thatsache, dass auch in’ den animalischen Muskeln, wie es in den organischen nur in sehr viel längern Zeiträu- men der Fall ist, die Energie des Muskels nicht im Augen- blicke einer instantanen Reizung sich vollständig entwickelt, sondern grösstentheils erst nachdem diese schon äufgehört hat, allmälig ansteigt, ein Maximum erreicht, und wieder verschwindet. Bisher haben wir den Einfluss der Reibung auf die Form der gezeichneten Curve vernachlässigt. Eine solehe findet theils im Innern des Muskels, theils zwischen Theilen des Apparats statt. : Die Reibung wirkt immer in dem Sinne, dass sie die grade stattfindende Bewegung ver- Raugsamt, also in den ansteigenden Theilen der Curve so wie ‘es eine nach“ "unten, in den absteigenden wie es eine nach oben gerichtete Kraft thun würde, und zwar desto stärker, je grösser die Geschwindigkeit der Bewegung. ‘Aus den re- ‚gelmässigen Wellenlinien am Ende der Curve erfahren wir, dass die Reibung zu gering war, um die allgemeine Form der Bewegung -daselbst merklich zu verändern, und können danach wohl das Gleiche für die übrigen Stellen vermuthen. Ich will aber ausserdem, um unser Hauptresultat zu sichern, den streng zu führenden Beweis hierher setzen, dass 'die Energie des Muskels, während das Stück be gezeichnet wurde, grösser gewesen sein muss, als beim Punkte b selbst. Das Stück be ist nach oben concav, die Geschwindigkeit wäh- rend desselben ist also eine beschleunigte gewesen, folglich 'in allen seinen Punkten grösser als die in’ b, ebenso die mit der Geschwindigkeit steigende und sinkende Reibung. In b, der Uebergangsstelle zwischen einem concaven und convexen Theile muss nach dem oben Gesagten die Spannung des Mus- kels gleich der Summe der Schwere des Gewichts und ‘der Kraft der Reibung gewesen sein, in den andern concaven Theilen von be aber grösser als die Summe. derselben Schwere, und der wegen vermehrter Geschwindigkeit eben- falls vermehrten Reibung. Demnach ist die Spannung des Muskels trotz seiner zunehmenden Verkürzung in b. kleiner 284 gewesen, als in den übrigen Theilen von be; daraus folgt, dass auch seine Energie von b aus gestiegen ist. "Wird die Reibung bei solchen zeichnenden Versuchen beträchtlicher, so verwischt sich der Wechsel von convexen und concaven Stellen immer mehr. Deshalb ist in den übri- gens sehr zarten und genauen Curven, welche ich durch die zeichnende Spitze im Glimmerblätichen einritzen liess, die Concavität be fast in eine grade Linie verwandelt, und von den Oscillationen des Endstücks ist meistens nur noch eine einzige sichtbar. Unter allen zum Zeichnen von mir ange- wendeten Materialien giebt angerusstes Glas die geringste Reibung; die, welche bei dieser Art des Zeichnens noch stattfindet, scheint hauptsächlich dem Muskel selbst, weniger den Theilen des Apparates anzugehören, und möchte sich deshalb kaum noch wesentlich verändern lassen... Da nun dadurch selbst bei möglichst vollkommner Einrichtung des Apparats eine grössere Genauigkeit der Messungen vereitelt wird, habe ich den bisher verfolgten Weg verlassen, und die gewonnenen Resultate benutzt, mir einen andern zu bah- nen, auf welchem wir sie durch genauere Messungen bestä- tigt finden werden. $. 1. Die Anwendung der Methode von Pouillet für die Muskelzuckung. Die Grundlage der Methode von Pouillet zur Messung kleiner Zeiträume besteht darin, dass die Zeit, während wel- cher ein galvanischer Strom von bekannter Intensität von einem Drathgewinde aus auf einen Magnet gewirkt hat, genau aus dessen veränderter Bewegung berechnet werden kann. Es ist bis jetzt noch keine Grenze der Kleinheit von Zeittheilen abzusehen, deren Messung auf diese Weise nicht 285 möglich werden sollte, da man die Intensität des wirken- den Stromes und die Grösse seiner Wirkung auf den Ma- gnet durch Vermehrung der elektromotorischen Elemente und der Windungen des Drathgewindes beliebig steigern kann. : Eine andere Beschränkung trifft aber den Gebrauch dieses Verfahrens. Man muss es nämlich zu bewirken wis- sen, dass Anfang und Ende des gedachten Stromes, welchen wir fortan den zeitmessenden. nennen wollen, genau mit dem Anfang und Ende des mechanischen Vorgangs zusammen- fallen, dessen Dauer gemessen werden soll. In den zu be- schreibenden Versuchen, fing der zeitmessende Strom in dem Augenblicke an, wo ein instantaner elektrischer Schlag durch den Muskel oder seinen Nerven ging, und endigte dadurch, dass die Leitung, in welcher er kreiste, durch die Zusam- menziehung des Muskels unterbrochen wurde. Gleichzeitig konnte aber die Spannung genau bestimmt werden, welche der Muskel erreichen musste, um die stromleitenden Metalle von einander trennen zu können. Die zu berechnende Dauer des zeitmessenden Stromes ist also identisch mit der Zeit, welche zwischen der Reizung des Muskels oder seines Ner- ven und dem Augenblicke verfliesst, in welchem seine Span- nung eine bestimmte Grösse erreicht hat. Durch eine Reihe solcher Messungen, bei denen man den Muskel verschieden grosse, entgegenstehende Kräfte überwinden lässt, erfährt man, in welchen Zeiträumen sich nach einander die ver- schiedenen Grade der Energie desselben entwickeln. Die von mir gebrauchten Vorrichtungen Berfallen. in fol- gende wesentliche Theile: 1) diejenigen, welche zur Erregung, Leitung und zur Mes- sung der Wirkung des zeitmessenden Stromes dienen. 2) diejenigen, welche einen zweiten Strom erregen und leiten, dessen Bestimmung es ist, den Muskel Bien sei- nen Nerven zu reizen. 3) die, vermittelst deren der Muskel den zeitmessenden Strom unterbricht. 286 Des leichteren Verständnisses wegen beginne ich mit der Beschreibung des letzten Apparates, von welchem ein vollständiger Durchschnitt in Fig. 1, der obere Theil eines darauf rechtwinkeligen anderen Durchschnittes in Fig. 2 dar- gestellt ist. Das Gestell besteht .aus zwei quadratischen Brettern AA und BB, welche durch vier hölzerne Säulen verbunden sind. Das untere ruht auf'Stellschräuben, das obere trägt die beiden Messingsäulen C D, diese den Quer- balken DD, darauf ruhen wieder die Säulchen L, mit dem Querbalken F F, endlich der Hohleylinder aabb, dessen obe- rer, ebener Rand behufs der elektrischen Isolation aus El- fenbein besteht. Die .darauf liegende, unten eben abgeschlif- fene Platte HH ist nicht befestigt, sondern liegt lose auf. Durch ihre Mitte geht die Schraube I, deren unteres Ende in ein stählernes Häkchen ausläuft, an welchem der Muskel hängt. Um den Wadenmuskel des Frosches daran zu befe- sligen, stiess ich dasselbe in das untere Gelenkstück des Oberschenkelbeins ein, welches Stück vom übrigen Knochen getrennt wurde, dagegen mit dem Muskel, der sich an ihm inserirt, in Verbindung blieb. Dnrch die Aufhängung mit- telst der Schraube ist es möglich, den Muskel nach Bedürf- niss höher und tiefer zu stellen, nach rechts oder links zu verschieben, und um seine Axe zu drehen. Derselbe hängt in einem fast vollständig geschlossenen Raume, dessen Luft mit Feuchtigkeit gesättigt werden kann, um das Austrock- nen des Präparats zu verhindern. Dieser Raum wird ge- bildet durch die auf dem Querbalken D D ruhende, matige- schliffene Glasplatte EEund die darüber befindliche Glasglocke, deren unterer Rand eben geschliffen ist, und deren obere Oeffnung durch zwei halbkreisförmige Messingstückchen G G "und den in der Mitte hindurchtretenden Cylinder aabb ge- schlossen wird; es bleibt also nur die Oeffnaung in dem ey- lindrischen unteren Ansatze c des Querbalkens DD. Die Art des Verschlusses der oberen Oeffnung macht es möglich, die Glocke zu entfernen, und wieder aufzusetzen, ohne die 287 Lage des Muskels zu verändern. Die Luft in der Glocke wird durch nasse Pappscheiben feucht erhalten, welche man an den Wänden derselben und auf der Glasplatte EE an- bringt; es wurde dadurch möglich, den ganz frei liegenden Nerven 3 — 4 Stunden leistungsfähig zu erhalten. ‚Die Zu- leitung des Stroms zum Nerven kann durch vier Kupfer- ‚drähte geschehen, von denen nur zwei vv in Fig. 2 gezeich- net sind. w ist der Nerv; die Drähte vv sind in Klemm- schrauben befestigt. Die Körper der letzteren durchbohren die Glasplatte, und ihre unteren Theile uu stehen durch Kupferdrähte in leitender Verbindung mit dem Quecksilber in den vier Näpfchen t. Indem. man durch beliebige zwei von diesen Näpfchen und die entsprechenden Drähte v den zur Reizung des Nerven dienenden Strom einleitet, kann man verschiedene Stellen des Nerven der Wirkung desselben aussetzen. Sollte der Schlag durch den Muskel selbst ge- hen, so wurde einer der Drähte v an sein oberes sehniges Ende gelegt, und statt eines zweiten zwischen der entspre- chenden Klenımschraube und dem Häkchen d, welches in den Knorpel der Achillessehne eingehakt ist, ein äusserst feines, wie ein Seidenfaden biegsames Silberdrähtchen ein- geschaltet, wie es zu Posamentirarbeiten gebraucht wird. Am Muskel hängt eine Schale K für Gewichte, vermittelst folgender Zwischenstücke. 1) ein oder zwei stählerne Häk- chen d und e, 2) ein viereckiger stählerner Rahmen f,, in dessen unteres Querstück ein Eifenbeinplättchen mit koni- scher Vertiefung eingelegt ist. Diese Vertiefung ist bestimmt zur Aufnahme der oberen Stahlspitze des folgenden Stücks. 3) Das stromleitende Zwischenstück ghikl, welches ich unten genauer beschreiben werde. 4) Ein zweiter vierecki- ger Rahmen f,, von derselben Gestalt wie f,, welcher aber kein isolirendes Elfenbeinplättchen zu iragen braucht. 5) Der stählerne Haken r, an welchem endlich vermittelst mes- singener Ketten die Schale K bängt, Das stromführende Zwischenstück nenne ich so, weil es gleichzeitig zur Lei- 288 tung des zeitmessenden Stromes dient. Seine Zusammenset- zung erhellt am besten aus Fig. 2, wo es durch den Muskel von seiner Unterlage abgehoben dargestellt ist. Es besteht aus zwei geraden Stahlstängchen gl, welche durch fünf mes- singene Querbalken verbunden sind, g, h, i, kund 1. Von die sen trageng und | stählerne Spitzen, welche in die konischen Vertiefungen von f, und f,, eingreifen. In h und k befinden sich kupferne Schrauben mit Gegenmuttern, von denen die er- stere am untern Ende eine abgerundete Kuppe m von Gold, die andere eine gut amalgamirte Spitze hat; beide dienen zur Ein- und Ausleitung des zeitmessenden Stroms. Die Goldkuppe m ist bestimmt, auf dem Goldplättchen n zu ru- hen, welches der mittelst Klemmschrauben verstellbare Quer- balken MM trägt. Die amalgamirte Spitze kann mit dem Quecksilber in dem Näpfchen o in Berührung gesetzt wer- den. Das letzte Querstück i enthält eine Stahlspitze, wel- che nur bei solchen Versuchen gebraucht wird, wo man gleichzeitig die Höhe der Erhebung des Gewichts messen will. Das Näpfchen o befindet sich in einer isolirenden Platte von Gutta-Percha pp, welche auf dem Querbalken NN ruht. Die Platte ist bei y zerschnitten, und durch einen Lederstrei- fen wieder zu einem Charniergelenk verbunden. Das klei- nere Stück .derselben ist an das Messingstück NN durch Er- wärmen angeklebt, das grössere liegt frei auf, und wird durch den federnden Draht qq angedrückt. Letzterer bringt zugleich das Quecksilber des Näpfchens o in leitende Ver- bindung mit dem von s. Der Sinn dieser Anordnung ist folgender. Denken wir, der Muskel trage vermittelst der erwähnten Zwischenstücke ein gewisses Gewicht, welches wir seine Belastung nen- nen wollen, und er werde durch Drehung der Scheibe HH, während die Schraube I nicht mitgedreht wird, so weit ge- senkt, dass die Goldkuppe m das Goldplättchen n gerade berühre. Unter diesen Umständen ist die Spannung des Muskels gleich der Schwere seiner Belastung. Die geringste 289 Steigerung seiner Energie wird die Belastung um ein Weni- ges erheben und m von n entfernen müssen. Nachdem der Muskel so eingestellt ist, werde noch ein gewisses Gewicht auf die Schale K gelegt, welches wir die Ueberlastung nennen wollen. Die angehängten Theile können dadurch nicht weiter herabgezogen, der Muskel nicht stärker gespannt werden, weil sich die Goldkuppe m auf das Plättchen n auf- stützt. Wenn jetzt der Muskel gereizt wird, ist es klar, dass er das Gewicht erst dann erheben kann, wenn seine elastische Spannung gleich der Summe der Belastung und - Ueberlastung geworden ist. Es wird also jetzt der zeitmes- sende Strom, welcher von n auf m, dann durch das strom- führende Zwischenstück und die amalgamirte Kupferspitze in das Quecksilber von o übergeht, erst in dem Augenblicke un- terbrochen werden, wo.die elastische Spannung des Muskels sich um eine, durch die Schwere der Ueberlastung genau zu messende Grösse vermehrt hat. Das war es gerade, was wir von unserem Apparate verlangten. Es ist hier noch zu bedenken, dass am Ende der Zuk- kung, wenn die Goldkuppe m wieder auf das Plättchen n herabsinkt, der zeitmessende Strom: wıeder geschlossen, und dadurch die Messung vereitelt werden würde, wenn nicht gleichzeitig die Leitung desselben noch an einem an- dern Punkte dauernd unterbrochen würde. Um diesen Zweck zu erreichen, obne dabei die freie Beweglichkeit der aufge- hängten Theile zu beeinträchtigen, habe ich mehr Nachsin- nen und complieirte Hülfsmittel aufgeboten, als wegen irgend eines anderen Theils des Apparats, bis sich zuletzt der ein- fachste und leichteste Ausweg eröffnete, Die amalgamirte Spitze ist nämlich so gestellt, dass sie ganz nahe über der Fläche des Quecksilbers in o schwebt. Hebt man den freien Theil der Gutta-Percha - Platte pp ein wenig, so dass das Quecksilber und die Spitze sich berühren, so bleibt jenes an dieser haften, auch wenn die Platte wieder gesenkt wird. Das Quecksilber ‘erhält dann eine kegelförmig nach der Müller’s Archiv, 1850, 19 290 Spitze emporsteigende Oberfläche, wie sie in Fig. 1 darge- stellt ist. Wird aber während der Zuckung des Muskels die Spitze gehoben, so reisst das (Quecksilber ab, nimmt seine rundliche Oberfläche wieder ein (Fig. 2), und da beim Zu- rückfallen die Spitze dieser Oberfläche gar nicht wieder be- rührt, bleibt die Stromleitung zwischen beiden Theilen unterbro- chen. Um die Vorrichtung in gutem Stande zu erhalten ist es nur nöthig von Zeit zu Zeit mit einem Pinsel zwischen Spitze und Quecksilber hinzufahren, und sie dadurch von Staub zu reinigen; sie erfüllt dann ihren Zweck, selbst bei Erhebun- gen der Spitze von „4; mm. Höhe. | 2) ZLeitungsapparat des zeitmessenden Stroms. Da wir in dem Wege dieses Stroms eine Stelle von etwas veränderlichem Widerstande haben, nämlich die, wo die Goldkuppe ım das Plättchen n mit veränderlichem Druck, daher auch mit verschiedener Innigkeit berührt: so war es vortheilhaft, den übrigen constanten Widerstand der Leitung zu ‚vergrössern, damit jener veränderliche Theil desselben an Grösse ‚dagegen verschwinde. Das Galvanometer besteht deshalb aus 1400 Windungen übersponnenen Kupferdrahtes von 0,012 p. L. Dicke, welche auf einen Holzrahmen gewik- kelt sind, der den gewöhnlich bei Multiplicatoren gebräuch- lichen ähnlich, nur etwas grösser ist. Parallel den Win- dungen hängt neben einer der Seitenflächen desselben, 0,03 mt. von ihr entfernt, das 0,09 mt. lange Magnetstäbchen an meh- reren 1 mt. langen Coconfäden. Der Magnet trägt ein Spie- gelchen und zwei verschiebbare dicke Metallringe, welche dazu dienen, seine Schwingungen hinreichend langsam zu machen, um bequem die Ausschläge ablesen zu können, Die Sch wingungsdauer ist 24,607 Sekunden. Die Messung der Schwingungen geschah nach der von Gauss und Weber eingeführten Methode durch Beobachtung des in dem Spiegel des Magnetes gesehenen Bildes einer horizontalen Scale mit- telst eines Fernrohrs. Der Mittelpunkt der Scale ist von dem des Magnetes 1500 Scalentheile entiernt, so dass jeder Theil- 2 strich emer Ablenkung desselben um den Winkel von 1 Min. 9° Sec. entspricht. Ich durfte den Magnet den Drahtwin- dungen so weit nähern, ohne fürchten zu müssen, dass die Ablenkungswinkel aufhörten, den Stromeskräften proportional zu sein, weil in den folgenden Versuchen, währendder Dauer des zeitmessenden Stromes, stets der Magnet den Windungen parallel ist, und bei den Intensitätsmessungen des Stromes die Ablenkungen sich nur auf zwei Winkelgrade belaufen. Als erregende Elemente wandte ich vier Daniellsche an. Der von ihnen erregte Strom wirkte viel zu kräftig auf den Magnet, als dass die Intensität desselben mittelst des Spie- gelbildes der Scale hätte gemessen werden können. Es ist dieser Umstand eine der Schwierigkeiten der Methode. Die Wirkung der dauernden Ablenkung ist immer um so sehr viel grösser als diejenige, welche der Strom während der kurzen Dauer der zu messenden Zeiträume hervorbringt, dass beide nicht ohne Weiteres an demselben Instrumente gemessen werden können und, um schliesslich aus den Aus- schlägen des Magnetes die Zeit zu berechnen, muss man das Verhältniss jener beiden Wirkungen kennen. Pouillet hat zur Beseitigung dieser Schwierigkeit ein Verfahren angege- ben, welches aber, wie Siemens*) gezeigt hat, keiner gros- sen Genauigkeit fähig ist. Ich habe deshalb einen anderen Weg eingeschlagen. Zur Messung der dauernden Ablenkung leitete ich nur einen kleinen, aber genau bestimmbaren Theil des Stroms durch das Galvanometer. Ich entfernte dasselbe zu diesem Zwecke aus der Leitung und fügte dafür zwei Draht- stücke ein, welche zusammen einen ebenso grossen Wider- stand darboten; der des kürzeren dieser Stücke war. genau IHK von dem des Galvanometers. Die Abgleichung der ’ Summe der Widerstände beider Drähte mit dem des letzte- ren geschah nach der von Wheatstane angegebenen Me- *) Fortschritte der Physik im Jahre 1845, dargestellt von der phy- sikalischen Gesellschaft zu Berlin. S. 50, 19 * 232 thode*) Der Strom welcher diese neue Leitung durchfloss, war daher genau so gross wie der, dessen Intensität bestimmt werden soll, _Schaltete man dann das Galvanometer als Nebenschliessung des kürzeren erwähnten Drahtstückes ein, so zweigte sich des ganzen Stromes durch dasselbe ab, 1 142.06 man braucht also nur die unter diesen Verhältnissen beob- achtete Ablenkung mit 142,06 zu multiplieiren, um die dau- ernde Ablenkung durch den ungetheilten Strom zu finden.**) Da es sich als vortheilhaft zeigte, nach jedem zeitmessenden Versuche, den getheilten Strom zur Beruhigung des Magne- tes zu gebrauchen, ordnete ich die Leitungen so an, dass die beiden bezeichneten Verbindungsweisen durch blosses Umlegen eines Gyrotrops sehr schnell mit einander vertauscht werden konnten. | 3) Der erregende Strom, Gereizt habe ich den Muskel oder seinen Nerven. theils durch Schliessung eines von vier Daniellschen Elementen er- regten galvanischen Siromes, der durch ihn hin geleitet wurde, theils durch momentane Inductionsströme. Das er- stere Verfahren hatte neben anderen kleinen den grösseren Nachtheil, die Reizbarkeit des Muskels durch die längere Dauer der Durchströmung schneller zu erschöpfen, gab übri- gens ganz eben solche Resultate wie das letztere. Der an- gegebene Nachtheil war noch grösser bei den Versuchen, wo der Muskel auf die Beendigung eines ihn durchfliessen- den galvanischen Stromes antworten sollte, weil dieser noth- *) Poggendorffs Wurthieh d. Physik. Bd. LXI. S. 535. — Phi- los, Transactions. 1843. p. 332. **) Allerdings wird der Sirom durch Hinzufügung der Neben- schliessung etwas verstärkt, jedoch in so geringem Maasse, dass dieser Umstand hier ganz vernachlässigt werden konnte, In der That beträgt die dessfallsige Correction des Factors 142,06 auch im ungünstigsten Falle, wenn nämlich der Widerstand der übrigen Leitung gegen den der hier besprochenen Stücke ganz verschwände, nur 0,007, also noch keine Einheit in der letzten Decimalstelle. 293 wendig schon vom Beginn des Versuchs an, also mindestens während der Zeit einer ganzen Schwingungsdauer des Ma- gnetes vor der Zuckung geschlossen sein musste. Wesentliche Bedingung ist, dass der erregende Vorgang der Zeit nach genau zusammenfalle mit dem Beginn des zeitmessenden Stromes. Im Fall der Muskel auf den Ein- tritt eines galvanischen Stromes antworten soll, ist diese Bedingung sehr leicht und vollständig auf folgende Weise zu erfüllen. K, Z, und K,Z, (S. d. schematische Zeich- nung Fig. 7) sind zwei galvanische Batterieen, jede aus 4 Daniellschen Elementen bestehend ; die Zinkenden befinden sich bei Z, und Z,, und sind mit dem Quecksilbernäpfchen c in leitender Verbindung. Die Kupferpole sind durch die Leitung K,bda&GK,, verbunden. Bei b ist der Muskel in die Leitung eingeschaltet, a soll die Stelle bezeichnen, wo durch seine Zuckung die Leitung unterbrochen wird, d ist eine amalgamirte Spitze, @ das Galvanomeler. Ist die Leitung in dem Zustande, wie sie hier abgebildet ist, so besteht sie aus einem einzigen Kreise, in welchem zwei gleiche Batte- rien sich entgegenwirken, also kein Strom entsteht. Die et- waigen geringen Unterschiede ihrer elektromotorischen Kräfte verschwinden für die Wahrnehmung fast vollständig wegen der Ladungen, welche sich sehr schnell auf den Häkchen entwickeln, zwischen denen der Muskel befestigt ist, uud durch welche zugleich der Strom in ihn eingeleitet wird. Wird aber die Spitze d in das Näpfchen c getaucht, so ha- ben wir zwei von einander unabhängige Stromkreise K, b de Z,.undK, G ad ce Z,, welche beide nur mit der Stelle cd an einander hängen. Beide werden genau in demselben Augenblicke geschlossen, nämlich wann die Spitze d zuerst das Quecksilber in ce berührt. Der Muskel unterbricht da- rauf die Leitung des zeitmessenden Stromes bei a. Wird alsdann ce von d wieder getrennt, so ist kein geschlossener Kreis mehr vorhanden, und alle Ströme hören auf. In allen Versuchsreihen, welche ich später anführen 294 werde, habe ich das zweite Verfahren gebraucht; der: Mus- kel ist durch einen Inductionsstrom gereizt worden, welcher durch die Wirkung zweier nicht mit Eisen gefüllter Draht- spiralen auf einander erregt wurde. In dem Augenblicke, wo ein die eine derselben durchkreisender galvanischer Strom geschlossen wird, entsteht in der zweiten ein inducirter Strom von sehr kurzer Dauer, welcher in entgegengesetzter Richtung durch die Windungen läuft. In dem Augenblicke dagegen, wo der erstere erregende Strom aufhört, entsteht wieder ein inducirter Strom in der zweiten Spirale, dieses Mal aber dem- inducirenden gleich gerichtet. Die elektroma- gnetische Wirkung der inducirten Ströme, wenn sie einen Magnet ablenken, ist in beiden Fällen gleich; aber der zweite hat eine viel kürzere Dauer und eine ebenso vielmal grössere Intensität als der erste. Da es mir wesentlich auf eine möglichst kurze Dauer ankam, wählte ich zur Reizung der Muskeln den bei der Unterbrechung des primären Stromes inducirten secundären, und brachte kein Eisen in die Spira- len, weil durch dessen Anwesenheit die Wirkung zwar sehr verstärkt, aber auch verzögert wird. Die indueirende Spi- rale konnte ganz in die indueirte hineingeschoben, oder mehr oder weniger von ihr entfernt werden, wodurch die indueirten Ströme stärker oder schwächer wurden. Um die thierischen Theile möglichst zu schonen, brauchte ich meist sehr schwache Ströme, welche wohl kaum durch ein ande- res Galvanoskop sichtbar gemacht werden können, als durch den Froschnerven. Wegen ihrer Schwäche konnten auch nie unipolare Wirkungen eintreten, welche sonst den Ge- brauch solcher Ströme für physiologische Zwecke, wenn die Wirkung localisirt werden soll, sehr misslich machen.*) Dass der Augenblick, wo der inducirende Strom aufhört, und der inducirte den Muskel oder Nerven durchfährt, genau mit demjenigen zusammenfalle, wo der zeitmessende Strom ——o nn *) $. E, du Bois-Reymiond, Untersuch, u, s. w. Bd. I. 8.435 ff, 295 ‚anfängt, habe ich durch den einfachen in Fig. 6 abgebildeten Mechanismus erreicht. AB ist ein bei hinreichender Festig- keit möglichst leichtes Brettchen, welches um die stählerne Axe dd drehbar ist, dessen Drehung aber durch die beiden Klötze F und G auf einen ganz kleinen Winkel beschränkt wird. Bei B ist darin eine Platinspitze e befestigt, welche unten auf das Platinplättchen f aufstösst. Durch eine schwa- che Feder wird das Ende B des Brettchens eben nur kräf- tig genug herabgedrückt, um sicher die metallische Berührung. zwischen e und f herzustellen. Das letztere Plättchen steht mit dem Draht g und dem Quecksilbernäpfchen h in leiten- der Verbindung, die Spitze e aber mit dem sehr biegsamen Drahte b, b,,, der seitlich von dem Hebelchen ebenfalls nach einem Näpfchen hinführt. Am andern Ende A des Brett- chens befindet sich ein Platinplättchen, welches mit einem ähnlichen Drahte a, a,, und einem entsprechenden Näpfchen i eine leitende Verbindung bildet. Ich werde diesen Apparat im Folgendem mit dem Namen der Wippe bezeichnen, Dazu gehört noch der Schliessungsstab ©, ein kupfer- ner Stab mit Schraubenklemme zur Einfügung des Drahtes ec, €, und einem vergoldeten und abgerundeten unteren Ende. Letzterer wird in der Hand gehalten; wenn man sein unteres Ende auf das Plättchen bei A aufsetzt, wird eine leitende Verbindung hergestellt zwischen dem Drahte c, e, und dem a, a,. Geschieht dieses Aufsetzen hinreichend kräftig, so wird gleichzeitig das Breitchen AB in Bewegung gesetzt, A gesenkt, B gehoben, und dadurch die Spitze e von der Platte f getrennt. Ist also der zeitmessende Strom durch e, ce, C Aa, a, i geschlossen, und der inducirende durch hg, g, fe b, b,, so wird letzterer in dem Augen- blicke geöffnet, wo ersterer geschlossen wird. Streng ge- nommen wird allerdings zwischen der ersten Berührung von C mit A und der Trennung der Spitze e von f eine Zeit verfliessen, welche zur Fortpflanzung des Stosses durch die elastische Masse des Holzes nöthig ist, Davon aber, dass 296 diese Zeit zu klein ist, um selbst mit unserem Apparate wahrgenommen werden zu können, kann man sich auf fol- gende Weise überzeugen. Man stelle eine Leitung her zwi- schen b,, und i, und setze das Näpfchen h und den Draht ‘ec, e,, mit den beiden Enden der Leitung des zeitmessenden Stromes in Verbindung. Setzt man jetzt den Schliessungs- stab C auf das Plättchen A so leise auf, dass das Hebelchen nicht bewegt wird, so wird der Strom dauernd geschlossen über hg, g,feb,b,ia,a, ACc, c,, und der Magnet wird gewaltsam gegen die Wände seines Kastens geworfen. Setzt man dagegen den Schliessungsstab kräftig auf, dass das Hebelchen gehoben wird, so wird der bei A geschlossene Strom auch sogleich wieder zwischen e und f unterbrochen, dauert also nur so lange, als zur Uebertragung des Stosses nach B nöthig ist. Ich habe dabei aber niemals die geringste Wirkung auf den Magnet gesehen. Durch Einfluss von Luft- strömungen könnten allenfalls Aenderungen seines Schwin- gungsbogens von 4 Scalentheil verdeckt werden, was einer 1 10000 denfalls genügt es zu wissen, dass der Fehler, welchen un- Zeitdauer von etwa Secunde entsprechen würde. Je- ser Mechanismus einführt, viel kleiner ist, als die übrigen nieht zu vermeidenden Störungen der Versuche. Wir haben bisher den zur Reizung angewendeten Strom einen momentanen genannt; es fragt sich indessen noch, in wie weit wir dazu berechtigt sind. Die Dauer solcher In- ductionsströme hat sich bisher durch ihre Kleinheit allen Messungen entzogen, und ist deshalb in allen Anwendungen immer als verschwindend klein betrachtet worden. Indessen kommen wir bei mehreren der späteren Versuche der Grenze, bis zu welcher man die Feinheit der Beobachtungen bisher getrieben hat, sehr nahe oder überschreiten sie selbst. Ich musste darum nach Mitteln suchen, wodurch ich mich über- zeugen konnte, dass die Dauer der angewendeten Ströme auch gegen so kleine Zeiträume nicht in Betracht kommt, 297 wie die von mir gemessenen sind Dazu bot mir die eben beschriebene Wippe eine Gelegenheit, nachdem eine kleine Veränderung daran vorgenommen war. Ich befestigte näm- lich an der Stelle des Platinplättchens A ein amalgamirtes Kupferplättchen, auf welchem eine ganz dünne Lage flüssi- gen Quecksilbers ausgebreitet war, und ersetzte den Schlies- sungsstab durch einen ähnlichen mit amalgamirter Spitze. Wenn ich nun mit diesem gegen die amalgamirte Platie stiess, so schloss er die Leitung zwischen ec, und i in dem Mo- mente, wo er zuerst das flüssige Quecksilber berührte. Das Hebelehen bewegte er aber und unterbrach dadurch die Lei- tung zwischen h und b, erst dann, wenn er durch die Quecksilberschicht bis zur Kupferplatte vorgedrungen war. Die Zwischenzeit beider Momente wurde nach demselben Verfahren gemessen, durch welches wir uns vorher davon überzeugt haben, dass die Zeit der Fortpflanzung des Stos- ses in der Wippe eine verschwindend kleine sei. Ihre Grösse ergab sich zu 0,00012 bis 0,00033 Secunden; sie va- riirt natürlich nach der Geschwindigkeit des Aufsetzens; hier genügt es aber ihren Werth nur ungefähr zu kennen. Lässt man nun im ersten jener Momente den indueirenden Vor- gang beginnen, unterbricht im zweiten die Leitung des indu- eirten Stromes, der bis dahin das Galvanometer durchkreist hatte, so erfährt man aus der Wirkung auf den Magnet, ob in der angegebenen Zeit der ganze oder nur ein Theil des inducirten Stromes hindurch gegangen sei. Um durch Auf- setzen des Schliessungsstabes den inducirenden Strom zu unterbrechen, ordnete ich die Leitungen so an, dass der Stab und die zugehörige Leitung der Wippe eine Nebenschlies- sung von verhältnissmässig geringem Widerstande für die in- ducirende Spirale bildeten. WVurde der Stab aufgesetzt, so ging fast der ganze Strom, der bisher die Spirale durchkreist hatte, von dieser auf die neue Schliessung über. Dadurch wurde in der zweiten Spirale ein Strom inducirt, der die- selbe Richtung und dieselbe Grösse elektromagnetischer Wir- 298 kung, aber eine viel grössere Dauer hatte, als derjenige, welchen ich bei den physiologischen ‘Versuchen durch blosse Unterbrechung der Leitung der inducirenden Spirale zu erre- gen pflegte. Die Verschiedenheit der Dauer rührt davon her, dass sich bei, Einschaltung einer Nebenleitung auch in der inducirenden Spirale ein indueirter Strom bilden kann, bei unterbrochener Leitung aber nicht. Wie gross dieser Unterschied sei, lässt sich daraus beurtheilen, dass bei den mächtigen Apparaten von Henry*) die physiologische Wir- kung des Oeffnungsschlages ganz aufhörte, wenn der Strom wegen Einschaltung einer guten Nebenschliessung statt durch Unterbrechung der Leitung verschwand. In unseren Versu- chen lenkte der inducirte Strom, wenn er ganz durch das Galvanometer ging, den Magnet um 1,4 ab, wurde er aber durch Hebung der Wippe auf die angegebene Weise nach der vorher gemessenen Zwischenzeit unterbrochen, nur um 0,4 bis 0,6. Es ging also in der Zeit von 0,00012 bis 0,00033 Secunden, 4 bis 2 dieses Stroms hindurch. Da nun ‚die Dauer desselben eine vielmal grössere war, als die der zur Reizung gebrauchten Ströme, so können wir daraus ent- nehmen, dass die Dauer der letzieren jedenfalls nur wenige Zehntausendtheile einer Sekunde betrug, und insofern wirk- lich als momentan gegen die bei der Muskelzuckung zu mes- senden Zeiträume betrachtet werden kann. | Es bleibt uns schliesslich noch übrig, die Methode der Berechnung unserer Versuche anzugeben. Wir müssen da- bei bedenken, dass der Magnet niemals dauernd in absolute Ruhe versetzt werden kann, sondern wenn man dies auch für einen Augenblick erreichen möchte, dass er doch bald durch Einfluss der Lufiströmungen wieder anfangen würde zu schwingen. Wir müssen deshalb zum Zwecke der Be- *) 8. Poggendorff’s Annalen d. Physik. Bd. LIV. S. 87. — Phil. Magaz. Ser. III. Vol. XVII. p. 482. —Ueber das ganze Verhält- niss s. E. du Bois-Reymond, Untersuchungen u. s. w. Bd. I. 2. Abschn. Kap. IL $. IV, 299 rechnung von der Annahme ausgehen, dass der Magnet schon vor der Einwirkung des zeitmessenden Stroms in Schwin- gungen begriffen sei. Die Zeitdauer t des zeitmessenden Stroms kann berech- net werden, so oft man kennt 1) die Grösse des Ausschlags oder des halben Schwingungsbogens h, vor der Einwirkung des Stroms, 2) die Grösse desselben h,, nachher, 3) die Ablenkung &, welche stattfand in dem Augenblicke, wo der zeitmessende Strom geschlossen wurde, 4) die Schwingungs- dauer T des Magnets und 5) die Ablenkung I, welche der zeitmessende Strom hervorbringen würde, wenn er gleich- mässig anhielte.. Wie die letztere ermittelt wird, ist schon angegeben; h, und h,, können mit äusserster Genauigkeit ab- gelesen werden, dagegen kann « nicht hinreichend genau bestimmt werden, wenn die Schwingungsbögen und somit auch die Geschwindigkeit des Magnets gross sind. Die For- mel, nach welcher t berechnet werden kann, wenn dasselbe ein so kleiner Theil von T ist, dass t? gegen T? verschwin. det, ist folgende: = ZalV eV el, worin für beide Wurzeln der positive Zahlenwerth dersel- ben zu nehmen ist, wenn der Strom die vorhandene Ge- schwindigkeit des Magnets vermehrt, für beide der negative, wenn er sie vermindert, endlich blos für die zweite der ne- galive, wenn er sie umgekehrt hat. Aus dieser Formel er- giebt sich gleichzeitig, dass ein Fehler im Werthe von «& am wenigsten den Werth von t verändern wird, wenn @&=0, dt 3 weil dann auch u: 0. Wir entnehmen daraus die’ Re- gel, den zeitmessenden Strom in dem Augenblick zu schlies- sen, wo der Magnet den Meridian passirt. _ Der mögliche Fehler von & wird dabei am kleinsten werden, wenn die Bewegung langsam, also der Werth von h, möglichst klein ist, und wird ausserdem weniger Eiufluss haben, wenn die 300 Differenz der Zahlenwerthe der Wurzeln, als wenn ihre Summe zu nehmen ist. Daraus bestimmt sich als das vor- theilhafteste Verfahren, dass man den Strom dann einwir- ken lässt, wenn die vorhandene Bewegung des Magnets durch ihn verstärkt wird. Die Formel reducirt sich für die- sen Fall auf 4b i = rl (a 0) Ausser der Correction wegen Reduction der abgelesenen Scalentheile auf die Tangenten des Ablenkungswinkels des Magnets, welche bei grossen Ausschlägen nöthig wird, ist noch eine zweite wegen der allmäligen Abnahme der Schwin- gungsbögen zu machen. Da dieselbe sehr gering ist, so dürfen wir sie als gleichbleibend bei mehreren aufeinander folgenden Schwingungen ansehen. *) Um die Art der Be- rechnung zu erläutern, greife ich ein Beispiel heraus. Vor der Einwirkung des Stroms schwingt der Magnet hin und her zwischen den Zahlen 497,7 und 496,7, der dem Meri- dian entsprechende Scalenpunkt ist also 497,2. In dem Au- genblicke, wo dieser Punkt unter dem Faden des Fernrohrs wieder vorbeigeht, wird der Strom geschlossen, und bleibt es, bis er vom Muskel wieder unterbrochen wird. Der Magnet ist nun in stärkere Schwingungen versetzt, und es werden nach einander abgelesen 597,7; 397,3; 596,9. Wäh- rend eines Hin- und Hergangs hat sich also der obere Aus- schlag vermindert um 0,8. Während des Hingangs von 597,7 nach 397,3 wird er also um 0,4 abgenommen haben, so dass dem unteren Ausschlag 397,3 der obere 597,3 entspricht. Das Mittel beider giebt uns als Lage des Meridians 497,3, hinreichend übereinstimmend mit dem vorhergefundenen Werthe,. Auf dem Wege zwischen der Einwirkung des Stroms bei 497,3 bis zum ersten Ausschlag 597,7, also wäh- rend einer Viertelschwingung, wird 4 von 0,8 verloren ge- *) Gauss und Weber, Result. aus d. Beob. d. magnet. Vereins im J, 1837. S, 67. 301 gangen sein, es entspricht also dem Augenblick der Strom- wirkung der obere Ausschlag 397,9 und h,—bh, wird sein 597,9— 497,7 =100,2. Bezeichnen wir die drei aufeinander folgenden oberen Ausschläge mit a,, a,, und a,,,, so ist also h,—h=3, 444 ra,,,) Ich will zum Schluss der Auseinandersetzung der Me- thode noch einen Controlversuch beschreiben, den ich an- stellte, um die Ausführbarkeit unserer Messungen an einer andern Kraft zu prüfen, die sehr viel schneller, als die Mus- kelkraft eintritt und verschwindet. Ich substituirte nämlich für den Muskel eine Spiralfeder aus Messingdraht und für das Gewicht einen Magnetstab, dessen unteres Ende in den inneren Hohlraum einer Drahtspirale hineinhing. Wurde durch diese Spirale ein Strom geleitet, so wurde der Ma- guet herabgezogen, die Goldkuppe m berührte das Plätt- chen n, und stellte die Leitung des zeitmessenden Stromes her; in dem Augenblicke aber, wo der Strom in der Spirale aufhörte, schwand die elektromagnetische Kraft derselben, und der Magnet wurde durch die Spannung der Spiralfeder emporgezogen. Wurde der Strom der Spirale mittelst der Wippe genau in demselben Augenblicke unterbrochen, in welchem der zeitmessende geschlossen wurde, so konnte durch den letzteren die Zeit gemessen werden, welche bis zum Abheben der Goldkuppe vom Plättchen verfloss. Diese Zeit muss —= 0 sein, wenn das Prineip unserer Ver- suche richtig ist; sie war es in der That, so oft nicht seit- liche Pendelschwankungen der aufgehängten Theile statifan- den, selbst nur so kleine, wie sie ein in.der Ferne. vorüber- fahrender Wagen erregt. Fand Letzteres statt, so erfolgten kleine unregelmässige Ausschläge des Magnets, die bis zu 12, auch 20 Scalentheilen stiegen. Abgesehen von diesen Störungen kann also auch eine so geringe Kraft, wie die hier angewendete elektromagnetische, welche gleich der Schwere von 3 bis 5 grm. war, und auf eine Masse von 100 gem, wirkte, die mechanische Wirkung, auf welcher. un- 302 ö rere Messung beruht, mit einer grössern Präcision ausfüh- sen, als wir durch unseren Apparat ermessen können. . Die Kraft der Muskeln ist, wie wir sehen werden, sehr viel grösser, deshalb werden die Messungen auch durch Pendel- schwankungen viel weniger beeinträchtigt. $. II. Das Anwachsen der Energie im Muskel bei der einfachen Zuckung. Ich habe auseinandergesetzt, auf welche Weise es mög- lich ist, die Zeit zu messen, die von dem Augenblicke der Reizung an bis zu dem vergeht, wo die elastische Kraft des Muskels einen bestimmten, durch die aufgelegte Ueberlastnng gemessenen Werth erreicht hat. Wir wollen zunächst ver- gleichende Messungen über die verschiedenen Ueberlastungen anstellen. Ich setze zu diesem Zwecke die folgenden drei Ver- suchsreihen I, II und Ill hierher. Die Schläge sind dabei durch den Muskel selbst geleitet und so stark gemacht wor- den, dass durch eine Verstärkung derselben ihre Wirkung auf den Muskel nicht mehr gesteigert wurde, dass also die Erregung desselben ihr Maximum erreichte. Die erste Ru- brik mit der Bezeichnung No. giebt die Reihenfolge der ein- zelnen Beobachtungen, die zweite die Ueberlastung in Gram- men, die dritte den Unterschied der Ausschläge vor und nach der Zuckung an, an welchem ich schon die beiden nöthigen Correctionen angebracht habe, so dass diese Zahlen der Zeit- dauer proportional sind. Die Tabellen sind so geordnet, dass in derselben Horizontalreihe Versuche mit gleichen Ue- berlastungen neben einander stehen. Die Belastung bestand _ in allen Fällen nur in den wesentlichen Stücken des Appa- rats; die Einstellung des Muskels, d. h. diejenige Hebung oder Senkung. seines Aufhängungspunktes, ‘bei welcher die 303 Goldkuppe m das Goldplättchen n nach Entfernung der Ue- berlastung gerade berührte, erneute ich so oft, als ich mit der letztern weclıselte. Reihe 1. Angestellt mit’ dem Wadenmuskel eines im Frühling frisch gefangenen, sehr kräftigen Frosches. Ablenkung des Magnets durch den getheilten Strom zu Anfang des Versu- ches 119,42 Scalentheile.e Die Inductionsspiralen sind so weit von einander entfernt, dass die Schliessungsschläge keine Wirkung mehr geben, sondern nur noch die Oefinungs- schläge. | . Differenz Ueber- der Differenz Ueber- der Differenz Ueber- der No. |lastung) Ausschläge || No.| lastung| Ausschläge || No. lastung | Ausschläge 0 | 46,8 Jır 40 | 55,77 | 16 120 | 79,50° | 14 | 0 | 35,25 F 0 | 38,50 40 | 55,74 so | 65,92 20] 80 | '81,45 120 | 82,85 21 120 | 96,76 160 | 88,85 22] 140 | 119,83 200 | 103,03 240 | 120,16 280 | 135,88 s0 | 6846 | 15 160 | 0:99 | 13 200 | 104,50 | 12 240 | 116,60: | 11 280 | 140,08. || 10 300 | 148,35 Nach Beendigu grm. nicht mehr hoch genug, um die amalgamirte Spitze des stromleitenden Zwischenstücks vom Quecksilber loszureissen; ng. dieser Messungen hob: der Muskel ‚160 bei kleineren Ueberlastungen trat dagegen eine Erscheinung ein, welche ich häufig kurz vor dem Erlöschen der’ Reizbar- keit bemerkt habe, und wodurch fernere Beobachtungen un. möglich gemacht wurden. Dies waren lang anhaltende, krampfhafte Zusammenziehungen, die jeder elektrischen Rei- zung oder mechanischen Erschütierung folgten. Die Bedin- 304 gung ihres Eintritts kenne ich noch nicht; vielleicht ist es eine Modification der Reizbarkeit durch die hindurchgegan- genen Ströme. — Ablenkung des Magnets zum Schluss 119,61. Reihe Il. Der andere Schenkel desselben Frosches. Ablenkung zu Anfang 119,75. Die gebrauchten Schläge sind stärker, indem die Spiralen ganz in einander geschoben sind. Fi Differenz Differenz Differenz Ueber- der Ueber- der Ueber- der. No. | lastung| Ausschläge | No.| lastung) Ausschläge | No.| lastung) Ausschläge BR Ten BB. > Ta Fl a Re Wer 1| 250 | 140,80 2 | 250 | 140,00 3 | 200 111,62 A| 200 111,37 > | 150 90,30 | 18] 150 | 132,75 6 | 150 93.28: | 117150 | 122,04 | 7 | 100 73,10 | 16) 100 90,86 191 100 99,91 8, 100 73,50 || 15] 100 91,58 120) 100 | 108,16 9:7. 050 57.21 | 14| 50 64,93 21) 50 72,20 4140| 50 94,14 en 50 ! 58,76 22] 50 ı 70,96 11 0 31,15 |] 23 0 46,81 12 0 32,43 | 24 0 39,60 Nach Versuch 18 hob der Muskel nicht mehr 200 grm.; es wurden deshalb die Ueberlastungen wieder verringert. Ablenkung zum Schluss: 120,57. Reihe Il. Muskel eines Frosches, der den Winter über ohne Nah- rung aufbewahrt worden war. Ablenkung vor den Versu- chen: 119,94. | 305 | Differenz | , Differenz | Ueber- der ° \Ueber- 18 Ne lastung| Ausschläge | No. lastung]Ausschläge Ihdiodl dus warladt il in bfaiyga Fü 1\.80.| 185,3 en ins si 2) 80 | 183,3 | 3) 60.| 123,7 | 4|..60 131,1 5) 40 87,3 || 14 40 111,9 6| 40 87,1 | 13| 40 106;2 ea kee.ı12 20 7a Sr a) 55.1 „| PIISEU 76,0 B) 0 38,7 | 10 0 38,9 Zum Schluss wurden 60 grm. nicht mehr hoch genug gehoben, um den Quecksilberfaden zu. zerreissen, Ablen- kung: 120,32. Das allgemeine Resultat dieser Reihen, welches wir auch in allen folgenden Versuchen immer wieder finden werden, ist, dass bei gleicher Belastung und gleicheın Ermüdungszu- stande die Differenzen der Ausschläge des Magnetes desto grösser sind, je grösser die Ueberlastung, Diese Differen- zen sind aber der Dauer des zeitmessenden Stromes propor- tional, d. bh. derjenigen Zeit, welche zwischen der Reizung des Muskels durch den elektrischen Schlag und dem Augen- blicke vergeht, wo er das Gewieht erhebt. ‚Um Letzteres zu bewirken, muss die, Energie des Muskels desto höher gestie- gen sein, je 'grösser die Ueberlastung: ist... ‘Es ergieht sich also aus ‚diesen ‚Versuchen dass sich ‘die höheren Grade der Energie später als die niederen entwickeln; sie entsteht nicht plötzlich unmittelbar nach der Reizung, sondern steigt erst Müller’s Archiv. 1850, - 20 306 allmälig an, ein Resultat übereinstimmend mit dem, was wir schon in den vorläufigen Versuchen nach einer ganz andern Methode gefunden »hatten. Die Form der Ansteigung der Energie im nicht ermüde- ten Muskel ergiebt sich am besten aus Reihe I No. 1 bis18, da hier die Zahlen der später angestellten Beobachtungen 10 bis 18 nur kleine Unterschiede von wechselndem Sinne gegen die von 1 bis 9 zeigen. Ich stelle sie nebst ihren Mittelwerthen und der aus diesen berechneten Zeit in der folgenden Tafel zusammen. Beobachtete Zeit in! Differenzen Ueber- Differenz der Aus- nz; 14z3Se-| der Zeit für Reihe |lastung schläge. derselben ee 40 grm. | | sr. 0 146,87. 35,25. 38,501 40,21 | 0,93 a: | 20 10 58577.17 D0;04 ImomsıbE| 1.29 alas 80 | 68,46. 65,92 67,19 | 1,55 0iga 120 I 79,505 82:85. —1- 84,17 |,.4,87 os 160 | 93,90. 88,85 04.873.1,2.94 200 | 104,50. 103,03 | 103,76 | 2,39 His r 240 | 116,60. 120,16 | 118,38 | 2,73 0.45 280 | 140,08. 135,88 | 137,98 | 3,18 |’, 300 148,35 148,35 | 3,42 | °; [4 In der letzten Rubrik sind die Zeiträume berechnet, in welchen die elastische Spannung des Muskels um gleiche Grössen gewachsen ist. Dieselben sind von 40 bis 200 oder 240 grm. nahehin gleich, am Anfang und Ende aber grösser. Die elastische Kraft des Muskels ist also anfangs mit stei- gender, dann mit ziemlich gleichförmiger, endlich mit abneh- mender Geschwindigkeit bis zu ihrem Maximum gewachsen. Dasselbe Verhältniss stellt sich auch trotz des Einflusses der zunehmenden Erschöpfung in den beiden andern Versuchs- 307 % reihen’ heraus, solange die Ermüdung nicht zu schnell 'zu- nimmt. eo Bann [Mittel der Dif- Differen- ' Bere No. uses ferenz der Beiu Ar zen der 24 20 lastung Secunden Zeit | Ausschläge 1. 250 | ' 140,39 3,22 Balav. : FR 1250 2,56 Fan u a 13,1 Du BE IE DZ iz ie ne. 73100 73,30 1,68 u 9:3°10.41°750 55,67 1,28 - FRRRPANOND 31,79 0,73 ae TECH 61,84 1,42 1989 15. 16. | 100 91,21 2,09 Be 17. 18.) 150 127,38 | 2,92 TEE 19. 20. | 100 104,03 2,39 ne er ET, 71,58 1,64 ner BEE 0 43,20 RT TWERRETNRETTE TEEN De 2.92 ng 5...6.| 40 87,2 tech 00 65,8 LBL len 19.10. | 0 38,8 0,89 | — 11. 12. | 20 74,8 Ta ec 13. 14. | 40 | 109,0 2,50 |? Nur bei den letzten acht Versuchen der Reihe II bringt die schnell zunehmende Erschöpfung eine entgegengesetzte Vertheilung der: Differenzen hervor, wo die grössere in der Mitte steht. In so weit haben unsere jetzigen Versuche nur die That- sachen bestätigt, welche wir aus den von zuckenden Mus. keln gezeichneien. Curven abgeleitet hatten. Ausserdem stellt 20 * 308 sich aber noch ein neues, sehr bedeutsames Resultat heraus, welches aus den früheren Versuchen nicht eninommen wer- den konnte. Aus den Zahlen, die wir gewonnen haben, wenn keine Ueberlastung aufgelegt war, ergiebt sich näm- lich, dass erst eine Zeit nach der Reizung vergeht, ehe die Energie des Muskels überhaupt zu steigen anfängt. Der zeitmessende Strom wird in diesem Falle unterbrochen, sobald die erste merkliche Spur der Energie eingetreten ist; das geschah in unseren Versuchen erst um fast —1, Secunde später als .die Reizung, Dadurch wird eine vollständige Analogie des Verlaufs der Zuckung zwischen den animalischen und organischen Muskeln hergestellt. Nach einer verhältnissmässig schnell vorübergehenden Reizung des Darms oder anderer Organe mit organischen Muskelfasern treten die ersten Spuren der Contraction erst eine merkliche Zeit nach Beendigung der Reizung ein, sie nimmt langsam zu, und lässt dann eben so langsam wieder nach. Die Zeitdauer dieses Vorgangs und seiner einzelnen Stadien ist bei verschiedenen mit solchen Fasern versehenen Organen äusserst verschieden, am grössten wohl in den contractilen Fasern der Gefässwandungen. Ganz dasselbe findet, wie wir jetzt erfahren haben, auch bei den animalischen Muskeln statt; es vergeht zuerst nach der Reizung eine Zeit, in der sie kein sichtbares Zeichen ihrer Thätigkeit geben, dann stei- gert sich ihre Energie allmälig bis zu ihrem Maximum, um nachher wieder zu sinken, nur dass diese Zeiträume bei ih- nen nach Hunderttheilen einer Secunde zu messen sind, wenn sie bei den organischen nach ganzen Secunden oder nach Minuten gemessen werden. Wir können uns den Vorgang durch eine Curve gra- phisch darstellen, deren Abscissen der Zeit, deren Ordinaten dagegen der Spannung des Muskels bei unveränderter Länge proportional sind. Aus unseren Messungen lässt sich aller- dings erst der Anfang derselben nicht ganz bis zum Maxi- mum hin construiren, wie es in Fig. 4 nach den Zahlen der 309 Reihe I geschehen ist,*) wir können uns’aber wenigstens die Art ihres weiteren Verlaufes aus den zeichnenden Versuchen ergänzen. Das Stück ab der Curve fällt mit der Abseissen- linie zusammen, sie steigt dann anfangs concav nach oben, später convex bis zu ihrem Gipfel, wird dann zunächst:con- vex bleiben, später concav wieder sinken, und sich endlich asymptotisch der Abscissenlinie anschliessen. Sie muss in der allgemeinen Form viel Aehnlichkeit mit der Curve der Höhen des Gleichgewichts haben, von welcher wir in Fig. 3 einige- Punkte bestimmten, doch können ihre Ordinaten nicht genau denen der letzteren proportional sein. Jene giebt die Spannungen bei gleicher Muskellänge, diese die Verkür- zungen der Muskellänge bei gleicher Spannung. Da aber der Elastieitätscoeficient sich durch die Verkürzung und durch die Thätigkeit nach Ed. Weber beträchtlich ändert, sind die Verkürzungen den Kräften nicht proportional. Es werden vielmehr die grösseren Ordinaten in der Curve der Gleichge- wichtshöhen verhältnissmässig höher sein, als in der der Spannungen, die nach oben gewendeten Concavitäten slär- ker concav, die Convexitäten schwächer convex. Eine Ver- gleichung der Curve in Fig. 4 mit dem Anfang der andern, so. weit wir aus, Fig. 3 seine Gestalt ungefähr entnehmen können, scheint dem nicht zu widersprechen. Ich habe den Nachweis, dass die gemachten Messungen nicht mit beträchtlicheren Fehlern behaftet sein können, bis hierher verspart, und will ihn jetzt im Zusammenhange ge- ben. Wir können die möglichen Fehlerquellen in zwei Klas- sen theilen, nämlich erstlich in solche, welche die Messung der Zeit zwischen Reizung und Trennung der Goldkuppe m vom Plättchen n beeinträchtigen, und zweitens in solche welche verhindern, dass diese Trennung genau in dem. Au- genblicke geschehe, wo der Muskel den verlangten Grad der *) Die Zahlen an der Abscissenlinie bezeichnen ‚4, Secunden, die an den Verticalen die Vermehrung der Spannung in Grammen. 310 Energie erreicht hat. Zu ‘den ersteren gehören Störungen in’ der Bewegung des Magnetes durch Luftströme, Fehler der Ablesung , Dauer des Inductionsstroms, Aenderungen in der elektromotorischen Kraft und dem Widerstande der Daniell- schen Elemente u. s. w. . ‚Unter: ihnen 'ist nur eine) einzige Fehlerquelle, welche das Resultat um mehr als einen kleinen Bruch‘ ' eines Scalentheils verändern kann, das ist die nicht immer’ ‘ganz vollkommene Schliessung des Stroms’ an: der Unterbrechungsstelle. Es kommen einzelne Versuche vor, bei welchen entweder gar keine oder eine viel kleinere Wirkung auf den Magnet stattfindet, als in dem: entspre- ehenden benachbarten Beobachtungen, weil sich ein oft un- sichtbares /Stäubehen zwischen: Goldkuppe und Goldplatte eingelegt ‘hat. Ein Strich mit einem Pinsel dazwischen hin- durch beseitigt die Störung. Sehr viel wichtiger ist diese Fehlerquelle, wenn vermöge der Bedingungen des Versuchs der Druck an der Unterbrechungsstelle sehr gering und: die Berührung der Kuppe und des Plättchens nicht innig genug ist, um nicht dem Strom einen merklichen Widerstand 'ent- gegenzusetzen. Das ist der Fall in den Versuchen, wo keine Ueberlastung aufgelegt ist. ‘Hier kommt 'es, wie ir :allen andern Fällen darauf an, den Muskel so einzustellen,’ dass sich die Metalltheile an der Unterbrechungsstelle möglichst zart berühren, und durch diese Art der Berührung muss auch der Strom hergestellt werden. Ich habe gefunden, dass der Widerstand der Unterbrechungsstelle verschwindend klein ist gegen den der ganzen Leitung, sobald eine ganz ge- ringe Ueberlastung z. B. 1 grm. aufliegt, und dass demge- mäss die Intensität des Stromes nicht verändert wird, mag man viel oder wenig Gewichte noch dazu legen. Dagegen gelang es mir durch möglichst zarte Einstellung bei man- gelnder Ueberlastung den Strom etwa um 4, seiner ganzen Grösse zu schwächen, weiter konnte ich die Schwächung nicht treiben, ohne ihn gleichzeitig ganz zu unterbrechen. Indessen ist die, Möglichkeit nicht zu läugnen, dass ..der Wi- S11 derstand der Unterbrechungsstelle jeden beliebigen Werth er- reiche, auch kommen einzelne Zuckungsversuche ohne Ue- berlastung vor, bei denen die Ausschläge nur 4.oder 1 so gross sind, als sämmtliche andere entsprechende der Reihe, was vielleicht in dem angegebenen Umstande seinen Grund findet, vielleicht auch in einem später zu erwähnenden. Eine ähnliche Schwächung des Stroms muss auch bei aufge- legter Ueberlastung in den letzten Augenblicken eintreten, ehe das Gewicht gehoben wird, weil sich nämlich der Druck an der Unterbrechungsstelle um eben so viel schwächt, als die Kraft des Muskels steigt, bis er endlich im: Augenblicke der Trennung ganz aufhört. Nehmen wir an, der Strom höre von dem Zeitpunkte an, wo der Druck an der Unier- brechungsstelle nur noch 1 grm. beträgt, "ganz auf. Die Spannung des Muskels steigt in der ersten Versuchsreihe in einer 12 Scalentheilen entsprechenden Zeit um 40 grm., um 1 grm. also in der von 0,3 eines solchen Theil. Um soviel höchstens wurde also auch die besprochene Fehler- quelle den Ausschlag bei kräftigen Muskeln verringern kön- nen; um mehr, wenn die Energie langsamer ansteigt. Folgende ınechanische Bedingungen müssen erfüllt sein, damit der zeitmessende Strom genau in dem Augenblicke unterbrochen werde, wo die Muskelspannung der Schwere der Belastung und Ueberlastung gleich wird: 1) Genaue Einstellung des Muskels, so dass bei Weg- nahme der Ueberlastung die Theile an der Unterbrechungs- stelle sich eben nur berühren. / 2) Vollständige Unbiegsamkeit und Unausdehnsamkeit der Theile, zwischen welchen der Muskel gespannt ist. 3) Der Zug des Muskels muss in einer Verticallinie ge- schehen, welche durch sämmtliche Schwerpunkte der zu he- benden Stücke hindurchgeht. 4) Die zu hebenden Stücke dürfen zur Zeit der Hebung in keiner anderen Bewegung begriffen sein. Ich habe mit möglichster Sorgfalt diese Bedingungen zu 312 erfüllen gesucht; da uns indessen für so kleine Fehler der Zeit, wie sie hier in Betracht kommen, die sonst gemachten mechanischen Erfahrungen ganz im Stich lassen, müssen wir die Grenzen ihrer möglichen Grösse genau zu bestimmen suchen. | Ki Die Einstellung des Muskels wäre mit der ausreichendsten Genauigkeit bis auf etwa 72, mm. zu vollführen, wenn er nicht die sogenannte elastische Nachwirkung in bedeutendem Grade zeigte. Diese besteht bekanntlich darin, dass der be- treffende elastische Körper, wenn er durch angehängte Ge- wichte gedehnt wird, nicht gleich im Anfang seine volle Ausdehnung erreicht, sondern noch längere Zeit hindurch sich merklich verlängert, umgekehrt, wenn seine Spannung vermindert wird, sich eben so allmälig verkürzt. Diese elastische Nachwirkung ist in den Muskeln sehr nachhaltig, wie es schon aus den Versuchen von Ed. Weber hervor- geht. Daher geschieht es, dass der Muskel, der durch eine bestimmte Belastung gespannt, und um ein gewisses verlän- gert worden ist, entweder, wenn er sich weiter frei verlän- gern kann, es allmälig immer mehr und mehr thut, oder, wenn er wie in unsern Versuchen es nicht kann, einen Theil seiner Spannung wieder verliert. Er verhält sich da- her nach einiger Zeit so, als wäre er mit geringerer Belas tung eingestellt worden, oder es ist nach der vor mir ange- nommenen Ausdrucksweise ein Theil seiner Belastung zur Ueberlastung geworden. Dadurch wird die Unterbrechung des zeitmessenden Stromes verspätet, und zwar um so mehr, je langsamer die Kraft des Muskels steigt. Man schützt sich vor dieser Art der Fehler dadurch, dass man vor dem Be- zinne der Versuche den Muskel eine Zeit lang durch eine viel grössere Belastung dehnt, als man nachher gebrauchen will. Es ist ausserdem zu beachten, dass zwei Zuckungen nicht zu schnell aufeinander folgen dürfen, weil nach der ersteren derselben die Spannung des Muskels noch eine Zeit lang, mitunter 30 bis 40 Secunden, merklich erhöht bleibt, 313 und deshalb bei der zweiten das Gewicht früher erhoben wird, als es ohne jenen Einfluss geschehen sein würde. Auch abgesehn von der elastischen Nachwirkung kom- men Fehler der Einstellung besonders bei den Versuchen ohne Ueberlastung in Betracht. Will man dem zeitmessen- den Strome eine hinreichende Leitung herstellen, so muss man nothwendig den Muskel ein wenig tiefer einstellen, als es zur ersten zarten Berührung an der Unterbrechungsstelle nöthig.ist. Seine Spannung wird unter diesen Umständen etwas kleiner sein, als die, Schwere der Belastung, . der Ue- berschuss der letzteren, würde also wie eine Ueberlastung wirken, , Die gebrauchten Wadenmuskeln werden, durch 10 grm. um 4 bis 1 mm. sedehnt; die kleinste. wahrnehmbare Distanz, zwischen Plättchen und Goldkuppe ist „ti, mm.; nehmen wir an man habe absichtlich zur Herstellung der Berührung den Muskel um das 5fache dieses kleinsten wahr- nehmbaren Fehlers, also um „4; mm. zu tief eingestellt, so entspräche dem eine Verminderung der Spannung von 4 bis 1 grm. Der Einfluss dieses Fehlers würde bei. Versuchen mit. Ueberlastung. das Resultat nicht ‚merklich ändern, wie vorher bei den Fehlern aus Schwächung des Stromes gezeigt worden ist; er wird in unserm Falle wegen der langsamen Ansteigung der Spannung ein viel grösserer sein. Aus die- sen Gründen ist es auf dem eingeschlagenen Wege unmög- lich mit grösserer Genauigkeit zu erfahren, wann die erste Steigerung der Energie eintritt; zwei nicht zu beseitigende Fehlerquellen, Schwächung des Stroms und Ungenauigkeit der Einstellung streben das Resultat in enigegengesetztem Sinne zu verändern. Es wäre sogar möglich, dass die Ener- gie gleich vom Augenblicke der Reizung an stiege, aber so langsam, dass sie z. B. in der Reihe I während des ersten Zeitraums von 0,0093 Sec. sich nur um etwa 1 grm. ver- mehrt hätte. Jedenfalls würde diese Ansteigung ganz unbe- trächtlich sein im Vergleich zu der von 40 grm. in den fol- genden 0:0036 Sec. | 314 Wir dürfen uns daher über die Unregelmässigkeit ‘der Zahlen ‚bei Versuchen ohne Ueberlastung nicht wundern. Wir:fanden folgende in Reihe 1: 46,87; 35,25; 38,50; in Reihe II: 31,15; 32,43; 46,81; 2°,0: in Reihe III: 38,7; 38,9... Ich will noch zwei Reihen hierhersetzen, in denen nur Versuche ohne Ueberlastung angestellt wurden. Reihe IV. Muskel von einem Frosche, der den Winter hindurch aufbewahrt worden war, und den ich vor dem Versuche durch 100 grm. gedehnt hatte. Ablenkung vorher 117,68, nachher 119,24. Die Sternchen zwischen den Zahlen bedeu- ten erneuerte Einstellung. 5 A. Keine Belastung ausser den Theilen des Apparats Diff der Ausschläge: 50,82. * 45,92. 54,94. B. Mit 50 grm. auf der Schaale eingestellt: 66,06. 67,15. * 51,34. 53,62. * 54,06. Einige Versuche mit 100 grm. Belastung misslingen we- gen Schwäche des Muskels. €. Ohne Gewichte auf der Schaale: 44,47. 25,17. AN. JI@ = 99,27. 49.08. D. Mit 50 grm. Belastung: 53,9. * 51,3. 44,7. Als Folge der elastischen Nachwirkung ist hier zunächst die Höhe der ersten beiden Ziffern unter B zu bemerken, indem die Spannung gleich nach der neuen Dehnung des Muskels noch schnell nachlässt, ferner der Umstand dass anfangs nach jeder neuen Einstellung erst eine kleinere, dann eine grössere Zahl folgt. Nachdem der Muskel eine Zeitlang durch 50, dann durch 100 grm. ‚gedehnt gewesen ist, ver- schwindet beides unter C und D. Die Zahl 25,17 unter C gehört zu ‘denen, welche vermuthlich durch bedeutende Schwächung des Stromes so klein geworüen sind; oder es ist hier zufällig gelungen, einen ungewöhnlich frühen Au- genblick des Ansteigens der Kraft zu erhaschen. 315 ET Reihe V, '% Muskel von einem während der Begattungszeit frisch gefangenen 'Frosche, sehr reizbar, aber verhältnissmässig schnell erschöpft, vor dem Versuch gedehnt durch 100 gr. Ablenkung vorher 118,23, nachher 119,77. A. Ohne Belastung auf der Schaale: 34, PIRIEIRE 48,2 * 41,7. | B. Mit 100 grm. Berne Der Muskel ist kurze Zeit durch: 200° grm. rn worden. 8, > * 46,6. * 57,3 * 57,8. | C. Ohne "Belastung: 42,5. * 20,9. * 63,4. * 56, 3. * dor * 59,1. * 66,1. °Der Muskel ist erschöpft. Der Ausschlag des Magnetes wächst in beiden Reihen bei der Erschöpfung des Muskels und bei höherer Belastung; ob dies nur wegen des grösseren Einflusses der Fehler der Einstellung geschieht, oder weil sich die zu messende Zeit wirklich verlängert, ist durch die Versuche nicht entschieden Wir fahren in der Erörterung der mechanischen Fehler fort, zunächst derer wegen Nachgiebigkeit der Theile des Apparates. Absolute Festigkeit besitzt kein irdischer Stoff; als feste bezeichnen wir vielmehr Körper von so grosser elastischer Kraft, dass ihre Gestalt nur durch Einwirkung sehr beträchtlicher fremder Kräfte merklich verändert wer- den kann. Diese Fehlerquelle erfordert deshalb besondere Anfmerksamkeit, ‘weil sie, auch wenn die ganze Energie des Muskels im Augenblicke der Reizung sich entwickelte, bewir- ken könnte, dass der zeitmessende Strom erst nach einer gewissen kleinen Zeit unterbrochen würde, und zwar ganz wie in unseren Versuchsreihen um so später, je grösser die Ueberlastung. Indessen lässt sich beweisen, dass wir in un- seren Schlüssen hierdurch nicht getäuscht worden sind. Um das zu thun, ‘müssen wir zunächst untersuchen, wie und wie stark die Theile unseres Apparats durch die angehäng- ten Gewichte gedehnt und gebogen werden. Die Kraft, wel 316 che vor der Zuckung den Aufhängungspunkt des Muskels herabzieht, und die oberen Zwischenstücke, bis zur Goldkuppe herab, dehnt,”ist der ursprünglichen Spannung des Muskels d. h. der Belastung gleich, diejenige aber, welche es wäh- rend der Zuckung thut, der Summe der Belastung und Ue- berlastung. Während der Thätigkeit des Muskels wird also sein oberer Aufhängungspunkt sinken, und die oberen Zwi- schenstücke sich verlängern. Der Querbalken MM dagegen mit dem Goldplättchen, der vor der Zuckung durch die Schwere der Ueberlastung nach unten gebogen wurde, wird steigen, sobald er dieselbe nicht mehr zu tragen braucht. Die Grösse dieser Verschiebungen habe ich bei verschiedenen Belastungen der Metalltheile zu ermitteln gesucht; durch mi- kroskopische ‚Beobachtung hätte ich solehe von 0,01. mm. noch entdecken müssen, konnte aber bei 250 grm. Belastung keine wahrnehmen. Falls nun die Muskelkraft nicht lang- sam anstiege, wie wir es aus unseren Versuchen geschlos- sen haben, sondern sich im Moment .der ‚Reizung, plötzlich änderte, würde das Gewicht von da an mit zunehmender Geschwindigkeit aufsteigen, die Metalltheile aber würden sich mit zunehmender Geschwindigkeit bis in ihre Gleichgewichts- lage begeben, und über diese mit abnehmender hinausschwin- gen, könnten also, bis sie diese Lage erreicht haben, : mit den vom Muskel gehobenen Stücken in Berührung bleiben, von da ab aber nicht mehr. Hierüber würde höchstens so viel Zeit vergehen, als. der Muskel braucht, das Gewicht so hoch zu erheben, wie die Metalltheile nachgegeben haben- Wenn nun in der That auch der obere Befestigungspunkt des Muskels und das Goldplättichen auf dem Querbalken MM bei der Zuckung mit einer Ueberlastung von 240 grm.: sich um 0,01 mm. näherten, so würde der Muskel unserer ersten Reihe, der mehr als 300 grm. heben konnte, nach der ‚ge- stellten Annahme 240 grm. mit der Ueberkraft von wenig- stens 60 grm., also auf die Höhe von 0,01 mm. in 0,0028 Sec. erhoben haben, wie sich aus den bekannlen Gesetzen 317 des Falls berechnen lässt. Höchstens so gross hätte nach der gestellten Annahme die Dauer des zeitmessenden Stro- mes sein können; sie war aber in der That fast zehnmal grösser, nämlich 0,0273 Sec. Für kleinere Ueberlastungen werden die Unterschiede noch bedeutender, so: sind die bei- den entsprechenden Zahlen in demselben Beispiel für 420 grm: 0,0008 und 0,0187 See. Daraus geht hervor, dass wir in. der That berechtigt waren, aus unseren Versuchen zu schliessen, die Energie des Muskels entwickele sich erst all- mälig; es lässt sich aber auch nachweisen, dass die in: un- seren Messungen erhaltenen Zahlen durch die Nachgiebigkeit der Metalle nicht wesentlich gefälscht sind. Ich glaube die Annahme machen zu dürfen, dass im Allgemeinen die Zeit, während welcher die Muskelkraft ansteigt, für die Metall- iheile hinreichend gross sein wird, um allmälig in ihre der Zusammenziehung des Muskels entsprechende neue Gleichge- wichtslage überzugehen, da so starke an beiden Enden ein- geklemmte Stäbe bei Schallschwingungen, wo sie äusserst hohe Töne geben, in sehr viel kürzerer Zeit aus der Lage der stärksten Abweichung in die des Gleichgewichts zurück- kommen. Der Muskel wird sich dann im Moment des Ab: hebens ganz so verhalten, als wäre er um eben so viel zu tief eingestellt, wıe die Metalltheile nachgegeben haben. Der hieraus entstehende Fehler würde gegen die übrigen unver- meidlichen Unregelmässigkeiten der Einstellung nicht in Be- tracht kommen. Wir haben bis jetzt nur den Einfluss der Nachgiebigkeit der metallischen Theile besprochen, durch die der thierischen könnten ähnliche Fehler entstehen. Die Ausdehnsamkeit der kurzen Sehnenstücke ist zu gering, um in Betracht zu kom- men; wenigstens konnte ich bei den ange wvendeten Belastun- gen keine Ausdehnung des gespannten Theils der Achilles- sehne um 0,01 mm. bemerken. Dagegen treten im Muskel selbst sichtbare Lagenveränderungen seiner Fasern ein, wenn seine Spannung wächst. Ist derselbe mit einer Belastung 318 aufgehängt, so können nicht sämmtliche Fasern parallel und vertical verlaufen. Sie entspringen bekanntlich divergirend von der oberen in der Axe des Muskels verlaufenden Sehne, und steigen mehr oder weniger gekrümmt und mit den un- teren Enden nach aussen gewendet zu der Achillessehne herab, von deren Ausbreitung das Muskelfleisch mantelartig umfasst wird.*) Die Form des 'Muskels wird sowohl dureh die Spannung der Fasern ihrer Länge nach, als durch dem Wi- derstand, den sie der Quere nach darbieten, bestimmt. Im natürlichen Zustande ist diejenige Seite desselben, welche dem fast graden Unterschenkelknochen anliegt, ebenfalls fast gerade, die äussere Seite dagegen stark gekrümmt. Je grös- sere Gewichte man anhängt, und jemehr man dadurch: die Längsspannung der Fasern vermehrt, desto mehr streben sich die gekrümmteren der äusseren Seite zu strecken, und drän- gen die Substanz des Muskels nach der inneren Seite hin- über. Dasselbe geschieht, wenn seine Spannung durch Rei- zung vermehrt wird unter Umständen, wo er seine Länge nicht verändern kann; die Zuckung giebt sich dann dadurch zu erkennen, dass sich sein Mittelstück ein wenig nach der inneren Seite hin verschiebt. Da diese Bewegung durch die vermehrte Längsspannung der Fasern verursacht wird, muss ihr Erfolg sein, dass sie die Summe sämmtlicher Faserlän- gen, also auch die sämmtlicher Spannungen verringert. 'Da- durch wird die Abhebung des Gewichts ganz in derselben Weise verzögert, als wäre der Muskel um ein entsprechen- des zu tief eingestellt worden. Um wieviel dieser Fehler die von uns gewonnenen Zahlen verändert hat, lässt sich schwer beurtheilen, bedeutend kann es deshalb nicht sein, weil die Verschiebungen des Muskels nach der Seite nur wenige Zehntheile eines Millimeters betragen, und die da- *) Vergl. bei E. du-Bois-Reymond die Abbildung des Längs- schnitts eines Gastrocnemius des Frosches a. a. ©. Bd. I. Tafel IV. Fig. 33. ‚m 319 durch bedingten Längenveränderungen der fast verlical ver- laufenden Fasern nothwendig sehr viele Male kleiner sein müssen; daneben wird immer ein Theil der Fasern verlän- gert, wenn sich der andere verkürzt. Ausserdem fragt es sich noch, ob bis zu dem Moment, wo das Gewicht abge- hoben wird, die vorhandenen Kräfte die Zeit gehabt haben werden, den Muskel in die neue Gleichgewichtslage überzu- führen. Der Sinn, in welchem unsere Zahlen abgeändert worden sein können, ist oflenbar der, dass die längeren Zeiträume im Verhältniss zu den kürzeren etwas zu lang gefunden sind. Ich will in Bezug auf den besprochenen Umstand nur noch bemerken, dass wir auch durch ihn keineswegs in die Irre geführt worden sind, als wir behaupteten, die Energie des Muskels steige allmälig an, wie es vielleicht scheinen könnte, wenn man bei der gebogenen Muskelfaser an einen schlaffen Faden denkt, der erst gestreckt werden muss, ehe er ein Gewicht in die Höhe ziehen kann. Die Fasern sind von Anfang an gespannt; ihre Spannung vergrössert sich - nicht durch eine äussere Ursache wie die des Fadens, dem keine grössere Spannung mitgetheilt werden kann, ehe er nicht gestreckt ist, sondern durch innere Molecularwirkun- gen, und ist während der Beugung nothwendig grösser als während der Streckung, wenn die Endpunkte unverändert bleiben. Es muss also auch der ganze Muskel, wie ich schon vorher auseinandergesetzt habe, vor der Aenderung seiner Gestalt eine grössere Zugkraft ausüben als nachher, und des- halb Gewichte, die er nachher noch heben kann, vorher um so viel eher heben. Gesetzten Falls also die Energie des Muskels entwickele sich plötzlich, so würde durch die be- sprochene Verschiebung der Fasern die Erhebung des Ge- wichts keinen Augenblick verzögert werden. Wir kommen zu denjenigen Fehlern, welche dadurch entstanden sein könnten, dass die Aufhängungs- und Schwer- punkte der metallischen Zwischenstücke nicht ganz strenge in } 320 einer Verticallinie liegen. Wenn der Schwerpunkt eines die- ser Stücke nicht in der Verbindungslinie seiner beiden Auf- hängungspunkte liegt, so wird sich im Allgemeinen weder diese Verbindungslinie noch die des oberen Aufhängungspunkts mit dem Schwerpunkt vertical richten, sondern die Verticale wird zwischen beide fallen, sich aber der ersteren desto mehr nähern, je mehr Gewichte am unteren Aufhängungs- punkt hängen. Es würde also eines der oberen Zwischen- stücke, welches einen solchen Fehler darböte, während es vom Muskel vertical nach oben gezogen wird, und die Summe der Belastung und Ueberlastung zu tragen hat, eine andere Neigung gegen deu Horizont annehmen müssen, als es: vor- her hatte, wo es nur durch eine der Belastung gleiche Kraft gespannt wurde. ‘Neben der verticalen würden also seitliche Bewegungen eintreten, durch welche die Unterbrechung des zeitmessenden Stroms verzögert werden müsste. Nament- lich ist in dieser Beziehung das stromführende Zwischenstück zu. beachten, weil dasselbe zwei verschiedene: obere Aufhän- gungspunkte hat, nämlich die Goldkuppe m und die obere Stahlspitze g, und. weil es wegen. seiner beträchtlicheren Masse auch die grösseren Fehler hervorbringen würde. Wäh- rend demnach alle aufgehängten Zwischenstücke möglichst genau symmetrisch gearbeitet werden mussten, habe ich die- sem Stücke noch ausserdem die beiden auf festsitzenden Schrauben beweglichen Muttern xx gegeben, wodurch die kleinsten merklichen ‚Abweichungen des Schwerpunkts von der Verbindungslinie der Aufhängungspunkte ausgeglichen werden konnten. Die Prüfung geschah auf folgende Weise: Ich liess zunächst das Stück auf seiner oberen: Stahlspitze g ohne Belastung der unteren hängen; dabei stellt sich die Ver- bindungslinie der Spitze g mit dem Schwerpunkt vertical. Dann wurde ein Mikroskop mit, Fadenkreuz auf die Spitze: o eingestellt. Wenn ich dagegen an der unteren. Stahlspitze 1 eine beträchtliche Belastung aufhivug, musste sich die Ver- bindungslinie der beiden Stahlspitzen nahehin vertical stellen. 321 Lag der Schwerpunkt nicht auch in dieser Linie, so musste sich dabei die Spitze o verschieben. Es war keine solche Verschiebung sichtbar. Ebenso fand ich, dass der Schwer- punkt in der Verbindungslinie des Mittelpunkts der Gold- kuppe m mit der unteren Stahlspitze lag. Eine Verschiebung des Stücks um 3 Winkelminuten hätte bemerkt werden müs- sen. Nehmen wir auch an, es fände wirklich bei den Zeit- messungen eine Verstellung von dieser Grösse statt, so kön- nen dadurch die Resultate derselben nicht merklich verän- dert sein. . Um wie in den früheren Fällen diesen Einfluss auf einen entsprechenden Fehler der Gewichte zurückzufüh- ren, habe ich nach den bekannten Kegeln der Statik fester Körper den Druck berechnet, welcher bei der angenomme- nen Grösse des Asymmetrie in dem Augenblicke an der Un- terbrechungsstelle staltfinden würde, wo die Spannung des Muskels der Summe der Belastung und Ueberlastung gleich geworden ist. Dieser Druck würde in dem bezeichneten Augenblicke natürlich Null sein müssen, wenn keine Asym- metrie stattfände. Da die Rechnung weitläufig ist, und keine prineipiellen Schwierigkeiten darbietet, genüge es, hier ihr Resultat anzugeben. Es ergiebt sich, dass der höchste Werth jenes Drucks einem sehr kleinen Bruchtheil eines Gramms gleich ist; der Einfluss der besprochenen Fehlerquelle ver- schwindet also gegen die unvermeidlichen Unregelmässigkei- ten der Einstellung des Muskels. Was schliesslich die Pendelschwankungen der aufge- hängten Theile betrifft, welche uns bei dem am Ende von $. II. beschriebenen Controllversuche schwer zu beseitigende Störungen verursachten, so können sie die Erhebung des Gewichts ebenso gut beschleunigen als verzögern, also die Beobachtungen unregelmässig machen, aber ihre Mittelwer- the nieht verändern. Dass ihr Einfluss bei der Muskelzuk- kung ein viel geringerer ist, als in den genannten Controll- versuchen, hauptsächlich wohl wegen der im Verhältniss Müller’s Archiv, 1850, . 21 322 zu den Massen grösseren Kräfte, ergiebt sich aus der viel grösseren Regelmässigkeit der gefundenen Zahlen. Stellen wir die besprochenen Fehlerquellen noch ein- mal nach der Art ihres Einflusses zusammen. Wir haben 1) Fehler, welche die Resultate unregelmässig machen, ohne die Mittelwerthe derselben zu verändern. Dazu gehö- ren in den mit Ueberlastung angestellten Versuchen die Un- regelmässigkeiten der Einstellung und die Pendelschwankun- gen der aufgehängten Theile. 2) Fehler, welche die Resultate unregelmässig machen, und dabei die Mittelwerthe entweder nur vergrössern, oder nur verkleinern. Zu ersteren gehören die der elastischen Nachwirkung, zu letzteren die der Stromleitung in der Un- terbrechungsstelle. Beide affieiren sehr beträchtlich die Ver- suche ohne Ueberlastung, solche mit Ueberlastung wenig und zwar alle um fast gleiche Grössen, nur die mit den gröss- ten und mit den kleinsten Ueberlastungen etwas mehr. Wie man sich gegen den Einfluss der elastischen Nachwirkung schülzen könne, ist angegeben worden; dass er bei gehöri- ger Sorgfalt unmerklich werde, ergiebt sich aus der Verglei- ehung von je zwei untereinander stehenden mit ungeänderter Einstellung und Ueberlastung ausgeführten Versuchen der Reihe II No. 1 bis 12, wo er bewirken würde, dass die zweite Zahl jedesmal grösser sein müsste, als die erste. Das ist aber nicht der Fall. 3) Fehler, welche die bei höheren Ueberlastungen ge- wonnenen Zahlen mehr vergrössern als die bei niedrigeren, und sich nicht in Unregelmässigkeiten der Einzelresultate zu erkennen geben. Das sind die wegen mangelnder Festigkeit der metallischen Theile und die wegen der Formveränderung des Muskels. Dass ihr Einfluss von unbeträchtlicher Grösse sei, habe ich zu zeigen versucht. Die Unregelmässigkeit von Beobachtungen pflegt man durch den wahrscheinlichen Fehler derselben zu messen, d. h. durch diejenige Grösse, welche die Abweichungen der 323 einzelnen Beobachtungen vom Mittel bei einer hinreichend grossen Zahl derselben eben so oft übertreffen, als nicht er- reichen. Die bisher gegebenen Versuchsreihen sind dazu nicht ausgedehnt genug; weiter unten finden sich aber sol- che wie z. B. Reihe IX, X, XI, in denen auch der wahr- scheinliche Fehler jeder einzelnen Beobachtung nach den Re- geln der Wahrscheinlichkeitsrechnung ermittelt und angege- ben ist. Wir finden dort in Reihe X und XI A, wo nach je zwei Beobachtungen die Einstellung erneuert wurde, fol- gende Werihe dieser Grösse: 2,42, 1,61, 3,26, 3,10, 3,96, 1,84; Mittel: 2,70 in Scalentheilen; in Reihe XI B und X, wo die Einstellung unverändert blieb, die durch sie bewirk- ten Unregelmässigkeiten also wegfielen: 2,23, 2,61, 1,31, 1,93; Mittel: 1,88. In der am besten gelungenen Reihe IX beträgt dieser Fehler in Secunden ausgedrückt 0,00030 und 0,00033, während die ganzen gemessenen Zeiträume eben daselbst 0,04394 und 0,04219 Sec. sind; eine Regelmässigkeit, wie sie nur irgend bei organischen Vorgängen zu erwarten ist. $. IV. Umstände, durch welche die Ansteigung der Ener- gie verändert wird. Wir haben bisher nur die Verhältnisse bei unveränder- ter ursprünglicher Belastung, bei möglichst unveränderter Reiz- barkeit des Präparats und bei Anwendung kräftiger Reizmittel untersucht. Wenn der Muskel vor der Zuckung durch eine grössere Belastung gespannt, und mit derselben im Apparate eingestellt ist, so hebt er nicht mehr ganz so grosse Ueber- lastungen von der Unterlage ab; seine Spannung wird also nach der Reizung weniger vermehrt, als bei geringerer Be- BYE 324 lastung. Wird die Vermehrung der Spannung, wie wir es mit unseren bisherigen Versuchen gethan haben, durch eine Curve ausgedrückt, so liegt der Gipfel derselben demgemäss niedriger. Gleichzeitig ist die Höhe aller andern Ordinaten entsprechend vermindert; es dauert daher länger, ehe die gleiche Ueberla- stung gehoben wird, weil dazu ein späteres Stadium der ge- steigerten Energie nöthig ist. Ich führe dies als Resultate meiner Untersuchung an, ohne ausführlicher darauf einzuge- hen, weil für das Folgende nichts Weiteres darüber nö- thig ist. | Ganz ähnlieh wird die Curve durch die Erschöpfung der Reizbärkeit verändert; es sinken alle Ordinaten dersel- ben, und zwar so weit es sich aus den Versuchen beurthei- len lässt, ungefähr proportional ihrer. Grösse. In den Ver- suchen äussert sich das Sinken der Reizbarkeit dadurch, dass nicht mehr ganz so grosse Ueberlastungen gehoben werden, und dass es mit denen, welche noch gehoben wer- den, später geschieht, und zwar um ein desto Bedeutende- res später, je grösser sie sind. In den obigen Versuchsrei- hen sind diese Verhältnisse aus den späteren Versuchen ei- ner jeden Reihe zu ersehen. Um Zeitwerthe zu erhalten, welche verschiedenen Ueberlastungen und einem gleichen Grade der Ermüdung enisprechen, kann man dasselbe Ver- fahren gebrauchen, wie Ed. Weber es für die Erhebungs- höhen verschiedener Belastungen ausgeführt hat, nämlich das Mittel nehmen aus je zwei solchen Beobachtungen, welche gleichweit vor und hinter einem und demselben Zeitpunkte angestellt sind. So habe ich hier eine Tafel zusammenge- stellt aus den Beobachtungen der Versuchsreihe II; die obere Horizontalreihe enthält die Zeiträume für den unermüdeten Muskel aus No. 5 bis 12; die zweite die Mittelwerihe der Versuche 5 bis 18 dem Ermüdungsgrade von No. 11 und 22 entsprechend, die dritte dieselben von 11 bis 24, entspre- chend der Ermüdung von 17 und 18. Leider lassen sich bei unseren jetzigen Versuchen nicht so ausgedehnte Zahlen- 325 reihen für verschiedene Ermüdungsgrade herstellen, wie es Ed. Weber für die Erhebungshöhen konnte, weil jede ein- zelne Beobachtung eine längere Zeit wegnimmt. Zeitdauer in —!_ Sec. für die Ueber- No. der Ver- uhr ER lastung. 3 0 gr. | 50 gr. | 100 gr. | 150 gr- SS 1,28 | 1,68 2,10 5—18 0,73 1,35 1,58 2,51 17—24 | 0,86 1,53. | 2,24 2,92 Die diesen drei Ermüdungsstufen entsprechenden Anstei- gungscurven sind in Fig. 5 construirt; der Anblick derselben scheint zu lehren, was schon oben erwähnt‘ ist, dass die Ordinaten der ganzen Curve sich ungefähr im Verhältniss ihrer Grösse verringern. Ganz ähnlich ist der Erfolg, wenn man die Intensität des erregenden Stromes so weit schwächt, dass die Energie des Muskels merklich vermindert wird. DBeginnt man mit sehr schwächen Strömen zu reizen, und nimmt dann immer stärkere und stärkere, so überzeugt man sich, dass mit der Verstärkung der Schläge anfangs auch das Gewicht, welches der Muskel von der Unterlage abheben kann, und die Höhen, bis zu welchen er gleiche Gewichte erhebt, sich vergrössern, dass aber bald ein Maximum in beiden Beziehungen eintritt, über welches hinaus die Wirkung auch durch die heftigsten momentanen Schläge nicht mehr gesteigert werden kann. Wir haben bisher immer mit Schlägen gearbeitet, welche hinreichend gross waren, das Maximum der Reizung hervor- zubringen. So lange sie diese Bedingung erfüllen, kann man ihre Intensität beliebig ändern, ohue dass dadurch die Ergeb- nisse der Zeitmessungen verändert würden. Wenn wir aber Schläge anwenden, welche das Maximum der Wirkung nicht erreichen lassen, so sinken die Ordinaten unserer Kräfte- eurve ganz in derselben Weise, als wenn sie durch grössere Belastung oder durch Ermüdung des Muskels vermindert wor 326 den wären. Es sind demgemärs die Ausschläge des Magne- tes für gleiche Ueberlastungen desto grösser, je geringer die Intensität dieser Schläge ist. Ich will statt der vielen einzelnen hierher gehörigen Er- fahrungen, welche sich im Laufe meiner Messungen einge- stellt haben, hier nur eine Reihe derselben anführen, die ich absichtlich zur Erörterung dieses Verhältnisses angestellt habe. Reihe VlI. Angestellt mit einem Muskel, der schon zu anderen Ver- suchen gedient hatte. Ueberlastung 100 grm.; Reizung vom Nerven aus. In der zweiten Rubrik der folgenden ‚Tafel ist die Entfernung der einander zugewendeten Flächen der indu- ceirenden Spiralen in Centimetern angegeben. Je grösser diese Entfernung, desto schwächer sind die Ströme, und zwar nehmen diese in einem viel stärkeren Verhältnisse ab, als jene wächst. In der dritten Rubrik sind die Höhen angege- ben, bis zu welchen der Muskel das Gewicht gehoben hat, um zu zeigen, wie diese Höhen abzunehmen anfangen, so- bald die Zeitdauer oder die ihr proportionale Differenz der Ausschläge zunimmt. Wie die Höhen gemessen sind, wird im nächsten Paragraphen beschrieben werden. — Ablenkung durch den getheilten Strom: 115,7. 327 Entfernung No.* °[Erhebungs-| Differenz der i Sohlen) höhe. | Ausschläge. 4 4 2,1 66,17 2 4 A| 64,07 3 J 2,1 61,10 A 5 2,1 65,27 ö 1 61,25 6 L 30 8 | 7 9 6,9 Ar? 60,30 10) 65 2,2 58,75 11 2 A 99,05 12 2 IR- 67.67 Bei Fortsetzung des Versuchs nahmen die Ausschläge wegen eintretender Ermüdung schnell zu. Während die Spiralen von 6,5 Ctm. Entfernung auf 2 genähert wurden, veränderten sich, wie man sieht, weder die Erhebungshöhen noch die Differenzen der Ausschläge merklich ; dagegen sinken die ersteren und steigen die letzteren bei 7 Ctm. Entfernung. Die Wirkung der schwachen Schläge ist bald grösser, bald kleiner, weildie von der Schnelligkeit der Unterbrechung des primären Stromes abhängigen elektrischen Processe sehr un- regelmässig verlaufen. Diese Schnelligkeit variirt nämlich, weil sie theils von der Stärke, mit der der Schliessungsstab auf die Wippe aufgesetzt wird, theils von-der Form der Metalle an der Unterbrechungsstelle der Wippe abhängt, und letztere sich bei jeder andern Unterbrechung dadurch ändert, dass metallische Theilchen durch den Funken fortgeführt werden. Uebrigens sind die Ströme, welche das Maximum hervorzurufen genügen, so schwach, dass sie schwerlich durch ein anderes physikalisches Hülfsmittel, als eben durch ihre Wirkung auf den Nerven, zu entdecken sein würden. 328 SV. Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenrei- ZUng. Wir haben bis jetzt die Muskeln durch elektrische Strö- mungen zur Zusammenziehung gebracht, welche durch ihre eigene Substanz hindurchgingen. Wir werden nun den Mus- kel vom Nerven aus erregen. Die Art, auf welche ich den erregenden Sirom zum Nerven hingeleitet habe, ist oben be- schrieben und in Fig. 2. dargestellt worden. Wenn man Messungen über die Zeit anstellt, welche zwischen der Rei- zung des Nerven und der Erhebung der Ueberlastung durch den Muskel vergeht, stellt sich heraus, dass sie von der Stelle des Nerven abhängig ist, auf welche man den elektri- schen Schlag einwirken lässt, und zwar desto grösser, ein je grässeres Stück des Nerven sich zwischen der gereizten Stelle und dem Muskel befindet. Der Versuch kann, ohne die Glocke abzuheben, beliebig oft hintereinander angestellt werden, wenn man von den vier Leitungsdrähten, zwei etwa 2 bis 3 Linien von einander enifernt an den Nerven dicht bei seinem Eintritt in den Muskel anlegt, die zwei andern dägegen ebenso weit von einander entfernt an den Beckentheil des Nerven. Ich habe es vortheilhaft gefunden, diese zweite Stelle nicht ganz bis an das abgeschnittene Ende des Hüftgeflechts hin zu verlegen, sondern nur unge- fähr bis zu dem Orte, wo sich die Fäden dieses Geflechts zum Stamme des Hüftnerven vereinigen, weil die äussersten abgeschnittenen Enden verhältnissmässig schnell leistungsunfä- hig werden, Je nachdem man nun das erste oder zweite Paar der Leitungsdräthe mit der inducirten Spirale in Ver- bindung setzt, wird die den Muskel nähere oder entferntere Nervenstelle vom Strome getroffen. Vergleichende M essun- gen, welche übrigens wie die bisher besprochenen ausge- führt werden, ergeben, dass die Ausschläge des Maguetes 329 durch den zeitmessenden Strom ‘im Durchschnitt 5 bis 7 Sealentheile grösser sind, wenn man die entferntere Stelle des Nerven reizt, als wenn es mit der dem Muskel näheren geschieht. Offenbar kann dieser Unterschied nicht bedingt sein durch irgend eine der früher besprochenen Fehlerquellen, welche in den mechanischen und elektrischen Vorgängen unserer Messungsmeihode ihren Grund haben, weil alle diese die Versuche mit Reizung der entfernteren und der näheren Nervenstelle ganz gleichmässig afficiren. Den Grund müs- sen vielmehr die Vorgänge innerhalb des Nerven selbst ab- geben. So weit die bisherigen physiologischen Erfahrungen reichen, sind die Wirkungen auf cen Muskel ganz die glei- chen, welche Stelle des Nerven man auch reizen möge, höch- stens findet man unter gewissen Bedingungen, dass Reizung der entfernteren Stelle schwächer wirkt, als die der nähe- ren, indem das Absterben der Muskelnerven nach der schon von Valli und Ritter ausgesprochenen Erfahrung vom centralen Ende anfängt, und gegen den Muskel hin fortschrei- tet.*) Nach den Zeitmessungen, welche wir an ermüdeten Muskeln angestellt und in dem vorigen Abschnitt dargelegt haben, würde in der That die schwächere Reizung von der entfernteren Stelle des Nerven her den gleichen Grad der Energie des Muskels später zur Entwickelung bringen, als die stärkere von der näheren aus. Wir werden daher auf diesen Umstand besondere Aufmerksamkeit verwenden, und uns versichern müssen, dass der Grad der Reizung von beiden Stellen her der gleiche sei. Wenn dies der Fall ist, wer- den die Versuche ergeben, dass, welche Stelle des Nerven man auch reizen möge, sich die entsprechenden Stadien der Energie einander in genau den gleichen Zeiträumen folgen, dass aber die Zwischenzeit zwischen einen jeden dieser Sta- = — *) E. du Bois-Reymond, Untersuchungen u. s. w. Bd. LS. 321 . 330 dien und der Reizung um ein bestimmtes grösser ist, wenn die gereizte Stelle weiter vom Muskel entfernt ist. Wenn wir also das Steigen und Sinken der Energie für zwei ver- schiedene Nervenstellen durch eine Curve ausdrücken, so ist diejenige, welche der Reizung der entfernteren Stelle ent- spricht, der andern congruent, aber zwischen ihrem Anfang und dem dem Moment der Reizung entsprechenden Punkte liegt ein grösseres Stück der Abseissenlinie. Aus der Art des zeitlichen Verlaufs, den uns die Wirkungen der Reizung im Muskel darbieten, können wir aber einen Rückschluss auf den Verlauf der entsprechenden meist noch unbekannten Vorgänge im Nerven machen. Es ist klar, dass die Wir- kungen der Reizung in den Verzweigungen des Nerven in- nerhalb des Muskels ebenfalls nach Reizung der entfernte- ren Stelle zwar später eintreten, aber ganz eben so verlau- fen müssen, wie nach der näheren. Da nun Dauer und Stärke der erregenden elektrischen Strömung in beiden ge- reizten Stellen ganz die nämlichen sind, so kann die Verzö- gerung der Wirkung nur darauf beruhen, dass eine Zeit ver- geht, ehe sich dieselbe von der entfernteren Stelle bis zum Muskel hin fortpflanzt. Wir sind also durch diese Versuche in den Stand gesetzt, die Fortpflanzungsgesch windigkeit der Reizung in den motorischen Nerven des Frosches zu ermit- teln, wenn man dabei unter Reizung diejenigen Vorgänge im Nerven versteht, die sich in Folge einer erregenden äus- seren Einwirkung in ihm entwickeln. So lange die Physiologen die Nervenwirkungen auf die Verbreitung eines imponderablen oder psychischen Prineips zurückführen zu”müssen meinten, mochle es unglaublich er- scheinen, dass die Geschwindigkeit dieses Stromes innerhalb der kurzen Entfernungen des thierischen Körpers messbar sein sollte. Gegenwärtig wissen wir aus den Untersuchun- gen über die elektromotorischen Eigenschaften der Nerven von du Bois-Reymond, dass diejenige Thätigkeit dersel- ben, durch welche die Fortleitung einer Reizung vermittelt 331 wird, mit einer veränderten Anordnung ihrer materiellen Moleküle mindestens eng verbunden, vielleicht sogar we- sentlich durch sie bedingt ist. Danach würde die Leitung im Nerven in die Reihe sich fortpflanzender Molekularwir- kungen der ponderablen Körper gehören, zu denen z. B. die Schallleitung in der Luft und in elastischen Stoffen oder das Abbrennen einer mit explodirender Mischung gefüllten Röhre zu rechnen ist. Bei dieser Sachlage kann es nicht mehr so überraschend sein, dass die Geschwindigkeit der Leitung nicht nur messbar, sondern wie sich ergeben wird, sogar sehr mässig ist. Uebrigens darf die Unmöglichkeit, bei den täglichen Sinneswahrnehmungen unseres eigenen Körpers oder bei physiologischen Versuchen über Muskelzuckungen einen hierher gehörigen Zeitunterschied wahrzunehmen, uns nicht befremden, da die Unterschiede, welche wir zwischen Empfindungen verschiedener Nervenfasern unserer Sinnesor- gane mit Sicherheit beobachten können, nicht viel kleiner sind als eine Secunde. Ich erinnere nur daran, dass die ge- übtesten Astronomen in der vergleichenden Beobachtung von Gesichts- und Gehörwahrnehmungen um eine ganze Secunde differiren. Nach diesen Bemerkungen gehen wir zur thatsächlichen Beweisführung über. Zunächst stösst uns die schon berührte Schwierigkeit auf zu controlliren, dass die mechanische Wir- kung der Reizung von der entfernteren Stelle des Nerven her mit der von der näheren gleich gross sei. Die Grösse der Spannung, welche sich nach der Reizung im Muskel entwickelt, würde unserm bisherigen Verfahren gemäss durch die höchste Ueberlastung zu messen sein, welche der Mus- kel von der Unterlage abheben kann. Indessen würden zu diesem Zwecke viele besondere Zuckungsversuche zwischen die zeitmessenden eingeschaltet werden müssen, wobei Kraft des Muskels und Zeit unnöthig verloren ginge. Ein anderes Mittel bietet sich dar, welches bei jeder einzelnen Zuckung neben der Zeitmessung ausgeführt werden kann, nämlich die 332 Messung der Höhe, bis zu welcher das angehängte Gewicht erhoben wird. Bei verminderter Reizbarkeit oder nach ei- ner schwächern Reizung , hebt nämlich, wie wir schon früher erwähnt haben, der Muskel im Allgemeinen dasselbe Gewicht zu einer geringeren Höhe. Diese Art, die gleich- bleibende Stärke der Reizung zu controlliren, hat sich als ausreichend erwiesen. WVenn wir in einer der folgenden Versuchsreihen solche Beobachtungen nach einander durch- sehn, bei denen dieselbe Nervenstelle gereizt wurde, so fin« den wir namentlich bei höheren Ueberlastungen sogar merk- liches Abnehmen der Erhebungshöhen wegen allmäliger Ermü- dung des Präparats, ohne dass sich die Resultate der Zeit- messungen merklich verändern. Nur bei krampfhaften an- dauernden Zusammenziehungen, wie sie in Reihe I beschrie- ben sind, lässt sich der Grad der Reizung nicht durch die Erhebungshöhen controlliren, dabei kann man aber überhaupt keine guten Versuche anstellen. Die Messung der Höhe wurde in folgender Weise ausgeführt. An der unteren Seite des Querbalken MM, welcher das Goldplättchen trägt, wurde ein sehr leichtes zweiarmiges 72 mm. langes Hebelchen von Holz mittelst einer Nähnadel als Axe befestigt. Das eine Ende des Hebelchens lag auf der Spitze i des stromführen- den Zwischenstücks auf, das andere trug eine feine Draht- spitze, deren verticale Erhebung durch ein kleines Mikroskop bis auf 4, mm. gemessen werden konnte. Die Axe des He- belchens lag mit leichter Reibung zwischen zwei Brettchen in entsprechenden Rinnen derselben. Der Grad der Reibung konnte durch das Anziehen oder Nachlassen von vulkanisir- ten Kautschuckstreifen, welche die Breitchen aneinander hielten, verändert werden. . Er musste grade gross genug sein, um zu verhindern, dass das Hebelchen, wenn es ange- stossen wurde, vermöge seines Beharrungsvermögens sich weiter bewegte, ale es unmittelbar durch die berührende Spitze verschoben war. Bei der grossen Leichtigkeit dessel- ben konnte übrigens die Keibung so gering sein, dass sie der 333 Kraft des Muskels keinen merklichen Widerstand enigegen- setzte. Wird das stromführende Zwischenstück mit den Ge wichten durch den Muskel gehoben, so steigt gleichzeitig das die Spitze i berührende Ende des Hebelchens, und bleibt in der Stellung stehen, in welche es durch die höchste Erhe- bung der Spitze i versetzt worden ist. Die Grösse der Verschiebung wird am andern Ende beobachtet und gemes- sen. Leizieres geschah bei den nun folgenden Zuckungsver- suchen durch einen Gehülfen, während ich selbst die Bewe- gung des Magnetes behufs der Zeitmessung mit dem Fernrohr beobachtete. | Allerdings würde das angegebene Verfahren mancherlei Einwürfe erleiden können, wenn es sich darum handelte, die absoluten Werthe der Erhebungshöhen zu erfahren; für unseren Zweck stören seine Mängel nicht, da sie jedenfalls die Versuche für beide Nervenstellen gleich beeinträchtigen. Theils aus denjenigen Versuchsreihen, welche zum Zwecke der Zeitmessung angestellt wurden, theils aus an- deren, in denen ich nur die Reizungsverhältnisse der beiden Nervenstellen untersuchte, ergab sich Folgendes. Im Anfang sind letztere beide gleich empfindlich, d. h. gleiche elektrische Strömungen bedingen von beiden aus gleich kräftige mecha- nische Wirkungen; es sind sowohl die Erhebungshöhen gleicher Gewichte, als die höchste zu hebende Ueberlastung gleich. Namentlich ist also auch diejenige Stromstärke für beide gleich, welche genügt, um das Maximum der ‚Erregung hervorzubringen. Sobald eine grössere Anzahl von Reizver- suchen angestellt worden ist, pflegt die dem centralen Ende des Nerven zunächst liegende Stelle unempfindlicher zu wer- den, d. h. es werden kräftigere Ströme nölhig, um das Ma- ximum der Erregung herbeizuführen, aber die mechani- schen Wirkungen der Reizung, sowohl die Erhe- bungshöhen beliebiger gleicher Gewichte, als auch die höchste zu hebende Ueberlastung sind für die- ses Maximum der Erregungbeider Stellen vollkom- 334 men gleich. Es ist also die mechanische Wirkung für gleiche erregende Ströme unter diesen Umständen gleich, wenn sie stark genug sind, das Maximum der Erregung auch in der entfernteren Nervenstelle zu bedingen, ungleich wenn dies nicht der Fall ist. Je mehr die Reizbarkeit sinkt, desto grösser pflegt der Unterschied zwischen den Strömen zu werden, welche genügen in der näheren das Maximum her- vorzurufen, und denen, welche es in der ferneren thun. Nur bei den Präparaten sehr entkräfteter Thiere oder in den letzten Stadien der Erschöpfung der Nerven kommt es da- hin, dass das Maximum der Erregung von der ferneren Stelle aus kleiner wird, als das von der näheren, so dass man, um gleiche mechanische Wirkungen hervorzubringen, die letztere mit Strömen behandeln muss, welche das Maximum nicht erreichen lassen. Als ich im Winter meinen vorläufigen Be- richt an die Akademieen abschickte, hatte ich mit Thieren experimentirt, die durch viermonatliche Gefangenscbaft und Hunger entkräftet waren, und damals war mir der zuletzt bezeichnete Fall häufiger vorgekommen, so dass ich die Vorschrift gab, erforderlichenfalls auf beide Stellen ungleiche Ströme einwirken zu lassen. Ich habe mich seitdem an frisch gefangenen Fröschen überzeugt, dass man in der Regel nicht genöthigt ist, sich auf diese Weise zu behelfen, und dass man wohl thut, überhaupt nur mit solchen Präparaten zu experimentiren, bei denen die Maxima der Erregung von bei- den Stellen her gleich sind, weil die Versuche mit Strömen, welche nicht das Maximum erreichen lassen, aus den schon früher angeführten Gründen viel unregelmässiger ausfallen, als diejenigen, in denen es eintritt. Wohl aber ist es zur Erhaltung der Reizbarkeit von Vortheil, auf jede der beiden Stellen keinen stärkeren Strom einwirken zu lassen, als für das Maximum der Reizung gerade nöthig ist, welche Ströme nach dem oben Gesagten oft verschieden sind. Das ist in einigen der folgenden Versuchsreihen geschehen. Dass die Nerven gegen gleiche, aber entgegengesetzt ge- 335 richtete Ströme ungleich empfindlich sind, ist bekannt. Auch dieser Unterschied beschränkt sich darauf, dass zur Errei- chung des Maximums der Reizung verschieden starke Ströme nöthig sind, übrigens sind die mechanischen Wirkungen voll- kommen gleich, sobald nur die Maxima erreicht werden. Ich habe zweimal bei Präparaten, welche schon eine Zeitlang gearbeitet hatten, den Fall beobachtet, dass für die eine Stro- mesrichtung die entferntere Stelle des Nerven zur Erreichung des Maximumis der Reizung einen schwächeren Sirom er- forderte, als die nähere, für die andere einen stärkeren, was vielleicht durch die vorausgegangenen Reizungen der näheren Stelle bedingt war. Den einen dieser Fälle habe ich zu ei- nigen Zeitmessungen benutzt, welche unten angeführt wer- den sollen. Wir entnehmen daraus den augenscheinlichsten Beweis, dass die Verzögerung der mechanischen Wirkung von der entfernteren Stelle aus nicht durch die geringere Empfindlichkeit derselben bedingt ist; die letztere war ja hier für die angewrendete Stromesrichtung im Gegentheil grös- ser. Den anderen Fall benutzte ich zu weiteren Versuchen über die Reizungsverhältnisse, und will ihn hier anführen. . Versuchsreihe VII. Der Wadenmuskel eines frisch gefangenen Frosches hatte im Anfang bei absteigender Siromesrichtung und 5,5 Cim. Entfernung zwischen den inducirenden Spiralen das Maximum erreicht, und als höchstes Gewicht 490 grm. ge- hoben, war dann zu einigen Zeitmessungsversuchen gebraucht worden, welche wegen schnell abnehmender Reizbarkeit kein genaues Resultat gaben. Bei 300 grm. Belastung und Reizung, durch absteigende Ströme irat das Maximum von der entfernteren Stelle aus bei einer Entfernung von 5 Ctm. ein, die Erhebungshöhe war 0,3 mm.; bei 6 Ctm. Entfernung hob der Muskel noch, aber so wenig, dass die Erhebung nicht mehr gemessen wer- den konnte. Darauf von der näheren Nervenstelle aus ge- 336 reizt, erlangte der Muskel erst bei einer Annäherung der Spiralen auf 4 Ctm. das Maximum, bei 5 Ctm. hob er jetzt gar nicht mehr. Die Erhebungshöhe war gesunken auf 0,2 mm. Schliesslich ergab sich, dass von der entfernteren Stelle aus auch jetzt noch bei 5 Cim. Entfernung das Maximum eintrat, die Erhebungshöhe aber auf 0,15 mm. gesunken war. Darauf wurde untersucht, ob bei einer viel geringeren Be- lastung von 20 grm. die Verhältnisse eben so seien. Das Maximum wurde erreicht bei Reizung von der entfernteren Stelle zwischen 5 und 6 Cim. bei etwa 5,5 Entfernung, bei Reizung der näheren erst zwischen 4 und 5 Ctm. Jede Wirkung verschwand im ersten Falle bei 6,5, im zweiten bei 6 Ctm. Zwischen der letzteren Entfernung und derjenigen, wo das Maximum der Reizung erreicht wurde, nahm die Erhebungshöhe, die 2.25 bis 2,50 mm. betrug, allmälig zu. Hierauf wurde untersucht, ob sich während dieser Ver- suche mit 20 grm. Belastung die Verhältnisse für hohe Be- lastungen nicht geändert hätten. Es wurden 200 grm. auf- gelegt. 1) Bei absteigendem Strom Reizung von der entfernte- ren Nervenstelle. Maximum der Wirkung bei 5,5. Verschwinden derselben bei 6,5. 2) Bei Reizung von der näheren Stelle Maximum der Wirkung bei 4,5. Verschwinden derselben bei 6,0. 3) Bei aufsteigendem Strom von der entfernteren Stelle wie vorher. | Maximum der Wirkung bei 5,5. Verschwinden derselben bei 6,5. 4) Dagegen von der näheren Stelle Maximum zwischen 5,5 und 6,0. Verschwinden bei 10,2. Nach Beendigung dieser Versuche war das höchste zu hebende Gewicht für alle Combinationen 292 gr. 337 In diesem Falle war also die entferntere Nervenstelle gegen beide Stromesrichtungen gleich empfindlich, die nähere gegen den aufsteigenden Strom empfindlicher als jene, gegen den absteigenden unempfindlicher. Sonderbarerweise war in dem anderen, später noch anzuführenden Falle, die nähere Nervenstelle gegen beide Richtungen gleich empfindlich, die entferntere für den absteigenden empfindlicher als jene, für den aufsteigenden unempfindlicher. Worauf dieser Unter- schied beruhe, weiss ich nicht. | Ich lasse nun hier aus der grösseren Zahl meiner Ver- suchsreihen, welche alle dasselbe Resultat mit grösserer oder geringerer Genauigkeit gegeben haben, diejenigen folgen, welche wegen ihrer Ausdehnung oder wegen der Ueberein- siimmung der einzelnen Beobachtungen am zuverlässigsten zu sein scheinen. Zur Reizung sind stets Ströme gebraucht worden, welche das Maximum der Erregung herbeiführten: Dass dies der Fall war, wird durch die gleichzeitig beobach- teten Erhebungshöhen, welche in Millimetern angegeben sind, controllirt. i Die Reihen sind nach verschiedenem Plane angelegt. In einigen sind sämmtliche Beobachtungen mit derselben oder nur zwei verschiedenen Ueberlastungen angestellt, um mög- liehst ausgedehnte Zahlenreihen zur Berechnung des WVer- ihes desjenigen Zeitunterschiedes zu erhalten, auf welchen es hier ankommt. Für diese habe ich die Mittelwerthe der Zeitdauer zwischen Reizung und Wirkung des Muskels für beide Nervenstellen, deren Unterschied, welcher der Zeit der Fortpflanzung durch den Nerven entspricht, und ausserdem zur Beurtheilung der Genauigkeit die wahrscheinlichen Feh- ler aller dieser Grössen nach den BHegeln der Wahrschein- lichkeitsrechnung berechnet. *) “ *) Für diejenigen meiner Leser, welchen die Begriffe der Wahr- scheinlichkeitsrechnung nicht geläufig sind, bemerke ich hier, dass z, B. Müller’s Archiv; 1850, or 338 Bei andern Versuchsreihen sind die Ueberlastungen mög- lichst oft gewechselt, um nachzuweisen, dass die verschie- denen Stadien der Energie des Muskels gleichmässig verzö- gert eintreten, wenn man von der entfernteren Nervenstelle aus den Reiz wirken lässt, die Form der Ansteigung der Energie aber nicht geändert wird. Die wenigen Versuche, welche bei jeder Ueberlastung angestellt worden sind, kön- nen natürlich nicht so genaue Werthe der von der Nerven- leitung herrührenden Unterschiede geben, als längere Reihen; deshalb sind die einzelnen Mittel der Differenz oft ziemlich abweichend von einander. Doch sind ihre grösseren und kleineren Werthe ganz unregelmässig vertheilt, und die für verschiedene Ueberlastungen weichen nicht mehr von einan- der ab, als die bei derselben Ueberlastung in wiederholter Beobachtung gefundenen. Daraus geht hervor, dass die Grösse der Differenz nicht merklich von der Grösse der Ue- berlastung abhängt, wie es so entschieden der Fall ist, wenn die Ausschläge des Magnetes durch Abnahme der Reizung grösser werden. Endlich ist noch nach jeder Versuchsrehe die are zungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven berechnet. Dazu muss man die Länge der durchlaufenen Nervenstrecke kennen, d. h. die Entfernung der dem Muskel zugewendeten die Angabe in der neunten Versuchsreihe, der Werth des Zeitunter- schieds wegen der Fortpflanzung sei 0,00175 Secunden mit dem wahr- scheinlichen Fehler & 0,00014, nach einem populären Ausdrucke be- zeichne, es sei 1 gegen 1 zu wetten, dass der wahre Werth dieser Differenz zwischen 0,00189 und 0,00161 Secunden liege. Es ist fer- ner 10 gegen 1 zu weiten, dass die Abweichung höchstens 2,5 mal, 400 gegen 1, dass sie höchstens 3,8 mal, 1000 gegen 1, dass sie 4,8 mal so gross sei, als der wahrscheinliche Fehler. Der Werth liegt also mit der Wahrscheinlickkeit 1 gegen 1 zwischen 0,00189 und 0,00161 2a | - 0,00210 - 0,00140 1 | - 0,00228 - 0,00122 1000 ° - 4 “ 0,00242 - 0,00108 339 Endpunkte der beiden gereizten Nervenstellen von einander. Diese Länge ist leider wegen der grossen Dehnbarkeit des Nerven eine sehr unsichere. Ist der Nerv gar nicht gedehnt, so sind seine Fasern wellenförmig gebogen; ich habe ihn stets so weit gespannt, um die Länge zu messen, bis die queren atlasartigen Streifen seiner Oberfläche verschwan- den, in der Voraussetzung, dass die Fasern dann ungefähr gerade verlaufen würden. Es bleiben dabei aber immer einige Millimeter dem Gutdünken überlassen. Uebrigens würde es auch noch nicht lohnen, eine bessere Messungs- methode auszumitteln, da die Unsicherheiten der Zeitmes- sung verhältnissmässig viel grösser sind als die der Längen- messung. Es darf deshalb nicht befremden, wenn die gefun- denen Werihe der Fortpflanzungsgeschwindigkeit noch ziem- lich beträchtlich yon einander abweichen. Reihe IX. Am 6ten Januar mit dem Muskel eines vier Monate aufbewahrten Frosches angestellt. Durch beide Stellen des Nerven wird der gleiche Strom geleitet, die Entfernung der- selben ist 43 mm. Einstellung des Muskels ungeändert; Ab- lenkung vorher 121,24, nachher 118,61, im Mittel 119,97. © & E= Differenz der Ausschläge =) 3 en bei Reizung der = E et ! = = entfernteren näheren r © — NoJ 2 a Nervenstelle. ı| 180 | 0,88 186,83 231 — | 0,8 189,71, ii — | 0,83 180,66 I 4 — [0,82 181,83 5f — | 0,80 190,79) 61 — 0,80 189,99) .— 10,80 186,62 8 — 1] 0,80 182,09 22% 340 bei Reizung der 3 Differenz der Ausschläge | entfernteren näheren & R=| :© = nn en = = Re) © = — = ersggelrlle: 1) Dr 5 192,80 16) — I 0,65 190,64 A _ 1 00,6 186,27 18 —- = 181,87 19 —.1 0,65 190,89 20| — | 0,65 191,14 Mittel 191,13 183,44 Wahrscheinlicher Fehler des Mit- tels | ZUSN (ver Derselbe nn einzelnen Beobach- tung = 1,91 == 1,89 Zeitdauer zwischen Reizung und Erhebung des Gewichts Wahrscheinl. Fehler derselben . e Daraus bestimmi sich endlich der Zeitunterschied wegen der Fortpflanzung: 0,00175 + 0,00014 die Fortpflanzungsgeschwindigkeit: 24,6 + 2,0 Mt. in der Sekunde. 0,04394 0,04219 0,00009) + 0,00010 341 Reihe X, Am 29sten Decb. mit den Muskeln eines seit vier Mo- naten aufbewahrten Frosches angestellt. Durch die entfern- tere Nervenstelle wird ein stärkerer Strom geleitet, der durch die sich berührenden Spiralen erzeugt wird, durch die nä- here ein schwächerer bei 24 Ctm. Abstand der Spiralen- Nach je zwei Beobachtungen wird der Muskel neu einge- stellt. A. Rechter Muskel. Nervenstrecke 40 mm. Ablen- kung vorher 116,09, nachher 112,45, im Mittel 114,27. x | = ; Differenz der Ausschläge >15 1 nr i = u bei Reizung der = | 3 : entfernieren näheren INofl © = i Nervenstrecke. 4 1,19 100,69 1,223 96,15 1,221 93,92 1,15% 97,19 1,103 97,70 1,10; 104,33 - 1,1% 93,87 1,12% GL 1,15% 106,43 1,15% 101,74 5 1,12; i 98,00 1,17 98,60 1 96,81 1,10 103,99 Mittel 100,98 95,64 Wahrscheinl. Fehler des Mittels = 0,86 = 0,66 Derselbe der einzelnen Beobachtung AR ANGE Zeitdauer in Secunden von der Reizung bis zur Erhebung 0,02437 0,02307 Wahrscheinl. Fehler derselben . + 0,000208 = 0,00016 Zeitunterschied wegen der Fortpflanzung: 0,00130 = 0,00027 Fortpflanzungsgeschwindigkeit: 30,8+ 6,4 Mt. 342 B. Linker Muskel; Nervenstrecke 40 ımm.; Ablenkung vorher 113,05, nachher 112,20, im Mittel 112,62. & E Differenz der Ausschläge E 2, bei Reizung der = E entfernteren näheren xo| = = Nervenstrecke. >) E 151 100 5 0,65 128,14! 164 — I 0,70 133,40 iA — 0,72 132,06 18 — 0,70 118,19 191 — 0,6 125,75 20 — 0.68 119,80 21 — 0,7 119,54 221. _ > 0,68 120,71 231 — 0.68 1275717 24 — 0,68 133,93 25 — 0,68 130,35 265 — 0,70 123,21 2A — 0,70 136,59 281 — Ar 129,28 24 — 0,72 123,93 301 — 0,77 hi = 125,29 Mittel 129,25 124.15 Wahrscheinl. Fehler des Mittels . | + 1,15 =..1.89 Derselbe der einzelnen Beobachtung + 3,258 + 3.097 Zeitdauer zwischen der Reizung und der Erhebung des Gewichts 0,03164 0,03039 Wahrsecheinl. Fehler derselben . = 0,00027| = 0,00026 Zeitunterschied wegen der Fortpflanzung: 0,00125 + 0,00038 Fortpflanzungsgeschwindigkeit: 32,0 + 9,7 Mt. Reihe XI. Aın 4ten Januar mit einem Muskel eines vier Monate auf- bewahrten Frosches angestellt. Durch die enitferntere Ner- 343 venstelle ein stärkerer Strom. Länge der Nervenstrecke: 43 mm. A. Bei jedem Wechsel der Nervenstelle wird neu ein- gestellt. Ablenkung vorher 121,04, nachher 119,13, im Mittel 120,08. Differenz der Aussch läge bei Reizung der entfernteren | näheren 1Ueberlastung. Erhebnngshöhe. Dr Nervenstelle. 10 1.338 116,89 — f 1,83] 118,97 — I 1,85 105,82 — 4 1,81 108,63 — 4 1,781 109,37 — ff 1,730 108,87 _ 1,508 103,34 —'1 4,7% 102,45 — 1 1,800 107,02 — 4 1,73 107,58 — 4 1,70 109,17 — 1 1,65 106,24 — I 1,681 106,79 22 4 4,661 114,98 —_. 4 3,660 115,05 — 1 1,668 110,26 — f# 1,661 109,02 — 1 1,621 101,44 -—— 4 1,55 117,49 — | 1,628 121,07 1,55 102,39 — # 1,55 108,68 Mittel 112,61 106,62 Wahrscheinl. Fehler des Mittels . = 1,19 -+ 0,55 Derselbe der einzelnen Beobachtung + 3,96 + 1,84 Zeitdauer zwischen Reizung und Erhebung des Gewichts 0,02585, 0,02448 Wahrscheinlicher Fehler derselberf + 0,00028 = 0,00013 Zeitunterschied wegen der Fortpflanzung: 0,00137 £ 0,00031 Fortpflanzungsgeschwindigkeit : 3,14 & 7,1 Mt. 344 B. Sogleich forigefahren mit demselben Muskel, dessen Einstellung jetzt ungeändert blieb. Ablenkung vorher 119,13 nachher 119,92, im Mittel 119,52. = E Differenz der Ausschläge E m bei Reizung der = = entfernteren näheren E 5 | Nervenstelle. 23820 gr 70,77 24H 0° — TRsaU ya 10,27 26 — 69,47 2A — 19,44 2 — 71,65 29 — 62,68 30 — 74,71 3 — 74,01 3 — (4,21 3a — 1,91 34 — 75,30 3 70,57 36 — 2.09 Mittel 19,98 70,70 Wahrscheinl. Fehler des Mittels . + 0,79 = 0,99 Derselbe der einzelnen Beobachtung Zeitdauer zwischen der Reizung und Erhebung des Gewichts. . 0.01743 0,01631 Wahrscheinl. Fehler derselben . + 0,00019| = 0,00023 Zeitunterschied wegen der Fortpflanzung: 0,00112 + 0,00031 Fortpflanzungsgeschwindigkeit: 38,4 - 10,6 Mt. 2,23 + 2,61 Für die Reihen IX bis XI habe ich es versäumt, die Temperatur des Zimmers zu bestimmen, weil ich erst spä- ter auf deren Einfluss aufmerksam wurde. Dieselbe hatte 345 zu jener Zeit zwischen 11 und 15° C. betragen, und war in den Tagen, wo IX. ausgeführt wurde, niedriger gewesen, als bei den beiden andern; daher rührt möglicherweise der niedrigere Werth der Fortpflanzungsgeschwindigkeit in IX. Reihe XI. Angestellt am 20ten Mai mit wechselnden Gewichten und gleichbleibender Intensität der Schläge. Temperatur des Zimmers 20 €. Länge der Nervenstrecke 38 mm. Ablen- kung vorher 118,64, nachher 116,72, im Mittel 117,68. s & Differenz der Ausschläge Unterschied wegen = E bei Reizung der Ei < F entfernteren | näheren Fortpflanzung. wo. a = | Nervenstelle. 1 ; | = — | 99,07 | 4426 3 A) 3 6 - n 7 144 — 80,42 83,0 — 76,2 se 1,255 — | 55,27 — 6,80 gl 1,4151 — | 79,45 | 105 1,5 — 76,97 115 149 — 83,30 | | | 77,10 — 71,67 — 5,43 56,81 — 50,60 sl 1,551 — 51,75 = 6,21 (VE 49,45 2 20| 2055| — I 56,81 Differenz der Ausschläge Unterschied wegen bei Reizung der > entfernteren näheren , . Fortpflanzung. Nervenstelle. BE er u. 82.90 241 1.80 231 1,75] — I: 62,50 68,93 — 63,73 26 . e 64.41 1.5, 2a a 62,10 251 1.75)..— IE oem 291 1,75 65,90 301 1,75 70,57 311 1,55 66,72 32] 1,70 64,52 Mittel: 5,58. Werth desselben in Secunden: 0,00131 Fortpflanzungsgeschwindigkeit: 29,1 Mt. Reihe XIH. Angestellt mit dem Muskel eines frisch gefangenen Fro- sches den 24ten Mai. Temperatur 20 °. Nervenstrecke 43 mm., Intensität der Schläge ungeändert. Ablenkung vor- her 113,28, nachher 113,34, im Mittel 113,31. Die Versuche wurden mit 250 grm. Ueberlastung begon- nen, indessen sank die Reizbarkeit des Muskels anfangs so schnell, dass er bald auch 150 grm. nicht mehr regelmässig genug hob; diese ersten Versuche sind nicht hergeselzt, weil die einzelnen Zahlen sich zu schnell veränderten, um ein Re- sultat zu geben. Von da an blieb der Zustand des Muskels gleic hmässiger. 347 = En ; 5 E | sn io Ausschläge | Unterschied wegen E E bei Reizung der .; E 2 enifernteren näheren Börtillanännd No. is) > Nervenstelle. 4l 1,35] 50 ra 71,07 — 61,55 25 1.300 — 62,80 37 1,30 — 60,30 ar 44 1,30 72,40 5 6 2 7 58,60 — 51,87 8 — 6,73 H Be M 455,67 105 1,600 — 56,90 Br | 13] 0,8 _ | 2.2 96,12 — 90,14 14] 0,80 — 97,00 is 15 02 Pe | 89,65 185 1,35) — 68,22 74,13 — 69,11 19] 1,35) — 70,00 — 5,02 205 1,35 73.52 231 119. — 71,05 84,25 — 74,94 24] 1,151 — ‘115 = 9,31 Differenz der Ausschläge Unterschied wegen bei Reizung der her Ueberlastung. entfernteren | näheren Erhebungshöhe. Fortpflanzung. Nervenstelle. 298 1,608 20 61,57 301 1,61 — 51,65 50,40 57,58 — 51,88 53,12 — 5,70 Mittel: , 7,04 | Weith desselben in Seeunden: 0,00171 Fortpflanzungsgeschwindigkeit: 25,1 Mt. Reihe XIV. Angestellt am ?5öten Mai mit dem Muskel eines frisch gefangenen Frosches, mit gleichbleibenden elektrischen Schlä- gen. Temperatur 21° C. Nervenstrecke 38 mm. Ablen- kung vorher 116,52, nachher 115,81, im Mittel 116,16. Die einzelnen Zahlen sind in dieser Reihe weniger regelmässig, als in den beiden vorhergehenden; ich habe sie aber hergesetazt, weil sie von allen ähnlichen die grösste Ausdehnung hat. Differenz der Ausschläge : - sschläg Unterschied wegen | : Si — N = = | Ba bei Reizung der ar = - ı 3 = entfernteren näheren 4 = 24 Fortpflanzung. T = > Nervenstelle. N (0) | 67,23 — 61,84 — 5,39 rhebungshöhe. IE 2,40 6 71 2,40 si 2,25 91 2,05 10] 2,00 11l 1,95 12] 1,85 13] 1,80 349 &D u, i = Differenz der Ausschläge | Unterschied wegen Zi - m o S | bei Reizung der U | & ni .- = | entfernteren näheren Fortpflanzung. =) Nervenstelle. 150 | 64,52 # 61,20 ha 59,60 2, — Ihr 69,74 — 62,02 — 1 62,65 2 ar 61,67 ie, 65,60 ze, 89,57 62,26 — 56,56 — 5,70 52,05 — 48,60 = 3,45 251 2,35 26 a 271 2,35 28] 2,35 291 2,55 A a 31] 2,60 32 n 331 2,55 5234 — 493,27 — 9.07 42,47 37,45 44,31 — 39,98 38,32 = 4,75 350 Ö - = ED e=) Differ der Ausschläe = = ifferenz der Ausschläge i 5 3 5 Unterschied wegen = E bei Reizung der her =] = - o = entfernteren näheren = © Fortpflanzung. is = Nervenstelle. 51,04 — 47,46 — 3,58 52,47 Al 1951| — I! 57,30 42| 1,95| — I 64,42 al ? I — 52,25 44] 1,90) — | 5757 | 65,9 — 57,97 45 61,42 — 7,97 46 47 48! 60,40 Werth derselben in Sekunden: 0,0 0141 Fortpflanzungsgeschwindigkeit: 26,9 Mt. Reihe XV. Angestellt mit dem Muskel, welcher vorher zur Versuchs- reihe VII gedient hatte. An demselben zeigte sich die ent- ferntere Nervenstelle nachher empfindlicher gegen den abstei- genden Strom als die nähere. Es trat nämlich das Maxi- mum der Reizung bei der genannten Stromesrichtung für die erstere bei 7 Ctm. Entfernung der Spiralen, für die letztere bei 6 Cim. ein. Bei der entgegengesetzten Stromesrichtung dagegen für die erstere bei 5 Cim., während es für die letz- tere unverändert blieb. Es wurden die folgenden vier Ver- suche angestellt mit absteigenden Strömen. 351 | E | & | Differenz der Ausschläge E = bei Reizung der | = E entfernteren | näheren No. = = Nervenstelle. 11 1,05 100 | 66,72 21 1,0591 — 70,70 35 1,000 — 67,40 AN 0,91 — 70,62 Mittel | 70,66 | 67,06 Differenz 3,6 Nach Vollendung dieser vier Versuche war die Empfind- lichkeit beider Stellen für absteigende Ströme gleich gewor- den. Die Versuche sind hier angeführt, uh zu zeigen, dass auch bei grösserer Empfindlichkeit der entfernteren Nerven- stelle die Reizung derselben später die Muskelwirkung her beiführe, als die der näheren. Die für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit zwischen 11 und 21° C. gefundeneuen Werthe sind demnach a) aus Reihe IX, X, und X1. 24,6 + 2,0 30,8 + 6,4 32,0 + 9,7 314 = 71 384 + 10,6 Aus diesen findet sich nach der Methode der kleinsten Quadrate als wahrscheinlichster Mittelwerth:; 26,4. b) aus Reihe XII, XII, XIV. 29,1 251 26,9 Mittel: 27,0 Um den Beweis noch zu vervollständigen, dass der zeit- liche Verlauf der Zuckung bei Reizung beider Nervenstellen 392 ganz derselbe sei, müssten die Messungen auch auf den ab- steigenden Theil der Curve der Energie ausgedehnt werden. Das lässt sich mittelst des bis jetzt gebrauchten Apparates_ direct nicht ausführen, wohl aber indireet. Wir können nämlich bei einer leichten Abänderung der Stromleitungen diejenige Zeitdauer messen, während welcher das Gewicht vom zuckenden Muskel erhoben, somit die Goldkuppe m von dem Plältchen n getrennt ist. Der Augenblick in welchem sich die letzteren Theile wieder berühren, wird im Allge- meinen nicht genau derselbe sein, in welchem die elastische Spannung des Muskels wieder gleich der Summe der Be- lastung und Ueberlastung geworden ist, weil nach dem frü- her Gesagten die Erhebungshöhen nicht nothwendig den Hö- hen des Gleichgewichts entsprechen; es wird also auch die Zeitdauer, welche wir messen können, nämlich die, während welcher die Metalltheile der Unterbrechungsstelle getrennt sind, nicht diejenige sein, um welche es sich eigentlich in unserer Beweisführung handelt, nämlich die Zwischenzeit derjenigen beiden Zeitpunkte, in welchem einmal die stei- gende, dann die sinkende Muskelspannung den durch die Ge- wichte gemessenen Werth hat. Es ist indessen klar: wenn die Werthe der letzteren für beide Nervenstellen bei allen Graden der Muskelspannung gleich, also die beiden Span- nungscurven so wohl in ihrem aufsteigenden wie absteigen- den Theile congruent sind, müssen auch die Unterbrechungs- zeiten des Stromes für alle Ueberlastungen und alle Ermü- dungsgrade gleich sein; wenn jenes aber nicht der Fall ist, kann auch das Letztere im Allgemeinen nicht der Fall sein. Wir sind deshalb berechtigt, bei unseren Versuchen rück- wärts zu schliessen. Wenn wir die Unterbrechungszeiten des Stromes bei verschiedenen Ueberlastungen und Ermü- dungszuständen gleich finden, so müssen auch die beiden Spannungscurven vollständig congruent, und die einzelnen Punkte in dem absteigenden Theile der Curve der entfernte- ren Nervenstelle um ebenso viel verzögert sein, als die ihres 353 aufsteigenden Theil. So kann also unser Beweis für die gleichmässige Verzögerung sämmtlicher Stadien der Energie bei Reizung von der ferneren Nervenstelle vervollständigt werden. Die Messungen sind folgendermassen ausgeführt worden. Es werden die Enden der Leitung des Multiplicators und ebenso die Pole der Batterie mit dem Goldplättchen n und dem Quecksilbernäpfchen o in leitende Verbindung gesetzt. So lange das stromführende Zwischenstück beide verbindet, geht der ganze Strom durch dasselbe hin, und nur ein kaum merklicher Theil desselben durchkreist das Galvanometer, weil dieses einen ungeheuer grossen Leitungswiderstand im Vergleich zu jenem Stücke hat. Während aber die Gold- kuppe m von n getrennt ist, muss der ganze Strom durch das Galvanometer gehn, und wirkt grade so lange auf den Magnet als die Trennung dauert. Die Ausschläge des Ma- gnetes messen also die Dauer der Trennung. Die Reizung der beiden Nervenstellen geschah ganz auf dieselbe Weise und mit denselben Vorsichtsmaassregeln wie sonst. Versuchsreihe XVlL. Muskel eines vier Wochen gefangenen Frosches, gleiche Stromstärke in beiden Nervenstellen. Einstellung nicht ge- ändert. A. Ueberlastung 200 grm. Ablenkung vorher 114,11, nachher 112,82, Müller’s Archiv, 1830. ; 23 354 Differenz der Ausschläge bei Reizung der entfernteren | näheren Ueberlastung. Erhebnugslöhe. = Nervenstelle. 1 2 B) 4 I. — 1,008 . ‚344,40 64 — 1,008. 329,24 5 7 — 1} 0,95 340,21 A 0,95 328,09 91 — 0,954 : 324,72 101 — 0,908 3177,33 11 — 0,85 313,44 11 — 0,80 308,00 141 — 0,758 299,04 14 — 0,701 295,17 15° — 0,65 290,41 14° — 0,65 284,52 11 — 0,608 281,17 | 48 — 0,551. 278,91 Mittel: $ 319,38 | 8319,37 B. Ueberlastung 100. Ablenkung vorher 112,82; nachher 112,99. i E | = Differenz der Ausschläge 2 ® bei Reizung der E 3 entfernteren näheren No.f > E Nervenstelle. 20 ‚21 22 1,35 452,62 ? 438,37 1,35| 431,00 - = 1,30 | 464,59 355 & z Differenz der Ausschläge E 2 bei Reizung der | © e entfernteren | näheren Nil 5 Is! Nervenstelle. rt El WE 419,9 2A U9°— 1,39 417,50 25 — 1,355 406,27 26 — I 1,301. 415,63 | nn 1.25 399,44 2 — 1,20 385,97 24 — 1,109 ° 375,99 | 3 — 1,059 373,04 3 — 1,00 366,07 a 0,90 358.43 Mittel: .. $ 406,64 | 408,07 Versuchsreihe XVlIl. Muskel eines A Wochen aufbewahrten Frosches. Glei- che Stromstärke in beiden Nervenstellen. Einstellung wäh- rend des Versuchs nicht geändert; Ablenkung vorher 114,87, nachher unverändert 114,37. Differenz der Ausschläge bei Reizung der „ entfernteren | näheren | Erhebungshöhe. Nervenstelle. 100] 0,501 371,44 1 a — 40,55 375,13 sl — I 0,551 - 370,98 4 — | 050 366,53 5 — 1 0,451. 362,24 6 — I 045 356,15 7 — | 0,45] 353,26 | © &n = # Differenz der Ausschläge 3 Ep bei Reizung der Ss = = 3 e E = entfernteren | näheren Noi 5 = Nervenstelle. 8 348,04 9 348,94 10 340,33 11 345.92 12 | 336,04 326.13 Mittel: | 352,70 || 353,70 In allen diesen Reihen nehmen die Ausschläge mit der zunehmenden Ermüdung des Präparats sehr merklich ab. Die arithmetischen Mittel der gefundenen Zahlen dürfen wir nur dann als die demselben mittleren Ermüdungszustande des Muskels zukommenden Werthe der zu messenden Grösse betrachten, wenn sich die Ausschläge während der Dauer der Beobachtungen in gleichen Zeitabschnitten nahehin um gleiche Differenzen vermindert haben. Dass dies der Fall sei, werden wir daraus erkennen, dass die Mittel aus allen beliebigen Combinationen gleich weit von den mittelsten in der Reihenfolge abstehender Zahlen gleich sind, oder wenig- stens regellose Unterschiede zeigen; ist es nicht der Fall, so werden diejenigen weiter abstehenden regelmässig entweder alle grösser oder alle kleiner sein müssen, als die der weni- ger abstehenden. Die obige Forderung trifit bei den ange- führten Versuchsreihen zu; bei einer andern nicht mitabge- druckten traf sie nicht zu; dieselbe war deshalb für unsern * Zweck nicht zu gebrauchen. Um die Erfüllung der bezeich- neten Bedingung nachzuweisen und zugleich zu zeigen, dass die Unterschiede, vwrelche zwischen den Mittelwerthen für Reizung verschiedener Nervenstellen vorkommen, kleiner sind als diejenigen für Reizung derselben Stelle, habe ich folgende Zusammenstellung berechnet. | | 397 Mittelwerthe der Differenzen der Ausschläge. 1). für die Reihe XVI A. Von der Von No. der No. der entfernteren Versuche, Versuche. Nervenstelle. Nervenstelle. der näheren 1 bis 18 319,38 3 bis 16 | 319,37 2 — 17 315,69 4 — 15 320,75 5 — 14 318,31 7 — 12 322,43 6 — 13 317,58 8 — 11 320,76 9 und 10 | 321,01 | ‚Mittel: | 318,39 I .320,76 2) für die Reihe XVI-B. 21 bis 30 406,64 19 bis 32 408,07 22 — 29 | 407,11 20 — 31 406,92 25 und 26 410,95 23 — 28 409,71 24 — 27 408,45 Mittel: 407,29 |] | 406,17 3) für die Reihe XVM. 1 4 bis-b3:-1---352,70 2ER, ZU ne Be #10. 1 252.56 = #7 35061 16 und 8 j 352,09 Er | | Mittel: | 353,71 $ I 352,65 Da uns die hier gebildeten Versuchscombinationen schliess- lich Mittel mit gerade entgegengesetzt liegenden Differenzen geben, als die aus der einfachen Addition ‚aller Beobachtun- gen vorher gefundenen, dürfen wir wohl schliessen, dass die kleinen Differenzen der letzteren, deren höchste in XVI B nur 1,43 Scalentheile, also etwa „4, der gemessenen Grösse ‚beträgt, zufällige seien. Es sind also die gemessenen Zeit- räume für beide Nervenstellen innerhalb der Grenzen der zu erreichenden Genauigkeit gleich, daraus folgt nach dem oben Gesagten, dass die einzelnen Stadien der sinkenden Energie 358 durch die Fortpflanzung im Nerven um ebenso’ viel verspä- tet werden, wie wir es für die der steigenden Energie nach- gewiesen haben. Ich bemerke schliesslich noch, dass die zu unsern vor- läufigen Versuchen gebrauchte Methode, die zeitlichen Vor- gänge aufzuzeichnen, welche für die Untersuchung der Mus- kelzuckung nicht brauchbar war, wahrscheinlich zu einer bequemeren und schnelleren Darlegung unserer Resultate über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in den Nerven wird dienen können, als die bisher befolgtee Man braucht den Mechanismus nur so anzuordnen dass sich zwei der Rei- zung verschiedener Nervenstellen entsprechende Erhebungs- curven vollständig decken müssten, wenn die Fortpflanzungs- geschwindigkeit eine unendlich grosse wäre. Da das Letz- tere nicht der Fall ist, werden sie in der That auseinander- fallen, und der Unterschied der Abseissen von je zwei ent- sprechenden Punkten derselben wird der Fortpflanzungszeit entsprechen. \Venn es meine Mittel erlauben,. behalte ich mir vor, den Versuch in dieser Weise auszuführen. $. I. Veränderung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit in den Nerven durch die Temperatur. Ich habe in meiner vorläufigen Mittheilung angegeben, dass ich für den Zeitunterschied, der der Nervenleitung ent- spricht, an kälteren Tagen grössere Zahlenwerthe erhalten habe und schloss daraus, dass wahrscheinlich die Fortpflan- zungsgeschwindigkeit mit der Temperatur abnehme. Das hat sich in sehr auffälliger Weise bestätigt, bei einigen Ver- suchen, wobei ich die Nerven auf Eis legte. Das Resultat derselben wird aber durch eine andere höchst auffallende Erscheinung complicirt, für welche ich noch keine Erklä- rung zu geben weiss. Wird nämlich ein Theil des Nerven 359 auf Eis gelegt, so wird die Zeitdauer zwischen der Reizung und der mechanischen Wirkung des Muskels sehr beträcht- lich erhöht, zuweilen auf das zehnfache und zwar sonderba- rer Weise nicht blos dann, wenn die Reizung sich durch die erkältete Stelle des Nerven hindurch fortpflanzen muss, sondern auch, wenn der Nerv zwischen dem Eis und dem Muskel oder der Muskel selbst von dem elektrischen Strom getroffen wird. Dabei ist an eine unmittelbare Einwirkung der Kälte auf den Muskel nicht zu denken, weil die Wir- kung aufhört, wenn man das Eis an seinem Platze lässt, den Nerven aber vom Muskel trennt. Ich führe zunächst als Beleg hier eine. Versuchsreihe an, bei welcher die elektrischen Schläge durch den Muskel selbst gingen. * Reihe XVII. A) Ablenkung vorher 113,67. Der Nerv liegt noch nicht auf dem Eise. ifferenz der No. oberste] er Ausschläge. 1 50 99,52 ) Tr 100,50 3 20 68,20 4 68,95 5 50 99,85 6 > 98,85 B) Der Nerv wird auf Eis gelegt. Das Eis ist in ei- nem kleinen Glühtiegelchen von Porzellan enthalten, welches mit Wasser gefüllt im Freien gestanden hatte, bis das Was- ser gefroren war. ‚Zwischen Nerv und Eis legte ‚ich. ein Streifehen Froschhäut, um die Reizbarkeit des Nerven nicht durch das sich bildende Wasser zu beeinträchtigen. 360 No. Iöetatone| Differenz der Ausschläge. 7 50 & ns 9 20 10 — 41 50 12 _ Nun wurde der Nerv durchschnitten, während das. Tie- gelchen mit Eis stehen blieb. Differenz der Ausschläge. 110,77 111,65 167,17 67,70 100,20 94,10 Ich lasse hier die Versuchsreihen folgen, welche ich über die Fortpflanzung der Reizung in erkalteten Nerven an- gestellt habe. | No. Veberlastun| Reihe XIX. Der Nerv lag von Anfang an auf Eis, von diesem durch ein mit Kautschuck gefirnisstes Stanniolblätichen getrennt, und wurde deshalb stärker erkältet, als in der vorhergehen- den Reihe; das Eis war zu Ende des Versuchs noch nicht ganz geschmolzen. Ablenkung 123,13. Ueberlastung 50 gr. Da die Ausschläge fortdauernd steigen, sind die der Fort- pflanzungszeit entsprech enden Unterschiede aus dem Mittel- werthe von denjenigen Ziffern berechnet worden, welche hintereinander bei Reizung der einen Nervenstelle gefunden wurden, und aus dem Mittel von 2 nächst vorhergehenden und 2 nächstfolgenden, auf die andere Stelle bezüglichen. $ Differenz der Aus- = & schläge bei Reizung [Mittel für Reizung der Differenz = 2 der i ‚a nu R = 15% er | näheren Sn. BER = E- ren näheren en; Leitung. vi pP Ey zur | 1 A 235,63 | & | 2, 435 Bi 15 | 4 . 3 een um DH EI 7 . £ . = 5f 1,15 I —| 262,50 64 1,05 | — 1 287,08 279,93 | 268,27 1 11,66 7 1,15 $—I 290,21 81 1,10 290,23 288,14 15,01 & 5 1.05 " | 286,05 | en [au 13 i 10% 1,00 314,95 HB 0.90 pP’ | 320.38 | 317,66 | 300,81 [azoo |a01 | 105° 16,85 12] 0,90 |— 309,31 In EITHER 13] 0,85 317.64 | 339,52 26,05 14] 0,85 |—1 354,67 . 0,85 - ser 368,08 | ie 1 | 0002 | art 171 0,80 I — 350,05 18] 0,80 Ei si 1 Ric - ae 19] 0,70 1] 412,72 [= 218 0,70 21071 iR 391,26 Te i 22] 0,65 i—: 397,84 Es steigt also die Zeit, welche für die Leitung des Rei- zes im Nerven nöthig ist, in diesem Beispiel auf das Zehn- fache, die Versuchsreihe musste abgebrochen werden, weil die Ausschläge zu gross wurden, um noch auf der Scala beobachtet zu werden. Zugleich ergiebt sich, dass die In- tensität der Reizung nicht verringert wird, wenn dieselbe sich durch die erkaltete Stelle fortpflanzt, denn die Erhe- 362 bungshöhen bleiben unverändert, welche Stelle des Nerven auch erregt werden mag, Ich konnte keine so ausgedehnte Versuchsreihe in die- sem Winter mehr gewinnen, weil die Temperatur der Luft höher wurde, und die kleinen Eismassen, welche ich wegen der Dimensionen meines Apparats allein anwenden konnte, schnell hinwegschmolzen. Ich will aus einer der anderen Reihen nur noch die folgenden Versuche anführen, aus wel- chen hervorzugehen scheint, dass die Verzögerung wegen der Nervenleitung bei hohen und niedrigen Ueberlastungen gleich ist. Reihe XX. Der Nerv lag auf Eis, von ihm geirennt durch Frosch- haut. Ablenkung 123,2. © „— =) Ep = = En = 5 Ko Er =) _— -_ Fe © “a > Differenz der Ausschläge bei Reizung der 2 entfernteren | näheren Nervenstelle. = | S| Er 116,57 363 Aus den Versuchen 4 bis 6 findet sich für 100 grm. Ueberlastung die Differenz wegen der Fortleitung — 41,58 als Mittel aus den Versuchen 1, 2, 3, 7, 8, 9° dieselbe für 20 grm. VUeberlastung —= 11,09. Auf dieselbe Weise findet sich aus 7, 8, 9 für 20 grm. dieser Werth = 18,57 und ereer aus Ce b, 10, 11, 12 dur 200 erm—718, Diese Werthe entsprechen sich hinreichend gut. Ich stelle schliesslich die Resultate der vorliegenden Untersuchungen noch einmal zusammen: 4) Wenn ein animalischer Muskel oder sein Nerv durch einen momentanen elektrischen Schlag gereizt wird, vergeht erst eine kurze Zeit, während welcher die elastische Span- nung desselben sich nicht merklich ändert, dann steigt sie allmälig zu einem Maximum, um ebenso allmälig wieder zu sinken. Die Zusammenziehung des animalischen Muskels unterscheidet sich ‘also von der, welche in organischen, nicht rhythmisch wirkenden Muskeln, nach verhältnissmässig kurzer Reizung eintritt, nur dadurch, dass ihre einzelnen Stadien viel schneller vorübergehen. | 2) Wenn zwei verschiedene Stellen eines motorischen Nerven von einem momentanen Reiz getroffeu werden, und die Grösse der Reizung für beide gleich ist, so ist es auch der zeitliche Verlauf der darauf erfolgenden Muskelzuckung, nur treten sämmiliche Stadien derselben um ein Gleiches später ein, wenn der Reiz die entferntere Stelle des Nerven getroffen hat. Wir schliessen daraus, dass die Fortpflanzung der Reizung durch den Nerven bis zum Muskel hin, einer messbaren Zeit bedürfe. 3) Wenn eine Stelle des Nerven stark abgekühlt wird, ist die Dauer sämmtlicher Stadien der Muskelzuckung eine viel grössere, selbst dann, wenn die Reizung gar nicht durch die erkältete Stelle hindurch zu dringen braucht. Die Fort- 364 pflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in der erkalteten Stelle ist beträchtlich vermindert. {. Die Art der Fortpflanzung der Reizung ist noch folgen- dermaassen näher zu bestimmen. Wir wissen nicht, ob die Veränderungen im Zustande des motorischen Nerven, welche sich durch Einwirkung eines Reizes einstellen, es augenblick- lich thun, und auch ebenso schnell wieder verschwinden, wie der erregende Vorgang, oder ob sie sich, wie wir es von denen des Muskels wissen, erst allmälig einstellen, und später als der Reiz verschwinden. Das Letztere dürfte viel leicht wahrscheinlicher sein, nach Analogie des Verweilens der Eindrücke in den Sinnesnerven. Wenn dies der Fall ist, so folgt aus unserem Nachweis über den bis auf die Verzö- gerung wegen der Fortpflanzung unveränderten Verlauf der Muskelzuckung bei Reizung .der entfernteren Nervenstelle, dass ‚auch der zeitliche Verlauf der Reizungserscheinungen in jeder einzelnen Nervenstelle, gleich viel ob nah oder fern von der gereizten Stelle, derselbe sein muss, dass also. die Erregung der primär erregten Stelle, wie eine Welle von un- veränderter Form durch den Nerven hin bis zum Muskel ab- läuft. . Ist die Dauer der Vorgänge in jeder einzelnen Ner- venstelle aber verschwindend klein gegen die im Muskel, so dürfen wir einen solchen Schluss nicht machen; es könnte sich dann bei der Fortleitung die relative Dauer der einzel- nen Stadien der Welle verändern, wenn nur die des ganzen Vorgangs gegen die Dauer der Muskelzuckung verschwindend klein bleibt. Physiologische Bemerkungen über einige bekannte Eigenthümlichkeiten des Baues der Vögel. Von CARL BEREMANN. Was ich hier mittheile, ist einer physiologischen 'Ueber- sicht des Thierreiches entnommen, welche ich in den letz- ten Jahren gemeinschaftlich mit Rud. Leuckart entworfen habe. Mir fiel dabei die Bearbeitung der Wirbelthiere zu. Wenn ich nun für einige um einen bestimmten leitenden Gedanken sich gruppirende Resultate jener Arbeit einen Platz in dieser Zeitschrift in Anspruch nehme, so hoffe ich das damit rechtfertigen zu können, dass die Oekonomie je- ner Schrift eine Zusammenstellung dieser Art, welche mir nicht unwichtig erscheint, nicht gestattete. ! Der leitende Gedanke‘, auf welchen sich diese Zusam- menstellung bezieht, ist ein sehr bekannter, doch wird man ihn seiner Wichtigkeit halber, schwerlich trivial nennen dür- fen. Es ist nämlich eine oft wiederholte Bemerkung, dass der Bau der Vögel ein sehr leichter sei, dass man in dem- selben — und dabei wird besonders zweckmässig der Bau der Säugethiere als Ausgangspunkt der Vergleichung ge- wählt — in mehrerer Beziehung das Aufgeben entbehrlicher Lasten bemerke. Die lufthohlen Knochen, die zarte Bildung der Befiederung geben dieser Bemerkung eine nahe liegende 366 und handgreifliche Stütze. Es knüpft sich daran dann so- gleich die weitere Vorstellung, dass die Bewegungs weise des Fluges für gleiche Lasten eine grössere Kraft in Anspruch nehme, als die vorherrschenden Bevregungsarten der Säuge- thiere. Diess hat schon ein besonderes Interesse, da man in neuerer Zeit (Prechtl) von übertriebenen älteren Vor- stellungen zurückkommend, selbst so weit gegangen ist, an- zunehmen, dass der Unterschied des Kraftverbrauches bei gewöhnlichem. Fliegen und gewöhnlichem Gange nicht so gar bedeutend sei. _ Je consequenter wir im Baue der Vö- gel Ersparnisse an Gewicht durchgeführt finden, um so mehr werden wir anerkennen, dass doch wirklich ein Werth auf diesen Unterschied zu legen sei. In der That sind nun von jenem Grundgedanken unse- rer Mittheilung, so sehr er wohl im Allgemeinen als richtig anerkannt ist, dennoch manche wichtige Consequenzen noch nicht beachtet worden, es ist noch nicht anerkannt, in wie vielen Richtungen er sich als wahr ausweist: eine sehr na- türliche Folge davon, dass die vergleichende Physiologie theils ein unermessliches Gebiet ist, theils überall weniger consequent als gelegentlich von den. Forschern angebaut wurde. So kann es kaum fehlen, dass man, mit irgend ei- nem, wenn auch altbekannten leitenden Gedanken ‚zum Füh- rer, das bekannte anatomische Material durchmusternd, man- cherlei neue Beziehungen. auffinde. h Wird es möglich sein, in der angedeuteten Richtung einiges Neue zu geben ‚so wird die Darstellung noch an Interesse gewin- nei müssen, ‘wenn wir. die betrachteten Einrichtungen dane- ben: auch von.einer neuen Seite, auffassen. Es ist näm- lich evident, dass mehrere dieser Einrichtungen, während sie als Gewiehtsersparungen betrachtet, dazu beitragen den: Flug möglich zu machen, an- dererseits auch die Fähigkeit des Fluges fordern. Wir haben : diese Einriehtungen als Aufgaben. eines ent- behrlichen Ballastes bezeichnet. Wir werden dem hinzu- 367 zufügen haben, dass der Ballast eben nur dadurch entbehr- lich wird, dass die Flugfähigkeit, eine rasche, mit weit reichenden Sinnen gepaarte Bewegung, hinzutritt. : Wir werden, um ein einzelnes Beispiel anzuführen ,.leicht' einse- hen — und diess ist auch von Andern schon bemerklich ge- macht — wie. es mit. den Principien der Ersparniss . zusam- menhängt, dass die Vögel Eier legen _müssen. Da ist es aber gar nicht unnatürlich zu fragen, wesshalb denn nun dagegen: die Säugethiere so consequent mit ihren Jungen be, lastet bleiben bis zu einer bedeutenden Entwickelung? Die- selbe Frage kehrt mehrfach wieder und kann mehrfach evi- dent dadurch erledigt werden, dass die bei dem Vögeln be- merkten Einrichtungen für Thiere von langsamen Bewegun- gen unzweckmässig, unausführbar gewesen sein würden. Die in einer Richtung (Gewicht) gewonnene Ersparniss setzt in einer andern (Bewegung) einen neuen ‚Aufwand voraus und es vollendet sich erst so der Kreis des Könnensund Müs- sens, in welchem: die physiologische Forschung ihre Befrie- digung findet. | Ausserdem werden wir .bemerklich machen, , wie die hier zunächst zu erwähnenden Eigenthümlichkeiten des Baues der Vögel auch mit anderen, unsern. leitenden . Gedanken nicht unmittelbar berührenden anatomischen Beschaffenheiten dieser Thiere auf, das Innigste verkettet sind, in gegenseitig bedingendem und bedingtem Verhältnisse zu ihnen. stehen. Ein Beispiel solcher Verkettung bietet namentlich: das Eier- legen, das offene Becken, der Respirationsmechanismus, der Mangel eines beweglichen Lendentheiles an den Vögeln. Man könnte bei der beabsichtigten Betrachtung es nun wünschenswerth finden, einen, genauerw Maassstab der Ver- gleichung zu besitzen, als ich ihn bis jetzt darzubieten ver- mag. . Man könnte z. B. das gesammte Muskelfleich oder auch alle grösseren Theile, ‚des Nervensystems, als solche, an welchen eine Ersparniss am wenigsten denkbar ist, bei Säugethieren und. Vögeln der Wägung unterwerfen, und 368 damit die übrigeu Organe vergleichen. Etwas dahin Gehö- riges besitzen wir in der That schon in den Bestimmungen des Gewichtsverhältnisses von Hirn und Körper bei man- chen Thieren, und diese Verhältnisse sind allerdings zu Gunsten des Vogelgehirns. Aber diess ist wenig; es wäre eine Weiterführung solcher Vergleiche mit Rücksicht auf un- seren oben ausgesprochenen Satz zu wünschen. Demunge- achtet wird es wohl aus der Art der folgenden Betrachtun- gen erhellen, dass dieses exactere Verfahren nicht durchaus nöthig ist, um es zur Anerkennung zu bringen, dass im Bau der Vögel manche Einrichtungen sich finden, welche bei Vergleich mit den Säugethieren, als Aufgeben eines Ballastes erscheinen, dessen die Vögel entbehren können. ‘ Irren wir hierin nicht, so wird es uns kein Vorwurf sein, die Methode der Wägungen vorläufig unterlassen zu haben. Eine ihrer Bedeutung nach längst erkannte 'Thatsache ist nun, zunächst die lufthaltige Beschaffenheit der Vogelknochen. Darüber also nur jene Worte: bei Säugethieren und Vögeln finden sich kleinere und grössere Räume innerhalb der Kno- chen und diese sind bei erstern mit tropfbaren Flüssigkeiten, Fett u. s. w., bei letzteren grösstentheils mit Luft gefüllt. Nun würden zwar die Knochen der Vögel um nichts schwerer sein, wenn sie bei gleicher Knochenmasse solide statt hohl wären, aber sie würden dann schwächer sein. Soll- ten ganz solide Knochen dieselbe Stärke haben, wie diese hohlen Cylinder u. s. w., so müsste eine grössere Masse von Knochensubstanz zu ihrem Bau verwandt sein. Die Prineipien, auf welchen diess beruht, hat schon Galilei, wie ich kürzlich gesehen, in seinen Dialogen auf das Ske- let angewandt, so dass hier diese Erwähnung genügt. Die Verhältnisse der einzelnen Theile des Skeletes wä- ren also zunächst zu erwägen. — Hier hat die äusserst sparsame Einrichtung des Kopfes nun schon die Aufmerk- samkeit auf sich gezogen. Es spricht sich dieselbe theils als eine absolute Ersparung aus, theils als eine Verlegung des 369 Gewichtes an eine passendere Stelle. Die absolute Erspa- rung ist sehr deutlich — z. B. in der Verwahrung des Gehir- nes. Wer'je Säugethier- und Vogelgehirne ausgenommen hat, weiss wohl, welcher Unterschied hier ist, wie dünn die Häute bei den Vögeln, wie fest das Gehirn sich an den Kno- chen legt. Die Cerebrospinalflüssigkeit behält hier in der That wenig Raum! Betrachten wir daneben anch das Ge- rwehswerkzeug der Vögel. Es muss uns diess zu einer eigenen Betrachtung Veranlassung geben. Man hat oft, wo von dem Vergleiche der Sinnesschärfe' und der Einrichtung des Organes die Rede war, gar zu allgemein den gesamm- ten Inhalt der Nasenhöhle berücksichtigt; man hat sich durch die complieirle Concha infima der Säugethiere imponiren las: sen. Doch lehrte schon Scarpa, dass nicht hier der Sitz des Geruchsinnes sei, doch wissen wir. längst und nament- lich auch dureh Searpa, dass manche Vögel, wiewohl ih- nen die grosse Concha inf. fehlt, einen ausgezeichneten Ge- ruchssinn haben. | Was soll also die Concha inf.? wesshalb haben sie die Säugethiere grossentheils so ausgebildet, die Vögel‘'nicht?: die Ursache scheint mir der Hauptsache nach die zu sein: die vielfältigen Windungen .der Ooncha inf.,’ mit Schleimhaut überzogen, lassen oft nur‘ ‘schmale Spalten für die Luft, feine Luftströme ziehen zwischen feuchten Wänden’ hin; die Wirkung davon’ mag eine Reinigung der Luft von Staub und dergleichen sein, wie wenn man durch einen Schwamm atlımet. Eine solche Vorkehrung kann nur nützlich sein für Säugelhiere,' welche mit der Nase am Boden spüren, Kräu- ter am Boden fressen u. s. w.' Sie ist überflüssig’ für die Vögel, überflüssig für den Menschen; ‘für die Cetaceen.- Dar- um konnte also das Geruchswerkzeug auch scharf riechender Vögel so compendiös sein, im Vergleich mit dem der Säu- gethiere, — Dass jedoch"biemit die physiologische Wichtig- keit der Concha inf. nicht vollständig bezeichnet ist, lehren Müllen’s Arebit, 1850. | “24 di 370 die Phoken, welche keinen Schutz gegen Staub. bedürfen möchten, dennoch aber entwickelte Conchen besitzen. Gross am Schädel der Vögel sind nur Gehirn und Au- gen, Dass am Gehirn nichts erspart werden kann, ist wohl anzunehmen. Weshalb das Auge der Vögel so gross ist, genauer auseinanderzusetzen, gehört nicht wesentlich hier- her. Beachtenswerth ist aber die eigenthümliche Form, wie sie sich namentlich bei Raubvögeln, Eulen, kund giebt. Ge- hen wir davan aus, dass das Vogelauge gross sein. muss, um grosse Bilder der Gegenstände zu geben, so sind es zwei Dimensionen, welche durch diesen Zweck gefordert werden: eine lange Augenaxe und ein ausgedehnter Augengrund. An einem Eulenauge sieht man nun sehr deutlich, wie die Ver- grösserung der Dimensionen möglichst eben auf diese beiden Richtungen beschränkt ist; zwischen dem Augengrunde und der Hornhaut ist der Umriss des Auges eingezogen. Sollten wir die Gestalt eines solchen Auges in die eines gewöhnli- chen Säugethierauges umwandeln, so müssten wir einen dik- ken Wulst um den Knochenring legen, und dadurch das Auge der Kugelform näher bringen. Es ist hieraus ersichtlich, dass auch an dem Auge der Vögel, so gross es ist, und be- sonders da, wo es sehr gross ist, noch Principien der Spar- samkeit befolgt sind. Die Form eines solchen Auges hat überhaupt nur als Abweichung von andern Formen, nicht in Beziehung zur Function etwas Auffallendes. Der wichtigste Punkt, welcher bei. der Leichtigkeit des Vogelkopfes in Betracht kommt, ist nun aber der Wegfall der Zähne, die Schwäche und Einfachheit der Beissfunktion Der Schnabel der Vögel wirkt durch Stoss oder Reissen (bei hakenförmiger Krümmung), das Kauen ist sehr beschränkt, geht selten über ein Enthülsen von Samen hinaus. Statt; der mechanischen Funktion des Gebisses, zrlegt hier fehlt, muss nun freilich, der Magen eintreten, und wir haben: somit, wenigstens theilsweise, nur eine Verlegung des Gewichtes an einen andern Ort. Dass auch diess sehr vor- 34 theilhaft ist, leuchtet jedoch ein. Die Lage des Magens zu den Schultergelenken, wo das Thier getragen wird, ist eine weit günstigere, als die des Kopfes. Zudem ist die Lage des Magens unveränderlich, während der Kopf selbständig beweglich ist. Jede Bewegung des Kopfes aber ist eine Veränderung des Gleichgewichtszustandes, und würde wäh- rend des Fluges um so schädlicher sein, je schwerer der Kopf wäre. Jede Vermehrung des Gewichtes des Kopfes würde ferner bedeutend erhöhte Anforderungen an die Stärke der Knochen und Muskeln des Halses, ja des Rum- pfes, an welchem der Hals sitzt, stellen. Wäre der Kopf schwerer, so würde er ferner beim Fliegen entweder auf den Rücken des Vogels gelegt werden müssen, oder es müsste de, Theil des Thieres hinter den Flügeln um eben so viel erschwert sein, um den Kopf zu äquilibriren: es würde also jede Ge- wichtszulage am Kopfe eine doppelte für das ganze Thier erfordern. van Durch die angedeutete Rückwirkung, welche ein schwe- rer Kopf auf den Hals haben müsste, wird es schon klar sein, dass es sich hier nicht bloss um eine Verlegung des Gewichtes, sondern daneben auch um eine absolute Erspa- rung handelt. Aber eine Ueberlegung der Voraussetzungen eines Kauapparates muss zu diesem Resultate auch schon ohne Rücksicht auf den Hals führen. Sollten diese Thiere kauen, so müssten ihre Kiefer stärker, schwerer sein, es müssten mehrere Muskelanlagen, stärkere Muskelmassen und für deren Anheftung wieder grössere Flächen, festere Schä- delknochen vorhanden sein. Die Länge und Beweglichkeit des WVogelhalses ist bekannt und Cuvier hat schon richtig angegeben, dass diese Länge ihr Maass im Allgemeinen in der Länge der Beine hat, während bei den Säugethieren die Vorderfüsse das Maas abgeben. Wo sich Abweichungen von diesen Pro- portionen ergeben, da sind sie bei den Säugethieren durch relative Verkürzung (Mensch, Affen, Elephant, Cetaceen) bei 24 * 312 den Vögeln durch Verlängerung (Schwan) des Halses be- dingt.. Die Ursachen oder Zwecke dieser Abweichungen be- dürfen keiner Erläuterung. | Wir dürfen in Beziehung auf die Beweglichkeit des Vo- gelhalses noch an die Funktion des Federputzens erinnern, so wie auch die Bemerkung vielleicht nicht ganz müssig ist, dass bei dem Säugethiere, wenn es sich auf den Hinterbei- nen fixirt. oder sitzt, die Beweglichkeit des Kopfes auf der Summe der in Lenden und Halsgegend möglichen Bewegun- gen beruht, während den Vögeln ein biegsamer Lendentheil fehlt. So sagt auch Ch. Bell, die Länge und Beweglichkeit des Vogelhalses sei deshalb nöthig,. weil die Vögel keine be- wegliche NLendengegend haben. . Die Nothwendigkeit, mil dem Schnabel die Bürzeldrüse erreichen zu können, muss man dabei vor Augen haben. Die Kürze und Unbeweglichkeit der Rumpfwirbelsänle sind, wie ebenfalls Cuvier bemerkt, aus dem Mangel einer Bewegung auf vier Extremitäten begreiflich. Was für die Säugethiere sehr wichtig ist: die Möglichkeit sowohl verti- kaler als auch horizontaler Krümmungen eines zwischen den hintern und vordern Extremitäten gelegenen Theiles der Wir- belsäule, wäre für die Vögel nicht bloss überflüssig, sondern sehädlich; jedes Schwanken des Hintertheiles wäre beim Fliegen, Beweglichkeit des Vorderrumpfes beim Gehen lästig. Wir haben hieran aber noch andere Bemerkungen zu knüpfen. Erinnern wir uns zunächst an das zum Fliegen erforderliche Brustbein, dessen grosse Flächenausdehnung den ganz eigenen Hespirationsmechanismus der Vögel bedingt. Durch dieses Brustbein wird der Rumpf des Vogels nach unten grösstentheils geschlossen und bei dem Respirations- mechanismus der, Vögel ist zudem .eine, Wirkung der Bauch- muskeln, ‚wie wir sie bei den Säugethieren finden, überflüs- sig. Es giebt hier kein Zwerchfell, welches die Unierleibs- eingeweide abwechselnd zurücktreibt, und dann wieder sich 313 durch dieselben in Folge der Spannung der Bauchmuskeln nach vorn schieben lässt. Also sind die starken Bauchmuskeln für das Athmen nicht nöthig. Sie sind gleichfalls nicht nöthig als Beuger des Lendentheiles der Wirbelsäule, da dieser nicht biegsam ist. Mit der Entbehrlichkeit oder grossen Schwäche dieser Muskeln, fällt also eine Bedingung fort, wegen deren bei den Säugethieren das Becken nach unten stark sein muss. Das Becken der Vögel, an dessen untern Theile sich keine star- ken Bauchmuskeln zu befestigen haben, kann nach unten schwach sein, offen stehen. Freilich aber dient die Sympbyse bei den Säugethieren auch der festen Verbindung des Beckens mit der Wirbelsäule, insofern vermiltelst der Symphyse die Befestigung jeder Bek- kenhälfte am Os sacrum auch der andern Beckenhälfte zu Gute kommt; bei den Vögeln steht in dieser Hin- sicht jede Beckenhälfte nur für sich allein da, so dass in den Momenten, in welchen der Körper auf einem Fusse ge- tragen wird, auch nur eine Beckerhälfte die Verbindung bil- det, während bei den Säugethieren, mag nur ein Hinterfuss zur Zeit, oder mögen zwei gleichzeitig wirken, diese Wir- kung stets durch beide Beckenhälften auf das Os sacrum u. s. w. übertragen wird. Es enisteht aber hieraus keine Schwierigkeit, wiederum wegen des Wegfallens eines beweg- lichen Lendentheiles. Denn hieraus geht die Möglichkeit her- vor, jede Beckenhälfte in sehr ausgedehnter Fläche mit den Wirbeln in Verbindung zu bringen. Sollte dagegen bei den Säugethieren diese Verbindungsfläche weiter ausgedehnt werden, so würde zu diesem Zwecke allein eine besondere Vergrösserung des Os sacrum nöthig sein, da beide das Os sacrum begrenzende Wirbelstrecken beweglich sein müssen. Aus diesen verschiedenen Umständen ist es also begreif- lich, wesshalb bei den Vögeln das Becken nach unten oflen- stehen darf. Wesshalb es aber offenstehen muss, das ist aus dem 374 Eierlegen zu erklären; wenigstens dürfen wir ‘sagen, dass dies dadurch sehr erleichtert ist. Der Strauss legt freilich auch mit geschlossenem Becken Eier. Dazu bedarf dasselbe aber einer Form und Ausdehnung, welche für fliegende Vö- gel wieder unzweckmässig sein würde. Zur Vergleichung des Eilegens mit dem Gebären der Säugeihiere hat man zu beachten, dass das Ei sämmtliches Material in sich enthält, aus welchem das Junge sich bilden soll. Wir können es also an :Masse durchschnittlich mindestens dem fertigen Jun- gen des Säugethieres vergleichen. Seine Form ist aber weit weniger günstig, als der einer Streckung fähige Körper eines zu gebärenden Thieres selbst. Daher also die Zweckmässigkeit des nach unten offenen und biegsamen Beckens der Vögel. Hieran können wir die Frage knüpfen: weshalb denn die Vögel so durchaus Eier legen müssen? In andern Klas- sen, wo das Eierlegen vorkommt, finden wir es nicht so durchgeführt; von mehr verwandten Thieren ist das eine eierlegend, das andere lebendiggebärend. Das Eierlegen der Vögel bietet uns zwei wichtige An- haltspunkte. Erstlich, zur Beantwortung der Frage, wesshalb diese Thiere Eier legen müssen, dient, wie das längst richtig erkannt wurde, der Umstand, dass ein Austragen der Jungen im Innern dem Principe der möglichst grössten Leichtigkeit des Körpers widerspricht. Einmal wären dazu gewisse Apparate nöthig (Uterus), welche das Thier stets zu tragen hätte, und es müsste die Bauchhöhle überhaupt umfänglicher sein; ausser- dem aber würde der weibliche Vogel mit einer Anzahl von Jungen im Innern, wenn diese sich etwas herangebildet hät- ten, ein unglückliches, mindestens des Fluges kaum fähiges Geschöpf sein. Darum muss der Vogel jedes Ei, sobald er es hinreichend ausgestattet hat, rasch ablegen. Es würde aber natürlich dieser Vortheil wieder ganz verloren gehen, wenigstens für eine kurze Zeit, wenn der Vogel seine Eier alle zugleich völlig ausbildete. Auf der an- 375 dern Seile darf er dieselben aber auch nicht in grossen Zwi- schenräumen legen, um nicht die ganze Periode, von Be- ginn des Eierlegens bis zur erreichten Sebstständigkeit der Jungen, zu sehr in die Länge zu ziehen, was seine be greiflichen Nachtheile haben würde, Folglich ist es zweck- mässig, dass der Vogel seine Eier rasch nach einander legt, zugleich aber auch jedes einzelne in möglichst kurzer Zeit zum Legen fertig macht. Diess ist nun nur Thieren möglich, welche, wie die Vögel, durch scharfe Sinne, rasche Bewegung (und Ver- dauung) eine grosse Menge von Nahrungsstoff in kurzer Zeit sich aneignen können. Das Säugethier verbraucht die ganze Zeit seiner Trächtigkeit, um den Nahrungsstoff herbeizuschaf- fen, mit welchen seine Jungen geboren werden sollen. Die- selben Umstände also, welche beitragen, die rasche Bewe- gung möglich zu machen, fordern dieselbe auch. Es ist offenbar mit den eierlegenden Reptilien und Fi- schen eine andere Sache. Gewiss geht, namentlich bei den ersteren, die Ausfertigung der Eier nur langsam vor sich. Doch ist es bei solchen Thieren auch möglich, dass ein Theil des zur Eibildung zu verwendenden Materiales sich in Form von Fettablagerungen u. dgl. sch on in ihnen befindet und dann rasch zur Eibildung disponibel ist. Solche Depots würden für den Vogelkörper nicht zweckmässig sein. So sehen wir also, wie das Brustbein, der Mangel des Lendentheils, die Einrichtung des Beckens, Alles mit dem Ei- erlegen, ausserdem aber noch auf andere Weise unter sich zusammenhängt. In demselben Sinne sparsam, wie in andern Richtun- gen, erweist sich die Einrichtung der Vögel auch dadurch, dass sie ihren Jungen lediglich die Nahrung suchen und ohne weitere Verarbeitung zutragen, statt mit einem -besonderen Apparate, Milchdrüsen, dazu belastet zu sein. Der Tau- benkropf ist eine Ausnahme davon und doch nur eine halbe, da die Tauben dasselbe Organ auch für die individuelle Exi- 376 'stenz gebrauchen. Manche Vögel, wie Hühner u. s. w. brau- “chen aber selbst ihren Jungen die Nahrung nur anzuweisen. Der Darm der Vögel gilt für relativ kurz. Ich weiss nicht, in wie weit diess Urtheil auf einer ungenügenden Me- ihode der Untersuchung beruhen mag, über »welche ich hier mich nicht weiter auslassen kann. Nehmen wir es aber als richtig an, dass bei gleicher Nahrung der Vogel einen kür- zern Darm hat, als das Säugelhier, so knüpfen sich daran ganz ähnliche Betrachtuugen., Der Darm der Säugelhiere ist vom Pylorus bis zum After mit der Resorption beschäftigt. Diese kann aber in den hinteren Theilen des Darmes weit weniger ergiebig sein, weil der Inhalt mehr und mehr aus- 'gebeutet ist, je weiter er fortrückt in den Därmen. Der Diekdarm ist dann noch dazu offenbar weniger zur Resorp- tion geschickt, als der Dünndarm. Ist nun der Darm der Vögel kürzer, so betrifft diess erstlich besonders den Dickdarm, an welchem ja bei ihnen meist nur ein kurzer Mastdarm übrig ist. Sie verlieren also nicht viel dabei. Bei dem Säugethiere mögen die letzten ‚Reste des Speisebreies noch gleichsam ausgelesen werden, es kommt bei ihnen auf die Leichtigkeit des Körpers nicht so sehr an: mehr darauf, dass die Nahrung, welche sie einmal erworben haben, recht ausgenutzt werde. Für den Vogel ist es aber besser sich mit dieser Bast (Dickdarm + Inhalt) nicht zu tragen. Man sieht aber leicht, wie auch Stellen des Darmes, welche weit entfernt vom Magen liegen, weit lebhafter in Thätigkeit gesetzt werden können, wenn der motus peristal- ticus rascher ist, so dass ihnen der Speisebrei zugeführt wird, ehe er zu sehr ausgesogen wurde. Da nun die Vögel viel fressen und schnell verdauen, so möchte es wahrschein- lich sein, dass diese Umstände bei ihnen benutzt werden, und das können sie wiederum nur, insofern die Vögel auch fähig sind, eine grosse Menge von Speisematerial durch die Raschheit ihrer Ortsbewegung u. s. w. zu erreichen, sich an- 317 zueignen. Hierdurch wird es möglich, dass die Resorptions- thätigkeit der hintern Theile des Darmes weniger hinter den vordern zurücksteht und dass folglich bei den Vögeln an ei- ner kleinern Darmfläche eben so viel ausgesaugt wird, als bei den Säugethieren an einer grössern. Es käme, wie man leicht sieht, darauf an, ihre Fäces zu untersuchen. Denn diese müssten nach unserer Hypothese eine grössere Menge nicht resorbirten Nahrungsstoffes enthalten, als die Fäces der Säugethiere. DBegreiflicher Weise wäre hier aber mit blossen Untersuchungen auf Stickstoffgehalt, wegen der bei- gemengten Harnsubstanzen, nichts gefördert. Einen andern Blick in die Organisationseigenheiten der Vögel gewährt eine Betrachtung über ihren Wasserver- brauch. Die Wasserverluste der Säugethiere geschehen bekannt- lich besonders auf drei verschiedenen Wegen: Nieren, Haut, Lungen. Die Ausscheidung der Nieren accommodirt sich den wechselnden Anforderungen der beiden andern Organe. Wir können also sagen: der Körper des Säugethieres ist stets in der Lage, einen Theil Wassers aus seinen Säften abgeben zu kön- nen, er muss in dieser Lage erhalten werden dadurch, dass sich das Gefühl des Durstes in hinreichendem Maase geltend macht. Wird nun diese Ausscheidung nicht im erhöhten Maasse durch Lungen oder Haut gefördert, so wird dieselbe durch die Nieren bewirkt; steigern sich aber die Bestrebun- gen jener Organe, so bekommen die Harnwerkzeuge weniger Wasser, oder es wird dasselbe aus dem ausgeschiedenen Harne in stärkerem Maasse wieder aufgesaugt. Die Steigerungen der Ausscheidung durch Haut und Lungen stehen nun unter ganz verschiedenen Bedingungen. So lange es an der Haut bei einer einfachen Ausdünstung durch die Epidermis bleibt, wird die Quantität von Wasser, welche hier verloren geht, stets abhängen von der geringeren oder grösseren Sättigung der die Haut berührenden Luft mit Wassergas. Der Verlust durch die Schweissdrüsen ist aber 318 hiervon unabhängig und überhaupt von äussern Bedingungen nicht direkt abhängig. Er beruht zunächst nur auf der Thä- tigkeit der Schweissdrüsen, welche im Ganzen nach dem Wärmeableitungsbedürfnisse des Körpers, also nach dem Verhältnisse mehrerer anderen Factoren, bestimmt werden muss. Wir sehen also, wie bei den Säugethieren die Einrich- tung, dass sie stets eine Quantität von Wasser disponibel haben, eine wichtige Stütze der Wärmeökonomie abgiebt. Ganz anders ist es mit den Wasserverlusten durch die Lungen. Von diesen kennen wir keinen Nutzen. Sie schei- nen nur eben etwas Unabwendbares zu sein. Aber auch sie sind variabel, und sie hängen in hohem Maasse von der Beschaffenheit der Luft ab. Nehmen wir nämlich Zweierlei an, was wenigstens nicht allzuweit von der Wahrheit liegen möchte: dass die Tempera- tur der ausgeatlimeten Luft so wie ihre Sättigung sich einiger- maassen gleich bleiben; dann hängt der Wasserverlust durch die Lungen von dem absoluten Wassergehalte der Luft, nicht von dem Grade ihrer Sättigung ab. Völlig gesättigte Luft von 0 ° entzieht dem Körper dann mehr Wasser, als eine 20° warme, aber nur für 10° gesättigte Luft, denn die eine wie die an- dere muss sich nach der genannten Voraussetzung bis auf nahezu 30° erwärmen und nahezu für diese hohe Tempera- tur sättigen; überhaupt also wird im Ganzen immer die käl- teste Luft das meiste Wasser auf diesem Wege entführen, und es müssen die kalten und zugleich trockenen Ostwinde auf den Körper eines homöothermen Geschöpfes noch ganz anders ausdörrend wirken, als auf beliebige andere, der Ab- kühlung zugängliche, wasserhaltige Gegenstände. Wie verhalten sich dem gegenüber nun die Vögel? Diese haben offenbar weniger disponibles Wasser und diess darf uns zu der Bemerkung veranlassen, dass ihr Kör- per auch dadurch um etwas leichter sein wird, als wenn 319 sie stets eine Quantität von Wasser wie die Säugethiere durch ihren Organismus müssten hindurch wandern lassen. Dass sie weniger disponibles Wasser im Körper haben, geht sowohl aus der Beschaffenheit ihres breiartigen Harns hervor*), als aus dem Mangel an Schweissdrüsen. Und wenn wir bedenken, wie bei den Säugethieren das Wasser des Schweisses gleichsam dem Harne entliehen wird, so wird man mit einiger Bestimmtheit, auch ohne die Haut eines Vogels anzusehen, sagen dürfen, dass Niemand bei ihnen Schweissdrüsen in ähnlicher Ausbildung, wie sie bei Säuge- ihieren sich finden, entdecken wird. Mit der Beschaffenheit des Harnes der Vögel ist nun nothwendig eine Vereinfachung der Harn werkzeuge gefordert. Ansammlung eines solchen Harnes in einer Blase, ähnlich der Harnblase der Säugethiere, würde alsbald eine völlige Verstopfung durch Concretionen zur Folge haben, dieselbe Vereinfachung aber, welche auf solche Weise noihwendig ist, kommt auch wieder, als compendiösere Einrichtung, der Leichtigkeit des Körpers zu Gute. Dasselbe wollen wir, so geringfügig es sein mag, auch in Beziehung auf die Schweissdrüsen bemerken; es ist immer eine kleine Last weniger, welche die Vögel zu tragen haben- Nun aber entbehren die Vögel durch diese Einrichtun- gen eben jenes wichtige Mittel der Wärmeökonomie: die Fähigkeit zu schwitzen. Da sie aber eben so streng ho- möotherm sind, als die Säugethiere, so muss ihnen dieser Mangel durch etwas ersetzt werden. Und das möchte dann *) Hierdurch widerlegt sich auch wohl die Ansicht vonR. Owen (Todd’s Cyclop. Art. Aves), dass die Nieren der Vögel deshalb so gross seien, weil sie allein das Wasser aus dem Körper zu schaffen hätten, durch die Haut wenig unterstützt würden. Vielmehr ist diese Grösse auf den starken Umsatz stickstoffhaltiger Substanzen bei den Vögeln zu beziehen. Die Nieren der Säugethiere könnten ja auch darum nicht kleiner sein, weil die Haut zeitweise einen bedeutenden Theil der Wasserausscheidung übernimmt. 380 wohl wieder. grossentheils*) die Leichtigkeit ihrer Bewe- gung sein, durch welche nicht nur sehr viele sich den Dif- ferenzen der. Sommer- und Wintertemperaturen entziehen, sondern ein jeder Vogel in kürzester Zeit Sonnenschein, Schatten, Bad, die Höhe eines Baumes oder Gebirges oder warme Tiefen erreichen kann. Aehnliches wird nun auch von der Wirkung der Ver- dunstung durch die Lungen zu sagen sein. Die Vögel wer- den nicht so leicht, wie die Säugethiere, eine Steigerung die- ses Verlustes ertragen. Da es aber nur von der Beschaffen- heit der Luft abhängt, diese Steigerung herbeizuführen, so wird das wichtigste Mitlel sein, dass sie sich eben grossen Ver- schiedenheiten der Eufibeschaflenheit entziehen. Dazu muss nun wieder die Leichtigkeit ihrer Bewegung dienen. Und zwar kommt hier ganz besonders der Zug der Vögel in Be- tracht, denn wir haben gesehen, dass die Verluste durch die Lungen im Allgemeinen, besonders durch die Kälte ge- steigert werden. Aber auch ausserdem werden die Vögel leicht passende kleinere ÖOrtswechsel ausführen, so wie auch im Nothfalle etwvas Wasser auffinden können, um sich durch Trinken die gesteigerte Verdunstung erträglich zu machen. Uebrigens hat man immer ‚gesagt, dass die Vögel eine besondere Empfindlichkeit gegen die Luftbeschaffenheit be- sässen. Dafür wäre in dem Gesagien wohl hinreichender Grund zu finden. — Die zarte Haut, der Mangel des Fettes unter dersel- ben und zwischen den Muskeln ist bei vielen Vögeln auf- *) Zum andern Theile mag ein Aushälfsmittel für die Vögel ge- . geben sein, in der durch Muskelfaser veränderbaren Stellung ihres Ge- fieders, wie es bei dem Aufblähen geschieht. Dass ein Aufblähen der Federn, durch welches Luft leichter in die Federdecke eindringen kann, bedeutend abkühlend wirken möge, lässt sich nicht bezweifeln. Vielleicht ist die Stellung der Federn, welche man bei kranken Vö- geln oft auffallend bemerkt, ein Symptom von Fieberhitze. Es ist auch einleuchtend, dass eine Aufrichtung der Haare im Pelze der Säugetkiere nicht in gleichem Maasse wirksam sein kann. 381 fallend und bekannt genug; über die Beziehung dieser Um- slände zu unserm Vortrage ist keine Erläuterung nöthig. — Nur daran wollen wir erinnern, dass die auf solche Weise gewonnene Leichtigkeit auch wieder ihre Bedürfnisse mit sich führt. Der Fettvorrath in einem Thiere ist ja zum Theile als ein Magazin zu betrachten, welches eventuelle Ungleichheiten der Nahrungsaufnahme zu balanciren vermag. Thiere, welchen bei gleichen Verbrauchsverhältnissen (Ho- möothermie u. s. w.) dergleichen Vorräthe fehlen, müssen also gegen jene Ungleichheiten irgendwie geschützt sein; die Vögel sind es eben durch die Schärfe ihrer Sinne und die Schnelligkeit ihrer Bewegung. | Ueber die Geschlechtstheile haben wir schon Eini- ges bei Gelegenheit des Beckens beigebracht. Wir erinnern noch ausserdem an die meist so sehr geringe Ausbildung der Copulationsorgane. Auch das regelmässige Vorkommen nur eines Eileiters darf als Ersparniss angeführt: werden. Diese Betrachtung können wir aber natürlich nicht auf die Einfachheit des Ei- erstockes ausdehnen: dieser muss, den. Bedürfnissen der-Spe- cies genügen; ist also statt zweier,nur einer vorhanden, so muss dieser um ‚so viel grösser sein... Der Eiliter edagegen braucht bei den Vögeln, weiche ihre Eier einzeln ‚legen, nicht grösser darum zu sein, weil er der einzige ist, wie es z. B. bei Reptilien: und Fischen, welche stets; viele Bier gleichzeitig durch den Eileiter treiben, .der Fall sein musste. So ist es denn auch für. unsere Ansicht. bemerkens werth, dass das Vorhandensein nur eines, Bileiters viel’ strenger durchgeführt ist, als das nur eines Eierstockes, was ..ja 'be- deutende Ausnahmen hat. Ueber die Fortpflanzungsorgane des Sipuneulus. Von Dr, WırneLm PETeERs. (Hierzu Taf. IV. Fig. A-H.) (Mitgetheilt in der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin am 16ten Juli 1850. ) Gr ube, in seiner vortrefllichen Abhandlung über den Sipuncu- lus nudus,*) führt an, dass es ihm nicht möglich gewesen ‚sei, Fortpflanzungsorgane an demselben zu entdecken, und stellt die Vermuthung auf, dass die an der dem After ent- gegenliegenden Körperseite ausmündenden Blasen, welche be- reits Sch weigger für hermaphroditische Geschlechtsorgane erklärt hatte, dafür zu halten seien. Bei der Sorgsamkeit, mit welcher er die äusserst schwie- rige Anatomie des Sipunculus verfolgt hat, würden ihm die wahren Reproductionsorgane gewiss nicht entgangen sein, wenn er stärkere Vergrösserungen angewandt hätte. Denn er hat sie gesehen, ohne jedoch ihre Bedeutung zu ahnen. S. 250, wo er von den Gefässen des Darms spricht, sagt er: „Genauer betrachtet, wird man finden, dass in der Mit- *) Müller’s Archiv 1837 $S. 255. 383 „tellinie dieses Gefässes, vorzüglich gegen den Schlund hin, „ein feiner weisser ‚Strich erscheint. Wahrscheinlich ist „das Darmgefäss doppelt, und der Strich entweder die mit- „ten inneliegende Lücke oder ein anderes selbstständiges Ge- „fäss, wofür die eigenthümliche Farbe auch bei angefülltem „Darm spricht.“ (Tab. XI. fig. 2. 3. V’). Betrachtet man dieses Gefäss mit einer starken Loupe, so sieht man einen Strom von Körperchen, welcher sich nach dem Schlund hin langsam fortbewegt, während man bei dieser Vergrösserung in den beiden danebenliegenden rothen Gefässen noch gar keine Körperchen oder Bewegung wahrnehmen kann. Bringt man dagegen den mit Wasser gefüllten Darm eines frischen Thieres unter das zusammen- gesetzte Mikroskop, bei einer etwa 50maligen Vergrösserung, so sieht man in dem mittleren gelblichen Gefäss die schön- ste Wimperbewegung, wodurch die Kugeln, welche sich jetzt deutlich als Eier erkennen lassen, vorwärts getrieben werden, in den beiden rothen Seitengefässen dagegen, Blut- körperchen von derselben Form wie in dem Körpergefäss, welche sich ohne Wimperbewegung, und unregelmässig nach vorn hin bewegen. Sehr oft liess sich nichts weiter unter- seheiden, als dieser einfache eierführende Canal mit den bei- den Gefässen zur Seite. In anderen Fällen sah man dage- gen deutlich traubige Anhänge, welche zu jeder Seite in den Darm sich ausbreiteten und mit dem mittleren Canal nach: in- nen zu in Verbindung standen. Sie enthielten ebenfalls Eier mit dem Keimbläschen, und können daher für nichts Anderes als Eierstöcke gehalten werden. Es gelang mir nicht an frischen Exemplaren, die Oeffnung zu finden, wo:sich dieser Eileiter mündete, und ich konnte ihn nur bis an den Gefäss- knoien verfolgen, wo eine weitere Verfolgung ohne Zerreis- sung nicht möglich war... .Es blieb mir ‚daher räthselhaft, wie die Eier in die Körperhöhle gelangten, welche bekannt- lich mit einer zahllosen Menge derselben angefüllt erscheint, Dagegen habe ich an. sehr wohl in: Weingeist erhaltenen Exem- 384 plaren neuerdings einen Bau gefunden, der mir dieses Räthsel zu lösen scheint. Ich fand hier nämlich nach dem Schlunde zu‘ keinen mittleren Kanal, sondern zwei flotltirende Mem- branen, an deren Basis die beiden Seitengefässe hingingen.' Es scheint mir daher keinen Zweifel zu leiden, dass im lebenden Zustande die Eier aus einer Spalte heraustreten, die wegen der Zartheit‘ der Theile der Beobachtung entgeht, wenn man nicht besonders darauf seine Aufinerksamkeit gerichtet hat. ‚Es entsteht nun die Frage, wie die Eier aus dem Kör- per herausgeführt werden. Man hat bis jetzt angenomnien, dass dieses durch die Oefinung am glatten, eichelförmigen Ende des Körpers geschehe. Dieses ist jedoch wegen der Tiebensart des Thiers nicht wahrscheinlich. Er steckt näm- lich senkrecht im Sande, mit dem eichelförmigen Ende nach unlen gerichtet, hat meistens den soganannten Rüssel einge- zogen, und bildei hier so einenBlindsack, in welchem das Was- ser frei die Kiemen, den After und die beiden gegenüberlie- genden Oeffnungen umspült. Die Fischer wissen dieses zu benutzen, indem sie mit Schnelligkeit in das Loch, "worin das Thier sich aufhält, ein kleines am Ende etwas dickeres Stöckchen 'hineinführen, um welches, wenn es in den vom Körper gebildeten Blindsack eindringt, das Thier sich 'zusam- menzieht, indem ‘es sich streckt, um, mit dem eichelförmigen Theile voran, in die Tiefe zu dringen. Grube hat bereits Eier in den beiden Blasen bemerkt, welche dem After 'ge- genüber nach aussen münden. Auch ich habe oft eingehüllte Eier in diesen Organen gesehen, welche aber nach innen zu nicht geschlossene Blindsäcke sind, sondern offen stehen und daher ohne Frage als“die Ausführungsgänge für die Eier, als Ovidueti zu betrachten sind. 1 Diese Beobachtungen ‘wurden an einer Sipunculusart von der Küste von Mossambique angestellt, welche ‘mit. der in Indien vorkommenden identisch ist, von der europäi- schen, mit der man sie in neuerer Zeit mit Unrecht confun- dirt hat, sich aber durch die viel grössere Feinheitund: Zahl 385 der Kiemenlappen unterscheidet. Bei Sipunculus nudus sind die kleinsten Läppchen doppelt so gross und an Zahl unge- fähr 12-—20, bei dem Sipunculus indieus m. bilden die Kie- men 8 deutliche Hauptlappen und jeder dieser letzteren zeigt 40—60 Läppchen (von 4 Millim. Breite.) Fig. Erklärung der Abbildungen. . A. Ein Stück des Darms mit dem innern Eileiter und den daneben liegenden Blutgefässen von Sipunculus indicus. . B. Dasselbe von einem andern Individuum, woran der Eier- stock zu sehen ist. .‚ CD. Dasselbe von einem Exemplar aus Weingeist. 0, innerer Oviduct, o, Eiersiock, vv Darmgefässe, m flotti- rende Membran, welche früher mit der der andern Seite zusammenhängend, den vordern Theil des innern Oviducts schloss. j . E.. Ein Ei vergrössert, von z'5‘ Diam. . F. Blutkörperchen von 317 —z45 Par. Lin. Diam. . G. Vorderer Theil von Sipunculus indicus, bb, Kiemenlappen, welche sich vorn in einen Kiel b‘b‘ auf dem Rüsselende fortsetzen. H. Ein vergrössertes Stück einer Kieme, um den -Verlauf des Kiemengefässes an ihrem Rande zu zeigen. Müller’s Archiv, 1850. 25 | Ueber das Backenzahnsysiem des Narwals. Vom Prof. BERTHOLD in Göttingen, (Hierzu Taf. X. Fig. 7 u. 8.) Im hiesigen zoologischen Museum befindet sich ein 104 Fuss langer Narwal, dessen knöcherner Schädel 21” lang, 13” breit und 9‘ hoch ist. An diesem Schädel sieht man jeder- seits im Oberkiefer die Oeffnung eines nach hinten allmählich sich verengernden Kanals, in welchen man bis auf 4“ eine Sonde mit Leichtigkeit einführen kann. Der Eingang an der rechten Seite ist 6° hoch und 8° breit, an der linken aber 7'' hoch und 10° breite. Nach Aufmeisselung dieses Ka- nals an der linken Seite kam, 34” von seiner vordern Oef- nung entfernt, ein 7° 4° langer, am vordern Ende 4° im Durchmesser haltender Zahn zum Vorschein, der nach hin- ten zu allmählig dicker wird und im hintern Theil des Ober- kiefers (etwa in der Gegend, wo das Foramen supraorbitale am Schädel sich befindet) mit einer soliden kolbenförmigen Anschwellung von 10 Durchmesser endet. Nach hinten und innen ist das Kolbenende schräg abgestutzt und’ zeigt noch Spuren einer Ablagerung seines fleischigen Bildungsor- gans. — An der rechten Seite liegt ein ebenso beschaffe- 387 ner, aber etwas dünnerer Zahn, wie eine Aufmeisselung des Kiefers dieser Seite von unten ergab. Ausser diesen verborgenen Zähnen findet sich noch je- derseits im Oberkiefer ein Backenzahn, dessen vorderes ‚Ende in einer Vertiefung des Kieferrandes liegt, ohne jedoch über demselben vorzustehen. Im lebenden Zustande müssen diese Zähne gänzlich vom Zahnfleisch bedeckt gewesen sein. Dieselben erstrecken sich in schräger Richtung nach hinten und oben und sind zuerst von van der Hoeven beobach- tet, bei alten jedoch als fehlend betrachtet worden. Indess hat €. Mulder die Backenzähne ausser bei jungen Thieren auch bei alten, und zwar sowohl bei Männchen als auch bei Weibchen angetrofien, derselbe hat sie aber, wie es scheint, nur an ihrem Kronenende beobachtet, denn er sagt nur da- von, dass sie bei Erwachsenen rund, beim Fötus länglich, und in der Mitte eingeschnürt seien. Um nun das Verhältniss dieser Zähne genauer zu er- mitteln, meisselte ich den Oberkiefer über denselben auf, wo- bei sich ergab, dass sie mit deutlichen Wurzeln versehen sind. Dieselben besitzen eine kleine mit Schmelz überzogene Krone (b), worauf der Knochentheil mit seinen Wurzeln (a) folgt. — Der rechte (grössere) Zahn (Fig. 7) ist flach, nach oben etwas convex, nach innen etwas concav, hat eine brustwarzenförmige mit mehr als ein Dutzend kleinen kegel- förmigen Hervorragungen versehene Krone und vier Haupt- wurzeln, an und neben denen noch eine Anzahl kleinerer Nebenwurzeln sich befindet. Seine Länge beträgt 2”, die Breite 5'', die grösste Dicke aber 34; mit seinem Wurzel- zeltheil, welche breiter ist als die Krone, steckt er 1” 8" im Oberkieferknochen, so dass der vorragende in der Kie- ferwandgrube frei liegende Theil nur 4“ beträgt. — Der linke (kleinere) Zahn (Fig. 8) ist nur 11°‘ lang, 4“' breit und 2‘ diek; er hat nur zwei Wurzeln von 5“ Länge, womit er in dem Oberkieferknochen steckt, jedoch so wenig befestigt, dass er leicht aus dem Kiefer herausfallen kann, 235 388 Auch sein Kronentheil, der den Wurzeltheil an Breite um mehr als das Doppelte übertrifft, ist mit zahlreichen Spitz- chen und Höckerchen versehen. Ob diese Backenzähne einem Wechsel BEEREPOR sind, wird nur durch eine Reihe von Untersuchungen jüngerer Thiere aus verschiedenen Altersperioden ermittelt werden können; bei unserem Exemplar liegen hinter diesen Zähnen keine an- dern verborgen. Dass dieselben übrigens wahre Backen- zähne sind, geht schon aus ihrer Lage unzweifelhaft hervor. Ihre mehrfachen Wurzeln und mit zahlreichen Höckerchen versehene Krone deuten an, dass ihrem Bildungsorgane oder ihrer: Pulpe mehrfache Nervenverzweigungen zum Grunde liegen, ohne jedoch so weit von einander isolirt zn sein, dass sie zur Bildung besonderer kleiner Zähne, wie wir sie bei den Delphinen finden, die Veranlassung geben konnten. Jedenfalls sind aber diese Backenzähne des Narwals sehr verkümmert, während hingegen die, auch den Oberkiefern ausschliesslich angehörenden, Stosszähne sehr vorwaltend er- scheinen und unter Umständen ganz excessiv entwickelt sein können. Indess findet auch bei diesen Stosszähnen, (eigent- lichen Eckzähnen) wie sich aus der warzig - höckerigen Be- schaffenheit des vordern Endes der jungen Milcheckzähne sowohl, als auch der im Kiefer verborgenen Eckzähne zwei- ter Dentition ‚vermuthen lässt, eine entsprechende warzen- förmige Beschaffenheit des vordern Endes ihrer Zahnpulpe, wenigstens in der Zeit statt, in welcher die erste Bildung dieser Zähne geschieht. Aus dieser Beschaffenheit der Zähne, namentlich aus dem Vorhandensein der Backenzähne mit deutlichen Wurzeln, leuchtet die Verwandtschaft des Narwals mit dem Delphin, welche Cuvier schon so deutlich im Schädelbau beider Thiere nachwies, noch augenscheinlicher hervor. Ueber das Zahnsystem und den Zahnwechsel beim Nar- wal hat man besonders seit Home’s genauen Untersuchun- gen verschiedene Ansichten gehabt. Mit diesem berühmten Zoo- 389 tomen hat man lange Zeit die in den Kiefern verborge- nen Stosszähne als Milchzähne betrachtet. Aber es sind diese verborgenen Zähne solche der zweiten Dentition, denn die Milchzähne zeigen sich beim Narwalfoetus und bei jun- gen Thieren als zwei vorn am Oberkieferende sichtbare griffelförmige inwendig hohle Zähne. Ihnen entsprechen die beiden Löcher, welche in unserem Schädel vorn in den Oberkieferknochen sich befinden, und in den: nach hinten sich erstreckenden Kanal überführen. Bei alten Narwals kommt nun der dreifache Fall vor: 1) der vorstehende Zahn fehlt jederseits, aber es können die ihm entsprechen- den Kanäle vorhanden sein, wie es fast bei allen Weibchen zu sehen ist. 2) Es ist links ein vorstehender gewrundener Stosszahn vorhanden, rechts findet sich hingegen ein solcher Zahn nicht, — dagegen oft noch das dem ehemaligen rech- ten Milchzahn entsprechende Loch; so ist es bei den Männ- chen der Fall. 3) Es ist sowohl ein linker, als auch ein rechter vorstehender Stosszahn vorhanden, was man über- haupt sehr selten (aber auch beim Weibchen) antrifft. Nun würde es sich fragen, ob der vorstehende Zahn (in No. 2) oder die vorstehenden Zähne (in No. 3) weiter ent- wickelte Milchzähne, oder ob sie vielmehr (wie die verbor- genen Zähne in No. 1) Zähne zweiter Dentition sind? Im Falle No. 2 hat man an der rechten Seite (wo äusserlich kein Stosszahn sichtbar ist), ebenso wie im Falle No. 1 einen in dem Kiefer verborgenen Zahn angetroffen; es herrscht also beim Männchen rechts dasselbe Verhältniss wie beim Weibehen rechts und links. Den Kieferkanal der linken Seite jedoch, hinter dem vorstehenden, und etwa 1 Fuss im Kie- fer steckenden Stosszahn hat man einer hinlänglich genauen und oft genug wiederholten Untersuchnng in Bezug auf ei- nen etwaigen zweiten verborgenen Zahn noch nicht unter- zogen, und ebenso wenig hat man bei, solchen Thieren, welche mit einem linken und rechien vorstehenden Stoss- zahn versehen sind, (No. 3) nach einem etwa dahinter 390 verborgenen zweiten Zahn ‘geforscht. “Sollte sich nun an diesen bezeichneten Stellen ein verborgener Zahn vorfinden, so würde dadurch der Beweis geliefert, dass der vorstehende Narwalzahn einen Zahn zweiter Dentition vorstellen könnte. In diesem letztern Falle würde das Verhältniss so sein, dass beim Weibchen die beiden Stosszähne zweiter Denti- tion, beim Männchen aber nur der rechte einer beschränk- ten Entwickelung fähig wären, dagegen nur der linke, und zwar nur beim Männchen, ein bedeutenderes Wachsthum erlangen könnte. Es ist jedoch auch möglich, dass dieser linke vorstehende Stosszahn einen zweiten entwickelten Milch- zahn vorstellt, und zwar 1, weil die Milchzähne des jungen Narwals inwendig hohl und hinten oflen, also einer Weiter- entwickelung fähig sind, und 2, eine Thatsache vorliegt, wel- che den vorstehenden Zahn als weiter entwickelten Milch- zahn beurkundet. La Peyvere erzählt nämlich, dass beim Dürchsägen eines grossen an seinem Wurzelende geschlos- senen (also zu seiner vollständigen Ausbildung 'gelangten) Narwalstosszahnes ein zweiter kleinerer Zahn im Innern desselben angetroffen wurde. Dieser innere Zahn musste der zweiten Dentition angehören, der äussere aber ein Milch- zahn sein. Dass jedoch ein solches Vorkommen eines zwei- ten Zahnes innerhalb des grossen keine regelmässige Er- scheinung sei, geht aus Home’s Untersuchungen hervor, der auch einem an seinem Wurzelende fast geschlossenen Stoss- zahn durchsägie, ohne einen zweiten darin verborgenen Zahn anzutreffen. | Wäre nun aber der vorstehende Narwalzahn wirklich ein weiter fortgebildeter Milchzahn, so lässt sich nicht leug- nen, dass darin ein in Bezug auf die meisten übrigen Säu- gethiere abnormes Verhalten sich beurkunden würde, indem wir bei denselben, und auch bei dem Narwalweibchen selbst beobachten, dass die Milchzähne nur eine verhältnissmässig kurze Zeit währen. Um jedoch eine Analogie für einen sol- chen Fall, wenn auch der Zeit nach verschieden, zu finden, 391 brauchen wir nur die in späterer Lebenszeit zum Vorschein kommenden Backenzähne, welche keinem Wechsel unter- worfen sind, in Betracht zu ziehen, wie wir denn ja auch beim: Menschen die zwölf hinteren Backenzähne als einem Wechsel nicht unterworfene: bleibende betrachten... Dass diese Zähne später zum Vorschein kommen, und desbalb nicht mit dem ‚Namen Milchzähne belegt ‚werden können, scheint von keinem besonderen Belang zu sein. — Ebenso würde es eine abnorme Erscheinung sein, dass Milchzähne grösser sind, als die ihnen folgenden bleibenden Zähne; aber wenn kein Wechsel eintritt, können, wie die 12 hintern Backenzähne des Menschen, nur einmal vorhandene Zähne eine bedeutendere Grösse erreichen, als die den Milchzähnen nachfolgenden. Aber auch beim Narwal würde. sich diese Erscheinung in der Regel nur: auf das männliche Geschlecht, und hier sogar auch nur auf den linken Kiefer erstrecken, indem beim Weibchen, bis auf höchst seltene Ausnahmen, beide Milchzähne ausfallen, und zwar noch ehe sie an der Stelle, wo sie vorn aus dem Kiefer vortreien, einen Durch- messer von 6— 10‘ erlangt haben, wie aus den noch vorhan- denen Kieferkanälen unseres Schädels sich ergiebt.. Dieses Ausfallen hat aber zunächst darin seinen ‚Grund, dass der Zahnkeim in seiner Production und Weiterentwickelung nachlässt, und der Zahn, nachdem seine innere Höhle bis auf einen engen Raum durch Production von Zahnsubstanz allmählig geschlossen ist, seine Befestigung verliert und als fremder Körper ausgestossen wird. Solches ist zwar noch nicht direct beobachtet worden, lässt sich aber aus der nach hinten zunehmenden Verengerung der entsprechenden Oberkie- fertheile schliessen. — Wie sehr aber die Zähne in ihrer Bildung und Entwickelung nach der Geschlechtsverschieden- heit sich richten, davon haben wir‘unter den Säugethieren Beispiele in hinlänglicher Anzahl, z. B. bei Schweinen und Elephanten, wo die bleibenden Eck- und Stosszähne beim 392 Weibehen nur sehr unbedeutend entwickelt sind, oder wohl gar fehlen. Was die spiralförmige Windung des Narwalstosszahns betrifft, welche auch in seltenen Fällen (und bei den verbor- genen Zähnen immer) fehlt, so bedeutet dieselbe nur eine Krümmung bei gerader Richtung. Dass die Windung zunächst vom Zahnkeim abhängt, leidet keinen Zweifel, indem durch dessen Bildungsthätigkeit von hinten der Zahn nicht allein durch die Knochenhöhle vorgeschobeu, sondern auch nach links gedreht wird, so dass ein Zahn von A‘ Länge während seines Vorschreitens aus dem Kiefer 44 mal sich gedreht hat. Eine solche Drehung ist aber auch keine isolirte Erschei- nung, indem wir etwas Entsprechendes, wie hier in der Zahnbildung, beim Schaf, besonders beim Zackelschaf und dann auch bei mehreren Antilopen, z. B. bei Antilope strep- siceros, oreas u. s. w. in der Hornbildung antreffen. _ Die Abbildungen stellen die Backenzähne in natürlicher Grösse dar, wie dieselben von oben, nach Beseitigung von Knochensubstanz der Oberkiefer, gesehen werden. Fig. 7. Rechter grösserer, Fig. 8. linker kleinerer Knochenzahn. a, Wurzel, b. Krone, c. innerer, d, äusserer Rand. . Ueber die Respiration der Muskeln. Von GEoR& LiEBıe, Das Leben des thierischen Körpers ist ein Zusammenwir- ken von Verrichtungen gewisser organischer Systeme, wel- che durch ihre Wirkungen ihr Bestehen und ihre Thätig- keit gegenseitig bedingen. Hört ein solches System von Organen auf, seine Verrichtungen zu erfüllen, so müssen die übrigen nach längerer oder kürzerer Zeit die ihrigen eben- falls einstellen. Dies ist bei dem Tode der Fall. Wir sa- gen ein Organ lebe, so lange es die ihm zugehörige Aufgabe ausführt. Bei dem Tode durch Krankheit oder Gewalt wird immer zuerst eines der Organe in seinen Verrichtungen un- terbrochen und stirbt: die übrigen leben so lange die letzte Wirkung des gestorbenen auf sie ihr Ende noch nicht er- reicht hat. Wenn das Herz aufhört sich zusammenzuziehen, so le- ben die Muskeln noch so lange fort, bis der Sauerstoff aus dem mit dem letzten Herzstoss in die Capillaren gelangten Blute verzehrt ist. Das Absterben der Muskeln charakteri- sirt sich durch die Erscheinung, ‘welche Todtenstarre ge- 394 nannt wird. Ehe diese eingetreten ist, nämlich bei manchen menschlichen Leichen bis 15 Stunden nach dem Tode, hat der Muskel noch die Fähigkeit, seine Lebensverrichtung aus- zuführen, sich zu contrahiren, wenn wir den Willen des todten, dem Körper des Muskels zugehörigen Centralorgans durch unseren lebenden ersetzen; d. h. wenn wir ihn durch uns bekannte Mittel dazu nöthigen, wenn wir ihn reizen, Ein solches Mittel ist der galvanische Strom. £ Lassen wir nun auf ein einzelnes Organ, einen Mus- kel, die Bedingungen oder eine Bedingung wirken, von der wir glauben, dass sie sein Leben unterhält, so können wir uns durch den galvanischen Strom überzeugen, inwiefern wir richtig geurtheilt haben, Ist der Versuch sonst günstig angestellt, so können wir uns ferner eine Ansicht darüber bilden, wie diese Bedingungen ihren Einfluss geltend ma- chen. ‚Die ersten Versuche die von diesem Gesichtspunkte aus über den Einfluss verschiedener: Gasarten auf die Zuckungs- fähigkeit der Muskeln. angestellt wurden, machte Alexander von Humboldt.*) Er brachte im Sommer 1795 von zwei Fröschen die beiden rechten Schenkel in Lebensluft, von den zwei linken einen in Wasserstoffgas, den andern in gemeine Luft. Diese Vertheilung wählte er deshalb, weil zwar ver- schiedene Individuen, nieht aber die Organe eines und des- selben Thiers zu ungleichen Zeiten ihre Reizempfänglichk eit verlieren. _ Die Froschschenkel blieben 48 Stunden an Fä. den hängend der Berührung der drei Gasarten ausgesetzt Nach dieser Zeit wurden sie durch den Metallreiz geprüft Die in Lebensluft zuckten sehr lebhaft, bei denen in atm. Luft und in Wasserstoffgas war blos ein partielles Zittern zu bemerken. In ihre vorige Lage zurückgebracht, waren die letzteren nach 12. Stunden völlig erschöpft, ‚während jene in Lebensluft noch nach 82 Stunden ein Zittern zeigten, *) Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser etc. Po- sen u. Berlin 1797. Bd. IL $. 282, 283. 395 “ Bier erwähnt v. Humboldt eines gleichen Resultates, welches Cr&ve*), von einem andern Gesichtspunkt ausge- hend, ungefähr um dieselbe Zeit erhalten hatte. Derselbe entblösste zwei von einem lebenden Frosche abgelöste Schen- kel von ihrer Haut und präparirte ihre Cruralnerven. Dann trennte er sie und brachte den einen anf einem gläsernen Gestell unter eine Glocke mit Lebensluft, die aus Braunstein dargestellt war. Den andern liess er auf einer Glasscheibe in freier Luft liegen. Letzterer war schon nach 40 Stunden ausgetrocknet und bei Anwendung der Elektrieität unbeweg- lich. Der Schenkel in Lebensluft hüpfte noch nach der 112ten Stunde lebhaft, bis auch er endlich in der 120sten Stunde unbeweglich blieb. Erwärmte v. Humboldt zwei Flaschen mit Sauerstoff und atm. Luft auf 20 —22° R., so waren die Schenkel in atm. Luft schon in 6—7 Stunden erschöpft, während die in Sauerstoff noch nach 45 — 50 Stunden durch den Me- tallreiz erregbar waren. Ebenso erhielt v. Humboldt, wenn er herausgenommene Herzen von Fröschen und anderen Thie- ren in verschiedenen Luftarten pulsiren liess, eine beträcht- lich grössere Anzahl von Schlägen, und längere Zeit hindurch, wenn er dieselben in Sauerstoff, als wenn er sie in atm. Inft oder in Stickstoff und Kohlensäure brachte. Wenn sich die Anzahl der Zusammenziehungen in derselben Zeit in Kohlensäure vermindert hatte, so wuchs dieselbe wieder, wenn er die Herzen in Sauerstoff zurückbrachte. | Diese Versuche mit Herzen sind neuerdings von Tie- demann**) wiederholt und ihre Resultate bestätigt worden. Eine Antwort auf die Frage, wie hier der Sauerstoff auf die Erregbarkeit der Organe wirkt, sagt v. Humboldt; ausdrücklich’ ist mit entscheidender Bestimmtheit nicht anzu- geben indess schienen ihm seine Beobachtungen, dass an *) Vom Metallreize, einem Prüfungsmittel des wahren Todes. Leip- zig und Gera. 1796 S. 94. **) Mülle’r’s Archiv, Jahrg. 1847. S. 496, 396 den Einschnitten der Lendenmuskeln, da wo der Cruralnerv herauspräparirt war, diein Sauerstoff gelegenen Muskeln eine auffallend lebhaftere hochrothe Farbe zeigten, und dass, wenn der Nerv im Schenkel versteckt blieb und dem Schenkel die Oberhaut abgezogen war, die Erregbarkeit stärker wurde, die Voraussetzung zu begünstigen, dass der Sauerstoff durch Oxydirung des Blutes wirke. Nach v. Humboldt beschäftigte sich zunächst Krimer*) mit.äbnlichen Versuchen. Er führt in seinen physiol. Un- tersuchungen zwei Versuche an, bei welchen er jedesmal den einen Schenkel eines Frosches unter eine mit Quecksil- ber gesperrte Glocke brachte, die mit Stickstoff oder Was- serstoff gefüllt war, während er den andern in freier Luft zucken liess. Die Schenkel konnten innerhalb der Glocke vermittelst durchgeführter Dräthe galvanisch gereizt werden. Der in Stickstoff zuckte 13 Stunden, der entsprechende in Luft blos 11 Stunden. Der Schenkel in Wasserstoff zuckte 12 Stunden, der in Luft blos 8 Stunden. ‚Krimer erklärt die kürzere Dauer der Zuckungsfähig- keit in atm. Luft dadurch, dass ‚‚die Kraft der Muskeln in nicht athembaren Gasen durch den Einfluss des Athmens nicht so bald verzehrt werde, als in atm. Luft.‘ Schon damals lag der‘ Gedanke nicht fern, dass die län- gere Dauer der Zuckungsfähigkeit eines Muskels in Sauer- stoff auf einem der Respiration verwandten Vorgang beru- hen möge: schon v. Humboldt schloss auf eine Oxydi- rung des Blutes als wahrscheinliche Ursache, und so stellte Krimer auch einige Versuche an über Koblensäurebildung durch Froschschenkel in atm. Luft während der Dauer ihrer Erregbarkeit. | Er giebt nicht an, ob er lauter unverletzte Muskeln nahm oder nicht. Er hing 6 Schenkel in einer Glocke von 44 Cub. Zoll Inhalt an einem durch die Tubulatur geführten Silber- *) Physiol. Untersuchungen. Leipzig, 1820..S. 91— 93, 397 drahte auf. Ihre?/Füsse standen mit einem Eisendraht in Verbindung, der durch das Quecksilber ins Freie führte, Diese Schenkel liess er vermittelst einer viergliedrigen Säule die ersten drei Tage fast alle Viertelstunden zucken. Dann nahm er von der Luft in’der Glocke ,200 Theile in ein Dö- bereiner’sches Eudiometer, von denen das Kalkwasser un- ter Trübung 7 Theile absorbirtee Am achten Tage zuckten die Schenkel kaum noch. Das Kalkwasser absorbirte jetzt von 200 Theilen der Luft 15. Diese letzteren ersetzte er durch Wasserstoff, verpuffte mittelst des elektrischen Fun- kens und behielt noch 160 Theile übrig. Demzufolge schliesst Krimer, hatten die Schenkel in acht Tagen, ohne Abnahme des Volums der Luft in der Glocke 15 Proc. Sauerstoff in Kohlensäure verwandelt, 5 blieben noch übrig, während ei- nes ganz verloren gegangen zu sein schien. Indessen fand er auf der Quecksilberfläche „beinahe eine Drachme kohlen- saures Wasser, welches von den ganz nassen Schenkeln aus- geschwitzt zu sein schien.‘ Diese Rechnung ist sehr verwirrt und unverständlich. Wie man aus: seiner Zusammenzählung der Sauerstoflpro- cente sieht, nimmt er deren 21 in der atm. Luft an. In 200 Vol. Theilen des Eudiometers mussten also, wenn es mit atm. Luft gefüllt war, 42 Vol. Theile = 21 Proc. Sau- erstoff sein. Wenn von diesen 42 Theilen 15 zur Kohlen- säurebildung gedient hatten, so waren diess demnach nur 7.5 Proc. Sauerstoff und nicht 15. Ausserdem lässt er 15 Vol. Wasserstoff sich mit 25 Vol. Sauerstoff zu Wasser ver- binden und dann spurlos verschwinden. Später brachte Krimer bei 72° F. zwei Schenkel mit un- verletzter Haut unter eine Glocke, die ermit Kalkwasser sperrte. Schon nach einer halben Stunde, war das Wasser um 4 „Qua- dratzoll“ gestiegen. Nach 10 Stunden stand das Wasser 12 „Quadratzoll“ hoch und die Schenkel zuckten nicht mehr. Dieses sind die bemerkenswerthen unter den Versuchen Krimers. 338 Im Jahre 1843 stellte du Bois-Reymond, dnrch seine Arbeiten über den Muskelstrom zu der Ansicht geleitet, dass in den von ihrer Haut entblössten und vom Körper getrenn- ten Muskeln, in Berührung mit dem Sauerstoff der Lufi, eine Bildung von Kohlensäure noch statt finden müsse, einige Versuche an, die Kohlensäure,dem Volum nach zubestimmen. Später wiederholte er diese, indem er einen beständigen, von Kohlensäure befreiten Luftstrom vermittelst eines Aspi- rators durch das Gefäss leitete, in welchem die Froschschen- kel hingen und fing die gebildete Kohlensäure in einem Kali- apparate auf. Er bewies hierdurch, dass wirklich Kohlen- säure abgegeben werde, aber trotz der angewandten Vor- sichtsmaassregeln schien ihm seine Methode für die quantita- tive Bestimmung nicht genug Sicherheit zu gewähren. Die Kenntniss dieser Versuche verdanke ich der münd- lichen Mittheilung des Herrn Dr. duBois-Reymond. Der- selbe unterstützte mich ausserdem wesentlich durch seine Erfahrung in der Behandlung des Gegenstandes bei meiner eigenen Untersuchung. | Unter den beschriebenen Versuchen über die Zuckungs- fähigkeit der Schenkel in verschiedenen Gasarten sind eigent- lich nur die von v. Humboldt zum Weitergehen 'ermun- ternd. Er allein hatte, wie aus seiner Beschreibung hervor- geht, den zum Vergleich dienenden Schenkel in der Luft da- durch, dasser ihn in einer Flasche aufhängte, vor dem Ver- trocknen bewahrt, eine Vorsichtsmaassregel, deren Vernach- lässigung Krimer vollkommen falsche Resultate finden liess. Ausser diesem bleiben jedoch noch andere Umslände zu be- achten übrig. Aus Nysten’s nnd Sommer’s Arbeiten ist es bekannt, dass die Todtenstarre der Muskeln sich von oben nach unten fortpflanzt und verschiedene Muskelgruppen zu verschiedenen Zeiten befällt. Wenn also von zwei ganzen Schenkeln, die in verschiedenen Medien gehangen haben, auf den galvanischen Reiz. an dem einen die Zehen noch zucken, und an dem andern der Gastrocnemius, so erlaubt dieses 399 Resultat noch keinen Schluss über die gleiche Dauer der Reizbarkeit der Muskeln in beiden Umgebungen. Ferner ist es einem sichern Resultate nicht günstig, wenn die Schen- kel, um auf ihre Zuckungsfähigkeit geprüft zu werden, aus ihrer Atmosphäre entfernt werden müssen; man ist dabei nie gewiss, ob nicht irgend welcher Umstand, der von Ein- fluss auf die Dauer der Reizbarkeit ist, die beiden Schenkel in ungleichem Maasse betroflen habe. | Ausserdem ist es von Wichtigkeit, dass der einwirkende galvanische Strom bei beiden verglicheren Muskeln oder ih- ren Nerven von derselben Dichtigkeit sei, indem je nach dem Zustande eines Muskels auf einen stärkeren Strom noch eine Zuckung erfolgt, wenn eine schwächere keine mehr hervorruft. Endlich darf keiner der beiden Muskeln öfter als der andere gereizt werden, weil mit jeder Reizung zugleich eine Erschöpfung der Leistungsfähigkeit verbunden ist, und zuletzt müssen die Ströme durch beide Muskeln in derselben Rich- tung geführt werden, da bekanntlich entgegengesetzte Strö- mungen eine verschiedene Abnahme der Zuckungsfähigkeit be- wirken *), | Wie nun allen diesen Umständen Rechnung getragen wurde, wird man aus der folgenden Beschreibung des Ap- parates sehen, Es handelte sich darum, Muskeln unter sonst völlig glei« chen Bedingungen, nur in verschiedenen Atmosphären, ab- sterben zu lassen und sich von dem früheren oder späteren Aufhören ihrer Zuckungsfähigkeit durch ‘den galvanischen Strom, als dem besten Mittel hierzu, zu überzeugen. Zu diesem Zwecke wurden nun statt der ganzen Schenkel blos die beiden Gastrocnemii desselben Frosches genommen, von denen der eine immer in Luft, der zweite in Sauerstoff oder eine andere zu vergleichende Gasart gebracht wurde. Sie *) S. du Bois-Reymond’s Untersuchungen über thierische Elektrieität, Bd, 1. S. 365 ft. 400 wurden so aufgehängt, dass sie, um auf ihre Erregbarkeit geprüft zu werden, nicht von ihrem Orte entfernt zu | wer- den brauchten. Von Zeit zu Zeit brachte man sie durch ei- nen indueirten Strom, der durch beide Muskeln hinter ein- ander in gleicher Richtung geführt wurde, zum Zucken. Nur auf diese Art ist 'es möglich, die zuletzt hervorgehobenen Bedingungen herbeizuführen, denn würde für jeden: Muskel eine besondere Leitung angewandt, so ginge zuerst die Gleich- zeitigkeit der Zuckungen verloren und ausserdem würde man auch eine gleich starke Einwirkung auf beide Muskeln nicht annehmen können, indem verschiedene Kreise immer ver- schiedene ‘Widerstände mit sich führen. Die Behälter für die Muskeln während des Versuches waren zwei oben tubulirte, cylindrische Glasglocken von etwa 7‘ Höhe und 2,5‘ Durchmesser. ‘ Sie waren: unten durch Quecksilber gesperrt und wurden oben luftdicht durch einen Kork verschlossen, durch welchen ein etwa 10‘ lan- ger und 1‘ dicker unten zugespitzter Messingdraht geführt war, der sich leicht auf und abschieben liess. Jeder Stöp- sel war ferner von einer dünnen Glasröhre .durchbohrt, wel- che im Innern der Glocke nur eben unter demselben her- vorragte, ausserhalb aber umgebogen war und in ein Be- cherglas voll Wasser endigte. Die Froschschenkel wurden nun zuerst enthäutet und die nach dem Unterschenkel führenden Nerven an ihrer Eintritts- stelle daselbst an beiden Schenkeln sogleich durchgeschnitten. Darauf wurden die Muskeln, welche von dem Oberschenkel und Becken ausgehend, sich an den Unterschenkel setzen, mit ihren sehnigen Ansätzen von diesem losgetrennt. Der Oberschenkel :wurde aus dem Gelenke des Beckens gelöst und sein Knochen von allem Fleische rein geschabt. Dieses letztere geschah deshalb, weil jede aus ihrem Zusammenhang gebrachte Muskelfaser bei Gegenwart von Sauerstoff sogleich in Fäulniss übergeht, und die dadurch entstehenden Produkte auf den Versuch nur schädlich wirken konnten. — Nun 401 wurde der Unterschenkelknochen aus dem Kniegelenke ge- löst und mit deu an ihn befestigten Muskeln herumgeschla- gen, worauf mit zwei Schnitten zugleich die Sehnen der letzteren nach dem Fusse, und dessen Gelenkverbindung mit der Tibia getrennt wurden. Auf diese Art blieb der Waden- muskel mit seinen beiden Ursprüngen am Oberschenkelknochen und mit der Achillessehne am Fusse befestigt, allein zurück. Von dem so erhaltenen Präparate wurde jetzt mit der Scheere der Gelenkkopf des Schenkelknochens abgeschnitten, die Spitze des schon erwähnten Messingdrathes in die Röhre des Knochens festgesteckt und mit demselben in die Glocke hinaufgezogen, so dass die Zehen des Fusses das Queck- silber, in welches dann die Glocken so weit als zum Ver- schlusse nöthig war, eingetaucht wurden, noch nicht be- rührten. Nachdem beide Glocken mit ihren Präparaten in dieser Stellung befestigt waren, wurde das zum Versuche bestimmte Gas vermittelst einer Röhre durch das Quecksilber so lange in die eine derselben geleitet, bis aus der Glasröhre, welche, wie beschrieben, in Wasser tauchte, eine Zeit lang reines Gas aufgefangen werden konnte. War dieses geschehen, so wurden beide Drähte herabgeschoben, bis nur die Spitzen von drei Zehen’ das jede Glocke sperrende Quecksilber be- rührten. Auf diese Weise war die Fläche des Quecksil- bers vermittelst des an dem Drahte befestigten Präparates mit dem Messingdrahte selbst in leitender Verbindung. Der Gastrocnemius hing in der Glocke frei von dem Knochen herab und hatte nur das kleine Gewicht des Fusses zu itra- gen, welches eben dazu diente, ihn in senkrechter Juage et- was gespannt zu erhalten, so dass es leicht war, auch die geringste Zuckung an ihm zu bemerken. Der umgebenden Atmosphäre wurde nur die Oberfläche des Knochens und die den Gastroenemius und die kleinen Muskeln des Fusses umgebende Bindegewebhülle , aber keine Spur freiliegender Muskelfaser dargeboten. Müller’s Archiv, 1850, 206 402 _ Um den zur Prüfung der Zuckungsfähigkeit angewandten Strom zu erhalten, diente eine Inductionsvorrichtung, welche in du Bois-Reymond’s Werk*) näher beschrieben ist. Es waren zwei übereinander verschiebbare hohle Rollen, von denen die innere den inducirenden, die äussere den Induc- tionsdraht trug. Der inducirende Strom wurde durch ein Platin-Zink-Element hervorgebracht. Von den beiden En- den der Rolle Kupferdraht, in welcher der prüfende Strom inducirt wurde, war das eine mit dem obern Ende des Mes- singdrahtes der ersten Glocke verbunden; von hier ging der Strom durch den Froschschenkel nach dem Quecksilber und wurde von da durch einen Eisendraht nach dem Messing- drahte der zweiten Glocke geleitet. Ein in das sperrende Quecksilber dieser letzteren eingetauchter Eisendraht stellte die Verbindung mit dem andern Ende der gedachten Rolle wieder her. Die Drähte waren durch Kupferklemmen befestigt, um- sponnen und gefirnisst. Durch Einlegen einer Anzahl Stäbe von Eisendraht in die innere Rolle konnte man den Strom nach Bedürfniss verstärken. Nachdem nun Alles auf diese Weise angeordnet war, wurde von Zeit zu Zeit durch Schliessung der primären Kette, vermittelst eines in dieselbe eingeschalteten Queck- silbernapfes, ein Strom in der äusseren Rolle inducirt, wel- cher die Muskeln zum Zucken brachte. Dieses geschah so lange, bis einer derselben, oder auch beide aufgehört hatten eine Zuckung zu geben. Die Temperatur während der Zeit, in der die Versuche angestellt wurden, war nicht unter 15° und nicht über 25° C., meistens aber zwischen 18 und 24° C. Der Höhe dieser Temperatur ist es wohl zuzuschreiben, dass die längste Dauer der Zuckungsfähigkeit eines Froschschenkels bei unseren Ver- *) Untersuchungen über thierische Elektricität. Berlin 1848, Bd. 1. ‚8: 246, 403 suchen verhältnissmässig kurz war, gegen die Zeit, welche v. Humboldt und Andere beobachteten. Die Resultate der Versuche sind in den folgenden Ta- bellen zusammenstellt. Versuche mit Sauerstoff, Der Sauerstoff wurde durch Erhitzen von chlorsaurem Kali erhalten, ohne dass letzterem Braunstein oder Kupfer- oxyd beigemengt gewesen wäre, um das Gas um so sicherer rein zu erhalten; dieses wurde ausserdem durch eine Flasche mit destillirtem Wasser geleitet. Die Muskeln behielten ihre Fähigkeit, sich zu contrahi- ren (Erregbarkeit) in Atm. Luft Sauerstoff Oo 3 länger an länger AR Temperatur. ; als Juni | 9 | —St| 5 St.| 24 St.| 27 St.| 21-22 °C. 12 | 28 36 38 39 21-24-23-22-19°, 34, |,26 30 30 38 22-19-19°. 16 | 48 50 48 50 18-19-15-17-19-16 °., 18 127 33 AA 50 17-16-19-15-18°. 21 9 16 16 18 21-22 -23-21°. 23 6 22 21 30 A2-AA-A1-2A°, Es geht aus dieser Tabelle hervor, dass Muskeln in ei. ner Sauerstoff-Atmosphäre ihre Zuckungsfähigkeit länger be. halten, als in atm. Luft. Schon wenige Stunden nach dem Anfang der Versuche zuckten die in atm. Luft viel weniger lebhaft, als die in Sauerstoff. Ein Blick auf die Temperatur- angaben zeigt uns, dass bei den beiden am längsten wäh- renden Versuchen, vom 16. und 18. Juni, die niedrig- ste, bei den beiden kürzesten, dem vom 23. Juni die höchste, dem vom 21. Juni eine nur wenig geringere Temperatur 26% 404 ‚herrschte. Die Grenzen scheinen zu eng, als dass die schon bekannte Thatsache, dass sich bei niederer Temperatur die Erregbarkeit der Froschmuskeln in atm. Luft und Sauerstoff länger erhält als bei höherer, deutlicher hätte hervortreten können. Bei dem Versuch vom 9. Juni ergab sich, dass der Schenkel in Luft an einer Stelle von seiner Bindegewebe- hülle entblösst war, dass also seine Muskelfasern direct mit dem Sauerstoff der Luft in Berührung waren, was eine kür- zere Dauer seiner Zuckungsfähigkeit und früheres Eintreten der Fäulniss verursachte. Zwei fernere Versuche mit ver- letzten und ganzen Schenkeln, beide in Luft, gaben dasselbe Resultat. Es kam bei diesen, wie bei späteren Versuchen vor, dass ein Muskel, ohne durch den Strom gereizt zu sein, plötzlich anfing, von selbst zu zucken und diess eine Zeitlang fortsetate. Versuche mit Wasserstoff. Der Wasserstoff wurde mit Schwefelsäure aus destillir- tem Zink entwickelt und dann durch Bleilösung und einen Kugelapparat mit Kali geleitet. Die Erregbarkeit erhielt sich in Wasserstoff Atmosphär. Luft Dt länger | _ länger nicht Juni nicht als als 21 r'St: 7 st. 7 st 9 St. 23 a 16 _ ae; 5 25 — Die Muskeln in Wasserstoff behielten ihre Zuckungsfä- higkeit nicht so lange, als die in atm. Luft. Verduchermit!Stickstoff: Der Stickstoff wurde dargestellt durch Leiten von Luft über glühende Kupferspäne und in einem mit ausgekochlem 405 Wasser gefüllten Gasometer gesammelt. Ehe die Luft das Kupfer berührte, war sie durch Kalilauge von ihrem Koh- lensäuregehalt befreit, und in Röhren, welche mit Stücken von mit Schwefelsäure getränktem Bimsstein angefüllt waren, getrocknet worden. Bei diesen Versuchen wurden .die Glok. ken zuerst mit Quecksilber gefüllt und dieses dann durch Stickgas verdrängt. An der Stelle des Messingdrahtes, der mit dem Quecksilber in Berührung kommen musste, war der Kork von einem Eisendraht durchbohrt und das vorer- wähnte Glasrohr war weggelassen. Die Muskeln wurden mit der Hand durch das Quecksil- ber in die mit Gas gefüllte Glocke eingeführt und vermittelst eines am Knochen befestigten Platindrahtes am Eisendrahte aufgehängt. : Gegen Pressung durch das Quecksilber an den Rand der Glocke, während des Einführens, waren sie durch eine etwas gebogene an beiden Enden offene Glasröhre ge- schützt, die grade weit und lang genug war, um das Prä- parat aufnehmen zu können. , Der zum Vergleich dienende Muskel in atm. Luft wurde ebenso lange in Quecksilber getaucht, als der Muskel in Stickstoff darunter verweilt hatte, und dann auf dieselbe Weise in seiner Glocke aufgehängt. Die Erregbarkeit der Muskeln erhielt sich in Stickstoff Atmosphär. Luft länger länger Juli E vie 5 nicht Die Zuckungsfähigkeit der Muskeln in Stickstoff war 406 jedesmal von kürzerer Dauer, als diejenige in atm. Luft. Bei den Versuchen mit Stickstoff und Wasserstoff zuckten die Muskeln in atm. Luft schon 1-3 Stunden nach dem Anfang eines jeden Versuches viel lebhafter als diein den genannten Gasen, während die Abnahme der Lebhaftigkeit inLuft, verglichen mit Sauerstoff, erst nach 8—12 Stunden auffallend wurde. Ein Muskel, der so vermöge der ihn umgebenden Atmosphäre an Lebhaftigkeit verloren hatte, konnte durch Einlegen von Ei- sendrähten in die inducirende Rolle dahin gebracht werden, dass die Stärke seiner Zuckung der des andern Muskels gleich- kam, ohne dass dieser deshalb in demselben Maasse an Kraft zugenommen hatle. Ebenso hörten, wenn keine Drähte, oder nur wenige eingelegt waren, beide Schenkel im Ver- hältniss früher auf zu zucken; so hatte bei dem Versuche vom 16. Juni mit Sauerstoff und Luft der Muskel in Luft ohne eingelegte Drähte schon nach 30 Stunden völlig aufge- hört, während der in Sauerstoff noch zuckte. Versuche mit Kohlensäure. Mit Kohlensäure, welche aus kohlensaurem Kalk durch Salpetersäure entwickelt wurde, sind nur zwei Versuche in Bezug auf die Dauer genau beobachtet worden. In beiden Fällen behielten die Muskeln in der Kohlensäure nicht länger als 3—5 Stunden ihre Zuckungsfähigkeit; die Versuche wur- den abgebrochen als der Schenkel in Luft in dem einen Falle noch in der 40. in dem andern in der 26. Stunde ge- zuckt hatte. Die in der Kohlensäure hängenden Muskeln halten schon nach 5—3 Stunden eine höchst merkwürdige Veränderung erfahren, sie wurden undurehsichtig, weiss und rissen bei geringem Zuge von beiden Seilen in der Mitie auseinander. Die Fasern waren trocken und leicht zwi- schen den Fingern zerreiblich, wie faules Holz, uud wenn man die umhüllende Bindegewebscheide oder den Muskel zerriss, so floss die denselben durchdringende Flüssigkeit 407 tropfbar ab, während sie in anderen Verhältnissen die Fa- sern durchdringt, wie Wasser eine thierische Blase. Diese Veränderung, die ein Muskel in keinem andern der angewandten Gase erfuhr, kann man nur einer Aufnahme von Kohlensäure durch den Muskel zuschreiben. Entwickelung von Kohlensäure durch die Muskeln. Nachdem man sich durch Einbringen von Kalkwasser in die Glocken überzeugt hatte, dass während der Dauer der Zuckungsfähigkeit eine Quantität Kohlensäure gebildet werde, wurde der Versuch gemacht, dieselbe zu messen. Ein oben geschlossenes, cylindrisches, getheiltes Glas- | rohr von 1° Höhe und 8‘ Durchmesser wurde- mit Luft oder Sauerstoff gefüllt, darauf die zum Versuche dienenden ganzen Unterschenkel vermittelst des rein geschabten Ober- schenkelknochens an einem Eisendrahte befestigt und durch das sperrende Quecksilber in das Rohr eingeführt. Bei der Präparation wurde Sorge getragen, dass kein Blut die Schen- kel benetzte. Der Draht war oben, so weit er die Schen- kel berührte, mit Seide umsponnen und gefirnisst, unten aber metallisch. Es wurde nun ein Stück Kalihydrat und etwas Wasser eingebracht , so dass die Oberfläche der Kalilösung noch weit genug von dem zu unterst hängenden Schenkel abstand, und das Ganze wurde zuletzt noch mit einem wei- teren mit Wasser gefüllten Glascylinder umgeben , um die Temperatur genauer beobachten zu können. Zu Anfang und zu Ende eines jeden Versuches wurde das Quecksilber in der Röhre mit dem ausserhalb ins Niveau gebracht und der Stand abgelesen. Es ergab sich in Sauerstoff immer eine bedeutende Volumverminderung in der Röhre; diese wurde bei einem der Versuche genau gemessen, auf den Barometer- stand von 760 mım. und 0° t redueirt und die Spannung des Wasserdampfes abgezogen. Die Volumverminderung, welche 408 3 Unterschenkel bei einer Temperatur von 24—R1° C. nach 17 Stunden in Sauerstoff verursachten, betrug 9,5 C. €. und nach der Reduction . . . . 7337 0. C. ‚Vier Unterschenkel in atm. Lnft gaben in 17 St. eine Volumabnahme von 10 C.C. nnd nach der Reduction . . . . .8277C.C. Auch mit Stickstoff wurden einige Versuche angestellt, von denen nur einer eine so grosse Volumveränderung gab, dass dieselbe ohne zu grossen Fehler der Reduction unterzo- gen werden konnte. Sie betrug bei 4 Unterschenkeln in 17 St. 1,4 C. C. | und nach der Reduction . . . . . 0,007 ©. ©. eine Abnahme, die so gering ist, dass wir sie sehr gut auf die Beobachtungsfehler schieben können. Zu Ende eines je- ‘den Versuches mit Sauerstofl und atm. Luft überzeugte man sich, dass die Schenkel noch zuckungsfähig und frisch wa- ren. Die in Stickstoff hatten gewöhnlich eine schwache Sper von Geruch und waren immer todt. Da es wahrscheinlich schien, dass im Stickstoff wäh- rend der Zuckungsfähigkeit noch eine kleine Menge Kohlen- säure entwickelt werde, so wurden vier Unterschenkel ohne Aetzkali in reines Stickgas gebracht und stehen gelassen. Nach 2—3 Stunden hatte sich das Volum um 0,8. C. C., welches auf 0° redueirt 0,92 C. €. betrug, vergrössert. Als es nach 3 Stunden keine andere Veränderung mehr erfah- ren hatte, wurde Aetzkali in das Rohr gebracht , worauf es nach abermals 3 Stunden die frühere Grösse wieder erreichte. Barometerstand und Temperatur waren gleich geblieben. Aus dem Steigen des Quecksilbers in der Röhre bei An- wesenheit von Sauerstoff oder atm. Luft ist es klar, dass zugleich Sauerstoff von dem Schenkel aufgenommen und Kohlensäure ausgeschieden wurde. Daraus, dass in Stickstoff mit Aetzkali keine Veränderung des Volums statt fand, geht hervor, dass ausser etwas Kohlensäure keine andere Gasart in merkbarer Quantität entwickelt wurde uud dass eine At- 409 mosphäre von reinem Stickgas zu den im Schenkel vorge- henden Veränderungen in keiner Beziehung steht. Die Vo- lumvermehrung im letzten Versuche beweist, dass bis zu dem Absterben des Schenkels bei Abwesenheit von Sauerstoff dennoch eine kleine Menge Kohlensäure entwickelt werde, dass also die Lebensdauer mit dem Aufhören der Kohlen- säureentwicklung in enger Verbindung stehe. Ferner beweist es, dass bei den Versuchen, wo Sauerstoff zugegen war, der verbrauchte zur Bildung der grösseren Quantität von Koh- lensäure gedient haben musste. Bei dem Versuche in Sauerstoff kommen auf einen Un- terschenkel in 17 Stunden 2,44 ©. C. = 0,0048 grm. Koh- lensänre. Bei dem Versuche in Luft kommen auf einen Unterschen- kel in derselben Zeit 2,06 €. C. = 0,0040 grm. Kohlen- säure. ! Das Gesetz, nach welchem die Abnahme des Volums in Sauerstoff und Luft bis zum Absterben des Muskels vor sich geht, ist durch unsere Versuche nicht genauer ermittelt, aber so viel ist gewiss, dass die grössere Abnahme in der ersten Hälfte vor sich geht. Vergleichen wir die bis hierher erhaltenen Resultate, so steht zuerst fest, dass ein Muskel in einer Atmosphäre von Sauerstoff oder in einer sauerstoffhaltigen Luft seine Zuk- kungsfähigkeit länger behält, oder, was dasselbe ist, dass dann die Todtenstarre später eintritt, als in einer solchen, worin kein Sauerstoff enthalten ist, also z. B. in reinem Stick- gas, Wasserstoflgas und Kohlensäure. Ferner ergiebt sich, dass eine Atmosphäre von Kohlen- säure, ausserdem, dass sie das Leben des Muskels nicht un- terhält, sogar sein Ende beschleunigt, indem sie eine mit der Fortdauer der Lebenseigenschaften unverträgliche Aenderung seiner Formtheile hervorruft, was durch Stickstoff nicht ge- schieht. Sodann geht aus diesen Versuchen hervor,‘ dass ein 410 Muskel, während der längeren Dauer seiner Zuckungsfähig- keit in einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre zugleich Sauer stoff aufnimmt und in der Form von Kohlensäure wieder abgiebt. Wenn wir nun die Aufnahme von Sauerstoff durch ei- nen thierischen Organismus, dessen Fortdauer daran geknüpft ist, und die gleichzeitige Abgabe von Kohlensäure Respiration nennen, so müssen wir nach diesen Versuchen annehmen, dass ein vom Körper getrennter Muskel noch respirirt. Schon nach der Absorptionstheorie, welche das Blut in Bezug auf die Respiration oder die Aufnahme von Sauer. stoff und Abgabe von Kohlensäure durch dasselbe in den Lungen, blos als absorbirendes Mittel für jene Gase beirach- tet, welches den Sauerstoff, ohne sich chemisch damit zu verbinden, nach den Capillaren befördert, und statt dessen Kohlensäure von da zurückbringt, liessen sich die hier er- haltenen Resultate vermuthen. Wenn das Blut nun in Be- zug auf den Austausch der beiden Gase wirklich nur diese Rolle übernimmt, und nicht der grösste Theil des einge- athmeten Sauerstoffs dazu verwandt wird, dieses selbst auf dem Wege in die Capillargefässe chemisch zu verändern und es dadurch erst möglich zu machen, dass die Bildung ‘von Kohlensäure in den Capillaren vollzogen werde, wie es die chemischen Theorieen verlangen, so müssen alle diese Versuche dieselben Resultate geben, wenn aus den dazu ge- brauchten Muskeln alles Blut entfernt wurde. Um diesen Schluss zu prüfen, wurden Versuche mit Muskeln von Fröschen gemacht, welche durch Einspritzen von destilliriem Wasser in den Bulbus aortae, so lange bis nur noch reines Wasser aus der Oefinung im Herzen floss, von ihrem Blute befreit und deren Gefässe statt dessen mit Wasser angefüllt waren. Um diese Einspritzung möglich zu machen, wurde dem lebenden Frosche eine feste Ligatur um den Hals gelegt, dann der Kopf halb abgeschnitten und das Rückenmark zerstört. Bei dem Injieiren zuckte jedes- 411 mal, wenn eine Spritze voll Wasser durch die Capillaren ging, der ganze Frosch. Die Muskeln wurden wie vorher präparirt und zuerst in Sauerstoff und Luft verglichen. Die Zuckungsfähigkeit erhielt sich in Atm. Luft Sauerstoff länger } länger 5 Datum nicht niebt Juli als | als 2 24 St. | 30 St. 24 St. | 30 St. 4 h) 6 h) 6 8 11 8 11 17 27 28 27 28 — 15 16 16 17 22. 24 25 24 25 Die Temperaturen waren von 19° — 24°C. Eis zeigte sich hier das Verhalten, dass die vom Blute entleerien Mus- keln in Sauerstoff und Luft zu gleicher Zeit ihre Zuckungs- fähigkeit verloren, ohne dass diese im Allgemeinen von kür- zerer Dauer gewesen wäre, als bei den vorh rgehen den Ver- suchen in atm. Luft. Nur in dem Eintritte der Fäulniss zeigte sich ein Unterschied, indem die mit Wasser injieirten Schenkel auffallend schnell nach dem Aufhören der Erreg- barkeit in Fäulniss übergingen, und zwar die in Sauerstoff schneller, als die in atm. Luft. Als Vergleich mag ein _Versuch mit zwei nicht vom Blute entleerten Muskeln dienen, welcher 6 Stunden später, als der in der Tabelle angeführte Versuch vom 22. Juli be- gann. Beide wurden in atm. Luft verglichen und verloren in derselben Stunde ihre Zuckungsfähigkeit, welche 21 — 22 Stunden dauerte. Von den mit Wasser gefüllten Muskeln roch der in atm. Luft 4 Stunden nach Beendigung des Ver- suches faulig, während der in Sauerstoff schon in vollstän- diger Fäulniss begriffen war. Die nicht vom Blut entleer- 412 ten Muskeln hatten 5 Stunden nach dem Aufhören ihrer Zuckungsfähigkeit noch kein Fäulnissgeruch. Es wurden nun einige mit Wasser gefüllte Schenkel- paare in Stickstoff und Luft verglichen. Die Erregbarkeit - dauerte in Stickstoff Atm Luft länger länger Datum. nicht nicht Angust als als 20 175} 2 Sk 3 St.| — St. 21r| 13 3 we Be — 2 3 Ei 23:| -2 4 8 Dr Es wurde bei diesen Versuchen nicht für nöthig befun- den, das völlige Absterben der Muskeln in Luft zu beobach- ten, da dieses aus den vorhergehenden Versuchen schon be- kannt war und die Muskeln in atm. Luft beim Abbrechen der Versuche noch sehr lebhaft zuckien. — Aus der Tabelle geht hervor, dass ein vom Blute befreiter Muskel in Stick- gas viel kürzere Zeit lebt, als einer in atm. Luft oder in Sauerstoff. Ueber die Entwicklung von Kohlensäure ergaben sich olgende Resultate: 4 Unterschenkel in Sauerstoff verminderten d. Volum in 6 Stunden um 3,5 C. C. Dieses giebt nach der Reduction auf 3,621 C.C, 4 Unterschenkel in Luft gaben nach 14 Stunden eine Abnahme von 9 C. C. und nach der Reduclion 6,089 C. C. Ein Versuch in Stickstoff gab dasselbe Resultat wie früher. Bei den Versuchen in Luft und Sauerstoff waren die Muskeln nach dem Ierausnehmen noch zuckungsfähig. 413 Vergleichen wir diese Resultate mit den vorigen, so fin- den wir, dass auch Muskeln, die keine Spur von Blut enthal- ten, in einer Luft, worin kein Sauerstoff ist, viel kürzer le- ben, als in einer sauerstoffhaltigen, und dass sie ebenfalls während der längeren Dauer ihrer Zuckungsfähigkeit Sauer- stoff aufnehmen und Kohlensäure wieder abgeben. Hieraus wird es klar, dass das Blut bei dem Vorgang der Respira- tion wirklich blos als Mittel diene, die Fortschaffung der Gase nach den Capillaren und zurück zu bewerkstelligen, und dass in den Oapillaren nicht die Bildung der Kohlensäure vor sich gehen könne, sondern nur eine Auswechselung der schon gebildeten gegen den Sauerstoff des Blutes durch die Gefässwände hindurch. Es kommt uns hier besonders auf den Verlauf der Ca- pillargefässe in dem Muskel an. Diese umschlingen nun be- kanntlich das Sarkolemma, oder die structurlose Scheide der Primitivmuskelbündel, ohne sich in diese selbst zu begeben. Wir erinnern daran, dass auch die Grundlage der Lungen- bläschen strukturlose Membran ist, an welcher sich unmittel- bar die athmenden Capillargefässe der Lunge verzweigen. Bei unseren Versuchen nun musste der Sauerstoff zuerst die äussere feuchte Bindegewebhülle des Muskels durchdrin- gen, wurde dann von der Flüssigkeit, die den ganzen Mus- kel durchdringt aufgenommen und den Muskelprimitivbündeln durch das Sarkolemma mitgetheilt. Denselben Weg musste die Kohlensäure zurücknehmen, um ausgeschieden zu wer- den. Die Flüssigkeit musste also gleichzeitig Sauerstoff und Kohlensäure enthalten, und die Fähigkeit haben, diese Gase nach innen und aussen abzugeben. Dieselbe Flüssigkeit erfüllt auch den Raum zwischen den Wänden der Capillargefässe und dem Sarkolemma, der wenn auch noch so klein, doch vorhanden sein muss, und ‚der Austausch der Gase kann folglich vermittelst derselben ebenso leicht nach dem Blute hin seinen Lauf nehmen. Das Blut giebt dann seinen Sauerstoff durch die Gefässwand ab, 414 und nimmt zugleich die aus dem Muskel ihm durch dieselbe zugeführte Kohlensäure dafür auf, und führt sie nach den Lungen, um von dort neue, weniger Kohlensäure und mehr Sauerstoff haltende Flüssigkeitsmengen mit den Wänden der Capillargefässe in Berührung zu bringen. Es liegt nach dieser Betrachtung nichts näher, als an- zunehmen, dass die Bildung von Kohlensäure durch einen Theil des eingeathmeten Sauerstofls, so wie es hier bei fort- dauernden Lebenseigenschaften der Muskeln ausser dem Kör- per geschah, auch im Körper nicht innerhalb der Capillar- gefässe, sondern ausserhalb derselben in dem Gewebe der Muskeln vor sich gehe. Vergleichen wir einige Resultate der Arbeiten von Reg- nault und Reiset über die Respiration*) mit der hier auf- gestellten Ansicht, so enthalten diese eine Unterstützung der- selben. Es ist bekannt, dass nach angestrengter Muskelthä- tigkeit mehr Kohlensäure ausgeschieden und mehr Sauerstoff aufgenommen wird, als sonst. Thätig sind aber die Mus- keln immer, so lange sich ein Thier im wachenden Zustande befindet und erst im Winterschlafe mancher Thiere scheint vollständige Ruhe einzutreten, nur die Fähigkeit thätig zu sein erhält sich. Wenn ein Murmelthier aus dem Winter- schlafe erwacht, so erfordert es einige Zeit bis dasselbe den vollständigen Gebrauch seiner Glieder wieder erlangt. Nun fanden die Herren Regnault und Reiset, dass im Winter- schlafe der Murmelthiere, wo die Ernährung durch Bestand- theile des Körpers selbst, und ebenfalls nur so weit statt findet, dass die Organe im arbeitsfähigen Zustande erhalten werden, die Menge des verbrauchten Sauerstofls nur 4, der- jenigen ist, welche während des Wachens verzehrt wird. Ferner ist das Verhältniss des wachend ausgenommenen Sauer: stoffs zu dem in der Kohlensäure eingeathmeten im Mit- tel wie 10:8, im Winterschlaf hingegen wie 10:4. Die *) Wöhler’s u. Liebig’s Annalen. Jahrg. 1850. Jan. Febr. März. 415 Menge der gebildeten Kohlensäure sinkt also im Verhältniss zu dem im Ganzen verbrauchten Sauerstoff durch die in der Muskelthätigkeit eingetretene Ruhe um mehr als die Hälfte und es wird hierdurch klar, dass jedenfalls ein sehr grosser Theil der wachend ausgegebenen Kohlensäure durch die Mus- keln gebildet werde. Ein Frosch hraucht auf ein gleiches Gewicht seines Kör- pers viel weniger Sauerstoff, als ein warmblütiges Thier und zwar verhält sich die Menge, welche er verzehrt, gegen die, welche ein Hund braucht, im Mittel aus den Zahlen von Regn. u. Reis. berechnet, wie 0,082:1,193. Nehmen wir nun an, dass sich die im Blute gelöst enthaltenen Sauerstoff- mengen bei verschiedenen Thieren verhalten wie die Mengen, welche gleiche Gewichle derselben verbrauchen, so finden wir, wenn wir für das arterielle Blut der Säugethiere die Quantität von 7 Vol. proc. Sauerstoff*) zu Grunde legen, für den Gehalt des Froschblutes 0,48 Vol. proc. Es sei die in den Capillaren der 4 Unterschenkel von zwei Fröschen, ohne die Haut enthaltene Blutmenge = 6 C. C., was viel zu gross ist, und wir wollen annehmen, dieselbe enthielte 7 Vol. proc. Sauerstoff, was nach der eben angestellten Be- rechnung ebenfalls viel zu gross ist, so würden diese 6 ©. C. Blut 0,42 C. C. Sauerstoff gelöst enthalten, eine Menge, welche zur Bildung von 0;42 C. C. Kohlensäure grade hin- reich. Nun haben wir aber in einem unserer Versuche gefunden, dass 4 Unterschenkel in Stickgas 0,92 C. C. Koh- lensäure entwickeln. Es muss also in den Froschmuskeln ausserhalb der Capillargefässe eine gewisse Menge Sauerstoff gewesen sein, welche am Anfange des Versuches noch keine Kohlensäure gebildet hatte, oder erst im Begriff war, dieses zu thun und wir sehen uns genöthigt, anzunehmen, dass von dem Augenblicke an, wo ein Atom Sauerstoff durch die Wand des Capillargefässes in das Gewebe des Muskels *) Müller’s Physiologie 1844. Bd. I. S. 250. 416 eintritt, bis dahin, wo es in der Form von Kohlensäure aus- geschieden wird, eiue gewisse Zeit vergeht, während wel- cher die Bedingungen zur Kohlensäurebildung sich günstiger oder weniger günstig gestalteu können. Hiezu finden wir bei Regn. u. Reis. einen neuen Belag in dem merkwürdi- gen Resultate, dass ein Thier in einer gewissen Zeit mehr Sauerstoff in der Kohlensäure ausathmet, als es in derselben Zeit eingeatihmet hat (Versuch 50 u. 92). _Der Ueberschuss muss also schon vorher aufgenommen und die seiner Ver- wandlung in Kohlensäure günstigen Bedingungen erst später eingetreten sein. 3 Wenden wir unsere hier aufgestellte Ansicht auf die Todtenstarre selbst an, die wir ja bei Anwesenheit von Sauerstoff viel später und in einer Atmospbäre von Koh- lensäure viel früher eintreten sahen, und beachten wir zu- gleich, dass dieselbe auch bei solchen luftathmenden Thie- ren, welche während des Lebens am meisten Sauerstoff ver- brauchen, bei den Vögeln, am frühesten, und bei denjenigen, welche am wenigsten verzehren, den Ampbibien, am späte- sten nach dem Tode in der atm. Luft eintritt: so ergiebt sich, dass die Dauer vom Aufhören des Athmens bis zum Erscheinen der Todtenstarre abhängig sein muss von den in jenem Augenblick im Blute absorbirt enthaltenen Mengen von Sauerstoff und Kohlensäure. Je mehr Sauerstoff näm- lich im Verhältniss zur Kohlensäure das Blut enthält, um so leichter wird dem Muskel die Abgabe der gebildeten Koh- lensäure an dieses; hat er allen aufgenommenen Sauerstofi verzehrt, oder ist das Blut mit Kohlensänre gesättigt, so ist Beginn der Todtenstarre eingetreten, welche die Fäulniss in ihrem Gefolge hat. Ich erlaube mir am Schlusse Herrn Prof. Magnus öf- fentlich meinen Dank auszudrücken für die freundlichst ge- stattete Benutzung seines Laboratoriums zum Zweck dieser Versuche. Mikroskopische Untersuchung einer Hydati- denmole. Von Dr. C. METTENHEIMER in Frankfurt a. M. (Hierzu Taf. IX u. X.) Die Forschungen, welche in der letzten Zeit über den Bau und die Entstehung der Cysten angestellt worlen sind, ha- ben bis jetzt zu keinem allgemeingültigen Gesetze geführt. Zwei Theorien stehen sich noch schroff einander-gegenüber. Die eine, die schon von J. Vogel aufgestellt ist, gegenwär- tig aber in etwas veränderter Gestalt am eifrigsten von Bruch vertheidigt wird, lässt alle Cysten ohne Ausnahme aus einer Ansammlung des Cysteninhalts im Parenchyme der Organe und Gewebe und dessen weiterer Entwickelung ih- ren Ursprung nehmen, die andere, von Rokitansky ver- theidigt, hält jede Cyste für eine höhere Entwickelungsstufe einer einzelnen Mutterzelle. Weder der gegenwärtige Stand unserer Kenntnisse über diesen Gegenstand, noch die Logik fordern, dass eine dieser beiden Theorien zur ausschliessl- chen Herrschaft gelange, die andere aus dem Bereich der Wissenschaft verbannt werde; vielmehr werden sie recht wohl neben einander bestehen können, wenn es nur gelingt, das Gebiet einer jeden gehörig zu beschränken und scharf genug abzugrenzen. Es scheint daher. gerechtfertigt, eine Müller’s Archiv. 1850. Pa 418 Beobachtung zu veröffentlichen, welche geeignet ist, der An- sicht Rokitansky’s, die bis jetzt noch zu wenig durch Thatsachen unterstützt wird, einen neuen Halt zu geben, und gleichzeitig die entgegengesetzte Theorie in die Schranken zurückzudrängen, die ihr Bruch in einer früheren Arbeit ge- zogen hatle. !) Ohne die Richtigkeit der Beobachtungen in Zweifel zu ziehen, nach denen Bruch in seiner neuesten Abhandlung über pathologische Cystenbildungen ?) sich be- rechtigt hält, nicht mehr. für die meisten, Cysten, sondern insgesammt ein gemeinschaftliches Eutwickelungsgesetz auf- zustellen, muss ich doch nach meinen Beobachtungen anneh- men, dass die Cysten der Hydatidenmolen wenigstens jenem Entwickelungsgesetze nicht unterworfen sind, sondern dem Rokitansky'schen ®) folgen. Dies leiztere hat seinerseits schon durch Bruch’s exacte Forschungen bedeutend an der unrechtmässigen Ausdehnung eingebüsst, die ihm sein be- rühmter Urheber gegeben hatte. Man darf daher hoffen, bei fernerer strenger Zurückweisung der Uebergriffe, die sich eine oder die andere Theorie noch erlauben mag, endlich ei- nen Frieden zwischen beiden herbeizuführen, in dessen Folge eine die andere unangefochten neben sich dulden wird. ‘Die Frau, welche die Mole gebar, die wir genauer be- schreiben wollen, ist verheirathet und hatte vor ihrer Mo- lenschwangerschaft 3 gesunde Kinder geboren. Im October 1849 blieben ihre Katamenien aus und sie glaubte sich zum vierten Male schwanger. Im Januar 1850 stellte sich eine starke Blutung ein, zu Ende dieses Monats und im Februar nahmen diese Blutun- gen an Häufigkeit zu, bis endlich bei einer dieser Blutungen die Mole abging, welche uns beschäftigen soll. Nach der Molengeburt hielt ein schwächerer Blutabgang noch eine ge- raume Zeit an, dann aber erlangte die Patientin ihre volle 1) Henle’s und Pfeuffer’s Zeitschr. f. ration. Med. VII S. 382. 2) A. a. 0. VII. 1849, B, 1. 2. 3) Rokitansky, pathol. Anatomie B. 1. S. 318 ff. & 419 Gesundheit wieder. Dies: sind die Notizen über die Molen- schwangerschaft, ‘welche ich der Güte des behandelnden Arztes, Herrn Dr. Melber zu verdanken habe. - Die Mole, welche den Gegenstand unserer Untersuchun- gen bildet, gehört zu den umfangreichen, in ihrer Ausbildung rasch forigeschrittenen. : Ihr bedeutender Umfang wird nicht durch die Grösse der einzelnen Cysien bedingt, denn die grössten erreichen kaum das Volum einer kleinen Wallnuss, sondern durch die sehr grosse Anzahl derselben. Zwi- schen den Cysten lagen grosse, häutige, lappige Blutcoagula, die sich mit Leichtigkeit aus der Mole herausnehmen liessen, und unter dem Mikroskop untersucht, aus nichts als dicht ge- drängten veränderten Blutkörperchen und geronnenem Faser- stoff bestanden, keine Spur einer eigenthümlichen Organisa- tion darboten. Das Vorkommen dieser Coagula hängt oflen- bar mit den häufigen Blutungen, den gewöhnlichen Beglei- tern der Molenschwängerschaften zusammen, sie umschlies- sen die Cysten oft so dicht, dass diese erst herauspräparirt werden müssen und die eigenthümliche verästelte Struktur der Mole sich vor dem Auge des Beobachters ganz verbirgt Ruyscht) und Gregorini?) bilden solche Molen vortreff- lich ab, in der hiesigen Senckenbergi’schen pathologisch- anatomischen Sammlung befindet sich auch eine kleine Mole, an»der dies Verhältniss aufs Deutlichste sichtbar ist. Von Eihäuten oder einem Embryo waren dem Präparate, wie es mir zur Untersuchung zugestellt wurde, nichts zu finden. Schon Cruveilhier hat es versucht, den Namen der Traubenmolen zu rechifertiger.?) Nach ihm sind es Netze, gebildet von Cysten, welche vermittelst mehr oder weniger zahlreichen Stielen mit einander verbunden sind. Die Stiele sollen sehr leicht reissen und so die Traubenform entstehen. 1) Observ. anat. fig. 34 ei 35. 2) Gregorini, de hydrope uteri et de hydatidibus, Halis Saxon. 1795. Tab. I. 3) Anat. pathol, Livr. ie. ) p ivr, ie 97 # 420 Dieser Vergleich beruht jedoch nur auf einer oberflächlichen Anschauung. Denn während an der Weintraube ein Haupt- stiel Aeste und diese wieder Zweige abgeben, von denen je- der seine Beere trägt, so fehlt hier ein Hauptstiel, das Cen- trum der ganzen Vegetation bildet eine Blase (Chorion), auf deren Wand eine neuere Generation von Cysten entsteht, von denen jede einzelne wieder die Fähigkeit hat, eine oder beliebig viele Tochtereysten in derselben Weise zu erzeugen. Hier entspringt also Beere aus Beere und die Stiele verbin- den ‚nicht Beere mit Hauptstiel, sondern Beere mit: Beere und endlich mit einer Centralmuitereyste (Chorion)!) Die Verbindungsstiele (ilamens Cruv.) fand ich um so länger und dicker, je grösser die Cysten waren, die sie zu verbinden hatten. Sie wachsen also mit den Cysten. Nach Cruveilhier’s?) Beobachtung stehen die Stiele entweder in Communication mit den Cysten oder nicht; im ersten Fall genügt nach ihm ein leichter Druck auf die Cyste, um den Inhalt in den Stiel zu treiben. Für die dünneren (jün- geren) Stiele gelang mir dieser Versuch nicht, ihre fast voll- ständige Undurchsichtigkeit macht es ausserdem wahrschein- lich, dass sie nicht hohl sind. Schnitt ich aber einen dik- kern Stiel quer durch und übte einen gleichmässigen Druck auf die Wandungen der dazu gehörigen Cyste aus, so ent- leerte sich der Inhalt durch den Stiel, aber nicht in einem Strahl; kaum tropfenweise, in der Art, wie Flüssigkeit aus einem Schwamm herausgepresst wird, oder der gelatinöse Faserstoff, den man so häufig in Eierstockseysten antrifft, die Serosilät, mit der er inbibirt ist, fahren lässt, sobald man ihn auf eine trockene Unterlage bringt. Durch den Stiel Luft in die Cysten einzublasen oder gefärbte Flüssigkeiten hineinzutreiben, glückte mir niemals; ich darf also bezwei- feln, dass die Stiele überhaupt hohl in dem gewöhnlichen 1) S. weiter unten die Ausführung dieses Gedankens. AED. 421 Sinne gewesen seien und neige mich zu der Ansicht, dass sie nur sehr aufgelockerte und für Flüssigkeiten leicht durch- dringbare Theile des Stroma’s sind, in dem sich die Cysten entwickeln. Der Inhalt der Cysten war wässrig, von röthlich - gelb- licher Färbung, enthielt Fetttröpfchen und eine grosse An- zahl von Zellen, die mit der Cystenwand in genauem Zu- sammenhange stehen und weiter unten besonders betrachtet werden sollen. Aeltere Schriftsteller haben in der so häufig röthlichen Färbung des Cysteninhalts der Hydatidenmolen einen Beweis für ihre Ansicht zu finden geglaubt, dass die Cysien selbst erweiterte Blutgefässe seien. Viel einfacher lässt sich aber diese Färbung daraus erklären, dass die Cysten der Molen fast immer in ergossenes Blut eingebeltet sind, dessen Farbstoff die Cystenwände durchdringt, und dem Cysteniuhalt seine Färbung mittheilt. . In chemischer Hin- sicht war die Cystenflüssigkeit in Uebereinstimmung mit den Untersuchungen, die J. Vogel!) über den Inhalt verschiede- ner Cysten angestellt hat, vorzüglich reich an Eiweiss, das durch Essigsäure, Sublimat, Weingeist, salpetersaures ‚Sil- ber gerann (Hydrops serosus Vogel). Wir gehen nun zur genaueren Betrachtung des wesent lichen Theiles der Cysten, ihrer Wand, über. Sämmtliche Cysien der Mole waren nicht vollkommen durchsichtig, son- dern hatten das Ansehen von Milchglas.. Dies rührt nicht von ihrem Inhalt her, wie man sich überzeugen kann, wenn man diesen, der ganz klar ist, entleert. Der Grund dieses Ansehens ist vielmehr in der Cystenwand zu suchen, und zwar scheinen mehrere Bedingungen zusammenzuwirken , ihr die vollkommene Durchsichtigkeit einer strukturlosen Mem- bran zu nehmen. Schon mit unbewafluelem Auge, besser aber noch mit Hülfe der Lupe entdeckt man, dass die Cy- stenwand mit vielen weissen, undurchsichtigen bald grössern 1)A a. 0. 5. 208. 422 bald kleineren Punkten und Zotien besetzt ist, die in ihrer Gestalt den losgelassenen Cystenstielen, filamens Cruveil- hier’s entspreehen. Auf Tab. IV. Fig. 2. ist eine bildliche Darstellung dieses Verhältnisses gegeben, nur sind die sehwar- zen Punkte in der Nalur weiss und fallen weniger ins Auge als auf der Abbildung. In dieser Beschaffenheit der Cysten. wandungen liegt eine Ursache ihrer unvollkommenen Durch- sichtigkeit. Massen bald zerstreuter, bald in Gruppen auf- gehäufter, gelbglänzender Körnchen ?) (Fett?) die sowohl auf der innern, als der äusseren Fläche der Cystenwände liegen, bilden einen andern Grund. Einen dritten erblicke ich in einer Lage platier, grösserer oder kleinerer‘'Zellen mit körnigem Inhalte, denselben, die man in der Cystenflüs- sigkeit suspendirt antrifit, von denen eine Lage als Epen- dyma die Innenfläche der grösseren Cysten überzieht. Das Verhalten dieser Zellen in den kleinsten Cysten und in den Zotten muss noch besonders beleuchtet werden. Endlich mögen bei ausgebildeteren Cysten auch die zarten, immer gestreckt verlaufenden Fasern, die sich in ihren Wänden fin- den, und die auf Einwirkung der Essigsäure kleine, ganz durchsichtige Kerne zurücklassen, ebenso die feinen Falten, in die sich die strukturlose Cystenwand zu legen so geneigt ist, und die das Ansehen von Fasern oft täuschend nachah- men können, zur Undurchsichtigkeit der Cystenwand bei- tragen. Ich habe eine sehr grosse Anzahl von Cysten geöfl- net, aber es wollte mir nicht glücken, selbst in den’ gröss- ien jenes spinnewebartige Fasernetz zu finden, das dem Spin- nenweb in dem sogenannten Eiweissraum der Tunica media zwischen Amnion und Chorion ?2) so ähnlich ist und die von Cruveilbier als den Cysten aller Iydalidenmolen eigen- thümlich und als der Rest communieirender durch den In- hallausgedehnter und zerrissener Zellenräume angesehen wird.) 1) Fig. 3. Fig. 4. 2) R. Wagner icon, physio. tal. XIL. Fig. 1. £. 3) Cruveilhber, 1. c. Fig. 1! — 7°. 423 Dagegen traf ich diese dünnen ästigen Stränge in vielen der grösseren Cysten zweier in Weingeist aufbewahrler Hyda- tidenmolen an; sie zeigten sich mir ganz deutlich aus Fasern zusammengesetzt ‘und mit zahllosen, gelbrothen Molekülen übersäet. Essigsäure löste diese Fasern, die freilich schon Jahre lang der Einwirkung des Weingeistes ausgesetzt wa- ren, nur sehr langsam auf. Die Membranen grösserer Cysten lassen sich, wie ich an einigen Blasenmolen beobachtet habe, in mehrere Schich- ten trennen, ohne das man daraus schliessen darf, dass sie aus mehreren Membranen bestehen, nur dass sie dick und spaltbar genug sind, um sich in mehrere Lagen theilen zu lassen. Danach würde die Dicke und Spaltbarkeit der Cy- stenwände auch nichts gegen die Behauptung Cruveilhier'’s beweisen, dass die Cystenwände nur aus einem einzigen Blatte bestünden. — Das chemische Verhalten der Cysten- wände, die Löslichkeit ihrer Fasern in Essigsäure, spricht ganz für die Anschauung J. Vogel’s, der sich jede selbst- ständige Cyste als einen peripherischen Niederschlag von Fibrine um einen örtlichen Hydrops serasus denkt. Es ist nur die Frage, ob nieht auch ein solcher seröser Zufluss in einem geschlossenen Zellenraum stattfinden kann, der die Zelle nicht blos mechanisch ausdehnt, sondern ihr zugleich durch die Zuführung organisirbaren Stoffes, die Fähigkeit verleiht, weiterzuwachsen, zwar nicht nach ihrem ursprüng- lichen, sondern in einem pathologischen Sinne d. h. zur Cyste zu werden. Vogel spricht sich deutlich gegen diese Theorie aus,!) er sagt, es sei ihm keine Beobachtung be- kannt, die eine solche Entstehungsweise von Cysien wahr- scheinlich machte, und alle bis jetzt bekannten Elementar- zellen seien viel zu klein, als dass sie auch bei einem Maxi- mum von Ausdehnung bei den schon mit unbewafinetem Ange sichtbaren Cystenformen in Betracht kämen. Die Beob- 1) A. a. 0. 5.212. ft. 424 achtungsn, die ich an der bisher im Groben beschriebenen Mole angestellt habe, scheinen mit dieser Ansicht meines hochverehrteu Lehrers in der Histologie nicht im: Einklang zu stehen, gerade aber darin finde ich eine neue Aufforde- rung, meine Beobachtungen über die feinere Struktur der Hydatidenmolen zu veröffentlichen, weil ich das Gesehene nicht ungesehen machen kann und es doch mit einer Mei- nung von so bedeutendem Gewichte in der Histologie nicht zu vereinigen weiss. -Meine Beobachtungen gehen von den Wandungen der Cysten aus. Die Zellen, von denen schon oben einmal die Rede war, traf ich nur bei den jüngsten Cysten immer in enger Verbindung mit der Cystenwand an, in den älteren waren sie an den Wänden nicht mehr zu finden, dafür aber in der Cystenflüssigkeit. In Grösse und Gestalt: waren sie durchaus nicht alle einander gleich und doch müssen sie wohl aus vielen Gründen unter denselben Begriff zusammen- gefasst werden. Ihre Grösse schwankte im Durchmesser zwischen „i, und „3, par. Linie; die Umrisse waren im All- gemeinen eirund, jedoch kamen auch ganz runde und unre- gelmässig gestaltete, aber keine von eckigen Formen vor. Immer sind die Zellen von sehr bestimmten Contouren und enthalten mehrere Körnchen, unter denen sich eines, wel- ches vielleicht die Stelle eines Kernes vertritt, durch Grösse und deutliche Gestaltung auszeichnet. Im Allgemeinen hält man diese Zellen für Epithelialzellen; ihre Lage, ihre Ausbreitung in eine Schicht, ihre platte Gestalt scheinen auch dafür zu sprechen; für ihre physiologische Bedeutung ist damit noch nicht viel gewonnen. In morphologischer Hinsicht haben diese Zellen Manches an sich, was sie von allen übrigen Epithelialzellen wohl unterscheidet. Erstens sind sie von sehr uugleicher Grösse, obwohl sie in -einer Lage ausgebreitet sind und nicht mehreren älteren und jün- geren über einander geschichteten Lagen angehören; sodann liegen sie uicht dicht bei einander gedrängt, eine Eigenthümlich- 425 keit, aus der sich der gänzliche Mangel eckiger Umrisse erklärt; endlich ist ihr Vorkommen in den Zotien, welche an der Oberfläche der Cysten hängen und die Grundlagen neuer Cysten sind, sehr verschieden von der gewöhnlichen Anord- nung eines Epitheliums. Aus allem dem lässt sich, wenn nicht schliessen, doch ahnen, dass diesen Zellen andere Kräfte inwohnen müssen, als die schützenden, überkleiden- den der Epithelien. Bringt man einen von den weissen Punkten oder den feinen Zotien, welche die Cystenwand undurchsichtig machen, unter das Mikroskop, so erstaunt man über den Reichthum der Vege- tation, welche sich der Beobachtung darbietet. Die Cysten- wand scheint bei 250facher Vergrösserung mit unzähligen, bald sehr kleinen, bald sehr grossen, bald verästelten, bald nicht ver- ästelten Zotiten bedeckt, deren allgemeine Eigenthümlichkeiten darin bestehen, dass sie an den Enden kolbig angeschwollen sind, dass sie dieselben Elementarkörnchen, dieselben Ependyma- zellen, nur in der schönsten Ausbildung enthalten, welche schon von der Wand der Cysien beschrieben worden sind, dass sie immer aus einer strukturlosen, nur hier und da zart und unvollkommen gestreiften Membran bestehen. Ich habe eine ganze Reihe dieser Zotten gezeichnet und man sieht hier alle Uebergänge von der einfachsten Keulenform, an den kleinsten Zöttchen, die sich kaum über die Oberfläche der Cystenwand erheben und die weissen Punkte darstellen, die schon mehrmals erwähnt worden sind, bis zu den längsten flottirenden Zotten, (filamens Cruveilhier), deren Form bald die Sertularien, bald die Campanularien, bald gewisse Flustrenarten und andere niedere Geschöpfe des Meeres täu- schend nachahmte.!) Ob sie hohl waren, liess sich an die- sen feinen Gebilden nicht unterscheiden, nicht einmal, ob sie aus zwei dicht an einander gelötheten Blättern einer und derselben gefalteten Membran bestanden; sie zeigten sich eben °) Fig. 3—9, Fig. 12 —14. 426 als eine amorph' membranöse solide Masse, in der die Ele- mentarkörnchen und Zellen eingebettet lagen. Dass letztere die Zotten nicht auf ihrer äusseren Fläche überzogen, liess sich mit vollkommener Bestimmtheit beobachten, auch konnte ich mich nie überzeugen, dass sie die innere Fläche eines hohlen Schlauches wie em Ependyma überzogen, sondern nahm von den oft wiederholten Beobachtungen den Eindruck mit, dass diese Zellen in der amorphen Substanz der Zot- ten selbst eingebettet lagen. Vielleicht ist dies Verhältniss leichter zu fassen, wenn ich die Zotten als blosse Wuche- rungen von Zellen darstelle, die durch eine anfangs amorphe, späterhin sich organisirende Intercellularsubstanz, die ihnen die Zottenform verleiht, verbunden werden. Die längsten, dünnsten und am meisten verästellen Zotten stellen uns dies Verhältniss am klarsten vor Augen.‘ Sie bestehen nur aus einer Anhäufung jener Zellen und nur bier und da kann man am Rande eine feine Linie verfolgen, die man durchaus nicht berechtigt ist, für eine Hüllmembran, sondern nur für den optischen Ausdruck des amorphen Stroma’s zu halten, welches die Zellen zusammenhält. Ebenso ist die Pflanze in eine dünne Schicht amorpher Substanz gehüllt, welche selbst noch in ununterbrochenem Zuge die ganze Epidermis überkleide!. In diesen Zotten, über deren Entstehung noch genauer gehandelt werden soll, fallen theils durch ihre Grösse theils durch ihre doppelten Contouren, immer aber durch ihre wasserklare Durchsichtigkeit gewisse Körper auf, die zwischen den übrigen Zellen der Zotten zerstreut liegen Die Grösse dieser Körper varlirt sehr, viele erreichen die Grösse von „25 und drüber, andere aber sind viel kleiner 745‘ und darunter und diese schliessen sich in allem, mit einziger Ausnahme des körnigen Inhaltes, dicht an die Zel- len an, welche den sonstigen wesentlichen Inhalt der Zotten bilden. Es ist unmöglich, diese Hohlräume in ihren verschie- denen Eutwickelungsstufen zwischen jenen Zellen zu sehen, und sich des Gedankens zu erwehren, sie möchten mit den 427 Zellen in genetischem Zusammenhang stehen, möchten jene Zellen selbst sein, durch irgend einen unbekannten, krank- haften Einfluss, vielleicht nur durch den Zufluss einer über- grossen Menge organisirbaren Stoffes ausgedehnt und zu ei- nem rascheren Wachsthum der Höhle, sowie der Wandung befähigt. Die Uebergänge von den Zellen zu den durchsich- tigen Hohlräumen sind so allmählig, als man sie nur wün- schen kann.) In einigen Zellen wird der Inhalt lichter, we- niger körnig, endlich verschwindet er ganz, ohne dass die Zelle an Grösse gleichzeitig zugenommen hätte; dann beginnt. auch die Zelle zu wachsen, ihre Wand verstärkt sich, wie sie sich ausdehnt, und erreicht endlich einen Umfang, wo wir ihr den Namen einer sehr kleinen Cyste nicht länger versagen können. | Somit hätte die von Bruch bestrittene Theorie Simon’s von der Umbildung einzelner Epithelialzellen aus den Harn- kanälchen zu Nierencysten ein Analogon gefunden und wäre zugleich das Postulat Rokitansky’s erfüllt,2) dass es auch Cysten von mikroskopischer Kleinheit gäbe, COysten, die sich in Grösse und Form nicht mehr von Mutterzellen unterschei- den und deren Entwickelung aus Zellen durch Obiges, wenn nicht unumstösslich bewiesen, so doch höchst wahrschein- lich gemacht worden ist. Was die weitere Entwickelung dieser kleinen Cysien be- trifft, so ist es wohl vor Allem eine Wahrheit, dass sie die ersten Anfänge der späteren Hydatiden der Mole darstellen Ihr Wachsthum scheint zerstörend auf die in ihrer Umge- bung befindlichen Zellen zu wirken, denn sehr oft finden sich diese in den Zotlen auf eine ganz geringe Zahl redu- eirt 3) oder sind ganz verschwunden.?) Immer trifft man in den Zotten die meisten und körnigsten Zellen an, in wel- 1) Fig. 6. Fig. 7. | 2) A. a. 0. Bd. 1. S. 322. 3) Fig. 7. Fig 3. 4) Fig, 4. 428 chem sich keine kleinen Cysten entwickelt haben und um- gekehrt. Sind diese kleinen durchsichtigen Zellen wirklich die Anfänge der späteren Hydatiden, so lässt sich die eigen- thümliche Gestalt der Blasenmolen, die Verbindung der ein- zelnen Cysten durch Stiele recht gut verstehen. Enthält eine solche Zotte nur eine einzige Cyste 1), so wird der Stiel der Zotte zum nachherigen Verbindungsstiel zwischen der neuen Cyste und der älteren. Bilden sich zugleich mehrere Cysten nebeneinander in einer Zotie, so wird sich jede, je mehr sie sich 'ausdehnt, je selbstständiger sie wird, von dem Stroma loszureissen suchen, dies aber wird mitwachsen ‚und die Verbindungsbrücken bilden, zwischen den spätern, ganz ausgebildeten Cysten. Auf welche Weise nun diese Stiele hohl werden und mit der Cystenhöhle communiciren kön- nen, wie Cruveilhier beobachtet haben will, darüber habe ich keine Vorstellung, ich fürchte sogar, dass die Beobach- tung Cruveilhier’s nicht ganz frei von dem Einfluss einer vorgefassten Meinung, der nämlich, dass die Hydatiden er- ‚weiterte Gefässe seien, geblieben ist. Je stärker die Cyste llottirt, je mehr sie sich von ihrem Stroma ablöst, desto länger und dünner werden die Stiele und reissen zuletzt ab, wie Cruveilhier schon beobachtet hat. | Den Ursprung der Zoltenvegetation auf der Aussenfläche der Cysten kann man sich auf verschiedene Weise erklären. Entweder als Wucherungen der in die Cystenwand einge- betteten Zellen, oder als Ausstülpungen der : Cystenwand, in die sich inwendig das Ependyma der Cyste fortsetzt. Die letztere Ansicht wird von meinen Beobachtungen nicht un- terstützt, wäre sie die richtige, so würden die Schlauchform der Zotten und ihre Hüllmembran, die Fortsetzung der Cy- stenwand selbst, überall erkannt werden. Nimmt man da- gegen mit Rokitansky?) an, dass jene oft angezogenen 1) Wie Fig. 4. 2) Al2.:0. 8..824, 429 Zellen in die Cystenvwvand eingebettet sind, oder sein können, sich vermehren, ‚an den Stellen, wo die Zoitenvegetation statifindet, die äussere Lage der Cystenwand ausdehnen, ver- dünnen, durchbrechen, so kommt man dem, was uns die Beobachtung lehrt, am nächsten. Ob die so häufig vorkom- menden jüngeren Cysten in den Wänden älterer Cysten alle auf diese Weise entstehen, darüber erlauben mir meine Beob- achtungen kein Urtheil, ich muss es sogar mit Rokitansky bez weifeln. Die so eben vorgetragene Ansicht von dem Ursprung der Zotien erhält eine neue Stütze in der. Vergleichung mit den Vegetationen auf der inneren Fläche mancher zusam- mengeseizten Ovarialeystiode, der Cysten des Cystosarcoma proliferum, besonders aber in dem Umstand, dass in den Cysten der Mole die Vegetation der Zotten sich eben so wohl nach innen, als nach aussen richtet. Ich habe in meh- reren Cysten die zoltigen Verlängerungen der Aussenfläche auch an der Innenfläche der Cysten angetroffen; freilich nie- mals in der Ueppigkeit, wie nach aussen, vegetirend, und auch nie die Anfänge neuer, kleiner Cysten, stets nur jene Zellen, die wir der Kürze wegen Cystenzellen nennen wol- len, enthaltend. Bruch’s Beobachtung !) an den Vegetatio- nen eines Cystosarcoma proliferum und meine eigenen an ei- nem Zotienkrebs der Brust, Cystenkrebs der Ovarien und des Peritonäums, und an der Innenfläche grosser, alter Ova- rialeysten lehren, dass die jüngsten Zotten immer solid sind und durch und durch aus Zellen bestehen, und dass nur. die ältere die Form von mehr oder weniger erfüllten Schläu- chen annehmen, sich aussen mit einer Membran überkleiden und so das. Ansehen eingestülpter Theile der Cystenwand gewinnen. Daraus lässt sich aber mit Sicherheit schliessen, dass zu derartigen Gewächsen einzelne aus je einer Zelle oder einer Gruppe von Zellen bestehende Vegetationspunkte 1) Henle und Pfeuff. Zeitschr. f, rat, Med. Bd. VII. 430 gehören,‘von denen aus sich die Zotten über die‘ Cysien- wand erheben. Dass sich nun die Zotten in dem einen Fall ausschliesslich in die Cystenhöhle hinein, im andern nach innen und aussen zugleich, im’ dritten endlich nur auf’ der Aussenfläche der Cysten entwickeln, liegt in der'speeifischen Verschiedenheit der’ Cysten; die Hydatidenmolen 'entwickeln sich, wie viele Forscher annehmen, in den Zotten des Cho- rions, eine Ansicht, der auch ich beipflichte, und die ich noch näher begründen werde; die Zotten des Chorions sind aber Gebilde, deren ganzer Bildungstrieb, deren ganzes Wachs- ihum sich nach aussen richtet. Sollte es nicht gerade die- ser Bildungstrieb sein, der die Zotten selbst in den jüngsten, von dem Chorion' entferntesten Cysten zwingt, vorzugsweise nach aussen zu wachsen? Es scheint mir nothwendig, die- ses Uebergewicht der Centralmuttercyste des Chorions an- zuerkennen. Um übrigens diejenigen zu versöhnen, denen die Annahme einer solchen Zottenvegetation nach aussen gar zu befremdlich erscheint, sei hier daran erinnert, dass der Zottenkrebs der äusseren Haut ähnliche Vegetationen er- zeugt. So habe ich kürzlich einen 4 Jahr alten Krebs der weiblichen Brust gesehen, in dessen Folge sich die Warze, die Areola und die zunächst liegende Haut in eine Vegeta- tion blaurother Zotten krebsiger Natur verwandelt hatten. Die äussere Haut ist eben auch ein Gebilde, dessen Wachs- thum sich nach aussen richtet, und diess Gesetz ist in die- sem Fall auch noch in ihrer krankhaften Entartung herr- schendg eblieben, während der Krebs in der Brustdrüse selbst sich nach jeder Richtung hin ausbreitete. Nach dem Bisherigen darf man wohl die Entwickelung . der späteren Generationen der Moleneysten aus den Oysten- zellen früherer Cystengenerationen als erwiesen betrachten. Es ist aber nun an der Zeit, auf die schon so häufig erör- terte Frage einzugehen, wo und wie die ersten Cysten einer Hydatidenmole sich bilden. Auf die älteren Ansichten von der Ausdehnung der Glandulae placentares einer Obliteration 431 der Lymphgefässe des Mutterkuchens, wie sie von Ruysch, Bidlvo u. A. vertreten worden sind, brauche ich hier nicht zurückzukommen. Dagegen ist man über die beiden: wich- tigsten Meinungen, ob die Cysten aus einer Verschliessung und partiellen Ausdehnung der Blutgefässe der Placenta, wie Viele unter den Neueren, namentlich auch Andral!) und Cruveilhier annehmen, oder aus einer Entartung der Zot- ien des Chorions, wie z. B. Rokitansky glaubt 2), ihren Ursprung nähmen, noch so wenig einig, dass nach einer Mittheilung der Gazeite des höpitaux diese beiden Theorien noch kürzlich in einer Sitzung der anatomischen Gesellschaft von Paris auf’s schroffste einander entgegengetreten sind. 3) Cruveilhier vertrat bei dieser Gelegenheit, wie schon in dem Texte zu seinem grossen pathologisch-anatomischen At- las, die erste Meinung. Die Gefässe und wahrscheinlich die Venen: der Placenta obliterirten im grössten Theil ihres Ver- laufes und würden in fibröse Stränge umgebildet, aber die Obliteration finde nicht vollständig statt und die nicht obli- terirten Theile würden später durch Serum ausgedehnt und stellten die Cysten der Blasenmole dar. Diese Meinung ist schon von Ruysch in folgenden Worten bekämpft worden®): „has hydalides . . vasorum extensiones esse quis sibi pos- set imaginari? tum enim maximae reperirentur hydatides circa placentae medium jam vero sine ullo ordine positae sunt et majores et minores, praeterea observari vasa illa annihilari, ut vix ramulus restet.‘“ Ruysch nimmt an, dass die Hyda- tiden aus der vollständigen Verödung der Blutgefässe ent- sprängen, indem sich die hydropische Flüssigkeit in dem Zellgewebe zwischen den Gefässen ansammele und diese zu- 1) Dessen pathol. Anat. übers. v. Becker $. 421. Ba. 2. 2) A. a. 0. Ba. III. S. 612. 3) Gazette des höpitaux, 25 Avril 1850, 4) Observ. anat. XXXII. 2432 sammendrücke.!) Herr Broca macht gegen Cruveilhier geltend, dass die Entstehung von Cysten innerhalb der Ge- fässe ohne Beispiel sei. ‘Die von der anatomischen Gesell- schaft mit der mikroskopischen Untersuchung der Mole, die jene Disputation veranlasste, beauftragte Commission, beste- hend aus den Herrn Lebert, Lunier und Mercier hielt sich für überzeugt, dass die Hydatidenmolen ihren Ursprung einer krankhaften Entwickelung der Zotten des Chorions ver- danken. Nach diesen Herrn werden die Zotten des Cho- rions bald nach der Conception hohl gefunden. Ihre Wände bestehen dann aus zwei Schichten einer äusseren, struktur- losen und einer innern, welche von einem Pflasterepithelium gebildet wird. Die Höhlung der Zotten enthalte Serum; zwi- schen den Zotten und den grössten Cysten der Mole seien alle Zwischenstufen vorhanden, so dass in Uebereinstimmung mit der Theorie von Cayla?) die Molencysten als eine Wei- ierentwickelung der vorgebildeten Hohlräume der Zotten zu betrachten .seien. Ich erblicke in dieser Anschauung nichts Anderes, als einen etwas modernen Ausdruck der Beobach- tungen von Desormeaux?°) die zur Erklärung der Hydati- denmolen von Andral*) und von Velpeau5) benutzt wor- den sind. Desormeaux erzählt, dass er, als er mit Vel- peau menschliche Eier von 4—6 Wochen mit blossem Auge oder bei doppelter Vergrösserung untersuchte, gefun- den habe, dass die Enden von vielen Seitenästen der Gefässe des Chorions plötzlich zu einer rundlichen Gestalt ansch wel- len, so dass sie wie Bläschen aussehen; dieselben Anschwel- lungen fanden sich auch in grosser Anzahl im Laufe jener Aestchen, so dass die Gefässe überhaupt — nur ganz im 1) Thes. anat. VI. No. 11. not. 1 et not 104. not. Advers. Dec. II. p. 24. | 2) Theses de Paris. 1849. 3) Artikel Oeuf dicton. de medec. 4) A.a.0. 5) Rev. medic. 1827. p. 508. 433 Kleinen — Trauben oder den Hydatiden kranker Placenten glichen. Diese Anschwellungen schienen von den Gefässen selbst gebildet zu werden, und führlen zu der Vermuthung, dass die Cysten der Hydatidenmolen nur diese Anschwel- lungen in dem höchsten Grade ihrer krankhaften Entwicke- lung seien. ln | 'Das Gemeinsame haben wenigstens die Beobachtungen von Desormeaux mit denen von Lebert, Lunier und Mereier, dass nach ihnen die Choroidalzotten ursprüng- lich hohl sind. Es ist aber noch nicht bewiesen; dass die Zotten wirklich von Anfang an hohl sind, wenn man sie auch schon in frühen Perioden der Entwickelung hohl finden sollte; meine eigenen Beobachtungen gestatten aber nicht ein- mal, dem beizupflichten, sondern bestimmen mich, gleichzei- lig gestützt auf die Analogie pathologischer Zottenbildungen, anzunehmen, dass die normalen Zotten des Chorions ursprüng- lich nicht hohl sind und dass, wenn Höhlungen in densel- ben beobachtet worden sein sollten, diese als Folgen einer späteren oder krankhaften Entwickelung angesehen werden müssen. Die Chorionzotten des Kanincheneies, welche Bi- schoff!) stark vergrössert abgebildet hat, erscheinen in der Abbildung durchaus solid und nicht hohl. Ohne die an Thie- ren gemachten Beobachtungen ohne Modification auf den Menschen übertragen zu wollen, darf man doch wohl anneh- men, dass die histologische Beschaffenheit eines so allgemei- nen und in so frühen Stadien der Entwickelung auftreten- den Gebildes, wie die Zotten des Chorions sind, bei allen Wirbelthieren, den Menschen mit eingerechnet, dieselbe sein oder wenigstens keine erheblichen Verschiedenheiten darbie- ten werde. er: Ich habe die Chorionzotten von 6 in Spiritus aufbewahr- ten menschlichen Embryonen aus den ersten Tagen der .1) Entwickelungsgeschichte des Kanincheneies. Tab. IX. Fig. 42.D. Müllers Archiv. 1850, 23 434 Schwvangerschaft, aus der sechsten, siebenten, aus der ach- ten Woche und aus späterer Zeit untersucht und gefunden, dass sie in ihrer verzweigten Struktur und in ihrer elemen- taren Zusammensetzung vollkommen den Vegetationen auf der Aussenfläche der Cysten der Blasenmolen gleichen, ohne mich von der Anwesenheit der natürlichen von Desormaux und neuerdings wieder von Lebert und Genossen beschrie- ‘ benen Höhlungen überzeugen zu können.!) Die dickeren Zotten bestanden aus einer fasrigen Membran, in der sich neben den Fasern auch zahlreiche Moleküle und runde Zel- len unterscheiden liessen. Die dünneren Zotten waren nicht fasrig, höchstens zart gestreift, faltig; sie enthielten ausser zahlreichen Molekularkörnchen eine einzige Lage von rundli- ‘chen, noch deutlich erkennbaren Zellen, deren Ränder sich nur selten berührten. Sie machten den Eindruck einer so- liden Masse, in der die Zellen eingebettet waren, zwischen denen die Intercellularsubstanz hier mehr, dort weniger her- vortrat. Die Zotten des Darmkanals bilden ein Analogon zu dem, was ich meine. Im Allgemeinen schien die Zellenbildung um so stärker, die Aeste und Zweige der Zotten um so mannichfaltiger und länger zu sein, je älter die Eier waren, zu denen sie ge- hörten. Gefässe liessen sich in diesen Zotten, die freilich Jahre lang der zusammenziehenden Einwirkung des Wein- geistes ausgesetzt waren, nicht entdecken, wohl aber waren die wesentlichen histologischen Bestandtheile noch deutlich zu erkennen, wie vorhin schon auseinandergesetzt worden. Die Färbung der Zotten, wie sie sich unter dem zusammen- gesetzten Mikroskop darstellte, ging vom Gelblichbraunem bis zum Braungelben. Form, Umriss und Struktur stimmten vollkommen mit den Zotien der Cysten der Hydatidenmole überein. Dagegen haben sie in der äussern Form keine Aehnlichkeit mit den Abbildungen, die Rudolph Wagner 1) Taf, X, Fig. 1—6, alles bei 250facher Vergrösserung gezeichnet. - 435 von Zotten des menschlichen Eies gegeben hat.2) Diese sind durchaus nicht verästelt und bestehen nur aus einer Gefässschlinge, die von einer amorphen hyalinen Substanz umgeben wird. Es ist möglich, dass Wagner’s Abbildun- gen Zotten auf einer viel früheren Stufe der Entwickelung, oder vielleicht nur kleine Endästchen eines grösseren Zotten- bäumchens darstellen. Die Zellen, welche derselbe ausgezeich- nete Physiolog aus den Zotten des Chorions eines sechs Wochen alten Fötus abbildet,2) haben einen durchsichtigen Kern, sind länglich oval und mit Molekeln erfüllt, lassen sich also im Ganzen wohl mit den Zellen vergleichen, die ich in den zottenartigen Verlängerungen der Molencysten ge- funden habe. Eine für die Aufstellung einer Theorie des Ursprungs der Blasenmolen wichtige Frage betrifft das Verhältniss der Zot- ten zu den Gefässen, die sie nach Weber’s, Wagner’s und Anderer Forschungen gewiss enthalten. Sind die Zot- ten in ihren ersten Anfängen früher da, als die Gefässe oder umgekehrt? Nach der Analogie pathologischer Zottenbildun- gen und nach unserer Kenntniss von der Entstehung der Gefässe in normalen Geweben und in Entzündungsproduk- ten halte ich es für hinreichend festgestellt, dass die Ent- wickelung von Gefässen immer ein schon bis zu einem ge- wissen Grade ausgebildetes Stroma voraussetzt. Desswegen dürfen wir auch an eine Neubildung von Zotten auf der Aussenfläche von Cysten ohne voraus gegangene Gefässent- wiekelung glauben und haben nicht nöthig, auf die Annahme zurückzugehen, dass diese Zotten verstrichene Gefässe seien Darf nach allem Vorausgeschickten die Entwickelung der Moleneysten aus den Zellen der Choroidalzotten und diesen ähnlichen Neugebilden die Entwickelung von Zotten auf der Aussenfläche jener Cysten als bewiesen angesehen werden, 1) Icon. physial. Tab. XI. Fig. 2. 3. 4. Tab. IX, Fig. 2. 2) Ibidem Tab. XI. Fig. 7, 225 Fe 436 so wird es nicht schwer fallen, sich ein Bild von der Ent- stehung der ganzen 'Hydalidenmole zu entwerfen. In Folge einer 'wassersüchligen Ausdehnung des Chorions, wie Cru- veilhier meint, oder eines andern Einflusses, bereitet sich in den nach aussen gerichtelen Zotien ein pathologischer Entwickelungsprozess vor. Einzelne von den Zellen in den Zotten nehmen an Umfang unverhältnissmässig zu, bilden “sich zu:Cysten aus, die durch das nach und nach in die Länge ‘gezogene und abuorme hypertrophirte Gewebe — so werden 'auch Tuben durch den Zug eines Uterinfibroids ab- norm verlängert, also hypertrophisch — verbunden. bleiben. Auf. der Aussenfläche der neugebildeten Cysien, von denen jede gleichsam das Chorion wiederholen zu wollen und seine Kräfte überkommen zu haben scheint, sprosst eine neue Ve- gelation von Zotten hervor, von derselben Struktur wie die eigentlichen Chorionzotten;- in diesen begiant wieder eine neue - Cystenentwickelung und so ins Unendliche fort. Indem so der Fötaltheil der Placenta mehr und mehr entar- tet, muss er sich auch allmählig von dem mütterlichen los- reissen und vielleicht so zu den Hämorrhagien Anlass geben, von denen die Molenschwangerschaften so gewöhnlich be- gleitet sind, während gewiss auch umgekehrt Blutergüsse in der Placenta, durch eine andere Ursache hervorgerufen, eine Trennung, wenn auch keine vollständige, des fötalen Theils vom ‘mütterlichen veranlassen und die Entartung beider Theile zu Cysten begünstigen können. Wo von der eigentlichen Natur der Blasenmolen ‘die Rede ist, darf die Frage nicht unerörtert bleiben, ob sie zu den zusammengesetzten Cysteoi- den gehören oder nicht? J. Müller !) rechnet sie zu den Haufen ‘einfacher Cysten, die sich in den Flocken des Cho- rions entwickelten und durch ihren ästigen Mutterboden zu Trauben verbunden seien. Die mikroskopische Untersuchung bestätigt diese Ansicht nicht ganz. Um das Verhältniss des 1) J. Müller, über d. fein. Bau d. krank. Geschwülste. S. 54. 437 mikroskopischen Befundes zu der Müller’schen Ansicht ganz aufzuhellen, ist es nöthig, an den Begriff des zusammenge- setzten Cystoids, wie er von Hodgkin!) aufgestellt worden ist, kurz zu erinnern. Hodgkin unterscheidet zwei Arten von Cystoiden, bei der ersten entstehen die jungen Cysten in der Wand der alten, ohne irgend eine Tendenz nach in- nen zu wachsen und gestielt zu werden. In der zweiten Art wachsen die sekundären Cysten als birnförmige gestielle Vorsprünge von der Innenwand der Muttercyste in die Cy- stenhöhle hinein, entwickeln wieder neue Vorsprünge u. s. f. In den Blasenmolen scheint nun nach meinen Untersuchun- gen eine dritte Art von zusammengesetzten Cystoiden gege- ben zu sein, welche die Umkehr der zweiten Hodgkin’schen Art darstellt. In ihr entwickeln sich die sekundären Cysten in zottenartigen Fortsätzen, die auf der Aussenfläche der’ Oy- sten hervorsprossen uud nach aussen fortwachsen, Darnach gehören also die Blasenmolen auch zu den zusammengesetz- ten Cystoiden und nur aus diesem Gesichtspunkt, wenn man den Mutiercysten die Kraft, eine progenies sekundärer Cysten hervorzubringen, zuschreibt, kann man das bedeutende Volum vieler Blasenmolen, die ungeheure Zahl ihrer Cysten und die monströse Länge der Fäden erklären, auf welche die Cysten aufgereiht sind. Möge es mir durch die Mittheilung vorstehender Beob- achtungen gelingen, die rein chemische Theorie von der Ent- stehung der Blasenmoleu, wie sie von Vogel zuerst aufge- stellt und von Bruch später ausgearbeitet worden ist, und die rein organische von Rokitansky, die sich heute noch in einem so schroflen Gegensatze befinden, um einen Schritt einander näher zu bringen. A 1) Hodskin, med. chir. trans. vol, XV. part. II. 438 Fig. Erklärung der Abbildungen. Tab. IX. 1. Mehrere der kleinsten Cysten der Mole bei schwacher Vergrösserung und auffallendem Lichte gezeichnet. In Fig. 2 sind die feinen Zotten und Pünktchen angedeutet, wel- Fig. che auf der Aussenfläche der Cystenwand vegetiren und das Stroma einer neuen Cystengeneration bilden. 3. Eine Zotte von der Aussenfläche der Cysten mit Ele- mentarkörnchen und Zellen. . 4. Eine solche Zotte, in der sich eine junge Cyste entwik- kelt, deren Durchmesser von a nach b „3, par. Lin. be- trägt. ..9.. Zotte, an welcher die Cystenzellen und ihre -epithelium- artige Ausbreitung besonders deutlich sichtbar sind. ig. 6 u. 7. Zotten, in der sich alle Uebergangsformen zwischen Cystenzellen und jungen Cysten nebeneinander finden. . 8. Umrisse einer sehr stark und lang verästelten Zotte. . 9. Stiel einer Molencyste mit Streifen und gruppenweise eingestreuten Element arkörnchen. . 10 u. 11. Cystenzellen verschiedener Form, deren Durch- messer zwischen 1 und z?, schwankt. . 12. Sehr dünne und lange Zotte, mit ihren Verästelungen als eine blosse Wucherung von Zellen erscheinend. .13 u. 14. Zotten mit jungen Cysten, die schon eine grös- sere Dimension erreicht und doppelte Contouren haben. TLaf-X. . 1—6 stellen Zoiten des Chorions normaler menschlicher Embryonen aus den ersten Wochen der Schwangerschaft vor. Sie sind, wie auch alle übrigen Figuren bei 250mali- ger Vergrösserung meines Schieck’schen Mikroskops ge- zeichnet. Ueber eine den Sipuneuliden verwandte Wurmlarve. Von Max MuELLER. (Hierzu Taf. XI.) Aıs ich im Herbste dieses Jahres mehrere Wochen mit wei- nem Vater, mit Herrn Dr. Busch und einem Commili- tonen, Herrn Thaer, zusammen in Triest zubrachte, hatte ich wiederholt Gelegenheit ein Thier oder wahrscheinlicher die Larve eines Thiers zu beobachten, dessen Beschreibung und Anatomie ich, so weit es mir möglich war, dieselbe zu erkennen, hier mittheilen will. Die äussere Gestalt des Thiers ist grossen Veränderun- gen unterworfen, durch starke Bewegungen des sich Aus- dehnens und wieder Zusammenziehens, und insbesondere durch das Einstülpen eines Rüssel. An dem vordern Rande dieses Rüssels befindet sich der einfache Mund, und hin- ter diesem auf der Rückseite vier Augen, zwei an jeder Seite. Wenn das Thier ganz ausgestreckt ist, lassen sich drei Ab- schnitte an demselben unterscheiden; den vordern bildet der Rüssel, dessen Oberfläche mit kurzen flimmernden Wim- pern versehen ist, und dessen Haut durch einen Einschlag mit der Haut des übrigen Körpers zusammenhängt. Der zweite Abschnitt, an. dessen oberem Rande sich ein unge- 440 theiltes Räderorgan befindet, wird von dem dritten durch eine Falte (Tab. XI. Fig. 10a u. Fig. 3a) abgegrenzt, die nur dann ganz verschwindet, wenn die hintere Spitze, die bei der Dehnung in die Länge den festen Punkt bildet, den Bo- den verlässt, und das Thier den Kopf und das Räderorgan nach oben (wie in Fig. 4), frei umherschwimmt. Diese Falte bezeichnet zugleich die Stelle. bis zu der das Thier ‘den vordern Theil des Körpers einziehen kann, und ist selbst dann, wenn alle Eingeweide durch Pressen heraus- gedrückt worden sind, an dem leeren Hautsack (Fig. 6a.) genau bestimmt. Der hintere letzte Abschnitt nun, der die Eingeweide umschliesst, nimmt durch die vielfachen Bewegungen, die mannigfaltigsten Formen an; bald ist er sackförmig und kugelig (Fig. 2. und 4.), bald bildet sich ein flaschenförmiger Hals in der Mitte über dem zugerun- deten Ende (Fig. 3.), bald endlich wird das hintere Ende zu einer stumpfen Spitze ausgezogen (Fig. 10.), wo dann der ganze Abschnitt im Profil die Gestalt eines 'spitz wink- ligen, gleichschenkligen Dreiecks hat. In dem Zustande, wo sich das Thier ganz eingekugelt hat (Fig. 1.), sieht es eiför- mig aus, und zwar ist dann wegen der grossen "Dichtigkeit der Haut von innern Theilen Igar nichts zu sehen, als un- förmige Massen der zusammengedrängten Eingeweide, und ausserdem vorne der eingestülpte Theil der Haut, in dessen Mitte die jetzt aufrecht stehenden langen Wimpern des Rä- derorganes (Fig. 1a.) erscheinen. — Der After (b) befin- det sich auf dem Rücken, also auf derselben Seite, wo die Augen, und liegt etwa in der Mitte des letztensAbschnitts, am leichtesten ist er zu sehen, wenn die Lage des Thieres etwas verschoben ist (wie Fig. 2. b.), und er aus der seilli- chen Contur durch eine leichte Erhebung der Haut hervor- tritt. Ausser dem After sind noch drei Oeffnungen ohne Wei- teres von Aussen sichtbar, wenigstens bei einer günstigen Lage; zwei davon (Fig. 3c.) befinden sich an der Bauchseite, dem After entgegengesetzt, jedoch elwas weniges dem Wim- 441 perkranze näher gerückt, und in gleicher Entfernung von der Mittellinie, sie führen zu zwei blasigen Organen; die dritte führt zu einem unpaaren Organe (Fig. 3 d. u. Fig. 10 u. 11 d) und liegt zwischen den beiden Oeffnungen der Blasen, auch dem After entgegengesetzt, entweder dicht an der oben er- erwähnten Hautfalte, oder doch unweit davon. Ob sich an dem hintern Ende des Thieres (Fig. 3 u. 8 e) auch eine Oeffnung befindet, oder ob die in Fig. 8e. gezeichnete Stelle nur eine Delle in der Haut, die etwa von den Contracturen des sich hier ansetzenden langen Muskels herrührt, ist, habe ich nicht entscheiden können. Eiwas sehr Charakteristisches ist der Umstand, dass auf der ganzen inneren Oberfläche der Leibeshöhle lebhafte Wim- perbewegung statt findet, was gleich bei dem ersten Blick in's Auge fällt, indem man sieht, wie in der Körperhöhle eigenthümliche, stets darin vorkommende Kügelchen hin und her geworfen werden (Fig. 10). Was die Lebensweise des Thieres betrifft, so lag es in der Regel ruhig auf dem Boden des Gefässes, worin ich es aufbewahrte, auf der Seite und streckte nur dann und wann langsam seinen Rüssel hervor, ohne dass jedoch das Rä- derorgan 'noch sichtbar wurde (Fig. 2), . dann zog es ihn ganz plötzlich wieder ein und wiederholte dies nach kurzen Pausen sehr oft hintereinander. Zuweilen dehnte es sich wohl auch in Absätzen so lang aus, wie Fig. 3, so dass sich oben die Wimpern des Räderorgans zeigten,. und kugelte sich auch dann wieder plötzlich und auf Einmal ganz ein. Wie ich schon oben erwähnt, kann ausser dem Rüssel auch der obere Theil der eigentlichen Körperbedek- kung, also mit dem Räderorgan bis zu der Hautfalle hin eingezogen werden, in welchem Falle die Stelle der Haut- falle die obere Begrenzung ‚des ganzen Thieres bildet. Frei herumschwimmen habe ich es nur selten gesehen, und ein- 442 zelne sonst lebenskräftige Exemplare, wie es schien nur, wenn sie in ihrer Ruhe gestört und gereizt wurden. Viel- leicht hätte also, wenn das Thier eine Larve sein sollte, diese Entwicklungsstufe desselben schon die Bestimmung das Räderorgan in kurzer Zeit abzulegen. — Die Grösse der ver- schiedenen Individuen variirte ziemlich stark, indem die Länge derselben in ganz ausgestreckter Lage von „y' — 25 und #5" betrug; ganz zusammengekugelt waren die meisten et-. was weniges über 2,’ lang. An der allgemeinen Bedeckung sind zwei besondere Schichten zu unterscheiden. Die äussere wird von einer dünnen Haut (Fig. 7. f.) gebildet, und unter dieser brei- tet sich die innere, eine dicke Muskelschicht (Fig. 7 g.) aus, die wegen ihrer Undurchsichtigkeit die inneren Or- gane nur schwer deutlich erkennen lässt. In der Haut sind verschieden gestaltete zackige und bisweilen siernför- mige Pigmentzellen zerstreut, von denen einige (in der Zeich- nung dunkler schattirte) schwärzlichblau erscheinen, andere hellgelb. Diese ganze Bedeckung ist übrigens erstaunlich fest, und zerriss nur bei ganz plötzlich angewandtem Druck; bei allmählig verstärktem jedoch mittelst des Compressoriums oder auch eines Deckblättchens, wie ich ihn meist zur Beob- achtung anwandte, wurden zuletzt jedesmal nur sämmtliche Eingeweide abgerissen und zwischen dem Räderorgan und dem Grunde des Rüssels herausgequetscht, während die Haut wie ein . leerer Sack zusammenfiel, ( Fig. 6.) Was nun die Muskelhaut betrifft, so ist sie aus zwei verschiede- nen Lagen von Fasern zusammengesetzt. Die eine Lage besteht aus Längsfasern, und diese sind in viele streifenför- mige Längsmuskeln zusammengefasst, die in regelmässigen Zwischenräumen stehen, und vom unteren Ende etwas dünner anfangend sich bis zum Räderorgan fortselzen; nur scheinen sie von der Hautfalte an bis zum Wimperkranze schwächer zu sein. Wahrscheinlich gehören diese Längsmuskeln einer inneren Schicht an. Das Querfasersystem dagegen ist nicht 443 wie das der Längsfasern in einzelne Muskeln getrennt, son- dern gleichmässig über den ganzen Körper ausgebreitet, und gehen etwa drei Bündel Querfasern auf die Breite eines Längenmuskels, ihre Durchscehnittsebenen erscheinen in Fig. 7. g als zarte platte Spindeln in dem Durchschnitte; der inneren Bedeckungsschicht. Von Muskeln ausser diesen, die der Haut angehören, habe ich nur einen einzigen se- hen können, den sehr starken Zurückzieher des Rüssels. (Fig. 3 h. Fig. 11h.) Er entspringt von einer knopfför- migen Erhabenheit am hintern Ende des Körpers, ist in der Nähe dieser Stelle meist, wenn der Körper nicht seine längste Ausdehnung eingenommen hat, etwas eingebogen, und setzt sich dann näher der Bauchseite verlaufend bis an die Stelle fort, bis zu der das Thier sich einstülpen kann. Ganz genau, wo er sich hier ansetzt, konnte ich nicht be- stimmen, jedoch habe ich ihn in allen Fällen bis fast dicht an die Mündung des unpaaren Organs verfolgen können; vielleicht geht er, hier sich ausbreitend, noch weiter. Der Verdauungskanal verläuft als eine einfache Röhre ohne alle anhängenden Secretionsdrüsen mit mehreren Biegungen von Mund bis After. Die Weite und äussere Form des Darms scheint von dem jedesmaligen Inhalte abhängig, Die Lage der Umbiegungen desselben wird übrigens durch die ver- schiedene Form, die das Thier durch Contraction und Ein- stülpung seinem Körper geben kann, mannigfaltig verschoben. In den meisten Fällen führt vom Munde die ziemlich stark- wandige Speiseröhre gerade herunter, bis etwa in die Mitte _ des hintern Abschnitts, und erweitert sich hier vielleicht in einen Magen (Fig.3.ı. Fig. 10 und 11. i); aus dem Ma- gen geht der Darm Anfangs gewöhnlich, dicht anliegend an dem untern Theil der Speiseröhre, bis hinauf nicht weit von der Hautfalte; hier befindet sich eine kurze Umbiegung, und er läuft nun wieder zurück nach/dem hintern Ende, wo er sich abermals umbiegt und dann in den After übergeht. Die letzte Umbiegung liegt bald nicht sehr entfernt von der 444 Höhe des Afters,, bald ragt sie in die ausgezogene Spitze des hintern Endes lang hinein. Im Darm selbst, dessen innere Oberfläche mit Epitheliumzellen bekleidet ist (Fig. 9.), bemerkt man häufig schwärzliche ovale zusammenge- ballte Kothstücke (Fig. 11i.), an welchen man, da sie in Ver- bindung mit zwei gelben Flecken der blasigen Organe dem Thiere ein buntes Aussehen ‘geben, dasselbe leicht auch ' mit schwachen Vergrösserungen wieder erkennt. Vom Nervensystem habe ich nur eine dunkelgraue Binde wahrnehmen können, die auf dem Schlunde vorn am Kopfe liegt (Fig. 4und 10 p.); wenigstens spricht für diese Deutung sehr, dass die vier Augen des Thieres stets über derselben er- scheinen. Die beiden hintern dieser Augenflecke 'sind grösser, rund, und liegen an dem äusseren hinteren Rande der Binde, während die beiden vorderen etwas mehr nach Aussen gerichtet, kleiner sind, und eine länglich ovale Gestalt haben.‘ Die, Binde nimmt fast die ganze Breite des Rüssels ein, hat einen vor- deren langen und zwei seitliche kurze convexe Ränder, und einen hintern ebenfalls langen concaven. Theile, die als zum Gefässsystem u Snanzphien wären, habe ich nie gesehen; auch war dies wegen der ausserordentlichen Dicke der Haut unmöglich, die jede mi- kroskopische Beobachtung feinerer Fäden im Innern des Lei- bes verhinderte. | Ob die ‚beiden Blasen (Fig. 3. ce und ‚Fig. 10. ec), die auf der Bauchseite nach Aussen münden, dem Respira: tionssystem angehören ,„ wage ich nicht zu entscheiden; mir ist es jedoch aus zwei Gründen ziemlich wahrscheinlich geworden. Einmal nämlich scheint ihre im Innern runzelige Haut auf Vermehrung der Oberfläche berechnet (Fig. 12), und dann konnte ich in allen ‚diesen Blasen, ‚wenn sie durch Pressen heraus geschleudert worden, eine Strömung von langen Wimpern erregt, erst in die Oellnung hinein, dann auf der einen Seite herunter und auf der andern wie- der herauf kommen sehen. Die ganze llöhle dieser Organe 445 ist jedoch nur sichtbar, wenn die Wimperbewegung noch sehr lebhaft; da, wenn sie erschlafft, und die langen Wim- pern sich aneinander legen, was sehr bald nach dem Her- auspressen geschieht, nur eine sehr enge Höhle frei bleibt (Fig. 12. m). Das in Fig. 12. 0 gezeichnete, ist wohl eine Falte der innern Haut des Organs , ‘welche die beiden Ströme verschiedener Richtung trennt. Sehr leicht kenntlich sind übrigens beide Blasen durch einen gelben, aus lauter feinen Körnchen bestehenden Fleck, der sich nicht jedesmal genau an derselben Stelle findet; meist liegt er dicht vor der Oeflnung des Organes, zuweilen auch etwas mehr von derselben entfernt. Dass diese blasenför- migen Körper wirklich an der Haut befestigt sind, was man vielleicht bezweifeln könnte, da sie so leicht und durch Pressen scheinbar unverletzt mit dem Darm herausgeschleu- dert werden, ergiebt sich gleich, wenn man sieht, dass sie in der Höhle unbewegt daliegen, während der Darm durch Ein- und Ausstülpen des hüssels an ihnen vorbei auf und nieder steigt. | | Es bleibt mir jetzt noch übrig, das unpaare Organ zu beschreiben, dessen Bedeutung, ob zum Geschlechtsapparat gehörig oder vielleicht eine ausscheidende Drüse, durchaus unklar ist. Die Stelle seiner Ausmündung ist schon oben angegeben worden (in Fig. 4. liegt es hinter dem Rüssel). Es besteht aus einem unten in der Mitte einge- furchten zweilappigen Körper (Fig5 s), der am meisten in der Form Aehnlichkeit mit einem Hodensacke hat, und einem sich daraus erhebenden dunkelrothbraun gefärb- ten breiten. Ausführungsgang. (Fig. 5. d.) Der Ausfüh- rungsgang scheint sich in das Organ selbst weiter zu verzweigen, und ist inwendig in seiner ganzen Länge bis zur Verzweigung mit Wimpern versehen, die man heftig schlagen sieht... Von dem innern Bau und dem etwaigen ‚ Inhalte. des Hodensack ähnlichen Körpers, habe ich nie et- was bemerken können. Auch von diesem Organ ist es in- 446 f dessen unzweifelhaft, dass es nieht etwa zum Darm gehört, sondern ganz frei und selbstständig nach Aussen mündet, wie aus allen Abbildungen, besonders wenn der Darm her- ausgequetscht worden, hervorgeht. (Fig. 11. d.) Was nun die Stellung des hier beschriebenen Thiers im System betrifft, so kann nur ein Schwanken dazwischen statt finden, ob es zu den Räderthieren zu rechnen, oder ob es die Larve eines andern, im erwachsenen Zustande bedeutend viel grösseren Tbiers sei. In diesem Sinne habe ich meh- rere Exemplare etwa vierzehn Tage lang in einem Gefässe mit Meerwasser, in dem sich Algen befanden, erhalten, ohne jedoch bis auf das Wachsen an Grösse die geringste Ver- änderung an irgend einem Theile wahr zu nehmen. Leider ‘gestattete die Kürze der Zeit, und dass ich später nicht mehr so glücklich war, Exemplare davon zu erhalten, nicht die Versuche zu wiederholen. Dafür, dass es zu den Rä- derthieren gehöre, spricht jedoch einzig das Vorhandensein des Räderorgans, und da man dieses ausser den Räderthie- ren auch an mehreren anderen Thieren wie z. B. Wurmlar- ven beobachtet hat, so kann das Räderorgan durchaus nicht als das Charakteristische für jene allein gelten. Ausserdem aber haben, selbst abgesehen von der äusseren Gestalt und dem Fehlen eines hintern Griffelfusses weder die Structur der allgemeinen Bedeckung, noch irgend eines der andern Organe die geringste Aehnlichkeit mit der Bildung der Ro- tifera. In Bezug auf den zweiten Fall wurde meine Aufmerk- samkeit, besonders auf die Sipunculi und ihre Verwandte gerichiet. In Berlin wieder angelangt, war daher meine ersie Aufgabe das Studium der Literatur über diese Thiere und eine Vergleichung von Spiritus- Exemplaren mit dersel- ben; und da habe ich dann die Ueberzeugung gewonnen, dass, wenn sich auch nicht mit Gewissheit sagen lässt, die Larve gehöre zu einer der Arten, die bis jetzt bekannt sind, sie doch jedenfalls der Familie der Sipunceulacea am nächsten steht. 44% Gleich die ganze Körperbedeckung zeigt die grösste Uebereinstimmung; auch hier ist eine äussere nicht wim- pernde Haut vorhanden, an die sich die dicke feste Muskel- schicht anschliesst; an letzterer lassen sich ebenfalls Quer- fasern und streifenförmige Längsmuskeln unterscheiden; da bei dem eigentlichen Sipunculus diese Muskelhaut ein gitter- förmiges Aussehen hat, so würde die Anordnung der Haut- muskeln bei Phascolosoma mehr mit unserer Larve überein- stimmen, weil auch bei Phascolosoma die Querfaserbündel ohne Zwischenräume gleichförmig über den Körper ausge- breitet sind. In Fig. 13. ist eie Stückchen Muskelhaut von Ph. granulatum abgebildet. Nun haben freilich so- wohl Ph. granulatum wie Ph. scutatum auf der ganzen Ober- haut kleine Wärzchen von hornartiger Structur zerstreut, und Ph. granulatum (nach der Angabe von Grube) ausser- ordentlich feine Häkchen am Rüssel mit Gürteln von Wärz- chen abwechselnd; da indess Grube selbst bei kleinen Thie- ren nur 10 Hackenkränze fand, während er in grösseren 20 und 50 zählte, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Hackenkränze sowohl als überhaupt die Wärzchen sich bei der Larve erst später entwickeln. Auch den Theil der Haut von der Stelle, wo früher das Räderorgan geses- sen, bis an die Hautfalte der Larve, glaube ich am Sip. besonders deutlich am S. indicus (Mozamb.) wieder zu er- kennen; es befindet sich nämlich bei diesen unter dem Rüs- sel, dessen Ende durch das Aufhören der kleinen Fortsätze, die ihn bekleiden, genau abgegrenzt ist, eine Zone in der Haui, die etwas dünnwandiger ist, und um die circulare Falten herumlaufen, welche nur davon herrühren können, dass auch dieser Theil unter dem Rüssel noch eingestülpt worden ist. Ebenso ist, was Grube von der Lebensweise der Sipuneuli beobachtet hat (Abhandlung desselben in die- sem Arehiv 1837 S. 243 und 253), in keinem Punkte ver- schieden von dem, was ich oben von der Larve angeführt habe. Was ferner ‚derselbe (in seiner Abhandlung über Ac- 448 tinien, Echinodermen und Würmer des Ädriatischen undMittel- meers) von der äussern Gestalt und Farbe des Phascolo- roma verrucosum (dasselbe wie granulatum) sagt: „dass der Rüssel oft beträchtlich dünner als der Theil des Leibes, 'in dem die Darmwindungen liegen, dass das Thier eine gegen das Hinterende etwas verdickte Gestalt hat, und dass end- lich der Körper hell erdbraun, auf der Oberseite stellen weise ‘dunkler gefleckt ist‘, passt Alles genau auch auf meine Larve, Das Fehlen der Tentakeln um die Mundöffnung bei unse- rer Larve, würde keine Schwierigkeit sein, da es möglich ist, dass diese sich erst später bilden. Bei Phascolosoma granulatum indess finden sich eben so, wie bei Sipunculus, vier Zurückziehmuskeln des Rüssels, die sich an die Seitenwände der Leibeshöhle inseriren, und nur Phasc. scutatum hat einen scheinbar einzigen, der sich wie bei unserem Thiere an die Endspitze des Körpers festsetzt. (Wiegmann’s Archiv 1844. Ueber einen neuen Wurm Sipun- culus scutatus von Joh. Müller.) Die Zahl und gewöhn- liche Lage der Darmwindungen ist dieselbe, wie bei Sip. nudus. Ganz gleich ist auch die Lage des Afters und der Zugänge zu jenen Säcken, die im Verhältniss zum Sip. nu- dus bei Phascolosoma dem After näher stehen. Nur habe ich nie die beiden Blasen sich lebhaft hin und her bewe- gen gesehen, wie Grube vom Sip. nudus erwähnt, oder überhaupt eine Bewegung an denselben wahrgenommen, Die Eier, die derselbe öfter in ihnen bemerkt hat, können ‚wie er selbst als möglich anführt,' wenn sie durch die hin- tere Oefinung aus der Leibesböhle ausgetreten, von Aussen mit dem Wasser aufgenommen worden sein, zumal da, we- nigstens bei der Larve, ein starker Wasserstrom in die Bla- sen hineinführt. In diesem Falle wäre an der Stelle am hintern Ende der Larve (Fig. 8. e.) doch wahrscheinli- cher eine: Oeflnung, als eine blosse Vertiefung in der Haut. Die dunkelgraue Binde vorn am Kopfe der Larve (Fig. 4. p), welche mit dem Knorpelplättchen von Grube 449 dieselbe Lage hat, möchte ich lieber, wie Krohn, als einen Nervenknoten deuten, da:Grube selbst später am Ph. ver- rucosum schwarze Augenpunkte entdeckt hat. Zuletzt habe ich noch des unpaaren Organs zu erwähnen, dessen Bestim- mung allein bei der Annahme, dass das beschriebene Thier dieLarve eines mit den Sipunculaceis verwandten sei, keine Erklärung findet. Am meisten Aehnlichkeit in der Form hat es mit der von Delle Chiaje abgebildeten sogenannten Po- lischen Blase des Sip. nudus. Dieses scheint jedoch eine der von Grube unter diesem Namen heschriebenen und abgebildeten Blasen zu sein, und Delle Chiaje die zweite dazugehörige übersehen zu haben; auch habe ich weder bei Sipuneulus noch Phascolosoma granulatum und scutatum irgend ein dem der Larve ähnliches Organ auffinden kön- nen. Denn mit den Polischen Blasen von Grube hat der hodensackähnliche Körper nicht die geringste Aehnlichkeit, indem er weder so weit vorne liegt, noch auch auf dem Schlund befestigt ist, wie diese. Es bleibt also nichts Ande- res übrig, als entweder anzunehmen, dass das besprochene Organ nur der Larve eigenthümlich sei, und im späterer weiterer Entwickelung verloren gehe, in welchem Falle dann das fragliche Thier vielleicht die Larve von Phasc. seutatum sein könnte, welches bei Triest vorkommen soll, oder da ausser Phasc. granulatum und scutatum keine an- dern europäischen sichern Species bekannt sind, anzuneh- nem, dass es die Larve einer bis jetzt noch unbekannten Species von Phascolosuma sei. Vielleicht ist auch das von Leuckart (breves animalium quorumdam maxima ex parte marinorum descriptiones. Heidelbergae 1828.) beschriebene Ascosoma noch eine eigene Form oder Speeies, und nicht nur ein jüngeres Exemplar einer schon bekannnten; leider liess sich aber eine Vergleichung desselben mit der Larve nicht anstellen, weil die Augaben darüber zu wenig aus- führlich sind. Ein einmal in, Helgoland vorgekommenes. borstenloses ‚Müller's Archiv. 1850. 29 450 Thier, das in der äusseren Gestalt‘ und in den Tentakeln vorn am Mund, die durch‘ ein rothes Blutgefäss versorgt wurden, viel Aehnlichkeit mit Sipunculus hatte, kommt hier nicht in Betracht, da dasselbe 4“' lang, also fast acht: mal so gross war als unsere Lärve. (S. Joh. Müller über die Larven 'nnd die Metamorphose der Holothurien und Aste- rien- Berlin 1850. S. 36.) : \ Erklärung der Abbildungen. Tabula Xt Fig. 1. Das Thier ganz eingekugelt. a. Die in der Mitte des eingestülpten Theils der Haut sicht- baren Wimpern des Räderorgans. Fig. 2... Das Thier, in der Lage, wo nur der Rüssel ein wenig her- vorgestrecki ist. Das Räderorgan ist noch verborgen. a. Hautfalte. b. After. Fig. 3. Das Thier in der Lage, wo das Räderorgan eben zum Vorschein kommt. a. Hautfalie. b. After. c. Blasige Or- gane. d. Unpaares Organ mit dem rothbraunen Ausfüh- rungsgang. i. ‚Magenförmige Erweiterung des Darms.. h. Zurückzieh-Muskel des Rüssels. e. Delle der Haut. Fig. 4 Das Thier frei herumschwimmend. p: Nervenknoten (?) Fig. 5. Unpaares Organ einzeln. d. rothbrauner AuSIu Bungee s. Hodensackähnlicher Körper des Organs. Fig. 6. Leerer Hautsack des Thiers. a. Hautfalte. :b. After. Fig. 7. Hautsack mit der darunter liegenden Muskelschicht. _f. Haut. g. Durchschnitt der Muskelschicht mit seinen flachen Spin- deln den Durchschnitisebenen der Querfaserbündel. Fig. 8. Hinteres Ende des Hautsacks mit der Delle e. Fig. 9. Stück des Darms mit Epitheliumzellen. Fig. 10. Das Thier in der Lage, wo Rüssel und Räderorgan ganz ausgestülpt sind. a. Hautfalte. b. After. c. Blasige Or- gane. d. Rothbrauner Ausführungsgang des unpaaren Or- gans. i. Magenförmige Erweiterung des Darms. p. Ner- venknoten (?). s. Hodensackähnlicher Körper des unpaaren Organs. Fig. 11. Fig. 12. Fig, 13. 451 Hautsack des Thiers, wo der Darm zum Theil herausge- «queischt worden. b. After. d. Bothbrauner Ausführungs- gang des unpaaren Organs. i. Magenförmige Erweiterung des Darms mit darin befindlichen Kothstücken. h. Zurück- zieh-Muskel des Rüssels. Mehrere Ansichten der blasigen Organe einzeln. o. Falte der inneren Haut (?). n. Gelber aus kleinen Körnchen be- stehender Flevok. m. Die nach dem Aufhören des Schlagens der Wimpern freibleibende Höhle. Durch die Pfeile ist die Richtung der durch Wimpern angeregten Strömung an- gedeutet. Ein, ‚Stückchen „der Muskelhaut ‘vom Phascolosoma granu- latum., 29” Fortsetzung der Untersuchungen über die Mc- tamorphose der Echinodermen. Von J. MUELLER. Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 7. November 1850. Zur Fortsetzung der Untersuchungen über die niederen Thiere wurde diesmal Triest *) gewählt, wo ich 2 Monate verweille in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Busch und den Studirenden Herren Thaer und M. Müller. Obgleich viele und die mehrsten der vorgekommenen Gegenstände von Mehreren) beobachtet sind, so entstand doch bald eine Thei- lung der Arbeit. Meine Genossen wandten sich vorzugs- weise dem Studium der Acalephen, Würmer und Entozoen zu; sie werden ihre Beobachtungen in besonderen Arbeiten mit- *) Das adriatische Meer erwies sich für unsern Zweck so reich als einer der früher besuchten Orte. Die Excursionen konnten mit wenigen Ausnahmen täglich geschehen, und waren bald in der einen bald in der andern Richtung, sowohl westlich als gegen Barcola oder im Busen von Servola und Muja oder näher auf der Rhede und selbst im Hafen ergiebig. Zugleich wurde uns das zoologische Museum zu Triest und seine Bibliothek sehr nützlich, gegen dessen Director Herrn Koch wir uns zu besonderm Dank verpflichtet fühlen. 453 theilen; ich fand ein reiches Material’ zur Fortsetzung und zum Abschluss der Beobachtungen über die Metamorphose der Echinodermen, namentlich zur Lösung einiger Probleme, die sich bei den letzten Untersuchungen. gestellt haben. Es sind im Ganzen 11 Arten von Echinodermen im Zustande der Larven und der Metamorphose : vorgekommen, von wel- chen 6 schon in den früheren Abhandlungen besprochen sind. ji. Holothurien. Die beiden Holothurienlarven des Mittelmeers kamen auch in Triest vor in allen Stadien der Entwickelung bis dahin, wo die junge Holothurie ihre kreisförmigen Wim- perorgane verloren hatte und nicht mehr schwamm oder kreisete sondern kroch, indem sie die 5 Tentakeln zum An: saugen benutzte. Diese Thierchen hatten noch dieselbe Grösse und Form wie diejenigen, welche noch mit thätigen Wimperorganen versehen waren und waren noch ohne Füsschen. Am häufigsten war die Art mit den 11 sogenann- ten blasenförmigen Körpern in den Körperwänden. Ich habe diese Ballen früher für Bläschen genommen, konnte mich aber jetzt überzeugen, dass sie nicht hohl, sondern solide Kugeln von einer zähen elastischen Masse sind, an der ich keine Structur wahrnehmen konnte, sie lassen sich schwer zerdrücken und sind die Ursache, dass diese zarten. Thier- chen einen verhältnissmässig starken Druck aushalten. In der Auricularienform kamen diese Larven in allen Stadien der Entwickelung vor, die kleinsten hatten nur 0,13” Grösse; diese konnten nur einige Tage alt sein, gleichwohl gelang die künstliche Befruchtung bei der Holothuria tubulosa, die in dem Zeitraum vom 11. August bis 9. October von Zeit zu Zeit versucht wurde, nicht. Im August und Anfang Sep- tember wurden zum Theil noch Eier in den Eierstöcken 454 vorgefunden, in späterer Zeit waren diese meist leer und nur. die Genitalien der Männchen enthielten noch LZoo- spermien. | In der letzten Ka war die Röhre wichtig ge- worden, welche von einer wie eine Oeffnung aussehenden Stelle am Rücken der Auricularia ausgeht und an deren in- nerm Ende sich ein Bläschen befindet, das sich in den Ten- _ takelstern der künftigen Holothurie entwickelt. Diese Röhre war an beiden Arten von Auricularia beobachtet; sie hatte sich in gleicher Weise an der Larve einer Asteride der Tor- naria gefunden. Es wurde damals die Vermuthung ausge- sprochen, dass diese Röhre dem Steincanal der Asterien 'entspreche. Der Steincanal ist von mir schon am dem Stern ‘der Bipinnaria asterigera beobachtet, er geht dort: von einer nabelförmigen Stelle, der künftigen Madreporenplatte aus. Monatsbericht 1850. April. Es wurde damals die Vermuihung ausgesprochen, dass der Steincanal als Stamm des Wasser- gefässsystems der Tentakeln das erste sei, was sich von dem künftigen Echinoderm in der Larve bildet. Vor den weiteren Mittheilungen muss ich auf einen Punkt in der Anatomie der erwachsenen Holothurien aufmerksam machen, durch welchen erst ein Verständniss der neuen Beobachtun- gen an dem Larven möglich wird. Krohn hatte 1841 be- wiesen, dass der Canal des kalkigen Sacks der Holothurien in den Cirkelcanal des Tentakelsystems einmündef: Ich habe sodann in den anatomischen Studien über die: Echinoder- men, . Archiv für Anat. und Physiol. 1850. Seite 117. ge- zeigt, dass der Kalksack der Holothurien ebenso durchlöchert ist, wie die Madreporenplatte der Asterien und Seeigel, und oft sogar genau dieselbe madreporenförmige Gestalt hat, nämlich bei Synapta, Chirodota, Molpadia. Die von Meh- reren. ausgesprochene Analogie zwischen der Madreporen- platte und dem Steincanal der Asterien und: Seeigel einer- seits und dem Kalksack der Holothurien andrerseits muss da- her als richtig angesehen werden. Der Steincanal der Aste- 459 rien und Seeigel mündet durch die Poren der Madreporen- platte ‚direct nach aussen, und sein Inhalt steht mit dem äusseren Medium direct in Communication. ‘Der Steincanal der Holothurien mündet dagegen mit den Poren des Kalk- sacks in die Bauchhöhle, und steht hier mit dem salzigen Wasser der Bauchhöhle in offener Verbindung. Hierdurch war ich auf die erneuerte Untersuchung der Holothurienlarven erst recht vorbereitet; ich stellte mir die Aufgabe, auszumitteln, was aus jener am Rücken der Auri- ceularia befestigten, mit einer Oefinung beginnenden und in- wendig am Tentäkelstern endigenden Röhre werde, ob und wie sich daraus der Kalksack der erwachsenen Holothurie entwickeln werde. Der Kalksack selbst war von mir schon in.der Beobachtungsreihe von Nizza in der jungen: noch mit Wimperreifen versehenen Holothurie, ja schon in der Puppe erkannt, es ist das, was ich die Kalkkrone nannte, die ich geradezu als künftigen Kalksack deutete, Zur Fort- setzung dieser Beobachtungen konnte nur die eine Art von Holothurienlarven mit den 11 blasenförmigen Körpern, oder richtiger Kugeln dienen; weil nur bei dieser frühe die Kalk- krone ausgebildet ist. Als Resultat meiner neueren Beob- achiungen hat sich nun Folgendes ergeben. Die Kalkkrone entsteht sehon oder fängt an zu entstehen, wenn die Auri- eularia noch ganz ihre erste bilaterale Larvenform besitzt und ‚noch nicht die walzenförmige spätere Gestalt und die kreisförmigen ‚Wimperorgane erhalten, ihre Entstehung be- ginnt, wenn die Auricularien die 11: kugelförmigen weichen Körper erhalten, 'zu einer Zeit, wenn die an dem Nabel des Rüeckens befestigte Röhre inwendig noch in einem ein- fachen Bläschen endigt und ehe sich der Kranz von Blind- därmchen oder die Tentakeln aus jenem Bläschen gestalten. Die vom Rücken der Lärve abgehende Röhre dringt senkrecht nach innen, sie scheint sich zwär in die. Wände des Bläschens fortzuseizen, an diesem unterscheidet man aber diekere Wände, welche sich in den doppelten Con- 456 turen des Bläschens zu erkennen geben. Das Bläschen ist länglich und bildet mit der Röhre rechte Winkel, so dass man daran einen vordern und hintern Theil unterscheiden kann. Die Kalkkrone erscheint zuerst als ein Kranz von Kalkleisten mit Aesten, wie eine Dornenkrone frei um die Röhre herum, nicht in der Wand der Röhre, und zwar um die Mitte der Röhre zwischen dem äussern uud innern : Ende derselben. Bei diesem Kranze liegen einige sehr kleine, Zellen ohne Kerne. Hieraus erklärt sich, warum die Madre- porenplatte der Holothurien oder ihr Kalksack nicht an das Skelet angewachsen ist, wie bei den Asterien und Seeigeln. Die Communication des der Madreporenplatte analogen Or-_ gans mit dem Perisom oder der Körperwand wird bei der Holothurienlarve nur durch einen häutig bleibenden Canal erhalten, der selbst noch später verloren geht, so dass der Kalksack zuletzt frei der Bauchhöhle zugevwrendet bleibt. Bei Auricularien, welche auf dem Uebergang in die Wal- zenform begriffen waren, aber noch nicht die kreisförmigen Wimperorgane besassen, liess sich das ganze Verhältnis völlig ausgebildet wieder erkennen. Der Schlund der Larve war nicht mehr zu erkennen. Dagegen war auf das vor- dere Ende des Magens ein Cirkelcanal aufgelagert, von dem 10 längiiche Blinddärmchen und ein stärkeres die Polische Blase abgingen. In denselben Ringeanal mündete ein Ca- nal, der von der Kalkkrone umgeben war und sich dann noch eine kurze Strecke bis gegen die Mitte der Länge des Thiers fortsetzte, wo er plötzlich aufhörte. Die Kalkkrone ist der spätere Kalksack; der innere Theil des Canals, der in den Ringcanal einmündet, ist der spätere Canal des Kalk- sacks der erwachsenen Holothurie, der äussere Theil des Canals jenseits der Krone ist der Rest der Röhre, die am Rücken der Auricularia befestigt war an der nabelförmigen Stelle, welche sich jetzt nicht mehr sicher erkennen lässt. Der Canal, woran die Kalkkrone, ist von mir früher auf den Genitalgang gedeutet worden, in dessen unmittelba- 457 rer Nähe sich der Kalksack der erwachsenen Holothurie zw befinden pflegt. Dass der Canal der. Kalkkrone mit dem Ringcanal der Tentakeln zusammenhänge, glaubte ich schon in der früheren Beobachtungsreihe zu erkennen und führte es an; damit konnte ich nicht vereinen, dass ich den Canal einmal über den Ringcanal eine kurze Strecke weggehen sah, wie auch abgebildet ist. Wenn man aber bedenkt, dass er an dem comprimirten Thier nur über die eine klar gesehene Hälfte des Ringes, weggehend gesehen worden, so konnte er. ganz gut mit der andern Hälfte des Ringes, die weiter vorn hin gedrückt war, verbunden sein. Es soll hiermit nicht behauptet werden, dass der Genitalgang zu jener Zeit, nämlich in der jungen mit Wimperreifen verse- henen Holethurie noch nicht existire. Denn da beide Ca- näle in der erwachsenen Holothurie ganz nahe bei einander liegen, so könnte es, sobald sie beide schon existiren, schwer sein, sie zu unterscheiden. Von dem Canal des Kalk- sacks weiss man aber nunmehr aus den zuletzt beschriebe- nen Larven gewiss, dass er schon besteht und dass er mit dem Ringcanal zusammen hängt, zu einer Zeit, wo andere Canäle wie die Längscanäle des Wassergefässsystems an den Körperwänden noch nicht hingehen und noch we- niger der Genitalgang gebildet ist. Einige Zeit später, wenn in der jungen mit Wimperreifen versehenen Holothurie die Längscanäle an den Körperwänden vorhanden sind, kann einer dieser Canäle, wenn er von dem Canal der Kalkkrone gedeckt wird, für das Auge mit dem Canal der Kalkkrone zusammen fallen. Die 10 vom Riugeanal abgehenden Blinddärme hatten in der zuletzt beschriebenen Larve eine ziemlich gleiche Länge und Stärke. Da bei weiterer Entwickelung und Me- tamorphose nur 5 Tentakeln zum Vorschein kommen, so sind 5 der Blinddärme auf die Anlage der 5 Tentakeln, die andern 5 mit Wahrscheinlichkeit auf die erste Anlage der 5 Längscanäle der Körperwände zu beziehen. Die Vermeh- 458 rung der Tentakeln scheint erst in einer spätern Zeit vor sich: zu gehen: jelzt aber sind‘ die 10 Blinddärmchen zu gleichförmig gross, als dass die Hälfte derselben auf die spä- ter auszubildenden Tentakeln bezogen werden könnte. In einer jungen Holothurie mit Wimperreifen und her- vorgebrochenen Tentakeln, war der Canal der Kalkkrone noch eben so beschaffen, wie in der zuletzt beschriebenen Auricularia, er mündete deutlich in den Ringeanal und hin- ter der Kalkkrone setzte sich der Canal noch bis gegen die Mitte der Länge des Thiers fort, wo er plötzlich aufhörte. Die Längscanäle waren schon vorhanden, wenigstens theil- weise zu erkennen. Von den Tentakeln waren nur 5 vor- handen, welche sich tastend ausstreckten und einzogen. Ueber die weitere Veränderuug des Endes des Canals der Kalkkrone liegen keine Beobachtungen vor. Dieser häu- tige röhrige Anhang wird entweder. resorbirt oder wahr- seheinlicher, die Kalkkrone setzt sich allmählig über den An- hang fort und wird dadurch in die Form des spätern läng- lichen Kalksackes verwandelt, wie er den Gattungen Holo- thuria, Sporadipus, Bohadschia u. a. eigen ist. Die gewundenen und ästigen Kalkleisten der Kalkkrone der Larven und jungen Holothurien stimmen sehr genau mit der Lagerung und Form der Kalkfasern in dem Kalksack der erwachsenen Holothurien. Die Beobachtungen über die Poren dieses Sackes sind an frischen Holoihurien wieder- holt und bestätigt. Die Poren sind häutige Röhrchen von 5“ Durchmesser, welche von der äussern zur innern Haut durch die Maschen des Kalkfaserlagers durchführen und aus- wendig mit einem wimpernden Ringe beginnen. An abge- schnitienen Stücken des Kalksackes kann‘ man unter. dem Mikroskop durch die Röhrchen durchsehen. Im Wasser schwebende Theilchen fahren hastig auf die Poren zu und grossentheils auch wieder ab. 459 Ai In der Nähe von Triest kommen sehr häufig zwei Arten von Seeigeln vor, Echinus lividus Lam. und E. microtubereula- tus Bl. (miliaris Risso, Delle Chiaje, Grube, decoratus et pulchellus Ag.), in grösserer Entfernung auch E. brevispi- nosus Risso, an der Dalmatischen Küste auch E. melo und Echinocidaris aequituberculata. Bei Triest sind auch zwei Seeigellarven gemein, diejenige des Echinus lividus, leicht erkennbar an ihrem hohen pyramidalen Scheitel und den keulenförmigen, sich meist kreuzenden Enden der Kalkstäbe im Scheitel, und eine andere Larve, welche sich durch den hohen gegitterten Stab auf dem Scheitel und die gegitterten Stäbe in den 4 Hauptarmen des Körpers auszeichnet. Diese Larve, welche auch bei Marseille häufig von mir und in allen Stadien gesehen ist, stimmt in der grossen Zahl ihrer Fortsätze, in dem Scheitelfortsatz, in der gegitterten Form der bezeichneten Stäbe ganz mit der einen in Helgo- land beobachteten Larve ohne Wimperepauletten überein. Die Triestiner Larve kann wahrscheinlich auf den überall dort vorkommenden kleinen Echinus mierotuberculatus Blainv. Ag. et Des. bezogen werden. Ob die Larve mit der in Helgoland beobachteten identisch ist, diese Frage hängt mit einer andern zusammen, .ob der E. Korenii Des., den ich für E. virens v. D. ei K. halte, mit dem E. mierotuber- eulatus des Mittelmeers und des adriatischen Meers identisch ist. Dass sie verwandt sind, haben schon Agassiz und Desor bemerkt. Die Exemplare aus Norwegen, die ich mit denjenigen des Mitielmeers und adriatischen Meers ver- gliehen habe, stimmen sehr überein, doch sind die nordi- schen entschiedener grün, die mittelländischen variiren aus dem Schmutziggrünen in’s Gelblichgrüne und Graugelbe; in der Jugend sind die Stacheln hell mit dunkeln Binden. Ich muss hiernach dabei stehen bleiben, dass beide Arten sehr verwandt sind, und so ist es auch mit den fraglichen ‚460 Larven, deren Körper zur Zeit der Metamorphose an den adriatischen immer stark in’s Braune und Rothbraune gefärbt und undurchsichtiger war, als an den helgoländischen und deren: Fortsätze länger zu sein schienen. Dem nordischen Echinus Flemingii Forb., den wir aus Falmouth und Bergen haben, scheint mir wieder der E. sar- dicus Delle Chiaje, Risso des Mittelmeers zu entsprechen, und stimmt eine von Herrn Ewald von Toulon mitgebrachte Schale sehr mit jenem, aber wenig mit E. melo. : 1. Die folgenden Beobachtungen, welche für den allgemei- nen Gang der Untersuchung wichtig geworden, sind an den Larven von E. lividus angestellt. Es ist dieselbe Larve, welche Krohn durch künstliche Befruchtung des E. lividus ‘erzielt hat und wahrscheinlich auch dieselbe mit der von Derbes beobachteten, von der er aber sagt, dass sie von der Befruchtung des E. esculentus stamme, welches nach der Synonymie E. brevispinosus Risso sein würde. Die Larven von Derbes und Krohn und diejenigen von denen ich jetzt handeln werde, stimmen auf das vollkommenste mit einander überein. | Schon in Marseille im Februar und März 1849 hatte ich eine grosse Anzahl dieser Larven, die frei im Meere in allen Entwickelungsstufen vorkamen, beobachtet. Ich konnte mich überzeugen, dass diese Larve, die immer leicht an ih- rem hohen pyramidalen Scheitel, an den keulenförmigen ge- kreuzten Enden der Kalkstäbe im Scheitel und an dem Man- gel des Gitter werks der Kalkstäbe erkennbar ist, von Der- bes und Krohn nur in ihrer jüngern Form gesehen ist, dass sie später ebenso viele Fortsätze wie die Larve mit Wimperepauletten von Helgoland, nämlich 8 Fortsätze, auch die Wimperepauletten selbst erhält und ich habe sie auch mit der ersten Anlage der Seeigelscheibe gesehen. Die Helgo- ländische Larve ist von ihr aber durch den gewölbten Schei- tel und die Endigung der Kalkstäbe verschieden und daher auf den bei Helgoland sehr gemeinen E. sphaera zu beziehen: 461 Die Zeichnungen über die in Marseille an dieser Larve und an der andern auf E. microtuberculaius zu beziehenden Lärve angestellten Beobachtungen sind der Academie am 12. Juli 1849 vorgelegt und es ist eine Notiz über die spä- tere Ausbildung der Larve von Derbes undKrohn von mir im Archiv f. Anat. u. Physiol. 1849. S. 112. gegeben. Das häufige Vorkommen dieser Larven in Marseille und wieder in Nizza, hat mir auch schon Gelegenheit gegeben, mich von der Gegenwart des Afters bei den Seeigellarven zu überzeugen. An den helgoländischen Larven war es mir nicht gelungen und ich glaubte den Anschein eines Afters bei einzelnen Seeigellarven durch eine Täuschung zu erklä- ren, von der ich eine Auslegung versuchte. Derbes und Krohn haben dagegen den After an den jungen Larven - deutlich als solchen wahrgenommen und Krohn erklärt den scheinbaren Mangel desselben in einzelnen Larven durch die zeitweilige Zusammenziehung der Oeflfnung bis zum völligen Verschwinden. Nach vielseitiger Prüfung des Gegenstandes an recht vielen Larven, muss ich die Beobachtung von Der- bes und Krohn als richlig anerkennen. *) Die Stelle des Afters ist übrigens Taf. V. Fig. 6. meiner ersten Abhandlung zu erkennen. | Die Larve vonDerbes undKrohn kam auch ziemlich oft sporadisch bei Triest vor. Die*beste Gelegenheit, diese Larve zu beobachten, erhielt ich jedoch dadurch, dass die künstliche Befruchtung bei Echinus lividus, um die Mitte Septembers von Dr. Busch versucht, anschlug und einige Tage später von Herrn Thaer mit demselben Erfolge wie- derholt wurde. Dies ist die einzige Art von Echinodermen, bei der um diese Jahreszeit die Befruchtung gelang. Denn sie war wie bei Holothuria tubulosa, so bei Astropecten aurantiacus, Ophiotrix fragilis, Echinus microtuberculatus *) Auch an den Ophiurenlarven mündet der Darm in einen After aus, wie ich an der Larve der Ophiolepis squamata gefunden habe. 462 wegen mangelhafter Entwickelung der Genitalien entweder unausführbar ‘oder ohne Erfolg. Die dureh künstliche Befruchtung ennielbe aa ai E. lividus wurde fast bis zu unserer Abreise lebend erhälten, sie entwickelte sich ‘unter täglicher Erneuerung des Wassers viel rascher, als in den Beobachtungsreihen von Derb&es und Krohn und ‚gedieh in ‚der Zeit von“ 16-18 Tagen “schon bis dahin). dass sie um diese Zeit statt 4 ‚Fortsätze eben die ‚Anlagen von noch 4 andern Fortsätzen erhalten, es. waren nämlich die Anfänge der hintern Seitenfortsätze des Körpers und des zweiten Paars der Fortsätze: des; Mund- gestells mit der Anlage der Kalkstäbe hervorgesprosst.' Eine von diesen: Larven zeigte sogar schon die erste Andeutung ‘der Wimperepauletten mit rothen Pigmentpunkten. | Beim 'Wachsthum des Pluteus erfolgt die Vergrösserung am stärksten in der Längsrichtung durch Verlängerung der Arme. ‘ Die Pyramide des Körpers nimmt aber sowohl in die Länge als Breite zu, die darin aufgestellten Kalkstäbe können sich zwar nicht ausdehnen, setzen aber: an’ den in den Scheitel gerichteten Enden neue Masse an. Daher nimmt die Länge dieser Stäbe in der Pyramide, von.deren Spitze bis zur Stelle des Abgangs der Aeste der Kalkstäbe zu.. Das Skelet hindert die Ausdehnung der Pyramide ‚in.der Breite nicht, weil die Queräste *der Kalkstäbe sich nicht von. rechts nach links vereinigen, sondern in gekreuzter Lage getrennt bleiben, so lange das Wachsthum dauert. Ich übergehe Alles, was schon von der Entwickeluug der 'Seeigellarven bekannt ‘ist.. » Was mich am meisten ‚und dermalen allein interessirte, war einmal die. Altersbestim- mungen im Verhältniss zu den Grössen. kennen zu lernen; zur 'Vergleichung mit den sporadisch in Marseille, Nizza und Triest vorgekommenen. Larven dieser Art und noch mehr zu erfahren, ob sich bei den Seeigellarven zuerst wie bei.den Auricularien und bei der Tornaria ein Porus mit ei- ner Röhre für das Tentakelsystem des künftigen Seeigels R 463 entwickelt’und ob diese Anlage wie dort noch vor der Ant lage der Seeigelform, d. h. vor Anlage der Seeigelscheibe auftritt. | ia | | Am 16., 17,,'48ten Tage nach der Befruchtung hatten die meisten Seeigellarven, bereits ein gutes Stück der hin- tern Seitenfortsätze des Körpers und das zweite ‚Paar der Fortsätze des Mundgestells, im Ganzen also 8 Fortsätze und eine Länge des ganzen Thiers von +““.. Der neu entstan- dene Fortsatz jederseits am Mundgestell enthält einen Kalk- stab, der in der Rückseite des Körpers mit dem der andern Seite zusammen kömmt, aus diesem Bogen läuft noch ein Zweig nach! aufwärts, ganz so wie in der Helgoländischen Larve mit: Wimperepauletten. An: allen Exemplaren dieses Alters bemerkte ich einen bis jetzt an diesen Larven noch nicht‘ gesehenen Umbo, der genau so aussah wie der Porus der Auricularien und Tornaria, nämlich mit einem nach innen abgehenden Bläschen zusammenhängt. Der ring- förmige gelblich gefärbte Wulst liegt auf ‚der einen Seite des Körpers der Larve und in allen Larven auf. dersel- ben Seite und an derselben: Stelle. Er befindet sich: näm- lich an der ausgehöhlten Seite der Körperpyramide unter- halb der seitlichen Arkade der Wimperschnur nach. innen, und zwar, wenn man die Rückseite der Pyramide vor sich hat und der Scheitel aufwärts gekehrt ist, so ist, der Umbe immer unter der rechten seitlichen Arkade. Es ist dieses die Seite, auf der in weiter. vorgeschrittenen ‚Larven in (der Pyramide die Anlage der Seeigelscheibe auftritt. ‚Auf .der entgegengeseizten Seite sieht man nichts Aehnliches, weder Umbo noch Säckehen. Man sieht den Umbo und das Säck- chen am besten, wenn man der Larve im Wasser eine sol- che Stellung giebt, dass man auf die betreffende Seite sieht, doch kann der Umbo und das Säckchen auch durch. die Rückseite durchscheinend gesehen werden; der Umbo er- scheint dann rechts vom Magen, gegenüber dem Eintritt’ des Schlundes in den Magen. Gegen diese Stelle ist auch das 464 Ende des birnförmigen Bläschens gerichtet. An weiter vor- geschrittenen Larven hat sich das Bläschen nach aufwärts in die Pyramide in der Richtung ausgesackt, wo später die Seeigelscheibe angelegt wird, von welcher jetzt noch nichts zu sehen ist. Zu den Seiten des Magens liegen die länglichen Körper, die überall in den Larven der Ophiuren sowohl als Holothurien und Bipinnarieun wieder kehren, und welche man auf die künftige Entwickelung des Echinodermenkör- pers beziehen könnte, wenn sie nicht auch bei den Auri- cularien vorkämen, bei denen doch die ganze Larve in das Echinoderm umgewandelt wird. Weiter reicht diese Beob- achtungsreihe in Folge künstlicher Befruchtung nicht. An frei sporadisch vorkommenden Seeigellarven von 4, an denen die hinteren Seitenarme schon viel grösser gewor- den, sah ich den Umbo und seinen Sack noch wie an den- jenigen von 4‘, von der Seeigelscheibe war noch nichts zu erkennen. Zeichnungen über ein späleres Stadium der Entwicke- lung, wo die Seeigelscheibe bereits vorhanden ist, gehören den Beobachtungen von Marseille und also einer Zeit an, als ich den fraglichen Umbo noch nicht kannte. An Larven des E. lividus, welche 4” Grösse erreicht haben und bei denen die hintern Seitenfortsätze sich zu ent- wickeln beginnen, liegt der Bogen der Wimperschnur 'an der Seite der Pyramide noch am Rande der seitlichen Ar- kade des Schirms, und die Haut der Larve geht hier unter dem Flimmersaum von der äussern Oberfläche auf die innere concave Seite der Pyramide über. Auf der nach innen ge- neigien Fläche dieses Ueberganges liegt der Umbo. Sobald aber die hintern Seitenarme ganz ausgebildet sind, ist die Haut noch unter dem seitlichen Bogen der Wimperschnur in eine Arkade ausgespannt, welche mit dem Wachsthum des neuen Arms an Höhe zunimmt, so dass dann später der seitliche Bogeu der Wimperschnur beträchtlich über dem bogenförmigen Rande des Schirms liegt. Hier zwischen dem 465 Schirmende und dem Bogen der Wimperschnur liegt her- nach die Seeigelscheibe unter der Haut, wie bei der Helgo- ländischen Larve mit Wimperepauletten. Die Gestalt der Seeigelscheibe ist genau eben so wie bei der Helgoländi- schen Larve, nämlich eine runde Scheibe, in welcher sich eine fünftheilige sternförmige Figur auszeichnet. Es kann nun die Frage entstehen, ob die Seeigelscheibe nicht eine weitere Entwickelung desselben nabelartigen Ringes ist, den ich mit einem Porus verglich. Ich kann diese Ansicht nicht direet widerlegen und eben so wenig gutheissen, da es mir an den Zwischenbeobachtungen fehlt. Die Erscheinung des ringförmigen Nabels in der Haut und nicht unter derselben, seine Verbindung mit einem nach innen dringenden Bläs- chen und die Analogie desjenigen, was ich von den See- sternlarven anführen werde und von den Holothurienlarven angeführt habe, scheint aber jener Ansicht nicht sehr gün- stig zu sein. Die Gegenwart des Afters in den Seeigellarven bringt eine neue Schwierigkeit, auf die ich schon in meiner ersten Abhandlung über die Seeigellarven (Nachtrag) aufmerksam gemacht habe und welche mir damals dazu diente, den After zweifelhaft zu machen. Der After liegt nämlich auf einer ganz anderen Seite der vierseitigen Larve als die Seeigel- scheibe. Der After befindet sich auf der Vorderseite des Schirms, die Seeigelscheibe aber in der Larve des E. lividus sowohl wie in der Helgoländischen Larve auf der lateralen Seite des vierseitigen Larvenkörpers. Nimmt man an, dass die Seeigelscheibe, auf und aus welcher hernach die Stacheln und Tentakeln sich ausbilden, dem polaren Feld des Seeigels entspreche, wie ich es aus der Lage der späteren Zahnrudimente wahrscheinlich ge- macht habe, so passt die Lage des Larvenafters durchaus nicht hierzu, denn der After des erwachsenen Seeigels nimmt eine subcentrale Stelle ganz nahe beim dorsalen Pol ein. Will man voraussetzen, der Larvenafter verschwinde und es bilde Müller’s Archiv, 1850. 30 466 sich an dem jungen Seeigel ein neuer After, so wie es von dem Munde fessteht, so stimmt dies wenigstens nicht mit den Asterien, bei denen der After der Larve in den Seestern mit hinüber genommen wird, während der Mund des See- sterns sich neu bildet. Es wird aber doch nichts Anderes übrig bleiben als diese Annahme. Denn jeder andere Ver- such der Erklärung stösst auf viel grössere Schwierigkeiten. "Sollte derselbe After der Larve in eine subeentrale Lage zum Pol des Seeigels erst gebracht werden, so müssten sich die Tentakelanlagen, welche sich nach den vollständigen Beob- achtungsreihen von Helgoland aus der Seeigelscheibe ent- wickeln, mit dem Wachsthum des kleinen Seeigels innerhalb ihrer Radien von der Polarseite weit zurückziehen. Aber - schon ihre Ausbreitung würde, wenn sie an der Peripherie verbunden sind, am After und Darmende auf Widerstand stossen. Die andere Voraussetzung, dass die Seeigelscheibe gar nicht dem Polarfelde des Seeigels, sondern einem Stück aus der Peripherie desselben entspreche, passt durchaus nicht zu der ganzen Reihe der Beobachtungen und Abbildun- gen von Helgoland und Helsingör, in welchen sich überall anfangs ein polares Feld mit 5 radialen Abtheilungen und später, wenn die Tentakeln-und Stacheln hervorgebrochen sind und das Feld sich zur Fogm einer Hemisphäre erweitert hat, immer noch sehr deutlich die freiere Mitte mit bestimm- ter Zeichnung innerhalb der stark bestachelten Peripherie zu erkennen giebt. Dieselbe dorsale Mitte zeichnet sich auch noch in den jungen frei gewordenen Seeigeln aus und | die in jenen nachgewiesenen radial gestellten Zahnanlagen beweisen gar, dass die unbestachelte Seite der spätern Mund- seite angehört, die Mitte der bestachelten Seite aber dem dorsalen Pol entspricht. 2. Seeigellarven mit gegitterten Kalkstäben. Diese Larve, welche vorhin auf den E. microtuberculatus Bl. bezogen worden, war in Marseille im Februar und März in allen, auch den jüngsten, Stufen der Entwickelung vorgekommen, 467 es ‚waren in dieser Jahreszeit noch keine Anzeigen zur An- lage der Seeigelscheibe vorhanden. Dagegen kam die. Larve in Triest gegen Ende August sehr zahlreich in dem Stadium der Verwandlung in den Seeigel vor. Da die vielen Fortsätze dieser Larve erst successiv sich entwickeln und die Scheitelstäbe erst zuletzt ‚sich bilden, so würde es schwer sein, die verschiedenen Entwickelungs- zustände unter derselben Speciesform zu vereinigen, wenn wir nicht in. der gegitterten Form der Kalkstäbe der Haupt- arme ein sicheres Kennzeichen für diese Art besässen. Schon in den jüngsten Larven sind diejenigen Stäbe, welche ich meine, gegittert, ‚sobald überhaupt nur die Stäbe sichtbar geworden sind. Die jüngsten Formen dieser Larve gleichen im Allge- meinen ganz denjenigen der Larve des E. lividus. Es sind dreiseitige Pyramiden, deren unterer Rand in 3 Fortsätze verlängert ist. Die hintere Verlängerung ist breiter und schirmartig, sie enthält den Mund. Diese Verlängerung er- hält bald zwei Ecken am Rande, diese verlängern sich her- nach in zwei Zapfen. Die Larve stellt dann eine Kuppel dar, die nach unten eine vierseitige Gestalt annimmt und an ihren Kanten in 4 Zapfen ausläuft. Von diesen 4 Zapfen sind 2 die vordern unteren Seitenarme des Körpers, 2 die Arme des Mundgestells, die hintern unteren Seitenarme feh- len noch wie an den Larven des E. lividus aus der jüngern Zeit der Eniwickelung, oder denjenigen, welche Derbes und Krohn beobachtet hatten. Entsprechend den vordern untern Zapfen befindet sich auf beiden Seiten des Körpers ein Kalkstab, der bis. in den Gipfel der Kuppel läuft. An der Vorderseite des Körpers sind diese beiden Stäbe durch. eine Querleiste ver- bunden, von da ab bis an die Kuppel sind die Stäbe einfach, von derselben Stelle bis .an’s untere Ende der vordern Za- pfen sind ‚die Kalkstäbe gegittert, in der Weise wie es von den gleichen, aber ältern Helgoländischen Larven abgebildet 30 * 468 ist. Wo die Querleiste abgeht, geht ein einfacher Kalkstab auf jeder Seite nach dem Rande des Schirms, von diesem Bogen läuft ein Kalkstab aufwärts in den Körper nach der Kuppel. Es sind die hintern Stäbe des Körpers, welche, so- bald die Fortsätze des Mundsegels entwickelt sind, in diese auslaufen. Am Gipfel sind die vordern und hintern Stäbe durch Querleisten mehr oder weniger vollständig verbunden. | Grössere Larven mit schon verlängerten Fortsätzen der Basis haben einen gerade aufwärts stehenden Gipfelarm mit gegittertem Kalkstab entwickelt, dessen Basis bald zwei bo- genförmige Schenkel in der Kuppel entwickelt, es sind die- jenigen Kalkbogen, welche später Aeste in die jetzt noch nicht vorhandenen dieser Larve eigenthümlichen Seitenarme des Scheitels entwickeln. Vergl. Taf. III. der ersten Ab- handlung. Der nächste Fortschritt ist, dass die unteren hinteren Seitenarme sich bilden, welche, wie bei E. lividus, lange feh- len, wenn das Mundgestell schon vorhanden ist. Diese Stäbe sind gegittert gleich den Stäben der vordern unteren Arme. Aber das Mundgestell erhält noch 2 Arme mehr, de- ren Kalkstäbe einfach sind und sich so verhalten, wie es in der ersten Abhandlung abgebildet ist. Die Verdauungsorgane verhalten sich in den jüngern und spätern Stadien ganz so wie bei der Larve des E. livi- dus. Hinsichtlich der Verbindung der Stäbe im Gipfel der Kuppel kommen einige Variationen vor, welche durch die Abbildungen erläutert werden. Die in Triest vielfach vor- gekommene Stufe der Larve aus der Zeit der Verwandlung in das bestachelte Echinoderm hat mir nur Wiederholungen der Beobachtungen von Helgoland geliefert. 3. Eine dritte Art von Seeigellarven ist mir nur einige Mal in Marseille vorgekommen. Sie hat eine niedrige runde Kup- pel und eben so viel Fortsätze und auch die Wimperepau- letten wie die Larve mit Wimperepauletten von Helgoland. Von der Larve des E. lividus unterscheiden sie sich sowohl 469 durch die Kuppel wie dadurch, dass die Kalkstäbe in der Kuppel nicht angeschwollen sind. Die Kalkstäbe der Arme sind einfach, nicht gegittert. Ich sah diese Larve im Zu- stande der Verwandlung in das bestachelte und mit Tenta- keln versehene Echinoderm. Auf der Kuppel waren Pedi- cellarien, nicht sessil wie bei der Helgoländischen Larve, sondern auf weichen Stielen. Auf der Oberfläche des Kör- pers sind kleine rothe Pigmentilecke. Die frei im Meere bei Triest vorgekommenen jüngsten Seeigel ohne Larvenfortsätze waren so klein und eben so beschaffen wie diejenigen in den Beobachtungen von Helgo- land und Helsingör. za Aeneon Von Asterienlarven kamen in Triest 3 Formen vor, die häufigste war eine Art Bipinnaria, deren Metamorphose ich vollständig zu beobachten Gelegenheit hatte, bis zu dem Punkte, wo meine älteren Mittheilungen über die Bipinnaria asterigera beginnen, so dass wir dadurch eine vollständige Geschichte der Bipinnarien und ihrer Metamorphose in Aste- rien erhalten. Die zweite seltnere Form war die in der vo- rigen Abhandlung beschriebene und abgebildete wurmför- mige Asterienlarve; die dritte ist eine nur einmal vorgekom- mene völlig undurchsichtige zinnoberrothe Larve, die: sich nach dem von Sars beschriebenen Typus der Echinaster und Asteracanthion entwickelte. Herr Busch hat sie bis zur Verwandlung in die Seesternform und bis zur Entwik- kelung der Tentakeln beobachtet. Sie kam frei im Meere vor; ihre Haut war uniform mit Wimpern besetzt und ohne die Wimperschnüre der Bipinnarien, ihre 4 kolbigen Arme, welche sie eigenmächtig bewegte, dienten ihr zur Befestigung an festen Körpern, zum Ansaugen; sie waren ganz so wie 470 bei den von Sars beschriebenen Larven gestaltet, aber mitten zwischen den 4 Kolben war eine vertiefte Stelle gleich ei- ner Oeffnung. Die Larve hing mit den abgerundeten Enden der Kolben an senkrechten Glaswänden oder an Algen fest bis zur Entwickelung der Füsschen. Es ist ohne Zweifel die Larve des zinnoberrothen im Mittelmeer häufigen Echi- .naster sepositus. Die bei Triest sehr häufige und eine Zeitlang täglich in vielen Exemplaren beobachtete Bipinnaria ist eine eigene Art, verschieden von der Bipinnaria asterigera sowohl als von derjenigen die bei Helsingör, Marseille und Ostende be- obachtet worden. Sie zeichnet sich aus durch die Kürze und geringe Zahl der Wimpel, durch die Kürze oder viel- ‘ mehr den Mangel der beiden Flossen, welche bloss durch die Umbiegungen der dorsalen und ventralen Wimperschnur von einer zur andern Seite des schmälern Körperendes repräsen- tirt sind, und endlich durch ihre baldige Verwandlung, die schon bei einer Grösse von 2, beginnt und bei einer Grösse von „5,“ schon den Seestern grossentheils ausgebil- det hat. Die jüngsten Bipinnarien hatten nur 4“ im grös- sten Durchmesser, diese und auch solche, die schon 2“ gross, sind noch ohne Wimpel oder Lappen des Randes, die Wimperschnüre laufen mit geringen Biegungen an den Rändern hin, so wie es nach der in einer früheren Abhand- lung gegebenen Beschreibung der Gattung Bipinnaria eigen ist; allmählig entwickeln sich an den dorsalen Seitenrändern 2 kurze Lappen, mit welchen sich die Wimperschnur mit auszieht. Aehnliche noch kürzere Lappen entwickeln sich auf der Bauchseite an den ventralen Seitenrändern. Diese Verlängerungen sind nicht grösser als bei den Auricularien, denen das Thier auf den ersten Blick ähnlich sieht, ‘von denen es aber sogleich durch den der Bipinnaria eigenen Lauf der Wimperschnüre sich unterscheiden lässt. Die Wim- perschnüre sind nicht mit Pigment gezeichnet. — Mund, nn 41 Schlund, Magen, Darm, After verhalten sich genau so wie in der Bipinnaria von Helsingör und Marseille. Die Thierchen bewegen zuweilen ihren glasartig durch- sichtigen Körper, indem sie sich stark nach der Rückseite krümmen. Am stärksten und häufigsten schienen diese Be- wegungen an Larven einzutreten, die während der Beob- achtung gelitten hatten und hier kurze Zeit dem Tode vor- auszugehen, der sich durch Trübewerden des Körpers und ein runzeliges Ansehen desselben zu erkennen giebt. Die heftige und gewöhnlich lange anhaltende Krümmung nach der Rückseite, ist daher gewissermassen als ein Starrkrampf der kleinen Wesen zu betrachten. Die Larven wurden dann in der Mitte des Rückens verkürzt und eingeknickt. Ueberraschend war wiederum der bisher noch nicht an den Bipinnarien, wohl aber an der verwandten Tornaria beobachtete Porus, der ähnlich gelegen wie in der Auri- eularia und Tornaria ist. Die mit einem Ring umge- bene Oeffnung befindet sich auf dem Rücken der Larve über dem Magen. Bei Larven, die noch nicht 0,15 erreicht haben, ist dieser Porus und die davon ausge- ‚hende Röhre schon zu bemerken. Die Röhre geht in einen länglichen Sack über, in welchem man wie in der Röhre ein Kreisen von sehr kleinen Körnchen bemerkt. Der Sack liegt hinter dem Schlund und seitwärts desselben. Wenn die Larve auf den Rücken angesehen wird und das breitere Ende aufwärts gerichtet ist, so liegt der mit dem Porus zu- sammenhängende Sack immer rechts vom Schlunde. Bald sieht man von diesem Sack noch einen zweiten Theil, es geht nämlich ein Theil davon in entgegengesetzter Richtung aufwärts und legt sich an die rechte Seite des Magens, da wo in etwas älteren Larven der Tentakelstern zum Vor- schein kommt. Der eben beschriebene Schlauch mit Wim- perbewegung ist ohne Zweifel die erste Anlage des Wasser- gefässsystems des künftigen Seesterns und der Porus als die erste Erscheinung der Madreporenplatte zu betrachten. 472 Wenn: die Thierchen absterben, so tritt ganz gewvöhn- lich ein Collapsus und Zusammenschrumpfen des vom Po- rus ausgehenden wimpernden Sackes ein. Die Wände der Röhre und des Sackes sind inwendig mit Zellen . besetzt, welche man an den Conturen der Röhre und des Sackes am leichtesten wahrnimmt, ganz so wie es auch bei der Tornaria gesehen wurde. Bald nachdem der Porus und sein Canal und Blindsack aufgetreten sind, sieht man an dem Magen eine Schicht wie ein Mantel entstehen, welche das Perisom des künftigen Sterns werden soll. Dieser Mantel besteht aus einer hya- linen Masse, in welche viele kleine Zellen eingebettet sind. Die Zellen lassen keine Kerne in ihrem Innern wahrneh- men. Die mantelartige Bedeckung liegt unter der Haut der Larve über dem Magen und bedeckt die hintere Seite des Magens bis an den Porus, oben schlägt sich der Mantel vom Magen über die knieförmige Umbiegung desselben in den Darm herüber, an den Seiten ist der Magen noch unbe- deckt. An Larven dieses Alters erscheint auch am obern Enle des vorher beschriebenen Blindsacks eine rosettenar- tige Figur mit 5 Abtheilungen, die erste Erscheinung der- Tentakelanlage, die mit dem Wassergefässsystem in Verbin- dung steht. Der Tentakelstern liegt also seitwärts vom Ma- gen und bei der Ansicht auf den Rücken der Larve, wenn das Ende, wo sich der Seestern bildet, aufwärts gerichtet ist, auf der rechten Seite des Magens. Die sternförmige erste Anlage der Tentakeln oder Füsschen hat das Ansehen einer zur Form eines Sterns hin und her geschlagenen dicken Membran, sie hängt zwar mit dem Sack des Wassergefäss- systems zusammen, zeichnet sich aber durch viel: dickere Wände von doppelten Conturen aus.:sBäld nimmt dieser Stern die Gestalt von 5 Blinddärmen an, die das obere Ende des Sackes krönen und unten an der Basis zusammen hängen. ı Die mantelartige Ausbreitung über dem Magen und Darm 473 der Larve umgiebt bald auch die Seiten des Magens und die Tentakelanlage.. Dann hat dieser Mantel die Gestalt einer den Magen und Darm der Larve gemeinschaftlich einschlies- senden Kappe erhalten, welche hinten bis an den Porus des Wassergefässsystems und nicht ganz bis zum Schlunde reicht. Die mantelartige Kappe um das Verdauungssystem der Larve ist die. Uranlage der Körperwände oder des Perisoms des künftigen Seesterns. Die Kappe ist unten weit offen, wo der Magen und der Blindsack des Wassergefässsystems in die Bedeckung eintreten. Der Schlund bleibt ganz ausser- halb der Kappe. Der Porus des Wassergefässsystems liegt gerade am Rande der Kappe, später wird er von der Neu- bildung umwachsen. Um den After der Larve auf der Bauchseite des Thierchens hat sich das künftige Perisom des Seesterns auch schon ausgebreitet. Diese ganze Anlage ist unter der Haut der, Larve über dem Magen und Darm vor sich gegangen. | An etwas weiter vorgeschrittenen Larven nimmt die rundliche Kappe die Form einer Haube an, an der ein Bo- gen, eine Zone stärker ausgeweitet ist, ohngefähr wie die Haube der Frau Marthe Schwerdtlein im Faust von Corne- lius. So lange dieser Bogen nur halbeirkelförmig und noch nicht geschlossen ist, gleicht er auch der Crista eines Helms, dem Kiel einer zweiseitigen Pickelhaube, nur läuft dieser Kiel: nicht gerade, sondern schief über die Kappe herüber- In diesem Kiel fängt sich der spätere Rand des Seesterns zu. bilden an, indem er sich als ein halbeirkelförmiger Wulst an der Kappe erhebt. Der halbeirkelförmige, Wulst geht vom Rücken des obern Theils der Larve über das breitere Ende derselben bis auf ihre Bauchseite über. Der Verlauf des Wulstes ist zugleich im Verhältniss zur Larve und zu der Kappe an der er sich befindet, schief; er beginnt, den Rücken der Larve angesehen, in der Nähe des Porus etwas links, steigt aufwärts und von links nach rechts am Knie von Magen und Darm vorbei auf die Bauchseite der Larve 474 und dort wieder nach der linken Seite des Darms herab und läuft immer weiter links aus. Wenn Magen und Darm vorher gemeinschaftlich von einer rundlichen Kappe bedeckt waren, so ist die Kappe jetzt einer schief aufgesetzten ge- kielten Pickelhaube vergleichbar. Der Cirkel des Wulstes ist noch nicht geschlossen. Durch die schiefe Erhebung des _ halbmondförmigen Wulstes wird die Haut der Larve auf der rechten Seite des auf den Rücken angesehenen Thiers- mit in die Höhe gehoben und die Larve wird hier ungleich, so wie wenn einer ungleiche Schultern hat. Mit der Erscheinung des halbmondförmigen Wulstes sind die Bauch- und Rückenseite des künftigen Seesternes ‚gegeben, als Rand des spätern Sternes hat er nach der ei- nen Seite vor sich die Bauchseite, nach der andern die Rückenseite des spätern Sterns. Auf der Bauchseite der Larve liegt der After jetzt unterhalb des schiefen Reifen oder durchsetzt den Theil der Kappe der nach unterhalb des Reifens gelegen ist, und was auf der Bauchseite der Larve, unterhalb des Wulstes liegt, gehört der Rückseite des spätern Seesternes an, die entgegengesetzte Seite, jen- seits des Wulstes, wird Bauchseite des Seesternes. Wird die Larve auf die Bauchseite angesehen, so liegt der See- sternrücken links und unten vom schiefen Wulst, der See- sternbauch links und oben vom Wulste. Diese Bestimmun« gen von Rück- und Bauchseite des künftigen Seesternes, gründen sich auf Vergleichung mit der Bipinnaria asterigera, an welcher sowohl der After als der Eintritt des Larven- schlundes und Magens in den Stern und der Nabel des Steincanals auf der Rückseite des Seesternes sich befinden, während die Bauchseite, wo der Mund des Seesterns ent- stehen soll, von der Bipinnaria abgewandt ist. Ehe der bezeichnete Wulst auftritt, ist seine Direction schon durch eine Zone von Kalkfiguren in der den Magen und Darm bedeckenden gemeinschaftlichen Kappe bezeichnet. Man sieht sie zuerst auf der Rückseite der Larve in der Form 475 eines T, d. h. eine Reihe von T bilden L\iL.L, die später Aeste abgeben. Diese Reihe gehört der Bauchseite des Ran- des des spätern Seesternes an. Mit dieser Reihe parallel, bildet sich auf dem Wulst eine Reihe von Kalksternchen aus; diese bezeichnen schon die Rückseite des Randes des spätern Seesternes; denn es werden daraus Stacheln der dorsalen Peripherie des spätern Sterns. Wird die Bipinna- ria auf den Rücken angesehen, das sich metamorphosirende Ende der Larve aufwärts gekehrt, so endet die Zone der sternförmigen Kalkfıguren in der Gegend des Porus, die da- mit parallele Zone der Tförmigen Figuren liegt links der ersteren Zone. Durch die Erhebung der Stacheln mit ihren zierlichen Kalkfiguren treten am halbmondförmigen Wulste 10 und hernach noch mehr Spitzen hervor. Hierdurch erhält der bisherige Wulst das Ansehen eines das Ende der Larve schief krönenden Diadems. Die Stacheln nehmen bald eine conische Gestalt an und bestehen aus weicher Bildungs- masse, deren Inneres von einem Kalkstab mit vielen Aesten durchzogen ist. Von dem mittlern Stab gehen nämlich in verschiedenen Höhen quer Seitenäste ab. Das Diadem schliesst sich bald zum vollständigen Kranz. Die Kappe mit ihrem Kranz gleicht jetzt einem Baret, der Kranz steht so auf dem Magen, wie ein schief auf einem Kopfe aufsitzendes Baret. Die Entwickelung des Kalknetzes schreitet weiter in dem Randtheil des Seesternes fort, es entwickeln sich fernere kurze Stacheln am Rückentheil des Randes. Das mittlere Feld der Bauchseite und Rückenseite des Sterns ist noch frei von Verkalkung. Der Stern hat noch nichts von Ar- men und kaum eime leise Andeutung von pentagonaler Ge- stalt. Sein Durchmesser beträgt 4 Von der Bipinnaria ist er bis auf den Zusammenhang mit dem weichen Rücken- theil des Sterns schon abgehoben. Dieser Zusammenhang ist übrigens ganz wie ich ihn bei der Bipinnaria asterigera beschrieben. 476 Ich habe schon erwähnt, dass die Rosette von Blind- därmchen von der Seesternkappe mit eingeschlossen wird. Sie liegt zur Zeit, wo die Stacheln des noch ungeschlosse- nen Diadems hervorgebrochen sind, auf der rechten Seite des Magens, die Bipinnaria auf den Rücken angesehen. Es werden nun die Abbildungen der Brachiolaria verständlich, bei welcher dıe verkalkten Lappen dem künftigen Seesiern, die Rosette von blattartigen Figuren aber dem künftigen Tentakelsystem angehören müssen. Die Rosette von Blinddärmchen ist im Verlauf der Ver- handlung kurzweg auch die Tentakelanlage genannt worden. Es ist damit die erste Anlage des locomotiven Gefässsystems . der Tentakeln, nicht die Tentakeln selbst gemeint, welche nur po- tentia in dieser Uranlage mit inbegriffen sind. Zunächst sind die 5 Blinddärmchen die erste Anlage der 5 Längscanäle der Arme, von welchen die Tentakeln erst sich abzweigen müssen und ihre Zufuhr erhalten sollen. Dermalen liegen die fünf Blinddärmchen noch von der Bauchseite des Seesterns ent- fernt, nämlich bei der dorsalen Ansicht der Larve auf der rechten Seite des Magens. Um zu begreifen, wie sie an die Bauchseite des Seesternes kommen, muss man erwägen, dass der Magen, seine Umbiegung in den Darm und dieser selbst mit Schlund und After noch in einer gemeinschaftlichen ver- ticalen Ebene liegen, dass aber zufolge der Bipinnaria aste- rigera Magen und Darm aus dieser Stellung heraus später eine Wendung machen müssen, dass dann die Schlinge von Magen und Darm sich nach links wendet, bis sie ihre frü- here rechte Seite der Bauchseite des Sterns zukehren. Diese Stellung ist in der schon zergliederten Bipinnaria asterigera bereits eingetreten, und geht die Wendung des Magens und Darms in der Breite des Seesternes vor sich, während Mund und After der Larve übereinander liegen in der Richtung der Mitte, in welcher früher der Lauf-des Schlundes, Ma- gens und Därms in den jungen Bipinnarien aufgestellt war. Stellt man sich an der Bipinnaria von Triest vor, dass die- 47T selbe Wendung des Magens und Darms eintrete, welche bei der reiferen Bipinnaria asterigera eingetreten ist, so kömmt die rechte Seite des Magens, ‘wo die Rosette der Blinddärm- chen anliegt, nach oben und sofort an die Bauchseite des Seesternes. | . | Zur Zeit, wo die Seesternkappe einen noch nicht ge- schlossenen Kranz von Stacheln entwickelt hat, sieht man sehr schön, wie die Blinddarmrosetle mit dem beschriebenen wimpernden Sack zusammen hängt, der zur Seite des Schlun- des liegt und wie von diesem Sack die Röhre in den Rük- kentheil des Seesterns ganz nahe am Rande desselben ein- tritt, es ist dieselbe Röhre, die schon in der jungen Larve vorhanden war und vom Rückenporus der :Larve ausging. Es ist der spätere Steincanal. Der damit zusammenhängende Sack mit kreisender innerer Bewegung, wird später eniwe- der resorbirt werden oder mit in den Leib des Seesterns als Anhang des Wassergefässsystems aufgenommen. Das Hervorbrechen der Tentakeln habe ich nicht mehr Gelegen- heit gehabt zu sehen. Unser Seestern ist auch noch ganz ungefärbt. Wo die gegenwärtige Beobachtungsreihe aufhört, setzen die schon veröffentlichten Beobachtungen an der Bi- pinnaria asterigera den Faden weiter fort, deren Seestern die Arme und die Tentakeln bereits hervorgetrieben hatte, während der Zusammenhang mit der Larve noch wie im gegenwärtigen Fall ist. In der zweiten Abhandlung über die Larven der Echinodermen, habe ich bei der Bipinnaria asterigera darauf hingewiesen, dass der Steincanal des See- sterns wahrscheinlich mit einem Raum der Larve communi- eiren werde, in welchem an lebenden jungen Bipinnarien Rotation von Wimperbewegung beobachtet war. Dies hat sich für einen bestimmten Zeitraum der Entwickelung voll- kommen bestätigt. Es ist der mit der Röhre des Porus zu- sammenhängende Sack, welcher beim Schlunde der Larve liegt. Dieser Sack hat eine genauere Beschreibung gefunden als in den früheren Mittheilungen. Er ist in der gegenwär- 478 tigen, Larve nur einseitig und nur ein Mal‘ vorhanden. In der andern in Helsingör von. mir, in Ostende von Van Be- neden beobachteten Art von Bipinnaria schienen zwei Blinddärme vorhanden und durch einen Mittelraum verbun- den zu sein, damals war aber die Wurzel dieser Theile, nämlich die Röhre mit ihrem Porus, nicht zur Beobachtung gekommen. Frei ohne Zusammenhang mit der Larve habe ich den Seestern der Bipinnaria von Triest nicht gesehen, wohl aber einen ähnlichen nicht stacheligen und etwas kleineren. Dieser hatte nur 1,‘ im Durchmesser, war pentagonal; der Rücken enthielt ein dichtes Kalknetz. Die 5 Ecken erhoben sich in Spitzen, deren Kalkfiguren den Stacheln jenes Sterns nicht ähnlich waren, auf der Bauchseite ein Kranz von 10 Füsschen, mit denen das undurchsichtige dunkle Thierchen kroch und auf dem Glase tastete. Dieser Stern gehört, ohne Zweifel einer andern Art an. Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich, dass die in der vorigen Abhandlung ausgesprochenen Ideen über: den Gang der Entwickelung der Echinodermen, über den Steincanal und die Madreporenplatte als Residua der Anlage des Was- sergefässsystems in der Larve und den Porus am ‚Rücken der Larve, welche das Erste sind, was sich vom Echinoderm in der Larve bildet, in den Holothurien, ‚Seeigeln und Aste- rien zugleich bestätigt sind. Die einzigen Echinodermenlarven, in denen ich- diesen Porus zwar. gesucht, aber bis jetzt nicht habe auffinden kön- nen, sind die. Ophiurenlarven, die aber wegen der zusam- mengedrückten Gestalt ihres Schirms eine befriedigende Un- tersuchung der concaven Seite des Schirms, ‘wo der: Umbo analog den Seeigellarven liegen könnte, nicht gut zulassen. Ein zweiter Artikel wird von den Ophiurenlarven des adri- atischen Meeres handeln. Ueber die Sexualorgane der Eudoxia. Von Dr, Wırn. Busch. —_. W ihrend wir bei den Schirmqnallen durch Siebolds sehöne Untersuchungen schon die Trennung der Geschlech- ter kennen, sind wir über die Geschlechtsverhältnisse der sogenannten Röhrenquallen noch sehr im Unklaren. Die meisten Beobachtungen haben wir über Thiere aus der Abtheilung der Physophoriden. Milne Edwards sah im Innern der Saugröhren rothe Streifen, welche aus sphä- rischen Körperchen, die er für Eier hielt, bestanden. Ferner bemerkte er in dem Kerne der kurzen ovalen Bläschen, die sich bei diesen Thieren zwischen den Saugröhren befinden, eine milchartige Materie, die von spermatozoenartigen Kör- perchen wimmelte, wesshalb er diese Bläschen für Ho- den hielt. Gegen die erstere Behauptung tritt Sars in seiner Be- sehreibung der Agalmopsis elegans auf (cf. fauna littor. Nor- veg. pag. 34): er hat diese Körperchen ebenfalls beobachtet, aber nie ein Keimbläschen bei denselben entdecken können, will sie daher nicht als Eier betrachten. Dagegen sah er an einigen Exemplaren seiner Physophoride zwischen den Saugröhren traubenförmige Organe vom Reproduktionska- 480 nale herabhängen, in deren Innerem er „‚Biäschen mit zwei andern ineinandergeschachtelten Bläschen, also eiähnliche Körper“ beobachtete. Was nun die männlichen Geschlechtsorgane betrifft, so stimmen Sars Beobachtungen mit denen von Milne Ed- wards überein. Er sah die kleinen, ovalen, wasserhellen Blasen am Reproduktionskanale (a. a. O. tab. V. Fig. 2. 3. Pf. fu. tab. VI. Fig. 12.13.) sich weiter entwickeln, indem die äussere Hülle sich von dem Kerne isolirte und sich dann am unteren Ende öffnete. In dem Kerne bildete sich eine Höhle, in welcher zahllose kugelförmige Körper wie von Wimpern herumgewirbelt wurden. Zwischen der Wand dieser Höhle und der äussern, den Kern umgebenden Haut, fand er die Saamenthierchen oder deren Entwicklungskugeln. Ferner beobachtele aber Sars, dass diese die männli- chen Geschlechtstheile enthaltenden Bläschen sich von dem Nahrungskanale ablösten, und selbstständig frei im Wasser umherschwammen. Er hält sie desswegen für Gemmen, die ihrer Mutter nie ähnlich werden, und die das zweite Glied in dem Wechsel der Generation darstellen. Eine dritte Beobachtung ist von Vogt an der Stepha- nomia und einer andern: Physophoride, die er nicht näher bestimmt, gemacht worden. Er will gefunden haben, dass ö dasselbe Individuum: männliche und weibliche Geschlechts- organe habe; denn in einem Theile der vom Reproduktions- kanale herabhangenden Blasen befänden sich Saamenthier- chen, in dem andern runde Körper, „die wohl Eier sein dürften.‘* | Ich selbst habe nie Gelegenheit gehabt, eine vollstän- dige Physophoride im lebenden Zustande untersuchen zu können, nur ein Mal beobachtete ich in Triest ein abgerisse- nes Stück des zusammengesetzien Nahrungskanals, das un- zweifelhaft einer Physophoride angehörte, da’ die Struktur ihrer Saugarme ganz von der bei den Diphyiden abwich’und vollständig mit ‘der von Eschholz bei Apolemia 'abgebil- 481 deten übereinstimmte. Auch hier standen zwischen den so- genannten Saugröhren viele der ovalen, wasserhellen Blasen, die Milne Edwards, Sars und Vogt anführen; und bei einigen liess sich auch schon deutlich die Trennung des Kernes von der äusseren Hülle und die körnige Struktur der Wände dieses Kernes beobachten. Leider war aber keine dieser Blasen weit genug vorgeschritten, um schon entwickelte Saamenthierchen zu zeigen; ich zweifle jedoch keinen Augenblick, dass diese Organe es sind, in denen man sie später angetroffen haben würde, Einmal nämlich sahen sie in diesem Stadium ganz dem unentwickelten männlichen Geschlechtsapparate der Eudoxia gleich (s. unten) und zwei- tens stimmt die von Sars beschriebene weitere Ausbildung derselben vollständig mit dem entwickelten Kolben in der Schwimmhöhle der Eudoxia überein (s. unten). Die traubenförmigen Eierträger, wie sie bei Agalmop- sis vorkommen, habe ich an dem kleinen defekten Stücke, welches mir zur Untersuchung vorlag, nicht bemerken kön- nen, über die von Vogt für Eier gehaltenen runden Kör- perchen aber kann ich Einiges anführen. Unter den wie Knospen aussehenden Blasen zeigen nämlich einige nicht den deutlich entwickelten Kern oder Kolben in ihrem In- nern. Presst man sie stark unter dem Mikroskope, so be- merkt man an den Wänden der vorher ganz wasserhell aussehenden Organe sehr zarte, dünnwandige, grösstentheils ovale Zellen, in denen ich aber nie eine doppelte con- centrische Einschachtelung bemerken konnte. Die meisten umschlossen nur ein einfaches Bläschen, wenige derselben enthielten zwei, die dann aber ganz von einander getrennt waren. Lässt schon diese Struktur daran zweifeln, dass diese Organe die Eier enthalten möchten, so bestärkt hierin noch die Sarssche Beobachtung, die in ganz anders aussehenden Organen Eier nach weist. Bei der zweiten Abtheilung der Röhrenquallen, den Di- phyiden, wurde gewöhnlich seit Meyen ein kleines, glok- Müller’s Archiv. 1850. 31 482 kenförmiges Organ, welches bei den eigentlichen Diphyes neben jedem Magen des zusammengesetzten Nahrungskanals und bei der Eudoxia neben dem einfachen Magenrohre sich vorfindet, für das Fortpflanzungswerkzeug gehalten. Sars hat in dem Kerne dieses Bläschens ebenfalls Eier gesehen, will es aber als Gemme betrachtet wissen, „„als ein neues hervorwachsendes, der Mutter unähnliches Individuum einer zweiten Generation.‘ Was ich über dieses Organ beobachlet habe, werde ich nächstens in einer ausführlicheren Abhandlung auseinander- setzen, die, sobald es die Umstände erlauben, erscheinen wird, und auf die ich auch einstweilen wegen der hier feh- lenden Abbildungen verweisen muss; — hier genüge nur, dass diese Blase oder Knospe bei unsrer Eudoxia gleichzei- tig neben den entwickelten Geschlechtsorganen vorkommt, also jedenfall* eine andere Bedeutung haben muss. Am Boden der Schwimmhöhle der Eudoxia, gegenüber dem Magen und den Saugarmen des Saugröhrenstücks, ent- wickelt sich ein kleiner Knopf, welcher bald zu einem Kol- ben heranwächst. Das Innere des Kolbens ist hohl und wahrscheinlich mit Flimmerepithelium ausgekleidet; denn fortwährend werden kleine Kugeln in demselben herumge- wirbelt. Diesen Kolben erwähnt Will schon, welcher sei- netwegen die beobachteten Exemplare für Ersaeen erklärte, indem er glaubte, dieses Organ sei es, welches Eschscholtz „für eine kleine Schwimmhöhle‘“ gehalten, .„„die wie eine Röhre hervorrage.“ Die von ihm beobachteten Exemplare sind jedoch zweifelsohne Eudoxien; da sie eine einzige Saugröhre und ein Saugröhrenstück ohne Schwimmhöhle haben. Eschscholtz kannte freilich diesen Kolben nicht; denn weder in seinen Abbildungen noch in seinen Beschreibungen findet sich eine Spur davon. Beobachtet man nur wenige Exemplare, und vielleicht gerade zur ungünstigen Jahreszeit, so kann man ihn sehr leicht übersehen; denn auch ich habe 483 mehrere Individuen gefunden, in denen man nur eine kleine Andeutung davon am Boden der Schwimmhöhle bemerkte, und hingegen wieder andere, in denen dasselbe Organ in den verschiedensten Entwickelungsstadien war, bis es bei vollständiger Ausbildung mit seiner Spitze fast die obere Oeffnung der Schwimmhöhle erreichte. Dieser fast cylindrische Kolben ist der Träger der ei- gentlichen Geschlechtstheile, welche sich in seinen Wänden um seine obern zwei Drittheile herum entwickeln; so dass bei vollständiger Ausbildung das Organ ein birnförmiges Aus- sehen hat. Ein Individuum trägt die Eier, ein anderes den Saamen. Die Eier mit ausserordentlich deutlichem Keim- bläschen und Keimfleck liegen in grossen Kapseln. Die Zoospermien liegen wie gewöhnlich in Bündeln zusammen, sie haben rundliche glashelle Köpfchen mit einem feinen Fadenanhange. Die Hoden sind, wenn die Männchen voll- ständig reif sind, so geschwollen, dass es schon genügt, dem Thierchen auf der Glasplatte das Wasser zu entziehen, um durch den Druck der oberen Körpertheile auf die un- teren das Austreten der Saamenflüssigkeit zu bewirken. Hiernach würde Siebold’s Vermuthung, dass die von Will beobachteten Entozoen die Saamenthierchen sein möchten, nicht haltbar sein; diese Entozoen, welche übri- gens in allen Höhlen dieser Thiere vorkommen, haben eine viel bedeutendere Grösse, als die winzigen Zoospermien. Noch muss ich bemerken, dass, je reifer die Individuen sind, desto leichter die Thierstücke sich von einander zu trennen scheinen; denn während man bei unreiferen Exem- plaren Schwimmhöhlenstück und Saugröhrenstück sehr häu- fig im Zusammenhange findet, werden diese Theile, sobald die Geschlechtstheile strotzen, fast stets vereinzelt einge- fangen. Inwieweit die vonEschscholtz beobachteten Keime“ in den Schwimmhöhlen der Ersaea und Aglaisma (s. System der Akal, tab. XII. Fig. 3.d und 5. c) mit den Geschlechts- 31* 484 organen der Eudoxia übereinstimmen, kann ich, ohne diese Thiere im lebenden Zustande untersucht zu haben, nicht entscheiden. Einmal ist ihre Anordnung ganz verschieden von der bei den Eudoxien, und dann wissen wir gar nichts Genaueres über ihre Struktur. Eschscholtz’s Gründe, dass diese Körper zur Fortpflanzung der Art bestimmt sind, be- stehen nur darin, „‚dass man sie nur bei einigen Individuen antrifft, also schliessen muss, dass es Theile sind, die zar Erhaltung des Körpers nicht nothwendig sind,“ Wären diese Organe bei jenen Röhrenquallen dieselben, wie bei den unseren, so würden wahrscheinlich auch dort die männli- chen und weiblichen Zeugungstheile auf verschiedene Indi- . viduen vertheilt sein; sicher wissen wir dies jedoch bis jetzt nur von der Gattung Eudoxia. So bleiben noch wichtige Fragen, über den Plan, den die Natur bei den Geschlechtsorganen der Röhrenquallen befolgt hat, ungelöst. Sind die Physophoriden Zwitter, dann würde das flaschenförmige Organ der Agalmopsis nicht eine Gemme, sondern einfach der Träger des Saamens sein. Oder: löst sich der traubenförmige Eierstock ebenfalls los, und führt ein freies von der Mutter unabhängiges Leben, dann ist diese Röhrenqualle geschlechtslos, und erst die klei- nen ihr ganz unähnlichen Knospen tragen die geschlechtlich zeugenden Organe. Endlich bleibt noch zu ermitteln, ob die sämmtlichen Diphyiden, wie unsere Eudoxia, in Geschlech- ter getrennt sind oder nicht. Ueber eine eigenthümtiche Wurmlarve, aus der Classe der Turbellarien und aus der Familie der Planarien. Von Jos. MüLLer. | Hierzu Tafel XI. und XM. — Eine Metamorphose nach eigenthümlichen Larvenzuständen scheint in der Classe der Turbellarien nicht gewöhnlich zu sein. Die Natur hat ihnen die Wimperbewegung der gan- zen Körperoberfläche, welche die schwärmenden Embryen und Larven vieler niedern Thiere auszeichnet, für die ganze Lebensdauer gewährt und nach dem Eileben scheint ihr Körper meist keiner grossen Gestaltveränderung unterworfen zu sein. v. Siebold hat die Entwickelung der eigent- lichen Planarien des süssen Wassers beschrieben. Der an- fangs kugelförmige Embryo plattet sich später ab, wächst nach zwei entgegengesetzten Enden aus, und nimmt zu- letzt, nachdem auch die Augenpunkte zum Vorschein ge- kommen sind, eine den ältern Planarien ganz ähnliche Form an*). Auch die rhabdocoelen Strudelwürmer gleichen nach den Beobachtungen von O. Schmidt, in ihrer jüng- sten Gestalt den erwachsenen, und es findet sich in ihrer Entwickelung nichts, was mit einer Metamorphose verglichen *) v. Siebold Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wir- bellosen Thiere. S. 171. 486 werden könnte*). Die in den Eileitern sich selbstständig bewegende längliche Brut des Polycelis pallidus, einer ma- rinen Planaria vergleicht Quatrefages einer Larve. Die Aehnlichkeit der Turbellarien, namentlich in ihrem Jugendzustande mit Infusorien, ist von Mehreren bemerkt worden; einer der berühmtesten Zoologen versteht aber diese Uebereinstimmung viel bestimmter, dass nämlich gewisse Formen von Infusorien die Jungen von Turbellarien seien. Nach einer kurzen Notiz von Agassiz sollen die Infusorien der Gattungen Kolpoda und Paramaecium Larven von Pla- narien sein. Proceedings of the american association for the advancement of science. Second meeting. Boston 1850. p. 438. Ebendaselbst p. 402 führt Girard an, dass’ Kolpoda cucullus nach Agassiz ein embryonisches Stadium einer Species von Süsswasserplanarien sei. In den Jectures on embryology von Agassiz in Daily evening traveller. Bos- ton Jan. 13. 1849 wird Paramaecium Aurelia als Planarien- larve bezeichnet Aus den Eiern einer Planaria sah nämlich Agassiz Wesen gleich jenem Infusorium hervorkommen. Es wird dann auf die Saugnapfförmigen Scheiben jener Parua- maecium hingedeutet. Die dort im Holzschnitt abgebildete „junge Planaria‘, auf welche als ein Beispiel der Infusorien- ähnlichkeit hingewiesen wird, scheint aber mit zwei Augen versehen zu sein; sie gleicht nach der Lage des Saugnapfes sehr einem Thier der Turbellariengattung Schizostomum Schmidt, weniger Mesostomum. Aber sowohl die Schizo- stomum und Mesosiomum als die eigentlichen Planarien des Süsswassers verwandeln sich nicht und kann jene Saug- scheibe nicht, wie dort geschieht, mit den sternförmigen contractilen Blasen der Paramaecium und anderer Infusorien verglichen werden. Auch ist die Längseintheilung der Pa- ramaecium eine den Infusorien eigene Erscheinung. *) E. 0. Schmidt die rhabdocoelen Strudelwürmer des süssen Wassers. Jena 1848. $. 20. | 487 In den eben angeführten Proceedings p. 398 ist die Dotterfurchung und Embryologie einer marinen Planaria von Girard abgehandelt. Der Embryon gleicht, wenn er das Ei verlässt, einem Infusorium; er schwimmt, indem er sich um seine Achse dreht; seine Gestalt ist bald regelmässig und symmetrisch, bald wieder je nach den Bewegungen des Kör- pers unsymmetrisch, vielgestaltig oder ungestaltet. Nach 8 — 10 Tagen soll das junge Thier eine unbewegliche Puppe von walzenförmiger Gestalt werden. Der Verfasser zieht seine Planaria zur Gattung Planocera Bl. Beim Embryon sind aber Augen angeführt. Dies ist alles, was mir in der Literatur über junge Planarien bekannt geworden. Die wimpernden Embryen der Polypen, Medusen, Bryo- zoen und Würmer haben natürlich im Allgemeinen viel Aehnlichkeit mit Infusorien und es ist denkbar, dass hin und wieder ein solcher Embryon einem Beobachter als Infuso- rium erschienen ist. Das Feld der Verwechselung wird aber sehr: klein, wenn man bedenkt, dass die Infusorien grösstentheils dem Süsswasser angehören und dass uns die Embryen der Würmer des Süsswassers, der Räderthiere, der Aleyonellen grossentheils anderweitig schon bekannt sind, Vergleicht man ferner die wimpernden Embryen der Poly- pen, Medusen, Bryozoen und Würmer näher mit den Infu- sorien, so findet sich, dass die Uebereinstimmung in der Re- gel nicht tiefer geht, und es ist nicht wahrscheinlich, dass durch die fortschreitende Kenntniss der Embryen der niede- ren Thiere die Fauna der Infusorien sich wesentlich verän- dern oder vermindern werde. Viele und die mehrsten von denjenigen Würmern, wel- che eigenthümliche Larvenzustände besitzen, haben zu dieser Zeit discrete Räderorgane, Unter diese Würmer mit discre- ten Räderorganen gehört die ausgezeichnete Larve aus der Classe der Turbellarien und Familie der Planarien, welche ich nun beschreiben werde und welche auf Tafel XII. und XUI, abgebildet ist, Sie ist weder mit den Infusorien noch 488 mit den Räderthieren vergleichbar und dasselbe gilt von mehreren meinen Begleitern vorgekommenen und von ih- nen zu beschreibenden Wurmlarven. So mannigfaltig und zahlreich die Formen der uns vorgekommenen schwärmen- den Embryen und Larven des Meeres sind, so sind sie doch allemal vergeblich in Ehrenberg’s Werk über die "Infusorien und Räderthiere aufgesucht worden. Unsere Larve ist mir zuerst in Marseille und hernach wieder in Nizza aufgestossen, sie ist aber damals nicht oft genug vorgekommen, um ein vollständiges Bild von ihr zu entwerfen, auch ist mir ihr Endziel damals unbekannt geblieben. In Triest dagegen kam die Larve sehr häufig und am häufigsten im Hafen selbst vor. Das Thierchen ist im ‘ Larvenzustande von „1,“ an bis 2,‘ Grösse gesehen. Wenn es die letztere Grösse erreicht hat, verliert es seine Larven- organe und wird auf die Gestalt einer Planaria reducirt. Die kleinsten Individuen haben einen noch mehr rund- lichen Körper, von welchem 8 rädernde Fortsätze abgehen. Diese Fortsätze sind jetzt noch so gross, dass sie zum Theil bis an’s hintere Ende desKörpers oder darüber hinausreichen. All- mählig verlängert sich der Körper und plattetsich ab, ohne jedoch so platt zu sein, wie nach vollendeter Verwandlung. Mit dem fortschreitenden Wachsthume des Körpers halten die Fortsätze später nicht gleichen Schritt, gegen das Ende des Larvenzu- standes nehmen sie rasch ab bis zum gänzlichen Verschwin- den. Obgleich die einzelnen Fortsätze sich theils an ihrer Gestalt, theils an ihrer Lage zu jeder Zeit der Entwickelung wiedererkennen lassen, so ist doch ihre relative Stellung zum Körper in den kleinsten Individuen schwer zu bezeichnen, so lange sich dieser nicht verlängert und abgeplattet hat. Ich werde daher diese Fortsätze nach schon älteren Exem- plaren von 3,, > — 5“ beschrieben, an denen sich vorn und hinten, rechts und links, Bauchseite und Rückseite mit Sicherheit unterscheiden lassen. Der Körper der Larve bildet dann ein plattes Oval, 489 welches vorn stumpf abgerundet, hinten etwas zugespitzt endigt. Der vordere Theil des Körpers ist schon durch die schwarzen Augenpunkte bezeichnet, von“ denen.in den jüng- sten Larven von „1; Grösse nur 2 vorhanden waren, spä- ter 12 vorhanden sind. Die Bauchseite giebt sich zu erken- nen durch den in der Mitte der Körperlänge befindlichen runden ansehnlichen Mund, der von einem dicken ringför- migen Wulst umgeben', hierdurch fast die Gestalt eines Saugnapfes erhält. Der ringförmige Wulst zeigt eine radiale Streifung. Der häutige Grund:dieser Vertiefung enthält erst wieder in der Mitte die eigentliche oder !kleinere Mundöff- nung, welche ich niemals in einen Rüssel verlängert oder vorstehend gesehen habe. Auf der Rückseite über das vor- derste Viertheil des Körpers vertheilt befinden sich die 12 schwarzen runden Augenpunkte. Davon sind die 4 hinter- sten grösser und stehen näher bei einander, bald in einem Bogen, bald mehr zusammengedrängt in Form eines Vier- ecks. Von diesen 4 hintersten Augenflecken sind die zwei hintern immer etwas weiter von einander entfernt als die vorderen. Die übrigen Augenflecke stehen weit von jenen entfernt, theils näher dem vordern Rande, theils nach aussen und vorn. Am meisten nach vorn stehen 4 Augenflecke, von denen die äusseren etwas mehr zurückstehen. Zwischen der vorderen und hinteren Gruppe befinden sich noch zwei einzelne Augenpunkte und seitlich von diesen, weiter nach aussen und vorn jederseits ein einzelner Augenpunkt. Diese 12 Augenflecke sind an Larven von 2,— 2,‘ Grösse in der Regel constant vorhanden. Einmal wurden 16 gesehen, indem die am meisten nach aussen gelegenen verdoppelt waren. Liegt das Thierchen ruhig, so lassen sich sämmtliche Augen sowohl von der Unterseite, als deutlicher auf der Oberseite erkennen; die vier hintersten Augen sieht man auch bei den Bewegungen des Thiers in der Regel deutlich, die übrigen sieht man an dem bewegten Thier nicht immer alle zugleich, theils wegen der Gestaltveränderungen des 490 Körpers, vielleicht auch, weil sie nicht so oberflächlich ge- legen zu sein scheinen wie die 4 hintern. Die ganze Ober- fläche des Körpers und der sogleich zu beschreibenden 8 Fortsätze wimpert, dabei aber hat die Larve ein sehr merk- würdiges über die 8 Fortsätze ausgezogenes Räderorgan, dergestalt, dass die wimpernde oder rädernde Linie sich von . einem auf den andern Fortsatiz continuirlich fortsetzt und alle Fortsätze zusammen eine fortlaufende und in sich zu- rücklaufende Radbewegung darbieten, welche das Thier beim Schwimmen in Thätigkeit setzt, zuweilen aber stille- haltend völlig nach seinem Willen beruhigt, während die all- gemeine Wimperbewegung des ganzen Körpers und der Fort- sätze unter allen Umständen fortdauert. Drei von den Fortsätzen befinden sich auf der Bauch- seite, nämlich einer in einiger Entfernung vor dem Mund, die beiden andereu zu den Seiten des Mundes. Drei an- dere Fortsätze befinden sich auf der Rückseite des Thiers, davon der vordere unpaare dicht hinter der hintersten Au- gengruppe, die beiden andern dorsalen Fortsätze befinden sich rechts und links viel weiter nach hinten, noch hinter der Mitte der Länge des Thiers. Zwei Fortsätze befinden sich an den Seitenrändern des Thiers, ohngefähr in der Mitte der Länge desselben. Die mehrsten Fortsätze sind cylin- drisch, etwas abgeplattet, am Ende abgerundet. Der vor- dere ventrale Fortsatz ist dagegen vierseitig, eine an der Insertion schmalere, am freien Ende viel breitere Platte, welche vom Körper abstehend nach rückwärts gerichtet ist und mit ihrem Ende bis gerade zur Mundöffnung reicht. Der vordere dorsale Fortsatz hat eine fast conische Ge- stalt. Das Thier kann alle Fortsätze bewegen. Die wim- pernde Linie oder der Wimpersaum der Fortsätze steigt an jedem Fortsatz an der einen Seite herauf, biegt am Ende um, steigt auf der andern Seite herab und geht dann auf den nächten Fortsatz über. Die zwei dorsalen hintern Fort- sätze, welche weit entfernt von dem vordern dorsalen Fort- 491 satz stehen, sind mit jenem durch zwei erhabene Linien, die Continuation des Wimpersaumes verbunden. An der Bauch- seite geht der Wimpersaum vom breiten mittleren Fortsatz auf die beiden seitlichen ventralen Fortsätze, von diesen auf die marginalen Fortsätze, von diesen auf die hintern dorsa- len und von diesen wieder auf den vordern dorsalen Fort- satz über. Wenn das Organ in Thätigkeit ist, so läuft die Scheinbewegung überall in der Art fort, dass sie, die Larve auf den Rücken angesehen, von der Linken zur Rechten geht, nämlich vom linken hintern dorsalen Fortsatz nach dem lin- ken Rand des vordern dorsalen Fortsatzes, vom rechten Rand des letzten auf den rechten hintern dorsalen Fortsatz; wenn sie an diesem herauf- und herabgegangen, auf den rechten marginalen. von diesem auf den rechten ventralen, von da auf den unpaaren ventralen Fortsatz übergeht und zuletzt wieder am hintern linken dorsalen Fortsatz anlangt. Das Ganze bildet also eine in sich zurücklaufende sogenannte Radbewegung und muss man sich das Organ als einen eirkelförmigen Wimpersaum vorstellen, der um die Larve mit einigen Winkeln herumgeht und auf 8 Fortsätze ihres Körpers ausgezogen ist. Beim Schwimmen kreiset das Thierchen sehr schnell und dreht sich zugleich um seine Achse. Beim Liegen ist es meist auf die ventralen Fortsätze, besonders auf den brei- tern ventralen Fortsatz aufgestützt. Hierbei ist der Vorder- theil des Körpers etwas aufgerichtet, etwa wie der Rumpf eines Frosches in sitzender Stellung. Das Thierchen scheint sich der drei ventralen Fortsätze zugleich zum Festhalten bedienen zu können. Die Farbe des Thiers ist im Allgemeinen graugrünlich oder schmutzig grün, gegen den Rand hin etwas heller, un- ter dem Mikroskop ist der grösste Theil des Körpers dunkel und undurchsichtig, der Randtheil enthält zerstreute gelb- röthliche rostfarbene Pigmentkörner eingestreut. Diese sind auch in der übrigen Haut zerstreut, aber bei der Undurch- 492 sichtigkeit des grössten Theils des Körpers schwerer sicht- bar. Die Gegend vor dem dorsalen Fortsatz ist etwas heller und mehr durchscheinend als der übrige Körper. Der Darm und andere innere Theile lassen sich nicht genau unterschei- den. Doch scheint der Darm ästig wie in den Planarien, darauf sind dunkle ästige Figuren anzusehen, welche den den grössten und besonders den mittlern und hintern Theil des Körpers und vorn hin die Seiten einnehmen und den Rand nicht erreichen. Durch Compression lässt sich das Innere nicht klarer machen, der leiseste Druck verwandelt an dieser äusserst verletzlichen Larve Alles in einen Brei von Kugeln. Nur die mikroskopische Structur der Haut hat sich auf diese Weise und unter Anwendung starker Vergrösserungen ermitteln lassen. Es kommen theils die Wimperzellen der Haut, theils die bei den Strudelwürmern gewöhnlichen Hau- . fen von stabförmigen oder spindelförmigen Körpern zum Vor- schein, welche bei unserer Larve „Ü,— 1,‘ Länge haben und in der ganzen Haut zerstreut sind, wovon jedoch die Fortsätze eine Ausnahme zu machen scheinen. Ihre Bil- dungsorgane sind Zellen von „4,‘, in denen sie haufen weise eingeschlossen sind. Sie wurden mit den stabförmigen Kör- pern von Thysanozoon Diesingü, verglichen, welche auch v. Siebold zum Theil in Zellen, zum Theil frei fand. Diese haben „A, — 723,5 Grösse. Es gelang an letztern den Nes- selfaden zu sehen, der diesen Körperchen die gleiche Bedeu- tung wie den Nesselorganen der Medusen und Polypen er- theil. An unserer Larve waren die Fäden der spindelför- migen Körper im Zusammhange mit diesen nur sehr schwer sichtbar. Die beim Zerdrücken des Thierchens erscheinenden Wimperzellen sind mit einem Kern versehen, nach der Ab- gangsstelle des Bausches von Wimpern zugespitzt. Diese Beobachtungen über die Structur der Haut rühren von mei- nem Sohne her, der auch einen sehr kleinen Borstenwurm (von 2) ohne Augen mit stabförmigen ‘Körpern in der 493 Haut beobachtet und gezeichnet hat. Die letztere Beobach- tung ist von einigem Interesse in Beziehung auf die noch streitigen Grenzen der Borstenwürmer und Turbellarien. Die Verwandlung besteht einfach darin, dass die ältern Thierchen länger und platter, und die Fortsätze immer kür- zer werden, bis sie ganz eingehen. Schon ehe es so weit gekommen, verliert sich die Radbewegung allmählig an den Fortsätzen und die Thierchen kriechen jetzt umher statt mit- telst der Wimpersäume zu schwimmen. Dass wir es mit derLarve einer Turbellarie zu thun haben, geht schon aus der über den ganzen Körper verbreiteten Wimperbewegung, dann auch aus der grossen Zahl der Au- genpunkte hervor, welche in dieser Weise nur bei Turbella- rien vorkommen. Zur Familie der Nemertinen gehört unser Thierchen nicht, eben so wenig zur Familie der Gyratricina, sondern entschieden zur Familie der Planarien. In Beziehung auf die Bestimmung der Gattung, zu wel- cher die Larve und das Thier nach vollendeter Verwand- lung zu ziehen ist, ist es von besonderer Wichtigkeit, die Form des Kopfes richtig zu bestimmen, welcher bei den mehr- sten Gattungen der Planarien ohne Tentakeln, bei andern mit 2 Tentakeln besetzt ist, deren Stellung und Form wie- der für die Gattungen characteristisch ist. An den älteren Larven ist der vordere Rand des Kopfes nicht mehr so gleich- föormig abgerundet, sondern gerader, so dass er mit stumpfen Ecken in den Seitenrand umbiegt, der vordere Rand ist dann je nach den Bewegungen des Thiers bald quer abge- schnitten, bald zweiseitig, indem er in der Mitte mit leich- ter Biegung hervortritt. Auf der Oberfläche des Kopftheils der reiferen Larven erkennt man schwer zwei der Länge nach verlaufende äusserst niedrige Hautwülste, welche kaum noch Spuren von jener Art niedriger Tentakeln sind, wie sie in der Familie der Planarien bei der Gattung Proceros Quatrefages vorkommen. Diese Wülste sind bei der Ansicht von oben schwer oder gar nicht, leichter aber bei der An- 494 sicht des Kopfes von der Seite zu erkennen. Hierzu eignet sich besonders der Gebrauch einer starken Lupe, z. B. wenn man die Combination der Objectivlinsen 1. 2. 3. als Lupe benutzt. Diese Hautwülste sind schon zu erkennen, wenn die Larve noch die Räderfortsätze in voller Entwickelung besitzt, las- sen sich aber leichter wahrnehmen, wenn die kreisende Schwimmbewegung abnimmt oder die Larve längere Zeit ruht oder kriecht. Die Wülste stehen ziemlich weit nach aussen und stehen zu den Augen in keiner Beziehung. Ich würde auf diese schwer sichtbaren Wülste mehr Gewicht legen, wenn sich unser Thierchen nicht von der Gattung Proceros durch die Lage des Mundes entfernte, bei welcher dieser viel weiter nach vorn liegt. Oft wurden Exemplare von 4‘ Länge gefunden, welche nur noch kleine Rudimente der früheren rädernden Fortsätze hatten. Ein Exemplar mit vollständig ausgebildeten Fort- sätzen, welches in einem Glas mit Algen aufbewahrt wurde, hatte nach einigen Tagen nur noch kleine Rudimente der Fortsätze und kroch nun umher, statt wie früher zu schwimmen. Einmal habe ich ein Exemplar von 4‘ Länge gesehen, welches alle Wimperfortsätze völlig verloren hatte und von einer Planarie nicht mehr zu unterscheiden war. Die Ge- stalt des platten Körpers, seine schmutzig grüne Farbe, die in die Haut, namentlich in den Randtheil, eingestreuten gelb- lich rothen Pigmentkörner oder: Zellen von „i,“’ Durchmes- ser, die Häufchen von Spindeln in der Haut, theils frei, theils in Zellen eingeschlossen, die Grösse der Spindeln oder stabförmigen Körper von „4I,— ‚tz‘, der Mund in der Mitte des Körpers, die Stellung der 12 Augenpunkte waren ganz so wie in den Larven. Von Thysanozoon Diesingiüi, welches im Hafen häufig gefunden wird, und von den andern Arten von Thysanozoon weichen die Thiere schon durch die Zahl und Stellung der Augen, dann aber auch durch den Mangel 495 der Tentakel ab. Thysanozoon Diesingüt hat sonst auch die gelben Zellen in der Haut. Eine Planaria von dieser Augenstellung ist eig bekannt. Unter diesen Umständen scheint unser Thierchen als die Larve einer noch nicht beschriebenen Planaria angesehen werden zu müssen. Zur Gattung Proceros kann sie nicht wohl gerechnet werden, weil bei diesen der Mund weit vorn liegt. Dass diese Thiere den Thysanozoon (Aeolidice- ros Quatrefages) nahe stehen, geht namentlich aus der Structur der Haut hervor. Aber wir haben keinen Grund sie damit zusammenzubringen, weil die Charactere dieser Gattung völlig fehlen. Diesing (Systema helminthum Vol. I. Vindobon. 1850.) zieht zur Gattung Polycelis Ehrenb. nur die vieläugigen Süsswasser-Deudrocoelen ohne Tentakeln mit subcentralem Mund, zieht aber die marinen Polycelis zu Leptoplana Eh- renb. und Oersted. Nach den von Diesing zur Gattung Lep- toplana gezählten Arten würde der Mund nicht immer nach vorn zu, sondern wie bei Leptoplana pallida Diesing, Polycelis pallidus Quatrefages auch in der Mitte der Bauch- seite liegen können; ausserdem stellt Diesing die verwandte Gattung Centrostomum mit centralem Mund auf, welche Meer- bewohner, bis jetzt keine Arten aus Europäischen Meeren um- fasst. Welcher der Gattungen, die aus oder neben Polycelis Ehrenb. entstanden sind, unser Thierchen angehört, bin ich sicher zu sagen nicht im Stande, da es diesen Gattungen der- malen noch an sichern Charakteren fehlt. Von der Entwicke- lungsgeschichte werden diese zum Theil erst zu erwarten sein. Auf der andern Seite halte ich die Aufstellung einer besondern Gattung wegen des bis jetzt nur bei unserm Thierchen be- obachteten Larvenzustandes dermalen nicht gerechtfertigt. Der Umstand, dass mir am mittländischen und adriati- schen Meer nur immer eine und dieselbe sich verwandelnde Planaria vorkam, scheint übrigens zu beweisen, dass sie einer 496 Gattung angehöre, die dort nicht durch mehrere oder viele Arten repräsentirt wird. Die noch dunkle Gattung Telostoma Oersted habe ich keine Gelegenheit gehabt zu untersuchen. Man kennt nur die als schmarotzend unter den Planarien einzig daste- hende Art Telostoma Mytili Oersted, welche Diesing zu Teiracelis gezogen hat, und welche, da nur 4 Augen ange- ‘ geben sind, unserm Thierchen fremd sein- muss. Den andern Familien der Turbellarien, nämlich den Gy- ratricinen und Nemertinen ist unser Thierchen jedenfalls fremd. Unter den Gyratrieinen oder Turbellaria rhabdocoela Ehrenb. giebt es, nachdem Leptoplana und Eurylepta zu den Planarien gezogen sind, keine vieläugigen Formen mehr. Mit ‘den Nemertinen hat aber unser Thierchen keine entfernte Aehnlichkeit. Die Ringelwürmer bieten auch keine Vergleichungspuncte dar, zumal wegen der Lage des Mundes und der über den ganzen Körper ausgebreiteten Wimperbewegung. An die Larven von Entozoen ist bei unserm Thierchen am wenig- sten zu denken, weil die Verwandlung vollständig beobachtet ist in ein Thier, welches seine allgemeine Wimperbewe- gung und seine zahlreichen Augen behält und bei der all- gemeinen Form der Planarien die Hautstructur derselben be- sitzt. Der Aufenthalt im Meere würde dagegen kein hin- reichender Grund sein, bei der Vergleichung die Entozoen auszuschliessen; denn einzelne derselben bringen thatsächlich einen Theil ihres Lebens im Meere zu. Die Cercaria inquieta ist von ©. Fr. Müller frei im Meer beobachtet und ist ihr primitiver Aufenthalt bis jetzt noch unbekannt. Bei Mar- seille beobachtete ich wiederholt frei im Meerwasser eine eigenthümliche Cercaria, welche sich durch einen geringelten mit Borsten gefiederien Schwanz auszeichnete, und ich sah auch das davon stammende Distoma nach dem Verlust des Schwanzes frei im Meerwasser, erkennbar als identisch mit der Cercaria sowohl in der Form und Grösse des Kör- 497 pers als noch mehr in den mit der Cercaria gemeinsämen beiden schwarzen Flecken auf dem vordern Theil des Kör- pers. Diese Cercaria ruft die von Nitzsch auf Süsswas- serschnecken beobachtete C. major N. mit geringeltem ge- fiedertem Schwanze ins Gedächtniss. An Pilz- oder Algen- fäden ist nicht zu denken. “Bei unserer Cercaria stehen die Borsten des Schwanzes in regelmässigen Querreihen, 12 Bündel auf jeder Seite der hintern Hälfte des Schwan- zes bildend, an andern Exemplaren waren nur die hinter- sten Bündel erhalten. Das Meerwasser, .worin diese Cerca- rien und Distomen vorkamen, stammte von der Oberfläche des Meeres her und es ist an die Nähe von Schnecken oder Muscheln hierbei nicht zu denken. Ich gab davon eine Notiz in der Gesellschaft naturforschender Freunde im Jahre 1849 und werde das Thierchen gelegentlich mit noch eini- gen andern Larven von niedern Thieren abbilden. Distoma Beroes Will, diese eigenthümliche fein geringelte Art, welche von Dr. Busch auch im Darmkanal der Sagitta öfter wahr- genommen, ist uns bei Triest sehr häufig frei im Meerwas- ser vorgekommen und ganz in derselben Grösse und Form wie sie in der kleinen Sagitta lebt, welche in der Nordsee, dem mittelländischen und adriatischen Meer so häufig ist. Die Existenz einer Metamorphose bei einem Thier aus der Klasse der Turbellarien und Familie der Planarien scheint auch für die Systematik von einigem Interesse zu sein. Wenn es schon gewiss ist, dass eine vollständige Metamor- phose in höchst eigenthümlicher Weise einer ganzen Klasse zukommen kann, wie den Echinodermen, und wenn sie wie- der in einer ganzen Klasse fehlen kann, so ist ihre Gegen- wart in gleicher Weise oder ihr Mangel doch nicht immer für ganze Klassen bindend. Unter den Mollusken kommen in dieser Hinsicht Verschiedenheiten vor. Der Larvenzustand der Anodonten weicht von dem der andern Bivalven gänzlich ab. Unter den Gasteropoden sind ebenfalls Ausnahmen bekannt. Die Cephalopoden besitzen gar keine Metamorphose. Die Müller’s Archiv. 1850. 32 498 Tunicaten besitzen sie in ganz eigenthümlicher Weise, so ab- weichend, dass es gerechifertigt schien, sie von den Mollus- ken gänzlich loszureissen. Gleichwohl besitzen die Larven der Ascidien mit den Embryen der Bryozoen nicht die ge- ringste Aehnlichkeit. Ich bin der Meinung, dass die Gegen- wart der Metamorphose in gleicher Weise zuweilen für eine ganze Klasse, zuweilen nur für eine Familie, zuweilen nur für eine Gattung bindend oder charakteristisch ist, und dass sie umgekehrt bald einer ganzenClasse, bald einer Familie, bald nur einer einzelnen Gattung versagt ist. Unter den Polypen der Abtheilung Hydroidea machen gerade die Hydren eine Aus- nahme, dass sie sich nicht verwandeln und dass sie keine Me- dusenbilder sind. Dass die Acalephen und eigentlichen Poly- pen vereinigtwerden müssen, kann nicht bezweifelt werden. In der hierdurch entstehenden Klasse wird es sowohl polypen- artige Formen, welche polypenartig bleiben wie die Hydren und Actinien, als solche, die Medusen erzeugen wie die Tubu- larien und Campanularien und auch medusenartige For- men, welche sich nicht verwandeln, geben. Wenn die Me- tamorphose und der Generationswechsel unter den Schirm- quallen sehr verbreitet, vielleicht allgemein ist, so scheinen dagegen die Rippenquallen oder ciliograden Medusen nach unsern Beobachtungen von Helgoland und Triest von aller Metamorphose gänzlich ausgeschlossen. Die jüngsten mikros- kopischen Exemplare von Beroen, die uns vorgekommen, bis „, Linie herab, sind in ihrer Form und Structur wiein ihren Lebenserscheinungen vollkommen mit den erwachsenen übereinstimmend. Fig. 1. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 10. ! 499 Erklärung der Abbildungen. Die Larye von der Rückseite, wobei 9 Fortsätze mit ihrem Räderorgane sichtbar sind, nämlich die 3 dorsalen Fortsätze und die beiden seitlichen Fortsätze. Der Mund scheint von der Bauchseite durch. Grösse 75‘. Die Richtung der Rad- bewegung ist durch Pfeile angedeutet. Eine andere Larve von der Rückseite, Eine Larve von der Bauchseite, auf dem Glase aufliegend. Man sieht den Mund und 4 Fortsätze, nämlich die seitlichen und hintern dorsalen Fortsätze. Die 3 ventralen Fortsätze sind bei durchscheinendem Lichte nicht sichtbar, dagegen in mit dem Lauf der Wimperschnur dargestellt. a. Der vordere ventrale Fortsatz. bb. Die hinteren ventralen Fortsätze. ec. Die seitlichen Fortsätze. ee. Die hinteren dorsalen Fortsätze. Eine Larve mit der Bauchseite schief aufwärts gekehrt. a. Der vordere ventrale Fortsatz. bb. Die hinteren ventralen Fortsätze. ec. Die seitlichen Fortsätze. d. Der vordere dorsale Fortsatz. ee. Die hinteren dorsalen Fortsätze. Eine Larve in sitzender Stellung mit einer starken Lupe von der Seite angesehen, Bezeichnung wie vorher. f, f. Die Längswulste auf der Oberseite des Kopfes. Die Längswülste auf der Oberseite des Kopfes von oben ge- sehen. Dieselben von vorn und oben. Eine Larve im Wasser schwebend, so dass die Längsachse senkrecht steht und das hintere Ende aufwärts gekehrt ist. Man übersieht den ganzen Lauf der Wimperschnur. Die Richtung der Radbewegung ist durch Pfeile angedeutet. Bezeichnung der Fortsätze wie in Fig. D. Eine sehr junge Larve von 7!‘ Grösse, von der Rückseite, stärker vergrössert. Fig. 11— 15. Larven in verschiedenen Stellungen im Wasser schwe- bend. 3a* Fig. 13. Fig. 14. Fig. 19. . Eine Larve auf den Rücken angesehen, man sieht die 3 dorsalen und die seitlichen Fortsätze. . Eine Larve auf die Bauchseite angesehen; man sieht die 3° ventralen, die seitlichen und hintern dorsalen Fortsätze, Dieselbe Larve so schwebend, dass das Hinterende nach oben gekehrt ist; man übersieht alle Fortsätze. | Larve auf die Rückseite angesehen, etwas verkürzt. Dieselbe auf die Bauchseite gesehen. Fig. 16—18. Verschiedene Formen, welche der Kopf und seine Wül- Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. ste annehmen. Die Larve in der Verwandlung begriffen, mit verkleinerten Fortsätzen, Bauchseite. Grösse „5“. Aehnliche Larve. Rückseite, Pianarie von’ gleicher Stellung und Zahl der Augen, von gleicher Färbung und Structur der Haut, von gleicher Lage des Mundes, Rückseite. Grösse „5“. Die Larve nach dem Verlust aller Fortsätze. Spindeln aus der Haut der Larve „4, — 327". Bildung der Spindeln in Zellen von „4, — 337". Spindeln mit Nesselfäden, Nesselorgane von Thysanozoon Diesingii Grube. Wimperzelle von der Larve. Haufen spindelförmiger Körper und Pigmentzellen aus der Haut der Larve. - Wimpersaum des Räderorgans. Haufen von Spindeln und Zellen mit Spindeln aus der Pla- naria ohne Fortsätze Fig. 21. Grösse 4, — 145“. Ueber eine der 'Thymus entsprechende Drüse bei Knochenfischen. Von Pror. Dr. STannıvs, (Hierzu Tafel XV. Fig. 2.) Mücksichtlich des von mir unten näher zu beschreibenden Gebildes besteht — zum Theil durch meine Schuld — eine solche Unklarheit — dass ich-mich genöthigt sehe, mit eini- gen einleitenden historischen Bemerkungen zu beginnen. 1. Gleichzeitig mit Simon (Philosoph. Transact. 1844.) hatle ich die Schilddrüse bei Accipenser gefunden und die- ser Entdeckung schon vor Bekanntmachung der Simon- schen Abhandlung gegen Herrn J. Müller Erwähnung ge- ihan. Um dieselbe Zeit kannte ich sie bei Chimaera und fand sie bald darauf bei einer grossen Anzahl von Knochen- fischen. (S. mein Lehrb. d. vgl. Anat. d. Wirbelth. S. 88 u. 480 und meine Bemerkungen über das Verhältniss der Ga- noiden zu den Clupeiden *) Rost. 1846. S. 4.) Ich bezeich- *) In dieser kleinen Schrift deute ich ein. Paar in die Höhle des Darmes vorragende leistenartige Wülste als Rudimente einer Spiral- klappe. Diese Deutung erscheint mir doch zu gewagt; keinenfalls 502 nete in diesen meinen ersten Mitiheilungen irrig dies Ge- bilde als Thymus, gab indessen später, nachdem schon Müller (Ueber den Bau u. d. Grenzen der Ganoiden. Berl. 1846. S. 92) meine angebliche Thymus als Schilddrüse be- zeichnet und ich sie genauer untersucht hatte, diese Bezeich- nung auf und nannte sie in einer gelegentlichen Mittheilung ‚über ihr Vorkommen bei Lophius piscatorius 'Thyreoidea. (Vgl. Müller’s Archiv 1848. S. 402.) Diese letzte Notiz hat Ecker (s. Wagner's Handwörterb. d. Physiologie Bd. IV. S. 112) übersehen, wenn er mir noch im Jahre 1849 eine irrige Deutung des Gebildes vorwirft. Das an der Ar- teria branchialis der Ganoiden und Knochenfische gelegene, .der von Stenson bei Plagiostomen entdeckten Drüse analoge - Gebilde ist also nicht Thymus, sondern Thyreoidea. 2. Im Jahre 1847 entdeckte Robin bei Rochen eine Drüse ohne Ausführungsgang. (S. Annales des scienc. na- tur. 1847. p. 202.) Ecker hat diese vor dem Schultergür- tel zwischen dem Seitenmuskel und der Kiemenhöhle gele- gene Drüse in demselben Jahre gekannt und namentlich bei Mustelus, Galeus, Squatina, Raja, Myliobatis, Torpedo ge- funden. Während Robin in der Deutung dieses Gebildes schwankte, erklärt Ecker, theils auf Simon’s Untersu- chung an Perennibranchiaten und Derotremata, theils auf eigene mikroskopische Beobachtungen gestützt, dasselbe für ein Aequivalent der Thymus. (Vgl. Wagner’s Handwör- terb. d. Physiolog. Bd. IV. S. 125.) 3. Im Jahre 1839 habe ich (Vgl. Symbol. ad anatom. pisc. Rost. 1839. p. 238) an der hinteren Grenze der Kie- menhöhle des Störs, vor dem Schultergürtel gelegene ab- sondernde zusammengesetzte Follikel beschrieben und diesel- ben Folliculi branchiales genannt. Diese Folliculi branchia- ähneln jene Wülste der Spiralklappe des Lepidosteus, welche nach dem Erscheinen jener Schrift durch Joh. Müller abgebildet ist; ich nehme daher meine Deutung zurück. 503 les sind beim Stör selır entwickelt und ihre Existenz ist nicht in Zweifel zu ziehen, sie münden mit sehr weiten Oefinungen an der hinteren Grenze der Kiemenhöhle, längs dem oberen Theile des Schultergürtels. In ihrer Nähe finde ich kein anderes Gebilde ohne Ausführungsgang, das eiwa der Thymus verglichen werden könnte. Wenn ich aber in der angeführten Schrift sage, dass den Folliculi branchiales analoge Gebilde auch bei Knochen- fischen vorkommen, so habe ich mir Verwechselungen zu Schulden kommen lassen. So habe ich sie bei Belone mit der damals noch wenig gekannten Pseudobranchie, bei an- deren Knochenfischen aber mit einem bald näher zu beschrei- benden, eines Ausführungsganges ermangelnden drüsigen Ge- bilde verwechselt, | In ähnlichem Irrihume scheint J. Müller befangen ge- wesen zu sein*), wenn er in seiner vergleichenden Anato- mie des Gefässystemes der Myxinoiden Berl. 1841. S. 48 vielen Knochenfischen absondernde Folliculi branchiales zu- schreibt. Ob sie bei Serranus, Dentex, Corvina, Xiphias, Pimelodus vorkommen oder nicht, muss ich unentschieden lassen, da ich diese Fische, so wie manche andere bei de- *) Wielleicht ist Müller selbst von seinem früheren Irrthume zurückgekommen, wenn er diese Zeilen liest. So muss ich beken- nen, dass ich die in Leydig’s Abhandlung über die Schleimkanäle der Knochenfische enthaltenen Thatsachen bereits seit sechs Monaten kannte, als seine erste Arbeit in Froriep’s Notizen mir zu Gesichte kam. Ich hatte früher nicht die Nerven, wie Leydig vorgiebt, aber die den gelblichen Körper überziehenden zottenartigen Gebilde für Drüsenschläuche genommen. Der eintretenden Nerven und Gefässe habe ich bereits, so dass kein Missverständniss möglich war, in mei- nem Lehrbuche S. 30 und 50 ausdrücklich gedacht, auch die Ein- trittsöffnungen derselben erwähnt. -Ueberdies vgl. man $. 106 meiner Arbeit über die Fischnerven. Die an der genannten Stelle verspro- chene ausführliche Arbeit über den betreffenden Gegenstand setzt noch wiederholte Untersuchungen an Plagiostomen voraus, die in diesem Sommer nicht ausführbar waren. 504 nen ich drüsige Gebilde an der gleichen Stelle kenne, nicht frisch untersuchen kann. Gewiss waltet ein Irrthum ob, wenn Müller sagt, „beim Dorsch habe man Gelegenheit, die drüsige Pseudobranchie und die Stannius’sche abson- dernde Drüse zu sehen“ und was vom Dorsch gilt, gilt ‚auch von Lota. Gerade der Dorsch ist derjenige Fisch, durch dessen ‘“ Untersuchung man am leichtesten und besten die Ueberzeu- gung gewinnt, dass die am Schultergürtel vorkommende Drüse eines jeden Ausführungsganges ermangelt. Ich werde sie deshalb rücksichtlich ihres Verhaltens bei diesem Thiere beschreiben. Untersucht man die die Kiemenhöhle auskleidende Haut, so findet man sie glatt, eben und ohne Spur von Oeflnun- gen, durch welche etwa Ausführungsgänge von Drüsen mün- den könnten. Eben so wenig entdeckt man letztere bei und nach Wegnahme derselben Haut. Von ihr bedeckt wird aber ein längliches bisweilen fast hufeisenförmig gekrümmtes, oder wenigstens ein Kreissegment bildendes drüsiges Organ. Man sieht letzteres ‘in der Gegend der häutigen Commissur, welche den Kiemendeckel mit dem Schultergürtel verbindet durch die äussere Haut durchschimmern. Es liegt längs des Os scapulare Cuvieri, unmittelbar vor, nur zum kleinsten Theile unter ihm. Nach oben wird es begrenzt von dem Kopfende des Rückentheiles des Seitenmuskels, nach unten von einem Muskel, der vom Schädel zum Schultergürtel tritt, Es ruhet auf der in die Kiemenhöhle tretenden Fortseizung des Seitenlymphgefässstammes und auf dem Stamme des Truneus lateralis N. vagi. Die Drüse liegt in einer eigenen häutigen Hülle einge- schlossen, welche dieselbe ziemlich locker umgiebt. Diese Hülle ist weisslich, aber von metallisch - glänzendem Pig- mente etwas schillernd. Sie besteht aus Bindegewebfasern und Pigmentzellen. Nach Oeffnung dieser Hülle liegt die weiche, ziemlich 505 gefässreiche Drüse frei da. Sie ist von grauröthlicher Farbe und hat eine durch oberflächlich vorragende rundliche Aecini bedingte höckerige Oberfläche. Ihre Ränder erscheinen durch ähnliche vorragende Acini oder rundliche Ausstülpungen ge- zähnelt oder gekerbt. Durch die ganze Länge der aus einer structurlosen Membran gebildeten Drüse erstreckt sich eine einfache, ziemlich weite Höhle. Diese Höhle enthält eine zähe, klebrige, durch reichlich eingesprengte Pigmentzellen etwas bräunlich gefärbte Flüssigkeit. In dieser Flüssigkeit werden folgende mikroskopische Formbestandtheile wahrge- nommen: 1) helle, farblose, runde, in Essigsäure unlös- liche, durchschnittlich „i- Linie im Durchmesser haltende Zellenkerne. Sie kommen in ungeheurer Menge vor. 2) Sparsamer finden sich 2 bis 6 Mal so grosse runde, blasse Zellen mit mehrfachen Kernen. 3) Ziemlich reichlich kom- men darin vor runde oder rundliche, zum Theil sehr grosse, mit dunklen Körnern gefüllte Pigmentzellen ; ausser ihnen unregelmässig gestaltete Pigmentzellen und 4) einzelne Fett- kugeln. Von den concentrischen Hassal’schen Körpern, die ich aus dem Blute von Tinca und von Perca kenne, habe ich nie eine Spur angetroffen. Dieselbe Drüse ist von mir angetroffen worden bei Lota vulgaris. Sie liegt an derselben Stelle, wie bei Gadus, hat eine blassere Färbung und ist an ihrem unteren Ende dicker, als oben. Bei kleineren Exemplaren von Pleuronectes platessa, P. flesus und Rhombus maximus, wie sie in der Ostsee vorkommen, ist die Drüse gefässförmig oder röhrenförmig, 4 Zoll lang und 4 — 1 Linie breit. Sie liegt vor denselben Knochen, wie bei Gadus, unmittelber vor dem Vorderende der Niere, hinter den Aesten des N. vagus, umschlossen von einer goldglänzenden Membran. Sie ist weich, leicht zerstörbar und leicht zu übersehen. Ihre Farbe ist graulich, bisweilen durch reichliche Anhäufung von Pigment schwärz- 906 lich. Die in ihr vorkommenden Zellenkerne und Zellen ver- halten sich wie bei Gadus. ‘Von enormer Grösse ist dieselbe Drüse bei Lophius pis- catorius, wo sie jedoch nicht in frischem Zustande unter- sucht werden konnte. Rücksichtlich ihrer höckerigen Ober- fläche erinnert sie am meisten an die Drüse des Dorsch; sonst ist sie breiter und grösser. Sehr klein, blass, weisslich traf ich sie bei Zoarces vi- viparus. Ihr Contentum verhält sich wie bei Pleuronectes. Knochenfische, bei welchen nicht eine Spur dieser Drüse angelroffen wurde, sind die einheimischen Cyprinen, Salmonen und Clupeiden, so wie auch Belone longirostris und Cotius scorpius. Diese Fische besitzen auch keine IE von den Folliculi branchiales des Störs. Ich gebe diese wenigen Notizen, um einen früheren Err- thum zeitig genug selbst zu berichtigen und lasse manche Fische, an denen Spuren des Gebildes vorzukommen schei- nen, unerwähnt, bis wiederholte Nachforschungen möglich sind. Was nun die Deutung dieser Drüse anbelangt, so kann sie nur als Thymus angesprochen werden. Dafür spricht ihre Lage, ihr Bau und die Beschaffenheit ihres Inhaltes. Ihre Lage ist dieselbe, wie die der Thymus beim Axo- lotl, bei Menopoma und andern nackten Reptilien. Sie ist wesentlich die gleiche, wie die der von Robin bei Plagio- stomen entdeckten Drüse, welche über den Kiemensäcken, unter dem Dorsaltheile des Seitenmuskels, vor dem Schul- tergürtel liegt. Was die Form anbelangt, so verhält sich dieselbe bei den Schollen fast ganz so, wie sie Simon bei Embryonen von Schweinen und Rindern beobachtete, indem sie als eine aus einer zarten Haut gebildete Röhre erscheint. Einem spä« teren Entwickelungsstadium der Säugethier - Thymus ent- spricht der geschilderte Bau unserer Drüse bei Gadus. Die Röhre hat sich erweitert und an ihrer Oberfläche erheben 907 sich Acini, welche Kugelsegmente sind, deren Höhle jedoch mit der Centralhöhle communicirt. Der Inhalt der Drüse hat zwar nicht die milchweisse Farbe, wie der der Plagiostomen-Drüse; aber die mikro- skopisch wahrnehmbaren Bestandtheile sind wesentlich die gleichen. Erklärung ‘der Abbildungen. 1. 2. Knochen des Schultergürtels vom Dorsch. 1. Scapula Cuv. 2. Humerus Cuv. (Clavicula m.) a. Hebemuskel des vierten Kiemenbogens. b. Hebemuskel des Schultergürtels. c. Muskel zum Os pharyngeum inferius. A. Thymus. B. Kiemen. Anmerkung des Herausgebers. Zufolge ihrer Lage hinter den Kiemen, vor den Nieren, in der Nähe des Nervus vagus, würde auch die Drüse der Myxinoiden hier in Betracht kommen, welche ich als Nebenniere bezeichnet habe. In ihrem Bau, den ich beschrieben, stimmt sie allerdings nicht mit dem, was wir über den Bau der Thymus der Fische erfahren haben. Auf der andern Seite stimmt sie eben so wenig zu dem mikroskopi- schen Bau der Nebennieren. Ueber eine osteologische Eigenthümlichkeit des Delphinus globiceps. Von Pror. Dr. Stannıus. Hierzu Tafel XV. Fig. 3. Delphinus globiceps besitzt 114 Rippenpaare. Jede der 6 vordersten Rippen besitzt 2 Articulationen. Sie articulirt 1) durch ihr Tuberculum mit dem Querfoıtsatze des ihr ent- sprechenden Wirbels; und 2) durch ihr Capitulum mit dem hinteren Rande vom Körper des nächst vorderen Wirbels und der Cartilago intervertebralis, die diesen letzteren mit dem entsprechenden Wirbel verbindet. Jede der 5 hinter- sten Rippen besitzt nur eine Gelenkverbindung. Sie articu- lirt nämlich blos mit dem Processus transversus, besitzt also blos ein Tuberculum und kein Capitulum. Die Processus transversi des isten bis 6ten und des ten bis 1iten Rük- kenwirbels zeigen keine Eigentbümlichkeiten; aber die Bil- dung des Querfortsatzes des ten Rückenwirbels ist morpho- logisch interessant. Er trägt die erste derjenigen Rippen, denen kein Capitulum und somil keine Verbindung mit dem nächstvorderen Wirbelkörper und der Cartilago inter vertebralis zukömmt. Diese letztere Verbindung wird aber, wenn auch 509 nicht durch die Rippen, so doch durch den Querfortsatz selbst realisirt. Der, wie gewöhnlich vom oberen Bogen- schenkel seines Wirbels entspringende Querfortsatz sendet nämlich einen durchaus dem Capitulum und Collum Costae entsprechenden Fortsatz nach vorn, welcher mit dem Kör- per des 6ten Rückenwirbels artieulirt. Da diese Bildung an beiden Seiten eines von mir untersuchten Fötus von Delphi- nus globiceps vorkommt, so scheint sie nicht aceidentel zu sein und dürfte auch in Hinsicht anf systematische Bestim- mung von Skeleten Beachtung verdienen. Gelegentlich sei bemerkt, dass bei diesem Exemplar von D. globiceps, das von Eschricht selber herstammt, nicht 3, sondern 4 Barthaare an jeder Oberlippe vorhanden waren. . Erklärung der Abbildung. Theil der Wirbelsäule eines Fötus von Delphinus globiceps. 9 — 9 Fünfte bis neunte Rippe. 5* — 9* Fünfter bis neunter Wirbelkörper. P. s. Knorpelige Processus spinosi. 0. Ossificirte Stellen der oberen Bogenschenkel. €. p. t. Capitulum processus iransversi des 7ien Wirbels, Beschreibung eines bei Kertsch in der Halb- insel Krimm aufgefundenen Stirnbeins eines Macrocephalus. Von Dr. Carı Meyer. ‘(Hierzu Taf. XIV und XV. fig. 1.) Raathke beschreibt in einem Aufsatz „‚Ueber die Maero- cephali bei Kertsch in der Krimm“ in diesem Ar- chive, Jahrgang 1843, Ueberreste von Menschenschädeln, die er in dem Museum für Alterihümer in Kertsch, Strabo’s Panticapaeum, vorfand und die er, ihrer abweichenden Form wegen abbildete. Seiner Angabe nach sollen diese Schädel- fragmente die grösste Aehnlichkeit haben mit dem in den Decades craniorum (Decas I. Tab. 3.) abgebildeten vom Ba- ron v. Asch an Blumenbach aus Südrussland gesandten Schädel. Im Jahre 1844 veröffentlichte v. Tschudi einen Aufsatz „Ueber die Ureinwohner von Peru“ in diesem Ar- chive, in welchem er drei scharf geschiedene Formen von Schädeln bei den Bewohnern Peru’s nachwies.. Von Rud. Wagner auf die grosse Aehnlichkeit zwischen seinem abge- gebildeten Huancaschädel und dem in der Blumenbach- 511 schen Sammlung befindlichen Gypsabguss eines sogenannten Awarenschädels aufmerksam gemacht, stellte von Tschudi die genauste Vergleichung mit dem Blumenbach’schen Gypsschädel in Göttingen und später mit dessen Original in Wien an, welches im Besitz des Grafen v. Breuner ist, hierbei stellte sich jedoch kein Unterschied von Bedeutung heraus, so dass von Tschudi die Behauptung aufstellte, dieser in Gräfeneck in Oestreich aufgefundene Awarenschä- del sei ein Peruaner, der zur Zeit Karl’s V., des Beherr- schers von Oeßtreich und Spanien nach Wien gebracht sei, um die Merkwürdigkeit der Schädelbildung der eben unter- jochten Bewohner von Peru zu zeigen. Der von Tschudi im Archive 1845 veröffentlichte Auf- satz: „Ein Awarenschädel“ schliesst mit der Behaup- tung: das bis jetzt als Awarenschädel bezeichnete Cranium für einen Peruaner halten zu müssen, so lange nicht im süd- westlichen Europa andere spitzige Schädel aufgefunden wor- den, die seine Ansicht widerlegten. Ich kann nicht annehmen, dass v. Tschudi die von Raihke beschriebenen Macrocephali nicht kannte, um so auffallender ist es, dass er ihrer gar nicht erwähnt. Bisher sind meines Wissens nur drei macrocephalische, iheils unbeschädigte, theils fragmentarische Schädel zur Oef- fentlichkeit gelangt, nämlich die von Rathke abgebildeten Bruchstücke, der Schädel des Baron v. Asch und der soge- nannte Awarenschädel, deren Aehnlichkeit durch Rathke, Rud. Wagner und v. Tschudi vollkommen constatirt ist; es lässt sich daher vermuthen , dass im südlichen Russland noch mehrere dieser Schädel werden aufgefunden werden. Erst kürzlich sandte Rathke ein in der Umgegend von Kertsch ausgegrabenes und von ihm mitgebrachtes Stirnbein an das hiesige anatomische Museum, welches mir dessen Di- rektor, mein verehrter Lehrer Joh. Müller, zur Beschrei- bung für meine Inauguraldissertation übergab. Nach genauer. Vergleichung dieses Schädelfragmentes mit 512 allen in der anatomischen Sammlung befindlichen Schädeln, ergab sich die grösste Aehnlichkeit desselben mit dem ent- sprechenden Theile des Wachsmodels von dem von Tschudi im Jahre 1844 abgebildeten Huancaschädel, so dass ich mich veranlasst sah, das Stirnbein und den Huancaschädel abbil- den zu lassen, um deren Aehnlichkeit, so weit es überhaupt durch Zeichnung geschehen kann, nachzuweisen. Schon seitdem Pentland im Jahre 1827 die sonderba- ren Schädel in den Thälern von Titicaca auffand, wurde die Frage ventilirt, ob diese Schädelform durch künstliches Pres- sen und Bandagiren der jugendlichen Individuen hervorge- bracht sei; ich glaube nicht, dass diese Frage eher aufge- hellt werden kann, als bis noch mehr Thatsachen vorliegen. - Während Rathke, Prichard, Scouler, De la Conda- mine u. A. diese Schädelform für eine künstlich hervorge- brachte halten, wäre nach Hippocrates die erste Veran- lassung der Form eine künstliche, ein Brauch gewesen, dann aber habe sich diese Form ohne Zuthun fortgepflanzt. Auch Pentland und v. Tschudi sehen die Abweichung als eine uralte Form an, welche wie andere Menschenracen forge- pflanzt werde. Für diese Ansicht würde, meines Erach- tens, nur die Gestalt der Schädel der Un- und Neuge- bornen sprechen, welche auch v. Tschudi wie bei den Erwachsenen langgestreckt fand; denn die zwei Schädel der ungefähr ein Jahr alten peruanischen Kindermumien, welche Dr. Bellamy beschreibt, beweisen nichts, da Cox in seinen Travels on the Columbia River die Mittheilung machte, dass die Kinder gleich nach der Geburt in eine Wiege gelegt würden und ihr Kopf so lange gepresst und bandagirt würde, bis er die nöthige Form habe, was nach 9 Monaten schon erreicht sei. Während das kaukasiche Stirnbein vom Margo supra- orbitalis bis zu den Tubera frontalia hinauf ziemlich senk- recht in die Höhe steigt, und von dort aus eine convexe 513 Richtung bis zur Sutura coronalis nimmt, steigt das macro- cephalische ohne alle Wölbung, abgeflacht, vom Supraorbi- talrande zu den Scheitelbeinen in die Höhe, so dass ein Dreieck mit der Basis an die Arcus supereciliares, mit der Spitze an den Anfang der Sutura sagittalis in die Fläche des Stirnbeins gelegt, kein sphärisches, wie beim kaukasi- schen, sondern ein planes sein würde. Die Convexität des kaukasischen Stirnbeins wird hier durch die Neigung des Os frontis nach hinten ersetzt, daher ist nicht nur die Ab- geflachtheit, sondern auch der geringe Neigungswinkel, den das Stirnbein des Huancaschädels mit einem Durchmesser von der Glabella zur Protuberantia occipitalis externa macht, das Abweichende von der kaukasischen Bildung. Dieser Winkel beträgt nach Tschudi’s Angabe nur 23°. Der Pro- cessus nasalis des Stirnbeins am Huancaschädel und am vor- liegenden Stirnbein geht nicht, wie beim kaukasischen, als bogenförmiger Fortsatz von dem Os frontale ab, um an der Nasenwurzel mit den Nachbarknochen einen sattelförmigen Eindruck zu bilden, sondern bildet mit den Ossa nasalia und den Processus nasales des Oberkiefers eine plane Fläche, welche mit der Pars frontalis des Stirnbeins an der Basis der Glabella einen stumpfen Winkel bildet. Die Tubera frontalia des macrocephalischen Stirnbeins sind nur wenig hervorstehend, hingegen enthält das obere Drittheil desselben einen ansehnlichen Höcker, der dem kau- kasischen ganz fehlt. Dieser Höcker springt sehr in die Au- gen, so dass es den Anschein hat, als seien die Tubera fron- talia nach oben gerückt und mit einander verschmolzen. Der Höcker ist nicht durch Ausbuchtung des Stirnbeins entstan- den, denn an der innern Fläche desselben ist keine ent- sprechende Concavität. Das mir vorliegende Stirnbein hat den obern linken Rand, wo es an das linke Scheitelbein stösst, nicht ganz erhalten, daher kann man auf der Bruch- fläche deutlich sehen, wie die innere und äussere compakte Platte desselben, au der Stelle, wo das obere grosse Tuber Müller’s Archiv, 1850. 35 514 sich befindet, auseinander treten und die Diplo@ zwischen sich stark entwickeln lassen. An dieser Stelle hat das Stirn- bein die grösste Dicke. — v. Tsehudi’s Wachsschädel hat eine seichte Furche über dieses Tuber hinweglaufen, die Spur der Sutura frontalis im Fötusleben. Quer über das Stirnbein verlaufen zwei seichte Furchen, _ die untere zwischen den Arcus superciliares und den Tu- bera frontalia, die obere zwischen diesen und dem oberen Stirnhöcker, das kaükasische Stirnbein hät nur den ersteren Sulcus. | | Das maerocephalische Stirnbein hat genau. dieselbe Grösse, wie das des Tschudi’schen Wachsschädels; eine Linie. vom Beginn der Nasenbeine bis zur Sutura coronalis _ beirägt 4 8“ Pariser Maasses, während dieselbe Linie’ ei- nes normalen kaukasischen Schädels nur 3” 10° durch- schnittlich beträgt. Die grösste Breite des macrocephalisehen Stirnbeins, welche, wie beim kaukasicben, in die Ebene der Tubera frontalia fällt, beträgt 3° 9“ Pariser Maasses, wäh- rend dieselbe Linie des kaukasischen 4‘ 5‘ beträgt. Aus diesen. Messungen geht hervor’, dass das macrocephalische Stirnbein sehmäler und länger als das kaukasische ist. Diese langgestreckte Form mit dem. in liniärer Richtung fortgesetz- ten flachen Processus nasalis geben dem Macrocephalus ein stupides, thierisches Ansehen. Der Processus zygomaticus des vorliegenden Os frontis fehlt rechterseits, der linke ist flach und langgestreckter, als beim kaukasischen. — In der rechten Orbita ist die Fossa trochlearis deutlich sichtbar, und in beiden Stirnbeinen, im macrocephalischen und im Huancaschädel ist kein Foramen, sondern nur eine Incisura supraorbitalis vorhanden. Noch einer Abweichung ist zu erwähnen, auf die auch Kathke schon aufmerksam machte, ohne sie zu erklären. Die Pars orbitalis Ossis frontis ist nämlich nicht, wie beim kaukasischen Schädel eine horizontale Knochenplatte, son- dern sie ist von oben und hinten nach unten und vorn ge- 915 “richtet; was wohl‘daher rührt, dass der Sinus fröntalis we- nig entwickelt: ist; aus demselben Pr ren sind auch die Ar- ‚eus superciliares weniger ‘hervorragend. | Einige Bemerkungen über den Huancaschädel dürften hier wohl am Platze sein. Eine verticale Durchschnitts- ebene durch das Septum narium, die Sutura frontalis, Su- tura sagittalis, Protuberantia oceipitalis externa u. s. f. würde mit der Schädeloberfläche die Hälfte einer Ellipse bilden, deren grosse Ax& einen Durchmesser von der Protuberan- tia oceipitalis externa zur Glabella darstellt und 5’ 2” be- trägt. Diese Durchschnitislinie ist beim Kaukasierschädel ein Halbkreis, dessen Durchmesser durchschnittlich 6” 6° be- trägt; die kleine Axe der Ellipse, eine Linie senkrecht auf der Mitte der grossen Axe in der Verticalebene, beträgt 3° 9“, hingegen ist die Linie beim kaukasichen Schädel nur 2" 7°" lang, daraus folgt, dass der Huancaschädel ungemein langgestreckt ist, dass die Ossa parietalia den Vertex Cra- nüi, der im kaukasischen Schädel dicht hinter dem Stirnbein liegt, bedeutend überragen und wenn mit Beginn des mittle- ren Driittheils der Sutura sagittalis die hintere Convexität des Kaukasierschädels anfängt, steigt dieses Drittheil im Huancaschädel noch bedeutend in die Höhe, um das Schä- delgewölbe zu schliessen. Aber auch von der Seite ist; dieser Schädel zusammen- gedrückt; der grösste Querdurchmesser, von der Mitte eines Os parietale zum andern beträgt nur 4”, dieselbe Linie ist beim normalen Kaukasierschädel 5’ 6‘, also beim Kauka- siereranium niemals kleiner als die Verbindungslinie zwischen den beiden Processus zygomatici des Stirnbeins, beim Hu- ancaschädel aber nur 7° kleiner. Aus den aufgestellten Thatsachen und Messungen geht hervor, dass die in Europa aufgefundenen Macrocephali de- ren Hippocrates, Plinius der Aeltere in seiner Historia naturalis und Strabo erwähnen und von denen Bruchstücke von Rathke und .das Stirnbein auf Taf. XIV. für diesen 33 * 516 Aufsatz abgebildet sind, ganz dieselbe Form haben, wie die Peruanerschädel von Titicaca. Zur Vergleichung ist auf Tafel XV. eine Abbildung des Wachsmodels des Huanca- schädels gegeben. Erklärung der Abbildungen. Taf. XIV. Fig. 1. Abbildung des Stirnbeins des Macrocephalus von Kertsch, von vorn, in natürlicher Grösse. Fig. 2. Dasselbe im Profil. Taf, XV. Fig. 1. Abbildung des Tschudi’schen Huancaschädel, nach einem Wachsmodel in halber Grösse. Ueber den Einfluss einiger Gehirnorgane auf die Speiseröhre und den Magen. Von Pror, JuLivs BupDee in Bonn. Man tödte ein Kaninchen durch Verblutung (Durchneiden der Carotis), lege sodann das kleine Gehirn bloss, eröffne die Bauchhöhle, eniferne die Leber, das Zwerchfell, die Rippen, die vorderen Extremitäten und setze in eine jede Hemisphäre des kleinen Gehirns oberflächlich einen Draht ein, welcher mit dem magneto-electrischen Rotationsapparate in Verbin- dung steht. Bei jeder Umdrehung bewegt sich stoss weise der Oesophagus, die Bewegung schreitet von da langsam, niemals aber stossweise auf den Magen fort, der sich je nach der Reizbarkeit dieses Organs mehr oder weniger auf- bläht und contrahirt. Vom verlängerten Mark aus erhält man dasselbe Resultat, auch von den Vierhügeln, von dem Hintertheil der Hemisphä- ren des grossen Gehirns, von den Sehhügeln, — die Bewegun- gen sind jedoch weniger intensiv. Durch Reizung der Vor- 518 dertheile des grossen Gehirns sah ich bis jetzt keine derar- tige Wirkung. Ich habe 11 Mal den Versuch mit stets gleichem, nie- mals zweifelhaflem Erfolge angestellt und zwar 4 Mal in Gegenwart der Herren: Kreisphysicus Dr. Eulenberg, Professor Mayer, Dr. Nasse, Professor Weber, Dr. Wolff. Er gelingt eben so sicher und bestimmt, als man dies nur von einem physikalischen Versuche erwarten kann. Den Leitungsweg bilden die beiden N. vagi, deren Durch- schneidung eben so gewiss die beschriebene Bewegungsart aufhebt, als ihre Reizung dieselbe Wirkung thut, wie die der oben genannten Gehirntheile. Damit will ich aber nicht ‚sagen, dass dies der einzige Leitungsweg sei. In wie weit vielmehr der N. sympathicus noch betheiligt ist, darüber behalte ich mir eine spätere Mittheilung vor. Da das kleine Gehirn ein guter Leiter der Electrieität ist, hingegen die Vierhügel sehr‘ schlecht leiten, so eignen sich die letzteren vortrefflich dazu, um zu zeigen, dass die Bewegung der Speiseröhre und des Magens nach Reizung der angegebenen Gehirntheile nicht dadurch entsteht, dass die'electrische Flüssigkeit’ auf. die Ursprünge des N. vagi über- fliesse und: also die Nervenfasern der Gehirntheile nicht ge- reizt werden, sondern nur als Leiter ‚dienen. » Wenn man nämlich gleich nach dem Tode die hintern 'Vierhügel: reizt, und hat sich überzeugt, dass danach constant die Bewegung der Speiseröhre eintritt, so schneide man zwischen Vierhü- geln und kleinem Gehirn alle Theile mit einem einfachen Schnitte vollkommen durch, sorge aber, dass die durchschnit- tenen Theile ganz sich berühren. Der hinterste Theil der hintern Vierhügel liegt unmittelbar au dem kleinen Gehirne an. Reizt man jedoch jenen, so entsteht keine Bewegung, reizt man das kleine Gehirn, so entsteht eine sehr deutliche. Die Drähte werden im letzten Falle kaum 1” weiter nach hinten gesetzt, als im ersten, so dass also, hinge die Bewe- 519 gung von der Fortleitung der Electricität ab, dieselbe gewiss eben so gut nach als vor der Durchschneidung eintreten müsste. Es ist sehr interessant zu sehen, wie Schlag auf Schlag Bewegung eintritt oder ausbleibt, ganz wie man es beabsichtigt. Ich habe bis jetzt hierüber 6 Versuche mit immer gleichem Erfolge angestellt; einen sah Herr Dr. Wolff mit an; bei allen assistirte Herr Stud. E. Nögge- rath; bei einigen Herr Stud. Eschbaum. Die Bursa mucosa patellaris profunda. Von Prof, Dr. H. Luscuxa in Tübingen. Mit dem obigem Namen belege ich einen Schleimbeutel, welcher bisher der anatomischen Beobachtung fast gänzlich entgangen ist und nur von wenigen Wundärzten einiger- massen berücksichtigt wurde. Die Bezeichnung der Bursa rechtfertigt sich durch deren tiefere Lage gegenüber jener des Schleimbeutels der Kniescheibe, welcher im Unterhautzell- gewebe dicht über dem Theil der breiten Schenkelbinde liegt, der die Patella überzieht. Es könnte daher der letztere Schleimbeutel zum Unterschiede füglich als Bursa mucosa patellaris superficialis aufgeführt werden. Das Vorhandensein des tiefen Schleimbeutels ist ein so gewöhnliches, dass sein Fehlen als Ausnahme betrachtet werden muss. Abgesehen von vielen zu seiner Erkenntniss angestellten Untersuchungen, erkannte ich ihn an zwölf ge- rade zu Gebote stehenden Leichen 10 Mal ganz deutlich aus- gesprochen. Nur wenige Male vermisste ich denselben gänz- lich, wie denn auch der oberflächliche bisweilen vollständig fehlt. Zum richtigen Verständnisse der Lage unseres Schleim- beutels und um dem psactischen Bedürfnisse zu entsprechen, 521 betrachten wir zuerst die Verhältnisse der ihn umgebenden Theile. Entfernt man die Fascia lata am vordern Umfange des Oberschenkels in der Weise, dass man einen Lappen derselben sammt der unter ihr liegenden Schichte eines laxen Zellstoffes, über die Sehne des M. rectus femoris, so- wie über die Sehnenschenkel der M. vasti hinwegpräpa- rirt, so wird man auf der Kniescheibe und zu den Seiten derselben eine sehr feste Membran von Farbe und Struktur des Sehnengewebes finden, welche sich über der Patella leicht verschieben und mittelst einer Pincette in Falten erheben lässt. Unter der Kniescheibe und zur Seite derselben geht sie durch starke Sehnenstreifen in die Fascia des Unter- schenkels über. Es wird diese membranartige Ausbreitung von fibrösem Gewebe dadurch hervorgebracht, dass sowohl die Sehne des M, rectus femoris als auch die Sehnenschen- kel der M. vasti einen Theil ihrer oberflächlichen Fasern über die Kniescheibe und zu ihren Seiten abtreten lassen, Davon, dass die Sehne vom langen Kopfe des Quadriceps so wie die Sehnenschenkel der seitlichen Köpfe von ihren oberflächlichen Fasern zur Bildung einer Membran über der Kniescbeibe abgeben, überzeugt man sich am bestimmtesten, wenn man nach sorgfältiger Entfernung der Schenkelbinde sowie des unter ihr gelegenen Bindegewebes, einen senk- rechten Schnitt über die mittlere Sehne und über die Knie- scheibe hinweg führt, und jetzt, indem man die Haut über der Patella abzieht, dieselbe nach ihrem Ursprunge verfolgt. Unter jener membranartigen Ausbreitung oberflächlicher Sehnenfäsern der bezeichneten ‘Muskelköpfe, gedeckt also von ihr, von der Fascia lata sowie von der Cutis, liegt der tiefe Kniescheibenschleimbeutel. In der Mehrzahl der Fälle fand ich ihn mehr gegen den innern ‘Rand der Patella und gegen das obere Ende derselben hin gelagert, als in ihrer Mittellinie Nur ganz selten wurde er nach dem äussern Rände zu bemerkt. Seine Grösse wechselt sehr. Im aufge- blasenen oder ausgespritzten Zustande bietet er den Umfang 522 einer mittlern Wallnuss dar, andere Male wird er nur von der Grösse einer Haselnuss gefnnden. Mehrere Male erkannte ich, dass er fast über die ganze Kniescheibe ausgebreitet war. Bei geringerm Volumen ist seine Wandung' an der innern Fläche meist ganz glatt, in grösseren Formen aber sieht man häufig einen zelligen Bau in der Art, dass durch ‚grössere und kleinere, übrigens ‘glatte Lamellen, die Höhlnng in mehrere Fächer geschieden ist. Nicht selten werden in ihm durch zwischengelagertes Fett erfüllte, oder mehr vas- culöse Fältehen wahrgenommen. Eine selbstständige Mem- bran, welche die Bursa constituirt, lässt sich gewöhnlich, wenn nicht ganz, doch theilweise herstellen. Sie pflegt ‚meist weniger fest mit der obern fibrösen Membran, dage- gen sehr innig mit den Sehnenfasern zusammenzuhängen, welche unmittelbar auf der Knochensubstanz der Kniescheibe auflagern. Bezüglich seines Verhaltens zum oberflächlichen Schleim- beutel verdient gekannt zu sein, dass zwischen beiden bis- weilen eine Communication besteht. Bisher gelangten zwei Fälle dieser Art zu meiner Beobachtung. Man erkennt bei solchen Befunden, nach Entfernung der Haut, eine mehr oder weniger runde, scharfbegrenzte Oeffnung mit abgerun- detem etwas verdickten Rande, sowohl in der Faseia, als in jener fibrösen Membran über der Patella, die zu einer Höhlung mit glatter Auskleidung führt, deren Continuität mit der Haut der oberflächlichen Bursa bei umsichtiger Un- tersuchung am bestimmtesten darzuthun ist. In dem einen der Fälle waren die inneren Oberflächen beider communicirenden Schleimbeutel mit circa 20 glatten, langgestielten, Hirsekorn- bis Linsen -grossen Auswüchsen besetzt, welche als mikrosko- pische Elemente Fettblasen mit Zellstoff enthielten, übrigens eine glatte Oberfläche und theilweise die Consistenz des Faserknorpels darboten. Beobachtungen über Communi- cation beider Schleimbeutel finden sich bei einigen Schrift- 523 stellern. Cruveilhier*) entnehme ich einen genau bezeich- neten Fall, der eine mit Gicht behaftet gewesene Person be- traf. Cr. hatte den tiefen Schleimbeutel richtig erkannt, ihn jedoch nur von der breiten Schenkelbinde bedeckt sein las- sen. ,‚Sur la face anterieura de la rotule existaient deux cap- sules synoviales sous-cutandes; Vune plus considerable, situee entre la peau et la lame apon&vrotique qui revete la rotule, une seconde placee entre cette lame aponevrotique et la ro- tule; elles comınuniquaient entre elles par une large ouver- ture.‘“ Beobachtungen von Communicationen beider Schleim- beutel, ohne Angabe der anatomischen Verhältnisse der tie- fern Bursa, finden sich bei Froriep**) verzeichnet, wo beide Schleimbeutel gleichzeitig von Hygroma befallen dargestellt sind. Ä In Betreff des feinern Baues ergiebt die mikroskopische Untersuchung erstens, dass sich ein Epitelium vorfindet. Es zeigte sich dasselbe unter der Form meist polygonaler Plättchen von dem mittlern Durchmesser von 0,036 mm. Man bemerkt an den meisten derselben keinen bestimmt aus- gesprochenen, sondern nur durch einen schwachen Umriss angedeuteten Kern, der oft nur bei gedämpftem Lichte gese- hen wird. Sehr gewöhnlich kommen 'polygonale Plättchen ohne allen Kern vor, welche glasartig durchscheinend fast ganz homogen, oder nur wie von einer staubförmigen Masse durchsetzt sind. Meist kommen in der von der innern Ober- fläche abgeschabten Masse isolirte Plättchen zu Gesichte; bisweilen gelingt es inzwischen grössere Stücke des Epite- lialüberzuges wahrzunehmen. Fast immer sah ich in der oberflächliehen Schichte ausserdem Bildungen, welche ich für ganz junges Epitel halten möchte. Es waren rundliche *) Anatomie pathologique. IV. Livraison. pag. 1. “*) Chirurgische Kupfertafeln, Tafel CCCXVII, vergleiche besonders Fig. 7. 524 oder melonenkernförmige, feingranulirtle Körper mit und ohne Kern, in allen möglichen Uebergangsstufen bis zum vollstän- digen Plättchen. Während jene fast homogenen, nur selten einen schwachen. Kern darbietenden, ohne Zweifel ältern Epitelialgebilde, durch concentrirte Aetzkalilösung nur all- mälig aufquollen und erst sehr spät sich auflösten, wurden ‚diese in kürzester Frist gelöst. Das Vorhandensein eines sehr vollständigen Epitelial- überzuges dürfte ein stringenter Beweis sein, dass man es nicht mit einer blossen Zellstofflücke, sondern mit einem spezi- fischen Sekretionsgebilde zu thun habe. So lange von einigen Beobachtern das Epitel gänzlich übersehen wurde, konnte wohl der Gedanke Platz greifen, dass die Schleimbeutel weiter nichts als Bindegewebszellen seien. Bei dieser Vorstellung - wäre dann allerdings Schreger’s Angabe von einer unzäh- ligen Menge von Schleimbeuteln eine Wahrheit. Allein Zell- stoffslücken, wie sie so häufig im subcutanen Gewebe vor- kommen, sind keine Schleimbeutel, sondern einfach grössere Bindegewebemaschen, welche theils angeboren sein können, theils aber auch entstanden durch Resorption von Feit, von Bindegewebe, in Folge lange Zeit eingewirkten Druckes, wie diess ganz gewöhnlich im Panniculus adiposus der Fuss- sohle, auf Schultern bei Individuen zu sehen ist, welche da- selbst häufig Lasten trugen. In solcherlei Lücken finden sich kein wahres Epitel, d. i. keine zu einem Continuum vereinigte Plättchen, sondern höchstens nur einzelne runde oder ovale granulirte Körper, welche an dem auskleidenden Zellstoff anhaften und fast überall gefunden werden, wo überhaupt freie Flächen gegeben sind, weil eben hier überall die Tendenz zur Bildung begrenzender Schichten besteht. Das Epitel der Scheimbeutel, so bestimmt es auch wahr- zunehmen ist, wurde, besonders seit Henle seine Existenz in Abrede gestellt hat, doch nur von wenigen Beobachtern gesehen. Iudessen haben es Kohlrausch, Reichert, 925 Bas; Kölliker*) und ich**) mit Bestimmtheit er- kannt. In die Bildung des Schleimbeutels gehen ferner ver- schiedene Fasergebilde ein. Die Grundlage macht das Binde- gewebe aus, dessen Bündel durch eine sehr vielfache Durch- kreuzung ein feinmaschiges Netzwerk darstellen. Zwischen derselben liegen meist sehr feine elastische Fasern, welche durch vielfache Verschmelzung theilweise in Continuität ste- hen. Als weitere Elemente, welche besonders gegen die freie Fläche gelagert sind, werden meist gerade gestreckte, selten sich spaltende, sehr schwach contourirte. Fasern er- kannt. Ein reichliches Blutgefässnetz, und eine geringe An- zahl schmaler Nervenfasern erstrecken sich bis fast an den Epitelialüberzug. Die Wichtigkeit einer genauen Kenntniss des tiefen Kniescheibenschleimbeutels, sowohl für die Diagnose gewis- ser Leiden, als auch für die Therapie derselben, liegt auf der Hand. Es werden insbesondere gewisse Formen des Hygroma sein, die nur durch die angegebenen anatomischen Verhältnisse eine naturgemässe Erklärung finden lassen. Hygroma, welche den oberflächlichen Schleimbeutel betref- fen, werden meist eine schmale Basis haben, leicht verschieb- bar sein, und in der ersten Zeit ihrer Bildung deutlich fluc- tuiren, während Ansammlungen im tiefen Schleimbeutel zur Bildung von breit aufsitzenden, prallen, eine Fluctuation we- nig.oder gar nicht darbietenden Geschwülsten führen wer- den. Kundliche,: über einander gelagerte, halsartig einge- schnürte, wenig verschiebbare Geschwülste werden durch die Annahme einer Communication beider erkrankten Schleim- beutel naturgemäss aufgeklärt werden. *) Mikroskopische Anatomie. II. Bd. S. 232. **) Archiv von Roser und Wunderlich, Neunter Jahrgang. Ttes und Stes Heft, S. 605. u, Akustisches Experiment. Von | Prof. Fıck in Marburg, —oo- "Wenn man die Zahnreihe des Unterkiefers so weit hinter die des Oberkiefers zurückzieht als man kann, dabei die bei- den Kiefer mässig fest geschlossen hält und nun recht kräf- tig und recht plötzlich sämmtliche Kaumuskeln zusammen- zieht, so hört man ganz deutlich einen singenden Ton 'im Ohr. — Man hört diesen Ton’'noch stärker, wenn man während des Aktes mit zwei eingedrückten Fingerspitzen den Eingang in die Ohren möglichst fest verschliesst. — Dieser Ton bildet sich genau isochronisch mit der Contrak- tion der Kaumuskeln, und hört auf, sobald die Contraction derselben nachlässt, er lässt sich aber auch nicht fortdau- ernd erhalten, wenn man die Contraetion der Kaumuskeln dauernd erhält, sondern verschwindet dabei ebenfalls. — Wechselt man mit Contraction und Nachlass der Käumus- keln sehr rasch, so hört man deutlich bei. jeder Contraction den Ton auf’s Neue entstehen, obgleich die Intervallen nicht lang genug sind, um das Ueberfliessen des ersten in den zweiten durch eine tonlose Pause zu verhindern. Es liegt ziemlich nahe zu vermuthen, dass dieser sin- gende Ton durch eine plötzliche Contraction des. Tensor tympani veranlasst wird, und dass wiederum die Contrak- tion dieses Muskels durch die Erregung des plötzlichen kräf- ligen Innervationsstroms in den Nerven der Kaumuskeln in- 927 dueirt wird. — Die Nervenvertheilung der betreffenden Mus- kelnerven legt diese Vermuthung nahe. — Es lässt sich aber auch der Beweis sehr leicht liefern, dass diese Ver- muthung richtig ist. Man nimmt ein mehrere Zoll langes an beiden Enden offenes Glasröhrchen, dessen Mündung möglichst dick, des- sen Lumen möglichst eng ist (Thermometerrohr), wickelt um das eine Ende einen Streifen sogenanntes vulkanisirtes Kaut- schuck (welches bekanntlich sehr weich und schmiegsam ist) und zwar in so viel Touren, dass an diesem Ende des Röhrchens ein Pfropf von der ungefähren Stärke des Gehör- gangs an der Stelle, wo er ins Felsenbein eintritt, gebildet wird. — Wenn man bei dem Wickeln dieses Pfropfens den Rand des Kautschuckstreifens etwas schraubenförmig um das Röhrchen führt, so wird derselbe natürlich vorne etwas ko- nisch und geeignet, in den Gehörgang eingedreht zu werden. — Bringt man nun in das andere Ende des Röhrchens einen Tropfen Quecksilber oder irgend eine gefärbte Flüssigkeit, dreht das mit dem Kautschuckpfropf versehene Ende tief und fest in den Anfangstheil des knöchernen Gehörgang so ein, dass ein luftdichter Verschluss gebildet wird, (was bei eini- ger Aufmerksamkeit und Ortskenntniss leicht und schmerz- los auszuführen ist) — und lässt endlich jetzt wieder die oben besprochene kräftige Contraction der Kaumuskeln in der angeführten Stellung der Kiefer ausführen, so bewegt sich der im Röhrchen stehende Tropfen rasch und kräftig gegen das Trommeifell hin und weicht beim Nachlass des Tons wieder zurück, wodurch einfach die oben ausgespro- chene Vermuthnng bewiesen ist. — Die Thatsache ist für die Physik des Gehörsinnes, so wie für die Nervendynamik von selbstredendem Interesse. — Der Versuch ist leicht, und die allenfalls bei demselben. zu beachtenden Verhältnisse, ‚welche im ersten Augenblicke vielleicht einige Zweifel in die Beweiskraft desselben zu tragen scheinen könnten (Druck des Unterkieferköpfchens auf den knorpligen Theil des Ge- 928 hörgangs, Zerrung der Chorda tympani, Luftstrom der Tuba, veranlasst durch die Contraction der M. pterygoidei u. dgl.) scheiden sich so leicht aus, dass es unnöthig erscheint, wei- teres über dieselbe zu sagen. — DBemerken will ich noch, dass mir der Versuch im Anfang bei mehreren Personen nicht glücken wollte, weil ich versäumt hatte, denen, die ‘mir zum Experiment gedient, die Ohren reinigen zu las- sen, und desshalb bei dem Herausnehmen das Röhrchen mit Cerumen verstopft war. Neue Untersuchungen über die schraubenförmige Be- schaffenheit der Elementarfasern der Muskeln, nebst Beobachtungen über die muskulöse Natur der Flimmerhärchen. Von MarTın Barry. (Aus dem Manuscripte des englischen Originals übersetzt und mitge- theilt von Professor Purkinje.) (Hierzu Taf. XVI— XIX.) Mehrere Jahre durch eine Augenaffection des Vergnügens beraubt, mikroskopische Untersuchungen vornehmen zu kön- nen, bin ich hocherfreut, mich in dieser Hinsicht so weit hergestellt zu finden, dass ich mich solchen Beschäftigungen wieder hingeben kann. Sollte ich darin gesündigt haben, das Mikroskop wieder zu ergreifen, indem ich dabei an mei- nem Augenlichte schaden leiden könnte, so wird diese Sünde hoffentlich in dem Folgenden hinreichende Entschuldigungs- gründe finden, Dass meine früheren Untersuchungen über die letzten faserigen Elemente der Muskeln, im näturwissenschaftlichen Publieum, namentlich in Deutschland, an dessen Stimme mir so viel gelegen ist, den Anklang, den ich gewünscht und den der Gegenstand wohl verdient, nicht gefunden haben, konnte mir nicht gleichgültig bleiben, und ich fand mich dazu ge- Müller's Archiv, 1850. 34 830 trieben, einen grossen Theil meiner Mussestunden in den letzten neun Monaten dieselben noch einmal mit geschärfter Aufmerksamkeit vorzunehmen. Ich finde auch jetzt nicht Veranlassung, meine früheren Auffassungen zurückzunehmen, ja, ich bin darin nur noch mehr bestärkt worden, da sich mir im Gange der Untersuchungen neue unerwartete Zu- ‘ stände der Verflechtung der Fasern darboten, die auf das Ganze ein neues Licht werfen, und andererseits mir auch erklärlich geworden ‚ist, wie einzelne Forscher, indem ‚sie den einen oder den anderen Zustand ‚der Fasern mehr in’s Auge fassten,. auch auf verschiedenen Stadien des Erklärungs- versuches stehen geblieben sind. Die meisten mögen sich - wohl gescheut haben, die von mir dargestellte Flechtung der im contrahirtesten Zustande befindlichen Muskelfaser gelten zu lassen, weil sie ihnen zu sehr zusammengesetzt, ja vielleicht zu künstlich erschien. Nunmehr, da ich Ueber- gänge bis zur völligen Ausziehung der Faser beobachtet und so viel möglich dargestellt, hoffe ich, dass wenigstens ein- zelne Forscher sich bewogen finden werden, statt den Ge- genstand ad acta zu legen, oder mit einfacheren Auffassun- gen sich’ zu begnügen, die Untersuchungen noch einmal, und tiefer ‘als: bis jetzt vorzunehmen. ' Vielleicht, dass man mir dann wird ‘Gerechtigkeit 'widerfahren lassen und dass. der Gegenstand endlich diejenige Exactheit erlangt, wödurch er allein ‘geeignet wird, im System der Wissenschaft eine: blei- bende''Stelle einzunehmen, statt dass ihm sonst höchstens die: traurige Ehre beschieden wäre, in der: Geschichte der Meinungen oder gar Irrthümer des menschlichen Geistes ir- gendwo zu figuriren. — Ich habe, bei wiederholter Vor- nahme dieser Untersuchungen die Ueberzeugung: gewonnen, dass sie, wegen der äussersten Feinheit der Objecte, welche fast ohne Ausnahme nur die stärksten Vergrösserungen er- fordert, und wegen der complieirten optischen Wirkungen derselben, unter‘ die Schwierigkeiten‘ der gesammten Mikros- kopie gehören, und dass man eben so bescheiden ‘bei: der up21 Darstellung seiner Auffassungen darüber von. einer Seite, als andererseits beim. Fällen des Urtheiles über den Werth und die Wahrheit derselben sein muss, und dass hier die Appellation an recht viele Theilnehmer und Mituntersucher, mehr als irgendwo erwünscht ist, um zu einer objectiven Enischeidung zu gelangen. Ich, erlaube mir einige Hauptresultate meiner früheren Untersuchungen über die Structur der Muskeln hier mitzu- theilen, da.ich voraussetzen kann, dass die Abhandlungen *), worin sie früher ihre Stelle gefunden, verhältnissmässig nur in sehr wenigen Händen sein werden. Meine über die Structur der Muskeln vor neun Jahren mitgetheilten Beobachtungen. 1. Die. Muskelfaser besteht in ihren äussersten Ele- menien aus zwei Schraubenfäden, die sich zur. Bildung der. Faser untereinander seitlich verflechten, und so einen Doppeleylinder . mit zwei mittleren Rinnen darstellen. Ein Querschnitt davon präsentirt sich in Gestalt einer liegen- den «. 2..:In der Regel ist die Faser in einem quergestreiften primären Muskelbündel so gelagert, dass sie die schmale Seite dem Auge zukehrt; daher man denn gewöhnlich nur den Schraubenfaden des einen Cylinders der Muskelfaser bemerkt. 3. Ein Muskel ist somit nichts als eine bündelförmige Ansammlung von, Schraubenfäden, und erscheint verkürzt und dick, wenn diese in Zusammenziehung, lang und schmal, wenn diese in Erschlaffung begriffen ist. 4. Die elliptischen Krümmungen der Schrauben schei- nen mehrere der Beobachter der Muskelfasern fälschlich für Knötchen genommen zu haben. 9... Die dunkeln hönessizeilen, welche man an dei *) Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 1842, „On Fibre“, 34* 932 primären Muskelbündel bemerkt, sind nichts als Zwischen- räume zwischen den schmalen Seiten der einzelnen Müskel- fasern, so wie sie mit ibren platten Seiten aneinander gela- gert sind, und enthalten wahrscheinlich eine schlüpfrig ma- chende Flüssigkeit. Die dunkelna Querstreifen sind Reihen der Zwischenräume zwischen den Krümmungen der die Muskelfasern constituirenden Schraubenfäden. Wenn die dun- keln Längsstreifen Zwischenräume zwischen den schmalen Seiten der Muskelfasern sind, so sind dagegen die lichten Längsstreifen die schmalen Seiten der Fasern selbst, und wenn die dunkeln Querstreifen aus der Combinirung der reihenweis verlaufenden Zwischenräume der Curven der Schraubenfäden entstehen, so sind die lichten Querstreifen die durchscheinenden Stellen dieser Schrauben selbst. 6. Die Zusammenziehung der Muskelfasern erfordert nicht ein Breiterwerden der von einigen angenonimenen Knötehen, vielmehr eine stärkere Seitwärtsbeugung der ein- zelnen Schlingen der Schraubenfäden. Daher die Querstrei- fen in dem Muskelbündel während der Zusammenziehung schmäler und aneinander gedrängler, während der Erschlaf- fung breiter und von einander entfernter erscheinen müssen, was in Bezug für einzelne Fasern Verkürzung und Verlän- gerung entspräche. 7: Das quere Abspalten der Primitivbündel entsteht durch die wechselseitige Einwirkung der einander umschlin- genden Fasern, an den Stellen, wo ihnen der geringste 'Wi- derstand geboten wird. | 8. Das Sarcolemma entsteht ping aus Schrau- benfasern die zuletzt ununterscheidbar ineinander verfliessen. 9. Zu diesen eben angeführten Resultaten zu kommen, konnte mir nur gelingen, dass ich mich mit meinen Beob- achtungen an die Entwickelungsgeschichte dieser Gewebe auf das innigste anschloss. Was die Einzelnheiten beirifft, die mir die Entwickelungsgeschichte darbot, und was ich na- mentlich über die Entstehung und die Reproduction der HRR Schraubenfasern im Allgemeinen bemerkte, muss ich auf die oben angeführte Schrift und auf die $$. 45 — 68 dieser Ab- handlung gegebene kurze Skizze verweisen. Meine neuesten Beobachtungen über die Structur der Muskeln. 10. Diese neuen Beobachtungen habe ich mit Hülfe eines grossen zusammengesetzten Plösslischen Mikroskops von der vollendeisten Art ausgeführt. Das Instrument war das neueste, was aus der Werkstatt dieses mit Recht so be- rühmten Optikers hervorging. 11. Die zwei Schraubenfäden, aus denen die Muskel- faser hesteht, sind in Betreff der Richtung ihrer Schrauben- gänge als gleichläufig zu betrachten *), wie man aus der Fig. 44a, ersehen kann, welche die Elementarfäden im Zustande ihrer Contraction darstellt. 12. Diese zwei Schraubeufäden sind an ihrem Ende wie in eine Schlinge vereinigt. (Man sehe die punctirten Linien am obersten Ende der Fig. 45a.) So habe ich es we- nigstens in einer der häufig vorkommenden Formen der Mas- kelschrauben (bei den Flimmerhärchen) gefunden, und man kann nach der Analogie wohl annehmen, dass es bei den Uebrigen eben auch der Fall sein wird. 13. Man sieht hier, dass der Doppelfaden bei der Zu- sammenziehung auch eine stärkere Zusammendrehung zeigt, und dass die Erschlaffiung mit einer grösseren Aufdrehung der constituirenden Fäden verbunden ist. 14, Die doppelten Schraubenfäden zeigen sich bei ihrer Erschlaffung meistens in der Art aufgedreht, wie die beiden Fäden eines gewöhnlichen Bindfadens um einander laufen. (Fig. 4Ad. 34.) Und wo soll man das Ende der Erschlaffung bestimmen? Könnte sie nicht so weit gehen, dass bei fort- ”) Nicht die eine rechts- und die andere linksläufig, wie ich sonst angenommen hatte. 534 gesetzter Aufdrehung die anfängliche Doppelschraube in ein- fach nebeneinander laufende Fäden aufginge? Gewiss ist es, dass man oft einfachen Fäden begegnet, an denen keine Ver- flechtung irgend einer Art wahrgenommen werden kann. 15. Zwischen dieser Aufdrehung während der Erschlaf- fung und der Zusammendrehung während der Contraction . giebt es mehrere intermediäre Zustände, davon in der Fig. 31d. e. f.g. — ein und derselbe Doppelfaden in verschiedenen Zuständen seiner Zusammendrehung oder Aufdrehung darge- stellt wird. | 16. Man kann aus einem Stück Bleidraht, welches man in der Milte umbeugt, im Buge festhält, und dann die . beiden Hälften um zwei Cylinder, z. B. glatte Bleistifte, stets in einer und derselben Richtung forlzieht, so ineinander flech- ten, dass ein vollständiges Modell der in der Natur vorkom- menden schraubenförmigen Doppelfaden der Muskeln entsteht. Ich habe drei solche in Fig. 44. 45. 46a. beigefügt. Wenn man die Bleislifte herausgenommen und die Doppelschraube von Blei frei vor uns sich befindet, so braucht man nur beide Endeu davon mit den Fingern zu fassen, und daran langsam zu ziehen, und man wird nach und nach alle jene Zustände zu sehen bekommen, in denen die Doppelschrau- ben der Muskeln in der Natur beobachtet werden. Man vergleiche Fig. 44. 45. 46a —g. mit Fig. 31. und 34. Von diesen Zuständen kann man oft mehrere in der Natur an einem und demselben Doppelfaden wahrnehmen, indem die- ser bei der Präparation eine ungleiche Ausdehnung erlitten hat. So zeigt z. B. in der Fig. 31. die Stelle d. den Dop- pelfaden in stärkerer Conutraction; die Stellen f. und g. zei- gen Zustände stärkerer Ausdehnung derselben. 17. Mag auch dieses Modell von Blei nur eine rohe Darstellung dieser so äusserst feinen Struktur der Muskel- faser sein, so setzt es uns doch in den Sland, die verschie- denen räumlichen Verhältnisse der die Faser constituirenden Schraubenfäden nach ihrer Länge, Breite und Dicke, bei ver- 535 schiedenen Graden ihrer Contraction und Erschlaffung vor- stellig. zu machen. Man kann sich an. einem solchen Modell auch eine beiläufige Vorstellung über die Maasse der Dicke und‘ Länge der contrahirten und expandirten Muskelfaser machen. Bei vollkommenem Ausziehen der erst in. höchster Zusammenziehung befindlichen Schrauben des, ‚Bleidrahts, Fig. 44a., verlängerten sie sich beinahe um fünf und ein halb Mal in: der Länge, d. | 18.: Es wäre ein Irrthum, zu. glauben, dass man die Bildung der Quer- und Längsstreifen durch die blosse Un- tersuchung, der Primitivbündel zu erforschen vermöchte. Es müssen die einzelnen Muskelfasern möglichst geschieden dargestellt und untersucht werden. | 19. Um diese Fasern zu erhalten, müssen solche Mus- keln ausgewählt werden, in denen die jungen Primitivbün- del recht schmal sind, bei denen die Theilung in Primitivfa- sern noch am leichtesten gelingt. Zu diesem Zwecke ist das Herz vor allen andern zu empfehlen; denn, wegen ‚seiner unausgesetzten Thätigkeit, sind seine Primitivbündel in fort- währeuder Erneuerung begriffen, und lassen sich am leich- testen in ihre Elemeniarfasern zertheilen. Von allen Herzen aber,. die ich untersucht habe, zeigt keines die Fasern mit grösserer Klarheit, nirgends sieht man die doppellen Schrau- benfäden deutlicher, als in dem Herzen des gemeinen Fro- sches. Wer sonst Gelegenheit hat, Herzen von Schildkröten und allen Arten von Salamandern zu untersuchen, dem sind auch diese zu empfehlen. Auch fand ich häulig in den Mus- keln des Krebsschwanzes die Fasern in Gestalt von Fig. 31f., wo eben auch die Schraubenfäden deutlich zu unterscheiden waren. | 20. Man wähle die Muskeln von einem gesunden. le- benskräftigen und eben geiödieten Thiere; Muskeln, die in Weingeist, oder sonst einem Conservationsmiltel gelegen, taugen durchaus nicht. Der geringste Grad von Fäulniss ist hinreichend, die Schraubenfäden zu zerstören. In diesem 936 Falle erhält man gekörnte Fasern, Fig. 29b., in "grosser Menge, d.h. Reiben von Zellenkeimen, jedoch selten noch eine Spur von Schraubenfäden. (Mau sieht hier zugleich, was wichtig zu_bemerken, dass die Schraubenfäden viel an- greifbarer sind und früher verschwinden als die Bildungs- zellenkeime.) | 21. Für das geübte Auge ist es nicht unbedingt noth- ‚ wendig, irgend ein chemisches Reagens in Anwendung zu bringen, indem schon das Wasser hierzu ausreicht. Doch scheint für diejenigen, die noch nicht hinreichend geübt sind, die doppelten Schraubenfäden zu bemerken, die Anwendung eines Reagens wesentlich wichtig zu sein, um dadurch in die Refrangibilität der Substanzen des Fadens einen Unter- schied einzuführen. Ich verfahre hierbei auf folgende Weise. Ich bereite mir in angemessener Menge zweierlei Lösungen vor, einmal eine Lösung von „ti, tel Sublimat in einem Theil Spiritus von 0,940 Sp. Gew.; ferner eine concentrirte Lösung von Sublimat ia destillirtem Wasser. Von ersterer bringe ich einen Tropfen auf eine Glasplatte, schneide eine kleine Portion vom Herzen des Frosches ab, und breite diese in dem Tropfen mittelst Nadelspitzen sorgfältig auseinander, damit die Muskelbündel von der Lösung möglichst durch- drungen werden. Sodann trenne ich davon ein möglichst kleines Partikelchen der der Länge nach verlaufenden Muskel- bündel, und zerfasere diese in demselben Tropfen unter der Loupe auf das Aeusserste. Die so präparirten Fasern bringe ich dann auf ein anderes Glas in einen Tropfen von concentrirter wässriger Sublimatlösung, bedecke sie mit einer äusserst dünnen Glasplatte, und betrachte sie nun mittelst des Mikroskops, erst bei einer etwa 200maligen Vergrösse- rung, um die zur Beobachtung geeignetsten Fasern auszusu- chen und in die Mitte des Gesichtsfeldes zu briogen. So- dann nehme ich eine etwa 600malige Vergrösserung, und betrachte die Fasern mit dieser, wo es dann meistens ge- lingt, einzelne derselben mit ihren Schraubenfäden frei an PX den Rändern des Präparats zur Ansicht zu erhalten. — Will man Präparate, die eine längere Zeit aufbewahrt werden sollen, davon verfertigen, so ist es nicht räthlich, diese wäs- serige concentrirte Sublimatlösung als Einsperrungsflüssigkeit zu brauchen; indem sonst die Fasern in kürzester Zeit zer- setzt und somit undeutlich werden. Zu diesem Zwecke wähle ich lieber eine Lösung von „i„tel salpelersauren Silberoxyd in destillirtem Wasser, in welche Lösung ich dann in der oben erwähnten weingeistigen Sublimatlösung auf das äus- serste zerfaserte Partikelchen der Herzsubstanz einbringe. Dieses Präparat zeigt zwar die Schraubenfäden nicht in der ausgezeichneten Deutlichkeit wie in der Sublimatlösung, auch wird es stellenweise durch sich niederschlagendes Silberoxyd verunreinigt; da es jedoch davon weniger angegriffen wird, so lässt es sich zum Zwecke der Demonstration für längere Zeit aufbewahren, Für die augenblickliche Untersuchung würde ich jedoch die Sublimatlösung vorzugsweise empfeh- len. Von allen von mir in Gebrauch gezogenen Reagentien, als: Chromsäure, Kreosotwasser, u. s. w. hat sich keins so bewährt, als’ die eben erwähnte Combination, — d.h. die concenirirte wässerige Lösung von Sublimat. — Es ist nicht unwichtig, hier zu bemerken, dass man immer nach obiger Weise das Muskelpartikel in durch Spiritus verdünntem Sublimat zerfasern muss, ehe man es in die concentrirte Wasserlösung desselben einträgt, denn wollte man dies in letzterer unmittelbar vornehmen, so würde, da die Nadel- spitzen bald angegriffen und rauh werden, noch mehr aber, weil die Muskelsubstanz sogleich compact und undurchsich- wird, die Zerfaserung durchaus nicht gelingen. Auch beim oben erwähnten Gebrauch der spirituösen Sublimatlösung verändert sich die Muskelportion, schon dem blossen Auge sichtbar, ziemlich schnell, indem sie aufquilli und die Fasern sich aneinander drängen. Man muss sich daher beeilen, die Präparation möglichst schnell auszuführen, wenn man zu einem glücklichen Resultate gelangen will. 538 7/22. ‚Man hat gegen den Gebrauch chemischer Reagen- tien Einwendungen gemacht. Als-Antwort diene eine Be- merkung von meinen Bruder John J. Barry, welche also lautet: Wenn Jemand läugnet, dass in einem organischen Theile, bei dessen Untersuchung er sich chemischer Reagen- tien bedient hat, eine Struktur zu. sehen ist, so können: die- jenigen, welche die Existenz einer solchen Struktur behaup- ten, ınit Recht einwenden, dass sie durch Anwendung jener Reagentien zerstört und unsichtbar geworden sei. Wenn dagegen Jemand durch Anwendung verschiedener Reagentien eine organische Struktur wahrgenommen und auch für Andere sichtbar gemacht hat, so lässt sich ihre Existenz nieht füglich läugnen, da man nicht annehmen kann, dass sie erst durch jene Reagentien entstanden wäre, um so we- niger, wenn zu ihrer Sichtbarmachung ganz verschiedene Mittel, z. B. Sublimat, salpetersaures Silber, Chrom und an- dere in Anwendung gekommen sind, und man nicht voraus- seizen kann, dass alle diese verschiedenen Stoffe ein und dasselbe Produkt hervorgebracht hätien. Am wenigsten kön- nen diejenigen gegen die Reagensmethode solche Einwürfe sich erlauben, die sonst bei ähnlichen Untersuchungen sich der Maceration bedienen, die, wie bekannt, schon in nicht gar langer Zeit die grössten Veränderungen und Zerstörun- gen in der organischen Substanz hervorbringt. 23. Diejenigen, welche ihre Untersuchungen über die- sen Gegenstand auf die Entwickelungsgeschichte gründen, haben den Vortheil, die Struktur der Muskelfasern in einem viel grösseren Maassstabe zu sehen, als dies im vollkommen ausgebildeten Zustande der Fall ist. : Bei meinen früheren Untersuchungen, wo ich vorzüglich die allerjüngsten Lar- ven der grossen Jerseyschen Kröte*) zum Gegenstande wählte, hatte ich noch den Vortheil mehr, dass, da die Blut- *) Deren Speciesnamen ich auf der Insel Jersey, wo die Beob- achtungen gemacht wurden, leider nicht Gelegenheit hatte, zu bestimmen. 539 körperchen der Batrachier in diesem Zustande sehr gross sind; auch die übrigen Elementargebilde in demselben Ver- hältnisse grösser vorkommen. (Bei meinen embryologischen Untersuchungen*) habe ich gefunden, dass erstens die em- bryonischen Zellen sich durch fortgesetzte Theilung repro- duciren, und im Fortgang der Eutwickelung immer kleiner werden; sodann, dass die Blutkörperchen von den embryo- nischen Zellen ihren Ursprung nelimen, und dass ihre Grösse bei verschiedenen Thieren als Maassstab für die Kleinheit der im gleichen Verhältniss sich durelı Theilung verkleinern- den Embryonalzellen genommen werden kann; woraus hervor- geht, dass je weiter die Entwickelung gediehen ist, ‘die Struk- turverhältnisse immer kleiner und so für die Beobachtung schwieriger werden, und somit bei der Wahl der Thiere für die Untersuchung auf die Grösse der Blutkörperchen Rücksicht genommen werden müsse, deren Grösse uns auch einen grösseren Maassstab der Strukturverhältnisse vermuthen und einen glücklicheren Erfolg der Untersuchung erwarten lässt.) | | 24, Ich bleibe noch immer bei meinen früheren Ansich- ten über die Bedeutung der Stellen der Streifen im Muskel- bündel. Diese Ansichten sind am Anfange dieser Schrift, $.5., milgetheilt worden, und die Erklärung ist in Fig. 48 bis 50 gegeben. Aus diesen Figuren kann man sehen, dass die Stellen der dunklen Längsstreifen den Zwischenräumen der schmalen Seiten der einzelnen Muskelfasern, und die Stel- len der dunklen Querstreifen den Kreuizungsstellen der Win- dungen der Schraubenfäden entsprechen. - Es leuchtet aus diesen Figuren von selbst ein, dass sowohl die Längs- als die queren dunklen Streifen durch die Breehung des Lichtes hervorgebracht werden; denn gerade dort, wo die dunklen Streifen vorkommen, fallen die vom Spiegel des Mikroskops *) Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 1338, 1839, 1840. 940 kommenden Strahlen auf schiefe Flächen, wo sie von ihrer geraden Richtung zum Auge abgelenkt werden. Die dunk- len Längsstreifen werden durch die cylindrische Gestalt der elementaren Muskelfäden bedingt, die dunklen Querstreifen theils durch dieselbe eylindrische Form der Muskelfäden, hauptsächlich aber durch die schiefe Stellung derselben bei ihrer Kreutzung. 25... Noch ein Moment verdient bei der Deutung, na- mentlich der queren dunklen Streifen, berücksichtigt zu wer- den, obgleich es gegen die schon angeführten in Hintergrund tritt, es ist die wechselseitige Deckung der Elementarfäden, wodurch nebst der Ableitung des Strahles durch die Refrak- tion auch noch eine Schwächung desselben herbeigeführt ‘ wird, indem er an diesen Stellen den doppelten Durchmes- ser der Fäden zu durchdringen hat. Man kann sich davon leicht überzeugen, wenn man künstliche Modelle von Milch- glasfäden, welche alle die schon abgebildeten Verschlingun- gen der Muskelfasern nachahmen, verfertigen lässt. Es er- scheinen dann die Kreutzungsstellen viel dunkler, als jene, wo die Schlingen der Fäden nebeneinander laufen, diese näm- lich hellgelb, jene orange. Werden mehrere solche Fäden neben- und hintereinander gereiht, so fällt die Aehnlichkeit mit den Querstreifen der Muskelfasern noch mehr in die Augen. Dies sei genug, dieses sekundäre Moment erwähnt zu haben. 26. Hätten die Beobachter stets auf die Entwickelungs- geschichte Rücksicht genommen, so wäre ihnen eine helle gal- lertartige Substanz, die ich Hyaline nannte, nicht entgangen*). Jede Faser hat unabhängig von der benachbarten ihre eigene Hyalinee Manchmal zeigt sich diese Hyaline innerhalb der Windungen der Faser,‘ Fig. 34a., andermal sieht man, dass u *) Das Wort „Hyaline‘* hat mir mein Freund Professer Owen vorgeschlagen. 041 die Faser in einem Cylinder von Hyaline eingeschlossen ist, Fig. tvetg | | | 27. Eine besondere Beachtung verdient hier der geringe Unterschied der Lichtbrechungskraft zwischen der Hyaline und der Substanz der schraubenförmigen Muskelfäden, wo- durch die Umrisse der letzteren beinahe unsichtbar werden. Dieses findet besonders dann statt, wenn die Faser im Pri- märbündel noch eingeschlossen ist und selbst, wenn die Faser nach ihrer Trennung vom Bündel frei vorliegt. Daher kamen die verschiedenen Auffassungsweisen derselben, na- ınentlich auch die, dass sie aus einer zusammenhängenden Reihe von Knötchen oder Varicositäten bestehe, Es war daher sehr wichtig, Reagentien auszufinden, um eine grössere Scheidung der Refrangibilität beider Substanzen einzuführen, und den beirrenden Einfluss der Hyaline zu Biegen wo- von schon $. 21. die Rede war. 28. Die Hyaline scheint noch auf ner Weise die Beobachter missleitet zu haben. Sie zeigt sich nämlich, wo sie im Inneren der Schraubenfäden enthalten ist, Fig. 29 a., als eine Reihe durch sie zusammengehaltener Zellenkeime, welche Keime die Bestimmung haben, bei Verbrauch der äl- teren Schraubenfäden das Material zur Bildung neuer dar- zubieten, und diese Reihen von Zellenkeimen hatte man wahr- seheinlich, die Schraubenfäden übersehend, für die Elemen- tarfasern selbst genommen. Dieses begegnet besonders dann, wo die zu untersuchenden Muskeln einen geringen Grad von Fäulniss erlitten haben, wobei die Schraubenfäden früher sich auflösen und verschwinden, und die in ihnen enthaltenen Hyalinefäden mit ihren Zellenkeimenreihen nackt zurücklas- sen, Fig. 29b. Auch Bowman scheint irrthümlicher Weise einen ‘solchen Zellenkeim enthaltenden Hyalinefaden als eine Elementarmuskelfaser abgebildet zu haben*). Es konnte *) Cyclopaedia of Anatomy and Physiology, Artikel „Muscle“, Fig. 287 c. In seinem früheren Werke, Philosophical Transactions, 15840. findet sich keine solche Abbildung. 542 absurd erscheinen, hierüber ‚noch ‘auf eine ernste Weise in Untersuchungen einzugehen; und doch, da einmal: jener Miss: griff geschehen ist, erlaube: ich mir’ den Physiologen die Frage vorzulegen, ‚ob es ihnen wahrscheinlicher erscheine, dass die Schraubenfäden zuerst gebildet worden, um die Zellenkeime zu: produeiren (!), oder, dass diese die zuersi gebildeten sind, woraus die Schraubenfäden entsiehen. (Gewiss ist es, dass ‘ die, Veränderungen in. der’ Struktur der Muskelfasern, welche- ihre fortwährende Composition oder Decomposition .beglei- ten, eine Reihe von Vebergangszuständen darbieten, einer- seits von noch unausgebildeten Zellenreihen, und andererseits von: vollkommen ausgebildeten Schraubenfäden; ein. Umstand, der: jeden leicht irreführen kann, der in diesem höchst schwie- ‘ rigen Felde der Beobachtung beschäftigt: ist.) 29. Eine Frage, zu deren Lösung Bowman im Jahre 1842 sich für unfähig erklärte*), und deren Bedeutung ich selbst, als ich über denselben Gegenstand schrieb, nicht ganz begriff, besteht darin, den Grund anzugeben, warum’ in man- cher Zuständen der Muskeln ihre primären: Bündel in der Quere brechen, in anderen dagegen sich in,der Länge thei- len. : Ich glaube, dass ich gegenwärtig über diesen Punkt mit einer gewissen Sicherheit mich aussprechen kann. Nach mei- nen Beobachtungen bricht das Bündel um so eher in der Quere, je heftiger es zusammengezogen war — je _erschlaff- ier seine Fasern, destomehr Anlage hat es sich in der ‚Länge: zu theilen ; oder was dasselbe ist, wo die Querstreifen nahe an einander gerückt sind, Fig. 49. 50. 51. brieht das Bündel in:der Quere; denn da hier die Schraubenfasern: an ‚ihren. Umschlingungsstellen b! b! unter den. spitzigsten Winkeln gegeneinander wirken, erfolgt die Durchschneidung am leich-. testen, wodurch die bald zu ‚erwähnenden Bowmanschen. Querplatiten — ‚‚Disks“ — hervorgebracht werden. Dagegen, , *) Cyclopaedia of Anatomy and Physiology, Artikel „Muscle“, Pl. 509, 511. 543 wenn das Bündel im 'erschlafften Zustande: sich befindet, Fig. 47, durchschlingen sich die Schraubenfasern nur in'sehr stumpfen Winkeln b. b., wobei. denn die einschneidende Kraft‘in demselben Verhältnisse abnimmt; dagegen die ‚Fe- stigkeit in der Länge zunimmt, wie das bei jedem Seile oder Bindfaden der Fall ist. Da ferner bei dieser Dehnung und Verschmälerung der Fasern die Innigkeit ihrer: Seitenberüh- rungen abnehmen: muss, 'so geschieht es manchmal, dass:auch ein geringer mechanischer Druck sie Ieilwebe der Länge nach von einander trennt. do 30.: Es wird wohl hier am' u Orte sein, eines Schulknabenspieles zu erwähnen, welches auf physikalischen Gesetzen gegründet,’ uns bei obigen Erklärungen leitete, Man nehme zwei abgesonderte Stücke von Bindfaden, biege: das eine in die Hälfte gegen sich selbst, wickele‘ die Enden eini- gemal um die Hand, so dass die Schlinge frei bleibt. ‘Ein Anderer nimmt einen Faden von gleicher Länge, zieht ihn durch unsere Schlinge, wickelt die Enden gleichfalls um seine Hand. Wenn nun die beiden Schlingen angezogen, gegen- einander gespannt, und daran plötzlich gerissen wird, so durchschneiden sie sich mit grösster Leichtigkeit. Man kann denselben Versuch mit eigenen Händen machen, wenn man die beiden Bindfadenstücke auf 'gleiche Weise in. Bezug auf die eine und die andere Hand behandelt. Noch einfacher mit einem einzigen hinlänglich langen Bindfaden, dessen En- den dann als Schlingenstücke dienen. 31. Ich kann jedoch nicht umhin, hinzuzusetzen, dass der Zustand der Erschlaffung im Ganzen der Spaltung nach der Länge günstig ist, man dennoch in früheren Entwicke- lungsstadien Faserbündel antrifft, in welchen die Elementar- fasern von grösseren ineinander greifenden Schraubenfäden so umschlossen sind, dass wie gross auch die Erschlaffung sei, die Longitudinalspaltung sehr schwer sein würde. Sol- cher grösserer Schraubenfäden findet man oft nicht blos zwei, sondern einen ganzen Haufen kreisförmig zusammen- 44 gestellt, davon jedes in seinem Inneren Gruppen von Schrau- benfäden enthält. Die grösseren wandeln sich später nach Aussen in Sarcolemma um, und nach Innen bilden sie Schei- dewände, so dass es leicht begreiflich ist, wie es komme, dass bei Präparirung der Muskelfasern zum Behuf mikrosko- pischer Untersuchung es so schwer sei, getrennte Elemen- tarfasern zu erhalten*), — Ferner sah ich eine andere Be- ‘ dingung der Conformation ‘der Faser, wo um die jungen Bündel, Fig. 43 e., gleichfalls Schraubenbänder gewickelt wa- ren, b. — jedoch so, dass die einzelnen Glieder des Schrau- benbandes, welches ‘das nächste Bündel umgab, zugleich einen Theil der Fasern des Vorhergehenden umfasste, und ebenso 'bei allen folgenden Portionen, so dass dadurch die ‘ einzelnen Bündel auf das Innigste untereinander verbunden waren, wodurch auch alle Längsspaltung verhindert wurde. — Ferner sah ich Zustände, wo beim Zerren des Bündels durchaus keine Spaltung stattfand, sondern dasselbe zog sich vor dem Zerreissen in eine Spitze aus, Fig. 39. Dieses Aus- ziehen in eine Spitze schien theils von der grossen Ausdehn- barkeit des Sarcolemma, theils von der Lockerkeit der schon an sich erschlafften Faser abzuhängen. (Die angeführte Fi- gur zeigt sehr schön bei b. die schraubenförmige Struktur der Fasern. Bei a. liegen die Windungen der Schrauben noch nahe aneinander, das Bündel ist dick, bei b. sind sie in die Länge gezogen, und das Bündel ist verdünnt bis zur Endigung in eine Spitze.) 32. Einige von den Untersuchern dieses Gegenstandes wurden, je nachdem sich ihnen die Fasern in diesem oder jenem Zustande der Zusammenziehung ‚oder Ausdehnung dar- boten, in verschiedener : Weise veranlasst, ihre: ‚Ansichten darüber zu bilden, die aber nothwendig einseitig sein muss- *) Bowman macht die Bemerkung, dass die innere Fläche des Sarcolemma oft Rauhigkeiten zeigte, die wahrscheinlich nichts anders waren, als Reste der erwähnten Zwischenwände. | 545 ten, da sie bei unvollständiger Kenntniss der Entwickelungs- geschichte der Fasern, unmöglich in ein vollkommenes Ver- ständniss derselben eingehen konnten. Daher die Idee einer knotigen Struktur der Elementarfasern. 33. Es geschieht nicht selten, dass, wenn man einen Bindfaden zerreisst, in welchem die zwei Fäden, aus wel: chen er gedreht ist, eine ungleiche Dehnbarkeit baben, einer davon länger ausgezogen und der andere um ihn wie um seine Achse gedreht erscheint. Ein äbnlicher Fall scheint manchmal bei dem Zerreissen einzelner Doppelfasern der Muskeln vorzukommen, wie in Fig. 35. Diese Form kann leicht zu der Ansicht verleiten, dass man eine Reihe von abwechselnd längeren und kürzeren Knötchen vor sich hat. 34. Ich bin überzeugt, dass, mit Ausnahme eines schon erwähnten Falles, $. 28, in allen anderen Fällen, wo Bow- man von Elementarfasern spricht, er nichts Anderes, als Schraubenfäden vor sich hatte, ohne sie wahrzunehmen. Es würde mir sehr schwer fallen, abermals mit einem Lands- manne, den ich sehr achte, in einen Streit zu gerathen, wenn ich nicht versichert wäre, dass sein Verlangen nach wahrer Einsicht in diesen Gegenstand eben so gross sei, wie das meinige. Ich lege hier fünf Copien der Zeichnungen Bowman’s bei, nach denen er die Muskelfasern als aus knotigen Fäden bestehend darstellt, Fig. 36 a.b. c.d.e. Die von ihm abgebildeten Fasern sind oflenbar nichts Anderes, als verschiedene Contractionszustände meiner doppelten Schrau- benfäden, was jedem einleuchten wird, der die von mir ge- genüber beigefügten Abbildungen vergleicht, Fig 37 a.b. c. d. e. Zweifelsohne waren die Fasern, die er abbildet, meistens durch äussere Einwirkungen verändert, denn Bowman be- richlet selbst, dass drei von fünfen der Präparate in Wein- geist aufbewahrt worden waren, das vierte eine Maceration erlitten hatte. Ä 35. Auch gilt das nicht blos in Bezug auf die von ihm abgebildeien Fasern; es gilt eben so den Abbildungen der Müller’s Archiv, 1850, 3 546 primären Muskelbündel, obgleich letztere in einem verklei- nerten Maassstabe abgebildet sind. Es wird daher Niemand, der Bowman’s Abbildungen sub No. 39 und 40, und einige der auf der XIX. Kupfertafel*) mitgetheilten, genauer betrach- tet, Anstand nehmen, das, was ich in einem früheren Para- graph, $. 6., über die Abänderung der Breite der Querstrei- fen als Folge der Unterschiede in der Richtung der einander “ kreutzenden Schrauben gesagt, zuzugestehen, und finden, dass es vollkommen ausreiche, die von Bowman abgebilde- ten Variationen der Muskelfasern zu deuten. 36. Wir sind diesem Forscher für die Darstellungen der vielfachen Erscheinungsweisen der primären Muskelbün- del während ihrer Contraction und Expansion zu Dank ver- “ pflichtet, doch sie zu deuten war er nicht vermögend, da ihm die Einsicht in die äussersten Sirukturverhältnisse der Schraubenfäden abging. Er vermied auch weislich jeden Er- klärungsversuch, ausser in so. fern, als er die Näherung und Entfernung der Querstreifen auf eine Zusammenziehung und ‚Ausdehnung der von ihm angenommenen Querplatten — „disks“ — Fig. 52. der primären Muskelbündel und der Sub- stanz ihrer Trennungsstellen zurückzuführen sucht, 37. Doch was sind diese ‚disks Bowman’s? Gewiss nicht das, was er meint, plattenförmige Lager muskulöser Sub- stanz — „‚primilive component particles «“ — durch deren Aneinanderfügung das primäre Bündel entstehe. Bo wman’s Querplatten — „‚disks‘“ — sind in der That nichts Anderes, als die hellen Parthieen der Querstreifen, in denen sich die einzelnen Windungen der Schraubenfäden etagenweise ne- beneinander befinden, Fig. 49. a.a.a. Die dunkeln Stellen der (Querstreifen entsprechen den Trennungsstellen von Bo w- man’s (uerplatten — „‚disks.‘“ Sie sind nichts als die Kreut- zungsstellen der Windungen der Schraubenfäden, Fig. 49 b‘b’, Hier kommen diese miteinander in unmittelbare Berührung, *) Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 1840. 47 können bei äusserem mechanischen Drucke aufeinander ein- sehneidend wirken, und werden bei angemessener Mürbheit der Substanz einander wirklich durchschneiden, Fig. 50. 51., wie ich in $$. 7. 29. gezeigt habe, als ich über die Spaltung der Muskelfasern handelte. Auch.wird dies mehr oder we- niger etagenweise erfolgen müssen, da die Umschlingungs- punkte im primären Muskelbündel meist in gleichem Niveau sich befinden. Und sind diese durchgeschnitten, so stellt jede dieser Etagen eine von Bowman’s Querplaiten — ,‚disks“ — dar*). (Nebenbei sei bemerkt, dass hier zwischen perspecti- vischer, Fig. 31 e, und Berührungs- oder Umschlingungs- kreutzung, Fig. 49 b‘. b‘., ein Unterschied gemacht werden muss, wobei zur Erklärung der Trennung der Querplatien Bowman’s nur die Berührungs- oder Umschlingungskreut- zung in Anwendung kommen kann.) 38. Was sind ferner Bowman’s diekere und dünnere Querplatten? .Nichts Anderes als die etagenförmige Sammlung der in gleicher Höhe sich befindenden längeren oder kürze- ren Parthieen der Windungen der Schraubenfäden, mit Rück- sicht auf die Richtung ihrer Krümmungen. Man vergleiche b. der Fig. 38, wo diese Riehtung mehr in die Länge geht, entsprechend dem Äusdehnungszustande der Fasern, mit a. in derselben Figur, wo die Richtung mehr in die Quere ver- läuft, entsprechend der Contraction. | 39. Woher kommt es, dass, wie Bowman beobachtete, *) Doch muss das nicht immer und nothwendig der Fall stin, wie dies auch der Augenschein und Bowman’s Fig. 52 lehrt, indem in demselben primären Bündel an verschiedenen Stellen die Elementarfa- sern verschieden gedehnt und contrahirt, und somit ihre Kreutzungs- stellen in verschiedenen Horizonten sich befinden können. Dieses wird auch dadurch bestätigt, dass, wenn man die Querstreifen des Bündels bei wechselnder Focushöhe betrachtet, sie continuirlich ihre Stelle wechseln, so wie man mehr in die Tiefe des Bündels oder gegen die Peripherie sieht, was wohl jeder erfahrene Mikroskopiker bestätigen wird, und was auch Bowman beobachtet hatte. 39” 548 die Zusammenziehung an irgend einer Stelle des primären Muskelbündels, welche durch eine grössere Näherung der QOuerstreifen charakterisirt ist, zugleich vor und hinter die- ser Stelle in der Längenrichtung ein weiteres Auseinander- treten der @uerstreifen zeigt? Der einfache Grund liegt darin, dass, indem die Schraubenfäden an irgend einer Stelle sich mehr in querer Richtung verschränken, dieses nicht _ anders als auf Unkosten ihrer Fortselzungen in der Längen- dimension statifinden kann, deren Schlingen dabei aus der Quere in die Länge gezogen, eine mehr längliche Richtung annehmen. 40. Mit Recht bemerkt Bowman, dass die Contraetion der primären. Muskelbündel nicht mit zigzagförmigen Ein- kniekungen derselben verbunden ist, wie man gewöhnlich in den Lehrbüchern findet. Im Gegentheil, wie Bowman anführt, hat Owen gezeigt, dass solche während der Er- schlaffung der Bündel nicht aliein vorkommen können, son- dern bei Filarien regelmässig vorkommen, und in diesem Falle für die Erschlaffung charakteristisch sind. Es fragt sich nun wie es geschehe, dass solche zigzagförmigen Um- beugungen gerade während der Erschlaffung vorkommen? Dies lässt sich so denken. Vorausgesetzt, dass die äusser- sten Enden des primären Bündels durch irgend ein Hinder- niss unverrückt bleiben und dass die Elementarfasern, nach Aufhören der Wirkung der Contractionskraft, mittelst ihrer eigenen Elastieität und in Folge der Aufdrehung ihrer Schrau- benfäden, eine grössere Länge zu gewinnen streben, an ih- ren Enden aber daran gehindert werden, so suchen sie durch Seitwärtsbiegungen, welche in solchem Falle eine zigaag- förmige Gestalt annehmen müssen, diesen Raum zu gewin- nen. Käme in demselben Falle diesem Verlängerungsbestre- streben die Wirkung von Antagonisten entgegen, so würde die Verlängerung ohne Bildung von solchen Zigzags erfol- gen; weil dann in demselben Maasse die Enden des Bündels eine angemessene Entfernung erleiden würden, 549 41. Wir verdanken Bowman viele mikrometrische Bestimmungen der primitiven Muskelbündel bei verschiedenen Thierklassen. Die stärksten fand er bei Fischen, weniger breit waren sie bei Amphibien, schmäler bei Säugethieren, am schmälsten bei Vögeln. Bowman’s Messungen sind sehr zahlreich und ohne Zweifel sehr sorgfältig ausgeführt. Er hat jedoch unterlassen, allgemeine Resultate daraus zu ziehen oder über die Ursache der verschiedenen Grössen etwas zu bemerken. Ich folge in dieser Hinsicht seinem Beispiele. Ich will keine eigene Meinungen über diesen Gegenstand vor- bringen, und zwar deshalb, weil ich denke, dass man erst über das Mittelmaass der verschiedenen Grössen der Primi- tivbündel bei einem und demselben Individuum sowohl, als auch überhaupt bei verschiedenen Individuen einer und der- selben Species, nach ihren verschiedenen Thätigkeitsäusse- rungen im Beinen sein muss, ehe man es unternehmen kann, allgemeine Schlüsse daraus zu ziehen. Doch ich kann nicht umhin, hier auf eine Thatsache aufmerksam zu machen, de- rer in einem früheren Paragraph, $. 19, schon Erwähnung geschehen ist. 42. Nach meinen Beobachtungen stellen die Primitiv- bündel erst blosse Doppelschrauben. d.h, einfache Fasern dar. Die Verwandlung der Fasern zu Primitivbündeln geht namentlich im Herzen unausgesetzt vor sich, indem die jun- gen Bündel erst kaum breiter angetroffen werden, als die Primitivfasern selbst. Die Ursache dieser continuirlichen Verwandlungen in der Muskelsubstanz des Herzens ist wohl keine andere, als die unausgesetzte Thäligkeit dieses Organs. Es ist kaum zu zweifeln, dass auch bei anderen Muskeln dasselbe statifinde, wenn auch langsamer, indem die Schnel- ligkeit der Reproduction nur im Verhältniss der Activität vor sich gehen kann. So gehören z.B. die Primitivbündel der geraden und schiefen Augenmuskeln, die in immerwährender Thätigkeit begriffen sind, entschieden zu den feinsten des sanzen Körpers. Wahrscheinlich sind auch bei verschiede- 990 nen menschlichen Individuen die Primitivfasern verschiedener Muskelparthieen in dem Grade feiner als sie vielfälliger in Anwendung kommen. Es drängte sich mir daher der Ge- danke auf, den Resultaten von Bowman’s Messungen fol- gende Deutung zu geben. _Er findet bei den Fischen die stärksten Primitivbündel, weil hier bei dem so leicht zu überwindenden Elemente, worin sie leben, ihre Thätigkeits- äusserung die geringste ist, etwa die Flossen- und Kiemen- muskeln ausgenommen, die auch offenbar schon äusserlich ein anderes Ansehen darbieten. Bei den Vögeln dagegen fand er die feinsten Muskelbündel, wie es bei der vielfältigen Be- weglichkeit dieser Classe wobl zu erwarten war. Amphi- bien und Säugethiere zeigten eine mitllere Durchschnitts- - grösse, indem ihre Beweglichkeit eine mittlere ist, wobei je- doch gewiss ‘auch auffallende Unterschiede sich ergeben ha- ben würden, wenn Bowman bei seinen Untersuchungen mehr in’s Specielle eingegangen wäre, indem’ sich wahr- scheinlich gezeigt hätte, dass die Salamander und andere nackthäutige Amphibien noch diekere Bündel als die Fische selbst dargeboten haben würden. 43. Schwann war der Erste, der uns mit dem Sar- colemma bekannt machte. Von ihm unabhängig entdeckte es auch Bowman, dem wir eine genaue Beschreibung und passende Benennung desselben zu danken haben.‘ Die Art seiner Bildung aus schräubenförmig aufgereihten Zellen glaube ich selbst zuerst beobachtet zu haben. Was die Function des Sarcolemma betrifft, so scheint noch keine bestimmte Mei- nung sich herausgestellt zu haben. Was mich. betrifft, ‚so glaube ich, dass seine Wirkung auf Elasticität beruht. In- dem die Wände des Sarcolemmacylinders während der Con- traction der Doppelschraubenfäden seitlich ausgedehnt wer- den, treten sie wieder nach innen zu, sobald er in Erschlaf- fung geräth, und auf solche Weise ist überhaupt der Zu- stand der activen Erschlaflung der Muskelbündel zu erklären. 44. Die Muskelfasern der Springfüsse der Heuschrecken, 951 davon ich: viele Individuen mehrerer Arten untersucht habe, boten ungefähr den in Fig. 47 abgebildeten Zustand der Ver- flechtung ihrer Schraubenfäden dar, und es schien mir dies mit den plötzlichen Zusammenziehungen der Fleischsubstanz bei den so kräftigen Sprüngen dieser Thiere in Verbindung zu stehen. Die Figur stellt die Faser im Zustande der Ruhe dar, die Schraubenfäden finden sich in der Erschlaffung. Ein plötzlicher Uebergang vom Zustande solcher Erschlaffung in den der äussersten Zusammenziehung, Fig. 49, muss hier mit grösster Leichtigkeit erfolgen können und ist gewiss mit Aeusserung grosser Kraft verbunden. Indem ich diese Mei- nung dem Professor Purkinje mittheilte. schlug er mir vor, zur Bekräftisung derselben die Untersuchung der Springfüsse der Flöhe vorzunehmen, bei denen bekanntlich, bei ihren verhältnissmässig wngeheuren Sprüngen, etwas Aehnliches ge- funden werden müsste. Ich untersuchte daher einige dieser Thbierchen und hatte die Genugthuung, denselben Zustand der Schraubenfäden und noch in höherem Grade bei ihnen vorzufinden. In den beiden Figuren entsprechen die Stellen Fig. 47 b.b. den Stellen Fig. 49 b‘. b. Aus der Vergleichung dieser Figuren kann man sogleich ersehen, wie die’ausgezo- genen Umschlingungsstellen b. b. in die enger zusammenge- zogenen b‘. b‘. während der plötzlichen Contraction überge- hen müssen, Aehnliche Verhältnisse finden sich wohl auch partiell bei anderen Thieren, jedoch nirgends so auffallend und constant wie bei den eben besprochenen. Diese Bemer- kungen mögen als Anleitung dienen, die Forscher auch bei anderen springenden Insekten und sonst bei anderen Thieren auf denselben Umstand aufmerksam zu machen. Entwickelungsgeschichte der Muskeln. 45. Ich will nun versuchen, in wenigen Sätzen meine vor neun Jahren mitgetheilten Untersuchungen über die Ent- wickelung der Muskeln hier in Erinnerung zu bringen. Der kürzeste Weg wird wohl der sein, dass ich einige der wich- 952 tigsten damals beigefügten Abbildungen hier noch ein Mal vorführe und erkläre. | 46.. Ich muss die Leser bitten, dieser Erklärung, die ich von den Figuren zu geben im Begriff bin, eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen, indem sie zu völligem Verständ- niss meiner Ansichten über die Struktur der Muskelfasern wesentlich gehört. Diesen detaillirten Beschreibungen wer- ‚den sich einige meiner allgemeinsten Resultate anfügen. 47. Ich muss vor jetzt zu meinen Beobachtungen über das Ei, die lange früher als jene über die Entwickelung der Muskeln veröffentlicht wurden, zurückkehren*). Es könnte Jemand die Frage aufwerfen: was hat das Ei mit dem Mus- kel zu thun? Ich erlaube mir zu antwerten, dass an der .Entwickelung des Eies sich die Gesetze der Entwickelung überhaupt am. besten ergründen lassen, und dass, wer den wunderbaren Zellenbildungsprocess, oder vielmehr den Pro- cess der Entwickelung des Keimfiecks, welcher in dem Keim- bläschen vor sich geht, einer besonderen Kenntnissnahme nicht für würdig hält, sich die Mühe ersparen mag, die Entwickelung der Muskelfaser oder irgend eines anderen or- ganischen Gewebes begreifen zu wollen, denn er würde eine vergebliche Arbeit unternehmen. 48. Fig. 1. Diese Figur stellt die Metamorphose des Keimflecks im Keimbläschen in sechs verschiedenen Zustän- den dar. a, der Keimfleck oder Zellenkern zeigt eine äusserst feine Granulation; innerhalb dieser findet sich das sogenannte „Kernkörperchen‘“ aus einer das Licht höchst brechenden gelatinösen Substanz, von mir Hyaline genannt, bestehend. b, der Zeilenkern in der Umwandlung zur Aufnahme des Be- fruchtungsstoffes begriffen; der freie Theil des Zellenkerns hat sich in einen Kranz von Cytoblasten getheilt. c, die Cytoblasten von b haben sich in eben so viele Zellen umge- *) Researches in Embryology, first, second, and third series, Phi- losophical Transactions of the Royal Society of London, 1833, 1839, 1840, 593 bildet und machen nun den Inhalt des Keimbläschens aus; in dem ,Kernkörperchen‘‘ von b, welches an Umfang zuge- nommen hat, erscheint im Centrum ein neues noch kleineres „Kernkörperehen ‘“ als das in b. d, in dem früheren Kern zeigt sich eine neue Veränderung; ein Theil seiner Substanz erscheint fein granulirt. e, f, sind nachfolgende Zustände der in gleicher Weise vom Centrum gegen die Peripherie fort- schreitenden Umwandlung; f ist der reifere Zustand der bei- den letztgenannten. — Die Zustände d, e und f bilden sich in gleicher Weise auseinander, wie jene von b und c; ein Kranz von Zellen wird gebildet nach dem andern aus dem Kerne, indem jedesmal der neu entstandene den Kranz der früheren Zellen nach aussen schiebt; *) die Hyalinsubstanz im Centrum des Kernes ist in immerwährender Verwandlung begriffen, — in ihr befindet sich der eigentliche Motor aller dieser Zellenmorphose. Es scheint die der Hyaline inwoh- nende Energie nicht blos auf den Inhalt des Keimbläschens beschränkt zu sein, sie richtet sich auch gegen die zunächst benachbarte Substanz der Membran der Zona pellucida, in Folge dessen diese gewissermaassen verflüssigt wird, und es bildet sich in der Berührungsstelle eine Oeffnung x. Aber auch in der Membran des Keimbläschens selbst habe ich eine deutliche Oeffnung beobachtet, durch welche die Hyaline des „Kernkörperchens‘“ gegen die Oeffnung in der Zona pellucida vorwuchs, um dem befruchtenden Stoffe entgegen zu kom- men und ihn in sich einzusaugen. (Ohne Zweifel ist die Hyaline, welche an dem kopfartigen Ende des Samenfadens sich befindet, die eigentliche befruchtende Substanz. Ich sah einmal Etwas, was mir ein Samenfaden zu sein schien, eben im Eindringen in das Eichen begriffen, indem das Kopfende —_ *) Die Kerne dieser Zellen der Zellenkränze produciren wieder jeder für sich durch Theilung ihrer Substanz Zellenkränze u. s. w. in Wiederholung desselben Processes. 954 bereits in der Mündung der Zona pellueida steckte. *) Nach der Befruchtung sind die erwähnten Oeffnungen in der Zona pellucida und im Keimbläschen nicht mehr zu bemerken; das Keimbläschen kehrt in das Centrum des Eichens zurück, und ebenso die befruchtete Hyaline in das Centrum des Keim- bläschens. — In dieser Hyaline sind nun, in Folge der Be- fruchtung, zweierlei Substanzen enthalten, die Substanz des weiblichen Eies und die von aussen empfangene männliche. Durch die Zellenmorphose vor der Befruchtung hat die Hya- line des Eichens eine Art Nahrungsstoff vorbereitet, d. h. kleine Kügelchen von Hyaline. Von diesem Nahrungsstoff fährt nun die aus den beiden Zeugungsstoffen neu zusam- mengesetzte Hyaline sich fort zu ernähren, oder mit ande- “ ren Worten, sie fährt fort, den Inhalt des Keimbläschens zu assimiliren, wodurch ein Bildungsmaterial für zwei Zellen- keime, in die sich dasselbe trennt, entstanden ist. Diese zwei Zellenkeime wachsen, Fig. 2, auf Unkosten des übrigen aus Ernährungszellen bestehenden Inhalts des Keimbläschens bis derselbe vollkommen aufgezehrt ist. Die Membran des Keimbläschens, welches als die Urzelle des ganzen Körpers zu betrachten war, ist nun verschwunden, und es erschei- =) Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 1540, Tafel XXI. Fig. 167, 168. — Ich habe wiederholt, selbst nach diesen Veränderungen, und in den nächsten Entwickelungszuständen des Eichens innerhalb der Fallopischen Röhre, noch unveränderte Sa- menfäden im Innern des Eichens gefunden, und ich hatte die Gele- genheit,, sie dem Professor Owen zu zeigen, welcher sich vollkom- men von ihrem Vorhandensein überzeugt erklärte. Einmal konnte ich deren sieben in einem einzelnen Eichen zählen. In allen Fällen wa- ren die Samenfäden bewegungslos, und fanden sich nicht zwischen jenen Zellen, wo der Entwickelungsprocess der wesentlichen Substanz vor sich gieng, sondern in der farblosen Flüssigkeit zwischen dieser und der Zona pellucida. Die Abbildung eines solchen samenfaden- enthaltenden Eichens findet sich in einer Schrift von mir: „‚On Fissi- parous Generation,“ Edinburgh New Philosophical Journal, October 1843. 850 nen nun an der Stelle des Keimbläschens zwei junge Zellen, welche zusammen. das neue organische Wesen darstellen, Fig. 3. *) Wie soll man nun die Hyaline dieses neuen We- sens bezeichnen? Man setze zur Bezeichnung der Hyaline des Eichens No, 1, die des von Aussen erhaltenen Befruch- tungsstoffes No. 2, und wir haben in dem neuen organischen Wesen die Hyaline No. 3. No. 1 bezeichnet die mütterliche Hyaline, No. 2 den väterlichen Befruchtungsstoff, und No. 3 die aus beiden zusammengeseizte Hyaline der Frucht. Da- her kommt es, dass der Nachkomme den beiden Aeltern gleicht, denn es mag auf diese oder jene Weise die Aehn- lichkeit zur Darstellung gelangen, die so zusammengesetzie Hyaline des Nachkommen wird nimmermehr die theils vom Vater iheils von der Mutter angeerbte Constitution verlieren. — Und wie fängt es nun die Hyaline des Nachkommen an sich selbst fortzupflanzen, so dass zuletzt ein Geschöpf dar- aus erwächst, an Statur und anderen Eigenschaften ähnlich den älterlichen Individuen? Das geschieht durch Selbstthei- lung und wiederholte Selbsttheilung. Jede der eben erwähn- ten zwei Zellen, welche zusammen ein neues orgänisches Wesen bildeten, wird nun wieder zur Mutterzelle, davon jede zweien neuen Zellen den Ursprung giebt, so dass jetzt deren vier sind; und in gleicher Weise bilden sich acht, sechszehn u. s. w. bis das Ganze eine maulbeerartige Gestalt annimmt. Im Centrum dieses maulbeerartigen Aggregats von Zellen erscheint nun eine grösser als die übrigen, wie eine Bienenkönigin im Stocke. Diese ist die einzige der Gruppe, welche einen bleibenden Bestand hat, indess alle übrigen zeit- lich vorübergehenden Zwecken dienen. (So haben. wir eine *) Man sieht, dass diese zwei jungen Zellen eine elliptische Ge- stalt haben. Aus meinen Beobachtungen kann man ersehen, dass die- ses die ursprüngliche Gestalt aller Zellen sei (z. B. aller Blutkörper- chen), und dass diese Anfangs mehr oder weniger platt erscheinen, welche Gestalt von der gleichen platt elliptischen Cytoblasten ihren Ursprung nimmt. 906 Art Zellenaristokratie! die auch in früheren, Fig. 2, und spä- teren, Fig. 6, Stadien sich zeigt.) Diese Zelle nun bewegt sich innerhalb des Eichens vom Centrum gegen die Periphe- rie und nimmt hier ihre fixe Stelle ein. Der Hyalinkern dieser Zelle ist nun als der eigentlichste Keim des neuen Organismus zu betrachten. Nach vielen Zwischenstadien der Bildung, die ich beobachtet habe, entsteht endlich daraus der "„Primitivstreifen‘ und vonBaer's „Chorda dorsalis.“ Was das übrige Detail betrifft, so muss ich auf meine in den Phi- losophical Transactions mitgelheilten Untersuchungen ver- weisen. Ich kann hier nichts mehr sagen, als dass der Pro- cess, durch welchen die erste und fortgesetzt wiederholte Selbstheilung der Hyaline zu Stande kommt, nichts Anderes ‘ist, als die Wiederholung desselben Processes, welcher in dem Keimfleck des Keimbläschens, als der organischen Ur- zelle, statt findet, wobei offenbar als Bedingungen dieser Theilungen und Wiedertheilungen die zu dieser Substanz- Vermehrung nöthigen Functionen. der Absorption, Assimila- tion und Secrelion vorkommen. In den auf solche Weise von der Urzelle abstammenden Zellen, bis in die entfernte- sten Generationen derselben, wiederholt sich offenbar der- selbe wunderbare Process, dieselbe Vervielfältigung der Hya- line, welche einmal eine peripherische Stelle einnimmt, um von Aussen durch Absorption neu befruchtet zu werden; (denn was ist hier die Absorption als Befruchtung der Hya- line der Zelle durch eine relativ äussere, den Theilungspro- cess unterhaltende Substanz?). Dann tritt auch nach der Befruchtung an der Peripherie die Hyaline in die Mitte der Zelle, um sich hier wieder in neue Generationen von Zellen zu theilen, die sich endlich auf verschiedene Weise ordnen, um nach den Zwecken des Organismus verschiedene Gewebe und Organe zu bilden. 49. Jedem muss die Aehnlichkeit zwischen den Zellen in Fig. 3 und den Blutkörperchen in die Augen fallen. Hier- bei ist wichtig zu bemerken, was ich schon lange aufgezeigt 597 habe, dass beide dieselbe Bestimmung haben; durch beider- lei Gebilde, sowohl die Blutkörperchen, Fig. 6, als auch die Zellen des Eivhens, Fig. 2—6, soll die Vervielfältigung der Hyaline zu Stande kommen; jen2 sind nichts Anderes als frei schwimmende, diese fixirte Centralstoffe des die Vervielfälti- gung vermittelnden Assimilationsprocesses. Man kann das Keimbläschen als ein lebendes Individuum auffassen; ebense jedes Blutkörperchen, als eines von der Nachkommenschaft des sich selbst durch Theilung seiner befruchteten Hyaline vervielfältigenden und fortpflanzenden Keimbläschens. Man könnte die Blutkörperchen als ein schwimmendes Heer von Infusorien betrachten, denen als Nahrung der Chylus zuge- wiesen ist. So genährt, oder vielmehr (in Bezug auf ihr Hyalincentrum) so befruchtet, wiederholen die Blutkörper- . chen in ihrem Innern den ganzen Keimfleckprocess, indem bei einem Theil derselben die Selbsttheilung und Wieder- theilung der Hyaline vor sich geht, Fig. 6, woraus neue Ge- nerationen von Blutkörperchen entstehen, die wieder den- selben Process wiederholen; ein anderer Theil derselben setzt an die Wände der Capillargefässe seine Hyaline ab, Fig. 7, 8, die dann für andere in den Parenchymen der Organe lie- gende Zellen befruchtend wirkt und assimilirt wird, je nach der specifischen Beschaffenheit derselben. In anderen Fällen gelangt statt Chylus, als befruchtende und zu assimilirende Substanz, an die Hyaline der Blutkörperchen ein ganz an- derer heterogener Stoff, z. B. irgend eine Art von Anstek- kungsmaterie, organisches oder mineralisches Gift etc., wor- aus dann mit derselben Nothwendigkeit krankhafte Bildungs- processe entstehen, die sich der übrigen Blutmasse oder den Parenchymen der Organe mittheilen. 50. Mit grosser Befriedigung fand ich meine Beobach- tungen über das Keimbläschen in -dem Eie der Säugethiere bestätigt durch eine spätere Beobachtung ähnlicher Verände- rungen in dem Eie des Coenurus cerebralis, eines orga- nischen Geschöpfes, welches, indem es in der Reihe der or- & 558 ganischen Existenzen am äussersien Ende sich befindet, den- selben Bildungsprocess in allen Zwischengliedern der ge- sammten Classe der Thiere voraussetzen lässt. Diese Be- stäligung verdanke ich H.D. S. Goodsir, von dessen zahl- reichen Abbildungen dieses Bildungsprocesses ich eine, Fig. 9, hier beifüge. *) | 51. Ein öfter vorkommender Zustand der in der Thei- lung begriffenen Zellen ist der von Fig. 3, wo jedes der zwei Zellenkerne in Fig. 2 in Auflösung zu feinster Punktmasse begriffen ist, wobei noch ein hell durchscheinender, nicht. vollkommen begrenzter Centraltheil von Hyaline zurückbleibt. Wenn nun der Beobachter denselben Zustand der Auflösung der Kerne in äusserst feine Punktmasse auch bei den folgen- den vieren, achten u. s. w. elliptischen oder sphärischen Massentheilchen sieht, wird er leicht disponirt, dieses für eine einfache Theilung ohne Zellenbildung zu halten, und seine Untersuchungen in dieser Hinsicht nicht weiter fort- zusetzen. Es dauerte ziemlich lange, ehe ich selbst einen andern Zustand, als den eben erwähnten wahrnehmen konnte. Daher die Wichtigkeit, die Beobachtungen möglichst zu ver- vielfältigen. Vor Allem gewährt die Kleisheit und Daurch- sichiigkeit des Säugethiereies, namentlich des Kanincheneies, einen offenbaren Vortheil.. Wenn man dann beim genauen Zusehen eines von den vier Körperchen Fig. 5 von grösse- rem Umfange findet, als die drei übrigen, und in seinem In- halt nicht blosse Punktmasse, sondern deutliche Cytoblasten, oder vielmehr Zellen unterscheidet, so hat man daran einen *) Transactions of the Royal Society of Edinburgh 1844, Vol. XV, Plate XVI. Fig. 5. — Ich kann nicht den Namen H. D. S. Good-. sirs erwähnen, ohne meinen innigsten Wunsch auszusprechen, dass der Wissenschaft nicht ein Mann möge verloren sein, dessen Eifer in mikroskopischen Untersuchungen so reiche Ernte versprach. Er ge- sellte sich als Naturforscher zur Nordpolexpedition Franklin’s, und lei- der sind beinahe sechs Jahre verflossen, seitdem man über ihr end- liches Schicksal nichts vernommen hat! b) ”4 599 Wink, sein Urtheil über die eigentliche Entwickelungsperiode derselben zu bilden, was bei aller Grösse der Froscheier, wegen ihrer Undurchsichtigkeit, den Forschern bisher nicht gelingen konnte. — Ferner, kurzlebig, wie diese Zellen sind, und da viele von ihnen entstehen, blos um den Process der Assimilation zu unterhalten, und sogleich in die Bildung zweier neuen Zellen einzugehen, die auch nur für eine kurze Zeit Bestand haben, um sogleich als Mutterzellen neue Nach- kommenschaft zu geben, darf es nicht verwundern, dass ihre Textur äusserst delicat, ihre Substanz äusserst veränderlich ist. Sie sind in der That so zart, dass sie leicht während der anatomischen Behandlung zerstört werden können; und sollte diess unter den Händen von irgend einem Beobachter geschehen sein, so hälten wir darin einen andern Grund zu sehen, warum er keine Zellen in Zellen wahrnehmen konnte. — Es ist nicht selten, dass man die Zustände Fig. 3, 5 zu sehen bekommt, wo bald nach dem Verschwinden der Mem- branen der Muiterzellen die neuen Zellen noch von einigen kleinen Ernährungszellen, welche in die Formation derselben einzugehen haben, und in den Process der assimilativen Auf- lösung noch nicht aufgenommen worden, umgeben sind. In einem Falle waren solche kleine, noch nicht aufgelöste Er- nährungszellen so zahlreich, dass ich sie nicht zählen konnte. Wie kann sich eine so bis ins Kleinste individualisirende Zellenbildung mit der groben Vorstellung einer blossen Spal- tung vertragen? — Nachdem ich nicht weniger als 230 in der fallopischen Röhre vorgefundene Eichen beobachtet, gegen 150 Kaninchen für embryologische Untersuchungen geopfert. davon wenigstens 20 blos dazu bestimmt wurden, um zu entscheiden, in welchem Zeitmomente die Eichen aus dem Ovarium ausgeschieden werden, wobei mir die vorbe- reitenden Verwandlungen des Keimbläschens zur Befruchtung nieht entgehen konnten, darf es Niemanden verwundern, dass ich mich für geeignet und berechtigt halte, ein Urtheil darüber abzugeben, ob die Theilungen des primären Keim- 560 stoffes des Eies durch Zellenbildung oder auf andere Weise zu Stande kommen. Niemand, der nicht in grosser Anzahl Säugethiereichen bald vor ihrer Ausscheidung aus dem Eier- stocke beobachtet, oder sonst durch Beobachtungen bei Thie- ren oder Pflanzen zur Idee des oben, $.48, dargestellten Keimflecktheilungsprocesses sich erhoben hat, vermag den Bildungsprocess des Süugethiereies in irgend einem seiner früheren oder späteren Stadien zu begreifen, oder überhaupt zum Verständniss der Zellenphysiologie zu gelan- gen. Warum aber weiter verhandeln? Die Wahrheit hat sich durch Goodsir's positive Beobachtungen über densel- ben Process am anderen äussersten Ende der organischen Welt kräftig genug ausgesprochen; was wohl tausend ne- gative Beobachtungen aufwiegen möchte. 52. Nach diesen einleitenden Bemerkungen schreite ich - an die Dartellung der Entwickelung des Muskels, indem ich mit der Erklärung der Figuren fortfahre. 53. Figur 10. Diese Figur stellt primitive blutrothe perlenschnurförmig geordnete. Zeilen dar. Jede der Zellen enthält wechselständig einen an der Oberfläche sichtbaren Kern. um welchen zunächst einfache Cytoblasten, weiter nach aussen Zellen mit Kernen geordnet sind. Die Mitte des Hauptkerns zeigt eine Mündung, welche in das Innere des Kernes führt. Von diesen Hauptkernen sind alle die Reihen der Zellenkeime der später sich entwickelnden Fa- sern abzuleiten; davon in der Fig. 12 noch ferner die Rede sein wird. Man vergleiche die Zellen der gegenwärtigen Fi- gur mit dem zur Befruchtung nahe reifen Keimbläschen, Fig. 1, d, e, f. Die Aehnliehkeit ist auffallend, nur dass dort durch das Hindrärgen gegen die Peripherie des Eichens das Keimbläschen eine linsenförmige platte Gestalt angenommen hat. Auch sind die Veränderungen, welche in dem Keim- bläschen nach der Befruchtung eintreten, wesentlich diesel- ben. welche in der eben beschriebenen Figur stattfinden, wobei ich eine besondere Wichtigkeit auf den Umstand lege, 561 dass der Keimkern (Keinfleck) von der Peripherie nach dem Centrum der Zelle gelangt, von wo aus die fernere Thei- lang der Hyaline eingeleitet wird. 54. Fig 11. Diese Figur stellt dieselbe Zellenreihe wie Fig. 10 dar, nur sind die einzelnen Zellen etwas verlängert, ihre Umrisse und Zwischenwände gerader geworden. 55. Fig. 12. In dieser Figur sind die Zwischenwände der Zellen verschwunden, so dass die Zellenreihe nun in einen Cylinder oder Rohr umgewandelt ist, dasselbe, was Sehwann die „sekundäre Zelle“ nennt. Die äusseren Wände der Zellen sind in eine gemeinsame Membran verschmolzen, welche den Cylinder seiner ganzen Länge nach umgiebt. Man sieht hier die Hauptkerne der Primitivzellen noch im- mer dieselben Stellen behaupten. Diese Kerne sind als die Bildungsstätien zu betrachten, von den die nachmaligen Mus- kelfasern ihren Ursprung nehmen. Sie sind ganz speeiell die Miltelpunkte zur Bereitung neuer organischer Substanz; daher die Nothwendigkeit einer Saugmündung an der Ober- fläche des Cylinders.. Die Hyaline dieser Kerne saugt ein und assimilirt den umgebenden Nahrungssaft, und führt die Bildung durch Selbsttheilnng weiter. (Solche Bildungsmit- telpunkte /habe ich auch damals bei ähnlichen Nerveneylin- dern, bei den Primitivfasern der Crystallinse, bei den Zel- len des Epitheliums und den schwarzen Pismentzellen, den Zellen des Zellgewebes, und den Primitivzellen der Knorpel beschrieben. *) Diese Kerne werden nicht allmählig resorbirt, wie es von Schwann angenommen wurde, sondern sie dringen von der Peripherie in das Centrum der „‚sekundären Zellen,** eine Veränderung, welche meist in diesem Entwickelungs- stadium, manchmal auch etwas früher, einzutreten pflegt. 56. Fig. 13. Nach Schwann. Muskelbündel vom Oberarm eines 7‘ langen Schweinefötus. — Es gereicht mir *) Professor Goodsir, der einige Jahre später in seiner Schrift Müller’s Archiv, 1850. 36 562 - zum Verguügen, dass ich bei Copirung dieser Figur das Zeug- niss ablegen kann, dass sie höchst treu dargestellt ist, '.so- weit es die Kleinheit der Elementarzellen namentlich.bei den Säugethieren erlaubt. Bei derselben Figur hat man nämlich ein» Beispiel: dessen,; was ich früher schon erwähnt habe, $. 23, dass, je kleiner die Blutkörperchen eines Thieres sind, desto kleiner auch die Strukturtheile gefunden werden. Bei . der Walıl des Gegenstandes seiner Figur, dem Sch weinefötus, einem Thiere, dessen Blutkörperchen bekanntlich unter .die kleinsten gehören, hatte Schwann nicht den Vortheil, den ich ‚hier hatte, indem ich zu meinen Untersuchungen die möglichst jüngsten Larven von Batrachiern , gewählt habe, deren Blutkörperehen verhältnissmässig. sehr gross ‚sind. #) Diesem. Vortheil, dessen ich mich erfreute, muss ich auch den grössten Theil der von den meinigen abwei- chenden Beobachtungen Schwann’s zuschreiben. Ich er- laube mir hier die Stelle aus seinem Buche, wo er das der Figur entsprechende Entwickelungsstadium der. Muskelfaser beschreibt, mit seinen Worten aufzuführen. ,,Die eigentliche Muskelsubstanz, welche also zuerst als secundäre Ablagerung auf der inneren Fläche der sekundären Muskelzelle sich bil- det, bis sie die ganze Höhle der Zelle füllt, besteht nämlich im ausgebildeten Zustande aus sehr feinen Längsfasern, den sogenannten Primitivfasern der Muskeln. Es scheint nicht, dass diese Längsfasern der primilive Zustand der secundären Ablagerung ist, sondern dass diese Ablagerung in der frühe- sten, Zeit sirukturlos ist und dann erst ihre Umwandlung in „Anatomical and Pathological Observations, 1845,‘ über denselben Ge- genstand Beobachtungen angestellt hat, ist zu derselben Ansicht geführt worden... Siehe meine Schrift: „On ihe Nucleus of the Animal and Vegetable Cell,“ Edinburgh New Philosophical Journal, October 1847. *) Ich hatte, wie schon gesagt, zu meiner Disposition Larven von einer sehr grossen Art Kröten, deren Speciesnamen ich in Jersey, wo die Beobachtungen gemacht wurden, leider nicht Gelegenheit hatte zu bestimmen, 563 Fasern erfolgt.’ Doch scheint diese Umwandlung schon sehr frühe zu: geschehen, und zwar ’noch .bevor die Höhle der se- eundären Zelle ganz ausgefüllt ist. Die Querstreifung der Muskelbündel; welche wenigtsens nach meiner: Erklärungs- weise durch die eigenthümliche Form der Primitivfasern *be- dingt ist, erscheint ebenfalls vor der gänzlichen Ausfüllung der Zellenhöhle, wie Tab. IV. Fig. 3 ce. zeigt“ (bei mir Fig. 13.) — ;Die Zellenkerne werden allmählig resorbirt. Die Zellen- membran der secundären Muskelzelle bleibt durchs ganze Le- ben, so dass jedes Muskelprimitivbündel fortwährend als Zelle zu betrachten ist.“*) Der einzige Commentar, den ich den eben angeführten Bemerkungen Schwann’s beizufügen finde, sei meine’ Beschreibung der nächsten und der folgen- den Figuren. 57. Fig. 14. Diese Figur stellt ein Entwickelungsstia- dium der. Muskelfaser dar, welches offenbar dasselbe ist, wie das bei Schwann, Fig. 13. Meine Abbildung, welche mit Berücksichtigung der Vergrösserungsmaasse (bei Schwann 450 Mal, bei mir 600 Mal im Durchmesser) ein absolut viel grösseres Object zeigt, woran die Zellen und ihre Anordnung sehr deutlich zu unterscheiden sind, ein Vortheil, der der Anwendung der Muskelfasern von möglichst jüngsten oben- erwähnten Jerseyschen Krötenlarven zuzuschreiben ist, $.56. Anm. ‘a. Die Membran des Cylinders ist im Begriffe zu ver- schwinden; bei b. ist sie bereits verschwunden. Aus dem Verschwinden dieser Membran im gegenwärtigen Entwicke- lungsstadium sowohl, als aus allen hier erwähnten Thatsa- ehen, kann man ersehen, dass die Membran der secundären Zelle, Fig. 12, durchaus nicht zugleich das Sarcolemma des Primitivbündels eines viel späteren Stadiums, wie Schwann angenommen hat, abgeben könne. Der Iuhalt des Cylinders *) Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1339. S. 166. 167. 169, 36* 564 besteht nun aus einer Ansammlung von kleineren, nach: aus- sen gelegenen Säulchen, in welche sich zusammengesetzte Cytoblasten, oder vielmebr junge Zellen, geordnet haben. Jeder solcher Zellenhaufen, c., zeigt ein Streben, sich in ein Element einer Schraube zu verwandeln. Indem: sich diese untereinander verbinden, entsteht daraus das Säulchen, .da- von die äussersten Zellen sich in eine Schraube und weiter- “hin in eine Membran verwandeln. Diese Säulchen eutspre- chen dem, was Sehwann (man sehe die vorige Figur) die „secundäre Ablagerung‘* genannt hat; der Kern aber, statt wie. Schwanun behauptete, resorbirt zu werden, giebt viel- mehr den Ursprung für die Zellen des Säulchens, und die quere Anordnung der Zellenhaufen mit ihren Zwischenräu- “men erklärt die Querstreifen, welche Sch wann aus diesem Bildungsstadium des Muskels abgebildet hat. Man kann die Andeutung dieser Säulchen von jungen Zellenhaufen. nicht selten auch schon in den Primitivzellenreihen wahrnehmen. In. der That brach ein solcher Cylinder, Fig. 14, so. leicht auseinander, dass man darauf hingeführt wurde, zu denken, dass ernoch aus jenen primitiven Zellen entstanden war. 58. Fig. 15 a. ‚Hier sieht man ein solches Säulchen von jungen Zellenhaufen in ihrer weiteren Entwickelung. Die nach aussen liegenden haben sich bereits zu Zellen ümge- wandelt, welche mit einander seitlich verbunden sind, nur in der Mitie zeigt sich überall noch ein freier Zelleukeim, Ein solches Säulchen quergeordneter Zellen mit ihren. freien Centralzellenkeimen lässt sich zwar wegen der Weichheit der Substanz nicht künstlich auseinanderziehen, und nur in- dem man es von allen Seiten betrachtet, lässt sich die schrau- benförmige Anordnung der Zellen wahrnehmen. Doch kann man sich in Gedanken die Schraube auseinander gezogen vor- stellen, zu dessen Erläuterung die schematische Darstellung b. dieser Figur dienen mag. Man sieht hier die Zellen der Gruppen, die ich oben als Elemente einer Schraube ausge- sprochen, Fig. 14 c., etwas auseinander gezogen, so dass ihre 565 conlinuirliche schraubenförmig verlaufende Verbindung sicht- bar wird. Im Inneren der Schraube sieht man dann die freien Centralzellenkeime jeder solchen‘ Gruppe, als eine be- sondere Reihe bildend, verlaufen. “Solcher Ursprung der Schrauben lässt sich auch, .ohne Hülfe von 'schemalischen Darstellungen, aus der nach der Natur ausgeführten Fig. 27. erweisen, wo man die Zellenkerne der in Fig. 28. abgebilde- ten Schrauben angeordnet sieht, nachdem durch Einwirkung von Essigsäure die äussere Membran verschwunden ist. 59. Fig. 16. Diese Figur stellt im Umrisse die Art dar, wie sich die Reihen der Axenzellenkeime zur Bildung neuer Schrauben vervielfältigen. a. Zeigt die beginnende Theilung der Axenzellenkeime; b. die schon erfolgte Zweitheilung derselben; ce. die weiter fortgesetzten Theilungen. 60. Fig. 17. Die Muskelfaser in Fig. 15. stellt eine einfache Säule dar: die gegenwärtige Abbildung zeigt eine Röhre, deren ‘Inhalt mit einer eigenen Membran umge- ben ist. Diese Membran bildet sich: aus schraubenförmig ge- ordneten Zellen in ähnlicher Weise wie die in Fig. 15 b. dar- gestellten, und ist das Sarcolemma dieses Stadiums. Die Fig. 27. zeigt an dem mit Essigsäure behandelten embryona- len Muskelbündel die nackten Zellenkerne noch zum Theil in ihrer schraubenförmigen Anordnung. Diese Kerne theilen sich wiederholt in der Querrichtung der Schrauben, und bil- den so mehrfach zusammengesetzte schraubenförmige Rän- der, Fig 28, welche weiterhin zu einer continuirlichen Mem- bran, das Sarcolemma, verschmelzen, in welcher dann kaum eine Spur von schraubenfaseriger Struktur wahrzunehmen ist, — Reihen von Zellenkeimen, wie die in Fig. 16, ver- wandeln sich in Folge fortgeseizter Theilungen in scheinbar ringförmige Gruppen von Zellen, die abermals als Elemente von Schrauben, wie Fig. 14 c. aufzufassen sind. Anden Deckungsstellen durchflechten sich diese schraubenförmigen Reihen von Zellen in der Mittellinie und geben so die Grund- lage der elementaren Doppelschraube der Muskelfaser, nach- 566 dem diese ihre vollendete Bildung erlangt hat. In Fig. 17. ist, ein solcher doppelter Schraubenfaden dargestellt, woman bei a. noch die schraubenförmigen Reihen von Zellen sieht; bei b. sind sie schon im Begriff zu continuirlichen Doppel- schraubenfäden zu verschmelzen, wie sie in den reifen Schrau- benfasern angetroflen werden. — Nach vollendeter Bildung der Doppelschraube bleiben in der Axe jedes einzelnen die reprodueirenden Centralzellenkeime stehen, um durch Thei- lung und Wiedertheilung neue Doppelschrauben zu bilden. 61. Um die Struktur der doppelien einander umschlin- genden Schraubenfäden, die sich auf oben beschriebene Weise aus den Zellengruppen gebildet haben, recht deutlich vor- stellbar zu machen, will ich versuchen, erst schematisch, vom Einfachen zum Zusammengesetzten fortschreitend, das Ganze zur Darstellung zu bringen. Man denke sich erst ein Säulchen aus einer Reihe übereinander gelegten Ringe. be- stehend, Fig. 22a. Wie wäre dieses Säulchen in eine ein- fache Spirale zu verwandeln? Man schneide die Ringe an irgend einer Stelle nach dem Verlaufe des Säulchens ge- rade durch und verrücke sie auf die Weise, dass von den durchsehnittenen Enden des obersten Ringes das eine nach oben etwas aufgehoben und von seinem Gegenende getrennt wird; beim Ringe No.2. thue man dasselbe, und verbinde das gleichfalls gehobene Ende mit dem nach unten gerückten Ende ven No.1; so entsteht ein Element einer Schraube, Dasselbe thue man bei No. 3, mit Bezug auf das herahge- rückte Ende des Ringes No. 2. Eben so. mit dem Ringe No. 4, in Bezug auf das herabgerückte Ende des Ringes No. 3; und sofort mit allen Ringen des ganzen Säulchens. So hat man das Ringsäulchen in eine einfache Schraube ver- wandelt, b-_ Nun denke man sich ein Doppelsäulchen von Ringen, die in der Mitte einander wie zwei Glieder einer Keite umschlingen, e., verwandle nach dem eben beschrie- benen Vorgange jedes dieser Säulchen in eine einfache Schraube, so entsteht eine in der Mittellinie sich durchgrei- 567 fende Doppelschraube, d., von derselben Art, wie ich sie in‘den vollkommen entwickelten :Elementarmuskelfasern be- obachtet und: beschrieben habe. Dies mag blos zur Deut- liehkeitmachung der Strukturverhältnisse dieser Fasern 'ge- sagt sein. — Man konnte nun sagen: die Natur verfährt nicht in solcher Weise; sie bildet nicht erst Ringe, um sie nachmals zu trennen und ihre Trennungsenden wieder an- ders zu verbinden. Sondern es ist‘ Alles mit einem Male schraubenförmig angeordnet; erst in Schrauben von aneinan- der gereiheter Zellen, sodann, nach Verschmelzung dieser, als wirkliche einander durchflechtende doppelte. Schrauben- fäden. — Allerdings haben wir zur Beförderung des Ver- ständnisses jene künstliche Annahme uus erlaubt, doch kön- nen wir hinzusetzen, dass die angefügte schematische Dar- stellung doch nicht immer so künstlich sei, als angenommen wurde. In der Natur finden sich wirklich oft Ringe als Grundlagen der Schrauben, und ich habe deren in meiner Schrift vom Jahre 1842 in grosser Menge abgebildet. Auch ist dies nicht zu verwundern, wenn man bedenkt, dass der uns am meisten bekannte Cytoblast, das: Säugethierblutkör- perchen, beinahe einen Ring darstellt; und oftmals hatte ich Gelegenheit, die Gestalten der Blutkörperchen in vollkom- mener Ripgbildung und diese in ein Element einer Schrau- benfaser zu verfolgen*). Uebrigens sind die Zellenkeinie, in *) Man kanıf sich das durch den eigenen Entwickelungsprocess ringförmig gewordene Blutkörperchen in ein Element einer Schraube auf folgende Weise verwandelt vorstellen: trenne man den Ring an irgend einer Stelle, hebe die Enden etwas über einander, so werden sie in gleicher Krümmung fortgesetzt eine Schraubenlinie geben, Fig. 23 g. h. Ich habe eben erwähnt, dass solche an einer Stelle getrennte Ringe in’ der Natur wirklich vorkommen, und meine Abhandlung vom Jahre 1542, auf die ich mich in dieser Schrift öfter bezogen habe, giebt viele Zeichnungen davon als von solchen beginnenden Schraubenglie- dern.. Und wie soll man die geldrollenförmige Anordnung der Kör- perchen des Säugethierblutes deuten? Ich glaube darin die Tendenz zur Bildung einer Schraubenfaser zu finden. Ebenso glaube ich, dass 568 welche der Kern einer Zelle sich .theilt, Fig. 24.d., wirkli- chen Ringen nicht ganz unähnlich. Manchmal sind sie auch wirkliche Ringe, und was noch mehr, einander durchgrei- fende Ringe gleich zweien Gliedern einer Kette, Fig. 25, als Grundlage eines Elements einer Doppelschraube, ein Zustand, der wohl dem von Fig. 24 a. vorbergegangen sein musste: Man vergleiche Fig. 25, eine Zeichnung nach der Natur, mit den zwei oberen Ringen, c, in dem Schema Fig. 22.:— Da es nun so in der Natur angeordnet ist, dass Schraubenfasern durch Zellenbildung entstehen sollen, so scheint es uns nicht, dass wir darin wirklichen Beobachtungen voraus eilen, wenu wir die Zellengruppen in a. Fig. 17. so auffassen, als wä- . ren sie erst Ringe gewesen und aus solchen sich gebildet hätten. 62. Fig. 18. Ein Entwickelungsmoment der Muskelfa- ser unmittelbar folgend auf den in Fig. 17. dargestellten. b. Schraubenfasern, entsprechend denen in Fig. 17., welche innerhalb ihres Umfanges Zellen enthalten, davon man dreier- lei Lagen unterscheiden kann; in c. ist eine Gruppe der oberflächlichsten Zellen, unmittelbar unter den Schraubenfa- sern gelegenen dargestellt; diese decken einander theilweise, wie wenn sie bestimmt wären, neue Schraubenfasern zu bil- den; d. eine darauf folgende Schichte; e. Zellenreihen noch tiefer gegen die Axe der Rölhıre. dasjenige, was man bei dem Ernährungsprocesse ausschliesslich dem Faserstoff der Blutlymphe zuschreibt (und was wahrscheinlich bei der Umbildung des Blutes an den Wänden der Capillargefässe, Fig. 8a., meiner Hyaline entspricht), von den Blutkörperchen selbst abzuleiten sei; und dass bei der Gerinnung des Blutes, abgesehen von dem in der Lymphe enthaltenen Faserstoff, die Natur uns auch ein Beispiel von der Gerinnung der Blutkörperchen giebt, indem, wie ich im Jahre 1842 gezeigt habe, manchmal Fasern entstehen durch Gerinnung der Blutkörperchen selbst, wobei diese entweder in die Faserbildung als Cytoblasten ganz aufgehen, wie bei den Mammalien, oder .dıe Gerin- nung innerhaib der Blutzelle vor sich geht, wie bei den übrigen Ver- tebraten. 569 63. Fig. 19. Die Muskelröhre zeigt sich jetzt in einem der späteren Entwickelungsmomente mit zarten doppelschrau- bigen Fasern erfüllt, und stellt so ein junges primitives Mus- kelbündel dar. Diese zarten Doppelschrauben sind durch denselben Bildungsprocess entstanden, wie die breiten in Fig. 17. beschriebenen, indem jede neue Gruppe immer fei- ner wird als die vorhergehende. Alles, was von in den Fig.18. dargestellten innerlich abgelagerten Schichten übrig bleibt, ist eine Reihe von Zellenkeimen, welche die Axe der Mus- kelröhre einnimmt. 66. Dasist nun die kurze Darstellung der Entwickelungs- geschichte des Muskels. Was die fortgehende Reproduction des Muskels betrifft, so ist diese ein so schwieriger Gegenstand; führt zu einer solchen Minutiosität der Untersuchungen, dass es beinahe an das Reich der Phantasie anstreift, daher: alle mögliche Sorgfalt erfordert, um zu einem reellen Resultate zu gelangen. Ich glaube nicht falsch gegriffen zu haben, dass ich bei der fortwährenden Reproduction der Muskelfa- sern, um meine Untersuchungen darnach zu regeln, densel- ben Process vorausgesetzt habe, der bei ihrer ursprünglichen Bildung stattfindet. Vergleiche z. B. Fig. 29 e. mit Fig. 20. Es scheint, dass die Centralreihe von Zellenkeimen in Fig. 19., durch fortgesetzte Theilung, neue Doppelschrauben bildet, und dass wenn die Centralreihe von Zellenkeimen erschöpft wird, jede von den Doppelschrauben selbst sich in ein Primitivbündel verwandeln kann; denn Fig. 20. zeigt Zellen- keime, welche dazu bestimmt zu sein scheinen. Fig. 29. und 30. zeigen die Hauptformen, die mir in Betreff der Repro- duction der Muskelfasern vorgekommen sind, und deren Be- schreibung sich bei der Erklärung der Kupfertafeln befindet. Ich finde hier blos zu bemerken, dass in allen diesen Bil- dungen nichts anderes als eine fortgesetzie Theilung von Zel- lenkeimen sich darstellt. — Von der Reproduction des Mus- kels liefert das unermüdliche und eben deshalb in der rapi- desten Reproduction begriffene Herz die zahlreichsten Bei- 970 spiele. Es findet sich kaum irgend eine Partikel des Froseh- herzens, die man mikroskopisch untersucht, wo 'man nicht verschiedene Reproductionszustände der Muskelfasern und primären Muskelbündel wahrnehmen möchte*). 67. Die bisher erwähnten 'Thatsachen, sowohl’ der ur- sprünglichen Entwickelungsgeschichte, als der Reproductions- _ weise des Muskels, reducirt sich offenbar auf Theilung und Wiedertheilung. Und was ist das, was in dieser Theilung begriffen ist? Nichts Anderes, als die wunderbare Substanz, die ich Hyaline genannt habe, deren unausgesetzte Erhaltung und Fortpflanzung, wie ich glaube, der Hauptzweck der Bil- dung und Theilung der Zeller ist. Jede Centralreihe der Zellenkeime innerhalb der Schraubenfäden, ist eigentlich ein Axeneylinder von Hyaline, und indem dieser sich theilt, ent- steht‘ ein Doppelcylinder, u. s. w. Alle diese Reihen von Zellenkeimen entstanden durch Theilung der Kerne der Pri- mitivzellen, Fig. 10., und die Keime dieser sind in ihrer er- sten Anlage Abkömmlinge der Theilung der Substanzen des Eies, welche wieder aus der Theilung des befruchteten Keim- flecks oder Keimkerns des Keimbläschens, Fig. 1., hervorge- gangen ist. Bi Kurze Recapitulation über Hyaline. 68. Meine embryologischen Untersuchungen sowohl, als meine Beobachtungen über die Blutkörperchen**), gaben mir reichlich Gelegenheit, mich mit dieser glashellen Substanz be- kannt zu machen, die ich längst beschrieben und nach ihrem eben erwähnten Aussehen Hyaline genannt habe ***). Ihre ausgezeichneten Eigenschaften bestimmten mich jedoch, sie *) Häufig findet man, dass ein solches Bündel hier und anderswo erst platt erscheint und später eine cylindrische Gestalt annimmt. **) Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 1838, 1839, 1840, 1841. *##) ‚On Fissiparous Generation,‘ Edingburgh New Philosophical Journal, October 1833; und ,„„On the Nucleus of the Animal and Ve- getable Cell,* Edinburgh New Philosophical Journal, October 1847. 974 für eine Substanz eigener Art zu halten. Iclı zeigte damals, dass sie im sogenannten Kernkörperchen. der Zellen über- haupt und im Keimflecke des Keimbläschens die Aufnahme- substanz der äusseren Befruchtung sei, und dass sie in dem kopfförmigen Ende der. Samenfäden gleichfalls enthalten sei, dass diese Hyaline .in Gestalt kleinster Kügelchen die Grund- lage der Cytoblasten ausmache, und so als der eigentlichste Keimpunkt der Zellen zu betrachten sei. Ich zeigte, dass sie sowohl die Membran, als den Inhalt der Zelle constituire, dass ihr die Functionen der Absorption, Assimilation und Seeretion zukommen, dass, so lange der Vegetationsprocess in voller Thätigkeit ist, sie in der Bildung der Zelle nie voll- kommen anfgehe, sondern sich theile und weiter theile, um neue Zellen zu bilden, oder vielmehr sich selbst zu verviel- fältigen. Denn bei der Reproduction der Zellen scheint vor- züglich die Ernährung, die Theilung und Vervielfältigung der Hyaline ‚der Hauptzweck zu sein. Man könnte somit fragen: was ist nun im organischen Körper, was nicht durch die Hyaline gebildet würde? in der That nichts, sie ist die wesentlich lebendige Substanz im Körper, der gesammte Or- ganismus ihr Bildungsproduct. Alle Zelienkeime sind eigent- lich die durch wiederholte Selbstheilung, diesem merk würdi- gen Assimilationsprocess, Fig. 1. $. 48., abstammenden Nach- kommen der durch den männlichen Samen befruchteten Hya- line des Keimbläschens; daher die Aehnlichkeit des neuge- bildeten Individuums mit den beiden älteren. Ich würde selbst nicht Anstand nehmen, die Hyaline für das unmittel- barste Organ jeder Art von Empfindungen als Grundlage des Centralkernes der Ganglienkörperchen und des Axencylinders der Nerven zu erklären, wenn ich nicht befürchten müsste, einer zu excessiven Phantasie beschuldigt zu werden. (Siehe meine Beobachtungen über die Entstehungsweise und Struk- tur der Nerven und anderer Gewebe ei; *) Philosophical Transactions of the Royal Socieiy of London, 1841, 1842. 512 Ueber die muskulöse Natur der Flimmerhärchen. 69. Ich ging nun, im December 1850, an die Untersu- chung der Cilien, und fand sogleich, wie mich dies: meine früheren Beobachtungen erwarten liessen, dass sie gleichfalls aus nichts Anderem bestünden, als aus meinen doppelten Scliraubenfasern. Es wird: wohl Niemand so ungerecht sein, anzunehmen, dass ich die Möglichkeit behaupten wollte, die Doppelschraube auch in den kleinsten Cilien wahrnehmen zu.können. Ich bin eben so weit entfernt, eine solche: Be- hauptung aufzustellen, als auf die Möglichkeit bestehen zu wollen, dass man unter allen Umständen auch. in den fein- sten Muskelfasern einen doppelten Schraubenfaden entdecken müsste... Ich behaupte aber, dass diejenigen, welche die Untersuchung der Cilien nach der Methode unternehmen, nach welcher die aller organischen Gewebe stattfinden sollte, nämlich mit der Entwickelungsgeschichte derselben, ‘gewiss auch finden würden, dass die Doppelschraube die Grundform aller, der mikroskopischen Beobachtung zugänglichen Cilien ist, und so wahrscheinlich auch der allerfeinsten, um so mehr, da unter günstigen Umständen Spuren davon sich von einem geübten Auge auch hier nicht gar selten auffinden lassen. 70. Am meisten schienen mir für den Erfolg der Un tersuchung der Cilien die Bivalven überhaupt zu versprechen. Ich wählte die Auster, Ostrea edulis, die Gähnmuschel, Chama decussata, und die gewöhnliche Seemuschel, Miesmuschel, Mytilus edulis, zum Gegenstand der Unter- suchung. Von diesen dreien ziehe ich die letztere vor, weil die Barren ihrer Kiemenblätter sich am leichtesten trennen lassen. Denen, welche geneigt wären, meine Beobachtungen zu wiederholen, würde ich diese Muschel auch darum anem- pfehlen, weil einer unserer sorgfältigsten Beobachter, dessen Arbeiten in demselben Felde der Naturforschung ich noch später anführen werde, die Anatomie der Kiemenblätter auf 8193 das Klarste dargestellt hat*). Insbesondere empfehle ich die Untersuchung dieser Muschel in noch früheren jugendlichen Zuständen, wo dann die Kiemenblätter viel durchseheinender sind als bei grösseren Individuen. Ich untersuchte solche, wo die Schale noch kaum zwei Linien in der Länge mass. Dies waren die kleinsten, die mir zu Gebote standen. Am vortheilhaftesten fand ich jedoch die Länge von 4 bis 2 Zoll. Doch darf man die Untersuchung ganz grosser Indivi- duen auch nicht übergehen. (Meine in dieser Schrift‘ mitge- theilten Beobachtungen über die Cilien wurden zu. einer Jahreszeit gemacht, wo es nicht leicht möglich war, frische Flussmuscheln zu erlangen, und zwar ‘in Prag in grosser Entfernung von der See. Doch wurde glücklicherweise diese Schwierigkeit erledigt durch die Leichtigkeit, mit der ich un- ausgesetzt von Prager Victualienhändlern mit von Hamburg und Triest mittelst der Eisenbahn u en frischen See- muscheln versehen wurde.) | 71.: Durch frühere mikroskopische Arbeiten habe ich die Ueberzeugung gewonnen, dass es am vortheilhaftesten sei, das Auge längere Zeit nur auf eine Art und. Parthie eines Gegenstandes ausschliesslich zu richten, um es fähig zu machen, die kleinsten Unterschiede der Struktur an einem oder an verschiedenen Individuen wahrzunehmen. So'rich- tete ich im gegenwärtigen Falle meine Aufmerksamkeit aus- schliesslich auf die Kiemenblätter, und auch hier nur auf die Seitenränder der einzelnen Barren, welche die Kiemen zu- sammensetzen. Nur so gelang es mir, hinter die Thatsache zu kommen, die ich gegenwärtig in Detail beschreiben werde, nämlich, dass, so wie das ununterbrochen thätige Herz der Thiere eine immerwährende Erneuerung seiner Fasern erfor- dert, so die unermüdlich vibrirenden Cilien stets durch neue Generationen ihrer Art erneuert werden müssen, wenn sie nicht zuletzt abgenützt und völlig verschwinden sollen. “),Sharpey; Artikel „Cilia‘ in Todd’s Cyclopaedia of Anatomy and Physiology. 574 72. Ehe ich zum Detail meiner Beobachtungen schreite; will ich vorläufig Einiges zur Sprache bringen, was diejeni- gen, welche geneigt wären, meine Untersuchungen zu wie- derholen; 'wohl auch berücksichtigen können. is Dmi 73... Man schneide ein Stückchen, etwa’ eine Linie qua- drat, aus dem Rande eines Kiemenblattes und bringe’ einen Tropfer von der Flüssigkeit darauf, die sich nach dem Oefi- nen der frischen Muscheln zwischen Schale und Körper 'an- sammelt, ziehe die Barren der Kieme mit feinen Nadeln sorg- fältig auseinander und bringe es unters Mikroskop, ohne ir- gend eine Bedeckung von Glimmer oder Glas. Es findet sich bald, dass einige von den Barren, die in Querdurchschnitte einen Keil ‘darstellen, die dickere freiere ‘Seite gegen das _ Auge wenden, indess Andere flach auf der Seite liegen. Man. untersuche beide Lagen im Bezug auf die an den beiden Sei- ten der Barren verlaufenden Cilien. Von diesen finden sich drei Arten und nicht blos zwei, wie bisher beschrieben wor- den. ‘Die eine Art befindet sich zu höchst, wenn der dickere Rand der Barre gegen das Auge gewendet ist, Fig. 69m; die andere nimmt eine mittlere Stelle ein, n; die‘ dritte ist. zu unterst, 0. 74. Was ich über diese Cilien Neues sagen will, mag hier in folgenden Hauptsätzen vorläufig aufgestellt werden, Erstens: diese Cilien, und wahrscheinlich nach Analogie alle Cilien, bestehen aus doppelten Schraubenfasern und ha- ben daher eine ähnliche Struktur, wie die Elementärfasern der Muskeln. Zweitens: die Cilien m. Fig. 67. 68.69. 70. ‚zeigen blos mehrfache Stufen der Entwickelung der GCilien n: Drittens: die Cilien o. in denselben Figuren, welche bis- her übersehen oder mit den Cilien n: für identisch gehalten wurden, sind dieses in der That nicht, sondern vielmehr die Gegenparte derselben. 75. Ich fand in der von den Kiemenblättern der Auster abgeschabten Substanz grosse Fragmente, davon eine Parthie Fig. 58. abgebildet ist. Sie enthielten am Rande zahlreiche 575 Zellen, Der mittlere Raum war leer. Ueber. die Natur die- ser grossen Fragmente. habe ich für. jetzt, nichts ‚weiter ‚zu sagen als: dass sie mir einen unschätzbaren Beitrag, für die Entwickelungsgeschichte der Cilien lieferten. Denn ich glaubte hier eines der frühesten Stadien derselben deutlich zu sehen. Die Keime im Inneren enthaltener Zellen schienen zur Bil- dungsstätie der Cilien bestimmt zu sein; man sah solche hie und da bereits gebildet und durch die Membran hervorbre- chend. : Eine solche Bildungszelle, deren Inneres besonders deutlich sich. darstellte, ist Fig. 59. stark vergrössert abge- bildet. Das Cilium darin bestand aus zwei Schraubenfasern, innerhalb deren Windungen eine: helle Substanz zu. sehen war, entsprechend einer dergleichen, von der ich bereits an anderen Orten dieser Abhandlung ausführlicher gesprochen und: Hyaline benannt habe. An dem freien Ende gingen die beiden Schraubenfäden ineinander über und waren auf einer Seite hakenförmig umgebogen. An dem anderen Ende gin- gen sie, auseinander und sassen ritilings auf dem Inhalt der Bildungszelle. Vielleicht sind diese beiden gespreizten Fa- sern als die Wurzelenden des Ciliums zu betrachten, an. de- nen zunächst das Wachsthum ‚desselben erfolgt, etwa auf folgende Weise: das Ende jeder der beiden Fasern zieht aus dem Kern der Bildungszelle neue Subtanz an sich. Indem nun das Cilium ‚während seiner Bewegungen in abwechseln- den Ein- und Abdrehungen begriffen ist, spinnt es nach und nach jene nachwachsenden Wurzelfasern in. seine Substanz auf, und verlängert sich auf solche Weise. 76. In Fig. 57. findet sich die Darstellung von ähnli- chen im vorigen Paragraph erwähnten Fragmenten aus einer Miesmuschel. Zwischen diesen und den vorigen zeigten sich folgende Unterschiede. Die jungen Cilien Fig. 57. waren zahlreicher als dort, Fig. 58, jedoch in ihrer Entwickelung nicht 80 weit vorgeschritten. Sie waren kolbenförmig, und nicht, wie die vorigen zugespitzt und hakenförmig umge- bogen. 576 77. Noch jüngere Entwickelungszustände der Cilienzel- len ‘bieten sich oft dar, zerstreut im Gesichtsfelde, einzeln liegend zwischen den abgeschabten Fragmenten der Kieme. Fig. 56. zeigt einige davon im Umrisse. Es sind einfache Zellen, in deren Inneren die jungen Cilien angedeutet sind; diese treiben nun die Membran der Zelle vor sich hin, 'so dass diese an einem Ende zugespitzt erscheint; und nach- _ dem sie dieses Stadium durchgegangen und im Wachsthum nach Aussen weiter fortgeschritten sind, stellen sie sich als die obenerwähnten kolbenförmigen Cilien, Fig. 57, dar. *) Diese kolbige Form scheint durch einen 'Vorrath des Bil- dungsstoffles am verlängerten Ende der Zelle veranlasst zu sein, der etwa dazu bestimmt wäre, das Cilium in die Länge _ wachsen zu machen. In anderen Fällen scheint die Kolben- form davon herzuzühren, dass das Ende des Ciliums inner- halb der Membran der Zelle hakenförmig gegen sich umge- bogen ist. Bis dahin in solchen Fällen umgiebt die Membran der Zelle das ganze junge Cilium, gleichsam noch ungebo- ren. ‘ In weiterer Folge der Entwickelung bricht die Mem- bran auf, und das gegen sich umgebogene Ende des Ciliums entwickelt sich und rollt sich auf, gleich der jungen Knospe eines Farrenkrauts, Fig. 61. 78. Die in Fig. 60. 61. 62. 63. 64. abgebildeten Cilien stellen verschiedene Entwicklungszustände derselben dar, und zwar Entwickelungsstufen der Cilien m. in Fig. 67. 68. 69. 70. In einem Falle fand ich sie wie in Fig. 60; in einem ande- ren wie in Fig. 61; und sofort wie sie die Fig. 62. 63.64. darstellen. Diese verschiedenen Formen, wie sich die Cilien darstellen, wurden hier blos in Beziehung zu ihrer Entwicke- lung aufgefasst. (Im Vorbeigehen gesagt, lassen sich auch *) Wahrscheinlich hat Valentin dasselbe Entwicklungsstadium der Cilien bei der Unio pictorum gesehen, wo er ihrer (der „Keu- len-Form“) als „ausnahmsweiser Gestalt‘“ erwähnt. R. Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie, S. 900. 577 gewissermaassen eigene Entwickelungsstadien in den Bewe- gungen dieser werdenden Cilien unterscheiden. Keine davon befindet sich in einem vollkommenen Zustande. Denn selbst die am meisten in der Entwickelung fortgeschrittenen zeigen etwas Unbehäbiges, wie wenn sie erst in den Lehrjahren wären.) Auf alle die hier dargestellten Cilien lässt sich, mit Rücksichtsnahme auf die Unterschiede der Entwicklungsstufe, dasjenige anwenden, was bei der Beschreibung Fig. 59. ge- sagt worden ist, obgleich nur hier und da, und das nur bei den jüngsten, ein ähnlicher Zusammenhang mit dem Kern der Mutterzelle bemerkt werden konnte. Uebrigens zweifle ieh nieht, dass es Niemand geben wird, der bei aufmerksa- mer Beobachtung dieser Cilien eben so, wie ich nicht wahr- nehmen. sollte, dass sie aus einem doppelten Schraubenfa- den besiehen; und nicht Anstand nehmen wird, meinen oben No. 4. gegebenen Hauptsatz zu bestätigen. 79. So viel über die Struktur, die Art der ee und Entwickelung der Cilien. Ueber ihre weitere Repro- duetion habe ich keine besondere Untersuchung vorgenom- men. Jedoch kann man annehmen, dass sie sich nicht we- sentlich von der Reproductionsweise der Muskelfasern in Form von primärer und secundärer Theilung unterscheiden wird; davon in $. 67. gehandelt worden. (Die breiten Cilien davon Sharpey an Bero& und anderen ciliograden Medusen passende Beispiele anführt, bei denen, anstatt der Cilien von gewöhnlicher Form und Anordnung, sich Reihen breiter plat- ter Lappen befinden, davon jeder aus einer Reihe einfacher Filamente bestehen soll, scheinen mir nicht aus einfachen Cilien, sondern aus Bündeln von Cilien zu bestehen, und wenn das der Fall ist, so würde die Art ihrer Reproduction dieselbe sein, wie bei anderen Muskeln.) Auf jeden Fall fand ich den Bulbus an der Wurzel einiger Cilien viel kleiner als bei anderen. Dies konnte wohl durch Theilung erfolgt sein, indem eine grössere Zwiebel sammt ihrem Cilium in zwei kleinere auseinander ging. (Oder sollte es durch eine Ver- Müller’s Archiv, 1850. 37 978 zehrung des Plasma der Zwiebel zur Ernährung und Wachs- ihum des Ciliums erfolgt sein? In anderen Fällen war die Zwiebel vollkommen verschwunden, und die Cilien nahmen ihren Ursprung- aus einem gemeinschaftlichen Boden, Fig. 72. Hier wäre es möglich, dass, nachdem die Zwiebeln im Fort- gange des Wachsthums in die Cilien vollkommen aufgegan- gen waren, alle Spur davon verschwunden wäre.) 80. Da ich sowohl in dieser Abhandlung, als auch in früheren, vielfältig auf die Nothwendigkeit hingewiesen habe, bei allen Untersuchungen über die Struktur der Gewebe auf die Entwicklungsgeschichte derselben Rücksicht zu nehmen, so muss ich doch aufrichtig gestehen, dass die Cilien in die- ser Hinsicht eine Schwierigkeit darbieten, wie man sie kaum anderswo finden möchte. Man hat es hier nicht in seiner Gewalt die Untersuchung mit der Entwickelungsgeschichte zu beginnen; denn wenn man auch eine immer währende Er- neuerung der Cilien wahrnimmt, und selbst in derselben Barre verschiedene Entwickelungsstadien angetroffen werden, so kann man doch nicht mit Sicherheit voraussetzen, dass bei jüngeren Individuen nothwendig auch jüngere Cilien sich finden müssten. Die wenigen Notizen, welche ich hier über die Entwickelung der Cilien mitzutheilen versucht habe, sind nur nach einer langen Reihe von Messungen verschiedener Entwickelungszustände und von Beobachtungen aller Arten von Formen und Bewegungen derselben, wie sie sich mir eben zufällig dargeboten haben, zu Stande gekommen. Wenn auch meine Beschreibungen und Zeichnungen der verschiede- nen Entwickelungsstadien für diejenigen, die sich die Mühe nehmen werden, die Entwickelungsgeschichte genauer zu verfolgen, in mancher Hinsicht nützlich sein möchten, so muss ich es doch sehr bedauern, dass ich es bisher nicht in meine Macht bringen konnte, mit Sicherheit anzugeben, unter welchen Umständen die jüngsten und am meisten be- weisenden Stadien zu finden sind, und welche am meisten geeignet wären, ihre schraubenförmige Struktur aufzuweisen. N 59 Man kann eine sehr: grosse Zahl von Muscheln öffnen und ganze Tage der Untersuchung widmen, ehe es nur einmal gelingt, ein beweisendes Exemplar aufzufinden. Hat man aber einmal das Glück gehabt, eine Bildungsstufe, wie in Fig. 59 aufzufinden, so fühlt man sich für alle seine Mühe reichlich belohnt. ; 81. In dem Satze No. 2. habe ich die Behauptung auf- gestellt, dass die Cilien unter m, Fig. 67. 68. 69. 70. bloss Entwickelungsstufen der Cilien n in denselben Figuren sind. Zu dieser unerwarteten Beobachtung wurde ich durch fol- gende Thatsachen geleitet, die ich jedoch hier nicht in der- selben Ordnung, wie sie sich mir zufällig dargeboten, son- dern, wo möglich genetisch darstellen werde. | 82. Vorerst ist zu bemerken, dass die Cilien m und n gemeinsame Ursprungsstellen haben, indem ihre Wurzeln in demselben Felde untereinander gemischt entspringen. Zwei- tens, man sieht hier und da ein und das andere Cilium von m an seinem Grunde umgebogen und mit seinem spitzen Ende den Endspitzen der Cilien n genähert. Doch im näch- sten Augenblicke kehren sie zur geraden Richtung zurück, um im nächstfolgenden zu derselben Beugung zurückzukeh- ren; und so wiederholt.“) Drittens, begegnet man oft Zu- ständen einzelner Cilien, wo sie in der Beugung bleibend verharren; siehe m‘ m‘ in derselben Figur. Viertens, wie schon erwähnt, stellen sich die Cilien m in sehr verschiede- nen Zuständen dar, Fig. 60. 61. 62. 63. 64. Einige sind länger, einige kürzer, — einige sind gerade gestreckt, einige umgebogen, — einige findet man in’ lebendiger Bewegung, andere bewegungslos; einige geben den Anschein, wie wenn “) Die Bewegungen der Cilien m stellt Sharpey blos auf: fol- gende Weise ‚dar: ‚The more opaque.cilia, or ihose of the exterior range appear and disappear by turns, as if ihey were continually changing from a horizontal to a vertical direction and back again.“ 1. c. 5.622. Auch ist mir nicht bekannt, dass irgend ein anderer Autor eine genauere Belehrung darüber mitgetheilt. hätte. 37 * 580 sie an ihrem Endtheile aus der gebogenen in die völlig ge- streckte Lage übergehen wollten, und andere, die schon ge- streckt sind, wie wenn sie das Bestreben hätten, über ihre eigene Länge weiter hinaus zu reichen. Die letztgenannten Zustände in ihrem Wechseln finder sich häufig an einer und derselben Barre, Fig. 65. Die Bewegungen sind im Allge- . meinen sehr unregelmässig; es.zeigt sich keine Spur.von ir- gend eineın gemeinsamen Zweck derselben, überhaupt keine Combination zur Erzeugung einer Strömung der umgebenden Flüssigkeit. Aus Allem sieht man, dass die Ungleichheit der Erscheinungen in Gestalt und Bewegung offenbar auf eine Ungleichheit der Entwickelungsstufen hindeuten. Man kann sagen, dass die Cilien m nicht eher ihre Reife erlangen und zur Ausführung einer gemeinsamen Bewegung geeignet sind, bis sie den Zustand in Fig. 67. erreicht haben, wo sie blei- bend einen Grad von Zusammenziehung an ihrer Basis zei- gen Doch selbst damals sind ihre Bewegungen noch lange nicht so heftig, als dass es den Anschein haben sollte, dass sie bald ausfallen würden. Woher denn kommt also die Nothwendigkeit ihrer fortwährenden Erneuerung? — Die Sache verhält sich so: bei der Beugung an den Wurzeln, Fig. 67 m’, gelangt ein Cilium m nach dem anderen an die Stelle der heftig vibrirenden Cilien n, an deren Stelle als letztes Entwickelungsstadium sie fortwährend eintreten. Dies ist der Zweck ihrer Bildung. Hier treten sie das erste Mal in ihre eigentliche Thätigkeit. Diese Betrachtung war es, die mich zum Satze No. 2. leitete. | 83. In dem Satze Nr. 3 habe ich die Behauptung auf- gestellt, dass die Cilien o in Fig. 67, 68, 69, 70, welche bis- her entweder übersehen oder mit den Cilien n für identisch gehalten wurden, dieses in der That nicht sind, sondern vielmehr die Gegenpart derselben. — Die Sache wird so- gleich klar, wenn man auf ihren Ursprung und ihre Ver- richtung Rücksicht nimmt. Folgende Beobachtungen führten mich zu diesem Satze. er o8l 84. Die Wurzeln dieser beiden Reihen sind durch einen breiten hellen Zwischenraum, Fig. 67 h, geschieden, auf wel- chem sich keine Zellen der Art befinden, aus denen die hier besprochenen Cilien ihren Ursprung nehmen. Die Enden der Cilien der beiden Reihen begegnen sich, von entgegengesetz- ten Richtungen ausgehend, in der Mittellinie, wo sie, wie Finger zweier Hände, sich verschränkend gegeneinander be- wegen und dadurch zwischen sich und dem hellen Zwischen- raum einen hohlen Gang bilden, durch welchen während der Flimmerbewegungen die umgebende Flüssigkeit hindurch getrieben wird. So viel genügt, den obigen Satz zu be- weisen. *) 85. In Hinsicht der Verrichtungen wäre zu bemerken, dass der helle Zwischenraum, über welchem die beiden Ci- lienreihen in heftigster Flimmerbewegung begriffen sind, der Membran der Barre, die bekanntlich für ein Kiemengefäss gehalten wird, angehört, welche Membran wahrscheinlich die Bestimmung hat, Oxygen aus dem Wasser einzusaugen und es dem Blute mitzutheilen. Dieses würde nun in noch erhöhterem Grade erreicht werden, wenn durch die Bewe- *) Die Ciliea 0, als eine selbstständige Reihe, scheint Sharpey nicht bemerkt zu haben; er erwähnt bloss und bildet ab die Cilien n, was aus dem Folgenden erhellt: „The motion of the other set con- sists in a succession of undulations, which proceed in a uniform man- ner along the sides of the bar from ohne end to the other. It might be very easily mistaken for the circulation of globules of a fluid with- in a canal, more especially as the course of the undulations is diffe- rent on the two sides of the bar, being directed on one side towards the edge of the gill, and on the other towards the base. But besides that the undulations continue for some time in small pieces cut off from the gili, which is inconsistent with the progression of fluid in a canal, the eilia are easily distinguished when the undulatory motion becumes languid. When it has entirely ceased, they remain in contact with each other, so as to present the appearance of a membrane (d, d, Fig. F.).“ Sharpey, I c. pag. 623. —- So weit Dr. Sharpey. Auch ist mir nicht bekannt, dass irgend ein anderer Autor irgend eine Er- wähnung davon (d. h. von den Cilien 0) gemacht habe. 982 gung der Cilien der Wasserstrom beschleunigt und immer frische oxygenhaltige Antheile zugeführt würden. Dies in Hinsicht der Verrichtung.- 86. Noch muss erinnert werden, dass, wie bekannt, die Richtung der Strömung, in Rücksicht auf die Verhältnisse der benachbarten Barre, eine verschiedene ist. Wenn sie nämlich in der einen vom Rande der Kieme aufsteigt, steigt sie in der gegenüberliegenden gerade umgekehrt von der Ba- sis gegen den Rand, wo sie einerseits an einem knopfarti- gen, mit flimmernden Cilien besetzten Körper, Fig. 65 qgq, zu enden, andererseits von demselben ihren Anfang zu neh- men scheint. Ein gleicher Gegensatz der Strömungen, wie hier von benachbarten Barren beschrieben, findet auch bei einer und derselben an der einen und der anderen Seite statt, Fig. 69, 70. Von dem oben genannten knopfartigen Körper hat Sharpey nicht ausdrücklich Erwähnung gethan. Er scheint mit den von ihm beschriebenen rundlichen Vorsprün- gen — „round projeetions‘* — von gleicher Bedeutung zu sein, nur mit dem Unterschiede, dass hier am Schlusse der bogenförmig in einander übergehenden Barren die sonst zwei- zählig vorhandenen Protuberanzen in eine einzige übergehen. Daher ihre Vergrösserung. 87. Die wunderbar verwickellen Bewegungen der Ci- lien n und o, Fig. 67, 68, 69, 70, habe ich gar oft und an- haltend beobachtet, bis sie nach und nach langsamer wur- den und endlich zum Stillstande kamen. Zuletzt sieht man nur Gruppen derselben, dann nur noch zwei oder drei, und endlich nur einzelne derselben in Bewegung. Wenn die Be- wegung vollkommen aufgehört hat, sieht man die beiden Reihen der Cilien ziemlich parallel, Fig. 67, und etwas ge- bogen gegen einander gestellt, fast immer mit der Convexi- tät nach der Seite hin, gegen welche die Richtung der Strö- mung staltgefunden hat. 88. In Hinsicht der Cilien n und o bleibt übrig zu be- merken, dass wenn ihre Bewegung aufgehört und sie daher 583 in den Zustand der Erschlaffung, ie. 67, gerathen sind, sie oft in kürzester Zeit unscheinbar werden, oder allesammt verschwinden. Wahrscheinlich brechen die meisten davon an ihren Wurzeln ab, so wie dies während ihrer Lebens- thätigkeit fortwährend der Fall sein mag; wo die älteren durch neue immerfort ersetzt wären, indess jene, nachdem sie verbraucht sind, ausgehen und von der Strömung fort- gerissen an den Ausgangsöffnungen ausgeschieden werden. 89. Da bisher über die Struktur der Cilien nichts Ge- naueres bekannt war, so musste Alles, was man über die Ursache ihrer Bewegungen vorbringen konnte, nichts als blosse Vermuthung sein. Indem ich nun an ihnen eine be- stimmte, für Contraction und Erschlaffung geeignete Struk- tur dargestellt habe, so gereicht mir es zu besonderm Ver- gnügen, darauf hinzuweisen, dass mein Landsmann Profes- sor Sharpey Recht hatte, wenn er, im Jahre 1836, behaup- tete, dass die bewegende Kraft der Cilien wahrscheinlich in ihnen selbst liege. Er bemerkt, dass das ganze Phänomen der Flimmerbewegung auf gleichem Grunde beruhen möge, wie die Bewegung der Muskelfasern, und dass die Cilien, in kürzeren oder längeren Antheilen ihrer Länge, eine ähnliche Substanz enthalten mögen, wie die der Muskeln ist, wodurch sie sich verkürzen oder ausdehnen. *#) — Derselbe Forscher bemerkt, wo er von den Bewegungen der Cilien im Allge- meinen spricht, dass zwar .die Beugung hauptsächlich an den Wurzeln derselben vor sich geht, doch nicht ausschliess- lich, indem auch die übrigen Stellen derselben eine Beugung und überhaupt Gestaltveränderung darbieten. Ja, die mehr elastischen Cilien zeigen, wenn ihre Bewegung nachlässt, bloss noch eine Beugung an der Spitze, indess der der Wur- *) Valentin, 1842, wu er von der hakenförmigen . Bewegung der Cilien handelt, bemerkt Folgendes: „Die Realisation dieser Bewe- gung scheint nur denkbar, indem wir uns eine contractile, in dem Haare gelegene Substanz, oder, indem wir eine analoge Einrichtung, die durch Fingersehnen realisirt wird, uns vorstellen.“ 1. c. $. 803. 984 zel nähere Antheil en ohne Bewegung erscheint. Wenn eine Zahl einzelner Cilien nach einander eine solche Ab- nahme der Bewegungen zeigen, so hat es das Ansehen einer fortschreitenden- Wellenbewegung, wie man Aehnliches bei einem vom Winde bewegten Kornfelde sieht. Diese Erklä- rung mag wohl ausreichen, um die wellenförmige Bewegung grösserer Parthien von Cilien' zu erklären, obgleich man ge- stehen muss, dass die Art der Bewegung einzelner Cilien gerade dann am wenigsten deutlich beobachtet werden kann, wenn die wellenschlagende Bewegung am regelmässigsten as 9; 90. Ich kaun wohl sagen, dass Sharpey bei Aufstel- lung seiner Ansicht der Wahrheit nahe gekommen ist, in- dem es mir selbst in zwei Fällen gelungen ist, die Bewegung einzelner Cilien, wo ihre Wellen am vollkommensten sich zeigten, selbst zu sehen, davon auch einmal Professor Pur- kinje Zeuge war. In beiden Fällen zeigte sich dieser le- bendige Mechanismus am Rande der Barre an den Cilien m, Fig. 68, einmal an dem Punkte, der mit r, und ein andermal an dem mit s bezeichneten. Man kann sich durch die Figur 71 von dieser Art Wellenbewegung eine Vorstellung machen. Freilich ist die Erscheinung an sich äusserst schön und zart, und die Zeichnung kann nur einen beiläufigen rohen Ent- wurf anstreben. Die undulirenden Cilien zeigten in diesen beiden Fällen eine verschiedene Anordnung ihrer Schrauben- fasern. Einmal befanden sie sich in dem Zustande Fig. 66 m, gleichförmig ihrer ganzen Länge nach in sich gedreht, an keiner Stelle bleibend contrahirt; im andern Falle zeigten die Schrauben den Zustand Fig. 67 m, wo an der Basis ihre Elementarfasern in einer permanenten Drehung oder Zusam- menziehung sich befanden. Im ersten Falle konnte die Be- wegung in einer blossen Verkürzung und Verlängerung uach der Axe der Cilien bestanden haben; im anderen dagegen in *) Sharpey, 1. ce. S. 634. - 585 einer Beugung an der Basis derselben. Ferner zeigten die undulirenden Cilien in diesen beiden Fällen zweierlei ver- schiedene Gestalten. Die einen waren gerade gestrickt, Fig. 66 m, die anderen gebogen, Fig. 67 m. Da nun die Con- traction jedesmal eine Drehung voraussetzt, so muss das ge- bogene Ende einen trichterspiralen Gang beschreiben, was hier in der Zeichnung nicht dargestellt ist. *) 9i. Es ist wichtig, die eben erwähnten Wellenbewe- gungen der Cilien m, Fig. 67, genauer aufgefasst zu haben, indem die Cilien m als Ersatzglieder der Cilien n in dersel- ben Figur zu betrachten sind, und dazu die Wellenbewegun- gen beitragen mögen, die merkwürdigen äusserst heftigen Bewvegungen der letzteren klarer einzusehen. Folgendes bot sich mir als der mögliche Erklärungsgrund derselben dar. Die Cilien n sind alle nach derselben Richtung gebogen; sie sind in einer Linie aufgestellt, und führen ihre schwingen- den oder peitschenden Bewegungen undulirend aus nach der Folge des Standpunktes jedes einzelnen. Gleiche schwin- gende Bewegungen zeigen die Cilien o gegenüber den Cilien n, indem sich ihre Enden, ohne sich wechselseitig im Ge- ringsten zu hindern, etwas verschränkt zwischen einander bewegen. Dies würde, wenn diese Bewegungen alle gleich- zeitig der ganzen Cilienphalanx nach stattfänden, eine ste- hende Reihe von schwingenden Bewegungen dem Auge dar- bieten. Da jedoch jene schwingenden Bewegungen in nach einander folgenden Momenten ausgeführt werden, so stellt sich diese Bewegung als eine Reihe auf einander folgender, einander jagender, ununterbrochen in einander übergehen- der, rundlicher Wellen dar, die nicht selten als eine lange *) Ich beobachtete ganz junge Cilien, dergleichen in Fig. 60 ab- gebildet sind, und hier zeigte sich offenbar eine Verkürzung und Ver- längerung derselben nach der Längenrichtung. Doch zeigte der Wech- sel dieser Bewegung keine bestimmte Anordnung, um als Undulation erscheinen zu können. Vielleicht hatte irgend eine Störung stattge- funden. 586 schraubenförmige Walze dem Auge erscheinen. Der Unier- schied zwischen Kugelreihen, wie sie meist erscheinen, und Schraubeneylindern liesse sich so vorstellen: dass im ersten Falle die schwingenden Bewegungen von Stelle zu Stelle enger und weiter stattfänden; im anderen Falle überall each förmig in einander übergingen. 92. Nachdem ich an den 'Cilien der Kiemenblätter der Muscheln doppelte Schraubenfasern gefunden, scheint es kaum nöthig zu bemerken, dass ich eine ähnliche Struktur bei allen Cilien der Art, wo sie sich auch fänden, voraussetzen musste. Da ich aber im Laufe dieser Untersuchungen sehr oft Gele- genheit hatte, Cilien von Infusorien, deren mehrere Arten ‚sich in der Flüssigkeit innerhalb der Muschelschalen finden, zu beobachten, so kann ich nicht umhin, hier anzuführen, dass ich auch bei diesen doppelte Schraubenfasern in den Cilien gefunden. Sie waren manchmal so deutlich, dass ich mich nicht genug wundern konnte, dass sie nicht schon längst bemerkt worden sind. — Da die Schwänzchen der Samenfäden wohl den Fäden der Cilien entsprechen, so musste ihre Struktur wesentlich dieselbe sein. Es sind. nun neun Jahre her, seitdem ich diese Beobachtung in Betreff der Schwänzchen der Samenfäden der Säugethiere mitgetheilt habe. *) Uebrigens sind die Schraubenfasern an den Sch wänz- chen der Samenfäden wegen der gleichen Refractionskraft der zwischen ihnen befindlichen Hyaline sehr schwer zu un- terscheiden; und daher mochte man sie früher nicht bemerkt haben. 93. Da der Gegenstand der gegenwärtigen Schrift die Struktur des Muskels und ausschliesslich diese. betraf, habe ich es vermieden, auch andere Gewebe speciell zu erwähnen. Damit jedoch wegen dieser Vermeidung nicht Jemand glaube, dass ich meine früheren Ansichten über die ursprünglich *) Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 1842, S. 107. Su — 98% schraubenförmige Struktur aller Elementarfasern bei Pflan- zen sowohl als bei Thieren aufgegeben habe, muss ich, be- vor ich schliesse, noch kurz meine entschiedene Meinung aussprechen, dass ich noch dieser Ansicht vollkommen zu- gethan bleibe. Bowman sagt: Dr. Barry hätte eben so gut können seiner Abhandlung die Aufschrift geben: „Ueber die schraubenförmige Structur der organischen Welt.“ *) Gegen diesen von Bowman satyrisch vorgeschlagenen Titel habe ich nicht das Geringste einzuwenden, und ich bin so weit entfernt, mich darüber zu ärgern, dass ich ihm dafür meinen Dank sage. Ich danke ihm dafür, dass er schon im Jahre 1842 in der Cyelopaedia der Anatomie und Physio- logie,es ausgesprochen hat, dass meine Ansicht in Betreff der schraubenförmigen Struktur der organischen Faser den Charakter der Allgemeinheit habe, und ich bin versichert, dass der Tag kommen wird, wo meine Ansicht eben so all- gemein von den Physiologen angenommen sein wird, als ich selbst überzeugt bin, dass die schraubenförmige Struktur allgemein ist. Man möge meine Ansicht nur vollkommen verstehen; was ich behaupte, ist: dass die Schraubenform der Faser überall die ursprüngliche und anfängliche ist; und wenn diese Form auch bei vielen Geweben im Fort- gange ihrer speciellen Entwickelung diesen Charakter ver- liert, so behält sie ihn bleibend in der Muskelfaser als noth- wendiges Attribut ihrer Function. Z uiswa &0z; 90. Indem ich neuerlichst mehrere Glockenpolypen (Vor- ticella convallaria) untersuchte, fand ich in ihrem contracti- len Stiel auch meinen Doppelschraubenfaden. Im erschlaff- ten Zustande lag dieser Faden in seiner 'gestreckten cylin- *) Cyclopaedia of Anatomy and Physiology, Artikel „Muscle“, S. o11. 988 drischen gallertartigen Hülle, die ich für sein elastisches Sar- colemma halte, in schraubenförmigen Windungen; bei seiner Contraction präsentirte er sich etwa in der Weise, wie Fig. 42, mit dem Unterschiede, dass dieser Faden von seinem Sarcolemma umschlossen war, was jene Figur, die ein ganz anderes Object darstellt, nicht zeigen konnte. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVI. Sechs Keimbläschen vom Kaninchen, die meisten davon zur Befruchtung sich vorbereitend; a, b, c, d, f, in 300maliger Vergrösserung im Durchmesser, e, 600mal im Durchmesser. An dem Keimbläschen e sieht man einen Theil der Zona pel- lucida und eine Parthie der Zellen, welche an der inneren Seite das Keimbläschen umgeben, dem sogenannten Dotter an- gehörend; man sieht auch den Kanal, durch welchen das Keimbläschen, nachdem es befruchtet ist, von der Peripherie zum Centrum zurückkehrt. Der Inhalt dieser hier abgebilde- ten Keimbläschen ist im $. 48 ausführlicher beschrieben. Das Keimbläschen eines Kanincheneies, 17 Stunden nach der Begattung aus der Fallopischen Röhre. Es enthält als nächste Nachkommenschaft zwei junge Zellen, welche unmittelbar von Hyalinekügelchen und weiter nach Aussen von kleinen Zellen umgeben sind, was alles im Fortgange der Formation dieser zwei jungen Zellen verschwindet. 100malige Vergrösserung. Siehe $. 48. Die zwei jungen Zellen der vorhergehenden Figur, befreit von der durch Verflüssigung verschwundenen Membran des Keimbläschens als ihrer Mutterzelle. Doch ist eine der klei- nen Ernährungszellen, welche in die Formation der zwei jungen Zellen einzugehen haben, noch nicht in den Process der assimilativen Auflösung aufgenommen worden. Man sieht, wie jeder der zwei Zellenkerne, Fig. 2, in Auflösung zu feinster Punktmasse begriffen ist, wobei noch ein hell durch- scheinender, nicht. vollkommen begrenzter Centraltheil von Hyaline zurückbleibt. 100 Diam. Siehe $$. 48, 49, und be- sonders $. 01. Fig. 4. Dergleichen Zellen vom Kaninchen, 244 Stunde nach der Be- Fig.-7. Fig. 8. 589 fruchtung aus dem Inneren der Fallopischen Röhre genom- men. Die zwei Zellen in Fig. 3 sind eben in dem Entwicke- lungsstadium begriffen, wo sie zu Mutterzellen sich umwan- deln, indem jede davon zwei neue Zellen he vorbringt, in welche Bildung die umgebenden kleineren Zellen eingehen und vollkommen verschwinden. 100 Diam. Siehe $. 48. Man sieht hier das werdende organische Individuum, wo es aus 4 Zellen besteht, aus dem Eichen eines Kaninchens, 234 Stunde nach der Begattung aus der Fallopischen Röhre ge- nommen (desselben Kaninchens, von welchem Fig. 3 genom- men war). Jede von den zweien in Fig. 4 beschriebenen Zellen hat zwei neue erzeugt, wobei die sie einschliessende Membran abermals verschwunden ist. Man sieht hier wieder mit den vier Zeilen zwei kleine Ernährungszellen, welche in die fernere Formation derselben einzugehen haben und für jetzt in den Process der assimilativen Auflösung noch nicht aufgenommen worden. Die vier ursprünglich elliptischen Zellen sind hier sphärisch geworden; eine davon ist in der Bildung weiter vorgeschritten als die übrigen, sie hat einen grösseren Durchmesser und in ihrem Inneren sieht man, statt der Punkt- masse, Cytoblasten oder vielmehr Zellen; die drei übrigen Zellen dieser Figur befinden sich noch in dem nächst früheren Entwickelungsstadium, indem sie um ihren Bildungskern noch immer Punktmasse enthalten. 100 Diam. Siehe $$. 48, 51. Blutkörperchen oder vielmehr Blutzellen von einem $ Zoll langen Rindsembryo. a zeigt im Inneren den Keimfleckbil- dungsprocess, indem die Hyaline des Kernes sich theilt und die Anlage zweier Zellen bildet; b stellt das Blutkörperchen als Mutterzelle dar, wo durch den früheren Process zwei Junge Zellen bereits gebildet sind. Man sieht, dass die Zelle b, welche ohne Anwendung irgend eines Reagens betrachtet wurde, eine elliptische Gestalt zeigt; a erscheint sphärisch in Folge von Anwendung verdünnter Essigsäure. 600 Diam. Siehe $. 49. Blutkörperchen oder Blutzelle von einem Hühnerembryo. Man sieht grosse breite Hyalintropfer in seinem Innern. 600 Diam. Siehe $. 49. Ein variköses Capillargefäss, ein Zweigchen der Arteria centralis Retinae, vom Rande der Krystalllinse aus einem Rindsfötus von 18 Zoll. Solche Gefässe enthalten keine ei- gentliche Blutlymphe mit freien Blutkörperchen, sondern sind gedrängt voll mit Hyalinemassen, a, zwischen denen Blutfarbe- stoff, b, sich befindet, in welche die Blutkörperchen oder 590 vielmehr Blutzellen zerfallen sind. Hie und da sieht man Spu- ren von nicht aufgelösten Membranen, c, der aneinander in Ge- stalt von Poly&@dern gedrängten Blutzellen, die bald in gleicher Weise zerfallen sollten. 300 Diam. Siehe $$. 49, 61 Anm, Fig. 9. Nach H. D. S. Goodsir. Ei des Coenurus cerebralis. „Das fünfte Entwickelungsstadium des Eichens, C, Keimbläs- chen; D, primärer Kreis von Zellen; E, die Centralzelle des primären Zellenkreises in ihrer Verbreiterung; F, ihr Central- kern: er hat sich ausgedehnt und ist mit Knötchen besetzt.‘ *) Man vergleiche den Inhalt des hier abgebildeten Keimbläschens und was darüber in der oberen Beschreibung gesagt ist, mit dem, was ich in Fig. 1 d, e, f abgebildet habe; und in Be- treff der Beschreibung der letzteren siehe $. ö0. Fig. 10, 11, 12. Die frühesten Stadien der Formation der Muskelfaser vom Schenkel des Hühnchens im Ei 600 Diam, Beschrie- ben in $$. 893—00. Siehe auch $. 67. Fig. 13. Nach Schwann, dessen Bemerkungen über diese Fig. siehe in $. 56. Die Figur stellt ein sehr frühes Stadium der Bil- dung der Muskelfaser aus dem Oberarm eines 7‘ langen Schweinefötus dar. ig. 14, 15. Sehr frühe Stadien der Formation der Muskelfaser vom Schwanze der oben erwähnten Jersey’schen Krötenlarven. 600 Diam. Beschrieben in $$. 87, 58. Fig. 16. Ein frühes Stadium der Formation der Muskelfaser vom Hühn- chen im Ei nach 12tägiger Bebrütung. 600 Diam. Beschrie- ben im $. 59. Fig. 17, 18. Frühe Stadien der Formation der Muskelfaser vom Schwanze der Jers. Krötenlarve.. 600 Diam. Beschrieben in $$. 60 bis 62. Fig. 19. Ein primitives Muskelbündel vom Hühnchen im Ei nach Be- brütung von 12 Tagen. 600 Diam. Beschrieben in $. 63. Siehe auch $. 66. Fig. 20. Doppelte Schraubenfaser des Muskels, wo man in einem der | Cylinder eine Reihe Zellenkeime sieht; aus einem Hühnchen nach Bebrütung von 15 Tagen. 600 Diam. Siehe $. 66. Fig. 21. Eine breite doppelschraubige Faser einer frühen Entwicke- | lungsperiode aus dem Schwanze einer Jers. Krötenlarve. Man vergleiche die Grösse der hier abgebildeten Doppel- schraube mit der Feinheit der Doppelschrauben in Figur 19, = 2 *) Transactions of the Royal Society of Edinburgh, 1844, Vol. XV. Plate XVI, Fig. >. Fig. Fig. 29. 22. RI. . Mg 28. 591 woraus hervorgeht, dass Fig. 21 in ein früheres Entwicke- lungsstadium gehört, a, Fig. 19. 600 Diam. Schematische Darstellung der Formation einfacher Schrauben- fasern, a, b, und doppelter Schraubenfasern, c, d. Beschrie- ben im $. 61. Säugethierblutkörperchen in Ringe und Schraubenfasern über- gehend. Beschrieben im $. 61 Anm. a, b, c, d. Eine Reihe von Verwandlungen, wo die Hya- line des Centralkerns einer Zelle durch Selbstiheilung sich verdoppelt. Siehe $. 61. Der in letzterer Figur bemerkte Doppeltheilungsprocess hat in diesem Falle in Gestalt von Wellengliedern zwei einan- der umfassende Ringe producirt. Siehe $. 61. Zwei breite schraubenförmige Muskelfasern mit Spuren von Kernen in ihrer Substanz, die in dieser Figur nicht darge- stellt sind, indem sie erst nach Behandlung mit Essigsäure sichtbar wurden; aus dem Schwanze einer Jers. Krötenlarve. 600 Diam. Siehe $. 58. Kerne solcher Schraubenfasern des Muskels, wie in Fig. 26, . nach Behandlung mit Essigsäure, wobei die Umrisse der Schraubenfaser verschwunden und an ihrer Stelle ebenfalls in schraubenförmiger Anordnung Kernreihen zurückgeblieben sind. a, Struktur eines dieser Kerne. Aus dem Schwanze einer Jers. Krötenlarve. 600 Diam.. Siehe $$. 58, 60. Eine von einem Muskelbündel entnommene Schraubenfaser mit vierfacher Doppelschraube, vom Schwanze einer Jers. Krötenlarve. Die Schraube hat sich durch Theilung vervier- facht; später verwachsen die Theilfasern, um das Sarco- lemma des Muskelbündels zu bilden. Die Elemente dieser Verwandlungen sind dieselben in Fig. 27 dargestellten Kerne. 600 Diam. Siehe $. 60. Tafel XVII Darstellungen der Reproductionszustände der Muskelfasern. a, die Faser erscheint nicht mehr als doppelter, sondern als einfacher Hohleylinder, der in seinem Inneren in gleichen Distanzen Zellenkeime enthält, davon das Ganze, durch Hya- line verbunden, einen soliden Axencylinder bildet. b, ein ähnlicher Axencylinder wie bei a, doch sind die Zellenkeime einander mehr genähert, und die umgebende Schraubenfaser verschwunden. c, f, ähnliche Axencylinder mit getheilten 592 Fig. 34. Fig. 35. Fig. 36. — Zellenkeimen. d, Weitertheilung der Zellenkeime. e, ver- gleiche mit Fig. 19. Siehe $$. 20, 28, 66. Sehr feine vierfache Schraubenfaser nach Art der in Fig. 28 abgebildeten, ehe sie noch zu Sarcolemma verwachsen ist. Siehe $. 66. Skizze eines primitiven Muskelbündels von dem Herzohr eines Frosches. Bei a, b, sah man die doppelschraubige Struktur der Muskelfaser mit ausgezeichneter Klarheit; bei a waren die äussersten Fäden der Doppelschraube nach Abreissung während der Behandlung ganz frei zu sehen. c, eine während der Behandlung ausgezogene und aufge- drehte Faser. d, e, f, g, verschiedene andere Grade der künstlichen Ausziehung und Aufdrehung einer und dersel- ben Faser, aus verschiedenen Stellen ihres Verlaufs in der Länge. 1200 Diam. Siehe $$. 15, 16, 19, 26. a, zwei Muskelfasern aus dem Herzohr des Frosches, wo die Enden der einzelnen, die Doppelschraube bildenden Fä- den auf eine Strecke ausgezogen sind. b, eine Faser, de- ren doppelte Schrauben etwas aus ihrer wechselseitigen Lage gebracht sind. In einander verschränkte Schraubenfäden von dem Herzen einer Schildkröte, Testudo Midas, zwischen deren Schrau- ben die das Licht hell refringirende Hyaline zu sehen ist. 1200 Diam. | Mehrere Grade der Zusammenziehung der bindfadenförmig gedrehten doppelschraubigen Fasern des Muskels; a, a, sehr lose, d, sehr dicht gedreht, b, c, Zwischengrade der Dre- hung. Siehe $$. 14, 16, 26. | Aus dem Schwanze des Flusskrebses; eine eigenthümliche, öfter vorkommende Wickelung der die Muskelfaser consti- tuirenden Schraubenfäden, davon der eine etwas gerader ausgezogen und der andere um ihn geschlungen ist, wahr- scheinlich in Folge ungleicher Dehnung derselben beim Ab- reissen. Diese Form kann leicht zu der Ansicht verleiten, ‘ dass man eine Reihe von abwechselnd längeren und kürze- ren Knötchen vor sich hat. Siehe $. 33. Nach Bowman. a, b, c, d, Muskelfasern, e, Theil eines Muskelbündels, nach der Annahme Bowman’s aus knoti- gen Fasern zusammengesetzt.*) Siehe $. 34. *) a, b, c, d, e, sind von Bowman’s Figuren 10, 12 und 195, Taf. XVI der Philosophical Transactions of the Royal Society of Lon- don, 1840. Fig. 37. Fig. 38. Fig. 40. Fig. 42. Fig. 43. Fig. 44. 593 Erläuterung der Bowmanschen Darstellungen der Muskelfasern, Fig. 36, indem die von ihm angenommenen . knotigen Fa- sern als Schlingen der schraubenförmigen Elementarfäden der Fasern dargestellt werden. Vergleiche a, b, c, u.s.w. die- dieser Figur mit a, b, c, u.s.w. von Fig.' 36. Siehe $, 34. Zwei Portionen 'eines Muskelbündels von einem jungen Ta- ‘ schenkrebs genommen; a, in contrahirtem, — b, in erschlaff- tem Zustande. Der Pfeil zeigt die Längenrichtung des Bün- dels an. Siehe $. 38. Zwei Portionen 'eines Muskelbündels aus dem Schwanze ei- ner Jers. Krötenlarve; a, die Windungen von vier Ele- mentarfäden; b, der Endtheil dieses Bündels bis zu seinem Abreissen ausgezogen. Der Pfeil zeigt die Längenrichiung des Bündels. Siehe $. 31. Umschlingende Schraubenfasern innerhalb deren Windungen andere doppelschraubige Fasern verlaufen. Aus dem Cen- traltheil der Krystallinse des Brassei Cyprinus Brama, ge- nommen. 600 Diam. Umriss einer Arteria aus der Pia mater des Kaninchens. a, Die Längenfasern sind bloss durch Punkte angezeigt, mit Ausnahme eines einzigen an der linken Seite, an welcher man die Doppelschraube sehen kann; b, eine Schraubenfaser, welche die Longitudinalfibern umfasst hält; e, doppelschrau- bige Struktur von b, welche in der Faser selbst nicht ange- deutet wurde; d, Blutkörperchen, meistens jung und sehr klein im Durchmesser; e, eine Linie, welche die innere Ar- terienhaut andeutet. 600 Diam. Doppelschraubige Struktur einer Schraubenfaser des Muskels, wie in Fig. 41, davon die Bildungselemente in den Kernen der Fig. 27. zu sehen sind. Ein Muskelbündel aus einer der früheren Entwickelungspe- rioden, wo die jungen Bündel je zu zweien von eigenen Schraubenfasern umschlungen sind, jedoch so, dass die nächste Schraubenfaser zugleich das eine Bündel des früheren Paa- res in seine Windungen aufnimmt; ebenso die folgende Schraubenfaser, u. s. w. Siehe $£_ , wo über die Folge dieser Anordnung der Fasern in Verhinderung der Längen- spaltung gesprochen wird. a, Ein breiter Schraubenfaden, dag ganze Bündel umfassend. Siehe $. 31. Tafel XVII a, Eine schematische Darstellung der doppelten Schraubenfa- ser des Muskels als Modell aus Bleidraht verfertigt, im Mo- Müller’s Archiv, 1850, 38 594 Fig. 45. Fig. 46. ment der sehr starken Zusammenziehung dargestellt; b, die- selbe in die doppelte Länge ausgezogen; c, das Ausziehen ist bis auf die vierfache Länge fortgesetzt; d, dieselbe Dop- pelschraube so weit ausgezogen, dass sie nach Art der ge- wöhnlichen Bindfäden erscheint. Vergleiche die Zustände der in dieser Figur schematisch dargestellten Fasern mit den nach der Natur gezeichneten, in Fig. 31, 34. Siehe auch SS. 16, 17. i a, Zeichnung des Modells eines anderen Bleidrahts, darstel- lend die Doppelschraube der Muskelfaser in etwas ausgezo- genem Zustande. Der Uebergang der beiden Fäden in eine Schlinge am Ende ist durch Punkte angedeutet. b, Dasselbe schräg und von oben gesehen. Man sieht hier den Doppel- cylinder der Doppelschraube deutlicher, so wie auch an dem einen Ende die Sförmige Verschlingung der Elementarfäden beider Säulen, welche sich im Querschnitte präsentiren würde. c, Dieselbe Doppelfaser ausgezogen; vergleiche mit den Zeichnungen nach der Natur in Fig. 31, 34, und siehe $$. 125°%26. Zeichnung eines anderen Modells von Bleidraht, darstellend die Doppelschraube der Muskelfaser; eine einzelne Doppel- faser ist hier so behandelt, dass sie an verschiedenen Stellen mehr oder weniger zusammengezogen oder ausgedehnt er- scheint. a, Starke Zusammenziehung; b, zwei etwas ausge- zogene Schlingen; c, zwei folgende Schlingen noch mehr ausgezogen, die Umschlingungsstellen beginnen auseinander zu treten; d, e, f, zeigt jedes eine, immermehr fortschrei- tende Ausziehung der Windungen, so dass f sich der Schlin- genform des Bindfadens nähert. Vergleiche diese Darstellun- gen von b bis f mit den Zeichnungen nach der Natur, Fig. 31d, e, f, welche auch dorten an einer einzigen gedehnten Muskelfaser sich zeigten, Siehe $. 16. Fig. 47, 48, 49. Skizzirte Zeichnungen zur Darstellung, in welcher Weise die doppelschraubigen Fasern des Muskels zu einem Muskelbündel sich combiniren, woran auch die Unterschiede von Zusammenziehung und Ausdehnung gezeigt sind, indem Fig. 47 den mehr ausgezogenen, Fig. 49 den mehr zusam- mengezogenen Zustand darstellt. In Fig. 48 und 49 sind zur Seite die den Kreutzungsstellen entsprechenden schatti- gen Querstreifen, so wie die den getrennten Fasern ent- sprechenden hellen Streifen, durch dunkle und lichte Quer- bänder dargestellt. Siehe $$. 24, 29, 37, 44. Fig. 50, 51. Fig. 52. Fig. 56. 395 Schematische Darstellungen, womit die Quertrennung der Muskelbündel, Bowman’s „Disks‘“ oder Querplatten, erläu- tert werden. Siehe $$. 24, 29, 37. Zur Seite sind die Querstreifen durch dunkle und lichte Querbänder dargestellt, Siehe Erklärung der vorigen Figur. Nach Bowman.*) „Ein Primitivbündel des Muskels vom Menschen, wo die Querstreifen getrennt erscheinen. Die Verschiebungen sind Folge des Drucks des Glimmerblätt- chens.“ Siehe $$. 36, 37. Tafel XIX. Umrisse von Zellen aus der Kieme einer Miesmuschel in de- ren Innerem, was hier nicht gegeben ist, die Andeutung junger Cilien wahrzunehmen war. Siehe $. 77. Eines der frühesten Stadien der Entwickelung der Cilien; aus der Kieme der Miesmuschel. 300 Diam. Siehe $$.76, 77. Eines der frühesten Stadien der Entwickelung der Cilien aus der Kieme der Äuster. 300Dıam. Siehe $. 75. Eine von den jungen Cilien der vorigen Figur in vergrös- sertem Maassstab. 1200 Diam. Siehe $$.75, 80. Fig. 60, 61, 62, 63, 64. Aus der Kieme der Miesmuschel. Entwik- Fig. 65, 6 Fig. 67. kelungsstadien der Cilien m der Fig. 67, 68, 69, 70, wo Fig. 60 den am wenigsten fortgeschrittenen, Fig. 64 den am meisten fortgeschritienen Entwickelungszustand darstellt. 300 Diam. Siehe $$.78, 82, 91. Anm. 3 6. Von der Kieme der Miesmuschel. Entwickelungsstadien der Cilien m der Fig. 67, 68, 69, 70. Die Cilien sind hier in ihrer natürlichen Lage dargestelit, indem der dickere Rand der Barre gerade gegen das Auge gerichtet ist. In Fig. 65 sieht man die meisten der Cilien an ihren Enden gegen sich selbst zusammengerollt, indess andere gerade ge- streckt sind; in Fig. 66 zeigen alle dieselbe Streckung. In beiden diesen Fällen waren die Zwiebeln der Cilien deutlich zu sehen, indess sie andersmal gar nicht zu sehen sind. 300 Diam. Siehe $$.82, 90. Aus der Kieme der Miesmuschel. Darstellung eines kleinen Theils des einen Schenkels der Doppelbarre von der Seite gesehen. p,p, Zellen; h, der durchsichtige Zwischenraum, siehe $. 84; q, q. die runden knopfförmigen Auswüchse an dem schmäleren Rande. m, Der beinahe vollkommen ent- REEEEEEE, gur 22 *) Phi ilosophical Transactions, 1840. Tab, XVI. ein Theil der Fi- 38 * 596 Fig. 68. ‚ wickelte Zustand der Cilien, deren stufenweise Entwickelung in den Fig. 60 bis 66 dargestellt ist; in diesem Zustande sind sie gegen die Basis zusammengezogen. m‘, m‘, Zwei der Cilien m, die ihre Richtung verändert haben, im Ueber- gange in die Cilien n. Der vollkommene und. einzig zur Wirksamkeit geeignete Zustand der Cilien m; siehe $$. 74, 78, 82. o, Cilien, welche bisher entweder übersehen, oder als identisch mit den Cilien n aufgefasst wurden; sie sind den Cilien n gegenübergestellt, indem sie mit ihren Enden sich verschränkend gegeneinander wirken, um über dem durchscheinenden Zwischenraum h eine Strömung zu bilden, deren Richtung durch den Pfeil angedeutet ist. 300 Diam. Siehe $$. 87, 88, 90, 91. Die Darstellung eines Theils eines Schenkels der Doppel- barre aus der Kieme der Miesmuschel von der Seite gese- hen; das Ende links davon gehört dem äussersten Rande der Kieme an. Die Buchstaben bedeuten dieselben Gegen- stände, wie in der vorigen Figur, $$. 74,78. q,gq, Der grössere knopfförmige Auswuchs an der Randgegend, der aus einer Combination zweier der kleineren paarweise ent- standen zu sein scheint; siehe $ 86. r,s, Zwei Stellen, an denen die Cilien m in undulirenden Bewegungen zu sehen waren; siehe $. 90. Die Pfeile zeigen die entgegengesetz- ten Richtungen der Strömung, welche durch die vereinte Thätigkeit der Cilien n und o hervorgebracht wurde. Fig. 69, 70. Darstellung eines Theils der Barre aus der Kieme der Fig. 71. Fig. 72. Miesmuschel, wobei Fig. 69 der dickere, Fig. 70 der dünnere Rand dem Auge zugekehrt ist. Die Buchstaben bedeuten dieselben Reihen von Cilien, wie sie in Fig. 67, 68, und die Pfeile bedeuten die Richtungen der Strömungen, die durch die vereinte Thätigkeit der Cilien n und o zu Stande kommen. Siehe $. 73, 74, 78, 86. Darstellung der undulirenden Bewegungen, welche an den Stellen r und s, Fig. 65, durch die Cilien m hervorgebracht wurden. Siehe $. 90. Cilien aus der Kieme der Miesmuschel, deren Wurzeln in einem Lager von hyal'neartiger Substanz, h, ununterscheid- bar verborgen waren. 300 Diam. Siehe $. 79. _ Ueber das Becken des Braunfisches (Delphinus). Von W. VRrouık”). In der fünften Nummer des Jahrgangs 1849 des Archiv’s für Anatomie, Physiolog. und wissensch. Medicin, von J. Müller, Seite 583, erschien eine Abhandlung von Prof. Mayer in Bonn, worin er aufs Neue seine Ueberzeu- gung zu erkennen giebt, dass das rudimentäre Becken des Braunfisches nicht allein aus den bekannten seitlichen Kno- chen bestehe, sondern dass in der Mitte noch ein Paar Schamknochen hinzukämen, welche grossentheils durch band- artiges Gewebe untereinander und mit den seitlichen Kno- chen vereinigt seien. Er gründet diese Ansicht auf wieder- holte Untersuchung der Specimina, die sich in dem anatomi- schen Museum der Hochschule zu Bonn befinden; nämlich das Skelet eines Delphinus phocaena und einige männliche Geschlechtstheile des Braunfisches, welche dort in Weingeist aufbewahrt sind. Zu dieser wiederholten Untersuchung sei *) Tijdschrift voor de Wis- en Natuurkundige Wetenschappen, uitgegeven door de Eerste Klasse van het Kon. Ned. Instituut, Deel IV. pag. 73. Uebersetzt von W. Peters. 998 er besonders veranlasst worden durch das, was der so aus- gezeichnete Stannius bei einem Besuch im Jahre 1847, und später ich, bei dem Congress der Naturforscher in Aachen, ihm gesagt haben, und durch die in meiner Natuur- en Ontleedkundigebeschouwing van den Hyperoodon, Haarlem, 1848. pag. 46. Anmerk., niedergelegten Worte, wo- ‘selbst ich, bei der Gelegenheit, wo ich der Abbildung des oben genannten Skelets von Delphinus phocaena er- wähnte, gesagt habe, ‚‚zu bekennen, dass ich nichts begreife von dem queren Knochenstück, durch welches, wie sie (Pander und d’Alton) sagen, die beiden Beckenknochen untereinander verbunden würden.‘ Die wiederholte Untersuchung! gab nun dem Professor Mayer, nach seiner Ueberzeugung, die Bestätigung seiner füheren Darstellung. Er glaubte die queren Knochenstücke wirklich gesehn, und selbst bei mikroskopischer Untersu- ehung darin Knochenkörperchen gefunden zu haben, Eine solche Verschiedenheit der Meinung über einen. so leicht aufzuklärenden Punkt der einigermassen gröbern ver- gleichenden Anatomie zog meine Aufmerksamkeit sehr an. Die Möglichkeit eines Irrthums von meiner Seite erhob sich bei mir, und ich untersuchte sobald als möglich die Präpa- rate von weiblichen Geschlechtstheilen der Braunfische, wel- che sich im Vrolik’schen Museum befinden, ohne dass es mir gelang, daran die vermeinten queren Knochenstücke oder die vermuthlichen Schambeine bloss zu legen. Ich schrieb darauf an meinen Freund Stannius in Rostock, da er bei der Frage zu mir in Beziehung stand, und erhielt auch von ihm eine verneinende Antwort. Weder bei Delphi- nus globiceps, noch bei wiederholt zergliederien D. pho- caena, noch beim Narwal oder Manati hat er jemals einen quergestellten Beckenknochen finden können. Alle diese Thiere waren jedoch weiblich, und desshalb fügte er hinzu: „Nun hat Mayer angeblich männliche Exemplare unter- sucht, und es handelt sich darum, auch bei solchen nachzu- "= ru 999 forschen; ‘“ und ferner: „Indessen wollen wir beide nachse- hen und ich will Ihnen gern den Erfolg meiner ferneren Nachforschungen mittheilen. Sie mögen jeden beliebigen Ge- rauch davon machen.“ Die Sache war desshalb nicht ganz durch diesen nega- tiven Ausgang erledigt; die Möglichkeit (obgleich noch kaum die Wahrscheinlichkeit) blieb bestehen, dass in männlichen Thieren die Beschaffenheit des Beckens anders sein möchte als in den weiblichen. In Erwartung, dass die Gelegenheit zur Untersuchung eines männlichen Braunfisches mir wohl noch einmal zu Theil werden würde, erfreute ich mich im’ Monat;Juli dieses Jahres der Gelegenheit, die durch den Pro- fessor Mayer aufbewahrten Gegenstände zu untersuchen, welche er, bei meinem Besuche des Museums zu Bonn, mit grosser Gefälligkeit zu meiner Verfügung stellte. Ich fand in dem von ihm beschriebenen Skelete, zwischen den beiden seitlichen Beckenknochen eine harte, dunkel gefärbte Masse, welche mir keinesweges aus Knochengewebe, sondern viel- mehr aus getrockneten Muskeln und Sehnen zu bestehen schien. In einem in Weingeist aufbewahrten Präparate der Geschlechtstheile des Braunfisches fühlte ich wohl mitten zwischen den beiden Beckenknochen eine harte, feste Masse, aber auch diese schien mir kein Knochen, aber wohl eine sehnen- oder bandartige Substanz zu sein. Bei mikroskopischer Untersuchung konnte ich auch keine sogenannten Knochen- körperehen darin ‚entdecken. Ich legte meinen Zweifel meinem geehrien u. sen vor; aber obgleich ich seine Meinung einigermassen zum Schwanken brachte, hatte ich doch, wenn ich mich nicht irre, keineswegs die Genugthuung, ihn davon vollends zu überzeugen. Es musste mir daher sehr angenehm sein, spä- ter auf zwiefache Weise die Sicherheit zu erlangen, dass keine queren Knochenstücke an den rudimentären Becken- knochen der Braunfische zu finden sind. Während meiner Abwesenheit verfertigte mein Amanuensis,. dessen Aufmerk- 600 ‚samkeit vorher durch mich auf diesen Gegenstand gerichtet war, das Skelet eines Delphinus tursio von männlichem Geschlechte. Er suchte mit der grössten Sorgsamkeit nach den queren Knochenstücken, fand sie aber nicht. Vor einigen Tagen wurde von dem in Deutschland so bekannien Amster- damer Naturalienhändler Frank ein sehr grosser Delphi- . nus vulgaris gekauft. Ich ersuchte und erhielt von ihm die Vergünstigung, wegen der männlichen Geschlechtstheile nachsehen zu dürfen. Diese Untersuchung lehrte mich fol- gendes: Von den beiden seitlichen Beckenknochen kommen die Muse. ischiocavernosi, die an jeder Seite die ganze Länge der Beckenknochen einnehmen und sich nach vorn etwas . verschmälern, um sich grossentheils an die fibröse Scheide der Corpora cavernosa penis, welche sie umfassen, zu befe- stigen. Der Theil dieser Muskeln, welcher sich hier nicht befestigt, geht in eine breite sehnige Platte über, die nach hinten einen ganz freien sehnigen Bogen bildet, unter wel- chem eben so, wie unter dem Schambeinbogen der übrigen Säugethiere, die Harnröhre hindurch geht. Diese biegt sich darauf um, und geht längs der untern Fläche der Scham- platte bis zum untern Rande des Penis. Von dieser Scham- platte kommen zum Theil die Muskelfasern des M. bulbo- cavernosus, welche die Urethra umgeben. Die genannte sehnenartige Ausbreitung repräsentirt daher die Schambeine, welche bei den Balaenopterae und wahrscheinlich wohl auch bei den Balaenae noch durch quere Knochenstücke angedeutet worden sind. Ich habe in derselben weder Knor- pel noch Knochen, und nur die bekannte Bildung von com- pactem Bindegewebe wahrgenommen. Es kommt mir vor, dass an dem Skelet des Delphinus phocaena der ‚Uni- 'versität zu Bonn, diese sehnenartige Ausbreitung nebst einem Theil der Muskelmasse von den Mm. ischiocavernosi an den Beckenknochen gelassen ist, und dass sich so die verkehrte Vorstellung von einem queren Knochen erklären lassen müsse. Ich wünsche, dass Professor Mayer nun auch da- 601 von die Ueberzeugung gewonnen haben möge. Er möge meine Entschuldigung für meinen wiederholten Widerspruch an- nehmen. Jede verkehrte Darstellung einer wissenschaftli- chen Thatsache verdient aufgeklärt zu werden. Er hat zu viel für den Aufbau der Wissenschaft gethan, als dass er diese Erläuterung an mir tadeln würde, Falls meine Darstellung richtig ist, so wird hierdurch zugleich klar bewiesen, dass die vordere Hälfte der Becken- knochen das Darmbein, die hinterste das Sitzbein darstellt, und dass der dazwischen gelegene sehnige Streifen mit sei- nem Bogen die Schambeine bei den Delphini andeutet, während bei den Balaenae und Balaenopterae dafür zwei quere Knochenstücke an die Stelle kommen. 20. September 1850. Ueber Polystomum appendiculatum. (Onchocotyle appendiculata Diesing.) Von Dr. A. TuaER. (Hierzu Taf. XX— XXI.) Das Polystomum appendiculatum ist entdeckt von Kuhn. Er erwähnt es zuerst in Memoires du musee d’histoire na- turelle XVII. p. 362; und beschreibt es sodann näher in Annales des sciences d’observation, 1829. p. 460—463. Er stellt den Wurm unter die Gattung Polystoma unter folgen- der Beschreibung: ,Polystoma appendiculatum, depressum, oblongum, pori sex simplices uncinati, seriebus binis paralle- lis depositi, appendix caudiformis, in cujus apice analia duo orificia.“ Eine Untersuchung nach Weingeistexemplaren giebt ferner Nordmann in seinen mikrographischen Beiträgen 1, S.80. Dujardin erwähnt des Polystomum im System un- ter der Beschreibung: ‚Corps jaunätre-sale ou brunätre, long de 9m.m., 75, large de 1=-, 12, allonge lineaire, aminci aux extremites et portant en arriere avant l’extremite un appen- dice oblong, saillant, sur lequel se-trouvent les six ventou- ses tres-rapprochees sur deux rangs; ventouses presque glo- buleuses, arımees chacune d’un crochet enroul& au bord dont il parait etre la continuation.““ Diesing in seinem Systema 603 Helminthum stellt den Wurm als eigene Gattung Onchocotyle auf: Ordo Myzhelmintha, subordo: Bdellidea, tribus: Polyco- iyleae, subtribus: Eupolycotyleae, genus: Onchocotyle, spe- cies: Appendiculata. Er beschreibt ihn: „Corpus linearelan- ceolatum, utrinque angustatum. Caput corpore continuum. Os subterminale. Acetabula sex, disco elliptico extremitati cau- dali supra adnata, biseriatim immersa. hemisphaerica, mar- gine uneino simplici inferne adnato, apice libero armata. Aper- iurae genitales....; porus excretorius in apice caudali. Die etwaigen Berichtigungen dieser Autoren sind im Verlauf der Abhandlung angeführt. Diejenigen Abweichun- gen, welche nur aus dem damaligen Standpunkt der Anato- mie der Helminthen hervorgegangen, habe ich als Fehler all- gemeiner Art natürlich unberührt gelassen. Meinerseits habe ich den Wurm unter den Trematoden wie v.Siebold sie defi- nirt, und auch dort unter der Gattung Polystomumi stehen lassen. Aeussere Gestalt des Thieres. Die Länge des geschlechtsreifen Thieres (Fig. 1, und 2.) schwankt zwischen 14 bis 34 Linien, die Breite von 4 bis 4 Linie. Kuhn hat Exemplare bis zu 6 Linien Länge gefun- den. Von Gestält ist es linearlänglich, der Querschnitt zeigt eine von oben und unten abgeplattete Ellipse (Fig. 5.). Der Kopf ist vorne etwas verschmälert (Fig. 3.), er trägt auf der Bauchseite nahe unter der Spitze den Mund (a.) und geht unmittelbar in den Körper über. Hinter dem Munde beginnt der Darm (c.), der, stets vom Dotterstock begleitet und umhüllt, den Körper der Länge nach durchläuft, und schon für das blosse Auge als zwei sehr schmale braune Steifen sichtbar ist. Vorn, dicht unter und hinter der Darm- schlinge befinden sich die Oeffnungen der Geschlechtstheile (b). Sind die Geschlechtstheile gefüllt, so schwillt das Thier in der Mitie des Leibes etwas an. Der Hinterleib wird wieder schmaler und fügt sich rechtwinklich (Fig. 4.) in eine La- melle ein, welche vom Schwanz und der Saugscheibe (Fig. 604 3. e und d) gebildet wird und etwa 4 der Körperlänge misst. Der Schwanz endet zweigabelig, an seinen beiden Spitzen befinden sich zwei Oefinungen. Die Saugscheibe stellt ein längliches Rechteck dar, sie trägt an jeder Seite drei rund- liche Ausbuchtungen, auf deren unteren Flächen die sechs Saugnäpfe in zwei Reihen stehen, Die ganze Gestalt des Thieres wird am besten mit einem Schmiedehammer verglichen, indem alsdann der aus Saug- ‚scheibe und Schwanz gebildete Theil den Klöpsel, und der übrige Leib den Handgriff vorstellt. Die Bauchseite des Thieres (Fig. 4. a.), d. h. diejenige, an welcher sich der Mund und die Oefinung der Geschlechtstheile befindet, ist dem Saugscheibenende zugekehrt, und die Rückseite dem Schwanzende. Darm und Dotterstock verlaufen also in zwei aufeinander rechtwinkligen Ebenen. Die Farbe des Wurms ist hellgrau. Unter dem Compressorium ist der Körper mit Ausnahme des Darms und Dotterstocks hell und durchsichtig. Der Tod, sei er durch Alkohol, süsses Was- ser oder natürlich erfolgt, trübt jedoch die Durchsichtigkeit augenblicklich. Die jüngeren Individuen sind ganz wasser- hell und haben schon bei einer Länge von 4 bis i Linie die vollständig ausgebildete Körperfigur. Unser Wurm lebt an den Kiemen des Mustelus vulgaris, Mustelus laevis und Scyllium Catulus. Ich habe mehrmals wohl an 12 Fische untersucht, ohne einen einzigen Wurm anzutreffen, dann aber fanden sich an einem Mustelus oft an 20 Exemplare. Der Wurm sitzt mit dem hinteren Leibesende tief im Kiemenschleim, und hält sich vermittelst seiner kräf- tigen Anheftungsapparate sehr fest an. Er liebt die Ecken der Kiemenhöhlen, und ist oft schwer zu finden, da er sich für das blosse Auge kaum von den Kiemenblättchen unter- scheidet. Am Aufenthaltsorte liegt er sehr träg, löst man ihn los und thut ihn in Wasser, so wird er sehr lebendig, kuäult sich indess bald zusammen, und krallt sich mit den später beschriebenen Saugnapfshaken am eigenen Körper so 605 fest an, dass-er eher zerreisst, als man im Stande ist, ihn gerade zu recken. Auf eine trockene Glasplatte gelegt, macht er grosse Märsche, indem er sich mit den Saugnäpfen an- saugt, alsdann sich sehr lang ausstreckt, dann mit dem Munde wieder festheftet und den Körper nachzieht. Durch Strek- kung erreicht so der Körper oft die dreifache Länge. Auch untereinander saugen sich die Würmer an, ich habe dies wohl anfangs für Begattung gehalten, aber genauere Beobach- tung hat mir nie einen derartigen Vorgang gezeigt, und das Anheften ist rein mechanischer Natur. Der Wurm lebt in reinem Salzwasser zuweilen bis 36 Stunden, meistens je- doch nur kürzere Zeit; an den Kiemen der todien Fische gelassen, stirbt er schnell. Die Haut. Die Haut des Wurmes ist in Vergleich mit der anderer Trematoden, dünn, sonst aber ähnlich zusammengesetzt. Sie besteht (Fig. 7.) aus einem Oberhäutchen (a), einer Pigment- schicht (b) und einer Faserschicht (c). Das Oberhäutchen ist ganz durchsichtig, strukturlos und glatt; es schmiegt sich innig an die Contur der tieferliegenden Schichten an, und überdeckt alle Theile des Körpers; todte Thiere zeigen diese Sehicht nicht mehr. Die Pigmentschicht scheint unmittelbar unter dem Oberhäutchen zu liegen, ich habe sie im Durch- schnitt nur ideal gezeichnet (Fig. 7.) Die Körnchen sind grau, liegen unregelmässig durcheiuander und erscheinen als solche erst bei sehr starker Vergrösserung. Diese Schicht wird nach dem Tode des Thieres die Ursache der Undurch- sichtigkeit des Körpers; sie verschmilzt mit dem Oberhäut- chen zu einer Art Pflasterepithelium und bietet alsdann den Anblick ganz unregelmässiger und unbestimmter Zellen dar. Unter der Pigmentschicht liegt eine Schicht von Ringfasern, Diese sind glatt und hell, lassen sich durch Behandlung mit Salpetersäure gut isoliren und erscheinen alsdann etwas dicker als die Weite der Zwischenräume zwischen ihnen be- 606 trägt, Die innerste Begrenzung der Haut endlich bildet eine Längsfaserschicht (Fig. 8 d.), deren Fasern dieselbe Struktur wie die Ringfasern zeigen. — Die Haut als Ganzes betrach- tet (Fig. 6.) ringelt sich sehr stark in die Quere, und diese Ringelung bleibt auch noch bei der grössten Längsstreckung des Thieres. Die Furchen sind parallel, gehen aber nicht von einer Seite zur anderen quer durch, sondern sind viel- fach unterbrochen. Muskulatur. Unser Wurm hat ein gesondertes Muskelsystem, welches sich genau von der Haut unterscheiden lässt. Die Hautfa- sern sind nämlich bei dem lebenden Thiere in beständiger Ringelung, auch unter dem Compressorium, während sich die Muskelstränge ganz gerade mit parallelen stets gespann- ten Fasern zeigen, und sich so eine Substanzverschiedenheit genau wahrnehmen lässt. Die Muskulatur stellt sich jedoch anders dar, als es nach dem allgemeinen Typus der Trema- toden sein sollte. Es verlaufen nämlich ganz constant auf der oberen und unteren Seite des Leibes in der Längsrichtung je zwei Mus- kelstränge (Fig. 14. B.) also deren im Ganzen vier. Sie lie- gen über und unter dem Darm, sind jedoch breiter als die- ser und reichen deshalb in der Mitte des Leibes fast zusam- men. Von Zeit zu Zeit, vielleicht auch ununterbrochen, wer- den sie durch Quermuskelstränge verbunden. Weiter unten trennen sich die Hauptstämme in mehreren Zweigen für Schwanz uud Saugscheibe (Fig. 13.). In der Saugscheibe sind die Muskeln ausserordentlich gut und sicher zu verfolgen. Sie bilden hier einen grossen Längsstamm, der bis ans Ende der Saugscheibe, sie halbirend sich erstreckt. Zwei Quer- muskelstämme zwischen den drei Saugnapfpaaren verlaufend, kreuzen den Längsstamm. längs- und Quermuskeln schik- ken Kreisfasern in und um die Saugnäpfe. Die Saugnäpfe selbst können durch die Muskeln in die heftigsten Bewegun- 607 gen versetzt, auch so weit hervorgestreekt werden, dass sie fast gestielt erscheinen. — Querstreifung der Muskelfasern findet nie statt. In dies Kapitel gehört auch die Betrachtung der Haft- organe. Diese sind bei unserm Wurm sehr stark ausgebil- det, weil das Thier beständig der heftigen Wasserströmung in den Kiemenhöhlen des Fisches Widerstand zu leisten hat. Auf der Unterseite der Saugscheibe sitzen in zwei Reihen 6 Saugnäpfe (Fig. 13.) Die Construction des Saugnapfes ist bei diesem Thiere sehr complieirt und ich habe lange Zeit ge- braucht, ehe ich aus den verschiedenen Bildern, welche mir durch verschiedene Lagen der Theile dargeboten wurden, ein allgemeines Princip herausfinden konnte; auch wage ich noch nicht, den Bau des Saugnapfs durch diese Untersuchungen für entschieden erwiesen zu halten. Die Grundlage eines jeden Saugnapfes ist ein dickwandiger Becher. Die in- nere Höhlung dieses Bechers wird von einer radienar- tig starkgestreiften Haut ausgekleidet. Diese verdickt sich nach aussen in einen wulstigen Rand und überragt diesen noch als eine feine Lamelle. Die Lamelle hat radiale und Cirkelfasern, erhebt sich in gespanntem Zustande trichter- förmig und ist einer starken auf- und zuschnappenden Be- wegung fähig. Die Aussenwand des Bechers wird von einer Haut umkleidet, deren Faserung parallel mit dem Rande geht. Diese Haut verschmilzt am oberen Rande mit jener feinen Lamelle. Die äussere Haut liegt jedoch nicht ganz fest an, sondern gestattet noch einem Hornhaken zwischen ihr und der Becherwand freie Bewegung. Dieser Hornhaken ist halbkreisförmig, in der Mitte etwas dicker als nach den bei- den Enden, und in der Längsrichtung mit einer flachen scharfwinkligen Furche versehen. Er trägt an seinem, stets nach der linken Seite des Thierkörpers zuliegendem Ende ein kleines bewegliches Häkchen, einem Kuppennagel ähn- lich. Wenn der Saugnapf in seiner gewöhnlichen Stellung ist (Fig. 13. BE so liegt dieser Haken in einer Ebene, welche 608 auf der Randebene des Bechers nahe rechtwinklich ist. Wird das Thier und mit ihm der Saugnapf comprimirt, so schiebt sich der Haken hoch und umkränzt den Napfrand zur Hälfte, wobei er von der inneren feinen Haut bedeckt wird (Fig. 13.k.) Wird der Saugnapf zur Seite gedreht, so folgt der Halbring mit, und bleibt in seiner ursprünglichen Lage gegen den Rand des Saugnapfes. Eine besondere Einfaltung der äusseren Haut setzt sich an die obenerwähnte Furche des Hakens, einem Ligamentum suspensorium ähnlich; aus dieser tritt der kleine Nagel, wie aus einer Scheide hervor. Nord- mann will Stacheln auf dem Haken gesehen haben; ich habe derartige Gebilde anfangs auch zu sehen geglaubt, aber ' nachher erkannt, dass es nur Faltungen dieser besonderen Haut sind. Der Haken kann aus einer Oeffnung zwischen der inneren und äusseren Umkleidungshaut des Saugnapfes etwas hervorgestreckt werden, so dass der kleine Nagel frei wirken kann. ‘Der Process des Saugens geschieht nun also: zuerst wird der Saugnapf eingezogen, dadurch kommt das Hornhäkchen heraus und hakt ein; sodann tritt der Saug- napf wieder hervor, schmiegt sich mit dem trichterförmigen Rand der Lamelle und den darunter liegenden Wulst an den Gegenstand und macht sich alsdann hohl. Die Befestigung geschieht natürlich dadurch sehr kräftig. Ausser den Saugnäpfen sind noch andere Haftwerkzeuge (ob Rudimente aus einem frühern Larvenzustande?) vorhan- den. Dies sind zwei hakenartige Organe (Fig. 13. f.), welche - unmittelbar vor der Einkerbung des Schwanzendes liegen. Ein solcher Haken gleicht einer zweilippigen Blumenkrone und läuft in drei umgebogene Spitzen aus, deren zwei den Lippen und eine der Basis der Blumenkrone entspricht. Die Haken nehmen verschiedene Stellungen ein und sind beweg- lich, wahrscheinlich aber nur durch Reflexbewegung und nicht ‘durch besondere Muskelstränge. 609 Nerven. Dass ein Nervensystem bei den Trematoden vorkommt, ist wohl nach den Untersuchungen ausgezeichneter Männer nicht mehr zu bezweifeln. Gern hätte ich auch an unserm Polystomum die Bestätigung gefunden; aber es ist mir nicht gelungen, mit Bestimmtheit Nerven nachzuweisen. Faserung und Fäden befinden sich zwar vielfach im ganzen Körper, und auch in der Schlundkopfsgegend, aber ein-gesetzmässiger Verlauf derselben, oder eine Anordnung nach Art eines Ner- vensystems ist nicht zu erkennen. Jedoch will ich keines- weges in Abrede stellen, dass unter diesen Fasern Nerven- äste gewesen sein mögen, und ich daher in den entgegen- gesetzten Irrthum mancher Anatomen gefallen sein kann, welche Nerven gesehen haben, wo keine waren. So hielt ich auch anfangs ein vorderes, auf den Schlundkopf anosto- mosirendes Gefässsystem (Fig. 14. A.) für Nerven, hellere Exemplare indess belehrten mich über die Wahrheit. Noch erwähne ich hier wohl am zweckmässigsten, dass ich vielfach an den Würmern, namentlich an den jüngeren, sechs (auch acht) runde Organe (Fig. 14. A.) gefunden habe. Sie liegen in zwei nach Aussen convexen Linien, seitlich vom Gaumen und Schlundkopf, je drei unter einander, die beiden unteren der Mittellinie näher, als die oberen. Dass sie körperlich waren, konnte ich durch den Schatten bei schiefer Beleuchtung erkennen. Es sind kugelförmige, etwas violet erscheinende Zellen, mit einem helleren Kern darin, welcher ziemlich die Mitte einnimmt. Fäden, welche von diesen Körpern entsprängen, habe ich nicht beobachten kör- nen, also auch keine Berechtigung ie hier etwas Gang- lienartiges vorauszusetzen. Verdauungsorgane. Die Verdauungsorgane unseres Wurms sind ganz nach dem Typus der Trematoden gebaut und bestehen aus Mund, Schlund und Darmkanal, Müller’s Archiv, 1850. 39 610 Der Mund (Fig. 6. a.) liegt dicht vor dem Kopfende. Im geschlossenen Zustande bildet er eine schmale Spalte (Fig. 12. a.); geöffnet erscheint er durch eine kreisförmige Lippe begrenzt (Fig. 6. b.); diese wird durch die sich nach innen faltende Körperhaut gebildet: die sonst horizontalen Ringel . wenden sich nämlich neben dem Schlundkopf bogenförmig nach oben, und bringen so einen gewellten Rand der Unter- lippe hervor; ebenso bildet sich die Oberlippe aus der Rin- gelung des Vorderkopfes. Die Lippe kann nach Aussen um- geschlagen werden, wodurch sie sich alsdann zu einem dik- keren kreisförmigen Wulst aufwirft; auch kann der Wurm . sie weit hervorstrecken, welche Operation er Behufs des Ansaugens vollführt. Der äussere Rand der Lippe wird von mehrern Reihen sehr zarter heller Papillen (Fig. 11.) besetzt. Gestützt wird die Lippe von einem bei durchfallendem Lichte ganz hell erscheinenden Ringe (Fig. 6. c.). Dieser scheidet zugleich die Mundöffnung von der Gaumenhöhle (d). Die Gaumenhöhle selbst ist becherförmig und grenzt sich etwas dunkler von der sie umgebenden Haut ab; sie führt, unten sich zuspitzend, in den Schlund. Dieser ist in der Mitte schmaler als oben und unten, wo er sich trichterförmig. erweitert; an Länge erreicht er etwa die Höhe der Gaumenbhöhle, d.i. 4 Linie. Er wird rings von einem ellipsoidischen Schlundkopf (Fig. 6. e.) um- geben, welcher sehr starke, aber nur Längsmuskeln enthält. Der Schlund geht, ohne dass man einen Oesophagus zu un- terscheiden vermöchte, unmitielbar in den Darm (f) über. Der Darm geht sofort in zwei Schenkel auseinander. Diese laufen auf den beiden Leibesseiten gleichweit entfernt von Rücken und Bauch in der Längsrichtung parallel und lassen zwischen sich einen helleren Raum, der etwa das Doppelte von dem Raum beträgt zwischen der äussern Wand eines jeden Schenkels und der Körpercontur. Kurz vor dem Ansatzpunkt der Saugscheibe vereinigen sich die beiden Schen- kel wiederum (Fig. 3.), treten dann in die hintere Extremität 611 als ein gemeinsamer Stamm ein (Fig. 13... Dieser spaltet sich wiederum in zwei blinde Aeste, von denen der eine in die Saugscheibe geht, und bis in das dritte Paar der Saug- näpfe reicht, der andere im Schwanzende bis etwas vor die beiden oben ervwrähnten Häkchen sich erstreckt. Schon bei der Beschreibung der Körperfigur ist erwähnt, wie also die letzten beiden Schenkel in einer auf den ersten beiden recht- winkligen Ebene liegen. Der Darm verästet sich nach der gewöhnlichen Art der Trematoden mehr nach Aussen als nach Innen zu, fast gar nicht mehr hinter der zweiten Ver- einigung und in den beiden Schwanzausläufern. Der Darminhalt erscheint in grösserer Masse schwarz- braun, in dünneren Schichten grünlich. Er ist zweierlei Art nach dem Ort, wo er liegt. In dem Hauptkanal besteht er aus ganz kleinen schwarzen Körnchen (Fig. 10.), welche mit elliptischen und runden, bläulichen Scheimkugeln gemischt sind. In dieser Form und durch eine zähe, wasserhelle Masse verbunden, wird er auch als Excrement ausgeschie- den. Die Blindästchen hingegen zeigen den Darminhalt in \ Form von grösseren, grünlichen, in der Mitte helleren Zel- "len (Fig. 9.), in denen am Rande herum etwa zwei Reihen kleiner dunkler Zellchen regelmässig abgelagert erscheinen. Dies grünen Zellen werden niemals als solche excernirt, scheinen also den noch unverdauten Speisebrei zu enthalten. Dy: Darmhaut ist zwar im leeren Zustande des Darms nicht 7-4 sehen, muss aber doch sehr kräftig sein nach der peri- ’ ‚staltischen und antiperistaltischen Bewegung zu schliessen, welche sie hervorzubringen vermag, und die man unter dem Compressorium vortrefllich beobachten kann. Die Excretion geschieht durch den Mund, sehr schnell und heftig, und zwar wird der im hintersten Ende des Darms liegende Koth los- gelöst, vorgetrieben und ausgespieen, wonach also in der Mitte des Kanals eine freie Strasse verläuft. 39° 612 Gefässsystem. Das Gefässsystem bei unserm Polystomum folgt dem allgemeinen Typus der Trematoden. Es ist sehr entwickelt und namentlich in den jüngeren Individuen schön zu beob- achten, da es sich hell von dem dunkleren Körperparenchym ‚ abscheidet. Vor dem Darm, etwas mehr nach aussen zu, sehen wir auf jeder Seite des Leibes eine Schlinge (Fig. 14 A.), welche von den zwei ineinander umbiegenden Hauptstämmen einer jeden Seite gebildet wird. Diese Hauptstämme verlaufen je zwei auf einer Leibesseite an der inneren Seite der Darım- schenkel. Sie winden sich in vielen schönen Schlängelungen - parallel nebeneinander nach hinten, oft durch den Darm und Dotterstock verdeckt. Der innere von diesen Stämmen giebt gewöhnlich bald hinter dem Querstück des Darms noch einen dritten, ebenfalls starken, aber sich bald verzweigen- den Stamm ab. Die vier Hauptgefässe geben nun sehr viel Zweige an die Körpertheile ab und gehen in die hintere Extremität; zwei in den Schwanz und zwei in die Saug- scheibe. In der Extremität selbst (Fig. 14. C.) sieht man die Stämme wieder sehr klar verlaufen und sich endlich ohne zweite Anastomose verzvveigen. Mit diesem System communicirt in feinen Aestchen ein anderes (Fig. 14. A.), welches das vordere Körperende ver- sorgt. Es besteht aus zwei Stämmen, welche ihre grösste Stärke gerade über oder neben dem Schlundknopf haben und sich von hier vor dem Darm und den Gefässschlingen des anderen Systems auseinander begeben, sodann an der äusseren Seite der beiden Darmschenkel herabsteigen und sich noeh im vordersten Achtel des Körpers als Verzwei- gungen auflösen. Ein dritter Stamm geht von dem Vereini- gungspunkt der beiden seitlichen nach oben, wo er sich in der Mundpartie weit verzweigt. Diese beiden Systeme un- terscheiden sich in nichts, als in der Lage und haben, aus der Communication und dem übereinstimmenden Bau zu 613 schliessen, auch denselben physiologischen Zweck der Saft- eireulation für das Thier. Die Wände der Gefässe sind sehr kräftig und zeigen in den Hauptstämmen unter starker Vergrösserung eine Quer- streifung (Fig. 15.). Selbstständiger Bewegungen sind sie jedoch nicht fähig, sondern sie folgen nur den allgemeinen Bewegungen des ganzen Körpers. Der Inhalt erscheint ganz hell und wasserklar, und lässt bei der besten Beleuchtung und Vergrösserung durchaus keine Strömung wahrnehmen. Auch nach einer (respiratorischen?) Flimmerbewegung in diesen oder in etwaigen anderen Gefässen habe ich vergeb- lich gesucht. Zuweilen erweitern sich die grösseren Ge- fässe in elliptische oder rundliche Blasen (Fig. 16.), aus de- nen dann mehrere Aeste zugleich entspringen. Diese Bla- sen kommen ohne Regel, auch nicht an allen Individuen vor. Sie zeigen in ihren Wandungen einen mit den Gefässen übereinstimmenden Bau und lassen ebenfalls nichts von Con- traction erkennen, so dass sie als blosse Erweiterungen der Gefässe zu betrachten sind, ohne besonderen Zweck für die Cireulation. Secretionsorgane. Das Vorkommen von besonderen Secretionsorganen ist bei den Trematoden nach den vielen Untersuchungen gelehr- ter Forscher jetzt wohl als Regel zu betrachten. Um so mehr war es mir darum zu ihun, auch an unserm Wurm ein der- artiges Organ nachweisen zu können; es ist mir jedoch nicht vollständig gelungen. ; Als Mündung oder vielmehr Mündungen nach aussen bieten sich ‘sogleich die beiden Oeffuungen dar, welche sich an den Schwanzspitzen befinden (Fig. 13. a.); die Duplicität derselben hat bei einigen Distomen ihre Analogie. Eine jede solche Oeffnung führt, trichterförmig sich verengend, in einen Kanal (e.). Dieser ist an und für sich eng, kann aber vom Thier erweitert werden. Er scheidet sich dunkel von einem 614 ihn umgebenden Wulst (d.) ab. Dieser Wulst ist von ellipsoi: discher Gestalt und zeigt im Innern Muskelfasern, welche parallel mit den. Längswänden des Kanals ohne Quermuskel- bündel verlaufen, und sich also oben und unten zusammen- neigen. Auf diesen Wulst folgt, durch eine dunklere Ein- kerbung getrennt, ein wiederum helleres Organ (e), es hat eine nierenförmige Gestalt, auch habe ich stets eine der eonvexen Fläche parallel gehende Streifang durch Muskelfa- sern zu erkennen geglaubt. Das Eindiingen des Kanals’ je- doch in dies nierenförmige Organ, ist mir zweifelhaft. Die beiden Schwanzspitzen mit ihren Oeflnungen werden von dem Thiere fast in beständiger Bewegung erhalten; bald werden sie ausgestreckt, bald eingezogen. Fortwährend aber schnappt der Rand der Oeffnung auf und zu, als ob er nach etwas greifen wollte. Eine deutliche Secretion irgend ‘einer Masse habe ich, trotz aller Sorgfalt, nicht beobachten können. Kuhn nimmt diese Organe für zwei After, Nord- mann erwäbnt sie nicht und Diesing beschreibt sie wahr- scheinlich mit den Worten: porus excretorius in apice cau- dali. Ich habe anfangs wohl geglaubt, dass dies eine zweite Reihe von Saugnäpfen wäre, indess habe ich nie ein An- saugen oder etwas dem Aehnliches damit vollbringen se- hen; auch wären zweierlei so verschieden gestaltete Saug- napfformen bei einem Thier etwas sehr Sonderbares und würde sonst keine Analogie finden. Trotzdem würde viel- leicht die Bedeutung dieser Organe als erwiesen betrachtet werden können (denn ihr Bau spricht füglich für eine Aus- sonderungsöflnung), hätten sich zu den Mündungen auch die nothwendigen, selbstständigen Gefässe gefunden. Allein ich habe im ganzen Körper durchaus keine Gefässe enldek- ken können, welche nicht mit dem oben erwähnten Cireula- tions-Geläss-Syslem zusammengehangen hätten, sei es durch Communication, sei es als Verzweigung. Die Hauptkörper- gefässe nämlich erstrecken sich im Schwanz ziemlich tief herab, ohne an ihrer Stärke bedeutend zu verlieren; auch 615 umspinnen ihre. Verzweigungen das. Secretionsorgan .voll- ständig. Eben dieselbe Erscheinung aber zeigt sich auch in der Saugscheibe und in allen übrigen Theilen des Körpers. Das vordere Gefässsystem bietet sich allerdings dem Auge, als ganz selbstständig, auch mit Ausnahme einiger feiner Communicationen mit den Haupigefässschlingen, als ge- schlossen dar; der Bau der Wände aber stellt es zu dem Cireulationssystem und die Verzweigung nach unten entzieht sich durch Feinheit der Aeste bald der Beobachtung. Als meine eigene, aus allen diesen widersprechenden Erscheinungen gewonnene Ansicht kann ich nur hinstellen: dass es noch ein ganz besonderes, von mir nicht gesehenes oder verwechseltes Secretionssysten: giebt, welches auf ir- gend eine Weise durch die Schwanzorgane mündet. Ich hoffe, dass ein aufmerksamerer und glücklicherer Beobachter als ich es noch finden werde. Sind doch auch bei andern Trematoden diese Gefässe von sehr grosser Zartheit, und entgehen im entleerten Zustande auch der schärfsten Beob- achtung! Fortpflanzungsorgane. Es ist wohl nicht leicht ein Gebiet der vergleichenden Anatomie mit. so viel Aufmerksamkeit bearbeitet, als die Ge- - schlechtsorgane der Helminthen; dennoch waltet hier noch grosse Dunkelheit ob. Ich habe deshalb diesem Kapitel die grösste Sorgfalt gewidmet und muss um Verzeihung bitten, wenn ich wegen der Fülle des Stoffes mich etwas weiter ausdehne. Wie bei den meisten, vielleicht bei allen Trema- ioden, kommen auch bei unserm Polystomum männliche und weibliche Geschlechtstheile stets auf einem Individuum ver- einigt vor. Es finden sich jedoch schlankere und längere Thiere, bei denen die männlichen Organe, während bei an- deren kürzeren und dickeren die weiblichen Organe vorzu- walten scheinen. Bei der Beschreibung werde ich zuerst ‚den anatomischen Bau der sämmtlichen Organe durchgehen 616 und demnächst die Vorgänge, welche bei den Produkten der Organe stattfinden, erläutern. 1. Anatomischer Theil. Die männlichen Geschlechtsorgane (Fig. 17.) bestehen aus den Hoden (a), deren zwei Ausführungsgängen (b), wel- che in einen gemeinschaftlichen Samengang (c) münden, und dem Penis (h) nebst seinen Umhüllungen. Die Hoden. Sie beginnen bald hinter der mittleren Er- weiterung des Körpers und erstrecken sich bis an die Stelle, wo sich die hintere Extremität ansetzt. Sie werden seitlich durch die Dotterstöcke (i) und die Darmschenkel begrenzt, und füllen diesen mittleren Raum ganz aus. Sie liegen der Bauchseite des Thieres näher als der Rückenseite (Fig. 44. und 45. c.). Es sind der Hoden sehr viele; sie haben die Gestalt eines vorn abgestutzten Ellipsoids, dessen längere Axe der Längsrichtung des Körpers parallel läuft (Fig. 23.). Sie liegen je drei oder vier neben einander in einer Reihe; solcher Reihen sind an 10 —12, und jede vordere deckt die hintere ziegeldachartig.. Eine sehr zarte Haut, welche sich mehrfach ganz fein faltet, überzieht jeden Hoden. Im leben- den Thiere sind die Hoden ganz durchsichtig (Fig. 23.), im todten (Fig. 24.) verwandeln sie sich in eine körnige, bräun- liche Masse. Presst man die Hoden etwas zusammen, so zeigen sie sich als unregelmässige Vierecke, welche durch eine gemeinschaftliche Haut verbunden sind. Danach könnte man wohl, was ich als einzelne Hoden bezeichnet, nur als Blindsäcke eines grösseren Organes betrachten, und dann nach der Zahl der Ausführungsgänge zwei oder drei Hoden annehmen. Dem Auge zeigt sicht allerdings eine solche Grup- pirung nicht. Die Ausführungsgänge (b) der Hoden erstrecken sich in ganz gerader Richtung durch die Mittellinie des Körpers von den Hoden nach vorne, und enden vor und unter dem gemeinschaftlichen Dottergang (l) durch Zusammenmündung. 617 Es sind ganz ungemein feine Gefässe und sie waren mir noch unbekannt, als ich bereits den übrigen Geschlechtsapparat erkannt hatte. Im Suchen aber einer Verbindung zwischen dem gemeinschaftlichen Samenausführungsgang und den Ho- den kam ich auf den Gedanken von ersterem aus, vermit- telst der Samenmasse darin, eine Injection nach dem Hoden vorzunehmen. Ich führte sie bei 190facher Vergrösserung unter dem Mikroskop durch vorsichtigen Druck mit dem Glasplättchen aus, und halte die Freude, jene Gänge aufzu- finden. Später habe ich sie auch bei geringerer Vergrösse- rung ganz klar erhalten und mich von ihrer Existenz über- zeugen können. Die Samenausführungsgänge bis an ihren Ursprung aus dem Hoden zu verfolgen, ist mir, wegen ih- rer Zartheit, indess nicht gelungen. Der gemeinschaftliche Samenausführungsgang (c) ent- steht durch Zusammenmünden der beiden Samenleiter und verläuft in dem hellen Raum zwischen den Dotterstöcken in vielen Windungen nach vorn. Er liegt mehr der linken als der rechten Seite des Körpers zu. Vor seiner Einmün- dung in die sogenannte äussere Samenblase biegt er sich constant in eine Schlinge um. Seine Breite beträgt unge- fähr 1; der Körperbreite, nimmt aber vorn bedeutend ab. Die Farbe ist, wenn er gefüllt ist, gelb, wodurch er sich scharf von dem daneben verlaufenden Uterus unterscheidet. Die Wände sind dick und längs gestreift (Fig. 25.), jedoch ohne Muskulatur; sie falten sich durch die Windungen vielfach. Nach jener schlingenförmigen Windung schnürt sich der innere Kanal des Samenganges plötzlich zu einer ganz en- gen Röhre zusammen; diese verläuft gerade nach vorn, bis sie in die äussere Samenblase mündend endet. Die Haut des Samenganges verdickt sich an der Einschnürungsstelle zu einem kreisförmigen, seitlich hervorstehenden, Wulst (Fig. 17. d.). Dieser Wulst geht weiter nach vorn in einen en- gern Hals zusammen, welcher sich wiederum zu einem ellip- 618 tischen Organe, dem Cirrusbeutel (Fig. 17. e.) erweitert. Dieser ist ganz hell und durchsichtig und hat eine zarte, un- gestreifte Haut als Umhüllung. Er wird in der Mitte ganz gerade von dem engen Samenkanal durchzogen, der sich als dunkler Streifen abscheidet und hier an keiner Stelle eine Ausmündung zeigt. Die innere Höhlung des Cirrusbeutels erkennt man, wenn die weiter vorn hineinhängende äussere Samenblase sich tiefer hinabzieht. Sparmatozoen habe ich im Cirrusbeutel nie gesehen. Die äussere Samenblase (Fig. 17. f.) trägt diesen Namen als wissenschaftlichen, im Gegensatz zur später zu erwäh- nenden inneren Samenblase. Sie stellt ein längliches, wenig durchsichtiges Bläschen dar, welches in dem Cirrusbeutel frei herabhängt; oben verschwindet sie in die Umhüllung des Penis. In sie mündet der zum Ductus ejaculatorius veren- gerte Samengang, indem er den Boden der Blase durchbohrt. Spermatozoen habe ich auch in der äusseren Samenblase nicht erkennen können. Der Penis (Fig. 17. h.) liegt in einer häutigen Umhüllung (g); diese geht allmählig aus der Haut des Cirrusbeutels hervor und beschreibt nach rechts hin einen Halbkreis, dessen convexe Seite nach vorn gelegen ist, so dass die Oefinung, aus wel- cher der Penis herausgestülpt wird, rechts neben der äusse- ren Samenblase liegt, und nach hinten und etwas nach links hinsieht. Die Mündung kann, wie es dem Auge sich we- nigstens darbietet, geschlossen werden. Die Haut selbst ist ganz undurchsichtig und zeigt keine besondern Eigenschaf- ten. Der Penis selbst (Fig. 21.) ist ein keulenförmiger, vorn zugespitzter Körper. Er erscheint bläulich, aber ganz durch- sichtig. Parallele Längsstreifen, welche nach oben und un- ten convergiren, durchziehen ihn. Seine Länge beträgt eiwa 41 Linie. Ein Kanal im Innern ist nicht zu bemerken. Er kann von dem Thier weit hinausgestülpt werden (Fig. 22.). Dies geschieht, indem zuerst der Hals der Keule hervorkommt, während noch die Keule und ihre vordere Zuspitzung nach 619 innen geschlagen sind; alsdann erst schiebt sich der vordere Theil hervor und streckt sich. Derselbe Prozess in umge- kehrter Folge findet beim Hineinziehen statt. Ich kann im- dess nicht genau bestimmen, ob dieses scheinbare Umschla- gen der Spitze nicht ein nach innen Stülpen ist, so dass der Penis alsdann nicht solid, sondern hohl wäre, und sich umkrämpen könnte, etwa in der Art eines Handschuhfingers. Die Spitze des Penis habe ich mit runden Körnchen bedeckt gefunden. Vielleicht sind diese warzige Erhöhungen, die im Grunde durchbohrt sind und so die Stellen für das Aus- strömen der Samenflüssigkeit anzeigen. Einen bestätigenden Prozess jedoch habe ich nicht beobachtet. Die weiblichen Geschlechtstheile (Fig. 17.) bei unserm Polystomum, bestehen aus den Dotterstöcken (i), den vier Dottergängen (k) und deren Zusammenmündung, dem Keim- stock (p) und dem Uterus (n) mit seiner Mündung nach aussen (0). Die Dotterstöcke: Sie führen wohl mit Recht diesen Namen, denn ihr Product ist der eigentliche Dotter des Eies. Sie beginnen vorn in der Ebene des horizontalen Darm- stücks, und erstrecken sich als zwei gesonderte Massen auf beiden Seiten des Leibes, dicht am Rande hinab, setzen sich in Schwanz und Saugscheibe (Fig. 13.) fort, und enden zu- gleich mit dem Darmkanal. Sie lassen zwischen sich in der Mittellinie des Körpers einen hellen Raum, in welchem die übrigen Geschlechtsorgane und die Körpergefässe liegen, und welcher am bedeutendsten an der Stelle ist, wo, wie wir später sehen werden, Keimstock und innere Samenblase lie- gen. Sie bieten im idealen Querschnitt des Thieres (Fig. AA. a.) zwei halbkreisförmige Bogen dar, deren eoncave Seite nach innen gewandt ist und von den beiden Darmschenkeln ausgefüllt wird. Von Rücken- und Bauchseite aus gesehen, liegt ein jeder Darınschenkel in der Mitte des ihn umhüllen- den Dotterstocks (Fig. 13.). — Als Ganzes betrachtet, lie- gen die Dotterstöcke dem Rücken des Thieres näher als der 620 Bauchseite (Fig. 44 und 45 a.). Unter dem Mikroskop erschei- nen sie bei durchfallendem Lichte hellgrau gefärbt, bei auf- fallendem weiss. Ihrem feineren Bau nach bestehen sie aus lauter Blindsäckchen, welche die Dotterkörnchen als kleine Kügelchen enthalten (Fig. 41.). Diese Blindsäcke ragen un- regelmässig, sich einander ziegeldachförmig deckend, zu bei- den Seiten aus der Hauptmasse hervor und zeigen eine pa- rabolische Gestalt. Ihre innere Einmündung in die Mittel- masse des Dotterstocks kann wegen des undurchsichtigen Darmes nicht erkannt werden. Sie geschieht aller Wahr- scheinlichkeit nach in einen gemeinschaftlichen Kanal, der sich später als Dottergang isolirt. Die Dottergänge (k) zerfallen in zwei vordere und zwei hintere; jeder einzelne gehört zur Hälfte eines Dotterstocks. Die beiden vorderen Dottergänge entspringen in der Ebene des Schlundkopfes, jeder aus dem mittleren Kanal des Deot- terstockes mit einer kleinen, öfters fehlenden, Erweiterung, welche im leeren Zustand das Ansehn einer gefalteten Blase hat. Der Dottergang biegt alsdann nach innen um, und geht in ganz gerader Richtung hart an der Innenseite seines Dotterstockes und parallel mit dem Dottergang der andern Seite, nach hinten, bis er mit dem hinteren Dottergange seiner Seite zusammenmündet. . Ein jeder hintere Dottergang entspringt etwa in der Ebene des vorderen Endes der spä- ter beschriebenen innern Samenblase, ebenfalls mit einer kleinen Erweiterung, geht dann in gerader Richtung nach innen, und mündet nach kurzem Verlauf mil dem vorderen Dottergang seiner Seite zusammen. Diese Dottergänge sind sehr fein, und im ungefülltem Zustande gar nicht zu erken- nen; man kann sie aber leicht durch Druck des Glasplätt- chens von dem gemeinschaftlichen Dottergang aus mit Dot- termasse bis zu ihren Ursprungsstellen injieiren ; sie erschei- nen alsdann bei geringer Vergrösserung als undurchsichtige dunkelgraue Linien. Aus der Vereinigung dieser vier Dot- tergänge entsteht nun ein gemeinschaftlicher Dottergang oder 621 Dotterbehälter (Fig. 17.1; Fig. 44 und 45. d.). Er geht mit parallelen Wänden von einem Dotterstock zum andern quer über, und erreicht eiwa die vier- bis fünffache Weite eines jeden einzelnen Dotierganges. Er ist meistens mit Detiter- masse gefüllt, und erscheint bei durchfallendem Lichte dun- kelgrau; auch ist er nur im gefüllten Zustande wegen der Feinheit der Wände zu erkennen. Die Wände selbst ver- halten sich passiv, und zeigen weder bei dem Dotterbehäl- ter noch in den Dottergängen irgend welche Action. Aus dem Dotterbehälter‘ entspringt auf seiner hinteren Seite mehr nach links zu ein kurzer Ausführungsgang (Fig. 17. m.). Er gleicht den Dottergängen in seiner Erscheinung und geht in den Uterus über. | Der Keimstock (Fig. 17. p.), mit Recht so genannt, weil in ihm sich die Eikeime bilden, liegt in der Mittellinie des Körpers, etwas mehr nach links zu sich erstreckend, und der Bauchseite des Thieres näher als der Dotterbehälter (Fig. 44 u. 45g.). Er erscheint hell und durchsichtig und ist an den darin angehäuften Eikeimen unter dem Mikroskop sogleich zu erkennen (Fig. 35.). Seine Grösse varüirt ziem- lich bedeutend, und kann mit den Windungen wohl andert- halb Linien an Länge erreichen. Er stellt ein gewundenes und mehrfach gelapptes Organ dar, beginnt dicht hinter dem Dotterbehälter auf der linken Seite, windet sich nach hinten und dann in einem Bogen nach rechts und vorn. Die Um- hüllungshaut ist sehr zart, der Ausmündungsstelle jedoch näher wird sie stärker und vermag eine wurmförmige Bewe- gung hervorzubringen. Ein kurzer Ausführungsgang (Fig. 17. q.) verbindet den Keimstock mit dem Anfange des Uterus, Der Uterus (Fig. 17. n.) beginnt an jener Stelle, an der wir schon Dotterbehälter und Keimstock haben zusammen- münden sehen, in der Mittellinie des Körpers. Er wendet sich etwas nach rechts und hinten und dann in einem Bo- gen wieder nach vorn. An dieser Stelle bildet er eine spin- delförmige, ganz constante Erweiterung (Fig. 17 und Fig 40.) 622 geht weiter nach vorn, schlägt durch auf- und niederge- hende Windungen in dem Raume rechts unter und hinter dem Dotterbehäller eine oder zwei Schlingen und wendet sich dann plötzlich ganz gerade nach vorn. Dieser gerade Theil verläuft neben dem rechten Dotiergang, nach rechts und oben von dem gemeinschaftlichen Samengang, der ihn _ zum Theil durch seine Windungen verdeckt. Er erweitert sich vorn zu einer Art Scheide und mündet dann durch eine Oeffnung nach aussen. Diese Scheidemündung (Fig. 17. 0.) liegt gerade und dicht hinter der Stelle, aus welcher der Penis hervorgestülpt wird; zuweilen :schienen mir sogar diese beiden Oeffnungen in eine einzige. zusammenaufallen. Die Scheidenmündung befindet sich auf einer kleinen Erhöhung, und wird von aufrechtstehenden, am Grunde ıiteinander verbundenen Haut- läppchen, gleichwie ven einer Blumenkrone umkränzt (Fig.34 ), ln dieser Form erscheint sie aber ‘nur selten, meist bei jun- gen Individuen. Gewöhnlich stellt sie eine einfache Spalie dar (Fig. 33.), von der aus zum Rande der Erhöhung Fal- ten gehen, die demnach durch das Zusammenschlagen der Hautläppchen gebildet werden. Die Wände des Uterus (Fig. 31.) sind sehr dick und zeigen eine deutliche Längs- und Ringsstreifung. Sie vermögen eine kräftige, wurmförmige Bewegung (Fig. 32.), welche oft ins stossförmige übergeht, hervorzubringen. Sie sind einer grossen Ausdehrung fähig, denn im leeren Zustande beträgt die Weite des Uterus kaum 3 Linie, wenn er aber mit Eiern gefüllt ist (Fig. 29), so nimmt er oft den ganzen Raum zwischen den Deotter- stöcken ein. Ich habe bis hieher nur diejenigen Gesehlechts- organe aufgeführt, welche bestimmt, entweder zur männli- chen oder weiblichen Sphäre gehören, und komme nun zu denjenigen, die gewissermassen ein Mittelglied bilden, und die man das System der inneren Sawmenblase nennen kann. Diese Abtheilung besteht aus der inneren Samenblase, ‚deren Zuführungs- und Ausführungsgang (Fig. 17. r und s.). 623 Die innere Samenblase trägt diesen Namen im Gegen- salz zur oben beschriebenen äusseren Samenblase. Sie liegt rechts von dem Keimstock, und reicht nach hinten eben so weit herab, als dieser. Mit dem Keimstock zusammen nimmt sie, wenn beide im gefüllten Zustande sind, fast den ganzen Raum zwischen den Dotterstöcken ein; auch sind diese bei- den Organe die Ursache der bereits öflers erwähnten miltt- leren Erweiterung des T'hierkörpers. Die Samenblase hat eine birnförmige Gestalt, ist etwa 4; Linie lang und halb so breit, und zeigt in der Mitte der Längsseiten eine flache quere Einkerbung. Von Farbe erscheint sie gelblich, gleich dem gemeinschaftlichen Samengang. Ihre Wände sind kräftig und starker wurmförmiger Bewegungen fähig, Ausser der Längs- und ÖQuerstreifung der Wände habe ich hier noch eine schlangenförmige Streifung mit mehreren Windungen beobachtet. Diese ist entweder nur von den Schweifen der Samenthierchen hervorgebracht, oder sie zeigt den Verlauf irgend eines Kanals im Innern an. Der Ausführungsgang der Samenblase ist der verschmälerte Hals derselben und mündet in den Uterus an der Stelle, wo Doiterbehälter und Keimstock münden. Zu der Samenblase führt ein Gang (Fig. 17. s.), welcher aus dem Hoden herkommt; er mündet etwas mehr der Bauchseite zu in den Hals der Samenblase (Fig. 44 u. 45 h.), verläuft von hier in einem Bogen nach links und hinten, und verliert sich, in den meisten Fällen von den Blindästchen des Dotterstockes überdeckt, in den Hoden. An seiner Ein- mündungsstelle ist dieser Kanal ziemlich breit, weiter hin- ten wird er ganz schmal, so dass man seinen Ursprung selbst durch Injectionen nicht weiter als den der beiden Samenlei- ter verfolgen kann. Ich habe lange daran gezweifelt, ob dieser dritte Samenleiter aus den Hoden entspränge; aber es ist gar kein anderes Organ vorhanden, aus dem sein Ur- sprung ausserdem noch möglich wäre, und sein Erstrecken bis in die Hodenregion habe ich deutlich erkannt. Die Farbe 624 dieses Kanals ist gelb, wie die der Samenblase, und sein Inhalt besteht im ganzen Verlauf aus deutlichen Samen- thierchen. Ich erwähne hier am besten einer Beobachtung, die mir über die Zusammengehörigkeit der Organe einiges Licht zu geben scheint: Im ganzen Verlauf des gemeinschaftlichen Samenganges (Fig. 17. c.) bis zu seiner vorderen Verenge- rung, zeigt sich eine deutliche Flimmerbewegung. Dieselbe Bewegung zeigen auch der Gang von den Hoden zur inne- ren Samenblase (Fig. 17. s.) und der Hals dieser Blase. An- fangs hielt ich dies blos für Spermatozoenbewegung; durch vorsichtiges Pressen aber unter dem Mikroskop, vermochte ich die Samenmasse in strömende Bewegung zu setzen; hie- durch konnte ich genau die stabile Flimmerbevwvegung in der Gefässwand, und die nun strömende Bewegung in der Sa- menmasse unterscheiden. Zur Erkenntniss des gesammten anatomischen Baues der Geschlechtsorgane füge ich noch Einiges über die jünge- ren Individuen an, deren Länge etwa 4 Linie beträgt, und bei denen Körperform, Gefässystem und Verdauungsorgane schon völlig ausgebildet sind. Bei ihnen sind die Hoden be- reits entwickelt, und mit Tröpfchen oder Epithelialzellen ge- füllt; der Samenausführungsgang zeigt alsdann noch wenig Windungen; Cirrusbeutel, und die bogenförmige Umhüllung des Penis existiren schon. Die Dotterstöcke sind zu der Zeit kaum an den einzelnen Epithelialzellen zu erkennen, und ganz hell. Die Erweiterungen am Ursprung der Dot- terleiter sind hier deutlicher zu erkennen, als bei den älte- ren Individuen. Der Uterus verläuft noch ziemlich ohne Windungen, jedoch hat er schon die spindelförmige Erwei- terung an der oben beschriebenen Stelle. Er zeigt zu der Zeit noch eine sehr zarte Flimmerbewegung, welche ich bei älteren Individuen nie beobachtet habe. Das in ihm aufge- häufte Epithelium wird durch stossförmige Bewegungen aus- getrieben. Die Scheidenöffnung zeigt jetzt die oben beschrie- 625 bene blumenkronartige Umkränzung am vollständigsten. Keim- stock und Samenblase mit ihren Ausführungsgängen sind als gefaltete Blasen vorhanden, innen mit Epithelialzellen m ne deren bedeckt (Fig. 38.). 2. Physiologischer Theil. Zerquetscht man die Hoden, so erkennt man darin sehr zartwandige Zellen, welche die Spermatozoen einschliessen. Die Spermatozoen liegen hier. mit den Köpfen neben einan- der (Fig. 18) und strecken die Schweife alle ganz gerade nach einer Richtung, einem. Cometen vergleichbar; durch Pressung sieht: man sie oft sehr schöne sternförmige Figu- ren bilden (Fig. 20.). Ihre. Entwickelung findet demnach auch hier nach dem ‚allgemeinen Typus in ‚der: Thierwelt, gleich den Wimperzellen, ‚statt. Sie bestehen aus einem el- liptischen Köpfchen (Fig. :19.).und einem etwa zehnmal ..so langen dünnen Schweif, ‘der aber schon bei 190facher: Ver- grösserung recht gut gesehen werden kann. Ihre Farbe ist in grösseren Massen gelb, wodurch auch die Organe, in wel- chen sie liegen, diese Farbe annehmen. Die unmittelbar aus den Hoden gewonnenen Samenthierchen zeigen. noch keine Bewegung. Von den Hoden ‚aus wandern nun die Se nach zwei Richtungen, nämlich durch die zwei feinen Sa- menleiter zu dem gemeinschaftlichen Samengang, und durch den dritten stärkeren Samenleiter zu der inneren ‚Samen- blase. , An diesen Sammlungsorten erscheinen sie, bereits als; Einzelwesen, die im Innern des Körpers : jedoch. sich wenig bewegen. Presst man sie heraus, so sind sie ausser- ordentlich lebendig, erstarren aber auf der Stelle, so wie sie mit Wasser in Berührung kommen, so dass ich anfangs, wo;,ich das Zerquetschen des Wurmes nur unter Wasser vornahm, ihnen gar, keine Bewegung zuschrieb. Die leben- Müller’s Archiv. 1850. 40 » 626 digsten Bewegungen zeigen die aus der Samenblase gepress- ten Samenthierchen. | Aus dem gemeinschaftlichen Samengange treten nun die Zoospermien in die äussere Samenblase und von dort wahr- scheinlich durch Vermittelung des Penis nach aussen. Die Ausstülpung des Penis habe ich sehr gut beobachten können, und ihren mechanischen Theil schon oben beschrieben. Sie geschah von fünf zu fünf Secunden ein Mal, sehr gleich- mässig und allmählig, Die Spitze des Penis reichte dabei weit über die Scheidemündung hinaus, drang jedoch nicht ein, sondern blieb frei über dem Thiere schweben. Samen- flüssigkeit habe ich trotzdem der gemeinschaftliche Samen- | gang sehr gehr gefüllt war, nicht herauskommen sehen. Wo die Spermatozoen aus ihrer zweiten Ablagerung, nämlich aus der inneren Samenblase hingehen, könnte ich nur hypotliesiren, gesehen habe ich es nicht. Durch Pres- sen habe ich sie allerdings oft und leicht in den Dottergang, den Uterus, den Keimstock und den dritten Samenleiter ge- trieben, und gesehen, dass die Communication zwischen allen diesen Gängen ungemein frei und leicht ist: einen frei- willigen Uebertritt jedoch in den Uterus oder ein anderes Or- gan, habe ich nicht beobachtet. Die Produkte der weiblichen Geschlechtstheile bilden sich, wie schon der anatomische Bau dieser zeigt, aus meh- reren einzelnen Elementen und Organen. In den Dotterstöcken werden die Dotterkörner gebildet (Fig. 4t.). Diese stellen grössere und kleinere kugelrunde Körperchen dar (Fig. 36.). Sie sind ganz durchsichtig und ins Blaue schimmernd. Einen Kern in der Mitte, wie dies bei Dotterkörnern anderer Helminthen geschehen, 'habe ich nicht bemerkt. Aus dem Thierkörper herausgepresst, zeigen sie eine so lebhafte Molekularbewegung, dass ich sie zu anfang für die Köpfe der Zoospermien hielt. Dieselbe Molekularbe- wegung der Dotterkörner habe ich auch bei einem Thiere im vorderen Ende des Uterus bemerkt, der Wurm hatte sich 627 einige ‚Stunden. vorher seiner Eier entledigt, und es waren diese Dotterkörner wahrscheinlich solche, die nicht zur Eier- bildung benutzt werden, und die zwischen Eiern eingeschlos- sen gelegen hatten. Die Dotterkörnchen gruppiren sich schon innerhalb des Dotterstocks zu kleineren Massen zusammen. Diese Massen werden alsbald von einer sehr zarten, geschmei- digen, in jegliche Form passenden Zellhaut umschlossen, und treten so als fertig gebildete Dotterzellen aus dem Dotter- stock in den Dotterleiter. Hier steigen sie, Zelle an Zelle, sich ganz eng aneinander schmiegend, ohne zusammenzu- fliessen herab, und sammeln sich in dem Dotterbehälter (Fig. 37), als graue, wenig durchscheineude Masse. Von hier aus treten sie durch den oben beschriebenen Gang ne- ben der Stelle, wo Keimstock und Blase münden, vorbei in den Uterus, und begegnen sich dort mit den Eikeimen (Fig. 40.). Die Eikeime bilden sich im. Keimstock aus einer schlei- migen, wasserhellen Masse (Fig. 35.). Sie treten zuerst in dem oberen Theil des linken blinden Schenkels als ganz kleine Zellen mit Kern und Kernkern auf. Je näher sie dem Ausführungsgang treten, desto grösser werden sie, und de- sto deutlicher erkennt man ihre Bildung, Diese ist folgende: Die äussere Begrenzung bildet eine ziemlich dicke, doch schmiegsame Haut, alsdann folgt eine helle, schleimige Schicht (a), welche die Hauptmasse des Eikeims ausmacht. Hierin liegt eine runde, sich dunkler abscheidende Zelle (b) und in dieser ein heller Kern. Die Eikeime nehmen durch gegenseitigen Druck eine polygonische, nahe ans Sechseckige grenzende Form an. Sie werden aus dem vordersten Ende des Keimstocks, vermöge einer intermittirenden Wurm- oder vielmehr Stossbewegung, durch den engen Ausführungsgang gepresst und treten sodann in den Uterus zu den Dotter- zellen. | Dotterzellen und Eikeime gehen nur zusammen im Üte- us bis an jene obenerwähnte, spindelförmige Erweiterung 628 (Fig: '40.). ‘Hier werden ein oder zwei Eikeime‘—- welche aber die eiweissartige Schicht verloren haben, und nur noch aus Zelle mit Kern bestehen’ — von vielen Dotterzellen 'um- schlossen, und dann ‘von einer wachsartigen Masse umge- ben.‘ Diese Masse ist höchst wahrscheinlich das Absonde- rungsproduet der Wandungen von diesem Theile des Uterus, ‘ denn sie findet sich nur hier. ‘Sie ist klebrig und vermag'in Fäden ausgezogen zu werden. Oft erscheint sie in Form _ von unregelmässigen und unförmigen Körpern, die einzelne Dotterkörnchen oder Dotterzellen eingeschlossen enthalten; sie sind bald gross und der spätern Eiforın sich mehr’ oder minder nähernd, bald klein und FE ERIERE (Fig. 39. Ad. - 42. 43.). Hat nun die Wachsschicht sich um Dotterzellen und Ei- keime gelegt, in der spindelförmigen Form, ‘welche von der Bildungsstelle durch den Uterus angegeben wird, so istdas Ei (Fig. 26 und 27.) fertig gebildet. Es erscheint bei durch- fallendem Lichte grau. ‘Seine Länge beirägt etwa 4, Linie, die Breite halb so viel. Die Dotterkörner liegen nun ent- weder frei in der Wachsschicht (Fig. 26.), oder sie sind in den Zellen geblieben, und diese haben sich maulbeerförmig um den Eikeim geschaart (Fig. 27.). Erstere Eier scheinen indess Missbildungen zu sein, zeigen sich auch selten. Die Eier bleiben-nun entweder getrennt (Fig. 26 und 27.), oder sie sind miteinander verbunden (Fig. 28.29. 30.).. Im’ erste- ren Fälle hat jedes Ei Anfang und Ende, welche von der schnabelartig umgebogenen Wachsschicht gebildet werden; im letzteren Falle zieht sich die Wachsschicht fadenartig von einem Ei zum andern,‘ und werden so oft an fünfzig Eier miteinander zusammengehalten. Die Länge des Wachs- fadens Dir ie zwei Eiern ist genau stets dieselbe, und beträgt etwa 4 Linie. Die so icion Eier rücken nun im Ulerus „weiker nach vorn, wobei sie ihn ungemein ausdehnen (Fig. 29.). Ihre Grösse bleibt dieselbe, aber ihre Farbe geht vom 629 Grauen durch das Gelbe ins Braune über; sonst findet durch- aus keine Veränderung’ mehr statt. Sie werden durch die Scheidenmündung gelegt. Den Prozess des Legens’ habe ich unter! dem Mikroskop oft und gut beobachten können, und er verdient, in Bezug auf die zusammenhängenden Eier er- wähnt zu werden. Das Thier speit zuerst eine Masse Darm- koth aus, gleichsam als Bett für die Eier, alsdaun knäult es sich nach unten zusammen, biegt sich dann plötzlich stark rückwärts, und stösst so das vorderste- Ei hervor: Dies Ei wird mit dem nachfolgenden Faden von dem Thier sehr ge- schickt um die Saugscheibe gewickelt und dort fest geheflet. Alsdann bleibt das Thier in einer beständigen Bewegung des Zusammenziehens uud Streckens, und Bu so in kurzer Zeit sämmtliche Eier heraus. | Ich habe die gelegten Eier mehrere Wochen lang in Meerwasser aufgehoben; auch sogar eine nachträgliche Be- fruchtung durch Samenmasse versucht, aber keine: Verände- rung au ihnen wahrgenommen; und ich bedaure lebhaft, ge- rade an dieser Stelle der Entwickelungsgeschichte eine Lücke lassen zu müssen. | Nach allen diesen Untersuchungen könnte man eine Fortpflanzung unseres Thieres durch eine innere Selbsibe- fruchtung wohl annehmen. Schon Herr v. Siebold hat (Wiegmann’s Archiv. 1836. Bd. I.) vortrefflihe Beobach- tungen mitgetheilt, welche neuerlich von Andern und von ihm selbst noch mehr bestätigt sind. Der Bau der Geschlechts- organe im Polystomum hat. ohne Zweifel bedeutende Aehn- lichkeit mit jenem am Distomum globiporum beobachteten. Herr v. Siebold spricht dort zuerst von der Möglichkeit einer inneren Selbstbefruchtung ohne alle Begattung Es möchte diese Frage wohl nur durch künstliche Befruchtungs- Experimente entschieden werden können, denn was bis jetzt die allgemeinen anatomischen Untersuchungen zu folgern er- möglichen, spricht eben so wohl dafür als dagegen. Ziehen wir bei unserm Polystomum einen Schluss, so ergiebt sich, 630 kurz zusammengestellt etwa Folgendes: Für gegenseitige Be- gattung spricht der lange :Penis, die. gesellige Lebensweise des Thieres und die Leichtigkeit des Verkehrs, welche durch den Aufenthalt dargeboten wird. Für Selbstbegattung spricht die Nähe oder gar das Zusammenfallen der beiden Ge- schlechtsöffnungen, auch die Richtung des ausgestülpten Pe- nis nach der Scheidenöffnung zu. Für innere Selbstbefruch- tung endlich, spricht sehr deutlich das Vorhandensein einer inneren Samenblase, zu der von den Hoden aus ein mit Spermatozoen gefüllter, direkter Gang führt, und an deren Ausmündungsstelle die weiblichen Geschlechtsprodukte vor- über müssen. | Meine eigene, hieraus gewvonnene Ansicht geht dahin, dass ich diese drei Fortpflanzungsweisen als gegenseitige Er- gänzungen von einander betrachte. Man wendet wohl bei der möglicher Weise hier stattfindenden inneren Selbstbe- fruchtung, wie bei der Selbstbegattung im Allgemeinen ein, es sei natürlich; und doch fehlt uns überall und wird uns immer fehlen in der Thier- und Pflanzenwelt die Definition für den Begriff des Natürlichen. War die Selbstheilung nicht auch einst unnatürlich? nicht auch der Generationswechsel ? Ich übernehme indess weiter keine Apologie für diese Theo- rie: sie bleibt, wie ihre vielen Genossinnen späterer Zeit zur Umstürzung oder zum Ausbau überlassen! — Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Polystomum appendiculatum in n.türlicher Grösse. Fig. 2. Dasselbe zweimal vergrössert. Fig. 3. Dasselbe funfzehnmal vergrössert. a. Mund, b. Geschlechtsöffnung, c. Darm, ..d. Saugscheibe, e. Schwanz. Fig. 4. Seitliche Ansicht des Thieres, Fg. 5. Idealer Querschnitt des Thieres. Fig. Fig. Fig. Fig. > 14. 15. 16, 17. 631 Vorderes Körperstück bei cirea 100maliger Vergrösserung. Man sieht als äusserste Contur das Oberhäutchen und darun- ter die Haut mit ihren Ringeln. . Mund, Lippe, . stützender Wulst der Lippe, . Gaumenhöhle, . Schlundkopf, den Schlund umgebend, Darm. Idealer Querschnitt der Haut, an welcher Epidermis (a.), Pigmentschicht (b.) und Faserschicht (c.) zu sehen ist, Die Haut mit Salpetersäure behandelt (190fache Vergrösse- rung). lLängs- und Ringfasern kreuzen sich, darüber liegen die Pigmentkörner. Darminhalt aus den Blindästen des Darmkanals, 290mal ver- grössert. Darminhalt, der durch den Mund ausgespieen ist, 290mal vergrössert. Lippenpapillen, 290mal vorgrössert. Seitliche Ansicht des vordersten Körperendes, vergrössert. a. Mund. Das hinterste Stück des Körpers, bestehend aus Schwanz (A.) und Saugscheibe (B ), n welcher sich der Leib (C.) einfügt. a. Mündung des Excretionskanals (c) nach Aussen, d. Mus- culatur, e. nierenförmiges Organ, f. Häkchen, g. Kör- pergefässe des Circulationssystems nebst deren "Verzwei- gung, h. Dotterstock, den Darm umhüllend, i. Saugnäpfe in gewöhnlicher Lage, k. dieselben niedergedrückt, da- durch ist der Hornhaken in eine Ebene mit dem Rande gekommen, 1. dieselben umgewandt, wobei die zur Rand- ebene rechtwinkliche Ebene des Hornhakens hervortritt. Zwischen den Saugenäpfen ist die Muskulatur sehr ent- wickelt. A. Vorderes Körperstück mit den beiden Gefässsystemen, und den 6 kugelförmigen Organen neben Gaumen und Schlund- kopf (circa 6Omal vergrössert).. B. Stück aus der Mitte des Körpers, um die Muskulatur zu zeigen. C. Hintere Extre- mität mit der Gefässverzweigung. Ein Gefässstück, 190mal vergrössert. Eine Blase aus dem Gefässsystem. Geschlechtsapparat des Thieres in etwa Sonate Vergrös- serung. Die Figur ist, der Deutlichkeit halber, etwas brei- ter gehalten, als es der Vergrösserung nach sein dürfte, und stellt den Leib des Thieres dar bis etwa vor der Einfügung der hintern Extremität. a Hoden, b die beiden Samenleiter, c der gemeinschaft- liche Samenausführungsgang, d der kreisförmige Wulst, e der Cirrusbeutel, von dem verengten Samengang durchzogen, f die äussere "Samenblase, g Vorhaut des Penis, h Penis, i Dotterstöcke, k die vier Dottergänge, 1 der gemeinschaft- liche Dottergang oder Dotterbehälter, m dessen Ausführungs- gang, n Uterus, e dessen Mündung nach Aussen, p Keim- »-omn So» Fig. 49. stock, q dessen Ausführungsgang, r innere Samenblase, s Gang von den Hoden zu diesen. Spermatozoen bei 190facher Vergrösserung, wie sie in den Zellen der Hoden liegen. Ein Saamenthierchen, 540mal vergrössert. Spermatozoen, mit sternförmig verbreiteten Schweifen. Der aus der Vorhaut herausgestülpte Penis, in etwa 290- facher Vergrösserung. Der Penis im Act des Ein- oder Ausstülpens,. Hoden des lebenden Thieres, 190mal vergrössert. Hoden des todten Thieres. 230fache Vergrösserung des gemeinschaftlichen Samenganges, Ein Ei, in welchem die Doiterzellwände resorbirt sind und die Dotierkörnchen frei liegen, 290mal vergrössert. Ein Ei, in welchem die Dotierkörnchen maulbeerförmig um das Keimbläschen gelagert sind. a Schale, b Dotter, ce Keim- bläschen mit Keimfleck. Verbundene Eier, 7ömal vergrössert. Erweiterung des Uterus, in welcher viele Eier durch die umhüllende wachsartige Schicht mit einander verbunden sind. Die Eier ausserhalb des Uterus, 20mal vergrössert. Ein Stück des Uterus, 290mal vergrössert. Dasselbe in wurmförmiger Bewegung begriffen. Die Scheidenmündung, geschlossen. Dieselbe, geöffnet, 190mal vergrössert. Der Keimstock, ‚in welchem die Entwiekelung der Eikeime dargestellt, in 290facher Vergrösserung. a. Eiweissschicht des Eikeims. b. Späteres Keimbläschen mit dem Keimfleck. Dotterkörnchen, ö40fach vergrössert. Einmündung: eines, Dotterleiters in den gemeinschaftlichen Dotiergang. Die. Doiterzellen schmiegen _ sich aneinander; 190fach vergrössert. Innere Samenblase eines jüngeren Be mit Epithe- lialzellen gefüllt. „42. 43. Missbildungen _von Eiern aus dem Uterus, 290mal vergrössert. : Spindelförmige Erweiterung des Uterus, darin man Dotter- zellen, einen Eikeim. und Absonderungsprodukte der Uterus- wandungen sieht, 190fache Vergrösserung. Blindsäcke des Dotterstocks, 29Umal vergrössert; darin lie- gen die Dotterkörnchen. Lage der inneren Theile, im Querschnitt (schematisch). a Dotterstöcke, b Darmschenkel, c Hoden, d gemein- schaftlicher Dottergang, e Doiterleiter, f innere Samenblase, Keimstock, h Gang von den Hoden zur innern Samen- ‚blase. 'Idealer Längsschnitt. Buchstaben wie. bei Fig. 44. i Ute- rus, k Ausführungsgänge der Hoden, | äussere Mündung der S:heide, m Penis. P: Ss. Vorliegendes ward in Triest im Sommer 1850 be- obachtet. Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin. EEE ER TE ET AT u u 2. Aa See Pe EEE WELT WE 5 Sn RIED nz Loft. Miller sArchv 1580. 8 Ns No 5 Orinand se Br, 1530 uller'y Archtı A Fl he fo8 @) 00 \00 —_ 8 Ei en 2989 Oo En + Do =! Oo s IT S f x / Oninand se. Alters Archir 1830. ‚pr lan ap WW. EEE EI EEELZÄL ZAERENE men N! Zenlien ad nad , v7 l’ Gnmand se, a 5 TE Peer m Vu Tee ee n R . a — — er ee wi nn nal Dun ec eu u an en et En N en een Die An ur . = m Erg Sr nn er Er 7 r DAR Miller ie Archiv III 0. A c. Gruner Wallers Archiv 1830 ERIC arg 7 RE 4 EIERN SEEN Gruinand we. Hüller's Archiv 1830. _ ZEIT % 4% H zZ x a a [2 | 6 Er | 7 N u, \ ANAL \ | Ei; : FE N > SEE ME E Sr Ti | gez. u. W. Helmholtz " ‚gest.v. M. Afinger. ae Le Fe Crianund we, u a r Ka 20 er a Akttler 5. Irchiz 2850 | a ae De ER Er. De er % N TARA. je: eu Be en en ee. FI Be > B Ben. = \ 2 B = Ro u a e Crarnaned sc. Miller SArchrr I8JO TRpAT Guam we. ERTETT Guinandl se, Taf ZH Guinand sc. Bliseneni. 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