u es » & ” r ann ® ; e . a .: ee are E Ir er x S = M E £ v x: x Pe = N e= 2 R a in: u “3 = 75: $ % x 5 £_ h h ® P Vene a Fang Er BEN » . \ 7 Aue Archiv für Biontologie. Herausgegeben von der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. Erster Band. 1906 — 1907. Mit 28 Tafeln. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1906—1907. Inhaltsverzeichnis. Erstes Heft. Vorwort. Von L. Kny. Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. Von W. Bath. Seite 1—48, Tafel 15. Über Aspidorhynehus. Von Paul Assmann. Seite 49—80, Tafel 6 und 7. Über die Formbildung der Hutpilze. Von Werner Magnus. Seite 81—162, Tafel 8—13. Zweites Heft. Studien an bohrenden Cirripedien. (Ordnung Aerothoraciea Gruvel, Abdominalia Darwin.) I. Teil: Die Oryptophialidae. Von Wilhelm Berndt. Seite 163— 210, Tafel 14—17. Über die Anatomie der Gespenstheuschreeke, Diapheromera femorata Say. Von Wm. S. Marshall und Henry H. Severin. Seite 211—244, Tafel 18—23. Drittes Heft. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. Von Friedrich Schöndorf. Seite 245—306, Tafel 24 und 25. Pterosphenus Schweinfwrthh Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. Von W. Janensch. Seite 307—350, Tafel 26 und 27. Bemerkungen über die Intercellularstrukturen und die Cuticula der Amphibienlarven. Von H. Schubotz. Seite 351—366, Tafel 28. I} IE ARS IB. 270 a Du ya, 1 LAYIDS AROp, ASt) ANOSIKONOMO -HOSITVYISAIA Archiv für Biontologie Herausgegeben von der - (Gesellschaft naturforschender Freunde zu. Berlin. I. Band, 1. Heft. l. Vorwort. Von L. Kny. 2. Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. Von Wolfgang: Bath. 3. Über Aspidorhynchus. Von Paul Assmann. 4. Über die Formbildung der Hutpilze. Von Werner Magnus. Mit 13 Tafeln und vielen Figuren im Text. —_ —AUAZHET Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1906. E BE PN ET N Archiv für Biontologie. Herausgegeben von der (Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. I. Band, 1. Heft. l. Vorwort. Von L. Kny. 2. Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. Von Wolfgang Bath. 3. Über Aspidorhynchus. Von Paul Assmann. 4. Über die Formbildung der Hutpilze. Von Werner Magnus. Mit 13 Tafeln und vielen Figuren im Text. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1906. Vorwort. Am 9. Juli 1773 vereinigte sich in Berlin eine kleine Zahl hochgesinnter, für die Erforschung der Natur begeisterter Männer zu einer Gesellschaft, welche neben der Förderung der Wissenschaft auch die Pflege eines freundschaftlichen, anregenden Verkehrs zur Aufgabe hatte. Die Vereinigung erhielt, um diesem doppelten Zweck Ausdruck zu geben, den Namen: „Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin.“ Um die Bedeutung, welche die Gründung dieser Gesellschaft für das geistige Leben der Landeshauptstadt hatte, richtig einzuschätzen, muß man sich vergegen- wärtigen, daß Berlin damals noch keine Universität besaß, und daß die Akademie der Wissenschaften bei ihrer strengen Abgeschlossenheit einen erheblichen Einfluß auf weitere Kreise nicht ausüben konnte. Die neue Gesellschaft füllte unter diesen Umständen eine fühlbare Lücke aus. Sie wurde zum Mittelpunkt für alle Jene, denen das Studium der Natur Beruf oder Herzenssache war. Die Versammlungen fanden in den ersten Jahren allwöchentlich abwechselnd in der Wohnung eines ordentlichen Mitgliedes statt, welches jeweilig den Vorsitz führte. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder durfte zwölf nicht überschreiten und unter sieben nicht hin- absinken. Man kann sich vorstellen, daß die Versammlungen unter diesen Um- ständen nur einen bescheidenen Umfang haben konnten. Die Möglichkeit einer Erweiterung war erst dann gegeben, als Se. Majestät der König Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1788 der Gesellschaft das in der Französischen Straße 29 belegene Haus schenkte, welches ihr bis vor einigen Monaten als Heim- stätte diente. Hier fanden von jetzt ab die wissenschaftlichen Sitzungen statt, und hier konnten die sich mehr und mehr ansammelnden Bücherschätze und die Naturaliensammlungen Unterkommen finden. So gedieh die Gesellschaft freudig und machte sich durch ihre Veröffentlichungen einen angesehenen Namen. Durch Gründung der Berliner Universität im Jahre 1809 wurden ihr zahlreiche ältere und Jüngere Kräfte zugeführt, welche für ihre Aufgaben in erfreulicher Weise zusammen- wirkten. Als eigentlicher Gründer wird in den älteren Gesellschaftsschriften überein- stimmend der als Conchyliologe bekannte Dr. med. Friedrich Heinrich Wil- II Vorwort. helm Martini, ausübender Arzt (geb. den 31. August 1729 zu Ohrdruf, gest. den 27. Juni 1778 zu Berlin) genannt. Ihm schlossen sich zunächst folgende sechs Mitelieder an: Joh. Christ. Ebel, Kgl. Hofstaats-Holzschreiber; Joh. Elert Bode, Kgl. Astronom und Mitglied der Kel. Akademie der Wissenschaften; Joh. Andr. Rebelt, Apotheker und Kaufmann; Friedr. Wilh. Siegfried, Kgl. Rendant der Churmärkischen Kammer- Baukasse; Balthas. Friedr. Reimari, Kegel. Kriegsrat und erster Geheimer Archivar; Marcus Elieser Bloch, Doktor der Medizin und ausübender Arzt. Unter den späteren, jetzt verstorbenen ordentlichen Mitgliedern, welche der Ge- sellschaft zur besonderen Zierde gereichten, seien folgende hervorgehoben: Alexander von Humboldt, Christian Samuel Weiß, Christian Gottfried Ehrenberg, Johannes Müller, Heinrich Rose, Alexander Braun. Der große Aufschwung, welchen die Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert nahmen, brachte unserer Gesellschaft zwar vielseitige Anregung, hatte aber auch manche Mißstände für dieselbe zur Folge. Das Wissensgebiet, welches sie zu pflegen berufen war, wuchs ins Ungemessene. Dem Einzelnen war es nicht mehr möglich, sich m allen Teilen gleichmäßig zu vertiefen. Es war deshalb natürlich, daß die einzelnen Zweige der Naturforschung, welche bisher im Rahmen unserer Gesellschaft Platz gefunden hatten, das Bedürfnis fühlten, ihre besonderen Vereinigungspunkte zu gründen. So sehen wir schon vor Mitte des vorigen Jahrhunderts einen Ab- bröckelungsprozeß beginnen, welcher auch heute noch nicht zum Stillstande gelangt ist und die Gesellschaft zeitweise in ihren Lebensbedingungen bedrohte. Im Jahre 1523 entstand die Gesellschaft für Erdkunde, 1845 die physikalische Gesellschaft, 1348 die deutsche geologische Gesellschaft, 1351 die deutsche ornithologische Gesellschaft, 1859 der botanische Verein für die Provinz Brandenburg und die angrenzenden Länder, 1860 die Physiologische Gesellschaft, 1867 die deutsche chemische Gesell- schaft, 1851 die deutsche entomologische Gesellschaft, 1382 die deutsche botanische Gesellschaft, 1883 die deutsche meteorologische Gesellschaft, 1390 die deutsche zoologische Gesellschaft, 1903 die Vereinigung der Vertreter der angewandten Bo- tanik, 1904 die Freie Vereinigung der systematischen Botaniker und Pflanzen- geographen. Hierzu kommen zahlreiche technische und andere der Praxis gewid- mete Gesellschaften. Dieser Abbröckelungsprozeß machte sich sowohl in den Personen der ordent- lichen Mitglieder, als in dem Charakter der von unserer Gesellschaft herausgegebenen Schriften bemerkbar. Männer wie G. Magnus, H. Rose, Förster, A. W. Hof- mann erklärten ihren Austritt, weil ihre wissenschaftlichen Interessen keine ge- nüsende Vertretung in der Gesellschaft fanden. In den Veröffentlichungen der 60er und 70er Jahre kamen schließlich nur noch die Zoologie und die Botanik zum Worte. Nachdem auch die letztere sich im Jahre 1882 ihre eigene Gesellschaft gegründet hatte, war die Zoologie im den Sitzungsberichten Alleinherrscherin ge- Vorwort. II worden. Es wurde die Frage dringend, ob die Gesellschaft naturforschender Freunde eine rein zoologische werden sollte, oder ob es eine Möglichkeit gäbe, sie als allgemein-naturwissenschaftliche zu erhalten bezw. sie ihrem ursprünglichen Charakter wieder zuzuführen. In diesem letzteren Sinne machte Schreiber dieser Zeilen im Jahre 1896 den Vorschlag, die Verfassung in dem Sinne zu ändern, daß die Gesellschaft fortan auf die Veröffentlichung von Original-Mitteilungen verzichten und sich nur noch die Verbreitung und Vertiefung naturwissenschaftlicher Kennt- nisse in akademisch gebildeten Kreisen (unter Lehrern, Ärzten, Pharmazeuten, Tech- nikern ete.) zur Aufgabe stellen solle. Diese Aufgabe solle sie durch Veranstaltung von möglichst ausgezeichneten, durch Demonstrationen und Versuche ausgestatteten Vorträgen zu erreichen suchen. Der Vorschlag fand nicht die Billigung der ordent- lichen Mitglieder. In der Sitzung, welche die negative Entscheidung der Mehrheit brachte, machte Herr F. E. Schulze den Vorschlag, den biologischen Charakter, welchen unsere Gesellschaft mehr und mehr angenommen habe, dadurch zum schärferen Ausdruck zu bringen, daß in jedem Monate außer der Sitzung für Ori- ginal-Mitteilungen noch eine zweite Sitzung eingeführt werden möge, in welcher über wichtige neue Erscheinungen auf dem Gebiete der Biologie Bericht erstattet werde und in welcher Zoologen, Botaniker und Paläontologen ihre Anschauungen und For- schungsresultate gegenseitig austauschen. Diese damals neu eingeführten „Referier- Abende“ haben seitdem unter allseitigem Beifall ohne Unterbrechung stattgefunden. In dem jüngsten Statuten-Entwurf werden sie als ständige Einrichtung festgehalten. In den Geschäftssitzungen, welche sich mit diesen Fragen befaßten, wurde wiederholt die Frage erörtert, ob die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft sich nicht auch in materieller Richtung erhöhen lasse. Das im Mittelpunkt der Stadt belegene Haus hatte allmählich einen bedeutenden Wert erlangt, ohne daß der Gesellschaft für ihre wissenschaftlichen Aufgaben ein entsprechender Nutzen daraus erwuchs. Ein größerer Erneuerungsbau hatte sogar die Aufnahme einer Hypothek notwendig gemacht. Die Bibliothek mit den zahlreichen Einläufen in- und ausländischer Ge- sellschafts-Schriften verschlang einen großen Teil unserer Einnahmen. Unter diesen Umständen war der Wunsch vollberechtist, uns des wertvollen Besitzes zu ent- äußern. Eine an das vorgesetzte hohe Unterrichts-Ministerium gerichtete Bitte, bei Sr. Majestät dem Kaiser und Könige die Genehmigung zum Verkaufe des einst- maligen königlichen Geschenkes befürworten zu wollen, fand wohlwollende Auf- nahme. Nach Erlaß der Kgl. Kabinettsordre vom 5. Juli 1905 kam durch die er- folgreichen Bemühungen unseres ordentlichen Mitgliedes, des Herrn O. Jaekel, ein Kauf-Vertrag zum Abschluß, welcher der Gesellschaft eine beträchtliche Summe eintrug. Dieses erfreuliche Resultat setzt die Gesellschaft naturforschender Freunde nunmehr in die Lage, größere wissenschaftliche Unternehmungen ins Auge fassen zu können, als dies bisher möglich war. Außer den „Sitzungsberichten“, welche in der bisherigen Weise die in den Sitzungen gehaltenen Vorträge zum Abdruck bringen und möglichst 4 Wochen nach der Sitzung erscheinen sollen, wird eine Zeitschrift unter dem Titel: Archiv für Biontoiogie, herausgegeben von der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin, begründet. Sie soll größere Abhandlungen aus dem Gebiete der Zoologie, Botanik IV Vorwort. und Paläontologie, welche von Mitgliedern oder anderen Gelehrten verfaßt sind, zum Abdruck bringen‘ und dieselben, wo erwünscht, durch gut ausgeführte Tafeln erläutern. Die neue Zeitschrift wird im zwangslosen Heften ausgegeben werden. Außerdem sollen seitens der Gesellschaft für größere Veröffentlichungen, welche ohne Unterstützung nicht leicht einen Verleger finden würden, Beiträge flüssig ge- macht und ausnahmsweise auch anderweitige wissenschaftliche Unternehmungen unterstützt werden. Das erste Heft unserer neubegründeten Zeitschrift übergeben wir hiermit der Öffentlichkeit. Möge es unserer altehrwürdigen Gesellschaft vergönnt sein, durch dieselbe auch weiterhin die Wissenschaft zu fördern. L. Kny, Berlin, im Juni 1906. z. Z. Vorsitzender. Verzeichnis der Veröffentlichungen der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. I. Beschäftigungen der Berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde, 4 Bände in 8°, 1775—1779. II. Schriften der Berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde, 11 Bände in 8°, 1780—1794 (vom 7. Band ab Schriften der Gesellschaft natur- forschender Freunde zu Berlin mit einem 2. Titel: Beobachtungen und Entdeckungen in der Naturkunde). III. Der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin Neue Schriften in 4°, 1795 —1803. IV. Der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin Magazin für die neuen Entdeckungen in der Naturkunde, S Bände in 4°, 1507—1818. V. Verhandlungen der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin, 1 Band in 4°, (1819—)1829. VI. Mitteilungen aus den Verhandlungen der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin, 3 Hefte in 8°, 1836—1838). VI. Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin, 7 Hefte in 4°, 13860—1869. Seit 1370 jährlich 1 Band im 8". VII. Festschrift zur Feier des hundertjährigen Bestehens der Ge- sellschaft naturforschender Freunde zu Berlin (mit 20 Tafeln in Kupfer- und Steindruck). Groß 4°, 1873. IX. Archiv für Biontologie, herausgegeben von der Gesellschaft natur- forschender Freunde zu Berlin, in Lexiko-8° mit zahlreichen Tafeln. Von 1906 ab soll alljährlich ein Band erscheinen. 1) Während der Jahre 1339—1859 wurden von der Gesellschaft keine eigenen Veröffentlichungen herausgegeben. Es erschienen nur Sitzungsprotokolle in der Berliner Vossischen und Spenerschen Zeitung. Verzeichnis derselben in der Beilage zu den Sitzungsberichten der Gesellschaft natur- forschender Freunde zu Berlin vom Jahre 1866 enthalten. Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. Von Hierzu Tafel 1—5. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn, 1906. Einleitung. Die vorliegende Abhandlung ist eine Erweiterung und Umarbeitung einer preis- gekrönten Arbeit, deren Thema war: „Die Angabe, daß auch bei Vögeln neuerdings Geschmacksorgane aufgefunden sind, ist nachzuprüfen“. Den Anlaß zu diesem Thema hat eine Mitteilung Botezats aus Petersburg gegeben, der angibt, daß es ihm endlich gelungen sei, die Geschmacksorgane der Vögel aufzufinden. Da man bisher in der ganzen Klasse der Vögel vergeblich nach derartigen Endorganen ge- sucht hatte, obwohl man aus dem ganzen Gebahren der Vögel auf ihr Vorhanden- sein schließen konnte und mußte, so erregte doch diese Mitteilung bei allen Zoologen berechtigtes Aufsehen, gleichzeitig aber auch Zweifel. Um diese Zweifel sobald wie möglich endsültis zu beseitigen, wurde dieses Thema als Preisaufgabe gestellt, die von mir dahin beantwortet ist, daß die Vögel in ihrer Mund- resp. Rachenhöhle gut ausgebildete Geschmacksorgane haben. Nachdem ich dies für alle von mir untersuchten Vögel habe feststellen können, lag der Gedanke nahe, auch bei den Krokodilen, bei denen derartige Sinnesorgane noch nicht aufgefunden waren, nach solchen zu suchen. Auch bei ihnen gelang es mir, in der Mundhöhle typische Ge- schmacksorgane nachzuweisen, die denen der anderen Reptilien vollkommen gleichen. In einer vorläufigen Mitteilung, die im „Zoologischen Anzeiger“ Bd. XXIX, 1905, p. 352 erschienen ist, habe ich ganz kurz meine ersten topographischen Befunde bei Oro- codılus miloticus Laur. mitgeteilt. Zu den hierzu nötigen Arbeiten hatte Herr Geheimrat Professor F. E. Schulze die Liebenswürdigkeit, mir die Mittel des zoologischen Institutes im weitgehendster Weise zur Verfüsung zu stellen, wofür ich mir erlaube, ihm an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Auch Herrn Dr. Heinroth bin ich zu großem Danke verpflichtet, da er mir aus dem hiesigen zoologischen Garten viele exotischen Vögel, auf die ich sonst hätte verziehten müssen, für meine Untersuchungen über- lassen hat. Berlin, im Februar 1906. Geschiehtlicher Rückblick. Im Jahre 1851 machte Leydig in seiner Arbeit „Über die Haut einiger Süßwasserfische“ auf eigentümlich gebaute Gebilde in der Epidermis der Cutispapillen aufmerksam, die er als becherförmige Organe bezeichnet, da sie nach seiner An- sicht einen Hohlraum in der Mitte aufwiesen und die Funktion von Drüsen versahen. Jedoch wies F. E. Schulze im Jahre 1865 in überzeugender Weise nach, daß ihnen diese Funktion nicht zukomme, daß sie vielmehr infolge ihres ganzen Baues für chemische Einwirkungen geeignet und daher als Geschmacksorgane anzu- sprechen seien. Während Leydig seine becherförmigen Organe nur aus verlängerten kon- traktilen Faserzellen ähnlichen Gebilden zusammengesetzt hielt, zeigte F. E. Schulze, daß sie einen viel komplizierteren Bau besitzen. Er fand in ihnen zweierlei ver- schiedene Zellen, mehr peripher gelegene Zylinderzellen, Stütz- oder Deckzellen, und dünne fadenförmige Zellen, die aus einem kernhaltigen und infolgedessen ver- diekten Mittelteil, einem distalen stark lichtbrechenden und einem proximalen, bis- weilen varikösen, Fortsatz bestehen. An ihrer Spitze zeigten einige der oben be- schriebenen Zellen ein feines Stiftchen. Wegen ihrer Ähnlichkeit mit den von M. Schultze aufgefundenen Riechzellen war es unzweifelhaft, daß hier Neuro- epithelien vorlagen. Einen Zusammenhang der Nerven mit den Neuroepithelien konnten weder Leydig, noch F. E. Schulze nachweisen, waren jedoch von dem Vorhandensein eines solchen überzeugt. F. E. Schulze kommt mithin das Ver- dienst zu, die Geschmacksorgane der Wirbeltiere zuerst aufgefunden zu haben. Leydig hatte den Bau derselben vollkommen mißverstanden. Auf das Studium des feineren Baues durch Schnitte und Isolation der Zellelemente hatte er sich nicht eingelassen und war dadurch zu einer falschen Vorstellung gekommen. F. E. Schulze dagegen hat durch genaue mikroskopische Untersuchungen einwandsfrei den Bau dieser knospenförmigen Organe klargelegt, und auf Grund seiner Befunde ist er zu der Ansicht gekommen, daß es sich hier um die lange gesuchten Geschmacksorgane handele. Alle anderen Forscher nach ihm, die Geschmacksorgane von annähernd dem gleichen Bau bei fast allen Klassen der Wirbeltiere gefunden haben, konnten seinen Angaben keine wesentlich neuen Punkte hinzufügen; es zeigte sich, daß die Geschmacksknospen sämtlicher Vertebraten nahezu den gleichen Bau aufweisen, wie er von F. E. Schulze für die Fische nachgewiesen ist. Inzwischen hatten Fixen im Jahre 1857 und nach ihm Billroth und Hoyer beim Frosch im Epithel der Zungenpapillen eigentümlich verzweigte Zellen ge- 6 W. Bath: funden, die sie für Geschmackszellen hielten. Jedoch haben sie sich vergebens be- müht, die Nerven bis an diese Zellen heran zu verfolgen; es ist ihnen nur gelungen, feine doppelt kontourierte Nervenfasern bis dicht unter das Epithel verlaufen zu sehen. Billroth glaubt, daß die Nerven hier stumpfspitz enden, Fixen meint kolbenförmige, stumpfe und auch spitze Endigungen gefunden zu haben. Alle aber sprechen die Vermutung aus, daß die Nerven in marklose feine Fasern auslaufen und durch diese mit dem darüberliegenden Epithel in Verbindung stehen. Man merkt jedoch aus jedem Satze ihre Unsicherheit heraus, sie sind vorsichtig und sprechen nur von Vermutungen, da es zu damaliger Zeit noch nicht möglich war, einwandsfrei die feinsten Nervenfasern nachzuweisen. 1861 teilte Ernst Axel Key mit, daß esihm gelungen sei, diese Verbindung nachzuweisen, daß „die Nerven in den breiten Papillen der Froschzunge schließlich in feinste variköse Fäden übergehen, die als Endbildungen eigentümliche zelluläre Bildungen, die wohl den Namen Geschmackszellen verdienen, zwischen den Epithel- zellen an ihren Enden tragen.“ Engelmann bestätigt die Angaben Keys, doch sollten die späteren Befunde, namentlich die auf Grund der Gold- und Silber- methoden gewonnenen, zeigen, daß beide sich in der Annahme der Art der Endigungs- weise der Nerven geirrt hatten. Doch dauerte es lange, bis auch bei den Säugetieren Geschmacksorgane aufge- funden wurden, nachdem man viel vergeblich danach gesucht hatte. Schon 1857 gibt Leydig in seinem Lehrbuche der Histologie des Menschen und der Tiere eine genaue Beschreibung des Teiles der menschlichen Zunge, der den Geschmack ver- mittelt. Er schreibt darüber: „Auf dem Zungenrücken entwickelt die Schleimhaut eine Menge von Papillen, die Geschmackswärzchen, welche nach ihrer Form in fadenförmige (P. filiformes), in keulenförmige (P. fungiformes) und in wallförmige (P. eircumvallatae) eingeteilt werden. Anlangend die Nerven, so sind die Papillae fungiformes und eircumvallatae veichlicher damit versorgt als die Papillae fiiformes. Aus dem anatomischen Verhalten ist der Schluß leicht abzuleiten, daß die physio- logischen Leistungen kaum bei allen Wärzchen die gleichen sein können. Die P. fun- giformes darf man als die eigentlichen Geschmacksorgane ansprechen.“ So hat Leydig richtig in der Papillae fungiformes den Sitz der Geschmacks- organe vermutet, aber erst 1868 gelang es zu gleicher Zeit Loven und Schwalbe, die eigentlichen Geschmacksorgane aufzufinden in den von Leydig schon ange- gebenen Papillae fungiformes und in den P. circumvallatae. Der Bau derselben stimmte mit den von F. E. Schulze bei den Fischen als Geschmacksorgane an- gesprochenen knospenförmigen Gebilden im wesentlichen überein und bewies somit die Richtigkeit seiner Ansicht. Während Loven den Namen Geschmacksknospe oder -zwiebel einführte, wählte Schwalbe den Ausdruck Schmeckbecher. Beide fanden sie vollständig unabhängig von einander, sind aber beide zu den gleichen Resultaten gekommen. Sie fanden sie an den seitlichen geschützten Abhängen der genannten Papillen, dem Corium aufsitzend und mit einer kreisrunden Öffnung, dem Geschmacksporus, mit der Mundhöhle in Verbindung stehend. Beide führen auch hier die Trennung in Deckzellen und Geschmackszellen durch. Die mehr peripher gelagerten Deckzellen umgeben die mehr in der Mitte gelegenen Sinneszellen, die mit feinen Stiftchen, den Geschmacksstiftehen, in den Porus ragen. Deckzellen so- Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 7 wohl, wie Geschmackszellen erstrecken sich immer durch die ganze Länge der Knospe. Die im wesentlichen übereinstimmenden Befunde der beiden Forscher wurden in den folgenden Jahren von zahlreichen Untersuchern bestätigt. H. v. Wyß, Hoffmann, A. Krause, Rabl, Verson und Davis finden Geschmacksorgane außer an den bereits erwähnten Teilen noch in den Schleimhautfalten neben den P. circumvallatae, im weichen Gaumen in der Nähe der Uvula, in der Epiglottis und in der Schleimhaut des eigentlichen Kehlkopfes im Bereiche der Gießbecken- knorpel. Diese Befunde zeigen, daß in einem großen Teile der Mundhöhle sich derartige Sinnesknospen nachweisen lassen. Durch Zerschneiden des Nervus glossopharyngeus bringen H. v. Wyß, Vintschgau, Hönigschmied, Sandmeyer und Meyer die Geschmacksknospen zum Schwinden und weisen dadurch den Zusammenhang mit diesen Nerven nach. Mit völliger Sicherheit konnte auch bei den Säugetieren keiner den Eintritt der Nervenfasern in die Geschmacksknospe beobachten, sondern man konnte nur die Nerven bis an diese heran verfolgen und neigte auch hier der Ansicht zu, daß die Neurofibrillen direkt in die Neuroepithelzellen übergingen. Erst durch Einführung der Ehrlichschen Methylenblaufärbung in dieses For- schungsgebiet durch Arnstein und der Golgischen Methoden durch Fusari und Panasei trat ein ungeahnter Umschwung ein. Fast alle Untersucher kommen zu dem überraschenden Resultat, daß die feinen Nervenfasern nicht in die Neuroepithelial- zellen eintreten resp. übergehen, sondern daß vielmehr das Verhältnis der Nerven- enden zu den Elementen der Geschmacksknospe allenthalben auf Kontakt und nieht auf Verschmelzung beruhe. Zu diesen Resultaten kamen in ihren Arbeiten Retzius, v. Lenhossek, Ranvier, Drasch, Dogiel. Diese bestätigen auch die Angaben Sertolis, der feststellte, daß von den Nerven, die an die Geschmacks- knospe herantreten, nur ein geringer Teil für diese selbst bestimmt ist; der bei weitem größere Teil endet frei im Epithel über den Knospen oder im Epithel zwischen den Knospen intergemmale Nervenfäserchen, die mit leichter Anschwellung oft in den obersten Schichten enden. Außer diesen Nervenfasern mit knopfartigen Enden gibt es solche, die sich dendritisch in alle Schichten des Epithels verzweigen, sodaß sie leicht ein Netzwerk vortäuschen können. Sertoli hält diese Art Nerven für Geschmacksnerven, während Drasch die Ansicht vertritt, daß es sich um sen- sible Nerven handele, die für die reflektorische Erregung der in die Gräben der -Papille mündenden Drüsen bestimmt sind. Außer diesen intergemmalen Nerven- fasern fanden Retzius und v. Lenhossek noch intragemmale und circumgemmale oder peribulbäre Nervenendigungen. Die intragemmalen Nervenendigungen werden . gebildet durch feine Fäserchen, die sich innerhalb der Knospe dendritisch verzweigen und die einzelnen Zellen dicht umspinnen. Die peribulbären Fasern, die mit den intergemmalen Nerven zusammenhängen, umgeben mit ihren feinen Enden dicht die ganze Geschmacksknospe. Nur zwei bis fünf von den zahlreichen Fasern, die an die Knospe herantreten, steigen, immer in innigem Kontakt mit: den Geschmacks- zellen, bis zur Spitze empor. Im Laufe der Zeit gelang es dank den Arbeiten zahlreicher Forscher fast bei allen Klassen der Wirbeltiere Geschmacksorgane aufzufinden. F. E. Schulze fand 3 W. Bath: sie bei Batrachierlarven, Leydig will sie bei den Ophidiern nachgewiesen haben, von denen er Tropidonotus matrix und Coronella laevis untersucht hat, und nahm als Sitz derselben die Leisten der Mundhöhle an. Jedoch haben diese Angaben bisher keine Bestätigung gefunden. Ftwas später teilt Merkel in seinem Werke „Über die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbel- tiere“ mit, daß er auch in der Mundhöhle der Urodelen und bei den Sauriern Geschmacksorgane habe nachweisen können. Beachtenswert ist die Einleitung zu dem Abschnitte, in dem er die Endknospen der Reptilien abhandelt. Ich halte es für am besten, seine eigenen Worte anzuführen: „Das Verhalten der Endknospen in der Klasse der Reptilien ist von ganz besonderem Interesse, in dem einerseits die Saurier inbezug auf die Verteilung dieser Endorgane den Übergang zu den Säugetieren, andererseits die Ophidier die Brücke zu dem Verhalten bei den Vögeln darstellen. Bei den Sauriern findet man die Endknospen ganz ebenso konstruiert, wie in den bisher betrachteten Klassen (nämlich Pisces und Amphibia). Die Ver- breitung derselben erleidet aber in der Art eine wichtige Abänderung, als nun die Organe nicht mehr über den ganzen Raum der Mundhöhle zerstreut vorkommen, sondern sich an bestimmte Stellen gebunden zeigen.“ Bei den Sauriern stellt er sie in der Schleimhaut des Gaumens und den Falten des hinteren Zungenrückens fest. Bei Tropidonotus dagegen hat er trotz der Angaben Leydigs vollkommen vergeblich gesucht, stellt daher das Vorhandensein derartiger Endorgane in Abrede. Nachdem 1895 von Tuckermann auch bei den Cheloniern Geschmacksorgane aufgefunden worden waren, hatte man bei den Reptilien mit Ausnahme der Crocodilier und Ophidier diese Organe sicher nachgewiesen. Erst kürzlich gelang es mir, auch für die Krokodile diesen Nachweis zu bringen. Wie ich in einer vorläufigen Mit- teilung im zoologischen Anzeiger schon kurz bekannt gegeben habe, fand ich diese Sinnesorgane im hintersten Teile der Mundhöhle unter dem Pterogoid. In der ganzen Klasse der Vögel dagegen hatte man bis vor Jahresfrist trotz eifrigsten Suchens nichts finden können. Wohl entdeckte man eine große Zahl von Tastkörperchen (Paceini, Vater, Herbst, Grandry, Krause, Merkel) und ließ sich durch deren Studium von dem ursprünglichen Ziele ableiten. Merkel, einer der eifrigsten Forscher auf dem Gebiete der Sinnesorgane, teilt uns seinen Mißerfolg in folgenden Worten mit: „In der Klasse der Vögel habe ich vollkommen vergeblich nach Endknospen gesucht. Auch bei solchen Arten, wo weiche Zungen vorkommen, wie bei den Schwimmvögeln, gelang es nicht, die kleinen Organe zu finden. Ich muß daher glauben, daß in dieser Wirbeltierklasse die Endknospen überhaupt fehlen.“ Wäre er dagegen auf dem oben angeführten Wege weiter- gegangen, So wäre er höchstwahrscheinlich zu einem positiven Resultate gekommen. Seine Ansicht fand schließlich allgemein Eingang, und so wurde das Suchen nach Geschmacksorganen bei diesen so hochentwickelten Tieren fast ganz aufgegeben, obwohl die bloße Beobachtung vieler Vögel auf das Gegenteil hinwies. Endlich erschien im Jahre 1904 eine Mitteilung Botezats, daß es ihm gelungen sei, auch bei den Vögeln Geschmacksorgane aufzufinden, bei Columba, Passer und Anas. Der Kernpunkt seiner Veröffentlichung ist folgender: „Derartige Endknospen sind nun in den Schleimhäuten der Mundteile von Vögeln im großer Menge vorhanden. Ihr Sitz ist hauptsächlich die Rachengegend, An gewisse Papillen sind sie nicht ge- Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 9 bunden, sondern finden sich in der ungefalteten weichen Haut der hinteren Zungen- partien, auf der Oberseite, dem Rande und der Unterseite der beiden hinteren Zungenflügel, ferner um den Schlund herum und im weichen Gaumen.“ Er unter- scheidet zwei Arten von Geschmacksknospen, solche die den bei den übrigen Vertebraten vorkommenden gleichen, hinsichtlich ihrer Form die Mitte zwischen denen der Mammalia und jenen der Fische halten und solche, die nur den Vögeln “ zukommend nicht solide Gebilde darstellen, sondern deren Elemente in der Achse des Organes dilatiert werden oder durchbrochen sind durch den Durchtritt des Aus- mündungsganges der Speicheldrüsen. Was die Innervierung derselben anbelangt, so ist es Botezat bisher gelungen, ein perigemmales und ein intragemmales Nerven- geflecht, denen der übrigen Vertebraten gleichend, nachzuweisen. Inwieweit nun meine Ergebnisse mit denen Botezats, dessen Untersuchungen bei der Veröffentlichung seiner Mitteilung noch nicht abgeschlossen waren, über- einstimmen, wird sich am Ende meiner Arbeit ergeben, auch werde ich an den be- treffenden Stellen des Näheren hierauf eingehen. Eigene Untersuchungen. Zuerst legte ich meinen Untersuchungen die Angaben Botezats zugrunde, in- dem ich die von ihm angegebenen Stellen auf das sorgfältigste untersuchte, doch lange mit negativem Resultat, bis es mir endlich glückte, bei der Taube Gebilde zu finden, die ich sofort für die gesuchten Geschmacksorgane hielt, da sie mit denen der übrigen Wirbeltiere eine große Übereinstimmung aufwiesen. Im Verlaufe meiner weiteren Untersuchungen, namentlich auf Grund der histologischen Befunde, wurde es zur Gewißheit, daß ich hier die gesuchten Organe vor mir hatte. Auch bei den Vögeln befinden sie sich in der weichen Schleimhaut bestimmter Stellen des Mundes, dem Bindegewebe des Coriums aufsitzend und mit dem Porus die Oberfläche des Stratum corneum durchbrechend. Nachdem es mir nun einmal gelungen war, bei der Taube einwandsfrei das Vorhandensein von Geschmacksknospen nachzuweisen, glückte es bei allen von mir daraufhin untersuchten Vögeln, derartige nervöse Endorgane aufzufinden. Ich war bemüht zu meinen Untersuchungen Vertreter aus recht verschiedenen Familien der Vögel heranzuziehen; leider habe ich dies aber doch nicht ganz durchführen können, was namentlich an dem Umstande scheiterte, daß es oft sehr schwer hält, sich ganz frisches Material, wie es zu meinen Untersuchungen durchweg notwendig war, zu verschaffen, besonders wenn es sich um exotische Vögel handelte. So habe ich denn bis jetzt folgende Vertreter der Karinaten mit Erfolg bearbeitet: Lamellirostres: Anas boschas L. Spatula clypeata Boie. Limicolae: Haematopus ostralegus L. Gressores: Phoenicopterus roseus Pall. Gryantes: Oolumba livia domestica L. Phasianidae: Gallus domesticus L. Raptatores: Circus macrurus (Gm.) Falco tinnunculus 1. Psittaci: Melopsittacus undulatus Gould. Palaeornis rufirostris (L.) Scansores: Dendrocopus minor (L.) Insessores: Duceros bicormis L. Strisores: Cypselus apus L. Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 11 Oseines: Passer domesticus L. Emberiza citrinella 1. Sturnus vulgaris L. Turdus merula U. Chloris chloris L. Hirundo rustica 1. Nachdem ich alle diese Vögel mit positivem Erfolge untersucht hatte, nahm ich auch die Crocodilier in Angriff, um auch bei ihnen nach Geschmacksorganen zu suchen, da ich fest davon überzeugt war, daß auch sie derartige Endknospen besitzen. Wie schon in einer Mitteilung von mir bekannt gegeben, gelang mir auch dieser Nachweis unschwer. Untersucht habe ich von den Orocodiliden: Crocodilus niloticus Laur. und von den Aligatoriden: Alıgator mässissipiensis (Daud). Im folgenden werde ich zunächst die Ergebnisse meiner Untersuchungen über die Geschmacksorgane der Vögel niederlegen und im Anschlusse daran die der Kro- kodile abhandeln. I. Aves. Topographisches. Im geschichtlichen Teile der Arbeit habe ich Merkels Ausführung über die Verteilung der Geschmacksknospen über die verschiedenen Teile der Mundhöhle bei den Klassen der Vertebraten in seinen Worten wiedergegeben. Bei den Fischen und Amphibien, also Tieren, die durchweg im Wasser leben, findet er sie gleichmäßig in der ganzen Mundhöhle verteilt, bei den Reptilien und Säugetieren dagegen auf bestimmte Teile des Mundes beschränkt. Bei den Sauriern, von denen er Zacerta und Angurs untersucht hat, stellt er als Sitz des Geschmackes die Schleimhaut des Gaumens und die Falten des hinteren Zungenrückens fest. Bei den Ophidiern konnte er nichts finden und glaubte hierin einen Übergang im Verhalten von den Reptilien zu den Vögeln festgestellt zu haben. Nach meinen Befunden möchte auch ich die Ansicht aussprechen, daß die Rep- tilien sowohl einen Übergang zu den Säugetieren, wie auch zu den Vögeln in der Verteilung der Geschmacksknospen bilden. Bei den Krokodilen fand ich sie nur im Schlunde und zwar am zahlreichsten in der Schleimhaut unter dem Pterygoid. Wir sehen also, daß bei den Reptilien schon eine große Verschiedenheit herrscht. ‚Während bei den Sauriern noch auf der Zunge sich geschmacksvermittelnde Partien nachweisen lassen, ist dies bei den Krokodilen nicht mehr der Fall; hier ist die Verhornung derselben bereits zu weit vorgeschritten. Demnach würden, wie schon Merkel angegeben hat, die Saurier zu den Mammalia überleiten, die Chelonier und Crocodilier zu den Vögeln, insofern, als auch bei diesen die verschiedensten Teile der Mundhöhle der Vermittelung des Geschmackes dienen, nur die meist ungeeignete Zunge bleibt frei von derartigen Organen. Die Mannigfaltiskeit, die die verschiedenen. Vögel in der Verteilung der Ge- schmacksorgane auf die einzelnen Teile der Mundhöhle aufweisen, ist sehr groß 12 W. Bath: und bedingt durch die morphologischen Verschiedenheiten im Bau und die außer- ordentlich verschiedene Nahrung, sowie die Art und Weise der Nahrungsaufnahme. Hervorheben möchte ich, daß die Sinnesknospen nur in der ungefalteten und voll- kommen unverhornten Schleimhaut liegen, die gleichzeitig reich an Speicheldrüsen ist und bei der Nahrungsaufnahme mit der Nahrung leicht in Berührung gebracht werden kann, ein Verhalten, das schon von früheren Forschern, namentlich von v. Ebner für die Mammalia beobachtet worden ist. Hierin kann ich mich also den Angaben Botezats anschließen, der gleichfalls als Sitz der Geschmacksknospen die ungefaltete, weiche Schleimhaut bezeichnet. Charakteristisch für die Anwesen- heit der Geschmacksknospen ist auch, daß sich im Corium unterhalb derselben eine besondere Art von Bindegewebszellen zahlreich findet, die zum Schutze der feinen Nervenfasern zu dienen scheinen, sowie der Reichtum an Nerven und Blutsfäßen. Die einzige Gegend des Mundes, wo ich trotz des sorgfältigsten Nachsuchens niemals Endknospen habe finden können, war die Zunge. Da Botezat angibt, in der ungefalteten weichen Haut der hinteren Zungenpartien, auf der Oberseite, dem Rande und der Unterseite der beiden hinteren Zungen- flügel Geschmacksknospen gefunden zu haben, so verwandte ich auf diese Teile besondere Sorgfalt und zerlegte die Zunge dreier verschiedener Vögel, von Columba, Passer und Melopsittacus, vollständig in Serienschnitte, konnte aber nichts vorfinden. Bei Passer und Columba, die von den von Botezat untersuchten drei Vogelarten allein ausgebildete Zungenflügel besitzen, entsprach dieser Befund meinen Erwartungen, da die ganze Zunge sehr stark verhornt ist und infolgedessen die Ausbildung von Geschmaeksknospen nicht eben begünstigt. Dagegen hatte ich ge- hofft, auf der Zunge von Melopsittacus Endknospen zu finden, da sie nur in ihrem vordersten Teile verhornt ist, sonst aber nicht ungeeignet zu sein schien. Wohl fand ich eine große Menge von Tastkörperchen, auch sah ich auffallend starke Nervenäste in die Zunge eintreten und sich hier verbreiten, aber keine Endknospen. Gleichfalls ohne Erfolg untersuchte ich größere Zungenpartien von Phoenicopterus und Anas, die ebenfalls eine fleischige und in ihren hinteren Teilen weniger ver- hornte Zunge besitzen, und von den anderen Vögeln nur die etwas günstiger er- scheinenden Stellen. Trotz alledem halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß auch hier und da in der Zunge sich Geschmacksknospen nachweisen lassen, namentlich, wenn erst ein bedeutend umfangreicheres Material eingehend bearbeitet worden ist, zumal man so ziemlich in der ganzen Mundhöhle zerstreut derartige Organe auf- finden kann, soweit unverhornte drüsenreiche Schleimhaut vorhanden ist. Daß aber der hintere Teil der Zunge, die immer steif ist, für bestimmte Arten von Vögeln der Hauptsitz des Geschmackes sein kann, halte ich aus physiologischen Gründen kaum für möglich. Nach meiner Ansicht sitzen die Geschmacksknospen nur in der Zunge selbst, wenn sie weich und leicht beweglich ist, wie bei den meisten Säugetieren, oder in den Teilen der Mundhöhle, wohin die Nahrung, die bei allen Vögeln von fester Beschaffenheit ist, durch die Bewegungen des Schluckens und die Bewesung der Zunge, die zu diesem Zwecke oit mit widerhakenähnlichen Fortsätzen bewaffnet ist, wie uns Taf. 1, Fig. 3 von Phoenicopterus veranschaulicht, leicht hingeführt und in innige Berührung mit den geschmacksvermittelnden Partien gebracht werden kann. Dazu sind besonders geeignet die Schleimhaut des Unter- Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 13 schnabels, des Oberschnabels und des Schlundes, wo man denn auch tatsächlich die Geschmacksknospen antrifft. Die von mir untersuchten Vögel werde ich in drei Gruppen einteilen; diese Einteilung begründet sich in der Hauptsache auf die Unterschiede im Bau der Ge- schmacksknospen, erst in zweiter Linie auf die Beschaffenheit der Mundhöhle. Nach meinen bisherigen Ergebnissen kann ich keine für die Verteilung allgemein gültigen Regeln aufstellen, da das verarbeitete Material noch zu gering ist und daher zu wenig Anhaltspunkte bietet. In den beigegebenen Skizzen habe ich mich bemüht, die hauptsächlichsten Verbreitungsgebiete zur Anschauung zu bringen. Alle von mir untersuchten Vögel lassen sich hier einordnen. Es darf nun aber nicht der Schluß gezogen werden, daß nur an diesen Stellen derartige Endorgane vorkommen. Zerstreut und vereinzelt findet man sie in fast allen Teilen der Mundhöhle. Es verhält sich mit den Vögeln genau so wie mit den Säugetieren, bei denen man ge- wisse Teile der Zunge als Sitz des Geschmackes bezeichnet, weil hier die Geschmacks- knospen besonders dicht stehen; aber an anderen Stellen, so dem Gaumen, der Uvula und der Epiglottis findet man sie auch. So habe ich bei Columba in der ganzen Schleimhaut des Oberschnabels drei einzelne Knospen gefunden, eine Zahl, die natürlich nicht berücksichtigt werden kann. Gruppe I. Hierher rechne ich: Sturnus vulgaris L., Passer domesticus L., Turdus merula L., Emberiza citrinella L., Chloris chloris L., Hirundo rustica L., Cypselus apus L., Buceros bicornis L.,Dendrocopus minor (L.), Circus macrurus (Gm.), Falco tinnunculus L., Gallus domesticus L., Columba livia domestica L. Diese Gruppe umfaßt die Mehrzahl der zu meiner Arbeit herangezogenen Vogel- arten. Alle zeigen ein und denselben Typus im Bau der Geschmacksknospen, wie ihn Taf. 1, Fig. 8 im Schema darstellt. Auf die Histologie werde ich mich erst später einlassen. _Ferner-haben alle diese Vögel mit Ausnahme des Buceros eine schmale spitze Zunge, die den Unterschnabel nicht ganz ausfüllt, sondern zu beiden Seiten noch Teile der Schleimhaut freiläßt. Diese freien Partien der Mundhöhlenschleim- haut sind der Hauptsitz der Geschmacksknospen (Taf. 1, Fig. 1 zeigt uns an dem Unterschnabel von Turdus, wie die Verhältnisse liegen). Besonders deutlich kann man die Anordnung der Geschmacksknospen zu beiden Seiten der Zungenrinne bei Dendrocopus erkennen, bei dem sich diese Organe auf nur zwei schmale Streifen, dafür aber um so dichter stehend, beschränkt finden. In der Regel jedoch sind sie über ein größeres Gebiet verbreitet. In anderen Teilen der Mundhöhle, der Schleim- haut des Oberschnabels und des Schlundes, stehen nur ganz vereinzelte Geschmacks- knospen. Diese Angaben gelten aber wiederum nicht für alle Vögel mit spitzer Zunge. Bei Hirundo und Oypselus ist nicht die eben genannte Stelle der Sitz der Ge- schmacksorgane, sondern die Gegend des Schlundes um die Epiglottis herum (Taf. 1, Fig. 2). Auch bei Buceros, dessen zwar breite, aber kurze Zunge einen großen Teil der Unterschnabelschleimhaut freiläßt, befinden sich die Geschmacksknospen hier, während ich in der Schleimhaut vor der Zunge nichts nachweisen konnte. Ich bin geneigt, in diesen drei Fällen anzunehmen, daß diese Art der Anordnung auf eine 14 W. Bath: Anpassung an die Nahrungsaufnahme zurückzuführen ist. Zrundo und Cypselus ergreifen beide ihre Nahrung, die aus Insekten besteht, im raschen Fluge; dabei werden sie die Beute weniger mit der Schnabelspitze, als vielmehr mit der Schnabel- wurzel fassen. Sie werden also die Nahrung in den hinteren Teil der Mundhöhle aufnehmen und kaum mit der Schleimhaut des Unterschnabels in Berührung bringen. Daher liegen auch die geschmacksvermittelnden Partien recht weit hinten und zwar um die Epiglottis herum. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Buceros, der einen riesigen Schnabel auf- zuweisen hat. Es ist ihm nicht möglich, die Nahrung auf die gleiche Weise aufzu- nehmen wie die meisten Vögel, da die Schleimhaut der Mundhöhle, sowie vor allem die Zunge sich nicht bis zur Schnabelspitze erstrecken, sondern erst im hintersten Teile sich befinden. Er kann daher seine Nahrung, die er mit der Schnabelspitze gefaßt hat, nicht ohne weiteres herunterschlucken. Alles was er verschlingen will, ergreift er mit dem Schnabel, wirft es in die Luft und fängt es dann mit weit auf- gerissenem Schnabel auf. Natürlich fällt die Nahrung meist in den hintersten Teil der Mundhöhle. Daher ist auch bei ihm hier der richtige Platz für die Geschmacks- knospen und nicht die vordere freie Gaumenschleimhaut. Gruppe I. In diese Gruppe gehören Phoenicopterus roseus Pall., Anas boschas L., Spatula clypeata Boie. und Haematopus ostralegus L. Diese Vögel haben im Bau der Geschmacksknospen eimige Merkmale, die sie scharf von Gruppe I trennen; hierauf aber werde ich erst später genau eingehen. (Taf. 1, Fig. 9 veranschaulicht den Typus, der diese Gruppe charakterisiert). Weitere Kennzeichen sind eine breite fleischige Zunge, die den ganzen Unterschnabel aus- füllt und daher im dessen Schleimhaut die Ausbildung von Geschmacksknospen nicht zuläßt, da diese immer nur an solchen Stellen vorkommen, die der Nahrung leicht zugänglich sind. Bei diesen Vögeln ist der Sitz des Geschmackes immer der hinterste Teil der Mundhöhle. Bei Phoenicopterus (Taf. 1, Fig. 3) fand ich die Sinnes- knospen am zahlreichsten im Schlunde um die Epiglottis, bei Anas und Spatula (Taf. 1, Fig. 4) recht dieht gedrängt auf einen nichtallzugroßen Bezirk vor den Choanen und an den Seiten derselben beschränkt, im unteren Teile des Schlundes dagegen kaum eime einzige. Haematopus (Taf. 1, Fig. 5) zeigt ähnliche Verhältnisse wie Phoenicopterus. Gruppe II. Diese umfaßt von den bisher bearbeiteten Vögeln nur die Papageien, von denen ich untersucht habe: Melopsittacus undulatus Gould. und Pulaeornis rufirostris (L.). Die Papageien haben scheinbar nach allen Beobachtungen den höchstentwickelten Geschmack unter den Vögeln, und gerade bei ihnen habe ich Organe dieses Sinnes gefunden, die im Bau von dem bei den übrigen Wirbeltieren ausschließlich ver- breiteten Typus fast gar nicht abweichen, wie uns Taf. 1, Fig. 10 gleichfalls im Schema zeigt. Bemerkenswert ist der scharfe Unterschied hierin von den beiden vorher- gehenden Gruppen. Auch bei den Papageien ist eine große fleischige Zunge ent- wickelt, die, obwohl nur in ihrem vorderen Teile stärker verhornt, keine Geschmacks- Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 15 organe aufweist und bei ihrem großen Reichtum an Vater-Pacinischen Körperchen nur zum Tasten zu dienen scheint. Der Hauptsitz des Geschmackssinnes ist die Schleimhaut des Oberschnabels, in der diese Endorgane außerordentlich zahlreich vor- kommen, und die allernächste Umgebung der Epiglottis. Schon die große Zahl der Geschmacksknospen, welche die der anderen Vögel bedeutend übertrifft, läßt auf einen hochentwickelten Geschmackssinn schließen. Diese von mir aufgestellte Einteilung in drei Gruppen begründet sich nur auf die Ergebnisse der von mir zur Untersuchung herangezogenen Spezies und ist auch nur für diese gültig. Ob sie sich wird halten und auf alle Vögel ausdehnen lassen, . wird sich erst zeigen, wenn noch bedeutend mehr Material eingehend bearbeitet ist. Ebensowenig bin ich imstande, bestimmte Regeln für die Verteilung der Geschmacks- organe auf die einzelnen Teile der Mundhöhle aufzustellen; es sind hier zu viel wichtige Faktoren zu berücksichtigen. Nur eins scheint ziemlich sicher festzustehen, daß die Geschmacksknospen sich nicht in der Zunge befinden. Hierin stehe ich also im Widerspruch mit Botezat, der auch in den hinteren Zungenpartien, na- mentlich den Zungenflügeln, Geschmacksknospen gefunden hat. Diese Partien sind aber bei den von Botezat untersuchten Passer und Columba so stark verhornt, daß sich hier Geschmacksknospen gar nicht entwickeln können. Auch scheinen sich Ge- schmacksorgane nur dann in der Schleimhaut des Unterschnabels auszubilden, wenn diese nicht ganz von der Zunge bedeckt wird. ‘Wie schon angegeben, entspricht jeder Gruppe em bestimmter Typus von Ge- schmacksknospen, wodurch eine recht scharfe Trennung bedingt wird, umsomehr als ich für ein und denselben Vogel auch nur ein und denselben Typus im Bau habe feststellen können. Wir haben gesehen, daß für die Verbreitung der Geschmacksknospen in der Mundhöhle die Gestalt der Zunge von einschneidender Bedeutung ist. Im großen und ganzen haben wir zwei Fälle zu unterscheiden; einmal ist die Zunge schmal und spitz und läßt zu beiden Seiten Partien der Gaumenschleimhaut frei; dann scheint in der Regel der Hauptsitz der Knospen zu beiden Seiten der Zungenrinne zu sein, derart, daß der von der Zunge und dem Schnabelrande herunterrinnende Speichel die Nahrungspartikelchen dorthin führen und einen chemischen Reiz aus- lösen kann. Im zweiten Falle haben wir eine große fleischige Zunge vor uns, die den ganzen Raum des Unterschnabels ausfüllt. Wie schon vorher auseinandergesetzt ist, können aber Geschmacksknospen nur an solchen Stellen entwickelt sein, zu denen die Nahrung oder Teilchen derselben leicht hingelangen können. Daher ist jetzt der Unterschnabel nicht mehr hierfür geeignet, und wenn diese Annahme richtig ist, dürfen wir an diesen Stellen keine Geschmacksknospen mehr finden. Dem ist nun wirklich so; trotz sorgfältigsten Suchens habe ich hier niemals derartige End- knospen gefunden, dafür aber im Oberschnabel und im Schlunde. Im ersteren liegen die Geschmacksknospen mehr an den tiefer gelegenen Stellen der Seiten, während die Drüsen mehr in der Mittellinie, also dem höchstgelegenen Teile des Gaumens ausmünden, sodaß der austretende Speichel über die Sinnesknospen hinweg- - fließen muß. i Die einzelnen Geschmacksknospen findet man in der Regel an den von ihnen besetzten Stellen nicht in bestimmter Anordnung. Eine Ausnahme bildet Dendro- 16 W. Bath: copus, bei dem ich sie auf zwei etwas hervortretende Schleimhautfalten, ziemlich dicht gedrängt, beschränkt fand. Meist sind sie regellos gelagert, bald mehrere zusammen, bald vereinzelt, etwa wie es Davis für die Anordnung der Geschmacks- knospen um den menschlichen Kehlkopf angegeben hat. Nur selten stehen sie um die Ausführgänge der Drüsen und sind bis zu einem gewissen Grade an diese ge- bunden. Hier könnte man vielleicht von einer Anordnung sprechen, aber man findet stets etliche Sinnesknospen, die vollkommen frei im Epithel liegen. Ist ein Teil der Geschmacksknospen, in dieser Weise an die Drüsen gebunden, so findet man auf Schnitten nicht selten zu beiden Seiten eines Ausführganges eine Knospe, die mit ihrem Porus nach der Mündungsstelle gerichtet ist. Eine derartige Anordnung, habe ich bei Chloris und Melopsittacus gefunden, jedoch nur für einen Teil der Ge- schmacksknospen geltend. Ihre Zahl ist bei den verschiedenen Vogelarten erheblichen Schwankungen unterworfen, ebenso die spezifische Dichte derselben. So schätze ich die Zahl der Geschmacksknospen bei der Taube auf etwa 50—75. Selten findet man auf einem Schnitte mehr als eine einzige. Bedeutend zahlreicher sind sie bei Sturnus und Anas, bei denen man auf Schnitten mehrere trifft. Die Anzahl derselben kann etwa 200 betragen. Bei weitem die meisten weisen die Papageien auf, etwa 5—400. Fast jeder Schnitt zeigt 4—5 Knospen. Nie aber wird die hohe Zahl von einigen Tausenden auch nur annähernd erreicht, wie es bei den Säugetieren der Fall ist. Nach meinen bisherigen Erfahrungen scheint die Anzahl in einem gewissen Abhängiskeitsverhältnis von der Form, auf die ich in einem der späteren Abschnitte genau zu sprechen komme, zu stehen. Denn wie ich zeigen werde, enthalten die breiten Geschmacksknospen eine erheblich größere Menge von Neuroepithelzellen als die schmalen. Es läßt sich annehmen, daß zur Vermittelung einer deutlichen Geschmacksempfindung von ersterer Art Endknospen eine bedeutend geringere An- zahl nötig ist als von der letzteren, daß also Zahl der Knospen und Anzahl der Sinneszellen in denselben in einem Verhältnisse der umgekehrten Proportionalität stehen. Histologisches. Zum Studium des feineren Baues der Geschmacksorgane habe ich mich Materials bedient, das auf zweierlei verschiedene Weise fixiert war. Die abgetragene und von anhaftenden Muskeln möglichst befreite Schleimhaut härtete ich in der Regel 24 Stunden in Müllerscher Lösung mit einem Zusatze von 1—2°/ Formaldehyd und erhielt fast immer gute Bilder. Diese Methode hat vor der folgenden den Vorzug, daß sie sämtliche Nachfärbungen erlaubt. Sehr gute Resultate ergab auch, namentlich zum Studium des feineren Baues der Zellen, die Fixierung mit Osmium- säure und Platinchlorid (Hermannsches Gemisch) bei einer Einwirkung von etwa 4 Stunden mit halbsolanger Nachbehandlung mit Holzessig. Auf hellerem Grunde hoben sich dann die stärker geschwärzten Geschmacksknospen ab mit stark impräg- nierten Neuroepithelzellen. Von den verschiedenen Färbemethoden kamen fast ausschließlich die sehr be- queme Dreifachfärbung nach van Gieson (Haematoxylin-Picrin-Fuchsin), namentlich wenn es galt, schnell das Vorhandensein von Geschmacksknospen nachzuweisen, und Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 7 die Heidenhainsche Eisenhämatoxylinfärbung in Anwendung. Brauchbar zeigten sich auch die Färbung mit Hämatoxylin-Azur, wenn es sich darum handelte, die an die Geschmacksknospe herantretenden Nerven sichtbar zu machen, und Hämatoxylin- Eosin. Bei Objekten, die mit Osmiumsäure fixiert waren, erwies sich sehr oft eine Nachfärbung nach Heidenhain zur scharfen Hervorhebung der Kerne von Vorteil. Geschnitten habe ich nur in Paraffin gebettetes Material. Schnitte von 10 u. Dicke waren meist ausreichend, seltener brauchte ich dünner zu schneiden, nur wenn es galt, bei ganz starken Vergrößerungen die Zellstrukturen der die Geschmacks- knospe zusammensetzenden Elemente auf ihre feinsten Details hin zu studieren. Nicht immer war es leicht, die Grenzen deutlich sichtbar zu machen, da die Membranen der einzelnen Zellen so dünn sind, daß sie sich oft der Wahrnehmung entziehen. Am besten gelang es, sie scharf zur Anschauung zu bringen dadurch, daß man mit Osmiumsäure. fixierte. Dann traten die Zellgrenzen in Form aller- feinster schwarzer Linien hervor. Zur Isolation der Elemente der Knospen versuchte ich die verschiedensten Methoden. Ich mazerierte mit Kalilauge in konzentrierter und wässeriger Lösung, Oxalsäure und Schwefelsäure, ohne zum Ziele zu kommen, da ich von den Zerfalls- produkten nie mit Sicherheit nachweisen konnte, daß sie auch Teile der Geschmacks- knospe. waren. Schließlich kam ich auf einem anderen Wege zum Ziele. Nicht allzudünne Schnitte, von etwa 15—20 x Dicke, von mit Osmiumsäure gehärteten Stücken mazerierte ich nach Entfernung des Paraffins in konzentrierter Kalilauge. Da man an den Schnitten schon bei schwacher Vergrößerung die Geschmacksknospen deutlich als schwärzliche Gebilde erkennen konnte, so ließ sich der ganze Vorgang unter der Lupe leicht verfolgen. Wenn ich dann den richtigen Zeitpunkt abpaßte, konnte ich durch einen geeigneten Druck auf das Deckglas den Zerfall der -Ge- schmacksknospe in ihre Elemente bewirken, ohne sie einen Augenblick aus den Augen zu verlieren. Diese Methode hatte außerdem noch den Vorteil, daß sie in- folge der vorhergegangenen Härtung alle Formveränderungen, namentlich Vergquel- lungen, so gut wie ausschloß und man daher die Elemente in ihrer natürlichen Form studieren konnte. Über die innere Struktur der Zellen konnte ich mich nur an Schnitten orientieren. Die beigegebenen Abbildungen wurden von mir mit einem Leitzschen Mikroskope hergestellt. Die Umrisse habe ich mit dem Abbeschen Zeichenapparate angefertigt und die Feinheiten mit der Hand eingetragen und ausgeführt. Die Mehrzahl der Figuren ist bei 4S0facher Vergrößerung gezeichnet, nur einzelne Zellstrukturen bei Ss00 und 1000facher Vergrößerung. Auch ist bei jeder Abbildung die Vergrößerung angegeben. Die im topographischen Teile aufgestellte Einteilung werde ich auch für die Besprechung der Geschmacksknospen beibehalten. Die histologischen Unterschiede im Bau bedingen eine scharfe Trennung der in den Fig. 8S—10 auf Taf. 1 im Schema veranschaulichten 3 Typen, die den drei Gruppen entsprechen. Es dürfte sich empfehlen, zunächst auf die Form der Endknospen einzugehen, die den bisher bei den Vertebraten aufgefundenen am nächsten stehen und daher am leichtesten zu verstehen sind. Taf. 2, Fig. 15 und 16 zeigen uns derartig gebaute Ge- schmacksknospen von Melopsittacus undulatus. Sie sind nach dem Typus III gebaut Archiv für Biontologie. I. 06. 2 18 W. Bath: und kommen nur den Papageien zu, die ich unter Gruppe IIT besprochen habe. Die Knospen lassen deutlich die Zusammensetzung aus den beiden Elementen der Stütz- und Geschmackszellen erkennen. Die Färbung der Schnitte mit Eisen- hämatoxylin gab vorzügliche Bilder. Zwischen den nur wenig gefärbten Stützzellen hoben sich die 'Geschmacks- oder Neuroepithelzellen als dunkel gefärbte Gebilde außerordentlich scharf und deutlich hervor, sodaß eine Mazeration zum Studium der Knospenelemente unnötig wurde. Porus, Knospengrübchen und Sinnesstifte lassen gleichfalls keine besonderen Abweichungen erkennen. Die Knospen dieser Gruppe sitzen entweder direkt dem Corium breit auf oder stehen bisweilen auch durch eine kurze Papille mit diesem in Verbindung. Unter Typus I und II verstehe ich Geschmacksknospen von einer anderen Zu- sammensetzung. Der Unterschied besteht darin, daß bei ihnen noch eine dritte Zellart hinzukommt. Außer den Stütz- und Geschmackszellen, die sich gleichfalls durch die ganze Länge der Geschmacksknospe erstrecken, ist noch eine besondere Sorte von Zellen vorhanden, die ich, da sie eine Hülle um die beiden ebengenannten Zellen zu bilden scheinen, mit dem Namen Hüllzellen belegen möchte. Diese Hüllzellen sind immer vorhanden und bei den Geschmacksknospen aller Vögel, die von mir unter Gruppe II und III zusammengefaßt sind, zu finden. So gebaute Geschmacksknospen (Taf. 1, Fig. 8 und 9) scheinen nur bei Vögeln vorzukommen und daher ein spezifisches Merkmal der Mehrzahl von ihnen zu sein, da bisher Gebilde von derartisem Bau noch nicht aufgefunden worden sind. Da die Hüllzellen durch ihre Anordnung die Gestalt derselben im wesentlichen bestimmen, so möchte ich zwei wiederum scharf getrennte Typen aufstellen. Bei der ersten Art, dem TypusI (Taf. 1, Fig. 8), sind die Hüllzellen hauptsächlich im basalen Teile angeordnet, wo sie in mehreren Schichten den zentralen Teil der Geschmacksknospe umgeben, während sie am distalen Ende nur noch in einer Schicht gelagert sind. Sie überragen meist das Zentrum, erreichen aber nie die Oberfläche der Epidermis, sondern werden noch von zwei bis drei Zellschichten des Stratum corneum überdeckt. Diese Art von Geschmacksknospen scheint am weitesten verbreitet zu sein, da ich sie bei der Mehrzahl der untersuchten Vögel habe feststellen können, die ich unter Gruppe I angeführt habe. In den Abbildungen finden wir Geschmacksknospen mehrerer hierher gehörender Spezies. Die Knospen zeigen trotz verschiedener Schwankungen meist Birnenform. Taf. 2, Fig. 11 und 12 zeigen uns an Geschmacksorganen von (Oolumba, sowie Taf. 3, Fig. 13 von Chloris die Hüllzellen ziemlich zahlreich. In den schlankeren Geschmacksknospen von Hirundo (Taf. 2, Fig. 14), Sturnus (Taf. 2, Fig. 15) und Passer (Taf. 3, Fig. 17) finden wir weniger Hüllzellen. Wir sehen auch, daß sich überall ein gut aus- gebildetes Knospengrübchen und deutlich ausgeprägte Stiftchen finden und daß sich die Sinnes- und Stützzellen, im zentralen Teile gelesen, durch die ganze Länge der Geschmacksknospe erstrecken. Meist sitzt die Geschmacksknospe in einer becher- förmigen Vertiefung des Coriums, und Papillen, oft mit Blutkapillaren versehen (Taf. 3, Fig. 19), umgreifen den basalen Teil derselben. Selten, so bisweilen bei Passer (Taf. 3, Fig. 17), sitzt die Knospe einer Papille auf, die sich oben etwas becherförmig verbreitert. Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 19 Bei dem Typus II (Taf. 1, Fig. 9) macht die Gesamtheit der Hüllzellen den Eindruck eines Hohlzylinders, der nach oben zu immer offen ist, am Boden aber bis- weilen einige locker gelagerte Zellen enthalten kann. Die in der Mitte gelegenen Stütz- und Geschmackszellen haben gleichfalls die Form eines Zylinders, der in seinem basalen Teil ein wenig verdiekt sein kann. Denkt man sich nun über diesen Zylinder, der also die Stütz- und Sinneszellen enthält, den etwas längeren Hohlzylinder derart sestülpt, daß er basalwärts genau mit dem Boden des ersteren abschließt, distal- “ wärts aber ihn etwas überragt, so hat man eine richtige Vorstellung vom Bau dieses Typus der Geschmacksknospen. Ferner ist charakteristisch, daß sie das Stratum corneum in der ganzen Breite durchbrechen. Ein Porus kommt daher nicht zur Entwicklung, das Knospengrübchen dagegen ist gut ausgebildet. Derartig gebaute Geschmacksknospen zeigen uns Taf. 3, Fig. 22 und 23 von Phoenicopterus und Anas. Die Hüllzellen sind in außerordentlich großer Zahl entwickelt und besonders gut zu erkennen an Material, das schon ein wenig durch längeres Liegen mazeriert ist. Meist findet man, daß der obere Teil der Knospe das umgebende Stratum ein Stück überragt, wie Taf. 1, Fig. 9 veranschaulicht. Aufgefallen ist mir bei Anas, daß die Endknospen sich oft in einer Schleimhaut mit verhältnismäßig stark entwickeltem Stratum ceorneum finden, sodaß das obere Fünftel in diesem stecken kann. Dies ist nur dadurch möglich, daß die Geschmacksknospe des Stratum corneum der ganzen Breite nach durchbricht und damit die Ausbildung eines Porus in Weg- fall kommt. Von nicht geringer Bedeutung für die scharfe Trennung und Unterscheidung der drei von mir aufgestellten Typen ist, wie schon angedeutet, der Umstand, daß ich niemals bei einem Vogel Geschmacksknospen zweier verschiedener Typen habe vorfinden können, sodaß ich daher nach den bisherigen Resultaten schließen muß, daß bei ein und derselben Spezies auch nur ein und dieselbe Art von Geschmacks- knospen vorkommt. Interessant wäre es festzustellen, ob bei phylogenetisch zu- sammengehörenden Gattungen immer nur ein Typus entwickelt ist, oder ob die ver- schiedene Ausbildung der Organe dieses wichtigen Sinnes erst sekundär eine An- passung an die Nahrung und die Nahrungsaufnahme ist. Ersteres glaube ich für die von mir untersuchten Vögel bejahen zu können. Was nun die Form der Geschmacksknospen anbelangt, so sind die vom Typus I mehr oder weniger eiförmig gestaltet, erreichen ihren größten Durchmesser etwa im unteren Drittel, von wo sie sich nach der Spitze zu allmählich verjüngen. Hier weisen sie das Knospengrübehen, eine oft ziemlich tiefe Einsenkung, auf. Die von Gruppe II sind zylinderförmig und haben oben und unten denselben Durchmesser; das Grübchen ist meist ziemlich flach und nur so hoch, daß es die Sinnesstiftehen um ein wenig überragt. Der Typus III ist fast von Kugelform, in der Regel nach oben und unten etwas ausgezogen, mit deutlich entwickeltem Grübchen. Sie wären daher vielleicht nicht unpassend mit einer Zwiebel zu vergleichen, aber nur der Form, nicht dem inneren Aufbau nach, eine Bezeichnung, die schon von Loven für die Geschmacksknospen der Säugetiere eingeführt ist, aber zu manchem Mißverständnis Anlaß gegeben hat. Die Größe der Geschmacksknospen unterliegt nicht geringen Schwankungen. Die kleinsten habe ich bei den Papageien aufgefunden, die größten bei den Zamel- lirostres und G'ressores. I+ 20 W. Bath: In den folgenden Tabellen habe ich die Größe der Geschmacksknospen der verschiedenen Spezies angegeben. Ich habe jedesmal mehrere dieser Organe ge- messen und danach das angeführte Maximum und Minimum berechnet: Gruppe I Länge inmm Breite in mm 1 | Columba livia domestica L. 0,073—0,109| 0,05 —0,074 2 | Sturnus vulgaris L. 0,115—0,132 | 0,026—0,051 3 | Turdus merula 1. 0,097 —0,117 | 0,033 —0,041 4 | Emberiza citrinella L. 0,099—0,113 [0,024—0,030 5 | Chloris chloris L. 0,063—0,037 | 0,036 —0,048 6 | Passer domesticus L. 0,091 —0,149 | 0,022 —0,038 7 | Hirundo rustica 1. 0,079—0,101 | 0,028 —0,046 3 | Cypselus apus 1. 0,106 —0,127 | 0,035 —0,042 9 | Dendrocopus minor (L.) 0,065—0,082 | 0,029 —0,036 10 | Gallus domesticus 1. 0,073—0,099 | 0,04 —0,053 11 | Falco tinnunculus L. 0,132—0,165 [0,04 —0,05 12 | Circus macrurus (Gm.) 0,115 —0,158 | 0,049 —0,085 13 | Buceros bicornis L. 0,099—0,150 | 0,039—0,052 Gruppe II Längeinmm Breite in mm 1 | Anas boschas L. 0,182—0,218 0.049 0,066] 2 | Spatula clypeata Boie. 0,221—0,281 | 0,056 —0,063 3 | Phoenicopterus roseus Pall. 0,175—0,213 | 0,059 —0,068 Gruppe Ill Längeim mm Breite in mm | 1 | Melopsittacus undulatus Gould. |0,04 —0,05 |0,033—0,043 I} a 2 | Palaeornis rufirostris (L.) 0,049 —0,066 | 0,041—0,053 Vergleichen wir die einzelnen Gruppen miteinander, so finden wir, daß sie außerordentliche Abweichungen aufweisen, daß der Übergang von der einen zur anderen sprungweise geschieht, während die Gruppen unter sich wohl einige Verschieden- heiten zeigen; aber diese Verschiedenheiten werden dadurch unwesentlich, daß alle Übergänge existieren. Klar wird dies, wenn wir eine Zusammenstellung der Mittel- werte wahrnehmen. Gruppe I. Länge: Minimum 0,063, Maximum 0,165 mm Breite: & 0,022, n 0,085 „ Mittel der Länge 0,114, Mittel der Breite 0,063 mm Gruppe H. Länge: Minimum 0,175, Maximum 0,281 mm Breite: 2 0,049, n 0,068 Mittel der Länge 0,225, Mittel der Breite 0,057 mm Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. >31 Gruppe II. Länge: Minimum 0,04 , Maximum 0,066 mm Breite: 5 0,033, » 0,053 „ Mittel der Länge 0,053, Mittel der Breite 0,043 mm Wir sehen also aus diesen Zusammenstellungen, daß namentlich die Länge großen Schwankungen unterliegt, die Breite hingegen für alle Gruppen ziemlich kon- stant ist. Gruppe II weist die längsten, Gruppe III die kürzesten Geschmacks- knospen auf. Die längsten Knospen sind aber nicht auch die breitesten, denn die Breite hat nicht proportional zur Länge zugenommen. Berücksichtigt man das Ver- hältnis der Länge zur Breite, so.sind diese ziemlich am schlanksten gebaut. Sie sind etwa 4 mal so lang als breit, die der Gruppe I durchschnittlich nur doppelt so lang als breit, während bei den Papageien annähernd die Kugelform erreicht wird. Nun noch einen kurzen Vergleich der Größenverhältnisse dieser Geschmacks- knospen mit denen der Mammalia. Meinen Betrachtungen lege ich die Maßangaben zugrunde, die sich m Strickers „Handbuch der Lehre von den Geweben“ finden. Engelmann gibt die Größe der Knospen von Mensch, Kaninchen, Hund, Ochs und Schwein an mit folgenden Zahlen: Längeinmm Breite m mm Mensch 0,077—0,081|0,039 Kaninchen 0,045 —0,070 | 0,030 —0,045 Schwein 0,055—0,130 [0,02 —0,052 Ochs 0,048 Hund 0,0306 Die größte Länge, die der Geschmacksknospen der Ochsen, steht nur der Gruppe II noch nach. Wir werden also zu dem Schlusse geführt, dab die Größe der Geschmacksknospen der Mammalia und Aves keine erheblichen Differenzen aufweist; nur die Zamellirostres und Gressores gehen über das bisher bekannte Maß hinaus, scheinen überhaupt die größten Geschmacksknospen unter den Wirbeltieren zu besitzen. Ich habe also zwei Arten von Endorganen gefunden, die nur den Vögeln zu- zukommen scheinen und, da sie bisher bei keinem anderen Tiere aufgefunden sind, eine Bigentümlichkeit dieser Klasse zu sein scheinen. Meine Befunde stehen mit den Angaben Botezats in Widerspruch. Im geschichtlichen Teile der Arbeit habe ich seine Ergebnisse mit seinen eigenen Worten wiedergegeben, um es dem Leser zu erleichtern, meine Auslassungen mit seinen Angaben’ zu vergleichen. Botezat gibt an, bei den von ihm untersuchten Vögeln, Columba, Passer, Anas, Endknospen gefunden zu haben, die mit den bei den übrigen Vertebraten vorkommenden über- einstimmen. Diese Angabe würde sich mit meinen Befunden decken lassen, wenn er sie bei Papageien gefunden hätte, bei denen ich Geschmacksknospen nachgewiesen habe, die den von ihm beschriebenen annähernd gleichen (s. Taf. 2, Fig. 15 und 16). Dies ist aber nicht der Fall. Er will sie bei Vögeln festgestellt haben, denen nach meinen Untersuchungen Geschmacksknospen von einem anderen Bau zukommen, nämlich von dem Bau der schon kurz beschriebenen Typen I und I, 22 W. Bath: die beide ein spezifisches Merkmal der Vögel sind und sich bei den übrigen Klassen der Vertebraten nicht finden. Bei Columba, Passer und Anas habe ich in der ganzen Mundhöhle trotz größter Aufmerksamkeit vergebens nach Geschmacksknospen von dem bei den Vertebraten meist verbreiteten T’ypus gesucht. Dagegen möchte ich annehmen, daß Botezat die Hüllzellen, die nach meiner Überzeugung zu den Geschmacksknospen gerechnet werden müssen, übersehen hat, was bei Passer und Columba leicht geschehen kann. In diesem Falle hätten die Geschmacksknospen dann allerdings, wie er angibt, ein ungefähr spindelförmiges Aussehen, wie man leicht aus den Figuren 12 und 17 auf Taf. 2 und 3 ersehen kann, wenn man sie daraufhin vergleicht, und würden auch im Bau den bei den Vertebraten ver- breiteten gleichen. Die zweite Sorte von Sinnesknospen, die Botezat gefunden hat, sollen nur den Vögeln zukommen und nicht solide Gebilde darstellen, sondern die sie zu- sammensetzenden Elemente sollen in der Achse des Organs dilatiert oder durch- brochen sein durch den Durchtritt des Ausmündungsganges der großen und auch kleinen Speicheldrüsen. Er hat diese Art durch Imprägnation mit Chromsilber nachgewiesen. Die durchbrochenen Endknospen sollen inbezug auf ihre Größe den erwähnten gewöhnlichen gleich, oder aber um ein bedeutendes kleiner sein. Letzeres sei besonders an der Unterseite der lateralen Zungenflügel der Fall. Über diese Art Geschmacksknospen kann ich nichts aussagen. Mit den von mir angewandten Methoden der Technik ist es mir nicht gelungen, Gebilde von derartigem Bau zu beobachten, so sehr ich auch, angerest durch diese Mitteilung, darauf geachtet habe. Es kann ja sem, daß ich daran gescheitert bin, daß ich mich mit den Silber- methoden zum Studium der feinen Nervenendigungen noch nicht eingehend befaßt habe, da ich von der Ansicht ausging, daß erst die Organe im ihrer histologischen Zusammensetzung bekannt sein müssen, ehe man sich daran machen kann, unter Vermeidung von Irrtümern, die sich sonst leicht einschleichen könnten, die Art und Weise ihrer Innervierung zu studieren, eine Aufgabe, die ich zum Gegenstand einer besonderen Arbeit zu machen gedenke. Wohl habe ich hier und da um die Ausführgänge der Speicheldrüsen Geschmacksknospen angetroffen. Abweichungen von dem gewöhnlichen Typus, die etwa den Angaben Botezats entsprechen könnten, gelang es mir nicht festzustellen. Nach allen meinen Beobachtungen waren sie genau So gebaut wie diejenigen, die unabhängig von den Ausführgängen frei im Epithel lagen. So habe ich bei Chloris häufig zu beiden Seiten solcher Ausführ- sänge vollkommen normal gebildete Geschmacksknospen vom Typus I finden können. Ebenso konnte ich für Melopsitiacus feststellen, daß die Geschmacksknospen vor- nehmlich neben diesen Mündungsstellen liegen. Taf. 2, Fig. 16 ist nach einer so gelagerten Knospe gezeichnet; ein Unterschied von Fig. 15, die nach einer frei im Epithel liegenden hergestellt ist, läßt sich zugunsten der Angaben Botezats nicht nachweisen. Der Typus III stimmt im Bau vollständig mit den Geschmacksknospen der Mammalia überein; bei den anderen beiden Typen finden sich gleichfalls bedeutende Ähnlichkeiten, da sie in den Hauptpunkten homolog gebaut sind. Die Abweichung besteht darin, daß für sie noch die Hüllzellen hinzukommen, ein Unterschied, der nur von sekundärer Bedeutung sein kann, da er auf die physiologische Tätigkeit Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 23 wohl kaum einen Einfluß hat. Sie sind genau so gelagert, in die Epidermis der Mundschleimhaut eingebettet und dem Corium aufsitzend. Ein Porus und Knospen- srübehen, der denen der Geschmacksknospen der Mammalia vollkommen gleich ge- baut ist, ist vorhanden. Ebenso weisen die Stützzellen bis in die feinsten Strukturverhältnisse Übereinstimmung auf. Nur die Sinneszellen weichen in- sofern etwas ab, als diejenigen der Vögel den Kern meist im distalen Teile aufweisen, während er bei allen anderen Klassen der Vertebraten im basalen Teile zu finden ist. Als vollkommen neues Moment dagegen treten die Hüllzellen auf, welche den zentralen Teil der Knospe, bestehend aus den Stütz- und Sinneszellen, fest umgeben und daher der ganzen Geschmacksknospe einen kompakteren Eindruck verleihen, ihr fast den Anschein einer höheren Ausbildung im Vergleiche zu dem Mammalia-Typus geben. Aber vom physiologischen Gesichts- punkte aus scheint diese Annahme nieht gerechtfertigt zu sein. Den höchst- entwickelten Geschmackssinn in der Reihe der Vertebraten haben nach den bis- herigen Erfahrungen ohne Zweifel doch wohl die Mammalia, von der Klasse der Aves wahrscheinlich die Psittaci. Auffallend ist nun, daß gerade diese Vögel Geschmacksorgane von dem einfacheren Bau derjenigen der Mammalia haben. Dem- nach scheint dieser Typus zur Vermittelung des chemischen Schmeckreizes am ge- eienetsten zu sein. Um diese Frage entscheiden zu können, ist jedoch noch mancherlei zu berücksichtigen, was sicherlich nicht ohne Bedeutung ist. In den Geschmacksknospen der Säugetiere und Papageien findet man die Neuroepithelien vollkommen isoliert und von einander getrennt durch die Stützzellen, während man in den Geschmacksknospen der Vögel vom Typus I und II die Neuroepithelien oft zu Gruppen zusammengelagert findet, da zu wenig Stützzellen vorhanden sind, sie alle von einander zu trennen (vergl. Taf. 2, Fig. 15, 16 mit Fig. 12, 13, 18 sowie 19—21 auf Taf. 2 und 3). Auch darf nicht außer acht gelassen werden, dab die Anzahl der Sinneszellen innerhalb einer Knospe zu berücksichtigen ist, sowie die Zahl der Geschmacksknospen d. h. die spezifische Dichte derselben auf einem bestimmten Raum der Schleimhaut. Aus der Größentabelle der Geschmacksknospen von Gruppe I ist ersichtlich, daß die Breite in recht weiten Grenzen schwankt, wenn man das Verhältnis der Länge zur Breite berücksichtigt. Die breitesten haben Oolumba, Chloris (Fig. 12, 18), die schmalsten Hirundo, Sturnus, Turdus und Passer (Fig. 13, 14, 17) aufzuweisen. Diese schlanken Geschmacksknospen enthalten eine bedeutend geringere Zahl von Stütz- und namentlich Sinneszellen als die diekeren. Außer durch Vergleichen der Zahl der Sinneszellenkerne auf Längsschnitten und durch das Studium von Quer- schnitten läßt sich dieses Verhalten sehr schön an der Anzahl der Geschmacks- stiftehen in den Poren verfolgen. Fig. 19, 20 und 21 zeigen uns Querschnitte durch den basalen, mittleren und distalen Teil einer Geschmacksknospe von Columba. Die Sinneszellen erkennt man leicht heraus an dem starken Lichtbrechungsvermögen des Plasmas, das bei der Färbung nach van Gieson nur etwas Pikrinsäure auf- genommen hat und sie daher im Querschnitt als kleine helle Kreise erscheinen . läßt, sowie, wenn die Kerne angeschnitten sind, an der intensiv dunklen Färbung derselben. Zu dem gleichen Resultat kommt man durch Zählen der Sinnesstifte in dem Geschmacksporus, den Textfig.1 u.2 (S. 25) von Columba darstellt. Es ist natürlich 24 W. Bath: zu berücksichtigen, daß auf Längsschnitten nur ein Teil der Stiftchen vorhanden ist, da ja auch nur ein Teil des Porus auf ein und demselben Schnitte getroffen ist. Bei der immer etwas schwankenden Breite schätze ich die Zahl der Sinneszellen in der Geschmacksknospe einer Taube auf 25—40. Bei Chloris mögen es etwa 15—20 Sinneszellen sein, dagegen bei Sturnus, Turdus, Passer, Hirundo, Emberiza kaum jemals mehr als 10, da man auf Schnitten immer verhältnismäßig wenige dieser Zellen vorfindet. Bei den Vögeln der Gruppe II wird nach meiner Schätzung die Zahl der Sinneszellen ebenfalls nicht besonders groß sein, dürfte auch wohl kaum mehr als zehn betragen. Bei der Gruppe I und II scheint die Zahl der Neuroepithelzellen in einem ge- wissen Verhältnisse zu der Anzahl der Knospen zu stehen. Wie schon im topo- graphischen Teile angegeben, findet man die Geschmacksknospen am zahlreichsten bei Anas, Passer, Sturnus und Turdus, also bei Vögeln mit recht wenig Geschmacks- zellen in den einzelnen Knospen; bedeutend geringer ist die Zahl der Geschmacks- knospen, dafür aber bedeutend größer die der Geschmackszellen in diesen bei Ohloris und Columba. Gallus zeigt etwa dieselben Verhältnisse wie Chloris. Mithin scheint die Anzahl der Sinneszellen der Anzahl der Geschmacksknospen umgekehrt proportional zu sein; je mehr Sinneszellen in einer Geschmacksknospe, umso weniger Geschmacksknospen und je weniger Sinneszellen, umso mehr Ge- schmacksknospen. Die Papageien dürfen aber nicht nach diesen Angaben gemessen werden. Ein Blick auf die Abbildungen 15 und 16, Taf. 2, zeigt uns, daß im den Knospen eine recht erhebliche Zahl von Geschmackszellen vorhanden ist. Nach meiner Schätzung dürften gegen 40 dieser Zellen zu finden sein, vielleicht sogar noch mehr. Gleichwohl besitzen diese Vögel sehr viele Geschmacksknospen, mehr als alle anderen Vögel. Es scheint fast, als ob die Papageien in der Ausbildung ihres Geschmackssinnes in jeder Beziehung den Mammalia näher stehen als den anderen Vögeln. Geschmacksporus und Knospengrübchen. Bei meinen Auslassungen über den Geschmacksporus und das Knospen- grübchen werde ich mich an V. v. Ebners treffliche Arbeit „Über die Spitzen der Geschmacksknospen“ halten, da meine Befunde mit seinen Angaben fast voll- ständig übereinstimmen. Er versteht unter Geschmacksporus den das Stratum cor- neum durchbrechenden Kanal, der die Verbindung der Knospenspitze mit der Mund- höhle herstellt. Er durchsetzt in der Regel zwei bis drei Lagen platter Zellen. Das gleiche gilt auch für die Gruppen I und III der untersuchten Vögel. Die Ein- senkung in die Geschmacksknospe selbst, in deren Grunde die Sinnesstiftchen sich befinden, rechnet er nicht mehr zum Porus, sondern nennt sie Knospengrübchen, das an Länge den eigentlichen Porus oft bedeutend übertrifft. Die in dieses hin- einragenden Stiftehen erreichen nirgends den Porus, sondern sind vollständig von ihm eingeschlossen. Die Textfiguren 1-9, S. 25, sowie Taf. 4, Fig. 30 zeigen uns, wie die Verhältnisse bei Typus I und III der Geschmacksknospen liegen. Wir sehen auch hier die obersten Epidermislagen vom Porus durchbrochen. Dieser setzt sich in das Knospengrübchen fort, das bei Typus I zu oberst meist von einem Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. ’ 25 Fig. 1. Columba livia domestica. Fig. 2. Columba livia domestica. Fig. 3. Gallus domesticus. Fig. 5. Chloris chloris. Fig. 7. Sturmmus vulgaris. Fig 8. Passer domesticus. Fig. 9. Anas boschas. Fig. 1—9. Geschmacksporus und Knospengrübchen mit Sinnesstiftehen verschiedener Vögel. Vergr. 750/1. Kranze von Hüllzellen gebildet wird. Es kommt jedoch auch vor, daß die Hüll- zellen nicht bis zur Spitze der Geschmacksknospe hinaufreichen, sondern schon ein Endchen tiefer aufhören. Der untere Teil des Grübchens bildet eine oft ziemlich tiefe Einsenkung in die Gesamtheit der Stütz- und Sinneszellen. Bei Typus III kommt natürlich der Kranz der Hüllzellen in Wegfall. Die Gestalt des Porus so- wohl wie des Grübchens schwankt nicht unerheblich. Schon bei ein und demselben Vogel herrscht oft ein bedeutender Unterschied. Man vergleiche daraufhin die Fig. 12, Taf. 2, und Textfiguren 1 und 2, die alle von der Taube herrühren. Während man bei Fig. 1 kaum von einem Porus sprechen kann und auch das Grübchen nur sehr flach ist, finden wir in Fig. 12 einen sehr langgezogenen Porus und ein gut entwickeltes Grübchen. Ähnliche Verhältnisse kann man bei allen Vögeln finden und sind sie auch bei den Mammalia längst bekannt. Man findet, daß in der Regel der Durchmesser des Porus geringer als der des Grübchens 26 W. Bath: ist, in dessen Grunde sich die größte Weite nachweisen läßt. Am stärksten ent- wickelt findet man den Porus bei Pusser und Sturnus (Fig. 6, 7, 5), wo er eine Größe aufweist, wie kaum bei einem anderen Vogel. Sehr kräftig sind auch das Grübchen sowie die Sinnesstifte ausgebildet. Diese ragen vom Boden oder seitlich hinein und erreichen fast nie den Porus. Nur bei Sturnus habe ich hier und da ein derartiges Verhalten beobachten können. Bei den Geschmacksknospen der Gruppe II kann von einem Geschmacksporus im Sinne Ebners nicht die Rede sein, da die Geschmacksknospe der ganzen Breite nach das Stratum durchbricht, mithin ein Porus garnicht zur Entwicklung kommt; dagegen findet man ein gut ausgebildetes Grübchen, das die Fig. 22, 23 auf Taf. 3 und Textfigur 9 veranschaulichen. Auch hier schwankt die Form nicht unerheblich. In der Regel wird. der obere Teil auch aus Hüllzellen gebildet, die Einsenkung in den Komplex der Stütz- und Sinneszellen ist sehr flach, sodaß es vorkommt, daß die Stiftehen das Grübchen überragen. Bei Typus III (Taf. 4, Fig. 50) liegen die nicht sehr langen Stiftehen immer vollkommen im Grübchen versenkt. Der eigentliche Zweck des Knospen- grübehens wird der sein, die zarten Sinnesstiftichen vor Verletzungen, denen sie, wenn sie über die Oberfläche frei hinausragen würden, sicher leicht ausgesetzt wären, zu schützen. Als die Elemente, welche die Geschmacksknospe zusammensetzen, hätten wir die drei Zellarten der Hüllzellen, Stützzellen und Geschmackszellen zu besprechen. Hüllzellen. Die Hüllzellen kommen nur den beiden ersten Typen von Geschmacks- knospen zu und geben ihnen hierdurch einen morphologischen Charakter, der eine spezifische Eigentümlichkeit der Vögel zu sein scheint, da er bisher nur bei diesen von mir festgestellt ist. Es sind diejenigen Elemente der Geschmacksknospe, die noch am meisten den zu unterst gelegenen Stratum- Malpighizellen gleichen, und deren Differenzierung zu scharf charakterisierten Gebilden am wenigsten fortgeschritten ist. Die Zugehörigkeit dieser Zellen zu den Elementen der Geschmacksknospe gibt sich namentlich auf Präparaten, die mit Osmiumsäure fixiert sind, deutlich zu erkennen. Nicht ganz so scharf tritt dies hervor bei der Konservierung mit Müllerscher Lösung. Doch kann man es auch hier erreichen, wenn das zu bearbeitende Material nicht mehr ganz frisch, also schon ein wenig der Zersetzung ausgesetzt war; dann gab die Färbung mit Eisenhämatoxylin Bilder, die deutlich die Zugehörigkeit der Hüllzellen zu den Elementen der Ge- schmacksknospe bewiesen. Besonders gut war mir dies bei Spatula gelungen. Prä- parate von ganz frischem Material heben die Unterschiede nicht so gut hervor, aber nur allein solches kann man natürlich zum Studium der histologischen Struktur- verhältnisse der Zellen verwenden. Betrachtet man den Längsschnitt einer Geschmacks- knospe bei schwächerer Vergrößerung, so findet man bei Gruppe I mehr oder weniger eiförmige, bei Gruppe II zylinderförmige Gebilde, die sich deutlich hervorheben und in der Mitte sehr matt gefärbte Zellen einschließen. Bei stärkerer Vergrößerung er- kennt man deutlich, daß letztere Zellen die Stütz- und Sinneszellen sind und daß diese von unregelmäßig polygonalen, meist ein wenig in die Länge gezogenen Zellen, Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 927 den Hüllzellen, dicht umlagert sind. Weiter spricht für die Zugehörigkeit dieser Zellen zu der Geschmacksknospe, daß die Abgrenzung derselben gegen die umgebenden Epi- dermiszellen meist eine schärfere ist als gegen die in der Mitte gelegenen Stütz- und Sinneszellen, sowie das verschiedene Verhalten den Farbstoffen gegenüber. Diese Hüllzellen, die in den Tafelfiguren 11—14, 17—23 deutlich zu erkennen sind, umgeben die Stütz- und Sinneszellen peripher in mehreren Schichten. Sie sind an den Seiten sehr zahlreich und dicht gelagert, an der Basis dagegen einzeln, getrennt durch die dazwischen hindurchtretenden Stütz- und Sinneszellen (Fig. 13, 18, 22, 23). Ihre Gestalt ist keine regelmäßige und bestimmte, meist sind sie m der Richtung des Kernes ein wenig in die Länge gezogen und von unregelmäßig polygonaler Form (Fig. 25 und 33a). Die Isolation derselben gelang mir bei der Taube auf die be- schriebene Methode. Fig. 25 ist nach derart isolierten Zellen gezeichnet, Fig. 55 dagegen nach einer zufällig zerrissenen Geschmacksknospe der Schwalbe. Bei der Fixierung mit Osmiumsäure und bei reiner Eisenhämatoxylinfärbung schwärzen sie sich bedeutend stärker als die Fpidermiszellen, bei der van Gieson-Färbung zeigen sie meist bedeutend mehr Neigung, die Pikrinsäure aufzunehmen, während das Plasma der Stratum-Malpighizellen ein mehr bräunliches Aussehen hat. Was nun den feineren Bau der Hüllzellen anlangt, so habe ich an ihnen bei Columba und bei Sturnus, bei denen sie besonders gut erhalten waren, ein feines Maschenwerk wahrnehmen können, das den Eindruck einer Schaumstruktur hervor- ruft und hierin von der allerdings seltener zur Beobachtung gelangten Struktur der untersten Epithelzellen kaum zu unterscheiden ist, höchstens vielleicht ein wenig engere Maschen aufweist (Fig. 13 und 25). Mit Osmiumsäure und danach mit Eisenhämatoxylin behandelte Stücke zeigen zahlreiche feine schwarze Körnchen, die diejenigen in den Epithelzellen an Zahl bedeutend übertreffen und ihnen daher ein dunkleres Aussehen geben. Die Kerne gleichen nach meinen Beobachtungen fast vollkommen denen der untersten Stratumzellen, sind vielleicht hier und da ein wenig chromatinreicher. Auch sie weisen, wie das Plasma, eine Schaumstruktur auf. Diese ist aber recht unregelmäßig, die Maschen sind bald groß, bald recht klein. Zwischen diesem achromatischen Kerngerüst findet man 2—3 größere Chro- matinbrocken neben einer Anzahl äußerst kleiner. Stützzellen. Die Stütz- oder Deckzellen stehen bezüglich ihrer Strukturverhältnisse den eben beschriebenen Hüllzellen sehr nahe, weichen jedoch von diesen in ihrer Form ganz bedeutend ab. Sie erstrecken sich durch die ganze Länge der Geschmacks- knospe und haben daher immer eine schlanke spindelförmige Gestalt. Die Figuren 24 und 26, nach Isolationspräparaten gezeichnet, geben dies deutlich zu erkennen. Die hier gezeichneten Zellen stammen von der Taube. Die Gestalt scheint für alle Vögel der Gruppe I und III ungefähr dieselbe zu sein, dagegen bei Gruppe II sind sie bedeutend schmaler und gleichen hier der Form nach fast vollkommen den Sinneszellen, entbehren jedoch des Sinnesstiftchen, was ein sicheres Unter- : scheidungsmerkmal ist. Ich will hoffen, daß die abgebildeten Stützzellen so ziemlich ihre natürliche Form durch die angegebene Isolationsmethode behalten haben, Ver- änderungen irgend welcher Art habe ich nicht beobachten können. Die Struktur- 238 W. Bath: verhältnisse habe ich an isolierten Zellen natürlich nicht studieren können, diese sind nach Schnitten, die histologisch gut erhalten waren, eingezeichnet. Die Lagerung des Kernes in der Zelle ist äußerst verschieden. Meist liegst er unterhalb der Mitte, doch findet man ihn nicht selten auch im distalen Teile. In der Regel ist die Partie der Zelle, die den Kern enthält, etwas verdickt (Fig. 24). Basal- wärts läuft die Zelle spitz aus, distalwärts endet sie meist ebenfalls in eine Spitze, selten abgestutzt (Fig. 26). Manche Forscher haben die Stützzellen in den Geschmacksknospen der Säugetiere in zwei verschiedene Arten aufgelöst, so Schwalbe und Hermann, welche äußere Stützzellen oder Pfeilerzellen, die nur peripher gelagert sein sollen und distalwärts breit und spitz enden, und innere Stützzellen oder Stabzellen unterscheiden, die mehr zentral gelegen, zarter gebaut sind und eine andere Struktur aufweisen. Die Stabzellen waren von Schwalbe zuerst zu den Sinneszellen gerechnet worden, wurden später jedoch zu den Stütz- zellen gestellt. Die meisten Autoren jedoch stimmen dieser Teilung in zwei ver- schiedene Gruppen nicht bei, da die Unterschiede nicht allzu scharf sind, und kennen nur eine Art von Stützzellen. Auch ich konnte für die Vögel nur eine Art feststellen, die bald breit, bald spitz enden, jedoch weiter keine Unterschiede auf- zuweisen scheinen. Niemals habe ich Varikositäten an ihnen beobachten können, wie Loven, Schwalbe, Hermann an den Stützzellen von Endknospen der Säugetiere gesehen zu haben angeben. Loven und Schwalbe haben sie an Isolationspräparaten gefunden. Bei derart gewaltsamen Methoden, die feinen Gebilde von einander zu trennen, kann es nicht Wunder nehmen, wenn Zerreißungsprodukte und Fasern des darunter liegenden Bindegewebes und von Nerven an den Zellen haften bleiben und so Varikositäten vortäuschen können. Ich habe bei meinen Mazerationsversuchen mich sehr vor Irrtümern hüten müssen. Bisweilen glaubte ich, variköse Fortsätze ge- funden zu haben, es zeigte sich aber, daß diese vermeintlichen varikösen Fortsätze garnicht zur Zelle gehörten, sondern anhaftende fremde Bestandteile waren. Wie Hermann, der nur Schnitte untersucht hat, zu seiner Ansicht gekommen ist, glaube ich ebenfalls erklären zu können. Manche seiner Abbildungen, namentlich die Querschnitte durch die Geschmacksknospen, tragen offenbar den Charakter einer deutlichen Schrumpfung. Um jedoch sicher zu gehen, fertigte ich mir gleichfalls Präparate von Geschmacksknospen des Kaninchens an, die meine Vermutung voll- auf bestätigten. Die scheinbar recht empfindlichen Endknospen waren zum großen Teile nicht unerheblich geschrumpft und zeigten dann Bilder, die mit seimen Ab- bildungen vollkommen übereinstimmten und zwischen den einzelnen Zellen die gleichen großen Lücken aufweisen. An vollkommen gut erhaltenen und nicht ge- schrumpften Knospen war von derartigen Lücken nichts zu bemerken, vielmehr sind sie vollkommen solide Gebilde, deren Elemente keine Spur von Varikositäten auf- weisen. Bei geschrumpften Knospen waren sie immer zu beobachten und glichen vollkommen den Abbildungen Hermanns. Die Varikositäten entstehen dadurch, daß die ziemlich fest aneinander haftenden Zellen sich unregelmäßig zusammen- ziehen, mit der einen und der anderen Stelle aneinander haften bleiben und dadurch feine Fädchen bilden. Derartige Kunstprodukte treten namentlich im basalen Teile der Geschmacksknospe auf. Auch bei den Papageien und Krokodilen, deren Ge- Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile 29 schmacksknospen denen der Säugetiere gleichen, habe ich niemals derartige Gebilde beobachten können. Nach diesen Befunden kann ich mich nur der Ansicht der meisten Forscher auf diesem Gebiete anschließen, die bei sorgfältiger Untersuchung ebenfalls keine Varikositäten gefunden haben und diese daher für Kunstprodukte erklären. Wie schon kurz erwähnt, haben die Vögel, der Gruppe II in ihren Endknospen äußerst schmale und lange Stützzellen, die sich von den Sinneszellen der äußeren Gestalt nach nur durch das Fehlen der Sinnesstiftchen zu unterscheiden scheinen. Soviel ich an Schnitten studieren konnte, beginnen sie gleichfalls mit einer Spitze am Boden der Geschmacksknospe, tragen in wechselnder Höhe an einer verdickten Stelle den Kern und scheinen distalwärts meist breit zu enden, was sich schon aus dem Umstande schließen läßt, daß die Gesamtheit der Stütz- und Sinneszellen oben den gleichen Durchmesser aufweist wie in den mittleren Partien. Auffallend ist an den Geschmacksknospen dieser Gruppe, einen wie geringen Teil des Gesamt- gebildes die Stütz- und Sinneszellen ausmachen. Was nun die feineren Strukturverhältnisse anbelangt, so habe ich im Plasma bei (olumba (Fig. 24), Sturnus (Fig. 13) und Melopsittacus, wie bei den Hüllzellen, ein feines Wabengerüst nachweisen können, das namentlich bei Eisenhämatoxylin- färbung hervortritt. Die gleiche Beobachtung hat Hermann an seinen äußeren Stützzellen der Kaninchengeschmacksknospen gemacht. Er schreibt hierüber: „Was den Zellleib betrifft, so ist derselbe, wie sich namentlich durch Osmiumbehandlung, sowie mit der Heidenhainschen Hämatoxylinmethode leicht nachweisen läßt, von einem sehr deutlichen feinmaschisen Netzwerk durchsetzt. Die Maschen dieses Netzes sind im allgemeinen rundlich in der dem Kern zunächstliegenden Partie ziemlich weit, während sie sich in dem peripheren Stücke der Zelle stark in die Länge ziehen und so der Zelle eine exquisit streifige Struktur verleihen.“ Auch ich habe um den Kern herum die Maschen ein wenig größer gefunden, jedoch nicht, daß in den peripheren Enden die Maschen in die Länge gezogen sind. Bei der van Gieson-Färbung nimmt das Plasma nur gleich den Sinneszellen Pikrinsäure an und hebt sich dadurch von dem der Hüllzellen ab, die noch einen Stich ins Rötliche aufweisen. Osmiumsäure und Eisenhämatoxylin färbt sie ebenfalls recht zart und blaß. Die Kerne nehmen nicht so intensiv den Farbstoff auf wie die der Hüll- zellen. Auch an ihnen konnte ich eine unregelmäßige maschige Struktur beobachten, sowie 2—3 Chromotinbrocken erkennen (Fig. 24). Vergleichen wir nun die Stützzellen der Geschmacksknospen der Vögel mit denen der übrigen Wirbeltiere, so finden wir, daß die Stützzellen bei den Vögeln bedeutend schmaler gebaut sind, daß aber hinsichtlich des feineren Aufbaues keine nennenswerten Unterschiede bestehen, nur sind die Kerne weniger an den basalen Teil der Zelle gebunden. Geschmackszellen. Die Neuroepithel-, Geschmacks- oder Sinneszellen bilden den wichtigsten Teil der Geschmacksknospe, da durch sie die Geschmacksempfindung durch Um- setzung des chemischen Reizes in Nervenerregungen vermittelt wird. Die beiden anderen Zellarten sind mehr oder weniger nur zu dem Zwecke da, diese zu stützen 30 W. Bath: und ihnen zum Schutze gegen Verletzungen zu dienen. Daher findet man denn auch die Sinneszellen vornehmlich in dem geschütztesten Teile der Knospe, also in der Mitte, untergebracht. Hier findet man sie am dichtesten gelegen, nach außen werden sie seltener. Durch die Stützzellen, denen wahrscheinlich auch die Funktion zusteht, die Sinneszellen von einander zu trennen, werden sie isolierte Bei den Geschmacksknospen vom Typus I und II ist diese Isolation noch nicht besonders ausgeprägt. Wie namentlich die Fig. 19—21 deutlich zeigen, liegen die Geschmackszellen meist zu mehreren beisammen, in Bündeln von 2—3 Zellen. Bei Typus Ill dagegen, den Geschmacksorganen der Papa- seien, die denen der Säugetiere außerordentlich gleichen, ist die Trennung voll- kommen durchgeführt; Fig. 15 und 16 lassen dies auf Längsschnitten deutlich er- kennen. Die einzelnen Sinneszellen werden durch die Stützzellen vollkommen von einander isoliert und stehen nicht mit einander in Berührung. Von diesen Ge- sichtspunkten aus wird man vielleicht die verschiedenen Typen be- trachten müssen, wenn man die Frage einer höheren oder niederen Ausbildung des Geschmackssinnes entscheiden will. Wie schon dargelest, machen bei oberflächlicher Betrachtung Geschmacksknospen vom Bau des Typus I und II den Eindruck, vollkommener ausgebildet zu sein als die des Typus III und somit auch des Säugetiertypus. Dem widerspricht aber die Erfahrung auf Grund physiologischer Befunde. Die genaue Untersuchung zeigt uns nun, daß die Tiere mit höchstentwickeltem Geschmackssinn Knospen besitzen, in denen die Trennung der einzelnen Sinneszellen von einander vollkommen durchgeführt ist, während bei Knospen vom Typus I und II, die Vögeln mit niedrigerstehendem Geschmackssinn zukommen, diese Trennung noch im Stadium der Entwicklung zu stehen scheint. Daher glaube ich berechtigt zu sein, die höhere Ausbildung des Geschmackssinnes auf die scharfe Trennung der Sinneszellen von einander zurückführen zu können. Die Anzahl der Geschmacksknospen d. h. ihre spezifische Dichte kann hierbei nicht der wichtigste Faktor sein. Die Papageien mit ihren mehreren Hunderten von- Geschmacksknospen haben sicherlich einen ebenso hoch entwickelten Geschmacks- sinn wie manche Säugetiere mit ihren nach Tausenden zählenden Knospen. Die Neuroepithelzellen erstrecken sich, wie die Stützzellen, durch die ganze Länge der Geschmacksknospe und zeigen gleichfalls eine große Übereinstimmung mit denen der Mammalia. Auch sie sind lang und schmal und haben den Kern an einer bedeutend verdiekten Stelle liegen. Sie beginnen an der Basis der Knospen mit einer feinen Spitze, basalwärts enden sie breit, und diesem breiten Ende sitzt das Sinnesstiftehen auf. Als durchgreifender und sie vor den gleichwertigen Zellen der übrigen Vertebraten scharf charakterisierender Unterschied ist zu betonen, daß die Kerne meist oberhalb der Mitte der Zelle ge- legen sind, während sie sich sonst immer nur im basalen Teile finden. An unge- färbten und unaufgehellten Schnitten zeigen die ganzen Zellen ein so starkes Licht- breehungsvermögen, daß sie fast ganz homogen erscheinen. Nur bei bestimmter Abblendung kann man den Kern erkennen, er macht dann den Eindruck eines noch stärker liehtbrechenden hellen Bläschens. Bei weitem die beste Art und Weise, die Sinneszellen distinkt zu färben, ist die Heidenhainsche Hämatoxylinfärbung, angewandt nach vorhergesangener Fixierung mit Müllerscher Lösung. Als am besten Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 31 geeignet zum Studium der feinsten Strukturverhältnisse erwiesen sich die Ge- schmacksknospen von Melopsittaeus. Da ich jedoch vor allem Sinneszellen vom Typus I oder II untersuchen mußte, so nahm ich hierzu Knospen von Columba und Sturnus, die die Details einigermaßen erkennen ließen und mir zeigten, daß be- deutende Unterschiede nicht vorhanden sind. In isoliertem Zustande habe ich nur die Sinneszellen von Columba beobachtet, aber auch bei Melopsittacus war es mir mehrfach gelungen, auf Schnitten einige dieser Zellen der ganzen Länge nach zu verfolgen, ebenso bei Hirundo an zufällig zerrissenen Knospen. Da sie bei Melopsittacus mit Bisenhämatoxylin eine intensiv schwarze Färbung annehmen, während die Stützzellen farblos bleiben, so konnte ich ihre Form ebenso gut und scharf wie an Isolations- präparaten verfolgen. Niemals habe ich die auch hier bisweilen von älteren Autoren beschriebenen varikösen Fäden beobachten können, die auch Hermann nicht gefunden hat. F. E. Schulze, Loven, Schwalbe, Dogiel und andere haben festgestellt, daß die Neuroepithelzellen basalwärtsvom Kern als feines Fädchen auslaufen, das bisweilen Anschwellungen zeigt, während der obere Teil bedeutend breiter ist und sich nach der Spitze zu kaum verjüngt. Nach meinen Beobachtungen nun liegen für die Vögel die Verhältnisse etwas anders. Ich habe feststellen können, daß in der Breite oberhalb und unterhalb des Kernes ein Unterschied nicht zu finden ist. Die Kerne sind meist stark in die Länge gezogen, nur bei den Papageien besitzen sie eine fast kugelige Gestalt. Bei Sturnus, dessen Geschmacksknospen verhältnismäßig breite Sinneszellen aufweisen, treten die Kerne äußerlich am wenigsten hervor (Fig. 13 und 27). Bei allen anderen Vögeln ist eine starke Anschwellung an dieser Stelle wahrzunehmen. Von der verdiekten kernhaltigen Partie laufen die basalen und distalen Teile vollkommen gleichmäßig diek bis fast zum Ende fort bei Columba und Sturnus (Fig. 13 und 26), bei Hörundo dagegen und Psittacus (Fig. 39 und 33e) habe ich stets unregelmäßige Anschwellungen, bedingt durch dem Plasma einge- lagerte gröbere Körnchen, gefunden. Der häufig zu intensiv gefärbte Kern ließ die Strukturverhältnisse meist nicht in gewünschter Deutlichkeit erkennen, da er zu den Kernfarben sehr große Ver- wandtschaft zeigte. Bisweilen glaubte ich, ein Maschenwerk erkennen zu können, feiner als das der Stütz- und Hüllzellenkerne. Erschwert wird das Studium des- selben auch durch den großen Chromatinreichtum der Kerne. Neben einer großen Anzahl kleiner fand ich immer mindestens B—6 größere Chromatinbrocken. Bei der van Gieson-Färbung nehmen die Kerne eine dunkelbraune Farbe an und lassen kaum die einzelnen Chromatinstücke erkennen. Der Reichtum an chromatischer Substanz und das damit verbundene intensive Färbvermögen heben diese Kerne leicht hervor und lassen sie dadurch sofort von allen anderen unterscheiden. Alle bisherigen Forscher haben über die feineren Strukturverhältnisse der Sinneszellen nur angegeben, daß der Kern von einem spärlichen Protoplasmasaum umgeben ist, der oftmals kaum nachgewiesen werden kann. Nur in dem Lehrbuche der vergleichenden Histologie von C. Schneider findet sich eine Abbildung des oberen Endes einer Sinneszelle aus einer Geschmacksknospe von Triton. Wir sehen in dem leider nur kleinen Stück der Sinneszelle feine längsverlaufende Fibrillen; nach Schneiders Ansicht setzen sich diese auch in das Sinnesstiftchen fort, was an der Figur aber nicht zu erkennen ist. In allen Sinneszellen habe ich eine feine 39 W. Bath: Körnelung beobachten können, sowie bei Columba (Fig. 26) und Sturnus (Fig. 27, 28) äußerst feine längsverlaufende Fihrillen, die oft unregelmäßig gewellt sind, letzteres eine Erscheinung, die wohl erst durch die Konservierung hervorgerufen ist. Bei Melop- sittacus (Fig. 59, 40) habe ich nur 1-2 stärkere Fibrillen finden können, die den Ein- druck machen, als wenn sie aus mehreren miteinander verklebten Fädchen bestehen. Aufgefallen ist mir, daß ich diese Fibrillen, die man m gleicher Weise im basalen und distalen Teile beobachtet, niemals um den Kern habe herumlaufen sehen, es scheint, als wenn diese von ihm ausgingen. Für diese Annahme spricht auch, daß ich vereinzelt bei Sturnus (Fig. 27c) und bei Melopsittacus (Fig. 30a) den Kern in eine feine Spitze ausgezogen gesehen habe, die sich allem Anschein nach in eine Fibrille fortsetzt. Eine weitere interessante Beobachtung habe ich an den Neuroepithelzellen von Melopsittacus machen können. Fast sämtliche älteren Autoren, die sich mit der Isolation der Geschmacksknospenelemente befaßt haben, so F. E. Schulze, Schwalbe, Loven, haben sowohl an dem basalen, wie distalen Teile der Zelle eine Reihe von hintereinander liegenden Knötchen gefunden. Diese habe auch ich an den Sinneszellen von Hirundo (Fig. 426) und Melopsittacus beobachten können. An günstig gefärbten Zellen von Melopsittacus (Fig. 30 und 31) kann man deutlich erkennen, daß jeder dieser eigentümlichen Anschwellungen ein rings von Plasma umgebenes und sich mit Eisenhämatoxylin intensiv schwarz färbendes Körperchen entspricht. Diese scheinen nun mit den Fibrillen in unmittelbarem Zusammenhange zu stehen, da jedesmal, wenn man gleichzeitig das Fibrillenbündel zu beobachten Gelegenheit hat, dieses in das Körperchen übergeht und auf der der anderen Seite desselben sich wieder fortsetzt. Ähnlich werden die Verhältnisse wohl bei der Schwalbe liegen, doch konnte ich sie hier nicht feststellen, da die Erhaltung der Zellen nicht ausreichend war. Geschmacksstiftchen. Distalwärts enden die Neuroepithelzellen breit und bilden hier den Boden des Knospengrübchens, m das sie die Sinnes- oder Geschmacksstiftehen hinein- senden. Diese sind ebenfalls für alle Vögel nicht völlig gleich, sondern weisen hinsichtlich ihrer Länge Verschiedenheiten auf. Fast niemals überragen sie das Grübchen, sondern bleiben meist in dessen Grunde, sodaß sie vollkommen ge- schützt sind. Sie sind, bisweilen nur wenig, schmaler als die Sinneszellen und ragen von verschiedenen Seiten in das Grübchen hinein. Gegen die Sinneszelle sind sie immer scharf abgesetzt und verlaufen von der Basis bis zur Spitze gleich dick, wo sie ein wenig abgerundet enden. Meist sind sie gerade, selten ein wenig sekrümmt und gleichen kurzen starren Borsten, mit denen sie oftmals verglichen sind. Während Hermann angibt, daß die Stiftehen allmählich spitz auslaufen, wird meine Ansicht durch V. v. Ebners zahlreiche Abbildungen, die allerdings von Säugetieren herrühren, gestützt. Auch Schneider entwirft ein ähnliches Bild von der Form der Stiftehen bei Triton, nur ist es mir nicht gelungen, die von ihm angegebenen basalen Leisten auch für die Vögel nach- zuweisen. Ebensowenig ist es mir gelungen, über die feinere Struktur etwas zu ermitteln. Es wäre vielleicht nicht bedeutungslos gewesen festzustellen, ob sich die Fibrillen in das Stiftehen fortsetzen, wie es Schneider angibt, oder ob sie Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 33 schon vorher enden. Auch bei stärksten Vergrößerungen macht das Stiftchen einen vollkommen homogenen Eindruck. Die Länge der Stiftchen ist bei ein und derselben Vogelart konstant, bei verschiedenen Spezies aber äußerst variabel, wie aus den Textfiguren auf S. 25 ersichtlich ist. Während sie bei Columba (Fig. 1 und 2) sehr kurz sind, zeigen sie bei Sturnus, Chloris und Passer (Fig 4—8) eine beträchtliche Länge. Sehr zart sind sie bei Anas (Fig. 9). Die Zahl der in ein Grübchen hineinragenden Stiftchen richtet sich natürlich ganz nach der Menge der in der Knospe vorhandenen Neuro- epithelzellen. Daher sind sie bei Columba sehr zahlreich, während bei Passer, Sturnus, Anas nur wenige vorhanden sind. Basalzellen. Die sogenannten Basalzellen sind von vielen Forschern an Geschmacks- knospen beobachtet worden. Unter dieser Bezeichnung versteht man Zellen, die ‚an der Basis der Geschmacksknospe liegen und sich nicht durch die ganze Länge der @Geschmacksknospe erstrecken. Eine besondere Eigentümlichkeit dieser Zellen ist, daß sie nur zu gewissen Zeiten aufzutreten scheinen, da man sie nur bei einigen Geschmacksknospen findet, so daß es den Eindruck macht, als ob ein Teil der Knospen sie besitzt, ein anderer wieder nicht. Hermann war der erste, der auf diese Gebilde aufmerksam gemacht hat. Er gibt ihre Zahl für das Kaninchen auf zwei bis vier an, die gewissermaßen die Grundlage bilden, auf der sich die Geschmacksknospen erheben. Er hebt hervor, daß diese sich dadurch auszeichnen, daß sie mit ihrer Längsachse der Schleimhautoberfläche mehr oder weniger parallel laufen. Auch glaubt er in den Abbildungen bei Krause, Schwalbe, Engelmann, Rauvier, Stöhr die bodenständigen Zellen als Basal- zellen ansprechen zu dürfen. Auch ich möchte diese Zellen für einen wich- tigen Bestandteil der Geschmacksknospe halten, da es mir scheint, als ob die Regeneration der Geschmacksknospenelemente von ihnen aus- geht. Auch für die Vögel glaube ich diese Basalzellen nachweisen zu können, wenngleich es hier ungleich schwieriger ist, da die Anwesenheit der Hüllzellen, die teilweise auch an der Basis liegen, eine Unterscheidung von diesen sehr er- schwert, vielleicht wegen der großen Übereinstimmung beider Zellarten unmöglich macht. Bei den Papageien jedoch, denen die Hüllzellen fehlen, habe ich sie mit Sicherheit feststellen können. Nach meinen bisherigen Beobachtungen kann ich nur sagen, daß sie den zu unterst gelegenen Zellen des Stratum Malpighi vollkommen zu gleichen scheinen und den Eindruck von indifferenten, in die Basis der Knospe verlagerten Epithelzellen machen. Ihre Gestalt ist recht veränderlich; teils liegen sie senkrecht zur Längsachse der Knospe (Fig. 33b, 18), teils gleichgerichtet (Fig. 13, 15, 22, 23). Im ersteren Falle sind sie oft sehr in die Breite gezogen. Nie- mals dagegen habe ich variköse Fortsätze nachweisen können, welche Hermann bei Basalzellen von Kaninchengeschmacksknospen abgebildet hat, die ich aber aus- nahmslos für Kunstprodukte halte, entstanden durch Schrumpfung. Die Vermehrung ‚findet durch Mitose statt, die Hermann zu beobachten Gelegenheit hatte. In einer anderen Arbeit über die Entwicklung der Endknospen bei Kaninchenembryonen hat er festgestellt, daß sich die Geschmacksknospen in ihrer ersten Anlage als spindel- Archiv für Biontologie. I. 06. 3 34 W. Bath: förmige Zellen in der untersten Schicht des Stratum Malpighi nachweisen lassen, daß diese Zellen aus Epithelzellen hervorgehen und sich später zu Stütz- und Ge- schmackszellen differenzieren. Hieraus läßt sich auch die Annahme herleiten, daß höchstwahrscheinlich die Regeneration auch von unten her stattfindet. Daß eine Regeneration stattfinden muß, beweist die Tatsache, daß viele Autoren sowohl degenerierende Stützzellen, wie Sinneszellen gefunden haben. Auch Her- mann hat derartige Bilder in sonst völlig normalen Knospen gefunden. Meine Vermutung, daß es sich in den Basalzellen um die Regenerationsherde für die Stütz-, Sinnes- und auch Hüllzellen handelt, wird auch noch durch seine Angabe gestützt, Karyokinesen in Basalzellen beobachtet zu haben. Einige der Basalzellen wachsen in die Höhe und bilden sich zu differenzierten Hüllzellen, Stütz- und Sinneszellen um. Die Hüllzellen gleichen außerordentlich den Basalzellen, sodaß eine große Umbildung kaum nötig ist, wie bei den beiden anderen Zellarten. Hermann will auch in Stützzellen und zwar Pfeilerzellen Karyokinesen gefunden haben. Mit dieser Beobachtung steht er jedoch allein da, bisher ist es keinem ge- lungen, Teilungen an Stütz- und Sinneszellen zu finden. Auch ist es wenig wahr- scheinlich, daß sich so hoch differenzierte Zellen durch Teilung vermehren sollen; höchstens könnte eine Längsteilung stattfinden. Nach Hermanns Abbildungen müßte man aber auf eine Querteilung schließen, was noch weniger Wahrscheinlich- keit für sich hat. Ich möchte die Vermutung, daß die Regeneration von den in- differenten Basalzellen ausgeht, auf Grund dieser Betrachtungen noch einmal be- tonen, zumal ich nichts gefunden habe, das gegen sie sprechen könnte, wohl aber dafür. In dieser Sache ist jedoch bisher wenig gearbeitet worden, und ist daher in Fragen der Regeneration der Geschmacksknospenelemente kaum etwas bekannt. Ich will jedoch hoffen, daß sich mir später noch Gelegenheit bieten wird, mich mit dieser Frage eingehend zu befassen. Nerven. Was nun die Nerven anbelangt, die an die Geschmacksknospe heran- und hineintreten, so kann ich vorläufig hierüber nicht viel mitteilen. Ich beabsichtige, dieses Kapitel später zum Gegenstande einer besonderen Arbeit zu machen, und werde mich dann zum Studium des Verlaufs der Nervenfasern mit den hierzu ge- eigneten Methoden befassen. Meine jetzigen kurzen Ausführungen gründen sich auf Ergebnisse an Osmiumsäurepräparaten, Schnitten, die mit Hämatoxylin-Azur gefärbt sind, und einem Goldpräparat, das nicht vollständig gelungen war. Verschiedentlich habe ich die Nerven, deutlich kenntlich an den Neuroblasten, bis an die Knospe heran verfolgen können (Fig. 12 und 32). Von hier aus konnte ich feine Fasern zu den Sinneszellen herantreten sehen, die sich dann jedoch jeder weiteren Beobachtung entzogen. An dem Goldpräparat war der ganze zentrale Teil der Geschmacksknospe derart gebräunt, daß sich Feinheiten nicht erkennen ließen; Sinneszellen und Nerven waren in gleicher Weise imprägniert. Bis jetzt konnte ich nur feststellen, daß die zuerst markhaltigen Nerven im Corium dicht unterhalb der Geschmacksknospen in marklose feine Faserbündelchen übergehen, die sich schließlieh unterhalb der Geschmacksknospe büschelförmig ausbreiten. Nur ein geringer Teil der Fasern tritt zu den Sinneszellen heran, was auch für die Ge- Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 35 schmacksknospen der Säugetiere festgestellt ist. Bei weitem der größere Teil der- selben breitet: sich unterhalb der Geschmacksknospe aus, und es macht ganz den Eindruck, als ob wir hier den unteren Teil eines perigemmalen und intragemmalen Nervengeflechtes vor uns haben, welches beides Botezat nachgewiesen hat. Fig. 12 zeigt uns die Geschmacksknospe einer Taube, die diese Verhältnisse klar veran- schaulicht. Die Nerven lassen sich leicht und sicher an der Anwesenheit und an dem Verlaufe der Neuroblasten erkennen. Fig. 29b stellt ein Stückchen einer solchen Nervenfaser, dicht unterhalb der Geschmacksknospe, bei stärkerer Ver- srößerung dar, um die Neuroblasten zu zeigen, die sich scharf durch Größe und Färbung von den Bindegewebskernen unterscheiden. Dicht unterhalb der Geschmacksknospen fällt einem die Umgebung der feinen Nervenfasern durch besonderen Reichtum eigentümlicher Zellen auf (Fig. 11, 32). Auf dem Goldpräparate zeigen sie die Form kleiner multi- oder bipolarer Zellen, die mit Ganglienzellen eine gewisse Ähnlichkeit haben, von ihnen sich jedoch durch ihr Verhalten gegen die Farbstoffe unterscheiden lassen. Große Verwandtschaft zeigen sie mit den Bindegewebszellen. W. Krause und Drasch haben der- artise Zellen auch bei Säugetieren unterhalb der Geschmacksknospen gefunden und haben festgestellt, daß diese Zellen sich nur im Corium unterhalb von Knospen finden, daß sie immer den Stellen, die frei sind von Geschmacksorganen, vollkommen fehlen und daher mit untrüglicher Sicherheit auf deren Vorhandensein hinweisen. Dies kann ich auch für die Vögel bestätigen; schon bei schwacher Vergrößerung fallen einem diese. Stellen im Corium besonders auf und erleichtern das Auffinden der Geschmacksknospen. Drasch hat diese Zellen für Nervenzellen gehalten. Da ihnen aber die typischen Eigenschaften peripherer Ganglienzellen fehlen, sich namentlich eine Verbindung mit Nervenfasern nicht auffmden läßt, so haben Retzius, v. Koelliker und Lenhossek die nervöse Natur derselben in Ab- rede gestellt. Ebner spricht die Ansicht aus, daß diese Zellen eine Stützsubstanz für die zarten Nervenfasern in dem groben Bindegewebe seien. Dies scheint auch mir das wahrscheinlichste zu sein, und schließe ich mich daher seiner Ansicht voll- kommen an; ich möchte mit ihm diese Zellen lediglich für Schutzzellen der Nerven- fasern halten. Im Anschlusse hieran möchte ich noch auf einen Befund aufmerksam machen, zu dem mich ein Zufall geführt hat. Ich hatte mich daran gemacht, zur Färbung der Nervenfasern innerhalb der Geschmacksknospe eine Methode von Apathy aus- zuprobieren, welche darin besteht, Schnitte mit Hämatein Ia, Pikrinsäure und Säurefuchsin zu färben nach bestimmter Vorschrift. Zu dem gewünschten Ergebnis kam ich nicht, die Nerven wurden nicht gefärbt, dagegen das Bindegewebe sehr klar und deutlich. Ich konnte feststellen, daß feine Bindegewebsfasern in die Knospe hineintreten und die basalgelegenen Hüllzellen, sowie die unteren Enden der Stütz- und Sinneszellen geflechtartig umspinnen. Als ich sie zum ersten Male sah, war ich geneigt, sie für Nervenfasern des intragemmalen Nervengeflechtes zu halten. Ein genaueres Studium derselben zeigte mir jedoch, daß ich feine Binde- . gewebsfasern vor mir hatte. Bindegewebskerne habe ich zwischen den Zellen der Geschmacksknospe in diesen Fasern nicht finden können. Über dieses Verhalten von Bindegewebsfasern zu den Geschmacksknospen habe ich in der Literatur keine * & x 36 W. Bath: Angabe finden können. Ich habe sie für die Geschmacksknospe der Taube nach- gewiesen und kann auch nicht sagen, ob sie auch bei den anderen Vögeln auf- treten. Die Nerven, die nach Apathys Angabe gefärbt werden sollen, habe ich nicht sichtbar machen können, was vielleicht darin seinen Gıund hat, daß ich die Methode nicht richtig angewandt habe. Hiermit wären im Wesentlichen die Ergebnisse meiner Untersuchungen über die Gesehmacksorgane der Vögel niedergelegt, eine kurze Zusammenfassung der Hauptpunkte findet sich am Schlusse der Arbeit. II. Crocodilina. Bei der Besprechung der Geschmacksorgane der Krokodile kann ich mich be- deutend kürzer fassen, da als neuer Punkt nur die topographische Beschreibung des Sitzes der Geschmacksknospen hinzukommt, weil die morphologischen und histo- logischen Verhältnisse die gleichen wie bei den übrigen Reptilien sind, daher eine eingehende Schilderung derselben unnötig wird. Topographisches. Durch die überaus günstigen Ergebnisse meiner Untersuchungen über die Ge- schmacksorgane bei einer Klasse, bei der sie bisher noch nicht aufgefunden waren, und durch den Umstand, daß ich bei einem jeden der von mir untersuchten Vögel diese nervösen Endapparate meist ohne Schwierigkeit habe nachweisen können, er- mutiet, machte ich mich daran, auch die Krokodile, die allein noch übrig waren, daraufhin eingehend zu bearbeiten. Hierbei ließ ich mich von den bei den Vögeln sewonnenen Erfahrungen leiten. Ich schlug nicht den Weg ein, daß ich das ganze die Mundhöhle auskleidende Epithel auf Schnitten nach Geschmacksknospen durch- suchte, sondern ich orientierte mich erst sorgfältig auf makroskopischem Wege, in- dem ich die schon von v. Ebner nachgewiesene und von mir auch für die Vögel bestätigte Tatsache verwertete, daß sich Geschmacksknospen immer nur in einer weichen, vollkommen unverhornten Schleimhaut finden und daß ihr Vorhandensein ein reichliches Vorkommen von Speicheldrüsen voraussetzt. Auf ersteren Punkt hatte ich hauptsächlich mein Augenmerk zu richten, auf letzteren legte ich weniger Gewicht, da die Krokodile, die fast ausschließlich ihre Beute im Wasser suchen und verschlingen, weniger ausgebildete Speicheldrüsen haben und das Wasser genügt, Nahrungspartikelchen überall hinzuführen. Von diesen Gesichtspunkten ging ich bei meinen ersten Untersuchungen an Crocodilus niloticus Laur. aus, und nach ganz kurzem Suchen war ich zu dem erfreulichen Resultat gekommen, daß auch bei Krokodilen wohlausgebildete Geschmacksorgane vorhanden sind. Über dieses Er- sebnis habe ich schon eine kurze Mitteilung veröffentlicht. In der ganzen Literatur findet sich keine Angabe über irgendwelche Unter- suchungen nach dieser Richtung. Ich bin überzeugt, daß der eine oder andere von denen, die auf diesem Gebiete gearbeitet haben, wohl gesucht hat, indessen mit nesativem Resultate, da sie ihre Untersuchungen, von den bisherigen Erfahrungen ausgehend, kaum weiter als bis auf die nähere Umgebung der Zunge ausgedehnt haben dürften. Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. | 37 Schon der makroskopische Befund lenkte meine Aufmerksamkeit auf den hin- tersten Teil der Mundhöhle. Mit unbewaffnetem Auge konnte man bereits erkennen, daß der ganze vordere Teil keine geeignete Gegend für die Entwicklung der Ge- schmacksknospen ist. Nicht nur die Zunge, sondern auch beide Gaumen sind mit einem sehr stark ausgebildeten Stratum corneum überzogen. Im hinteren Teile schien mir eine Stelle vor allem günstig, die Partie unter dem Pterygoid, die einen ziemlich stark hervortretenden Wulst mit weicher Schleimhaut darstellt. Da auch hier einige Speicheldrüsen vorhanden zu sein schienen, so waren hiermit alle Bedingungen für das Vorkommen von Geschmacksknospen ge- geben. Die Schnitte zeigten denn auch die Richtigkeit meiner Vermutung, gleich auf dem ersten fand ich die gesuchten Organe in typischer Ausbildung. Allzu zahl- reich sind sie nicht vorhanden, entsprechend dem nicht allzuhoch entwickelten Ge- schmackssinn dieser Tiere. Hier scheint auch das Hauptverbreitungsgebiet zu sein. Sie sitzen fast nur an den Seiten dieses Wulstes, wo man auch einige kleinere Speicheldrüsen antrifft. Taf. 4, Fig. 33 stellt ein kleines Stück eines Querschnittes, etwa /s, durch einen solchen Wulst unter dem Pterygoid von Oroco- dilus dar, Speicheldrüsen sind auf diesem Stücke zufällig nicht getroffen. Er ist besonders günstig, da vier Knospen angeschnitten sind. Ich schätze die Zahl der- selben keinesfalls auf mehr als 50. In den anderen Teilen des Schlundes stehen die Sinnesknospen ziemlich zerstreut, sodaß man recht lange suchen muß, um eine auf- zufinden. Genau an der gleichen Stelle fand ich sie bei Aligator mississipiensis (Daud.) verbreitet, auch hier ist der Hauptsitz derselben die Schleimhaut unter dem Pterygoid. Nur darin besteht ein Unterschied zwischen beiden, daß die End- becher bei (Crocodilus immer im vollkommen glatten Epithel sitzen (Taf. 5, Fig. 35), während sie bei Aligator meist eimer kurzen Coriumpapille aufgelagert sind (Fig. 38). Gestalt und Ausbildung derselben ist bei beiden völlig gleich. Histologisches. Zum Studium des feineren Baues bediente ich mich derselben Methoden wie bei den Geschmacksknospen der Vögel. Ich fixierte ausschließlich in Müllerscher Lösung + 1—2% Formaldehyd. Zur Färbung bewährte sich am besten die Bisen- hämatoxylinfärbung nach Heidenhain. Von einer Isolation der Elemente durch Mazeration glaubte ich absehen zu können, da die Schnitte mir hinreichend Klar- heit verschafften und zeigten, daß irgendwelche Abweichungen von den Ge- schmacksknospen der übrigen Reptilien und der Säugetiere nicht vorhanden waren. Die Geschmacksknospen der Krokodile setzen sich ebenfalls aus den beiden Elementen der Stütz- und Neuroepithelzellen zusammen, welche sich an gut gelungenen Schnitten leicht von einander unterscheiden lassen, da sich die Sinneszellen mit Eisenhämatoxylin bedeutend dunkler färben als die Stützzellen. Die Größe der Geschmacksknospen ist bedeutenden Schwankungen unterworfen. Die Breite zeigt weniger Differenzen wie die Länge, die vor allem von der Dieke des Epithels abhängig ist. Da nun bei Crocodilus sowohl, wie bei Aligator die Schleimhaut des Wulstes unter dem Pterygoid kaum halb so stark ist als die des unteren Teiles des Schlundes, so sind die Knospen an Länge gleichen Schwankungen ausgesetzt. Nach meinen Messungen an einer Anzahl von Geschmacksknospen bei 38 W. Bath: Crocodilus und Aligator beträgt die Länge derselben, wenn sie oben unter dem -Pterygoid sitzen: 0,073—0,108 mm, die Breite 0,046—0,093 mm, wenn sie da- gegen unten im Schlunde sitzen 0,172—0,191 mm und 0,048—0,064 mm. Die Fig. 35, 36, 38 zeigen uns solche aus der Schleimhaut unter dem Pterygoid, Fig. 37 dagegen aus der unteren Schleimhaut des Schlundes. Demgemäß ist auch die Gestalt sehr schwankend, bald schlank spindelförmig, bald kurz und dick, birnen- bis kegelförmig. Immer sitzen sie breit dem Corium auf, bisweilen, bei Aligator, an kurze Papillen gebunden. In Gestalt und Lagerung im Epithel gleichen sie sehr den von Merkel beschriebenen Endknospen von Lacerta agilis. Auch Rabl beschreibt Gebilde aus der menschlichen Epiglottis- schleimhaut, die breit, kegelförmig und den Sinnesknospen mancher Fische nicht unähnlich, genau das gleiche Bild zeigen, wie die des Algators in der Schleimhaut des Wulstes. Ein Geschmacksporus ist meist vorhanden, jedoch in verschiedener Aus- bildung. Bei den Geschmacksknospen im Schlunde ist er immer gut entwickelt, wie Fig. 37 deutlich zeigt. Bei den Geschmacksknospen in der Schleimhaut des Wulstes ist er in der Regel sehr flach (Fig. 35, 36), sodaß man oft kaum von einem Porus reden kann. Das gleiche gilt von dem Knospengrübchen. Bei den Knospen in der Schleimhaut des Wulstes findet man oft kaum eine seichte Ein- senkung (Fig. 38), während bei den im unteren Teile des Schlundes gelegenen ein solches sehr gut ausgebildet ist und die Sinnesstiftchen vollkommen einschließt (Fig. 37 und Textfigur 10 u. 11, S. 39). Bei der zuerst besprochenen Ausbildung ragen die Sinnesstiftehen bisweilen sogar über die Oberfläche hinaus. Dieses ver- schiedene Verhalten findet seine physiologische Erklärung darin, daß bei den unten im Schlunde gelegenen und aufrecht stehenden Geschmacksknospen der Speichel resp. des Wulstes mit den Nahrungspartikelchen sehr gut in den Porus und das Grübchen hineinfließen kann, während bei den Geschmacksknospen, die in umgekehrter Lage an den Seiten des Wulstes, also den höchstgelegenen Stellen liegen, dies nichtmöglich ist. Hier müssen die Stiftchen direkt mit der Nahrung in Berührung gebracht werden können, dürfen daher nicht in einem tiefen Grübchen und Porus eingeschlossen sein. Fig. 34 zeigt einen kleinen Teil der Seite eines Wulstes mit einigen Geschmacks- knospen. Die Nahrung, die hier die Schleimhaut berührt, muß auch gleichzeitig mit den Sinnesstiftchen in Kontakt gebracht werden. Die Stützzellen gleichen vollkommen den gleichen Zellen der Geschmacks- knospen der übrigen Wirbeltiere; ich verweise daher auf den diesbezüglichen Ab- schnitt in dem ersten Teile der Arbeit, der über die ganzen Strukturverhältnisse alles nötige enthält. Auch in den Stützzellen der Krokodile habe ich eine feine 'Wabenstruktur wahrnehmen können. Die Neuroepithelzellen, von denen Fig. 39 eine einzelne aus einer Ge- schmacksknospe von Aligator darstellt, zeigen ebenfalls keine Abweichungen von denen der übrigen Wirbeltiere. Die Kerne sind meist im basalen Teile, an einer etwas verdickten Stelle, gelegen und bei Crocodilus rundlich oder nur schwach oval, während sie bei Aligator etwas mehr in die Länge gezogen sind. Die Isolation der einzelnen Sinneszellen ist nicht scharf durchgeführt, jedoch ausgeprägter als bei Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 39 Gruppe I und II der Vögel. Diese laufen basalwärts sich allmählich zuspitzend aus, enden distalwärts breit abgesetzt; die bei den Sinneszellen der Vögel beschriebenen Anschwellungen habe ich hier nicht nachweisen können. Im Plasma derselben konnte ich gleichfalls eine feine Körnelung beobachten, jedoch längsverlaufende Fibrillen nicht mit Sicherheit nachweisen. Die Geschmacksstiftehen (Textfigur 10 und 11) sind sehr zart und daher nur schwer wahrzunehmen. Von der Basis nach der Spitze zu scheinen sie sich etwas zu verjüngen und hier abgerundet zu enden. Sie sind sehr kurz und weniger ausgeprägt als bei den Vögeln, am meisten wären sie noch mit denen von Anas (Textfigur 9, S. 25) zu vergleichen. Fig. 10 u. 11. Geschmacksporus und Knospengrübchen mit Sinnesstiftehen von Orocodilus niloticus Laur. Vergr. 750/1. Basalzellen zu beobachten habe ich vielfach auch bei den Krokodilen Ge- legenheit gehabt. Sie sind häufig sehr breit ausgezogen, sodaß sie sich fast über die ganze Basis der Geschmacksknospe hinziehen. Niemals habe ich mehr als 2—3 solcher so stark auseinandergezogenen Zellen wahrnehmen können. Jedoch sind sie nicht für alle Knospen nachzuweisen, sondern scheinen einem Teile dauernd oder zu gewissen Zeiten zu fehlen. Außer diesen findet man an der Basis der Knospe zwischen den Stütz- und Sinneszellen kleinere Zellen, die den untersten Stratum - Malpighizellen scheinbar vollkommen gleichen. In ihnen erblicke ich die eigentlichen Regenerationsherde für die Elemente der Geschmacksknospe. Die Verhältnisse liegen hier also genau so, wie bei den Vögeln und den übrigen Wirbeltieren. Über die Nerven, die an die Knospe herantreten, gelten die gleichen An- gaben, wie über die der Vögel. Nur scheinen die multi- und bipolaren Binde- gewebszellen um die Nervenfasern bedeutend weniger zahlreich aufzutreten. Hiermit sind meine Ausführungen über die Geschmacksorgane der Krokodile erschöpft, die ich kurz fassen konnte, weil wesentliche neue Momente nicht hinzu- kommen. Es genügte daher, auf die Unterschiede von den Geschmacksknospen der Vögel hinzuweisen. 40 W. Bath: Zusammenfassung. Zum Schluß will ich eine kurze Zusammenfassung der Hauptresultate geben, zu welchen mich meine Untersuchungen geführt haben. Die Angaben beziehen sich aber nur auf die von mir bearbeiteten Vögel und Krokodile; inwiefern sie sich werden verallgemeinern lassen, können erst weitere Forschungen auf diesem Ge- biete, vor allem die Untersuchung eines bedeutend umfangreicheren Materials lehren. Die wichtigsten Punkte der vorliegenden Arbeit über die Geschmackorgane der Vögel und Krokodile sind folgende: I. Aves. 1. Alle von mir untersuchten Vögel haben typische Geschmacksknospen in ihrer Mundhöhle. Niemals habe ich sie in der meist stark verhornten Zunge nach- weisen können, jedoch ist die Gestalt der Zunge nicht ohne Einfluß auf ihre Ver- teilung in der Mundhöhle, insofern als bei Vögeln mit schmaler Zunge, welche die Schleimhaut des Unterschnabels nicht vollständig bedeckt, die unbedeckten Teile dieser Schleimhaut in der Regel der Hauptsitz des Geschmackes sind. Füllt aber die Zunge den Unterschnabel vollkommen aus, so finden sich die Geschmacksknospen in der Schleimhaut des oberen Gaumens oder des Schlundes um die Epiglottis herum. Sitz derselben ist immer eine glatte, vollkommen unverhornte Schleimhaut, die gleich- zeitig reich an Speicheldrüsen ist, jedoch stets nur solche Stellen derselben, die mit der Nahrung oder Teilchen derselben leicht in Berührung gebracht werden können. 2. Hinsichtlich ihrer Gestalt und Zusammensetzung sind dreierlei Typen zu unterscheiden. a. Gestalt mehr oder weniger eiförmig. Sie setzen sich zusammen aus Stütz- zellen, Sinneszellen und Hüllzellen, die hauptsächlich im basalen Teile angeordnet sind und niemals die Oberfläche der Epidermis erreichen. Diese Art ist am weitesten verbreitet. b. Gestalt zylinderförmig; die Gesamtheit der Hüllzellen macht den Eindruck eines Hohlzylinders, der über die Stütz- und Geschmackszellen gestülpt ist. Die Knospe durchbricht in der ganzen Breite das Stratum corneum, ein Porus kommt daher nicht zur Ausbildung. c. Gestalt annähernd kugelförmig; dieser Typus ist nur aus Stütz- und Sinnes- zellen zusammengesetzt, Hüllzellen fehlen immer. Diese Art ist am höchsten entwickelt, da die Isolation der Neuroepithelzellen durch die Stützzellen vollkommen durchgeführt ist, Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. 41 Einem jeden Vogel kommt nur ein bestimmter Typus zu, ebenso nahever- wandten Spezies. | 3. Ein allen drei Typen gemeinsames Merkmal im Gegensatz zu den Ge- schmacksknospen aller übrigen Vertebraten und daher ein spezifisches Kennzeichen für diejenigen der Vögel ist die Tatsache, daß die Neuroepithelzellen den Kern in ihrem oberen Teile aufweisen. 4. Die Hüllzellen, die bisher noch nicht bei Geschmacksknospen aufgefunden worden sind, gleichen in ihrer Form den zu unterst gelegenen Zellen des Stratum Malpighi, in ihren Strukturverhältnissen stehen sie den Stützzellen am nächsten. Letztere, sowie die Neuroepithelzellen stimmen im wesentlichen mit denen der Säugetiere überein. 5. Basalzellen habe ich nachweisen können; ich bin geneigt, in ihnen den Re- generationsherd für die Elemente der Geschmacksknospe zu erblicken. 6. Die Nerven, die an die Knospen herantreten, werden von zahlreichen multipolaren und bipolaren Bindegewebszellen umgeben, die, wie auch bei den Säuge- tieren, wohl zum Schutze der feinen Nervenfasern dienen sollen. I. Crocodilina. Auch hier ist es mir gelungen, typische Geschmacksorgane aufzufinden, die in ihrem ganzen Bau den bei den übrigen Reptilien vorkommenden vollkommen gleichen. Der Sitz ist der hintere Teil der Mundhöhle und zwar die Schleimhaut unter dem Pterygoid. 1) Literatur -Verzeichnis. . Ajtai, Axel v., Ein Beitrag zur Kenntnis der Geschmacksorgane. Archiv mikrosk. Anat. 8. 1872. . Arnstein, Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. Archiv mikrosk. Anat. 41. 1893. . Bath, W., Über das Vorkommen von Geschmacksorganen in der Mundhöhle von Orocodilus niloticus Laur. Zool. Anz. 29. 1906. . — Untersuchungen über Geschmacksorgane einiger Vögel. Sitzber. Ges. naturf. Freunde Berlin 10. 1905. . — Die Geschmacksorgane der Vögel. Dissert. inaug. Berlin 1906. . Billroth, Über die Epithelzellen der Froschzunge, sowie über den Bau der Zylinder- und Flimmerepithelien und ihr Verhältnis zum Bindegewebe. Arch. Anat. u. Physiol. 1858. . 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Abkürzungen: Bemz. = multi- u.bipolare Bindegewebs- Nb. = Neuroblasten. zellen. Nf. = Neurofibrillen. Bef. = Bindegewebsfasern. Nz. = Neuroepithelzelle. Bgk. = Bindegewebskerne. Nzk. = Kern der Neuroepithelzelle. Blg. = Blutgefäß. P. = Geschmacksporus. Bz. = Basalzellen. Spd. = Speicheldrüse. F. = Fibrillen. Sst. = Sinnesstiftchen. Gk. = Geschmacksknospe. st. e. = Stratum corneum. Hz. = Hüllzellen. st.M.= „ Malpighi. K. = Kern. Stz. = Stützzelle. Kg. = Knospengrübchen. Stzk. = Kern der Stützzelle. Kn. = Körnchen. Fig. m (} 1 Tafel 1. Turdus merula, unterer Teil der Mundhöhle; Sitz der Geschmacksknospen “ die Schleimhaut des Unterschnabels zu beiden Seiten der Zungenrinne. Vergr. 2/1. Hirundo rustica, unterer Teil der Mundhöhle; Sitz der Geschmacksknospen die weiche Schleimhaut zu beiden Seiten der Epiglottis. Vergr. 2/1. Phoenicopterus roseus, unterer Teil der Mundhöhle. Zunge füllt den ganzen Unterschnabel aus, daher Sitz der Geschmacksknospen die weiche Schleimhaut um die Epiglottis. Vergr. 3/4. Anas boschas, oberer Teil der Mundhöhle. Sitz der Geschmacksknospen zu beiden Seiten der vorderen Choanenhälfte. Vergr. 3/4. Haematopus ostralegus, unterer Teil der Mundhöhle; Sitz der Geschmacks- knospen vor der Epiglottis. Verer. 1/1. _ı Do @ „ il, ig. 24. 18] OL Tafel-Erklärung. Melopsittacus undulatus, oberer und unterer Teil der Mundhöhle. Zunge bedeckt ganz die Schleimhaut des Unterschnabels, daher Sitz der Ge- schmacksknospen um den vorderen Teil der Choanen und die nächste Umgebung der Epiglottis. Vergr. 3/1. Aligator mississipiensis, oberer Teil der Mundhöhle; Sitz der Geschmacks- knospen die Schleimhaut unter dem Pterygoid. Vergr. 1/1. Schema des Typus I der Geschmacksknospen. Tafel 2. Columba livia domestica, Übersichtsbild, um die Lage der Geschmacks- knospen im Epithel zu zeigen, darunter Speicheldrüsen, reichlich Blut- kapillaren und Bindegewebszellen. Müller + Formol — van Gieson. Vergr. 200. Columba livia domestica, Geschmacksknospe mit herantretendem Nerv und eintretenden Nervenfasern. Osmiumsäure — Heidenhain. Vergr. 420/1. Sturnus vulgaris, Geschmacksknospe, etwas auseinandergerissen, mit deutlich sichtbaren Elementen. Müller + Formol — Heidenhain. Vergr. 420/1. Hirundo rustica, Geschmacksknospe. Heidenhain. Vergr. 420/1. Melopsittacus undulatus, Geschmacksknospe mit deutlich sichtbaren Ele- menten. Müller + Formol — Heidenhain. Vergr. 480/1. Melopsittacus undulatus, Geschmacksknospe. Müller + Formol — Heiden- hain. Vergr. 480/1. Tafel 3. Passer domesticus, Geschmacksknospe. Müller + Formol — van Gieson. Vergr. 420/1. Chloris chlorıs, Geschmacksknospe mit Basalzellen. Osmiumsäure + Platin- chlorid — Heidenhain. Vergr. 420/1. Columba livia domestica, Querschnitt durch den basalen Teil einer Ge- schmacksknospe. Müller + Formol — van Gieson. Vergr. 420/1. Columba livia domestica, Querschnitt durch den mittleren Teil derselben Geschmacksknospe. Müller + Formol — van Gieson. Vergr. 420/1. Columba livia domestica, Querschnitt durch den basalen Teil derselben Geschmacksknospe. Müller + Formol — van Gieson. Vergr. 420/1. Anas boschas, Geschmacksknospe, in der ganzen Breite das Stratum eor- neum durchbrechend. Müller + Formol — Heidenhain. Vergr. 420/1. Phoenicopterus roseus, Geschmacksknospe. Heidenhain. Vergr. 420/1. Tafel 4. Columba livia domestica, isolierte Stützzellen, deren Strukturverhältnisse nach Schnitten eingezeichnet sind. Vergr. S00/1. Columba livia domestica, isolierte Hüllzellen, deren Strukturverhältnisse nach Schnitten eingezeichnet sind. Vergr. 300/1. Fig. Fig. Fig. 2 Fig. 2 ie. 30. ig. 31. . 34. Tafel-Erklärung. 47 Columba livia domestica, isolierte Neuroepithelzellen, deren Strukturver- hältnisse nach Schnitten eingezeichnet sind. Vergr. 800/1. Sturnus vulgaris, Teile von Neuroepithelzellen nach Schnitten gezeichnet. Müller + Formol — Heidenhain. Vergr. 1000/1; a, b, d, mit deutlich hervortretenden Fibrillen. c, der spitz ausgezogene Kern setzt sich in eine Fibrille fort. Sturnus vulgaris, distales Ende einer Neuroepithelzelle, mit Fibrillen und Geschmacksstiftehen. Müller + Formol — Heidenhain. Vergr. 1000/1. Columba livia domestica, Goldpräparat. Vergr. 800/1; a, einige multi- und bipolare Bindegewebszellen, die in großer Zahl die Neurofibrillen umgeben. b, Stück einer Nervenfaser mit Neuroblasten, von multi- und bipolaren Bindegewebszellen umgeben. Melopsittacus undulatus, Geschmacksporus, Grübchen und Neuroepithelzellen mit Sinnesstiftchen. Müller + Formol — Heidenhain. Vergr. 1000/1. Melopsittacus undulatus, Stück einer Neuroepithelzelle mit Anschwellungen und darin liegenden Körnchen; eine feine Fibrille verläuft in der Längs- richtung der Zelle und steht mit den Körnchen in Zusammenhang. Müller + Formol — Heidenhain. Vergr. 1000/1. Columba domestica, an die Geschmacksknospe herantretende Neurofibrillen. Goldpräparat. 135/1. Oroecodilus niloticus, Horizontalschnitt durch einen kleinen Teil der seit- lichen Schleimhaut unter dem Pterygoid, um die Lagerung der Geschmacks- knospen zu zeigen. Müller + Formol — Heidenhain. Vergr. 33/1. Tafel 5. Hirundo rustica, Geschmacksknospenelemente, nach einer auseinander- gerissenen Geschmacksknospe gezeichnet. Heidenhain. Vergr. 1000/1; a, Hüllzellen. b, Basalzelle. c, Neuroepithelzellen. . Crocodilus nilotieus, Geschmacksknospe aus der seitlichen Schleimhaut unter dem Pterygoid. Müller + Formol — Heidenhain. Vergr. 480/1. Crocodilus niloticus, Geschmacksknospe aus der Schleimhaut unter dem Pterygoid. Müller + Formol — Hämatoxylin. Vergr. 420/1. Crocodilus nilotieus, Geschmacksknospe aus dem unteren Teile des Schlundes. Müller + Formol — Hämatoxylin. Vergr. 420/1. Aligator mississipiensis, Geschmacksknospe aus der Schleimhaut unter dem Pterygoid. Hämatoxylin — Eosin. Vergr. 420/1. Aligator mississipiensis, Neuroepithelzelle nach einem Schnitte gezeichnet. Hämatoxylin — Eosin. Vergr. 1000/1. Tat. 1. Archiv für Biontologie , Bd.l. Anas boschas ID Mn Q /o\ 9) 75 DISS _ Haematomus ostralegus Hirumdo: rustica lonsittacus undulatıs TRurdus merula ‚Me W.Batlı gez W.Bath, Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. ut ie 2 EZ A a a a a a a un Br Br I Zu 0 wa * r Mi ne r | 5 1 L ! 2 2 = | I { 5 | . | { ' | “ ont 2 S, N ! = » ü \ b ı = ae ai] u N 5 \ E Een | ! en gi “ | i . x E { | PAR R ar k nr \ ee: | { | 2 ö „ e \ ir 17 ee; > = ! 4 r ı } e A, - ı Yniz “ A \ % T . « " i > a B Y ’ 1 ü t E B . Archiv fi Bionlologie, Ba.T. Tat. # ” t, Mk } LITER “Nee Ban \W.Bath gez. Lith.Anst.v.Werner&Wir W. Bath, Die Geschmacksorgane der Vögel und Rrokodile. u EU FR Fa u 0 De, 2, 5 Br RN hie Archiv für Biontologie, Bd.l. 3Z W.Bath gez. Taf: 3. 4207 +20, W.Bath, Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. BE = Jith Ansty.Werner& Winter Frankfürt®M en “ Archiv für Biontologie, Bd.l. Talık. 1000, W. Batlı gez. W. Bathh, Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. \ Y nr er re nm 2 E Ka u ER ® AN. [ar I Be ne“ { & ae: Be. Pe Archiv fü Biontologie, Ba.l. 9, 1000 A W.Bathı gez. Taf.5 1000 1 Ant Lith.AnstvWerneröNinter, Franldunt®M W.Bath, Die Geschmacksorgane der Vögel und Krokodile. Über Aspidorhyncehus. Paul Assmann. Hierzu Tafel 6 und 7. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1906. 5 U Gar) Einleitung. Aspidorhynchen sind schon seit längerer Zeit bekannt. Zum ersten Mal finden wir einen Aspidorhyncehus in Knorrs „Merkwürdigkeiten“ abgebildet, die bereits im Jahre 1755 veröffentlicht wurden, ohne daß aber eine Beschreibung desselben gegeben wurde. Eine solche erfolste erst 1818 durch H. D. de Blainville. Sie wurde dann durch L. Agassiz in seinem Werke „Recherches sur les poissons fos- siles“, welches 1342—1S44 erschien, bedeutend verbessert und ergänzt. 1851 hat Vetter die Untersuchungen über Aspidorhynchus erheblich durch die Beschreibung des Dresdner Materials gefördert. Seine Resultate veröffentlichte er in den „Mit- teilungen des Königlichen mineralogisch-geologischen Museums zu Dresden.“ Ob- gleich seine Arbeit hierüber zu den sorgfältigsten gehört, waren seiner Forschung dennoch gewisse Grenzen gezogen, da ihm nur etwa 9 Exemplare zur Verfügung standen, an denen sich nicht alle Verhältnisse klarstellen ließen. Ergänzungen und Berichtigungen zu der Vetterschen Arbeit lieferte ©. Reis in seiner Abhandlung „Über Belonostomus, Aspidorhynchus und ihre Beziehungen zum lebenden Lepidosteus“, die er 1857 publizierte. Er teilt darin die Ergebnisse des Studiums des Münchener Materials mit. Allein auch diese Arbeit gibt uns noch nicht völligen Aufschluß über die Organisation des Fisches, und so war zu erwarten, daß durch geeignete, tiefgehende Präparation sich noch viel erreichen lassen würde. Dies hat sich auch in vollem Maße bestätigt, und ich möchte daher Herrn Prof. Jaekel für die An- resung zu dieser interessanten Arbeit, sowie zugleich für die stets bereitwillige, wertvolle Unterstützung, die er mir hat zuteil werden lassen, meinen besten Dank aussprechen. Das Material, welches mir zu meinen Untersuchungen diente, war mir in der Hauptsache von dem Berliner Museum für Naturkunde durch Herrn Geheimrat Branco in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt worden. Es wurde aber für mich noch bedeutend wertvoller dadurch, daß mir die Negativ-Präparation daran gestattet wurde. Außerdem hatte Herr Prof. Kalkowsky, Direktor des Königlichen mineralogisch-geologischen Museums zu Dresden, die Freundlichkeit, mir das Material zu leihen, das seiner Zeit Vetter beschrieben hatte. Beiden Herren bin ich zu größtem Danke verpflichtet. 2 Die berühmten Plattenkalke des oberen Malm von Solnhofen, welche eine so überaus reiche fossile Fauna, besonders von Fischen, geliefert haben, sind auch 52 Einleitung. die Hauptfundstelle für Aspidorhynchus. Mir selbst liegen ausnahmslos nur Exem- plare von dort vor. Bisher sind von den Solnhofener Formen folgende Arten auf- gestellt worden: 1. 1818 Esox acutirostris von H. D. de Blainville, 2. 1833 Aspidorhynehus acutirostris von L. Agassiz, 3. 1842 Aspidorhynchus longissimus von G. v. Münster, 4. 1844 Aspidorhynchus speciosus von L. Agassiz, 5. 1842—1844 Aspidorhynchus ornatissimus von L. Agassiz, 6. 1844 Aspidorhynchus mandibularıs von L. Agassiz, 7. 1861 Belonostomus microcephalus von J. C. Winkler, 8. 1863 Aspidorhynchus obtusirostris von A. Wagner. Es hat sich nun durch die Untersuchungen von A. Wagner, B. Vetter und A. S. Woodward ergeben, daß die unter 1 bis 7 genannten Formen einer einzigen Spezies angehören und zwar mit Aspidorhynchus acutirostris identisch sind. Dagegen unterscheidet sich der unter 3 angeführte Aspidorhynchus obtusirostris nicht un- erheblich von Aspidorhynchus acutirostris. Die Aufstellung so vieler Arten von Aspidorhynchus in früherer Zeit findet ihre Erklärung hauptsächlich darin, daß die älteren Forscher bei der Aufstellung einer Art zu viel auf die Größe der Tiere, sowie auf die Stärke der Schuppenskulptur Gewicht gelegt haben. Stellten sich doch später der kleine Aspidorhynchus man- dibularis als Jugendform, Aspidorhynchus ornatissimus mit seiner kräftigen Schuppen- skulptur, sowie Aspidorhynchus longissimus und Aspidorhynchus speciosus als senile Formen von Aspidorhynchus acutirostris heraus. Von anderen Fundpunkten sind noch folgende Arten aufgestellt worden, die ich der Vollständigkeit halber nur erwähnen will, ohne daß sie mir selbst vor- gelegen haben: 1. Aspidorhynchus enodus, Egert., aus dem Oxford von Wiltshire (s. L. 8), 2. Aspidorhynchus shpekodes, Sauvage, aus dem unteren Kimmeridge von Ain, Frankreich (s. L. 23), 3. Aspidorhynchus fisheri, Kgert., aus dem Purbeck von Dorsetshire (s. L. 12 u. 16), 4. Aspidorhynchus crassus, aus dem Bathonian von Oxfordshire (s. L. 20 u. 22), 5. Aspidorhynchus walchneri, L. Ag., aus dem unteren Lias von Württem- berg (s. L. 4 u. 24). Außerdem wurde noch von L. Agassiz die Spezies Aspidorhynchus Comptoni aufgestellt, welche in den brasilianischen Kreideschichten von Ceara gefunden worden war. Woodward hat aber durch spätere Untersuchungen den Beweis dafür erbracht, daß jene Form nicht zu Aspidorhynehus, sondern zu der nahe ver- wandten Gattung Belonostomus gehört. Das Material von Aspidorhynchus, welches meiner Arbeit zugrunde lag, enthält nur die beiden Arten Aspidorhymchus acutirostris und Aspidorhynchus obtusirostris. Von der ersten der beiden eben erwähnten Spezies lagen mir gegen 20 vollständige Exemplare zur Bearbeitung vor. Diese ermöglichten es mir, ein ziemlich vollstän- diges Bild vom Skeletbau des Tieres zu geben. Im einer weniger glücklichen Lage Einleitung. 53 befand ich mich bei der Beschreibung der zweiten Art, von der ich nur zwei Exemplare besaß, die lediglich Kopfknochen zeigen. Eins von ihnen fand ich in der Sammlung des Dresdner Museums unter dem Material, das bisher noch nicht näher bestimmt worden war. Unter diesen Umständen können meine Untersuchungen nur einige Beiträge zur Kenntnis dieser Art bringen. Betreffs der Präparation der mir vorliegenden Stücke sei bemerkt, daß ich die von Jaekel oft gebrauchte Negativpräparation bei einer Anzahl von Exemplaren mit bestem Erfolge angewendet habe. Bei dieser Präparationsmethode entfernt man nämlich die Knochenreste, falls diese schlecht erhalten sind, um die Hohlform zu gewinnen, welche dann mit Gips, Wachs oder Guttapercha ausgegossen wird und die im Gestein verborgen gewesene, gut erhaltene Seite der Knochen zeigt. Solche Abgüsse geben in der Regel ein klares Bild von den einzelnen Skeletteilen be- sonders dann, wenn man von den einzelnen Exemplaren Platte und Gegen-Platte besitzt. Den beiden ersten Teilen meiner Arbeit, welche der Beschreibung der beiden Spezies gewidmet sind, schließt sich dann noch ein dritter an, welcher Allgemeines über die Gattung enthält. r we a I. Aspidorhynchus acutirostris, L. Ag. Aspidorhynchus acutirostris ist ein sehr schlanker, langgestreckter Fisch, der die Länge von fast einem Meter erreicht. Die Rumpfhöhe beträgt bei einem aus- gewachsenen Tiere in der Mitte 7—8 em. Der Körper von Aspidorhynchus ist seit- lich stark komprimiert und zeigt einen flach elliptischen Querschnitt. Bei der Beschreibung der einzelnen Skeletteile soll der Weg eingeschlagen werden, daß zuerst der Kopf des Tieres beschrieben und hieran die Besprechung des Schulter- und Beckengürtels, der Flossen und des Rumpfskelets ange- schlossen wird. 1. Die Kopfknochen. Der Kopf von Aspidorhynchus acutirostris zeigt im Profil ungefähr dreieckige Form. Seine Länge beträgt reichlich '/ı der gesamten Körperlänge. Er ist seitlich stark zusammengedrückt und erreicht an seiner Basis fast die Höhe des Rumpfes. Das Schädeldach ist schmal und besitzt überall fast die gleiche Breite. Der obere oc.sup N je 9 = un ES ii N N Hi il Fig. 1. Kopf von Aspidorhynchus acutirostris. oc. sup. = Oceipitalia superiora,; p. =Parietale; f. = Frontale; prt. = Präfrontale; ptf. =Postfrontale; meth = Mesoethmoideum; so = Supraorbitale; n. = Nasale; 1. =Lacrymale; prm. = Prämaxilla; m.=Maxilla; j.=Jugale; ang. = Angulare; sang. = Supraangulare; c. — Complementare; d. = Den- tale; prd. = Prädentale; op. = Operculum; sop. = Suboperculum; prop — Präoperculum; iop. = Interoperculum. 56 Paul Assmann: Teil der Schnauze ist schnabelförmig ausgebildet und ragt beträchtlich über die Unterkieferspitze nach vorn. Der Unterkiefer ist kräftig entwickelt, proximal sehr hoch und läuft vorn spitz zu. Große Opercular- und Orbitalplatten bedecken die Wangen- und Schläfenregionen. Die Augenöffnung ist ziemlich groß und wird von einem mäßig breiten Sklerotikalring umschlossen. t Die eingehende Besprechung der einzelnen Kopfknochen will ich mit dem Unterkiefer beginnen. a. Der Unterkiefer. Der Unterkiefer ist außergewöhnlich groß und kräftig ausgebildet. Der obere Rand desselben verläuft gerade und erfährt am hinteren Ende eine Aufbiegung, während der untere Rand ziemlich stark nach unten ausgebogen ist. Daher erscheint der Unterkiefer am proximalen Ende sehr hoch, nimmt bis zum ersten Drittel etwa noch an Höhe zu und verjüngt sich dann langsam nach vorn. Der hintere Rand der Mandibel besitzt oben und unten zwei schwache Vorwölbungen. Vom vorderen Ende des Unterkiefers ist ein Stück abgegliedert, das von Vetter (s. L. 17), der mit Günther (s. L. 16) fast gleichzeitig auf diese Eigen- tümliehkeit hingewiesen hat, Praemandibel genannt wurde. Da dieser Teil des Unter- kiefers zweifellos durch Abschnürung aus dem Dentale hervorgegangen ist, möchte ich im Folgenden den Namen beibehalten, den ©. Reis in seiner Arbeit über Belono- stomus, Aspidorhynchus ete. (s. L. 19) gebraucht, und mit ihm das Stück Praedentale benennen. Das Praedentale, welches nach vorm fast spitz zuläuft, ist unge- fähr 2!/a bis 31/g Mal so lang als hoch. Die Außenfläche dessselben ist durch parallele Längsrunzeln stark skulpturiert, die sich so weit auf das Dentale fortsetzen, als das letztere durch feste Knochensubstanz ausgefüllt ist. Die Symphyse zwischen Dentale und Praedentale ist eine nach vorn gebogene Sutur. Die Bezahnung des Praedentale ist nicht unerheblichen Schwankungen unterworfen. Gewöhnlich ist jener Knochen von einer Anzahl kleiner akrodonter Zähne besetzt, von denen 3 bis 5 bei älteren Exemplaren bisweilen erheblich größer werden können. Die Spitzen dieser Zähne sind etwas nach hinten gebogen, jedoch tritt diese Eigen- tümlichkeit bei diesen Zähnen nicht so stark hervor wie zum Beispiel bei denen des Palatinums. Fig. 2. Unterkiefer von Aspidorhynchus acutirostris. prd. = Prädentale; d.=Dentale; ang.= Angulare; sang. = Supra- angulare; c. = Complementare; sp. = Spleniale. Ob dieses Praedentale dem Dentale gegenüber, ein gewisses Maß von Beweg- lichkeit besessen hat, wie die augenblickliche Ansicht unter den Autoren ist, er- scheint mir dennoch etwas fraglich. Will man nämlich dem Praedentale eine ge- wisse Beweglichkeit dem Dentale gegenüber zuschreiben, so ist man genötigt, anzunehmen, daß beide Knochen nur durch Ligamente mit einander verbunden Über Aspidorhynchus. 57 waren. Diese Verbindung würde aber nach der Verwesung jener Ligamente gelöst werden, und es wäre demnach zu erwarten, daß das Praedentale sich häufig von dem proximalen Stück der Mandibel gesondert finden würde. Dies ist aber nicht derFall. Es kommt nämlich fast nie vor, daß das Praedentale vom Dentale sich trennt, selbst dann nicht, wenn die einzelnen Knochen des Fisches nach der Verwesung zer- streut wurden. Unter sämtlichen Exemplaren, die mir vorgelegen haben, konnte ich es nur ein einziges Mal beobachten, daß das Praedentale losgelöst neben der proximalen Partie des Kiefers lag. Aber auch in diesem Falle scheinen noch bei sondere Umstände mitgewirkt zu haben, da jenes Exemplar dorso-ventral zusammen- gedrückt ist. Die Trennung von Dentale und Praedentale dürfte hier auf mecha- nischem Wege erfolgt sein. Wenn man also eine Ligamentverbindung zwischen Dentale und Praedentale annimmt, so würde daraus erfolgen, daß jene Bänder außerordentlich lange der Verwesung widerstanden hätten. Da mir aber diese Vor- aussetzung in dem Umfange nicht als zulässig erscheint, möchte ich mehr zu der Annahme neigen, daß Dentale und Praedentale durch eine knöcherne Verwachsung mit einander verbunden waren. Aus der Beschaffenheit des Praedentale, welches auch im Gegensatz zu dem r proximalen zweifellos eine besondere Funktion dieser Unterkieferspitze hervor, die schließlich Teil des Kiefers mit einer festen Knochensubstanz ausgefüllt ist, geht eine Sonderung derselben zur Folge hatte. Der Annahme Vetters, welcher die Entstehung des Praedentale auf pathologische Gründe zurückführt, kann ich mich daher nicht anschließen. Den Hauptanteil an der Bildung des proximalen Teils der Mandibel hat das Dentale. Die übrigen Knochen des Vnterkiefers sind verhältnismäßig klein ent- wickelt. Das Dentale ist ein äußerst lamellöser Knochen, der Verstärkungen durch feste Knochensubstanz nur am Zahnrand und an der Praedentalsymphyse besitzt. Skulptur findet sich an den beiden eben genannten Stellen in Form von Längs- runzeln entwickelt, während die übrige Oberfläche sehr schwach gekörnelt ist. Parallel dem Unterrand des Dentale läuft etwas unter der Mitte des Dentale ein Schleimkanal entlang, der aber weder auf das Prädentale noch auf das Angulare übertritt. Jener steht durch kleine Kanäle mit Gefäßen auf der Innenseite des Kiefers in Verbindung, deren Mündungen sich als Vertiefungen längs des Schleim- kanals kennzeichnen. In der Mitte zwischen dem Zahnrand und dem Schleimkanal unter den letzten beiden Zähnen des Kiefers befindet sich eine ziemlich große Durehbohrung des Dentale, die jedenfalls von dem Durchtritt eines Blutgefäßes herrührt. Der Durchmesser dieser Durchbohrung entspricht ungefähr der Entfernung zweier großer Zähne, die darüber auf dem Dentalrand stehen. Die Bezahnung des Dentale, die wie bei sämtlichen andern bezahnten Knochen akrodont ist, variiert nicht unbedeutend. Der freie Rand desselben ist mit einer Anzahl gerader, kräftiger Zähne besetzt, die auf dem proximalen Teil des Zahnrandes relativ weit von einander entfernt stehen. In der Richtung von hinten nach vorn werden die Abstände der Zähne geringer. An der Praedentalsymphyse stehen sie schließlich so dicht, daß Reis sogar von einer Zahnwucherung spricht. Die Größe nimmt nach vorn zu ab. Gelegentlich findet sich noch kurz vor der Praedentalsymphyse auf dem Dentale ein besonders kräftiger Zahn, der an Größe alle andern überragt. Bei einem von 58 Paul Assmann: Vetter beschriebenen Exemplar besitzt er die Länge von !/s cm. Seine Spitze ist stets scharf nach hinten gewendet. Von den übrisen Knochen, die an der Bildung des Unterkiefers beteiligt sind, kommen in Betracht: das Angulare, das Supraangulare, das Complementare und an der Innenseite das Spleniale. Von letzterem ist an der Außenseite des Unterkiefers gewöhnlich nur ein kleines Stück in einer Lücke hinter dem letzten Zahn zu sehen. Angulare und Supraangulare, die beide am hinteren Rande des Dentale liegen, sind zwei ungefähr gleichsroße Knochen, von denen das Aneulare bedeutend fester verknöchert ist und eine sehr kräftige Oberflächenskulptur besitzt. Die Skulptur des letzeren besteht aus starken Runzeln, die von einem in der Mitte des Knochens gelegenen Össifikationszentrum ausgehen. Das Supraangulare ist lamellös und zeigt eine fast glatte Oberfläche. Über den proximalen Rand des Supraangulare legt sich noch ein schmaler Knochen mit schwacher Skulptur, der als Complemen- tare zu deuten ist. Ein Artieulare konnte ich trotz eifrigen Forschens danach nicht auffinden. Es mag als kleiner Zapfen vorhanden gewesen sein, der auf der vorderen Seite durch das Angulare verdeckt wurde. ©. Reis bildet auf Taf. I, Fig. 7 in seiner Arbeit über Belonostomus ete. (s. L. 19) einen Kiefer von der Innenseite ab. Jedoch ist es noch nicht sicher, ob der bei ihm mit Ar bezeichnete Knochen wirklich dem primären Teil des Unterkiefers entspricht. Auf (die Innenseite des Kiefers lest sich als bezahnter Deeckknochen des Meckelschen Knorpels das Spleniale. Es besitzt ungefähr dreieckige Gestalt und erstreckt sich über die Hälfte des Dentale hinaus nach vorn. Der obere Rand des Spleniale ist mit kleinen keilförmigen Zähnchen besetzt. Am proximalen Ende der Mandibel erscheint das Spleniale an der Außenseite in der Lücke, welche durch das Aufhören der Bezahnung auf dem Dentalrand hervorgerufen wird. Es setzt so die Zahnreihe des Dentale in gerader Linie nach hinten fort. Nach vorn zu wird es ganz dünn und endigt ganz kurz vor der Dentalsymphyse. Es scheint also, daß die zahnbildenden Zonen von Dentale und Spleniale in einander übergehen. b. Die Maxilla. Die Maxilla, ein weiteres Stück des Mundbogens, ist ein langer, dünner, schwach gebogener Knochenstab, der bei geschlossenem Maul fast parallel dem oberen Rande der Mandibel verläuft. Am hinteren Ende ist sie etwas gekrümmt und überlagert, besonders bei alten Tieren, noch ein Stück vom proximalen Teil des Unterkiefers. Gegenüber der Grenze von Dentale und Praedentale legt sich das vordere Ende der Maxilla an das Rostrum an. Die Maxilla besitzt vorn eine Fig. 3. Maxilla von Aspidorhynchus acutirostris. ziemlich scharfe Spitze. Nach der Mitte zu verbreitert sie sich allmählig derart, daß sie sich noch ein Stück mit dem unbezahnten Rande an das Rostrum anzu- schmiegen vermag. Schließlich nimmt sie ungefähr in der Mitte nach einem scharfen Absatz eine stabförmige Gestalt an. Die Maxilla besitzt keinerlei Skulptur. Auf Über Aspidorhynchus. 59 dem Rande, der dem Dentale zugekehrt ist, weist sie eine einfache Reihe zahl- reicher kleiner, fast gleichgroßer Zähne auf. Dem distalen Teil der Maxilla liegt noch eine schmale Knochenleiste auf, die bei Fischen in der Regel als Jugale ge- deutet wird. Reis (s. L. 19) hat als Jugale einen Knochen beschrieben, den er bei einem Exemplar beobachtete, welches er auf Tafel II, Fig. 7 abbildet. Dieser lagert der Verbreiterung der Maxilla auf. Hierbei hat sich Reis aber sicherlich einer Täuschung hingegeben; denn erstens liest bei allen höher organisierten Fischen das Jugale, wenn es überhaupt vorhanden ist, dem distalen Teil der Maxilla auf, und zweitens würde ein solches Jugale, wie es Reis abbildet, gerade das An- schmiegen der Maxilla an das Rostrum verhindern. Jener Knochen, den Reis als Jugale beschreibt, ist wahrscheinlich ein Stück des Palatinums. ec. Gaumen, Zungenbeinhbogen, Quadratum, Symplecticum, Kiemenbögen. Der Gaumen besteht jederseits aus vier Teilen und zwar aus dem Palatinum, dem Eetopterygoid, dem Entopterygoid und dem Metapterygoid. Das Palatinum ist ein stabförmiger Knochen, dessen Bezahnung am proximalen Ende mit drei größeren Zähnen beginnt und vorn mit kleinen Zähnchen endet. Die Spitzen dieser Zähne sind stark nach hinten gebogen. Caudal schließt sich an das Palatinum das Ectopterygoid an. Dasselbe besitzt eine schmale, spindelförmige Gestalt und ver- breitert sich in der hinteren Partie ziemlich stark. In seinem vorderen Teile ist es am Unterrande mit kleinen Zähnchen besetzt. Das Entopterygoid, ein großer, plattig ausgebreiteter Knochen, ist uns wegen seiner geringen Dicke nur selten er- halten. Es erstreckt sich fast am ganzen inneren Rande des Ectopterygoids ent- lang und dehnt sich nach vorn aus bis an die Mitte des Palatinums. Ectopterygoid und Entopterygoid snd an der Gaumenseite dicht mit feinen Körnelzähnchen be- deckt. Das Metapterygoid besitzt ungefähr die Form eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen Hypothenuse sich an den hinteren Rand des Ectopterygoids anlehnt. Fig. 4. Gaumen von Aspidorhynehus acutirostris. pt. = Palatinum; ekt. = Ektopterygoid; entpt. =Entopterygoid; mtpt. =Meta- pterygoid; qdr. = Quadratum; s. = Symplecticum; hy. = Hyomandibulare. Alle drei Pterygoidea sind von Reis (s. L. 19) für einen einzigen Knochen gehalten und als Eetopterygoid beschrieben worden, da die außerordentlich schwer erkennbaren Grenzen dieser Knochen seiner Beobachtung entgangen waren. Über die hintern Partien des Eetopterygoids und Metapterygoids legt sich das dreieckige 60 Paul Assmann: Quadratum. ‘Es besitzt an der vorderen Kante eine leistenartige Verstärkung und unten einen Gelenkknopf, an welchem der Unterkiefer artikuliert. Das Symplec- ticum ist em schmales, rundliches Knochenstäbchen, welches die Verbindung des Quadratbeines mit dem Hyomandibulare herstellt. Vom Zungenbeinbogen ist in der Regel allein das Hyomandibulare erhalten. In einem Falle aber liest er mir fast‘ vollständig vor. Bei einem Vergleich nun, den ich zwischen den Zungenbeinbögen von Aspidorhynchus und Belonostomus an- stellte, zeigte es sich, daß alle entsprechenden Stücke, soweit sie vorhanden waren, eine auffällige Ähnlichkeit mit einander besaßen. Ich glaube daraus schließen zu dürfen, daß man kaum einen großen Fehler begeht, wenn man die fehlenden Par- tien des Zungenbeinbogens bei Aspidorhynchus aus den korrespondierenden Teilen von Belonostomus ergänzt. Das Hyomandibulare ist außerordentlich groß und kräftig entwickelt und zeigt ungefähr die Form eines langgezogenen Sechsecks.. An seiner vorderen Kante hat es einen fast quadratischen Ausschnitt, in welchem teilweise das Metapterygoid liegt. Das Hyomandibulare besitzt vier Verstärkungsleisten, die von einem etwas über der Mitte gelegenen Ossifikationszentrum ausgehen. Zwei von ihnen verlaufen schräg nach oben und je eine nach oben und unten. Der hintere Fortsatz des Hyomandibulare, m dem das Operculum gelenkt, ist bedeutend kürzer als bei Belonostomus. Ein Interhyale, welches das zweite Stück des Zungenbeinbogens bildet, ist bei den mir vorliegenden Exemplaren von Aspidorhynchus acutirostris nie erhalten. Wahrscheinlich ist dasselbe wie bei Belonostomus verknorpelt gewesen. Das Epihyale zeigt eine dreieckige Form, wie man sie bei vielen Fischen findet. An dasselbe schließt sich nach vorn das Ceratohyale an. Es ist dies bei einem ausgewachsenen Exemplar eine 23—29 mm lange, glatte Knochenspange, die im vorderen Teil etwas unter der Mitte eine beträchtliche Verjüngung erfährt. Proximal ist die Gelenkfläche fast noch einmal so groß wie vorn, wo sich das Hypohyale anlehnt. Auf der Außenseite verläuft dem oberen Rande parallel eine 2 mm breite Rinne, auf der Innenseite eine gleiche dem untern Rand entlang. In beiden werden sich wahrscheinlich Öffnungen befunden haben, die von Blutgefäßen herrührten. Ich habe dieselben aber trotz eifrigen Suchens nicht zu entdecken vermocht. Das Hypohyale, welches bei Belonostomus dreieckige Gestalt besitzt, fehlt. Hingegen ist das Glossohyale vollständig erhalten. Es gleicht vollkommen demjenigen, das Reis (s. L. 19) von Belonostomus beschreibt und abbildet. Es ist dies bei meinem Exemplar eine 13 mm lange Knochenspindel, die mit feinen Körnelzähnchen dicht besetzt ist. Nach hinten folgen demselben median anscheinend noch drei lanzett- förmige Kopularstücke. An dem Ceratohyale, wahrscheinlich auch an dem Epihyale, saßen in großer Anzahl die Radii branchiostegi an, von denen ich bis 18 Stück ge- zählt habe. Durch einen glücklichen Zufall blieben bei einem Exemplar auch die Kiemen- bögen erhalten. Von den einzelnen Teilen der Kiemenbögen sind die Hypobran- chialia, die von den Copulae ausgehen, am kräftigsten entwickelt. Die Ränder des ersten Paares von Hypobranchialia sind glatt, während die der folgenden Paare und die übrigen Glieder der Kiemenbögen mit zahnartigen Fortsätzen versehen sind. Letztere erreichen oft eine Länge von mehr als 1 cm und tragen ihrerseits wiederum Über Aspidorhynchus. 61 Borsten. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat sich der ganze Kiemenapparat aus fünf Kiemenbögen zusammengesetzt. An dem ersten Ceratobranchiale und Epibr endiale saßen besonders lange, franzenförmige Kiemen an. d. Parasphenoid und Vomer. Das Parasphenoid ist ein schmaler, zarter Knochen, der dem hinteren Teil des Schädeldachs parallel verläuft. In der Augenregion verschmälert es sich etwas, wird dann noch einmal breiter, um sich schließlich am vorderen Ende wieder etwas zu verjüngen. Das Parasphenoid hat in seinem ganzen Verlaufe einen T-förmigen Querschnitt. Seine Breitseite kehrt es dem Mundinnern zu. An dem hinteren Ende, wo sich das Basioceipitale anfügt, bemerkt man eine bürstenförmige Be- zahnung des Parasphenoids, die weiter nach vorn geht, als es bei den übrigen Lepidosteiden der Fall ist. Bei Belonostomus erwähnt Reis (s. L. 19) am vor- deren Ende des Parasphenoids zwei längliche Knöchelchen, die bei Aspidorhynchus acutirostris nicht zu beobachten waren. Er vergleicht jene Plättchen mit einem paarigen Zahnbelag, der bei Lepidosteus dem Parasphenoid aufliest. Das Para- sphenoid reicht genau so weit nach vorn wie das Palatinum. An dasselbe reichen seitwärts die Entopterygoidea heran, die auf diese Weise den für die Ganoiden so charakteristischen geschlossenen Gaumen bilden. Reis, der eime sehr eingehende Beschreibung des Parasphenoids gegeben hat (s. L. 19), verglich dasselbe mit dem von Lepidosteus, Macrosemius, Polidophorus, Caturus, Leptolepis und fand, daß das- selbe bei allen Lepidosteiden und Amiaden übereinstimmt. Den distalen Fortsatz des Parasphenoids bildet der unpaare Vomer. Der- selbe liest mir zwar nicht von Aspidorhynchus acutirostris selbst, sondern nur in der Abbildung von einer liassischen Form vor, die mir von Herım Dr. Heinecke in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt wurde. Bei jener Art ist der Vomer eine ganz dünne, zarte, 12 mm lange Knochenspange, die sich in der Mitte etwas verjüngt. Am vorderen Teil bemerkt man eine Anzahl kleiner Kegelzähnchen, deren Spitzen scharf nach rückwärts gewendet sind. Mit den darüber liegenden Ethmoidea lateralia ist der Vomer durch eine knorplige Substanz verbunden ge- wesen. Da nun jene liassische Spezies dem Aspidorhymchus acutirostris sehr nahe steht, so ist man, glaube ich, zu der Annahme berechtiet, daß beide Arten in Bezug auf den Vomer nennenswerte Unterschiede nicht aufzuweisen haben. e. Schädeldach und Rostrum. Das Schädeldach ist die bisher am wenigsten bekannte Knochenpartie am Kopfe des Aspidorhynehus acutirostris. Ich war nun in der glücklichen Lage, das- selbe an einigen günstig erhaltenen Exemplaren ziemlich vollständig klarstellen zu können, leider mit Ausnahme der Oeeipitalia superiora, die merkwürdigerweise ent- weder garnicht erhalten, oder doch so stark zerdrückt sind, daß sie ihre ursprüng- liche Gestalt nicht mehr erkennen lassen. Das Schädeldach weist eine Reihe interessanter Einzelheiten auf, die Aspido- rhynchus von dem mit ihm gelegentlich verglichenen Zepidosteus scharf unterscheiden. Die Parietalia sind mit einander zu einem Knochen verwachsen. Niemals konnte ich trotz eifrigen Suchens und sorgfältiger Präparation eine Naht zwischen beiden 62 Paul Assmann: entdecken. Eine paarige Anlage ist jedoch noch deutlich an der symmetrisch angeordneten Skulptur des Parietale zu erkennen. Das Parietale besitzt an den beiden seitlichen Rändern starke, einander parallel verlaufende Runzeln, die sich gegen die Mitte des Knochens hin in eine Körnel- skulptur auflösen. Am hinteren Rande finden sich zwei kurze Fortsätze, die nach Jaekel als Epiotikalecken ge- deutet werden müssen, da über dieselben die Tremal- kanäle nach dem Rumpf hin verlaufen. Zwischen jenen zapfenartigen Fortsätzen waren zweifellos die kurzen Oceipitalia superiora gelegen. Squamosa, die Reis (s. L. 19) als seitlich von dem Parietale gelegen angibt, sind als Schädeldachknochen bei Aspidorhymchus nicht entwickelt. Ob sie gänzlich fehlen, oder nur von dem Parietale überschoben sind, habe ich nicht entscheiden können. Reis hat allem Anschein nach die Squamosa bei der Gelegenheit, wo er dieselben be- schreibt, mit dem Parietale verwechselt. Dieser Irrtum ist vor allem daraus zu erklären, daß das Exemplar, bei welchem er Squamosa zu bemerken glaubte, auf der Platte nur von der Seite zu sehen ist. / Nach vorn setzen sich an das Parietale die Frontalia an. Diese haben wie bei den meisten Fischen so auch hier den Hauptanteil an der Bildung des Schädeldachs. Beide Frontalia besitzen zusammen die Form eines Rechtecks. Median stoßen sie in einer welligen Naht aneinander. Die Skulptur eines jeden Frontale besteht nahe dem Außen- rande aus kräftigen Längsrunzeln, die von einem nahe am Hinterrande gelegenen Ossifikationszentrum ausstrahlen. Die Runzeln lösen sich nach der Mitte zu in eine feine Kömelung auf. 7 N 0-0 An die Frontalia setzt sich nach vorn ein unpaarer j Knochen an, der bisher verschiedene Deutung erfahren hat. Fig. 5. Schädeldach von O. Reis (s. L. 19) hat ihn als Nasale aufgefaßt. Er Aspidorhynchus acutirostnis. ocsup.=Oceipitalia superiora; , ; ö p. = Parietale; f.—Frontale; ihm gelang, diesen Knochen von dem darunterliegenden ab- l. = Lacrymale; n. = Nasale; na EN L KUN EN en meth. — Mesoethmoideum. Zuheben. Es schien also, daß er es hier mit einem echten Deckknochen zu tun habe. Die Ansicht Woodwards (s. L. 24), daß es sich hierbei um das Mesoethmoid handelt, ist mir dennoch be- deutend einleuchtender, zumal dasselbe bei einer großen Anzahl von Fischen an die Oberseite des Schädels tritt und Deckknochenskulptur annimmt. Das Mesoeth- moid ist nun entweder mit den gewöhnlich darunterliesenden Ethmoidea lateralia oder dem Vomer verwachsen. Kine Verbindung des Mesoethmoids mit dem Vomer ist natürlich nur dann möglich, wenn die Ethmoidea lateralia sehr schwach entwickelt und seitlich vom Mesoethmoid gelegen sind. Die Verwachsung dieser Knochen wurde anscheinend in dieser Ansicht bestärkt, als es Über Aspidorhynchus. 63 kann erstens auf direktem Wege vor sich gehen, wobei dieselben fest mit einander verschmelzen, oder zweitens auf indirektem Wege erfolgen, sobald zwischen beide Knochen sich ein knorpliges Bindemittel einschaltet. Betrachten wir daraufhin die Verhältnisse bei Aspidorhynchus acutirosiris, so finden wir zunächst das Mesoeth- moid mit den darunterliesenden Ethmoidea lateralia verbunden. Ferner scheint diese Verbindung durch Knorpelsubstanz hergestellt gewesen zu sein. Dafür spricht vor allem das Vorhandensein kleiner Kalkspatkrystalle unter dem Mesoethmoid, die bei der Entfernung des Knochens zahlreich zum Vorschein kommen. Würden Mesoethmoid und Ethmoidea lateralia mit einander verschmolzen sein, so wäre eine Trennung der Knochen, wie sie z. B. auch von Reis ausgeführt wurde, auf dem Wege der Präparation nicht möglich. Das Mesoethmoid ist ein langer, dreieckiger Knochen, der nach vorn spitz ausläuf. Auf der Außenseite trägt es kräftige Längsrunzeln, die am vorderen Ende beginnen und nach hinten zu divergieren. Unter dem Mesoethmoid liegen, wie schon oben erwähnt war, die großen Ethmoidea lateralia. Sie sind median in einer geraden Naht mit einander vereinigt und füllen zusammen genau den Raum unter dem Mesoethmoid aus. Die Form beider Ethmoidea lateralia ist also eben- falls dreieckig. Über den Augenhöhlen, seitlich von den Frontalia, liegen beiderseits noch zwei kleinere Knochen mit stark sekörnelter Oberfläche, die als Präfrontale und Postfrontale zu deuten sind. Das Präfrontale besitzt vorn eine keulenförmige Ver- breiterung, in deren Mitte das Ossifikationszentrum gelegen ist. Die Oberfläche des Präfrontale ist an der Außenseite stark gerunzelt. Kaudalwärts schließt sich das Postfrontale an, welches mit seiner hinteren Partie teilweise das 1. Supraorbitale überlagert. Die Gestalt des Postfrontale ist ein Dreieck, das sich mit seimer größten Seite an das Parietale anlehnt. Auf der Außenseite ist es mit einer kräf- tigen Körnelung versehen, die nach dem hinteren Ende des Knochens zu allmählich etwas schwächer wird. Die Lacrymalia, die sich zwischen dem Ethmoideum und den Präfrontalien beiderseitig einschalten, sind kleme, dreieckige Knochen von un- sefähr 1 cm Länge. Sie beginnen hinten ziemlich spitz und werden nach vorn zu etwas breiter. Ihre Skulptur gleicht derjenigen der angrenzenden Knochen. Auf den Frontalia und dem Parietale finden sich Tremalkanäle. Diese beginnen in der Ecke auf dem Frontale, wo der vordere Rand des Präfrontale an das Fron- tale stößt. Die Tremalkanäle laufen zunächst in der Mitte eines jeden Frontale entlang und liegen in ihrem ferneren Verlauf auf dem Parietale. Von dort setzen sie sich über die Epiotikalecken nach dem Postoperculum fort und treten endlich als sogenannte Seitenlinien auf den Rumpf des Tieres über. Der obere Teil der Schnauze ist bei Aspidorhynchus ganz allgemein ein erheb- liches Stück länger als der Unterkiefer. Er spitzt sich am vorderen Ende ziemlich scharf zu und mag so für das Tier eine nicht zu unterschätzende Waffe gewesen sein. Diese spezialisierte Ausbildung der vorderen Schnauze, etwa vom hinteren Ende des Ethmoideums an, wird in der Literatur allgemein als Rostrum bezeichnet. Bevor ich jedoch endgültige Angaben über die Zusammensetzung des Rostrum machen kann, muß ich zunächst noch einige Knochen von ihm besprechen, die bisher eine ganz andere Deutung erfahren haben. Das Ethmoid wird beiderseits durch 64 Paul Assmann: zwei Knochen umfaßt, die vor demselben eine feste Verwachsung mit einander ein- gehen. Eine schwache Symphyse ist nur noch auf ihrer Unterseite zu erkennen. Diese Knochen sind von Vetter, Reis und Woodward noch zusammen mit zwei weiteren Knochen, die an der zahnbildenden Zone beteiligt sind, als Prämaxillen gedeutet worden. Die irrtümliche Deutung als Prämaxillen ist dadurch veranlaßt worden, daß man die Grenze zwischen den kleinen zahntragenden und den großen zahnlosen Stücken nicht bemerkt hatte. Auch die Lage jener Knochen (s. Rekonstr.) mußte schon von vorn herein eine derartige Auffassung etwas zweifelhaft erscheinen lassen. Nachdem ich nun auf den bisher als Prämaxillen angesehenen Stücken deutliche Knochennähte gefunden habe, welche die zahnführende Partie jederseits von dem übrigen Teil abtrennen, möchte ich mir erlauben, eine andere Er- klärung für diese Knochen vorzuschlagen. Die beiden zahnlosen Knochen, die den Hauptanteil an der Rostralbildung haben, möchte ich für die Nasalia halten. Zur Begründung meiner Ansicht will ich folgendes anführen: Es ist eine allgemein be- obachtete Tatsache, daß das Ethmoid bei Fischen, wenn es an der Schädeldach- bildung teilnimmt, stets zwischen den Nasalia auftritt und jene auf die Seite drängt. Bei den meisten Fischen bleiben nun die Nasalia getrennt, während sie sich bei einigen Ganoiden, wie z. B. bei Gyrodus, vor dem Ethmoid wieder vereinigen. Der letzte Fall scheint mir bei Aspidorhynehus vorzuliegen. Zugleich war auch durch die vordere Verbindung der Nasalia die Möglichkeit für eine Rostralbildung gegeben. Die bezahnten Knochen des Oberkiefers, welche die zahnbildende Zone nach vorn fortsetzen, glaube ich als Prämaxillen ansehen zu dürfen. Dieselben sind schmale Knochenspangen, die randlich an der Unterseite der Nasalia gelegen sind und sich noch ein Stück über die Spitze des Unterkiefers hinaus nach vorn erstrecken. Ihre Bezahnung reicht nur bis zur vorderen Endigung des Unterkiefers. Die Be- zahnung besteht aus etwa 12 kräftigen Zähnen, deren Spitzen scharf nach rück- wärts gebogen sind. An der hinteren Partie der Prämaxillen sitzen die längsten Zähne an, die an Größe noch die des Unterkiefers übertreffen. Nach vom zu werden sie allmählich kleiner. Aus den bisher angestellten Betrachtungen über die Stücke der vorderen Schnauzenregion ergibt sich, daß folgende Knochen an der Rostralbildung teil- nehmen: An der Außenseite die Nasalia, die Prämaxillen und das Mesoethmoid; im Innern die Ethmoidea lateralia und der Vomer. Die vordere Spitze des Rostrums ist nie zerdrückt, woraus hervorgeht, daß dieselbe aus einer massiven Verwachsung der daran beteiligten Stücke hervor- gegangen ist. Dagegen ist das Rostrum weiter hinten stets zusammengedrückt, sei es seitlich, was gewöhnlich der Fall ist, sei es dorso-ventral, was seltener vor- kommt. Diese Deformation des Rostrums an dieser Stelle weist mit Sicherheit auf einen Hohlraum in demselben hin, der von reichlich blutgefäßführender Knorpel- masse, welche das Wachstum des Rostrums erhielt, angefüllt gewesen sein mag. An der Außenseite ist das Rostrum mit langen, kräftigen Längsrunzeln skulpturiert, sodaß die Symphysen, besonders in der vorderen Gegend, gewöhnlich schwer zu erkennen sind. Vetter (s. L. 16) hat bei einer eingehenden Vergleichung der Wachstums- verhältnisse des Körpers zum Rostrum die interessante Beobachtung gemacht, daß Über Aspidorhynchus. 65 das. letztere sehr rasch seine definitive Länge erreicht. Er folgerte daraus, daß man das Rostrum gewissermaßen als Jugendwaffe zu betrachten habe, deren Ent- wieklung plötzlich stehen bleibe, sobald das Gebiß vollständig ausgebildet sei. Diese Ansicht kann ich jedoch nicht teilen. Vielmehr glaube ich, daß das Rostrum auch für das ausgewachsene Tier eine wichtige Funktion gehabt hat; denn es ist eine bekannte Tatsache, daß besonders wichtige Organe bei einem Individuum schon sehr früh in der Jugend ausgebildet werden. Gerade dieser Umstand scheint mir dafür zu sprechen, daß das Rostrum für Aspidorhynchus allgemein von eroßer Bedeutung war. \ f. Opercula und Orbitalia. Der Opercularapparat, welcher bei Aspidorhynchus acutirostris aus Operculum, Präoperculum, Interopereulum und Suboperculum besteht, ist gelegentlich bei den einzelnen Exemplaren vollständig erhalten. Das Operculum ist eine große Knochen- platte von ungefähr halbkreisförmiger Gestalt. An der Außenseite ist es mit kon- zentrisch angeordneter Körnelskulptur versehen, welche randlich besonders stark ausgeprägt ist. Oben in der Nähe der vorderen Kante besitzt das Operculum auf der Innenseite eine kreisförmige Gelenkung, in die der hintere Fortsatz des Hyo- mandibulare hineingreift. Vor das Operculum und das Suboperculum legt sich das dreieckige Präoperculum. Letzeres ist in der Richtung von oben nach unten lang- gestreckt und unten plattig verbreitert. Der vordere Rand zeigt in seinem Ver- laufe zwei konkave Einbuchtungen. Auf dem Präoperculum befindet sich ein ziemlich dicker Schleimkanal. Dieser besitzt zunächst genau dorso-ventrale Richtung, biegt jedoch auf dem verbreiterten Teii des Präoperculums fast genau unter einem rechten Winkel nach vorn um und hört kurz vor dem vorderen Ende des Knochens auf. Dieser Schleimkanal sendet auf dem unteren Teile des Präoperculums zahl- reiche Seitenkanäle aus, die während seines Verlaufs von hinten nach vorn beson- ders hervortreten. Ein Zusammenhang dieses Schleimkanals mit dem des Unter- kiefers scheint nicht zu existieren. An seiner Umbiegungsstelle zweigt sich von dem Hauptschleimkanal des Präoperculums ein Nebenschleimkanal ab, der sich nach kurzem Verlaufe wieder mit dem Hauptschleimkanal vereinigt. Jener Teil, den beide Kanäle umschließen, gleicht ungefähr einem Kreissektor. Die Skulptur des Präopereulums besteht in einer mäßig starken Körnelung, die im oberen Teil des Knochens sich allmählich verliert. An den Unterrand des Präoperculums lehnt sich eine schmale Knochenleiste mit spärlich gekörnelter Oberfläche an, die eben- falls zum Operceularapparat gehört und als Interoperculum aufzufassen ist. Bei der Gattung Belonostomus habe ich ein Interopereulum nie beobachtet. Wahr- scheinlich wird es hier von dem untern Teil des Präoperculums überdeckt; denn ich kann schwer der Ansicht zuneigen, daß ein relativ so konstantes Stück bei einer so nahe verwandten Form von Aspidorhymehus fehlen soll. Zwischen dem plattig; verbreiterten Teil des Präopereulums und dem Operculum liegt noch das halb- mondförmige Suboperculum. Seine Oberfläche ist mit einer ausgeprägten Körnelung versehen, die im vorderen Teile des Knochens besonders kräftig wird. Am hinteren Rande des Operculums ist ein Knochen gelegen, der zu einem kleinen Teil von dem zapfenartigen Fortsatz des Parietale bedeckt wird. Er be- 66 Paul Assmann: sitzt eine langgestreckte, etwas gekrümmte Form. Der obere Rand von ihm ist mit einem kleinen, runden Gelenkknopf versehen, mit dem jener Knochen an einem unter dem Parietale gelegenen Knochen des Craniums artikuliert haben mag. Seine Außenfläche ist mit Ausnahme des Teils, welcher durch die Fortsätze des Parietale überdeckt wird, gleichmäßig mit feinen Runzeln skulpturiert. Über die Entwicklung dieses Knochens hat Jaekel eingehende Untersuchungen angestellt. Dabei hat sich ergeben, daß jener Knochen bei Coecosteus noch eine echte Opercularplatte war. Jaekel gab ihm daher den Namen Postoperculum. Dieses Postoperculum änderte aber im Laufe der Zeit seine Funktion und wurde allmählich zum Bindeglied zwischen Schultergürtel und Kopf. In der Literatur wird es gewöhnlich als Post- temporale bezeichnet. Bei Aspidorhynchus hat dieser Knochen eine doppelte Funk- tion. Erstens stellt er die Verbindung des Schultergürtels mit dem Schädel her, und zweitens hat er, wenn auch in geringem Maße, die Funktion einer Opereular- platte, da sich noch Kiemen unter ihm vorgefunden haben. Aus dem zuletzt er- wähnten Grunde will ich die von Jaekel vorgeschlagene Bezeichnung des Knochens bei Aspidorhynchus beibehalten und das Stück ebenfalls Postoperculum benennen. Die Orbitalbedeckung am Kopfe von Aspidorhynchus acutirostris besteht aus Supraorbitalia und Circumorbitalia. Von den Supraorbitalia sind stets nur zwei eroße Platten zu beobachten, die hinter dem Auge liesen. Das erste Cireumorbitale, welches mit seinem oberen Rande an das Schädeldach (speziell an das Parietale) grenzt, ist das bei weitem größere. Vorn ist es konkav, hinten konvex ausgebogen. Sein Ober- und Unterrand sind gerade. Kaudalwärts reicht das erste Supraorbitale vollständig bis an das Präoperculum heran, sodaß der Hinterrand des ersten Supra- orbitale der oberen Ausbuchtung des Präoperculums entspricht. Durch das weit sich nach hinten erstreekende Postfrontale wird es längs des Frontalrandes teil- weise überdeckt. An der Außenseite ist es mit einer mäßig starken Körnelung versehen, die nach der Mitte des Knochens hin allmählich schwächer wird. An den unteren Rand des ersten Supraorbitale setzt sich das bedeutend kleinere zweite Supraorbitale an. Unter- und Hinterrand desselben werden durch eine schwache Rundung mit einander verbunden. Der Vorderrand zeigt eine stark gewölbte Ein- buchtung, in welcher ein Circumorbitale gelegen ist. Die äußere Oberfläche des zweiten Supraorbitale ist nur sehr schwach gekörnelt. Vor den Supraorbitalia, sowie am Außenrande des Prä- und Postfrontale liegen noch acht kleine, schmale Cireumorbitalia. Dasjenige, welches man in der Einbuchtung des zweiten Supra- orbitale erblickt, ist unter allen das größte und besitzt halbmondförmige Gestalt. Die drei Circumorbitalia, welche unterhalb des Prä- und Postfrontale sich befinden, sind sichelförmig und weisen die Oberflächenskulptur der angrenzenden Schädel- dachknochen auf. Alle übrigen Circumorbitalia sind skulpturlos. Jene acht Cir- cumorbitalia mögen einem vollständigen Circumorbitalring angehört haben, dessen übrige Bestandteile nicht erhaltungsfähig gewesen sind, sei es nun, daß sie zu schwach verknöcherten, oder sei es, daß sie überhaupt nur häutig entwickelt waren. Zweifellos müssen auch ferner zur Bedeckung der vorderen Schläfengegend, die sich zwischen Maxille, Schädeldach und Auge ausdehnt, Orbitalplatten existiert haben. Diese Orbitalia sind aber ebenfalls am fossilen Tiere nicht zu beobachten, woraus wiederum folgt, daß sie aus keiner erhaltungsfähigen Substanz bestanden haben können. Über Aspidorhynchus. 67 Bei der Gattung Belonostomus zeigt sich uns eine erheblich ausgedehntere Ver- knöcherung des Orbitalringes, sodaß gelegentlich auch das in der vorderen Orbital- gegend, nahe dem Auge gelegene große Nasenloch zu bemerken ist. Bei Aspido- rhynchus ist dasselbe aus den oben angeführten Gründen nie zu beobachten, jedoch glaube ich annehmen zu dürfen, daß die Region der Nasenöffnungen von Aspido- rhynchus und Belonostomus bei der nahen Verwandtschaft der Gattungen ungefähr denselben Bau gehabt haben. Schließlich möchte ich noch mit wenigen Worten auf die Beschreibung des Orbitalringes eingehen, die Reis (s. L. 19) von Aspidorhynchus gegeben hat. Er erwähnt drei Supraorbitalia und eine Platte x, die sich zwischen die beiden ersten von ihnen und das Präoperculum einschiebt. Hier hat sich Reis offenbar durch Bruchlinien täuschen lassen, die durch die Verstärkungsleisten des Hyomandibulare auf dem ersten Supraorbitale öfter hervorgerufen werden und dasselbe in die Platte x und zwei weitere Knochenplatten zerlegen. Dieser Täuschung kann man besonders dann leicht anheimfallen, wenn der eine Bruch gerade durch eine Ecke des ersten Supraorbitale geht. Der Sklerotikalring ist eine nach außen schwach gewölbte Ringfläche, welche bei allen Aspidorhynchen verknöcherte. Er besteht aus zwei Teilen, welche die ansehnliche Ringstärke von 3—3,5 mm besitzen. Auf der Außenseite des Sklero- tikalringes sind noch gelegentlich fadenförmige Gefäßeindrücke zu bemerken. 2. Schultergürtel, Flossen. Der Schultergürtel von Aspidorhynehus acutirostris ist dem des Zepidosteus ziem- lich ähnlich. Das Hauptstück bildet, wie bei den meisten Fischen, die Clavicula. Diese ist eine Knochenspange, die in ihrem oberen Verlauf dorso-ventrale Richtung besitzt, dann aber nach einer sanften Umbiegung parallel dem unteren Rande des Subopereulums nach vorn verläuft. Die Olavicula beginnt oben ziemlich spitz, verbreitert sich aber schnell und erreicht an der Umbiegungsstelle das Maximum ihrer Breite. Dann verjüngt sie sich wieder allmählich und endigt schließlich vorn in einer abgestumpften Spitze. Der untere Teil des Außenrandes der Clavicula ist ein schmales Stück nach hinten umgeschlagen. Die Stellung der Clavicula zum Kopfe ist dieselbe wie beim lebenden Lepidosteus. Das umgeschlagene Stück der Clavieula ist an der Außenseite mit scharf ausgeprägten Runzeln verziert, während die dem Kopfe zugewendete Seite des Knochens mit feinen Linien skulpturiert ist. An das obere Ende der Clavicula lehnt sich noch ein schmales Knöchelchen an, das oben in eine ziemlich scharfe Spitze ausläuft und allgemein als Supraclavieula gedeutet wird. Es trägt die gleiche Oberflächenskulptur auf der Außenseite wie die Clavieula. Dort, wo die Clavicula sich verbreitert und nach vorn wendet, liegt auf ihrer Innenseite das Scapulare, an dem die Brustflossen mit knorpeligen Basalstücken angesessen haben. Die kräftig entwickelten Brustflossen bestehen in der Regel aus zehn breiten Flossenstrahlen, von denen die drei äußeren ungefähr gleich stark und lang sind, während die folgenden immer kleiner und schwächer werden. Die Bauchflossen, welche etwas hinter der halben Körperlänge stehen, sind in ihrem Bau den Brust- flossen sehr ähnlich, nur erscheinen sie bedeutend schmäler und kürzer. Aus der 68 Paul Assmann: Größe der Brustflossen im Verhältnis zu den kleineren Bauchflossen folgt, daß die Brustflossen wesentlichere Funktionen für das Tier gehabt haben, als die kleinen Bauchflossen. Dies finden wir auch in der schwachen Ausbildung des Beckens be- stätigt, welches die Stützung der Bauchflossen im Körper bewirkte. Das Becken besteht nur aus einigen knorpeligen Basalstücken, welche die Verbindung des Bauchflossenpaares herstellen. An diese Basalstücke schließt sich nach vorn noch jederseits ein dünner, verknöcherter Fortsatz an. Die Analflosse findet sich fast in der Mitte zwischen den Bauchflossen und der Kaudalen. Sie besteht ungefähr aus 20 schmalen Flossenstrahlen, die sich an ihrem distalen Ende wiederholt gabeln. Ihr gegenüber steht auf der Dorsalseite die etwas kleinere Rückenflosse mit nur 10 Flossenstrahlen, welche in der. Rich- tung von vorn nach hinten an Größe abnehmen. Anale und Dorsale besitzen drei- eckige Form und sind nach hinten gradlinig senkrecht abgeschnitten. Proximal weisen beide am vorderen Rand, im Gegensatz zu den paarigen Flossen, einen schwachen Fulkrenbesatz auf. Die Flossenstützen der unpaaren Flossen sind schwache Knochenstäbchen, die bis zu den Dornfortsätzen der oberen Bögen, resp. bis zu den Hämaldornen der Wirbelkörper reichen. Die äußerlich homocerke, tiefgespaltene Schwanzflosse ist außerordentlich groß und kräftig entwickelt. Bei ausgewachsenen Exemplaren erlangen sogar die beiden Enden von ihr eine Spannweite von mehr als 12 cm. Die Flossenstrahlen, welche von der Mitte ab Quergliederung besitzen, teilen sich nach ihrem distalen Ende zu mehrfach eabelförmig. Die randlichen Flossenstrahlen sind sehr kräftig ausgebildet und stehen einander sehr nahe. Die in der Mitte der Schwanzflosse befindlichen fünf Flossenstrahlenbüschel setzen sich aus sehr schwachen Elementen zusammen und sind relativ ‘weit von einander entfernt. Ein schmaler, paariger Fulkrenbesatz, der sich fast bis zur Hälfte der Kaudalen am äußeren Saum hinaufzieht, ist oft gut zu beobachten. Aus der ganzen Organisation der Kaudalen erkennt man sofort, daß die Schwanzflosse von Aspidorhynchus acutirostris ein vorzügliches Ruderorgan gewesen sein muß, die ihrem Besitzer blitzschnelle Bewegungen im Wasser erlaubte. Die Schwanzflossen von Caturus, Polidophorus und Belonostomus besitzen einen ähn- lichen Bau. 3. Das Rumpfskelet. Die Wirbelsäule besteht aus rundum geschlossenen, dünnen Ringwirbeln, welche durch Verknöcherung von Bindegeweben entstanden sind. Die Wirbel haben noch einen ununterbrochen Chordastrang umgeben. Ihre Zahl ist nicht unbeträchtlich, jedoch konnte ich nur bei einem einzigen Exemplar die genaue Zahl derselben, nämlich 70, feststellen. Ob dieselben bei älteren Formen zahlreicher gewesen sind als bei jungen Individuen, läßt sich aus dem Grunde nicht konstatieren, weil die Wirbel bei jungen Tieren nicht verknöchert waren. Zittel (s. L. 15) hat fest- gestellt, daß die aus verknöchertem Bindegewebe entstandenen, dünnen Ringwirbel bei Aspidorhynchus acutirostris aus je zwei Halbringen hervorgehen. Diese Zu- sammensetzung aus je zwei Halbwirbeln kann man häufig in der vorderen Rumpf- region beobachten, während die Halbwirbel in der Kaudalregion zu echten Hohlwirbeln verschmolzen sind. Zwei solcher Halbwirbel, die sich im gegebenen Falle zu einem Über Aspidorhynchus. 69 Ringwirbel zusammenschließen, sind nach Zittel als Pleurocentrum und Hypocentrum aufzufassen. Es ist interessant, daß gerade in der Kaudalregion stets zuerst eine stärkere Verknöcherung der Wirbel eintritt, während die vorderen Teile der Wirbel- säule in dieser Hinsicht später folgen. Das erklärt sich aber sehr leicht aus der Wichtigkeit der Schwanzflosse, da die Beweglichkeit des Fisches zum größten Teil von einer günstigen Ausbildung dieses Organs abhängig ist. Mit der kräftigen Ausbildung der Kaudalen geht natürlich eine Kräftigung der Schwanzwirbel Hand in Hand, welche durch die Stützung der Schwanzflosse viel spezialisiertere Funk- tionen besitzen, als dies bei den mäßig beanspruchten Rumpfwirbeln der Fall ist. Ähnliches wie bei Aspidorhynchus acutirostris zeigen auch die Wirbel von Eurycornus speciosus, bei dem sich in der vorderen Partie der Wirbelsäule hufeisenförmige Ha)bwirbel, in der Schwanzregion geschlossene Ringe vorfinden. Auch bei Pycnodus habe ich analoge Verhältnisse beobachtet. Den einzelnen Wirbeln sitzen auf der Dorsalseite die etwas heller gefärbten, schmalen oberen Bögen auf, die am vorderen und hinteren Rande kleine Zyg- apophysen besitzen. Median auf den oberen Bögen befinden sich kurze, spitze, stark nach hinten gebogene Dornfortsätze, die in der Kaudalregion länger und kräftiger werden und dort als Träger der Schwanzflossenstrahlen dienen. Die unteren Bögen, welche ihrer äußeren Form nach den oberen Bögen gleichen, tragen an den ersten 46 Wirbeln dünne, kurze Rippen. Die an den übrigen Wirbeln an- sitzenden Rippen sind zu Hämaldornen verschmolzen. In der Schwanzgegend werden diese Hämaldorne, ähnlich wie die oberen Dornfortsätze, erheblich stärker und distal breiter, um den kaudalen Flossenstrahlen eine möglichst große Ansatzfläche zu bieten. 4. Der Schuppenpanzer. Der Schuppenpanzer von Aspidorhynchus acutirostris ist schon seit längerer Zeit so gut wie vollständig bekannt. Um die Beschreibung desselben hat sich vor allem L. Agassiz (s. L. 4 und 7) verdient gemacht. Die Skulptur der Schuppen wurde später durch A. Wagner (s. L. 14) eingehend beschrieben. Ich habe daher meine Aufgabe in der Hauptsache darin erblickt, das noch einmal übersichtlich zusammen- zufassen, was bisher über den Schuppenpanzer gesagt worden ist. Am Schuppenpanzer von Aspidorhynchus acutirostris lassen sich drei Arten von Schuppen unterscheiden und zwar: Rückenschuppen, Seitenschuppen und Bauch- schuppen. Die Seiten- und Bauchschuppen sind in Reihen geordnet, die in der Richtung von vorn nach hinten verlaufen. Die Rückenschuppen zeigen eine der- artige Reihenanordnung nicht. Ferner ist auch der Schuppenpanzer in dorso-ven- tral gerichteten Reihen gegliedert. Zu eimer solchen Reihe gehören Rücken-, Seiten- und Bauchschuppen. Die Anordnungslinien der Bauch- und Seitenschuppen sind gradlinig und kreuzen die Körperachse von Aspidorhynchus unter einem rechten Winkel. Die Rückenschuppen sind in schwach nach vorn gekrümmten Kurven an- geordnet. Hinter der Analflosse ändern die dorso-ventralen Anordnungslinien der Seiten- und Bauchschuppen ihre bisherige Richtung derart ab, daß sie allmählich immer schräger verlaufen. Sämtliche Schuppen lassen in situ ihre eigentliche Ge- stalt nicht erkennen, da die Ränder der Schuppen dachziegelartig übereinander- 70 Paul Assmann: greifen. Der hintere Rand einer jeden Schuppe legt sich über den Vorderrand der folgenden und der untere Rand über den Oberrand der nach unten sich anreihenden Schuppe. Die überdeckten Ränder der Schuppen sind skulpturfrei, während die übrige Außenfläche der Rücken- und Seitenschuppen eine Runzelskulptur tragen. Eine scharfe Grenze zwischen den gerunzelten und den skulpturfreien Teilen der Schuppen existiert nicht. Ill | | Fig. 6. Aspidorhynchus acutirostris. I = Schematische Anordnung der Schuppen; II = Seitenschuppe; III = Zwischen- schuppe, den Übergang von den Bauchschuppen zu den Seitenschuppen ver- mittelnd; IV = Bauchschuppe. Die Rückenschuppen haben rhombische Form und werden gegen die Mitte des Rückens hin etwas kleiner. Ihre Oberfläche ist mit mäßig starken, schwach ge- krümmten Runzeln verziert, die in der Richtung von vorn nach hinten verlaufen. Randlich überdecken sich die Dorsalschuppen in geringer Breite. Sie werden von den Seitenschuppen durch eine Reihe von Schuppen getrennt, welche den Übergang von den Rücken- zu den Seitenschuppen vermitteln. Diese letzteren besitzen rhom- boidische Gestalt und sind etwa doppelt so groß wie die Rückenschuppen. Inner- halb dieser Schuppenreihe verläuft die Seitenlinie des Fisches. Die Skulptur dieser Zwischenschuppen ist derjenigen der Rückenschuppen vollkommen gleich. Die Seitenschuppen sind in zwei Reihen angeordnet. Die Schuppen der oberen Reihe sind etwas kleiner als die der unteren Reihe. Erstere zeigen in der vorderen und mittleren Rumpfregion fast genau rhombische Form. Der hintere Rand derselben legt sich etwa 3 mm breit über den Vorderrand der Nachbarschuppe. Der Ober- rand wird 2 mm breit von den als Übergangsschuppen bezeichneten Elementen überdeckt. Die Seitenschuppen der unteren Reihe sind am Unterrande bogig ab- gegrenzt. Vorder- und Hinterrand von ihnen sind anfänglich parallel, konvergieren aber im oberen Teile der Schuppen und laufen schließlich in einer Spitze zusammen. Der zugespitzte Teil jener Schuppen liegt gänzlich unter dem unteren Teile der Über Aspidorhynchus. il oberen Seitenschuppen. Die Breite der Überdeckung des Vorderrandes durch eine angrenzende Seitenschuppe beträgt 3 bis 3’/s mm. Die Runzeln der Seitenschuppen sind alle stark gekrümmt und öfter unterbrochen. In der vorderen Rumpfgegend verlaufen sie hauptsächlich von oben nach unten. Weiter hinten in der Kaudal- region nehmen die Runzeln eine mehr horizontale Richtung an. Im allgemeinen sind die Seitenschuppen der vorderen Rumpfgegend kräftiger skulpturiert als die der Schwanzregion. Der Übergang von den Seitenschuppen zu den Bauchschuppen wird durch eine Reihe von Schuppen vermittelt, deren einzelne Glieder fast voll- ständig schon den Habitus der Bauchschuppen tragen. Nur ihre etwas größere Höhe erinnert an die Seitenschuppen. Eine solche Zwischenschuppe hat die Form eines rechtwinkligen Trapezes, dessen Oberrand unter einem kleinen Winkel gegen den Unterrand geneigt ist. Ihre Höhe ist ungefähr 1'/g Mal so groß als ihre Breite. In der Mitte des oberen Randes befindet sich eine mäßig lange Spitze, durch welche eine feste Verbindung mit den Seitenschuppen erzielt wird. Diese Spitze und ein schmaler Streifen des oberen Randes jener Zwischenschuppen wird durch den unteren Teil der unteren Seitenschuppenreihe überdeckt. Seitlich überlagern sich dieselben Schuppen fast 2 mm breit. Ihre Skulptur gleicht in Form und Anordnung vollständig der Skulptur der Seitenschuppen, nur ist sie be- deutend schwächer ausgeprägt. Die Bauchschuppen, welche in 14—15 Reihen die ventrale Seite des Fisches schützen, haben ebenfalls wie die eben besprochenen Schuppen die Form eines rechtwinkligen Trapezes. Ihr Oberrand, welcher median eine kurze Spitze besitzt, ist ungefähr unter einem Winkel von 30° gegen den unteren Rand geneigt. Die äußere Oberfläche der Bauchschuppen ist glatt. Die Bauchschuppen überlagern sich dachziegelartig derart, daß sie in situ als schmale Rechtecke erscheinen (s. Fig.). Die Breite ihrer Überdeckung beträgt 1 mm. In der Schwanzegion nehmen alle Seitenschuppen rhombische Gestalt an, sodaß dort der ganze Fisch auf Seite und Rücken mit gleichartigen Schuppen bedeckt ist Die Bauchschuppen, welche noch in der Gegend der Analflosse die gleiche Anzahl Reihen wie in der vorderen Rumpfregion aufweisen, nehmen dann kaudal an Reihen- zahl ab, nicht aber an Größe. Die Skulptur der Schuppen ist bei den Tieren in den einzelnen Altersstadien ganz verschieden. Die Jugendexemplare besitzen fast garkeine Skulptur auf den Schuppen, während die Schuppen der älteren Individuen eine kräftige Runzelung tragen. Daß diese Skulpturunterschiede L. Agassiz zur Aufstellung der Art Aspidorhynchus ornatissimus veranlaßt hat, habe ich schon in der Einleitung meiner Arbeit erwähnt. II. Beiträge zur Kenntnis der Art Aspidorhynehus obtusirostris, Wag. Die Spezies Aspidorhynchus obtusirostris ist von A. Wagner (s. L. 14) au Grund eines einzigen Exemplars aufgestellt worden. Eine eingehende Schilderung von ihr fehlt zur Zeit noch. Das Material, welches mir von Aspidorhynchus obtusirostris zur Untersuchung vorliegt, besteht in zwei Exemplaren, von denen das eine dem Berliner Museum für Naturkunde, das andere dem mineralogisch-geologischen Museum zu Dresden gehört. Beide Exemplare zeigen nur Kopfknochen. Wegen der ge- ringen Menge des Materials bin ich daher nicht in der Lage, eine vollständige Beschreibung und Rekonstruktion dieser Art geben zu können, sondern ich muß mich darauf beschränken, durch die Beschreibung der beiden Exemplare einige Beiträge zur Kenntnis dieser Spezies zu liefern. Das Berliner Exemplar, welches ich zunächst beschreiben will, habe ich in der Weise präpariert, daß ich die Knochensubstanz entfernte. Die auf diese Weise gewonnene Hohlform habe ich mit Gips ausgegossen und so ein einigermaßen klares Bild von den Skeletteilen erhalten. Wie man aus der Abbildung erkennt, ist jener Kopf von Aspidorhynchus obtusirostris dorso-ventral zusammengedrückt. Die einzelnen Kopfknochen liegen links und rechts zur Symmetrieachse des Schädel- daches ausgebreitet. Das Rostrum ist kräftig entwickelt, ziemlich diek und endigt vorn relativ stumpf. Skulptur ist nur noch auf dem hinteren Teile des Rostrums zu sehen. Sie besteht aus langen Längsrunzeln, die nach vorn konvergieren. Hinten setzen sich diese Runzeln auf die Frontalia fort. Die Frontalia, welche vom Rostrum durch eine wellige Naht getrennt werden, besitzen zusammen ungefähr die Form eines mäßig gestreckten Rechtecks.. Nahe dem Außenrande ist ihre Oberfläche mit kräftigen Runzeln bedeckt, welche von einem in der Nähe des hinteren Randes gelegenen Verknöcherungspunkt ausgehen. Median löst sich die Runzelskulptur in eine feine Körnelung auf, die_sich nach der Verwachsungsnaht der beiden Frontalien hin fast ganz verliert. An den hinteren Rand der Frontalia lehnt sich ein Knochen an, der den Parietalia entspricht. Jener Knochen ist hier wie bei Aspidorhynchus acutirostris, aus einer Verschmelzung zweier Elemente her- vorgegangen, was man noch deutlich aus der Anlage der Skulptur erkennen kann. Über Aspidorhynchus. 3 Die Form des Parietale ist die eines Rechtecks. An seinem hinteren Rande be- finden sich zwei ziemlich lange, zapfenartige Fortsätze, von denen aber nur einer auf dem Exemplar erhalten ist. Die äußere Oberfläche des Parietale ist nahe den seitlichen Rändern mit kräftigen, parallel verlaufenden Runzeln verziert, die sich gegen die Mitte des Knochens hin in eine feine Körnelskulptur auflösen. Seitlich von den Frontalia und dem Parietale liegen beiderseits vier Knochen, die auf dem Exemplar, besonders links vom Parietale und den Frontalien, gut zu erkennen sind. Diese Elemente entsprechen dem Prä- und Postfrontale, welehe bei Aspidorhynchus obtusirostris eine Zerlegung in je zwei Knochen erfahren haben. Das vordere Prä- frontalstück ist nur fragmentarisch erhalten, wahrscheinlich hat es aber eme ähn- liche Form wie der entsprechende Teil des Präfrontale von Aspidorhynehus acuti- rostris. Das hintere Stück des Präfrontale und das vordere Stück des Postfrontale besitzen rhombische Form. Das hintere Stück des Postfrontale zeigt die Gestalt eines langgestreckten Dreiecks. Die Skulptur der Prä- und Postfrontalia besteht in einer kräftigen Körnelung, die auf dem ersten Präfrontalstück besonders stark hervortritt. Zwischen dem rechten Frontale und dem vorderen Teil des ersten rechten Präfrontalstückes erblickt man auf der Platte noch ein kleines, dreieckiges Knöchelchen von 1!/s cm Länge. Seitlich des linken Frontale ist es nicht erhalten. Wahrscheinlich hat man diesen kleinen Knochen als Lacrymale anzusehen. Seine äußere Oberfläche trägt die Skulptur der angrenzenden Schädeldachknochen. Seit- lich des Parietale und der Frontalien liegen die Opereula ausgebreitet. Das Oper- culum (op) ist nicht vollständig erhalten, jedoch lassen seine Fragmente auf eine halbkreisförmige Gestalt schließen. Der Vorderrand des ÖOperculums, welcher von dem Präoperculum überdeckt wird, ist gerade und in einer Breite von 2 mm skulpturfrei. Die übrige Oberfläche des Operculums ist mit einer konzentrisch an- geordneten Körnelung versehen, welche randlich besonders stark ausgeprägt ist. Das Präoperculum (p—op) ist nur sehr fragmentarisch vorhanden. Bemerkenswert ist seine kräftige Körmelskulptur nahe dem Hinter- und Unterrande. Das Sub- opereulum (sop) hat die Form eines sphärischen Dreiecks. In der Verlängerung des vorderen Randes befindet sich am Suboperculum eine lange, schmale Spitze. Letztere und ein etwa 2 mm breiter Streifen vom vorderen Rande des Suboper- culums werden durch den Hinterrand des Präoperculums überdeckt. An diesen beiden Stellen findet sich daher auch keine Skulptur auf dem Suboperculum, während der übrige Teil desselben eine ausgeprägte Körnelung besitzt, welche in der vorderen Partie des Knochens besonders hervortritt. Das Postopereulum (postop) hat die Gestalt eines spitzwinkligen Dreiecks. Am oberen Ende besitzt es einen kleinen runden Gelenkknopf, mit dem das Postopereulum an einem unter dem Schädeldach gelegenen Knochen des Craniums gelenkt haben mag. Die äußere Oberfläche des Postoperculums ist mit feinen Runzeln bedeckt. Nur der Gelenk- knopf und eine schmale, dreieckige Fläche am vorderen Rande des Knochens, die in situ unter dem zapfenartigen Fortsatz des Parietale liegt, sind skulpturfrei. Von den Orbitalplatten ist nur das erste Supraorbitale (sorb) erhalten, welches sich mit seinem oberen Rande an das Parietale anlehnt. Es ist bei Aspidorhynchus obtusi- rostris außergewöhnlich groß, sodaß es fast an Größe das Operculum erreicht. Seine äußere Form gleicht dem entsprechenden Stück von Aspidorhynchus acutirostris. 74 Paul Assmann: Die Skulptur des 1. Supraorbitale besteht in einer mäßig kräftigen Körnelung, die nach der Mitte des Knochens zu abnimmt. Längs des Frontalrandes wird das erste Supraorbitale durch die weit sich nach hinten erstreckenden Postfrontalknochen teilweise überdeckt. Außer einigen fragmentarischen Knochenresten, die in der Hauptsache dem Zungenbeinbogen angehören, finden sich auf diesem Exemplar noch Teile der beiden Maxillen und des rechten Unterkiefers. Da jedoch jene Stücke auf dem 2. Exemplar besser erhalten sind, so werden sie zweckmäßig bei der Be- schreibung des letzteren mit besprochen werden. Das zweite meiner beiden Exemplare, welches dem Dresdner Museum gehört, zeigt neben einigen Knochenbruchstücken von Operculum und Präoperculum nur eine Maxilla und einen Unterkiefer. Die Maxilla ist ein mäßig starker, schwach gebogener, rundlicher Knochenstah. Sie besitzt vorn eine ziemlich scharfe Spitze. Nach der Mitte zu verbreitert sie sich allmählich derart, daß sie sich noch ein Stück mit dem unbezahnten Rande an das Rostrum anlegen kann. Dann verjüngt sie sich allmählich wieder und nimmt kurz hinter der Mitte eine stabförmige Gestalt an. Die Maxilla besitzt keine Skulptur. Auf dem Rande, der dem Dentale zugekehrt ist, befindet sich eine ein- fache Reihe zahlreicher, kleiner, spitzer Zähnchen, welche alle die gleiche Größe besitzen. Dem distalen Teile der Maxilla liegt eine ziemlich breite Knochenleiste auf, welche gewöhnlich als Jugale gedeutet wird. Der Unterkiefer von Aspido- rhynchus obtusirostris ist sehr groß und kräftig. Seine Höhe ist proximal etwas geringer als bei Aspidorhynchus acutirostris. Der obere Rand des Unterkiefers von Aspidorhynchus obtusivosiris ist gerade und erfährt am hinteren Rande eine Auf- biegung. Der untere Rand ist schwach nach unten ausgebogen. Über den hinteren Rand des Unterkiefers läßt sich nichts bestimmtes sagen, da der proximale Teil desselben auf beiden Exemplaren leider sehr mangelhaft erhalten ist. Vom vor- deren Ende des Unterkiefers ist ein kleines Prädentale abgegliedert, welches zwei- mal so lang ist als hoch und mit fester Knochensubstanz ausgefüllt ist. Der Oberrand des Prädentale ist gerade, der untere Rand stark gerundet. Am Oberrande ist es mit vier Zähnen versehen. Der größte Zahn des Prädentale steht dicht an der Dentalsymphyse. Nach vorn zu nehmen die Zähne an Größe ab. Ihre Spitzen sind sämtlich scharf nach hinten gebogen. Die Skulptur des Prädentale besteht aus kurzen, in der Richtung von vorn nach hinten ver- laufenden Längsrunzeln. Eine schwach nach vorn gewölbte Symphyse trennt das Prädentale von dem großen, nach hinten sich anschließenden Dentale. Das Innere des letzteren ist mit Knochensubstanz ausgefüllt, welche in der Hauptsache schwam- mige Struktur zeigt. Verstärkungen durch feste Knochensubstanz finden sich nur im vorderen Teil desselben und am Zahnrand. Skulptur ist an den beiden eben ge- nannten Stellen auf der äußeren Oberfläche als Längsrunzeln ausgebildet, während die übrige Außenseite des Dentale gekörnelt ist. Der obere Rand des letzteren ist mit einer einfachen Reihe mäßig großer, gerader Zähne besetzt, welche sehr dicht nebeneinander stehen. Nach vorn zu werden dieselben allmählich etwas kleiner. Parallel dem Unterrande des Dentale läuft etwas unter der Mitte ein Schleimkanal auf demselben entlang, der sich aber weder auf das Prädentale noch auf das sich nach hinten anschließende Angulare fortsetzt. Von allen übrigen Über Aspidorhynchus. 75 Knochen, die auf der Außenseite an der Bildung des Unterkiefers teilnehmen, ließen sich nur vom Angulare mit Sicherheit alle Knochengrenzen feststellen. Das An- gulare ist nicht sehr groß und mit einer festen Knochensubstanz ausgefüllt. Seine Skulptur besteht an der Außenseite aus kräftigen Runzeln, die von einem nahe dem Hinterrande gelegenen Ossifikationszentrum ausstrahlen. Schließlich sei noch das Spleniale erwähnt, welches an der Außenseite am proximalen Ende der Mandibel in der Lücke erscheint, welche durch das Aufhören der Bezahnung auf dem Dental- rand hervorgerufen wird. Der Oberrand des Spleniale ist mit kleinen, spitzen Zähnchen besetzt. Fassen wir am Schluß dieser Betrachtungen die wichtigsten Unterschiede zu- sammen, die sich bei eimer Vergleichung zwischen Aspidorhynchus acutirostris und Aspidorhynchus obtusirostris bisher ergeben. Beide Arten unterscheiden sich vor allem in der Ausbildung des Unterkiefers. Derjenige von Aspidorhynchus acutirostris ist proximal sehr hoch. Sein Unterrand ist stark nach unten ausgebogen. Das Prädentale von Aspidorhynchus acutirostris ist lang und läuft vorn fast spitz aus. Der untere Rand desselben ist ziemlich gerade. Bei Aspidorhynchus obtusirostris ist der Unterkiefer proximal mäßig hoch. Sein unterer Rand ist schwach nach unten ausgebogen. Das Prädentale von Aspxdo- rhynchus obtusirostris ist kurz und vorn stumpf. Der Unterrand desselben ist stark gerundet. Ein weiterer wichtiger Unterschied liegt in der Ausbildung der Prä- und Postfrontalia, die bei Aspedorhynchus obtusirostris eine Zerlegung in je zwei Teile erfahren haben. Endlich sei noch auf die verschiedenartige Form ihrer Rostra hingewiesen. Das Rostrum von Aspidorhynchus acutirostris ist schmal und läuft vorn sehr spitz zu, während dasjenige von Aspidorhynchus obtusirostris ziemlich dick und vorn abgestumpft ist. Il. Systematische Stellung von Aspidorhynehus und Definition der Familie. ; Während früher Aspidorhynchus von L. Agassiz und A. Wagner zur Familie der Sauroiden gestellt wurde, faßt man jetzt allgemein Aspidorhynchus und Belono- stomus zu einer besonderen Familie zusammen, die Zittel (s. L. 15) Zhyncho- dontidae benennt. Woodward hat derselben den Namen Aspidorhynchidae gegeben. Auf Grund meiner Forschungen bin ich in der Lage, einige Ergänzungen in die Definition der Familie einzufügen. Diese wird sich jetzt etwa folgendermaßen gestalten: Die Rhynchodontidae sind sehr schlanke, langestreckte Fische mit langen Seiten- schuppen, rhombischen Rückenschuppen und kleinen, schmalen Bauchschuppen. Rücken- und Seitenschuppen kräftig mit Runzeln skulpturiert. Bauchschuppen glatt. Oberer Teil der Schnauze zu einem Rostrum verlängert. Mesoethmoideum groß, dreieckig, vorn spitz zulaufend, hinten zwischen die Nasalia eingeschoben. Squa- mosum nicht als Schädeldachknochen entwickelt. Alle Schädeldachknochen an der Außenseite kräftig gerunzelt. Opercula und Orbitalia sehr ausgedehnt. Postoper- eulum relativ groß, außen mit der Skulptur der Schädeldachknochen. Maxilla ent- weder aus einer einheitlichen Knochenspange bestehend, oder durch Quernähte in mehrere Stücke geteilt, wobei das hinterste und längste Stück nur durch Ligamente mit den vorderen verbunden ist. Prädentale am Unterkiefer vorhanden. Zähne zugespitzt, kegelförmig. Sklerotikalring verknöchert. Radii branchiostegi zahlreich. Schwanzflosse tief gespalten, äußerlich homocerk, innerlich heterocerk, mit distal quergegliederten Flossenstrahlen. Fulkren schwach auf den unpaaren Flossen, auf den paarigen gänzlich fehlend. Brustflossen groß, mit kräftigen Flossenstrahlen; Bauchflossen klein. Chorda mit Ringwirbeln. Definition der Gattung Aspidorhynchus. Folgende Punkte scheimen für die Formen der Gattung Aspidorhynchus charak- teristisch zu sein. Hierbei konnten diejenigen Spezies, die mir selbst nieht vor- gelegen haben nur der Beschreibung und Abbildung noch berücksichtigt werden: Es sind schlanke, seitlich komprimierte, bis 1 m lange Fische. Kopf im Profil dreieckig. Schädeldach schmal, setzt sich zusammen aus den Oceipitalia superiora, Über Aspidorhynchus. 7 Es | dem Parietale,. dem Frontalia, den Prä- und Postfrontalia und den Lacrymalia. Parietalia zu einem Knochen verschmolzen, mit zwei längeren oder kürzeren Fort- sätzen am hinteren Rande. Prä- und Postfrontalia bisweilen in je zwei Knochen zerleet. Schädeldachknochen an der Außenseite randlich gerunzelt, median ge- körnelt. Oberer Teil der Schnauze zu einem Rostrum verlängert, das von dem Mesoethmoideum, den Nasalia, den Prämaxilla, den Ethmoidea lateralia und dem Vomer gebildet wird. Vomer und Prämaxillen mit spitzen Zähnen besetzt, deren Spitzen nach rückwärts gewendet sind. Rostrum außen mit kräftigen Längsrunzeln versehen. Opercularapparat sehr ausgedehnt. Orbitalia nur hinter und über dem Auge verknöchert. Supra- und Infraorbitalia vorhanden; Supraorbitalia aus zwei sehr großen, hinter dem Auge gelegenen Platten bestehend. Sklerotikalring mäßig breit, verknöchert. Unterkiefer kräftig entwickelt, proximal ziemlich hoch, am Oberrande mit spitzen, keilförmigen Zähnen besetzt. Prädentale in seiner Größe schwankend, vorn spitz oder stumpf endigend, durch eine nach vorn gebogene Sutur vom Den- tale getrennt. Palatinum kräftig bezahnt. Schuppenpanzer aus Rücken-, Seiten- und Bauchschuppen bestehend; Rückenschuppen klein, rhombisch; Seitenschuppen groß, im zwei Reihen angeordnet; Bauchschuppen trapezförmig, in der Mitte des oberen Randes mit einer Spitze versehen. Rücken- und Seitenschuppen an der Außenseite gerunzelt; Bauchschuppen glatt. Brustflossen groß, mit sehr breiten Flossenstrahlen; Bauchflossen klein, hinter der halben Körperlänge sitzend. After- flosse der etwas kleineren, weit zurückstehenden Rückenflosse gegenüber. Fulkren- besatz nur auf den unpaaren Klossen. Schwanzflosse groß, tief gespalten, äußerlich homocerk, innerlich heterocerk, mit schwachem, paarigem Fulkrenbesatz. Wirbel- säule aus Hohlwirbeln bestehend. Obere und untere Bögen schmal. Rippen dünn und kurz, hinter der Mitte des Rumpfes zu Hämaldornen verschmolzen. Tremal- kanäle auf den Frontalia, den Präopercula, den Postopereula und den Dentalia. Seitenlinie in der Schuppenreihe gelegen, welche den Übergang zwischen den Seiten- und Rückenschuppen vermittelt. Biologisches. Die Lebensweise von Aspidorhynchus ist jedenfalls ganz die eines Raubfisches ge- wesen. Besitzt er doch vollkommen die Organisation, welche durch eine derartige Lebensweise bedingt ist. Namentlich entspricht die reichliche, kräftige, spitze Be- zahnung aller Knochen des Mundbogens derjenigen eines Raubfisches. Seine lang- gestreckte, seitlich komprimierte Körperform, ferner seine stark entwickelte Schwanz- flosse, sowie sein vorn zugespitzter Kopf kennzeichnen ihn als einen vorzüglichen Schwimmer. Mit dem spitzen, stark verlängerten Rostrum hat er wahrscheinlich größere Beutetiere gespießt, kleinere mag er geschnappt haben. Anderseits wird ihm auch das Rostrum als Verteidigungswaffe im Kampfe gegen größere Feinde und seinesgleichen gedient haben. Die Vorwärtsbewegung des Fisches im Wasser wird hauptsächlich durch schlagende Bewegungen mit der Schwanzflosse erfolgt sein. Das Übereinandergreifen der Seitenschuppen in einer Breite von mehreren Millimetern gestatteten dem Tiere eine große Beweglichkeit des Körpers in seit- licher Richtung. Der relativ breite, verknöcherte Sklerotikalring charakterisiert unsere Gattung als pelagische Form. Paul Assmann: 1 u Verbreitung. Aspidorhynchus hat während der ganzen Juraperiode gelebt. Die ersten Ver- treter von ihm finden wir im Lias von Schwaben und England. Ziemlich zahlreich kommt Aspidorhynehus in den Plattenkalken des oberen Malm von Solnmhofen vor. Am Ende der Juraperiode stirbt anscheinend die Gattung Aspidorhynchus aus, wenigstens sind keine Formen jener Gattung aus jüngeren Formationen bisher be- kannt geworden. In der Kreide findet sich nur die verwandte Gattung Belonostomus, deren letzte Vertreter noch in den jüngsten Kreideschichten, im Senon von Mast- richt, vorkommen. In der Literatur findet man vielfach die Meinung ausgesprochen, daß Aspido- rhynchus eine verwandte Form des lebenden Lepidosteus sein könnte. Vor allem hat Reis diese Ansicht in seiner Arbeit über Belonosiomus . . . etc. (s. L. 19) ver- treten. Auf Grund meiner Untersuchungen bin ich nun zu Ergebnissen gelangt, welche gegenüber den Anschauungen von Reis in geradem Gegensatz stehen. Zur Begründung meiner Ansicht sollen im folgenden einige der wesentlichsten Unter- schiede herausgeeriffen werden, welche die nähere Verwandtschaft beider Formen vollkommen ausschließen. Das Rostrum von Lepidosteus wird gebildet erstens an der Außenseite durch die stark gestreckten Frontalia, die Nasalia, die sehr kleinen Prämaxilla und die Maxilla, zweitens im Innern durch das außerordentlich weit nach vorn verlängerte Parasphenoid, den kleinen Vomer, das Palatinum, sowie durch die Ecto- und Entoptery- goidea. Eine wesentlich andere Zusammensetzung zeigt, wie wir gesehen haben, das Rostrum von Aspidorhymehus. Dieses besteht auf der Außenseite aus dem Mesoethmoid, den Nasalia und den Prämaxilla, im Innern aus den Ethmoidea late- ralia und dem Vomer. Ferner unterscheidet sich das Schädeldach beider Formen nicht unerheblich von einander. Bei Zepidosteus ist dasselbe sehr breit, bei Aspido- rhynchus hingegen sehr schmal. Seitlich von den Parietalia liegen bei Zepidosteus die Squamosa, welche bei Aspidorhynchus fehlen. Ob dieselben bei Aspidorhynchus überhaupt nicht vorhanden sind, oder ob hier nur das Parietale sich über sie hin- weggeschoben hat, ließ sich nicht feststellen. Ein ganz wesentlicher Unterschied liest ferner in der Ausbildung des Schuppenpanzers. Bei Aspidorhynchus ist er in Rücken-, Seiten- und Bauchschuppenreihen gegliedert. Die Schuppen dieser einzelnen Abteilungen sind in Form und Größe alle sehr von einander verschieden. Die dorso-ventralen Anordnungslinien der Bauch- und Seitenschuppen kreuzen die Körper- achse von Aspidorhynchus senkrecht. Die Anordnungslinien der Rückenschuppen sind schwach nach vorn gekrümmte Kurven. Der Schuppenpanzer von Lepidosteus besteht durchgehend aus gleichartigen, rhombischen Schuppen, die in schrägen Reihen angeordnet sind. Die Ähnlichkeit von Aspidorhynchus und Lepidosteus beruht in der Hauptsache auf ihrer äußeren Körperform und der äußeren Skulptur der Schädeldachknochen. Ferner finden sich noch gewisse Ähnlichkeiten in der Stellung der Flossen, dem Schultergürtel, dem Zungenbeinbogen und den Kiemenbögen. Alle diese Ähnlich- keiten sind aber wahrscheinlich auf Konvergenzerscheinungen zurückzuführen. Immerhin aber wird man Aspidorhynchus doch in der Nähe der Rhynchodontidae belassen müssen; nur die so sehr enge Beziehung zum lebenden Knochenhechte scheint mir nicht gerechtfertigt zu sein. Literatur-Verzeichnis. G. W. Knorr, Merkwürdigkeiten. H. D. de Blainville, Nouv. Dict. d’Hist. Nat. I. F. Krüger, Geschichte der Urwelt. L. Agassiz, Neues Jahrbuch. Walch, Merkwürdigkeiten. G. v. Münster, Neues Jahrbuch. 1844. L. Agassiz, Rech. Sir P. Egerton, Quart. Journ. Geol. Soc. Giebel, Fauna der Vorwelt. Quenstedt, Handbuch der Petrefaktenkunde. F. I. Pictet, Traite de Paleontologie. 1855. Sir P. Egerton, Ann. Mag. Nat. Hist. und Fig. and Descript. Brit. Organic. Remains. 1. 155. 2. 1818. 3. 1823. 4. 1833. B. ? 6. 1842. 7. 1842 — 8. 1845. 9. 1847. 10. 1852. 11. 1854. 12. 1854 13. 1860. 14. 1863. 15. 1871. 16. 1880. 17. 1881. 18. 1887. 19. 1887. 20. 1888. 21. 1889. 22.1890: 23. 1893. 24. F. ©. Winkler, Poissons de Solnhofen. A. Wasner, Abh. k. bay. Ak. Wiss. F. C. Winkler, Archiv Mus. Teyler. A. Günther, The study of fishes. B. Vetter, Mitteil. des k. min.-geol. Mus. zu Dresden. K. A. v. Zittel, Handbuch der Pal. O. Reis, Sitzungsberichte der k. bay. Akad. Wiss. A. S. Woodward, Ann. Mae. Nat. Hist. A. S. Woodward, Outlines of Vertebrate Paläontol. A. S. Woodward, Proc. Geol. Assoe. H. E. Sauvage, Bull. Soe. Hist. Nat. Autum. 1895 A. S. Woodward, Catalogue of the Fossil Fishes in the British Museum Part. 3. Tafel-Erklärung. Tafel 6: Rekonstruktion von Aspidorhynchus acutirostris, L. Ag., ohne Schuppen- skulptur. | Tafel 7: Aspidorhynchus obtusirostris, Wag., Berliner Exemplar. p- — Parietale, sop. = Suboperculum, sorb. — Supraorbitale, op. = Operculum, postop. — Postoperculum, p.-op. = Präoperculum. | 1 | | Archiv für Biontologie, Bd. I Taf. 6. Meokensleuckliom von Aspiderk ynehns aculizeshiis £Ag. [ ohme 8 c hiyppenaku par] P. Assmann gez. P. Assmann, Über Aspidorhynchus. J. E. Starcke, Berlin SW.48 Archiv für Biontologie, Bd. I. Taf. 7. W. Janensch phot. J. F. Starcke Berlin SW. 48, P. Assmann, Über Aspidorhynchus. Über die Formbildung der Hutpilze. Werner Magnus. Hierzu Tafel 8S—13. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1906. AN, sa Inhalt. Einleitung Tatsachen der ein Methodik . Regeneration im N adium Älteres Entwicklungsstadium Streckungsstadium . Vegetative Hyphenaussprossung Verschiedenheiten der nenn eungefähglkeit ‚Weiterentwicklung der Hyphen Zur Analyse der Regenerationsvorgänge Normale Fruchtkörperentwicklung . Teratologische Fälle Verwachsungen . Prolifikationen Adventive euren Mutation 5 Ausblick auf Ennloneneere) Probleme A Einleitung. In die Gesetze pflanzlicher Formbildung einzudringen, stehen dem Forscher zwei Wege offen. Einmal kann er versuchen, die möglichst eindeutigen Bedingungen festzustellen, welche diesen oder jenen Entwicklungsgang, dieses oder jenes Organ hervorzurufen vermögen, wie die vegetativen oder oft mannigfaltigen Fruktifikations- zustände der Pilze und Algen, wie Blätter- oder Knollenorgane oder Blüten der höheren Pflanzen, mit einem Worte, er kann danach streben, „die Formbildung durch Kenntnis ihrer Bedingungen zu beherrschen“ (Klebs), oder aber er kann andererseits versuchen, in die Wechselbeziehungen der Zellelemente eines Organs (innere Bedingungen, Korrelationsvorgänge) selbst einzudringen, indem er den unter geeigneten Bedingungen begonnenen Entwicklungsgang des Organs durch äußere Eingriffe stört und aus den eventuell resultierenden anormalen Formen Schlüsse auf das gesetzmäßige Entstehen der normalen Formen zieht. Dieser Eingriff kann z. B. plötzlich extrem günstige Bedingungen für einen dem begonnenen nicht entsprechenden Entwieklungsgang herbeiführen, und es können Zwischenformen entstehen, Umdifferenzierungen, die ebenso, wie sie zum schlagenden Beweis der Wirksamkeit der äußeren Bedingungen für bestimmte Entwicklungsformen heran- gezogen wurden, auch über die Wechselwirkungen der Zellen sowohl im ursprüng- lichen, wie später induzierten System Aufschluß zu geben vermögen. Im allgemeinen jedoch leichter der Analyse zugänglich sind jene Formen, welche bei Fortdauer der für die Entwicklung des Organs günstigen Bedingungen entstehen können, wenn durch mechanische Beeinflussung, durch Hinwegnahme oder Lostrennung einzelner Teile des Organs das Gleichgewicht seines Entwicklungsganges eine Störung erfährt, die Erscheinungen der Regeneration. Zumal bei den tierischen Organismen sind die Regenerationsvorgänge unter diesem Gesichtspunkt vielfach untersucht worden. Dadurch, daß die tierischen Zellen in zumeist nur lockerem Zellverband leben und sich während der normalen Entwicklung, ebenso wie bei der Regeneration, mehr oder weniger frei gegen ein- ander verlagern können, sind bei der Regeneration die der Analyse zugänglichen Beziehungen mit denen des normalen Entwicklungsganges vielfach ohne weiteres vergleichbar. In viel geringerem Grade regenerationsfähig!) sind die Organe der höheren Pflanzen (Cormophyten), wie es bedingt zu sein scheint in ihrer der tierischen \) Ich verstehe hier mit Pfeffer u. a. unter Regeneration den Ersatz der verloren gegangenen Teile von der Wundfläche her. Die wichtigsten neueren Ergebnisse über pflanzliche Regeneration habe ich besprochen in der Naturw. Wochenschr. 1906. 36 Einleitung. gerade entgegengesetzten Organisation. Ihre Zellen stehen vom Beginn an im festen Zellverband und eine Regeneration erfolgt ausschließlich durch Teilung embryonaler resp. wieder in embryonalen Zustand übergehender Zellen. So vermag der Re- generationsvorgang auch nur in viel geringerem Maße Angriffspunkte zu einer Analyse der inneren Beziehungen zu geben. — In den höher organisierten Pilzen und Algen besitzt aber das Pflanzenreich noch eine ganz anders organisierte Gruppe vielzelliger Organismen, deren Zellen, ohne nach allen Richtungen im festen Verband zu stehen, doch nicht die freie Verlagerungsfähigkeit tierischer Zellen besitzen. Sie sind zusammengesetzt aus fädigen Zellreihen, Hyphen, die lose durcheinander wachsen und sich verzweigen. Durch dieses Filzgewebe, tela contexta (Unger), auch Pseudoparenchym, Plectenchym (Lindau), mehr oder weniger selbständig wachsender Fäden, die anatomisch betrachtet als „Zellkolonie“ bezeichnet werden könnten (de Bary), werden nun mannigfach differenzierte und höchst komplizierte Gebilde erzeugt, bis zu so einheitlichen (geschlossenen) Formen, wie sie sonst nicht bei pflanzlichen, sondern nur bei tierischen Organismen : vorzukommen pflegen. Gerade hier scheint es, müßte die Frage, unter welchen Gesetzen ihre Zellelemente zur normalen Gestalterzielung aufeinander zu wirken vermögen, sowohl besonders interessant, als auch mit Hilfe der Regenerationserscheinungen relativ leichter in Angriff zu nehmen sein, während „die kausale Aufdeckung dieser Verhältnisse auch für das Verständnis der Vorgänge im Teilungsgewebe von hoher Bedeutung sein würde“ (Pfeffer, Pflanzenphysiologie II, p. 52). Sind nun auch’ Regenerations- beobachtungen- für einzelne nicht so einheitlich organisierte Algen und Pilze ge- macht. worden), fehlen sie dennoch gerade für die sowohl durch ihre Form, wie ihre, weitgehende Gewebedifferenzierung hoch organisierten Hutpilze so gut wie gänzlich. Brefeld, van Tieghem, Massart, Gräntz. und noch. jüngst Göbel erklären in gleicher Weise die Agariemen für regenerationsunfähig”), d. h. sie sollen nicht, nachdem die Hutanlage einmal embryonal vorhanden, irgend welche entfernten Teile ergänzen können. Es würde dies nicht viel anders heißen, als daß bei der Anlage des Hutes allen Hyphen für die Weiterentwicklung bereits ihr Platz ganz genau angewiesen wäre. Durch die Wahl eines geeigneten Objekts, des Champignons, Agaricus cam- pestris, gelang es mir, meiner Erwartung entsprechend, mannigfache Veränderungen und weitgehende Regenerationen zu erzielen. Durch eingehende Analyse der Er- scheinungen wurde dann der Versuch unternommen, in die innere Gesetzmäßigkeit dieser Veränderungen einzudringen, sie dann weiterhin zur Erklärung bisher völlig unverständlicher immer wieder beschriebener teratologischer Erscheinungen zu ver- werten, und zumal versucht, ein Verständnis der normalen Formbildung der Hut- körper anzubahnen. Konnten hierfür auch nur die ersten Schritte getan werden, wie es bei einem für solches Studium gänzlich neuartigen Objekte verständlich ist, wurde doch versucht, die Probleme möglichst scharf zu formulieren. Die Versuche über die Regeneration des Champignons wurden angestellt an selbstgezogenen Kulturen (Brut von Grunewald in Zossen) im Gewächshaus des ı) Für Algen Küster, Bitter, Nordhausen, Ernst, Tobler, für Flechten Bitter, für einige Polyporeen Göbel u. a. 2) Über die Reproduktionserfolge Brefelds an Hutpilzen vgl. p. 92, Einleitung. [ f 87 Botanischen Instituts der landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin und in der Champignon-Züchterei des Lettehaus und des Herrn Vogel. Es wurden auch einige Versuche an anderen Hutpilzen zum Vergleich herangezogen. Eine vorläufige Mit- teilung!) der Regenerationsversuche erschien 1903, während sich die Ausarbeitung der Resultate durch äußere Umstände bis jetzt verzögerte. Meinem verehrten Chef, Herrn Geheimrat Kny, habe ich für das mir ständig erwiesene Interesse zu danken, wie für die Liberalität, mit der er mir die Mittel seines Instituts zur Verfügung stellte. 1) Exper. morphol. Untersuchungen. Ber. d. dtsch. Bot. Ges. 1903. Bd. XXI. RAU { ir Mine al Tatsachen der Regeneration. Methodik. In der Hauptsache wurde die Operation am Champignon am Substrat in ein- facher Weise durch entsprechend geführte Einschnitte mittelst eines scharfen Scal- pells ausgeführt, und je nach Bedarf die Teilstücke am Objekt gelassen oder ganz entfernt. Letzteres empfiehlt sich immer dann, wenn der eine Teil so verletzt ist, daß er voraussichtlich absterben und die beim Verwesungsprozeß auftretenden Mikroorganismen die wachstumsfähigen Teile anstecken würden. Die Schnittfläche wurde entweder freigelassen oder mit einem Deckglas bedeckt oder mit Vaselin überstrichen oder, was sich als sehr zweckmäßig erwies, mit Watte in dünner Lage überdeckt. Die Watte verhütet eine zu starke Transpiration, ohne die Atmung zu hindern. Störend ist nur, daß die Mycelfäden öfters in die Watte hineinwachsen und dadurch regenerationsunfähig werden. Tubulierte Glasglocken über die operierten Pilze zu setzen, wie im Anfang öfters geschah, erwies sich fast immer als schädlich. — Die Hauptkunst der Operation liest in einer möglichsten Schonung des Pilzes beim Berühren: eı darf dabei weder gequetscht, noch aus dem Substrat gezerrt oder in den Boden gedrückt werden. Es empfiehlt sich daher, zwischen die haltenden Finger kleine Wattepolster zu legen. — Für gewisse Erscheinungen an späteren Entwicklungsstadien wurden auch Operationen an vom Substrat entfernten Pilzen vorgenommen, die dazu auf feuchten Sand unter tubulierte Glasglocken gebracht wurden. In der Entwieklung des Champignons läßt sich äußerlich ein vegetatives und ein generatives Stadium unterscheiden. Das vegetative Mycel, das sich anfänglich in isolierten Hyphen durch das Nährsubstrat (Pferdemist) verbreitet, durchwächst es späterhin nach allen Richtungen, zumeist in sich regelmäßig verzweigenden und anastomosierenden Strängen, die aus wenig in einander verflochtenen, zum größten Teil parallel neben einander laufenden Hyphen gebildet werden, sie bleiben sehr lange lebensfähig, vertragen Austrocknung und. bilden die sog. Champignonbrut. Das generative Stadium tritt dadurch in Erscheinung, daß an der Oberfläche des Substrats durch intensive Verzweigung und inniges Verflechten dieser Hyphen mehr oder weniger rundliche stecknadelkopfgroße Konglomerate entstehen, die ersten, so- 90 Werner Magnus: weit anatomisch erkennbar, völlig undifferenzierten Anlagen der Fruchtkörper. — Da der Dung in den Züchtereien mit nicht zu feuchter Erde bedeckt zu werden pflegt, entstehen diese Fruchtkörperanlagen auch oft erst in dieser Schicht oder auch auf ihrer Oberfläche. Die Bedingungen, die die Hutpilze veranlassen, aus dem vegetativen Stadium in das generative überzugehen und ausschließlich an der Oberfläche die Neigung zu zeigen, Sich zu solchen rundlichen Gebilden zu verflechten, sind von verschiedenen Seiten diskutiert worden (Brefeld, Klebs 1900, Falk). Sicherlich ist sowohl die Erschöpfung des Substrats an Nährstoffen, wie der Übergang in das Luftmedium von wesentlicher Bedeutung. Ob aber im einzelnen der höhere Sauerstoff- wie niedere Kohlensäure- oder Wasserdampfgehalt wirksam sind, bleibt noch zu ent- scheiden. Wichtig erscheint, daß die Erschöpfung des Substrats und der Übergang in die Luft allein nicht genügt, denn nach alter Züchtererfahrung „läuft im schlecht gelüfteten Kellern das „Weiße“ tagelang über die Beete ohne sich zu fixieren“ (Windisch), d.h. an den sich auf der Oberfläche ausbreitenden Mycelsträngen ver- mögen sich die Hyphen nicht zu den Konglomeraten der Fruchtkörperanlagen zu verflechten). Dasselbe beobachtete ich unter tubulierten Glasglocken, die auf die mit Erde bedeckten Kulturen gestellt wurden, wo sich die ersten feinen Mycelstränge an der Oberfläche zeigten: es entstand unter ihnen nur ein weißer lockerer Filz, während sich an den nicht bedeckten Stellen regelmäßige Fruchtkörperanlagen aus- bildeten. — Für unsere Fragestellung genügt es vorauszusetzen, daß der Pilz sich unter für die Fruktifikation geeigneten Bedingungen befindet. Je geeigneter sie sind, z. B. in der Temperatur, desto besser wird auch die Regeneration von statten gehen. Wesentlich für ihr Gelingen ist besonders auch eine nicht zu geringe Luftfeuchtig- keit, weil die durch die Operation in Freiheit gesetzten Hyphen sonst leicht ver- trocknen. Der Champignon ist nun deshalb für unsere Untersuchungen besonders geeignet, weil er in der Ausbildung der Fruchtkörper relativ unabhängig von äußeren Ein- flüssen ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Hutpilzen (Brefeld), gelangt er be- kanntlich bei Ausschluß jeder Spur von Licht zu völlig normaler Entwieklung bis zur völligen Aufspannung, nur ist vielleicht die letzte Ausdifferenzierung der Basi- diosporen bei Lichtmangel etwas gehemmt. So wurden auch die Regenerations- versuche zum größten Teil in absolut dunklen Räumen vorgenommen; bei anderen Versuchen im diffusen oder einseitig beleuchteten Raume konnte auch keine Beein- flussung des Regenerationsverlaufes wahrgenommen werden. — Zum Studium des Einflusses der Schwerkraft erwiesen sich die steilen Substrathügel mit dem Quer- schnitt eines spitzwinkligen Dreiecks in der Vogelschen Züchterei als sehr geeignet, bei denen vielfach von selbst durch ihr Gewicht Anlagen an Mycelsträngen senk- recht nach unten hingen oder experimentell leicht in diese Lage gebracht werden konnten. Ein Blick auf eine Gruppe jugendlicher Anlagen an den steilen Hügel- rändern lehrt den richtenden Einfluß des negativen Geotropismus auf ihre Ent- wicklung. Alle sind mit ihrer Längsachse deutlich nach oben gerichtet. Nach dem Übergang in das Fruktifikationsstadium, wenn sie sich in vielfachen Verzweigungen !) Nach Wieler wächst der Coprinusfruchtträger nicht mehr bei 83—-5 mm Quecksilberdruck des Sauerstoffs. 0 Über die Formbildung der Hutpilze. 91 zu dem Fruchtkörper zusammenlegen, müssen die Hyphen plötzlich negativ geotropisch reizbar werden. Anatomisch läßt sich allerdings in diesen ganz jugendlichen An- lagen ein fortwachsender Scheitel nicht feststellen, vielmehr scheinen die Hyphen ganz regellos durcheinander zu laufen. Einen solchen anzunehmen, fordert zumal das Verhalten sehr jugendlicher Anlagen bei Veränderung der Schwerkraftsrichtung. Aus einer erößeren horizontal gerichteten Substratmenge wurden zahlreiche sehr jugendliche Anlagen herausgehoben und umgelegt. Die sich entwickelnden Frucht- körper zeigten zur Zeit der ersten Andeutung der Hutanlagen, während der Mycel- strang seitlich ansaß, zwar wieder diese alle nach oben gerichtet, aber ihre Gestalt mit unregelmäßig verdickter Basis (Taf. 10, Fig. 10a u. b) bewies deutlich, daß nicht etwa in einer gänzlich richtungslosen Hyphenmenge an der oberen Seite sich der Hut differenziert hätte, sondern, daß der ursprüngliche obere Teil aufwärts ge- wachsen war. — Es stellt jedoch der negative Geotropismus kein wesentliches formatives Mittel der Ontogenese des Champignonfruchtkörpers dar, vielmehr kann sowohl die Anlage, wie die Ausdifferenzierung des Hutes nach allen Richtungen unabhängig von der Schwerkraft an einer dem Substrat mehr oder weniger abge- wandten Seite in normaler Weise erfolgen. Konnte dies auch so gut wie einwands- frei aus den Beobachtungen am Champignon an den steilen Wänden der Cham- pignonkulturen geschlossen werden, ebenso wie aus den sich im Freien an der Unterseite der Baumstämme völlig normal entwickelnden anderen Hutpilzen, wurden doch zur Entscheidung dieser für das Verständnis der inneren Wechselbeziehungen nicht unwichtigen Frage Kulturen von verschiedenen Coprinusarten an der wage- recht rotierenden Klinostatenachse vorgenommen. Es entwickelten sich an allen Seiten völlig normale, wohl ausgebildete Hüte. — In einer anderen Versuchsreihe wurden infizierte Stücke Pferdemist auf dem Grunde eines Porzellannäpfchens be- festigt und dieses umgekehrt unter einer tubulierten Glasglocke ziemlich dicht über einer Wasserfläche befestigt, deren Boden ein Spiegel bildete. Das von unten reflektierte Licht bewirkt, daß die Pilze mit Überwindung der Schwerkraft senkrecht abwärts wachsen. Auch sie waren völlig normal entwickelt und dokumentierten so gleichzeitig, daß auch nicht der größere Feuchtiskeitsgehalt des Nährbodens gegen- über der Luft etwa richtend auf die Ausbildung des Hutes einwirkt. — Der in sein Fruktifikationsstadium eingetretene Champignon vermag also seine Fruchtkörper un- abhängig von den richtenden Einflüssen des Lichtes, der Schwerkraft und der Feuchtigkeitsunterschiede auszudifferenzieren, und dementsprechend sind in gleicher Weise die Regenerationsvorgänge von ihnen unabhängig. Dies erleichtert natürlich sehr, sowohl die Gesetze der normalen Formbildung, als die Regeneration zu Stu- dieren, da man so überhoben ist, diese sonst vielfach formbestimmenden Kräfte künstlich auszuschalten. — Die Einflüsse von Narkotikas und dergleichen auf den Regenerationsverlauf zu untersuchen, verbot sich naturgemäß. } Nicht alle sich unter günstigen äußeren Bedingungen ausbildenden Frucht- anlagen wachsen nun nach der Operation weiter, resp. erzeugen Regenerate, son- dern sie sterben vielfach ab, auch wenn die Operation mit aller Vorsicht vollzogen wurde. Für das gute Gelingen der Versuche ist von großer Wichtigkeit, daß der Pilz einer kräftigen Rasse angehört. Die Champignonrassen der Kultur unterscheiden sich sehr mannigfaltig durch Dieke des Stieles und Hutes, Höhe, Farbe und Ring- 92 Werner Magnus: bildung. Gelang es auch bei allen untersuchten Rassen, alle charakteristischen Er- scheinungen zu erzielen, so doch bei weitem am leichtesten bei den kompakten Formen mit sehr dieker Stilbasis, bei denen die äußerlich sichtbare Ausdifferenzierung des Hutes erst bei ziemlicher Größe der jungen Fruchtanlage, bis 2 cm, erfolgt. Weiter ist in Betracht zu ziehen, daß auch normalerweise sich lange nicht alle Anlagen zu reifen Fruchtkörpern entwickeln, sondern von den zahlreichen Anlagen, die alle durch das vegetative Mycel in Verbindung stehen, reifen nur wenige, sei es, daß sie in ihrer Struktur selbst oder durch ihre äußere Lage besonders be- günstigt sind. Sehr klar treten solche Einflüsse bei einem mit Coprinus infizierten frei aufgehängten Pferdeapfel in Erscheinung. Auf allen Seiten werden etwa gleich- viel Anlagen gebildet, doch entwickeln sie sich im allgemeinen weit schneller und besser, je weiter sie nach oben stehen. Ganz ähnlich wie die Knospenentwicklung bei Weidenstecklingen erscheint hier die Schwerkraft als die bestimmende Ursache, mag sie nun direkt oder indirekt wirken, wie etwa durch eine Hemmung infolge der stärkeren Krümmung der Anlage, die um so intensiver ist, je weiter sie nach unten zu liegen kommt. — Auch von den zahlreichen auf Coprinusselerotien sich entwickelnden Fruchtanlagen entwickeln sich immer nur sehr wenige weiter, während nach deren Entfernung, nach Brefeld, dann andere am ihre Stelle treten. In gleicher Weise werden im allgemeinen nur dann die operierten Anlagen weiter wachsen, wenn sie nicht in Konkurrenz mit unverletzten Anlagen zu treten haben. Es müssen deshalb die Fruchtkörperanlagen eines bestimmten Substratsbezirks alle operiert werden oder bis auf die eine oder die wenigen operierten entfernt werden. So sind auch die Rassen resp. die Kulturen am geeignetsten, bei denen möglichst isolierte Fruchtkörper entstehen, und (die am ungeeignetsten, bei denen dicht ge- drängte Anlagen von Fruchtkörpern, sogen. Platten, entstehen, bei denen die Ope- rierung und Entfernung aller Anlagen sich oft als ganz unmöglich herausstellt. Wie der Pilz durch Weiterentwicklung sonst nicht zur Entwicklung gekommener Anlagen einen Ersatz für die geschädigten Anlagen herbeizuführen, sich zu repro- duzieren vermag, so kann diese Reproduktion auch durch Bildung von Neuanlagen zu- stande kommen. Während dies an den eigentlichen Mycelsträngen nur schwer fest- zustellen ist, wird es sehr deutlich, wenn die Neubildung an Teilen des geschädigten Fruchtkörpers selbst erfolet. Durch die ausgezeichneten, zum Nachweis der Asexu- alität der Hutpilzfruchtform unternommenen Untersuchungen Brefelds ist eine starke Reproduktionsfähiskeit einiger Hutpilzarten (Coprinus) bekannt geworden‘). Nach Abtrennung vom Substrate resp. Schädigung durch Liehtmangel vermögen alle Teile des Hutpilzes, wie Stiel, Hut und Lamellen, neue Fruchtkörperanlagen zu reproduzieren. In gewissen Fällen wird auch ein neuer Hut aus der Schnittfläche des Stielstumpfes mit einem relativ kurzen Stiel gebildet, doch dokumentiert sich das Regenerat durch die Hyphenhaare an der Basis als vollständige Fruchtkörper- anlage, als typische Reproduktion. — An abgeschnittenen Champignonfruchtkörpern, jüngeren und älteren, habe ich solche vollständigen Neubildungen unter den mannig- fachsten Bedingungen nie gesehen, doch bildet sich häufig an der Stielbasis ein oft ziemlich massiger weißer Hyphenfilz, von dem noch später zu reden sein wird und 1) Bestätigt von van Tieghem, Bull. soc. bot. d. Fr. 1876 XXIII, und Gräntz, Einfluß des Lichtes auf die Entwicklung einiger Pilze. Leipziger Dissertation 1898. Über die Formbildung der Hutpilze. 93 der häufig wie die ersten Anfänge solcher Anlagen aussieht. An den im Substrat gebliebenen Stümpfen entstehen dagegen an der Basis oft zahlreiche dicht gedrängte, ganz typische Neuanlagen, die sich jedoch meist nicht zu wohlausgebildeten Exem- plaren entwickeln. Dies ist den Züchtern wohl bekannt und, um diese für sie wert- losen Bildungen zu vermeiden, entfernen sie die Stümpfe meist sorgfältig. Auch aut der Schnittfläche jüngerer und älterer operierter Hüte können die ersten Anfänge solcher Neuanlagen entstehen, ohne daß ich je eine eigentliche Ausdifferenzierung gesehen hätte, jedoch wächst in diesen Fällen der operierte Hut nicht oder viel schlechter weiter. Hierin ebenso wie im Vergleich zwischen Coprinus und Cham- pignon zeigt sich, daß ganz wie bei den höheren Pflanzen Regeneration und Re- produktion sich korrelativ hemmen, die eine findet nur bei der Unterdrückung der anderen in ausgedehntem Maße statt). Regeneration im Jugendzustand. In dem jüngsten Stadium der Fruchtentwicklung scheint der Champignon einen operativen Eingriff nicht zu vertragen, hört mit Wachsen auf und fault bald ab, auch wenn alle Vorsichtsmaßregeln zur Anwendung gebracht wurden. Beobachtet wurde erst eine Weiterentwicklung dann, wenn sich eine deutliche Abgrenzung des späteren Hutes gegen den Stiel durch eine leichte Einkerbung bemerkbar macht. Zu dieser Zeit hat sich schon die ringförmige Anlage der Hymenialschicht im Innern ausgebildet, ist allerdings nicht breiter als etwa 0,35 mm. Die Höhe des ganzen Fruchtkörpers beträgt je nach der Rasse 6 bis 10 mm, der Durchmesser nicht viel weniger. Nicht weiter wächst auch jetzt der Hut, wenn durch einen wagerechten Schnitt ein großer Teil des Hutes, also bis in die Nähe der Hymenialschicht, abge- schnitten wird, oder gar bei völliger Entfernung dieser Schicht. Wird nur ein ge- ringes Stück des Hutes durch den Schnitt entfernt, so gleicht sich in ein paar Tagen die Stelle wieder völlig aus und bildet auch späterhin die normale faserige Hut- oberhaut mit den für manche Rassen charakteristischen braunen Schuppen auf der Ober- seite. In gleicher Weise wird die Wunde völlig mit Hyphen erfüllt und ausgeheilt, wenn durch einen senkrecht geführten Schnitt ein Teil des Hutes am Rande ent- fernt wird, ohne daß er bis zum Rand der Hymenialschicht gedrungen ist. — Wird die Hymenialsehicht durchschnitten, wovon man sich durch Lupenbetrachtung über- zeugen kann, bildet sich an der ganzen Wunde ein lockeres Hyphengewebe, das durch seinen Luftgehalt rein weiß erscheint. Soweit es feststellbar, sind in diesem jugendlichen Stadium alle inneren Gewebeteile des Champignons in gleicher Weise zu seiner Bildung befähigt. Trotz speziell darauf gerichteter Beobachtung konnte kein Unterschied weder in der Schnelligkeit, noch in der Ausgiebigkeit seiner Pro- duktion konstatiert werden. Nur die oberflächlich gelegenen Zellen sind, wie sich aus dem Verhalten bei oberflächlichen Verwundungen ergibt, hierzu weniger geeignet. Die Bildung des Wundgewebes setzt normalerweise nach 6 Stunden ein und hat seine Hauptausgestaltung nach 24 Stunden vollendet. In diesem „Wundgewebe“ verlaufen alle Neubildungen. Beim senkrechten Schnitt bis durch die Hymenial- schicht ist auch das das Weiterwachsen des Hutes und der Lamellen vermittelnde ') Vgl. Pfeffer, Pflanzenphysiologie II p. 208, und Göbel, Allgemeine Regenerationsprobleme. Flora 95. 1906. 94 Werner Magnus: Neubildungsgewebe am Hutrand, der „Vegetationsrand“*, verletzt worden. In dem Wundgewebe differenziert sich nun in unmittelbarem Anschluß an den benachbarten unverletzten Vegetationsrand an beiden Seiten ein neues Stück Vegetationsrand aus. Diese wachsen dann gegen einander und verschmelzen so innig, daß man die Stelle der Verwundung später nur noch dadurch erkennen kann, daß sie im Wachstum etwas zurückbleibt, was sich durch eine kleine Einsenkung des Hutes an dieser Stelle zu erkennen gibt (Taf. 10, Fig. 9). Weiter ist sie aber auch meist dadurch zu erkennen, daß die durch den Schnitt verletzte junge Ringanlage sich nicht regeneriert und an der verletzten Stelle späterhin vollständig fehlt. Wird durch einen Ringschnitt der Vegetationsrand völlig oder zum größten Teil entfernt, stirbt der Pilz ab. — Die weitgehendsten Veränderungen und eigentümlichsten Regenerations- erscheinungen treten auf, wenn durch einen senkrecht geführten Schnitt ein größerer Teil des Hutes nebst Hymenium entfernt wird. Ein einfaches Einschneiden führt meist nicht zum Ziel, da anders wie bei gespaltenen Wurzelspitzen nur eine Seite weiter zu wachsen pflegt, während die andere in diesem jugendlichen Stadium ab- stirbt, in Fäulnis gerät und die andere Seite dann ansteckt. Da der Pilz auch nur fortwächst, wenn mindestens die Hälfte des Hutes erhalten ist, empfiehlt es sich, das kleinere Stück durch einen wagerechten Schnitt ganz abzutrennen. Beide Hälften wachsen nur sehr selten weiter, anscheinend besonders dann, wenn der Schnitt nicht tief gegangen ist. Zwei solche Fälle stellt Fig. 1 und 2 auf Taf. 5 dar. Im Anfang bildet sich auch hier reichliches Wundgewebe, sodaß die Schnittspalte wie mit einem Flaum ausgekleidet erscheint. Wie sich aus den späteren Ent- wicklungsstadien ergibt, verwächst dieses Gewebe in der Mitte so vollständig, daß keine gegenseitige Abgrenzung mehr zu erkennen ist. Dem gegenüber muß aber betont werden, daß es trotz vielfacher und mannigfach varierter Versuche nicht gelang, das Wundgewebe an der Wundfläche zweier verschiedener Pilze zum Ver- wachsen zu bringen, sei es, indem abgetrennte Teilstücke aufeinandergepfropft wur- den, sei es zweier benachbarter noch im Substrat haftender Pilze. Dennoch kann eine solche Verwachsung prinzipiell nicht als ausgeschlossen erscheinen. Wahr- scheinlich ist nur der abgeschnittene Teil zu sehr geschädigt, oder bei zwei im Substrat haftenden Anlagen bekommt die eine zu rasch das Übergewicht über die andere. Doch muß hervorgehoben werden, daß gerade beim Champienon im Ge- sensatz zu manchen anderen Hutpilzen auch m der Natur nur sehr selten Ver- wachsungen auftreten (vgl. Abschnitt Teratologische Fälle p. 143). In die Oberflächenschicht des Hutes geht das Wundgewebe ohne merkliche Aberenzung über. Auch bei der Weiterentwicklung läßt sich nicht entscheiden, was das ursprüngliche Hautgewebe und was bei der Regeneration entstanden ist, doch ist überhaupt das Hautgewebe des Champignonhutes nicht so deutlich wie das anderer Pilze, z.B. von Russula oder Amanita, abgesetzt und unterscheidet sich nur wenig von dem darunterliegenden Hutgewebe. Auch die Rinde des Stieles ist beim Champignon nicht wesentlich von dem Fleisch verschieden. Unter einigen lockeren, oberflächlich verlaufenden Hyphen kommt eine Zone, gegenüber den das Stielfleisch bildenden, dichter verflochtene Schicht etwas feinerer Zellen, die sich auch dadurch auszeichnet, daß sie die Luft sehr energisch zurückhält. An den Stellen der Ver- wundung wird dieses Gewebe in ganz entsprechender Weise von dem Wundgewebe Über die Formbildung der Hutpilze. 95 neu gebildet und zeichnet sich durch enger verlaufende, die Luft energisch zurück- haltende Zellen aus. Nur die oberflächlich verlaufenden Hyphen sind etwas reich- licher als normal und stellen augenscheinlich die Reste des anfänglichen Wund- gewebes dar. Während der Fruchtkörper weiter heranwächst, weichen die nicht verwachsenen Hutteile immer weiter auseinander. Das Wundgewebe ist an allen freiliegenden Teilen durch reichliche Verzweigung konsistenter geworden und bedeekt besonders den Teil, der der durchschnittenen Hymenialschicht zunächst lag. Während nun im unverletzten Teile des Hutes die Ausbildung der Lamellen er- folgt, vollzieht sich auf dem durch die Wunde freigelegten, anstoßenden Teil des Hutes eine eigentümliche Veränderung des Wundgewebes. Es verliert seine weiße Farbe, und von der Lamellenseite ausgehend werden auf der anfänglich ebenen Wundfläche feine Erhebungen und Einbuchtungen sichtbar, die über einen größeren Teil der ursprünglichen Wunde fortschreiten und von der Anlagestelle aus immer größer werden. Schließlich, wenn in dem geschlossenen Teile des Hutes die La- mellen ausdifferenziert sind, ist ein wirres Netz dicht gedrängter Falten entstanden, die oft auf das Frappanteste an die Hymenialschicht eines Hydnum, Irpex oder auch einer Polyporee erinnern (Taf. 8, Fig. 1, 2,3). Wie schon der äußere Anschein vermuten läßt, bestätigt die mikroskopische Untersuchung, daß hier eine neue Hy- menialschicht entstanden ist, deren Elemente sich in nichts von der normalen Hy- menialschicht der Lamellen unterscheiden. Auf Schnitten senkrecht zur Oberfläche läßt sich ihre Bildung untersuchen. In dem anfänglich lockeren Geflecht des Wund- sewebes mit relativ großen Hyphen werden die Verzweigungen dichter und die Aus- zweigungen feiner. Die hauptsächlichste Verzweigung vollzieht sich etwas unterhalb der die Oberfläche anfänglich einnehmenden Hyphen des Wundgeflechts. Die Aus- zweigungen werden dann breiter. Sie teilen sich in Zellen, die wenig länger als breit sind, und dringen nunmehr an die Oberfläche empor. Dort angelangt, stellen sie das Wachstum bald ein, legen sich immer dichter aneinander und ver- halten sich in ihrer weiteren Entwicklung wie die typischen Pallisadenzellen der jugendlichen Hymenialschicht. Nur noch hier und da sind sie von den etwas längeren Hyphen des ehemaligen Wundgewebes überragt. Während sie sich zu den Basidien umbilden, wird die anfänglich glatte Oberfläche gefaltet. In diese Erhebungen wachsen Zellen hinein, deren typischer Verlauf senkrecht zu der Ober- fläche liegt und die sich weiterhin wie gewöhnliche 'Tramazellen verhalten; mit einem Wort, schließlich unterscheidet sich die Struktur dieser Falten in nichts von regelmäßig gebildeten Lamellen, außer etwa in einer anfänglich etwas größeren Unregelmäßigkeit in ihrer Dicke, die jedoch im weiteren Verlauf der Entwicklung bald ausgeglichen wird. Wie in diesen Fällen, bildet sich auch im all den vielen anderen zur Beobachtung gelangten Neubildungen der Hymenialschicht diese aus- schließlich im Anschluß an eine schon vorhandene. Dies Ergebnis war nicht er- wartet worden, da Ludwig!) zur Erklärung von den in der Natur beobachteten teratologischen Fällen, bei denen sich das Hymenium auf der Oberseite in nicht erkennbarem Zusammenhang mit dem alten Hymenium gebildet hatte, annahm, daß sich dasselbe bei allen Agarieinen an beliebiger Stelle des durch irgend welche 1) Ludwig, Über teratologische durch Witterungseinflüsse bedingte Bildungen an den Frucht- körpern der Hutpilze. Botan. Centralbl. Bd. XII, 1882. 96 Werner Magnus: äußere Umstände frei gelesten Hutfleisches bilden könne. Bei allen auf die ver- schiedenste Art angestellten Versuchen gelang es niemals, weder auf dem Hut, noch auf dem Stiel Hymenialbildungen hervorzurufen, wenn nicht eine, wenn auch nur minimale Verbindung zum normalen Hymenium bestand. So lag es nahe anzu- nehmen, daß vielleicht von der alten Hymenialschicht aus Hyphen herübergewachsen wären, von denen die das neue Hymenium bildenden Hyphen sich ableiten ließen. Manche Bilder ließen nun wohl Hyphen erkennen, besonders dann, wenn sie durch einen sich schärfer mit Farbstoff färbenden Inhalt oder durch stärkeres Licht- brechungsvermögen sich vor den übrigen auszeichneten, die durch ihre Wachstums- richtung zeisten, daß sie direkt aus der benachbarten Hymenialschicht in das Wundgewebe hineingewachsen seien. Dennoch konnte keine sichere Entscheidung getroffen werden, ob wirklich das neugebildete Hymenium in genetischem Zu- sammenhang mit dem alten stände, trotz vielfacher mit den Hilfsmitteln der Mikro- tomtechnik vorgenommenen Untersuchungen. So konstant für das neue Hymenium der Anschluß an das alte ist, so gleichgiltig erscheint für die Neubildung seine Lage sowohl im Raum, wie inbezug auf die Hut- fläche. Weder in der Schnelliskeit, noch in der Ausgiebigkeit der Hymenial- regeneration läßt sich ein Unterschied erkennen, ob es sich unten, oben oder an der Seite entwickelt. So ist seine Bildung auch nicht auf die nach dem Hutrande zugewendete Seite des Hymeniums beschränkt, sondern kann sich auch innerhalb des normalen Hymeniums nach der Stielseite zu entwickeln. Es geschieht z. B. öfters, daß nach Verletzung durch ungleichmäßiges Wachstum im Innern der Hut platzt und sich dann dort in ganz ähnlicher Weise ein neues Hymenium bildet (siehe Taf. 5, Fig. 4). Ein gewisser Unterschied macht sich erst im weiteren Ver- lauf der Entwicklung geltend. Aus dem Vergleich vieler Fälle konnte das Er- eebnis abgeleitet werden, daß die Lage für die weitere Wachstumsintensität nicht ohne Einfluß bleibt. Die dem Boden zugekehrten Seiten wachsen oft am weitesten und stehen in ihrer Höhe den normal gebildeten Lamellen nicht nach. Niedriger sind schon die an senkrechten Wundflächen wachsenden, während die nach oben gekehrten am niedrigsten bleiben. Die regenerierte Hymenialfläche bietet einen höchst eigentümlichen Anblick. Nichts scheint auf die normale Ausbildung der radialen, parallel gestellten La- mellen hinzuweisen. In anscheinend regellosem Verlauf wechseln an die Eiymenial- schicht von Sparassis erinnernde blattartige Bildungen mit grubigen oder röhrigen an typische Polyporeenarten erinnernde Vertiefungen miteinander ab. Man glaubt irgend welchen bei der Regeneration zutage tretenden schlummernden Bildungs- potenzen gegenüber zu stehen, vielleicht Rückschlagserscheinungen, die den Bildungs- gesetzen einer phylogenetisch früheren Art gehorchen. — Dennoch glaube ich durch systematische Zählungen und Messungen ein alle diese Bildungen beherr- schendes regelmäßiges Prinzip aufgefunden zu haben. Es stellte sich nämlich heraus, daß einmal die Breite der Erhebungen bei ihrer Anlage in ganz bestimmten meßbaren, eng begrenzten Werten liegen und daß weiter auf einer bestimmten Flächeneinheit eine gleich große Anzahl von Organen sich erhebt. — Die Breite der Anlagen konnte auf 0,07—0,10 mm festgestellt werden (Taf. 11, Fig. 4, 5, 9). Bei dem ersten Besinn der Hervorwölbung ist diese Größe allerdings nicht ganz Über die Formbildung der Hutpilze 97 regelmäßig, vielmehr sind die ersten sichtbaren Falten öfters etwas breiter, dann verschmälern sie sich beim Weiterwachsen sehr schnell, oder es tritt sehr bald eine Spaltung in zwei Anlagen auf. Schmäler sind sie jedoch niemals. Schwieriger gestaltete sich das Problem, für die Zahl der Anlagen ein einwandsfreies Maß zu finden, da sie hier mehr in Stacheln, dort in verschlungenen Linien auftreten. Die übersichtlichsten Zahlen ergaben die Zählungen der Erhebungen auf Schnitten senk- recht zur Oberfläche, die in allen möglichen Richtungen ausgeführt wurden. Als Durchschnitt der mehr stachligen Erhebungen können auf 1 mm 8 Anlagen ange- nommen werden, während sie in dem mehr wurmförmigen Teile bis auf 11 steigen. So ist es jedoch nur in den ersten Bildungsstadien. Späterhin, während die In- sertionsfläche weiter wächst, rücken die Anlagen auseinander, es verbreitert sich ihre Basis, sie schließen sich bogig an die Nachbarerhebungen an, und es sind jetzt weniger Anlagen in einer Richtung (Taf. 11, Fig. D). Nachdem so eine gewisse Regelmäßiekeit in der Anlagegröße und der Ver- teilung festgestellt war, wurde weiter versucht, eine Vorstellung über die Ent- stehungsursache der verschiedenen, allerdings stets ineinander übergehenden Formen zu gewinnen, über die Bedingungen, die eine mehr stachlige, röhrige oder lamellen- artige regenerierende Hymenialschicht entstehen lassen. Die Vermutung, daß etwa hierfür die Richtung der Anlage im Raum oder gegen den Hutkörper von Bedeutung sei, bestätigte sich nicht, dagegen konnte eine andere Parallele aufgefunden werden. Es zeigte sich nämlich, daß im allgemeinen, je mehr die Bildung gleichzeitig über die ganze Wundfläche in Erscheinnne tritt, dabei eine mehr stachlige Ausbildung erfolgt (Taf. 11, Fig. 4); je langsamer die Bildung von statten geht, d. h. auf der Wundfläche in der Nähe der alten Hymenialschicht schon deutliche Neubildungen zu sehen waren, während auf der übrigen Wundfläche noch keine Erhebungen her- vortraten, desto mehr eine netzartige Bildung sich ausdifferenzierte (Taf. 11, Fig. 5 unten). Dem entsprechend sind auch zumeist die Regenerate an der dem alten Hymenium zugekehrten Seite stachliger (Fig. 4 unten), während die ent- fernter gelegenen mehr wurm- und netzförmige Struktur bekommen (Fig. 4 oben). An den Stellen, wo das regenerierende Hymenium im unmittelbaren Fortsatz von quergeschnittenen Lamellen gebildet wird, tritt es stets in netzförmiger Struktur auf. Hier verläuft aber auch die Bildung stets deutlich hintereinander von den Lamellen an beginnend, die so schließlich lückenlos in das regenerierende netz- förmige Hymenium übergehen. Aus diesen tatsächlichen Befunden über Größe und Formen der regenerierenden Hymenialbildung kann gefolgert werden, daß die bei dem ersten Eindruck so regel- losen Bildungen irgend welchen ganz bestimmten Wachstumsgesetzen unterworfen sein müssen. Wir werden nun ohne weiteres dazu geführt, sie mit den den nor- malen Bildungsgang der Lamellen beherrschenden zu vergleichen, wenn wir die Neubildung des Hutvegetationsrandes mit seinen Lamellen aus dem regenerierenden Hymenium verfolgen. Hat sich das neugebildete Hymenium über den größten Teil der Wunde verbreitet, beginnen zumeist an einer dem Hutrand zunächst ge- legenen Stelle die Erhebungen mehr oder weniger ihre netzartige Anordnung zu verlieren und sich in parallelen Reihen neben einander anzuordnen (Taf. 11, Fig. 5 oben). Gleichzeitig sieht es aus, als würden sie in das Hutfleisch etwas einge- Archiv für Biontologie. I. 06. 7 98 Werner Maenus: senkt (Taf. 8, Fig. 5). Dies rührt daher, daß sich hier Hyphen der Hutfläche in der der Lamellenrichtung entsprechenden parallelen Anordnung über den Endpunkt der Lamellen hervorwölben. So hat sich hier bald eine scharfe Schneide gebildet, ein neuer Vegetationsrand, der nunmehr selbständig fortwächst und sich von einem normalen Hutrand nur durch das Fehlen des Schleiers unterscheidet. Die Breite der Anlagen ist jetzt fast regelmäßig 0,75 mm und auf 1 mm kommen etwa zwölf Anlagen. Untersuchen wir den Vegetationsrand eines normalen Hutes, finden wir die gleichen Werte (vel. p. 137). In der Tat unterscheiden sich die von jetzt an entstehenden Lamellen in nichts, weder in Größe, noch Anordnung von denen des normalen Hutes, sie gehen aber andererseits lückenlos nach rückwärts in die netz- förmigen Erhebungen des Regenerats über. — Dieser neugebildete Vegetationsrand kann das Wachstum des Hutes öfters ganz erheblich fortsetzen, sodaß, wie z. B. auf Taf. 8, Fig. 2 zu sehen, sich der eine über den anderen Teil des Hutes fort- wölbt, und in ähnlicher Weise kann es bei sehr jung operierten Exemplaren bis fast zu einem Verschluß der Wunde kommen. Die bei der Regeneration des Hymeniums jugendlicher Fruchtkörper auf- tretenden Hymenium tragenden Organe sind also nahezu gleich in der Größe ihrer Anlage in Übereinstimmung mit der Größe normal entstehender Lamellenanlagen, aber verschieden, wenn auch in engen Grenzen, in der Zahl der Anlagen auf einer bestimmten Größe der regenerierenden Wundfläche. Während auf dem neugebildeten Vegetationsrand die Anlagen in direkter Berührung stehen, ebenso wie beim normalen Vegetationsrand (Taf. 11, Fig. 8 und 9), brauchen sich die anfänglich gleichzeitig auf der Wundfläche entstehenden Erhebungen in keinem Stadium der Entwicklung zu berühren. Dennoch besteht auch in ihrer Anordnung eine gewisse Regelmäßig- keit: immer ist der Zwischenraum zwischen den Anlagen kleiner, als die Neubildung bei der Anlage erfordern würde. Je mehr dann die Anlagen in Leistenform über- gehen, d. h., wie wir sahen, succedan entstehen, desto größer wird die Anzahl der Anlagen auf der Einheit, desto geringer werden die Zwischenräume ohne Erhebung, bis schließlich am neugebildeten Vegetationsrand die regenerierenden Lamellen sich lückenlos berühren und sich so völlig mit dem Verhalten der normalen decken. — Diese Unterschiede der Bildung lassen sich nun ungezwungen aus rein mechanischen Gründen erklären. Wie der Augenschein lehrt, sind an und für sich alle Punkte des sich zu eimer Eymenialfläche regenerierenden Wundgewebes gleich befähigt, Mittelpunkte von Erhebungen zu werden. Indem auf der völlie sleichartigen Hymenialfläche ganz regellos dieser oder jener es wird, wie es irgend welche geringe Zufälliekeiten mit sich bringen, muß er gleichzeitig allen übrigen Punkten in der Gesamtausdehnung der Anlage die Fähigkeit nehmen, zu Anlagezentren zu werden. Ein benachbarter, aber nicht mehr in dem Geltungsbereich der Anlage liegender Punkt mag sich nun gleichzeitig zum Zentrum einer Anlage umbilden. Für die weitere Entwicklung gibt es nun folgende Möglichkeiten: Die Geltungs- bereiche können sich berühren, dann stoßen die sich entwickelnden Anlagen anein- ander, die Geltungsbereiche stoßen nicht aneinander, und der Raum zwischen ihnen ist für eine neue Anlage zu klein, dann entsteht‘ eine Lücke ohne Erhebung, oder aber der Raum ist so eroß oder größer, resp. der Raum wächst in dem bildunes- fähigen Zustand des Gewebes bis zu dieser Größe heran, dann wird eine neue und Über die Formbildung der Hutpilze. 99 zwar in letzterem Fall eine die beiden früher entstandenen berührende Anlage ge- bildet werden. So kann es auch, wenn auch immerhin in selteneren Fällen vor- kommen, daß zwei Anlagezentren entstehen, die sich an der Grenze ihres Geltungs- bereichs schneiden, dann werden die anormal breiten Anlagen gebildet, die sich dann aber auch immer sehr schnell in zwei spalten (Taf. 11, Fig. 7). Am Vege- tationsrand spielt sich die Neubildung ganz anders ab. Hier bei der Succedan- bildung werden auf der fortwachsenden, sich vergrößernden Hymenialfläche die An- lagen auseinandergezogen. Sowie hier in der Embryonalzone des Randes ein ge- nüsender Platz für die Entstehung einer neuen Anlage vorhanden ist, entsteht sie, indem sich der in der Mitte zwischen zwei Anlagen liegende Punkt als Zentrum der neuen Anlage hervorwölbt. So kommt es, daß dann hier die jungen Anlagen fast lückenlos aneinanderstoßen. Da wir weiterhin feststellen konnten, daß je mehr das regenerierende Hymenium in den wurm- und netzförmigen Bau übergeht, um so mehr suecedan die Bildung erfolgt, so ist verständlich, daß hier die Anlagen durchschnittlich immer dichter nebeneinander stehen müssen, oder mit an- deren Worten: eine immer größere Zahl auf der gleichen Einheit gebildet werden. — Überlegungen ähnlicher Art machen nun aber auch die Form der absonderlichen zahnförmigen und später netzförmigen Erhebungen des Hymeniums verständlich. — Die normal bei der Entwicklung des Champignons entstehenden Hymenialerhebungen haben die morphologisch gegebene Eigenschaft, auf dem fortwachsenden Vegetations- rand an der Basis gleichmäßig fortzuwachsen, und jede bei der Vergrößerung am Vegetationsrand neu entstehende Anlage’ ist mit der gleichen Eigenschaft aus- gestattet. Auf diese Weise kommt der radiale Bau der Lamellen zustande. Die bei der Regeneration auf einer Fläche simultan entstehenden Neuanlagen vermögen, da sie ja am Rande nicht weiter fortwachsen können, diese morphologische Eigen- schaft nicht zur Geltung zu bringen, sie behalten die Form, im der sie angelest wurden bei, sie erheben sich zu stachligen Fortsätzen. Je mehr die Bildung langsam über die Fläche fortschreitet, kann die den Hymenialerhebungen des Champignons : inhärente Eigenschaft, in zusammenhängenden Leisten ‚ fortzu- wachsen, zum Ausdruck kommen, aber es geschieht mehr oder weniger richtungslos es entstehen Gruben und Netze, und erst wenn eine neue in einer bestimmten Richtung fortwachsende typisch embryonale Zone, ein neuer Vegetationsrand ge- bildet ist, wachsen sie in gleicher Weise gradlinig fort, wie das im normalen Ent- wicklungsgang gebildete Hymenium, und wie dorb werden neue Lamellen zwischen ihnen lückenlos angelegt. Älteres Entwicklungsstadium. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Folgen der Verwundung beim jugendlichen Champignon und dem im älteren Stadium der Entwicklung zeigt sich in der Bildung des Wundgewebes. Ist die innere Differenzierung des Frucht- körpers weiter fortgeschritten oder fast vollendet, so nimmt die verletzte Stelle noch ein mehr oder weniger mattweißes Aussehen an, herrührend von Hyphen, die eine kürzere Strecke über die Wundfläche hinausgewachsen sind, sich auch noch ein wenig verzweigen und ineinander wachsen. Ist der Fruchtkörper vollendet, ohne daß noch eine Streckung stattgefunden hätte, oder ist er gar in das Streckungs- 7* 100 Werner Magnus: stadium eingetreten, so treiben die durch den Schnitt freigelesten Zellen nur noch wenige Fortsätze und sterben, oft unter Verfärbung, ab. Es machen sich hierbei noch insofern Unterschiede geltend, als die der Hutoberfläche näher liegenden Ge- webe, ebenso wie die Zellen des Stieles, etwas früher dieses Stadium erreichen wie das Gewebe des inneren Hutkörpers, während das Gewebe der Trama anscheinend am längsten Austreibungen an der Wundfläche zeigt. — Die charakteristische Färbung der Hyphen der Hutoberfläche nehmen nur die der Oberfläche naheliegenden Zellen an und auch nur dann, wenn der Hut bei der Verwundung noch nicht völlig ausdifferenziert ist, wie sich dies auf Tafel 9, Fig. 1 ganz gut erkennen läßt. Auch am Stiel sterben nach Verwundung die äußersten Hyphen oft ab, ohne daß die darunter liegenden Hyphen der neuen Randpartie durch ihre Größe sich merklich von dem übrigen Stielfleisch unterscheiden ließen. Die Regenerationserscheinungen des Hymeniums bei der Verletzung des noch nicht völlig ausdifferenzierten Hutkörpers sind erheblich geringer als an dem oben geschilderten jugendlichen Stadium. Bei einem Radialschnitt bildet sich auch hier auf der Wundfläche des Hutes aus dem schwachen Wundgewebe von den alten Lamellen ausgehend eine Hymenialschicht heraus, auf der langsam Erhebungen und Faltungen entstehen, die in ihrem Verlauf den oben geschilderten ähneln. Dennoch besteht ein wesentlicher Unterschied. Einmal werden nie isolierte Erhebungen ge- bildet, sondern stets leistenförmige, netzförmige, wurmförmige und typisch lamellen- artige (Taf. 11, Fig. 6). Ferner entstehen sie in relativ großen Abständen von einander und berühren sich meist weder bei der Entstehung, noch später; aber ganz wie es bei den jugendlichen Regeneraten festgestellt wurde, sind ihre Abstände ziemlich regelmäßig und zwar entstehen 3—4 Erhebungen auf 1 mm. Sie werden enger aneinander gebildet, je weiter sie dem Hutrand zunächst auf der Wunde ge- bildet werden, und wachsen an diesen Stellen im allgemeinen auch weiter in die Höhe als mehr nach der Mitte des Hutes zu, wo sie oft sehr niedrig bleiben. In der Nähe des Hutrandes kann es auch noch oft dicht unter der Hiutoberfläche zu einer Art Neubildung des Vegetationsrandes kommen. Sehr eigentümliche Bilder ent- stehen, wenn die Bildung der Erhebungen und Faltungen nicht auf das neu gebildete Hymenium des eigentlichen Wundrandes des Hutes beschränkt bleibt, sondern, wie es häufig der Fall, auf die durch den Schnitt freigeleste Seite der der Wunde zunächst liegenden Lamelle übergeht (Taf. 8, Fig. 5). Eine solche Lamelle kann ein Netzwerk bis zu einer Höhe von 5 mm tragen oder auch mit typisch lamellen- artigen Erhebungen bedeckt sein, die in diesem Falle stets senkrecht zur Längs- achse der Lamellen stehen. Wird ein völlig ausdifferenzierter, aber noch nicht gestreckter Hut getroffen, kann auch noch auf der Schnittfläche Hymenialgewebe regeneriert werden, wenn dies auch zumeist nicht mehr der Fall ist. Das Bild weist auch hier Unterschiede zu den beiden vorhergehenden Fällen auf (Taf. 10, Fig. 1). Einmal sind die Ab- stände der Erhebungen noch erheblich größer; auf 1 mm kommen nicht viel mehr wie eine Anlage, dann aber tritt deutlich eine noch bestimmtere Gestalt der Er- hebungen auf, sie erscheinen von Anfang an lamellenartig, in ihrer Richtung be- stimmt, senkrecht auf die alten Lamellen zu gehen; nur auf dem dem Hutrande zunächst gelegenen Teil haben sie ein noch mehr netzförmiges Aussehen. Sehr oft Über die Formbildung der Hutpilze. 101 gehen auch hier die Lamellenerhebungen auf die freigelegte Seite der alten La- mellen etwas über. Als ein besonders charakteristischer Fall mag an dieser Stelle auf ein in der Natur beobachtetes Exemplar von Cliocybe infundibuliformis (Tat. 13, Fig. 6) hingewiesen werden, der augenscheinlich auch einer Verletzung seine Ent- stehung verdankt (Fig. 7); hier gehen deutlich die Lamellen senkrecht bis nach unten auf die alten Lamellen herunter. — Auch bei Tangentialschnitten können, wenn auch in schwächerem Maße auf der Schnittfläche des Hutes Hymenial- regenerationen vorkommen. Bei ausdifferenzierten Stadien beschränkten sich diese ausschließlich auf die dicht über der Trama gelegene Zone. Die wenigen hier ent- stehenden Erhebungen gehen stets senkrecht von oben nach unten (Taf. 11, Fig. 2). Alle diese im späteren Stadium der Hutentwicklung regenerierenden Lamellen zeichnen sich auch dadurch aus, daß sie sehr schnell in die Breite wachsen, ‘öfters schon, wenn sie erst sehr wenig in die Höhe gewachsen sind, so daß es dann schwer zu sagen ist, ob sie nicht schon bei ihrer Anlage eine größere Breite be- sitzen. Doch übersteigt auch dann ihre Breite niemals die der Basis der ausge- wachsenen normalen Lamellen, welche etwa 0,25 mm dick werden. — Die Bildung des Hymeniums auf der Wundfläche läßt sich im späteren Stadium der Frucht- körperentwicklung viel leichter verfolgen wie im jugendlichen, da ja im allgemeinen das Wundgewebe viel schwächer entwickelt ist. Hier sind es zweifellos die das normale Hymenium bildenden Hyphen, welche ihre Auszweigungen auf die Wund- fläche entsenden und das neue Hymenium bilden. Sie sind meist sehr leicht zu unterscheiden durch ihre größere Breite und zahlreichen Querwände, die den Zellen eine fast isodiametrische Form geben, dadurch, daß sie öfters an den Querwänden und in der Zellmitte etwas eingebogen sind, wodurch auch hantelförmige Formen entstehen, und dadurch daß sie reichliche Verzweigungen besitzen (Taf. 10, Fig. 2). Diese legen sich schließlich zu der Pallisadenschicht des Hymeniums zusammen. Die Lamellen selbst scheinen nicht eigentlich regenerationsfähig zu sein. Wenn bei Tangentialschnitten durch den Hut die Lamellen quer geschnitten werden, dehnt sich das Pallisadengewebe durch Wachstum weiter aus als die durchschnittene Trama. Dadurch krümmt es sich bald über diese zusammen, so daß eine Art Wundverschluß zustande kommt, doch wächst von nun an die Lamelle nicht mehr an der Spitze weiter. Wird durch Horizontaleinschnitte hingegen die untere Schneide abgeschnitten, krümmt sich zwar auch die Pallisadenschicht nach innen, doch wurden verschiedentlich Bilder gesehen, die eine Neubildung der Hymenialelemente wie eine Neubildung der Schneide mit ziemlicher Sicherheit erkennen ließen. Die Folgen der Verletzung des Champignon-Fruchtträgers zeigen sich außer in den geschilderten Neubildungen in einer von der normalen abweichenden Wachs- tumsintensität der einzelnen Teile. Bei ihrer Untersuchung hat man scharf zwischen den Veränderungen während der eigentlichen Wachstumsperiode zu unterscheiden, in der hauptsächlich die Neubildung der Hyphen er- folet, und den Erscheinungen während der Streckungsperiode. Die bei einem Medianschnitt durch den noch in der eigentlichen Wachstumsperiode begriffenen Hut durch den Schnitt freigelegten Lamellen werden im Wachstum gegenüber den andern erheblich gefördert. Da der Hut nicht entsprechend in radialer Richtung wächst, biegen sie sich hin und her und krümmen sich über die Schnittflächen 102 Werner Magnus: hinaus, oft so weit, daß sie schließlich senkrecht nach oben gestellt sind (Taf. 8, Fig. 3). So verhalten sich die dem Schnitt zunächst liegenden 3—4 Lamellen, während bei den weiter nach innen gelegenen Lamellen die Erscheinung allmählich ausklingt. Auch ein in der eigentlichen Wachstumsperiode median geschnittener Hut zeist an der der Wunde zunächst gelegenen Seite eine größere Wachstums- intensität. Während aber normalerweise seine Wachstumsrichtung vom Hutrand her in radialer Richtung fortgeht, findet das Wachstum am Hutrand an der der Wunde benachbarten Partie hauptsächlich in tangentialer Richtung statt. In dem sich so viel stärker wie an der nicht verletzten Seite ausdehnenden Hutrand werden in gleicher Regelmäßigkeit wie am normal wachsenden Hutrand neue Lamellen ein- gelagert, und da der Hut in radialer Richtung nicht stärker wächst, werden die 'Wundränder immer weiter und weiter zusammengeführt. In den Fällen, in denen ein neues Hymenium an der Schnittfläche gebildet wurde (Taf. S, Fig. 3), wächst auch das der Wunde zunächst liegende Stück des Hutes normal radial fort. Wird eine neue Hymenialschicht nicht gebildet, wird das Wachstum in radialer Richtung direkt an der Wunde späterhin gehemmt, so daß dann die Hutränder im Halbbogen nach innen zu verlaufen (Taf. 9, Fig. 1 und 2). In beiden Fällen nähert sich das Regenerat der schirmartigen Gestalt des Hutes. Daß dies aber in der Tat durch die gesteigerte Wachstumsintensität des Hut- randes in tangentialer Richtung nach Loslösung aus dem normalen Zusammenhang hervorgerufen wird, zeigt der eigentümlich schnabelartige Auswuchs, der entstand, als durch einen tangential in den Hut geführten Einschnitt eine Anzahl Lamellen in der Nähe des Stieles losgetrennt wurden (Taf. 9, Fig. 3 und 4). Der los- getrennte Teil ist sehr stark in tangentialer Richtung gewachsen, so daß er sich hat vorwölben müssen. Aber auch die der Wunde zunächst gelegenen Teile des Hutes sind mehr in tangentialer Richtung gewachsen, an einander- gestoßen und mit einander verschmolzen. Auf ein stärkeres tangentiales Wachstum der vom Hut losgelösten Teile weist auch der schnabelartige Auswuchs auf der Oberseite des Hutes hin, während das Bild der Lamellen den Eindruck macht, als hätte sich ein neues Zentrum gebildet, von dem die Lamellen ausstrahlen. In ähnlicher Weise ist der Tafel 11, Fig. 3 abgebildete Fall entstanden, nur hat sich hier bei einem in jüngerem Stadium erfolgten Einschnitt nach oben zu ein neuer Vegetationsrand gebildet. Der Stiel verheilt, wie wir sahen, nur in sehr jugendlichem Zustand der Ver- letzung völlig und rundet sich dann auch mehr oder weniger ab. Es wurden auch einige Fälle beobachtet, in denen nach Einschneiden in den Hut im jugendlichen Stadium durch unregelmäßiges Wachstum Teile des Stieles abgeplatzt, aber mit dem Hute in organischer Verbindung geblieben waren. Dann hatte sich das abgeplatzte Stück manchmal völlig abgerundet und zeigte auch auf dem Querschnitt immer deutlich die normale Struktur des Markes. Späterhin bleibt der Stiel immer an der Stelle der Verwundung flach (Taf. 8, Fig. 3), in einem noch späteren Stadium ist das Wachstum an der verwundeten Seite völlig sistiert, und so kommt es, daß die fortwachsende Rinde sich über den Wundrand hinüberwölbt. Über die Formbildung der Hutpilze. 103 Streekungsstadium. Während, wie wir sahen, nach Eintritt in das Streekungsstadium der Cham- pignon zu einer eigentlichen Regeneration nicht mehr befähigt ist, zeigen doch die Wundflächen einige charakteristische Veränderungen. Die durch einen Tangential- sehnitt durch den Hut in nicht zu weiter Entfernung vom Stiel durchschnittenen Lamellen sind nach dem Aufspannen an der Schneide länger gewachsen wie an der Basis und der Mittelzone, so daß die Schneide mit einer über die Wundfläche hervorragenden Spitze endigt (Taf. 10, Fig. 4). Je weiter nach dem Hutrande der Schnitt geführt wird, desto weiter nach oben setzt sich das stärkere Wachstum gegenüber der Basis fort, desto weniger ausgebuchtet wird die Schnittfläche. Wird schließlieh nur die Randpartie des Hutes abgeschnitten, bleibt die Schneide erheb- lich im Wachstum zurück, während an der Basis das Hauptwachstum stattfindet, so daß dann die Schneide bogig nach oben endet (Taf. 10, Fig. 3). Die durch einen Medianschnitt freigelegsten Lamellen sind auch hier an der Wundfläche schräg von ihrer vertikalen Lage abgelenkt. Dies kommt aber hier so zustande, daß sich der unmittelbar über den Lamellen gelegene Teil des Hutfleisches stärker nach der Wundfläche zu vorwölbt wie der weiter entfernte, so daß er am Rande etwas bogig in die Höhe gezogen wird, Die durch einen Medianschnitt freigelegte Fläche des Hutfleisches wölbt sich an den einzelnen Stellen ganz wverschiedenartig vor. Gar keine oder eine sehr schwache Vorwölbung findet in der Nähe des Stieles und unter der Oberhaut bis zum Hutrand hin statt. Sie wird immer stärker, einerseits, wenn man vom Stiel zum Hutrande, andererseits, wenn man von der Oberfläche des Hutes bis zur In- sertionsstelle der Lamelle fortschreitet, so daß die stärkste Vorwölbung vom Hut- rand an ziemlich plötzlich dicht in seiner Nähe stattfindet und im extremen Falle bis 1 cm höher reichen kann. — Die Veränderungen der Wundfläche auf Tangential- schnitten entsprechen den geschilderten vollständig. Je weiter der Schnitt nach dem Hutrande zu geführt wird, desto mehr wächst der den Lamellen zunächst liegende Teil gegenüber dem der Hutoberseite zunächst gelegenen hervor. — Diese verschiedenartige Wachstumsintensität der einzelnen Teile der Wundfläche bewirkt, daß sie immer mehr nach den Lamellen zu verflacht, je weiter sie von der Hutmitte entfernt ist. So richtet sich die anfangs senkrechte Wunde in eine horizontale auf, am stärksten am Rande, wenig oder gar nicht in unmittelbarer Nähe des Stieles. In der Nähe des Hutrandes kann dann die Verflachung so weit gehen, daß von der Seite her gesehen es den Anschein hat, als säßen die Lamellen einem ganz dünnen Hutfleisch auf. Die geschilderten Veränderungen lassen sich ohne weiteres in Parallele setzen zu der wichtigsten Veränderung in der Streckungsperiode, der Aufspannung des Hutes. Die Teile des Hutes, welche an der Schnittfläche am weitesten sich hervorwölbten, sind dieselben, welche sich bei der Aufrichtung des Hutes am weitesten ausdehnen müssen. Die Unterseite des Hutes dehnt sich stärker wie die Oberseite, wächst schneller am Rande wie nach dem Stiel zu. Die Lamellen wachsen nach der Mitte zu mehr an der Schneide wie an der Basis, während am Hutrande eine starke basale Radiärdehnung erfolgt. Daß sich im äußeren Teil des Hutes eine das normale Maß bei weitem übersteigende Hervorwölbung einzelner 104 ‘Werner Magnus: Partien des Hutfleisches ergab, wird sicherlich zum größten Teil in der Aufhebung des mechanischen Widerstandes zu suchen sein, doch mögen auch gewisse andere indirekte Gewebekorrelationen mitspielen. — Mechanische Ursachen liegen auch’ sicherlich vor, wenn bei Medianschnitten durch den Hut nach der Aufspannung die beiden Wundflächen nicht mehr in einer Geraden liegen, sondern in einem stumpfen Winkel zusammen neigen, auch hier hat sich, das normale Maß übersteigend, der Hut tangential gedehnt, da der Widerstand der übrigen Gewebeteile fehlte (Taf. 10, Fig. 2). Da sich aus diesem Verhalten eine gewisse Selbständigkeit der einzelnen Teile im Übergang zur Streckungsperiode ergab, wurde weiterhin untersucht, ob und in- wieweit die einzelnen Teile sich völlig selbständig zu dehnen imstande sind. Bei völliger Entfernung des ganzen Hutrandes, ebenso bei Entfernung des mittleren Teiles des Hutes durch einen Horizontalschnitt spannte sich der übrige Hut normal auf. Im letzteren Falle wurde der Rand schließlich sehr weit in die Höhe gehoben, augenscheinlich, weil der Widerstand des oberen Hutfleisches fehlte. Der Hut spannt sich auch noch etwas auf, wenn auch nicht vollkommen, wenn durch zwei parallel geführte seitliche Einschnitte der Rand des Hutes und die Gesamt- heit der Lamellen entfernt ist. — Nicht spannt sich der Hutrest auf, wenn die durch zwei parallele tangentiale Einschnitte abgetrennte Hutlamelle sehr dünn ist, oder auch, wenn ein sehr großer Teil der Hutoberfläche entfernt ist, während in beiden Fällen noch in gewohnter Weise an der Wundfläche die Hervorwölbungen auftreten. Es ist ganz als ob die für die Hutaufspannung notwendige Ausdehnung ausschließlich nach der durch den Gewebedruck nicht gehemmten Seite hin erfolgt sei. Möglicherweise ist auch nur die Schädigung der Gewebe durch die Nähe der Wunde eine zu große. Wurde nämlich nur eine Seite des Hutes durch einen Horizontalschnitt entfernt, nur soweit, daß er sich noch normal aufspannen konnte, ist immer die verwundete Seite in ihrem Wachstum gegenüber der unverletzten gehemmt. — Die Streckung des Stieles, die am ausgiebigsten oberhalb des Ringes stattfindet, scheint ziemlich unabhängig von einer Verwundung des Hutes und zumal der Anwesenheit des Hymeniums zu sein. Wird jedoch der Hut ganz entfernt, streekt sich der Stiel nur noch zuweilen. Dennoch bestehen zwischen der Größenzunahme des Hutes und des Stieles gewisse Beziehungen. Es kommt manchmal bei den Pilzkulturen an den Wänden steiler Beete vor, daß die Hutanlagen, etwa in einer kleinen. Einsenkung der die Wände bedeckenden Erde, so dicht am Substrat angelest werden, daß sie bei ihrer Weiterentwicklung ganz in die Erde und auch die darunter liegende Mistschicht hineinwachsen. In allen diesen zur Beobachtung gelangten Fällen war nun der Stiel exzeptionell lang ausgebildet, während der im übrigen wohl ausgebildete Hut augenscheinlich große Kräfte für seine Aufspannung hatte gebrauchen müssen und hierdurch etwas in seiner Streckung gehemmt war. Meine Vermutung, daß beide Erscheinungen im Zusammenhang ständen, bestätigte das Experiment. Wurden am Ende ihrer Ausdifferenzierung befindliche Hüte durch Klemmschrauben am Wachs- tum gehindert, wuchsen die Stiele unverhältnismäßig in die Länge (Taf. 10, Fig. 15). Wird der Champignon im Beginn der Streckungsperiode vom Substrat abge- trennt und unter Darbietung genügender Feuchtigkeit, auf feuchter Erde oder Fließ- Über die Formbildung der Hutpilze. 105 papier, weiter beobachtet, so spannt er sich auf wie der am Substrat gebliebene. Auch die verletzten Champignons verhalten sich wie die am Substrat belassenen. So spannt sich auch der Hut, von dem der Stiel entfernt ist, normal auf, und ebenso dehnt sich der Stiel ohne Hut regelmäßig aus. Dies steht in Übereinstim- mung mit den von Gräntz) erhaltenen Resultaten für Coprinus. An den vom Substrat losgelösten Hutkörpern tritt in allen Stadien der Ent- wicklung, also auch noch am sehr kleinen Fruchtanlagen, eine eigentümliche Er- scheinung auf. An der Basis des Stieles, unmittelbar über dem mit dem Erdreich verwachsenen Hyphengeflecht, wächst sehr schnell, schon nach 12 Stunden, eine schneeweiße dichte Masse von Hyphen hervor, die bis 1 cm Höhe erreichen kann. Späterhin breitet sie sich immer weiter über den Stiel nach oben zu aus, so daß sie bei weiter entwickelten Hüten bis in die Höhe des Ringes gelangen kann. Wir haben es hierbei augenscheinlich mit einem typischen Regenerationsphänomen zu tun. Bei der Loslösung vom Substrat sind die den Hutkörper mit dem Substrat verbindenden, größtenteils sekundär an der Basis der in die Dicke wachsenden Fruchtanlage entstandenen rhizoidartigen Hyphen zerrissen worden. Mit dieser Neubildung wird für sie ein Ersatz geschaffen. In seltenen Fällen, bei Exemplaren, die sich längere Zeit nach der Abtrennung vom Substrat frisch erhielten, können die Lamellen an der Schneide, hauptsächlich an der Stielseite, eigentümliche weiße Auswüchse aufweisen (Taf. 9, Fig. 5). Sie rühren her von unregelmäßigen Auszweigungen der Tramazellen, die über die Schneide herausgewachsen sind und sich zu einem weißen Filz verflochten haben. An anderen Stellen treten nie irgend welche Hyphenaussprossungen auf dem un- verletzten Fruchtkörper auf, auch dann nicht, wenn er z. B. ganz mit feuchter Erde bedeckt wird. Besonders deutlich bei vom Substrat losgelösten Exemplaren, aber auch bei im Substrat belassenen unter ungünstigen Bedingungen wachsenden Exemplaren, wie bei zu großer Trockenheit des Substrats oder der Luft, treten Erscheinungen ein, die als „Notreife“ bezeichnet werden können?). Viel früher nämlich als der Pilz seine gewöhnliche Größe erreicht hat, wird der Hut ohne wesentliche Ver- längerung des Stieles aufgespannt und bildet die Sporen und Basidien aus, so daß Hutkörper entstehen können, die nicht höher als 2 cm sind und wenig größere Breite haben. Es kann sogar eine Loslösung des Hutes vom Ringe in noch jüngerem Entwicklungsstadium erfolgen, doch werden dann Basidien und Sporen nicht mehr ausgebildet. Zum Verständnis der Korrelationsbeziehungen erschien es auch wünschenswert, die geotropische Reizbarkeit der Teilstücke zu untersuchen. An einem unverletzten Fruchtkörper, ebenso wie nach völliger Entfernung des Hutes, erweist sich der Stiel stark negativ geotropisch. Auch eine nicht zu dünn herausgeschnittene Mittel- lamelle krümmt sich noch etwas nach oben. Bei einem halbierten Fruchtkörper resp. Stiel findet jedoch, ganz gleich wie die Lage im Raum, eine Krümmung stets nach der verletzten Seite hin statt. Eine Erklärung wurde darin gefunden, daß !) Gräntz ]. c. °) Frank, Krankheiten der Pflanze. 1895. Bd. I p. 267. 106 Werner Magnus: das aktive Wachstum resp. Streckung zum wesentlichen an die peripherischen Stielhyphen gebunden ist, während die mittleren Hyphen mehr oder weniger passiv durch Dehnung zum Wachstum angeregt werden. So löst sich auch manchmal bei älteren sehr kräftigen Exemplaren die äußere Stielregion von der nicht fortwachsenden Mitte los und wird infolge ihres stärkeren Wachstums zu einer gefalteten Röhre. So lange die Lamellen sich noch vergrößern, reagieren sie sehr ausgeprägt und meist schon nach sehr kurzer Zeit positiv geotropisch). Daß auch dies eine typische Wachstumserscheinung ist, folgt daraus, daß bei wohlausgebildeten Hut- körpern in zwei Tagen bei einer Temperatur von 2—6° die Lamellen sich nicht krümmten, während, wenn sie dann in Zimmertemperatur gebracht wurden, die Krümmung nach 12 Stunden eintrat. Anatomisch kommt die Krümmung da- durch zustande, daß sich die subhymeniale Zone an der konkaven Seite sehr stark ausdehnt. — Am auffälligsten ist die Erscheinung bei etwas schief horizontal ge- legten Fruchtkörpern, wo genau in der Mediane eine Biegung nach rechts und links stattfindet (s. Fig. 6, Taf. 9). — Die Aufnahme des Reizes ist unabhängig vom Hutrand ebenso wie vom Stiel, d. h. jedes noch wachstumfähige an der Basis fest- sitzende Stück der Lamelle reagiert positiv geotropisch. Mit nicht völliger Sicher- heit kann die Unabhängigkeit der Reizaufnahme von der Lamellenschneide behauptet werden, da bei ihrer Wegnahme das Wachstum stark gehemmt wird, doch schemen auch hier einige Fälle für seme Unabhängigkeit zu sprechen. Aus den angeführten Tatsachen ergibt sich also ganz allgemein, daß kurz vor der Streckungsperiode für jedes Teilstück des Organismus seine weitere Entwicklung genau vorher bestimmt ist und der Organismus zu einer eigentlichen Regeneration unfähig ist. I) Sachs. Die vegetative Hyphenaussprossung. Die verschiedenartigen Erscheinungen, die beim Weiterwachsen eines verletzten Hutkörpers auftreten, das verschiedene Verhalten der einzelnen Teile, verschieden auch nach ihrem Alter, lassen für ihre Erklärung zwei Möglichkeiten zu. Ihr Wachstum kann bestimmt werden durch die Stellung, die ihre Hyphenelemente als Teile des Ganzen einnehmen, ihr Lageverhältnis im System des Fruchtkörpers. Sie könnten aber auch in irgend einem Stadium der Entwicklung eine momentane oder dauernde Differenzierung in ihrem Plasma erfahren, die jede in einen be- stimmten Entwicklungsgang hineinzwängt, sie „inäquipotentiell“ macht. Die oft deutliche anatomisch verschiedenartige Ausbildung der Gewebe macht letzteres nicht unwahrscheinlich. Erinnert man sich jedoch an die Ähnlichkeit der Wundgewebe- produktion in den verschiedensten Teilen, gewinnt erstere Anschauung an Bedeutung. — Noch schwerwiegender erscheint aber Brefelds Beobachtung, daß eigentlich jede Zelle eines sich entwickelnden oder fertig differenzierten Hutkörpers, soweit sie natürlich nicht abgestorben, in den vegetativen Zustand zurückversetzt werden kann. Brefeld zeigte für Coprinus stercorarius, daß irgend welche Stücke des Fruchtkörpers jeden Alters in Nährlösung (Mistdecoct) gebracht zu einem typisch vegetativen Mycel aussprossen. Ganz wie ein bei normaler Keimung aus einer Spore entstandenes Mycel, ist es dann wieder imstande, unter geeigneten Be- dingungen neue Fruchtkörper zu bilden. — Im Anschluß hieran wurden von Klebs einige weitere Beobachtungen über die Zurückversetzung der Hut- pilze aus dem beginnenden „generativen“ Stadium in das „vegetative“ gemacht, um so das Verhältnis von Wachstum und Fortpflanzung aufzudecken, das bei diesen höheren Fruchtformen deshalb so kompliziert sei, da ja mit der Ausbildung der Frucht selbst ein lebhaftes Wachstum verbunden ist. Er meint ganz allgemein, das verschiedene Verhalten der diese Fruchtkörper bildenden Hyphen mit denen des „vegetativen“ Wachstums darauf zurückführen zu müssen, daß hier die die Fruchtkörper- bildung bewirkenden Reize resp. Reizhemmung beständig in Wirksamkeit blieben, während die Hyphen bei der Zuführung frischer Nahrung direkt aus der Umgebung wieder ins vegetative Leben zurückkehrten. Er betont aber, daß die näheren Be- dingungen des vegetativen Aussprossens noch nicht untersucht seien. 108 Werner Magnus: Die Gleichwertigkeit der Hyphen und Gewebe würde nun in der Tat eine sehr große Stütze erhalten, wenn wirklich alle Zellformen bei ihrem vegetativen Aus- sprossen sich gleichartig verhielten, während umgekehrt ein ungleichartiges Ver- halten Rückschlüsse auf einen verschiedenen plasmatischen Zustand gestatten würde. — Da weder Brefeld, noch Klebs unter diesen Gesichtspunkten die Frage studierten, erschien eine neue Untersuchung notwendig. — So wurde vorerst wiederum Coprinus stercorarius untersucht, der sich als ein hierzu besonders geeignetes Objekt in Brefelds Händen gezeigt hat. Nach seinen Angaben wurden sorgfältig zerschnittene Teile des Fruchtkörpers in einem Tropfen sterilisierter Abkochung von Pferdemist (ich gebrauchte 1:10 Wasser) gebracht und das Austreiben be- obachtet. Schon nach 24 Stunden sprossten die Hyphen lebhaft aus. Es ist nun aber keineswegs nötig, den Hyphen frische Nährlösung zuzuführen. Werden die Teile einfach in. destilliertes Wasser gebracht, sprossen die Zellen ebenso schnell aus und erreichen nach 24 Stunden eine oft sogar erheblich größere Länge. Bei Kulturen, die darauf abzielen, das Mycel länger zu beobachten, was für unsern Zweck ja nicht inbetracht kommt, ist destilliertes Wasser sogar entschieden vorzu- ziehen, da die Kulturen leichter steril zu halten sind. Im einzelnen zeigten sich nun im Verhalten der Hyphen wesentliche Unter- schiede. In sehr jungen Fruchtanlagen, die sich eben von den Sclerotien ohne Verletzung abpräparieren ließen, läßt sich ein Unterschied in der Aussprossung der Hyphen nicht feststellen. Alle Endzellen des Hyphenknäuls scheinen gleichmäßig weiter zu wachsen. — In weiter entwickelten Stadien, bei denen sich auf der Hut- seite die blasigen Austreibungen zeigen, sind diese, wie schon Brefeld angibt, nicht mehr zum Aussprossen zu bewegen. — Dann wurden die Stiele dünner, sehr junger, im dunkeln erzogener Exemplare untersucht, die oben und unten mit scharfer Fläche abgeschnitten waren. Sie bestehen aus ziemlich gleichförmigen, großen, in die Länge gestreckten Zellreihen, die zu einem pseudoparenchymatischen Gewebe verbunden sind, und werden nur außen von einigen feimeren Hyphen lose übersponnen. Nach oben und unten entwickeln sich nun aus diesen Zellen in gleicher Zahl gleich lange und feine Hyphen, die nach 24 Stunden eine Länge von ca. 0,15 mm in Mistdeeoet und 0,6 mm in Wasser erreichen. Auch die oberflächlich gelegenen Zellen des Stieles sind ausgesprosst, doch erheblich kürzer, ca. 0,05 mm in Mistdeeoct und 0,3 mm in Wasser lang. In ebenso kultivierten Längsschnitten durch den jungen Hut zeigen die feinen pallisadenartig gestellten, noch nicht differenzierten ober- flächlichen Zellen der jungen Lamellen keine Veränderung, während die Zellen des Hutfleisches ebenso wie die der Trama vielfach ausgewachsen sind. Auch die Basis des Stieles ist ebenso wie bei den im ganzen isolierten Stielstücken stark ausge- wachsen. — Bei weiter entwickelten, diekeren Stielen haben sich zwischen den pseudoparenchymatischen Elementen feine Hyphen sgedränet, und in der Mitte des Stieles bildet ein lockeres Gewebe feiner Hyphen eine Art Mark. Auf medianen, oben und unten scharf abgeschnittenen Schnitten aus der Mitte des Stieles wachsen an der dem Hut zugekehrten Seite die Hyphen gleichmäßig in dichten Reihen senkreckt aus, während an der entgegengesetzten, nach der Basis zugekehrten Seite eine unverkennbar geringere Anzahl, wenn auch den oberen gleich langer Hyphen den pseudoparenchymatischen Zellen entsprossen. Nur in der Markzone Über die Formbildung der Hutpilze. 109 ist auch hier die Anzahl der Hyphen eine gleich große wie an der Hutseite. Bei den ersten derartigen Beobachtungen wurde vermutet, daß der obere Schnitt vielleicht in der Nähe der Hauptstreckungszone gelegen war, die nach de Bary und Brefeld in der Nähe des Hutansatzes gelegen ist, doch zeigte sich ein gleicher polarer Ge- sensatz auch stets bei Stücken, die soweit vom Hutansatz entfernt lagen, daß die Größe der Zellen oben und unten völlig gleich war. Die Neubildung der Hyphen geschieht fast stets an dem der Schnittfläche zunächst gelegenen oberen Finde der pseudoparenchymatischen langgestreckten Zellen und zwar sowohl an der Hut-, wie an der Basisseite. Es können jeder etwa 15 u breiten Zelle 1—3 Zweige von 3—4 y. Breite entsprossen. Die nicht an der oberen und unteren Schnittfläche gelegenen pseudoparenchymatischen Zellen, die durch den Längsschnitt freigeleet wurden, sprossen sehr viel weniger aus, zumeist dann, wenn die zunächst gelesene Zelle der gleichen Hyphe durch den Schnitt getötet ist. Die Oberhaut- zellen des Stieles sind entsprechend wie bei dem jungen Stiel sehr zahlreich, aber wiederum immer nur etwa halb so lang wie die an der Schnittfläche ausgewachsen. Auf dem Querschnitt durch den älteren Hut sind die Zellen der Trama und des Hutfleisches sehr lang ausgewachsen. Sie durchwachsen öfters die Hymenial- schicht. Die Zellen der Elymenialschicht konnte ich in Mistdecoet meist nur sehr schwer zum Austreiben bringen, am besten in dem Stadium, wo sich die blasigen Cystiden gebildet und die späteren Basidien etwas über die Paraphysen hervor- ragen. Ich habe im Mistdecoct an ihnen nie längere Fortsätze wie von etwa 20 u gesehen, während die langen Hyphen, welche die Pallisadenschicht manchmal wie ein Haarkleid überziehen, als diese Schicht durchwachsende Auszweigungen der Tramazellen identifiziert werden konnten. — Im destillierten Wasser konnten dagegen in diesem Stadium sehr reichliche, nach 24 Stunden bis 75 x lange Aus- sprossungen sowohl der Pallisaden, wie der Basidienanlagen festgestellt werden, jedoch nicht der Cystiden. Sie unterscheiden sich von den Auszweigungen des Stiels und der Trama durch ihre viel geringere Größe, unregelmäßig geschlängeltes Wachstum etwas größere Breite und sehr reichliche Verzweigungen. Ist der im Licht erwachsene Stiel ins Streckungsstadium eingetreten, so sind die Aussprossungen sehr viel geringer, während die in Sporenbildung einge- tretenen Basidien nicht mehr aussprossen. Es wäre nun aber falsch zu glauben, daß das flüssige Medium die einzige Veranlassung zu diesem Aussprossen wäre. Ganz wie wir es beim Champignon feststellen konnten, bilden sich auch bei Coprinus Aussprossungen als eine Folge der Verwundung auf der Schnittfläche aus, die am jugendlichen Stiel nach 24 Stunden eine Länge von Ö,1 mm erreichen können. — Es können aber auch die nicht der Wunde zunächst gelegenen Zellen der Hymenialschicht von abgelösten Hutteilen, die gerade Cystiden gebildet haben und im feuchten Raume weiter kultiviert werden, aussprossen, während keine Sicherheit darüber gewonnen wurde, ob die Oberflächenzellen des Stieles unter gleichen Bedingungen auch etwas aus- sprossen. Die jungen Basidien und Paraphysen waren sehr regelmäßig in eine schmale 2—3 2 breite Spitze ausgewachsen, die vielfach die Länge der Basidien, etwa 20 y erreichte. Auch einige Tramazellen wiesen Hyphenverlängerungen auf. Dies Aussprossen ist auch die notwendige Voraussetzung der Beobachtungen Brefelds und später von Gräntz, die bei längerer Kultur unter ähnlichen Bedingungen auf den Lamellen neue Fruchtkörper entstehen sahen. 110 Werner Magnus: In gleicher Weise wurden dann die Gewebe des Champignons in den ver- schiedenen Altersstadien untersucht. Bei ganz jungen 4 mm großen Anlagen sprossen auf Längs- und Querschnitten sowohl die Hyphen der Oberfläche, wie die nach innen ge- lesenen eleichmäßg zu einem etwa 3,5 y. breiten Mycel aus, das nach 24 Stunden eine Länge von etwa 0,15 mm erreichte. Nur die Hyphen der Basis sind etwas länger und bilden ganz typisch ein Luftmycel in gleicher Weise wie Stücke von Mycelsträngen, die auf den Schnittflächen ohne polare Unterschiede in gleicher Weise aussprossen. — Bei Schnitten durch eine 7 mm eroße Anlage des Cham- pignons macht sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Zellen der Oberhaut und den aus dem Innern des Fruchtkörpers bemerkbar; während diese ausnahmslos reichlich aussprossen, bilden jene nur an der Basis der Anlage reichliche Aus- zweigungen. — In einer etwa 1,5 cm hohen Anlage, in der die innere Ausdifferenzierung schon zur Bildung der Lamellen und des Ringgewebes fortgeschritten ist, machen sich folgende Unterschiede geltend. Die Oberhaut des Hutes, deren Zellen an- scheinend noch alle am Leben, wachsen nicht aus, ebensowenig die noch mit reichlichem Inhalt versehenen Zellen des Ringes.. Die Zellen des Hutfleisches sind nur in geringer Zahl etwas mehr nach dem Rande zu und höchstens 75 p lang ausgewachsen, ebenso sehr wenig die Zellen der Trama. Die anfänglich dicht sedrängten Zellen der jungen Hymenialflächen der Lamellen haben sich aus ihrem Verband unregelmäßig gelöst und Querwände bis dicht unter ihre Spitze, etwa Tu davon entfernt, bekommen. Die inneren Zellen des Stieles proliferieren alle in gleicher Weise ziemlich stark, die Außenzellen nur etwas stärker an der Basis. — Bei einem Hut von etwa 4 cm Höhe ist das Verhältnis m großen Zügen das gleiche. In der Oberhaut und am Ring wachsen die Zellen nicht weiter. Aus dem Hut- fleisch sprossen relativ sehr wenig Zellen. Die Tramazellen wachsen nur wenig aus. Die Zellen der Eymenialschicht, die in diesem Entwicklunsgstadium des Hutes die Basidien zu differenzieren beginnen, wachsen m die Länge und bekommen reich- liche Querwände. Einige bilden auch kleinere, dünnere Fortsätze. Die Trama- zellen wachsen nie zwischen ihnen hindurch. — In Hüten, m denen die Bildung der Basidiosporen begonnen, konnte eine Veränderung in der Hymenialschicht nicht fest- gestellt werden. — Die Oberhaut des Stieles wächst ziemlich reichlich aus, am stärksten an der Basis. Auf Längsschnitten durch den Stiel, die oben und unten scharf abgeschnitten, macht sich ein deutlicher Gegensatz zwischen dem dem Eiut und dem der Basis zugewandten Ende geltend. Während an dem apikalen Ende ein dichter Filz von parallel in die Stielrichtung gestellter Zellen hervorwächst, sind die am basalen Ende gebildeten FHyphen weniger zahlreich und von unregel- mäßigem Verlauf. Die Länge ist die gleiche, nach 24 Stunden etwa 0,1 em, sogar an der Basalseite manchmal eher etwas gefördert. In der Region des Markes lassen sich Unterschiede der beiden Seiten nicht erkennen. Das Auswachsen beim Champignon nach Verwundung ist schon als „Wund- sewebebildung“ oben beschrieben worden, doch wird es zweckentsprechend hier der vegetativen Aussprossung im flüssigen Medium an die Seite gestellt werden. — Im Jugendzustand sind beide Bildungen in gleicher Weise an allen Zellen sehr aus- giebig. Späterhin ist das Hautgewebe in beiden Fällen wenig zur Aussprossung geeienet. Während aber die Hyphen des Stiels besonders leicht in vegetative Aus- Über die Formbildung der Hutpilze. 111 zweigung übergehen, produzieren sie im allgemeinen nicht so reichlieh Wundgewebe wie die Zellen des Hutfleisches, die dies sehr reichlich tun. Im weiteren Alter nimmt die Wundgewebebildung immer weiter ab, während die vegetative Aussprossung bis in die Streckungsperiode hinein gleich stark bleibt. Sehr charakteristisch über- einstimmend verhalten sich in allen Entwicklungsstadien die Basalzellen des Stiels, sie sind besonders zum Austreiben befähigt. — Es besteht also, trotz gewisser Unterschiede, augenscheinlich eine deutliche Beziehung zwischen vegetativem Aus- wachsen und Produktion von Wundgewebe, und es hängt wohl nur von Konstel- lationen sekundärer Natur ab, in welchem Umfange das Wundgewebe gebildet wird. Die Übereinstimmung der Resultate für Coprinus und Agaricus campestris ist augenscheinlich sehr groß. In der jungen Fruchtanlage scheinen alle Zellen gleich leicht in das vegetative Stadium überzugehen. Eine erste Differenzierung der Hyphen macht sieh beim Champignon in den Oberhautzellen geltend, die bis auf die Basalzellen zeitweise alle nicht sogleich zum Aussprossen zu bewegen sind. Während die Oberhautzellen des Hutes diese Eigenschaften beibehalten, ebenso wie die Blasenzellen bei Coprinus, und sich die Zellen des Ringgewebes ebenso ver- halten, sind späterhin die Oberflächenhyphen des Stieles wieder leichter zum vege- tativen Aussprossen zu bewegen, ebenso wie die von Coprinus, wenn sie auch stets deutlich langsamer wachsen als die übrigen Zellen des Stieles. Die Basalzellen sind zu jeder Zeit sehr leicht zum Austreiben zu bringen, ebenso leicht gehen nur noch stets Zellen des Stieles in vegetatives Wachstum über. Während in ihnen anfangs kein Unterschied von oben und unten bemerkbar ist, zeigt sich späterhin eine, wenn auch nicht sehr stark ausgeprägte Polarität in der größeren Masse der Hyphen, die am Hutende aussprossen. Das sich später bildende Mark besitzt diese Eigenschaft nicht, es geht sehr leicht in den vegetativen Zustand über. Die Zellen des Hutfleisches sind reproduktionsfähig, aber viel schwächer wie bei dem Stiel, jedoch besser zur Wundgewebeproduktion geeignet, ebenso die Zellen der Trama, jedoch stärker bei Coprinus wie bei Agaricus. Die zur Hymenialschicht zusammen- tretenden Pallisadenzellen sind in allen Stadien nur sehr schwer zur Prolifikation zu bringen und augenscheinlich wenig zum Weiterwachsen befähigt. Aus alledem folst, daß die in der ersten Jugend des Fruchtkörpers gleich- mäßig leicht zum vegetativen Austreiben zu bringenden Hyphen bei der Weiter- entwicklung eine plasmatische Differenzierung, eine Determination erfahren. Soweit man die Leichtigkeit ihrer Zurückverwandlung in den vegetativen Zustand als Maß dieser Ausdifferenzierung ansieht, müßte dann weiter zwischen weniger und stärker diffe- renzierten unterschieden werden. Nach Gewebeform geordnet würde die Reihen- folge etwa so sein: Basiszellen, Mark, Stielzellen, Oberhaut des Stieles, Hut- fleisch, Tramazellen, Pallisadenschicht, Oberhaut des Hutes und Ring. Von den letzteren abgesehen, sind also die Zellen der Hymenialschicht diejenigen, welche die stärkste Determination erfahren haben. Dies entspricht den Erfahrungen bei höheren Pflanzen, z. B. der starken Differenzierung der Pollenkörner. — Im einzelnen ist dann jede Gewebeform im allgemeinen um so weniger leicht zum Aussprossen befähigt, je weiter sie entwickelt ist, entsprechend der sonstigen Erfahrung bei Tieren und Pflanzen, daß in je jüngerem Entwieklungszustand das verwundete Ge- webe sich befindet, desto leichter es zu Neubildungen angeregt werden kaun. Daß 112 Werner Magnus: hierbei nicht, wie man es zunächst glauben sollte, der stärkere Plasmareichtum das Primäre, sondern wie Noll es will, nicht näher zu definierende Eigenschaften der Plasmahaut, zeigen am besten die reich mit Plasma erfüllten Pallisadenzellen, die mit am schwersten zum vegetativen Aussprossen zu bewegen sind. Der Unterschied, der sich am gleichen Stielgewebe in der Fähiskeit zu Neu- bildungen an der der Basis oder dem Hut zugewandten Schnittfläche im flüssigen Medium zeigte, beansprucht besonderes Interesse. In der Jugend ist, wie wir sahen, eine solche Polarität nicht nachweisbar, sondern tritt erst im Alter hervor. Es ist so- mit wohl nicht angängig, wie man es bei höheren Pflanzen getan hat, von einer den Zellen des Stieles innewohnenden, inhärenten Struktur zu sprechen, die in diesem polaren Verhalten zum Ausdruck kommt. Vielmehr liest es nahe, sie. mit der Richtung der Stoffleitung im Fruchtkörper von der Basis nach der Spitze zu in Verbindung zu setzen. Hier, wo eigentliche Leitungsbahnen nicht differenziert sind (die von Istvanffi und Bommer beschriebenen, mitder Stoff leitung in Verbindung gebrachten Hyphen sind bei Coprinus wohl gar nicht, beim Champignon nur in sehr schwacher Ausbildung nachweisbar), ist ja überhaupt die Leitung des Wassers und der Nährstoffe zu dem sich bildenden Hut nicht anders denkbar, als daß seinen Zellen späterhin sozusagen eine stärkere Anziehungskraft zuzuweisen ist, daß ein Konzentrationsgefälle anzunehmen ist nach den der Basis zunächst liegenden Zellen hin. Konnte so ein wesentlicher Unterschied in der Determination der Hyphen fest- gestellt werden, der auf eine immer weiter gehende plasmatische Differenzierung schließen läßt, so darf nicht außer acht gelassen werden, daß auch diejenigen Hyphen, welche am leichtesten zum Aussprossen zu bewegen sind, im normalen Verlauf der Fruchtentwicklung diese Selbständigkeit nicht zum Ausdruck bringen, sondern sich durchaus dem Gesamtplan einordnen. Es werden daher genauer die Ursachen zu präzisieren sein, die sie aus ihrer vorgezeichneten Entwicklungsbahn ab- zulenken vermögen. Man wird zweckmäßig dabei zu unterscheiden haben zwischen den Gründen, die die Hyphen überhaupt zum Austreiben bewegen, man könnte vielleicht sagen, zum Übergang in den embryonalen Zustand, und den Umständen, die diese Sprossung dann in diese oder jene Entwicklungsrichtung hineindrängen. — Klebs, von der Anschauung ausgehend, daß die die Fruchtbildung bewirkende Reizhemmung während der ganzen Ausbildung bestehen bleiben müsse, sieht, wie schon erwähnt wurde, den wesentlichsten Grund reichlichen Aussprossens in der direkten Zufuhr frischen Nährmaterials zu den Hyphen. Dem gegenüber konnte festgestellt werden, daß im destillierten Wasser die Aussprossung der in der Aus- bildung befindlichen Fruchtkörper mindestens ebenso gut erfolgt. Dies wird dadurch ermöglicht, daß für die Periode der Streckung, ganz ähnlich wie in einem Selerotium, reichliches Nährmaterial gespeichert wird, von dem die wachsenden Hyphen sich ernähren. Es kann also weder der Reiz zum Aussprossen in der Zufuhr neuer un- verarbeiteter Nahrung liegen, noch die Hemmung des Aussprossens beim normalen Wachstum, wie es Klebs vermutet, in der bei dem Durchgang durch die Hyphen umgeänderten Nahrung. Vielmehr zeigen die reichlichen Aussprossungen an der Wundfläche, daß die Anregung zum Aussprossen in der Verwundung als solcher ‚Ihren Grund habe. Über die Formbildung der Hutpilze. 113 Die Entstehung embryonalen Gewebes an Wundflächen ist bekanntlich eine weit verbreitete Erscheinung bei tierischen und pflanzlichen Organismen und hat als solche verschiedenerlei Deutung erfahren. Ein nicht näher zu analysierender Wundreiz als solcher und spezieller die Aufhebung des Gewebedrucks, die Ver- änderung des Stoffumsatzes, resp. die Stauung des Nährmaterials an der Wund- fläche durch Störung der Leitungsbahnen, erhöhte Transpiration — sind zu ihrer Er- klärung herbeigezogen worden. Die allgemeine Störung des Gleichgewichts durch die mechanische Aufhebung der Verbindungen hat dann Goebel näher für die Leitungsbahnen bei Bryophyllum und Begonia erläutert, und letzthin hat Nemec im Anschluß an eine Vermutung Drieschs die Störung der Kommunikation in be- stimmten Gewebeteilen, nämlich dem Perikambium bei Wurzeln, als Neubildung anregendes Moment betrachtet. — Für die Wichtigkeit der bestehenden Verbindung scheint nun auch das Verhalten der Längsschnitte durch die Stielstücke von Coprinus in Nährlösung zu sprechen. Hier kombinieren sich Wundreiz und der Einfluß flüssigen Mediums, und wir sehen, wie nur an horizontalen Schnittflächen Hyphen aussprossen. Die Unterbrechung der Kommunikation der Hyphen in der Längs- richtung des Stieles rest also die Neubildung hauptsächlich an, während die Quer- unterbrechung fast einflußlos ist. A Wir sahen aber, daß auch dann differenzierte Hyphen zum Austreiben ge- bracht werden können, wenn sie gar nicht an der Wundfläche selbst liegen. Es treiben bei Coprinus die Basidienelemente aus, wenn nur der Hut vom Stiel ge- trennt wird. Ähnlich können, nach Loslösung vom Substrat, an den Lamellen des Champignons die Tramazellen über die Schneide auswachsen und dann wie ein typisches Wundgewebe aussehen. Ganz unzweifelhaft durch Loslösung vom Sub- strat durch Unterbrechung der Kommunikation zwischen Hutkörper und dem vege- tativen Mycel wird die Basis des Hutstieles zur Produktion reichlicher Neubildungen veranlaßt. Diese dann so reichlich austreibenden Hyphen scheinen allerdings zur Bildung vegetativen Rhizoidenmycels von vornherein besonders prädisponiert zu sein, so daß hier von einer durch die Lostrennung gewaltig gesteigerten Gebrauchs- regeneration gesprochen werden könnte. Es müssen aber auch überall dort, wo eine Neubildung von Fruchtkörpern statt- findet, mag es auch nur in geringem Maße der Fall sein, embryonale Hyphen aus differenziertem Gewebe aussprossen. Wie aus den Untersuchungen Brefelds und Gräntz bekannt, ist dies bei Coprinus nur an Teilstücken, an den vom Stumpf abgeschnittenen Hüten und schließlich an den Stielen der im Dunklen kultivierten Fruchtkörper der Fall, die bei Mangel an Wärme (Gräntz) ihren Hut nicht aus- zubilden vermögen. Mit Recht weist Goebel darauf hin, daß der letztere Fall durchaus ein Analogon zu dem Verhalten der höheren Pflanzen darstellt, deren Vegetationspunkt in seiner Entwicklung gehemmt ist und die dann an anderer Stelle Neubildungen erzeugen. — Als Grund für das Aussprossen der Hyphen der Frucht- körper muß also ganz allgemein eine Störung im Gleichgewicht angesehen werden, sei es durch Aufhebung der Kommunikation zwischen Stiel und Hut oder Frucht- körper und Substrat, sei es durch die Schädigung eines Teiles des Fruchtkörpers, der dann eben nicht mehr als hemmend inbetracht kommt. — Man könnte aber vermuten, daß trotzdem das flüssige Medium oder das Nährsubstrat als sprossung- Archiv für Biontologie. I. 06. 8 ® 114 Werner Magnus: auslösend, unabhängig von einer Beziehung der Teile zu einander, inbetracht kämen. Dem ist jedoch nicht so. Dies konnte auch schon aus dem Verhalten des oben er- wähnten Champingons, der sich ganz im Substrat entwickelt und der keinerlei anormale Aussprossungen zeigte, geschlossen werden, während vom Substrat los- gelöste, sonst unverletzte Champignons nur an der Basis auszusprossen pflegen. Es gelang aber auch, hierfür einen experimentellen Beweis zu erbringen. Wurden Selerotien mit jungen Coprinusanlagen in destilliertes Wasser oder Mistdeeoet ge- bracht, so sproßten diese nicht vegetativ aus. Ganz anders gestaltet sich die Frage nach der Weiterentwicklung der Hyphen des Fruchtkörpers, deren Wachstum einmal angerest ist. Sie können entweder sich zu typisch vegetativem Mycel umbilden, das je nachdem vegetativ bleibt oder über kurz oder lang neue Fruchtkörper bildet, oder sie können, ohne in ein eigent- lieh vegetatives Wachstum überzugehen, sich direkt am alten Fruchtkörper in neue Fruchtkörper verwandeln, oder sie können schließlich in das System des alten Fruchtkörpers einbezogen werden und im eigentlichen Sinne regenerativen Charakter annehmen. Wie sich aus den beschriebenen Erscheinungen ohne weiteres ergibt, sind hierfür im wesentlichen äußere Umstände maßgebend. Die Aussprossungen im feuchten Medium nehmen vorwiegend vegetatives Wachs- tum an, so erklärt sich auch Klebs Beobachtung, daß der schlaffe Frucht- körper, der im Dunklen kultivierten Hüte dort aussproßt, wo er mit der feuchten Substratfläche im Berührung kommt. Die Fälle der Neubildung von Fruchtkörpern aus den Hyphen der alten sind schon oben aufgezählt worden. Es tritt dies augen- scheinlich immer dann ein, wenn die für die Fruchtanlage günstigen Bedingungen fortwirken, während genügend Reservestoffe zu ihrer Bildung in der im Gleich- gewicht gestörten alten Fruchtanlage vorhanden sind. Nach diesem augenscheinlichen Einfluß der äußeren Bedingungen auf eine vegetative oder generative Reproduktion kann also nicht ohne weiteres mit Goebel geschlossen werden, daß bei den Pilzen die Qualität der Neubildung abhängt von dem Stadium, in dem sie sich zur Zeit der Verletzung befinden. Dagegen sichtlich abhängig von dem Stadium, in dem sie sich zur Zeit der Verletzung befand, ist das Verhalten derjenigen Eiyphe, die, wie es so mannigfach für den Champignon aufgefunden wurde, nach ihrem Aussprossen sehr bald in das System des alten Fruchtkörpers einbezogen wurde. Dies scheint immer dann der Fall zu sein, wenn, wie es beim Champignon wohl durch seine größere Hyphen- masse möglich, die Störung des sich entwickelnden .Fruchtkörpers keine allzu ein- greifende ist, zumeist aber wohl auch dadurch, daß, wie schon hervorgehoben wurde, die Neuformung einer ganzen Fruchtanlage beim Champienon viel schwieriger von statten geht und an einer alten Fruchtanlage überhaupt nieht mit Sicherheit fest- gestellt werden konnte. Für das Verständnis der Formbildung der Hutpilze erscheint es nun von der größten Bedeutung, diejenigen weiteren und näheren Bedingungen und Ursachen aufzudecken, welche die aussprossenden Hyphen veranlassen, ohne die normale Fruchtkörperentwicklung zu passieren, solgeich in die verschiedenartigen oben fest- gestellten Determinationen überzugehen und somit eine eigentliche Regeneration her- beizuführen. — Es geht num nicht immer die Bildung des Wundgewebes mit einer Über die Formbildung der Hutpilze. 115 eigentlichen Neubildung determinierten Gewebes Hand in Hand, vielmehr lernten wir geringere Aussprossungen kennen, die, ohne es zu einer eigentlichen Differen- zierung zu bringen, im Wachstum aufhörten oder auch abstarben. Eine unzweifel- hafte Parallele besteht aber z. B. bei den sehr jugendlichen Anlagen, die in gleicher Weise Wundgewebe erzeugen und regenerationsfähig sind. — Mit die weitgehendste Gewebedifferenzierung bildet das Oberflächengewebe des Hutes, das sich beim Champignon anatomisch nur wenig von dem Gewebe des Hutfleisches unterscheidet, physiologisch jedoch durch seine völlige Unfähiekeit zu Neubildungen. Seine Re- generation, soweit sie beim Champignon zu verfolgen ist, konnte nur in sehr jugend- lichem Stadium festgestellt werden. — Für das Oberflächengewebe der Hüte an- derer Pilze ist das bisher bekannte von Massart!) zusammengestellt worden. Außer beim Champienon sah er die dunklen Hyphen der Hutoberfläche von Russula nigricans sich an den Wunden neu bilden, ebenso bei Olitocybe nebularis, wo die oberflächlichen Hyphen feiner und dichter verflochten sind als im Hutfleisch, da- gegen bildete sich bei seinen zahlreichen Versuchen die Oberhaut von Hypholoma faseiculare nach Verwundung nicht wieder. Ich kann dies bestätigen, und es gelang mir ebenso wenig, die charakteristische rote Oberhaut des Fliegenpilzes, Amanita Muscaria, zur Regeneration zu bringen, auch wenn die Operation bei ziemlich jungen, noch in der Volva eingeschlossenen Exemplaren vorgenommen wurde. Von Brefeld ist die Regeneration der charakteristischen dunklen Oberhaut der Selerotien von Coprinus stercorarius näher beschrieben worden?). Hier werden die Wände der einige Zellreihen unter der Wunde gelegenen Zellen tiefschwarz und bilden zusammen mit den nach außen liegenden die Rinde, die sich nicht von der normal gebildeten unterscheidet. — Indem davon ausgesangen wurde, daß hier wahr- scheinlich entsprechende Gründe die Bildung anregen würden wie bei der Regene- ration des Oberflächengewebes der Pilze, wurde versucht, die reizauslösende Ur- sache dieser Bildungen näher zu präzisieren. Zur Neubildung der Rinde sprossen an der verletzten Seite aus den dieken, plasmaerfüllten, pseudoparenchymatisch in einander verschlungenen Selerotienhyphen feinere Hyphen aus, die bald ihr Wachstum einstellen. Ihre Anzahl, Stärke und Länge wechselt etwas nach den äußeren Bedingungen. Dann beeinnen die dieken Hyphen, aus denen die Auszweisungen hervorgingen, ihre Membran dunkler zu färben. Die Färbung geht dann auf die äußeren neugebildeten Hyphen über und dehnt sich auch noch etwas weiter nach innen aus. Schließlich bilden die aus- sprossenden Selerotienhyphen, in denen wahrscheinlich noch einige Teilungen statt- finden, eine mehrschichtige schwarze Zone, der sich nach außen und innen etwas hellere Schichten anschließen. Die Vermutung, die Veranlassung zu ihrer Bildung in einer stärkeren Transpiration zu suchen, trifft nicht zu, die Bildung erfolgt prompt im dampfgesättigten Raum. Im Gegenteil ist zu ihrer Bildung sogar eine gewisse Feuchtigkeit notwendig. Durchschnittene Selerotien, die frei in die trockene Labo- ratoriumsluft gelegt wurden, schrumpften zusammen, ohne daß eine neue Hautschicht gebildet wurde, und auch nach längerer Zeit trat keine Spur von Schwärzung der der Wundfläche benachbarten Hyphen ein. ) Massart, La cicatrisation chez les veg6taux. Bruxelles 1898. p. 22. ®) Für Polyporus umbellatus ähnliches von Bommer. M&m. couronn. et mem. d. say. 6tr. publ. par l’acad. roy. de Beleg. t. LIV. 8* 116 Werner Magnus: Wurden diese dann späterhin mit genügender Feuchtigkeit versehen, so bildeten sie sogleich die typische schwarze Hautschicht nachträglich aus. Es wäre nun weiterhin möglich, daß das Luftmedium als solches reizauslösend wirkt. Dies ist nicht der Fall; wurden durchschnittene Selerotien in destilliertes Wasser gebracht, bildeten sie äußerst schnell eine typische schwarze Rinde aus. — Dennoch gibt es Mittel, um die Bildung auf der Wundfläche zu vereiteln. Auch noch nach langer Zeit unterbleibt die Schwärzung und Hautbildung vollständig, wenn die Wund- flächen mit Vaselin verschmiert wurden oder die angeschnittenen Selerotien in Öl selest werden. Da hierin die Hyphen bis zu einer Länge von 0,01 mm auszu- sprossen vermochten, folst, daß ihre allgemeinen Lebensfunktionen nicht gestört waren, und so bildeten sie auch, in feuchte Luft gebracht, wie gewöhnlich die Rinden- schicht aus. Aus den Versuchen schien zu folgen, daß der Sauerstoff der Luft für die Bildung von ausschlaggebender Bedeutung sei. Da aber auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen war, daß vielleicht auch bei Mangel von Sauerstoff die gasförmige Umgebung genügte, wurde eine Reihe von durchschnittenen Selerotien in Wasserstoff- atmosphäre aufbewahrt. War der Sauerstoff sorgfältig entfernt worden, so wurde hier in der Tat die Rinde nicht gebildet, während ein geringer Sauerstoffdruck schon zu ihrer Bildung genügte. Wir werden somit die Anwesenheit von freiem Sauerstoff als wesentliche Be- dinsung für die Rindenbildung mit ihrer charakteristischen Membranschwärzung an- zusehen haben, während erhöhte Transpiration, flüssiges oder gasförmiges umgebendes Medium ohne Einfluß ist. Es entspricht somit diese Gewebebildung in den Be- dingungen ihres Entstehens anscheinend durchaus denen, die für die Korkbildung von Kny") und nach ihm von Olufsen?) aufgedeckt worden sind. Dieser hat zu- mal gezeigt, daß auch bei der Kartoffel die Korkbildung unter Wasser nicht ge- hindert zu sein braucht. — Als reizauslösende innere Ursache muß bei der Rindenbildung der Sclerotien die Loslösung der Zellen aus ihrem Zusammenhang selbst angesehen werden, die sich vielleicht den Zellen durch den dadurch not- wendigerweise veränderten Stoffwechsel bemerkbar macht, während die Anwesenheit des freien Sauerstoffs nur die notwendige äußere Bedingung darstellt. So dürfen wir auch für die Neubildung der Oberhautzellen der Hutpilze durch Regeneration ganz allgemein schließen, daß eine genügende Sauerstoffpression der Luft die notwendige Bedingung ist, die aber nur wirksam sein kann, wenn die aus dem Verband ge- lösten, an die Oberfläche gelangten Zellen eine für die einzelnen Hutpilze ver- schiedene genügend embryonale Beschaffenheit besitzen. Ist dagegen das der Wunde zunächst gelegene Gewebe nicht mehr imstande, ein typisches Hautgewebe zu bilden, so zeigt doch seine schnelle Wachstumshemmune nach wenigen Sprossungen, daß die Hyphen durch ihre oberflächliche Lage bald im Weiterwachsen gehemmt werden. Je differenzierter das Bildungsgewebe, desto schneller stellen sie ihr Wachstum ein, und, indem sie oft vertrocknen und kollabieren, können sie wohl direkt als Ersatz für die Hautschicht dienen. — Viel weniger determiniert und viel ') Kny, Über d. Bildung d. Wundperiderm etc. Ber. d. deutsch. Bot. Ges. VII. 1889. 2) Olufsen, Untersuchungen über Wundperidermbildung. Beihefte zum Bot. Centralblatt Bd. 15. 1903. Vergl. Appel, Zur Kenntnis des Wundverschlusses bei Kartofteln. Ber. d. deutsch. Bot. Ges. XXIV. 1906. Über die Formbildung der Hutpilze. 117 leichter zum Aussprossen zu veranlassen ist, wie wir sahen, die Oberhaut des Stieles bei Coprinus und in späteren Stadien bei Agaricus, die aber immerhin im unbeschädisten Zustand des Fruchtkörpers doch in ihrer Fortentwicklung ge- hemmt sind. ; Im geraden Gegensatz zur starken Differenzierung der Oberhaut des Hutes steht das Mark, dessen Regeneration im Innern abgetrennter jugendlicher Stielstücke beschrieben wurde. Erst spät durch das Aussprossen der Stielhyphen entstanden, füllt es die durch das tangentiale Wachstum der Randpartien entstehenden Lücken aus — so auch im Regenerat. Daß wirklich im normalen die Gewebelücke als solche die Ursache seiner Bildung ist, zeigen die durch unregelmäßiges Wachstum des Pilz- körpers an irgend einer Stelle im Innern entstehenden Lücken, die stets von solchem Gewebe ausgefüllt sind. Das schwierigste Problem der Formbildung, das zu lösen ist, sind die Gesetze, die die Umdifferenzierung der Embryonalhyphen in Hymenialhyphen bestimmen. Soweit aus den Regenerationsversuchen geschlossen werden kann, ist die Neubildung beim Champignon auf einen ganz bestimmten Entwicklungszustand der jungen Fruchtanlage beschränkt, und alle späteren normalen und regenerativen Hymenial- bildungen entstehen nur unmittelbar im Anschluß an die primäre. Es wurde schon anläßlich der Beschreibung der Regenerationserscheinungen darauf hingewiesen, daß es, wenigstens für die jugendlichen Stadien, nicht mit Sicherheit gelang, einen direkten Zusammenhang der Hyphen anatomisch festzustellen, während dies im älteren Ent- wieklungsstadium möglich war. Man wird sich also hüten müssen, aus diesem Verhalten etwa ohne weiteres auf das Vorhandensein einer der ascogenen Hyphe analogen, basidi- ogenen Hyphe zu schließen, deren Auszweigungen das Hymenium bilden sollten, da es ja weder anderen Autoren, noch mir trotz vielfacher Bemühungen gelang, sie aufzufinden (vgl. p. 134). Vielmehr muß betont werden, daß, falls ein genetischer Zusammenhang der Hyphen im jugendlichen Stadium der Regeneration nicht vorhanden sein sollte, dennoch eine Reihe Analoga bekannt ist, die eine solche gleichartiges erzeugende Kontaktwirkung als möglich erschemen läßt. — So bildet sich das Kambium sowohl beim normalen Entwieklungsgang im Vegetationskegel, wie bei der Regeneration, sowohl in gerader Richtung, wie in tangentialer stets im An- schluß an schon vorhandenes. — Die Tracheiden legen sich an alte Tracheiden bei der Verwachsung vom Pfropfreis mit der Unterlage. — Auch mag als Beispiel für die sexuelle Sphäre auf Kopulationsepidemien einzelliger Organismen in Kultur- gläsern hingewiesen werden, die nicht immer bei hierfür besonders günstigen Be- dingungen im Sinne Klebs zur Konjugation schreiten (vgl. Klebs 1900 p. 159), sondern vielleicht ähnlicher Induktionen bedürfen. — Wie diese Kontaktwirkung zu denken ist, darüber ist für keinen Fall bisher sicheres bekannt geworden. Speziell beim Champignon ist allerdings eine Kontaktwirkung bekannt, die sich wohl nur als chemische Wirkung deuten läßt. Nach Ferguson!) keimen die Ba- sidiosporen nur dann, wenn sich wachsendes Mycel in der Nährlösung befindet. Wie das vorhandene Gewebe das undifferenzierte embryonale zur Bildung von gleichartigem anzuregen vermag, ist es aber auch imstande, die Bildung von un- !) Ferguson, A preliminary study of the germination of the spores of Agaricus campestris and other Basidiomycetens Fungi. Bull. of the b. plant industr. Dep. of Agricult. 1902. 118 Werner Magnus: gleichartigem, aber mit ihm in direkter Beziehung stehendem anzuregen. Bei der Weiterentwieklung des regenerierenden wachsenden Hymeniums werden die Zellen des undifferenzierten Wundgewebes angeregt, sich über ihm zu einem neuen typischen Vegetationsrand zusammenzuschließen, während, wenn ein Hymenium nicht vorhanden, sich niemals die Hyphen zu einer fortwachsenden Schneide zu- sammenlegen. Dabei soll naturgemäß über die zur Vereinigung führenden speziellen Reize, etwa chemischen, die nach Pfeffers Vermutung ganz allgemein eine Zu- sammenführung der Pilzhyphen zu Vereinigungsgeweben bewirken, nichts ausgesagt werden. — In diesem Vegetationsrand wird dann die typische Oberhaut, Hut- gewebe und Hymenium neu gebildet. Es muß somit für die Neubildung des Hutes die Anlage der EHymenialschicht als das Primäre angesehen werden, oder auch konkreter gedacht, gelänge es — dies kann als ausgeschlossen nicht erachtet werden, wenn es mir auch bisher experi- mentell nicht glückte — wachstumsfähiges Hymenialgewebe, etwa eine junge Lamelle, auf irgend einer Stelle eines jungen Hutes durch Pfropfung zur Verwachsung und das Hymenium zur weiteren Entwicklung zu bringen, würde sich hier ein neuer Vegetationsrand bilden. Wie noch gezeigt werden soll, scheinen in teratologischen Fällen diese Voraussetzungen ihre Bestätigung zu erfahren. Nachdem so eine gewisse Vorstellung über die jeweilige Potenz der Hyphen gewonnen werden konnte und über die Ursachen, die die verschiedene Determi- nation herbeizuführen imstande sind, wird zu untersuchen sein, ob noch gewisse Regeln aufzufinden sind, unter denen bei der Regeneration sich die einzelnen Formelemente zum Fruchtkörper als Gesamtorganismus zusammenfügen. Zur Analyse der Regenerationsvorgänge. Alle bisher zur Erörterung gekommenen Beobachtungen, zumal über die Potenz der Elyphen, zeigen deutlich, daß der Fruchtkörper des Champignons sowohl ziemlich hoch differenziert, als ein von frühem Entiwceklungsstadium an in ganz bestimmter Bahn sich entwiekelnder einheitlicher Organismus ist. So kann ohne nähere Analyse nicht zugegeben werden, „daß die gebildeten Zellkomplexe nicht so streng an die Form gebunden sind, wie die Gewebsmassen der höheren Pflanzen“, wie Penzig!) es meint. Denn die Begründung dieser Behauptung in dem unregelmäßigen Verlauf der einzelnen Hyphen oder in der Fähigkeit, an jedem beliebigen Punkte ein vegetatives Mycel oder einen neuen Fruchtkörper auszutreiben, kann nach unseren obigen Darlegungen nicht als stichhaltig angesehen werden, denn es wurde gezeigt, wie im ungestörten Zusammenhang die Hyphen gerade am Aussprossen gehindert werden. Wenn dann weiter „die zahlreich beobachteten Verwachsungen zwischen nahe an einander sprossenden Pilzfrüchten auf diese Art von Plastizität der stets jungen plasmareichen Gewebe zurückgeführt wird“, so muß demgegenüber gerade hervorgehoben werden, wie erstaunlich selten die zumeist dicht aneinander gepreßt entstehenden jugendlichen Fruchtanlagen des Champignons mit einander verwachsen, jedenfalls viel weniger leicht, wie manche Organe höherer Pflanzen, die bei ihrer Entstehung ebenso dicht aneinander gepreßt werden. Es muß im Gegenteil gerade als eins der am schwersten verständlichen Pro- bleme angesehen werden, auf welche Reize hin die Hyphen der jugendlichen Frucht- anlagen an der Peripherie am Weiterwachsen gehemmt werden und so die einheit- liche Ausbildung der Gesamtform ermöglichen. Wird im ersten jugendlichen Entwicklungszustand diese Form gestört, werden kleinere Teile hinweggenommen, so sehen wir sofort in die Wunde Mycel hineinsprossen, bis die Lücke ausgefüllt ist. Dann, sowie die ursprüngliche Form wieder hergestellt ist, hören sie im Weiter- wachsen auf, indem sie als nunmehrige Teile des Gesamtorganismus eine Hemmung erfahren. Diese Hemmung wird dann späterhin unterstützt durch die morphologische Ausbildung der Hyphen als Oberhauthyphen, deren voraussichtliche Bildungs- bedingungen oben erörtert wurden. Unter dem gleichen Gesichtspunkte ist dann auch das Verhalten derjenigen Hyphen zu betrachten, die, ohne mehr zu einer !) Penzig, Pflanzenteratologie II. 120 Werner Magnus: eigentlichen Oberhautbildung befähigt zu sein, dennoch sehr schnell an der Ober- fläche ihr weiteres Wachstum einstellen und kollabieren. — Während also an der Einheitliehkeit des sich entwickelnden Fruchtkörpers nicht zu zweifeln ist, wird noch näher zu präzisieren sein, inwieweit auch die Entwicklung der einzelnen Teile in bestimmten vorgeschriebenen Bahnen verläuft oder nur der Zusammen- hang mit dem Gesamtorganismus für sie eine Wachstumshemmung darstellt. Für die Hutentwicklung könnte es möglich sein, daß nach seiner Anlage jeder Teil des jugendlichen Hutes nur den Hutteil zu erzeugen imstande wäre, der aus ihm bei der normalen Hutentwicklung entsteht. Es könnte auch die bei der normalen Hut- entwicklung vorherrschende radiäre Wachstumsrichtung in einer bestimmten Deter- mination des Hyphengewebes begründet sein. — Die Ergebnisse der Regenerations- versuche zeigen nun, daß im sich entwickelnden Hut eine derartige Determination nicht besteht, vielmehr bei Aufhebung des Zusammenhanges, bei Fortnahme eines Hutteils die Größenzunahme der wachsenden Teile gleichmäßig nach allen Rich- tungen, also auch jetzt tangential in die entstandenen Lücken hinein, wenn auch stets in der ursprünglichen Ebene des Hutes, erfolgt. Es besitzt also jeder wachsende Hutteill an und für sich die Fähigkeit und das Bestreben, sich nach allen Richtungen, sowohl in radialer, wie in tangentialer, gleichmäßig auszudehnen, sie kann aber nur dann zum Ausdruck kommen, wenn der Zusammenhang aufgehoben ist. Hierdurch werden, wie wir sahen, immer die Wundränder zusammengeführt, der Hut abgerundet, und das Regenerat nähert sich immer mehr der normalen Gesamtform. — In ähnlicher Weise muß auch jedem Teile des Stieles in sehr jugendlichem Zustand ein selbständiges Wachstumsvermögen nach allen Richtungen zugewiesen werden, denn nur so erscheint es verständlich, daß, wie sich bei einer Spaltung des fortwachsenden Stieles einer Collybia tuberosa ergab, beide Teile sich völlig abrunden (Taf. 5, Fig. 6), resp. bei etwas älteren Stadien beim Champignon die Wundfläche immer mehr und mehr ausgeglichen wird. Es liegt sehr nahe, in diesen Fällen die Wachstumshemmung im normalen Zusammenhang einfach in dem mechanischen Widerstand zu sehen, den bei einem sich randwärts vergrößernden radiären Organe die Teile einem tangentialen Wachs- tum entgegensetzen. Es wurden aber andere Regenerationserscheinungen angeführt, bei denen das gesteigerte Wachstum nach Aufhebung des Zusammenhangs unmöglich der Beseitigung eines mechanischen Widerstandes zugeschrieben werden kann, sondern bei denen nur die Stellung im System des Gesamtorganismus als Wachstumshemmung gewirkt hatte. Wir sahen auf Radialschnitten durch den Hut die in der Nähe der Wunde gelegenen Lamellen weit über das normale Maß hinaus wachsen, so daß sie sich über die Wunde hinauswölbten, wir sahen aber weiter, wie auf der der Wunde zunächst gelegenen Lamelle sekundär ein ganzes Netz neuer senkrecht auf ihr stehender Hymenialerhebungen gebildet werden kann. Die Wachstumshemmung, die von dem Gesamtorganismus ausgeht, ist in der Nähe der Wunde augenscheinlich so geschwächt, daß die Wachstumsenergie der einzelnen Teile die ihnen im Gesamtentwicklungsplane vorgezeichnete Grenze überschreitet, oder, um mit Roux im Bilde zu reden, beim „Kampf der Teile im Organismus“ sind die der Wunde zunächst gelegenen in der Übermacht, da sie nur in einer Frontrichtung zu kämpfen haben. Über die Formbildung der Hutpilze. 121 Es kann aher noch auf andere Weise, als durch Hinwegnahme einzelner Teile, eine Störung in dem harmonischen Gleichgewicht der normalen Fruchtkörper- entwicklung zustande kommen, nämlich dann, wenn nur ein bestimmter Teil durch irgend welche Einflüsse in seiner normalen Wachstumsintensität gehemmt wird und die nicht geschädigten Teile eine um so höhere Aktivität entfalten. Beim Cham- pigenon konnte hierfür allerdings nur das eine Beispiel angeführt werden, daß bei mechanischer Hemmung der Hutentwicklung der Stiel korrelativ sehr stark in die Länge wächst. Der Fall erfordert aber deshalb ein besonderes Interesse, weil bei anderen Pilzen, bei denen die Hutausbildung durch Lichtmangel gehemmt wird, auch zugleich eine Überverlängerung der Träger eintritt. Klebs nennt dies eine notwendige Folge und fügt hinzu, daß nach seinen Erfahrungen stets eine solche Überverlängerung der Träger einträte, wenn eine für die Fruchtreife notwendige Bedingung fehle, z. B. Mangel an Transpiration, oder in nicht genügendem Grade wirksam sei. So hat Reinke!) sicherlich Recht, wenn er für die im Dunklen entstehenden geweihartigen Bildungen von Lentinus lepideus, die bei Licht- zutritt an allen ihren Spitzen sofort normale Hüte bilden, annimmt, daß diese für die Biologie des Pilzes sehr wichtigen Anpassungen unmöglich durch Selektion entstanden sein könnten, für deren Wirksamkeit hier eine Fülle von Zufälliskeiten vorausgesetzt werden müßte. Wenn er aber dann meint, eine Kausalerklärung sei nicht möglich, sondern es bliebe nur eine finale übrig und hier läge ein Fall vor, wo das Pflügersche Gesetz der teleologischen Mechanik zu Recht bestehe, der zweckmäßigsten Sicherung der Existenz, so erscheinen nach unseren Auseinander- setzungen seine Schlüsse zu weitgehend. Vom Selektionsstandpunkt aus kann es vielmehr als wahrscheinlich angesehen werden, daß die ursprünglich ohne finale Tendenz oder Anpassungsmerkmal durch kausale Gründe notwendige Überver- längerung des Stieles bei Hemmung der Hwutausbildung bei Lentinus, schwächer z. B. bei dem oft sehr stark überverlängerten Stiel von Zypholoma faseiculare, da- durch „zweckmäßig“ geworden ist, daß immer diejenigen Hüte zur Sporenaus- streuung gelangten, bei denen die Verlängerung resp. die sich in der Verzweigung dokumentierende Neubildung von Anlagen im Dunklen möglichst lange dauerte, bis sie schließlich am Licht den Hut zur Ausbildung brachten. Während so bei der Ausdifferenzierung des Fruchtkörpers die Form nur dureh komplizierte Hemmung der einzelnen Hyphenelemente ebenso wie der ganzen Ge- webekomplexe möglich ist, sind beim Schluß der Ausdifferenzierung beim Beginn des Streckungsstadiums alle Gewebeteile determiniert. Bei der Beschreibung der einzelnen Veränderungen wurde ausführlich der Nachweis erbracht, daß bis ins Einzelne die Streckungsvorgänge der einzelnen Teile denjenigen entsprechen, die sie auch im ungestörten Zusammenhang im Gesamtorganismus erfahren hätten, und daß die geringen Abweichungen vom normalen immer nur graduelle Unterschiede sind. Die Erscheinung der „Notreife“ zeigt aber, daß schon sehr früh gleiche Unter- schiede in der Dehnungsfähigkeit bei Wasseraufnahme vorhanden sind. Es zeigt sich zugleich häufig ein weiterer spezifischer Unterschied der Gewebeformen in der Intensität, mit der sie das Wasser und die Nährstoffe anzuziehen imstande sind. Es ') Reinke, Über Deformationen von Pflanzen durch äußere Einflüsse. Bot, Zeit. 1904. zu 199 Werner Magnus! läßt sich deutlich verfolgen, wie hierbei der Hut dem Stiel das Wasser und das auf- gespeicherte Nährmaterial entzieht, sich so aufspannt und meist noch die Basi- diosporen zur Ausbildung bringen kann. Auch bei dem normal ausgereiften, in der Streckungsperiode befindlichen Fruchtkörper läßt sich leicht beobachten, wie alles Wasser erst aus dem Stiel, dann aus dem Hut in die Lamellen geführt wird. So findet auch die Vertrocknung bei Wassermangel nicht gleichzeitig statt, vielmehr verliert zuerst der Stiel das Wasser, dann die obere Schicht des Hutes, die Ver- troeknung geht dann im Hut immer weiter nach unten, und die Lamellen sind die- jenigen Elemente, welche bis zuletzt turgescent bleiben. Ein gleiches Verhalten kann beim Champignon jeden Entwicklungsstadiums beobachtet werden, der vom Substrat losgelöst und noch einige Zeit weiter kultiviert wird. — Es wäre diese Erscheinung vielleicht zu vergleichen mit dem eines fortwachsenden abgebrochenen Sedumstückes, das seinen älteren Teilen das Wasser bis zur Vertrocknung ent- nimmt. — So mag hier auch noch einmal im Zusammenhang daran erinnert werden, daß den embryonalen Geweben neuer Anlagen augenscheinlich eine größere An- ziehungskraft innewohnt, denn bei ihrer Entstehung, sei es am Mycel des Substrates, sei es am Fruchtkörper selbst, wachsen die stark geschädisten Hutanlagen nicht weiter, und der großen Reproduktionskraft der Hutpilze mußte ja gerade zugeschrieben werden, daß ihr Regenerationsvermögen vielfach nicht zum Ausdruck gelangt. Es ist weiterhin zu fragen, ob zwischen der Bildung der einzelnen Gewebe- elemente des Hutkörpers eine Beziehung aufzudecken ist. Wir sahen bereits, daß bei der Gewebedifferenzierung des Vegetationsrandes die Hymenialhyphen von aus- schlagsebender Bedeutung sind. Es besteht nun aber auch eine Beziehung zwischen dem Wachstum des Hutfleisches selbst und der Anwesenheit des Hymeniums. Es wurde beschrieben, wie nur dann der Hut an der Wundfläche normal in radialer Richtung weiter wächst, wenn neue Hymenialerhebungen auf der Wundseite entstehen, dagegen augenscheinlich eine Wachstumsverzögerung gegenüber den anderen Hut- teilen eintritt, wenn eine solche Neubildung nicht stattfindet. Auch in diesem Falle ist wie bei Neubildung des Vegetationsrandes das Hymenium das wachstums- erregende Element, während umgekehrt das Wachstum der Hymenialerhebungen vom Wachstum des Hutfleisches unabhängig ist, denn wir sahen die Lamellen bei Aufhebung der Hemmung sowohl über das normale Maß wachsen, wie sogar auch selbst neue Hymenialerhebungen bilden. — Diese relative Unabhängigkeit für die Bildung der Hymenialschicht ist sicher die Vorbedingung für die mannigfaltigen Regenerationserscheinungen, die uns bei seiner Neubildung entgegengetreten sind. Sie ermöglichen auch etwas tiefer in die Gesetze seiner Formbildung einzudringen. Als wichtige Regel kann gelten, daß die Erhebungen stets senkrecht zur rege- nerierenden Hymenialfläche gebildet werden, ohne Rücksicht auf die Lage zum Hut oder die Lage im Raum. Die die Erhebungen produzierenden Hyphenbündel werden also veranlaßt, sich senkrecht zur Embryonalfläche zu erheben; da dies die Richtung des geringsten Widerstandes ist, so kann dies vielleicht als notwendige mechanische Folge angesehen werden. — Dort wo typische Lamellen reproduziert werden, kann weiter eine bestimmte Stellungsregel abgeleitet werden: die Lamellen- richtung stellt sich immer senkrecht zu der der Wunde angrenzenden Hymenial- schicht ein (vgl. z. B. Fig. 1 u. 2, Taf. 11). Wie festgestellt wurde, erfolgt Über die Formbildung der Hutpilze. 123 Lamellenbildung dann, wenn die Hymenialbildung im Anschluß an die alte Hymenial- schieht über die Wunde langsam fortschreitet, resp. geht sie dann aus dem unregel- mäßigen Verlauf in die Lamellenbildung über, wenn die successive Bildung einsetzt. Wir können also auch sagen, die Lamellen liegen stets parallel der Wachstums- richtung der Hymeniumneubildung. So erscheint es auch verständlich, daß, wenn auf den Lamellen selbst neue Hymenialerhebungen in Lamellenform entstehen, diese senkrecht zu den die Neubildung produzierenden Lamellen stehen; entsprechend der Wachstumsrichtung des Breitenwachstums der Lamelle geht die neu gebildete Lamelle in der Richtung von der Basis zur Schneide der alten. — Diese senkrechte Wachstumsriehtung des Regenerats zur Wundfläche findet sein Analogon in der für die tierische Regeneration zuerst von Barfurth nachgewiesenen Regel, daß das Re- generat anfänglich stets senkrecht zur Wundfläche orientiert ist. Für unseren Fall scheint diese Wachstumsriehtung die notwendige Konsequenz einfachster mechanischer Bedingungen zu sein, als einzige Möglichkeit einer sich vergrößernden Embryonal- zone, auf die keine anderen richtenden Kräfte einwirken. So vermag ich auch nicht Tornier!) zu folgen, der jüngst für die tierische Regeneration eine kompli- zierte Reizerscheinung für diesen Vorgang zu folgern scheint, indem er annimmt, daß in den der Wunde zunächst gelegenen Zellen die Symmetrieebene der Kerne eine Umregulierung erfahren müsse. | Soweit sich eine Regel wie die verschiedenen Formen der Erhebungen auf der regenerierenden Fiymenialfläche als unmittelbarer Ausdruck der tatsächlichen Vor- gänge ableiten ließ, ist dies zum Vorteil der Einheitlichkeit der Darstellung bereits bei der Schilderung der Hymeniumneubildung am verletzten jugendlichen Fruchtkörper geschehen. Es konnte festgestellt werden, daß im jugendlichen Champignonfrucht- körper, wie es der Augenschein lehrt, die regenerierende Hymenialfläche überall gleichmäßig zur Produktion von Erhebungen befähigt ist und nur Zufälligkeiten entscheiden, welche Punkte sich zum Zentrum einer Anlage ausbilden, und daß die Anlagegröße einen konstanten meßbaren Wert besitze. Daraus folgt, daß am fort- wachsenden Vegetationsrand sich dort dann eine Anlage eimschiebt, wenn die ent- stehende Lücke die genügende Größe erreicht hat, und es muß dann, wie es tat- sächlich der Fall ist, die Neuanlage die benachbarten unmittelbar berühren. Geschieht die Bildung simultan, folgt dagegen, wie es wiederum den tatsächlichen Umständen entspricht, daß die Neubildungen sich nicht zu berühren brauchen, die Anzahl der Anlagen auf einer bestimmten Größe demgemäß eine geringere ist und desto größer wird, je mehr die Bildung eine succedane wird. Nur bei dieser kann die morphologische Eigenschaft der Erhebungen zum Ausdruck kommen, in der Wachstumsrichtung der Hyphen an der Basis fortzuwachsen, “während bei simultaner Bildung die hydnum- und irpexähnlichen isolierten Erhebungen vorherrschen müssen. — Findet aber die Neubildung der Hymenialerhebungen in älterem Stadium statt, haben die Er- hebungen anscheinend gleich bei ihrer Anlage eine etwas größere Breite, die jedoch nie die Breite normaler Anlagen überschreitet. Diese Erhebungen berühren sich nieht mehr, dennoch stehen sie immer in ziemlich regelmäßigen Abständen von einander. Hier muß also ein neuer morpholoeischer Faktor für die Bildungsregel \) Tornier, Sitzungsber. d. Gesellschaft naturforschender Freunde. 1906. p 58. 124 Werner Magnus: hinzukommen, der die Entfernungen reguliert. Ein Vergleich mit dem sich normal entwickelnden Fruchtkörper dürfte auch hier zum richtigen Verständnis führen. Bei der Weiterentwieklung der Fruchtkörper werden die Anlagen auseinander gezogen, so daß die Zwischenräume die Anlagebreite um ein Vielfaches übertreffen. So könnte man denken, daß die zwischen den Lamellen liegende, auch mit Hymenium über- zogene Hutunterseite die Befähigung zur Neubildung verloren hätte. Denken wir aber daran, wie sogar, bei Lostrennung aus dem Verbande, Lamellen neue Hymenial- erhebungen bilden können, muß vorausgesetzt werden, daß in diesem Entwieklungs- stadium die Lamellen nur eine Hemmung ausüben, daß mit anderen Worten in diesem Stadium ihr Geltungsbereich weiter geht als ihre Anlagegröße. So würde dann in entsprechender Weise bei Neubildung in einem älteren Stadium der regene- rierenden Hymenialfläche gleichfalls der Geltungsbereich emer Anlage ihre eigene Größe überschreiten, aber dennoch eine meßbare Größe betragen, nämlich die Hälfte der Entfernung der Mittelpunkte der neuentstehenden Anlagen. Müssen wir uns auch vorläufig mit der einfachen Feststellung dieser Tatsache begnügen, ohne einen weiter zurückliegenden sicheren Kausalnexus aufdecken zu können, fordert doch das verschiedene Verhalten der Neubildungsflächen jugendlicher und älterer Entwicklungsstadien in der Produktion von Organerhebungen, die wir beide als morphologisch gegebene Eigenschaften mit der normalen Entwicklung in Parallele setzten, zu einer weiteren Analyse heraus. — Den Weg hierzu glaube ich in Er- scheinungen zu sehen, die bei Kulturen von Schimmelpilzen auf Nährsubstrat häufiger aufzutreten pflegen. Es bilden sich, wenn das Mycel sich von der gekeimten Spore im Kreise verbreitet, öfters in ganz regelmäßigen Abständen Zonen aus, die ab- wechselnd von vegetativen und fruktifizierenden Hyphen gebildet werden und sich daher oft durch ihre Farbe deutlich unterscheiden. Sie sind nach meinen Beobachtungen, die fortgesetzt werden sollen, von äußeren Einflüssen, wie Licht und Dunkelheit, Tag und Nacht und Wärmeunterschieden, gänzlich unabhängig. Die Periodizität ihrer Bildung muß also von den Wachstumsbedingungen des Pilzes selbst abhängen. — Klebs weist zur Erläuterung der Hexenringe auf die gleichförmige ringartige Anordnung der Fortpflanzungsorgane, z. B. auf die hübsche Abbildung von Volutella cikata bei Werner hin und gibt hierfür folgende, wie mir scheint, zutreffende Er- klärung, die auch ohne weiteres auf die Zonen der typischen Schimmelpilze über- tragbar ist, wenn er auch, soweit sich ersehen läßt, diese Erscheinungen dabei nicht vor Augen gehabt hat. „Bei sehr einfachen Conidienträgern breitet sich der Fort- pflanzungsprozeß in dichter kreisförmiger Masse aus. Wenn aber das Fortpflanzungs- organ infolge seines stärkeren Nahrungsbedürfnisses das umgebende Medium in Anspruch nimmt, so kann sich erst in einiger Entfernung eine neue Fruchtanlage ausbilden. Bei der gleichmäßig sleichförmigen Anlage der ersten Fruchtanfänge müssen die nächsten daher im weiteren Ringe entstehen, es bilden sich die charak- teristischen Zonen aus. Diese sind um so weiter von einander entfernt, je größer das Nahrungsbedürfnis der Früchte ist“ (p. 100). Logischerweise läßt sich aber auch letzterer Satz umkehren, und wir können sagen: je geringer die gebotene Nahrung, desto weiter müssen die Fruktifikationszonen von einander entfernt sein. Die Parallele mit der Bildung der Erhebungen auf der Neubildunssfläche liest auf der Hand. Der jugendliche, mit reichlichen Nährstoffen versehene Fruchtkörper Über die Formbildung der Hutpilze. 125 vermag dicht gedrängt die Erhebungen hervorzubringen, der ältere verhältnismäßig nahrunssärmere kann nur Erhebungen produzieren, die aus einem viel größeren Bereich, dem „Geltungsbereich“ der Anlage, wie wir es nannten, ihre Nahrung ent- nehmen müssen, die Anlagen berühren sich nicht mehr, und die Zonen der Er- hebungen wechseln mit denen ohne Erhebungen ab. — Es braucht wohl kaum aus- drücklich betont zu werden, daß diese Ausführungen nur den Weg weisen sollen, auf dem die auf den ersten Blick völlig unverständlichen Verschiedenheiten der Anordnung der Hymenialbildungen in verschiedenen Entwieklungsstadien dem Ver- ständnis näher geführt werden. Zumal soll nicht etwa behauptet werden, daß der Mangel ganz bestimmter Nährstoffe oder auch nur ein Nahrungsmangel ganz allgemein die unmittelbare Ursache weniger zahlreicher Bildungen ist, vielmehr könnte vielleicht als näherer Zusammenhang auf die verschieden starke embryonale Befähigung der Hyphen hingewiesen werden, wie sie sich in der geringeren Fähigkeit zum Aus- sprossen ergab. Hier sollte nur gezeigt werden, wie die Verschiedenheit eines einzigen meßbaren Faktors genügen könnte, derartige Verschiedenheiten in der Stellung direkt . hervorzurufen.. — Daß aber in der Tat der Mangel eines bestimmten Stoffes für die Anzahl der gebildeten Organe von großer Bedeutung sein kann, scheint aus den Untersuchungen hervorzugehen, die Driesch über die Zahlenverhältnisse der sich regenerierenden Tentakel bei Tubularia mesembryanthemum angestellt hat. Die Zahl ihrer Tentakel nimmt bei wiederholter Regeneration ständig ab und ist in gleicher Weise geringer, je weiter der Schnitt vom Kopfende entfernt geführt wird. Driesch will hierfür nun ganz speziell die Quantität einer gewissen roten Substanz verant- wortlich machen; je mehr von ihr vorhanden, desto mehr Tentakel sollen gebildet werden. Schon aus der Verschiedenheit dieser Objekte ergibt sich, daß ähnliche Betrach- tungsweisen zum Verständnis der verschiedenartiesten periodisch erfolgenden mor- phologischen Bildungen dienen und zumal die auftretenden Verschiedenheiten und Abweichungen der Analyse zugänglich machen können. — Keine periodische Neu- bildung von Organen hat von jeher die Botaniker mehr interessiert als die Neu- bildung der Blattorgane am fortwachsenden Vegetationspunkt der höheren Pflanzen, die in gleicher Weise ausgezeichnet sind durch die Regelmäßigkeit ihrer Bildung, wie die Kompliziertheit der resultierenden Stellungsfigur. — Ihre Ausdeutung ist in zweierlei Richtung vorgenommen worden; die einen sehen darin einen nicht weiter analysierbaren, durch innere Struktur bedingten Regulationsvorgang, z. B. im schraubenlinigen Wachstum der Schimper-Braunschen Theorie, der den mehr oder weniger aus biologischen Rücksichten zweckmäßigen Bauplan der Pflanze realisiert, die anderen, das sind Hofmeister und zumal Schwendener und seine Schule, ziehen analysierbare mechanische Faktoren für die Anordnung der Anlagen beim Entstehen und Weiterwachsen als wesentlich inbetracht, wobei es Schwendener besonders darauf ankam, eine mechanische Erklärung für die in vielen Fällen so auffallende Annäherung der Divergenz an den Grenzwert der gegebenen Reihe auf- zufinden. — Gegen denjenigen Teil der Schwendenerschen mechanischen Theorie der Blattstellung, der sich mit der Erklärung des Zustandekommens der ursprüng- lichen Stellung, also der gesetzmäßigen Anordnung der Neubildungen am Vegetations- 126 Werner Magnus: punkt beschäftigt, sind nun in letzter Zeit zumal von Vöchting und Winkler‘) wesentliche Binwürfe gemacht worden, die ihr Gewicht darauf lesen, nicht sowohl die zahlreichen zugunsten dieses Teiles der mechanischen Theorie sprechenden Beobachtungstatsachen in Zweifel zu ziehen, als vielmehr an der Hand einzelner Fälle kritisch die Allgemeingültigkeit der für die Theorie notwendigen morphologischen Voraussetzungen einer Untersuchung zu unterziehen. Winkler kommt dabei zu dem Resultat, daß es nicht möglich sei, aus den gegebenen morphologischen Werten der Anlagegröße und Form und dem unmittelbaren Anschluß an alte Anlagen die gesetzmäßigen Stellungen und ihre Änderung zu erklären, daß somit die mechanische Blattstellungstheorie auf unhaltbarer Voraussetzung aufsebaut sei, vielmehr die Ortsbestimmung der Neuanlagen vorläufig nicht näher analysierbare Korrelations- und Vererbungsfaktoren bewirken. Gelänge es nun nachzuweisen, wie im folgenden ganz kurz und mehr andeutungsweise versucht werden soll, daß bei einer so ganz anders wie die höheren Pflanzen organisierten Pflanze, dem Champignon, die mor- phologischen Voraussetzungen, die zu einer wohl einwandsfreien mechanischen Aus- deutung der ganz verschiedenartigen Stellungen der Hymenialerhebungen dienten, dieselben sind, durch die nach der mechanischen Blattstellungstheorie notwendiger- weise die komplizierten Stellungsverhältnisse sich erklären lassen, wäre für ihre Bedeutung eine weitere wesentliche Stütze gewonnen. — Die Ähnlichkeit beider Vorgänge ist sehr weitgehend, hier wie dort bestehen Neubildungsflächen, auf denen gleich große Organe in bestimmten Beziehungen zu einander gebildet werden. — Wenn nun, wie Schwendener behauptet, der Ort der Neuanlage eines Blattes ganz allgemein bestimmt wird durch ihre Größenverhältnisse, durch unmittelbaren Anschluß an vorhergebildete Organe am acropetal wachsenden Vegetationspunkt, so wird, wie Winkler mit Recht ausführt, implieite behauptet, daß eine gewisse Zone des Vege- tationskegels gleichmäßig zur Ausbildung der Anlagen befähiet sei. Dem wider- streitet nun aber Winkler auf Grund zumal folgenden Befundes: Beim Übergang der Stellung von zweigliediigen zu dreigliedrigen Quirlen bei Serophulariaceen (Linaria purpurea) kommen öfters Übergangstypen vor, bei denen eine weite Lücke am Vegetationspunkt von Anlagen unbesetzt bleibt. Die Entgegnung Leiserings?) (p- 468), daß die Lücke für die gegebene Größe der Orsane nicht den ge- nügenden Platz darbietet, wird von Winkler bestritten (1903 p. 534) und behauptet, daß es ein Stadium gäbe, wo die jugendliche Anlage sogar kleiner sei wie die nicht besetzte Lücke. Schwendeners Entgegnung (1901 p. 59) weist auf diejenigen Fälle hin, bei denen die verschiedenartige Gruppierung der rasch kleiner werdenden Anlagen in den Lücken der vorhandenen größeren gänzlich unverständlich erscheine, wenn man nicht annimmt, daß an und für sich beliebige Punkte der Bildungszone zu Anlagezentren zu werden vermögen. — Einwandsfrei wäre nun in der Tat nur der Beweis erbracht, wenn es gelänge, experimentell zu bewirken, daß am Vege- tationspunkt eine so große entwicklungsfähige Neubildungszone entstände, daß gleich- !) Vöchting, Über den Sproßscheitel der Linaria spuria. Jahrb. f. wiss. Bot. 38. 1902. Winkler, Untersuchungen zur Theorie der Blattstellungen I und I. Jahrb. f. wiss. Bot. 36. 1901. u. 38. 1903. ®) Leisering, Winklers Einwände gegen die mechanische Theorie der Blattstellungen. Jahrb. f. wiss. Bot. 37. 1902. Schwendener, Zur Theorie der Blattstellungen. Sitzber. d. kel. preuß. Acad. d. Wiss. 1901. Über die Formbildung der Hutpilze. 127 zeitig mehrere Anlagen nach der Spitze zu entständen, und es dürfte in diesem Falle eine regelmäßige Stellung nicht zustande kommen. Dieser Fall, der für einen Vegetationskegel bisher nicht erzielbar, konnte nun für den Champignon hergestellt werden. Während normalerweise ähnlich wie beim Vegetationspunkt ganz regel- mäßig die neuen Lamellen am fortwachsenden Rande in den Lücken zwischen den alten angelegt werden, entstand bei dem Regenerationsvorgang eine ganze Neu- bildungsfläche, und auf ihr entstehen nun den normalen etwa gleich große Anlagen, aber ganz ordnungslos nebeneinander. So mußte geschlossen werden, daß an und für sich der fortwachsende Vegetationsrand überall zur Neubildung befähigt sei, keine vorgezeichneten Bildungszentren vorhanden wären, vielmehr der Ort der Neu- bildung durch die alten Anlagen bestimmt werde, also die gleiche Voraussetzung, die für den Vegetationskegel von der mechanischen Theorie gemacht wird. Der weiter gegen die mechanische Theorie erhobene Einwurf betrifft die Größe der Blattanlagen. Scehwendener behauptet, daß die relative Größe der Anlagen, d. h. das Verhältnis derselben zum Gesamtumfang des Stengels für gleichnamige Organe eines Sprosses, wie Laubblätter, Bracteen, Blüten, nahezu konstant sei, und führt an, daß die Größe der Anlage das Wesentliche und nicht über ein bestimmtes Maß herausgehen oder unter dasselbe sinken könne. Demgegenüber will Winkler kurz gesagt nachweisen, daß die Größe eine sehr schwankende und ebenso gut sekundär durch den Ort, an dem sie aus nicht näher analysierbaren Vererbungs- gründen entstehen soll, bedingt sein könnte. Für die Organentwicklung des Champienons sehen wir nun, daß die Größe der Organanlage eine relativ konstante, auch wenn die Anlagen ganz frei nebeneinander entstehen und nicht wie normaler- weise im engen Anschluß an andere. Die Anlagesröße wächst mit dem Alter des regenerierenden Entwicklungsstadiums des Pilzes, ohne jedoch auch hier über das normale Maß der weiter gewachsenen Hymenialerhebungen herauszugehen. Daraus ist zu folgern, daß, wenn auch bei höheren Pflanzen gleichsinnige Organe nach dem verschiedenen Entwicklungs- und Ernährungszustand der speziellen tragenden Achse in ihren Anlagegrößen Schwankungen unterworfen sind, dies noch nicht als durch den speziellen Ort der Entstehung hervorgerufen angesehen zu werden braucht. Der weitere Einwand richtet sich gegen die Behauptung, daß die Organe in unmittelbarem Anschluß an einander entstehen. Nachdem bestimmte Fälle auf- gedeckt waren, in denen bei der Entstehung der Anlagen dieselben sicherlich nicht in unmittelbarem Kontakt stehen, hatte Schwendener den Anschluß oder Kontakt in folgendem Sinne definiert: „Die Bildungszentren der jüngsten Anlagen zeigen dieselben relativen Abstände von einander, wie die vorhergehenden älteren. Jede Anlage entspricht also einer gewissen Area, einem bestimmten Entwicklungsfeld, das sie im Verlauf ihrer Ausgestaltung vollkommen ausfüllt, aber nicht überschreiten kann, weil die benachbarten Anlagen die ihnen zugemessenen Felder ebenfalls völlig beanspruchen. Zieht man nun die Grenzlinie zwischen den mikroskopisch erkennbaren Bildungsherden der neuen Anlagen, gleichviel, ob in Gestalt eines Polygons oder eines Ovals, so zeigt sich, daß die Figuren sich ganz so an die vorhergehende anschließen, wie die in geschlossener Ordnung vorspringenden Höcker.“ "Mit anderen Worten, es wird behauptet, die Area wirke mechanisch wie eine wirk- liche Anlage, während Winkler nicht einzusehen vermag, auf welche Weise sie 128 Werner Magnus: mechanisch wirksam sein sollte. — Die Neubildungsform des Hymeniums, wie ihre Zahlenverhältnisse ließen sich bis in ihre Einzelheiten durch die Annahme eines Geltungsbereiches erklären, der sofort in Wirksamkeit tritt, wenn auf der undiffe- renzierten Neubildunesfläche sich irgend ein Punkt als Anlagezentrum heraus- differenziert, und wir sahen weiter, wie in diesen jugendlichen Entwicklungsstadien der Geltungsbereich sich mit der Größe der späteren Anlage deckt, also vollkommen von ihr ausgefüllt, aber nicht überschritten wird. Demgemäß können die Anlagen sich hier berühren, resp. müssen sich dort berühren, wo, wie an dem fortwachsenden Vegetationsrand, langsam Lücken gebildet werden, in denen sich dann eine Anlage entwickelt, wenn die Lücke eine senügende Größe erreicht hat. — Es sind aber auch am Vegetationskegel höherer Pflanzen Fälle bekannt geworden, bei denen es zweifelhaft, ob überhaupt in irgend einem Entwicklunssstadium ein unmittelbarer Anschluß an die vorhergehenden Organe feststellbar ist, und die dennoch in regel- mäßigen spiraligen Stellungen gebildet werden; bei ihnen würde also die Anlage ihre Area im Verlaufe der Ausgestaltung nicht völlig ausfüllen. Auch hierfür scheint nun in der Bildung der Hymenialerhebung bei Neubildung in älteren Ent- wicklungsstadien ein bemerkenswertes Analoson gegeben zu sein. Hier sehen wir die Anlagen in regelmäßigen Abständen von einander sich bilden, ohne daß ver- nünftiserweise behauptet werden könnte, der Ort der Entstehung wäre durch irgend einen Bauplan vorher bestimmt. Vielmehr überschreitet hier der Geltungsbereich der Anlage ihre wirkliche Größe, und es läßt sich nicht einsehen, warum nicht in ähnlicher Weise in den seltenen Fällen auch am Vegetationspunkt die von den Anlagen ausgehende Hemmung die Größe der wirklich gebildeten Anlage über- schreiten sollte und genau so als Anschlußfigur wirken sollte, wie ein Entwicklungs- feld nach der strengeren Schwendenerschen Definition. Im übrigen ist es in diesen Fällen noch immerhin sehr wohl möglich, daß nur hier die Streekung des Mutter- organs früher einsetzte, als die Anlage die Größe ihres Entwicklungsfeldes erreicht hat. — Daß aber, wenn die Allbefähieung des Vegetationspunktes, die Größe der Anlage und der unmittelbare Anschluß als morphologische Tatsachen gegeben sind, sich dann die Blattstellungen nach den bekannten Reihen mit derselben Notwendigkeit ergeben müssen, mit der sich beliebige andere Körper, Kugeln, Pappschachteln ete. zu denselben Reihen anordnen, wenn man sie in geeigneter Weise übereinander- schiehtet, wird auch von den Gegnern der mechanischen Blattstellungstheorie nicht bestritten (Winkler). Etwas ganz anderes ist es, welche Faktoren für die Konstanz der Größe der Anlagen inbetracht kommen, ob sie sich gleich bei der Entstehung berühren, ob sie sich anfangs nicht berühren und erst später das Entwicklungsfeld ausfüllen oder vielleicht auch manchmal nicht auszufüllen imstande sind. Wie die zahllosen beschriebenen Fälle zeigen, ist allerdings im embryonalen Gewebe des Vegetations- kegels die Berührung fast stets eine unmittelbare. So lag es nahe, wie besonders von Leisering des näheren erläutert wird, Spannungsverhältnissen im Scheitel eine ausschlaggebende Bedeutung beizulegen und die Anlagen dort hervortreten zu lassen, wo die geringsten Oberflächenwiderstände vorhanden wären. Es ist sicher- lich möglich und sogar wahrscheinlich, daß dieser Faktor auch von Bedeutung ist, zumal da in anderen Fällen ein von außen ausgeübter Druck als die Organbildung Über die Formbildung der Hutpilze. 129 hemmend nachgewiesen werden konnte. Es ist aber ebenso gut möglich und für viele Fälle wahrscheinlich, daß die Größe der Anlage resp. ihr Geltungsbereich von irgend welehen ganz anderen morphologischen Faktoren abhängt, ebenso, wie wir sahen, in welchen Dimensionen mit zunehmendem Alter des Champignons der Geltungsbereich der einzelnen Anlage wächst. Und es wurde am Beispiel der Zonen der Pilzkulturen gezeigt, wie etwa Ernährungsverhältnisse genügen könnten, bei solchen periodischen Neubildungen erhebliche Größenunterschiede hervorzu- bringen. — Die einwandsfreie Aufdeckung irgend eines dieser Faktoren in jedem gegebenen Falle, mag es nun im äußeren Druck, meßbarer innerer Spannung, der Quantität von Nahrungsmaterial im allgemeinen oder eines bestimmten Nährstoffes zu suchen sein, oder vielleicht nur in einer bestimmten körperlichen Masse, wird immer von hoher Bedeutung sein, und es ist das Verdienst der Kritiker der mecha- nischen Blattstellungstheorie, zumal Winklers und Vöchtings, gezeigt zu haben, daß nicht, wie einzelne Schüler Schwendeners es nachzuweisen versucht haben, stets ein Druck oder innere Spannungsverhältnisse die organhemmenden resp. -bildenden Faktoren sein müssen. — Es darf wohl die Hoffnung ausgesprochen werden, daß bald dem Streit um den Anschluß experimentelle Versuche folgen werden, die Größe und den Geltungsbereich der Anlagen zu modifizieren, etwa wie Weiße es unternommen hat bei Gallbildungen, die wie durch ein in der Natur vorgenommenes Experiment der Galltiere modifizierte Größe der Neubildungszone und der Anlagen und die dadurch hervorgerufenen Stellungsänderungen einer Analyse zu unterziehen. Archiv für Biontologie. I. 06, De} Normale Fruchtkörper-Entwieklung. Die aus der Analyse der Regenerationsvorgänge abgeleiteten verschiedenartigen, das Wachstum beherrschenden Gesetzmäßigkeiten sind zur Erklärung der im un- gestörten Verlauf zur normalen Fruchtkörperbildung führenden Entwicklungsvor- gänge schon hier und dort im Verlauf der Darstellung herangezogen worden. Den- noch dürfte es angebracht sein, den Entwicklungsgang des Champignon-Frucht- körpers im Zusammenhang zur Darstellung zu bringen. — Es stellte sich nämlich im Laufe der Untersuchung heraus, daß sowohl das Verhalten der verschiedenen Zellelemente bei seiner Entwicklung, als auch selbst die gröberen Vorgänge der Organentwicklung (des Champignons genauerer Feststellung bedürfen. — In der Tat machen die Kleinheit der Elemente, der geringe anatomische Unter- schied im mikroskopischen Bilde, ferner die Art des Hyphenwachstums in geschlän- selten Linien, die sich keiner Schnittebene anpassen wollen, die Untersuchung äußerst schwierig. Wohl gelang es mir manche Unrichtigkeiten der früheren Dar- stellung klarzulegen, dennoch mußte auch ich manche wichtigen Punkte unentschieden lassen. — Wir besitzen über die Entwicklung der Hutpilze die grundlegende ver- gleichende Darstellung de Barys auf Grund eigener, Hoffmanns, Hartigs, dann besonders Brefelds u. a. Untersuchungen. De Bary!) unterscheidet scharf drei Typen für die Entwicklung der Hutpilze zumal in den jüngsten Stadien. Diese stimmen im wesentlichen überem mit den Unterschieden der ausgewachsenen Hüte, nämlich den Hutpilzen ohne Velum (Schleier), mit Velum partiale (Randschleier und Ring) und Velum universale oder Volva, einer den Hut im Jugendzustand ganz umgebenden Hülle. In ersterem Falle stellt der Fruchtkörper in seiner frühesten Jugend einen zylindrischen bis kugeligen Körper dar, der in seinem stets zuge- spitzten oberen Ende aus zarten tangential verlaufenden Hyphen besteht. Sehr bald wachsen diese Hyphen divergierend auseinander, verzweigen sich gleichzeitig reichlich, und es entsteht so ein von dem Stiel durch eine flache Ringfurche abge- setztes Köpfchen, die Anlage des Hutes. Sowohl durch interkalares Einschieben neuer Hyphen, wie durch marginales Wachstum wird dann der Hut horizontal ver- größert und durch stärkeres Wachstum der nach oben liegenden Seite epinastisch nach unten gekrümmt. Auf der anfänglich glatten Unterseite wachsen bald die 1) De Bary, Pilze 1884 Über die Formbildnng der Hutpilze. 131 Lamellen hervor. — In dem zweiten Falle, bei den mit Randschleier versehenen Formen, zu denen auch der Champignon ausdrücklich gerechnet wird, wird auf Grund der Hartigschen Untersuchung von Agaricus melleus und der Ausdeutung der Brefeldschen von Coprinus lagopus und Ephemeroides als Regel aufgestellt, daß bis zur Anlegung des Hutes auf dem Scheitel des Primordiums die Erscheinungen im wesentlichen die gleichen wie bei den vorher betrachteten gsymnokarpen Formen seien. „Dann aber treiben die oberflächlichen Hyphen des Stieles und des jungen Hutes von den Rändern der Ringfurche aus zahlreiche Zweige gegeneinander, diese vereinigen sich zu einem dicken Geflechte, welche die Furche überbrückt und als Randschleier nach außen verschließt.“ Diese für Agaricus melleus zutreffende Schilderung soll der Anfangspunkt einer Reihe sein, deren Endpunkt Coprinus lagopus vorstellt. Bei ihm ragen schon beim ersten Beginn der Hutanlage die peri- pherischen Stielhyphen bis zum Scheitel der jungen Fruchtkörperanlage empor, und von der ganzen Außenfläche des jungen Hutes mit Ausnahme des äußersten Scheitels streichen Hyphen hinab, um sich mit denen der Stielperipherie zum Velum zu verschränken. — Bei den mit Volva versehenen Formen soll schließlich die Hutentwieklung eine von den übrigen Agarieinen wesentlich verschiedene sein. Der Fruchtkörper stellt hier ein aus gleichförmigen Hyphen bestehendes Knäulchen dar, das anfänglich allseitig weiter wächst. In ihm werden dann Stiel, Hut, La- mellen durch Gewebedifferenzierung gleichsam herausmodelliert, also in ähnlicher Weise, wie de Bary und später Ed. Fischer die Entwicklung der Phalloideen im einzelnen studiert haben. — Da die allerjüngsten Stadien (die jüngsten von Amanita waren 1 mm groß) nicht gefunden sind, meint de Bary, daß es immerhin noch möglich wäre, daß die Volva ähnlich entstände wie das umhüllende Velum bei (0o- prinus, das übrigens Brefeld nach seinen Untersuchungen bei Coprinus stercorarius als Volva betrachtet wissen will. Daß hier aber wirklich andere Prozesse statt- finden, scheint ihm aus der Bildungsart der Lamellen unzweideutig hervorzugehen. Bei ihrer Entwicklung existiert stets eine von anfang an vorhandene luftthaltige Gewebe- partie zwischen ihnen, die erst im Laufe der weiteren Entwicklung verschwindet. Doch hält er es auch hier noch immerhin für möglich, daß die ersten Stadien der Entwicklung denen von Agarzicus melleus ähneln. Vielleicht von Amanita abgesehen, sieht also de Bary als das Wesentliche des Entwicklungsganges an, daß ursprüng- lich das Hymenium dadurch gebildet wird, daß die anfangs mehr oder weniger parallel wachsenden Hyphen sich springbrunnenartig nach unten krümmen, hierdurch die Ringfalte entsteht, die bei den angiokarpen Formen früher oder später durch sekundäre Bildungen überwallt wird. — Doch muß hervorgehoben werden, daß er immer wieder die Lückenhaftigkeit der damaligen Kenntnisse betont und in einer Anmerkung ausdrücklich anführt (p. 320): „Nach meiner früheren Angabe wäre eine weitere Intermediär-Erscheinung bei Formen mit Randschleiern vorhanden, indem der Fruchtkörper zuerst ein undifferenziertes Knäulchen darstellt, wie bei Amanita, dann an dem künftigen oberen Stielende im Innern eine enge luftführende Lücke von der Gestalt einer horizontal liegenden ringförmigen Spalte aufträte; was ober- halb dieser Spalte liest, würde zum Hut, was unterhalb, zum Stiel, und was sie nach außen begrenzt, zum Randschleier ...... Für Agaricus campestris und präcow will ich sie nicht gerade aufrecht erhalten, sondern gern zugeben, daß die g* 132 Werner Magnus: Erscheinung hier überall die gleichen sind wie bei Agarieus melleus, und die erste Überbrückung der ursprünglich freien Hymenialfläche durch den Randsehleier auch hier übersehen worden ist. Immerhin wäre die Sache noch nachzusehen.* — Auf Grund wesentlich der gleichen Beobachtungstatsachen — also zumal seiner eigenen ausführlichen Untersuchungen der ersten Entwicklungsstadien der Coprinus- arten, von Agarieus melleus, bei dem er Hartigs Angaben voll bestätigt, und von Amanita — kommt Brefeld schon 1877 und weiterhin 1859 zu einer der de Bary- schen entgegengesetzten prinzipiellen Auffassung des Entwicklungsganges. Er sieht das Wesentliche, von phylogenetischen Betrachtungen ausgehend, gerade in der angiokarpen Entstehung der Fruchtkörper, der Differenzierung innerhalb einer Hülle, die bei fortschreitender phylogenetischer Entwicklung immer rudimentärer wird und zu dem hemiansiokarpen Typus der mit Randschleier versehenen Formen wie Agaricus melleus vesp. zu denjenigen Formen führt, bei denen auch der Rand- schleier fortfällt. — Im Jahre 1339 erschien noch eine weitere vergleichende Unter- suchung der Hutpilze von Fajod'), in der zum ersten Mal unter Benutzung von Färbungsmethoden auch die ersten Entwicklungsstadien einer Reihe von Pilzen untersucht sind und die eine große Reihe von Beobachtungstatsachen enthält, » die den früheren nicht entsprechen. Da die Arbeit anscheinend in der deutschen Literatur nicht die genügende Berücksichtigung erfahren hat, sie ist z. B. überhaupt nieht erwähnt in der zusammenfassenden Darstellung der EHymenomyceten in Engler- Prant] „Natürliche Pflanzenfamilien“ und sehr wenig benutzt in der von Tavel, war sie mir bis zum Schluß meiner Untersuchung unbekannt geblieben. Um so wert- voller war es mir, einen Teil meiner Resultate, die im direkten Widerspruch mit den Angaben de Barys und Brefelds stehen, hier bestätigt zu sehen, wenn sie auch an anderen Pilzspezies gewonnen wurden. — Im Verlauf der folgenden Dar- stellung des Entwicklungsganges des Champignons wird auf das übereinstimmende und abweichende Fajods und meiner Ergebnisse zurückzukommen sein. Die erste Anlage des Champignon-Fruchtkörpers am Substrat erscheint in Form eines weißen, kugeligen bis länglichen Körperchens, der den zumeist etwas dickeren vegetativen Mycelsträngen aufsitzt. Er besteht aus anscheinend regellos durch- einander gewundenen gleichartigen Hyphen, die lufthaltige Zwischenräume zwischen sich lassen. Die Hyphenbreite ist dieselbe wie im den Mycelsträngen, sie schwankt um 7 x, dagegen sind die einzelnen Zellen entschieden kürzer, 40—S0 u, während die Hyphen der vegetativen Stränge durchschnittlich 100 x lang und noch länger sind. Eine gewisse, wenn auch nicht feststellbare Wachstumsrichtung der Hyphen von dem Anheftungspunkt am Substrat zur Spitze hin läßt vielleicht das negative geotropische Verhalten vermuten. Sie mag auch mitwirken bei der Lage der ersten Differenzierung, die sich in der Anlage feststellen läßt, die etwa eine Größe von 1 mm erreicht hat. Es sind nämlich im Innern der Anlage in emer kugeligen, etwas ellipsoidisch in die Länge gezogenen Zone die Hyphen etwas dichter ver- flochten und sind etwas dünner, durchschnittlich etwa 5 y stark. Diese Gewebe- partie hat etwa den gleichen Abstand von der Spitze und der Seite der Anlage, während sie von der Anheftungsstelle durch einen größeren Zwischenraum getrennt !) Fajod, Prodome d’ une histoire naturelle des Agaricine’s. Ann. d. sc. natur. ser. VILt. 9 u. 10. Über die Formbildung der Hutpilze. 133 ist. Sehr bald markiert sich innerhalb dieser Zone in ihrem oberen Viertel eine napfförmige Zone, deren Ränder nach unten zeigen. Sie ist etwa um ihre eigene Dicke von dem Scheitel und den Seiten der umhüllenden Zone reichlich verzweigter Hyphen entfernt. In dieser Zone sind die Hyphen noch dichter verflochten, im allgemeinen wohl auch noch etwas schmäler, etwa 4 px, vor allem aber treten zwischen ihnen zahlreiche sehr schmale etwa 2,5 x breite Hyphen auf, die ebenso wie die stärkeren sehr plasmareich sind. So kommt es, daß sich auf gefärbten Mikrotomschnitten die einzelnen Zonen relativ scharf von einander absetzen (Tafel 10, Fig. 5). Die Höhe der Anlagen in diesem Stadium beträgt etwa 2 mm, die Breite 1,5mm, doch ist diese wie die im folgenden angegebenen Werte individuell sehr schwankend. — Während der folgenden Zeit wächst die Anlage etwas mehr in die Dieke, so daß die Höhe auf 2,5 mm, die Breite auf nur wenig geringer angenommen werden mag. Die napfförmige Zone mit ihren zahlreichen feinen Hyphen breitet sich jetzt bis zum Rande der inneren Gewebepartie dichter verflochtener Zellen aus, so daß die Innenschicht hier aus drei Zonen aufgebaut erscheint: einer oberen kalotten- förmigen, die einer zweiten kalottenförmigen, sich am intensivsten färbenden aufliegt, und schließlich der untersten, am wenigsten färbbaren, die den ellipsoidischen Rest der Kugel bildet. In ihm läßt sich dann wieder eine etwas stärker färbbare Mittel- zone unterscheiden. (Tafel 10, Fig. 6). Der Innenkörper als Ganzes läßt sich auch am frischen Material durch Kochen in verdünnter Kalilauge durch seine gelbe Färbung kenntlich machen. Während in diesem Stadium die Hyphen noch keine bestimmte Wachstumsriehtung erkennen lassen, vielmehr ganz regellos durch- einandergeflochten erscheinen, ist dies in dem jetzt entstehenden Stadium der Fall. Am Rand des Napfes, der sich nunmehr weiter nach außen wölbt, wachsen in ziemlich diehten Reihen die feinen Hyphen deutlich nach unten, indem sie anfänglich zwischen den dieken Hyphen hindurchwachsen, späterhin, wenn ihre Reihe durch reichliche Verzweigungen in gleicher Höhe enger geworden ist, vor sich her treiben. Gleichzeitig wird der Napf in der Mitte aufgelöst durch Hyphen, die mehr oder weniger senkrecht von unten nach oben verlaufen und die Stellen der früher sich etwas stärker färbenden Zone einnehmen, und zu gleicher Zeit hat sich der über der napfförmigen Zone gelegene Teil der oberen inneren Schicht erheblich vergrößert. Damit im Zusammenhang steht auch die deutliche Höhenzunahme der Anlage in diesem Stadium, Höhe etwa 3,0 mm, Breite 2,7 mm (Tafel 10, Fig. 7). Im nächsten Stadium, Höhe 3,5 mm, Breite 3,7 mm, wird die wesentliche Ausdifferenzierung beendet. Der Rand des Napfes hat sich zu einer sich scharf nach unten markieren- den zusammenhängenden Schicht nach unten gestellter, parallel verlaufender feiner Hyphen umgebildet. (Tafel X Fig. 8). Schließlich sehen wir unter ihr eine enge luftführende Lücke von der Gestalt einer horizontal liegenden ringförmigen Spalte auftreten und sind damit an den Punkt angelangt, wo, wie wir oben sahen, die anfänglichen de Baryschen Beobachtungen einsetzen. Die Spalte ist die Grenze zwischen Hut und Stiel, und aus der sie oben begrenzenden Schicht feiner parallel gestellter, nach unten gerichteter Hyphen entwickelt sich das gesamte spätere Hymenium mit seinen Lamellen. Im Gegensatz zu Hartigs und de Barys späterer Meinung sind also die Hyphen nicht die Enden von springbrumnenartig sich nach unten biegenden äußeren Hyphen, sondern die hymeniumbildende Schicht differen- 134 Werner Magnus: ziert sich durchaus in der inmnersten Zone des Fruchtkörpers. — Es kann aber auch nicht zugegeben werden, wie es Brefeld für die mit typischer Volva versehenen Formen beschrieben hat, daß die Stielbildung mit ihren langgestreckten Zellen die primäre Bildung und „an der Grenze, wo die Stielanlage nach oben in Hyphen ausgeht, eine äußerst intensive Verzweigung von Hyphen stattfindet, aus welcher der Hut hervorgeht“. Vielmehr ist darin durchaus Fajod Recht zu geben, der zuerst das Gewebe des Hutes, dann das des Stieles sich bilden läßt. Auch er hat bei allen fleischigen Agarieinen immer im Innern der primären Anlage eine dunklere Zone bemerkt, die sich intensiv mit Eosin und anderen spezifisch eiweißfärbenden Farbstoffen tingierte. Er fährt fort p. 279: „Je nommerai cette couche: couche pileogene, elle affeete le plus souvent la forme d’une ecuelle renversde, et se trouve immediatement au dessous de la cuticule primordiale. Elle se forme par l’enche- vetrement plus dense des hyphes de cette region et constitue une vraie zone de vegetation, comparable sous un certain point de vue a la couche calyptrogene des racines. Les hyphes qui s’y forment se ramifient et croissent en rayonnant a partir de cette zone en haut et lateralement vers la peripherie. Ils doivent, par conse- quent, se faufiler au commencement entre les hyphes de cette partie du primordium, qui par ce fait meme s’elargit, en forme de coussin et constitue ainsi le jeune pileus“. Nach dieser Beobachtung hätte er Recht, die napftörmige Zone als „couche pileogene“, hutbildende Zone, zu bezeichnen. Meine Befunde für den Champignon unterscheiden sich nun insofern von denen Fajods, als die napfförmige Zone erst innerhalb einer von der primären Oberhaut und den Hyphen der Basis unterscheid- baren kugeligen Innenzone gebildet wird, in der sie sich im wesentlichen lateral verbreitert und schließlich in der Mitte durch andere Hyphen auseinander gezogen wird. Sie ist dann diejenige Schicht, aus der weiterhin die Zellen der Hymenial- schicht gebildet werden. Ich erachte es daher für angebracht, diese napftörmige Zone als „hymeniumbildende“ zu bezeichnen. Als ihr besonderes Charakteristikum muß angesehen werden, daß in ihr die besonders dünnen Hyphen') auftreten, die sich ständig vermehren und sich zu den feinen Hyphen zusammenlegen, die palli- sadenartig im geschlossenen Ringe nach unten wachsen, schließlich die primäre ringförmige Spalte nach oben begrenzen und somit diejenigen Zellen sind, aus denen das gesamte spätere Hymenium sich ableitet. — Dies steht nun in bester Über- einstimmung mit den Vorgängen der Regeneration, bei denen wir sehen, daß sich Hymenium durchaus nur im Anschluß an altes Hymenium regenerieren kann, und wo, wenigstens im älteren Stadium, ein direktes Hinüberwachsen der hymenium- bildenden Hyphen beobachtet werden konnte. So muß man annehmen, daß hier die bestimmte Stelle der Fruchtanlage ist, an der sich diejenigen Vorgänge abspielen, die allem zur Differenzierung der hymeniumbildenden Hyphen führen. Diese Differenzierung könnte durch einen sexuellen Akt hervorgerufen sein oder durch die Lage der Hyphen zu den andern bedingt werden. — Dagegen, daß bei der Bildung der Hutkörper irgend welche sexuellen Akte vorliegen, hat sich besonders Brefeld sehr energisch ausgesprochen. Abgesehen davon, daß es ihm nicht gelang, irgend welche Befruchtungsorgane zu entdecken, schließt er es zumal 1) Auch Brefeld hebt bei den ersten Stadien der Hutentwicklung bei Amanita die äußerst lebhaffe Entwicklung von feinen Hyphen hervor. Über die Formbildung der Hutpilze. 135 aus seinen Beobachtungen, daß jede Zelle des Fruchtkörpers neu zu einem vegeta- tiven Mycel auszusprossen vermöge, ebenso wie anscheinend jede Zelle des Frucht- körpers einen neuen Fruchtkörper entstehen lassen könne. Und wenn er dann weiter im Unterschied hierzu auf Erfahrungen über die ungeschlechtliche Repro- duktion der Moose hinweist, wo aus dem ungeschlechtlichen Moosstämmchen sich sehr leicht Protonemen entwickeln, während nur sehr schwer der Stiel der geschlecht- lich entstandenen Moosseta hierzu zu bewegen ist, so kann dies als stichhaltig nach dem heutigen Stand unserer ‘Kenntnisse nicht angesehen werden. Es ist eine sanze Reihe von Fällen solcher Aposporie und im Gegensatz dazu Apogamie (Ent- wicklung der ungeschlechtlichen Generation aus der geschlechtlichen ohne Befruchtung) bekannt geworden, Fälle, in denen sich sogar nachweisbar die Kerne der beiden Generationen durch ihre verschiedene Chromosomenzahl unterscheiden, so daß eine Umwandlung geschlechtlich entstandener Zellen in typisch ungeschlechtliche als Analogon wohl denkbar ist. — Gegen einen typisch sexuellen Vorgang scheinen aber die Erscheinungen der Kariogamie zu sprechen, die in der letzten Zeit, zumal von Maire und auch von Ruhland, klargelegt worden sind. Während die Zellen des primär aus der Spore entstehenden Mycels einkernig sind, tritt an irgend einer Stelle der Entwicklung ein Doppelkern, ein Synkarion auf, das sich fortdauernd teilt und erst bei der Bildung der Basidien unter eigentümlichen Veränderungen zu einem Kern verschmilz. Wo der Doppelkern zuerst auftritt, ist noch nicht fest- gestellt, doch soll bereits das ältere vegetative Mycel ein typisches Synkarion enthalten‘). Der Champignon ist zu näheren Studien der Kernverhältnisse im Mycel sehr ungeeignet, da hier sehr bald zahlreiche Kerne auftreten. An und für sich würde aber die Kernvereinigung in der Basidie einer vorhergehenden typischen Befruchtung nicht widersprechen, denn es ist für die Ascomyceten eine Reihe von Fällen sichergestellt worden, bei denen eine typische Befruchtung in der ascogenen Hyphe stattfindet, aus deren Auszweigungen die Asken entstehen, in denen den- noch bei ihrer Bildung eine innere Kernverschmelzung stattfindet. — Konnte auch, wie schon an anderer Stelle hervorgehoben wurde, keine Andeutung einer basi- diogenen Hyphe gefunden werden, muß nach dem Stande unserer Kenntnisse doch die Möglichkeit ihrer Mitwirkung bei der Bildung der hymeniumbildenden Zone zu- gegeben werden und die Frage für weitere Untersuchungen an hierfür geeigneteren Arten offen gelassen werden. Es ist aber ebenso wohl möglich, daß die Hyphen durch ihre innere Lage irgendwie dazu geführt werden, die feineren, späterhin das Hymenium erzeugenden Hyphen zu bilden. Man könnte z. B. denken, daß eine gewisse Entfernung vom Nährsubstrat, ebenso wie eine gewisse Entfernung von der freien Oberfläche der Anlage in diesem embryonalen Zustand als reizauslösend für die Differenzierung wirksam sind, — oder man könnte auch im Anschluß an Klebs (1900 p. 98) etwa sagen, daß „die Nahrung beim Durchgang durch die älteren Mycelteile ver- ändert sein muß.“ — Diese rein hypothetischen Möglichkeiten sollten nur zeigen, daß auch ohne Befruchtungsvorgang sehr wohl die Differenzierung spezifisch hymenium- produzierender Hyphen an einer bestimmten Stelle der Entwicklung erklärbar ist. !) Zusatz: Nach S. P. Nichols soll schon sehr früh ein Doppelkern nach der Sporenkeimung auftreten. Transact. fr. the Wisconsin Acad. XV. 1904. 136 Werner Magnus: Die der Differenzierung der hymeniumbildenden Zone folgende Stielbildung beginnt am oberen Ende in der Mitte und schreitet nach den Seiten und nach unten zu fort und erreicht ihre Grenze in der ringförmigen Spalte, während sie weiter unten noch weiter an den Rand der jungen Anlage herantritt. Der Teil, der unterhalb der Spalte außen bis zu dem Stiel heranreicht, differenziert sich weiterhin zum Ring aus. Wie nach unten zu der Anlage der hymeniumbildenden Zone erst die Anlage des Stieles folgte, bildet sich nach oben zu erst später der Hut aus, der den ganzen Teil oberhalb der ringförmigen Spalte ausmacht. Während die napfförmige Zone zu einem Ring auseinandergezogen wird, ist die Abgrenzung der ursprünghehen Innenzone nach oben zu gegen die undifferenzierten umhüllenden Hyphen immer mehr verwischt worden; das rührt daher, daß die Hyphen der Innenzone zwischen sie hineingewachsen und bis an die Oberfläche der Fruchtanlage getreten sind. Die faserige Struktur der Oberhaut des Champignons, die sich ja sonst nicht wesentlich vom übrigen Hutfleisch unterscheidet, kommt dann so zustande, daß die oberflächlichen Hyphen mehr oder weniger parallel radial von der Mitte zum Hut- rande verlaufen. — Fajod hat eine entsprechende Entwieklung der Hutoberhaut für eine ganze Reihe der sich im Innern einer undifferenzierten Fruchtanlage ent- wickelnden Pilze feststellen können und bezeichnet diesen Typus als subangiokarp. Er ist also dadurch ausgezeichnet, daß zwischen die Hyphen der primären ober- flächlichen Zone, der „Couche primordiale“, von einer Innenzone Hyphen hindurch- wachsen und mit ihr zusammen die Hutoberhaut bilden. Ihr gegenüber stehen die eigentlichen angiokarpen Formen, bei denen sich unterhalb der Couche primordiale eine neue eigene Hutfläche ausbildet und sich deutlich von ihr absetzt. — Bei den endokarpen Formen, so nennt Fajod diejenigen Pilze, bei denen wie bei Amamita - die Differenzierung tief im Innern erfolgt, ist die Bildung dieselbe wie bei den angiokarpen. Im Gegensatz hierzu wird bei den gymnokarpen Formen, bei denen die Hymeniumbildung an der Oberfläche der Anlage stattfindet, die ursprüngliche Oberhaut des Primordiums direkt zur Hutoberfläche. Diese verschiedenartige Entstehung der Hutoberhaut scheint nun aufs beste übereinzustimmen mit dem, was über ihre Regenerationsfähigkeit festgestellt werden konnte (p. 115). Russula nigricans und Clitocybe nebularis, typisch gymnokarpe Formen, vermögen zu jeder Zeit ihre Oberhaut neu zu bilden. Beim Champignon wird die Oberhaut neu gebildet, wenn die Verwundung in ziemlich jugendlichem Stadium erfolgt. Bei angiokarpen Formen wie Hypholoma fasereulare oder endo- karpen wie Amanita wird die Oberhaut nicht regeneriert. Wir müssen also schließen, daß, entsprechend der Entwicklungsgeschichte, bei den gymnokarpen Formen jede an die Oberfläche gelangende Zelle des Hutfleisches zur Oberhaut werden kann, nicht anders, wie wir es im einzelnen für die Selerotien von Coprinus stercorarius untersuchten, daß ferner bei den subangiokarpen Formen, bei denen die Oberhaut dadurch zustande kommt, daß von einer inneren Zone die Hyphen nach außen gesandt werden, die Oberhaut-Regeneration bis zu dem Stadium möglich ist, in dem noch solehe Hyphen im Innern gebildet werden, und daß schließlich bei endokarpen Formen für die Differenzierung der Oberhaut eine komplizierte Reiz- wirkung vorliegt, indem sie an die spezifischen Bedingungen der endokarpen Entstehung Über die Formbildung der Hutpilze la gebunden ist. — Auch an dem unterhalb des späteren Ringes gelegenen Teil des Stieles verwischt sich die anfängliche schwache Grenze zwischen Stiel und der um- hüllenden Schicht vollständig. — An der Basis werden hier beim Diekerwerden der Anlagen immer neue Hyphen in das Substrat gesandt. An der gleichen Stelle sahen wir sowohl besonders leicht die Hyphen im flüssigen Medium aussprossen, wie beim Abtrennen vom Substrat große Mycelflocken bilden. Von Brefeld wurde schon gezeigt, daß auch bei Neubildung von Fruchtkörpern an alten an der Basis stets solche Hyphen aussprossen, so daß hierin eine zur Herbeischaffung der Nahrung sehr wichtige Organisation zu sehen ist. Die weitere wesentliche Ausgestaltung der jungen Fruchtanlage wird durch die Umbildung der die Spalte nach oben begrenzenden Zone feiner parallel verlaufender, nach unten gerichteter Hyphen herbeigeführt. Auf der anfangs glatten Fläche treten dicht nebeneinander Erhebungen auf, die in der Hauptriehtung radial nach dem Hutrande zu verlaufen, aber stets bei ihrer Entstehung kleine Unregelmäßiskeiten aufweisen, wie besonders deutlich auf einem etwas weiter entwickelten Stadium sich an der Stielseite erkennen läßt (Taf. 11, Fig. 8 u. 9). Die Erhebungen haben eine durchschnittliche Größe von 0,07 mm, und es stehen etwas weniger wie 13 auf 1 mm. Diese Erhebungen sind die ersten Anlagen der Lamellen; sie wurden zu- erst deutlich beobachtet bei einer Anlagegröße von etwa 7 mm Höhe und 6 mm Breite, während die Hymenialschicht eine Breite von 0,45 mm hesaß. Die Ver- breiterung der Spalte ist von ihrem äußeren Rande her geschehen, wo sich während dessen eine typische Neubildungszone entwickelt hat, der Vegetationsrand des Hutes. Auf der sich so radial rasch vergrößernden Hymenialfläche wachsen die primär ge- bildeten Erhebungen ständig radial fort. Während sie an ihren älteren Partien sich verdicken, behalten sie an dem fortwachsenden Rande ihre ursprüngliche Breite, so daß zwischen ihnen Lücken entstehen müssen. In diesen werden immer wieder neue Anlagen gebildet, die ebenso wie die primären fortwachsen; so kommt es, daß die Zahl der Anlagen am Vegetationsrand anfangs ziemlich konstant etwa 12 auf 1 mm bleibt. Nur sehr langsam nimmt das Verhältnis ab; bei einem Hutdurch- messer von 40 mm und einer Lamellenlänge von 12 mm beträgt die Anzahl am Vegetationsrand noch 11 auf 1 mm. — Erst bei der Streckung des Hutes nimmt die Zahl stärker ab, weil dann die Anlagen auch am Vegetationsrand breiter ge- worden sind. — Die Konstanz der Anlagegröße und ihre Unabhängiekeit von dem Stadium des Fruchtkörpers tritt vielleicht noch deutlicher bei anderen Hutpilzen hervor. Als ein charakteristisches Beispiel mag Coprinus stercorarius dienen. Die röhrenförmige Gestalt des jungen Hutes, in dem die Lamellen senkrecht nach unten, dem Stiel parallel, laufen, gestattet auf Querschnitten senkrecht zum Stiel eine leichte Zählung. Verglichen wurden Hüte, in denen die jungen Basidien noch nicht oder nur die erste Andeutung der entstehenden Sterigmen zeigten. Der Durchmesser d und damit der Umfang des Stielansatzes am Hut wird in der folgenden Tabelle ver- glichen mit den bis an ihn herangehenden primär entstandenen Lamellen p, wobei darauf zu achten ist, daß wirklich nur die bis an den Stiel herantretenden Lamellen mitgezählt werden. Es wird weiter von den gleichen Hüten am Vegetationsrand der innere Umfang, ausgedrückt durch den gemessenen Durchmesser D, verglichen mit der Anzahl der am Rande vorhandenen, also primären und sekundären La- mellen s. 138 Werner Magnus; d » D 5 592 26 1288 61 23 21 el 148 ) 5035 27 16 19 103 3 370 16 13 23 Die Unterschiede zwischen den Zahlen der primär entstandenen 26 und 3 Lamellen in Übereinstimmung mit dem zu ihrer Bildung zur Verfügung stehenden Raume ist prägnant. Dennoch sind 8 primäre Lamellen noch nicht die geringste beobachtete Zahl; in sehr schwachen Exemplaren kann sie bis auf 5 herabgehen, doch wurden sie nicht in die Tabelle aufgenommen, da sich von ihnen Querschnitte nicht gut genug ausführen lassen, um einwandsfreie Messungen vorzunehmen. — Die vor- handene Differenz zwischen dem Verhältnis der Stieldicke zu den primär gebildeten Lamellen dürfte zurückzuführen sein auf ein bei den stärkeren Exemplaren einge- tretenes späteres stärkeres Diekenwachstum des Stieles. Deshalb sind auch in größerer Übereinstimmung die Werte, welche die nach Einschiebung der sekundären Lamellen sich ergebenden Zahlen im Verhältnis zum entsprechenden Umfang setzen. Mit dem bei Champignon gefundenen steht in Übereinstimmung, daß D/S größer wie d/p; die sich am Vegetationsrand ausbildende Lamelle erfordert einen etwas größeren Raum als die primär zur Entwicklung gelangende. — Für Coprinus ephe- merus jst gleichfalls das Verhältnis der primär entstehenden Lamellen zum Umfang des Stieles ein sehr konstantes. d d p p A474 18 236 370 14 27 296 11 27 192 8 24 Aus dem Vergleich dieser Werte mit den für Coprinus stercorarius gefundenen ergibt sich zugleich, daß auch für nahe verwandte Formen die Größe der Anlagen und der eine gleiche Anzahl produzierenden Strecke eine verschiedene sein kann. — Wie klein aber die Zahl der Lamellen werden kann, wenn nicht genügend Raum zu ihrer Ausbildung vorhanden, zeigte ein bei Kulturen von Collybia tuberosa erhaltenes Exemplar, bei dem nur zwei Lamellen mit reifen Basidien gebildet waren. Es ist vielleicht erwähnenswert, daß die Einschiebung der neuen Lamellen am fortwachsenden Hutrand so regelmäßig erfolgen kann, daß sich nach der Länge der Lamellen ganz bestimmte Zahlenreihen ergeben. Ich führe nach Fajod folgende Stellungsverhältnisse an: 4. 3. 2. 1. 2. 3. 4, 3.2.3. 1.3. 2. 3. und als den häufigsten 3. 2. 1. 2. 3. Doch hebt Fayod hervor, daß sie nicht einmal bei einem Individuum konstant sind, um so mehr ein Versuch Ottos'), nach dieser Bildungs- folge eine Systematik der Agariecinen zu geben, verfehlt sei. Welche innere und äußere Bedingungen für die Formbildung des normalen Hymeniums inbetracht kommen, ist im Anschluß an die Regenerationserscheinungen !) Otto, Versuche einer auf die Ordnung und den Stand der Lamellen begründeten Anordnung und Beschreibung der Agaricinen. Leipzig 1816. Über die Formbildung der Hutpilze. 139 € ausführlich erörtert worden. — Es mag hier nur darauf hingewiesen werden, daß auch die Unregelmäßigkeiten der Entstehung der ersten Hymenialerhebungen auf der primär glatten Fläche mit den gefundenen Bildungsregeln übereinstimmen, da ja die wesentliche Voraussetzung des regelmäßigen, radiären, lamellenartigen Baues die succedane Fortbildung am Vegetationsrand darstellt. — Beim Champignon erfolgt die Einschiebung der Lamellen ausschließlich am Vegetationsrand. Dies ist daran zu erkennen, worauf zuerst Brefeld bei seiner Untersuchung des Entwiecklungs- ganges von Amanita hingewiesen hat, daß die sekundär entstandenen und die primären gleiche Höhe haben urd die sekundären nach innen zu ziemlich recht- winklig abgegrenzt sind. — Es darf aber nicht übersehen werden, daß beim Cham- pignon, ebenso wie bei einigen anderen Hutpilzen, normalerweise noch eine etwas andere Art der Neubildung der Lamellen vorkommt, daß sich nämlich die Lamellen am Vegetationsrand gabeln. In diesem Falle überschreitet also die Anlage ihre normale Breite, aber die Folge ist dann die schnell eintretende Spaltung in ähnlicher Weise, wie wir dies auch bei der Regeneration kennen gelernt haben. Es wurde schon oben darauf hingewiesen, daß komplizierte Korrelationsvorgänge die Neubildung der Lamellen an anderer Stelle als am Vegetationsrand hindern müssen, da ja an und für sich, wie sich aus den Regenerationsversuchen ergab, die beim Weiterwachsen zwischen den älteren Lamellen auftretenden Lücken wohl zur Bildung der Lamellen befähigt sind. Man sieht nun in der Tat sowohl beim Champignon, wie bei anderen Agaricinen öfters am Grunde der Lamellen und auf der zwischen ihnen liegenden Hutunterseite senkrecht zur Längsachse der Lamellen verlaufende, feinere Erhebungen und Lücken in größeren Abständen auftreten, die, da sie für die Sporenausstreuung von keinerlei Bedeutung sein können, meiner Meinung nach deutlich die Tendenz, neue Erhebungen zu bilden, verraten und nur durch nicht näher bekannte Hemmungsvorgänge daran gehindert werden. — Bei einigen Hutpilzen, z. B. bei Coprinus, findet nach Brefelds Untersuchungen eine Einschiebung der Lamellen auch an einer vom Hutrand entfernteren Stelle statt, hier setzt also die Hemmungskorrelation später ein. Die weitere Ausdifferenzierung und der Bau der Lamellen ist zumal von de Bary, Brefeld, Fayod eingehend untersucht worden, so daß unterlassen werden kann, hier näher darauf einzugehen, zumal beim Champignon kein Angriffspunkt gefunden wurde, in eine nähere Analyse der Bildungsgesetze der Differenzierung im allgemeinen, wie insbesondere der die Basidien, Sterigmen und Cystiden produ- zierenden Pallisadenschieht einzudringen. Die fertige Ausbildung der Basidiosporen erfolgt erst in der Streekungsperiode ziemlich zu gleicher Zeit über die Lamellen hin und nur wenig früher nach der Stielseite zu. Für die Ausdifferenzierung des Stieles in ein Gewebe außen dicht neben ein- ander verlaufender Hyphen, die nach der Mitte zu dieker werden und große Inter- cellularen zwischen sich lassen, um schließlich in der Mitte in das lockere Mark- gewebe überzugehen, kann nach den Regenerationserfolgen als wesentlich ihre Lage im sehr jugendlichen Zustand angesehen werden, während späterhin eine Umdifferen- zierung nicht mehr stattfinden kann. Die Gesamtausbildung des Fruchtkörpers ist so in allen wesentlichen Punkten in einem relativ sehr jungen Stadium vollendet, durchaus vergleichbar dem von 140 Werner Magnus: Sachs embryonales Stadium genannten der höheren Pflanzen, während das Streekungs- stadium dem Streckungsstadium der höheren Pflanzen entspricht. Hier wie dort werden die embryonal angelegten Teile nur ausgedehnt und es konnte für den Champignon nachgewiesen werden, daß diese Dehnung eine mehr oder weniger vorherbestimmte ist, da jedes einzelne Teilstück sich durchaus so dehnte, als stände es in ununterbrochenem Zusammenhang. Wodurch im einzelnen der Dehnungsvorgang mit seiner rapiden Wasseraufnahme ausgelöst wird, muß als ein komplizierter Regu- lationsvorgang betrachtet werden, da er, wie die Erscheinungen der Notreife zeigten, in sehr frühem Entwieklungsstadium einsetzen kann. Für ihn ist auch nicht, wie vermutet wurde, die Sporenreife das Primäre, da auch ohne sie, wie wir sahen, der Pilz in das Streckungsstadium eintreten kann. — Ist also für das Streekungs- stadium, in dem allen Teilen des Fruchtkörpers größere Selbständigkeit zukommt, das Hymenium ohne Einfluß, ist ihm desto mehr Bedeutung für die Ausbildung der Fruchtform im Bildungsstadium beizulegen. — Da bei den Regenerationsstadien festgestellt wurde, daß die Entstehung der die Hymenialschicht bildenden Hyphen das Primäre, der sowohl die Bildung der embryonalen Hyphen des Vegetations- randes, wie das Weiterwachsen des Hutfleisches, wie die Organbildung der Hymenial- erhebungen und des Vegetationsrandes und damit des ganzen Hutes folgte, werden wir durch den geschilderten normalen Entwieklungsgang des Champignons dazu geführt, auch hier die primäre Differenzierung der hymeniumbildenden Hyphen als kausales formbildendes Element für die Bildung des übrigen Fruchtkörpers anzu- sehen. Der Differenzierung der „hymeniumbildenden Zone“ folgte erst die Bildung des Hutes, des Stieles und des Vegetationsrandes, somit des ganzen Fruchtkörpers; seine Bildung ohne typisch hymeniumbildende Zellen muß demnach als unmöglich angesehen werden. — Diese Analyse macht es verständlich, warum in der Tat niemals Hutbildung ohne Hymenialanlagen beobachtet wird. So muß es zweifelhaft erscheinen, ob der Champignon-Fruchtkörper, wie es im Laufe der Untersuchung geschienen haben mag, begrifflich eine ähnliche offene Form darstellt, wie eine höhere Pflanze mit ihrer jeweilig wechselnden Zahl von Blüten, Blättern, Wurzeln, indem die Lamellen etwa mit den Blättern im Vergleich gesetzt werden, oder nicht vielmehr eine geschlossene Form im Sinne Drieschs darstellt wie im allgemeinen der tierische Organismus, in dem alle Teile im bestimmten von einander abhängigen Größenverhältnis sich im Gleichgewicht befinden. Da die Existenz der hymeniumbildenden Hyphen erst die Differenzierung der anderen Teile ermöglicht, scheint ersteres jedenfalls unmöglich. Gegen die Auffassung als typisch geschlossene Form spricht die Selbständigkeit der einzelnen Teile während der Ausdifferenzierung. Der Vergleich mit den verwandten Formen der Hymenomycetenreihe dürfte eine richtige Auffassung ermöglichen. Bei den am wenigsten differenzierten Formen, wie bei Stereum, aber noch ebenso bei vielen Hydneen und Polyporaceen ist der Frucht- körper im allgemeinen lange nicht so individuell abgeschlossen organisiert. Hier werden wenig differenzierte Hyphenmassen gebildet, an deren Außenseite sich anscheinend überall in Abhängigkeit von äußeren Verhältnissen!) Hymenium zu bilden 1) GÖBEL macht hierfür besonders Lichtmangel verantwortlich. Organographie 1900. p. 222. Über die Formbildung der Hutpilze. 141 vermag. So ist die Bildung von Hymenien auf der ursprünglichen Oberseite der Hüte, die dem Boden späterhin zugewendet wurden"), vielfach beschrieben worden, z. B. für Daedalea von Lamarliere, für Hydnum von Vuillemin. Dieser führt mit Recht an, wie bei diesen Formen überhaupt die Gewebedifferenzierung lange nicht so weit gegangen ist wie bei den Agarieinen, was damit in Übereinstimmung steht, daß nach Massart u. A. die Polyporaceen sowohl die Wunden der Oberhaut, als des Hymenium sofort auszuheilen vermögen. Diese Formen sind weiterhin dadurch unterschieden, daß sie ohne Ausbildung einer Streckungszone regelmäßig fortwachsen. Sie sind also typisch offene Formen, bei denen das Hymenium ein Organ ist, sei es als Ganzes, sei es wie bei den weiter differenzierten Formen als oft sehr regel- mäßige Stacheln oder Röhren. — So vermag ich auch nicht ganz Goebel?) zu folgen, der an den Wundrändern vom am Substrat gelassenen zerschnittenen Stereum- Exemplaren dureh neue Wachstumsränder den Pilz sich fortsetzen sah und hierin eine „Reproduktion“ und nicht eine „Restitution“, also Regeneration in unserem Sinne, sehen will, weil die neugebildeten Zonen nicht unmittelbar an die alten ansetzen. Wollte man hier wirklich eine solche begriffliche Unterscheidung für zweckmäßig erachten, dürften mit Reproduktion nur solche Fälle bezeichnet werden, bei denen die neuen Fruchtkörper genau wie die alten an schmaler Basis sich ansetzen würden, während hier die Organe des Pilzes, Oberhaut, Fleisch, Hymenialfläche regeneriert werden, nicht anders, als wir es beim Champignon kennen gelernt haben. — Bis zu welchem Grade im übrigen bei den wagerecht vom Substrat abstehenden Fruchtträgern diese Wachstumsrichtung auch von der Anwesenheit des Hymeniums beeinflußt werden, wäre noch zu untersuchen. So könnte vermutet werden, daß die Clavaria-ähnliche Form vieler Pilze bei Lichtmangel, z. B. bei Polyporus sulfureus nach Brunnthaler, durch die Hemmung der Hymeniumbildung herbeigeführt wird. Sicherlich von großem Einfluß ist das Hymenium auch bei den noch am einheit- lichsten von allen diesen Formen organisierten Fruchtkörpern, bei denen auf einem sich über dem Substrat erhebenden Stiel eine Verbreiterung gebildet wird, der Hut, auf dessen Unterseite das Hymenium entsteht. — Von hier aus geht dann fast lückenlos die Reihe über jene Formen, bei denen das Hymenium sich zwar nur an der Außenseite bildet, aber an mehr und mehr genau begrenzten Stellen, durch Formen, die einen immer ausgeprägteren Unterschied zwischen Bildungs- und Streekungsstadium zeigen, über zu der inneren Differenzierung am Champienon, wo die Hymenialbildung der undifferenzierten Anlage die primäre Differenzierung darstellt. In dieser Reihe sehen wir also einen langsamen Übersang von typisch offenen Formen zu mehr und mehr geschlossenen, und es wäre wohl denkbar, daß es Formen gäbe, etwa wie die typisch endokarpe Amanita, die, wie die innere Bildung ihrer Oberhaut vermuten läßt, noch weit geschlossenere Formen aufweisen, und es wäre nicht ausgeschlossen, obgleich wohl nicht bekannt, daß es Formen gäbe, bei denen auch die Zahl der gebildeten Lamellen eine konstante wird. Die Entwicklung aus den offenen in die einheitliche geschlossenere Form und die wachsende Bedeutung des Hymenium für die Bildung des Fruchtkörpers kann 1) VUILLEMIN, Remarques sur la production des hymeniums adventives. Bull. d. 1. soc. mye. d. Fr. VII. 1891. ?) GöBEL, Weitere Studien über Regeneration. Flora. 1903. p. 122, 142 Werner Magnus: aber auch unter dem Gesichtspunkt einer zweckentsprechenden Anpassung betrachtet werden. — Die ganze Bedeutung der Hutkörperbildung für den Pilzorganismus besteht in der möglichst ausgiebigen Sporenproduktion und Verbreitung‘). Eine Hutbildung ohne Sporenbildung wäre aber völlig zwecklos. So sehen wir bei der Entwieklung die hymeniumbildenden Hyphen immer früher auftreten und eine immer größere Bedeutung für die Ausbildung des Fruchtkörpers erlangen. — Umgekehrt ist es mit der Sporenreife, worauf Fayod aufmerksam macht. Während bei den niederen Formen die Sporenbildung ziemlich bald einsetzt und lange andauert, ist die Sporenreife bei den Formen mit typischer Streckungsperiode zusammen- gedrängt auf die Zeit der Hutaufspannung, die durch äußere Reize dann angeregt wird, wenn dies für die Verbreitung der Sporen als besonders geeignet erscheint. !) Vergl. FALK, Die Sporenverbreitung bei den Basidiomyceten und der biologische Wert der Basidie. Beitr. z. Biol. d. Pfl. IX. 1904. Teratologische Fälle. Der beste Prüfstein, ob die Regeln, welche für die Formbildung der Hutpilze abgeleitet wurden, ihre Berechtigung haben, wird der sein, daß sie bei Erklärung der von der normalen Form abweichenden Mißbildungen anwendbar sind. Kommt doch vielfach in diesen Mißbildungen die ganze Entwicklungsbreite der Organisation zum Ausdruck, die beim normalen Verlauf der Entwicklung, wie wir sahen, in mannigfacher Weise beschränkt ist. Die deskriptive Literatur!) über die im der Natur beobachteten Mißbildungen der Agarieinen ist eine äußerst umfangreiche. Die bis zum Jahre 1593 veröffent- liehten Arbeiten sind von Penzig im Anhang zu seiner Pflanzenteratologie zusammen- gestellt worden, während die in den Jahren 1895 bis 1899 erschienenen Arbeiten in der Revue Generale de botanique 1905 von Houard zusammengestellt sind. Späterhin sind außer vielen Einzelbeobachtungen noch größere Zusammenstellungen von Gueguen, Voglino und Hennings gegeben worden. Von den Arbeiten, die sich über die Ursachen der Mißbildung Rechenschaft geben wollten, sind die wich- tigsten die von De Seynes und Ludwig?). Die am häufigsten zu beobachtenden Abnormitäten sind die Doppelbildungen, bei denen zwei vollständige Fruchtkörper mehr oder weniger mit einander ver- wachsen sind. Sehr oft sind die Basen der Stiele verwachsen, während der übrige Stiel und die Hüte sich frei entwiekeln. Es wurde schon erwähnt, daß es Cham- pignonrassen gibt, bei denen, man könnte sagen normal, die Basen zu den so- genannten Platten vereinigt sind. Es werden hier die allerersten Hyphenkonglo- merate so dicht nebeneinander gebildet, daß sie sich an der Basis zu einem einheitlichen Gewebe zusammenschließen; dann aber differenziert sich die einzelne Anlage ganz unabhängig von einander aus, in ihrem Innern entsteht normalerweise die Hymenialzone, der Hut wird angelegt und, obgleich dann die wachsenden An- lagen dieht gedrängt und oft durch ihren Druck sich abplattend neben einander wachsen, findet keine weitere Verschmelzung statt. — Ähnlich kommt es bei den !) Für eine Reihe von Literaturangaben, wie für Überlassung teratologischer Objekte seiner Herbarien spreche ich meinem lieben Onkel P. Magnus meinen besten Dank aus. ?) De Seynes, Observation sur quelques monstruosit6s chez les champignons sup£rieurs. Bull. d. 1. soc. bot. d. Fr. XIV 1867. Ludwig, Über teratologische durch Witterungseinflüsse bedingte Bildungen an den Fruchtkörpern der Hutpilze. Botan. Zentralb. XII. 1882 144 Werner Magnus: Rassen, in denen sich erst relativ spät die Hymenialzone herausdifferenziert, häufiger dazu, daß die anscheinend einheitlichen Primordien sich mit zwei oder noch mehr Hymenialzonen entwickeln, doch bilden auch diese sich fast stets zu einheitlichen Hüten aus (Taf. 10, Fig. 11 u.15). Es ist'nun leicht verständlich, daß in solchen Fällen zwei ursprünglich getrennt entstehende Hymenialanlagen zusammenstoßen und mit einander verschmelzen; so werden diejenigen Formen entstehen, die als Faseiationen vielfach beschrieben worden sind!) und gerade bei der letzterwähnten Champignonrasse häufiger auftreten (Taf. 10, Fig. 12). So erklärt sich auch wohl zwanglos die von De Seynes gegebene Beschreibung eines kleinen Hutes, der inner- halb einer Stielausbuchtung mit der Hymenialschicht eines größeren Hutes mit seiner Oberseite verwachsen war; es hatte in diesem Falle sicherlich von zwei in einem Primordium gebildeten Hymenialanlagen sich die eine über die andere vor- Sewölbt, so daß die kleinere Anlage zwar keine Hutoberhaut, wohl aber einen fort- wachsenden normalen Vegetationsrand bilden konnte, an der in gewohnter Weise die Lamellen entstanden. In ähnlicher Weise, durch Doppelbildung zweier Hymenial- anlagen im Primordium, ist auch sicherlich die von Boudier beschriebene Phallus- doppelbildung zu erklären). Diesen Doppelbildungen stehen jene gegenüber, die in ihrem ersten Ent- wicklungsstadium sich getrennt ausdifferenziert haben und erst späterhin verwachsen sind. Der Grad der Verwachsung kann ein sehr verschiedener sein, und mag für die verschiedenen möglichen Formen auf Penzigs Darstellung verwiesen werden’). — Beim Champignon sind solche Verwachsungen jedenfalls äußerst selten; mir sind nur zwei ziemlich gleiche Fälle aufgestoßen, bei denen die Basen und die Hüte an der Spitze verschmolzen waren, während im übrigen sich die Pilze normal ent- wickelten (Taf. 13, Fig. 1 u. 2). Es läßt diese Art der Verwachsung jedenfalls darauf schließen, daß sie in sehr jugendlichem Stadium stattgefunden haben muß, und dasselbe ist von den von De Seynes abgebildeten Fällen zu sagen. Sehr auffallend ist die Verwachsung, wenn ein Hut einem anderen aufsitzt, der dann häufig viel kleimer ist, wohl meist nicht, weil ein kleinerer von einem größeren in die Höhe gehoben wurde, wie es Penzig annimmt, sondern weil der dem nährenden Substrat zunächstliegende stärker die Nahrung in Anspruch nimmt. Manchmal kann man noch deutlich die Anheftungsstelle des Pilzes am Substrat er- kennen und doch eine lückenlos mit ziemlich breiter Basis ansitzende Verwachsung feststellen (Taf. 13, Fig. 3). Das ist deshalb wichtig, weil nach Fromond®) solehe emporgehobenen Pilze sich leicht abtrennen lassen sollten, während ein lückenloser Übergang, wie es hier der Fall ist, eine Prolifikation, eine Neubildung auf dem alten Fruchtkörper, zum Ausdruck bringen sollte. Vielfach ist auch eine Verwachsung beschrieben worden, so für den Cham- pignon von Bouche?°), bei der einem normalen Hut ein umgekehrter aufsitzt, so !) Solche Fasciationen, z. B. von Lactarius laccata, Hypholoma fasciculare und Boletus edulis, sind beschrieben ‘von Bel&@ze, Teratologique eryptogamigue (Science, Art, Nature I. 1902. 15. p. 1—4), nach Just 1902. 1. 2) Boudier, Note sur une developpment gemelaire du Phallus impudieus. Rev. Myc. 1877. 2) Sehr spät hat z. B. erst die Verwachsung stattgefunden bei den Hüten von Clitocybe infun- dibuliformis, die in Fig. 2u. 3 auf Taf. 12 an der Ober- und Unterseite an der Verwachsungsstelle dar- gestellt sind. *) Fromond, Bull. de soc. bot. d. Fr. VII. 1860. p. 437. °) Bouche&, Sitz.-Ber. d. naturforsch. Freunde Berlin 1880, Über die Formbildung der Hutpilze. 145 daß sein Stiel nach oben steht. Soweit die Beobachtung reicht, sind in allen diesen Fällen die Hüte in der Jugend verwachsen und beim Größerwerden der eine schließlich vom Substrat gerissen worden. — Verschiedentlich wurde beobachtet, daß diesem umgekehrt ein dritter in normaler Lage aufsitzt, so daß nunmehr drei Pilze über- einander stehen, so für den Champignon von Smith'), für Russula sanguinea von Moulins, für Hebeloma von Ludwig, und ich selbst sammelte ein entsprechendes Exemplar von Cltocybe infundibuliformis (Taf. 12, Fig. 1). Penzig meint, es sei schwierig, sich eine Idee über die’ Entstehung der Monstrosität zu machen. Ich elaube mit ziemlicher Sicherheit sagen zu können, daß in diesen Fällen an der Basis des losgerissenen Stieles, die, wie wir gesehen haben, zu Neubildungen be- sonders geeignet ist, hier, wo sie vom Substrat losgelöst ist und ihr gleichzeitig neue Nahrung zur Verfügung steht, sich eine neue vollständige Fruchtanlage neu ge- bildet hat. Die Häufigkeit von Verwachsungen ist bei den verschiedenen Hutpilzen sehr verschieden. Der großen Seltenheit der Verwachsungen beim Champignon stehen andere Pilze gegenüber, bei denen sehr häufig Verwachsungen vorkommen und andere, bei denen, wie mir scheint nicht zufällig, solche Verwachsungen überhaupt nicht beschrieben worden sind. Stellen wir die Formen zusammen, bei denen die Verwachsungen häufig und auch noch in späteren Entwicklungsstadien beschrieben worden sind, so finden wir lauter Formen, die eine typisch gymnokarpe Entstehung (Ss. 0.) haben, wie Lactarius, Russula, Collybia, Clitocybe, während von typisch endo- karpen Formen wie Amanita solche Verwachsungen nicht beschrieben worden sind oder wie von Volvaria eine einzige von Voglino?) ohne nähere Angaben. — Wir müssen demnach schließen, daß die auffällige Tatsache, daß trotz der dicht- gedrängten Lage der Champienonentstehung so selten Verwachsungen stattfinden, oder wenn dies der Fall ist, dann anscheinend nur in sehr jugendlichem Stadium, im ursächlichen Zusammenhang mit der Entstehung der oberhautbildenden Hyphen im Innern der Fruchtanlage steht. Dies ist in guter Übereinstimmung mit der Tat- sache, daß die Oberhaut des Hutes schon in relativ sehr jugendlichem Stadium nieht mehr zum vegetativen Austreiben zu bringen ist. — In diesem Verhalten liest vielleicht sogar die wesentliche biologische Bedeutung der stärkeren Differen- zierung der Oberhaut, da nur bei isolierter Entstehung der Fruchtkörper sie in zweckmäßigster Weise ihre Sporen ausstreuen können. — In ähnlicher Weise mögen auch in anderen Fällen die „Couches primordiales“ wirken, wie z. B. bei den blasigen Ausdifferenzierungen auf dem Hut von Coprinus, bei denen schon Brefeld ihre Niehtbefähigung zum vegetativen Aussprossen festgestellt hatte. Dort, wo die Hyphen leichter auszusprossen vermögen, kann, wie durch Brefelds experimentelle Untersuchungen bei Coprinus nachgewiesen ist, bei Schädigung des normalen Hutes eine anormale Bildung durch Reproduktion neuer Hüte entstehen. — Solehe spontan auftretenden Neubildungen auf Hutstielen sind auch sonst vielfach beschrieben worden. Um so auffallender muß es sein, daß bei den fleischigen Agari- einen in keinem Fall mit Sicherheit Neubildungen vollständiger Fruchtkörper auf !) Smith, Abnorm. mushrooms Gard. chron. 1873. ®) Voglino, Sopra alcuni casi teratologiei di agarieini. Bull. d. 1. Soc. Ital. 23. 1891. Archiv für Biontologie. I. 06. 10 146 Werner Magnus: der Hutoberfläche beobachtet wurden. So viel sich aus den Literaturangaben er- sehen,läßt, lassen sich alle so gedeuteten Fälle!) auf die oben geschilderten Ver- wachsungen zurückführen. Wären wirklich solche „Prolifikationen“ aus der Ober- haut möglich, ließe es sich nicht einsehen, wieso niemals Fälle von Agaricinen bekannt geworden sind, die denen von P. Magnus und Ludwigfür Aydnum repandum f. ‚polycephalum FE. Ludwig beschriebenen entsprächen, wo zahlreiche kleine neugebildete Fruchtkörper die ursprüngliche Hutoberfläche bedecken, in ähnlicher Weise, wie in Brefelds Abbildungen die Stiele von Coprinus von Neuanlagen bedeckt sind. Auch z.B. bei Zentinus, der doch zu Neubildungen und zu Verzweigungen im Dunkeln sehr disponiert ist, hat Buller°®), der sich ausführlicher mit der Art dieser Neu- bildungen beschäftigte, soweit sich ersehen läßt, ausschließlich Neubildungen am Veeetationsrand auftreten sehen. Es stimmt dies also aufs beste überein mit den aus der genauen Analyse der Wachstumsgesetze des Champignons gewonnenen Er- fahrungen über die starke Hemmung und Differenzierung der Oberhautzellen‘®). Muß also so der Hutoberfläche die Möglichkeit, vollständige Fruchtanlagen neu zu bilden, im allgemeinen abgesprochen werden, sind dagegen häufig ganz andere und merkwürdige Umbildungen beschrieben worden: die Entstehung von hymeniumtragenden Partien auf der Oberseite des Hutes. — Sie können in ein- zelnen Flecken auftreten oder die ganze Hutoberseite überziehen. Das Hymenium kann mehr oder weniger normalen Lamellen aufsitzen, aber auch ebenso häufig auf Stacheln, Leisten oder Erhebungen, die so sehr denen der Polyporeen ähneln, daß sie als ein auf Hutpilzen wachsender Polyporus agarieicola beschrieben werden konnten. Noch auffälliger sind die Bildungen dann, wenn die mehr oder weniger frei nach allen Seiten abstehenden Hymenialerhebungen Hutteilen aufsitzen, die völlig wie ein normaler umgekehrter Hut aussehen können und sich nur dadurch von den mit dem Hute verwachsenen und vom Substrat losgerissenen Exemplaren unterscheiden, daß sie in der Mitte keinen Stielansatz besitzen. „Über die Art des Zustandekommens derartiger Monstrositäten“, sagt Penzig, „kann wohl nur die Entwieklungsgeschichte Auskunft geben, die aber in keinem beschriebenen Fall hat verfolgt werden können.“ Daß es sich nicht in jedem Einzelfall um Anwachsen und Emporheben sekundärer Hüte handelt, ist ohne weiteres bewiesen durch die Beobachtung, daß einmal in einer Kultur des Agariceus eristatus alle Fruchtkörper, also mehr als 100 auf dem Scheitel des Hutes einen anderen Hut in umgekehrter Lage trugen. — Schließlich sind auch Übergänge zwischen den einzelnen Formen beschrieben worden, wo die Hymenialerhebung teils lamellenartige, teils morchel- artige Ausbildung zeigt. — Es sollen von den vielen beobachteten Fällen einige besonders charakteristische Beispiele beschrieben werden, um an ihrer Hand eine Analyse der Erscheinungen geben zu können. !) Die einzigen Arten, bei denen vielleicht die Neubildung an der Hutoberfläche möglich wäre, ist Lactarius, von der erst jüngst wieder Ludwig (Ges. Fr. d. Nat. Gera 1903) einen Fall in dieser Weise deutet, und Russula, von dem das Herb. P. Maguus einen entsprechenden Fall von R. vesca Fr. enthält, doch sind auch diese Fälle keineswegs überzeugend. 2) Buller, The Reaction of the Fruit Bodies of Lentinus lepideus Fr. to external Stimules Ann. of Bot. 19. 1905. s) P. Magnus, Mycologische Mitteilungen. Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XXXIX, 1896. #4) Unter diesen Umständen ist esum so interessanter, daß bei einer einzigen Agarieine, Collybia velutipes Karst., vielfach die Neubildung ganzer Fruchtkörper auf der Hutoberseite eingetrockneter Exemplare beschrieben worden ist. Wie die Biologie des Pilzes zeigt, ist hier aber der Hut augen- scheinlich zu einem sclerotienartigen Dauergewebe umdifferenziert worden. Biffen, R. H. On the biology of Agaricus velutipes Curt. Linn. soc. Journ. of bot. Vol. 34. 1899. Über die Formbildung der Hutpilze. 147 Der einzige Fall, der beim Champignon beobachtet wurde, ist folgender: Auf einem 5,5 cm hohen Exemplar, dessen 4 cm breiter Hut noch geschlossen war, saß eine ungefähr kreisrunde etwa 2 mm hohe Pocke von 1 cm Dicke auf, die an einer Seite eine etwa 3 mm breite eingesenkte Stelle zeigte, die mit unregelmäßigen wurmförmigen Auswüchsen bedeckt war (Taf. 13, Fig. 4-5). Ihre Oberfläche erwies sich bei mikroskopischer Untersuchung als das typische pallisadenartige junge Hymenialgewebe, während die Erhebungen im Innern die für die Lamellen- trama charakteristische Struktur zeigten. Der Rand der Einsenkung ragte etwas über die übrige Pocke hervor und zeigte sich aus bogig über der Einsenkung ver- laufenden, ziemlich parallel nebeneinander gestellten Zellen gebildet. Das Gewebe der übrigen Pocke zeigte die gewöhnliche Struktur des Hutfleisches. — Ein Längs- schnitt durch den ganzen Fruchtkörper zeigte im Stiel einen eigentümlichen, sonst beim Champignon nicht vorkommenden Hohlraum, dessen Spitze direkt unterhalb der Pocke aufhörte, ohne daß jedoch das Hutfleisch zwischen Pocke und Lücke irgend welche Unterschiede gegen das gewöhnliche aufwies. Eine ähnliche Monstrosität zeigte ein Hut von Cktocybe nebularis Batsch (Taf. 12, Fie. D. Es liegt fast genau auf seinem Scheitel ein dichtes Netz von Hymenialerhebungen, in denen Zähne, Röhren und blattartige Gebilde abwechseln, etwa dementsprechend, was in der deskriptiven Literatur als morchellaartige Aus- bildung bezeichnet wird. An einer Seite dehnen sich die Hymenialerhebungen zu einem lappenartigen Fortsatz aus, dessen Unterseite von normaler Hutoberhaut bedeckt ist, an seiner Oberseite gehen die Hymenialerhebungen in lamellenartigen Bau über (Taf. 13, Fig.8). Auf dem Längsschnitt macht sich keine Besonderheit bemerkbar. Ein anderes Exemplar von Chtocybe nebularis (Taf. 12, Fig. 6) zeigte ziemlich in der Mitte des Hutes einen mit ziemlich schmaler Basis aufsitzenden Lappen mit normaler Oberhaut, dessen Unterseite völlig normale Lamellen aufwies. An der Ansatzstelle weisen die Lamellen einige unregelmäßige Querverbindungen auf, ein Stielansatz ist nicht vorhanden. Der Längsschnitt bietet nichts bemerkenswertes. Bei einem Exemplar von Hypholoma spec. (Taf. 12, Fig. 5) ist der Hut an einer Seite eingefaltet. Von dieser Faltungsstelle nach oben erhebt sich ein breiter dem Hut festaufliegender Hutlappen, der auf seiner Oberseite ein Netz krauser Falten trägt, die nach dem Rande des Lappens zu mehr oder weniger in normale Lamellen übergehen. Von Chtocybe infundibuliformis sind zwei Hüte (Taf. 12, Fig. 3) sehr spät mit einander so verwachsen, daß der Hutrand des einen der Hutoberhaut des anderen aufliegt und mit ihr verwachsen ist, während der Hutrand des unteren normal weiter wächst. Auf der Hutoberseite des unteren, von der Vernarbungsstelle mit dem oberen ausgehend, hat sich ein etwa kreisrunder Flecken von '/. em Durch- messer gebildet, der dadurch in das Hutfleisch eingesenkt erscheint, daß sich die Ränder etwas in die Höhe gehoben haben (Taf. 12, Fig. 2). Der Fleck ist bedeckt mit netzartigen, wie die mikroskopische Untersuchung lehrt, typischen Hymenial- erhebungen. Als letzter Fall mag Cktocybe dealbata dienen, von dem mir das ausgiebigste Material in den verschiedenen Entwicklungsstadien der Bildung zur Verfügung 10* 148 Werner Magnus: stand). Er war in einer Champignonkultur in sehr dichtem Rasen aufgetreten, in dem die Hüte sich vielfach deckten. Die Hüte zeigten auf der Oberseite teils zahllose unregelmäßige Pusteln (Taf. 12, Fie. 9), teils wohl ausgebildete kleine um- gekehrte Hüte, die vielfach nur mit der Basis ansaßen (Taf. 12, Fig. 8), jedoch aus- nahmslos keine Spur eines Stieles in ihrem Zentrum aufwiesen, teils große mit breiter Basis aufsitzende Hutlappen, die zumeist regelmäßig nach unten gestellte Lamellen aufwiesen (Taf. 12, Fig. 10). — Für den Anfang der Bildung ist es sehr charakteristisch, daß sie sich auf der Hutoberfläche in einem Ring entwickeln, der ungefähr der Ansatzstelle der Lamellen auf der Unterseite des Hutes entspricht. — In sehr jugendlichen Erhebungen läßt sich die Bildung der Auswüchse recht gut verfolgen (Taf. 13, Fig. 9). Etwa 0,1 mm unter der Oberhaut, die sich durch ihre parallel verlaufenden, ziemlich dicht aneinander liegenden Hyphen von den regellos in weiteren Abständen durchemander gewundenen Elyphen des Hutfleisches auszeichnet, sind an ziemlich eng begrenzter Stelle diehtere Hyphenverzweigungen zu Sehen. Von hier aus gehen sehr feine Hyphen bis zur Oberfläche. An dieser Stelle selbst ist die Oberhaut nicht mehr deutlich erkennbar, während nach den Seiten zu unter den festgewachsenen jugendlichen Erhebungen die ursprüngliche Oberhaut zu erkennen ist. Sie wird aber in der ganzen Ausdehnung der Erhebung durchsetzt von Hyphen, die in diese übergehen. Die ganze Oberfläche wird sehr bald bedeckt mit einem pallisadenartigen Gewebe, das anfänglich keinerlei Er- hebungen aufweist. Es wird dadurch häufig in eine kleine Vertiefung emgesenkt, daß sich die begrenzende Oberhaut über dasselbe krümmt. Senkrecht durch sie geführte Schnitte zeigen an dieser Stelle in ihr senkrecht gerichtete, ziemlich kurz- gliedrige, parallel gestellte Hyphen, die dem normalen Vegetationsrand sehr ähneln. — Dieser Vegetationsrand kann nun sehr schnell nach oben zu weiter wachsen und sich schließen, dann entstehen die mit sehr schmaler Basis aufsitzenden kugeligen oder birnenförmigen Erhebungen, die stets durch eine, wenn auch oft schmale obere Öffnung diese Art der Entstehung dokumentieren (Taf. 13, Fig. 11). Die Vergrößerung kann aber auch vorwiegend im tangentialer Richtung stattfinden, dann sehen wir auf der Innenfläche mit ihren pallisadenartig gestellten feinen Hyphen Hymenial- erhebungen auftreten, die nach der Mitte zu eine verästelte Gestalt haben, während sie nach der Seite hin in mehr und mehr radiale Form übergehen. Während der Vegetationsrand gleichmäßig weiter wächst, schieben sich immer neue Lamellen von der Seite her ein, und so entstehen schließlich die Bildungen, die wie normale umgekehrte Hüte aussehen (Taf. 15, Fig. 10). In anderen Fällen zeigen sich die feinen Hyphen gleichzeitig auf weiter ausgedehnten Flecken. Es erheben sich dann vielfach verästelte Erhebungen, und oft entsteht ein Vegetationsrand an einer Seite (Taf. 13, Fig. 12). In diesen können dann wieder am Rande regelmäßige Lamellen eingeschoben werden, es bilden sich die einseitig angewachsenen Hutteile aus, die sich dann vielfach so umbiegen, daß die Hymenialseite mit den Lamellen nach unten zu liegen kommt. Mannisfache Erklärungsversuche für diese so auffälligen Erscheinungen sind gegeben worden, sowohl für die eigentümlichen Formen, in der das Hymenium auf !) Sie wurden gesammelt in Berlin am 2. März 1903 und mir von P. Magnus zur Unter- suchung überlassen, dem Rasen dieser Art als Verderber von Champignonkulturen von Herrn Garteninspektor Lindemuth übergeben waren. Über die Formbildung der Hutpilze. / 149 der Oberseite zur Ausbildung gelangt, wie für die Gründe, die es überhaupt zu dieser Bildung veranlassen. — Während der dem normalen Hymenium entsprechende lamellenförmige Bau, ebenso wie die Ausstrahlung dieser Lamellen von einem gemeinsamen Mittelpunkt, entsprechend den normalen Hüten, als selbstverständlich erachtet wurde und so eine Spekulation nicht herausforderte, hat die Hymenial- bildung auf der Oberseite in Zähnen, Gruben, Leisten zu um so weitgehenderen Deutungen geführt. — Boudier!) beschreibt eine „Anomalie morchelloide* von Cortinarius seutulatus, bei dem die ganze Oberseite des Hutes mit unregelmäßigen hymeniumtragenden Leisten und Auswüchsen bedeckt war, und meint: „Da jede parasitäre Ursache ausgeschlossen ist, muß eine Umwandlung der normalerweise sterilen Hyphen, die bestimmt waren, die Oberhaut zu bilden, in fertile Hyphen stattgefunden haben und so die Bildung des Hymeniums erfolgen. Diese Ver- änderung erscheint mir ganz verschieden von der der kleinen umgekehrten mit Lamellen bedeckten Hüte, welche man oft auf der Oberfläche der Agarieinen antrifft, oder der Hymeniumpartien, wie sie so oft auf verwundeten Stellen auftreten, und ist bei den Hutpilzen sehr selten. — Diese Veränderung eines lamellenförmigen Hymeniums in ein grubiges oder wurmförmiges Hymenium scheint zugewiesen werden zu müssen besonders dem von der Fruchtanlage empfundenen Bedürfnis, sich vor schädigenden Einflüssen zu schützen. Man weiß, daß bei allen Basidiomyceten das Hymenium auf der Unterseite gebildet wird und so nicht allein durch den Hut, sondern auch durch die Bildung von Vorsprüngen vor schädlichen Einflüssen gesichert ist . RENTE 22.2... In unserem Falle wäre ein so ausge- dehntes ee Ahemeielikehes Hymenium zu sehr exponiert, und es wurde daher das Bedürfnis empfunden, sich mehr zu schützen, daher wurden gewisse Hyphen gebildet, die dazu bestimmt sind, die Wände zu vergrößern und durch anormale Ausbildung das Hymenium einzuschließen, wodurch die Produktion und Reifung der Sporen möglich ist.“ — Dieser Erklärung, die, wenn sie zutreffen würde, ein schlagendes Beispiel zweckentsprechender Autoregulation vorstellen würde, steht diejenige gegenüber, die in diesen Formen Rückschlagserscheinungen zu phylogenetisch älteren und tiefer stehenden Formen sieht. So meint Ludwig?), daß es sich hierbei um Formen von Mißbildungen handele, wie sie normal bei den Agarieinen- Typen Favolus, Leontodium, den Marasmien der Sec. Dictoplaca etc. vorkommen und den Übergang zu den echten Polyporeen bilden. Aus den Untersuchungen über die Regenerationsbildung des Champignon- hymeniums folgt meiner Meinung nach ohne weiteres, daß sich auch die verschiedenen Formen dieser adventiv auf der Hutoberseite bildenden Hymenien aus ihrer ver- schiedenen Bildungsart erklären lassen. Ganz wie auf der Wundfläche des Cham- pignons werden dort, wo ein succedan fortwachsender Vegetationsrand sich ausbildet, normale Lamellen angelest werden, dort, wo die Hymenialbildung langsam über eine Fläche fortschreitet, netzförmige Bildungen erfolgen, dort, wo die Bildung eine simultane ist, werden die Erhebungen blatt- und zahnartiges Aussehen annehmen. Daraus erklärt es sich, daß, wie z. B. bei Olitocybe nebularis beschrieben wurde, !) Boudier, Bull. soc. myec. d. 1. Fr. 6. 1890. ?) Ludwig, Über merkwürdige Pilzmißbildungen. Jahresber. d. Ges. v. Fr. d. Natr. Gera 1903, p. 89—91 eit. nach Just, Bot. Jahr. 1903. I. p. 56. 150 Werner Magnus: am Rande die unregelmäßigen Erhebungen der Mitte in regelmäßige Lamellen übergehen‘), und dies stimmt überein mit der Entwicklungsgeschichte, die für die Neubildungen von Chtocybe gegeben wurde. So kann überhaupt als Regel aufgestellt werden, daß überall dort, wo ein neuer hutartiger Fortsatz sich bildet, sei es nun ein völlig ausgebildeter schüsselartiger, aufsitzender „Hut“, sei es nur ein einseitig sich ausbildender Hutlappen wie bei den beiden Exemplaren von Olitocybe nebularis, an diesen Stellen das Hymenium immer einen mehr oder weniger normalen lamellen- artisen Bau besitzen muß. Wie sich aus der Entwicklungsgeschichte der Bildung von Öbktocybe weiter ergibt, ist die häufig beobachtete anscheinende Einsenkung solcher Hymenialpartien zurückzuführen auf die Neubildung eines Vegetationsrandes, durchaus entsprechend, wie dies bei der Regeneration des Champignonhymeniums geschildert worden ist. So ist auch sicherlich bei unseren teratologischen Beispielen die Einsenkung der Hymenialpartie beim Champignon und an der Vernarbungsstelle der zusammen- gewachsenen Exemplare von Cbtocybe infundibuliformis entstanden. — Von Ludwig sind solche tief in das Hutfleisch eingesenkte Hymenialpartien beschrieben worden, von denen er angibt, daß sie in primär entstandenen Rissen und Sprüngen gebildet worden wären”). Vergleicht man aber seine Beschreibung mit den von uns ana- lysierten Fällen, so wird man ohne weiteres dazu geführt, anzunehmen, daß auch hier einer primären Hymenialanlage die Neubildung eines Vegetationsrandes und damit eine Erhebung des Randes resp. die tiefe Einsenkung gefolgt ist. Hierfür scheint nun weiter besonders der Umstand zu sprechen, daß Ludwig stets von regelmäßiger Lamellenausbildung spricht, die, wie aus unseren Untersuchungen folgt, zumeist die Bildung eines Vegetationsrandes voraussetzt. Folst also die Form der Hymenialerhebungen auf der Oberseite durchaus den Bildungsgesetzen der Art und erfordert zu ihrer Erklärung weder teleologische, noch phylogenetische Hypothesen, bleibt die Frage zu entscheiden, auf welche Weise die !) Daß anormale Bildungen auf der Oberseite von Polyporeen wohl eine ähnliche Analyse zulassen, ergibt sich aus der Beschreibung von Lenzites repanda bei Hennings Hedwigia Bd. 40. 1901. Hier soll gleichfalls die Mitte des Hutes Stacheln und irpexartig gezähnte Blätter tragen, die weiter nach dem Rande zu in Daedalea-artige Windungen übergehen, um am Rande selbst in Röhren über- zugehen. 2) Da von vielen Seiten, z. B. auch, wie oben ersichtlich, von Boudier, dieser Meinung beige- pflichtet wird, während ich seine Beschreibung einer ganz anderen Deutung unterziehen möchte, führe ich sie in extenso an, „Bei Cantharellus cibarius (L.) Fr. saßen die verkehrten Hüte zu 3—4 auf dem primären Hut oder in Einsenkungen desselben. Bei Aganicus (Dermocybe) cinnamomeus (L.) traf ich einen kleinen Hexenring, in dem 6 verschiedene Exemplare die Doppelhutbildung in ver- schiedenem Grade zeigten. Während bei einem derselben am Scheitel des Hutes nur ein einfacher Riß zu sehen war, in dem die Lamellen zur Ausbildung kamen, waren bei den anderen die Hüte mehr oder weniger kegelförmig oder trugen nach oben einen knopfförmigen Fortsatz, der am Scheitel einen klaftenden mit völlig radiären Lamellen erfüllten Ritz zeigt. Ähnlich war es bei Exemplaren des Lilaschwammes, Ag. (Inoloma) amethystinus (Schäff.), bei denen seitlich von der buckligen Hutmitte eine knopfförmige, oben offene Excreszenz gleichfalls strahlig angeordnete, nach oben gewandte Lamellen enthielt. Bei Agaricus (Olitocybe) laccatus Scop. befand sich unter den auf- sitzenden Hüten ein solcher, dessen Lamellen faltig verbogen und verwachsen waren. Der verschie- denen physikalischen Beschaffenheit der Hutmasse entsprechend, treten diese Mißbildungen in sehr mannigfacher Form auf. Es sei in dieser Beziehung nur noch Lactarius glycosmus Fr. erwähnt, bei dem in der Trockenheit meist größere Hutfetzen abspringen, welche eine seitlich gerichtete Hut- und Lamellenbildung veranlassen. In keinem der zuletzt erwähnten Fälle standen die Lamellen und Hüte in Beziehung zu den normalen Lamellen, vielmehr waren es immer die zwischen der geplatzten Oberhaut bloßgelesten hutbildenden Hyphen, die bei eintretender Nässe von neuem ein Hymenophor erzeusten.“ Aus „Botanisches Zentralbl.“ Bd. 12. 1882. Über die Formbildung der Hutpilze. 151 hymeniumbildenden Hyphen an die Oberseite des Hutes gelangt sind. — Moulins') Idee, daß eine Spore Auf der Oberseite gekeimt wäre und aus ihr dann ein neuer Hut entstanden wäre, ging von der irrtümlichen Voraussetzung aus, daß jeder Hut von einer Spore sich ableiten ließe. Fromond?) glaubt alle diese Fälle darauf zurückführen zu müssen, daß durch irgend welche mechanischen Einflüsse der Hut nach oben gefaltet wurde, dann die zusammenstoßenden Ränder verwachsen und so schließlich oben und unten je ein Hut entstände. Doch weißt schon De Seynes darauf hin, daß unmöglich die Fälle sich so erklären ließen, bei denen mitten auf dem Scheitel des Hutes ein umgekehrter anderer säße. Er glaubt viele solcher Bildungen durch Verwachsungen erklären zu dürfen, worauf bereits oben hingewiesen wurde. — Da häufiger die Verbildung von Hutpilzen durch die Anwesenheit para- sitischer Pilze festgestellt wurde, wurde ihnen auch Anregung zur Neubildung des Hymeniums auf der Oberseite zugeschrieben, doch ließen sich fast nie in diesen Fällen Pilze nachweisen. — Ein Analogon mit den Beobachtungen an Polyporaceen führt Penzig dazu, aus der im übrigen durchaus isoliert stehenden Angabe Duchatres°), daß auf nach unten im Dunkeln hängenden Hüten von Coprinus spez. sich auf der morphologischen Hutoberseite Lamellen bildeten, zu folgern, daß auch hier die Lage im Raum inbetracht kommen könne, und ähnliche Anschau- ungen werden auch von Vuillemin®) im Anschluß an Beobachtungen bei Hydnum zum Ausdruck gebracht. — Es wurde schon erörtert, daß wohl irrtümlicherweise Ludwig für entsprechende Bildungen das Auftreten von Rissen und Sprüngen verantwortlich macht, die unter dem Einfluß einer sehr feuchten, durch einzelne warme und trockene Tage unterbrochenen Witterung aufgetreten sein sollten und die, statt zu vernarben, Lamellen bildeten. — Gueguen?) schließt aus seinen Beob- achtungen, daß der Hut vom Hymenium bis nach oben hin platzen könne, dann das Hymenium nach oben übertrete und dann wieder eine Vernarbung der Wunde stattfindet. — Auch Hennings‘) meint nach in der Natur beobachtetem Verhalten, daß besonders mechanische Ursachen, Druck, Reibung und dergl., Sprossungen und solche Verbildungen hervorrufen. Nach unseren Beobachtungen über die Regeneration des Champignonhymeniums, das sich ausschließlich im Anschluß an altes bildet, scheinen auf den ersten Blick diejenigen Vermutungen am wahrscheinlichsten, bei denen auf irgend eine Weise ein Zusammenhang mit dem alten Hymenium gefordert wird, sei es, wie Fromond will, durch einseitliche Faltung, sei es, wie Gueguen will, durch ein zum Hymenium gehendes Loch. Ein dem von Fromond beobachteten und von ihm als Zwischen- stadium zur geschlossenen schüsselförmigen Bildung gedeuteten analogen Fall stellt sicherlich unser Hypholoma spec. (Taf. 12, Fig. 5) dar. Dennoch halte ich es für nicht wahrscheinlich, daß es auf diese Weise zur eigentlichen schüsselförmigen !) Moulins, Soc. bot. d. Fr. V. 1858. ?) Fromond, Bull soc. Bot. de Fr. 1860. Bd. 7. ®) Duchatres, Garden. chroni. 1870. *) Vuillemin, Remarques sur les productions des hym&niums adventives. Bull. d. 1. soc. myco. d. Fr. VII. 1891. 5) Gu&guen, S.]. hymeniums surnum6raires de quelques Basidiomycetes etc. Bull. d. ]. soc. myc. d. Fr. XVII. 1902. °) Hennings, Über einige interessante deutsche Hutpilze. Hedwigia 47. 1903. 152 Werner Magnus: Bildung kommen kann, da dann zwei Hymenialpartien mit einander verwachsen müßten, die sicherlich dazu sehr wenig geeignet sind, da bei den normalen dicht gedrängt entstehenden Lamellenanlagen solche Verwachsungen nie vorkommen. Hin- gegen dürfte in manchen Fällen die Vermutung Gueguens zutreffen, daß bei einer Verletzung des Hutes Hymenialteile auf die Oberfläche versprengt werden. können. So wenigstens findet der exceptionell seltene von uns aufgefundene Fall beim Champignon seine Erklärung (Taf. 13, Fig. 4 u. 5.) Die nach der adventiven Hymenialbildung hinweisende Lücke im Innern des Hutes und des Stieles scheint der Rest der Verwundung (vielleicht Tierfraß?) zu sein, die aber auch hier augen- scheinlich in sehr jugendlichem Stadium stattgefunden haben muß. — Der Anschluß an altes Hymenium kann aber auch noch auf eine andere Weise zustande kommen, die, wie ich glaube, öfters solche Bildungen veranlaßt. Bei unserem zusammen- gewachsenen Exemplar von Clitoeybe infundibuliformis (Taf. 12, Fig. 2 u. 3) sieht man deutlich, wie das Hymenium auf der Oberseite des einen Exemplars zwar nicht im Zusammenhang mit seinem eigenen steht, aber wohl mit dem seines Nach- bars, von dem aus sicherlich die hymenialbildenden Hyphen herübergewachsen sind. — Daß auf Wunden an sich ohne Verbindung zum Hymenium neues Hymenium auftreten sollte, halte ich wenigstens beim Champignon für ausgeschlossen, für andere Hutpilze, wie oben ausgeführt wurde, für unerwiesen und unwahrscheinlich. — Wie es für Olitocybe dealbata festgestellt werden konnte, ist aber wohl in den meisten Fällen die Hymeniumbildung an der Oberseite als eine typische Hymenial- neubildung aufzufassen, aus Gründen, die voraussichtlich ähnliche sind, die die Hymenialbildung im Primordium veranlaßt haben. Für diese Auffassung spricht, daß alle diese Bildungen fast ausschließlich bei denjenigen Formen beschrieben werden, die nach Fajod typisch gymnokarp sind, bei denen also normalerweise die Hymeniumbildung noch nicht so speziell auf eine bestimmte Entwicklungsstelle wie bei den angiokarpen Formen beschränkt bleibt. Es sind immer wieder die- selben Pilzgattungen, bei denen in ausgedehnter Weise solche Bildungen beschrieben worden sind, nämlich Cantharellus, Russula, Lactariıs, Marasmius, Collybia, Clito- cybe, Tricholoma. Viel seltener zeigen subangiokarpe Formen solche Bildungen wie Coprinus, Dermoeybe, Lentinus, Cortinarius, während bei typisch endokarpen an- scheinend keine zur Beobachtung gelangt sind. — In den näher bekannten Fällen sind nun nachweisbar die Pilze unter anormalen Bedingungen erwachsen, wie es besonders bei den von Klebahn!) und Hennings?) beobachteten Fällen von Tri- choloma conglobatum (Vittad.) Sacc., die aus der Wand von Kellern hervorbrachen, festgestellt wurde, wobei sich wohl Feuchtigkeit, mangelnde Sauerstoffzufuhr, Dunkel- heit und vielleicht auch andere Momente kombiniert haben. — So wäre es auch verständlich, daß bei anormalen Witterungsverhältnissen häufig plötzlich viele solcher adventiven Hymenien aufträten und nicht, wie Ludwig will, durch die hierdurch hervorgerufenen Risse und Sprünge. — Wie an den Stielen geschädigter (Coprinus- fruchtkörper überall neue Fruchtanlagen gebildet werden, gehen auch hier gewisse Zellen des Hutes in embryonale Zustände über. Sie bilden aber nur Hymenial- ') Klebahn, Über eine merkwürdige Mißbildung eines Hutpilzes. Jahrb. d. Hamburger wissen- schaftl. Anstalten. XXII. 1904. ?) Hennings]. c. Über die Formbildung der Hutpilze. 153 zonen, die, da sie schon von differenziertem Hutfleisch umgeben sind, nicht mehr die Bildung neuer ganzer Fruchtanlagen hervorzurufen vermögen, sondern, indem sie quasi den alten Hut als Basis benutzen, auf ihm neue Hymenialerhebungen bilden. — Hiermit steht dann in vollster Übereinstimmung, daß, wie festgestellt wurde, keine sicheren Fälle bekannt sind, bei denen auf dem Hut ein neuer Hut hervorgesproßt wäre. i Sicherlich werden aber auch Fälle vorkommen, es möchte hierzu besonders die von Boudiert) beschriebene morchelloide Ausbildung von Cortinarius sceutulatus ge- rechnet werden, bei denen für die Ausbildung von Hymenium auf der Oberfläche irgend welche äußere Einwirkungen nicht herangezogen werden dürfen, sondern bei denen es sich um Mißbildungen handelt, durch Modifikation der inneren Struktur, Mutationen im Sinne De Vries, die voraussichtlich auch erblich sein würden. Ab- gesehen ven der Art seines Auftretens inmitten normaler Pilze, kann dies wohl auch daraus geschlossen werden, daß hier die gesamte Oberfläche mit Hymenium bedeckt ist, also die bei normaler Entstehung zur Hutoberflächenbildung bestimmten Hyphen sich sämtlich in Hymenialhyphen verwandelt haben. — Eine solche spontane Mutation, von der wir ja bei höheren Pflanzen wissen, daß sie besonders häufig in künstlicher Kultur bei reichlichster Nahrungszufuhr einzutreten pflegt, liegt auch sicherlich bei kultivierten Agaricus eristatus vor, bei denen nach W. G. Smith?) alle Hüte ein lamellenförmiges Hymenium auf der Oberseite trugen. Hierher mag auch ein von Ludwig?) aufgefundener Fall von Paxillus involutus gestellt werden, bei dem eine eigentliche Hutbildung unterblieben war und bei dem sich das Hymenium auf der ganzen Oberfläche des kugelig angeschwollenen Strunkes ge- bildet hatte. Da die Bildung auch hier keine randwärts fortschreitende ist, konnte sich naturgemäß statt der gewöhnlichen Lamellen nur ein grubenförmiges polyporus- ähnliches Hymenium ausbilden. 3 Solche Mutationen können nun aber auch andere morphologische Verhältnisse ändern, wie sie ja auch die verschiedenen Rassen des Champignons in der Kultur herbeiführen. Hier kann es dann vorkommen, daß mehr oder weniger anormale Rassen gebildet werden, bei denen augenscheinlich der Gleichgewichtszustand eine starke Verschiebung erfahren hat. Bei einer von den Züchtern sehr gefürchteten Form bleibt der Hut sehr klein, dafür schwillt die Basis des Stieles zu einem unförmigen Gebilde an (Taf. 10, Fig. 14.) So sehen dann die Pilze ganz ähnlich aus wie die, welche von parasitären Pilzen befallen wurden, wie zumal von Hypo- myces. Auch hier ist häufig der Hut nur in der Anlage vorhanden und dafür die Basis zu großen Knollen entwickelt. Eine sehr merkwürdige Monstrosität, die ich gleichfalls als Mutation deuten möchte, ist von Boudier*) für Collybia maculata A. et S. beschrieben worden. Das Hymenium auf der Unterseite war statt in Lamellen, in mit Zähnen versehenen konzentrischen Ringen in sehr regelmäßigen Abständen gebildet worden und er- !) Boudier, Bull. soc. myc. d. Fr. VI. 1830. 2) Garden Chron. 1872 p. 218 (eit. nach Penzieg). ®) Ludwig, Sur une forme nouvelle teratologique de Pazillus involutus. Bull. de la soc. mycol. d. Fr. Bd. VI. 1890. P. Magnus, Mycol. Mitteilung Bot. Ver. Pr. Brandenb. 1896. 2 din Sur une anomalie remarcable de !’Agaricus maculatus. Bull. d. la soc. Bot. d. Fr. 1872. Bd. 19. 154 Werner Magnus: innerte so sehr an die Gattung COyelomyces. Nur sehr wenig normale Lamellen waren ausgebildet. Durch eine innere Veränderung hatte also hier das Hymenium seine Eigenschaft geändert, in der Richtung des fortwachsenden Randes Lamellen zu bilden, vielmehr wird hier die periodische Neubildung wellenförmig vom Rande her erfolgen. Wenn wir uns erinnern, daß die Hymeniumneubildungen besonders leicht senkrecht zur Wachstumsrichtung der Lamellen auftreten können, so müssen wir schließen, daß hier wahrscheinlich eine ganz geringe Umschaltung der morpho- logischen Fähigkeit genügt habe, diese Veränderungen hervorzurufen. Viel häufiger, bei manchen Agarieinen sogar sehr häufig, sind solche Anor- malitäten, bei denen die Lamellen durch Querleisten unter einander mehr oder weniger verbunden werden, so daß ein netzförmiger Bau des Hymeniums entstehen kann. Man hat dieses vielfach als Rückschlagserscheinung auffassen wollen. Nach unseren Darlegungen wird man in jedem einzelnen Falle zu prüfen haben, ob man es nicht mit irgend welchen mechanischen Wachstumserscheinungen zu tun hat, wie z. B. bei dem auf Taf. 12, Fig. 4 abgebildeten Exemplar von Chtocybe infundi- buliformis, bei dem dort netzförmige Lamellen entstanden sind, wo es an einen Baum- stumpf angedrückt wuchs. — Es können aber auch wirkliche Mutationen vorliegen, bei denen die morphologische Eigenschaft der Hymenialerhebungen, nur an der Basis am Vegetationsrand fortzuwachsen und dort neue Lamellen einzuschieben, geändert wird). Doch wird man sich in acht nehmen müssen, ohne weiteres daraus phylogenetische Schlüsse ziehen zu wollen, da auch hier die inneren Hemmungsverhältnisse sich nur um ein geringes zu verschieben brauchen, um solche netzförmigen Verbindungen entstehen zu lassen. — Jedenfalls ist es sehr charak- teristisch, daß die netzartigen Verbindungen auch zumeist nur an der Basis der Lamellen und nicht am Hutrande vorzukommeu pflegen und weiter zumal bei den gymnokarpen Formen, bei denen nach Fajods Untersuchungen die primäre Hymenial- fläche relativ lange glatt bleibt. ı) Für den Champignon hat Patoullard (Note sur une deformation polyporoide du Cham- pignon du couche. Bull. soc. myc. t. XIV p. 46—47) einen Fall beschrieben, bei dem das gesamte Hymenium netzartig ausgebildet war. Ausblick auf phylogenetische Probleme. Es ist der Versuch gemacht worden, die Bildungsregeln aufzudecken, die es bewirken, daß durch das Zusammenschließen selbständig wachsender Zellfäden so einheitliche Formen wie die der Hutpilze gebildet werden. Es hat sich gezeigt, daß sich dieser Vorgang auflösen läßt in Einzelphasen, teils in mehr oder weniger übersehbare Reizmomente, teils in vorläufig noch nicht weiter zu analysierende Reiz- komplexe, die allgemein als „Korrelationsvorgänge“ bezeichnet wurden. Indem durch willkürliche Eingriffe einzelne Reizmomente und Korrelationsvorgänge in anormale Wirksamkeit gebracht werden, gelingt es, höchst merkwürdige anormale Formen zu erzielen, die im normalen Entwicklungsgang nicht aufzutreten pflegen. Der normale Entwicklungsgang kommt beim Champignon so zustande, daß bei in normalen Grenzen sich bewegenden Wachstumsbedingungen die einzelnen form- bildenden Momente hinter einander in Wirksamkeit treten müssen, oder wie Reinke!') sagt: „Die Entwicklung besteht in einer Folge oder Kette von Erscheinungen, die wir uns im Bilde von Auslösungen vielleicht am besten vorstellen. Die Ent- stehung jeder Phase wird durch die nächst vorhergehende ausgelöst“ und weiter: „mit maschinenartiger Sicherheit und unerläßlicher Notwendigkeit folgt eine Phase aus der anderen, bis die erblich überkommene Form vollendet ist.“ — Dies tritt beim Champignon dadurch besonders scharf zutage, daß, wie wir sahen, der „Ge- samtplan“ seiner Formbildung sich völlig unabhängig von äußeren richtenden Kräften verwirklichen kann. — Der Wert dieses Gesamtplans für den Gesamt- organismus liest unzweifelhaft in der zweckentsprechenden Verbreitung der Sporen). Beim Champignon kann er erst dann zum Ausdruck kommen, wenn nach einer komplizierten Entstehungsfolge das letzte Reifestadium erreicht ist und der Hut sich aufgespannt hat. Alle Reizmomente und komplizierten Korrelationsvorgänge, alle inneren Bedingungen der Entwicklung sind nur diesem Zwecke dienstbar. Die Formbildung vieler anderer Hymenomyceten, die in ihren differenzierteren Gruppen gleichfalls vielfach vom Substrat abstehende Hüte bilden, scheint nun auf ganz andere Weise zustande zu kommen. Obgleich die Formbildung noch bei !) Reinke, Einleitung in die theoretische Biologie. 1901. 2) Falk, Die Sporenverbreitung bei den Basidiomyceten und der biologische Wert der Basidie. Beiträge zur Biologie der Pflanzen. 1904. Bd. IX. Heft 1. 156 Werner Magnus: keiner dieser Formen unter diesem Gesichtspunkt genauer untersucht worden ist, wissen wir doch so viel, daß hier die wesentliche Differenzierung des Fruchtkörpers, ebenso wie die Gesamtform, in direkter Abhängiskeit von richtenden Kräften und äußeren Bedingungen zustande kommt. — In dem undifferenzierten, aber unter zur Fortpflanzung geeigneten Bedingungen stehenden primären Hyphenkonglomerat scheint sich dort eine Oberhaut resp. die Hymenialschicht auszudifferenzieren, wo die geeigneten äußeren Bedingungen zu ihrer Bildung gegeben sind. Ob hierfür der Schwerkraftsreiz, größere Dunkelheit oder Feuchtigkeit des Substrats größere Bedeutung haben, ist für die prinzipielle Seite der Frage relativ gleichgiltig. Wie für Stereum hirsutum von P. Magnus?) und Göbel”), wie für Polyporeen von P. Magnus und Falk°) näher untersucht worden ist, wechselt die Form der Fruchtkörper und des Hymeniums in weiten Grenzen nach der Lage am Substrat. In jedem Falle wird das Hymenialgewebe, wenn angängig, so gebildet, dab es in seiner Hauptausdehnung wagerecht nach unten zu liegen kommt. So werden bei Merulius und Polyporus vaporarius die Hyphen auf der Unterseite des Substrats direkt in hymeniumtragendes Mycel umgewandelt, mit den für die Form morpho- logisch gegebenen Hymenialbildungen. Bei Stereum ist die obere Seite am Sub- strat befestigt, so daß auch hier das Hymenium frei auf der Unterseite ausgebildet ist. — Befindet sich das fruktifizierende Mycel am senkrecht gerichteten Substrat, können hier gleichfalls oft Hymenialerhebungen entstehen, so bei Merukus und Polyporus vaporarius, oder das Mycel wächst wagerecht weiter, erst an seiner Unter- seite wird die Hymenialschicht gebildet, und es entstehen die charakteristischen seitlich abstehenden Hüte, so bei Stereum, Polyporus vaporarius und versicolor. Oder schließlich das zur Fruchtbildung geeignete Mycel bedeckt die Oberseite des Substrats, dann kann die Hymenialbildung entweder auf der Oberseite normalerweise stattfinden, wie bei Stereum, oder nur in seinen ersten Bildungsstadien, wie bei Merulius und Polyporus vaporarius, bei denen aber dann die normalen Hymenium- formen im allgemeinen nicht gut zur Ausbildung gelangen, und diese ersten Stadien werden bald von nicht hymeniumtragenden Hyphen überwachsen (Falk). Oder schließlich es erhebt sich, wie es bei Polyporus vaporarius geschehen kann, eine größere Gewebemasse über das Substrat, das am oberen Ende sich verbreitert, zu einem fortwachsenden Rande wird, der nunmehr ganz wie am senkrechten Sub- strat sieh wagerecht ausbreitet und auf seiner Unterseite das normale Hymenium trägt. Bei anderen Polyporeenarten ist die morphologische Tendenz, die Ausbildung des Hymeniums erst in einer weiter vom Substrat entfernten Stelle zur Ausbildung zu bringen, schon weiter fortgeschritten. P. Magnus hat gezeigt, wie es hier ganz auf die Lage am Substrat ankommt, ob bei diesen Formen der Stiel dem Hut seitlich (Pleuropod) oder zentrisch (Mesopod) ansitzt. — Es ist nun sehr interessant, daß es hier nun Formen gibt, die sich anscheinend gleich leicht zu pleuropoden und mesopoden Hüten ausbilden können, wie Polyporus biennis, während bei anderen ı) P. Magnus, Einfluß der Lage des Substrats auf die Ausbildung der Fruchtträger einiger gestielter Polyporusarten. Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg. 1888. 2) Göbel, Die verschiedene Ausbildung der Fruchtkörper von Stereum hirsutum. Flora 1902. Bd. 80. ») Falk l. c. Über die Formbildung der Hutpilze. 157 entweder die pleuropode Form, wie beim Polyporus squammosus, oder die mesopode Form, wie beim Polyporus Schweidnitzi Fr., überwiegt, die sich nur relativ selten in die entgegengesetzte verwandeln lassen. Hier sind also aus den richtenden äußeren Bedingungen, wenn man so will, innere Bedingungen geworden, die die gleiche Form mehr oder weniger unabhängig von den richtenden äußeren Kräften zur Ausbildung bringen können. — Es würde nun nicht schwer sein, alle Über- gänge zu finden, von den Polyporaceen, die die Tendenz haben, mesopode Hüte zu bilden, bis zum Champisnon, bei dem völlig unabhängig von irgend welchen äußeren Einflüssen stets ein zentral gebildeter Hut zur Ausbildung gelangt. — In ähnlicher Weise gelingt es nun bei allen übrigen Organisationsmerkmalen, solche Reihen auf- zustellen, bei denen die nachweisbar durch den Reiz der äußeren Einflüsse ent- stehenden Differenzierungen übergehen in solche, die unter dem Einfluß der inneren Bedingungen zustande kommen. -— Das Hymenium bildet sich anfänglich durch äußere Reize, mag nun Schwerkraft oder Dunkelheit das wesentliche auslösende Moment sein, auf der freien dem Boden zugekehrten Seite der Fruchtkörper. Bei den Agarieinen ist seine Fntwieklung bei den niedersten Formen auf die freie morpho- logische Unterseite der sich aus inneren Gründen bildenden Fruchtkörper be- schränkt und es kann nur durch eine Häufung von extremen anormalen Wachs- tumsbedingungen an die Oberfläche gelangen, beim Champignon wird es nur in einer bestimmten Entwicklungsstufe im Innern des Fruchtkörpers neu gebildet und seine normale Ausbildung kommt völlig unabhängig von richtenden äußeren Ein- flüssen zustande. — Die Oberhaut ist ebenso wie bei den Polyporeen noch bei den niederen Agari- einen, wie deutlich aus den Regenerationsversuchen folet, nur die Umbildung der jeweilig an der Oberfläche liegenden Hyphen des Hutes; beim Champignon werden die Huthyphen nur in einem relativ jugendlichen Stadium zu Oberhauthyphen um- gebildet; bei den endokarpen Formen entstehen sie durch eine typische Differen- zierung durch innere Bedingung. Die Hymenialerhebungen sind bei den niedersten solche bildenden Hymeno- myceten nur unregelmäßige Faltungen der Hymenialfläche; durch regelmäßiges rand- wärts fortschreitendes Wachstum des Fruchtkörpers vermögen sie zu morphologisch differenten Gebilden zu werden, und erst dadurch, daß durch imnere Bedingungen komplizierte Hemmungserscheinungen auf die Hymenialerhebungen bildende Fläche einwirken, ist es möglich, daß der normale lamellenförmige Bau der Agaricinen zustande kommt. Wird diese Hemmung künstlich aufgehoben, muß in mechanisch notwendiger Weise die Hymenialfläche eine den niederen Formen entsprechende zahn-, netz- oder grubenförmige Bildung erzeugen. — Nur mit dieser Erläuterung wäre es möglich, die eigentümlichen Regenerations- und teratologischen Formen als Rückschlagsbildungen zu bezeichnen, daß nämlich, wenn die durch die höhere Diffe- renzierung bewirkten Hemmungen aufgehoben sind, nun die ungehemmten Bildungen einer niederen Differenzierung sich geltend machen können. Es liegt kein Grund vor, anzunehmen, daß die morphologisch niederen Differenzierungen in der Hymeno- mycetenreihe nicht in Übereinstimmung stehen mit einer phylogenetisch tieferen Stufe, ebenso wenig daß, wie Brefeld im Gegensatz zu allen anderen Mykologen, zumal de Bary, will, die Agaricinen sich aus den endokarpen Formen wie Amanıta ab- 158 Werner Magnus: leiten lassen sollten. — Hingegen muß es als sehr wahrscheinlich angesehen werden, daß, wie schon eine Reihe von Forschern aus anatomischen Gründen an- genommen hat, die anscheinend so einheitliche Agarieinenreihe polyphyletisch entstanden ist, nachdem hier nachgewiesen werden konnte, wie nur geringe, sicherlich leicht zustande kommende Umdifferenzierungen der morphologischen Eigenschaften nötig sind, die Bildung eines lamellenförmigen Hymeniums zu veranlassen. — Aber auch über den Anschluß zu den Phalloideen scheint mir das aufgefundene erste Entwicklungsstadium des Champignons wichtige Anhaltspunkte zu geben. Es be- sitzt eine auffallende Ähnlichkeit mit dem von Fischer") beschriebenen jugendlichen Zustand des Fruchtkörpers von Phallus impudieus, doch könnten über die eventuellen näheren Beziehungen, die bisher nur in der Gasteromycetenreihe bekannt, erst ein- gehende vergleichende Untersuchungen Aufschluß geben. Wie es nun zu deuten ist, daß die als formbildende Reize wirkenden äußeren Kräfte im Laufe der Entwicklung entbehrlich und durch innere Reize ersetzt werden, wie es auch sonst, wenn vielleicht auch nicht in so ausgesprochener Weise, im organischen Reich häufiger der Fall zu sein scheint, darüber lassen sich nur Spe- kulationen anstellen’). Dies mag daher unterlassen werden und es soll nur hervor- gehoben sein, daß diese Erscheinungen ebenso gut durch die Theorien einer direkten Bewirkung, wie durch eine Selektionstheorie in strengem Sinne deutbar sind. ı) Ed. Fischer, Untersuchungen zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte der Phalloiden. Denkschrift der Schweiz. naturf. Ges. Bd. 32. I. 1890. 2) Vergl. Plate, Über die Bedeutung des Darwin ’schen Selectionsprinzips und Probleme der Artbildung. 1903 S. 183 ff. {op} (SS) Fe I) (3%) Tafel-Erklärung. Tafel 8. Fig. 1—5. Agaricus campestris. und 2. Regeneration zweier Hüte, die durch einen Mediansechnitt in jugend- lichem Stadium gespalten wurden und bei denen sich beide Hälften weiter entwickelt haben. Das Hymenium hat sich größtenteils Polyporus-artig re- generiert. 1. etwa 2/1, 2. etwa 3/1. Regeneration eines etwa median geschnittenen Hutes, von dem die eine Seite abgetrennt wurde. Etwa 2/1. Regeneration des Hymeniums in grubiger Form an der Stielseite. Etwa natürl. Gr. Netzförmige Hymenialerhebungen auf einer Lamelle. Etwa natürl. Gr. Fig. 6. Collybia tuberosa. Regeneration eines gespaltenen Fruchtträgers. Tafel 9. Fig. 1—6. Agaricus campestris. und 2. Regeneration eines etwa median eingeschnittenen etwas älteren Hutes von der Ober- und Unterseite. Etwa natürl. Gr. und 4. Regeneration eines Hutes, der durch einen Horizontalschnitt ver- letzt war, von der Ober- und Unterseite. Etwa natürl. Gr. Vegetative Aussprossung auf den Lamellen. Etwas verkleinert. Positiv geotropische Krümmung der Lamellen an einem Hut, der schräg mit der Unterseite nach oben aufgerichtet wurde. Etwas verkleinert. Tafel 10. Fig. 1—15. Agaricus campestris. | Weiterentwieklung eines in älterem Stadium median eingeschnittenen Hutes. Natürl. Gr. Hyphen, die im Beginn der Hymeniumregeneration auftreten. und 4. Weiterentwicklung von Lamellen, die durch einen Tangentialschnitt durch den Hut verletzt waren. 3. Nahe dem Hutrand. 4. Nahe der Hut- mitte. Natürl. Gr. 160 Tafel-Erklärung. . 5—8. Fruchtkörperbildung in der jungen Fruchtanlage nach Medianschnitten. Etwas schematisiert. 12/1. Fig. 5. Bildung der umgekehrt napfförmigen hymeniumbildenden Schicht innerhalb einer Innenzone. Fie. 6. Die hymeniumbildende Schicht drinet bis an den Rand der Innenzone vor. Die Stielbildung beginnt. Fig. 7. Die hymeniumbildende Schicht wird in der Mitte gesprengt, der Stiel weiter- gebildet. Fie. 8. Die hymeniumbildende Schicht hat sich zu der jungen Hymenialfläche um- gewandelt, die Innenzone ist gegen die Hutoberseite nicht mehr abgesetzt, Stiel und Ring haben sich ausdifferenziert. Fig. 9. Regeneration eines im jugendlichen Stadium verletzten Hutes. Das Ringgewebe ist nicht regeneriert. Natürl. Gr. Fig. 10a und b. Junge Fruchtkörper aus umgelestem Substrat erwachsen. Natürl. Gr. Fig. 11. Medianschnitt durch einen Fruchtkörper, an dem zwei Hüte sich aus- differenzieren. Natürl. Gr. Fig. 12. Fasciation. Natürl. Gr. Fig. 13. Bildung vieler Hutanlagen an einem Fruchtkörper. Natürl. Gr. Fig. 14. Champignonrasse mit sehr dieker Basis. Natürl. Gr. Fig. 15. Der durch eme Klemme am Aufspannen gehemmte Hut sitzt einem sehr langen Stiel auf. Natürl. Gr. Tafel 11. Fig. 1—9. Agaricus campestris. Fie. 1. Regeneration des Hymeniums auf der Wundtläche emes Radialschnittes ') 4/1. Fie. 2. Regeneration des Hymeniums auf der Wundfläche eines Tangential- schnittes. 3/1. Fie. 3. Neubildung eines Vegetationsrandes an der Innenseite der Lamellen. 2/1. Fig. 4—6. Hymeniumneubildungen in Oberflächenansicht. 45/1. Fig. 4. Die nach unten zu mehr stachlige Ausbildung ist dem alten Hymenium zugewandt und geht nach oben zu in eine mehr netzförmige über. Fie. 5. Die unten netzförmigen Erhebungen gehen nach oben zu in den regenerierten Vegetationsrand mit normalen Lamellen über. Fig. 6. Netzförmig regenerierte Neubildungen, weiter entwickelt. Fig. 7. Querschnitt durch regeneriertes Hymenium. 45/1. Fig. 8. Querschnitt durch einen normalen Vegetationsrand. 45/1. Fig. 9. Oberflächenansicht eines normalen jugendlichen Hymeniums. Links Stiel, rechts Vegetationsrand. 45/1. Tafel 12. Teratologische Fälle, ungefähr natürl. Gr. Fig. 1—4. (litocybe infundibuliformis. 1. Einem Fruchtkörper sitzt umgekehrt ein anderer auf, auf dessen Stiel Fig. sich ein dritter in normaler Lage erhebt. ') Gezeichnet von Dr. S. Simon, dem ich hierfür bestens danke. Bie. 2 Fig. 4. Fig. 5. Fie. 6. er, Te Fie. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fie. 1 Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fie. 7. Fig. 3. ie, ©), Fig. 10, Tafel-Erklärung. 161 und 3. Verwachsunesstelle zweier Hüte von oben und unten. Auf der Oberseite hat sich in einer Einsenkung ein netzförmiges Hymenium ge- bildet. Netzförmige Hymeniumbildung an der gepreßten Seite. Fig. 5. Hypholoma spec. Seitlich eingefalteter Hut mit netzförmiger Hymeniumbildung. Fig. 6 und 7. Chitocybe nebularis. In der Mitte des Hutes ein Hutlappen, auf dessen Unterseite normale Lamellen stehen. Unregelmäßig erubiges Hymenium auf der Hutmitte. (Medianschnitt dieses Pilzes s. Taf. 13 Fig. 5). Fig. 6 und 7 waren vor dem Photographieren zur Untersuchung durchschnitten worden. Fig. S—10. Chtocybe dealbata. Muschelförmige, umgekehrte kleine Hüte auf der Hutoberseite. Unregelmäßige knopfförmige Erhebungen auf der Hutoberseite. Größere Hutlappen auf der Hutoberseite. Tafel 13. Teratologische Fälle. Fig. 1—5. Agarieus campestnis. und 2. Verwachsung zweier Fruchtkörper in der Hutmitte. 2. Median- schnitt. Natürl. Gr. Verwachsung zweier Fruchtkörper, «ie an schrägem Substrat erwachsen waren, mit der Hutmitte des einen an der Basis des anderen, an dem noch der Rest des Mycelstranges sichtbar. Medianschnitt. Natürl. Gr. Medianschnitt durch einen Fruchtkörper, der seitlich einen pockenartigen Auswuchs ce —(d träst, der mit netzförmigem Hymenium bedeckt ist. Natürl. Gr. Der Auswuchs in Oberflächenansicht. 3/1. Fig. 6—7. Collybia infundibuliformis. Auf den ursprünglichen Lamellen laufen senkrecht andere Lamellen. 5/1. Augenscheinlich bei der Entwieklung verletzter Hut, zu dem 6 a—b gehört. Natürl. Gr. Fig. 3. (litocybe nebularis. Mediansehnitt von Taf. 12, Fig. 7. Etwas schematisiert. Natürl. Gr. Fig. 9—12. Chitocybe infundibulformis. Schnitt durch eine junge Hymeniumneubildung auf der Hutoberseite; o— Ober- haut, d = dichtere Hyphenverzweigung, p = pallisadenartiges Gewebe, V = neugebildeter Vegetationsrand. 30/1. 11, 12. Verschiedene Neubildungsformen auf der Hutoberseite der Exem- plare von Taf. 12, Fig. S—-10. Ärchiv für Biontologie, Bd. I. & Phot. W. Magnus. Meisenbach, Riffarth & Co., Berlin- Schöneberg. W. Magnus, Über die Formbildung der Hutpilze. Archiv für Biontologie, Bd. F. Tafel 9. N Phot. W. Magnus. Meisenbach, Riffarth & Co., Berlin-Schöneberg. W. Magnus, Über die Formbildung der Hutpilze. u ) I; a “ Archiv für Biontologie, Bd. 1. Tafel 10. Phot. W. Magnus. W. Magnus, Meisenbach, Riffarth & Co., Berlin-Schöneberg Über die Formbildung der Hutpilze. Taf. 11. A Arr, eo na" AL SEE ed = W.Magnus del 2 { “x Be , E,Laus, Lith.Inst.Berlin \W.Masnus, Über die Formbildung der Hutpilze. Archiv für Biontologie, Bd. I. Tafel 12. Phot. W. Magnus. Meisenbach, Riffarth & Co., Berlin-Schöneberg. W. Magnus, Über die Formbildung der Hutpilze. Archiv für Biontologie, Ba.l. ERERER, 0 E,Laue, Lith.Inst. Berlin. W.Magnus ‚Über. ie Formbildung der Hutpilze. Br a Br A: 5 We ik: +: Prag Derr 7 er San Far . Ne Ds Bi e2 EHISIRALIDUH- ÖKONOMISCHE GESELLSCHAFT z. KÖNIGSBERG - Archiv für Biontologie. Herausgegeben von der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. I. Band, 2. Heft. - 1. Studien an bohrenden Cirripedien. (Ordnung C@ezolhozaeica Gruvel, Xodominalia Darwin). Von Wilh. Berndt. 2. Über die Anatomie der Gespenstheuschrecke Diapheromera femorata Say. Von W. 8. Marshall und H. H. Severin. Mit 10 Tafeln. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1906. Archiv für Biontologie. Herausgegeben von der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. -I. Band, 2. Heft. l. Studien an bohrenden Cirripedien. (Ordnung G@ezothozracica Gruvel, QAodominalfia Darwin). Von Wilh. Berndt. 2. Über die Anatomie der Gespenstheuschrecke Diapheromera femorata Say. Von W. S. Marshall und H. H. Severin, Mit 10 Tafeln. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1906. Tanya aa FA Pr, Studien an bohrenden Girripedien. (Ordnung Texolhorzacica Gruvel, Mdominalia Darwin.) Von Wilhelm Berndt. (Aus dem Zoologischen Institute der Universität Berlin.) I. Teil: Die Oryptophialidae. Hierzu Tafel 14—17. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1907, ERST ER li a DL a AO) Br ur Na NE Einleitung. Ich veröffentliche meine Studien an bohrenden Cirripedien, welche ich vor einigen Jahren als Fortsetzung meiner Abhandlung über Aleippe lampas Hancock begann, in zwei Teilen, weil ich erst kürzlich durch die große Freundlichkeit des Herrn Dr. Römer in Frankfurt in Besitz einigermaßen konservierten Materials von Kochlorine hamata Noll als eines Vertreters der Familie Kochlorinidae gelangt und so erst jetzt in die Lage versetzt bin, eine erschöpfendere Bearbeitung der Koch- lorinidae zu beginnen, während meine Resultate über die Cryptophialidae schon lange abgeschlossen sind. Es lagen mir: schon Materialien von Kochlorinidae, und zwar Vertreter der Gattungen Lithoglyptes und der neuen Gattung Weltneria zur Bearbeitung vor, an welchen zwar für die Systematik recht interessante Befunde gemacht werden konnten, welche sich jedoch wegen ihres schlechten Erhaltungszustandes für anatomisch- histologische Untersuchungen nicht eigneten. Indem ich also eine anatomische Untersuchung und weitere Bearbeitung der Familie Kochlorinidae, sowie einige Nachträge zur Kenntnis der Aleippidae, ferner meine Vorschläge betreffend eine systematische Neu-Einteilung der ganzen hier in Rede stehenden Cirripedien-Ordnung, sowie eine Stellungnahme zu den bisherigen Systemen, alsdann Notizen über geographische Verbreitung u. s. w. der bis jetzt bekannten Aerothoracica für den zweiten Teil meiner Studien in Aussicht nehme, will ich hier sogleieh zur Beschreibung einiger interessanten Formen übergehen, deren Studium mir dadurch ermöglicht wurde, daß mir Herr Professor Plate in Berlin in seinem Besitze befindliche chilenische Materialien in liebenswürdigster Weise zur Verfügung stellte, teils dadurch, daß mir der inzwischen verstorbene Herr Geheimrat v. Martens eine Durchsuchung der Conchylien-Sammlung des Berliner Museums nach bohrenden Cirripedien gestattete. Ich spreche Herrn Professor Plate an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aus. Berlin, im Mai 1906. u Ni gi) Familie Oryptophialidae. Die Familie der Cryptophialidae umfaßt nur die Gattung Cryptophialus, deren einziger bekannter Vertreter bisher der im Jahre 1854 von Darwin beschriebene Oryptophialus minutus Darw. war. Ich habe vor einigen Jahren in einer vorläufigen Mitteilung eine neue Spezies: COryptophialus striatus beschrieben, bin aber durch eingehendere Untersuchungen auch an einer anderen Spezies der Gattung Urypto- phialus, €. longicollatus, jetzt zu der Auffassung gelangt, daß die Merkmale, welche (. striatus von (. minutus unterscheiden, nicht zur Aufstellung einer neuen Spezies, sondern nur zur Aufstellung einer Subspezies berechtigen, welche ich ('rypto- phialus minutus striatus nenne. Cryptophialus minutus Darwin. Die von Darwin unter diesem Namen beschriebenen Cirripedien stammten sämtlich vom Chonos-Archipel an der Südküste von Chile. Sie fanden sich in sehr großer Anzahl eingebohrt in den Schalen der Schnecke Concholepas peruviana, deren Gehäuse oft gänzlich von den Bohröffnungen der Tiere durchsetzt waren. Darwin gibt eine ausführliche Beschreibung der chitinigen Hartgebilde des Tieres, von seiner Körpergestalt, seinen wichtigsten Muskeln, der Färbung und den Bewegungen des Lebenden. Auch gibt er bereits die wichtigsten Data über die höchst merkwürdige postembryonale Entwicklung und schildert das Zwergmännchen. Seine Bemerkungen sind — wegen der geringen technischen Hilfsmittel der damaligen Zeit — sehr lückenhaft. So fehlen Angaben über das Nervensystem und die Genital- organe des Weibchens gänzlich. Ich habe eine bedeutende Anzahl von Concholepas peruviana aus Chile aus der Sammlung des Berliner Museums untersucht; doch ist es mir leider nicht ge- lungen, Spuren bohrender Cirripedien in denselben zu entdecken. Jedenfalls ist das Tier nur in beschränkten Bezirken häufig. Cryptophialus minutus striatus n. SSp: Das mir von Herrn Professor Plate überlassene Material zu den folgenden Untersuchungen stammt von der chilenischen Küste, also aus der Heimat des C. minutus. Die Cirripedien fanden sich sehr zahlreich eingebohrt in einigen großen Exemplaren von Chiton magnificus. Die Schale der Mollusken war häufig gänzlich 168 Wilhelm Berndt: von den Raumparasiten durchsetzt, so daß sich die Bohrhöhlen berührten, und ich schätze die Anzahl der geschlechtsreifen (ryptophialus in einem einzigen großen Chitonen auf 5 bis 600. Die Art der Einbohrung, die Gestalt der Höhle und der zuleitenden Öffnung, deren Umkränzung durch einen schmalen Randsaum von Detritus, sind die gleichen, wie Darwin sie für C. minutus beschrieben hat. Äussere Körpergestalt. Das größte weibliche Individuum, das mir zu Gesicht kam, maß 2,2 mm, ge- messen vom obersten Winkel der Mantelöffnungsspalte bis zum kuppelförmigen Hinterende des Mantels (ef. Fig. 1). Die Gestalt des im Mantel belassenen Tieres ist die einer an einer Seite stark abgeflachten (in Fig. 1 bei D) Eiform, welche nach dem spitzen Polende hin etwas in die Länge gezogen, seitlich komprimiert und schräg abgestutzt zu denken ist. Am schräg abgestutzten Ende führt die Mantelöffnung in die Mantelhöhle (Fig. 1; 0). Der eigentliche Körper des Tieres — gestreckt gedacht — hat die Form eines schlanken Kegels mit abgeschnittener Spitze. Die Segmentierungsverhältnisse liegen nicht klar zu Tage. Darwin behauptet bei C. minutus acht Körpersegmente gefunden zu haben, wobei er nicht scharf zwischen Kopf- und Thoraxsegmenten unterscheidet und das erste deutlich um- grenzte Segment bald zum Kopf, bald zum Thorax rechnet. („The first segment of the body i. e. the last cephalie“ .) Wenn wir die zwei Antennalsegmente (deren beide Paare Anhänge hier rudimentär sind) mitrechnen, so haben wir zweifellos fünf Kopfsegmente, die miteinander zu dem plumpen Kopfteil verschmolzen sind, welcher in eine knopfartige Spitze (Fig. 1 kn), entfernt ähnlich dem „Kopfzapfen“ der Aleippe, ausläuft. Von dem merkwürdigen weidenblattförmigen Anhang des Labrums und von den drei Paaren Mundwerkzeugen wird später die Rede sein. Der auf den Kopfzapfen folgende, ventral etwas abgeplattete Hauptteil des Körpers (bis zur Umkniekungsstelle bei IV in Fig. 1) entbehrt der deutlichen Seg- mentierung. Unter zahlreichen (etwa 30 bis 35) macerierten, sonst gänzlich intakten Exemplaren waren nur einige zu finden, auf deren Chitintunica genau diejenige An- zahl transversaler Falten bestand, welche die von Darwin postulierten vier Seg- mente dieses Körperteiles anzudeuten scheinen. (Ein solches Exemplar gelangte in Fig. 1 zur Abbildung). Die fünf Falten der Chitintunica, welche diese vier Seg- mente begrenzen, waren zwar immer vorhanden; doch zeigten sich daneben meist Faltenbildungen, welche man den vorgenannten als gleichwertig hätte ansehen können, wodurch sich eine größere Segmentzahl ergeben hätte. Auch durch sorg- fältigste Untersuchung der Muskelinsertionen nach Schnittserien konnte die Seg- mentzahl nicht sicher festgestellt werden, da sich keineswegs im ganzen acht deut- liche Insertionszonen der Körpermuskulatur, sondern nur deren sechs feststellen ließen, wozu noch eine weniger als Insertionszone charakterisierte Region der Dor- salseite nahe der Ursprungsregion des Mantels kommt. Wie sich später zeigen wird, werden wir die sehr wechselnde, bezw. unbe- stimmbare Segmentzahl der Acrothoraecica nicht in allzu hohem Maße für deren Studien an bohrenden Cirripedien. 169 systematische Aufteilung herbeiziehen dürfen, und es soll daher diesem Punkte keine größere Wichtigkeit beigemessen werden. Das erste der vier undeutlichen Thoraxsegmente trägt, der Ventralseite ge- nähert, ein Paar kleiner, konischer, mit Borsten besetzter Anhänge (Fig. lcı), welche ich ihrer Stellung wegen als gleichwertig mit dem ersten Spalteirrenpaar („Mundeirren“) der übrigen Aerothoracica, und nicht mit Darwin als ein rudimen- täres erstes Paar pedes maxillares — welche bei keinem Cirriped vorkommen — ansehen möchte. Auf die vier ersten, wenig deutlichen Thoraxsegmente (Fig. 1 I-IV) folgen nun vier Thoraxsegmente, welche sehr scharf durch tiefe Einkerbungen von ein- ander abgesetzt sind (Fig. 1 V—-VIID). Das Endsegment (VIII) trägt drei Spalt- cirrenpaare (Fig 1c2, cs, c4); zwischen den Cirren der rechten und denen der linken Seite erhebt sich das Chitin zu einer kleinen firstartigen Falte oder Aufwulstung, auf der drei sehr schwache transversale Kerben bemerkbar sind. Darwin spricht diesen First als ein Äquivalent des ganzen Abdomens an; da, wie wir gesehen haben, ein Abdomen der Aleippe fehlt (und hier ebensowenig wie bei 4. caudal appendages vorhanden sind), so möchte ich mich dieser Ansicht nicht anschließen. Vielmehr stehe ich nieht an, auch hier das letzte Thoraxsegment als aus drei Thoraxsegmenten ver- schmolzen zu betrachten. Überdies spricht die Lage des Afters zwischen dem letzten Cirrenpaar gegen Darwins Meinung. Der Körper besteht also aus einem Kopfteil (fünf Segmente) und einem 'Thoraxteil. Da wir an diesem Thoraxteil vier Extremitätenpaare (auf Segment I, VII, IX, X, ef. Fig. 1) und außerdem drei deutlich abgesetzte Segmente (V, VI, VII, ef. Fig. 1) haben, so sind fraglos sieben Segmente im Thorax einbegriffen; hierzu kommt dann noch der Körperabschnitt, dessen Zusammensetzung aus drei Segmenten (II, III, IV) zwar hoch wahrscheinlich, aber nicht klar zu beweisen ist. Der Körper des (ryptophialus liegt hakenförmig umgebogen in der Mantelhöhle. Er dürfte durch seine reichliche Segmentierung äußerst biegsam und dehnbar und das Tier hierdurch in die Lage versetzt sein, seine langen Öirren zum größten Teil zur Mantelöffnung hinauszustrecken und so den Haarbesatz des ganzen Cirrus zum Einfangen der Beute in Anwendung zu bringen. Bei konservierten Tieren liegt dıe Umbiegungsstelle des Körpers in der Regel in der Region des IV.—V. Thoraxsegmentes, wodurch der Körper ein unregelmäßiges Hufeisen mit einem dieken langen (vorderen) und einem dünnen kurzen (hinteren) Schenkel bildet. In dieser („normalen“) Stellung reichen die Cirrenspitzen bis in die Mantelöffnung (Fig. 1). Der Mantel entspringt im Nackenteil des Körpers im Bereiche des I. und I. Thoraxsegmentes und umschließt den Körper in der vorbeschriebenen Form. Zu einer Ausbuchtung der dorsalen hinteren Mantelpartie in Form einer breiten, flachen Scheibe zur Aufnahme der Ovarien („Diseus“ der Alcippe) kommt es hier nicht; wohl aber erscheint die dorsale Partie des Mantels senkrecht zur Medianebene des Tieres abgeplattet, wodurch auch hier eine flach scheibenartige Bildung zu- stande kommt (Fig. 1D). Der Unterschied in der Lage der Haftscheibe von Aleippe und Cryptophialus ist also der, daß die Scheibe der Alcippe in der Richtung der Längsaxe des vorderen Körperschenkels hinausgerückt erscheint, wohin- 170 Wilhelm Berndt: gegen bei Oryptophialus die Haftscheibe in der dorsalen Region des Mantels, ober- halb des Körpers, liegen bleibt. Dadurch ist es bedingt, daß die Körpergestalt von Oryptophialus eine ziemlich konstante ist, während bei Alcippe durch das all- mähliche Vor- und Hinausrücken der in ihrer Gestalt variablen Haftscheibe mannig- fache Verkümmerungen und Verkrüppelungen der äußeren Gestalt die Regel bildeten. Würden die Haftantennen des ('ryptophialus erhalten bleiben, so würden sie nahe an dem oberen Ursprungswinkel des Mantels (also bei Y in Fig. 1) stehen. Diese Stelle entspricht der Basis des Lepadidenstieles. Die Einbohrung der jüngsten Stadien geschieht hier auf dieselbe Weise wie bei Alcippe durch ein abgesondertes Sekret, auf chemischem Wege. Die leider sehr wenigen allerjüngsten Oryptophialus-Stadien, die ich auffand, zeigten sich ebenso von einer — hier spärlicheren — hornbraunen bis gelben Masse umgeben, doch ließen sich, wegen der — im Gegensatze zur Buceinumschale — weniger über- sichtlichen, Struktur der Chitonenschale keine bündigen Schlüsse auf die Art und Weise ziehen, in der diese bräunliche Masse die Schale der Mollusken affiziert. Die einzelnen Organsysteme, sowie die besonders interessanten Teile der äußeren Bedeckung werden in den folgenden Kapiteln abgehandelt werden. Ich will hier nur noch kurz auf diejenigen Merkmale eingehen, die mich zu der Aufstellung der Subspezies (. minutus striatus veranlaßt haben. Zunächst ist, wie auf den ersten Blick aus meiner Abbildung Fig. 1 hervor- geht, die Länge der Cirren verhältnismäßig größer als bei (. munutus Darw., ferner ergibt sich im Vergleiche mit Darwins Abbildung, daß der hintere Teil des Körpers stärker entwickelt und daß die Zähnelung der Endplatte der äußeren Ver- stärkungsleiste des Mantels (Fig. 1, Ende von Ve) eine etwas andere als bei C. minutus ist. Auf die Streifung des Körpers, besonders des hinteren 'Thorax- teiles, durch zarte Chitinleisten (Fig. 1 Str) möchte ich nicht mehr so großes Ge- wicht legen, wie ich dies zu der Zeit tat, als meine vorläufige Mitteilung erschien. Ich habe nämlich diese Chitinstreifung später auch bei einer anderen Cryptophtalus- Spezies ((. longicollatus n. sp.), ja Spuren derselben auch an ganz entfernt stehenden Acrothoracica (Weltneria, Lithoglyptes, Kochlorine) gefunden, und habe jetzt zu der Überzeugung gelangen müssen, daß auch der Darwin’sche (. minutus die Streifung besitzt, umsomehr als D. an einer Stelle von „fine, transverse, tootlied scales“ spricht, die er auf der Chitintunica bemerkt hat und zur Segmentierung in Be- ziehung bringt. Auffallend bleibt immerhin der Umstand, daß jede Andeutung der Streifung in Darwins Abbildung fehlt. — Für die Aufstellung der Subspezies striatus sind die Unterschiede unserer Form von dem typischen €. minutus jedoch jedenfalls hinreichend. Ich möchte hier meinem Bedauern Ausdruck geben, daß der französische Forscher Gruvel durch Übersendung meiner vorläufigen Mitteilung veranlaßt wurde, ©. striatus als besondere Spezies in seine große Cirripedien-Monographie auf- zunehmen. Obgleich — und auf diesen Punkt werde ich leider noch des Öfteren zurück- kommen müssen — mir nur Spiritusmaterial zur Verfügung stand, so hoffe ich doch jo} fo} $) , im folgenden eine ausreichende Schilderung des anatomisch-histologischen Baues unseres Tieres geben zu können, da sich unter den mehr als 100 Exemplaren, die Studien an bohrenden Cirripedien. 171 ich genau untersuchte, immerhin doch einige fanden, deren histologische Be- schaffenheit wenig zu wünschen übrig ließ. Verdauungstract. I. Mundwerkzeuge. Die verhältnismäßig große Mundöffnung liegt ventral in einiger Entfernung vom Vorderende des Tieres als eine querovale Spalte (Fig. im, Fig. 12). Die Mundbewaffnung weicht noch weniger von derjenigen der typischen Cirripedien ab, als diejenige von Alcippe. Nur das Labrum ist in sehr charakteristischer Weise umgestaltet. Sein „lanzettförmiger Anhang“ (lancet-shaped organ Darwin) — ein Organ, das in ähnlicher Ausbildung bei.keinem Cirsipeden wieder gefunden wird — ist bereits von Darwin bemerkt und bei (ryptophialus minutus beschrieben worden; der Vollständigkeit halber seien noch einige Worte darüber gesagt. Es erhebt sich, genau über dem oberen (dorsalen) Rande der Mundöffnung, eine etwa weidenblattförmige Hautduplikatur von ganz beträchtlicher Länge (Fig. 1, Fig. 12 Ir). Beim lebenden Tier dürfte dieselbe ziemlich weit aus der Mantel- öffnung hervorgestreckt werden können. Die Ränder der Duplikatur sind durch starke Chitinleisten verstärkt; oberhalb der Anwachsstelle finden wir zwei seitliche Einkerbungen. Die Randleisten sind nicht gelenkig vom Körper abgesetzt, und sie weisen einen reichlichen Besatz von pelzartig feinen, langen Härchen auf, welche, auf etwas verdiekter Basis stehend, das ganze Organ umsäumen (cf. Fig. 1, Fig. 12). Durch Sagittalschnitte konnte ich ermitteln, daß das Organ in seinem oberen Teile etwas dicker erscheint; diese Spitzenpartie trägt besonders feine, diehte Haare (Fig. 1, Fig. 18). Im Innern des Organs erkannte ich neben den zwei — schon von Darwin beschriebenen — quergestreiften Arrektor-Muskeln (Fig. 12 mir) eine doppelte Hypodermisschicht und ein lockeres bindegewebiges Stratum; an einigen besonders gut erhaltenen Stücken sah ich einen ziemlich feinen Nerven in die Basis des Organes eintreten. Man kann wohl kaum im Zweifel sein, daß es sich hier um ein der 'Tast- funktion dienendes Organ handelt. Leider war. der Zutritt von Nerven zu den fraglichen Haaren nicht zu konstatieren, trotzdem spricht die Form und Stellung der Haare sowohl als auch des ganzen Organs für dessen Bedeutung als ein Tast- finger. Wir dürfen in ihm ein physiologisches Homologon der eigenartigen, ge- kämmten Härchenreihen am Kopfzapfen von Alcippe erblicken; auch dürfte dieser Tastfinger einen Teil der Funktion der beiden — ebenfalls mit Tasthaaren besetzten — Mundeirren der anderen lerothoraeica übernehmen, welche ohne Frage mit dazu dienen, das Tier über den Zustand, in welchem sich die Zugangsöffnung zum Mantel befindet, zu orientieren und es zu einer entsprechenden Reaktion auf drohende Schädigungen (Einreißen der überwuchernden Bryozoenrasen -durch die Haken der Kochlorinidae) zu veranlassen. — Übrigens ist hinzuzufügen, daß Gruvel den Unterlippenpalpen und andern langbehaarten Teilen der Mundbewaffnung der typischen Cirripedien Tastfunktion zugeschrieben hat. — Die eigentlichen Mundwerkzeuse sind zu drei Paaren vorhanden und wenig charakteristisch. Sie stehen weiter auseinander und sind mehr nach oben-aus- wärts gerichtet, als dies bei anderen Cirripedien der Fall. Die Mandibeln 172 Wilhelm Berndt: (Fig. 12 md) haben drei starke und zwischen diesen zwei schwächere Zähne; ihr Palpus (Fig. 1% pmd) ist, im Gegensatz zu den Mandibularpalpen der meisten Cirripedien, lang und sehmal und (wie schon Darwin bemerkt) höchst merkwürdigerweise senkrecht nach oben gerichtet. Er inseriert ein wenig oberhalb von der Basis der Mandibeln und nach außen von diesen; daß er sich, wenn man das Labrum gewaltsam vom Munde trennt, mit diesem zusammen ablöst, Ikonnte ich in ähnlicher Weise kon- statieren wie Darwin; dies spricht jedoch keineswegs gegen die Deutung der An- hänge als Mandibularpalpen. Die Maxillen (Fig. 1a mxı) sind äußerlich ähnlich wie die Mandibularpalpen gestaltet und tragen auf ihrer Kaufläche keine distinkten Zähne, sondern viele feine Borsten. Der Maxillenstiel (Fig. 1, Fig. 12: amxı) ist hier weniger ausgebildet als bei Alcippe, er tritt auch nicht mit der Körperwandung in Verbindung. Er ist am Ende etwas verdickt und rechtwinklig umgekrümmt; das umgebogene Ende ist nach eimnwärts und hinten gerichtet. Im ganzen erstreckt sich dies Organ bis etwas unterhalb der ersten Segmentalgrenze; es dient einigen schwächeren Kaumuskeln zur Insertion. Es folgen nun noch zwei Stücke von der Form eines Dreiecks (Fig. 1& pmx») welche zusammen die Mundöffnung ventralwärts abschließen. Sie stehen auf einem querlaufenden, etwas verdickten Wulst und sind mit feinen Härchen besetzt. An ihrer der Mundöffnung zugekehrten Seite verläuft eine Chitinleiste (Fig. 12 1), die ich bei anderen Cirripedien in dieser Ausbildung nicht kenne. Darwin sprach diese Organe, die sich in ähnlicher Weise bei fast allen Cirripedien finden, als zweite Maxillen an, Nußbaum und später Gruvel nannten sie „Unterlippe“, bezw. „Unterlippen-Palpen“, mit der Begründung, daß man ein der Kaufunktion nicht dienendes Organ nicht als Maxillen (mächoires) bezeiehnen dürfe. Es ist wohl kein Zweifel, daß es sich hier um die zweiten Maxillen handelt, die allerdings ihrer ursprünglichen Funktion entfremdet und zu einem ähnlichen Organ wie das Labium der Insekten geworden sind. Ob die frei vorstehenden Teile (Fig. 1a pmx2) nun die Palpen der zweiten Maxillen oder deren Kauladen sind, bleibe dahingestellt. Aus all diesem geht hervor, daß die Mundbewaffnung von Cryptophialus der- jenigen der Lepadiden und Balanen bedeutend ähnlicher ist, als derjenigen von Aleippe. Wir finden wohlausgebildete Mandibularpalpen; die Mandibeln sind stärker als die Maxillen und die hauptsächlichen Träger der Kaufunktion, der Maxillenstiel ist mäßig lang und tritt nicht mit der Körperwandung in Verbindung. Auch finden sich zwischen den einzelnen Paaren von Mundwerkzeugen nicht jene membranösen Polster wie bei Alcippe. 2. Oesophagus und Kaumagen. Der erste Abschnitt des Verdauungstraets ist bei C'ryptophialus in einer Weise umgebildet, wie dies bei keinem Cirripeden und ähnlich nur bei wenigen Entomo- straken gefunden wird. Die Beobachtungen Darwins sind nur mit Bezug auf die chitinigen Hartteile im großen und ganzen zutreffend; die Muskulatur ist nur mit wenigen Worten er- wähnt, histologische Details fehlen selbstverständlich. Es soll daher im folgenden eine möglichst erschöpfende Beschreibung dieses Anfangsteils des Verdauungstracts versucht werden. Studien an bohrenden Cirripedien. 173 a. Topographie und Lumenverhältnisse. Der Verlauf des Oesophagus ist im ganzen ein ähnlicher wie bei Aleippe. Von der Mundöffnung ausgehend, finden wir ein dorsalwärts aufsteigendes Rohr, welches sich, nachdem es fast in die Ivegion der dorsal, im „Discus“, gelegenen Genital- organe gelangt ist, umbiegt, um in der Längsaxe des Tieres weiter zu verlaufen bis zur Übergangsstelle in den Magen. Beide Teile, der ventro-dorsale sowohl als der in der Längsaxe des Tieres verlaufende, sind etwa gleich lang (ef. Fig. 1 u. Fig. 11). Den Endabschnitt des zweiten Teiles (Fig. 1K) habe ich in meiner vorläufigen Mitteilung vor der „Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin 1903, Nr. 10“ als „Kaumagen“ bezeichnet; ich möchte diese Bezeichnung beibehalten, wobei ich jedoch betone, daß es sich hier um nichts anderes als einen modifizierten Teil des Oesophagus, und nicht etwa um einen Teil des eigentlichen Darmtracts („Magens“) handelt. Die Mundhöhle (Fig. 2 os) ist sehr geräumig und erscheint im Lumen breiter als hoch, entsprechend der quergeschlitzten Form der Mundspalte. Die den Mund- werkzeugen gegenüber gelegene hintere und obere Abgrenzung der Mundhöhle („Dach“ der Mundhöhle) hat die Form einer flachgewölbten Kuppel. Die Grundform des nun folgenden Oesophagus ist diejenige eines vierkantigen Rohres, dessen vier Seitenflächen wir uns so tief eingedrückt oder eingebeult zu denken haben, daß sie innen fast zur Berührung gelangen. Das Lumen des Oesophagus muß also im Querschnitt die Gestalt eines mehr oder minder regelmäßigen vierstrahligen Sternes haben. Das Rohr ist so orientiert, daß die Symmetrieebene in eine der Achsen des (quadratisch gedachten) Querschnittes fällt (hierzu Fig. 3, 4, 7, 8, 9). Diese Grundform des Oesophagus erfährt jedoch in dessen Verlauf mannigfache und wichtige Modifikationen. Von der Mundöffnung ab verengert sich der Oesophagus beständig bis zu seiner vorher besprochenen Uhnkniekungsstelle, und in dieser Region wird das vorher vierstrahlige Lumen zu einer einfachen, engen, elliptischen Spalte (ef. Fig. 5), Der nunmehr in der Längsaxe des Tieres weiter verlaufende Oesophagus er- weitert sich jetzt wieder annähernd auf sein vorheriges Kaliber; doch wird der Querschnitt seines Lumens nicht wieder so regelmäßig vierstrahlig, sondern zeigt mannigfache Aus- und Rinbuchtungen (Fig. 6). Diesen Teil nenne ich „Hals des Kaumagens“, er nimmt etwa ein Drittel bis die Hälfte der Länge des gesamten Kaumagens in Anspruch. Hierauf tritt eine Erweiterung «les Lumens auf mindestens das Doppelte ein und die Grundform des Oesophagus, diejenige eines vierkantigen Rohres mit tief eingedrückten Seitenflächen, tritt wieder hervor (ef. Fig. 7, 5, 9). Wir sind nun- mehr zu dem eigentlichen Kaumagen gelangt. Im Grunde der von außen gesehen konkaven rechten und linken Seitenfläche des Kaumagens erhebt sich nun ein kaudalwärts höher werdender Längsgrat oder eine Längsfalte, welche nach außen hin vorspringt. Durch diese neue Einfaltung der Seitenwände werden dem vier- strahligen Querschnitt noch zwei neue seitliche Strahlen hinzugefügt, so daß jetzt der Querschnitt einem sechsstrahligen Stern mit vier langen und zwei je nach der Höhe, in der der Querschnitt geführt wurde, kürzeren oder längeren Strahlen gleicht (Biel S)) 174 Wilhelm Berndt: Der Vergleich. des Kaumagens mit einer viereckigen Schachtel (square box, Darwin), oder mit einer vierkantigen Flasche mit tief eingebeulten Flächen, kann dazu verhelfen, die höchst eigenartige — aber durch Ableitung aus dem vierkantigen Anfangsteil des Oesophagus leicht verständliche — Form dieses Gebildes deutlich zu machen (ef. Fig. 1, 12). Der Übergang des Kaumagens in den Oesophagus geschieht ziemlich unver- mittelt; die Flasche sitzt dem Magen mit ihrem offenen Boden breit auf, nachdem sie vorher eine kleine Einschnürung erfahren hat (Fig. 9, 24). b. Histologie. Bei Betrachtung der histologischen Details fallen zwei Punkte ins Auge: die hohe Differenzierung der chitinigen Intima und die eigenartige Form des Hypoderms. Die chitinige Intima des Oesophagus ist bis zu dessen Umknickungsregion von gleichmäßiger, ziemlich beträchtlicher Dieke. Wir finden ein ähnliches Verhältnis wie bei anderen Cirripiden (Fig. 2, 3, #. In der Umknickungsregion wird die Intima äußerst fein (ef. Fig. 5) und sie wird erst gegen das Ende des Kaumagen- halses hin wieder stärker. Die Grate der ins Innere des Kaumagenhalses vorspringenden Rippen oder Falten erscheinen besonders stark chitinisiert; es fallen in dieser Hinsicht haupt- sächlich die Firste zweier sich dorsal und ventral gegemüberliegenden Falten auf (Fig. 61). Von diesen, sich schon im Halsteil verstärkenden, Falten-Firsten geht die Bil- dung der äußerst kräftigen Kauscheiben an der Dorsal- bezw. Ventralseite des eigentlichen Kaumagens aus. Wie Darwin bereits vermutet hat (The [d. i. jeder von beiden] disk appears to be formed by the confluence of two smaller disks) sind im ganzen vier Kauscheiben vorhanden, zwei nebeneinander auf der Dorsal-, und zwei desgleichen auf der Ventralwandung; eine Verschmelzung (confluence) existiert jedoch nicht, die Scheiben, welche etwa Nieren- oder Bohnenform haben sind deutlich von eimander gesondert (ef. Fig. Td und Fig. 12). Die zwei Kauscheiben der Dorsalseite sowohl als auch der Ventralseite liegen auf den einander zugekehrten, abgeflachten Firsten der Dorsal- bezw. Ventralwandung; welche beiden Wandungen ja nach dem (Gesagten die Form eines ins Innere des Lumens vorspringenden Daches haben (ef. den Schnitt Fig. 7); vor und hinter den Kauscheiben befindet sich auf dem First der betr. Wandungen je’ eine tiefe Ein- senkung, welche die Kauscheiben von der übrigen Intima absetzt (ef. Fig. 11). Der große Durchmesser der (nierenförmigen) Scheiben beträgt etwa den dritten Teil der Gesamtlänge des eigentlichen Kaumagens, doch sind die ventralen Scheiben immer um ein Geringes erößer als die dorsalen. — Die Kaufläche der ventralen Scheiben ist ein wenig von hinten nach vom, diejenige der dorsalen im umgekehrten Sinne geneigt (cf. Fig. 11). Betreffs der beiden dorsalen Kauscheiben trifft Dar- wins Vermutung (they lie, I believe, at a very small angle to each other) zu, jede von ihnen ist in der Tat ein wenig gegen (die Symmetrieebene geneiet, so daß sie einen stumpfen Winkel miteinander bilden; die beiden ventralen Scheiben jedoch liegen in einer Ebene (Fig. 7). Dies letztere bezieht sich auf den Kaumagen im Ruhezustand, sowie er sich meist an konserviertem Material darstellte, Studien an bohrenden Cirripedien. 175 Die Scheiben werden durch eine Verdiekung der Intima auf das Vier- bis Fünffache ihrer vorherigen Dieke gebildet, sie sind dieht mit Zähnchen von der ‚Form kleiner abgestumpfter Kegel besetzt. In der Achse der Zähnchen glaube ich bei äußerst starken Vergrößerungen eine helle Linie, oder einen feinen Kanal zu erkennen, vermag mir über dessen Bedeutung jedoch keine Rechenschaft zu geben. Die Zähnchen der Dorsalseite dürften beim lebenden Tier in die Zahnlücken der Ventralseite hineinpassen, und umgekehrt. Die Spalte, welche die zwei dorsalen, nebeneinanderliegenden Kauscheiben von einander trennt, setzt sich auf den First der Dorsalwandung bis ans Ende des Kaumagens hin fort, das Gleiche ist in entsprechender Weise an der Ventral- wandung der Fall (Fig. 8, 9). Auch erhält sich die Intima auf diesem First noch beträchtlich verdickt. Zu beiden Seiten dieses Längsspalts steht, entlang dem First (dorsal sowohl als auch ventral) je eine dichte Reihe kräftiger, gekrümmter Härchen. Diese beiden Härchenreihen kehren einander ihre konkav eingekrümmten Seiten zu und schließen so je eine halbzylindrische Rinne ein (Fig. Sha). Auf die Dorsal- und Ventralseite zusammen kommen mithin vier Härchenreihen. Die Härchen sind ein- fach, nicht gefiedert, von der Form eines spitzen Kegels; sie stehen nicht auf ge- knöpfter Basis. Kwrz vor dem Übergang des Kaumagens in den Magen endigen die Härchenreihen in einem Büschelchen stärkerer Härchen (cf. Fig. IYhab.). Die rechte bezw. die linke Wandung zeigen weniger Differenzierung. Die durch die sekundäre Einfaltung (s. oben) auf jeder von beiden gebildeten zwei Längsgrate zeigen eine stärkere Chitinisierung; da diese Falten sehr eng (man könnte sagen, scharf eingekniffen) sind, so liegen diese Grate einander sehr genähert (Fig. 7, 8). Unterhalb der Kauscheiben-Region sehen wir auf jedem Grate eine ganz ähnliche Härchenreihe wie dorsal und ventral. Da die einander ihre Konkavseite zukehrenden Härchen auch rechts und links je eine halbzylindrische Rinne einfassen, da ferner die Spitzen der oberen rechtswandigen und der rechten dorsalwandigen, ferner die- jenigen der unteren rechtswandigen und der rechten ventralwandigen Härchen sich ziemlich genau berühren (auf der linken Seite die entsprechenden!), so sehen wir alle acht Härchenreihen des Kaumagens ein im Querschnitt etwa kreuzblütenförmiges Lumen einschließen (Fig. Sk). Die letztbesprochenen Härchenreihen der Lateral- wände endigen übrigens auch beim Übergang des Kaumagens in den Magen in un- regelmäßigen Haarbüschelchen, deren Bau von demjenigen der Vorbesprochenen nicht abweicht. Die übrige Chitinintima des Kaumagens, die zur Kaufunktion nicht in Be- ziehung steht, — d. h. die Auskleidung der vier bezw. sechs Ecken des vier- bezw. sechskantigen Rohres, ist zart; dünner als die Auskleidung des Anfangsteiles des Oesophagus. Die sechs äußeren Kanten des Kaumagens besitzen eine kräftige Chitinisierung zum Ansatz der Kaumuskeln, sie erhalten dadurch einige Ähnlichkeit mit einem Rosenkranz- oder Perlschnur-artigen Gebilde. (Letzteres war Darwin bekannt: They [outsides of the folds] have a beaded outline) (Fig. 1, 10p und 12). Die Intima hat an Stellen, wo sie besonders mächtig wird, so in den Kau- disken, eine braune Färbung, sonst ist sie gelblich bis wasserhell. 176 Wilhelm Berndt: Die Matrix dieser Intima, d.h. das Hypoderm des Oesophagus und Kaumagens, besteht durchweg aus keulenförmigen, hohen Zellen, die im der Weise zwischen einander eingeschachtelt liegen, daß sie dem Chitin bald ihr stumpfes, bald ihr spitzes Ende zukehren. Im Anfangsteil des Oesophagus ist besonders das erstere der Fall (Fig. 2, 3, . Im Kaumagenteil werden die Zellen über den Kauscheiben und den Härchenreihen ganz außerordentlich hoch (Fig. 7, S, 9), die Matrixzellen der dorsalen Kaufläche besitzen größere, und im Gegensatze zu (den ellipsoiden Kernen der ventralen Matrixzellen, kugelrunde Kerne (Fig. Thyı, hye). An der Um- kniekungsstelle (Fig. 5), wo die Intima fast verschwindet, wird auch das Hypoderm zu einer dünneren Lage kubischer und teilweise abgeplatteter Zellen. Eine Basalmembran der Ilypodermiszellen war nur im eigentlichen Kaumagen- teile nachweisbar. Im Anfangsteil des Oesophagus entbehrt das Fypoderm einer solehen, die feinsten Endverzweigungen der Radiärmuskeln treten zwischen seinen Zellen hindureh an die Ohitinintima hinan (Fig. 2, 3, 4, mr). Diese Beobachtung deekt sich mit entsprechenden Befunden Gruvels am Oesophagus der Balanen. ec. Muskulatur. Im ersten Teil des Oesophagus finden wir, was die Muskulatur anlanst, ähnliche Verhältnisse wie bei anderen Cirripedien, auch bei Aleippe. Es finden sieh Zirkwlär-, Radiär- und Längsmuskeln. Die Zirkulärmuskeln sind kurz hinter der Mundhöhle am stärksten entwickelt und werden kaudalwärts allmählich schwächer (Fig. 11; Fig. 3, 4, 5, me). Sie umgreifen «das stermförmige Lumen in Form eines Rechtecks mit abge- rundeten WBeken und zeigen sehr schöne (Querstreifung. Die eimzelnen Bündel, welche wie Ringe, (die auf einen Stab aufgereiht sind, den Oesophagus umscheiden, sind häufig durch die aufgefaserten Enden der Radiärmuskeln von einander ge- trennt (ef. Fig. 11). Im Kopfteil, gegenüber den Mundwerkzeugen und oberhalb (dorsalwärts) von dem kuppelförmigen Dache der Mundhöhle, findet sich eine Gruppe von 3—4 sehr starken Muskeln, welche von der rechten zur linken Körper- wandung ziehen und «die wegen ihrer später zu besprechenden Funktion den Zir- kulärmuskeln anzureihen sind (Fig. 2 me). Von der Umknickungsstelle des Oeso- phagus ab, also im Ilalsteil des Kaumagens, bilden die Zirkwlärmuskeln nur eine dünne Scheide um dem Oesophagus (ef. Fig. 11, Fig. 5, 6 me, mk.). Die eigentliche Kaumuskulatur ist von den ZirkwWärmuskeln herzuleiten. Wir würden uns zu denken haben, daß die Zirkulärmuskeln — die im ersten Teil des Oesophagus nicht mit dem Chitin der Intima in Berührung traten — nunmehr an den vier besonders starken, mit perlschnurartigen Verdickungen versehenen Kanten des Kaumagens zur Insertion gelangen (Fig. 7, 3, 9 mkı,2,5,4). So ent- steht auf allen vier Wandungen ein Belag von 6—8 starken, dieht nebeneinander- liegenden Muskelbündeln (Fig. 1Omkı). Dieselben sind deutlich quergestreift, locker gefüst und in der Mitte bauchig ausgebuchtet; sie ziehen senkrecht zur Längsaxe des Kaumagens von einer perlschnurartigen Kante zur anderen und bilden zusammen eine plane Decke von Muskelsubstanz, welche die Hohlrinne, als welche sich jede Kaumagenwandung (von außen her betrachtet) darstellt, nach außen hin abschließt (Fig. 10). In der Region der Kauscheiben ist eines oder Studien an bohrenden Cirripedien. 177 sind auch zwei Muskelbündel besonders stark, die letzten Bündel vor Übergang des Kaumagens in den Magen sind spärlich entwickelt (Fig. 11). Im ganzen sind die Bündel etwa doppelt so stark im Durchmesser als die stärksten Zirkulärbündel im Anfangsteil. Die lateralen Kaumuskeln zeigen insofern eine Besonderheit, als sie im zweiten Drittel des Kaumagens auch mit dem äußeren First der sekundären Einfaltung auf den Lateralwänden in Verbindung treten und hier inserieren. (Fig. 8.) — Die ganze Kaumuskulatur hat etwa die Form der Seitenwände einer vierkantigen Laterne. Die Radiärmuskeln sind in der Pharyngealreeion nur an der Dorsalseite entwickelt (Fig. 2 mr); weiterhin ordnen sie sich mehr so an, daß sie an den Lateralwänden des Oesophagus inserieren (Fig. 3 mr). In der Umknickungsregion finden sich wieder einige stärkere dorsale und ventrale Bündel (Fig. 4mr). Die Radiärmuskulatur zeist wie bei anderen Cirripedien büschelförmig aufgefaserte Enden, welche nicht mehr deutlich quergestreift sind. Von der Umknickungsstelle ab fehlt die Radiärmuskulatur völlig (Fig. 5, 6). Die Längsmuskulatur des Oesophagus ist im ganzen genommen äußerst schwach und reicht ebenso nur bis zum Kaumagenhalse. Sie tritt in Form einer dünnen Faserscheide des Oesophagus (Fig. 11 ml; in Fig. 2—4 oberhalb der Hypodermis- zellen die Querschnitte der Längsmuskulatur als feine Pünktchen hervortretend!) in Erscheinung, an der es schwierig ist, eine Querstreifung nachzuweisen. Diese soeben beschriebene Muskulatur dürfte in folgender Weise funk- tionieren. Nach vorhergehender — hier wegen der eigenartigen Lage der Mundwerkzeuge wohl nieht sehr gründlicher — Mastikation gelangt der Bissen in die geräumige Mund- und Rachenhöhle (Fig. 2 05), welche dureh Hebung ihrer Decke mittels der Radiärmuskeln (Fig. 2 mr) erweitert werden kann. Durch suecessive Kontraktion der im Kopfteile von Körperwand zu Körperwand ziehenden Muskeln (Fig. 2 me) wird nun die gewölbte Decke der Mundhöhle wieder hinabgedrückt und dadurch der Bissen in den eigentlichen Oesophagus hineingedrängst. Indem nun die den Öesophagus umfassenden Zirkulärmuskelringe (Fig. 2—5, me) sich von vorn nach hinten der Reihe nach kontrahieren, läuft am Oesophagus eine verengerte Partie gleich einer Welle hinab, wodurch der Bissen in den erweiterten Kaumagenhals gleitet. Durch Kontraktion der Radiärmuskeln (sowie in beschränktem Maße der Längsmuskeln) (Fig. 2—4 mr, 11 ml), welche als Antagonisten der Zirkulärmuskeln anzusehen sind, wird der Oesophagus wieder erweitert — somit ist der eigentliche Schlingakt vollzogen. Die im Kaumagenhalse angehäuften Nahrungsmittel werden nun durch Kon- traktionen des schwachen Zirkulärmuskelbelags desselben (Fig. 6mk) allmählich gegen und zwischen die Kauscheiben gepreßt, wobei die schon besprochene, stark verengte „Umknickungsstelle* des Oecsophagus mit ihrer Zirkulärmuskulatur (Fig. 5me) gleichsam als nach oben hin abschließender Sphinkter wirkt. Die Art, wie die Kauscheiben gelagert sind (Fig. 11d) erleichtert es, daß die Nahrungsbestand- teile zwischen sie geraten. Den Vorgang der eigentlichen Mastikation durch die Kauscheiben kann man sich am besten an Querschnittbildern veranschaulichen. Wir werden uns diesen Vor- a Wilhelm Berndt: er —1 gang mit allerhöchster Wahrschemlichkeit so vorzustellen haben, daß die dorsalen und die ventralen Wandmuskeln einerseits und die linken und div rechten Wand- muskeln andererseits als Antagonisten wirken und zwar so, daß auf eine gleich- zeitige Kontraktion der ersten Gruppe eme solche (der zweiten folet. Würden wir eine andere Annahme machen, etwa die, daß sieh alle vier muskulösen Wand- beläge gleichzeitig kontrahieren, so ist leicht einzusehen, daß sich dann die Muskeln gegenseitig in ihrer Funktion behindern würden, bezw., daß eine solche unmöglich sein würde. Dies wird nach den folgenden Ausführungen noch mehr einleuchten. Durch die gleichzeitige Kontraktion der dorsalen und der ventralen Wandmuskeln wird die dorsale rechte der dorsalen linken, ebenso die ventrale rechte der ventralen linken Kante des Kaumagens genähert: die Grate (Firste) der nach innen hin dachförmig vorspringenden Wandungen werden hierdurch ins Innere des Kaumagens vorge- schoben, einander entgegengepreßt, und dadurch zunächst die zwei nebeneinander- liegenden dorsalen auf die zwei nebeneinander liegenden ventralen Kauscheiben gedrückt. Ferner wird aber auch noch der stumpfe Winkel, den die beiden dor- salen Kauscheiben mit einander bildeten, zu einem gestreckten bezw. überstumpfen werden, desgleichen werden die ventralen Kauscheiben jetzt auf dem Querschnitt einen überstumpfen Winkel mit einander. bilden. Der Zwischenraum zwischen den vier Kauscheiben, welcher vorher etwa (auf dem Querschnitt) Dreieckform hatte, wird nunmehr sanduhrförmig werden. Auf dem Querschnitt stellen sich die Kauscheiben mit den dazugehörigen Wandungsteilen als je zwei einarmige Hebel dar, die ihren festen Unterstützungs- punkt in den aneinanderstoßenden Imnenseiten der nebeneinanderliegenden Kau- scheiben, den Angriffspunkt der wirkenden Kraft bei der Insertionsstelle der Mus- kulatur haben. Die zwischen die Scheiben geratenen Nahrungsbestandteile werden von diesen also wie von vier zu je zwei und zwei gegeneinander wirkenden Hackklötzen zer- malmt werden. Treten nun mit dem Erschlaffen der dorsalen und der ventralen Wandmuskulatur die lateralen Muskeln in Funktion, so werden die ebenso dachförmigen, aber der Kauscheiben entbehrenden linken bezw. rechten Wandungen gegeneinander vorge- drückt. Sie schieben sich wie zwei Keile gegen den Raum zwischen den Kau- scheiben hin vor, und hierdurch werden die Nahrungsbestandteile, welche etwa während des Zurückkehrens der Kauscheiben in ihre vorherige Lage [d. h. während der sanduhrförmige Zwischenraum wieder zu dem dreieckigen wird] über die Ränder der Kauscheiben seitwärts hervorquellen könnten, immer wieder zwischen diese ge- preßt. So arbeiten die Seitenwandungen also den dorsalen bezw. ven- tralen Wandungen gewissermaßen in die Hände. In diesem Teile des Kaumagens dürfte die Firstfalte der lateralen Wandungen nur. dazu dienen, denselben ein ausgiebiges Gestaltsveränderungsvermögen zu sichern. Wir kommen nun zu dem letzten Teile des Kaumagens mit den acht Härchen- -reihen, welche zusammen ein kreuzblütenförmiges Lumen einschließen (Fig. Sk). Bei Kontraktion der dorsalen und der ventralen Wandungsmuskeln (erste Phase) weichen die beiden dorsalen und die beiden ventralen Härchenreihen auseinander Studien an bohrenden Cirripedien. 179 (sie öffnen sich wie die Branchen einer Zange) und bewegen sich dabei zu je zwei und zwei einander entgegen, ähnlich wie vorher die dorsalen Kauscheiben auf die ventralen gepreßt wurden. Gleichzeitig werden die beiden linken und die beiden rechten Härchenreihen sich gegen einander neigen (die Branchen der lateralen Zangen sich schließen) und die linke und rechte Wandung mit ihren je zwei Härchenreihen werden sich von einander entfernen. Natürlich führt Kontraktion der lateralen Muskelgruppen (zweite Phase) Bewegungen der zu je zwei und zwei eine Zange bildenden Härchenreihen im entgegengesetzten Sinne herbei: die lateralen Zangen schieben sich, sich öffnend, ins Innere des Kaumagens hin vor, während die dorsalen bezw. die ventralen Zangen sich schließen und nach außen hin zurückweichen. Die vier Zangen reichen sich mithin das zwischen ihnen angehäufte Material abwechselnd zu, wodurch ihre Funktion, die Durchmengung der von den Kauscheiben zerkleinerten Nahrungsmittel, zu einer äußerst ausgiebigen ge- staltet wird. Schließlich wird der feine Nahrungsschlamm von den vier Bürstenbüscheln, in welche die Härchenreihen auslaufen (Fig. 9hab), nochmals gründlich durchmischt und gelangt dann in den Magen, wo die eigentliche Verdauung beginnt. Zu bemerken ist noch mit Bezug auf die Figuren, daß, da sie nach konser- viertem Material gezeichnet sind, die vier bezw. sechs schmalen Hohlräume oder Spalten in den Winkeln des Kaumagens durch Wirkung der Konservierungsmittel (Schrumpfung der Matrix) erweitert erscheinen dürften. 3. Der eigentliche Verdauungstract. a. Topographie. Die Topographie des übrigen Verdauungstracts habe ich schon in meiner vor- läufigen Mitteilung vor der Gesellschaft naturforschender Freunde kurz abgehandelt, muß aber der Vervollständigung halber hier noch näher auf dieselbe eingehen und habe auch noch einiges zu berichtigen. Der auf den Kaumagen folgende Teil, der eigentliche Magen, hat die Gestalt einer in dorsoventraler Richtung etwas abge- platteten Birne. Die beiden stumpf-konischen Ausläufer, die er neben den Kau- magen nach oben entsendet, haben eine beträchtliche lichte Weite, im unteren Teile etwa °/s der Weite des Magens. Die oberen Kuppen dieser Ausläufer liegen neben oder etwas unter der engsten Stelle des Oesophagus (Schnittebene 5 in Fig. 11). Die Länge der: Ausläufer kann beträchtlich variieren (junge Tiere haben die kürzesten Ausläufer), — auch sind sie unter sich nicht gleich lang. Wie aus der oben gebrauchten Bezeichnung konisch hervorgeht, sitzen die Ausläufer dem Magen ganz breit, ohne vorherige Einschnürung, auf, und zwar genau in gleicher Höhe mit dem Kaumagen. Auf einem Frontalschnitte hat der Magen eine etwas verzerrte Herzform, die Ausläufer bilden die Herz-Ohren, der Kaumagen liegt zwischen den Ohren in der Kerbe des Herzens. Hiermit ist schon ein bedeutender Unterschied zu den vielfachen Ausläufern und Ausbuchtungen am Magen der typischen Cirripedien gegeben. Diese münden stets mit mehr oder minder verengter Mündung in den Magen ein, erscheinen mehr sackartig abgeschnürt.(culs de sac), oder gar, wie bei Pollicipes (Nußbaum) nur durch einen engen Ausführungsgang mit dem Magen verbunden. Archiv für Biontologie. I. (2). 06. >) 180 Wilhelm Berndt: Ganz allmählich verjüngt sich jetzt der Magen, um mit mehr kreisförmigem Querschnitt in den sogenannten „Mitteldarm“ überzugehen. Eine deutliche Pylorus-Einschnürung besteht hier ebensowenig, wie bei den meisten anderen Cirripedien; ich würde die Bezeichnung „Magen“ hier nicht gewählt haben, und überhaupt aus vergl.-anatomischen Gründen die Abtrennung dieses Abschnittes ganz unterlassen, wenn nicht sämtliche Autoren. bis jetzt nur das letzte Ende des sezernierenden bezw. resorbierenden Darmtracts der Cirripedien als „Mitteldarm“ bezeichnet hätten. Zwar hat Nußbaum schon darauf hingewiesen, daß in Analogie mit höheren Krebsen der ganze nicht mit Chitin ausgekleidete Teil des Tractes auch hier „Mitteldarm“ zu nennen sei; trotzdem setzt er „Magen“ und „Mitteldarm“ in Gegensatz; Gruvel nimmt in seiner letzten großen Monographie zu der Frage nicht Stellung, bezeichnet aber an einer Stelle den Mitteldarm mit dem Rektum zusammen als „intestin proprement dit“ — es würde hier zu weit führen, die Frage eingehender zu diskutieren. Der im Querschnitt kreisförmige Mitteldarm verjüngt sich weiter bis zu einer starken Ringfurche, welche wir ein wenig oralwärts von der Umknickungsstelle im längern Schenkel des hufeisen- förmigen Körpers antreffen. Ich habe auch Exemplare gesehen, bei denen die Ring- kerbe ziemlich genau in der Gegend der größten Krümmung lag, halte jedoch dieses Verhalten für eine Ausnahme. Diese tiefe rinsförmige Einkerbung (Fig. 15 Sp) des Verdauungstracts, welche, wie sich später zeigen wird, als Sphinkter funktioniert, trennt auch rein äußerlich dessen letzten Abschnitt, das Rectum, deutlich ab. Dieses ist stark seitlich komprimiert, und im Lichten enger als der Mitteldarm; nur auf Sagittalschnitten (Fig. 15 Re) erscheint es als enorm weit. Der Querschnitt des Rektums ist nämlich halbellipsenförmig, die halbierende (kleinere) Achse der Ellipse liest dorsal. Die längsgestellte große Afterspalte liest zwischen dem letzten Cirren- paar, schräg zur Hauptachse. b. Histologie. Nur das Epithel des im vorigen als Magen bezeichneten Abschnittes (Fig. 14) dürfte im ganzen ähnlich dem der meisten anderen Cirripedien sen. Es besteht aus hohen, schmalen Zylinderzellen (Fig 14cz), welche ein fein-sranulöses Proto- plasma und etwas dem distalen Ende genäherte große Kerne mit schönem Nucleolus zeisen. Um den Kern herum finden sich Ansammlungen dunklerer Granula. Der Abschluß der distalen Enden gegen das Magen-Lumen wird durch eine dunkle Schicht von verklebtem Detritus gebildet (Fig. 14 s), in welcher ich bei histologisch einigermaßen einwandfreien Stücken eine feine, den Längsachsen der Zellen parallele Streifung mit vollkommener Deutlichkeit erkenne. Ich zweifle durchaus nicht daran, daß es sich hier um den „Fransenbesatz“ handelt, den Nußbaum an den Darm- epithelien der von ihm untersuchten typischen Cirripedien nachgewiesen und deutlich abgebildet hat. Es ist mir dieser Befund von besonderer Wichtigkeit, da, wie er- innerlich, der Stäbchen- (nach Nußbaum: Fransen-)besatz, in dieser Form wenigstens, bei Alcippe fehlte. Gehen wir vom Magen oralwärts in die beiden Ausläufer, so sehen wir, wie die Epithelzellen niedriger, mehr kubisch, werden (Fig. 13 cz). Zwischen diesen Epithelzellen’ treten schon auf der Höhe der Abtrittsstelle der Ausläufer vereinzelte, große Zellen von durchaus anderer Beschaffenheit auf Studien an bohrenden Cirripedien. 181 (Fig. 13 1z). Diese sind den hepatopankreatischen Zellen der Alcippe so ähnlich, daß ich hier nur auf meine bei jener Form gegebene Beschreibung verweisen will. Besonders schön und deutlich sind die Sekrettröpfehen im distalen Teil der Zellen, ferner der große, bläschenförmige Kern mit Nucleolus, welcher fast an die Kerne von Eizellen erinnert. Der Stäbehensaum fehlt bei diesen Zellen; er war schon auf den mehr kubischen Zylinderzellen niedriger, schwer nachweisbar. — Je höher wir oralwärts in die beiden Ausläufer hinaufgehen, desto häufiger werden die in das kubische Epithel eingestreuten hepatopankreatischen Zellen; während sie in der Region, wo sie überhaupt zuerst auftreten, nur etwa 's bis '/ı aller Epithelzellen ausmachen, bilden sie in den obersten Kuppen der Ausläufer fast deren alleinige Auskleidung. Es ist hinzuzufügen, daß das ganze Magenepithel unregelmäßig gefaltet ist und mannigfache kleinere Vorsprünge und Rippen zeigt. Verfolgen wir nun den Magen weiter kaudalwärts, so sehen wir in der Gegend, wo er sich mit kreisförmigem Querschnitt in den Mitteldarm zu verjüngen beginnt, das hohe Zylinderepithel niedriger werden und sich zu einer flacheren Zellage (Fig. 15 mdz) ausbreiten. Zunächst pflegt dies auf der Ventralseite der Fall zu sein. Die Zellgrenzen werden undeutlicher, das Protoplasma ist stark mit dunkelen Granulis beladen, die Kerne sind groß, wenig chromatinreich, ohne Nucleolus. Der Stäbehensaum schwindet, doch besteht keine Chitinauskleidung. Die vorher erwähnte Sphinktereinschnürung vor Beginn des Rektums ist histo- logisch merkwürdig (Fig. 15 Sp). — Das Epithel springt plötzlich in unregelmäßigen Knollen und Wülsten in das stark verengte Darminnere vor (Fig. 15 spz). Die Wülste sind aus hohen, ganz schmalen Zylinderzellen zusammengesetzt, deren helles Protoplasma scharf gegen das dunkelkörnige des vorhergehenden Abschnittes ab- sticht (ef. Fig. 15). Der Kern dieser Zellen ist sehr chromatinreich und liest fast am distalen Ende. In den Furchen zwischen den Wülsten finden sich niedrigere Zellen von ähnlichem Charakter. Auf die Sphinktereinschnürung folgt das Rektum (Fig. 15 Re). Sein Epithel ist wenig charakteristisch, ein flaches Zellager mit undeutlichen Zellsrenzen und chromatinreichen Kernen; die auskleidende Chitinintima, im oralen Teil äußerst fein, wird analwärts stärker und geht in der Afterspalte mit etwas verstärkten Rändern in die äußere Körperdecke über. ec. Muskulatur. Mit Bezug auf die Muskulatur des ganzen eigentlichen Verdauungstracts vom Kaumagen ab sei bemerkt, daß der Belag mit Zirkulär- sowohl als auch Längs- muskeln (Fig. 15ml) ein äußerst feiner und manchmal schwer nachweisbarer ist. Die Kleinheit des Untersuchungsobjekts fällt hier wesentlich ins Gewicht. Deutlich sind in der Sphinkterpartie zahlreiche Bündel (undeutlich gestreifter) Zirkulärmuskeln (Fig. 15 me), sowie, besonders an der Dorsalseite dieser Region des 'Tracts, einige kräftige Dilatatoren (Fig, 15 mdi). Schwächere Dilatatoren finden sich ferner am Rektum; die Afterspalte besitzt im dorsalen Teil zwei von der Körperwand zur Wand des Rektums ziehende, schön gestreifte fächerförmige Muskelbündel, die als Dilatatoren funktionieren dürften. Ein ringförmiger Sphincter I* 182 Wilhelm Berndt: ani wurde nicht bemerkt; die durch die Dilatatoren erweiterte Afterspalte schließt sich wieder infolge der Elastizität ihrer besonders starken Chitinauskleidung. Was nun schließlich die von Cryptophialus aufgenommene Nahrung anlangt, so kann als gesichert gelten, daß dieselbe auffallend viele Hartteile enthält. Bei in Kalilauge vollkommen ausmazerierten Stücken (Fig. 1) fanden sich im Oesophagus sowohl als auch im Kaumagen und Mitteldarm dunkle Massen (Fig. 1 ko) an- gehäuft, in denen deutlich Trümmer und Splitter organisierter Kieselteile zu er- kennen waren. Im Mitteldarme waren die Nahrungsmassen zu Kotballen von rotationsellipsoidischer Form zusammengeballt (cf. Fig. 1). Durch Säure waren die Hartteile nicht zu zerstören, so daß also nicht an Kalkbestandteile zu denken ist. Ich bin der Ansicht, daß es sich im wesentlichen um Teile von Kieselalgen handelt, beabsichtige jedoch, im Laufe späterer Untersuchungen auf diesen Punkt noch näher einzugehen. Nachdem ich so den Verdauungstract als das eigenartigste Organsystem dieser Gruppe so eingehend wie möglich studiert habe, wende ich mich dem zweiten vege- tativen Organsystem, dem Genitaltract zu. — Die schon von mir mitgeteilten Befunde über die Topographie des Genital- tracts seien hier etwas ausführlicher rekapituliert. Im dorsalen, diskusartig (s. oben) abgeplatteten Teile des Mantels finden sich die beiden langen, einfachen und vollkommen von einander gesonderten Ovarialtuben. Sie reichen vom obersten Winkel des Mantel-Ursprungs bis in das kuppenartig abgerundete untere Mantelende. Eine gewisse Ähnlichkeit dieser Verhältnisse mit denen, welche Hoeck und später Köhler für Scalpellum und Dichelaspis beschrieben haben, liest klar zu Tage. Auffallend erscheint die große Verschiedenheit der Ovarialbildung von (ryptophialus zu derjenigen von Alcippe; letztere Form zeigt mit ihren mannigfach verzweisten und mit einander verstrickten Eischläuchen eine viel größere Annäherung: an den Lepadiden-Typus und die Balanen. Was die ausleitenden Wege anlangt, so entspringt jeder der beiden Ovidukte dem oberen Ende seiner Ovarialtube stark genähert und zeigt prinzipiell einen ähnlichen Verlauf und eine ähnliche Ausbildung wie bei den übrigen Cirripedien. Beide Ovidukte wenden sich kurz nach ihrem Austritt aus dem Ovar nach einwärts und nähern sich einander, um eine kurze Strecke weit hart nebeneinander zu ver- laufen; alsdann ziehen sie schräg nach unten, umgreifen den Magen in der Region seines größten Durchmessers (kurz unter dem Ende des Kaumagens) halbbogen- förmig, wobei sie nur etwa den dritten Teil des Magenumfanges in der Ventral- region freilassen; dann wenden sie sich wieder nach außen, um nach Beschreibung einer kleinen, nach unten gewendeten hakenförmigen Schlinge in das „Atrium des Ovidukts“ und durch dieses in einer schrägen Spalte mit minimalen Lippenwülsten auszumünden. Diese Spalte (Vaginalöffnung) war an Gesamtpräparaten und Ma- zerationspräparaten sehr schwierig aufzufinden und nur durch die Schnittmethode erkennbar, sie liegt erheblich unterhalb des ersten „Cirrenrudiments“, der Ventral- seite genähert. Studien an bohrenden Cirripedien. 188 Was die äußere Gestalt des Ovars betrifft, so sei hinzugefügt, daß sie je nach dem Zustande, in dem sich die vom Ovar erzeugten Produkte befinden, sehr ver- schieden ist. Das Ovar ist bald in seiner oberen, bald in seiner unteren Region durch die enorm großen Eier bauchig aufgetrieben, ‚so daß nicht etwa von einer bestimmten, etwa Birnform, der Ovarialtuben die Rede sein kann. Histologie. Mit Bezug auf die Histologie der ausleitenden Wege sei das Folgende bemerkt. Die eigentlichen Ovidukte bieten im Vergleich mit andern Cirripedien kaum Be- sonderheiten dar, und ich brauche hier nur auf die neueren Arbeiten von Nuß- baum, Gruvel u. A. hinzuweisen. Das „Atrium des Ovidukts“ (Fig. 17), das Organ, das als „auditory sac“ der Cirri- pedien so lange einen Streitpunkt der karzinologischen Forschung bildete, ist in einigen Punkten näherer Beachtung wert. Seine Gestalt ist ähnlich wie bei Alcippe die- jenige einer verkrümmten (oder eingeknickten) Birne, deren dieker Teil nach unten außen, deren spitzer Teil nach oben innen sieht. Die Kelchzellen, welche es aus- kleiden, sind ungemein groß und wenig zahlreich (besonders im Vergleich mit den- jenigen von Alcippe); sie haben mehr die Form eines gewöhnlichen Zylinderepithels, etwa desjenigen des Magens von (ryptophialus (ef. Fig. 17 Kz). Ihre Kerne sind sehr groß, fast kugelrund und zeigen deutlichen Nucleolus; die bindegewebige Tunica propria (Fig. 17 tp), auf der sie aufruhen, ist sehr zart und zeigt keine deutlichen Kerne. Die Vagina — deren Wandungen (Fig. 17 v) im wesentlichen mit den Wandungen des Körpers (Fig. 17 Kw) übereinstimmen, ist mit einer zarten Chitin- lage ausgekleidet, welche sich nach dem Atrium hin verliert. Im Innern des Atriums fand ich stets nur ein zartes, unregelmäßig strukturiertes Gerinnsel (Fig. 17 d), ich halte dieses für das erste Stadium des in Bildung begriffenen Eiersackes. Ich halte dafür, daß bei sämtlichen von mir untersuchten Exemplaren die Oogenese noch nicht ganz abgeschlossen war, und daß somit ein fertig ent- wickelter Eiersack im Atrium nicht erwartet werden durfte. Die Frage der Oogenese sei hier nicht zu eingehend behandelt, die erst ganz kürzlich erschienene Abhandlung Gruvels (Monographie des Cirrhipedes, 1905) erschöpft dies Thema fast vollständig. Es konnten jedoch einige wenige neue Gesichtspunkte für unsere Form gefunden werden, und es möge daher eine kurze Zusammenfassung meiner Resultate auch mit Bezug auf die Eibildung hier folgen. Die Ovarialtuben haben eine mäßig starke Tunica propria (Fig. 16 mpr), welche sich als eine Schicht stark verfilzter Bindegewebsfibrillen mit hier und dort ein- gestreuten, abgeplatteten Kernen darstellt. Diese Tunica propria setzt sich direkt in die äußere Begrenzung der Ovidukte fort und ist als ein Derivat der straffen Bindegewebszüge der Diskusregion anzusehen. Einwärts von dieser Schicht treffen wir das Lager der Germinativzellen. Dieses ist ein sehr unregelmäßiges Netzwerk protoplasmatischer Ausläufer, in dessen Knotenpunkten die Kerne liegen. Es war mir bei dieser Gruppe besser als bei Alcippe möglich, diese Verhält- nisse zu überblicken, und ich bin nun von der Existenz der Ausläufer überzeugt. 184 Wilhelm Berndt: Die Kerne der Germinativzellen (Primordialzellen Köhlers und Gruvels) sind kugelförmig, blaß, mit wenig Chromatinbröckchen. Die Maschen des Netzwerks sind in der Mitte (Achse) der Ovarialstränge sehr groß, locker; an der Wand der- selben treffen wir ein einigermaßen kontinuierliches Lager von Oogonien. (Fig. 16g2:.) In einer Region nun des Ovars, welche meist dem oberen Ende genähert liegt, trifft man bei allen geschlechtsreifen Exemplaren eine wandständige Anhäufung von bis zu 50 und mehr chromatinreicheren, schärfer kontourierten Kernen (Fig. 16 822), welche ich (in Anlehnung an die für andere Entomostraken ge- bräuchliche Ausdrucksweise [Claus, Cladoceren]) das Keimlager nennen will. Das Keimlager (Fig. 16 Kl) ist eine distinkte Gruppe von Zellen, deren Proto- plasma nicht mehr netzartige Ausläufer aussendet, sondern einen einfachen, fein granulösen Klumpen ohne Zellgrenzen darstellt. Man könnte es als ein Syneytium bezeichnen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß dieses Keimlager den typischen Zell- häufehen in den Ovarialtuben der Lepadiden entspricht, welche nach übereinstim- mender Ansicht der Autoren aus der Teilung einer einzigen Germinativzelle ent- stehen (amas de cellules, renfermant dix a vingt cellules tres serrees, Köhler), und welche Häufchen von Ovula im allerjüngsten Entwicklungsstadium vorstellen. Auffallend ist hier, daß sich immer nur ein volles Keimlager findet, während doch sonst immer gleichzeitig viele dieser typischen Zellhäufchen in den verschiedenen Ovarialschläuchen auftreten (vergl. auch die Figuren Köhlers, Gruvels u. a.). Vielleicht hängt dies mit der geringen Anzahl der von dieser Form gebildeten Eier zusammen; jedenfalls wäre es voreilig, von der immer noch nicht genügenden An- zahl der untersuchten Exemplare auf alle möglichen Fälle schließen zu wollen. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, daß die Bildung des Keimlagers hier von nur einer Germinativzelle ausgeht, sondern halte dafür, daß eine Gruppe von 3 bis 4 hieran beteiliet ist. Die Zellen sind selbstverständlich gleichaltrig. Ich konnte sehr gut verfolgen, wie sich von der peripheren Region dieses Keimlagers die in Bildung begriffenen Ovula (Fig. 16 gzs3) ablösten; in den Kernen dieser Ovula wurde ein deutlicher Nucleolus sichtbar, und das Chromatin ordnete sich in Zügen und Strängen an. Manchmal sah ich mitotische Teilungen im Keim- lager; in den übrigen Zellen mit netzartigen Protoplasmaausläufern bemerkte ich sie nicht. Das Plasma der Ovula war zunächst gleichmäßig, wenig granulös und stark färbbar (Fig. 16 01), dann bildete sich um den Kern herum eine vakuoläre Zone aus (Fig. 16 02) und später erhielt das Ei durch Einlagerung der Dotterelemente (Fig. 16 vi) und das Bestehenbleiben der Vakuolen (Fig. 16 va) das typische schaumige Aussehen der meisten Cirripedieneier (Gruvel) (Fig. 16 05). Ich fand die gleichen Eibestandteile wie Köhler und Gruvel und will mich daher nicht weiter über diese Funde verbreiten. Das Vorhandensein einer feinsten Follikelmembran (Fig. 16 fo), von Hoeck und Köhler geleugnet, kann ich bestätigen, leider jedoch ohne genauere Angaben über deren Ursprung machen zu können. Gruvel glaubt sie aus denjenigen Ovarialzellen herleiten zu müssen, die nicht zu Ovula werden; ob er damit das Netzwerk von Germinativzellen meint, welches ja stets das ganze Ovar erfüllt; Studien an bohrenden Cirripedien. 185 oder ob er auch die umgebildeten Zellen der Keimlager für die Follikelbildung in Anspruch nimmt, ist mir nicht ganz klar geworden. Für Cryptophialus bin ich der bestimmten Meinung, daß jede Zelle des Keimlagers zum Ovulum wird. — Die Möglichkeit, daß es sich um eine Eimembran ohne zellige Struktur handelt, ist bei den großen technischen Schwierigkeiten die sich dem Studium des fraglichen Gebildes entgegensetzen, nicht ganz von der Hand zu weisen. Ich habe, nachdem ich die äußere Übereinstimmung der Lagerung und Gestalt des Ovars mit derjenigen bei Scalpellum konstatiert hatte, aufs sorgfältigste auch nach Ähnlichkeiten in der Oogenese beider Formen gesucht und war enttäuscht, die interessanten Befunde Gruvels für Scalpelle an meiner Form nieht bestätigen zu können. Jedoch fehlte die charakteristische Struktur des Scalpellumeies, soweit ich sehen konnte, vollkommen; weder von der „zone plus claire qui emet des prolongements radiaires“, noch von der Phagocytose und Histiolyse war der Nach- weis zu erbringen. Trotzdem mir nicht alle Stadien der Oogenese zur Verfügung standen — in den weitaus meisten Ovarien fanden sich nur das Keimlager, das kleinste Ovulum mit noch nicht vakuolärem Protoplasma, und das fast vollausgebildete Ei — so hoffe ich doch, zu einer richtigen Auffassung, dieses Vorganges gelangt zu sein. Ich verfehle jedoch nicht, hier zu betonen, daß ich die große Wichtigkeit der Gruvelschen Entdeckungen nicht m Zweifel ziehe. Das Nervensystem, In meiner vorläufigen Mitteilung habe ich die Topographie des Nervensystems bereits in großen Zügen dargestellt; nach eingehenderer Untersuchung, besonders sorgfältiger Rekonstruktion nach Schnittserien, haben sich jedoch diesbezüglich noch viele neue Details ergeben; auch sind einige Ungenauigkeiten zu berichtigen. Das Nervensystem der Cryptophialidae ist noch nicht beschrieben worden. — Für die technischen Schwierigkeiten, welche dieser Teil der Untersuchung bot, gilt das für Aleippe Gesagte in noch höherem Maße, da wir es hier mit wesentlich kleineren Objekten zu tun hatten, und da viele Stücke hinsichtlich der Konservierung zu wünschen übrig ließen. Im ganzen genommen nimmt das Nervensystem zwischen den beiden Haupt- typen von Cirripedien-Nervensystemen — dem Balanen- einerseits und dem Lepa- didennervensysteme andererseits — eine Mittelstellung ein. ‚Wir finden ein Hirn-Doppelganglion (Supraösophagealganglion) und eine sehr kurze Ventralganglienkette aus zwei in Größe und Gestalt erheblich verschiedenen Ganglien (cf. Fig. 18). Das Hirn-Doppelganglion (Fig. 18 Ce) liegt genau oberhalb der Stelle, wo der Oesophagus in den Kaumagen übergeht; es liegt dem Oesophagus dicht auf und umgreift dessen Dorsalseite halbkreisförmig. Es besteht aus zwei keulenförmigen Hälften, welche durch eine kurze, gebogene Kommissur mit einander verbunden sind; die stumpfen Enden der Keulen sind nach ventralwärts-unten gerichtet; von ihnen treten die Schlundkonnektive ab. Diese ziehen in weitem Bogen zunächst eine Strecke genau ventralwärts, dann überschreiten sie die ventrale rostralwärts gelegene Kante des Kaumagens, nähern 186 Wilhelm Berndt: sich einander, und verlaufen nahe bei einander noch eine Strecke in rostro-kaudaler Richtung (ef. Fig. 18 s). Sind sie so etwa bis in die Höhe des letzten Drittels des Kaumagens gelangt, so verschmelzen sie miteinander zu der oberen, dorsoventral abgeplatteten Spitze des ersten großen Ventralganglions, oder Subösophagealganglions (Fig. 18 Vı). Dieses ist von seiner oberen Spitze bis zum Übergang in die beiden Konnektive der Ventralkette gemessen etwa von der Länge der inkrustierten Seiten- kanten des Kaumagens, doch wechseln diese Maßverhältnisse bei den verschiedenen Exemplaren etwas. Die ventralen Konnektive (Fig. 18 con) sind (in den meisten Fällen) etwa so lang wie das soeben beschriebene Ganglion, sie sind ziemlich stark; der fraglos vorhandene intermediäre Nerv konnte wegen der Kleinheit des Objekts nicht konstatiert werden. Das zweite Ventralganglion (Fig. 18 V2) ist etwa so lang wie das erste; sein unteres abgerundetes Ende liest stets an der Umknickungsstelle des Körpers. Mit Bezug auf die äußere Form der Ganglien ist folgendes zu bemerken. Das große Subösophagealganglion ist bedeutend massiger als das zweite Ven- tralganglion (ef. Fig. 20). Es hat die Form einer Spindel, welche in dorsoventraler Richtung abgeplattet ist, so daß sich ein elliptischer Querschnitt ergibt (Fig. 19 A) Die Konnektive zum zweiten Ganglion treten mehr dorsalwärts ab, dadurch erscheint die untere ventrale Partie etwas kuppenförmig aufgetrieben (cf. Fig. 20 Vı). Seine größte Dicke besitzt das Ganglion etwa in Höhe seines oberen (nach den Schlund- konnektiven hin liegenden) Drittels. Das zweite Ganglion ist schlanker und im Querschnitt mehr kreisrund. Seine größte Dicke erreicht es gegen sein unteres kaudales Ende hin, wodurch eine schlanke Birnform zustande kommt. Im unteren Teile ist eine geringe Abplattung in dorsoventraler Richtung konstatierbar. Der größte Durchmesser des zweiten Ventralganglions ist etwa ?/; vom größten Durchmesser des ersten Ventralganglions. Von peripheren Nervenstämmen konnte ich die folgenden konstatieren: Von der rostralen Seite eines jeden der keulenförmigen Hirnganglien geht je ein starker Nerv aus (Fig. 13np), welcher in ventro-dorsaler Richtung in die Re- gion der Ovarien und des „Diskus“ geht. Ein ganz homologes Nervenpaar fand ich bei Alcippe und bezeichnete es schon dort als den Pedunkulus-Nerven der Lepadiden entsprechend. Ein den Optici der Lepadiden entsprechendes Nervenpaar dürfte fehlen. Die beiden von den Schlundkonnektiven abgehenden Nerven (Fig. 18 nı), sowie die beiden Nervenpaare, welche vom ersten Ventralganglion entspringen (Fig. 18n2, ns) und endlich das vom zweiten Ventralganglion abgehende Nerven- paar (Fig. 18n«) konnten nicht immer bei allen Exemplaren mit Sicherheit fest- gestellt werden. Sie dürften in ähnlicher Weise wie bei Alcippe zur Innervation der Mundwerkzeuge, der Muskulatur des Verdauungstracts und der Körpermuskulatur dienen. Über ihren peripheren Verlauf können erst Arbeiten mit vorzüglich konserviertem und nach neuesten Methoden (Lebendfärbung) behandeltem Material zuverlässigen Aufschluß geben. Vom kaudalen, kuppenförmig abgerundeten Ende des zweiten Ventralganglions schließlich entspringen noch zwei Gruppen von je drei starken Nerven, welche ich ein weites Stück in den Thorax hinein verfolgen konnte und die ich mit Sicherheit als Cirrennerven ansprechen kann (Fig. 18, 20, ne). Studien an bohrenden Cirripedien. 187 Histologie. Die vier wichtigsten histologischen Elemente, welche die Nervensysteme der übrigen Cirripedien zusammensetzen, finden sich auch hier in derselben Weise wieder. Es sind dies: Ganglienzellen (cellules nerveuses Gruvel), Primitivtuben, Punktsubstanz und Neurilemm. Die Verteilung dieser Elemente im Zentralnerven- system ist eine ganz entsprechende wie ich sie schon bei Alcippe ausführlich be- schrieb, und wie sie überdies durch die Arbeiten zahlreicher Autoren hinreichend klargelegt ist. An den Wurzeln der Nervenstämme kann ich mit Sicherheit etwas größere Ganglienzellkerne wahrnehmen (Fig. 20 822), diese dürften den Ganglien- Riesenzellen (cellulus geantes Gruvel) anderer Cirripedien homolog sein. Im Sub- ösophagealganglion ist der periphere Belag mit Ganglienzellen an der ventralen Seite stärker als an der dorsalen (Fig. 20, 19 A; Vı), im zweiten Ventralganglion ist besonders das langausgezogene rostrale Ende reichlich mit Ganglienzellen versehen, welche jedoch auch hier an der Dorsalseite etwas spärlicher sind (Fig. 20, 19D; Ve). Der dorsale Ganglienzellbelag dringt (auf Querschnitten besonders wahrnehmbar) in das Innere der Ganglien keilförmig vor. In den lateralen Partien der Ganglien fehlt der Ganglienzellbelag durchgehends (ef. Fig. 19, A bis E). — Die Frage der „Punktsubstanz“ soll hier nicht angeschnitten werden. Das histologische Bild der Substanz, sowie auch das der Faserzüge (Fig. 20 pu, Fz) ist hier das gleiche wie bei Alcippe. Die Neuroglia oder das Neurilemm, welches in Gestalt eines ungemein feinen Netzwerks von Bindegewebsfibrillen das gesamte Nervensystem überzieht, konnte hier auf Quer- und Längsschnitten als ungemein feine Grenzschicht oder auch nur als Kontour des Nervensytems wahrgenommen werden (Fig. 19 C, 20, nl). Spärliche, langgezogene, chromatinreiche Kerne waren hin und wieder sichtbar. Die fibrilläre Struktur der Glia konnte nur an zufälligen Tangentialschnitten durch die äußerste Partie der Ganglien gesehen werden. Das ganze Nervensystem ist in einen strangartigen Zug von Bindegewebe ein- gehüllt, welchen man als eine Faserscheide bezeichnen könnte (Fig. 18, 19, 20 Sch). Besonders mächtig wird diese Scheide auf den Konnektiven der Bauchganglienkette (Fig. 19 B,C), und zwar besonders dorsalwärts von diesen, ferner zu beiden Seiten ‚der rostralen Spitze des zweiten -Ventralganglions (Fig. 19 D). Sie besteht aus einem groben Faserwerk von Bindegewebe mit undeutlich spindelförmigen Zellkörpern und großen, ellipsoidischen Kernen mit deutlichem Nucleolus. In der Umgebung der Zellkerne sind Häufchen stark basophiler Körnchen eingelagert (Fig. 19, 20 Cpi), welche ich als Pigmentkörnchen ansprechen möchte. Dieses „körnchenführende Bindegewebe“ findet sich auch noch an anderen Stellen des Körpers und dürfte dem von Claus bei Branchipus als Fettzellen — später von K. C. Schneider als Iymphoide Zellen — bezeichneten Gewebe entsprechen. Die „Faserscheide“ ist übrigens in ihrer Stärke sehr variabel und bei einigen Exemplaren wenig ausgebildet. — „Leibeshöhle“ und „Niere“. In der bisherigen Cirripedienliteratur sind für das hier in Frage stehende Or- gansystem die verschiedensten Namen in Anwendung gelangt. Für die mit sekre- 188 Wilhelm Berndt: torischen Zellen ausgekleideten Hohlräume ist der Name „reins“ von französischen, „Nieren“ von deutschen Autoren angewendet worden; für die, diesen Hohlräumen Wand an Wand anliegenden, ohne Zweifel mit ihnen wenn nicht offen, so doch durch Diffusion kommunizierenden; nach außen, und zwar an der Basis der zweiten Maxillen ausmündenden, beiden großen Hohlraumsysteme ist die Bezeichnung cavite branchiale, cavite generale, Kiemenhöhle, Leibeshöhle u. s. w. gebraucht worden. ‚Der Name Leibeshöhle — im Sinne von Nephrocoel — ist für diese letzteren Hohlräume fraglos unrichtig, da wir als Nephrocoel nur einen solchen Hohlraum bezeichnen könnten, aus welchem, mittels einer, den typischen Segmentalorganen homologen Bildung Sekrete abgeführt werden. Ebenso ist der Name Kiemenhöhle sowie sein französisches Äquivalent unstatthaft, da die in Frage stehende Höhle zur Respiration nicht in Beziehung steht. Mit viel mehr Berechtigung könnte man den Hohlraum der „Niere“ als Leihes- höhle bezeichnen, indem man ihn etwa dem Endsäckchen der grünen Drüse der Dekapoden oder dem „Coelomsäckehen“ der Schalendrüse anderer Entomostraken (Lernaeopodiden, Miculicich) vergliche. Ohne hier weiter auf diese Frage einzugehen, möchte ich im folgenden nur von „secernierendem“ und „ausführendem“ Teile der Schalendrüse sprechen, welche Bezeichnungen auf Korrektheit Anspruch machen dürfen. Die Schalendrüsensäcke liegen links und rechts in der rostralen Region des Körpers, an dessen Ventralseite, ventralwärts von den seitlichen Ursprungsregionen des Mantels (Fig. 21—24). Sie beginnen rostral in derjenigen Höhe, wo der Oesophagus anfängt sich umzubiegen; ein allmählich rostralwärts sich verjüngender Ausläufer des ausführenden Teiles reicht sogar bis dieht hinter und unter die Basis der zum Labium verschmolzenen zweiten Maxillen (ef. Fig. 21; und 11, Schnittebene 3). Kaudalwärts reichen die Schalendrüsensäcke bis in die Region, wo der Kaumagen in den Magen übergeht (cf. Fig. 24 und 11). Sie besitzen — ähnlich wie die von mir früher bei Alcippe als Nieren bezeichneten Gebilde — die Gestalt einer sehr unregelmäßigen Spindel oder Birne; die Querschnitte zeigen mannigfache Aus- und Einbuchtungen der Wandungen (Fig. 22, 23). Das rostrale Ende der Spindel ist länger ausgezogen als das kaudale; es bildet den vorher beschriebenen Abschnitt, der bis nahe an die Basis des Labiums reicht. In kaudaler Richtung laufen die Spindeln in zwei von links nach rechts abgeplattete stumpfe Spitzen aus (Fig. 24). Auf denjenigen Seiten, welche die Schalendrüsensäcke einander zukehren, findet sich je eine halbzylindrische, hohlrinnenartige Einbuchtung ihrer Wandung; hier- durch kommt es zu stande, daß die beiden Gebilde mit einander einen zylinder- förmigen, starken Strang von Bindegewebe einschließen (Fig. 22 und 23), in welchem wir später das „organe enigmatique“ Gruvels auffinden werden. Die Schalendrüsensäcke zerfallen durch je eine, annähernd in ihrer Median- ebene gelegene, Scheidewand in je zwei histologisch und — allerhöchstwahrschein- lich — funktionell verschiedene Teile: den ausführenden („Leibeshöhle“, cavite generale, Kiemenhöhle, Labyrinthhöhle u. s. w. früherer Autoren) und den sezer- nierenden (Nieren, reins) Abschnitt (Fig. 21—24 S] und Sn). Studien an bohrenden Cirripedien. 1839 Wie aus Querschnittbildern ersichtlich, haben beide Teile die Form stark von links nach rechts abgeplatteter, mannigfach verzerrter und ausgebuchteter Hohlräume, welche mit einer gemeinsamen Wandung aneinander stoßen. Der median gelegene Sack (ausführende Teil), dessen Querschnitt etwa sanduhrförmig ist, hat seine größte Weite etwas oberhalb des auswärts (peripher) von ihm gelegenen Hohl- raumes, welch letzterer mehr elliptischen oder unregelmäßig dreieckigen Quer- schnitt besitzt (ef. Fig. 22, 23). Die ausführenden Teile münden mit je einem sehr feinen Gange etwas unter- halb der Basis der zu einem Labium vereinigten zweiten Maxillen nach außen (Fig. 21, 25,a). Dies war nach den bei allen übrigen Cirripedien gemachten Be- funden zu erwarten. Ferner haben die ausführenden Abschnitte die Neigung, mit einander in Kom- munikation zu treten. Dies findet einmal nahe der ventralen Wandung des Körpers, kurz unterhalb des soeben beschriebenen Ausführungsganges durch einen sehr feinen, oft schwer nachweisbaren Kanal (Fig. 22eı) statt; dorsalwärts von dieser Ver- einigungsstelle — jenseits des vorbeschriebenen Bindegewebszylinders also — ge- langen die Schalendrüsensäcke fast, aber bei keinem Stücke soweit ich sehe völlig, zur Kommunikation (Fig. 22c2). Auf einem etwas mehr kaudalwärts geführten Transversalschnitte treffen wir — ebenfalls dorsal von dem beide Schalendrüsensäcke trennenden Bindegewebszylinder — eine Stelle (Fig. 23 c3) wo beide ausführenden Teile durch einen deutlichen, ziemlich weiten Kanal mit einander in Verbindung stehen. Gruvel spricht — bei typischen Cirripedien — von einem dureh die mit ein- ander kommunizierenden Schalendrüsensäcke gebildeten Ring um den Oesophagus („eollier qui entoure l’oesophage). Hier finden sich keine ähnlichen Verhältnisse vor, denn die Exkretionsorgane reichen dorsalwärts nicht bis in die Region des Verdauungstraktes. Im übrigen findet sich unbestreitbar eine bedeutende Ähnlich- keit mit den für die typischen Cirripedien gemachten Befunden, und Cryptophialus steht auch mit Bezug auf die hier besprochenen Organsysteme diesen näher als der Alcippe. Einen zweiten, von den ausführenden Teilen nach außen mündenden Gang, den Hoffendahl bei Poecilasma gefunden haben will, vermißte ich ebenso wie bei Alcippe. Eine deutliche Kommunikation zwischen dem sezernierenden und dem aus- führenden Teile besteht nicht. Es wird später noch auf diesen Punkt zurück- zukommen sein. Histologie. Die im vorhergehenden als ausführende Teile der Schalendrüsen bezeichneten Hohlräume sind mit einem etwas unregelmäßigen, aber sehr distinkten, sehr flachen, Plattenepithel ausgekleidet (ef. Fig. 21—24 Sl). Dies bewahrt in allen Teilen der Wandung seinen Charakter, und läßt keine Umwandlung in eine sogenannte „Kiemendrüse“ (Nußbaum für typische Cirripedien), noch eine Untermischung mit den charakteristischen secernierenden Zellen (Hoffendahl bei Poecilasma) er- kennen. Die Plattenepithelzellen liegen einer sehr feinen Basalmembran auf, 190 Wilhelm Berndt: welche den ausführenden Teil sowohl gegen die umgebenden Blutlakunen als auch gegen den dieht anliegenden secernierenden Teil: abgrenzt. Der zuerst beschriebene ventral gelegene Verbindungskanal (Fig. 22cı) hat ein äußerst enges, überhaupt insofern kein offenes Lumen, als in seinem engsten "Teil die Plattenepithelzellen — im Leben sicherlich — zur Berührung gelangen dürften. Die eigenartigen Verbindungsstränge von Leibeswandung und Schalendrüse, die ich schon früher bei Alcippe ausführlich beschrieben habe, finden sich hier nicht in so charakteristischer Weise ausgebildet. Eine bindegewebige Umhüllung der Schalendrüse fehlt. Die secernierenden Teile (Fig. 21—24 Sn) besitzen eine durchaus verschiedene Zellform. Ihre Zellen sind bedeutend größer und weniger zahlreich; sie springen halbkugelförmig, zotten- oder läppchenartig in das Lumen des Hohlraumes vor und sind reichlich mit fein granulösen Sekreten beladen. Ihr Protoplasma ist sehr hell, ihre Kerne blal® mit wenig Chromatin, kugelförmig, bisquitförmig, oder halbmond- förmig; häufig waren mangels ausreichender Konservierung die Zellgrenzen und -Umrisse schlecht erkennbar. Im Innern der Hohlräume finden sich fein granulöse Klümpehen, wohl ge- ronnene Sekrete. Wo ausführender und secernierender Teil Wand an Wand zusammenstoßen, d. h. also an der vorbeschriebenen Scheidewand zwischen beiden Teilen, findet sich hin und wieder eine Stelle, wo die Basalmembran sehr dünn, und wo eine Kommunikation angebahnt erscheint. Da ich jedoch nicht im Besitz tadellos kon- servierten Materials bin, muß die definitive Klarlegung dieses Punktes späteren Arbeiten überlassen bleiben. Ich bin durchaus geneigt, auch für diese Cirripediengruppe völlig geschlossene Nierensäcke anzunehmen, und neige (wie Gruvel für typische Cirripedien) zu der Ansicht, daß die secernierenden Teile ihre Sekrete durch die trennende Basal- membran und das — ohnehin flache — Plattenepithel in den ausführenden Teil übertreten lassen. Da ich leider nicht mit lebendem Material operieren konnte, so kann ich hier auf die physiologische Seite dieser Frage nicht eingehen. Sicher ist, daß jene deutliche, offene Kommunikation, die Hoffendahl bei Poecilasma gesehen haben will, hier nicht besteht. Im übrigen möchte ich hier meinen Zweifeln an den wenigen bisher gemachten Befunden offener Kommunikations- stellen zwischen beiden Teilen der Cirripedienschalendrüse Ausdruck geben. Ich werde fortlaufend bemüht bleiben, zur Klarlegung dieser wichtigen Frage bei- zutragen. „Organe Eenigzmatique“. Rostralwärts von dem großen Suboesophagealganglion (Fig. 25 Vı) liegt, der Ventralwandung des Körpers dicht genähert, ein Komplex eigenartiger Zellen (Fig. 250). Dieser Zellkomplex schiebt sich nach oben hin (in rostraler Richtung) zwischen die Schalendrüsensäcke hinein und füllt jenen zwischen ihnen stehen bleibenden zylinderförmigen Körpersubstanzrest annähernd vollkommen aus. Nach unten hin (kaudalwärts) reicht der Zellkomplex bis etwa in die mittlere Höhe des Suboesophagealganglions (ef. Fig. 25). Studien an bohrenden Cirripedien. 191 Die Zellen, welche ihn zusammensetzen, sind groß, langgestreekt-birnförmig, sie enthalten ein fein granulöses, stark färbbares Protoplasma; Sekrete in Tröpfehen- form sind nicht erkennbar. Hocheharakteristisch ist ihr Kern; derselbe übertrifft an Größe alle anderen Keme der Körpergewebe, ist kugelig-bläschenförmig und ent- hält einen stets deutlichen, großen Nucleolus, aber keine anderweitigen Gebilde (ef. Fig. 250). Die hier in Frage kommenden Zellen sind an ihren Kernen auch dann deutlich zu erkennen, wenn sie in großkernigem Bindegewebe (Fig. 25 bz) eingestreut liegen. Die Zellen sind alle ziemlich regelmäßig so gelagert, daß die spitzen Enden der Birnform sich rostralwärts richten; im kaudalen Teile des Kom- plexes sind die Zellen dieht mit einander verwebt und in einander eingeschachtelt, so daß sie in dieser Partie den Eindruck von einem „Organe“ machen (Fig. 25.0). Rostralwärts jedoch finden wir die großen Zellen etwas unregelmäßiger in das Bindegewebe des Körpers eingestreut (Fig. 25Zo) und schließlich finden sich noch vereinzelte Zellen in der Umgebung der Schlundkonnektive (Fig. 25s) und in den wulstartigen Erhebungen. des Körpers an beiden Seiten des Labiums. Die Einmündung dieser Zellen in ein regelmäßiges Porenfeld an der Basis des Labiums konnte nicht konstatiert werden; auch machen dieselben wegen der Größe ihres Kernes sowie durch die körnelige, nicht tröpfehenförmige Beschaffenheit ihres Inhaltes, einen wesentlich anderen Eindruck als die gewöhnlichen Speichel- drüsenzellen (etwa diejenigen der Alcippe). Andererseits ist die Größe und die unregelmäßige Gestalt des Zellkomplexes auffallend, ferner der Umstand, daß eine deutliche Abgrenzung durch Bindegewebe, sowie — soweit ich sehe — jegliche Andeutung eines ausführenden Kanales fehlt. Trotzdem halte ich dafür, daß wir es hier mit einem „organe enigmatique“ im Sinne Gruvels zu tun haben, und ich glaube, daß hier Verhältnisse vorliegen, wie sie dieser Autor für Zithothrya angedeutet hat. Der Name „undefinierbares Organ“ dürfte nicht statthaft sein, da Nußbaum mit demselben auch die Speicheldrüsen bezeichnete. Inwieweit die Auffassung berechtigt ist, daß es sich hier um Reste larvaler Organe handele, muß dahingestellt bleiben, da die mir zur Verfügung stehenden Cyprispuppen sich zu histologischen Untersuchungen nicht eigneten. Daß diese Auffassung große Wahrschemlichkeit für sich hat, steht außer Frage. Der Mantel und dessen Derivate. Wie schon eingangs bemerkt, sind sämtliche chitinigen Hartgebilde von Darwin für C. minutus ziemlich eingehend beschrieben worden, so die Beschaffenheit der äußeren Chitinbedeckung, ihr Besatz mit Haaren, Borsten und Bohrdornen; die Lagerung und Gestalt des „Diskus“, sein Verhalten bei der Häutung, sein Wachs- tum, die Verdickungsleisten der Mantelblätter; ebenso wurde die Muskulatur des Mantels bereits besprochen. Die hier vorliegende Form zeigt mit Bezug auf diese Punkte keine wesent- lichen Abweichungen; es soll daher hier mehr auf die durch genauere histologische Untersuchung der in Rede stehenden Teile zutage geförderten Befunde ein- gegangen werden. Die Bildung und die Bedeutung des „Diskus“, auf dessen Lage- beziehungen schon vorher eingegangen wurde, wird uns bei Abhandlung der Familie 192 Wilhelm Berndt: Kochlorinidae noch einmal beschäftigen. Hier sei nur bemerkt, daß ich bei sehr vielen Exemplaren auf dem, den Zementlagen aufliesenden, abgeplatteten Teile der Manteloberfläche deutlich mehrspitzige Bohrdornen (nicht nur einspitzige, wie Darwin) wahrgenommen habe. Dies ist für die Deutung des fraglichen Gebildes wichtig, wie sich später zeigen wird. — Der Mantel, wecher seiner Entstehung entsprechend wie bei allen übrigen Cirri- pedien aus äußerem und innerem Mantelblatte mit dazwischenliegendem Stütz- gewebe, Muskeln und Blutlakunen besteht, ist hier durch die auffallende Kleinheit seiner Öffnung ausgezeichnet. Die Mantelöffnung liegt auf einem (bei dieser Form weniger charakteristisch) halsartig ausgezogenen Vorsprung, wodurch die flaschenartige Form des Mantels zustande kommt (Fig 1). Der Verschluß der Lippen dieser Mantel- öffnung wird durch eine eigenartige Klappenvorrichtung bewirkt, zu deren Beschrei- bung durch Darwin ich wesentlich Neues nicht hinzuzufügen habe. Das äußere Mantelblatt (Fig. 26eı) besitzt eine starke Chitintunika und ein regelmäßiges kubisches Hypoderm mit großen, kugeligen Kernen. Das innere Blatt (Fig. 26 e2) hat sehr feinen Chitinbelag; sein Hypoderm ist ein mehrschichtiges Lager großer Zellen mit ellipsoidischen Kernen mit deutlichem Nucleolus; die Zell- srenzen sind wenig distinkt. Zwischen beiden Mantelblättern liest ein lockeres, kleinkerniges Bindegewebe (Fig. 26 bz), das von Blutlakunen ohne eigene Wan- dung reichlich durchsetzt ist (Fig. 26 le). Die an beiden Enden büschelartig verzweisten, für den Mantel der Cirripedien typischen, Stützfasern, welche beide Mantelblätter verbinden (Fig. 26 F), finden sich hier in ähnlicher, wenn auch nicht der gleichen Ausbildung wie bei Aleippe. Am häufigsten sind die Fasern im oberen (rostralen) Teile des Mantels, in der Nähe der Öffnung, wo sich nur wenige Muskeln im Raume zwischen beiden Mantel- blättern finden und wo dieser Raum besonders groß — der Mantel dick — ist. Nach unten zu und ventralwärts sind die Fasern spärlich zwischen die hier den ganzen Mantel ausfüllenden Längsmuskeln eingestreut. Nach dem kaudalen Ende hin fimdet man wieder zahlreichere Faserbündel. Die einzelnen Fasern beginnen mit einem äußerst fein aufgespaltenen Bündel an der Chitintunika des inneren Mantelblattes (ef. Fig. 26); die Bestandteile des Bündels vereinigen sich zu einem einheitlichen Strange etwa in der Mitte zwischen beiden Mantelblättern, um dann wieder in ein weit weniger aufgefasertes Pinselchen aus- zulaufen, welches, zwischen den Hypodermiszellen des äußeren Blattes hindurch- tretend, sich an die äußere Chitintunica ansetzt (ef. Fig. 26). Das erstere Büschelehen oder Pinselchen besteht aus so feinen Elementen, daß man fast den Eindruck bekommt, als handele es sich hier um eine spitz-konische Hypodermis- zelle mit etwas streifigem Protoplasma, ähnlich denjenigen, die Genthe am Kiemen- ursprung der Alcippe beschrieben hat. Besonders verstärkt wird dieser Eindruck durch den Umstand, daß sich die großen Kerne des mehrschichtigen Hypoderms (Fig. 26 kf) des Innenblattes oft m mehr als halber Höhe an die Büschelchen anlegen. — Ich konnte mich jedoch, besonders durch verschiedene Färbungsmethoden, davon überzeugen, daß die zuerst vorgetragene Auffassung, nach der es sich um an beiden Enden aufgespaltene Fibrillen handelt, die richtige ist. — Mehrere dieser Fi- brillen pflegen, in der Mitte zwischen beiden Mantelblättern etwa, locker mit ein- Studien an bohrenden Cirripedien. 193 ander zu verkleben und so ein großes, loses, an beiden Enden in einen breiten Büschel auslaufendes Faserbündel zu bilden (Fig. 26 F). Besonders reichlich vor- handen und regelmäßig neben einander angeordnet sind die Faserbündel in dem Raum zwischen den Ovarien in jener Region, wo der — später zu besprechende — Retractor orifieii inseriert. Die hier liegenden Fasern könnte man fast geneigt sein, für glatte Muskeln zu halten, wenn nicht andererseits ihr reichliches Vorhandensein gerade an dieser Stelle für ihre Funktion als Stützorgane spräche. Es würde zu weit führen, die Verteilung, Größe und die genaue Zahl der Komponenten dieser Stützfaserbündel für alle Regionen des Mantels genau zu detaillieren, auch habe ich mich bei den Figuren darauf beschränkt, nur die Ab- bildung eines typischen Faserbündels aus der Ursprungsregion des Mantels zu geben. Ich zweifle nach Untersuchung auch dieses Objekts nicht mehr daran, daß die Fasern bindegewebiger Natur sind, und daß ihre Funktion überall darin besteht, die Mantelblätter bei wechselndem Muskelzug in ihrer Lage zu einander zu er- halten. Ich habe mich schon bei meiner ersten Abhandlung über Alcippe für diese Ansicht ausgesprochen. Im oberen Teil des Mantels, etwas kaudalwärts von dessen Öffnung, finden sich zwischen beiden Mantelblättern einige Stränge spindelförmiger Zellen mit sehr körnchenreichem, stark färbbarem Protoplasma und weniger gut erkennbarem Kerne (Fig. 30 und 31). Jede dieser strangartigen Zellgruppen liest in einem scharf ab- gesetzten lakunenartigen Hohlraume des Bindegewebes ohne eigene Wandung. Auf dem Querschnitt ist die Spindelgestalt der Zellen weniger hervortretend, so daß man geneigt ist, die Querschnitte der Zellen für Kerne anzusehen. Über die Bedeutung dieser eigentümlichen „Zellnester“ vermag ich nichts aus- zusagen. Man wäre geneist, sie zu der spärlichen Zementsekretion auf der Ober- fläche des Diskus in Beziehung zu bringen, wenn nicht ihre ganze Form gegen ihre Natur als Zementzellen- spräche. Solche histologischen Gebilde, welche sich den Zementdrüsen der typischen Cirripedien oder selbst den sehr primitiven Zementzellen der Alcippe vergleichen ließen, habe ich vermißt. Ob diese Zellnester zu den „Drüsen“ im Mantelhalse von Zithoglyptes, die Aurivillius gesehen haben will, in Beziehung zu bringen sind, möchte ich ebenfalls dahingestellt sein lassen. Die wichtigsten Muskeleruppen des Mantels sind kurz die folgenden: Der ganze Raum zwischen den beiden Blättern des eigentlichen, vom Körper des Tieres abgehobenen Mantels wird annähernd durch ein System von Längs- muskeln ausgefüllt, welche vom kaudalen, abgestumpften Pol des Mantels bis nahe unter dessen Öffnung hinaufziehen. Ihre Funktion ist, die Längsaxe des Mantelhohlraumes zu verkürzen — diesen zu erweitern. An der später zu besprechenden verdickten Grenzlamelle der dorsalen Körper- wandung, ein wenig oberhalb des Diskus, entspringt ein System von Quermuskeln, welche schräg nach oben und unten ziehend den halben Umfang des Mantels etwa umgreifen und großenteils am äußeren Blatte ansetzen: sie verkürzen die Dorso- ventralaxe des Mantelhohlraums, verengern und verschmälern denselben also und sind Antagonisten der vorigen. 194 Wilhelm Berndt: Vom ventralen Lippenwinkel der Mantelöffnung geht nach links und rechts ein fächerartiges Bündel von Muskeln in den Mantel hinein und inseriert an beiden Blättern und von innen her am Lippenrande: seine Kontraktionen verlängern die Querachse der Mantelöffnung, erweitern diese letztere also (dilatatores orifiecii). Am dorsalen Winkel der Öffnung inseriert mittels einer weiter unten be- sprochenen Vorrichtung ein starker, aus zwei Portionen bestehender Muskel. Dieser zieht nahe der Dorsalwandung in einem etwas dachrinnenartig ausgebuchteten Teile derselben nach unten bis zwischen die beiden rostralen Enden der Ovarien und inseriert mit einer etwas aufgebüschelten Partie am oberen Drittel des Diskus. Er dürfte dazu dienen, die dem Schlitz in der Schale der Chitonen anliegende Mantel- öffnung blitzschnell zurückzuziehen und gleichzeitig zu schließen (retractor orificil). Endlich habe ich in einer Gruppe starker quergestreifter Bündel, welche an der Umknickungsstelle des Oesophagus dicht vor diesem von der linken zur rechten Körperwand ziehen, ein Äquivalent des — von Darwin vermißten — Adduetor scutorum gefunden. Es erübrigt nun noch, auf jene Verdickungsleisten und anderen Derivate des Mantels bezw. Integumentes einzugehen, welche zur Funktion der Muskulatur in Be- ziehung stehen, und die für Cryptophialus charakteristisch sind. Die Verdickungsleisten des äußeren Mantelblattes (Fig. 1 Ve) entspringen etwas dorsalwärts von der mittleren Einkerbung des Randes der Mantelöffnung und ziehen zu beiden Seiten in einem nach der Dorsalseite hin konkaven Bogen schräg nach unten, um in der Nähe des Diskus in halber Höhe des Tieres mit einer mit Zähnen und Dornen bewehrten Platte zu endigen, welche sich ein wenig über die Körper- oberfläche erhebt. Im Querschnitt (Fig. 27) stellt sich diese Leiste als eine äußerst kräftige, verzerrt halbmondförmige Verdiekung der äußeren Chitintunica dar, die jedoch nicht eigentlich die Form einer Falte annimmt, wie Darwin meint (is appa- rently formed into a fold). Der Kermstrang der Verdickungsleiste ist schwach kon- zentrisch geschichtet (ef. Fig. 27), intensiv gelb gefärbt; die der Leiste anliegende Hypodermis zeigt keine Besonderheiten. Die bedeutend schwächeren Verdickungsleisten des inneren Mantelblattes ziehen den soeben besprochenen parallel, jedoch mehr ventralwärts an der Innenfläche des Mantels hin und gehen rostral- sowie kaudalwärts allmählich in die Chitinauskleidung der Mantelöffnungs-Region sowie der lateralen mittleren Teile des Mantels über. Ihr Querschnitt (Fig. 28) zeigt ziemlich regelmäßige Spindelform; ein konzentrisch geschichteter Kernstrang fehlt. Die Farbe ist ein schwaches Gelb. Darwin hat in scharfsinniger Weise die Funktion dieser Chitinleisten oder -bänder dahin erklärt, daß sie durch ihre Elastizität als Antagonisten des großen Retraetor orifiei wirken. Ich möchte mich dieser Ansicht anschließen. Als ein Derivat des Mantels ist noch eine Vorrichtung zu besprechen, die ihrer Funktion nach als eine „Sehne“ des Retractor orificii zu bezeichnen ist. Von dem dorsalen Winkel der lippenartig geschlitzten Mantelöffnung ausgehend, erstreckt sich, nahe der dorsalen Körperwandung und dieser ziemlich parallel ver- laufend, eine sehr kräftige, hohle Chitinstange (Fig. 1 Se) in das Innere des Kör- pers. Ihr Querschnitt ist im Anfange kreisrund, ihr Lumen eng, querspalt-förmig, Studien an bohrenden Cirripedien. 195 die ventrale Wandung dieker als die dorsale (Fig. 29a). Weiter kaudalwärts (Fig. 29b) zeigt sich die Stange dorsoventral abgeplattet, ihr Lumen wird weiter, um schließlich in einen weiten, querstehenden Spalt überzugehen, dessen Wandung ziemlich mächtig und zum Ansatz einiger Muskeln in Zipfel ausgezogen ist (Fig. 29e). Die Stange als solche reicht bis in die Region der oberen vier Kanten des Kaumagens, etwas unterhalb des Gehims (ef. Fig. 1). Sie stellt eine Ein- buchtung des äußeren Integumentes dar, die in eigenartiger Weise dem stärksten Muskel des ganzen Körpers, dem Retractor orifici, zur Insertionsfläche dient. In der soeben bezeichneten Region des Körpers nämlich geht die Stange allmählich unter Verlust ihres Lumens in eine flache, aus zwei aneinanderliegenden Blättern bestehende, etwas faserige Platte über, an welche schräg von unten her beide Portionen des Retractor orificii hinantreten, und welche noch eine beträchtliche Strecke weit als intermuskuläre, oder „Mittelsehne“, in beiden Portionen des Re- tractors kaudalwärts zu verfolgen ist (Fig. 29d, se). Im ganzen erinnert diese Bildung sehr an die Maxillenstiele, die man auch wohl als Maxillensehnen zu bezeichnen pflegt. Ich halte den Ausdruck „Sehne“ (der natürlich nur auf eine physiologische Übereinstimmung mit den Sehnen der Vertebraten hindeutet) hier für besser angebracht, als den von Darwin gebrauchten „ligamentous bar“, da dieser keine richtige Vorstellung über die Natur des Organes eibt. Der Umstand, daß es sich hier um eine hohle Einstülpung des cehitinigen Intesuments handelt, dürfte Darwin entgangen sein. In der dorsalen Region des Körpers, in einer Zone, deren oberes Ende durch einen etwas unterhalb der Mundöffnung geführten Transversalschnitt gestreift wird, und welehe nach unten hin bis in die Höhe des Überganges des Kaumagens in den Magen reicht, findet sich eine histologisch merkwürdige Bildung (Fig. 29 A), welche zur Funktion der Muskulatur in Beziehung steht und deren Beschreibung daher hier Platz finden soll, obgleich sie nicht dem eigentlichen Mantel angehört. Wir finden dieht unter der äußeren Chitintunica (Fig. 29 A ch) der dorsalen Körperwand (es handelt sich, nach dem Gesagten, um jene Region, welche dicht unterhalb des oberen Verwachsungswinkels von Körper und Mantel und noch oberhalb des Diskus und der Ovarien liest) eine ziemlich mächtige Ablagerung einer gelblichen, feinstreifig geschiehteten bis hyalinen Substanz, die ich geneigt bin, als eine basale Absonderung der Matrixzellen der Chitintunica, als eine „Grenz- lamelle“ im Sinne von Claus, aufzufassen. Es läge nahe, diese Schicht (Fig. 29 AS) für eine Verdickung der äußeren Chitintunica oder gar für nach außen hin abgelagerten Zement anzusehen; die Lage der Zellkerne in derselben jedoch rechtfertigt meine obige Auffassung. Diese „Grenzlamelle“ dient der Insertion der Quermuskeln des Mantels und zwar in der Weise, daß die Muskelfasern stellenweise in die feine Streifung der Lamelle übergehen und sich hier verlieren (Fig. 29); doch dürfte ihre Hauptfunktion die sein, durch elastische „Aussteifung“ der gewölbten dorsalen Körperwandung als Antagonistin des Adductor scutorum zu wirken. Es ist leicht einzusehen, daß beim Erschlaffen dieser perlateral ziehenden Muskelgruppe die ohne Frage elastische Grenzlamelle, welche dieser Region des Körpers wie ein Sattel aufliegt, die seit- lichen Körperwände wieder von einander entfernen muß. co Archiv für Biontologie, I. (2). 06. 196 Wilhelm Berndt: Kiemenartige Bildungen fehlen am Mantel, und dürften durch die Rückenanhänge und den Labrumzapfen, die eine bedeutende Vergrößerung der Körperoberfläche darstellen, ersetzt werden. Der Mangel eigentlicher Respirations- organe wird bei sehr kleinen Crustaceen (wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Größe ihrer Körperoberfläche) nicht Wunder nehmen. Die Rückenanhänge. Darwins Befunde über die äußere Gestalt der hier in Rede stehenden eigen- artigen Gebilde (tapering appendages) seien hier kurz rekapituliert. Die beiden Anhänge (Fig. 1Rı, Ra) entspringen von dem Rückenfirst des sogenannten zweiten und des dritten Körpersegments mit einem dünnen Halsteil (Fig.32H), schwellen dann distalwärts flaschenhalsartig an, um sich gegen das Ende hin wieder zuzu- spitzen. — Im distalen Teil ist das äußere Integument der Anhänge mit in Reihen angeordneten Chitinschüppchen besetzt (ef. Fig. 1). Die Gebilde sind von beträchtlicher Länge; der untere Anhang, ein wenig länger als der obere, kann ?/s der Länge des (gestreckt gedachten) Tieres erreichen. Sie hängen frei in die Mantelhöhle hinab, und sind — wohl auch im Leben — am Ende ein wenig eingerollt. Bei Alkohol- konservierung geht die regelmäßig drehrunde Form etwas verloren. Die Angaben des englischen Forschers über den feineren Bau dieser Organe glaube ich in einigen Punkten vervollständigen und berichtigen zu können. Die Anhänge „are lined with corium“, d. h. die zellige Matrix der Chitintunica des Körpers setzt sich kontinuierlich in diejenige der Ohitintunica der fraglichen Gebilde (Fig. 32 hy) fort, welche als Ausstülpungen der dorsalen Körperwand zu denken sind (Fig. 32 bei H). Sie enthalten keine Drüse, oder irgend sonst ein be- stimmtes Organ (are not occupied by any vessel, gland or organ of any kind). Die Angabe Darwins, daß die Anhänge der Muskulatur gänzlich entbehren, ist unriehtig. Es gelang mir, nachzuweisen, daß von den großen, in der fraglichen Rückenreeion von Segment zu Segment ziehenden Muskeln (Fig. 32 Km) sich ab- zweigende Muskelbündel in den Basalteil der Anhänge hinein verlaufen und sich hier an der Wandung ansetzen. Auch sind weiter distalwärts in den Anhängen auf Schnitten hin und wieder noch quergestreifte Muskeln sichtbar (Fig. 32 Mu), über deren Insertionsverhältnisse ich mangels ausreichenden Materials nicht ganz ins Klare kommen konnte. Es steht jedoch wohl außer Frage, daß die spindelförmigen Anhänge durch dieselben, besonders aber durch die kräftige Muskulatur ihrer Basis, befähist sind, schlagende, und auch schlängelnde Bewegungen auszuführen. Der ganze Hohlraum der Anhänge ist bis auf einige Blutlakunen (Fig. 32 le) mit einem sehr kernreichen Bindegewebe (Fig. 32 bz) ausgefüllt, welches große Ähnlichkeit mit jenem körnehenführenden Bindegewebe hat, welchem wir schon in der „Faserscheide“ des Nervensystems und an noch manchen anderen Stellen des Körpers begegneten. In der Achse des Organs liegt — leider nur bei einzelnen Stücken deutlich definierbar — ein feinfaseriger, kontourierter Strang, mit einigen anliegenden, langgezogenen, dunklen Kernen (cf. Fig. 32 n.). Ich halte denselben für einen Nerven. Studien an bohrenden Cirripedien. 197 Bei meinen in Alkohol konservierten Stücken habe ich die von Darwin er- wähnten von den Anhängen ausgehenden Fädchen nicht gesehen. Der von Darwin ausgesprochenen Meinung, daß es sich hier um ähnliche Bildungen handle wie bei den geißelähnlichen Anhängen am Grunde der Mantel- höhle der Balanen, an den Cirrenbasen der Lepaden u. a. m. möchte ich mich an- schließen. Erstaunlich ist die unverhältnismäßige Länge und Kräftigkeit dieser Anhänge, welche dem Körper der Cryptophialidae ein fast abenteuerliches Aussehen verleihen. Interessant ist, daß Darwin zuerst geneigt gewesen ist, an penisartige Bildungen zu denken. Darwin meint, die Anhänge könnten nur den Zweck der „retention of the ova in the sack“ haben. Ich glaube jedoch, daß ihr Hauptzweck (neben der Ver- mehrung der respirierenden Körperoberfläche) der ist, den hier dicht gepackt in der Mantelhöhle liegenden, ungemein großen Eiern und später Puppen, durch ihre Be- wegungen auch bis in den hintersten, untersten Winkel der Mantelhöhle hinein stets einen Strudel frischen Wassers zuzuleiten. Das Zwergmännchen. Wenn die weiblichen Cryptophialus eine Größe von etwa 1,4 mm erreicht haben, beginnen sich die männlichen Puppen (Fig. 53) an ihnen anzuheften, und zwar an den oberen Randpartien des „Diskus“, etwas unterhalb und ventralwärts von jener Stelle, wo die älteren Zementlagen desselben, welche noch aus früheren Häutungs- perioden herstammen, ein wenig über die Körperoberfläche hinausragen (Fig. 1 P & und 2). An kleinen Weibchen, welche ihre erste Eiablage vorbereiten, findet man nur zwei, höchstens drei männliche Puppen im ganzen; bei erwachsenen Stücken (2 bis 2,2 mm, s. vorher) findet man drei bis vier Stücke an jeder Seite des „Diskus“ angeheftet. Auffallend ist der Umstand, daß man fast immer vorwiegend Puppen, und nur wenige ausgebildete Männchen mit reifen Spermatozoen findet; auch an solchen Weibchen, welche im Mantelhohlraum keine Puppen mehr enthielten, deren Övarien jedoch voller fast reifer Eier waren, in solchen Fällen also, wo eine Be- gattung unmittelbar bevorstand, fanden sich neben mehreren (bis sieben) Puppen höchstens drei geschlechtsreife Männchen. Es ist anzunehmen, daß immer nur ein Männchen die Befruchtung der hier in nicht sehr hoher Anzahl vorhandenen Eier vollzieht, und daß die anderen Individuen derselben Männchengeneration, ohne zur Vollendung ihrer Metamorphose, geschweige denn zur Begattung zu gelangen, nach sehr kurzer Zeit absterben und mit dem gleich nach der Begattung abgestorbenen Männchen zugleich abfallen. Ein Männchen, dessen Beschaffenheit darauf hätte schließen lassen, daß es nach der Entleerung der Spermatozoen noch weiterlebte, fand sich niemals vor, obgleich ich lange Zeit genau danach gesucht habe. — Daß die Jahreszeit auf die Entwieklung der Zwergmännchen von Einfluß ist, dürfte insofern zutreffen, als nur zu einer bestimmten Jahreszeit überhaupt Zwerg- männchengenerationen gebildet werden. Daß eine einzelne Generation in ihrer Ent- wieklung von der Jahreszeit abhängt, halte ich für unwahrscheinlich, da die Meta- morphose sehr rapid verläuft, und die Imago mangels von Organen zur Nahrungs- aufnahme nur sehr kurze Zeit lebt. Darwin schreibt, daß die von ihm anfangs 3*F 198 Wilhelm Berndt: Januar gesammelten Weibchen fast nur männliche Puppen, und noch keine ge- schlechtsreifen Männchen beherbergten; da im Mantelhohlraum dieser Weibchen die Eier schon zu Puppen entwickelt waren, so hatten sie sicher schon vorher eine Generation Männchen beherbergt, von denen eines diese Bier befruchtet hatte. In der Tat findet man bis zu acht Paar Antennen von schon abgestorbenen Zwerg- männchen-Generationen am Diskus größerer Weibchen. Jedenfalls gelangen während der ganzen günstigen Saison (dahin ist der Januar in Chile zu rechnen) mehrere Generationen von Zwergmännchen zur Entwicklung; ebensoviele, wie Eiersätze. Die Größe der Männchen von ©. minutus striatus (0,4 mm) ist etwas beträcht- licher als diejenige, welche Darwin für die Zwergmännchen von (. minutus angibt; während diese nur höchstens die Länge des halben Durchmessers der Mantel- öffnung des Weibchens erreichen sollen, sind jene annähernd ebenso lang wie der Durchmesser der Mantelöffnung auch großer Weibchen (0,44 mm; ef. hierzu auch Fig. 1, Zu. ©). Die männlichen Puppen, und noch mehr später die Männchen, sind in einer kleinen Tasche oder Aushöhlung im Integumente des Weibehens, an der oben bezeichneten Stelle, geborgen, was besonders auf Schnittserien hervortritt. Die große Übereinstimmung im Bau des Zwergmännchens von Alcippe einer- seits und von Oryptophialus andererseits fiel schon Darwin auf. In der Tat sind sich beide mit Bezug auf alle wichtigeren Punkte ihrer inneren Organisation so ähnlich, daß ich mich in diesem Kapitel kurz fassen kann, umsomehr, da ich in meiner früheren Abhandlung über Alcippe an der Hand von lebendem -Material eine eingehende Beschreibung des Zwergmännchens zu geben in der Lage war. Der Körper des Zwergmännchens hat die Gestalt einer an einer Seite aus- gebauchten Flasche mit rundem Boden und kurzem geraden Hals, der ein wenig seitlich komprimiert ist (Fig. 34). Die seitliche Ausbuchtung wird ausgefüllt dureh den Hoden (Fig. 34 Sg) und entspricht der großen beutelförmigen Ausbuchtung am Körper des Alcippe-Männchens, welche dort Hoden und Vesicula seminalis beherbergt und als „Pedunculus“ unterhalb der Haftantennen sich vorwölbt. Hier liest der den Hoden enthaltende Teil — wie gesagt — mehr seitlich von den Haftantennen (Fig. 34. A). Dem Hoden sitzt eine schlank-birnförmige Vesicula seminalis auf (Fig. 34 Vs, 35 Vs), welche in ähnlicher Weise wie bei Alcippe in den langen, wurmförmigen Penis (Fig. 34, 55, pe) übergeht. Dieser füllt, mannigfach aufgeknäuelt, den ganzen Hohlraum im Körper des Männchens aus. Im Halsteile der Flasche, an dessen Ende die geschlitzte, mit einigen charakteristischen Dornen bewehrte Öffnung liegt (Fig. 340,d) findet sich wie bei Aleippe ein membranöser Kanal für den Penis (Fig. 34 Cp), welcher zur Führung des erigierten Penis dient und welcher durch einige Bindegewebsfasern — hier nieht Muskeln — in seiner Lage erhalten wird (ef. Fig. 34). Die membranöse Auskleidung dieses Kanals setzt sich in den Körper- Hohlraum fort, dessen innere Auskleidung bildend, und bekleidet ferner außen die Vesicula seminalis und den Hoden, so daß diese, wie bei Alcippe, in einem ab- geschlossenen Raume liegen, und nieht mit dem die ganze Penishöhle durch- strömenden Seewasser in direkte Berührung kommen. Im Hoden fand ich häufig Studien an bohrenden Cirripedien. 199 zwei, auch drei größere Spermatogonienhaufen vom gleichen Bau wie bei Alcippe (Fig. 34 Sg); die Vesicula seminalis hatte wie dort eine zarte Ringmuskelschicht (Fig. 35 mr); ihr lag eine (wegen der Alkoholkonservierung nicht deutlich erkenn- bare) gelbliche Masse in der Übergangskerbe zum Hoden auf (Fig. 35 G) die ohne Zweifel dem großen Ganglion des Alcippe-Männchens entspricht. Ein Ganglion opticon und ein Augenfleck wurden vermißt. Im Bau der Mantelwandung und in der Form des Penis finden sich Unter- schiede im Vergleich mit Alcippe. Die Mantelwandung enthält ein System starker, quergestreifter Längsmuskeln (Fig. 34 ml), welche im wesentlichen dazu bestimmt sein dürften, den Kanal für den Penis, und damit diesen selbst in erigiertem Zustande, zu dirigieren, welche Funktion hier nicht von einer Muskulatur des Peniskanals [den „transverse striae of the eapitulum“ (Darwin)] wie bei Aleippe, besorgt wird. Ferner finden sich, den seitlich ausgebauchten Teil des flaschenförmigen Kör- pers umgreifend, einige zarte Transversalmuskel-Halbringe (Fig. 54 mr), welche zur Austreibung (des sich erigierenden Penis mithelfen dürften. Bei in Wasser sehr vorsichtig aufgeweichten Spiritusexemplaren gelingt es in seltenen Fällen, den ganzen Penis und ein Stück der Vesicula mittels feiner Nadeln zu isolieren (Praeparat Fig. 35). Hierbei zeigt es sich, daß an der Übergangsstelle der Vesicula in den Penis (vas deferens) einige starke Fasern (Fig. 35 F), welche ähnlichen Bildungen bei Alcippe entsprechen, hier auch ebenso als Muskeln erkannt werden konnten, abtreten. Der Penis selbst (Fig. 34, 35 pe) ist von enormer Länge und konnte durch leichte Dehnung (nach Aufweichung in Wasser) auf das etwa Sechsfache der Länge des ganzen Männchens gestreckt werden; so daß ich gerne Darwins Vermutung beistimme, wenn er annimmt, daß der völlig erigierte Penis des lebenden Tieres das fast Neunfache seiner Körperlänge ausmacht. Der Penis ist bandartig abgeplattet und beginnt mit einem dünnen Anfangsteil, um sich gegen das Ende hin kolbig zu verdicken (ef. Fig. 35). Seine ringelwurm- ähnliche Gliederung wird durch metamerenartig aufeinander folgende Ringe zart quergestreifter Zirkulärmuskeln bedingt (Fig. 35 me), welche direkt unter der zarten Chitintunica des Penis liegen. Auf sie folet — gegen den Hohlraum im Penis hin — ein Schlauch zarter Längsmuskeln (in Fig. 35 als dunkler Streifen unter den Zirkulärmuskeln sichtbar). In der Axe des Penis liegt wie bei Alcippe ein Hohlraum, in den der Ductus ejaculatorius (Fig. 35 dej) locker eingebettet ist. An der Spitze des Penis finden sich auffallenderweise keine Borsten, sondern ein krallenartiges Gebilde (Fig. 35 K), welches zum Anhaken des Penis am In- tegumente des Weibchens während der Ejaculation der Spermatozoen Verwendung finden wird. Es gelang nicht, die Spermatozoen aus der Vesicula seminalis hervorzupressen oder sonst zu isolieren. Nach dem Bilde, daß sie auf Schnittserien ergeben, bin ich zu der Ansicht gelangt, daß sie den Spermatozoen der Alcippe gleichen. Wie schon eingangs gesagt, mußte ich wegen der Ungunst meines Materiales auf entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen Verzicht leisten. Ich zweifle nicht, daß diese, bei den hier obwaltenden höchst eigenartigen Verhältnissen, Resultate 200 Wilhelm Berndt: von großer Wichtigkeit ergeben würden, und ich hoffe, daß in nicht zu ferner Zeit an Hand von günstigerem Material diese Untersuchungen nachgeholt werden mögen. Indem ich mir alle weiteren Schlüsse aus den soeben niedergelesten anatomischen Tatsachen für den II. Teil meiner Arbeit vorbehalte, wende ich mich einer anderen Form zu, welehe durch deutliche Artmerkmale als gute Spezies charakterisiert ist. Cryptophialus longicollatus n. Sp. In zwei Exemplaren von Haliotis ovina von Mauritius, welche der Sammlung des Museums für Naturkunde zu Berlin entstammten, fanden sich Angehörige der Gattung Gryptophialus vor, welche ich wegen ihres am meisten auffallenden Charakters, des langausgezogenen Halsteiles, auf dem die Mantelöffnung liegt, ©. longicollatus genannt habe. Diese Cirripedien (Fig. 36, 37) fanden sich in den Haliotis-Schalen in bei weitem nicht so großer Anzahl vor, wie die vorige Subspeeies in den Chitonen. In der einen Schale fanden sich etwa 10, in der anderen 35 bis 40 Exemplare. Die größten weiblichen Exemplare, welche schon Puppen in großer Zahl in ihrer Mantelhöhle enthielten und somit als erwachsen zu betrachten waren, maßen 1,44 mm, waren also bedeutend kleiner als die Weibchen von C. minutus striatus. Die Mantelöffnung liegt auf einem hier besonders lang, flaschenhalsförmig aus- gezogenen Vorsprung (Fig. 36H), welcher leicht nach der dorsalen (Diskus-) Seite hinübergebogen und bis zu '/s so lang ist, wie das ganze’ Tier. Dementsprechend sind der weidenblattförmige Anhang des Labrums, sowie die Cirren, verhältnismäßig länger als bei der vorigen Form, da ja diese sowohl wie jener die Mantelöffnung nieht nur erreichen, sondern auch aus ihr beträchtlich weit hinausgestreekt werden können müssen. (Vgl. Fig. 1 und Fig. 36). Die Umrandung der Mantelöffnung zeigt wesentlich andere Bildungen als bei der vorigen Form. Beide seitlichen Lippenränder der Mantelöffnung sind zunächst mit einer Reihe nebeneinanderstehender, kräftiger, konisch zugespitzter Chitindornen bewehrt (Fig. 37 st), alsdann finden sich auf jeder Seite je zwei, aus zwei Gliedern bestehende besonders große Stacheln (Fig. 36, 37, S), welche äußerst charakteristisch sind. Das Basalglied dieser Stacheln trägt einige Borsten, das Endglied ist ähn- lieh gebildet, wie die zuvor beschriebenen konischen Dornen. Der Verstärkungsleiste des äußeren Mantelblattes entlang und dorsalwärts von ihr steht eine Reihe besonders kräftiger Bohrdornen, (Fig. 36 d) von denen 3 bis 4 kurz unterhalb der Mantelöffnung stehende in ihrer Form an die Hautzähne der Selachier erinnern (Fig. 36, 37, Za). Die Verstärkungsleiste des äußeren Mantelblattes endet nieht mit einer be- sonderen, mit stärkeren Zähnen bewehrten Endplatte (wie diejenige von (. minutus striatus ef. Fig. 1), sondern sie läuft einfach spitz zu und geht in die Chitintunica des äußeren Blattes über (Fig. 36 e). ; Die Segmentierung des Hinterendes des Thorax ist hier besonders deutlich, und durch tiefe Kerben bedingt; die Chitinstreifung, die ich früher als für die vorige Subspezies charakteristisch ansah, ist auch hier vorhanden, wie ein Blick auf meine Zeichnung zeigt, Studien an bohrenden Cirripedien. 201 Die Zwergmännchen (Fig. 36Z) sind hier (im Verhältnis zum Weibchen) größer als bei (. minutus striatus. (Absolute Größe 0,5 mm). Das Verhältnis der Körperlänge des Weibchens zu der des Männchens ist hier 1,4:0,3 = 14:3; das Weibchen ist also nur 4,7 mal so groß wie das Männchen; bei der vorigen ‚Sub- spezies ist dies Verhältnis 2,2:9,4 = 11:2, das Weibchen ist dort also 5,5 mal so groß wie das Männchen. Im Verdauungstracte fanden sich bei manchen Stücken äußerst zierliche Kiesel- panzer (von Kieselalgen herrührend?) vor, welche nach Passieren des Kaumagen- teiles deformiert, flachgedrückt oder geradezu zerquetscht erschienen. Im übrigen ist der äußere und der innere Bau bei beiden Geschlechtern von ©. longicollatus der gleiche wie bei C. minutus striatus. Fig. 1, Erklärung der Abbildungen. V. = 70/1. Oryptophiahıs mimutus striatus. Mittelgroßes, geschlechts- reifes Weibchen, nach einem Macerationspräparate. Der Körper erscheint nach Entfernung der Weichteile ein wenig deformiert (in der Perlateralachse zusammengefallen). Der Mantel ist durch die Maceration durchsichtig; in der Zeichnung sind der Deutlich- keit wegen oberhalb des Körpers und im Bereiche des Diskus die Bohr- dornen fortgelassen worden. Im Oesophagus, Kaumagen und Magen ist ein dunkler Strang von Hartteilen der aufgenommenen Nahrung, vor dem Sphinkter I—IV: V—VII: IX, X: Cı: C2, C3, Ca: des Mitteldarms ein Kotballen erkennbar. die wenig deutlichen, die deutlich abgesetzten Segmente des Thorax, die — mit VIII verschmolzenen — Segmente des 3. und 4. Cirrenpaares, rudimentärer Mundeirrus. die zu einem Büschel zusammengerückten 3 Thorakal- eirrenpaare. : Mantelöffnungs-Region. : „Diskus“-Region. : oberer Ursprungs-Winkel des Mantels. : Verstärkungsleisten des äußeren Mantelblattes. : „Sehne“ des Retractor orificii (cf. hierzu Fig. 29a —d). : Bohrdornen. r: Streifung des 'Thoraxteiles. ": weidenblattförmiger Labrum-Zapfen. : knopfförmige Erhöhung hinter demselben. : Mundwerkzeuge. : Maxillenstiele. : Oesophagus. : Kaumagen. : Hartteile aufgenommener Nahrung. : Rückenanhänge. : Männliche Puppe in situ am Diskus. ; Zwergmännchen, desgl. Fig. 1a. Ile, 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Erklärung der Abbildungen. 203 V. = 140/1. Vorderes Körperende von (©. minutus striatus 2. Von der Ventralseite aus gesehen, der Labrumzapfen ist nach hinten umgeschlagen und perspektivisch verkürzt. Ir: weidenblattförmiger Labrum-Zapfen. mir: die beiden Arrector-Muskeln desselben. kn: knopfförmige Erhöhung hinter (dorsalwärts von) dem Labrum- Zapfen. pmd: Mandibularpalpen. md: Mandibeln. mxı: (erste) Maxillen. amxı: Maxillenstiele. pmx2: Palpen der, zur Unterlippe verschmolzenen, zweiten Maxillen l: Leisten an der Innenseite derselben. Die Unterlippe ist in der punktierten Linie vom Körper losgetrennt und daneben gezeichnet. V = 160/1. Transversalschnitt durch die Mundöffnung, etwas unterhalb der punktierten Linie in Fig. 1a geführt (ef. Fig. 11, Schnittebene 2). me: die dorsal vom Pharynx von Körperwand zu Körperwand ziehenden Muskeln. ' mr: die Heber der dorsalen Decke der Mundhöhle. os: Mundhöhle. hy: Hypodermzellen der Chitinintima. V = 160/1. Transversalschnitt durch den Oesophagus, kaudalwärts vom vorigen geführt (ef. Fig. 11, Schnittebene 3). me: Circulärmuskeln der Oesophagus. mr: Radiärmuskeln „ hy: Matrix der Chitinintima. oes: Lumen des Oesophagus. Die Punkte an den distalen Enden der Hypodermzellen sind die Querschnitte der Längsmuskeln. V = 160/1. Wie Fig. 3 (ef. jedoch Fig. 11, Schnittebene 4). V = 160/1. Transversalschnitt durch den engsten Teil des Oesophagus. Übergangsstelle in den Hals des Kaumagens (ef. Fig. 11, Schnittebene 5). Bezeichnungen wie Fig. 3; die Radiärmuskeln dieser Region sind äußerst spärlich, in dem Schnitt ist keiner getroffen. V= 160/1. Transversalschnitt durch den Halsteil des Kaumagens (ef. Fig. 11, Schnittebene 6). Die Schnittebene ist ein wenig gegen die vorhergehende gedreht. Radiärmuskeln, ebenso Längsmuskeln fehlen von jetzt ab. mk: Cireulärmuskeln am Halsteil des Kaumagens. l: die sich verdiekenden Längsrippen an der Innenseite des Kaumagenhalses. k: Lumen des Kaumagenhalses. Sonst wie vor. Fig. 204 ie, 7. Fis. 8. Ne, 9) Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Erklärung der Abbildungen. V = 160/1. Transversalschnitt durch den eigentlichen Kaumagen, mitten durch die Kauplatten geführt. ‘Orientierung wie vor., Dorsalseite des Kaumagens nach oben (ef. Fig. 11, Schnittebene 7). mkı, mk2, mks, mkı: die dorsalen, linken, ventralen und rechten Wandmuskeln des Kaumagens. d: die linke Kauplatte der Dorsalseite; die drei anderen Kauplatten sind ohne weiteres er- kennbar. hyı: das Hypoderm der Intima der Dorsalseite. hye: „ 5 S „ Ventralseite und der Seitenwände. k: Lumen des Kaumagens. V = 160/1. Transversalschnitt durch den eigentlichen Kaumagen, unter- halb der Kauplatten geführt (ef. Fig. 11, Schnittebene 3). ha: die Reihen gekrümmter Härchen an den Innenwänden des Kaumagens, welche zusammen ein im Querschnitt kreuzblüten- förmiges Lumen k einschließen. hy: das jetzt einförmige Hypoderm. Sonst wie vor. Fig. V=160/1. Transversalschnitt durch den Kaumagen, nahe vor seinem Übergang in den Magen (ef. Fig. 11, Schnittebene 9). Die ventralen Wandmuskeln werden spärlich; die Härchenreihen gehen gegen ihr Ende hin in die hab: unregelmäßigen Härchenbüschel über. ma, u. maı : die rechten bezw. linken Magen-Ausläufer zu Seiten des Kaumagens. Sonst wie vor. Fig. V=160/1. Tangentialschnitt durch die Muskulatur an der Dorsalwand des Kaumagens (ef. Fig. 11, Schnittebene 10). mkı: die 6 bis 8 locker gefügten Bündel der Wandmuskulatur. p: die perlschnurartig verdiekten Seitenkanten, den Wandmuskeln zur Insertion dienend. V=160/1. Sagittalschnitt durch den Oesophagus und den Kaumagen eines etwas kleineren Exemplares. Bezeichnungen wie vorige Figuren. Das Lumen des Oesophagus erscheint beträchtlich weit, da der Schnitt neben der Symmetrieebene geführt wurde (ef. vor. Figuren). Die Längs- muskulatur ml tritt als feine Streifung distalwärts vom Hypoderm der Intima des Oesophagus hervor. Die Art, wie die Kauplatten von tiefen (ringförmigen) Einziehungen der Intima umgeben sind, ist erkennbar, ebenso die Verteilung und die Lagebeziehungen der gesamten Muskulatur. Die Bedeutung der Zahlen 1—10 geht aus den vorigen Figurenerklärungen hervor; desgleichen die Bedeutung der Buchstabenbezeichnungen. V=140/1. Chitinige Teile des Kaumagens, nach einem Macerations- präparate. Bezeichnung der Einzelteile durch die vorigen Ausführungen überflüssig. Der Deutlichkeit halber sind zwei Querschnitte eingezeichnet. Erklärung der Abbildungen. 205 Fig. 13. V=470/1. Epithelpartie, nahe dem blinden Ende der Magenaus- sackungen. Es sind drei von den großen hepatopankreatischen Zellen la. getroffen. ez: niedere Zylinderzellen, fast ein kubisches Epithel darstellend. Fig. 14. V=4X0/l. Teil der eigentlichen Magenwandung. ez: typisches Zylinderepithel mit Stäbchensaum: s. Fig. 15. V= 235/1. Sagittalschnitt durch den mittleren Teil des Verdauungs- tracts. Md: „Mitteldarm“. Sp: Sphinkterpartie. Re: Rectum. cz: Zylinderzellen. mdz: Epithel des „Mitteldarmes“ ohne deutliche Zellgrenzen. spz: hohe Zellen des Sphinkters. rez: Rectum-Auskleidung durch plattes Epithel. ml: Längsmuskeln. me: Zirkulärmuskeln. mdi: Dilatatoren. Die Chitinintima der Rectalpartie ist so fein, daß sie zeichnerisch nicht naturgetreu darzustellen ist. Fig. 16. V= 235/1. Sagittalschnitt durch das rechte Ovarium eines sehr großen Weibchens. mpr: bindegewebige Tunica propria. ® Kl: Keimlager. gZı: indifferente Keimzellen in protoplasmatischem Netzwerke. gze: Keimzellen, durch Teilung von 3 bis 4 gleichaltrigen gzı ent- stehend und das Keimlager bildend. gz3: Keimzelle, im Begriff sich vom Keimlager loszulösen (Ovulum im jüngsten Stadium). 01, 02: Ovula in den beiden nächsten Fntwickelungsstadien. 03: fast vollentwickeltes Ei. n: Eikern. vi: Dotterschollen. va: schaumartige Vakuolen. fo: „Follikel“-Membran (Gruvels). Es geht aus dieser Abbildung deutlich hervor, daß die Oogenese nieht wie bei den Scalpellen verläuft. Fig. 17. V==470/1. Parasagittalschnitt durch Atrium und Vagina eines großen Weibchens. -tp: Tunica propria. Kz: Auskleidung des Atriums mit „Kelchzellen“. d: Gerinnsel-Klümpehen im Atrium. m: Muskeln der Körperwand. v: Vagina. e: Genitalöffnung. f2 Kw : Körperwand. 206 Erklärung der Abbildungen. Fig. 13. V= 60/1. Schematische Darstellung des Nervensystems eines erwach- senen Cryptophialus-Weibchens, aus Schnittserien rekonstruiert. Oes: Oesophagus. K: Kaumagen. Ce: Gehirn-Doppelganglion. Vı: Erstes Ventral-, oder Suboesophagealganglion. Vz: Zweites Ventralganglion. np: die den Pedunculus-Nerven der Lepadiden entsprechenden Nerven. S: Schlundeonnective. con: Connective zwischen den beiden Ventralganglien. ne: die sechs Cirrennerven. nı— na: die übrigen deutlich erkennbaren peripheren Nervenstämme. Sch: Scheidenartiger Zug von Bindegewebsfibrillen, der das Nerven- system umeibt. Die Buchstaben A bis E geben die in Fig. 19 A bis E abgebildeten Transversalschnitte an. Fig. 19. V=10/1. Eine Serie von fünf 'Transversalschnitten durch das Nerven- system eines etwas größeren Exemplares. Ventral- bezw. Dorsalseite sind bezeichnet. A: Transversalschnitt durch die untere (kaudale) Partie des großen - Suboesophagealganglions. B: Transversalschnitt durch die Connective zwischen beiden Ven- tralganglien. C: Transversalschnitt durch die obere (rostrale) Spitze des zweiten Ventralganglions. D: Transversalschnitt durch die obere (rostrale) Partie des zweiten Ventralganglions. E: Transversalschnitt durch die untere (kaudale) Partie des zweiten Ventralganglions. nl: das eigentliche Neurilemm. Cpi: die Kerne der bindegewebigen Scheide Sch, von Pigmentkörnern umlagert. Im übrigen wie Fig. 18. Fig. 20. V=70/1. Sagittalschnitt durch das Nervensystem eines gleich großen Exemplares. (Schnitt neben der Symmetrieebene geführt, wodurch eines der Connective zwischen den Ventralganglien getroffen ist.) Ventral- und Dorsalseite bezeichnet. gZı: gewöhnliche Ganglienzellen. g22: etwas größere Ganglienzelle (cellule geante, Gruvel). pu: „Punktsubstanz“. Fz: „Faserzüge“ (trajets fibreux, Köhler). Im übrigen wie Fig. 19. Erklärung der Abbildungen. 207 Fig. 21—24. V=160/1. Eine Serie von vier Transversalschnitten durch ein er- wachsenes Weibehen, zur Demonstration der Lage und Gestalt der Schalendrüsen. Halbschematisch. Histologische Details zum Teil an- gegeben. Das Bindegewebe des Körpers durch Schraffierung bezeichnet. Fig. 21. Transversalschnitt durch das rostrale (obere) Ende der Schalen- drüsensäcke. Es ist diejenige Region getroffen, welche der in Fig. 11 mit „3“ bezeichneten entspricht, doch ist der Schnitt mehr horizontal geführt. Rechts ist der secernierende Abschnitt (Nephro- coel, Endbläschen) der Schalendrüse schon angeschnitten. Oes: Oesophagus. Sl: die ausführenden Abschnitte der beiden Schalendrüsen. Sn: der secernierende Abschnitt der rechten Schalendrüse. a: die unterhalb der Basis der, aus den 2. Maxillen ver- schmolzenen, Unterlippe ausmündenden feinen Ausführungs- gänge von Sl. Fig. 22. Transversalschnitt, etwas tiefer als der vorige geführt. Der Schnitt geht durch den engsten Teil (Umknickungsstelle) des Oesophagus und durch die weiteste Region der Schalendrüse. cı: die Stelle, wo der linke und der rechte ausführende Teil etwas unterhalb der Labialwülste durch einen engen Gang kommunizieren. ee: die Stelle, wo die ausführenden Teile an ihrer Dorsalseite fast zur Kommunikation gelangen (bei einigen Exemplaren scheint dies stattzufinden). Im übrigen wie Fig. 21. Fig. 23. Transversalschnitt, etwas tiefer als der vorige, durch die Mitte der Kauscheiben geführt. Die secernierenden Abschnitte gewinnen an Lumen, die ausführenden gehen zurück. K: Kaumagen. ma: „Magen“. cs: die Stelle, wo die ausführenden Teile an ihrer Dorsalseite — vor dem Kaumagen — zur Kommunikation gelangen. Im übrigen wie Fig. 22. Fig. 24. Transversalschnitt durch das untere (kaudale) Ende der Schalen- drüsensäcke und durch diejenige Stelle geführt, wo der Kaumagen in den Magen übergeht. Die secernierenden Abschnitte reichen etwas weiter kaudalwärts als die ausführenden. Beide enden mit etwas abgestumpfter Kuppe blind im Bindegewebe. Im übrigen wie vorige Figuren. Fig. 25. V= 85/1. Sagittalschnitt durch die Region des „organe enigmatique“, neben der Symmetrieebene geführt. O: als „organe enigmatique, Gruvel“ anzusprechende Zellgruppe. Zo: Zellen gleichen Typs, in der Gegend der Schlundconnective verstreut liegend. 208 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Erklärung der Abbildungen. 1) \ © bz: Kerne des nicht pigmentführenden Bindegewebes. le: Blutlaeunen. Im übrigen wie vorige Figuren. 26. V = 260/1. "Transversalschnitt durch eine seitliche Partie des Mantels, nahe dessen Ursprungsregion, in Höhe der Umknickunssstelle des Oeso- phagus geführt. eı: die äußere, ea: die innere Begrenzungsschicht des Mantels. Auf eı, welche starke Chitintunica besitzt, sind einige Bohrdornen angeschnitten. bz: das bindegewebige Stratum des Mantels. F: die eı und ea verbindenden, an beiden Enden aufgespaltenen Faserbündel. kf: die F angelagerten großen Kerne von es. le: Blutlacunen. me: ein Transversal-, ml: ein Längsmuskel des Mantels. 27. V=260/1. Transversalschnitt durch die linke Verstärkungsleiste des äußeren Mantelblattes, auf der Höhe des Gehirns geführt. 285. V = 260/1. Transversalschnitt durch die Iimke Verstärkungsleiste des inneren Mantelblattes, auf derselben Höhe wie der vorige geführt. .29. V=260/1. Eine Serie von Transversalschnitten durch die „Sehne“ (ligamentous bar, Darwin) des großen Retractor orifieci, sowie durch diesen selbst, . 29a. in Höhe des oberen Randes der Mundöffnuns geführt. Die „Sehne“ zeigt dicke, ehitinige Wandungen, annähernd kreisrunden Querschnitt, enges Lumen. 29b. etwas unterhalb der Mundöffnung geführt. Das Lumen wird weiter. . 29e. in Höhe des Gehirns (in gleicher Höhe wie Fig. 27, 28) geführt. Die „Sehne“ zeigt sich dorsoventral abgeplattet. Ihr Lumen wird ein enger Querspalt. Ansatz von Transversalmuskeln tritt in Erscheinung. 29d. in Höhe des unteren Randes der Kauscheiben geführt. Der große Retraetor orifieii, der noch nicht deutlich in zwei nebeneinanderliegende Portionen gesondert ist, umgreift das kaudale Ende der „Sehne“ (— se —), welche ihn in Gestalt einer freien „Mittelsehne“ durchsetzt. . 29A. V=160/1. Transversalschnitt durch ein Stück der dorsalen Körper- wandung, in Höhe des Gehirns seführt. eh: Chitintunica. S: „Grenzlamelle“. 30. V=160/1. Transversalschnitt durch eines der in der Öffnungsregion des Mantels gelegenen „Zellnester“. 31. V=260/1. Zwei spindelförmige Zellen aus einem Zellneste, stärker _ vergrößert. 32. V=160/1. Saegittalschnitt durch den oberen Rückenanhang (tapering appendage, Darwin) eines großen Weibchens. Die ursprünglich dreh- Erklärung der Abbildungen. 2309 runde Gestalt des Organes ist durch Alkoholkonservierung verloren ge- gangen. H: der dünne Halsteil des Organes. Km: die Körpermuskeln, von denen die Muskeln des Rückenanhanges abzweigen. Mu: distale Enden von Muskeln des Anhanges. hy: Hypoderm der Chitintunica. bz: das das Organ ausfüllende Bindegewebe. n: der fragliche Axenstrang, vielleicht Nerv des Anhanges. le: Blutlacune ohne eigene Wandung. Fie. 33. V=100/1. Zwergmännchen im Puppenstadium. Habitusbild. Von der Dorsalseite. — Als Ergänzung zu der von Darwin gegebenen Ventral- ansicht der (weiblichen) Puppe. Fie. 34. V= 100/1. Zwergmännchen, in geschlechtsreifem Zustand. Nach einem schwach mit Alauncarmin angefärbten Alkoholexemplar. A: Haftantennen. O: Öffnung der Penis-Scheide (Mantelöffnung). Op: Kanal für den Penis im flaschenhalsartig ausgezogenen Capi- tulumteile des Mantels. d: Dornen am Rande der Mantelöffnung. Sg: Spermatogonienhaufen. Vs: Vesieula seminalis. pe: Penis, in vielfachen Windungen aufgerollt. ml: Längsmuskelstreifen des Mantels. mr: Cireulärmuskelringe. Tr: Tröpfehenbildungen. Fie. 355. V= 200/1. Penis, nebst einem Stück Vesieula seminalis, mittels Nadeln aus einem Alkoholexemplar herauspräpariert und mit Boraxcarmin- Pierinsäure behandelt. K: krallenartiges Gebilde am Ende des Penis. ch: Chitintuniea. me: Quergestreifte Cireulärmuskelbündel, welche die Ringelung des Penis bedingen. Unter diesen tritt als dunklere Zone die Längsmuskulatur hervor. dej: Ductus ejaculatorius. Derselbe liest, wie bei Alcippe, im einem axialen Hohlraum des Penis. Vs: Vesicula seminalis. mr: schwache Circulärmuskelbündel derselben. G: gelbliche Masse auf der Vesicula seminalis, vielleicht Ganglion. F: Fasern a. d. Basis des Penis. EN Fig. 36. V=65/1. Cryptophialus longicollatus n. sp. Erwachsenes Weibchen. Nach einem Macerationspräparate, wie Fie. 1. H: sehr langer Halsteil des Mantels. S: große Stachel-Dornen am Rande der Mantelöffnung. 210 Erklärung der Abbildungen. Fig. 56. Za: Dornenreihe unterhalb der Mantelöffnung, dorsal von der Ver- stärkungsleiste des äußeren Blattes. Die Dornen erinnern in ihrer Form an die Hautzähne der Selachier. d: Reihe starker Dornen entlang der oben besprochenen Ver- stärkungsleiste. {ge} : Ende der Verstärkungsleiste, ohne die für C. minutus und minutus striatus typische Endplatte. 2: Zwergmännchen. Für die übrigen Details vergl. Fie. 1. Fig. 37. V= 260/1. Seitenansicht «der Mantelöffnung von Cryptophialus longi- collatus; stärker vergrößert, um die Spezies - Unterschiede deutlicher zu zeigen. Bezeichnung wie vorige Figur. Eine Literaturübersicht wird am Ende des zweiten Teiles meiner Arbeit gegeben werden. I L Archiv für Biontologie, Ba.l. Taf.ııt. ug Bee 22 Berndt gez. R; ------ - le \ Ro ---------- \ 7. gi: EN N a I\ ..-. 2 --- f \ | i } } \ Y “ f > | / em: | Lit AnstvEA Funke, Leipzig Wilh Berndt, Studien an bohrenden Cirripedien . ven Archiv für Biontologie, Bd.l. Berndt gez. Lit AnstvEAFunike,Leipzig, Wilh Berndt, Studien an bohrenden Cirripedien . Archiv für Biontologie, Bd. LitteAnstvE.AFunke, Leipzig. Wilh.Berndt, Studien au bohrenden Cirripedien. h (3 h T : B | u. “ { | b i un ' i \ ö 1 ; Te | 4 r ) a | ö Ar ri # 1 & R , Br ü N FR | = = E hr \ {} € Y . u U : } ) j (x ü R \ N 5 Ar m Taf.17. Archiv für Biontologie, Bd .. RIA. s 3. 5 Berndt gez. IfAnstvEAfımkelapzig Wilh.Berndt, Studien an bohrenden Cirripedien. }] E j N 4 | Über die Anatomie der (respenstheuschrecke, Diapheromera lemorata, Say. Von Wm. 8. Marshall und Henry H. Severin. (Aus dem Zoolog. Institut der Universität Berlin.) Hierzu Tafel 18—23. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn, 1906. ae an * et Si 7 ES e ie Einleitung. Die Anatomie der Phasmiden ist von mehreren Zoologen, Müller (43), Joly 85), Sinety (56), Heymons (34) und in einigen Orthopterenarbeiten von Dufour (19), Bordas (11) ete., beschrieben worden. Außer diesen Arbeiten all- gemeineren Inhalts beschreiben einige ein einzelnes Organ. Aber nur wenige Ab- handlungen befassen sich einigermaßen ausführlich mit der feineren Anatomie der beschriebenen Organe. Im Folgenden beabsichtigen wir nicht eine vollständige Anatomie des behandelten Insekts zu geben; sondern es sind nur einzelne Teile, Verdauungstraktus, Genitalorgane und Tracheensystem, untersucht worden und nicht einmal bei jedem von diesen haben wir Wert auf histologische Einzelheiten gelegt. Unsere gemeine Gespenstheuschrecke findet sich reichlich in Wisconsin. Unsere Exemplare sind sämtlich nahe bei Madison oder Milwaukee gesammelt worden. Man findet die Insekten auf den Blättern von Tilia americana und Corylus americana. Die meisten wurden im Herbst gesammelt, wo sie voll erwachsen sind. Diejenigen, welche wir für das Studium der allgemeinen Anatomie brauchten, wurden subeutan mit 95°, Alkohol injiziert und dann in demselben Alkohol aufbewahrt. Zu histo- logischen Zwecken wurden die Tiere von vorn bis hinten geöffnet und in Flem- minge’scher Lösung, Sublimat oder Pikrinsehwefelsäure fixiert. SU Sn Verdauungstraktus. Der Verdauungstraktus beginnt mit einer weiten Mundöffnung, geht dann als eine gerade Röhre von verschiedener Dicke durch den ganzen Körper und mündet am letzten, zehnten Abdominalsegment. Der im Kopf und Prothorax liegende Teil des Vorderdarms ist der engste.. Am Vorderende des Mesothorax beginnt er sich zu erweitern und nimmt fortgesetzt allmählich an Dicke zu, bis er ungefähr ein Drittel des Metathorax durchlaufen hat, wo er wieder allmählich an Weite abnimmt und in der Mitte dieses Segments endigt. Bei männlichen Tieren liegt diese Grenze weiter zurück, nahe dem hinteren Ende des dritten 'Thoraxsegments. Der vordere Teil des Mitteldarms ist der weiteste; gegen das hintere Ende des zweiten Ab- .dominalsegments beginnt er sich zu verengern. Seine geringste Weite hat er in der Mitte des nächsten Segments, und von diesem Punkte an verläuft der Mittel- darm als ein überall gleich weites Rohr bis zu seinem Ende an der Grenze zwischen fünftem und sechstem Segment, wo der Hinterdarm beginnt. Der vordere, weiteste Teil des Mitteldarms ist durch eine große Zahl Querfalten markiert (Fig. 1). Das vordere Ende dieser Region tritt sehr unvermittelt auf und bezeichnet äußerlich die Grenze zwischen Vorder- und Mitteldarm. Der Hinterdarm, der an der Grenze zwischen fünftem und sechstem Segment beginnt, ist der engste Teil des Verdauungstraktus. Der erste Teil dieses Ab- schnitts, das Ileum, ist ein gerades, enges Rohr, welches, rückwärts verlaufend, allmählich enger wird und am hinteren Teile des siebenten Segments aufhört. Hier beginnt der engste Abschnitt des ganzen Darmkanals, das Kolon, das sich durch den größten Teil des achten Segments erstreckt. Eine Erweiterung am Hinterende dieses Segments bezeichnet die Grenze des Rektums, das sich durch dieses und das zehnte Segment erstreckt und nach außen zwischen den laminae anales (Fig. 2%) mündet. Eine genauere Untersuchung des Mitteldarms an der Grenze zwischen drittem und viertem Segment zeist an seiner Oberfläche eine Anzahl kleiner eiförmiger, sackartiger Körperchen, die ihm angeheftet sind. Ihr hinteres Ende ist am engsten und geht allmählich in lange, haarartige Fortsätze über, die sich nach hinten aus- dehnen und schließlich in der Masse der Malpighischen Gefäße verschwinden. Diese kleinen, drüsenartigen Anhänge sind bei einer Anzahl Phasmiden gefunden worden. Die Malpighischen Gefäße münden sämtlich in den Darmkanal an der Grenze des fünften und sechsten Segments. Zum Teil liegen sie vor, zum Teil hinter dieser Region. Man kann leicht feststellen, daß dieser Unterschied in der Lage 216 Wm. S. Marshall und Henry H. Severin: nieht der einzige ist, sondern daß diejenigen, welche vor dem Anheftungspunkt an den Darm liegen, an Gestalt und Anzahl von den hinteren abweichen. Diejenigen, welehe man im fünften Segment findet, sind dieker und kürzer als die anderen und jedes erstreckt sich nach vorn von dem Anheftungspunkt, bis nahe an das vierte "Segment; dann verläuft es, eine enge Schleife bildend, in das achte Segment zurück. Die dünneren hinteren Gefäße liegen in einem Gewirr im sechsten, siebenten und achten Segment. Jedes von ihnen läuft ebenfalls an sich zurück; aber sie zeigen in dieser Hinsicht nicht die Regelmäßigkeit, wie die nach vorn gerichteten. Jedes verläuft rückwärts, bis nahe an das hintere Ende des achten Segments, wo es um- kehrt, und eine Strecke weit nach vorn verläuft. Ein jedes der weiteren, vorderen Malpighischen Gefäße vereinigt sich mit fünf der hinteren, dünneren. Alle fünf bilden zusammen einen gemeinsamen Raum, der sich in den Darmkanal ergießt. Auf dem Vorderdarm sieht man 6 weißliche Muskelbänder, welche längs ver- laufen und gerade in der Ringmuskelschicht liegen. Im hinteren Teile des Kopfes sind sie nicht deutlich; scheinbar verlieren sie sich an dieser Stelle und breiten sich über die Oberfläche des Oesophagus aus. Flinter dieser Stelle sind die Bänder deutlich zu sehen, und zwar sind sowohl bei dorsaler wie bei ventraler Ansicht 3 sichtbar (Fig. 1, Im). Nahe dem hinteren Ende des Vorderdarms nähern sich die 3 dorsalen Bänder, ohne aber zu verschmelzen und dehnen sich über den Oeso- phagus hin aus (Fig. 14). Die drei ventralen Bänder endigen in derselben Weise, aber ihrer Lage entsprechend, verlängern sie sich nicht zu dem (dorsal gelegenen zungenartigen Vorsprung. Auch auf dem Mitteldarm liegen Längsmuskelbänder; sie verzweigen sich an seinem vorderen Ende und breiten sich -über diesen Teil des Verdauungstraktus aus. Zwei von diesen Muskeln sind an dem sackähnlichen Teil jedes kleinen Drüsenanhangs angeheftet; von hier verlaufen sie nach vorn auf dem Vorderdarm und vereinigen sich zu 4 Bündeln, m der Nähe der vorderen Region (des Methatorax. Eine andere Veremigungsstelle liest an der Basis des Prothorax. Aber hier sieht man nur zwei lateral gelegene Bänder. Am vorderen Ende desselben Thoraxsegments wird jedes Band allmählich breiter und bildet ein Dreieck, welches sich an einer inneren Kante des äußeren Skeletteils befestigt (Fig. 37, Im). Die zuletzt angeführten Muskelbänder sind von Müller (43) be- schrieben worden. Wir kommen jetzt zu einer eingehenderen Beschreibung der verschiedenen Teile des Verdauungstraktus. Vorderdarm. Die Mundöffnung ist von einer. chitinigen Lage ausgekleidet, welche überall gleiches Aussehen und eine ziemlich gleichmäßige Stärke besitzt, von geringen Ab- weichungen abgesehen, die in Bezug auf Vorkommen und Lage unregelmäßig sind. Die Wand ist längs gefaltet und in jeder Falte liest eine Zahl Längsmuskeln. Der Hohlraum ist hier zum Teil umgeben von einer Ringmuskelschicht, die ven- tralwärts in der Gegend der Zunge verschwindet. Das Epithel der Mundhöhle (Fig. 3) besteht aus emer Reihe von kurzen säulenförmigen Zellen, welche am Boden ein wenig länger smd als an der Oberseite des Mundes. Das Zellplasma ist gleichmäßig im den Zellen verteilt; jede enthält einen eiförmigen Kern, in (dem Über die Anatomie der Gespenstheuschrecke, Diapheromera femorata, Say. 917 eine Anzahl Chromatinkörnchen gleichmäßig verteilt sind. Die Chitinlage ist ziem- lich diek und zeigt eine auffallende Lamellarstruktur. Auf ihr liegen eine Anzahl zugespitzter, gebogener und rückwärts gerichteter Borsten, die hier frei beweglich sind und durch eine Öffnung in («der Chitinlage mit den Epithelzellen kommuni- zieren. Diese Borsten ähneln sehr denen des Labiums und dienen zweifellos der Sinnesperzeption. Weder von außen noch durch das Studium von Schnitten kann man mit Sicher- heit den Beginn des Oesophagus feststellen. Histologisch ist er angegeben. An einer Stelle, genau vor dem Infraoesophagealganglion, verändern sich die Epithel- zellen allmählich und werden platter. An derselben Stelle liegen die Kerne anders. Während ihre Längsseite sonst senkrecht zur Chitinlage verläuft, liegt sie ihr hier nahezu parallel. Die Kerne sind auch länger, ihre Chromatinkörnchen größer und gleichmäßiger in Form und Gestalt (Fig. 4). Diese Veränderung der Epithelzellen ist eine allmähliche. Wenn sie die Grenze zwischen der Mundhöhle und dem Oesophagus darstellen sollte, würde sie, glauben wir, zu weit zurück liegen. Wir fanden etwas vor dem Gehirn eine ziemlich plötzliche Veränderung in der Weite des Darmtraktus (Fig. 2), welcher den Anfang des Oesophagus bezeichnen möchte. Die von uns beschriebenen Borsten sind im Vorderteil der Mundhöhle nicht vorhanden. Hingegen treten andere an einer Stelle unter dem vorderen Ende des Supraoesophageal - Ganglion auf. Sie liegen an der oberen Wand und sind kleine, einfache Verlängerungen der Chitinlage, sanft gebogen und rückwärts gerichtet. Unter dem (Gehirn werden sie zahlreicher. Hinter dieser Stelle breiten sich die Chitinspitzen über die Seitenwände aus und gerade dem Infraoesophageal - Ganglion gegenüber stehen sie auch an der Ventralseite. An dieser Stelle nehmen die Längsfalten der Wand stark an Größe zu. Es sind ihrer 6, und sie füllen einen großen Teil des Oesophaguslumens aus. Sie varlieren stark in der Gestalt und sind oft infolge des Vorhandenseins von Sekundär- falten schwer voneinander zu unterscheiden. Ein Querschnitt durch den Oesophagus in dieser Gegend (Fig. 5) zeigt die Verhältnisse, die wir eben geschildert haben, die Zähne auf der Chitinlage, und die 6 Hauptfalten, von denen einige, besonders die größeren, Sekundärfalten tragen. Die Falten sind mit Längsmuskeln angefüllt, die ihrerseits von Ringmuskeln umgeben sind. Die Chitinlage ist an dieser Stelle ziemlich dick, aber die Epithelzellen sind nahezu verschwunden, und an einigen Stellen werden sie nur durch wenig mehr als die Zellkerne dargestellt (Fig. 6 Epth.) Hinter dem Prothorax sehen wir die Längsfalten abnehmen, und am hinteren Teile des Mesothorax sind sie fast ganz verschwunden. Auf einem Querschnitt durch den Vorderdarm in dieser Gegend ist die starke Rückbildung der Falten be- merkbar, nur die 6 Längsmuskelbänder, von denen wir oben sprachen, sind klar zu sehen, und zwar ist jedes aus einer Gruppe von 3 oder 4 Fasern zusammen- gesetzt (Fig. 7). Im Metathorax hat die Ringmuskelschicht stark an Dicke zu- genommen, die Cutieula ist noch von beträchtlicher Dicke und in der Mitte dieses Segments werden die Spitzen, welche sie trägt, dieker, stumpf und viel zahlreicher. Sie liegen so dicht beieinander, daß sie sich fast berühren. Diese Region würde 318 Wm. S. Marshall und Henry H. Severin: nach ihrer inneren Struktur besser als jede andere dem Magen entsprechen; jedoch gibt es eine solche Trennung nicht. Die Grenze zwischen Vorder- und Mitteldarm liest nahe der Mitte des Meta- thorax und erscheint, von außen betrachtet, sehr scharf abgesetzt und deutlich (Fig. 1). Wenn der vordere Teil des Mitteldarms aufgeschnitten ist, sieht man einen deutlichen, zungenförmigen Fortsatz vom Vorderdarm aus in ihn hineinragen (Fig. 8). Das Studium eines Sagittalschnittes durch diese Gegend zeigt, daß dieser Teil des Vorderdarms, der sich in den Mitteldarm fortsetzt, fast ganz zu der vor- deren Partie des Verdauungstraktus gehört und daß nur ein kleiner Teil von dem hinteren Abschnitt gebildet wird (Fig. 9 fm). Dieser äußerlich verdeckte Teil ist die Einstülpung des Oesophagus. Ihre dorsale Wand ist viel länger als die ven- trale. Unsere Figur (8) zeigt einen größeren Unterschied in dieser Beziehung als die meisten von uns untersuchten Individuen aufwiesen. Der mit 1 bezeichnete Teil der Wand der Einstülpung (Fig. 9) ist mit einer Chitinlage bedeckt, die dieker ist, als an jeder anderen Stelle des Vorderdarms. Ein Schnitt durch die Wand an dieser Stelle zeigt, daß man in der dieken Outicula zwei Teile unterscheiden kann; einen äußeren dünneren, auf welchem einige zerstreute zahnförmige Fortsätze sich befinden und einen inneren dickeren Teil, mit zahlreichen kleinen kanalartigen Durchbrechungen, durch welche Fortsätze von den Epithelzellen hindurchdringen. Die Grenzen der Epithelzellen sind nicht deutlich und die Kerne liegen in dem Zellplasma unregelmäßig zerstreut, das außerdem noch zahlreiche ziemlich große Vacuolen enthält (Fig. 10). Nach dem hinteren Ende dieser Gegend hin (Fig. 9, 1) wird die Cuticula dünner. In dem durch die Linie 2 (Fig. 9) bezeichneten Teile ist die Chitinlage dünn und die Epithelzellen klein, aber deutlich abgegrenzt (Fig. 11). Diese Zellen zeigen nur geringe Veränderungen bis dicht zu der Stelle fm (Fig. 9), wo sie lang und wieder säulenförmig werden. An dieser Stelle liegt die Grenze von Vorder- und Mitteldarm, die sehr scharf ist und in zweierlei Hinsicht bemerkenswert; nämlich durch die Umwandlung (der kurzen, flachen Epithelzellen in säulenförmige und durch das Aufhören (der Chitinlage, deren Stelle durch die peritrophische Membran eingenommen wird (Fig. 12). Mitteldarm. £ Der Mitteldarm erstreckt sich von der Mitte des Metathorax bis zum vorderen Ende des sechsten Abdominalsegments. Bei Diapheromera sowohl wie bei Baeillus kann dieser Teil des Verdauungskanales äußerlich in zwei Abschnitte geteilt werden, ein vorderes weiteres Stück, das am hinteren Rande des zweiten Abdominalsegments endet, und ein enges, hinteres, welches sich durch das dritte, vierte und fünfte Segment erstreckt. Ein deutlicher Unterschied zwischen diesen beiden Teilen be- steht insofern, als der vordere weitlumiger und stark und kraus gefaltet ist (Fig. 13). Diese Falten sind viel größer im vorderen als im hinteren Ende und sie besitzen auch in der vorderen Region kleine Sekundärfalten, die durch unregelmäßige Ein- schnitte unterbrochen werden (Fig. 9). Diese äußeren Falten der Wand sind von verschiedener Länge und zeigen keine Regelmäßigkeit, außer daß sehr viele von ihnen die Neigung haben, sich an (der dorsalen Oberfläche in der Medianlinie zu unterbrechen. Die Betrachtung der Figuren 9 und 13 wird das eben Beschriebene Über die Anatomie der Gespenstheuschrecke, Diapheromera femorata, Say. 219 deutlich machen. Das hintere Ende des Mitteldarms weist äußerlich keine Ver- änderungen auf, ausgenommen, daß im dritten und vierten Segment die kleinen haar- förmigen Drüsenanhänge entspringen. Histologisch ist der Mitteldarm durch eine große Regelmäßigkeit der Struktur in seiner ganzen Länge ausgezeichnet. Die Epithelzellen variieren etwas in der Form, aber die peritrophische Membran und die Muskelschichten sind in allen Teilen vorhanden. Unsere Beschreibung kann sich auf zwei Schnitte beschränken, eimen durch den vorderen und einen durch den hinteren Abschnitt. j ö . Ein Schnitt durch den vorderen Teil zeigt, dab die Wand vom Lumen des Darms nach seiner Oberfläche aus folgenden 'Teiten besteht: 1. der peritrophischen Membran, 2. Epithelzellen, 3. Basalmembran, 4. Ringmuskelschicht und 5. Längs- muskelfibrillen, die keine vollständige Schicht bilden. Die peritrophische Membran ist-die bemerkenswerteste Bildung des Mitteldarms. In dem vorderen Teile ist sie 0,015 mm bis 0,02 mm dick, während die Epithelzellen an derselben Stelle 0,05 bis 0,06 mm lang sind. Sie ist bei Diapheromera über diesen ganzen Abschnitt des Verdauungstraktus gleichmäßig gut entwickelt und läßt an keiner Stelle ihren Ursprung besonders deutlich erkennen. Ihr äußerer Rand ist regelmäßig und gerade, und wir möchten sie mit einer Lage langer Cilien vergleichen, deren freie Enden durch eine dünne Haut zusammengehalten werden, die sich gleichförmig über sie ausbreitet. Die Epithelzellen (Fig. 15) in diesem vorderen Teile des Mitteldarmes sind säulenförmig und viele werden an ihren basalen Enden allmählieh spitz. Das Zell- plasma zwischen Kern und der Basalmembran zeigt eine deutliche Längsstreifung, aber in der anderen Hälfte der Zelle enthält es Vacuolen von verschiedener Ge- stalt. Jede Zelle besitzt nahe ihrem Mittelpunkte einen Kern, der die Neigung zeigt, dem freien Ende näher als der Basis zu liegen. Jeder Kerm enthält zwei bis vier Nucleolen von verschiedenem aber stets klemem Umfang, und eine Anzahl Chromatinkörnchen, die m Form und Größe variieren. Bei Diapheromera fanden wir die Haufen kleiner Zellen (eryptes, Drüsenerypten, epithelial buds) nicht so deutlich, wie sie im Fpithel des Darmtraktus vieler anderer Insekten vorhanden sind. Hier und da sieht man Gruppen von zwei bis sechs kleinen Kernen in der Nähe der Basis anderer Zellen. Diese Kerne färbten sich sehr intensiv, aber-wir fanden keine Mitosen. Im Mitteldarm findet die Sekretion auf den für die Arthropoden «dureh viele Beobachter beschriebenen zwei Wegen statt; entweder wird eine ganze Zelle oder ein großer Teil davon in das Lumen hinausgestoßen oder kleine Massen lösen sich von dem freien Rande der Zellen ab und lösen sich schließlich durch einen Durch- schnürungsprozeß los. Die erstere Art und Weise ist bei weitem nicht so häufig wie die letzte, aber es finden sich über die Oberfläche zerstreut viele ganze oder Bruchstücke von Zellen, die unzweifelhaft aus dem Epithel herausgedrängt worden sind (Fig. 16). Einige sind noch durch einen kurzen dünnen Stengel mit dem Epithel verbunden und bei vielen bedeckt noch die peritrophische Membran einen Teil ihrer Oberfläche. Die Sekretion durch Abschnürung ist in diesem weiten, vorderen Teil des Mitteldarms sehr gewöhnlich. Figur 17 zeigt Teile von Epithel- zellen, von denen sekretorische Fortsätze durch die peritrophische Membran dringen. 220 Wm. S. Marshall und Heury H. Severin: Jeder Fortsatz ist lang und birnenförmig und enthält in seiner distalen Hälfte eine Anzahl dunkel gefärhbter Körnchen (Fig. 17). Andere von uns gezeichnete sekre- torische Fortsätze (Fig. 18a, b, ce, d) zeigen, daß der Inhalt der distalen Hälften sich von denen der proximalen unterscheidet; letzterer Teil ist mit emer dem Zell- plasma optisch sehr ähnlichen Substanz angefüllt. Distalwärts enthält jeder sehr viele Körnchen, deren Umfang variiert, und die durch einen deutlichen Zwischen- raum von einander getrennt sind. Auf Fig. 15 haben a und b die äußere Mem- bran durchbrochen, und ihre Körnchen gelangen in das Darmlumen. Es ist wahr- scheinlich, daß die Fortsätze nieht immer durehgeschnürt werden, sondern daß ihr Inhalt auch auf die eben von uns beschriebenen Art und Weise befreit werden kann. Die sekretorischen Fortsätze treten zuerst als kleine, lappenförmige Vor- sprünge auf der freien Oberfläche der Zellen auf. Wenn ihre volle Länge nahezu erreicht ist, werden sie bimmförmig in der Weise, daß ein (dünner Stiel eine an- geschwollene distale Hälfte trägt. Wie bereits erwähnt, sind die Muskelschichten im Mitteldarm nicht stark ent- wickelt. Die Ringmuskelschicht findet man fast in jedem Teil eines Schnittes, aber «die anderen, nur in kleinen Gruppen vorhandenen Muskeln, sieht man nur in wenigen Längsschnitten. Wir haben den Mitteldarm in allen seinen Teilen sorgfältig studiert und fanden, wie oben bemerkt, keine besonderen Unterschiede in der Struktur. Ein Sehnitt (Fig. 19) durch semen hinteren Teil zeigt die starke peritrophische Mem- bran, die, weil sie zu «den Epithelzellen gehört, welche hier kürzer als vorn sind, verhältnismäßig dicker erscheint. Bpithelzellen aus dieser Gegend zeigen auch die vacuolenreiche äußere und die &estreifte innere Struktur des Zellplasmas. Die Kerne unterscheiden sich nur in der (Gestalt von den von uns beschriebenen. Gerade vor der Gegend, wo «lie malpighischen Gefäße einmünden, werden die Ppithelzellen platt und ihre Kerne verändern sich so, daß ihre Längsachse der- jenigen der Zelle parallel zu liegen kommt. Die Muskelschicht zeigt nur eine geringe Ausbildung. Noch näher am der BEintrittszelle der malpighischen Gefäße wird die Darmwand stark gefaltet (Fig. 20). Jede der so gebildeten zahlreichen äußeren Falten stellt eine der Taschen dar, in welche, wie wir. später zeigen werden, 5 der Gefäße einmünden. Enddarm. Äußerlich zeigt der sich durch das sechste und die folgenden Abdominalsegmente erstreckende Enddarm nur wenige Veränderungen, und diesehängen hauptsächlich von den Unterschieden in seinem Durchmesser ab. Sein vorderer Teil, das Heum, verläuft, allmählich an Weite zunehmend, durch das sechste Segment. Im siebenten Seg- ment verändert er nur wenig seine Gestalt bis nahe dem hinteren Ende, wo er srößer wird und das Kolon bildet, ein Abschnitt, der sich durch zwei Drittel des achten Segments hinzieht. Im hinteren Teile dieses letzten Segments wird er plötzlich viel weiter. Dieser erweiterte Teil, das Rektum, erstreckt sich durch einen kleinen Teil des achten, durch das sanze neunte und das zehnte Segment. Sechs Längsmuskelstränge liegen auf dem größten Teil des Enddarms, und im Über die Anatomie der Gespenstheuschrecke, Diapheromera femorata, Say. 22] neunten und zehnten Segment verbinden viele Muskeln die Darmwand mit der des Körpers (Fig. 27). Im vorderen Teile des Heums ist die histologisch wichtigste Veränderung das Verschwinden der peritrophischen Membran. Ihre Stelle wird durch eine dünne Cuticula eingenommen. Die Epithelzellen sind hier säulenförmig; sie zeigen eine deutliche Längsstreifung durch ihre ganze Länge und klare längliche, vacuolen- ähnliche Räume (Fig. 21). Die Kerne (dieser Zellen ähneln denen der Epithel- zellen des Mitteldarms, und im. dieser Gegend nimmt die Ringmuskelschicht ein wenig zu. Durch das ganze sechste und die vordere Hälfte des siebenten Segments ist nur eine geringe Veränderung wahrnehmbar; die Epithelzellen werden kürzer und die Ringmuskeln besser entwickelt. In keinem Teile des Enddarms gibt es Krypten. Er ähnelt in (dieser Beziehung dem Vorderdarm. Eme kurze Strecke hinter dem Vorderende des siebenten Segments tritt eine Abweichung durch das Vorhandensein von 6 Hauptfalten auf, die, oft mit Sekundär- falten verbunden, in der Wand des Verdauungstraktus liegen (Fig. 22). Eime fort- laufende Muskelschicht umgibt das TDeum an dieser Stelle. Sie berühren es an der Spitze jeder Hauptfalte und manchmal auch an den Sekun- därfalten, wo sie jedoch keme so innige Verbindung zeigen wie im ersteren Falle. Auch liest an der Spitze jeder Hauptfalte eine kleine Gruppe von Längesfibrillen (Fig. 22 Im). Diese entsprechen (den sechs bereits be- sprochenen Bändern. Am hinteren Ende («des siebenten Segments findet insofern eine Abweichung statt, als die sechs Hauptfalten des Ileums hier im Kolon viel stärker werden und in hohem Maße das Darmlumen ausfüllen. Ein Längsschnitt durch das Kolon zeigt, daß im seiner Wand Querfalten liegen und daß an seinem hinteren Ende viele Muskeln von ihr zur Körperwand ziehen. Die Chitinlage ist hier viel dieker und trägt an ihrer Oberfläche viele große Spitzen. An seinem Anfang ist eim histologischer Unterschied zu bemerken: die säulenförmigen Epithel- zellen des Ieums sind hier klemer und in den meisten Fällen pigmentiert. Die Längsfalten werden fast ganz von Muskeln angefüllt, und an ihrer Außenseite findet sich eine dieke Ringmuskelschicht. Der Anfang des Rektums liegt im achten Abdominalsegment, nahe seinem hinteren Ende. Die (Querschnitte zeigen sechs große, flache Falten (Rektaldrüsen), die hier keine Sekundärfalten besitzen (Fig. 23). Die Epithelzellen sind hier nur im vorderen Teile pigmentiert, wo die Cuticula dünn ist, ganz anders als im Kolon. Im ganzen Rektum bemerkt man einen sehr deutlichen Unterschied zwischen den Epithelzellen in den Falten und jenen der Wand zwischen ihnen. Im ersteren Falle sind die Zellen lang, schmal und leicht unterscheidbar, im zweiten sind sie fast ganz verschwunden und’ von ihrer Struktur ist nichts zu erkennen. Am hinteren Ende des zehnten Segments wird das Rektum plötzlich zu einem dünnen, engen Rohr, dessen Wände mit einer dieken Chitinschicht ausgestattet sind, die unmittelbar auf den langen, schmalen, pigmentierten Epithelzellen liegt. Die den Anus umgebenden Muskeln und die, welche von ihm zur Körperwand ver- laufen, sind gut entwickelt. Von «der Chitmschieht entspringen viele scharf rück- wärts gerichtete Spitzen und eine Anzahl langer, chitiniger Stacheln. Die letzteren stehen dureh die Cuticula hindurch mit den darunter liegenden Epithelzellen in 239 Wm. S, Marshall und Henry H. Severin: Verbindung; ähnliche Spitzen und Stacheln finden sich an der äußeren Oberfläche der laminae anales. Histologisch hesteht ein beträchtlicher Unterschied zwischen dem Rektum und allen anderen Teilen des Verdauungstraktus. In dem weiteren Abschnitt (Rektal- drüsen) gibt es scheinbar zwei Zellagen, deren innere ein Drittel, deren äußere die übrigen zwei Drittel der Wandung einnimmt. Die Grenze zwischen ihnen ist an einigen Stellen scheinbar deutlich, an anderen nicht so, aber überall sind zwei Reihen von Kernen zu sehen (Fig. 25). Diese zwei Arten von Kernen ähneln sich, abgesehen von ihrer Größe, sehr, nur die zwei oder mehr Nucleolen, die in den größeren liegen, fehlen den kleineren. Das Zellplasma der ganzen Epithelwand ist gestreift und vacuolenreich; an manchen Stellen ist dies deutlicher ausgesprochen als an anderen. Ein sorefältiges Studium hat uns zu der Überzeugung geführt, daß die kleinen äußeren Zellen, die mit den kleineren Kernen, keine eigentliche Schieht bilden, sondern daß sich jede in einem kleinen engeren Teil zwischen den größeren Zellen fortsetzt, der sich bis an die Basalmembran erstreckt. Anderer- seits zeigen auch die größeren Zellen schmalere Fortsätze, welche sich zwischen die kleineren Zellen erstrecken und bis an die das ganze Rektum auskleidende Öuticula reichen. Wir sind zweifelhaft über die genaue Anordnung dieser Epithel- zellen, glauben aber, daß sie nur eine einfache Lage (darstellen, wie wir es in der Fig. 26 wiedergegeben haben. Gerade vor und hinter dem Rektum liegen Muskeln, welche es entweder umgeben oder nach der Körperwand verlaufen (Fig. 27). Speicheldrüsen. Die beiden Speicheldrüsen liegen in der hinteren Hälfte des Pro- und dem vorderen Drittel des Mesothorax (Fig. 1). Jede besteht aus zwei Lappen, einem größeren, der dorsal vom Oesophagus und einem kleineren, der teilweise ventral und teilweise lateral von ihm liest. Jeder Lappen hat seinen eignen Ausführungs- gang, in welchen kleinere Gänge von (den Läppehen der Drüse sich ergießen. Die beiden größeren Gänge, von (denen eimer von jedem Lappen der Drüse kommt, vereinigen sich zu einem Rohr, das nach vorn am Öesophagus entlang führt und nahe der Zungenbasis mit dem Ausführungsgang der anderen Drüse zusammentritt. Dieses gemeinsame Rohr ist sehr kurz und mündet m den basalen Teil der Zunge. Jeder der beiden Lappen jeder Drüse besteht aus einer Menge kleinerer Lappen (Fig. 28), die einem losen Netzwerk von zweikernigen Zellen eingelagert sind. Die größeren und kleineren Ausführungsgänge ähneln sich in ihrem Bau, und gleichen einer Trachee insofern, als sie inwendig mit einer chitinigen Intima ausgestattet sind, auf der sich bandförmige Verdiekungen erheben. Auswendig von dieser liegt eine einfache Schicht von nahezu viereckigen Zellen. Äußerlich sind die Gänge mit einer dünnen Cuticula bedeckt. Drüsenförmige Anhänge des Mitteldarms. Diese fadenartigen Drüsen sind innerhalb eines Bezirks des Mitteldarms an- geheftet, der im dritten und vierten Abdominalsesment liegt; sie sind um den Umfang des Darms gleichmäßig verteilt (Fig. 29). Ähnliche Drüsen sind von Müller (45) Joly (35) Bordas (11) Heymons (34) bei anderen Phasmiden ge- Über die Anatomie der Gespenstheuschrecke, Diapheromera femorata, Say. 223 funden worden. Bei Diapheromera liegen mehr im vierten als im dritten Seg- ment. Heymons (34) glaubt, daß diese Anhänge bei Bacillus die hier im fünften Segment liegen, nicht exkretorischer, sondern sekretorischer Funktion sind. Nach unseren histologischen Befunden sind wir geneigt, ihm zuzustimmen, obwohl wir seine Experimente nicht wiederholt haben. Distalwärts endet jeder Anhang hinten zwischen den malpighischen Gefäßen blind. Von hier verläuft er nach vorm bis zu seiner Vereinigung mit dem Darm, wo er eine kleine, eiförmige, saekartige Anschwellung bildet, die sich in den Ver- dauungstraktus ergießt (Fig. 30). Durch ihre ganze Länge besitzt die Drüse gleich- artige Struktur. Ihre Wandung besteht aus einer einfachen Schicht flacher Zellen, die mit ihrer größeren Achse in der Längsrichtung der Drüse liegen. Die innere Oberfläche trägt eine peritrophische Membran (Fig. 31). Zwischen dem Darm und der Drüse wandeln sieh die Zellen allmählich von den säulenförmigen des ersteren zu den platten des letzteren um; die Muskeln, welche den Darm umgeben, verschwinden auf der Drüse. In dem röhrenförmigen Teil der Drüse wird das Lumen beinahe dadurch verschlossen, daß sich die Oberflächen der peritrophischen Membran nahezu berühren. Die Basalmembran ist ein wenig dieker als die der Epithelzellen des Darms und die Kerne sind in den Drüsen größer, als in dem Epithel des benachbarten Verdauungstraktus. Unsere Auffassung, daß diese Drüsen sekretorische Funktion besitzen, gründet sich darauf, daß wir sekretorische Vorgänge in den Zellen des sackartigen Teils beobachteten, :Vorgänge, welche den im Mitteldarm beschriebenen glichen. Der feinere Bau der Wanduns ist überall derselbe. Malpighhische Gefässe. Wir haben bereits bemerkt, daß es zwei Arten von malpiehischen Gefäßen bei Diapheromera gibt (Superieurs et inferieurs, Sinety (55)). Die vor der Eintrittsstelle in den Darm gelegenen sind weiter und etwas kürzer als die dahinter liegenden. Sie entspringen sämtlich vom Darm an der Grenze zwischen fünftem und sechstem Segment. Die vorderen, diekeren Gefäße verlaufen von ihrer Anheftungsstelle nach vorn durch den größten Teil des fünften Segments, wo jedes sich plötzlich nach hinten umwendet. Dieser nach hinten geriehtete Teil verläuft bis nahe seinem Ursprung zurück und weiter in das siebente oder achte Segment, um hier blind zu enden (Fig. 33 a. tu.). Die engen, hinteren Gefäße laufen rückwärts durch das sechste und siebente Segment; sie wenden sich dann kurz um und gehen nach vorn, sind aber mehr gebogen als die weiteren (Fig. 33 p. tu.). Die dünneren Gefäße sind zahlreicher als die diekeren; keins von ihnen tritt. direkt in den Darm ein, sondern sie öffnen sich in einen erweiterten Teil, welcher ein dickes und vier dünnere Gefäße empfängt. Das derartig durch die Vereinigung von fünf Gefäßen gebildete Säckchen tritt direkt in den Darm ein (Fig. 32). In ihrem feineren Bau ähneln sich die beiden Sorten von Gefäßen sehr. Ein Schnitt durch eins der engeren (Fig. 34) zeigt, daß seine Wandung aus einer ein- zigen Zellage besteht und daß die Zellen flach und ohne deutliche Grenzen sind. Eine dunklere Plasmaschicht liest an ihrem inneren Rande, und eine deutliche Streifung ist in ihnen bemerkbar. Die Kerne sind eiförmig; jeder besitzt drei bis 224 ‘Wm. S. Marshall und Henry H. Severin: sechs Nukleolen und viele dunkel gefärbte Chromatinkörnchen. Durch ihre ganze Länge sind die Gefäße innen mit einer gut entwickelten peritrophischen Membran ausgekleidet. Wir beobachteten manchmal klare, bimförmige Tröpfehen, die dem äußeren Zellrande ansaßen (Fig. 36). Sie ähnelten in Gestalt und Lage den Sekrettröpfehen des Mitteldarms; aber sie unterschieden sich von ihnen durch ihre Klarheit. Die Zellen der Gefäße sind zweikernig, wenigstens in den dünneren und wir sind sicher, daß dieser Zustand auch in «den diekeren Gefäßen vorherrscht. Durch die Anwendung verschiedener Macerationsmethoden konnten wir leicht die Zellen der dünneren Gefäße trennen, aber nicht die der dieken. Viele von den Gefäßen enthielten Kristalle von verschiedener Form und Größe. Es können nur wenige vorhanden sein (Fig. 34) oder so viele, daß sie den Gefäßen ein ge- schwollenes und ausgebeultes Aussehen verleihen. Stinkdrüsen. Diese sind bei Orthopteren nicht selten und auch für die Phasmiden beschrieben worden. Sie wurden bei Diapheromera von Scudder (54) gefunden und de Saussure (50) beobachtete sie bei einigen amerikanischen Phasmiden; diese Arbeit sahen wir nicht ein. Wir fanden bei Diapheromera zwei dieser Drüsen, welche im vorderen Teile des Prothorax lagen und sich an seiner vorderen Wand öffneten (Fig. 37 St. @l.). Sie sind sehr klein und birnförmis; ihr der Körperwand angehefteter, gebogener Stiel dient als Ausführungssane. Die Wandung dieses Ausführungsganges wird von einer Schicht nahezu kubischer Zellen gebildet. Wir fanden keinen Muskel, der von ihm abeing und dem von Vosseler (55) für Forfieula auricularia beschrie- benen glich. Eine herauspräparierte Drüse läßt an ihrer Oberfläche viele Muskelfasern er- kennen. Diese scheinen nicht regelmäßig angeordnet zu sein, da viele ganz oder teilweise, in querer Richtung oder gebogen um sie herum verlaufen. Einige, aber nur wenige, nehmen auch eine Längsrichtung auf der Drüse ein. Die Muskeln sind, wie Vosseler (58) nachwies, verflochten. Bei oberflächlicher Ansicht sieht man eine Anzahl ziemlich großer, kugliger Kerne, die den Drüsenzellen angehören. Auf Schnitten sieht man, daß diese Drüsenzellen in dem Epithel liegen, aber außer- dem bemerkt man anscheinend anf der Außenseite der Drüse Gruppen von Drüsen- zellen, die mit kleinen Fortsätzen an ihrer Oberfläche versehen sind (Fig. 38 Gl. e). Die Drüsenzellen können also entweder: getrennt in der Wand der Drüse oder in Gruppen an ihrer äußeren Oberfläche liegen, in welch letzterem Falle sie scheinbar in keiner direkten Verbindung mit dem Epithel stehen. Die starke Muskelentwickluns in der äußeren Wand der Drüse sieht man am besten auf Schnitten (Fig. 39), wo man auch die verhältnismäßige Stärke der ver- schiedenen Schichten bemerken kann. Der Durchmesser der Muskelschiehten ändert sich an verschiedenen Stellen des Schnittes. In dem Epithel gibt es nur zwei verschiedene Zellarten und zwar wird jede allein durch ihren Kern dargestellt, da keine Zellerenzen vorhanden sind. Die Drüsenzellen liegen unregelmäßig in dieser ganzen Lage zerstreut. Jede hat einen kugligen Kern von derselben Größe, Gestalt und Struktur, wie ihn die zusammengehäuften Drüsenzellen besitzen. Auch sind Über die Anatomie der Gespenstheuschrecke, Diapheromera femorata, Say. 225 die gewöhnlichen Epithelzellen zahlreicher als die Drüsenzellen, und enthalten jede einen kleinen verlängerten Kern. Die die innere Oberfläche der Drüse auskleidende Cutieula ist sehr unregelmäßig gefaltet. Nach der Größe und dem Bau (dieser Drüsen erscheint es unwahrscheinlich, daß sie viel zum Schutze eines so großen Insekts, wie es die Gespenstheuschrecke ist, tun können. Sie sind sehr klein, 1 X 0,45 mm. Die Drüsenzellen sind spärlich und die außerordentliche Muskelentwicklung ist viel stärker als nötig für die Ent- leerung des Sekrets. Weibliche Geschlechtsorgane. Im Herbst, bevor die Gespenstheuschrecke ihre Eier ablest, erweitern die ÖOvarien den Körper des Insekts und füllen bemahe den ganzen Raum zwischen Darmkanal und Körperwand aus. Jedes der beiden Ovarien liegt seitlich und teil- weise ventral vom Darm (Fig. 40). Die beiden Ovidukte beginnen in der Mitte des zweiten Abdomimalsegments. Sie vereinigen sich im siebenten Segment ventral vom leum und bilden die Vagima, welche sich durch den größten Teil des achten Segments erstreckt und mit einem median gelegenen länglichen Schlitz an seinem Sternum mündet. Von dem äußeren Rande jedes Ovidukts gehen 35—40 Ovarial- röhren ab. Das paarige Receptaculum seminis und die accessorischen Drüsen liegen im achten resp. neunten Segment (Fig. 47). Die Bursa copulatrix besteht aus einem größeren, freien Teil, von dem nach innen ein kleines blind geschlossenes Rohr abgeht, das gerade dorsal zur Vagina liest. Ovarialröhren, Distalwärts beginnt jede Röhre als ein langes, dünnes Filament in der Rücken- region des Körpers. Diese vereinigt sich mit anderen zu einem Strang, der an der Seite des Herzens entlang verläuft. Auf jeder Körperhälfte liegen zwei derartig aus den Endfilamenten der Eiröhren gebildete Stränge. Diese Stränge findet man nicht im ersten und zweiten Abdominalsegment. Müller’s (43) Ansicht, diese Stränge seien Gefäße, hat sich bereits als falsch erwiesen. Die Röhren sind etwas zahlreicher als für Bacillus berichtet wird, aber bei beiden Insekten schwankt ihre Zahl bei verschiedenen Individuen und auch zwischen dem rechten und linken Ovar desselben Individuums (Daiber (16)). Bei Diapheromera zählten wir die Eiröhren in einigen Fällen und fanden, daß der größte Unterschied in ihrer Anzahl bei ver- schiedenen Insekten zwischen 52 und 39 lag. Zwischen dem rechten und linken Ovarium desselben Individuums betrug er 33 (rechts) und 38 (links). Distalwärts sind die Röhren nach der dorsalen Oberfläche und dem vorderen Körperende ge- richtet. Proximal münden sie in den äußeren Rand des Oviduktes. Jedes enge Terminalfilament enhält eine Anzahl zerstreuter Kerne und diese liegen im Ende dichter bei einander (Fig. 42 Te). Danach beginnen die Eier anfangs klein, aber wenn wir die Röhre nach ihrem proximalen Ende verfolgen, nehmen sie an Größe zu (Fig. 42). Nährzellen gibt es nicht. Jede Röhre sitzt auf einem kurzem Stiel, durch welchen die Eier in den Ovidukt gelangen. Über die Anatomie der Gespenstheuschrecke, Diapheromera femorata, Say. 237 Der Ovidukt. Der Ovidukt zeigt keine deutlichen Unterschiede in seinem Bau während seines ganzen Verlaufs und wir beschränken uns auf die Beschreibung eines Schnittes durch seinen mittleren Teil. Inwendig besitzt er eine dünne Cuticula. Daran stößt die Schicht der Epithelzellen, deren Grenzen nicht sichtbar sind. Diese Schicht enthält große, ein wenig unregelmäßige Kerne und ihr Zellplasma zeigt deutliche Streifung. Nach außen ist die Wand von den beiden Muskelschichten umgeben, von denen die Ringmuskelschicht die diekere ist. Der Wand des Ovidukt sind eine Anzahl feiner Strukturen eigentümlich, die m den Epithelzellen zwischen den Kernen und der Basalmembran liegen (Fig. 43). Es sind kleine, scheinbar homogene Körper in Gruppen von 2 bis 6. Jede Gruppe liest für sich m emem kleinen Raum, der von einer sehr deutlichen Membran umgeben ist und anscheinend nichts enthält, als die eben erwähnten Körper. Was die Natur dieser Körperchen betrifft, so können es unserer Meinung nach nur Muskelfibrillen sein. Jede Gruppe ähnelt emem Querschnitt von Muskelfasern mehr als irgend etwas anderem Vergleich- baren. Vagina. Die Vereinigung der beiden Ovidukte ähnelt in ihrer Gestalt den beiden Ästen eines Y. Der Stamm, em einfaches medianes Rohr, ist die Vagina (oviductus com- munis), welche sich in ihrem Bau von dem des Oviduktes unterscheidet. Sowohl dorsal wie lateral wird sie von Muskeln eingehüllt (Fig. 44 mu). Die meisten von diesen sind längs gerichtet. In derselben Muskelmasse und immer an der Vagina sitzend, wenn diese heraus präpariert wird, findet sich der dünne röhren- förmige Teil der Bursa copulatrix (Fig. 44 Cp. p.). Ventralwärts ist die Wandung der Vagina glatt, aber dorsal und lateral ist sie stark gefaltet. Auch besteht noch ein anderer Unterschied zwischen den verschiedenen Teilen insofern, als die Epithel- zellen der ventralen Wand viel länger als die der lateralen oder der dorsalen sind. Dieser Zustand herrscht im hinteren Teil der Vagina, von dem der eben beschrie- bene Schnitt stammte, vor; aber wenn wir die Vagina weiter nach ihrem vorderen Ende verfolgen, finden wir, daß die Zellen der ventralen Wand länger werden, so daß sie in allen Teilen der Wandung nahezu die gleiche Länge haben. Es kann aber auch der Zustand, wie er sich im hinteren Teil der Vagina findet, im vorderen erhalten bleiben. Ein genaues Studium der Wandung im hinteren Teil der Vagina zeigt, daß sie ventralwärts eine Reihe Epithelzellen besitzt, deren jede einen eiförmigen Kern enthält. Das Plasma in diesem basalen Zellteile zeigt eine schwache Streifung und eine Anzahl länglicher Vacuolen (Fig. 45). Die Basalmembran ist ziemlich dick. Der bemerkenswerteste Teil des Schnittes ist die Cutieula. Sie besteht aus einer dünnen, äußeren, in einiger Entfernung von den Zellen befindlichen Lage und einer zwischen dieser Schicht und dem freien Rande des Epitheliums liegenden diekeren Schicht, die nicht überall wie eine Cutieula aussieht (Fig. 45 Ct.) Sie besitzt in einigen Teilen eine körnige Struktur, die auch gestreift sem kann. Ihr Durchmesser verändert sich auf der ventralen Wand, wo sie allein vorhanden ist, nur wenig in all den hinteren Teilen der Vagina. In dieser dicken Schicht bemerkten wir einige Archiv für Biontologie. I. (2). 06. ö 9 228 Wm. S. Marshall und Henry H. Severin: enge spiralige Gänge, die das Epithel mit dem Lumen der Vagina verbinden. Die dorsale und laterale Wand zeigt eine beträchtliche Abweichung von der eben be- schriebenen ventralen; ihre Cuticula, die Lamellarstruktur besitzt, ist: sehr viel dünner (Fig. 46 Ct.). Die Basalmembran ist nicht so diek und die Epithelzellen sind schmal und nicht viel länger als ihre Kerne. In der ganzen Vagina, in allen Teilen ihrer Wand, liegen genau in der äußeren Cutieula eine Anzahl kleiner Körper, die Kernen ähneln; ob es aber welche sind, können wir nicht sagen. Auf einigen Schnitten enthielt jeder 2—4 dunkel färbbare Teile, die vielleieht Chromatinkörnchen sind, aber oft war auch der ganze Körper gleichmäßig gefärbt. Receptaculum seminis. Das Receptaculum seminis, das bei Diapheromera im hinteren Ende des achten Segments liegt, unterscheidet sich von denen anderer Phasmiden dadurch, daß es paarig ist. Bei dorsaler Ansicht ist das freie Ende jedes Teils nach dem andern hin gerichtet. Es setzt sich in einen gedrehten Gang fort, welcher, nach vorn ver- laufend, in die Bursa copulatrix dorsal zu der Öffnung der Vagina mündet (Fig. 55, 1). Wenn es herauspräpariert ist, sieht man, «daß der Hauptteil des Receptaculums bei- nahe gerade ist, aber die beiden Enden sind gebogen, und zwar ist dies am distalen, vorderen Ende deutlicher. Das Receptaculum geht allmählich in den engen Gang über, der vier oder fünf Mal gedreht ist und, nachdem er sich, wie bereits erwähnt, mit dem der anderen Seite vereinigt, an der Rückenwand «der Bursa copulatrix endet. Die Veremigung der beiden Gänge vor ihrem Austritt vermochten wir nicht zu erkennen, aber auf Schnittserien durch das hintere Körperende konnten wir nur eine Öffnung finden. Sowohl Receptaeulum wie Ausführungsgang sind inwendig mit einer Chitinschicht ausgekleidet. Die «des ersteren ist besonders diek und in Total- präparaten dieses "Teils leicht erkennbar. Histologisch ist die Wand des Receptaculum seminis sehr interessant. Ihre ganze äußere Oberfläche ist fein gefaltet und auf Schnitten sieht man, daß jede dieser flachen äußeren Falten Drüsenzellen enthält, die im der Regel in Gruppen zu vier liegen. Diese Körnerzellen liegen nicht immer an der äußeren Oberfläche, sondern viele findet man auch wohl in der Nähe des Mittelpunktes der Wand. Sie sind auch in kleinen Gruppen angeordnet, obgleich in unserer Zeichnung (Fig. 49) nur eine einzige dargestellt ist. In der dem Drüsenlumen zugewendeten Seite liegen eine Anzahl länglicher Kerne, die unzweifelhaft zu den eigentlichen (im Gegensatz zu den Drüsenzellen) Epithelzellen gehören, aber zwischen ihnen kann man keine Zellgrenzen wahr- nehmen. Im Gegensatz hierzu waren die Kerne der Drüsenzellen fast alle kuglig und enthielten einen großen Nucleolus. Das Zellplasma zeigt mindestens zwei ver- schiedene Arten von Strukturen; am äußeren Rande und oft auch am inneren Rande und in der Nachbarschaft der Kerne der eigentlichen Epithelzellen ist es gleich- mäßig strukturiert, während es zwischen diesen beiden Gegenden außerordentlich gestreift erscheint. Die Streifen sind in den Zellen längs gerichtet und sehen in allen Teilen der Drüse wie Fäden aus, die durch die Zellen verlaufen. In jeder Drüsenzelle, nahe dem Kernrande, welcher dem Drüsenlumen zugekehrt ist, liegt Über die Anatomie der Gespenstheuschrecke Diapheromera femorata, Say. 229 ein länglieher Körper. Er ist optisch diehter und dunkler als das umgebende Zell- plasma und stellt das „vesieule radiee* dar, das in manchen sekretorischen Zellen der Insekten von Gilson und Dierecks so häufig gefunden worden ist. Im zen- tralen Teil dieses Bläschens liegt ein, ein wenig schwächer gefärbter Teil, in den der Gang, „conduit exereteur“, mündet. Das Bläschen besitzt keine radiäre Streifen, die im allgemeinen dafür charakteristisch sind. Von dem Bläschen verläuft der Ausführungsgang nach dem Lumen des Receptaculums nicht geradlinig, sondern mehrere Male in seinem Verlaufe gebogen; einige Ausführungsgänge bilden eine deutliche Schleife. Die Röhrchen verlaufen durch die dieke Gutiecula. Diese Lage zeigt im gefärbten Zustande zwei deutliche Teile, eime innere dünne, dunkelfärbbare Schicht und eine sehr dicke äußere. Bezüglich des Receptaculums seminis von Aeridium u«egyptium beschrieb Fernar«d (24) Verhältnisse, welche denen von Dia- pheromera sehr ähneln. Er wies nach, daß die Zellen zwei Lagen bilden; alle be- sitzen sekretorische Funktion und emen Gang. Es scheint uns, daß wir es einmal mit regelrechten Epithelzellen der Wandung und mit Drüsenzellen zu tun haben. Die Kerne dieser zwei Zellarten sind sehr verschieden und die länglichen haben niemals eine „vesicule radiee“ bei sich, deren Gegenwart für die Drüsenzellen charakteristisch ist. Äußerlich ist das Receptaculum mit Längsmuskelfasern bedeckt, die nahe seinem distalen Ende besonders zahlreich sind. Ein Schnitt durch den Ausführunssgang (Fig. 50) zeigt, daß seine Wand aus einer einfachen Lage säulenförmiger Zellen besteht, deren jede einen länglichen Kern besitzt, welcher, obwohl er kleimer ist, doch denen in dem Receptaculum selbst sehr ähnelt. Inwendig ist der Gang mit einer Chitinschicht bekleidet, die viel dünner ist als diejenige des Receptaculums. Auswendig besitzt er eine dünne Cuticula gleichsam als Bedeckung. Von einigen Stellen des Ausführungsganges entspringen Muskelfibrillen, aber wir konnten nicht feststellen, wohin sie verlaufen. Bei manchen Individuen war das Recep- taculum mit Spermatozoen gefüllt. Accessorische Drüsen (glandulae sebaceae, coleterium). Bei dorsaler Ansicht scheinen die accessorischen Drüsen aus drei Teilen, einem medianen und zwei lateralen, zu bestehen (Fig. 47). Eine genauere Untersuchung zeigt jedoch, daß dies in Wirklichkeit nieht so ist, sondern, daß nur die Lage der Drüsen diesen Eindruck hervorruft. Die Drüse ist paarig gebaut. Jeder Teil wird von einem langen, verzweisten Rohr gebildet, und die beiden Rohre vereinigen sich in einem gemeinsamen Gange. Dieser ergießt sich in ein längliches medianes Reservoir, das sich am Grunde der Legeröhre öffnet (Fig. 55, 3). Jedes Rohr ist stark gebogen und gedreht und das gleichfalls gebogene Reservoir wird vor seiner äußeren Öffnung eng (Fig. 51). Ein Schnitt durch eine der Drüsen zeigt einen Bau, der im allgemeinen dem des Receptaculum seminis ähnelt. Es sind zwei Zellarten, die eigentlichen Epithel- und die Drüsenzellen vorhanden. Die letzteren findet man sowohl in der Nähe des äußeren Drüsenrandes, d. h. ihre Kerne liegen hier, als auch in der Nähe der Mitte der Wand (Fig. 52). Jedoch fanden wir mehrere deutliche Unterschiede zwischen diesen Drüsenzellen und den für das Receptaculum seminis beschriebenen. Sie sind hier weiter und liegen nicht in Gruppen; die 5* 230 Wm. S. Marshall und Henry H. Severin: Grenze jeder Zelle ist deutlich erkennbar, wenigstens streekenweise. Das Zell- plasma ist dadurch eigentümlich, daß es anscheinend mit sehr dieht aneinander- liegenden kleinen Vacuolen durchsetzt ist. Am äußeren Rande liegt eine dünne unregelmäßige Plasmaschicht, die dunkler als das übrige Plasma erscheint. Die „vesieule radiee“ ist eng und länglich und nimmt oft ein Drittel der Zellänge ein (Fig. 52 Ves. R). Von diesem Bläschen führt ein Gang in das Lumen der Drüse, der stärker ist, als die Gänge der Drüsenzellen des Receptaculum seminis. Die Epithel- zellen sind nicht als solehe erkennbar, aber ihre Kerne liegen dicht zusammen und stets der inneren Drüsenwand mehr genähert, als der äußeren. Jeder Kern ist länglich,; das Plasma jeder Zelle ist von gleicher Struktur. Zellgrenzen zwischen diesen Kernen konnten wir nicht erkennen; auch konnten wir mit Sicherheit keine Grenze zwischen den beiden Zellarten wahrnehmen. Ein Schnitt durch das Reservoir, m das diese Drüsen münden (Fig. 535) zeigt eine erhebliche Abweichung von dem eben beschriebenen. Die Cutieula ist dicker und dunkler gefärbt. Die Drüsenzellen sind verschwunden und das Epithel ist flacher geworden. Die Epithelzellen sind abgeplattet, und ihre Kerne, die im all- semeinen denen in der Drüse ähneln, liegen mit ihrer Längsachse parallel und nieht senkreeht zur Quticula. Beide Muskelschichten, besonders aber die Längs- muskelschieht sind gut entwickelt und dicker als der übrige Teil der Wandung. Das dünnere Ende dieses Reservoirs zeigt einen ganz anderen Bau (Fig. 54). Die Cutieula ist dünner, die Muskeln fehlen und die Epithelzellen sind länger. Jede Zelle besitzt einen nahezu kugligen Kern und schwache Streifung. In Figur 55 stellen wir die Lage der Geschlechtsorgane zu einander dar und die Lage ihrer Öffnungen am Körper. Die Bursa copulatrix ist eine große voll- ständig mit einer dieken Cuticula ausgekleidete Höhle und liegt mit einem Teil genau dorsal zu dem Sternum des achten Segments und mit dem anderen im Grunde der Legeröhre. Der erweiterte Teil der Bursa sendet über dem achten Sternum ein enges Rohr nach vorn, das genau dorsal zur Vagina liegt und sieh nahezu bis zu dem Punkt nach vorn erstreckt, wo sich die beiden Ovidukte vereinigen. Von seinem vorderen blinden Ende gehen zwei Muskeln eine Strecke weit nach vorn ab, deren Ende wir nicht feststellen konnten. Das leceptaculum seminis mündet an der Dorsalwand der Bursa und hinter ihm, an der Bauchwand, mündet die Vagina. Die accessorischen Drüsen münden weiter zurück (Fig. 53, 3). Atmungsorgane. Diapheromera besitzt zehn Stigmenpaare. Die ersten beiden Paare liegen in den letzten beiden Thoraxsesmenten und die anderen in den ersten acht Abdominal- segmenten. Das erste Paar findet man vorn am Mesothorax, ein wenig hinter (der Insertion der beiden Prothoraxbeine. Das zweite Paar liegt in der Nähe des vorderen Endes des Metathorax. Das dritte Paar findet sich auf einem besonderen, etwas verlängerten ehitinigen Stück, welches unter dem unteren Rande des ersten Abdominaltergums liest. Alle folgenden Stigmen liegen genau unter dem unteren, vorderen Rande der Dorsalplatte desjenigen Segments, zu dem sie gehören. Eine Ausnahme bildet das achte Segment, wo die Stigmen nahezu gleich weit zwischen dem vorderen und hinteren Rande des Segments vorhanden sind. Von jedem Mesothoraxstigma entspringt ein starker Tracheenast, welcher nach dem Kopfe hinzieht (Fig. 56,1). Er teilt sich bald in zwei starke Äste, die durch (den Prothorax in den Kopf verlaufen, dessen inneren Teil mit seinen Anhängen sie versorgen. Von diesen zwei Hauptästen werden kleinere abgegeben zur Versorgung der Muskeln der Oceipitalregion, der Augen, der Antennen und der Mandibular- und Maxillarmuskeln (Fig. 56, e, ant, mx). Von diesen zwei Hauptstämmen ver- einigt sich derjenige, welcher die Antennen und die Mandibeln versorgt, mit dem ent- sprechenden der entgegengesetzten Kopfseite, (Fig. 56, c) und von dieser Vereinigung werden schwache Äste für den Hypopharynx abgegeben (Fig. 56, h). Zwei andere Tracheen entspringen ebenfalls von dieser Vereinigung. Sie verlaufen rückwärts am Bauchmark entlang durch den Kopf und vorderen Teil des Prothorax, und ent- senden Äste zu den Ventralmuskeln und Fettkörpern dieser Gegend. Etwas vor dem ersten 'Thoraxganglion (Fig. 56, 1) vereinigen sie sich und bilden dadurch eine Schleife, von der kleine verbindende Tracheen in einen der beiden zuerst be- schriebenen Hauptstämme ziehen. Die Verteilung der Tracheen im Kopfe ähnelt der von Nietsch (44) für Locusta viridissima beschriebenen sehr. Außer dem großen Tracheenstamm, der, wie wir eben beschrieben, von jedem Mesothoraxstigma abgeht, kommt noch von jedem Stigma eine kleine Trachee (Fig. 56, 2), die sich im mittleren Körperteil mit einer großen Trachee vereinigt (Fig. 56, x). Diese liegt ventral zum Vorderdarm und verläuft durch den Meso- thorax nach vorn. Diese große zuletzt erwähnte Trachee, — an jeder Seite liegt - eine solche — teilt sich bald hinter ihrem Eintritt in den Prothorax in zwei Äste. Der äußere Ast (Fig. 56, 1 le) geht in ein Bein dieses Segments, wohingegen sich der innere (Fig. 56,zy) mit der Schleife verbindet, deren Lage hinter dem ersten 232 Wm. S. Marshall und Henry H. Severin: Thoraxganglion wir beschrieben haben. Diese beiden größten Tracheen des Meso- thorax (Fig. 56, x) erstrecken sich durch das ganze Segment und treten hinten in seine Beine ein (Fig. 56,21le). Von demselben großen Längsstamme werden viele Zweige abgegeben. Einige von diesen anastomosieren und verbinden so die beiden Tracheen, andere Zweige versorgen die Fettkörper und die Muskeln der Körper- wand und den ventralen Lappen der Speicheldrüsen. Außer den beiden Tracheen, welche von jedem Stigma des Mesothorax kommen, entspringt noch von ihm eine dritte. Sie verläuft gerade rückwärts im Mesothorax und teilt sich bald in zwei Arme (Fig. 56,5). Diese verlaufen ein kurzes Stück an den Körperseiten entlang; dann teilt sich jede in zwei, um auf diese Weise nach jeder Seite vier Längsstämme abzugeben. Die beiden, welche jede auf einer Seite unmittelbar neben der ventralen Mittellinie des Körpers liegen, verbinden sich gerade vor dem Ganglion des Mesothorax (Fig. 56,2). Die Lage dieses Ganglions ist in Figur 56,23 dargestellt. Man sieht, daß es vollständig von Tracheen um- geben ist, die es mittelst kleiner Zweige versorgen. Im Metathorax liegen acht Hauptlängsstämme. Sechs «davon liegen dicht an der Körperwand und die übrigen beiden nahe dorsal und ventral vom Darm. Von diesen Tracheen versorgen diejenigen sechs, die nahe der Körperwand liegen, die Fettkörper und Muskeln dieses Segments. Die beiden, welche der ventralen Mittel- linie des Körpers zunächst liegen, wie im vorderen Teil des Segments, ziehen rückwärts und vereinigen sich gerade vor dem Ganglion (Fig. 56,xy). In diesem Segment liegen jedoch zwei Ganglien und die eben erwähnte Vereinigung findet vor dem vorderen statt. Dieses Ganglion ist, als das einzige im vorderen Segment, von Tracheen umgeben (Fig. 56,38). Die Tracheen, welehe hinter ihm liegen, ver- laufen auf den Körperseiten zu dem dritten Stigma hin, aber, bevor sie es erreichen, gibt jede einen Ast ab, der im das dritte Beinpaar geht (Fig. 56, 3 le). Von jedem Aste, nahe jedem Metathorax-Stigma, entspringt eine 'Trachee, die nach hinten am Darmkanal entlang verläuft. Bei männlichen Individuen liegt diejenige, welche vom linken Stigma kommt, dorsal zum Vorderdarm; nahe dem hinteren Ende des Metathorax teilt sie sich in zwei starke Äste (Fig. 57,1d). Ganz ähnlich verläuft der Ast vom rechten Stigema an der ventralen Wand des Vorderdarms abwärts; nahe der Mitte des Segments teilt er sich ebenfalls in zwei Äste. Bei einem weiblichen Individuum fanden wir eine der Tracheen, die dorsal zum Vorderdarm verlaufen, vom rechten anstatt vom linken Stigma entspringend. Bei einem anderen Weibchen teilten sich beide Tracheen, sowohl die vom rechten, als auch die vom linken Stigma an der Seitenwand des Darns in zwei Zweige, deren einer auf jeder Seite der Rückenwand weiterlief, während die anderen ventral zu liegen kamen (Fig. 59). Sowohl bei Männchen wie bei Weibehen sind die beiden Äste der dorsal gelegene Trachee (Fig. 57. ld) durch einen verbindenden Ast veremigt (7, ct). Ähnlich liegen die Verhältnisse der ventralen Trachee (Fig. 57, 1d‘); indessen ist die Verbindungstrachee unter dem Vorderteil des Mitteldarms verborgen, obwohl sie auf dem Vorderdarm ruht. Von beiden Verbindungstracheen, der dorsalen wie der ventralen, werden eine Anzahl Zweige zur Versorgung der Emstülpung des Oeso- phagus abgegeben. Die beiden größten dieser Zweige verlaufen an ihrer Wand abwärts und vereinigen sich schließlich (Fig. 60). Über die Anatomie der Gespenstheuschrecke, Diapheromera femorata, Say. 2353 Die Verzweigung der Tracheen bei den Stigmen des ersten und des zweiten Abdominalsegments ist besonders kompliziert. Genau vor jedem zweiten 'Thorax- Stigma bilden die Tracheen eine Figur, die wir, um unsere Beschreibung zu er- leichtern, ein fünfseitiges Polygon nennen wollen (Fig. 56,p). Von der inneren der vorderen Ecken jedes Polygons zieht eine kurze Trachee in jedes Metathorakal- bein (Fig. 56,3le). Von jeder äußeren Ecke geht eine Trachee an eins der ersten Abdominalstigmen. Die der mittleren Körperlinie zunächstliegende Ecke jedes Polygons sendet einen Zweig an das vordere der beiden Metathorakalganglien; zwei Zweige stellen eine Verbindung zwischen den beiden Seiten her. Von den beiden hinteren Ecken jedes Polygons gibt die innere eine Trachee ab, die an der ventralen mittleren Partie des Körpers entlang zieht und durch das zweite Abdominal- segment verläuft. Von jeder äußeren Ecke wird eine Trachee abgegeben, die sich bald in zwei teilt. Diese Äste entsenden zahlreiche kleinere, welche die Muskeln an der Wand des letzten Thorax- nnd des zweiten Ahdominalsegments versorgen. Im zweiten und dritten Abdomimalsegment liegen viele längs gerichtete Tracheen; vier derselben, zwei auf jeder Seite, liegen dicht am Mitteldarm und zwar liegt eine auf jeder Seite (Fig. 56‘, lat.) und die andere ventral zu ihm (Fig. 56‘, ven.). Von diesen vier Tracheen werden viele Zweige zum Mitteldarm abgegeben. Mehrere der kleineren Zweige, die von den beiden seitlichen Stämmen herrühren, anastomo- sieren und stellen dorsal zum Darm eine Verbindung zwischen den 'Tracheen der beiden Körperhälften her (Fig. 57, du). Die beiden ventralen Äste zeigen eine ähnliche Vereinigung. Im zweiten Abdominalsegment erreicht jeder seitliche Ast nicht direkt das Stigma dieses Segments, sondern verbindet sich mit einem der Zweige derjenigen 'Trachee, welche nach unserer Beschreibung, besonders bei männ- lichen Individuen, nahe am linken Stigma des Metathorax entspringt (Fig. 56, u). Diese zwei seitlichen und zwei ventral gelegenen Längsstämme des zweiten, dritten und vierten Abdommalsegments sind mit dem Mitteldarm eng verbunden. Beim ersten Anblick scheinen sie sich in allen drei Segmenten sehr ähnlich zu ver- halten, aber bei genauerer Beobachtung zeigen sie in ihrer Vereinigung mit anderen 'Tracheen einige Unterschiede. Die beiden seitlichen Tracheen des zweiten Segments verbinden sich hinten mit den entsprechenden des dritten. Diese Vereinigung findet gerade vor ihrem Eintritt in die Stigmen des dritten Segments statt, die sie infolge dieser Verbindung als ein kurzer Stamm erreichen (Fig. 56° dicht bei 5s). Die seitlichen Tracheen des dritten und vierten Segments verhalten sich anders; jede tritt für sich in das Stigma des vierten Segments ein. Jede seitliche Trachee des vierten Seg- ments entsendet einen starken Ast nach der Rückenwand des Mitteldarms (Fig. 57, db) und verläuft dann nach hinten zum fünften Abdominalstiema. In diesen Abdominalsegmenten vereinigen sich die beiden ventralen Tracheen anders als wir es für die lateralen beschrieben haben. Im zweiten Segment laufen sie direkt zum Stigma des folgenden. Im dritten kommen sie vorn unvermittelt von ihren Stigmen, aber hinten vereinigt sich jede vor ihrem Eintritt in das vierte Segment mit den wventralen Tracheen desselben zu einem kurzen gemeinsamen Stamm. Die Tracheen des vierten Segments verbinden sich unvermittelt mit denen des folgenden (Fig. 56‘, 6s, 7s ven). 234 Wm. S. Marshall und Henry H. Severin: Hinter dem vierten Segment bestehen die eben beschriebenen lateralen und ventralen Tracheen nicht mehr. In allen Segmenten vom zweiten bis zum siebenten einschließlich, finden sich auf jeder Körperseite außer den für das zweite, dritte und vierte Segment beschriebenen lateralen und ventralen Tracheen drei Längsstämme. Sie liegen dicht an der Körperwand und sind fast ganz durch den Fettkörper verborgen. Auf jeder Seite bilden drei von ihnen eine elliptische Figur und die übrigbleibende dritte liegt in ihr. In allen sechs Segmenten findet (die Vereinigung dieser Tracheen mit ihren Stigmen auf ähnliche Weise statt, und eine Beschreibung einer einzigen genügt für alle. Die Trachee, welche die innere mediane Grenze jeder Ellipse bildet, verbindet sich mit derselben Trachee des folgenden, hinteren Segments, und sie beide erreichen das Stigma mittels eines kurzen gemeinsamen Stammes. Ähnlich verbindet sich jede äußere Trachee der Ellipse mit der entsprechenden des folgenden Segments, bevor sie das Stigma erreicht. Die Trachee (Fig. 56‘1It), welche auf jeder Körperseite zwischen den beiden eben beschriebenen liegt, verläuft in jedem Segment direkt zum Stigma. Alle diese sechs Längstracheen geben in jedem Segment Zweige zu den Fettkörpern, den Muskeln der Körperwand und den Geschlechtsorganen ab. Im dritten, vierten und fünften Segment der männlichen Tiere versorgen zwei der drei auf jeder Seite vorhandenen Tracheen, nämlich diejenige, welche die äußere Grenze der Ellipse bildet und die von ihr umgebene, die Hoden. Bei weiblichen Tieren versorgen dieselben Tracheen die Ovarien; gelegentlich verlaufen noch andere direkt von den Stigmen zu ihnen. Die Trachee, welche auf jeder Körperseite die innere Grenze der Ellipse bildet, gibt im dritten, vierten, fünften und sechsten Segment Zweige ab, die oft mit denen der anderen Seite anastomosieren. Im vierten Segment gehen vier sehr feine Zweige am Bauchmark entlang. Zwei von ihnen erstrecken sich in den Metathorax und umgeben zum Teil das zweite hintere Ganglion dieses Seg- ments (Fig. 56, 48). Diese verbindenden Tracheen versorgen in allen Segmenten das Bauchmark. Nahe dem hinteren Ende des siebenten Segments werden alle diese eben von uns beschriebenen sechs Längstracheen plötzlich sehr viel dünner und bleiben so den Rest dieses und einen Teil des achten Segments hindurch (Fig. 56° nt). Gerade vor der Mitte des achten Segments vereinigt sich die Trachee, welche auf jeder Seite die innere Grenze der Ellipse bildet, mit der mittleren Trachee der ihr ent- sprechenden Seite (Figur 56°t). Diese Vereinigung tritt dann mit der kleinen 'Trachee in Verbindung, die durch das zehnte und neunte Segment nach vorn ver- laufen ist und der so gebildete gemeinsame Strang tritt m das Stigma ein. Ähnlich vereinigt sich jede der Tracheen, die die äußeren Grenzen der Ellipsen im siebenten und in einem "Teil des achten Segments bilden, mit einer kleinen Trachee, die nach vorn durch das neunte Segment kommt. Beide ziehen in einem gemeinsamen kurzen Stamm zum Stigma. Auf jeder Seite liegt noch eine dritte Trachee, die vom hinteren Körperteile, aus «dem neunten und zehnten Segment, kommt und an ein Stigma des achten Segments herantritt. Die sechs Tracheen des neunten und zehnten Segments versorgen die Fettkörper dieser Gegend, die Muskeln der Körperwand, (lie accessorischen Drüsen der Geschlechtsorgane, das Kopulationsorgan und den Enddarm, Über die Anatomie der Gespenstheuschrecke, Diapheromera femorata, Say. 235 Unter den vielen von uns verarbeiteten männlichen Tieren nahmen wir zahl- reiche individuelle Abweichungen bei den Tracheen wahr, welche die dorsale Wand des Verdauungstraktus versorgen. Im fünften und sechsten Abdominalsegment wird eine große Zahl feiner Zweige von den Tracheen, die auf dem Darm liegen, an die Malpighischen Gefäße abgegeben (Fig. 57, 'T. Mlpge.). Von den Stigmen des ' siebenten Segments entspringt eine Anzahl äußerst feiner 'Tracheen, die sich dicht an den Mitteldarm legen. Zwei von ihnen konnten wir an der Rückenwand, von einer zur anderen Seite hin verfolgen (57,c). Von der hinteren dieser beiden Verbindungstracheen verlaufen Zweige nach hinten zum Enddarm. Vier derselben sind parallel und ziehen weiter bis zum Rektum (Fig. 57, 4t.), wo sie mit zwei der sechs Tracheen anastomosieren, welche nach unserer Beschreibung in den beiden letzten Körpersegmenten liegen. Tafel-Erklärung, Ac. gl. Accessorische Drüsen Ace. gl. B. Der hlasenartige proximale Teil derselben _ Bm. Basalmembran GC. Colon Cm. Ringmuskeln Cp. e. Bursa Copulatrix Ct. Chitinschieht; Cutieula Dt. Gang Epth. Epithel F. Int. Vorderdarm Gl. ap. drüsige Anhänge Gl. ce. Drüsenzellen Gt. Begattungstasche H. Int. Enddarm Inf. Oes. gang. Infra-Oesophageal Ganglion Il. Ileum L. Das Lumen von Drüsen, Darm ete. zum Unterschiede von der äußeren Oberfläche Lm. Längsmuskeln Mesth. Mesothorax Metth. Metathorax M. Int. Mitteldarm Mlpg. Malpighische Gefäße Nel. Nucleolus Nu. Nucleus Oes. Oesophagus Oes. v. Einstülpung des Oesophagus Odt. Ovidukt Proth. Prothorax Proth. Gang. Prothorax Ganglion Ptm. Peritrophische Membran R. Rektum Fig. Fig. Fig. Fig. So) [SP o Rn Tafel-Erklärung. 237 Rp. Sem. Receptaculum Seminis Sc. Pr. Secretorischer Fortsatz Sp. Oes. Gang. Supra-Oesophageal Ganglion St. &. Stinkdrüse Sv. Gl. Speicheldrüse T. Trachee Te. Terminalkammer Tf. Terminalfilament Ves. R. „vesicule radiee“ Vg. Vagina. Tafel 18. Anatomie eines weiblichen Tieres, welche den Verdauungstraktus und seine Anhangsdrüsen zeigt. Der Vorderdarm ist nicht bezeichnet. Er umfaßt den ganzen Teil vor dem Mitteldarm. Die Abdominalsegmente sind nummeriert. Nur zwei von jeder Sorte der Malpighischen Gefäße sind wiedergegeben, Mlpg. Die Speicheldrüse auf der linken Seite liegt normal, die der rechten, Sv. gl., ist auseinandergebreitet, um ihre weiteren und engeren Teile zu zeigen. Verg. 2. Sagittalschnitt durch den Kopf und einen Teil des Prothorax, um den Verdauungstraktus und die Ganglien zu zeigen. Cly. Schild; Lb. Labrum. Die Linie 1—1 bezeichnet die Grenze zwischen Kopf und Prothorax. Einige der Muskeln, die von der Mundhöhle und dem Oesophagus nach der Körperwand verlaufen, sind gezeichnet, ebenso 3 der 6 Längsfalten im Oesophagus. Längsschnitt durch die dorsale Wand der Mundhöhle. Vergr. 800. Längsschnitt durch die dorsale Wand des Oesophagus an einer Stelle dorsal zum Infra-Oesophageal Ganglion. Die beiden Chitinzähne zeigen nach dem hinteren Körperende. Verg. 300. Querschnitt durch den vorderen Teil des Oesophagus, welcher die 6 Haupt- und Nebenfalten zeigt. Die helle Schicht, dieht neben der Cutieula, stellt das Epithel dar. Lm. Längsmuskelfasern, welche ganz oder teilweise die Falten erfüllen. Vere. 80. Querschnitt durch einen kleinen Teil der Oesophaguswand, aus dem hin- teren Teil des Prothorax: ° Verg. 280. Ein halber Querschnitt vom hinteren Teil des Mesothorax. Verg. 28. Die Einstülpung des Oesophagus: Der vordere Teil des Mitteldarms ist längs der Mittellinie der dorsalen Oberfläche aufgeschnitten und die Ränder sind auseinandergelest. Schema eines Sagittalschnitts durch die Oesophaguseinstülpung und die benachbarten Teile des Vorder- und Mitteldarms. D. Dorsale Oberfläche. Den Vorderdarm stellen die Teile längs der Linien 1 und 2 dar; fm, die Grenze zwischen Vorderdarm und Mitteldarm; in letzterem ist die Falte der Wandung gezeichnet. Fig. Fig. Fig. : 10. til, [SS] SU Tafel-Erklärung. Teil eines Längsschnitts der inneren Wand der Oesophaguseinstülpung aus dem Punkte x in Fig. 9. Man sieht die beiden Schichten der Cuti- cula und in der: diekeren die sie durchdringenden Kanäle. Verg. 580. Tafel 19. Äußere Wand der Einstülpung aus einem mit y bezeichneten Punkte in Fig. 9. Verg. 800. Längsschnitt an der Stelle, wo der Vorderdarm in den Mitteldarm über- geht; aus dem Punkte fm in Fig. 9. Verg. 280. Vorderteil des Mitteldarms; äußere Ansicht der gefalteten Wandung. Verg. 4. Hinterer Teil des Vorderdarms und WVorderteil des Mitteldarms. In ersterem ist die dieke Ringmuskelschicht em. an einer Seite der medianen Rückenlinie längs geschnitten und zum Teil zurückgeschlagen worden, um zu zeigen, wie die drei dorsalen Längsmuskelbänder, Lm. konvergieren, bevor sie in die Oesophaguseinstülpung eintreten. Der Mitteldarm ist ebentalls in der Längsrichtung aufgeschnitten. Vier Epithelzellen aus einem Längsschnitt durch die vordere Gegend des Mitteldarms. Verg. S00. Vier Epithelzellen aus derselben Gegend und, in der Nähe ihrer freien Ränder, zwei Zellen, die in das Lumen des Mitteldarms ausgestoßen worden sind. Schematisiert. Teil von zwei Epithelzellen aus «derselben Gegend, welche die sekre- torischen Fortsätze, Se. pr. zeigen, die dureh die peritrophische Membran Ptm. hindurchgehen. Verg. 300. Vier sekretorische Fortsätze aus derselben Gegend. Verg. 980. Längsschnitt durch den hinteren "Teil des Mitteldarms. Verg. 580. Querschnitt durch den Teil vor dem Eintritt der Malpighischen Gefäße. Verg. 28. Längsschnitt durch den vorderen Teil des Ileums, etwas hinter dem Ein- tritt der Malpighischen Gefäße. Ein halber Querschnitt «durch den Enddarm im vorderen Teil des siebenten Abdominalsegments. Lm. eins der 6 Längsmuskelbündel. Verg. 80. Ein halber Querschnitt durch den Enddarm im hinteren Ende des siebenten Abdominalsegments. Verg. SO. Tafel 20. Querschnitt durch den hinteren Teil des Rektums, welcher die 6 Rektal- drüsen zeigt. Verg. S0. Schnitt durch eine der Falten, „Kektaldrüsen“, um die scheinbare, dop- pelte Zellschicht zu zeigen; die kleineren inneren Zellen (Leydigs) und die äußeren, größeren. Beide Arten von Kernen sind sich, abgesehen von ihrer Größe, sehr ähnlich, aber die Nucleolen der größeren fehlen den kleineren. Cuticula und Muskeln sind nieht abgebildet. Verg. S00. Die Anordnung der Zellen in der letzten Abbildung. > Hinterer Teil des Enddarıns; die Segmente sind nummeriert. Verg. 3. Fig. 30. ig. 42. Fig. Tafel-Erklärung. 239 Linke Speicheldrüse mit ihren Ausführungsgängen. D. Ib. Dorsaler Lappen; V. Ib. Ventraler Lappen; Lg. Zunge, an deren Grunde sich der eemeinsame Gang Sl. dt. öffnet. Verg. >. Mitteldarm aus Teilen des dritten und vierten Segments mit seinen Drüsenanhängen. Die Linien auf jeder Seite stellen die Grenze zwischen den beiden Segmenten dar. Längsschnitt durch die Wand des Mitteldarms, welcher den Eintritt dieser Drüsen zeigt. Sac. Säckchen, und "Tb. röhrenförmiger Teil „derselben Verg. 260. Längsschnitt durch einen Teil der Drüse. Verg. S00. Die Vereinigung eines weiten und vier enger Malpighischer Gefäße vor dem Eintritt in den Darm. Zwei Malpighische Gefäße, eins von jeder Sorte. a. tu, eines der vor- deren weiteren, und p. tu, eins der hinteren engeren Gefäße. Schematisch. Querschnitt durch eims der engeren Malpighischen Gefäße. Verg. 300. Kleines Stück aus einem Sehnitt durch ein weites Malpighisches Gefäß. Verg. 800. ; Kleiner Teil eines Schnittes dureh ein enges Gefäß. Er zeigt die hellen, birnenförmigen Fortsätze, die «durch die peritrophische Membran nach außen ragen. Verg. 980. Anatomie, welche die vier Paar Muskeln am Vorderteile des Oesophagus zeigt, die Insertion der Längsmuskelbündel, Lm, und die Lage der Stink- drüsen, Stgl; Ant. Antennen; EB, Auge. Verg. 6. Matel21% Stinkdrüse. Nur ein Teil der Muskeln und eine Drüsenzellengruppe sind gezeichnet. Längsschnitt durch einen Teil der Stinkdrüsenwand. Epth. Kerne der gewöhnlichen Epithelzellen; Gl. ce Kerne der Drüsenzellen. Verg. 580. Das rechte Ovarium. Die Linie a bezeichnet die Grenze zwischen dem siebenten und achten Abdominalsesment, die vorhergehenden Segmente sind nieht gezeichnet. Verg. !%. Eine einzelne Ovarialröhre. Verg. 4. Eine andere Ovarialröhre bei stärkerer Verg. 45. Querschnitt durch den mittleren Teil des Ovidukts. In den Epithelzellen, zwischen ihren Kernen und der Basalmembran liegen die eigentümlichen Körperchen, die auf Querschnitten Muskelfibrillen ähneln. Verg. 800. Querschnitt durch die Vagina in der Nähe ihres Hinterendes. Die zahl- reichen sie umgebenden Muskeln Mu, sind nur in einer Hälfte der Figur wiedergegeben. D. dorsal. Vere. 80. Stärker vergrößertes Bild der Ventralwand der Vagina von einem in der vorigen Figur mit s bezeichneten Punkte. Z, die eigentümlichen Körper gerade unter der Guticula. Weder in dieser noch in der folgenden Figur sind Muskeln gezeichnet. Verg. 300. Fig. 5. Ai. g. 48. 49. Tafel-Erklärune. Schnitt von einem in Fig. 44 mit R bezeichneten Punkte. Z bezeichnet dasselbe wie in voriger Figur. Verg. S00. Tatel 22. Receptaculum seminis Rp. sem. in dorsaler Ansicht. Ac. gl. Accessorische Drüsen. Die Körpersegmente sind nummeriert. Verg. 6. Ein Receptaculum semimis mit seinem teilweise ausgestreckten Gange; ein Teil des Ganges vom anderen Receptaculum ist ebenfalls gezeichnet. Verg. 28. Schnitt «durch das Receptaculum. Die Cutieula ct, zeigt die sie zusam- mensetzenden zwei Schichten; die Gänge, Dt, aus den Drüsenzellen gehen durch sie hindurch. Nur ein kleiner Teil der Cuticula und der Muskeln ist wiedergegeben. Die linke Seite zeigt eine derjenigen Drüsenzellen, welche nahe der Mitte der Wand liegen; die rechte Seite eine der Drüsenzellengruppen. Verg. 300. Schnitt durch den Gang des Receptaculums. Verg. 800. Proximale Enden der accessorischen Drüsen und (die Blase, in welche sie münden. Verg. 28. Schnitt durch eine der Drüsenzellen. Die Grenze der gewöhnlichen Epithelzellen ist nieht zu sehen. Epth., ihre Kerne. Verg. 800. Sehnitt durch die Blase (Fig. 51, Ac. Glb.) dieser Drüsen. Verg. S00. Schnitt durch den engen BEndteil der Blase gerade vor ihrer äußeren Öffnung. Vere. 300. Schematisierter Sagittalschnitt durch «las hintere Ende eines weiblichen Tieres, welcher die Öffnungen der Geschleehtsorgane zeigt. Die Vagina, vg., mündet am ventralen Boden des erweiterten Teils der Begattungs- tasche Gt. p. Dorsal und zur Linken (ieser Mündung sieht man die des Receptaculums seminis, Rp. sem. Die accessorischen Drüsen, Ac. Gl., die mit dem rechts von ihnen gezeichneten Rohr münden. Ovp., zwei Stücke der Legeröhre; St. S, das Sternum des achten Abdominalsesments. Die ventrale Wand des Oolons, C, und die des Rektums, R, sind wiedergegeben. Die Öffnungen der Geschlechtsorgane sind nummeriert: 1. Receptaculum seminis; 2. Vagina; 3. Accessorische Drüsen. Verg. 47. Tafel 23. Fie. 56 und 56°. Dorsale Ansicht des Tracheensystems eines männlichen Tieres. Ant. Antennentrachee; md. Mandibel-, mx. Maxillen-, h. Hypopharynx-, e. Augentrachee. ce Verbindung der größeren der beiden vorderen Tra- cheen aus den Stiemen des Mesothorax. 1g, Lage des ersten Thorax Ganelion; 1le, 2le, 3le, Tracheen, welche die drei Beinpaare versorgen ; zy, innerer Ast einer der beiden größten Tracheen im Mesothorax. 15 bis 10s die zehn Stigmenpaare 1, 2, 3 die drei Tracheen von den Stigmen des Mesothorax; x, die beiden großen Tracheen. des Mesothorax, die ventral zum Darm liegen; z, Vereinisungsstelle von zwei Tracheen, gerade vor dem zweiten Thoraxganglion 28; ld, Trachee, die dorsal Tafel-Erklärung. 2A zum Darm liegt und von der linken Seite entspringt; Id‘ Trachee, die ven- tral vom Darm liegt und vom rechten Metathorax Stigma kommt; xy Ver- einigung von zwei Tracheen, gerade vor (lem dritten Thoraxganglion, 38; u zeigt die Vereinigung des Astes der Trachee ld mit dem seitlichen Zweige aus dem zweiten Abdominalsegment; p, von den Tracheen gebil- detes Pentagon; h, die beiden Äste der Trachee bilden die äußere Ecke dieses Pentagons; Jat, die seitliehste der drei inneren Längstracheen im zweiten, dritten und vierten Abdominalsegment; ven, die ventralste dieser Trachee; nt, Stelle, wo die Tracheen des r drei 'Tracheen; It, die mediane siebenten Segments viel dünner werden; t, Vereinigung zweier inneren Tracheen des siebenten und achten Segments. Verg. 6. Dorsale Ansicht eines männlichen Tieres, welche die Tracheen des Ver- dauungstraktus zeigt. Id‘, Trachee vom rechten Stigma des Metathorax, die ventral zum Vorderdarm verläuft. ld, Trachee vom linken Meta- thorax Stigma, die dorsal zum Darm verläuft; et, verbindende Trachee zwischen den beiden Hauptästen von ld; du, Trachee vom zweiten Ab- dominalstigma zur Versorgung des Darms; dh, dieselbe im vierten Seg- ment; T. Mlpg., Tracheen zur Versorgung der Malpighischen Gefäße; 4t, feine Längstracheen, die von den Verbindunestracheen zum Rektum 2) verlaufen. Verg. 3. Fig. 55 und 59. Zwei Abbildungen, die Variationen in den Tracheen ld und ld‘ Fig. 60. der Fig. 57 zeigen. Ansicht der Verteilung der Tracheen auf der Einstülpung des Oesophagus oes. v. Die gezeichneten Tracheen kommen von einem der Verbindungs- äste ct, die man bei den Tracheen ld oder ld‘ der Fig. 57 findet. Männliches Tier. Verg. 6. > 6. 1 Literatur-Verzeichnis. 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Tjth, 1, Wm.S. Marshall u. Henry H.Severin, Über die Anatomie der Gespenst- heuschrecke Diapheromera femorata Say. ee ee A e rn U Dahilil | | ÖKONOMISCHE GESELLSUH AFT z. KÖNIGSBERG Archiv für Biontologie. Herausgegeben von der (resellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. I. Band, 3. Heft. l. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 2. Pterosphenus Schweiniurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. Von W. Janensch. 3. Bemerkungen über Intercellularstrukturen und die Cuticula der Amphibienlarven. Von H. Schubotz. Mit 5 Tafeln. —_ —— ACHTE Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. i 1906. - Von Friedrich Schöndorf. Archiv für Biontologie. Herausgegeben von der (Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. I. Band, 3. Heft. l. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. Von Friedrich Schöndorf. 2. Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. Von W. Janensch. 3. Bemerkungen über Intercellularstrukturen und die Cuticula der Amphibienlarven. Von H. Schubotz. | Mit 5 Tafeln. TUT —— Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1906. De BEN AL SR BR ML SR BEER Die Orsanisalion und systematische Stellung der Sphaeriten. Friedrich Schöndorf. Hierzu Tafel 24—25. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1906. Non ehe Y De K02 I. Kapitel. Il. Kapitel. III. Kapitel. IV. Kapitel. V. Kapitel. VI. Kapitel. VII. Kapitel. VIII. Kapitel. IX. Kapitel. X. Kapitel. XI. Kapitel. XTI. Kapitel. Einteilung: Einleitung. Historisches, kurze Angabe und Besprechung der bisherigen Arbeiten über die Sphaeriten. Aufzählung und Beschreibung der vorhan- denen Stücke. Dorsalseite. Marginalbegrenzung. Ventralseite. Aufbau der Ambulacralfurche und des Mundes. Interradialer Septenpfeiler. Madreporenplatte und After. Äußere Skulptur. Mikrostruktur. Geologisches Vorkommen. Allgemeine Form und Lebensweise. Generische Charakteristik, systematische Stellung und rezente Verwandte. Angabe der Literatur. Tafeln mit Erklärungen. e R A. a AIR? Einleitung. Die im oberen Jura auftretende Familie der Sphaeriten hatte schon lange durch ihre eigentümlichen Organisationsverhältnisse die Aufmerksamkeit und das Interesse der Forscher auf sich gelenkt. Da man weder unter den lebenden noch unter den fossilen Seesternen Formen kannte, die eine ähnliche Skelettierung des Körpers zeigten, so stieß das Verständnis dieser merkwürdigen Asteriden auf große Schwierig- keiten. Obwohl sich verschiedene Forscher wiederholt mit diesen Sphaeriten be- schäftigten, so blieb ihre Organisation und systematische Stellung bis heute fast ganz unsicher. Trotzdem schien eine nochmalige Bearbeitung des vorhandenen Materials, ergänzt durch ein inzwischen neu aufgefundenes Stück, Aussicht auf Er- folg zu bieten. Deswegen übernahm ich es, auf Anraten von Herrn Professor Dr. Jaekel und auf Grund des gesamten vorhandenen Materials neue Untersuchungen über die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten anzustellen. Das zur Untersuchung benutzte Material bestand aus über 3000 isolierten Tafeln, Stacheln ete. den wertvollen Originalen von Quenstedt mit zusammenhängenden Dorsal- und Ventralplatten, sowie mehreren Gesteinsstücken ete. der verschiedenen Museen. An dieser Stelle möchte ich allen Herren, die mich durch Zusendung von Sphaeriten unterstützten, meinen besten Dank aussprechen, vor allem den Herren Prof. Branca zu Berlin, Fraas zu Stuttgart, Koken zu Tübingen, Lenk zu Erlangen und Rothpletz zuMünchen. Zu besonderem Danke bin ich Herrn Geheimrat Prof. Dr. Branca für das Interesse und die Liebenswürdigkeit ver- pflichtet, mit welcher er mir die Hilfsmittel des geolog.-paläontolog. Institutes zur Verfügung stellte. Vor allem aber möchte ich Herrn Prof. Dr. Jaekel an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank aussprechen für die freundliche Anregung zu dieser Arbeit und die rege Anteilnahme, sowie die wertvolle Unterstützung, welche mir seine große Erfahrung und sein bewährter Rat bei der Lösung mancher Schwierig- keit gewährte. Für die Benutzung der Bibliothek und der reichen zoologischen Sammlungen des zoolog. Museums, möchte ich Herrn Dr. Meißner bestens danken, ebenso Herrn Dr. Janensch zu Berlin für die gütige Anfertigung der Photographieen. nun Alla I. Historisches, Aufzählung und Beschreibung der vorhandenen Stücke. a) Historisches. Die ersten Abbildungen von Platten, welche zu den Sphaeriten gehören, finden wir bei Knorr. In dessen großem im Jahre 1750 erschienenen Sammelwerke) ist auf Taf. XXXVI in Fig. 22 ein kleines Plättchen von der Ober- und Unterseite abgebildet, welches offenbar mit den Täfelchen übereinstimmt, die Goldfuß später als Asterias stellifera bezeichnete. Knorr konnte sich diese Plättchen, von denen er nur dieses eine Exemplar besaß, nicht erklären und glaubte sie stünden viel- leicht mit den „Karpfensteinen“ und anderen „Tiersteinen“ in Beziehung. Im dritten Teile desselben Werkes, welcher später erschien und von Walch?) erläutert wurde, sind auf suppl. Taf. IXh fünf verschiedene größere Platten von der Ober- und Unterseite abgebildet, welche mit der späteren Asterias scutata« Goldf. identisch sind. Dieselben waren von Schmidel im Bayreuthischen gesammelt worden und gaben zu großer Verwunderung Anlaß. Schmidel glaubte nämlich in jeder Platte ein selbständiges Tier vor sich zu haben, weil durch die Verkieselung im Innern der Platte ein Hohlraum entstanden war. Er stellte sie deshalb zu seinen echinis discoideis. Der Mund sollte die auf der Oberseite sichtbare Stachelgrube sein, während die etwas konkave Unterseite den After darstellen sollte. Etwa 50 Jahre später beschrieb Goldfuß°?) in seinem Werke: Petrefacta Germaniae unter dem Namen Asterias mehrere 4—7seitige Täfelchen, welche er auch auf Taf. LXIII abbildete. Er stellte sie zu den Asterien, weil ihn die ge- zackten Ränder der einen Art, (Asterias tabulata) lebhaft an die ganz ähnlichen Platten von Asterias jurensis Münster*) erinnerten, obwohl ihm, wie er selbst sagte, die Form dieser Bruchstücke sehr befremdend vorkam. Obgleich Goldfuß nur wenige Platten besaß, und obwohl ihm jeder sichere Beweis für die Zugehörigkeit \) Knorr (Georg, Wolfgang). Sammlung von Merkwürdigkeiten der Natur und Altertümern des Erdbodens, welche petrifizierte Körper enthält. I. Teil. Nürnberg. Atlas 1750, Text 1755. 3) Walch (J. E. J.) Die Naturgeschichte der Versteinerungen zur Erläuterung der Knorrischen Sammlung von Merkwürdigkeiten der Natur. III. Teil. Nürnberg 1771. 3) Goldfuß. Petrefacta Germaniae. Düsseldorf 1826—1833 I. Bd. p. 210 u. 211, Tab. LXIII Fig. 7—9. *) Goldfuß. 1. c. Tab. LXIII Fig. 6, 252 ; Friedrich Schöndorf: zu den Seesternen völlig fehlte, da er offenbar weder Ambulacra noch Adambulacra oder die Madreporenplatte kannte, so hatte er die Stellung dieser Platten doch be- reits sicher erkannt, indem er sie zu den Asterien stellte. Später allerdings zeigte es sich, daß der Kollektivname Asterias nicht mehr beibehalten werden konnte, nachdem Quenstedt mehrere zusammenhängende Fragmente des Tieres aufgefunden hatte, welche erhebliche Abweichungen von der Organisation der eigentlichen Asterien aufwiesen. In seinem vorher genannten Werke unterschied Goldfuß drei Arten, welche er Asterias tabulata, Ast. scutata und Ast. stelifera nannte. Die beiden letzten Spezies hatte er, wie man aus seinen vorzüglichen Abbildungen ersehen kann, sehr scharf abgegrenzt, die eine ausgezeichnet durch eine große zentrale Ge- lenkgrube, die andere durch eine glatte und eine mit Sternfurchen versehene Fläche. Unter Asterias tabulata dagegen vereinigte er dreierlei offenbar verschiedenen Tieren angehörige Platten, wie aus seinen Abbildungen deutlich zu erkennen ist. Des- wegen wurde auch später von Quenstedt die Goldfußsche Art Asterias tabulata in mehrere selbständige Arten zerlegt. Als Quenstedt?) nämlich 19 Jahre später die erste Auflage seines Handbuches der Petrefaktenkunde herausgab, hatte sich die Kenntnis der Sphaeriten ganz wesentlich vermehrt. Denn er hatte inzwischen im Weißen Jura y ein ziemlich großes Bruchstück einer ganz neuen Art aufgefunden, welches nicht nur eine große Anzahl der Dorsalplatten in innigem Zusammenhange mit einander zeigte, sondern auch einige Reihen der Ventralplatten besaß. Gleich- zeitig aber ließ dasselbe erkennen, daß die Oberfläche des Tieres sehr stark ge- wölbt war, was Quenstedt veranlaßte, einen neuen Genusnamen: Sphaerites (Kugel- gestalt) einzuführen, um die Ähnlichkeit mit dem Tafelgefüge eines Echinosphaeriten hervorzuheben, wie er an späterer Stelle selbst sagte.°) Er wies zwar darauf hin, daß die Madreporenplatte, welche an dem von ihm als Sphaerites punetatus benannten Stücke sehr gut zu erkennen war, genau mit der der Asterien übereinstimmte, glaubte aber doch diese Art von ihnen trennen zu müssen. Das in der unteren Hälfte des Stückes sichtbare ovale Loch deutete er richtig als After. Als Jugend- stadien bezeichnete er die von Goldfuß auf Taf. LXII in Fig. 7fundk mit Asterias tabulata vereinigten kleineren Täfelchen und nannte sie Sphaerites juvenis. Die Asterias tabulata von Goldfuß beschränkte er nur auf die von Goldfuß in Fig. Tc—e, g—i. 1—q abgebildeten Platten mit den deutlich ausgeprägten Gruben auf der Oberseite. Statt Asterias nannte Quenstedt nun auch diese Art Sphaerites tabulatus. Die zweite Art von Goldfuß Asterias scutata stellte Quenstedt eben- falls zu Sphaerites. Er bildete auf Taf. 55 in Fig. 33 nur eine einzige typische sechsseitige Dorsalplatte ab mit der charakteristischen, großen, zentralen Gelenk- grube. In Fig. 37 fügte er einen 2'/); cm langen, glatten Stachel bei mit dem Be- merken, daß solche Stacheln wahrscheinlich mit dem vorher erwähnten Gelenk artikuliert hätten. Eine andere Platte aber, die er in Fig. 39 abbildete, gehört wohl nicht zu scutatus, ebenso wenig wie die in Fig. 41 und 42 abgebildeten kleinen Plättchen, welche an die Goldfußschen Fig. au. b erinnern. Fig. 40 könnte als Ventralplatte von scutatus gelten. Quenstedt hat also die Kenntnis !) Quenstedt. Handbuch der Petrefaktenkunde. Tübingen 1852. °) Quenstedt. Peirefaktenkunde IV, Asteriden und Encriniden p. 107. _ Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 253 von Sphuerites scutatus erweitert, indem er einen Dorsalstachel und eine Ventral- platte zu den Figuren von Goldfuß hinzufügte. Andererseits aber hat er durch Hinzufügen der anderen vorher erwähnten Platten die scharfe Umgrenzung der ur- sprünglichen Asterias scutata von Goldfuß etwas verwischt. Für die dritte von Goldfuß aufgestellte Art Asterias stellifera behielt Quen- stedt noch den Namen Asterias bei, bemerkte aber, daß es „sicherlich Deckplatten von einem Sphaeriten“ wären. Die mit den Sternfurchen versehene Seite sprach er analog ähnlichen von scutatus als die Unterseite der Platten an, während die Oberseite glatt wäre. Zum Schlusse seiner Abhandlung über die Sphaeriten erwähnte er noch einen Sphaerites regularis aus dem Portlandkalke von Kammin an der rechten Oder- mündung. Dieser angebliche Sphaerites hat jedoch, wie später gezeigt werden soll, mit unseren Sphaeriten gar nichts zu tun, gehört vielmehr in das Pflanzenreich zu den Kalkalgen. Die nächste Bearbeitung dieser rätselhaften Platten findet sich im „Jura“ von Quenstedt‘) im Jahre 1858. In diesem Werke besprach er die einzelnen Arten in der Reihenfolge ihres geologischen Auftretens und stellte die Horizonte des weißen Jura fest, in denen Sphaeriten vorkommen. An der Hand des großen zu- sammenhängenden Stückes von Sphaerites punctatus, welches er jedoch nicht so voll- ständig wie im Handbuche der Petrefaktenkunde abbildete sondern nur mit 12 Tafeln, verglich er dann die isolierten Platten von Sphaerites juvenis, tabulatus und scutatus mit der Anordnung der Tafeln von punctatus. Von scutatus bildete er auch ein Adambulaerum?) ab und erwähnte, daß er außerdem noch Spuren von Ambulacren habe, was auf eine Verwandtschaft dieser Spezies mit den Asterien schließen lasse. Die gezackten Platten der Goldfußschen Asterias tabulata, die er im Handbuche der Petrefaktenkunde mit scutatus vereinigt zu haben schien, trennte er nun als eigene Art Sphaerites digitatus ab. Ebenso trennte er als eigene Spezies Sphaerites pustulatus die längliche Platte, welche er im Handbuche [Tab. 55 Fig. 39] ebenfalls zu sculatus gestellt hatte. Inzwischen hatte er nämlich auch kurze, quadratische Platten davon aufgefunden, welche ihm vielmehr zu Asterias stellifera als zu Sph. scutatus hinzuneigen schienen. Eine mit vielen Gruben versehene Platte von Sph. tabulatus schlug er vor als besondere Spezies fosswlata abzutrennen (Tab. 80 Fig. 42). Gegenüber der Beschreibung der Sphaeriten im Handbuche der Petrefaktenkunde zeigt die im „Jura“ von Quenstedt gegebene Darstellung wesentliche Fortschritte. , Einmal konnte Quenstedt auf Grund von weit größerem Material der isolierten "Tafeln für die meisten Arten einen ähnlichen Bau der Dorsalplatten, wenn auch nicht vollständig nachweisen, so doch wahrscheinlich machen. Von Sph. scutatus hatte er ein ganz neues 7-Eck°) abgebildet, welches mit den bisher bekannten zwar der Form nach übereinstimmte, aber keine Abstumpfung der Spitze für eine Madreporenplatte aufwies, wie Nr. 6 von Sph. punctatus. !) Quenstedt. Der Jura. Tübingen 1858. 2) Quenstedt. 1. c. Tab. 88 Fig. 43. °) Quenstedt. Jura. Tab. 88 Fig. 44. 254 Friedrich Schöndorf: Sodann gab er durch Abtrennung der vorher erwähnten Arten Sph. digitatus, pustulatus, fossulatus, eine weit schärfere Charakterisierung der einzelnen Arten, als es bisher geschehen war. Ferner fügte er noch einen weiteren Anhaltspunkt für eine Verwandtschaft der Sphaeriten mit den Asterien hinzu, indem er ein im Weiß Jura e aufgefundenes Adambulacrum zu scutatus stellte. In der zweiten Auflage des Handbuches der Petrefaktenkunde!) von Quenstedt ist Sph. pustulatus wiederum unter scutatus abgebildet.”) Aber dies scheint nur ein Versehen zu sein, weil offenbar die betreffende Tafel aus der . I. Auflage entlehnt wurde, wo die Abtrennung als eigene Art noch nicht statt- gefunden hatte. Im Text findet sich keine weitere Notiz darüber. Dagegen ist Sph. digitatus ausdrücklich als eigene Art erwähnt unter Hinweis auf die betreffende Stelle im „Jura“. Eine Abbildung desselben ist jedoch nicht gegeben. Die eingehendste Bearbeitung fanden die Sphaeriten des Schwäbisch-Fränkischen Jura in Quenstedts Petrefaktenkunde Deutschlands?). Im IV. Bande dieses Werkes gab Quenstedt nicht nur eine genaue Beschreibung und Abbildung aller bisher vorhandenen Stücke, sondern auch eine Deutung derselben mit vielen Be- merkungen über etwaige rezente Verwandte. Als wertvolle Ergänzungen fügte er verschiedene zusammenhängende Stücke von Sph. scutatus, welchen er aber wieder Asterias scutata nannte, hinzu, welche nicht nur Platten der Dorsalseite, sondern auch solche der Ventralseite zeigen. Von ganz besonderer Bedeutung aber ist ein Stück von derselben Art, weil uns dasselbe deutlich mehrere Reihen der Adambu- laeren sowie verschiedene Ambulacren erkennen läßt. Die schon im Handbuch der Petrefaktenkunde I. Auflage angeführte Zugehörigkeit der großen, glatten Stacheln zu Sph. scutatus wurde ebenfalls durch ein interessantes Stück sichergestellt. Eben diese Stacheln veranlaßten Quenstedt als rezenten Vertreter seines Sph. scutatus den Oreaster armatus Gray aus Kalifornien anzusprechen, obwohl dessen Stacheln bedeutend kürzer sind. Verschiedene neue isoliert gefundene Platten, namentlich solche, die offenbar der Madreporenplatte anlagen, ließen einen ähnlichen Aufbau wie bei dem großen Stück von Sph. punctatus vermuten. Von letzterem sagte Quenstedt nun im Gegensatz zu seinen früheren Arbeiten, wo er das Stück immer in den Weiß Jura y gestellt hatte, daß dasselbe „wahr- scheinlich“ aus dem weißen Jura & stamme*),. Außer diesem Exemplare bildete er noch ein weiteres zusammenhängendes Stück der Dorsalseite von Sph. punetatus aus dem weißen Jura y von Hossingen hinter der Lochen bei Balingen ab, welches jedoch nur lauter sechsseitige Tafeln zu enthalten schien und deshalb von Quen- stedt nicht weiter beachtet wurde. Isolierte Platten fügte er auch noch einige hinzu. Adambulaeren und Ambulacren waren mit Sicherheit nicht nachzuweisen, dagegen hatte er die kleinen, schiefen Plättehen auf der Unterseite des großen Stückes schon als ventrale Füllplatten richtig erkannt. Von sSphaerites tabulatus besaß Quenstedt noch keine zusammenhängenden Stücke, sondern nur isolierte Tafeln, von welchen er verschiedene 5-, 6- und 7-Ecke !) Quenstedt, Handbuch der Petrefaktenkunde. Tübingen 1867. II. Auflage. 2) Quenstedt, Handbuch. II. Auflage, Tab. 69, Fig. 39. ») Quenstedt, Petrefaktenkunde Deutschlands. Abt. IBd.IV. Die Asteriden und Encriniden nebst Cysti- und Blastoideen. Leipzig 1876. *) Quenstedt, 1. e p. 107, Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 355 unter Asterias tabulata abbildete, sowie verschiedene kleinere, dickere Platten, welche, wie wir später sehen werden, zu den Ventralplatten gehören. Am wichtigsten waren einige 7-Seite, welche mit Nr. 6 von punctatus völlig übereinstimmten, aber an ihrer Spitze nicht abgestumpft waren. Von scutatus hatte er ein solches schon im „Jura“ abgebildet. Von den Begrenzungsplatten des Afters bildete er Nr. 1 und Nr. 2 ab, während Nr. 5 noch fehlte. Einige dünnere und mit mehr Gruben versehene Platten trennte er als Asterias annulosa von tabulata, zwischen welchen dann die Asterias fossulata aus dem „Jura“ ') eine Zwischenform bildete. Von Asterias annulosa bildete Quenstedt ein 6-, 7- und 8-Eck ab. Letzteres war ganz neu und bisher nur von punctatus als Nr. 12 des großen Stückes bekannt. Als verwandt mit Asterias annulosa führte er sodann Asterias pustulata an. Allerdings läge sie weit höher, nämlich in Weiß Jura e, während annulosa im weißen Jura &« vorkäme. Die Abbildungen von pustulata im „Jura“ vermehrte er noch um einige „quadratische“ und „oblonge“ Platten, ohne aber über ihre Stellung irgend etwas ermitteln zu können. Noch rätselhafter schienen ihm die Platten von Asterias stelhifera zu sein, die ihm ebenfalls aus dem Malm e vorlagen. Entgegen seiner früheren Ansicht sprach er nun die gerippte Seite als Oberseite an, während die glatte Fläche die Unter- seite darstelle. Die bizarren Formen von Sph. digitatus vermehrte Quenstedt ebenfalls be- deutend. Auch sie werden hier unter dem alten Genusnamen Asterias beschrieben. Über ihre etwaige Stellung im Skelette aber findet sich nicht die geringste Angabe. Weitaus am ausführlichsten wurde Sph. juvenis behandelt, welcher ebenfalls unter Asterias angeführt ist. Die enge Verwandtschaft, welche zwischen Sphaerites punctatus, juvenss und tabulatus bestehe, wie die mannigfachen Übergänge [z. B. annulosa, fossulata] bewiesen, gab Quenstedt nun Veranlassung diese drei Arten als eine „Trilogie“ unter einem gemeinsamen Genusnamen Sphaeraster zusammen- zufassen. Zusammenhängende Stücke von jwvenis lagen Quenstedt ebensowenig vor wie von tabulatus. Dagegen besaß er eine Unmenge isolierter Tafeln in allen Formen und Größen namentlich aus den Schwammlagern des weißen Jura & von der Lochen bei Balingen. Die mannigfachsten Täfelchen bildete er auf Tafel 94 seines vorher genannten Werkes ab und beschrieb sie bis auf die kleinsten Einzelheiten. Zu den bereits im „Jura“ abgebildeten fügte er noch viele weitere hinzu, so daß wir von juvenis die größte und vollständigste Anzahl von Dorsalplatten besitzen. Durch Zusammenstellung einzelner Platten zeigte Quenstedt in Figur 195 daß die An- ordnung der Analplatten mit derjenigen von punctatus vollständig übereinstimmte. Daß bei der großen Menge von Platten natürlich Mißbildungen und Verzerrungen nicht ausblieben, wies Quenstedt ebenfalls durch mehrere Abbildungen nach. Schließlich machte er noch auf die geologische Bedeutung derselben aufmerksam, daß z. B. die letztgenannte Art juvenis meist an die Schwammlager des weißen Jura & gebunden sei und so unter Umständen bei der Beurteilung fraglicher Schichten wohl in Betracht kommen könne. 1) Quenstedt ]. c. Tab. 80 Fig. 42. 256 Friedrich Schöndorf: Trotzdem Quenstedt durch seine sorgfältigen Untersuchungen die Zugehörig- keit, wenigstens von Sph. scutatus zu den Seesternen nachgewiesen hatte, konnte er sich doch nicht entschließen, diese ja immerhin noch rätselhaften Fossilien in das System der Asteriden einzureihen, sondern er stellte sie später in der dritten Auf- lage seines Handbuches der Petrefaktenkunde!) wieder an ihre alte Stelle hinter die Crinoiden zu den Problematica. Hier tauchte auch sein Sphaerites regularis aus dem Portlandkalke von Kammin wieder auf, obwohl derselbe inzwischen bereits andere Deutungen erfahren hatte.?) ‘Während sich alle bisherigen Untersuchungen nur mit der makroskopischen Beschaffenheit der Sphaeriten befaßt hatten, untersuchte E. Fraas?) in seiner Arbeit über die Asterien des weißen Jura von Schwaben und Franken die einzelnen Arten auch z. T. mikroskopisch, soweit es eben ihr Erhaltungszustand zuließ. Dabei kam er zu dem Resultat, daß die Stacheln von Sph. seutatus nur eine sehr geringe Beweglichkeit besessen haben konnten, ganz wie diejenigen von Pentaceros urmatus — Nidorelhia armata Gray, welche mit dem von Quenstedt erwähnten Oreaster armatus identisch ist. Ferner stellte Fraas fest, daß die Umgrenzung von Sph. punctatus und juvenis ursprünglich eine ebenso zackige war wie bei den übrigen Arten. Die Sternfurchen von Ast. stelifera sprach Fraas gleichfalls für die Oberseite an, während die glatte Gegenfläche die Unterseite sein sollte. In seiner eben erwähnten Arbeit hatte Fraas auch Untersuchungen über die Ambulaecren verschiedener Genera angestellt und dabei gefunden, daß zwar indivi- duelle und bei den einzelnen Arten kleinere Abweichungen vorkämen, daß aber die Gestalt der Ambulacren bei den Genera eine streng konstante sei und deshalb wichtige Anhaltspunkte für die Bestimmung und die Verwandtschaftsbeziehungen der fossilen Seesterne zu den rezenten biete. In den späteren Hand- und Lehrbüchern der Geologie und Paläontologie werden die Sphaeriten noch mehrfach erwähnt, ohne daß jedoch irgend etwas neues über ihre Form oder systematische Stellung hinzugekommen wäre. b) Aufzählung und Beschreibung der vorhandenen Stücke. Wie wir im vorhergehenden Kapitel gesehen haben, wurden von Quenstedt unter dem Genusnamen Sphaerites folgende Arten zusammengefaßt: 1. Sphaerites punctatus Qu. 2. & jwvenis Qu. 3. % tabulatus Goldf. sp. z. T. 4 Mn scutatus Goldf. sp. !) Quenstedt, Handbuch der Petrefaktenkunde. III. Auflage. Tübingen 1888. 2) Dieses Fossil, dessen systematische Stellung bis heute noch nicht sicher ermittelt ist, wurde zuerst von A. Römer (Verstein. d. norddeutsch. Oolitgeb. 1839. Nachtrag pag. 35 t. XVIII Fig. 39) als Muschel unter dem Namen Chama geometrica beschrieben, weil er nur Abdrücke davon auf kleinen Austernschalen kannte. D’Orbigny (Prodr. 1847) und Buvignier (Meuse Dep. 1852) deuteten es als Foraminifere, während Ferd. Römer (Zeitschr. d. deutsch. Geol. Ges. 1857) das- selbe zu den Echinodermen oder Bryozoen stellte. Später stellte es Saporta (Pal. Franc. 1891) als Frucht zu den Pandanaceen, den Verwandten der Palmen (Spadicifloren). Nach den neuesten Ansichten aber ist es eine Kalkalge, zu den Siphoneen gehörig. ®) E. Fraas. Die Asterien des weißen Jura von Schwaben und Franken etc. Palaeontographica 32. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 257 5. Sphaerites digitatus Qu. 6. " regularis Qu. Dazu kommen noch weitere vier Arten, für welche jedoch der alte Name Asterias beibehalten worden war: 7. Asterias fossulata Qu. 8. » amnulosa Qu. 9) ». pustulata Qu. 10. „ ..‚stellifera Goldf. ‚Wir hätten also nach Quenstedt im Ganzen zehn Arten, welche in die Familie der Sphaeriten gehörten. Sie stellen meist 4—S seitige Plättchen dar mit ziemlich regelmäßiger Umgrenzung. Nur Sph. digitatus Qu. macht hiervon eine Ausnahme, da die hierher gehörigen 'Täfelchen alle möglichen Formen aufweisen nur nicht solche mit regelmäßiger Umgrenzung. Es kommen Platten mit oder ohne finger- förmige Fortsätze vor, gezackte und ungezackte, sodaß schon hieraus ersichtlich ist, daß diese Spezies mit den eigentlichen Sphaeriten nichts zu tun hat. Sphaerites regularis Qu. gehört überhaupt nicht zu den Eehinodermen sondern zu den Kalkalgen (Siphoneen). Asterias pustulata und stellifera sind als selbständige Arten ebenfalls zu streichen und als Randplatten, Margimalien, anzusprechen. Wenden wir uns nun zur Betrachtung der einzelnen Arten der Sphaeriten. An die Spitze wollen wir die beiden Arten stellen, welche der ganzen Familie den Namen gegeben haben, nämlich Sphaerites punetatus und juvenis. An sie schließt sich Sph. tabulatus, Asterias fossulata und annulosa an, an letztere Ast. pustulata und stelhfera, während Sph. scutatus eine Sonderstellung einnimmt. Sphaerites punciatus Qu. Von Sphaerites punctatus Qu. sind folgende Stücke vorhanden: I. Zusammenhängende Stücke. 1. Original zu Quenstedt!) Tab. 94, Fig. 55, in der Tübinger Sammlung. 2. Original zu Quenstedt Tab. 94, Fig. 56, in der Tübinger Sammlung. 3. Ein zusammenhängendes Stück der Dorsalseite im Stuttgarter Na- turalienkabinet. II. Isolierte Tafeln in der Berliner, Münchener, Tübinger ete. Sammlung. Das Hauptstück (Taf.24 Fig. 1u.2) zeigt 21 fest mit einander zusammenhängende Tafeln von 5-, 6-, 7- und S-eckiger Gestalt mit deutlich gekerbten Rändern. | Zwischen drei dieser Tafeln liegt ein kleines dreieckiges Plättchen, welches eigen- tümliche Runzeln auf seiner Oberfläche aufweist. Außerdem fällt noch ein größeres rundliches Loch a auf, von welchem ebenso wie von dem kleinen Plättehen m auf die drei Begrenzungsplatten je eine dreieckige Erhöhung ausstrahlt, die nach dem Zentrum der betreffenden Platte hin verläuft. Dieser „Dreizack“, wie ihn Quen- stedt nannte, ist bei dem Plättchen m sehr scharf ausgeprägt, bei dem Loche a mehr abgerundet und viel breiter. Die Unterseite dieses Stückes zeigt kleinere, meist viereckige, dieke Plättehen, die z. T. noch in Reihen liegen. Sie veranlaßten 1) Quenstedt Petrefaktenkunde IV. Auch die folgenden Angaben beziehen sich, wenn sonst nichts bemerkt ist, stets auf dieses Werk. 258 Friedrich Schöndorf: Quenstedt das Loch der Oberseite nicht für den Mund, sondern für den After zu halten. Das kleine, dreieckige Plättchen m stimmt schon durch seinen Bau voll- kommen mit der Madreporenplatte der Seesterne überein. Die übrigen Dorsal- platten hatte Quenstedt mit Nummern versehen, um sie schnell und sicher be- nennen zu können. Nr. 1 ist ein 6-Eck, dessen eine Ecke durch den konkaven Afterausschnitt abgestumpft ist. Die eine Kante zeigt durch den glänzenden Kalkspath, daß hier ein Stückchen abgesprungen ist. Dasselbe wurde schon von Quenstedt in Keil- form ergänzt, sodaß das 6-Eck symmetrisch wird. An Nr. 1 schließen sich als weitere Begrenzungsplatten des Afters zwei 5-Ecke Nr. 2 und Nr. 3 an, welche selbst zwar unsymmetrisch sind, aber symmetrisch zu einander liegen. Ihre mit Nr. 12 artikulierende Kante ist konvex, alle anderen sind gerade. Betrachten wir die beiden Platten vom After aus so liest bei Nr. 2 links vom Afterausschnitt die längere Kante, bei Nr. 3 dagegen rechts. Dieser Unterschied ist sehr wichtig für die Orientierung dieser beiden Platten. Gleich Nr. 1 so tragen auch Nr. 2 und Nr. 3 eine stumpf dreieckige Erhöhung. Nr. 4 ist ebenfalls ein Fünfeck, jedoch ganz verschieden von den vorigen. Die drei an Nr. 6, 10 und 12 stoßenden Kanten sind konvex, die beiden anderen gerade. Von diesen letzteren ist aber die rechte (wenn man vom After aus sieht) an Nr. 3 stoßende weit länger als die linke an Nr. 5 stoßende Kante, wodurch die Symmetrie dieser Platte vollkommen gestört wird. Nr. 5 ist ein scheinbar symmetrisches 6-Eck mit einer konvexen Kante nach Nr. 6 hin. In Wahrheit ist aber die an Nr. 4 stoßende Kante etwas kürzer als die an Nr. 21 stoßende Kante, was nur durch die Unsymmetrie von Nr. 4 ver- ursacht wurde. Nr. 6m!) ist ein sehr auffallendes 7-Eck mit drei konkaven Seiten. Seine Symmetrie wird auch durch die Abstumpfung der Spitze nicht beeinflußt, von welcher nach dem Zentrum der Platte ein scharfer dreieckiger Strahl verläuft. Nr. 7 und Nr. 8 zeigen ebenfalls diese dreieckige Erhöhung. Beide liegen symme- trisch zu einander, sind aber selbst unsymmetrisch, indem erstere links von dem Ausschnitt die längere und rechts die kürzere Kante besitzt, während es bei Nr. 8 gerade umgekehrt der Fall ist. Diese kleinen Unterschiede, welche bisher über- haupt nicht beachtet wurden, sind für die Orientierung der betreffenden Platten äußerst wichtig. Nr. 9 ist eim nahezu resuläres 6-Eck mit geraden Kanten. Die an Nr. 16 anstoßende ist etwas kürzer als ihre Gegenkante. Nr. 10 ist leicht an seiner oberen konkaven Kante und großen, oberen?) Breite zu erkennen. Nr. 11 ähnelt Nr. 7, nur fehlt der Ausschnitt, aber auch hier kehren die beiden ungleichen Kanten wieder, genau wie bei der zerbrochenen Platte Nr. 13. Nr. 12 ist ein 8-Eck mit vier kurzen, konkaven Kanten. Nr. 14 und 15 sind Bruchstücke zweier 6-Ecke. Nr. 16 verhält sich genau wie Nr. 9. Die untere Kante ist etwas kürzer als die obere, sonst ist die Platte regulär. Nr. 18 ist jedoch nicht regulär, wie Quenstedt angibt, sondern nur symmetrisch. Nr. 19, 20 und 21 sind ebenfalls nur kleine Bruchstücke. !) Quenstedt nannte diese Platte Nr. 6; um anzudeuten, daß sie an der Madreporenplatte liegt, fügen wir ein kleines m bei. 2) Die Platten sind stets vom After als dem Zentrum der Dorsalseite aus zu betrachten. Dem- gemäß ist auch das „unten“ = weiter vom After liegend zu verstehen, „oben“ — nahe dem After. Die Organisation und systematische Steliung der Sphaeriten. 259 Unter der Lupe erscheinen alle Platten mit unregelmäßig verteilten, feinen punktförmigen Grübchen bedeckt. Die ganze Oberfläche ist gleichmäßig, aber sehr stark gewölbt. Da die verschiedenen 5-, 6-, 7- und S-Ecke alle an ein und demselben Stücke vorhanden sind, so kann der verschiedene Umriß der Platten über die Zu- sehörigkeit zu einer bestimmten Art keinen Aufschluß geben, ist da- gegen für die Orientierung der betreffenden Platte im Skelette von großer Wichtigkeit. Der Rand der Platten ist mehr oder weniger deutlich gezähnelt. Auf der Unterseite [Taf. 24 Fig. 2] gewahrt man meist vierseitige, kleinere Plättchen, von welchen noch deutlich drei Reihen zu erkennen sind. Sie sind viel dicker als die Dorsalplatten, am Rande mit schief vortretender „Wurzel“ versehen, auf welche sich jedesmal zwei Nachbarplatten auflegen. Die Oberfläche dieser Ventralplatten zeigt dieselben Grübchen wie die Dorsalplatten, obwohl Quenstedt dieselbe für glatt erklärt. Außer diesen dicken Plättehen liegen auf der Unterseite noch winzige, unregelmäßige Kalkkörperchen, welchen bisher noch gar keine Beachtung geschenkt worden war. In den Figuren von Quenstedt sind dieselben garnicht angegeben. Diese unregelmäßigen Kalkkörperchen sind die Reste der interradialen Septen- pfeiler, worauf wir in einem späteren Kapitel noch zurückkommen werden. Ein läng- liches Plättehen a hatte Quenstedt als Adambulacrum gedeutet, die ganze Form spricht jedoch eher für ein Ambulacrum. Bei ad liegt dagegen ein echtes Ad- ambulacrum, was Quenstedt nicht erkannt hatte. Das zweite zusammenhängende Stück, Taf. 24 Fig. 3, ebenfalls ein Original von Quenstedt, zeigt nur Dorsalplatten, welche zwar schon von Quenstedt be- schrieben worden waren, aber mit dem vorigen Stück nicht in Zusammenhang ge- bracht werden konnten. Dieses Stück stammt aus dem echten weißen Jura y von Hossingen hinter der Lochen bei Balingen. Die Beschreibung Quenstedts ist sehr kurz und ungenau. Durch eine sehr sorgfältige Präparation gelang es nun, dieselbe in vielen Punkten zu berichtigen, so daß nunmehr die Orientierung auch dieses Stückes vollkommen sicher gestellt ist. Nr. 1—9 sind sechsseitig und größtenteils noch fest miteinander verbunden. Die etwas verschobenen Platten z. B. Nr. 1, 5, lassen sich nach der Länge ihrer Kanten leicht orientieren. Nr. 10 ist von den anderen Platten verdeckt, ebenfalls 6-eckig. Die zerbrochenen Plättchen schließen sich zum Teil direkt an die unverletzten an (Nr. 14, 15, 16 etc.) oder sie liegen isoliert (Nr. 11, 13 ete.). Nr. 17 ist ein 5-seitiger Abdruck, dessen linke Kante die größere ist. Bei der ursprünglichen Platte lag also die längere Kante rechts von der Spitze. Nr. 18 zeigt eine große konkave Kante, entspricht also der Nr. 10 des ersten Stückes. Nr. 19 ist bei Quenstedt eine ganz unbestimmte Platte, und doch ist sie die wichtigste von allen. Durch die Präparation wurde sie vollständig frei gelegt, und läßt dadurch ihre volle Übereinstimmung mit Nr. 7 des ersten Stückes erkennen. Der Ausschnitt für die Madreporenplatte und die dreieckige Er- höhung sind deutlich erhalten. Nr. 20—25 sind nur winzige Bruchstücke. Nr. 26, ebenfalls ein Bruchstück, entspricht der Nr. 8, mit deutlichem Ausschnitt. Die dritte Begrenzungsplatte des Madreporiten dürfte Nr. 27 sein, die jedoch vollständig von Nr. 18 verdeckt wird. Nr. 28 fehlt trotz ihrer Größe bei Quenstedt ganz. 360 Friedrich Schöndorf: Ein größerer Ausschnitt läßt in ihr Nr. 1, eine Begrenzungsplatte des Afters, erkennen. Die Platten der Unterseite sind nicht erhalten. Die ganze Oberfläche dieses Stückes ist ebenso stark gewölbt wie bei dem vorigen. Wie letzteres, so tragen auch diese Platten kleine punktförmige Grübchen; die Ränder sind gekerbt. Trotzdem daß die Platten hier etwas kleiner sind, sind sie doch ebenso dick, wie bei jenem. Die zerstreute Lage der Platten ist so zu erklären, daß das Tier vom After her zusammengedrückt wurde, wodurch die zentralen Platten zerstört wurden, während die peripheren erhalten blieben. Aus dem Vergleich dieser beiden Stücke ergeben sich für Sph. punctatus fol- gende Merkmale: Dorsalplatten und Ventralplatten dem bloßen Auge glatt, unter der Lupe punktiert erscheinend. Rand scharf begrenzt mit deutlichen Kerben versehen. Platten diek von wechselnder Größe. Ventralplatten viel kleiner und dicker, mit langer, nach zwei Seiten schief vortreten- der „Wurzel“. Ein drittes zusammenhängendes Stück von Sph. punctatus aus dem Malm < von Sonthein a. d. Brenz befindet sich im Naturalienkabinet von Stuttgart. [Taf. 24 Fig. 4.] Vor allem fällt hieran ein ganz neues 7-Eck auf, welches mit Nr. 6m des Tübinger Stückes vollkommen übereinstimmt, nur fehlt der Madreporenaus- schnitt an der Spitze. Unter diesem 7-Eek liegt das 6-Eck Nr. 5 mit konvexer Kante. An dieses stoßen zwei 5-Ecke Nr. 4 links und rechts an, deren Kanten gleich- lang sind. Die 6-Ecke Nr. 10 sind ebenfalls deutlich zu erkennen. Die übrigen Platten sind sämtlich 6-Ecke in genau derselben Ausbildung wie bei den vorigen Stücken. Im ganzen sind es 21 oder 22 Platten. Dieses Stück gehörte zu einem kleineren Tiere. Die Platten sind aber ebenso dick wie bei den vorigen und in gleicher Weise punktiert und am Rande gezähnelt. Die Oberfläche ist ebenfalls sehr stark gewölbt, am Rande aber sekundär zusammengedrückt. Ventralplatten fehlen. Isolierte Tafeln von Sph. punctatus sind verhältnismäßig selten. Wenn die Platten abgerieben sind, werden häufig andere Arten damit verwechselt. D) Nr. 4 kommt mit gleichen Kanten sowie rechts oder links längerer Kante vor. Auch das 7-Eck Nr. 6 ohne Ausschnitt kehrt öfter wieder. Sphaerites juvenis Qu. Von Sphaerites juvenis Qu. sind folgende Stücke vorhanden: I. Zusammenhängende Stücke, 1. Ein einziges Exemplar in der Münchener Sammlung. II. Isolierte Platten. R 2. Originale von Quenstedt in der Tübinger Sammlung. 3. Isolierte Tafeln in der Berliner, Münchener, Tübinger ete. Sammlung. Das einzige zusammenhängende Stück von Sphaerites Juwvenis Qu. befindet sich in der Münchener Sammlung. [Taf. 24 Fig. 5 u. 6.] Dasselbe stammt aus dem Malm e vom Kieplesberg bei Ulm. Auf der Oberseite bemerkt man nur vier an !) Quenstedt IV Tab. 94 Fig. 57—61. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 361 einander stoßende Dorsalplatten, deren größte ein schönes symmetrisches Achteck ist mit vier kurzen konkaven Kanten. Nach rechts schließt sich ein kleines Fünf- eck Nr. 4 an. Darunter folgt eine größere sechsseitige Platte mit einer konkaven Kante. Diese Platte stimmt vollkommen mit Nr. 10 von punctatus über- ein. Die vierte Platte entspricht der Nr. 11, ist also ein unsymmetrisches 6-Eck. Auf der Unterseite und an der Seite dieses Gesteinsstückes liegen noch einige Dorsalplatten, welche sich direkt an die vorigen anschließen und zum Teil noch mit ihren Kanten an dieselben anstoßen. So folgt auf Nr. 10 noch ein etwas ver- letztes 6-Eck. Von den drei anderen Platten der Unterseite entspricht die eine offenbar der Nr. 5, während die beiden anderen sich an das Achteck Nr. 12 an- legen. Mit diesem Stücke zugleich fanden sich noch weitere 9 Platten (Fig. 1) unmittelbar an derselben Stelle, welche jedenfalls zu > e) dem nämlichen Tiere gehörten. In der Größe, Skulptur S In}. etc. stimmen sie vollkommen mit den anderen Platten II überein. Ein symmetrisches 7-Eck entspricht der Nr. 6 oo ® ) ohne Madreporenausschnitt. Drei Kanten sind. konkav, en, u ne an. die anderen gerade. Zwei unsymmetrische 6-Ecke würden Münchener Sammlung. der verschiedenen Länge ihrer Kanten nach der Nr. 11 und 13 entsprechen und sich rechts und links an das 7-Eck anschließen. Ein anderes 6-Eck zeigt völlige Übereinstimmung mit Nr. 10. Andere 6-Ecke sind teils regulär (Nr. 9), teils etwas länglich. Letztere stammen aus den mehr randlich gelegenen Plattenreihen. Ein unsymmetrisches 6-Eek zeigt an der einen Ecke einen kleinen Ausschnitt, lag also wie Nr. 7 der Madreporen- platte an. Der Rand aller dieser Platten ist sehr fein gezähnelt, die Oberfläche mit kleinen, ringelförmigen Grübchen dicht bedeckt. Die isolierten Täfelchen bildete schon Quenstedt!) in den mannigfachsten Formen ab. Außer ihrem Umriß wechselt noch die Größe außerordentlich, wie aus den angegebenen Figuren ersichtlich ist. Ihrem Umriß nach zerfallen die Plättchen in 5-, 6-, 7- und 8-seitige, welche teils regulär, teils symmetrisch, teils unsymmetrisch sind. Auch Mißbildungen kommen gelegentlich vor.?) Die 5-seitigen zerfallen in zwei Gruppen. Die einen mit einem Ausschnitt an der einen Ecke sind sofort als Analplatten Nr. 2 und Nr. 3 (Quenstedt°) Tab. 94 Fig. 192, 193) zu erkennen. Die anderen gehören zu der Nr. 4. von puwnc- tatus. Entweder sind sie symmetrisch, dann sind die beiden Kanten an der Spitze gleich lang (Qu. Tab. 94 Fig. 184) oder sie sind unsymmetrisch. In letzterem Falle haben wir solche mit rechter längerer Kante, genau wie Nr. 4 von punctatus in dem großen Tübinger Exemplar (Qu. Tab. 94 Fig. 153) oder mit linker längerer Kante (Fig. 182, 186). In allen Fällen aber sind die der Spitze gegenüber liegende Kante und die beiden seitlich anstoßenden konvex. Die 6-seitigen kommen ebenfalls in verschiedenen Formen vor. Symmetrische mit größerem Ausschnitte entsprechen der Analplatte Nr. 1 (Fig. 190, 191, 192, !) Quenstedt. Petrefaktenkunde IV, Tab. 94 Fig. 146—205. 2) Quenstedt. 1. c. Tab. 94 Fig. 196-201. °) Da die Figuren bei Quenstedt durch den Spiegel gezeichnet sind, so ist links und rechts vertauscht. Archiv für Biontologie 1, (3.) 06. 2 262 Friedrich Schöndorf: 203). Kombiniert man eine solche Nr. 1 mit den vorher beschriebenen Fünfecken Nr. 2 und Nr. 3, so erhält man die gleiche Begrenzung des Afters von juvenis wie bei punctatus (Fig. 195). Von diesen symmetrischen 6-Seiten mit Ausschnitt sind die unsymmetrischen 6-Seite mit kleinerem Ausschnitt scharf zu trennen. Quen- stedt!) bezeichnete sie als regulär, das ist aber absolut nicht der Fall, sondern durch ihre ungleichen Kanten sind sie ausgesprochen unsymmetrisch. Der Aus- schnitt ist viel kleiner als bei den vorigen. Die hierhergehörigen Platten sind die Begrenzungsplatten des Madreporiten Nr. 7 (Fig. 1 pag. 261) und Nr. 8 (Qu. Fig. 173). Beide tragen eine scharfe dreieckige Erhöhung, die von dem Ausschnitt nach dem Zentrum verläuft. Bei keiner ist jedoch ein Kanal zu bemerken, welcher inner- lich dieser Erhöhung entsprechen würde. Die 6-Seite ohne Ausschnitt sind bei weitem die häufigsten. Entweder sind dieselben unsymmetrisch wie Nr. 11 und Nr. 13, oder sie sind symmetrisch wie Nr. 10 (Qu. Fig. 174, 175, 176). Reguläre 6-Ecke sind seltener. Unter den 7-seitigen fallen besonders diejenigen auf, deren Spitze wie bei Nr. 6m durch einen kleinen Ausschnitt abgestumpft ist. Der sehr deutlichen drei- eckigen Erhöhung der Oberseite entspricht hier bei allen ein ins Innere führender Kanal (Qu. Fig. 153—157). Die drei oberen Kanten sind stets konkav. Wenn man bedenkt, daß diese 7-Seite mit zu den größten Dorsalplatten gehören, so kann man ermessen, wie klein das Tier gewesen sein muß, von welchem Qu. Fig. 157 stammte. Zwischen dieser und Figur 153 finden wir dann alle Übergänge. Anderen 7-Seiten fehlt der Ausschnitt für den Madreporiten. Auch sie wechseln außerordentlich in der Größe (Qu. Fig. 160—166). Die S-seitigen mit vier konkaven Kanten sind die größten Dorsalplatten (Qu. Fig. 146—151). Alle diese Plättchen sind durch ihre außerordentliche Dünne sofort von den anderen Arten zu unterscheiden. Ihre Oberfläche erscheint dem bloßen Auge meist glatt, in der Mitte erhebt sich eine zitzenförmige Erhöhung, von welcher dunklere Linien nach dem Rande ausstrahlen. Unter der Lupe sieht man, daß die scheinbar glatte Oberfläche dieht mit kleinen Ringeln und Grübchen bedeckt ist. Zuweilen werden diese auch größer und mit bloßem Auge sichtbar. Es kommen jedoch auch vollkommen glatte Formen vor. Der Charakter dieser Plättchen ist ein so konstanter und ihre Skulptur so deutlich ausgeprägt, daß diese Art nicht als eine Jugendform, wie Quenstedt meinte, anzusprechen ist. Sehr oft finden sie sich in großer Menge an Fundstellen, wo größere Arten noch nicht beobachtet wurden, was doch der Fall sein müßte, wenn wir Jugendformen vor uns hätten. Die Platten sind oft noch größer als die von punctatus, bleiben aber trotzdem sehr dünn. Als bezeichnend für Sph. juvenis Qu. würden sich folgende Merkmale ergeben: Plättchen außerordentlich dünn, mit deutlich gekerbten Rändern. Die Oberfläche ist mit gut entwickelten ringförmigen Grübchen dicht bedeckt, das Zentrum, von dem dunklere Streifen nach dem Rande ver- laufen, meist zitzenförmig erhoben. « 1) Quenstedt. |]. c. pag. 122. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 263 Sphaerites tabulatus Goldf. sp. z. T. Von Sphaerites tabulatus Goldf. sind folgende Stücke vorhanden: 1. Isolierte Platten, Originale von Goldfuß in der Berliner Sammlung. 2. Isolierte Platten, Originale von Quenstedt, in der Tübinger Sammlung. 3. Isolierte Platten der Berliner, Münchener, Tübinger ete. Sammlung. Von Sphaerites tabulatus Goldf. sp. sind bisher weder zusammenhängende noch Gesteinsstücke bekannt. Isolierte Tafeln dagegen finden sich zahlreich namentlich in den Schwammlagern des mittleren weißen Jura. Unter den Dorsalplatten haben wir die gleichen 5-, 6-, 7- und 8-Ecke wie bei den vorigen Arten. Von den 5-seitigen ist Qu. Fig. S9 u. 90 die Analplatte Nr. 2. Von Nr. 3 ist nur je ein einziges Exemplar in der Tübinger und (a Berliner Sammlung vorhanden (Fig. 2 pag. 263). Die konvexe Kante ist trotz des gezähnelten Randes gut zu erkennen. Der Afterausschnitt Fig. 2. ist ziemlich groß, die Erhöhung der Oberseite ebenfalls vorhanden, ee wenn auch nicht stärker hervortretend. Nr.3 d. Tübin- Die Beseitigen Ne A Ialhrd amalh Ihrer in olllem chen Porn laden mit gleichen Kanten an der Spitze, mit der längeren Kante rechts oder links, genau wie bei punctatus und juvenis. Die 6-seitigen mit großem Ausschnitt repräsentieren die Analplatte Nr. 1 (Qu. Fig. 88). Von den anderen 6-seitigen mit Ausschnitt, welche der Madreporen- platte anlagen, ist bisher nur Nr. 3 in zwei Exemplaren in der Berliner Sammlung vertreten. Die unsymmetrischen Nr. 11 und Nr. 13 sind ebenfalls vorhanden (Qu. Fig. 81). Nr. 5 mit konvexer Kante dürfte man in Qu. Fig. S4 wiedererkennen. Symmetrische 6-Seite, Nr. 10, mit einer konkaven Kante liegen mehrfach vor (Qu. Fig. 78). Auch die 7-seitigen treffen wir in ihren beiden Formen an. Bei Nr. 6m (Qu. Fig. 77) entspricht der äußeren Erhöhung innerlich ein Kanal, welcher deut- lich zu sehen ist. Die anderen 7-seitigen mit ganzrandiger Spitze sind teils schön symmetrisch (Qu. Fig. 75), teils etwas schief (Qu. Fig. 74). Von den 8-seitigen, den seltensten Platten, befinden sich zwei Exemplare in der Berliner (Fig. 3 pag. 263) und ein Exemplar in der Münchener Sammlung. Die Platten sind schön symmetrisch und zeigen alle die vier konkaven Kanten. Die Ventralplatten mit „schiefer Wurzel“ hat schon Quen- en stedt vorzüglich abgebildet (Qu. Fig. 94, 96). Die Oberfläche ist Goldf. sp. meist rhombisch, mit den charakteristischen Gruben versehen. Der Nr.12d. Berlin. Sammlung. Rand mehr oder weniger zackig. Nach zwei Seiten tritt die „schiefe Wurzel“ vor. Dieselbe trägt Kerben und Wülste und zuweilen kleine Vertiefungen, worin die Muskelfasern inserierten. Die Gruben der Dorsalplatten stehen namentlich an den Ecken, ihre Ränder sind etwas erhaben. Der Rand aller Platten ist stark gekerbt. Die Platten selbst ziemlich dick. Eine Platte, welche einen geschlossenen Kranz von solchen Pustelgruben aufwies, trennte Quenstedt!) als eigene species fossulata von dem echten !) Quenstedt. Der Jura Tab. 80 Fig. 42, Petrefactenkunde IV Tab. 94 Fig. 102. 2% 264 Friedrich Schöndorf: Zu tabulatus ab. Wahrscheinlich ist es nur eine Abart, da vielfache Übergänge vor- kommen. Für Sphaerites tabulatus ergibt sich aus dem vorher Gesagten folgende Charakteristik: Dorsalplatten ziemlich dick, am Rande stark gezähnelt und mit Kerben versehen. Längs des Randes stehen namentlich an den Ecken große Gruben. Zentrale Grube meist fehlend. Ventralplatten sehr kräftig und diek mit „schiefer Wurzel“. Oberfläche mit größeren Gru- ben, der Rand weniger stark gezähnelt. Sphaerites fossulatus Qu. sp. mit zentraler Grube, welche von einem diehten Kranze größerer Gruben umsäumt wird. Sphaerites annulosus Qu. Von Sphaerites annulosus sind folgende Stücke vorhanden: 1. Originale von Quenstedt in der Tübinger Sammlung. 2. Isolierte Tafeln ebenda. Die Dorsalplatten von Sphaerites annulosus fallen durch ihre kleinen aber sehr dicht stehenden Grübcehen auf. Dieselben gleichen flachen Schüsselchen, die auf die Oberfläche der Platten aufgesetzt sind. Zwischen ihnen verlaufen sehr feine netzartig angeordnete 'Wülste, welche kleine Vertiefungen umsäumen, in welchen runde Kügelchen saßen. Quenstedt bildete ein 8-Seit Nr. 12 (Qu. Tab. 94 Fig. 101), ein re- ee: ; : Fig. 4. guläres 6-Seit (Fig. 100) und zwei etwas verzerrte Sph. a Qu. sp. 7-Seite Nr. 6 (Eis. 99, 103) ab. Die Tübinger Oxieinale’dTibingerÖSie: Sammlung enthält außerdem noch ein 7-Seit Nr. 6m, welches der Madreporenplatte anlag. Die Platten von Sph. annulosus sind äußerst selten (bisher nur 6 Exemplare bekannt) und stammen alle aus dem Malm &. Durch die große Zahl ihrer meist gleich großen Grübchen, welche durch ein feines Netzwerk von Wülsten verbunden sind, lassen sie sich sofort von Zabulatus unterscheiden, mit dem sie durch die Zwischenform fossulatus eng verbunden sind. Sphaerites pustulatus Qu. Von Sphaerites pustulatus sind folgende Stücke vorhanden: 1. Originale zu Quenstedt m der Tübmger Sammlung. 2. Isolierte Tafeln in der Münchener und Tübinger Sammlung. Unter dem Namen Sphaerites pustulatus faßte Quenstedt einige Platten zu- sammen, die durch ihre Skulptur ihre Zugehörigkeit zu den Sphaeriten nicht ver- leugnen konnten, in ihrer Form aber ganz von ihnen abwichen. Statt 5- und 6-Eeken begegnen wir hier nur 3- und 4-Ecken, teils in Gestalt langer Rechtecke oder Drei- ecke, teils als kurze Quadrate. Auf ihrer Oberfläche gewahrt man deutliche, ringförmige Gruben mit erhabenen Rändern [Taf. 24 Fig. 7]. Man kann diese Gruben wie bei annulosus am besten mit flachen Schüsselehen vergleichen, die in unregelmäßiger Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 265 Verteilung aber ziemlich dicht der Oberfläche aufgesetzt sind. Jedoch ist nicht die ganze Oberfläche mit diesen Pusteln bedeckt, sondern längs des Randes bleibt eine schmale Zone frei davon. Dieser glatte Rand ver- breitert sich namentlich an dem einen Ende der Platte, wo > er noch dazu in ganz bestimmter Weise abgeschrägt ist. Diese Abschrägung, welche bei allen Platten vorhanden ist, macht ganz den Eindruck, als wenn hier zwei Platten auf- gelagert gewesen wären. Zwischen den Gruben liest wie bei annulosus ein Netzwerk von unregelmäßigen Wülsten, welche ‚Fig. 5. kleine Vertiefungen umsäumen, in denen oft noch die zu- Marginalplatten. RR = B le 2 £ (Sph. pustulatus Qu. sp.) gehörigen Kalkkügelchen sitzen. Auf ihrer Unterseite zeigen IT alle Platten in übereinstimmender Weise tiefe Längsfurchen, jedoch immer nur an dem einen der abgeschrägten Ober- seite entgegengesetzten Ende. Durch die sehr kräftigen Längsfurchen, welche alle nach einem Punkte hin konvergieren, wird die untere Kante in eine kurze mediane Spitze ausgezogen. Der Rand dieser Platten ist ganzrandig, ohne Zacken. Dieser Umstand sowie die erhabenen Pusteln der Oberseite bewogen Quenstedt, diese Platten als eigene species pustulatus von scutatus abzutrennen, mit dem er sie früher vereinigt hatte. Die Form dieser Platten entspricht vollkommen der von Randplatten, Marginalien. Sie sind deshalb nicht als eigene Species anzusehen, sondern gehören als obere bezw. untere Randplatten zu einer der bekannten Sphaeriten-Arten. Die langen Platten würden als obere, die kurzen quadratischen als untere Randplatten anzusprechen sein. Da diese Platten mit Sph. scutatus zuweilen zusammen gefunden werden, so liegt die Vermutung nahe, daß sie als Randplatten zu diesem gehören. In ihrer Skulptur weichen sie jedoch vollständig von scutatus ab, schließen sich dagegen aufs engste an annulosus an. Der Vereinigung mit letzerem widerspricht nun allerdings ihr geologisches Vorkommen, da pustulatus bisher nur aus Malm e bekannt ist. Da aber sowohl annulosus wie pustulatus äußerst selten sind (von ersterem sind nur 6 von letzterem auch nur 25 Exemplare bis jetzt bekannt), ist es nicht ausge- schlossen, daß sie eben nur wegen ihrer Seltenheit noch nicht zusammen gefunden wurden. In ihrer so eigenartigen und bei keiner anderen Art wieder- kehrenden Skulptur stimmen beide vollkommen überein, was sehr für eine Vereinigung der beiden spricht. Asterias stellifera Goldf. Von Asterias stellifera @oldf. sind folgende Platten vorhanden: 1. Originale von Goldfuß in der Berliner und Münchener Sammlung. 2. Originale von Quenstedt in der Tübinger Sammlung. 3. Isolierte Platten der Berliner, Münchener und Tübinger Sammlung. Nachdem wir im vorhergehenden Kapitel im Sph. pustulatus Qu. typische Mar- ginalien erkannt haben, macht uns das Verständnis von Asterias stellifera Goldf. auch keine Schwierigkeiten mehr. Es sind ebenfalls Randplatten. In ihrer Form herrscht völlige Übereinstimmung mit pustulatus. Die mit Stern- furchen versehene Fläche gehört der Unter- aber nicht der Oberseite an, wie 266 Friedrich Schöndorf: Quenstedt!) und Fraas?) meinten. Dann kann natürlich auch von einer „Arti- kulation von Stacheln auf kleinen Knötchen A) SER der Rippen“ keine Rede sein, sondern in a AN eo den Furchen saßen Muskel- oder Bindegewebs- 2 A ZA .. fasern, welche die Platten unter einander ver- CT _ — - - = Unterseite. Oberseite. banden. Auch hier haben wir vier- und drei- Unterseite. Oberseite Fig. 6. eckige Platten. Die Oberseite ist glatt, wenig- Fig. 1% Marginalplatte. sens bemerkt man keine Skulptur mehr. Mareinalplones: (Sph. stelliferus Diese ist aber wahrscheinlich erst nachträglich Goldf. sp.) (Sph. stelliferus Goldf. sp.) N 2 Berliner Sammlg. durch die rohe Verkieselung zerstört worden. "ser SANTE- Eine Abschrägung am Rande ist ebenfalls vorhanden. Aller Wahrscheinlichkeit nach gehören die Platten zu Sph. scutatus mit dem sie an gleichem Fundorte und in gleicher Schicht gefunden werden. Sphaerites scutatus Goldf. sp. Von Sphaerites scutatus Goldf. sind folgende Stücke vorhanden: I. Zusammenhängende Platten. 1. Original zu Quenstedt Tab. 94 Fig. 12 in der Tübinger Sammlung. 2. Original zu Quenstedt Tab. 94 Fig. 13 ebenda. II. Platten und Stacheln im Gestein. 3. Original zu Quenstedt Tab. 94 Fig. 15 ebenda. 4. Ein Gesteinsstück der Münchener Sammlung. 5. Drei Gesteinsstücke des Stuttgarter Naturalienkabinets. III. Isolierte Tafeln und Stacheln. 6. Originale zu Goldfuß Tab. 63 in der Berliner und Münchener Sammlung. 7. Originale von Quenstedt in der Tübinger Sammlung. 8. Platten und Stacheln in der Berliner, Münchener und Tübinger ete. Sammlung. Die beiden zusammenhängenden Stücke von Sph. scutatus sind Originale von Quenstedt und befinden sich in der Tübinger Sammlung. Das erstere wich- tigere Stück Tafel 24, Fig. 8 u. 9 aus dem Weißen Jura e des Oerlinger Tales läßt außer einigen Platten der Dorsalseite auch solche der Ventralseite und namentlich die wichtigen Skelettelemente der Ambulacralfurche erkennen. Die Dorsalplatten sind noch fest mit einander verbunden. Die eine Platte mit der großen charakte- ristischen Stachelgrube besitzt einen großen konkaven Ausschnitt, wodurch man in ihr sofort die Analplatte Nr. 1 erkennt. Der Ausschnitt nimmt fast die ganze 1) Quenstedt, Petrefaktenkunde IV, pag. 114. 2) E. Fraas. Die Asterien des weißen Jura von Schwaben und Franken. Palaeontographica 32 pag. 261. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 267 Breite der Platte ein, was auf einen sehr großen After schließen läßt. Der Rand aller Platten ist sehr zackig, wodurch ihre regelmäßige Umgrenzung oft gestört wird. Immerhin kann man erkennen, daß diese Analplatte 6-seitig ist, also voll- kommen mit Nr. 1 übereinstimmt. Man muß sich nur die kleine, sie z. T. ver- deckende Platte hinwegdenken, dann tritt ihr 6-seitiger Umriß deutlich hervor. Die beiden anstoßenden Platten entsprechen der Platte Nr. 5. Statt der großen Stachelgrube tragen sie nur eine einfache, größere, zentrale Grube, welche längs des Randes von kleineren Grübchen umgeben ist. Auch der vierten großen Platte, welche dem 5-Seit Nr. 4 analog ist, fehlt die große Stachelgrube. Ihre beiden Kanten an der Spitze sind annähernd gleichlang, ihr Rand ist in gleicher Weise gezackt wie bei den vorigen. Die schon erwähnte kleine rundliche Platte, welche Nr. 1 aufliegt, trägt noch eines jener kleinen Kügelchen, welche in den kleinen Grübchen saßen. Die Unterseite dieses Stückes zeist ganz andere Platten. Wir können deren dreierlei unterscheiden. Einmal sind es solche, die wir schon bei punctatus als ventrale Füllplatten kennen lernten. Diese meist rundlich viereckigen Plättchen greifen auch hier mit ihren „schiefen Wurzeln“ unter einander. Ihre Ränder sind noch nahezu ganzrandig, was durch die Nähe des Mundes leicht erklärlich ist. Solcher Plättchen gewahrt man deutlich zwei Reihen, die beide nach einem Punkte, welcher unmittelbar unter der Dorsalplatte Nr. 1 liegt, offenbar dem Munde, konvergieren. Alle Plättchen tragen auf der Oberfläche tiefere Grübchen, welche oft noch die zugehörigen Kalk- kügelchen enthalten. Zweitens sieht man rechteckige, oblonge, am einen Ende ab- gerundete, mit unpaarer Grube versehene Plättchen, die man sofort als Adambu- lacra erkennt. Diese Adambulacren im Verein mit den dritten Plättchen, den Ambulacra, zeigen uns, daß Sph. scutatus wie punctatus unzweifelhaft zu den Seesternen gehört. Die Adambulacren stellen, wie erwähnt, längliche Balken dar, welche im vorderen Drittel etwas umgebogen sind. Ihr vorderes, gerundetes Ende trägt eine unpaare Grube, über der man noch 6 bis 3 feine Pünktchen gewahrt, die über a. Fig. 8. Sph. scutatus Goldf. sp. Adambulacrum vergr. S= „Siegel“ u. L. = unterer Längsmuskel. Gr. = unpaare Grube. p. Gr. = punktförm. Grübchen. einem schwachen Absatze stehen, der aber nur in den wenigsten Fällen und auch dann nur bei größter Aufmerksamkeit zu sehen ist. Das entgegen- gesetzte Ende trägt an seinen vier Ecken vier „Siegel“, welche durch zwei senkrecht zu einander verlaufende Furchen entstehen. In diesen saßen die vertikalen Muskeln, welche Ambulacren und Adambulaeren mit einander ver- banden. An ihrer Außenseite sind diese „Siegel“ glatt und schief abgeschnitten, 268 Friedrich Schöndorf: ee weil sie hier mit den Ambulacren = NE artikulierten. An ihren beiden langen . Sack. Seiten tragen die Adambulacren flache a länglich-ovale Gruben zur Aufnahme 4 Fig. 10. der unteren Längsmuskeln. An allen I Teir MH IM 2 Mn : i Br der Tübinger Sammlung. An RE Alaulsulaaıen fällt die große Länge ol re van db im Vergleich zu den Rezenten auf. adoralen, rechts von der _$ g U. B . D boral Seite W= Die Ambulacren sind meist von ah eh imo des den Adambulacren verdeckt. Es sind ob. Längsmuskels, o. Qu. — Grube des ob. Quer- lange, schmale Kalkbalken, die sich muskels. N. aberal seitlich etwas verschmälern. An ihrem oberen Ende Fig. 9. tragen sie die Ansatzfläche des oberen Quermuskels. euren er scutatus Darunter liegt eine gezackte Kante, mit welcher je zwei in der Tübinger Sammlung. Ambulacren eines Wirbels zusammenstoßen. Unter dieser A Lee Kante liest eine große glatte Fläche, welche an allen K a ne d. Ambulaeren stark ausgeprägt ist. Die Grube des unteren G = Gelenkfläche für d. Adamb. Quermuskels ist sehr flach. Der untere Teil der Ambu- lacren trägt zwei Gelenkflächen auf jeder Seite für die von unten anstoßenden Adam- hulacren. Die linke und rechte Seite jedes Ambulacrums ist verschieden gestaltet, so daß man hieraus bei isoliert gefundenen leicht feststellen kann, ‚an welcher Seitenwand dieselben standen. Die adorale Grube des vertikalen Muskels ist nämlich deutlich größer als die aborale (nach der Armspitze gerichtete). Ferner trägt das obere seitliche Ende des Ambu- lacrums für die Befestigung des oberen Längsmuskels an seiner adoralen Seite einen vorspringenden Wulst, an der entgegengesetzten aboralen Seite aber eine tiefe Grube. Besonders interessant ist eine drei- eckige Platte, welche aber erst sichtbar wird, wenn man ein sie verdeckendes Adambulacrum mit etwas Wasser ablöst. Wir sehen leider nur eine Seite derselben und diese auch nur zum Teil. Die ver- Fig. ii. schiedenen Eindrücke des interradialen Hilfsmuskels a zeigen, daß wir die interradiale Seite eines lung. gl. Fl.— glatte Fläche. K— Mundeckstückes vor uns haben, d. h. die Seite, mit EN u = 0) ) unterer Quermuskel. v. M. = yerti- welcher die Mundeckstücke je zweier benachbarten kaler Muskel. Arme interradial zusammenstoßen. Der Fortsatz des Mundeckstückes (= umge- wandeltes Ambulacrum 1) ist von anderen Platten verdeckt. Ein isoliertes Mund- eckstück von scutatus hat Quenstedt!) von verschiedenen Seiten abgebildet, aber auch hier fehlt der Fortsatz. Das zweite zusammenhängende Stück von Sph. scutatus (Tafel 24 Fig. 10 und 11) aus dem Malm e vom Oerlinger Tal wurde schon von Quenstedt?) als ein Stück der Ventralseite angesprochen. Dasselbe enthält nur interradiale Füll- i) Quenstedt Tab. 94 Fig. 54. 2) 1. c. Tab. 94 Fig. 13, pag. 102. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 269 platten. Auf der Oberseite lassen sich noch vier Reihen nebeneinander unter- scheiden, deren längsgestreckte Plättehen seitlich mit einander alternieren. Ihre Oberfläche ist mit größeren Grübchen bedeckt. Die Ränder sind sehr zackig und greifen fest ineinander; der in die Körperhaut hineinragende Teil „die Wurzel“ verläuft etwas schief zur Oberfläche, wodurch jede Platte von zwei anderen über- lagert wird. Solche Ventralplatten finden wir zusammen mit Adambu- laeren, Ambulacren und größeren Stacheln sowie Dorsalplatten auf Ge- steinsstücken der Tübinger!), Münchener und Stuttgarter Sammlung. Die Stacheln kommen wie die Dorsalplatten in allen Größen und Formen vor, von den regelmäßigen langen bis zu kleinen Dornen. Auch verzerrte Formen finden sich. Wir haben eine vollständige Reihe von den normalen über 3 cm langen, glatten Stacheln bis zu sehr kleinen stumpfen. Letztere erinnern an die unbeweglichen Dorsalstacheln der lebenden Nidorelhia armata Gray. Der untere äußere Rand, gegen welchen eine innere flache Fläche scharf abgesetzt ist, ist glatt. Einige kleine Dornen der Münchener Sammlung sind als Adambulacraldornen an- zusehen. Die Dorsalplatten sind äußerst mannigfaltig sowohl in ihrer Größe wie in ihrer Form. Der äußere Habitus wird schon durch den verschiedenen Er- haltungszustand sehr beeinflußt, so daß die verkieselten Platten den als Kalkspath erhaltenen gegenüber sofort durch ihre rohere Form auffallen. Oft sind solche ver- kieselten Platten innen hohl, und hierdurch erklärt es sich, weshalb sie früher für je ein eigenes Tier gehalten wurden. Die Größe der Zentralgrube wechselt ebenfalls sehr. Oft treten daneben noch kleine Grübchen auf. In der Regel ist das Zentrum der Dorsalseite mit der Stachelgrube konvex emporgewölbt, während die Unterseite dementsprechend konkav ist. Der Rand ist stark gezähnelt und an den Seiten mit Querwülsten versehen, die oft noch Vertiefungen für ansitzende Muskeln tragen. Kleinere Dorsalplatten sind zuweilen ganzrandig. Wie bei den vorher besprochenen ‚Arten, so kehren auch bei scutatus alle jene charakteristischen 5-, 6-, 7- und 8- seitigen Platten wieder. Von den 5-seitigen, welche den After begrenzten, besitzen wir nur Nr. 2 und diese auch nur in einem einzigen Exemplar der Tübinger Sammlung (Fig. 12 pag. 269). Der Ausschnitt ist außerordentlich groß, so daß für die an- stoßende kürzere Kante nur sehr wenig Raum übrig bleibt. Die G una der anderen Kanten sind tief gezackt. Die ganze Platte ist äußerst Tübinger Sammlung. diek, ihr Zentrum konvex erhoben. Infolgedessen ist von einer dreieckigen Erhöhung nichts zu sehen. Die Stachelgrube, welche rings von kleinen Grübchen umsäumt wird, bleibt weit unter Normalgröße. Die 5-seitigen Nr. 4 er- scheinen auch hier in allen drei Formen, mit gleichen Kanten an der Spitze, mit rechter und linker längerer Kante. Die 6-seitigen Analplatten Nr. 1 sind. meist symmetrisch, doch kommen auch Platten vor, die durch Verlängerung einer Kante ihre Symmetrie verlieren. (Qu. tab. 94, Fig. 34, 35). Die Begrenzungsplatten des Madreporiten Nr. 7 und Nr. 8 sind beide vorhanden. (Münchener und Berliner Sig.) Die Platten Nr. 10 besitzen meist eine sehr große Stachelgrube mit einer deutlich erhaltenen gelenkartigen Ansatzfläche für den Dorsalstachel (Qu. Fig. 23). NT ı)]. c. Tab. 94 Fig 15. 270 Friedrich Schöndorf: Die 7-seitigen, Nr. 6m, lassen eine oberflächliche Erhöhung nur bei kleiner zentraler Grube erkennen. Unter den Platten Nr. 6 finden sich ganzrandige und glatte Formen, welche vielleicht jungen Individuen angehören. (Qu. Fig. 29, 30, 31). Von den 8-seitigen Nr. 12 kennen wir bisher nur ein einziges Exemplar in der Münchener Sammlung. (Fig. 13, pag. 270). Der Rand ist schwach gezähnelt. Mehr längliche Platten (Goldfuß 65, Fig. 3 f) stammen aus den randlichen Partien des Dorsalskelettes. a Die Ventralplatten von scutatus (Qu. Fig. 14) unterscheiden son se sich wenig von denen von tabulatus. Ihre Ränder sind meist etwas Münchener zackiger, die Grübchen kleiner. Doch lassen sich beide mit Sicher- *mmlung. heit kaum auseinanderhalten. Für die Dorsalplatten von SpA. scufatus ergibt sich folgende Charak- teristik: Platten diek mit großer zentraler Stachelgrube, welche meist ein ausgeprägtes Gelenk für die langen glatten Stacheln besitzt. Rand meist sehr zackig. Das Zentrum der Oberfläche konvex emporgewölbt, Unterseite konkav vertieft. Sphaerites digitatus Qu. Die als Sphaerites digitatus von Quenstedt bezeichneten Platten, welche durch fingerförmige Fortsätze ausgezeichnet sind, gehören nicht zu den eigentlichen Sphaeriten, sondern sind Dorsalplatten echter Pentacerotiden. Deswegen ist der Genusname Sphaerites für diese Platten zu streichen. Da aber ihre Zu- gehörigkeit zu irgend einem Pentaceros ete. nicht nachzuweisen ist, so bezeichnet man sie am besten mit dem alten Kollektivnamen Asterias. II. Dorsalseite. Anordnung der Dorsalplatten. Die Anordnung der Dorsalplatten ist sowohl in radialer wie in interradialer Richtung eine sehr regelmäßige und entspricht genau der bei den Seesternen herrschenden 2 x 5 zähligen Symmetrie. (Fig. 14). So wenig zusammenhängende Stücke wir auch haben, so genügt doch schon das große Stück der Tübinger A. A Sphaerites punctatus. Durch die Verbreiterung des Analinterradius ist die Symmetrie etwas gestört. Man denke sich Nr. 3 etwas verschmälert, dann fällt der Interradius J. R. mit der Harmonielinie von Nr. 2 und Nr. 3 zusammen. Nr. 4 erhält an seiner Spitze gleichlange Kanten, und der Radius R bildet dann genau die Symmetrielinie der Platten Nr. 4, Nr. 10, Nr. 9 und Nr. 16. Ebenso wird durch diese Verschiebung der Platte Nr. 3 nach links, der andere Interradius (Platte Nr. 5 und Nr. 6 m) symmetrisch. Sammlung von Sphaeries punctatus Qu. allein, um uns die Anordnung der einzelnen so verschieden gestalteten Platten aufs Klarste zu offenbaren, besonders wenn wir noch die isolierten Platten hinzunehmen, die jain solcher Häufigkeit und Mannigfaltig- keit gefunden werden, sodaß auf den ersten Blick eine Abhängigkeit der einzelnen 22 Friedrich Schöndorf: Platten von einander kaum zu erkennen ist. Und doch sind die meisten dieser isolierten Platten ebenso sicher zu orientieren, als wären sie am vollständigen Tiere erhalten. Daß es natürlich auch solche Platten gibt, deren Deutung nicht oder nur unvollkommen möglich ist, kann uns nicht Wunder nehmen, da bei allen Echi- nodermen einzelne Teile des Skelettes und besonders des Hautskelettes durch Ver- letzung oder Krankheit so alteriert werden können, das ihre Zugehörigkeit oft garnicht mehr zu ermitteln ist. In solchen Fällen muß man sich hüten, diese ab- sonderlich gestalteten Platten für eine eigene species anzusehen, sondern vielmehr die eben angeführten Umstände bei ihrer Deutung berücksichtigen. a) Dorsalseite von Sphaerites punctatus Qu. Das große Tübinger Stück zeigt 21, wenn auch nur z. T. unversehrte, Platten, welche so innig mit emander harmonieren, daß zwischen den einzelnen kein nennens- werter Zwischenraum mehr übrig bleibt, sondern ein festes geschlossenes Tafel- gefüge entsteht. Von diesen Platten sind nur 12 unverletzt, die übrigen aber können wir uns teilweise aus ihren Bruchstücken rekonstruieren, wenn wir dabei die Spaltbarkeit des Kalkspathes in Betracht ziehen. Ergänzen wir die zerbrochenen Platten in der angegebenen Weise, so erhalten wir in Nr. 1 ein symmetrisches 6-Eck)), dessen Symmetrielinie von seiner Spitze zu dem als After, a bezeichneten Loche verläuft, Nr. 2 und Nr. 3 links und rechts als zwei spiegelbildlich gleiche 5-Ecke liegen läßt, um dann das symmetrische ‚8-Eck Nr. 12 zu halbieren. Die weitere Verlängerung dieser Symmetrielinie bildet dann die Harmoniefläche zweier Tafeln, von welchen die eine — Nr. 11 — ein unsymme- trisches 6-Eck ist. Die andere Platte — Nr. 13 — ist zwar zerbrochen, aber wir dürfen wohl annehmen, daß auch sie sich der so streng gewahrten Symmetrie ein- ordnet und also das Spiegelbild von Nr. 11, ebenfalls ein unsymmetrisches 6-Eck ist. Wir werden später sehen, daß diese Folgerung durchaus berechtigt ist. Eine zweite dieser ganz analoge Symmetrielinie teilt das 6-Eck Nr. 5, darauf das 7-Eck Nr. 6m und verläuft über die Madreporenplatte zwischen den einander spiegelbildlich sich entsprechenden 6-Ecken Nr. 7 und Nr. 3 hindurch, um dann das symmetrische 6-Eck Nr. 18 zu halbieren. Diese letztere Symmetrie- linie unterscheidet sich von der ersteren nur dadurch, daß statt des 8-Ecks ein 7-Eck vorhanden ist, und daß die beiden Platten Nr. 2 und Nr. 3 durch ein ein- ziges 6-Eck Nr. 5 ersetzt sind. Dieses letztere drängt uns den Gedanken auf, daß die Teilung von Nr. 5 in 2 Platten erst eine sekundäre Erscheinung ist, hervor- gerufen durch die Existenz des Afters. Fehlte der After so. könnte Nr. 1 ein regelmäßiges 5-Eck sein umgeben von 5 symmetrischen 6-Ecken Nr. 5, und das 8-Eck Nr. 12 würde dann selbstverständlich ein 7-Eck wie Nr. 6m werden. Aber durch die Funktion des Afters, welcher bei der Entleerung des Kotes einem steten Drucke ausgesetzt ist, hat sich das einheitliche 6-Eck Nr. 5 in zwei symmetrisch liegende 5-Ecke gespalten, um auf diese Weise den Druck nach drei verschiedenen Richtungen abzuleiten und abzuschwächen. An Stelle des 7-Eckes Nr. 6m mußte dann natürlich das 8-Eck Nr. 12 entstehen. Die Analogie zwischen diesen beiden Symmetrielinien läßt nun auch mit Sicherheit erkennen, daß Nr. 13 ein 6-Eck !) Quenstedt, Petrefaktenkunde IV Tab. 94 Fig. 55. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 273 war, sowie daß entsprechend Nr. 18 auf Nr. 11 und Nr. 13 ebenfalls ein 6-Eck folgte. An dieses 6-Eck würden sich dann seitlich zwei weitere 6-Ecke anschließen, wie Nr. 17 und Nr. 19, an diese wiederum entsprechende 6-Ecke u.s. w. Da so- wohl After wie Madreporenplatte innerhalb dieser Symmetrielinien fallen, dürfen wir dieselben mit vollem Recht als Interradien be- zeichnen, da auch bei allen übrigen Seesternen After und Madreporenplatte stets interradial liegen. Der Mittelpunkt würde dann nicht in den After, sondern neben denselben fallen, etwa in die Mitte von Nr. 1, welche man demnach als Centro- dorsalplatte bezeichnen könnte. Diese Annahme wird noch dadurch bestätigt, daß die beiden Symmetrielinien nach diesem Punkte hin konvergieren. Nachdem wir so zwei Interradien im ihren Elementen festgeleet haben, können wir auch die übrigen drei rekonstruieren, da dieselben sich nach der fünfzähligen Symmetrie der Seesterne fünfmal in gleicher Ausbildung wiederholen. Wir haben vorher gesehen, daß die Teilung des 6-Eckes Nr. 5 in die beiden Platten Nr. 2 und Nr. 3 und die Umwandlung des 7-Eckes Nr. 6m in das 8-Eck Nr. 12 nur durch die An- wesenheit des Afters bedingt ist. Nr. 1 hat nun nur noch drei freie Seiten, es können folglich auch nur noch drei Platten angesessen haben. Diese drei Platten besaßen den Habitus von Nr. 5. Ihre distale, konvexe Kante artikulierte mit einer entsprechend konkaven eines 7-Eckes & wie Nr. 6m, nur fehlte den drei ergänzten der Ausschnitt für die Madreporenplatte, wenn wir nicht annehmen, daß > mehrere Madreporiten vorhanden waren, wofür jedoch gar kein Grund vorliest. Solche 7-Ecke ohne Madreporenausschnitt Fig. 15. sind nun auch in der Tat isoliert gefunden worden. Auf sie Sphaerites punctatus Qu. folgen dann zwei 6-Ecke wie Nr. 7 und Nr. S und weiterhin en a ein solches wie Nr. 18 u. s. w. Sammlung. PlatteNr.6. Durch die interradialen Platten ist naturgemäß auch die Anordnung der radialen fest bestimmt. Auch auf sie wirkt die Anwesenheit des Afters, ihre Symmetrie störend, ein, indem sie teils etwas unsymmetrisch werden, teils aus ihrer ursprünglichen streng radialen Lage etwas herausgedränst werden, da der Analinterradius etwas breiter ist als die übrigen, eine Erscheinung, welche auch bei den übrigen Echinodermen mit festem Kalkgerüst wiederkehrt. Die Störung der Symmetrie zeigt am besten Nr. 4, indem die eine mit Nr. 3 artikulierende Kante viel länger ist als die an Nr. 5 anstoßende, so daß Nr. 4 ein unsymmetrisches 5-Eck und aus seiner radialen Stellung etwas verschoben wird. Erst die folgenden Radialplatten Nr. 10, 9 und 16 liegen genau radial. Nr. 10 ist an seiner kon- kaven Kante und großen proximalen Breite. leicht zu erkennen. Nr. 9 ist scheinbar regulär, aber ihre distale Kante ist etwas kürzer als die nach dem Zentrum zu liegende. Dasselbe gilt von Nr. 16, an der man die Verkürzung der einen Kante schon deutlicher wahrnimmt. "Trotzdem bleiben aber diese radialen Platten alle symmetrisch mit Ausnahme von Nr. 4, so daß auch in radialer Richtung die fünf- zählige Symmetrie der Seesterne streng gewahrt bleibt. Unter den 5-Ecken, welche Nr. 4 analog sind, finden sich solche mit linker und rechter längerer Kante, wenn man die Platten so orientiert, daß die Spitze des 5-Eckes auf den Beschauer zu gerichtet ist. Außerdem finden sich auch 5-Ecke mit gleichen Kanten an der Spitze. 274 Friedrich Schöndorf: Die mit linker längerer Kante stoßen an Nr. 2, die mit rechter längerer Kante entsprechen Nr. 4 und Nr. 21. Das nächste 5-Eck besaß wahrscheinlich gleiche Kanten, da es dem After gerade gesenüberliegt und also in seiner Lage und Form weniger gestört wurde. Das folgende 5-Eck besaß dann wieder wie das an Nr. 2 anstoßende eine linke längere Kante. Ebenso sind natürlich auch die entsprechenden Kanten der 6-Ecke Nr. 5 verschieden lang. Lassen wir jedoch die kleinen Un- regelmäßigkeiten vorläufig bei Seite, so ergibt sich folgendes Schema (Fig. 16) für die Anordnung der Dorsalplatten von Sphaerites punctatus Qu. A. Fig. 16. Schematische Anordnung der Dorsalplatten von SpA. punctatus Qu. 8 Platten des großen Tübinger Stückes, 00, Platten des Stuttgarter Stückes. Die Größe der Platten entspricht der des Tübinger Stückes von Quenstedt. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 275 Daß diese durch die Kombination des großen Tübinger Stückes mit den Einzel- platten erhaltene Anordnung vollkommen der Wirklichkeit entspricht, beweist ein weiteres zusammenhängendes Stück (Fig. 17), welches ich nach Fertigstellung des IR. Fig 17. Sphaerites punctatus Qu. Malm. ?. Soflingen. Stuttgarter Natural. Kabinet. Schemas aus dem Naturalienkabinet in Stuttgart erhielt. Dasselbe stammt von einem kleineren Tiere als das Tübinger, gehört aber zu derselben Art. Es besteht aus zwei Radien und einem Interradius. Das Nr. 5 entsprechende 6-Eck ist zwar etwas verletzt, aber nach seinem Abdruck im Gestein genau zu ergänzen. Das- selbe artikuliert mit konvexer Kante mit einem ungelochten 7-Eck Nr. 6, auf welches zwei unsymmetrische 6-Ecke folgen. Darauf folgt ein einzelnes 6-Eck, und dann wiederum zwei weitere 6-Ecke, das nächste unpaare 6-Eck ist nur z. T. erhalten. Dieses Stück zeigt also, daß die in dem Schema angegebene Anordnung der Interradien vollkommen richtig ist. Das gleiche eilt von den Radien. Die beiden Nr. 4 entsprechenden 5-Ecke besitzen zwei annähernd gleiche Kanten an der Spitze, so daß wir also über die Lage der Radien vollständig orientiert sind. Diese Radien können nicht unmittelbar an den Analinterradius angestoßen haben, weil derselbe, wie vorher erwähnt, durch den After außerordentlich verbreitert wird und so die benachbarten Radien zur Seite drängt, wodurch die Kanten der Fünfecke Nr. 4 ungleich werden. Da nun bei dem vorliegenden Stücke die Kanten der in Frage kommenden Platten kaum einen Unterschied in der Länge erkennen lassen, so kann das Stück unmöglich dem After benachbart gewesen sein, sondern es lag etwas weiter entfernt, wo die Auseinanderdrängung der Radien keinen oder doch nur noch ganz geringen Einfluß auszuüben imstande war. Die Lage dieses Stückes entspricht also der bereits im Schema angegebenen. Die übrigen radialen Platten sind genau wie die des Tübinger Stückes entwickelt. Nr. 10 mit konkaver Kante fällt auch hier durch seine große Breite auf. Die weiteren radialen Platten lassen die vorher erwähnte Verkürzung der distalen Kante ebenfalls recht deutlich erkennen. Die eben besprochenen Stücke der Tübinger und Stuttgarter Samm- lung beweisen also, daß die Anordnung der Dorsalplatten in der Aus- 2716 Friedrich Schöndorf: dehnung, wie sie das vorher gezeichnete Schema wiedergibt, vollkommen der Wirklichkeit entspricht. Daß jedoch hiermit noch nicht die Grenze der Rückenplatten erreicht war, geht aus dem bloßen Anblick der beiden Stücke hervor. Fragen wir uns nun, wie viele Platten folgten noch nach außen hin oder mit anderen Worten, wie groß war der Durchmesser der Dorsalscheibe, so scheint diese Frage vorläufig unlösbar zu sein, da uns Randstücke, welche hierüber Auf- schluß geben könnten, nicht erhalten sind. Haben wir zwar für die periphere Um- grenzung keine direkten Belegstücke, so sind wir doch imstande, diese Schwierig- keit auf indirektem Wege zu lösen. Betrachten wir nämlich das große Fig. 18. Krümmungskurve von Sphaerites punctatus Qu. Original der Tübinger Sammlung. Diese Krümmung entspricht genau der des Originals. 'Tübinger Stück näher, so fällt uns eine ungewöhnlich starke Krümmung der Oberseite auf, eine so starke Krümmung, wie sie kein fossiler noch lebender See- stern mehr aufweist. Stellt man die Zentralplatte Nr. 1 horizontal, eine Lage, die sie offenbar als Scheitelplatte der Dorsalscheibe einnehmen mußte, so ergibt sich nach genauer Messung in radialer Richtung folgende Kurve (Fig. 18). Genau dieselbe Kurve erhalten wir in interradialer Richtung. Man könnte nun einwenden, daß diese außerordentlich starke Krümmung nur durch die Fossilifikation geschaffen wäre. Das ist jedoch keineswegs der Fall, da die ein- zelnen Platten durchaus ungestört und ungezwungen sich an einander reihen und so diese Krümmung erzeugen. Außerdem wäre es sehr wunderbar, daß, falls die Krümmung eine unnatürliche wäre, sowohl radial wie interradial dieselbe Krüm- mung zustande gekommen wäre. Ferner erstreckt sich diese Krümmung nicht nur auf das ganze Stück im Zusammenhang sondern auch auf die einzelnen Platten. Dadurch, daß auch jede einzelne Platte für sich gekrümmt ist, dürfte wohl auch der Einwand widerlest sein, daß etwa das Tier bei seinem Tode durch Kontraktion seiner Dorsalseite eine so starke Krümmung verlieh. Ferner zeigt nicht nur das Tübinger Exemplar diese starke Wölbung sondern auch das Stuttgarter (Fig. 19). Bei letzterem ist jedoch außer der ursprünglichen Krümmung noch eine bedeutend stärkere durch äußere Einwirkung bei der Fossilifikation vorhanden. Die peripheren Platten sind nämlich stark nach innen eingedrückt, so daß eine Platte zersprengt wurde. Diese beiden Stücke zeigen aber mit überzeugender Klarheit, daß eine: Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 277 außerordentlich starke Krümmung der Oberseite vorhanden gewesen sein muß. Fig. 19. Krümmungskurve von SpA. punctatus Qu. Original des Stuttgarter Natural. Kabinets. Die Krümmung entspricht genau der des Originals. Die eben erwähnte Krümmung ist jedoch noch auf einem anderen Stücke der Tübinger Sammlung deutlich zu erkennen. Es ist dies das zweite zusammen- hängende Stück von Sph. punctatus Qu., welches Quenstedt?) vorlag. Quenstedt konnte jedoch seinerzeit dieses Stück nicht weiter deuten und beschrieb es deshalb nur mit wenigen Worten. Von der Krümmung aber erwähnte er gar nichts. Durch eine sehr sorgfältige Präparation konnte ich sowohl verschiedene Platten besser freilegen, als auch die radiale Richtung genau bestimmen, wodurch es dann möglich wurde, die Krümmungskurve in radialer Richtung zu messen. Dabei ergab sich dann das überraschende Resultat, daß dieselbe ganz mit der Krümmung der vorher gemessenen Stücke übereinstimmte. Diese drei Stücke sind nun in ver- schiedenen Schichten und an ganz verschiedenen Fundorten aufgefunden worden, zeigen aber alle ein und dieselbe starke Krümmung und zwar ohne daß der Zusammenhang der einzelnen Platten irgendwie dadurch gestört wäre, wenn wir, wie erwähnt, von der randlichen Partie des Stuttgarter Exemplares ab- sehen. Es wäre doch sehr wunderbar, wenn diese Krümmung bei diesen drei Stücken nicht natürlich, sondern durch äußere Einflüsse hervorgerufen sein sollte. Ein weiteres Argument für das Vorhandensein einer sehr starken Krümmuns kommt hinzu. Wir sehen nämlich, daß die Dorsalplatten nicht nur in radialer Richtung, sondern auch in interradialer nach außen merklich kleiner werden und doch trotzdem fest aneinander schließen. Legen wir uns die Platten auf eine ebene Fläche, so entsteht natürlich, wie dies auch im Schema zum Ausdruck kam, zwischen ihnen ein Zwischenraum. Dieser Zwischenraum ist aber in Wirklichkeit nicht vorhanden, wie die drei vorher besprochenen Stücke zeigen. Die Platten können also wiederum nur auf einer sehr stark gekrümmten Fläche gesessen haben, denn nur hier schließen dieselben fest aneinander, obwohl sie nach dem Rande hin immer kleiner werden. Aus alledem geht hervor, daß Sph. punctatus eine sehr stark konvex gekrümmte Dorsalseite besaß, und daß sich diese Krüm- mung mindestens noch auf dieim Schema gezeichneten peripheren Platten erstreckt haben muß. 1) Quenstedt: Asteriden und Encriniden, pag. 109, Tab. 94, Fig. 56. Archiv für Biontologie I. (3.) 06. 3 278 Friedrich Schöndorf: Das vorher angegebene Schema der Dorsalplatten ist natürlich auch für das schon erwähnte dritte zusammenhängende Stück von Sph. punctatus aus der Tübinger Sammlung gültige. Dasselbe fügt sich ganz ohne Zwang in das Schema ein (Fig. 20), ja wir brauchen die scheinbar so regellos daliegenden Platten nicht einmal wesentlich zu verschieben, da ihre Lage fast unver- Fig. 20. Einordnung des dritten Stückes von SpA. punetatus Qu. in das Schema. Die Größe der Platten entspricht der des Originals (Tübinger Sammlung). ändert blieb, als das Tier vom After her zusammengedrückt wurde. Die Platten Nr. 14, 3 und 4 stellen einen Radius dar und zeigen infolgedessen auch deutlich die Verkürzung der äußeren Kanten. Nr. 17 ist ein fünfseitiger Abdruck, alle übrigen Platten sind sechsseitig. Ihre Erklärung wurde bereits in den ersten Kapiteln gegeben, sodaß wir uns hier darauf beschränken können, das Stück dem allgemeinen Verbande einzufügen. Kehren wir nun zu der Frage über die Be- schaffenheit des peripheren Randes des Dorsalskelettes zurück. Wir haben gesehen, daß die Oberfläche sehr stark gewölbt ist, und daß die Platten nach dem Rande zu an Größe abnehmen. Durch genaue Messungen an den drei Stücken, konnte ich nun feststellen, daß die Verkürzung radial ca. 1/s beträgt, senkrecht dazu in tan- gentialer Richtung !/s--!/s.. Daß die Verkleinerung der Platten nicht bis ins End- lose fortgedauert haben kann, bedarf keiner Ewähnung. Ich glaube nun nicht fehl- zugehen, wenn ich annehme, daß die Verkürzung nur solange fortdauerte, bis radiale und interradiale Platten annähernd gleich sind. Dies wäre für das große Tübinger Stück der Fall, wenn wir von dem Fünfeek Nr. 4 noch etwa 8—10 Platten weiter Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 279 zählen. Diese Zahlen haben selbstverständlich keine absolute Gültigkeit für andere Individuen, denn mit der Größe des Tieres wechselt auch die Anzahl der Platten. Mit diesen Platten hätten wir also den peripheren Rand der Dorsalplatten erreicht. An die letzte radiale Platte schließt sich noch die Augenplatte an, welche aber vorläufig noch unbekannt ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach war dieselbe ver- hältnismäßig klein. Wie bei anderen Seesternen, so trat sie wohl auch bei Sphaerites etwas nach außen vor und war nach oben gerichtet. Als letzte Dorsalplatten würden dann noch die oberen Randplatten anzusehen sein. Dieselben sollen zusammen mit den unteren Randplatten in einem besonderen Kapitel behandelt werden, da man dieselben sonst von einander trennen müßte, was keineswegs ihrer engen Zusammengehörigkeit entspräche. b) Dorsalseite der übrigen Arten. Die vorher beschriebene Anordnung der Dorsalplatten galt zunächst nur für Sph. punctatus. Wenn wir von den anderen Arten auch keine größeren zusammen- hängenden Stücke besitzen, so sind doch genügend isolierte Platten vorhanden, welche eine ähnliche Anordnung außer Zweifel stellen. Die von den einzelnen Arten vor- handenen typischen Dorsalplatten sind in folgendem Verzeichnis angegeben. Um dieselben mit denen von punctatus vergleichen zu können, sind für die Platten, welche die gleiche Lage im Skelett wie bei punetatus einnehmen, die gleichen Nummern beibehalten. Zur Erklärung der Tabelle sei nur kurz bemerkt: Nr. 1—3 sind die drei Analplatten. Nr. 4 kommt in drei Formen vor, die eigentliche Nr. 4 hat wie bei punctatus die längere Kante rechts der Spitze, Nr. 4a hat die längere Kante links, Nr. 4b hat gleiche Kanten. Die Verschiedenheit dieser Kanten ist, wie wir sahen, für die Lage der Platte sehr wichtig. Nr. 5 kommt ebenso in drei verschiedenen Formen vor, doch sind dieselben schwer zu unterscheiden. Nr. 6m ist das bekannte 7-Eck, dessen Spitze durch einen Madreporen- ausschnitt abgestumpft ist. Nr. 6 ist dasselbe 7-Eck, aber ohne diesen Ausschnitt. Nr. 7 und Nr. 8 sind die beiden anderen Begrenzungsplatten des Madreporiten. Nr. 10 mit konkaver Kante ist die zweite radiale Platte. Nr. 11 und Nr. 13 sind analog Nr. 7 und Nr. 8, aber ohne Madreporenausschnitt. Nr. 12 ist das bekannte 8-Eck des Analinterradius. Nr. 9 und Nr. 15 sind die auf Nr. 10 folgenden nahezu regulären radialen Platten. Von Sphaerites juvenis Qu. sind, wie aus der Tabelle ersichtlich ist, alle Platten vorhanden, die in dem Schema von punctatus angegeben sind. Für den After hatte schon Quenstedt die gleiche Begrenzung wie bei punctatus nachgewiesen, indem er die Analplatten Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 kombinierte, welche ihm zu- fälligerweise alle in derselben Größe vorlagen, als stammten sie wirklich von einem Tier. Nun enthält das schon erwähnte zusammenhängende Stück der Münchener Sammlung 3 an einander stoßende Dorsalplatten und außerdem noch weitere 3*+ 280 Friedrich Schöndorf: Verzeichnis der von den einzelnen Arten der Sphaeriten vorhandenen Dorsalplatten. Bezeichnung der Dorsalplatten Nr. Sph. punctatus Qu. Sph. juvenis Qu. Sph. tabulatus Goldf. sp. Sph. annulosus Qu. Sph. scutatus Goldf. sp. 9 isolierte, die auch von demselben Tier stammen. Legen wir diese Platten in richtiger Orientierung an einander, so ergibt sich zusammen mit den drei After- platten folgendes Bild (Fig. 21) von der Anordnung der Dorsalplatten von Sph. jJwenis Qu. Hiernach kann kein Zweifel mehr bestehen, das Sph. juvenis die gleiche Anordnungin seinen Rückenplatten besaß, wie Sph. punetatus. R. Fig. 21. Sphaerites juvenis. Kombination der Dorsalplatten: Zusammenhängendes Stück. E33 isolierte Platten. = Original von Quenstedt. Von Sph. tabulatus Goldf. sp. haben wir zwar keine zusammenhängenden Stücke, aber die im Schema enthaltenen Dorsalplatten sind auch hier fast alle vorhanden. Nur Nr. 7 fehlt bis jetzt. Diese wird wohl auch noch aufgefunden werden. Zudem sind Nr. 6m und Nr. 8 vorhanden, so daß trotz des Fehlens von Nr. 7 der Madreporit in derselben Weise begrenzt gewesen sein muß wie bei den übrigen Arten. Da alle anderen Platten in gleicher Ausbildung wie bei Sph. punc- tatus auch bei tabulatus vorliegen, und da gleiche Platten auch eine gleiche Lage Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 281 im Skelett beanspruchen, so ist auch für Sph. tabulatus derselbe Aufbau des Dorsalskelettes erwiesen wie bei punctatus. An tabulatus schließt sich durch die Zwischenform fossulatus der Sph. annulosus Qu. an. Schon die wenigen Platten, die wir von demselben kennen, besonders die charakteristischen 7- und 8-Ecke zeigen, daß auch für diese Art das Schema gültig ist. Auch für Sphaerites seutatus Goldf. sp., welcher durch seine bis 3 em langen Dorsalstacheln eine Sonderstellung einnimmt, ist das Schema in gleicher Weise gültig. (Fig. 22). Außer der Analplatte Nr. 3 besitzen wir alle nötigen Platten, um das- selbe zusammenzusetzen. Die Nr. 5 wird sich später ebenso finden Fig 22. lassen wie die Nr. 7 von tabulatus. Die zentral gelegenen Platten ee sind im Zusammenhange durch das eine Stück der Tübinger Fe Sammlung bereits gegeben. An die Nr. 1 schließt sich die Nr. 2. Original v. Quenst. kombiniertmitNr.2. vollkommen an. Da nun alle übrigen Platten in hinreichender Zahl vorhanden sind, so besitzt auch Sph. scutatus die gleiche Anordnung der Dorsalplatten. Vergleicht man die in dem Schema [pag. 274] angegebenen Dorsalplatten der Sphaeriten mit den bei rezenten Seesternen und bei den anderen Echinodermen- gruppen bekannten Rückenplatten, so zeigt es sich, daß bei den Sphaeriten auch in erwachsenem Zustande die primären Platten des Dorsalskelettes (Nr. 1 = Zentralplatte, Nr. 6 = primäre Interradialplatte, Nr. 4 = primäre Radial- platte ete.) sehr gut zu erkennen sind. Eine eingehendere Homologisierung der Dorsalplatten dieser Familie mit denen anderer z. T. neuer fossilen sowie lebenden Asteriden, und ein Vergleich dieser mit den anderen Gruppen der Echinodermen soll in einer späteren Arbeit ausführlicher behandelt werden. II. Marginalbegrenzung. Bisher waren die Marginalia der Sphaeriten als solche unbekannt. Die Platten waren zwar lange vorhanden, wurden aber als eigene spezies Sphaerites pustulatus Qu. angesehen. Wie vorher hinlänglich auseinander gesetzt wurde, kann dieser Name nicht mehr aufrecht erhalten werden, da die damit benannten Platten keines- wegs eine besondere Art darstellen, sondern als echte Randplatten aufzufassen sind. Ihrer Skulptur nach schließen sie sich aufs engste an Sph. annulosus Qu. an, wenn auch ihr geologisches Vorkommen gegen eine Vereinigung mit diesem zu sprechen scheint. Für uns kommt jedoch hier weniger die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Art in Betracht, als vielmehr die Form dieser Platten. Wenn sie als Randplatten irgend einer der bisher bekannten Arten angehören, so dürfen wir bei den übrigen denselben Aufbau vermuten, da die Ausbildung der Skelettelemente bei allen die gleiche ist. Von diesen Randplatten, dem Sph. pustulatus Qu., liegen verschiedene Formen vor. Wir haben kurze quadratische und länglich vier- oder dreieckige. Erstere sind als untere, letztere als obere Marginalia zu deuten. Diese oberen Marginalien sind abweichend von den übrigen Rückenplatten von länglicher, rechteckiger Gestalt. An ihrem einen Ende tragen sie auf der Unterseite tiefe, längs und schief verlaufende Furchen, welche zum Ansatze starker Muskeln oder Bindegewebsfasern dienten. Diese Muskeln bildeten zweifellos die Verbindung der oberen und unteren Marginalia. Diese Annahme wird noch gestützt durch die verschiedene Gestalt der oberen Marginalia. Wir haben nämlich obere Margi- nalia von zweierlei Gestalt. Einmal rechteckige, vierseitige, sodann spitze, dreiseitige. Letztere tragen die Muskelfurchen an ihrem spitzen Ende und nicht an ihrer breiten Basis, wie man wohl vermuten könnte. Auch die unteren Margi- nalia zeigen diese Furchen nur an einem Ende. Wir dürfen also mit voller Sicherheit annehmen, daß die oberen und unteren Marginalia an den mit Furchen versehenen Enden durch Muskelfasern miteinander ver- bunden waren, eine Annahme, für welche weiter unten noch weitere Anhalts- punkte folgen. Die verschiedene Gestalt der oberen Marginalia gibt uns Aufschluß über ihre Lage. Die dreiseitigen müssen nämlich unmittelbar die Ambulacralfurche begrenzt haben. Von der Augenplatte verlaufen nämlich die Adambulacren etwas schräg nach unten, um die Ambulacralfurche zu bilden. Infolgedessen drängen sie die anstoßenden Marginalien zurück, wodurch deren periphere Kanten verkürzt werden. Die interradial folgenden Marginalia aber bleiben normal vierseitig. Daß Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 283 hier in der Randregion eine festere Verbindung der Platten nötig ist, ist ohne weiteres einleuchtend. Als solche haben wir bereits die starken Muskeln zwischen den oberen und unteren Marginalia kennen gelernt. Aber auch die Verbindung der Randplatten mit den Dorsal- bezw. Ventralplatten ist eine festere. Die oberen Randplatten liegen mit ihrem proximalen Ende unter den letzten Dor- salplatten, und zwar überlagern je zwei Dorsalplatten eine Randplatte in der Weise, daß die Berührungskante der beiden Dorsalplatten mit der Mittellinie der Randplatte zusammenfällt. Dies gibt uns nun wieder einen Anhaltspunkt für die periphere Ausdehnung und Größe der Dorsalplatten. Die Be- festigung der unteren Randplatten mit den Ventralplatten war die gleiche. Die Überlagerung der Randplatten geht aus folgendem hervor. Die Kante der oberen und unteren Randplatten, welche der mit den erwähnten Muskelfurchen versehenen gegenüber liest, ist etwas abgeschrägt und vollständig glatt, während die ganze übrige Oberseite mit Pusteln und Gruben bedeckt ist. Die glatte Kante nahm also nicht direkt an der Oberflächenbildung teil, sonderen war von anderen Platten be- deckt. Durch die Art der Abschrägung des granulierten Randes der oberen Rand- platten ist auch die Überlagerung durch zwei Rückenplatten deutlich ausgeprägt. Die äußeren Kanten der Rückenplatten verlaufen nämlich nicht gerade, d. h. senk- recht zum Interradius, sondern unter einem schiefen Winkel, so daß die Dorsal platten nicht mit einer Kante, sondern mit einer Ecke die Randplatten berühren, also einen gezackten Rand liefern. (Fig. 23). Fig. 23. Marginalbegrenzung der Sphaeriten (schemat.) d—Dorsalplatten, v — Ventralplatten, o — Ocellarplatte, mo, mu — obere, untere Marginalplatten, af— Ambul. Furche. An die oberen Marginalien schließen sich die unteren in der angegebenen Weise an. Dieselben standen sich gegenüber, alternierten also nicht. Wie die oberen Marginalien durch die Rückenplatten, so werden die unteren durch die Ventralplatten überlagert, da sie ganz dieselben Verhältnisse wie die oberen Randplatten zeigen. Diese Überlagerung sprieht auch dafür, daß die Randplatten sich ihre gefurchten Ränder zukehrten, da sie sich im anderen Falle gegenseitig über- lagern müßten, was natürlich ganz unmöglich ist. Mit der Begrenzung des Randes hätten wir die Anordnung des Dorsalskelettes abgeschlossen, welches demnach im Querschnitt einen Kreis liefern würde, der nur in den fünf Radien durch die Ambulacralfurche unterbrochen wäre. 284 Friedrich Schöndorf: Es bleibt nun’ noch übrig, einen Einwand zu widerlegen, welchen man etwa hinsichtlich der Form des Randes machen könnte. Daß die Oberseite des Tieres außerordentlich stark gekrümmt war, läßt sich nach dem vorher gesagten gar nicht bezweifeln, ebenso wenig, daß diese Krümmung mindestens noch die im Schema pag. 274 angegebenen Platten des Tübinger und Stuttgarter Stückes von Sph. punetatus umfaßt haben muß. Aber nun könnte man einwenden, daß hiermit auch die kon- vexe Krümmung aufgehört habe, und sich der Rand nunmehr wie bei den heute lebenden Seesternen horizontal nach außen fortgesetzt habe, um freie Arme zu bilden. Für diese Annahme haben wir außer der Analogie mit den meisten Leben- den gar keine Beweise. Außerdem gibt es auch heute noch Seesterne, die gar keine freien Arme haben, sondern bei welchen das Tier nur eine einzige große Scheibe ohne Arme zu sein scheint (z. B. Culeita). Aber nehmen wir an, die Ober- seite habe sich nach Aufhören der starken Krümmung horizontal nach außen um- gebogen, um freie Arme zu bilden. Wie wäre dann die Einkrümmung der noch innerhalb der starken Krümmung gelegenen Dorsalplatten möglich gewesen, wie sie das Stuttgarter Stück zeigt? Außerdem müßten die Dorsalplatten nach außen wieder beträchtlich größer werden, aber nicht kleiner, wie es in Wirklichkeit der Fall ist. Oder sollten die Platten hier nicht mehr fest aneinander geschlossen haben? Ferner spricht gegen diese Annahme die Gestalt der Marginalia, welche dann eine Form wie bei den Lebenden annehmen müßten. Daß aber ein Seestern auch ohne freie Arme sehr gut leben kann, zeigen ja die Arten von Culeita, welche oft eine Größe bis zu 13 em im Durchmesser erreichen. Wir kommen mithin zu dem Ergebnis, daß Sphaerites punctatus eine stumpf kegelförmige Oberseite ohne freie Arme besaß. IV. Ventralseite. Anordnung der Ventralplatten. In der Ventralseite können wir radiale Ambulacral- und Adambulacralplatten und interradiale Füllplatten unterscheiden. Betrachten wir zuerst die Anordnung von Sph. scutatus, da die besseren Stücke zu diesem gehören. In der Nähe des Mundes sind die interradialen Füllplatten fast ganzrandig. In einiger Entfernung davon werden die Ränder zackiger, bis sie schließlich wie Zahnräder ineinander- Fig. 24. Sph. scutatus Goldf. sp. (Tübinger Sammlung). Original v. Quenstedt, Ventralplatten geordnet. greifen, ganz im Gegensatz zu den heutigen Seesternen, wo die Randzacken der Platten niemals miteinander alternieren. Quenstedt wußte in das von ihm auf Tab. 94 Fig. 12 abgebildete Stück keine Ordnung zu bringen. Er erwähnte nur, daß von den Adambulacren noch fünf in einer Reihe lägen, und daß man es des- halb mit dem „Bau eines Fühlergangrestes, das heißt mit einem echten Asteriaciten zu tun habe“. Daß aber außer dieser einen Reihe von Adambulacren noch weitere 286 Friedrich Schöndorf: drei vorhanden waren, und daß ebenso die interradialen Füllplatten noch regelrecht geordnet lagen, war Quenstedt entgangen, Entfernt man mit etwas Wasser ein oder zwei Adambulacren, welche aus dem Verbande mit den übrigen herausgefallen sind und deshalb die anderen z. T. verdecken, dann erkennt man deutlich vier Reihen von Adambulaeren (Fig. 24), welche vollkommen geordnet sind. Sie konvergieren alle nach einem Punkte, offenbar dem Munde, hin. Dieser kann nicht mehr ferne gelegen haben. Denn das innere Adambulacrum der am vollständigsten erhaltenen Reihe ist bedeutend breiter als die distal folgenden. Seine Breite beträgt 3 mm gegenüber 2 mm der übrigen. Außerdem deutet auf eine unmittelbare Nähe des Mundes die Anordnung der Füllplatten hin. Von diesen sind zwei getrennte Interradien deutlich zu erkennen, deren erste unpaare, von Hart- laub als Mundwinkelplatte bezeichnete Platte ebenfalls erhalten ist. Der Mund muß dicht neben dieser Mundwinkelplatte gelegen haben, von derselben nur durch die sog. Mundeckstücke getrennt. Letztere kannte Quenstedt an diesem Stücke noch nicht. Entfernt man aber, wie vorher erwähnt, die beiden in der ursprüng- lichen Furche liegenden Adambulacren, so kommt ein dreieckiges Mundeckstück zum Vorschein. Die Platten der Füllplatten alternieren, wie bei den heutigen Seesternen seitlich miteinander. Besser sehen wir diese Verhältnisse an dem anderen Stück der Ventralseite von scutatus. Hier haben wir nur einerlei Platten, nämlich nur Füllplatten. Um das Stück richtig zu orientieren, muß man sich natürlich den Teil desselben, welcher sich „faltenartig über den anderen schlug“, mit diesem in eine Ebene ausgebreitet denken, worauf man das in Figur 25 wiedergegebene Bild erhält. Die seitlich alternierenden Platten sind in der Radialrichtung ge- streckt. Die sehr zackigen Ränder greifen fest imemander. Das Stück stammt offenbar von einem großen Tier, da sich in keiner Richtung eine merkliche Größenabnahme der Plättchen wahrnehmen läßt, und da die Skulptur- sehr scharf ausgeprägt ist. Die „schiefe Wurzel“ jeder Platte wird von zwei Nachbarplatten, der seitlich anstoßenden und der adoral gelegenen, überlagert (vergl. Qu. Tab. 93 Fig. 13r). Das Übergreifen der adoralen Platten ist für die Fig. 25. Befestigung am Rande äußerst wichtig, da hierdurch eine sehr feste Sphaerites scutabus Goldf. sp. Original vn Wie vorher bereits mehrfach erwähnt, zeigen die unteren Rand- tedt in der B 0 5 : ee en platten an dem einen Ende eine glatte, schief abgestutzte Fläche, lung. welche nichts anderes darstellt, als die „schiefe Wurzel“ der Füll- platten, nämlich die Auflagerungsfläche für die anstoßenden Füllplatten. Verbindung zwischen den Randplatten und Füllplatten entsteht. Die Anordnung der Ventralplatten in Reihen entspricht also der der lebenden Seesterne. Die Platten der inneren Reihen nehmen an Größe und Zahl ab, indem durch die Alternanz mit den Platten der Nachbarreihen jedesmal eine Platte aus- geschaltet wird. Im Gegensatz zu den Rezenten ist aber die Befestigung der Platten durch das Ineinandergreifen der zackigen Ränder eine weit festere. Die Anordnung der Ventralplatten bei Sph. punctatus ist, wie das große Tübinger Stück zeigt, genau dieselbe. Man erkennt hier drei Reihen, welche mit einander Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 2837 alternieren und einander wie bei scutatus überlagern. Nur liegen hier die Platten lose übereinander, da ihnen die zackigen Ränder fehlen. Hierin nähert sich also punctatus mehr den Lebenden. Aus alledem ergibt sich für die Anordnung der Ventralplatten der Sphaeriten folgendes Schema. (Fig. 26). Mundeckstück, Mundwinkelplatte. N SIE Adambulacra. OS Fig. 26. Anordnung der Ventralplatten (schemat.). V. Aufbau der Ambulaecralfurche und des Mundes. a) Aufbau der Ambulacralfurche. Der Aufbau der Ambulacralfurche der Sphaeriten ist im wesentlichen derselbe wie bei den rezenten Seesternen. Wir haben schon in den vorhergehenden Kapiteln gesehen, daß sich alle typischen Muskeln der die Ambulacralfurche bildenden Skelettstücke auch bei den Sphaeriten nachweisen ließen. Für den Aufbau der Ambulacralfurche ist das von Quenstedt Tab. 94 Fig. 12 abgebildete Stück von scutatus besonders wichtig, weil wir hier Ambulacren und Adambulacren, wenn auch nicht mehr in ihrer ursprünglichen Anordnung so doch in innigem Verbande mit einander vor uns haben. Die das Dach der Furche bildenden, ziemlich schlanken Ambulacren stoßen oben mit ihren inneren gekerbten Kanten aneinander und schließen so die Furche Fig. 27. Sph. scutatus Goldf. sp. (schemat.) a. Ansicht von d. Ambul. Furche, b vom Munde aus. o. Qu, u. Qu, — oberer, unterer Quermuskel. v. M. — vertikal. Muskel. o. L., u. L. — oberer, unterer Längsmuskel. F. — Offnung zum Durch- tritt d. Ambul, Füßchen. gegen die Leibeshöhle ab. Unterhalb dieser Kante verläuft quer zur Längsrichtung der Furche der untere, oberhalb der Kante der obere Quermuskel. Ersterer schließt die Ambulacralfurche, letzterer öffnet sie bei der Kontraktion. Zwischen beiden liest bei Sphaerites scutatus eine etwas konkave, glatte Fläche, welche ev. zur Aufnahme von Gefäßen diente. An der Seite der Ambulaeren sieht man die Grube des oberen Längsmuskels, welcher die Arme aufwärts krümmt. An ihrem unteren Ende tragen die Ambulacren die Insertionsgrube des vertikalen Muskels, welcher sie mit den zugehörigen Adambulacren verbindet. Letztere sind im Vergleich zu den Rezenten außerordentlich lang und in ihrem unteren Drittel umgebogen, um Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 2839 beim Schließen der Furche die in derselben verlaufenden Gefäße vor Druck zu schützen. An ihrer Seite liegt die Grube des unteren Längsmuskels, welcher dazu dient, die Arme abwärts zu krümmen. In der Seitenansicht muß man zwei Rich- tungen unterscheiden, eine adorale nach dem Munde und eine aborale nach der Armspitze gerichtete. Jedes Ambulacrum artikuliert nämlich mit je zwei Adam- bulaeren, einem adoralen und einem aboralen. Außerdem sind, wie früher bereits auseinandergesetzt wurde, diese beiden Seiten des Ambulacrums verschieden aus- gebildet. Die Grube des unteren Quermuskels ist im Gegensatz zu den Rezenten äußerst flach. Offenbar war der untere Quermuskel nur sehr schwach. In der Mitte verschmälern sich die Ambulaeren, um eine kleine Öffnung zum Durchtritt der Ambulaeralfüßchen frei zu lassen. In der Rinne zwischen den schief abge- stutzten Gelenkflächen der Adambulaeren liegen, wie aus der Figur ersichtlich ist, infolge der Alternation der Ambulacren und Adambulaeren je zwei vertikale Muskeln. b) Aufbau des Mundskelettes. In der Nähe des Mundes treten, wie Ludwig gezeigt hat, die Ambulacren und Adambulacren des ersten Wirbels zu einem eimheitlichen Skelettstück, dem Mundeckstück, zusammen, welches dann interradial aus der Reihe der Adambulacren vorspringt. Infolge der Verschmelzung von Ambulacren und Adambulaeren zeigen die Mundeckstücke die jenen beiden zukommenden Muskeln. Da nun die Mund- eckstücke je zweier benachbarten Arme sich interradial berühren, sind sie noch durch einen interradialen Muskel verbunden, der seinerseits von einem Hilfsmuskel unterstützt wird. Dieser interradiale Muskel sitzt in einer Grube dicht neben dem „Fortsatz“ des Mund- eckstückes, dem umgewandelten Ambulacrum 1. Die Eindrücke des interradialen Muskels nebst denen seines Hilfsmuskels sind auch an den fossilen Mundeckstücken Fig. 28. von Sph. scutatus Goldf. sp. deutlich zu erkennen. Mundeckstück Der „Fortsatz“ ist bei dem isolierten Stücke abgebrochen, von Sph. scutatus Goldf. Original von Quenstedt, Tü- 3 { , binger Sammlung. deckt, so daß wir über seine Länge und Form nichts 3:1 a=radiale, b = inter- n : 5 R = radiale Söite aussagen können. Die radiale Seite des Mundeckstückes bei dem anderen dagegen von einer Ventralplatte ver- von Sph. scutatus stimmt mit der der Lebenden überein. Die ganze Form des Mundeckstückes ist bei den Fossilen jedoch viel plumper und weit mehr in dorsoventraler Richtung verbreitert als bei den Lebenden, deren Längserstreckung mit dem Radius bezw. Interradius zusammenfällt. Zu dem Mund- skelett gehört auch noch das sehr verbreiterte Ambulaerum 2, welches jedoch von den fossilen Formen noch nicht gefunden wurde. V1. Interradialer Septenpfeiler. (Vergl. Taf. 24.) Bei Besprechung der Ventralseite wurde schon winziger unregelmäßiger Plättchen und Körner auf der Unterseite des Tübinger Stückes von Sph. punctatus Erwähnung getan, die bisher noch von keiner Seite beachtet worden waren. Diese rundlichen oder länglichen Plättehen ziehen in zwei deutlichen Reihen von den ventralen Füllplatten interradial zu den Dorsalplatten hinauf und enden nahezu in gleicher Entfernung von der als Mittelpunkt angenommenen Platte Nr. 1. Verfolgt man nämlich den Verlauf dieser Kalkkörper, so sieht man, daß die eine Reihe an der Platte Nr. 12 und die andere an Nr. 6m endist, also in gleicher Entfernung vom Zentrum. Deshalb ist wohl nicht anzunehmen, daß diese deutlich erkennbaren Reihen nur zufällig hier liegen, sondern ihre Lage muß schon am lebenden Tier diesem Verlaufe entsprochen haben. Und in der Tat finden wir bei den lebenden Seesternen solche interradialen Plattenreihen, die von den Ventral- platten zu den Dorsalplatten hinaufziehend, die Leibeshöhle interradial in fünf Kammern teilen, es sind die interradialen Septenpfeiler!). An der Dorsalseite breiten sie sich oft noch weit aus. Bei Sph. punctatus ist dies weniger gut zu sehen, da die Septenpfeiler ja nur z. T. sichtbar sind. Jedenfalls aber hatten sie mit den Platten Nr. 6m und Nr. 12 noch nicht ihr Ende erreicht, sondern reichten mindestens noch zur Madreporenplatte, deren Steinkanal sich an den Außenrand des ent- sprechenden Hautsegels anlegte. Nach dem Verlaufe dieser Septenpfeiler kann man Schlüsse auf die Größe der eigentlichen Körperscheibe des Seesternes ziehen. ı) Vergleiche: Hartlaub, Über die Arten und den Skelettbau von Culeita. Notes from the Leyden Museum, Vol. XIV, 1892. Vi. Bemerkungen über die Madreporenplatte und den After. Die Madreporenplatte entsteht entweder durch Umbildung der primären Inter- radialplatte des betreffenden Interradius, oder sie lest sich an deren Außenseite als selbständiges Skelettstück an. Bei den Sphaeriten scheint letzteres der Fall zu sein, da die Madreporenplatte nicht mit der primären Interradialplatte, dem 7-Eck, verschmolzen ist, sondern derselben nur lose anliegt. Nach außen schließen sich die beiden unsymmetrischen 6-Ecke Nr. 7 und Nr. 8 an. Die Begrenzung der Madreporenplatte durch die drei erwähnten interradialen Platten (Fig. 29) ist bei sämtlichen Arten der Sphaeriten die gleiche. Durch die Madre- porenplatte werden die Ecken der drei genannnten Platten kon- kav abgestumpft. Von dieser Abstumpfung aus strahlt eine scharf dreieckige Erhöhung nach dem Zentrum jeder Platte hin, während im Innern der Platte unter dieser Erhöhung ein Kanal verläuft. Die Größe der Madreporenplatte variiert wie bei den Fig. 29. Rezenten nach Art und Alter des Tieres. Ihre Form dagegen 32 ist bei allen Sphaeriten eine streng konstante, nämlich die eines Madreporiten. sphaerischen Dreiecks. Im Gegensatz zu den Rezenten ist die Madreporenplatte der Sphaeriten außerordentlich klem. Bei Sph. punctatus beträgt ihre interradiale Länge nur 2 mm. Ihre Breite ist um einen ganz geringen Betrag kleiner. Das Zentrum der Platte ist etwas vertieft, ebenso fällt nach dem Rande zu die Ober- fläche flach ab. Die wulstartigen Runzeln der Oberfläche (Fig. 30) sind durch ziemlich tiefe Rinnen getrennt, welche ge- meinsam in den innen angeschlossenen Steinkanal mün- den. Der Verlauf dieser Runzeln fügt sich vollständig der Symmetrie des ganzen Tieres ein. Nach einem Punkte nahe dem Mittelpunkte der Madreporenplatte konvergieren von links und rechts die Wülste, welche alle am Rande der Platte beginnen. Nahe dem Zentrum scheinen sie sich in einzelne Höcker aufzulösen. Am Rande sind sie oft in zwei Äste gespalten und meist Fig. 30. 5 b Sph. punctatus Qu. Madre- etwas breiter. Von den Furchen erreicht etwa die porenplatte vergröß. Hälfte den Mittelpunkt, also eine weit größere Anzahl 292 Friedrich Schöndorf: als bei den Lebenden. Bei diesen hat im allgemeinen die Madreporenplatte eine unregelmäßig rundliche Gestalt. Die Zahl der Furchen ist z. B. bei Pentaceros außerordentlich groß, aber nur ein ganz geringer Bruchteil erreicht den Mittelpunkt, weil die sie umgebenden Wülste sich weit öfter verzweigen. Eine irgendwie regel- mäßige Anordnung der Furchen oder Wülste ist weder bei Pentaceros noch bei Nidorellia oder Culcita zu beobachten!). Nur bei Astrogonium (A. astrologorum M. Tr.) findet sich die symmetrische Anordnung der Wülste wieder, so daß hierin eine auf- fallende Ähnlichkeit mit der Madreporenplatte der Sphaeriten besteht. Auch bei Astrogonium wird die stumpf dreieckige Madreporenplatte von drei größeren Platten begrenzt, deren Oberfläche stark konvex angeschwollen ist. Zwischen diese drei Platten und den Madreporiten schiebt sich eine große Anzahl von kleinen Täfel- Fig. 31. Madreporenplatte von Astrogonium astrologorum M. Tr. (vergr.). chen. Die Oberfläche des Madreporiten von Astrogonium ist flach, seine Größe im Verhältnis zur Größe des ganzen Tieres (R:r—10:6 mm) ziemlich beträchtlich, nämlich 3 mm. Je nach der Größe und Form des Tieres liegt die Madreporenplatte bei den Rezenten bald näher dem Zentrum, bald näher dem Rande. Stets aber liest sie m dem Interradius links vom After?) am Außenrande der ersten größeren Interradialplatte, die oft, z. B. bei Nidorellia, einen größeren Stachel trägt. Der Madreporit muß also stets außerhalb des ersten großen imterradialen Stachels liegen. Dies ist auch bei den Lebenden in Wirklichkeit der Fall, wie alle Exemplare des Berliner zoologischen Museums zeigen®). Bei den Sphaeriten ist die primäre Interradialplatte, das symmetrische 7-Eck, ebenfalls durch ihre Größe vor den anderen ausgezeichnet. Hier liegt die Madreporenplatte jedoch stets näher dem Zentrum als dem Rande. Der sich an !) Bei dem Vergleich mit der Madreporenplatte der Lebenden wurden nicht einzelne willkür- liche Formen herausgegriffen, sondern alle in der zoologischen Sammlung des Museums für Natur- kunde zu Berlin vorhandenen Formen in Betracht gezogen. 2) Wenn man das Tier so orientiert, daß der Mund nach unten, der After geradeaus nach vorn gerichtet ist. ®) Deswegen dürfte bei Möbius (Neue Seesterne des Hamburger und Kieler Museums 1859, Taf. II Fig. 5) ein Versehen des Zeichners vorliegen, da hier der Madreporit innerhalb des Stachels gezeichnet ist. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 293 74 die Madreporenplatte anschließende Steinkanal verläuft in einer geschwungenen Linie am Rande des zugehörigen interradialen Septenpfeilers. Die Poren, mit welchen die Madreporenplatte einmündet, sind natürlich in fossilem Zustande nicht mehr zu erkennen. Der After liegt dorsal, dieht neben dem Mittelpunkt. Bei allen Arten wird er in übereinstimmender Weise von drei Platten begrenzt: der Zentrodorsalplatte Nr. 1 und zwei unsymmetrischen Fünfecken Nr. 2 und Nr. 53. Die Ecken, mit welchen diese Platten zusammenstoßen, sind konkav ausgeschnitten, wodurch eine rundlich- dreieckige Afteröffnung entsteht, welche bei scutatus fast die ganze Breite der Zen- tralplatte einnimmt. An dem Ausschnitt ist jede Platte mit einer stumpf dreieckigen Erhöhung versehen, die offenbar nur dazu diente, die Platte gegen den inneren Druck zu verstärken. Unter dieser Erhöhung liegt jedenfalls kein Kanal, wie es bei dem Madreporiten der Fall ist. Archiv für Biontologie I. (8.) 06. 4 VIN. Äussere Skulptur. In den vorhergehenden Kapiteln wurde bereits mehrfach der Skulptur und Granulation der oberflächlich gelegenen Skelettelemente Erwähnung getan. Um ein klares Bild darüber zu gewinnen, wollen wir die diesbezüglichen Beobachtungen hier kurz zusammenfassen. Bei allen Arten der Sphaeriten weisen diejenigen Platten, welche direkt an der Bildung der Oberfläche teilnahmen, eine deutliche Skulptur auf. Diese er- scheint teils als kaum sichtbare punktförmige Grübchen bei Sph. punctatus, teils als deutliche ringförmige Vertiefungen bei juvenis oder als scharf ausgeprägte tiefere Gruben wie bei Zabulatus. Vor allen ist scutatus durch die große zentrale Grube Fig. 32. Skulptur von Sph. sceutatus Goldf. (schemat.). ausgezeichnet, die rings um ihren Rand eine charakteristische Ansatzfläche für die großen glatten Stacheln besitzt. Die Gruben von annulosus und von den Rand- platten (pustulatus) sind nicht in die Oberfläche eingesenkt, sondern derselben ge- wissermaßen als flache Schüsselehen mit erhabenen Rändern aufgesetzt. Zwischen den einzelnen Gruben, welche kleine Dornen enthielten, liest bei annulosus undpustulatus ein feines Netzwerk von unregelmäßigen \ RN leistenförmigen Erhebungen und Vertiefungen, welche z. T. noch Fig. 38. runde Kalkkügelchen enthalten. Solche runden Kalkkügelchen Skulptur d. Marginalia Saßen auch in den kleineren flachen Grübchen der anderen Arten, (Sph. pustulatus Qu.) wo sie z.B. auf Platten von scutatus zuweilen noch in größerer Zahl umherliegen. Die größeren und tieferen Gruben enthielten dagegen kleine Stacheln Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 295 oder Dornen. Die großen ca. 3 cm langen Stacheln von seutatus artikulierten durch eine besondere Gelenkbildung in der zentralen Grube. Da dieselben mit ihrer ganzen unteren Breite aufsaßen, waren sie wohl kaum beweglich. Die Platten von scufatus mit kleiner Zentralgrube trugen natürlich auch entsprechend kleinere Stacheln. Die Ventralplatten waren den Dorsalplatten ähnlich sranuliert. Die Gruben von scutatus enthalten oft noch die zugehörigen Kalkkügelchen. Die Ad- ambulacren zeigen genau die Stachelbewaffnung wie bei den Lebenden. In der unpaaren größeren Grube inserierte ein kurzer Dorn, der etwas über die Ventral- fläche vorragte. Außerdem trugen die Adambulacren noch 6—8 platte, kurze Dornen, welche direkt die Ambulacralfurche begrenzten. Diese Dornen saßen aber nicht in den punktförmigen Grübchen sondern auf einem kleinen Absatze unterhalb derselben. Quenstedt glaubte, diese „nadelstichfeinen* Grübchen enthielten „Kalkhäärchen“. Dies ist jedoch ein Irrtum, denn die Grübchen dienten nur zur Insertion von Muskelfasern für jene kleinen Stacheln. Ähnlich wie die Adambu- lacren waren auch die aus ihnen hervorgegangenen Mundeckstücke granuliert. Nur trugen sie bei ihrer größeren Breite mehr Stacheln, die hier ebenfalls auf einem Absatze standen. 4* IX. Mikrostruktur. Über die Mikrostruktur der Sphaeriten läßt sich nur wenig sagen. Die ver- kieselten Platten haben natürlich alle Struktur verloren. Aber auch die verkalkten zeigen nur in den seltensten Fällen innere Strukturverhältnisse, da durch die Krystallisation des Kalkspathes meist die feinere Struktur vernichtet wurde und eine sonst nicht seltene Färbung durch Eisensalze bei unseren Platten nicht zu bemerken war. Außerdem ist es sehr schwer, von den dickeren Platten z. B. von Sph. tubulatus Fig. 34. Dünnschliff durch eine Dorsalplatte von Sph. juvenis Qu. einen hinreichend dünnen Schliff anzufertigen, weil die späthige Krystallisation die Platten außerordentlich leicht in kleme Rhomboeder zerfallen läßt und so den Schliff zerstört. Schon mit einer einfachen Lupe bemerkt man auf der Unterseite aller Platten das eigentümliche, lockere, spongiöse Gewebe, das für Echinodermenskelette charak- teristisch ist. Im Dünnschliff kann man sich deutlich von dieser Struktur über- zeugen. Im allgemeinen ist diese aber hier regellos, nur wo Muskeln ansetzen, gewinnen die Zellen eine dem Druck bez. der Spannung entsprechende Orientierung. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 297 Fraas bildete schon einen Dünnschliff von Sph. juvenis ab‘). Derselbe läßt jedoch das Wesen dieser Mikrostruktur nicht recht erkennen. Der Rand der Platten ist nämlich in Wirklichkeit niemals vollständig glatt, sondern stets, wenn auch nur minimal, gekerbt. Jedesmal, wo ein Zacken vorspringt, endigt eine dunklere Partie (Fig. 34), welche von dem Mittelpunkt der Platte ausstrahlt. Diese dunkleren Partien entstehen durch enger gestellte Zellen, zwischen denen Zonen von weiteren Maschenräumen liegen, welche also heller erscheinen. Offenbar wird die radial- strahlige Anordnung von dichteren und dünneren Bälkehenreihen durch die am Rande ansitzenden Muskelfasern verursacht. Eigentliche Bälkchen waren nicht mehr zu erkennen. Die dunkleren Partien treten bei Sph. juvenis schon makroskopisch als feine dunklere Streifen oder Leisten auf der Oberfläche hervor. Die Platten der anderen Arten, soweit sie nicht verkieselt sind, zeigen die nämliche Struktur im Dünnschliff. Die Stacheln von Spk. scutatus besitzen zwar im wesentlichen noch dieselbe Anordnung der Maschen, doch läßt sich schon eine schwache longitudinale Orientierung bemerken, was vielleicht auf eine geringe Be- weglichkeit ihrer ursprünglichen Anlage hindeutet. 1) E. Fraas. Die Asterien des weißen Jura von Schwaben und Franken. Palaeontogr. XXXII Taf. XXX, Fig. 35. X. Geologisches Vorkommen der Sphaeriten. Das geologische Vorkommen der Sphaeriten beschränkt sich ganz und gar auf den weißen Jura, innerhalb dessen sie sowohl in Nord- wie in Süddeutschland und der Schweiz verbreitet sind. In den Schichten des unteren weißen Jura, besonders in den Schwammkalken, erscheinen plötzlich z. B. bei Streitberg in Franken die charakteristischen Kalktäfelehen des Sph. jwvenis, gehen durch den mittleren weißen Jura bis zum oberen hinauf und verschwinden dann ebenso plötzlich, wie sie auf- tauchten. Weder in dem Liegenden, dem braunen Jura, noch in dem Hangenden, der Kreide, finden wir irgendwelche Andeutungen von Vorfahren oder Nachkommen dieser Formen. Horizontal dagegen sind sie weit verbreitet, in Norddeutschland, in Franken, Schwaben und der Schweiz sind sie an zahlreichen Lokalitäten, aber wie gesagt nur im weißen Jura, gefunden. Ein Zusammenhang zwischen den fos- silen und etwaigen rezenten Formen (Nidorellia, Ouleita ete.) ist nicht zu kon- statieren. Diejenigen Arten, welche zuerst auftreten, gehören den glatteren Formen an, z. B. Sphaerites juvenis und punctatus. Keine dieser Arten ist jedoch auf den unteren Malm beschränkt, sie gehen noch in den mittleren Malm (Y) hinauf, wo der bereits Stacheln tragende Sph. tabulatus häufig wird. Ja Sph. juvenis und tabulatus scheinen auch noch im oberen weißen Jura, wenn auch sehr selten vorzukommen. Ob Sph. punctatus hier ebenfalls noch vorhanden ist, ist zum mindesten sehr zweifelhaft. Der Etiquette nach stammt das zusammenhängende Stück der Stuttgarter Samm- lung aus dem Malm SG von Sontheim, doch steht die Richtigkeit dieser Angabe nicht außer allem Zweifel. Als Seltenheit erscheint im Malm Yy bereits Sph. scutatus, welcher die glatten Formen im oberen weißen Jura vertritt und hier namentlich im Malm e ziemlich häufig wird, so daß er für Riffkalke als leitend gelten kann. Im unteren Malm fehlt er noch vollständig. Ganz auf den oberen Malm (e) be- schränkt sind die als Sph. pustulatus und Asterias stellifera bezeichneten Randplatten, welehe noch dazu äußerst selten sind. Doch ist es sehr wahrschemlich daß SpA. pustulatus bereits im unteren Malm zugleich mit dem ebenfalls sehr seltenen SpA. annulosus vertreten ist, und nur eben wegen seiner großen Seltenheit noch nicht gefunden wurde, XI. Allgemeine Form und Lebensweise. [Vergl. Taf. 25]. Die allgemeine Körperform der Sphaeriten wird im wesentlichen durch die starke konvexe Krümmung) der Dorsalseite bedingt, wodurch das ganze Tier eine stumpf- kegelförmige Gestalt erhält. Der Scheitel wird von einer Zentrodorsalplatte ein- genommen. Von dieser läuft in den fünf Radien je eine Reihe von Platten aus, welche zum größten Teil aus symmetrischen bez. nahezu regulären. 6-Ecken be- steht. Diese fünf Radien stoßen jedoch nicht direkt an die Zentrodorsalplatte an, sondern sind von derselben durch die beiden ersten einander im Radius berührenden Me TIL 07, = VV ZVV\ \VY SREESLELOTT, eg FIR SeS2 SEITZ \17 7X X A Fig. 35. Stegnaster inflatus Hutton. Original im Berliner zoologischen Museum. Seitenansicht in natürl. Größe. interradialen Platten getrennt. Alle fünf Radien beginnen in gleicher Weise mit einem 5-Eck. Auf dieses folgen dann nach außen die symmetrischen 6-Ecke, welche nach dem Rande zu immer kleiner werden und schließlich an der Augenplatte enden. Diese Augenplatte mag wohl, ihrer Funktion entsprechend, etwas über die zunächstgelesenen Dorsalplatten hinausgeragt haben. Die fünf Interradien sind unter einander in gleicher Weise ausgebildet. Nur der Analinterradius weicht etwas ab. Durch den After werden die anstoßenden 1) Eine beinahe ebenso starke kegelförmige Krümmung zeigt der lebende Stegnaster inflatus. (Vergl. das einzige im Berliner zoologischen Museum befindliche Exemplar). Fig. 35. 300 Friedrich Schöndorf: Radien etwas auseinandergedränst. Die in ihnen gelegenen Platten müssen dem seitlichen Druck nachgeben und verlieren infolgedessen z. T. ihre Symmetrie. Der After liegt bei allen Formen auf der Dorsalseite, dicht neben dem Zentrum und wird von drei Platten begrenzt, nämlich der Zentrodorsalplatte und zwei unsymme- trischen 5-Ecken. Diesen beiden letzteren entspricht in den anderen Interradien je ein einziges 6-Eck, auf welches stets ein symmetrisches 7-Eck folgt. Im Anal- interradius wird das 7-Eck selbstverständlich durch ein 8-Eck vertreten. Nach außen folgen dann 6-Ecke, je nach der Größe des Tieres in verschiedener Anzahl. Die Madreporenplatte liest interradial in dem Winkel, der von dem 7-Eck und den beiden distal anstoßenden 6-Ecken gebildet wird. Nach außen werden die interradialen Platten ebenfalls immer kleiner. Die letzten legen sich mit ihrem äußeren Rande auf die oberen Randplatten auf, in der Weise, daß Fig. 36. Culeita discoidea. Original im zoolog. Museum, Berlin. !/ nat. Gr. Ansicht der Dorsalseite. m = Madreporit. a = Ambulacralfurche. die Berührungskante je zweier Dorsalplatten mit der Mittellinie je einer Randplatte zusammenfällt. Der Rand liegt ganz regelmäßig in der Fortsetzung der Wölbung der Dorsalplatten, so daß der Querschnitt des Tieres einen Kreis liefert, der nur in den Radien durch die Ambulacralfurche unterbrochen wird. Seitlich vortretende, freie Arme waren nicht vorhanden. Statt dessen waren die Ambulacralfurchen auf die Dorsalseite emporgezogen, wie bei der lebenden Owleita. Die Ventralseite war wahrscheinlich etwas konkav emporgewölbt. Die Ventralplatten waren in alter- nierende Reihen geordnet. Am Rande überlagerten sie die unteren quadratischen Randplatten. Die Ambulacralfurche war wie bei den lebenden beschaffen, nur be- deutend tiefer. Aus alledem ersieht man, daß die gesamten Arten der Sphaeriten eine sehr träge Lebensweise führten. Ihr hochgewölbter Körper, dem freie Arme gänzlich fehlten, gestattete ihnen nur äußerst langsam und unbeholfen auf dem Boden dahinzukriechen. Diese Unbehülflichkeit der Sphaeriten ist gegenüber der leichten Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 301 Beweglichkeit und großen Plastizität der lebenden Formen sehr auffallend. Mag der Körper der Lebenden mitunter auch noch so schwerfällig aussehen, wie es z. B. bei Culeita-Arten der Fall ist, so ist er doch in sehr hohem Maße plastisch, so daß das Tier imstande ist, denselben nach verschiedenen Richtungen hin zu drehen und umzuformen, da die in der Haut steckenden Kalkkörper leicht gegeneinander ver- schiebbar sind. Wer je in einem Aquarium oder in freier Natur einen Seestern zu beobachten Gelegenheit hatte, wird sich der zierlichen Bewegungen und Krümmungen des Tieres erinnern, das hier einen Arm festheftet, um dort mit dem anderen weiter- zutasten. Zu solchen zierlichen Bewegungen waren die Sphaeriten nicht fähig. Ihre Skelettplatten, unter einander zwar durch Muskeln oder Bindegewebsfasern ver- bunden, konnten sich nur sehr wenig oder gar nicht verschieben und hüllten das Tier in einen starren Panzer. Nur die Ventralplatten waren beweglich und ermög- lichten es dem Tier, die Ventralseite etwas auf- und niederzubewegen, da die einzelnen Ventralplatten, nicht wie die Dorsalplatten nebeneinander, sondern über- einander liegen und sich dadurch leicht über emander schieben ließen. Dieses Auf- und Niederbewegen der Bauchseite erleichterte dem Tiere natürlich sowohl das Fortbewegen mittels der Ambulacralfüßchen außerordentlich, als auch die Nahrungs- aufnahme, da es so mit dem ausgestülpten Magen die Beute weit bequemer auf- nehmen konnte. Letztere bestand aus den Mollusken, Brachiopoden und anderen Weichtieren, welche die Riffe, auf welchen diese Formen lebten, in Menge be- völkerten. Daß die Sphaeriten echte Rifformen, Flachseeformen, waren, darauf deutet außer ihrem geologischen Vorkommen auch ihre starke Skelettierung, welche be- sonders für Rifformen so charakteristisch ist. Durch ihre rundliche Körperform waren sie Verletzungen durch die Meereswogen und -Strömungen wenig ausgesetzt. Diejenigen Arten, welche, wie Sph. scutatus ete., längere Stacheln trugen, konnten sich leicht nach Art der Seeigel in Höhlungen und unter Vorsprüngen der Riffe festhalten. Im Jugendzustande waren die Stacheln als Hautgebilde noch mit einer Haut überzogen. Dieselbe bedeckte auch das ganze übrige Tier auf der Dorsal- und Ventralseite, sodaß die Platten mit ihren Granulationen nicht direkt an der Oberfläche lagen. Die Größe der Sphaeriten war ziemlich beträchtlich. Sph. scutatus z. B. er- reichte meist eine Höhe von 15—20 cm und eine Breite von ca. 25 cm Durch- messer. Daneben fanden sich auch kleinere Formen, z. B. Sph. juvenis, von dem jedoch auch einige zuweilen beträchtlichere Größe erreichten. Die Verbreitung dieser Seesterne erstreckte sich von Süddeutschland nach der Schweiz und Frankreich, wo sie in den Riffkalken und Dolomiten des oberen Jura nicht selten gefunden werden. Xll. Generische Charakteristik, systematische Stellung und rezente Verwandte. Aus dem im vorhergehenden Kapitel Gesagten ergeben sich für die generische Charakteristik der Sphaeriten folgende Merkmale: Körperform hoch gewölbt, stumpf kegelförmig ohne seitlich vor- tretende freie Arme. Dorsalseite mit kräftigen, ununterbrochen zu- sammenschließenden Tafeln bedeckt. Dorsalplatten radial und inter- radial in Reihen geordnet. Die Form jeder Platte ist eine streng be- stimmte, ihrer Lage entsprechend, bei allen Arten konstant, nach dem Rande zu kleiner werdend. Randplatten abweichend gestaltet und zwar die oberen nur mit Ausnahme der an die Ambulacralfurche anstoßenden länglich reehteckig, die unteren quadratisch. Obere und untere Rand- platten gegenständig. Ambulacralfurche tief, mit zwei Reihen von Am- bulacralfüßcehen, auf den Rücken übergreifend. After und Madreporen- platte dorsal in getrennten Interradien gelegen. Die systematische Stellung der Sphaeriten ist bis heute sehr zweifelhaft geblieben.) Dies war einmal in der großen Schwierigkeit begründet, diese ausgestorbene Gruppe mit Rezenten in Zusammenhang zu bringen, da dieselbe von allen bekannten fossilen und lebenden ganz und gar abwich. Als zweiter Grund kam der Umstand hinzu, daß Quenstedt den Sph. scutatus wegen seimer Stacheln zu der lebenden Nidorellia armata Gray gestellt hatte. Infolgedessen bemühte man sich, die Sphae- riten in systematischer Beziehung mit den lebenden Pentacerotiden zu vereinigen, indem man an der Quenstedtschen Deutung festhielt. Aber die scheinbar so be- zeichnenden Stacheln der Nidorellia sind wenigstens ihrer Form nach derselben nicht ausschließlich eigen, wenn sie auch in solcher Größe bei keinem anderen Genus mehr vorkommen. Auf Grund der Stacheln allein, die als äußere Haut-Anhänge mannig- fachem Wechsel unterworfen sind, die systematische Stellung einer fossilen Gruppe zu begründen, ist aber nicht berechtist. Zudem sind die Stacheln der Nidorellia noch insofern von denen von scutatus verschieden, daß sie in ihrem unteren Teile mit Kalkplättchen bedeckt sind, während die von Sph. scutatus vollkommen glatt waren. Die Madreporenplatte, die zahlreichen Ambulacren und Adambulacren, welche sich im Zusammenhange mit Dorsal- und Ventralplatten von Sph. punctatus und 1) Zittel. Grundzüge der Palaeontologie. I. Abt. II. Aufl. 1903 München und Berlin. pag. 195. Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. 303 scutatus gefunden haben, lassen gar keinen Zweifel, daß diese beiden zu den Asterien, den echten Seesternen, gehören. Auch die anderen Arten der Sphaeriten gehören zu den echten Asterien, da sie den gleichen Bau wie Sph. punctatus besitzen. Durch die Anwesenheit eines Afters scheiden die wenigen afterlosen Genera wie Astropecten, Ctenodiscus von vornherein als Verwandte aus. Durch den Nachweis von typisch entwickelten Marginalien und durch das gut ausgebildete Ambulacralskelett lassen sich die Sphaeriten den rezenten Phanerozonia Sladen direkt unterordnen. Die starke Skelettierung, die Form der Ambulacren sprechen für eine Verwandtschaft mit den Pentacerotiden. Eine Vereinigung mit denselben ist jedoch nieht möglich, denn es gibt trotz der zahlreichen und so man- nigfach gestalteten Formen der lebenden keine einzige, welche den fossilen auch nur annähernd gliche, obwohl einzelne Merkmale der Sphaeriten bei den lebenden wiederkehren. Die ziemlich weit auf den Rücken übergreifenden Ambulacralfurchen, das gänzliche Fehlen freier Arme erinnern an COuleita. Die Madreporenplatte ähnelt der von Astrogonium. Aber trotzdem ist eine Vereinigung mit den lebenden Pen- iacerotiden wegen der eigenartig geschlossenen Panzerung der Ober- und Unterseite, der besonderen Ausbildung der Mareginalien und abnorm langen Adambulaeren ete. nicht möglich. Wir müssen also für diese fossilen Formen eine besondere Familie aufstellen, welche sieh unter den lebenden Seesternen allerdings der der Pentacero- tıden in gewisser Beziehung anschlösse. Indem wir den alten von Quenstedt für punctatus, juvenis und tabulatus vorgeschlagenen Namen Sphaeraster auch auf die anderen Arten ausdehnen, fassen wir die gesamte Gruppe als eigene Familie Sphaerasteridae zusammen. 1750 — 1771. 1826 — 1839. 1842. 1343. 1849. 1356 — 1857. 1858. 1859. 1364. 1865. 1866. 1867. 1372. Literatur -Verzeichnis. 1755. Knorr Georg Wolfgang, Sammlung von Merkwürdigkeiten der Natur und Altertümern des Erdbodens, welche petrifizierte Körper enthält. Nürn- berg Text 1750, Atlas 1755. Walch, Joh. Ernst Im., Die Naturgeschichte der Versteinerungen zur Er- läuterung der Knorrischen Sammlung von Merkwürdigkeiten der Natur. III. Teil. Nürmberg 1771. Text und Atlas. 1833. Goldfuß, Petrefacta Germaniae. Düsseldorf 1826—1833. Text und Atlas. Römer, A., Versteinerungen des Norddeutschen Oolitgebirges. Nach- trag 1839. Müller und Troschel, System der Asteriden. Braunschweig 1342. Quenstedt, Das Flötzgebirge Württembergs. 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Zeitschr. f. Naturw. Bd. X. 1894. 1396. 189. 1902. 1903. 1905. Literatur- Verzeichnis. 305 Quenstedt, Petretaktenkunde Deutschlands. Abt.1. Bd. IV. Die Asteriden und Encriniden nebst Cysti- und Blastoideen. Leipzig 1876. Ludwig, Beiträge zur Anatomie der Orinoiden. Zeitschr. f. wiss. Zoologie XXVII. Leipzig. Ludwig, Über die Genitalorgane der Asterina gibbosa, Zeitschr. f. wiss. Zoologie XXXI. Ludwig, Beiträge zur Kenntnis der Ophiuren. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXXI. % Zur Kenntnis der Gattung Brisinga. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXXI. Viguier, Anatomie comparee du squelette des stellerides. Arch. zool. exper. T. VII. Paris 1878. Ludwig, Das Mundskelett der Asterien und Ophiuren. Zeitschr. f. wiss. Zoologie XXXII. Leipzig 1879. Zittel, Handbuch der Paläontologie. Bd. I. München-Leipzig 1880. Quenstedt, Handbuch der Petrefaktenkunde. III. Auflage. Tübingen. Fraas, E., Die Asterien des weißen Jura von Schwaben und Franken. Palae- ontographica XXXII. 1886. Claus, Lehrbuch der Zoologie. 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Der Deutlichkeit halber sind die Umrisse der Platten schwarz ausgezogen. Fig. 4. Original im Stuttgarter Naturalienkabinet. Malm CI, Sontheim. Dorsalseite, nat. Gr. Ei - Fig. 5—6. Sphaeraster jwvenis Qu. Original in der Münchener Sammlung. Malm se, Ulm, nat. Gr. Fig. 5. Dorsalseite. Fig. 6. Unterseite desselben Stückes. Fig. 7. Mareinalplatte (Sph. pustulatus Qu.). Ein Teil der Oberfläche vergrößert. Fig. 8—11. Sphaeraster seutatus Goldf. sp. Fig. 8—-9. Original von Quenstedt, Petrefaktenk. IV, Tab. 94, Fig. 12 aus der Tübinger Sammlung. Malm e, Oerlinger Tal, nat. Gr. Fig. 8. Dorsalseite Fig. 9. Ventralseite. Fig. 10—11. Origmal von Quenstedt, Petrefaktenk. IV, Tab. 94, Fig. 13 aus der Tübinger Sammlung, nat. Gr. Fig. 10. Ventralplatten. Fig. 11. Unterseite desselben Stückes. Tafel 25. Rekonstruktion von Sphaeraster pumetatus Qu. Gypsmodell in natürlicher Größ e. Die die Dorsal- und Ventralplatten ete. bedeckenden Kalkplättchen, Stacheln etc. sind nicht gezeichnet. Fig. 1. Seitenansicht der Dorsalseite. madrep. — Madreporenplatte, mo = obere Randplatten (Marginalia), Amb. f. = Ambulacralfurche, oc = Ocellarplatte. Fig. 2. Ventralseite. ad= Adambulacra, mu = untere Randplatten (Marginalia). a Archiv für Biontologie, Bd. I. Tafel 24. W. Janensch phot. Meisenbach Riffarth & Co., Berlin-Schöneberg F. Schöndorf, Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. = Et “ 2 “N # ae ESFERTETTIREEEN Sugar = Seen 22 Doc 3 ” ne Archiv für Biontologie, Bd. 1. Tafel 25. oc. mo, M. Rudloff gez. Meisenbach Riffarth & Co., Berlin-Schöneberg F. Schöndorf, Die Organisation und systematische Stellung der Sphaeriten. ne Pierosphenus Schweinfurthi Andrews Entwicklung der Palaeophiden. Von W. Janensch. Hierzu Tafel 26—27. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1906, Inhalt. Einleitung Pterosphenus Bomseinf und In ds ews Vorbemerkung Wirbel Wirbeltypus I Wirbeltypus II . Wirbeltypus III. Maße der Wirbel I po EL a BEER re Reihenfolge der Wirbel und Shelllna derselben im Körper . Rippen Körpergröße Körperform Lebensweise Funktionelle Ahpassung im Ban der Win heil Pterosphenus Schucherti Lucas Die Gattung Pulaeophis Abgrenzung von Palaeophis und Plevosplantes: AN U LOS AHRRE Vergleichende Übersicht über die Palaeophiden, deren fortschreitende Ent- wicklung und geologisches Vorkommen ! Über die systematische Stellung der Palaeophiden Literatur-Verzeichnis SUESY) ww m m m 1) ma aa a SSEEISEIERS SER —— MrrpjH [0 00 0 Wer) Co © v0 wo wo wo wo vo Co ©» N es Ha wa © 09 8 N DD m ISTURHN > (de) Enry 2 i EHE U ) Einleitung. Den nachfolgenden Ausführungen liegt als Untersuchungsmaterial eine größere Anzahl von Resten des Plerosphenus Schweinfurthi zuGrunde, jener merkwürdigen, hoch- spezialisierten Schlange, die von Andrews aus der meist zum Mitteleoeän ge- stellten oberen Mokattam-Stufe des Fajum in Ägypten beschrieben wurde. In seiner ersten, vorläufigen Mitteilung (1901) wurde die genannte Art unter dem neuen Gattungsnamen Moeriophis bekannt gegeben. Die Zurechnung derselben zu der von Lucas (1899) aufgestellten Gattung Pierosphenus und die Aufgabe der anderen Gattungsbezeichnung erfolgte dann in dem vor kurzem erschienenen, präch- tigen, mit zahlreichen Tafeln versehenen Katalog Andrews über die Wirbeltiere des Fajum (1906). Zu der Beschreibung Andrews werden die vorliegenden Untersuchungen Er- gänzungen in mehrfacher Beziehung bringen. Es wird namentlich Wert darauf ge- lest werden, die Verschiedenheiten festzustellen, die die Wirbel unter einander erkennen lassen, und die Unterscheidung mehrerer Typen gestatten. Das vorliegende Material gestattet es ferner, über die Rippen Angaben zu machen. Auch soll weiterhin eine Deutung gewisser bemerkenswerter Eigenschaften auf Grund physio- logisch-biologischer Betrachtungen versucht werden. Im Anschlusse an Pierosphenus Schweinfurthi Andr. werden dann auch alle übrigen bekannt gewordenen Palaeophiden, soweit es durch die bloße Benutzung der Literatur möglich ist, behandelt werden. Insbesondere dürfte der Nachweis von allgemeinerem Interesse sein, daß diese gewaltigen Seeschlangen, nach den bis jetzt bekannten Funden zu schließen, eine schrittweise fortschreitende Speziali- sierung erkennen lassen, die im Einklange mit ihrem geologischen Auf- treten steht. Den Herren Professor Dr. E. Fraas in Stuttgart, Professor Dr. Kinkelin in Frankfurt a./M. und Professor Dr. Rothpletz in München spreche ich für die gütige Überlassung der in den ihnen unterstellten Museen be- findlichen Materialien von Pterosphenus Schweinfurthi meinen verbindlichsten Dank aus. Auch Herrn Dr. E. Stromer v. Reichenbach im München schulde ich für mehrfache freundliche Auskunft Dank. [N SR NG x Pterosphenus Schweinfurthi Andrews. Vorbemerkung. Das ganze untersuchte Material von Pt. Schweinfurthi stammt aus der oberen Mokattam-Stufe des Fajum in Ägypten, die im allgemeinen zum Mitteleocän gestellt wird, deren Alter aber, wie später (p. 542) noch genauer angegeben wird, doch vielleicht bereits Obereocän ist. Es standen zur Bearbeitung zur Verfügung aus dem Senckenbergischen Museum zu Frankfurt a. M. 9 Wirbel, aus dem palaeontologischen Museum in München von Qasr el Qerun und Qasr el Sagha ca. 90 isolierte Wirbel, zwei im Zusammenhang erhaltene Abschnitte der Wirbelsäule mit S und 6 Wirbeln und Bruchstücke von etwa 20 Rippen, aus dem Naturalienkabinet zu Stuttgart von Dimeh 22 Wirbel, aus derselben Sammlung mit der Fundortsbezeichnung „nördlich von Qasr el Qerun“ 21 einzelne Wirbel, 5 Teile der Wirbelsäule zu 2 Wirbel, 2 zu 3 Wirbel und 1 zu 9 Wirbel, ferner 12 Rippenstücke, sowie ein großes und ein kleines unbestimmbares Fragment, ersteres, wenn zu Pterosphenus Schweinfurthi ge- hörig, offenbar vom Schädel stammend. Wirbel. Der Beschreibung möge eine Bemerkung vorausgeschickt werden. Die Wirbel _ von Pterosphenus Schweinfurthi weichen in ihrer Gestalt in so erheblichem Maße von denen der lebenden Schlangen ab, daß es durchaus verständlich erscheint, wenn zunächst sich Bedenken bezüglich der Zugehörigkeit zu dieser Reptilgruppe erheben sollten. Da diese Frage aber nur unter Berücksichtigung der übrigen bekannt gewordenen Palaeophiden behandelt werden kann, so soll ihre genauere Besprechung in einem späteren Kapitel (p. 345) erfolgen, nachdem wir vorher die anderen Formen dieser Familie kennen gelernt haben. Als Ergebnis sei hier bereits angegeben, daß gegen- über der Auffassung, daß die Palaeophiden in der Tat Schlangen, wenn auch sehr extrem spezialisierte, waren, Zweifel nicht berechtist sind. Schon,ein flüchtiger Blick auf die große Zahl der vorliegenden Wirbel lehrt, daß dieselben nicht nur ihrer Größe, sondern auch ihrer Form nach nicht un- erhebliche Unterschiede aufweisen. Es lassen sich drei Haupttypen auseinander- 314 W. Janensch: halten, die im folgenden der Reihe nach und unter Zugrundelegung möglichst be- zeichnender Stücke besprochen werden sollen. Wirbeltypus I. Das Exemplar, das der Beschreibung zu Grunde gelegt wird und Taf. 26, Fig. 3a—e abgebildet ist, entstammt der Münchener Kollektion. Sein Fundort ist wahrscheinlich Qasr el Sagha im Norden des Fajum. Der Wirbelkörper ist dick, die Flanken ziemlich gewölbt. Der Gelenk- kopf sitzt dem Wirbelkörper fast gerade auf, sein Rand verläuft — in der Seiten- ansicht — von unten nach oben nur sehr wenig nach vorn übergeneigt und ragt scharf über die Flächen des Körpers hervor. Der Umriß des Gelenkkopfes ist breit elliptisch, derjenige der Gelenkkopfgrube naturgemäß genau der gleiche. Auch ihr Rand steht wie der des Gelenkkopfes fast senkrecht, nur wenig nach vorn übergeneigt. In der Medianlinie sitzen auf dem Körper ventral zwei hintereinander gelegene Hypapophysen von nicht bedeutender, aber gleicher Höhe und gleicher, ziemlich beträchtlicher Dieke. Die vordere ist nach vorn übergeneigt und ragt über den Rand der Gelenkkopfgrube in Form einer stumpfen Spitze vor. Die hintere ist nach vorn und hinten symmetrisch, von rundlichem Umriß und nach außen zu- geschärft. Beide Hypapophysen sind durch einen niedrigen und stumpfen Kamm mit einander verbunden. Der obere Bogen erhebt sich über einem engen, niedrigen und oben gerundet dreiseitigen Neuralkanal zu beträchtlicher Höhe. Er trägt vorn das Zygosphen, das von dreieckigem Umriß ist und auf seiner Vorderseite in der Mitte eine flache Einsenkung besitzt. Die Gelenkflächen sind verhältnismäßig wenig geneist und haben ovalen Umriß. Nach oben geht das Zygosphen in den hohen Dornfortsatz aus. Sein vor- derer Rand ist sehr scharf und ziemlich schräg aufwärts verlaufend, während der hintere dicker und nur sehr schwach geneist ist. Enstprechend dieser verschiedenen Neigung der Konturen verschmälert sich der Dornfortsatz nach oben zu merklich. Der obere Rand verläuft horizontal. Schräg nach hinten und auswärts geht von dem oberen Bogen jederseits ein merkwürdiger, mächtiger flügelartiger Fortsatz aus, der etwa die halbe Höhe des Dornfortsatzes hat. Ihre oberen Ränder gehen fast horizontal von dem Dorn- fortsatz ab und erheben sich nur wenig an ihren Enden, wo sie dann in spitzem Winkel schroff nach unten abfallen und so scharf hervorragende, auffallende Spitzen bilden. In der Aufsicht von oben (Tab. 26, Fig. 3d) zeigt sich, daß die Flügel- fortsätze, wie sie genannt sein mögen, einen stumpfen Winkel einschließen. Von der Spitze dieser Flügelfortsätze aus geht ein kräftiger Wulst in gerader Richtung schräg abwärts, verflacht sich aber dann und läuft in der Mitte zwischen Post- und Praezygapophysen aus. Der Hinterrand der Flügelfortsätze fällt schwach geschwungen, beinahe senkrecht ab. Ihre Hinterflächen gehen in der Mitte ohne scharfen Absatz in einander über und stellen eine flache, gleichmäßig einfallende Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. 315 Mulde dar. In ihr liegen beiderseits neben dem Neuralkanal in tiefen, halbkreis- förmig umgrenzten, nur durch eine flache Einsenkung verbundenen Gruben die Gelenkflächen des Zygantrums, deren Form und Neigung mit denen des Zygosphens naturgemäß übereinstimmen. Im Grunde dieser Gruben endigende, in das Innere des oberen Bogens sich erstreckende Foramina wie sie Lucas (1899) für Ptero- sphenus Schucherti angibt, waren auch an Wirbeln, an denen das Zygantrum völlig rein freigelest war, nicht zu finden. Der Hinterrand der Flügelfortsätze verdickt sich nach unten und trägt die nach unten gewandten Gelenkflächen der Postzygapophysen. Sie sind von ovalem Umriß, mit ihren Längsachsen nur ein wenig nach vorn zu konvergierend, also der Längsrichtung des Wirbels beinahe parallel. Sie sind dabei ungefähr horizontal gestellt, weichen davon nur insofern ab, als sie nach innen zu schwach einfallen, nicht aber daneben auch nach vorn oder hinten. Wenn letzteres zu be- obachten war, so ließ sich stets feststellen, daß eine Verdrückung schuld daran war. Es sei dies betont gegenüber der Angabe Andrews (1906), daß die Fazetten der Praezygapophysen nach oben und ein wenig nach hinten, und die Postzygapophysen nach unten und ein wenig nach vorn sähen. Wenn das die von ihm gegebenen Seitenansichten (Pl. XXVI Fig. AB, 5, 6) zu bestätigen scheinen, so liegt das lediglich daran, daß diese Abbildungen ein wenig nach hinten übergeneigt gestellt sind. Es ist das daran zu erkennen, daß die Verbindungslinien der Fazetten der Post- und Praezygapophysen nicht horizontal verlaufen, sondern nach hinten ein- fallen. Die Praezygapophysen springen nach vorn etwas über den Rand der Ge- lenkkopfgrube vor und sind von ihm durch eine deutliche Furche getrennt. Nach hinten geht von ihnen eine wulstförmige Erhöhung aus, die sich auf die Post- zygapophyse zu hinzieht und eine flache, aber deutlich ausgeprägte, muldenartige Eintiefung überdacht. Form und Lage der Gelenkflächen sind ganz die gleichen, wie an den Postzygapophysen. Auf der Vorderseite jeder Praezygapophyse zieht sich nach unten und hinten ein weit vorspringender Wulst hinab, der von dem Gelenkgrubenrand durch eine Furche getrennt ist, nach hinten in die Fläche des Wirbelkörpers ausläuft und nach unten in den Querfortsatz übergeht. Der Querfortsatz stellt einen kräftigen, zapfenförmigen, nach unten gerichteten und zugleich nach vorn vorgekrümmten Auswuchs dar. Es ragt wie die vordere Hypapophyse, ein wenig über den Rand der Gelenkkopfgrube hinaus. Die Gelenk- fläche für die Rippe ist von bohnenförmigem Umriß und mit ihrer Längsrichtung schräg naeh vorn unten gerichtet. Die Wölbung ist nicht sehr beträchtlich. In einer Serie von Wirbeln dieses Typus von Qasr el Sagha aus der Münchener Sammlung, die anscheinend zusammen gehören, finden sich auch einige von geringeren Dimensionen. Sie unterscheiden sich durch etwas geringere relative Länge (Tab. p. 318 Nr. 1), sowie dadureh, daß die Zygapophysenfazetten gegen die Mittellinie stärker geneigt sind. Zahlreich sind weiter Wirbel vertreten, die sich in der Größe ganz an den beschriebenen Typus anschließen, und auch in der Form nahezu mit ihm überein- 316 W. Janensch: stimmen, aber dadurch abweichen, daß der Kondylus nicht ganz so stark in die Breite gezogen ist, und daß der Querschnitt des ganzen Wirbels ein wenig schmäler ist (Tab. p. 318, Nr. 3). Ganz vereinzelt liegen ferner Wirbel vor, die insofern zu dem zweiten Typus überleiten, als sie weiter und höher ausgezogene Flügelfortsätze aufweisen. Der verhältnismäßig breite Gelenkkopf des Typus I ist noch vorhanden. Die Erhaltung ist im übrigen zu ungünstig, um genaue Messungen vornehmen zu können. Wirbeltypus II. Der zweite Typus, zu dem ein besonders stattlicher Wirbel aus der Frank- furter Sammlung die Abbildung Taf. 26, Fig. 4a—e geliefert hat, ist im allgemeinen durch seinen beträchtlich hohen und schmalen Querschnitt ausgezeichnet. Er unter- scheidet sich von dem ersten zunächst dadurch, daß Kondylus und Gelenkgrube des Körpers weniger stark queroval sind, sondern fast kreisrunden Umriß besitzen. Die Flanken des Körpers sind flacher und bilden fast ebene, unter sehr spitzem Winkel nach unten zu gegeneinander geneigte Flächen. Die Ränder des Kondylus ragen stärker über sie hervor. Die Hypapophysen sind bedeutend länger; die hintere zeigt mehr dreiseitigen Umriß, ihre hintere Kontur ist weniger gegen die des Kondylus abgesetzt. Der beide verbindende Kamm ist höher und zudem schneidig scharf. Die Querfort- sätze sind gleichfalls sehr viel länger ausgezogen, sie sind außerdem näher zusam- mengerückt und lassen schmälere Zwischenräume zwischen sich und der vorderen Hypapophyse frei. Die Praezygapophysen haben geringere seitliche Ausdehnung, die Fazetten erhalten dadurch schmaler elliptischen Umriß. Das Zygosphen ist dagegen von fast ganz gleicher Form. Besonders groß und auffallend sind die Unterschiede, die der obere Bogen erkennen läßt. Die Flügelfortsätze sind nämlich sehr viel stärker und umfang- reicher entwickelt. Ihre Ansatzstelle an den Dornfortsatz liest höher, ihre spitzen Endigungen sind sehr viel weiter und steiler nach oben ausgezogen, so daß ihre obere Kontur nach hinten stark ansteigt. Beide Flügelfortsätze bilden einen spitzeren Winkel miteinander, so daß die hinteren, annähernd senkrecht abfallenden Ränder, sowie die Außenflächen der Postzygapophysen einander näher stehen. Der Dornfortsatz ist von gewaltiger Höhe. Vorder- und Hinterrand sind heide merklich nach hinten übergeneigt, verlaufen aber fast genau parallel zueinander. Zu diesem Typus II gehört eine größere Zahl Wirbel, die meist die Größe des Typus I aufweisen. Aber auch die größten Exemplare, die vorliegen und zwar aus der Frankfurter Sammlung stammen, gehören diesem zweiten Typus an; unter ihnen, befindet sich, das abgebildete Exemplar (Taf. 26, Fig. 4a—e), dessen Maße in der Tabelle (p. 313) aufgenommen sind. Die Spitzen der Flügelfortsätze sind leider an ihm abgebrochen und wurden an der Abbildung ergänzt. Die Seitenansicht eines kleineren Wirbels aus der Stuttgarter Sammlung zeigt (Taf. 27, Fig. 3) die Flügelfortsätze in vollständiger Erhaltung. Vielleicht sind sie ein wenig kürzer, als sie ursprünglich bei dem anderen abgebildeten, großen Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. 317 Stück waren, und der Dornfortsatz etwas schmäler. In allen übrigen Punkten ist aber keinerlei Abweichung zu erkennen. Wirbeltypus III. Vom dritten Typus liegen einige Wirbel aus der Stuttgarter und Münchener Sammlung vor, deren Erhaltung aber leider durchweg viel zu wünschen übrig läßt. Abgesehen davon, daß sie nicht vollständig erhalten sind, haben sie auch meist eine mehr oder weniger starke Verdrückung erfahren. Ihrem äußeren Habitus nach schließen sie sich sehr eng den eben beschriebenen Wirbeln an, indessen sind sie alle von geringeren Dimensionen, da die Länge des Körpers nur etwa 20 mm und weniger beträgt. Als bezeichnende und vom Typus II abweichende Merkmale eines Wirbels von ausgesprochenem Gepräge des Typus III müssen die folgenden gelten: Der Umriß des Gelenkkopfes ist etwas höher als breit, der Körper ist relativ sehr viel schmäler, die Flügelfortsätze stehen unter einem noch etwas spitzeren Winkel zueinander, was im Verein mit dem vorigen Merkmal dem ganzen Wirbel eine etwas schmälere Gestalt gibt, die Querfortsätze sind kräftiger und relativ länger, stärker nach vorn vorgebogen und enger aneinander gerückt, derart, daß der Zwischenraum nicht breiter ist, als ein einzelner von ihnen dick. Die vordere Hypapophyse ist nicht entwickelt, die hintere ist in einem Falle teilweise erhalten, nach hinten gerichtet und scheint von ziemlich beträchtlicher Länge gewesen zu sein. Die Fazetten des Zygosphens haben steilere Stellung und befinden sich in größerem Abstande von denen der Praezygapophysen. Die Dornfortsätze fehlen bei allen Exemplaren des dritten Typus fast ganz. Wegen der ungünstigen Erhaltung kann eine vollständige Abbildung nicht ge- geben werden, sondern nur drei Ansichten (Taf. 27, Fig. 1a—c) eines Wirbels der Stuttgarter Sammlung, dessen dorsale Teile abgewittert sind. Seine Maße finden sich in der Tabelle (p. 318) unter Nr. 8. Diese Form ist mit dem vorigen Typus durch Übergänge verbunden. Sehr nahe dem dritten Typus steht noch das Taf. 27, Fig. 2a—e abgebildete, ein wenig srößere Exemplar der Stuttgarter Sammlung. Die Querfortsätze stehen ein wenig weiter ab und es muß aus dem Vorhandensein einer schmalen Bruchfläche zwischen ihnen geschlossen werden, daß eine, wenn auch sehr dünne, vordere Hy- papophyse vorhanden war. Beim Vergleiche mit Wirbeltypus II ergibt sich, daß, abgesehen von dem geringeren Abstande der Querfortsätze, die Flügelfortsätze einen etwas spitzeren Winkel miteinander bilden und daß der Höhenbetrag vom Kondylus bis zum oberen Rand der Flügelfortsätze relativ größer ist. Gelenkkopf und Gelenkkopfgrube sind auffallend stark hoch oval, offenbar aber infolge ungünstiger Erhaltung bezw. Verdrückung. Jedenfalls sind sie bei einem anderen kaum größeren Wirbel derselben Art und aus der gleichen Kollektion fast kreisrund. Es sind offenbar Wirbel des dritten Typus und diese zuletzt besprochenen Übergangsformen, von denen Andrews (1906) sagt: „In some also the anterior process of the hypapophysis is much smaller than the posterior and may in some cases be entirely wanting.“ 318 W. Janensch; Maße der Wirbel von Pterosphenus Schweinfurthi Andr. a b c d e f g a:d| e:d 2 |5% a5£3 | ,.a 3,88 53 = are es jesee: 2a. jene 4= En 3 S Suo | Boa. || FERASS | on | Sr ag | See organ ao een see: 5 = n sus EuSta |285 | 2.288 | Se | 38 ı3:0 En © Sr sesäan | Ss Sudas Ee|E AR EL S |\oua| FIäss | „AS | 3750: | eR ® &0 © = Ss Ba Dear | ae 25 [=] gs 5a 3 = .rS 1) Sg» = Baio=| = © E | 88 SESES | ST 2583 = Es R lee een Typus I: 1. 22 11 13 25 30 0,89 | 1,20 2. Taf. 26 Fig. 3 a—e 25 12 15!/a 26 sl 26 65 0,96 | 1,19 3. 95 ıs 1a 85 32%; 97 67 1,00 | 1,30 Typus U: 4. Dr 1320 26 36%/a 1,04 | 1,40 5. Taf. 27 Fig. 4a—e 3l 17 18 28 44 42 94 1,11 | 1,57 6. 241, | 13% | 14 21!/a 34 1,14 Typus II: 7. Übergang zu Typ. II Taf. 27 Fig. 2a-—e 21(2) 1111%@)10%%(2)| 21 31 1,00(?)) 1,48 8. Taf. 27 Fig. 1a—c 19 | 10% | 102) | 17(2?) Reihenfolge der Wirbel und Stellung derselben im Körper. Aus der Beschreibung der Wirbel geht hervor, daß sich diese ihrer Form nach in einer zusammenhängenden Reihe anordnen lassen, deren Folge wählten Numerierung der ge- entsprechen oder die umgekehrte sein kann. Eine solche Aneinanderreihung läßt eine gleichmäßige Änderung gewisser Formelemente erkennen: Der Umriß des Gelenkkopfes geht von querovalem Umriß des Typus I in den an- nähernd kreisrunden des II. und den schwach hochovalen des Typus III über. Die relative Länge des Körpers, sowie die relative Höhe des ganzen Wirbels nehmen zunächst zu, vermindern sich aber bei III wieder. In gleichmäßiger Weise tritt eine fortdauernde Abnahme des Winkels auf, den die Flügelfortsätze miteinander ein- schließen. Die Querfortsätze rücken allmählich immer näher aneinander heran, schließlich so nahe, daß kein Platz mehr für die vordere Hypapophyse übrig. bleibt und diese verschwindet. Querfortsätze und, soweit sie erhalten ist, auch die hintere Hypapophyse nehmen ferner an Länge und Stärke zu. So lassen sich also die verschiedenen Wirbelformen ungezwungen aneinander- reihen. Daß kleine Absätze oder Lücken in dieser Reihe vorhanden sind, muß als selbstverständlich erscheinen, wenn man bedenkt, daß ihrer Gesamtzahl nach die vorliegenden Wirbel vielleicht nur ein Drittel oder einen noch geringeren Bruch- teil der ganzen Summe eines Individuums bilden können, sowie daß diese von einer Anzahl verschieden großer Individuen stammen. Es sind andrerseits die nicht durch Übergänge vermittelten Abweichungen nicht so bedeutend, daß man die Ver- schiedenheit der Typen auf Zugehörigkeit zu mehreren Arten wahrscheinlich machen könnte. Neben der Möglichkeit einer solehen Anordnung zu einer Reihe sich schritt- weise ändernder Formen spricht ferner für die Auffassung der Typen als Wirbelformen Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. 319 verschiedener Rumpfregionen die Tatsache in gewichtiger Weise, daß bei der nahe verwandten Gattung Palaeophis, wie noch ausführlicher weiter unten ausgeführt werden wird, die entsprechenden Typen in gleicher Weise nebeneinander auftreten. Zu beantworten bliebe aber ferner noch die Frage, ob die oben angenommene Reihenfolge die richtige ist oder nicht etwa vielleicht die umgekehrte. Da die Wirbel isoliert vorliegen und auch von verwandten Formen größere, im Zusammen- hang befindliche und mehr als einen Typus aufweisende Stücke der Wirbelsäule nicht bekannt geworden sind, so bleibt zur Entscheidung obiger Frage nur eine ver- gleichende Besprechung der Verhältnisse bei lebenden Schlangen als einziger Weg übrig. 1 In seiner verdienstvollen Arbeit über die Wirbelsäule der Schlangen (1881) kommt de Rochebrune zu dem Ergebnis, daß sich 5 Regionen unterscheiden lassen, deren jede durch bestimmte Wirbelform charakterisiert sei. Es sind dies die „region cervicale“, aus Atlas und Epistropheus bestehend, die „region thoracique“, „region pelvinienne“, „region sacree“, durch die Gabelung der Querfortsätze ausgezeichnet, und die „region coccygienne“, der Schwanz. Für unsere Betrachtungen kommen hier nur die zweite und dritte Region in Frage, die den eigentlichen Rumpf ausmachen. Scharf zu trennen sind die region thoracique und pelvinienne natürlich nicht, aber es sind doch gewisse Unter- schiede zwischen den vorderen und den hinteren Rumpfwirbeln unverkennbar, die von de Rochebrune betont werden. Nach seiner Charakteristik sollen die Wirbel der region thoracique u. a. ausgezeichnet sein durch relative Kürze des Wirbel- körpers, starke Entwicklung der Dornfortsätze und Hypapophysen, steil und hoch hinaufziehende obere Bogen und Kürze der Zygapophysen. Mit Ausnahme des erst- genannten bedingen alle die aufgezählten Punkte, die übrigens die Diagnose noch nicht ganz erschöpfen, einen verhältnismäßig hohen und schmalen Querschnitt, was sich in der Ansicht von vorn und hinten deutlich ausprägt. Die Wirbel der region pelvinienne, also des hinteren Teiles des Rumpfes, wo sie ihre größten Dimen- sionen erlangen, sollen dagegen durch Dicke und verhältnismäßig große Länge des Wirbelkörpers, Kürze des Dornfortsatzes und der Hypapophyse, Abflachung und Ausdehnung der oberen Bögen, starke Entwicklung der Zygapophysen charakterisiert sein. Hierdurch wird, umgekehrt wie bei den vorderen Rumpfwirbeln, ein niedriger und breiter Querschnitt hervorgerufen. Diese von de Rochebrune gegebene Charakteristik entspricht den Verhält- nissen bei Python und trifft vielleicht auch für alle übrigen Landschlangen zu, was festzustellen jedoch nicht in den Rahmen der vorliegenden Arbeit fällt. Anders verhalten sich, wie ich an Skeletten der zoologischen Abteilung des Museums für Naturkunde, die mir durch das freundliche Entgegenkommen des Herrn Professor Dr. Tornier zur Untersuchung zugänglich gemacht wurden, nachweisen konnte, gewisse an das Wasserleben angepaßte Seeschlangen, die Hydrophinen. Bei Aydrus platurus L. sind die Wirbel, deren absolute Länge, abgesehen von denen des vordersten und hintersten Rumpfabschnittes, sich auffallend gleich bleibt, in dessen vorderem Teile allerdings gleichfalls relativ kürzer als im hinteren; in diesem Punkte herrscht also Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Unter- 320 W. Janensch: suchungen de Rochebrune’s. Dagegen ist der Querschnitt vorn sehr viel breiter als hinten und auch die Dornfortsätze werden von vorn nach hinten ein wenig höher. Ebenso verhält sich die Wirbelsäule von Einhydris hardwickü Gray, nur ist hier das Anwachsen der Dornfortsätze nach hinten zu noch deutlicher aus- gesprochen. Die Hypapophysen sind auch bei beiden Seeschlangen im vordersten Teile des Rumpfes am kräftigsten entwickelt. Als nicht unwichtige Eigenschaft sei ferner noch hervorgehoben, daß bei beiden besprochenen Formen die Querfortsätze vorn weiter von einander entfernt stehen als hinten. In diesem Punkte verhält sich, wie ich feststellen konnte, Python ganz entsprechend, indem auch hier im hintersten Körperabschnitt die Querfortsätze näher an einander gerückt sind als im vorderen. Aus diesen Ausführungen ergibt sich also folgendes: Bei Python weisen die Wirbel der vorderen Körperregion höheren und schmäleren Querschnitt und längere Dornfortsätze, die der hinteren dagegen niedrigeren und breiteren Querschnitt und kürzere Dornfortsätze auf, während bei den Hydrophinen in diesen Punkten die Verhältnisse gerade umgekehrt liegen. Übereinstimmend sind bei beiden die Hypa- pophysen vorn stärker entwickelt als hinten, die Querfortsätze hinten näher anein- ander gerückt als vorn, und die Wirbel vorn relativ kürzer als hinten. Angesichts der Verschiedenheiten, die sich also offenbar bezüglich der Wirbel- säule bei lebenden Schlangen finden, fällt es schwer, sich für eine bestimmte An- ordnung der Wirbeltypen bei Pterosphenus Schweinfurthi zu entscheiden. Weder mit Python noch mit den Hydrophinen herrscht bezüglich des Zusammentreffens der einzelnen hervorgehobenen Merkmale Übereinstimmung. Würde man die von Cope, Marsh und de Rochebrune ausgesprochene An- sicht annehmen, daß die Palaeophiden, zu denen Pterosphenus ja auch zu rechnen ist, mit den Pythoniden näher verwandt sind, eine Auffassung, die zur Zeit durchaus unbeweisbar ist, so würde es nahe liegen, in der Anord- nung der Wirbel eine möglichst große Übereinstimmung mit diesen zu erstreben. Es wäre aber auch dann fraglich, ob man richtig verführe. Die Formverhältnisse der Wirbel sind im allgemeinen ohne Zweifel in sehr erheblichem Maße durch physio- logische Momente, Zugkräfte der ansitzenden Muskulatur, Druckkräfte der ruhenden oder bewegten Masse des Körpers bedingt, wie besonders deutlich an den Säuge- tieren zu sehen ist. Stellt man diesen Gesichtspunkt in den Vordergrund, so würde man mehr geneigt sein, die Verhältnisse der Hydrophinen der Anordnung der Pterosphenus-Wirbel zugrunde zu legen, da in beiden stark an das Wasserleben angepaßte Schlangen zu sehen sind. Für diese Auffassung dürfte es ferner noch sprechen, daß größere Ähnlichkeit der allgemeinen Maßverhältnisse mit denen der Hydrophinenwirbel in der Tat vorhanden ist. In beiden Fällen ist der relativ kürzere und breitere Typus durch niedrigere, der relativ längere durch höhere Dorm- fortsätze ausgezeichnet. Entsprechend der Aufeinanderfolge bei den Hydrophinen würde man dann dem ersteren Typus auch bei Pterosphenus Schwewmnfurthi eine Stellung im vorderen Teile des Rumpfes, dem dritten im hinteren anzuweisen haben. Das Verhalten der Querfortsätze, die ja bei Python wie bei den Hydrophinen hinten enger aneinander gerückt sind als vorn, würde gleichfalls für diese An- ordnung sprechen. Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. 3921 Gegen diese Auffassung, daß Typus I der vorderen, Typus IIT mehr der hin- teren Rumpfregion zuzurechnen ist, kann die Ausbildung der Hypapophyse ins Feld geführt werden. Wir finden bei lebenden Schlangen anscheinend immer, daß in der vordersten Region die nach hinten gerichtete Hypapophyse besonders stark entwickelt ist und eine mehr oder weniger frei vorspringende Spitze bildet. Es gilt das ebenso wohl für Python als auch für die Hydrophinen. Würde man also die Länge der Hypapophyse in den Vordergrund stellen, wie es auch Owen für die Gattung Palaeophis getan hat, so würden wir zu einer umgekehrten Reihenfolge der Wirbel bei Pierosphenus kommen. Indessen dürfte es fraglich erscheinen, ob der Länge der Hypapophyse allein eine so große Bedeutung beizumessen ist. Es ist durchaus nicht sicher, daß man den längeren Hypapophysen von Typus II und III die gleiche Bedeutung zumessen muß, wie denen des vorderen Rumpfes der rezenten Schlangen, für die sie übrigens zur Zeit noch durchaus nicht klar liest. Denn es muß betont werden, daß wir in ersterem Falle keine frei in den Rippenkorb vorragende Spitze finden, vielmehr legt sie sich ja an die vordere Hypapophyse des folgenden Wirbels und bildet mit dieser zusammen einen durch die Grenze beider nur verhältnismäßig schwach unterbrochenen Rücken, wie es die Darstellung von drei zusammenhängenden Wirbeln des Typus I (Taf. 27, Fig. 4) gleichfalls zeigt. Für Typus III gilt das eben gesagte nun allerdings nicht, da bei ihm eine vordere Hypapophyse ja nicht ausgebildet ist. Eine frei vorspringende Spitze stellt die Hypapophyse aber auch bei diesem insofern nicht dar, als die eng aneinander gerückten und stark nach vorn vorgezogenen Querfortsätze des folgenden Wirbels sie seitlich flankieren. Das Ergebnis dieser Ausführungen wäre also wohl dahin zusammenzufassen, daß eine sichere Entscheidung über die Stellung der Wirbeltypen von Pterosphenus Schweinfurthi nicht zu treffen ist, daß aber unter Berücksichtigung aller in Frage kommenden Punkte die hier vorgeschlagene und befolste Anordnung mehr Wahr- scheinlichkeit haben dürfte, als die umgekehrte. Bei Annahme der hier befürworteten Auffassung der Wirbeltypen bliebe noch die Frage nach ihrer genaueren Stellung offen. Diese ist naturgemäß mit noch geringerer Sicherheit zu beantworten. Wenn Typus I der vorderen Körperregion zugehört, so würde die kleinere Abart von ihm mit den schräger stehenden Zygapo- physenfazetten und kürzerem Körper in dem allervordersten Rumpfabschnitt, bald hinter dem Schädel anzunehmen sein. Wie weit Typus I und dann Typus II an- dauert, ist ganz ungewiß. Typus III, der nur in kleinen Exemplaren vorliegt, was auch ebenso für die entsprechende Wirbelform von Palaeophis typhaeus nach Angaben und Abbildungen Owens zutrifft, müßten wir wohl eine Stellung nicht weit vor Beginn des Schwanzes zuschreiben. Hoffentlich bringen spätere Funde von größeren Partien der Wirbelsäule die Aufklärung über die wirkliche Aufeinanderfolge der Typen. Vor allem wäre es von großer Wichtigkeit, wenn Schwanzwirbel bekannt würden und sich feststellen ließe, ob Pterosphenus etwa einen Ruderschwanz nach Art der Hydrophinen besessen hatte. 322 W. Janensch: Rippen. In dem Material der Münchener Sammlung sind eine Anzahl von Rippen- bruchstücken enthalten. Es finden sich an den bereits erwähnten, im Zusammen- hang gebliebenen Abschnitten der Wirbelsäule noch proximale Enden erhalten, in- dessen sind diese nur sehr kurz. Länger sind dagegen zahlreiche isolierte Rippen- stücke, die zum größeren Teile, 14 Exemplare, von Qasr el Sasha stammen, während für einige wenige, kurze Qasr el Qerun als Fundpunkt angegeben ist. I Seitenansicht von Rippenbruchstücken von Plerosphenus Schweinfurtii Andrews, I und III mit Ansichten der Gelenkfläche. Sämtlich von Qasr elSagha, Münchener Sammlung. Nat. Größe. Zu den letzteren gehören einige Fragmente von besonderer Stärke, unter denen das eine abgebildete (Textfig. I) das proximale Ende gut erhalten zeigt. An der etwa 70 mm von diesem entfernten, distalen Bruchendigung besitzt die Rippe eine Breite von 8 mm, die sich weiter nach vorn zu auf etwa li mm erhöht. Sie ist seitlich stark zusammengedrückt; außerdem verlaufen beiderseits wohl ausgeprägte Furchen, die anscheinend ursprünglich, nicht aber durch Verdrückung entstanden sind, und von denen die eine etwas tiefer, als die andere ist. Die Dicke der Rippe beträgt unterhalb der Furchen 5!/; mm, oberhalb derselben nur 4 mm. Etwa 20 mm vor dem proximalen Ende verschwinden die Furchen. In einer Entfernung von 10 mm von diesem verjüngt sich die Rippe ganz unbedeutend und verdickt Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden, 323 sich dann wieder gleichmäßig bis zum proximalen Ende. Die Gelenkfläche (Textfig. D) zeiet im ganzen ovalen Umriß und stellt eine flach eingesenkte Mulde dar. Auf der einen Seite findet sich in der Umrißlinie eine flache Ausbuchtung, der eine stumpfe, hervorragende Ecke folet. Dieser letzteren entspricht auf der Außenfläche eine stark hervorspringende Kante, der ersteren eine flache Einsenkuns, die gegen diese deutlich abgesetzt ist. Ein „Tuberculum costae“, das man anscheinend bei den lebenden Formen stets gefunden hat, ist ebenso wenig wie bei Archaeophis (Janensch 1906) vor- handen. Die besprochene Kante bei Pt. Sehweimfwrthi kann mit diesem „Tuber- ceulum costae“ nichts zu tun haben, -da sie nach der unteren, konkaven Flanke hingerückt ist, während dieses viel höher sitzt. Unter den schwächeren Rippen von Qasr el Sagha sind einige vollständiger erhalten. Von ihnen mißt die längste (Textfie. III) fast 12 cm. Die Längs- furche ist bei dieser auf der einen Seite sehr deutlich, auf der anderen sehr schwach ausgeprägt. Die Längsachse der Gelenkfazette beträgt 10 mm, die größte Breite der Rippe an der Stelle der stärksten Krümmung ebensoviel, wobei indessen zu bemerken ist, daß der Betrag hier vielleicht durch Verdrückung ein wenig zu groß geworden ist. Die Krümmung ist im ersten Drittel des erhaltenen Teiles am stärksten, im zweiten sehr gering und im dritten kaum noch erkennbar. Noch geringere Krümmung zeigt eine dritte, schwächere Rippe (Textfig. ID) von fast 10!) cm Länge, bei der das Gelenkende randlich etwas angewittert ist, die Furchen aber auf beiden Seiten deutlich ausgeprägt sind. Aus dem fast geradlinigen Verlaufe des distalen Teiles aller vorliegenden, voll- ständigeren Rippen, muß man schließen, daß auch der übrige fehlende, distale Ab- schnitt fast gerade war. Wie sroß die ganze Länge der Rippen betragen haben mag, ist natürlich mit Sicherheit nicht zu ermitteln. Um welche Beträge es sich dabei handeln kann, ergibt sich, wenn man die Verhältnisse des Skelettes der lebenden Wasserschlangen, insbesondere der am höchsten spezialisierten von ihnen, der Hydrophinen, auf unsere Form überträgt. Daß diese Familie zum Vergleich gewählt wird, ist damit begründet, daß, wie später ausgeführt wird, auch Pterosphenus eine hochspezialisierte Wasserschlange ist und einen komprimierten Rumpf, wie die Hydrophinen, besessen haben muß. Bei den mir vorliegenden Skeletten von Enhydrıs Hardwiekuw Gray und Hydrus platwrus L. aus dem Berliner zoologischen Museum beträgt das Verhältnis von vertikalem Kondylusdurchmesser zur Rippenlänge etwa in der Mitte der hinteren Rumpfhälfte 1:26 und 1:21, von Wirbelhöhe bis zum Ansatz des Dornfortsatzes ohne Hypapophyse — die ganze Wirbelhöhe zu vergleichen erscheint wegen der außer- gewöhnlichen Höhe der Dornfortsätze und der starken Entwicklung der Hypapophyse bei Pierosphenus untunlich — zu Rippenlänge 1:11 und 1:10. Auf die großen Wirbel vom Typus II bei Pterosphenus übertragen ergeben diese Verhältnisse als Werte für die Rippenlänge 44 und 36, 47 und 43 cm. Es erscheint sehr wohl möglich, daß die wahre Länge der Rippe zu einem großen Wirbel des Typus II innerhalb dieser gefundenen Beträge gelegen haben mag. Archiv für Biontologie I. (3.) 06. 6 324 W. Janensch: Körpergrösse. Auf die nicht uninteressante Frage nach der gesamten Körperlänge von Ptero- sphenus Schweinfwrthi ist, da nur die Maßverhältnisse einzelner Wirbel bekannt sind, eine auch nur einigermaßen bestimmte Antwort nicht zu geben. Es sind da verschiedene Faktoren ausschlaggebend, in erster Linie die Zahl der Wirbel, dann aber auch die Schwankungen in deren Länge in den verschiedenen Regionen des Körpers. Es kommt insbesondere auch die Länge des Schwanzes in betracht, der sowohl in bezug auf Zahl wie auch Größe der Wirbel sehr verschiedenartige Ver- hältnisse aufweisen dann. An einem Skelett von Boa constrietor L. von einer Gesamtlänge von 2,10 m und einer Wirbelzahl von 345 wurde die größte Wirbelkörperlänge (ohne Kondylus) zu 0,7 cm, also Y/soo der Körperlänge ermittelt. An einem Skelett von Zinhydris hardwiekiü Gray von 76 em Länge und einer Wirbelzahl von 165 wurde als größte Wirbelkörperlänge ohne Kondylus 0,55 em oder 1/ıss der Körperlänge gefunden. Bei Archaeophis proavus Mass. ergab sich bei einer Gesamtlänge von etwa 51/8 em und einer Wirbelzahl von ungefähr 565 eine maximale Länge des Wirbelkörpers — gleichfalls ohne Kondylus — von etwa 0,21 em oder etwa !/aso der Körperlänge. Diese drei Beispiele beweisen in wie weiten Grenzen sich Schätzungen der Körperlänge einer Schlange bewegen können, wenn nur einzelne Wirbel bekannt sind. Übertragen wir die gefundenen Verhältniszahlen auf Pterosphenus Schwein- furthi, für den der größte gefundene Wert des Wirbelkörpers 2,5 cm beträgt, so erhalten wir Körperlängen von 7!/s, 31/s und 11!/)a m. Es leuchtet demnach ein, wie unbestimmt alle Schätzungen bleiben müssen, zumal die beiden letzten, extremen Werte auf Grund der Übertragung der Maßverhältnisse zweier Formen gewonnen sind, die, wie Pterosphenus, an das Leben im Wasser angepaßt sind, und von denen deshalb jede mit der gleichen Berechtisung der Berechnung zu Grunde gelegt werden könnte. Körperform. Bei der Feststellung der Körperform von Pierosphenus Schweinfurthi handelt es sich im wesentlichen um die Art des Rumpfquerschnittes. Andrews hatte es schon ausgesprochen, daß derselbe wahrscheilich seitlich stark zusammengedrückt gewesen sem muß, und das gleiche hatten Lucas für Pterosphenus Schucherti und Owen, Marsh und Cope für die nahestehende Gattung Palaeophis angenommen. Für die genannten Autoren war die hohe, schmale Form (der Wirbel, sowie der tiefe Sitz der Querfortsätze maßgebend. Von größerem Einflusse auf die Ge- stalt des Querschnittes sind aber zweifellos Stellung und Gestalt der Rippen. Hält man die vorliegenden proximalen Rippenstücke an die Querfortsätze, so erkennt man, daß die Rippen in der Ansicht von vorn sich fast gerade nach unten richten und bei ihrer geringen Krümmung eine sehr schmale, hohe Körperhöhlung umfassen mußten. In der Seitenansicht dürften sie ein wenig nach hinten geneigt gewesen sein, wenngleich anscheinend weniger als bei Archaeophis (vgl. Janensch 1906 Taf. 1) und den lebenden Hydrophinen. Die mächtige Entwicklung der Dornfort- sätze trägt naturgemäß noch etwas, wenn auch nicht viel zur Erhöhung des Körper- querschnittes bei. In anbetracht der Länge der Dornfortsätze und der wohl nicht Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. 325 sehr beträchtlichen Rückwärtsbiesung der Rippen dürfte die Höhe des Körpers nicht geringer, vielleicht sogar etwas größer als die Länge der Rippen gewesen sein, die oben (p. 323) besprochen wurde. Lebensweise. Den Körper von Pterosphenus Schweinfurthi haben wir uns also wie oben ausgeführt wurde, seitlich stark zusammengedrückt vorzustellen, ganz entsprechend wie bei den spezialisiertesten der lebenden Wasserschlangen oder auch ähnlich, wie ich ihn für Archaeophis proavus angenommen habe. Bei der monographischen Darstellung dieser Form habe ich (1906 p. 22) die Anpassungserscheinungen an das Wasser- leben bei den Ophidiern eingehender behandelt. Hier genüst es, daraus anzuführen daß das gemeinsame Auftreten eines hohen Körperquerschnittes, tiefsitzender, Querfortsätze und langer, wenig gekrümmter Rippen kennzeichnende Merkmale für ein Wasserleben sind. Derartige Rippen, namentlich wenn sie schräg gestellt sind, eienen sich schlecht zu der beim Kriechen auf dem festen Erdboden erforderlichen Hebelfunktion und noch weniger für das Wühlen in der Erde Daß es sich bei unserer Schlange ferner nicht um eine Baumschlange handeln kann, lehrt ein Blick auf das Skelett einer solehen. Die niedrigen, langgestreckten Wirbel und kurzen Rippen einer solchen, z. B. von Dr’yophis, bieten durchaus das gegenteilige Bild. Wir müssen viel- mehr in Pt. Schweinfurthi eine ausgesprochene Wasserschlange sehen, die in der seitlichen Kompression des Rumpfes vielleicht den extremsten unter den Hydro- phinen kaum nachgestanden hat. Daß ihr Aufenthaltsort wahrscheinlich das Meer war, wird weiter unten (p. 343) besprochen werden. Funktionelle Anpassung im Bau der Wirbel. Ausgehend von der Auffassung, daß Pterosphenus Schweinfurthi eine Wasser- schlange ist, möchte ich im folgenden den Versuch machen, einige besonders be- zeichnende Figenschaften der Wirbel bezüglich ihrer physiologischen Bedeutung zu erklären. Was zunächst ihre äußere Form betrifft, so sind sie durch die sehr starke, seitliche Kompression ausgezeichnet. Die Betrachtung von vorn lehrt, daß diese Gestalt einmal durch die gewaltige Höhe des Dornfortsatzes, dann aber auch in mindestens demselben Grade — ein Vergleich mit den Wirbeln einer beliebigen rezenten Schlange zeigt das überzeugend — durch die geringe Seitenausdehnuns der Zygapophysen bedingt ist. Dieser letztere Charakter ist sogar als der eigenartigere anzusehen, da er bei keiner Schlange der Jetztzeit auch nur in annähernd ähn- lichem Grade gefunden ist, während er sich bei Archaeophis proavus (Janensch 1906) noch stärker ausgeprägt findet. Sehr hohe Dornfortsätze kommen dagegen auch bei lebenden Formen vor. Schon Lucas (1599) macht darauf aufmerksam, daß sie bei dem der ägyptischen Art nahestehenden Pterosphenus Schucherti, dessen Wirbel gleichfalls außerordentlich stark entwickelte Dornfortsätze tragen, nur wenig höher seien, als bei Boa und Aneistrodon. Ich selbst fand an einem Skelett der durch ausnehmend hohe Dornfortsätze ausgezeichneten Bitis gabonica D. B. aus der zoolo- gischen Abteilung des Museums für Naturkunde zu Berlin, das mir Herr Prof. 6* 326 W. Janensch: Dr. Tornier liebenswürdiser Weise zum Vergleich zugänglich machte, beim 17. Wirbel als Verhältnis des Vertikaldurchmessers des Gelenkkopfes zur Gesamt- höhe des oberen Bogens die vom oberen Rande des ersteren ab gerechnet ist, den Wert 1:3,5 (4,5 mm:16 mm). Bei Pfierosphenus Schweinfwrthi weisen Wirbel- typus II den Wert 1:4,2, Typus I den Wert 1:3,6 auf. Diese Verhältniszahlen kommen denen von Bitis ganz oder doch ziemlich nahe. Es erhebt sich nun die Frage, ob wir für die so überaus schwache, seitliche Ausdehnung der Zygapophysen eine physiologische Ursache zu erkennen vermögen. Das am nächsten liegende wäre anzunehmen, daß dieselben Ursachen, welche zu der Verflachung der Seiten des Rumpfes und zu dessen seitlich zusammen- gedrückter Gestaltung desselben führen, auch die hohe, schmale Form der Wirbel hervorgebracht hätten. Die seitlich zusammengedrückte Form des Rumpfes ist offen- bar eine Folge des Schwimmens und gleichzeitig eine Anpassung an dasselbe. Das Schwimmen erfolgt durch Schlagen der Seiten des Rumpfes gegen die umgebenden Wassermassen. Der von diesen dann ausgehende Gegendruck muß notwendig zu einem Verflachen der Seiten des Rumpfes und zu der seitlichen Zusammendrückung des ganzen Körpers führen, wie sie bei allen höher spezialisierten Wasserschlangen, aber auch bei der überwiegenden Mehrzahl der nektonischen Fische vorhanden ist. Die Erlangung eines hohen Rumpfquerschnittes stellt außerdem noch die Er- werbung einer sehr vorteilhaften Eigenschaft dar, denn die hohen, flachen Seiten des Körpers treffen beim Schwimmen mit weit größerer nutzbarer Fläche gegen das umgebende Wasser und gestatten weit weniger ein Ausweichen desselben und da- mit des fortbewegenden Gegendruckes in ungünstige Richtungen, als es bei einem mehr kreisförmigen Querschnitt der Fall wäre. Es erscheint nun allerdings durchaus nicht unwahrscheinlich, daß der Seitendruck beim Schwimmen m einem gewissen Maße auch auf den Wirbel durch die auf- lagernde Muskulatur hindurch in dem gleichen Sinne zusammendrückend eingewirkt hat. Im Schwanz von Manatus sind ja auch die Wirbel uud sogar deren Körper stark komprimiert, dessen dorso-ventraler Bewegung entsprechend aber in dieser Richtung. Die nachfolgende Betrachtung dürfte aber vielleicht geeignet sein, mit einiger Wahrschemlichkeit noch andere Momente als Ursachen der geringen Seiten- ausdehnung erscheinen zu lassen. Es dürfte nämlich sehr in Betracht zu ziehen sein, ob nicht vielleicht die durch das Schwimmen bedingte besondere Art der Be- anspruchung der Rumpfmuskulatur von großem Einfluß auf die äußere Form der Wirbel hat sein können. Daß die Beanspruchung der Muskulatur beim Schwimmen eine wesentlich andere als beim Kriechen auf dem Erdboden ist, liest auf der Hand. Beim Kriechen werden die Rippen als Hebel benutzt und dem entsprechend nach vorn und hinten bewest. Diese Rolle können sie naturgemäß beim Schwimmen nicht spielen, sie müssen sich hierbei notgedrungen mehr passiv verhalten und nehmen auch bei re- zenten Seeschlangen dem Drucke des am Rumpfe vorbeigleitenden Wassers nach- gebend, eine mehr oder weniger schräg nach hinten gerichtete Stellung ein, die im extremsten Falle, in der hinteren Körperresion von Archueophis proavus, fast hori- zontal geworden ist. Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. 327 Als eine Folge des von den schräg gestellten Rippen ausgehenden Zuges ist es dann ferner wohl zu betrachten, daß die Querfortsätze auf den Flanken des Wirbelkörpers so auffallend weit nach unten gerückt sind. Den nachfolgenden Erörterungen über die Rumpfmuskulatur der Schlangen liegen die Angaben zu Grunde, die sich bei Hoffmann (1890 p. 1448) finden und die sich im wesentlichen auf die Untersuchungen von d’Alton, Meckel und Hübner stützen. Durch Namen, wie Rückwärtszieher der Rippen und Rippenheber ist ja die Funktion der betreffenden Muskeln bereits angedeutet, die sich ja überhaupt in vielen Fällen aus deren Verlauf schließen läßt. Hoffmann gibt in seiner Aufzählung der Rippenmuskeln (1890 p. 1456 ff.) drei Rückwärtszieher der Rippen und ebensoviele Heber derselben an. Nach ihrer Lage zu schließen, haben diese Muskeln die Aufgabe, die Rippen nach vorn und hinten zu ziehen, spielen also offenbar bei der Kriechbewegung eine große Rolle. Zwei der Rippenheber, die Mm. praezygapophyses-costales und die Mm. leva- tores costarum entspringen an den Aubßenflächen der Praezygapophysen. Es dürfte nicht unwahrscheinlich erscheinen, daß bei Pterosphenus jene Muskeln infolge aus- schließlich schwimmender Fortbewegung gering entwickelt waren, daß infolgedessen die Praezygapophysen nur kleine Insertionsflächen zu liefern hatten und deshalb nur eine geringe seitliche Ausdehnung erhielten. Lediglich auf diese letztere ist die längsovale Form der Gelenkfazetten der Zygapophysen zurückzuführen, die im auffallenden Gegensatze zu der querovalen von lebenden Schlangen, wie Python steht. Messungen bei Pt. Schweinfurthi und bei Python zeigten nämlich, daß das Verhältnis der Wirbelkörperlänge zur Ausdehnung der Zygapophysenfazetten in der Medianrichtung bei beiden das gleiche ist, obwohl es sich dabei im ersten Falle um die lange, im zweiten um die kurze Achse des Fazettenovales handelt. Im Gegensatz zu den Zygapophysen haben die oberen Bögen eine mächtige Entwicklung, und zwar nach oben, erfahren. Sehr kräftig sind die Dornfortsätze ausgebildet, besonders bei Typus II. Als größte Eigentümliechkeit müssen aber die schräg nach hinten gerichteten, gewaltigen, spitzen Flügelfortsätze angesehen werden. Beide Eigenschaften dürften auch wieder verständlich werden, wenn man die Lebens- weise in Betracht zieht. Die Fortbewegung im Wasser bewirken die Schlangen lediglich durch seitliche Biegungen des Rumpfes und Schwanzes. Es ist anzunehmen, daß dabei die Muskeln, welche die Wirbel miteinander verbinden, namentlich also die dorsal gelegenen, eine bedeutende Rolle spielen. Es wäre sehr wohl zu verstehen, daß bei Ptero- sphenus infolge stärkerer Beanspruchung jene Muskeln besonders kräftig geworden wären, und die ihnen zur Insertion dienenden Teile umfangreicher sich gestaltet hätten. So mag also die gewaltige Ausbildung der Dornfortsätze und namentlich der Flügelfortsätze bedingt gewesen sein durch eine sehr kräftige Rückenmuskulatur. Dieser Einfluß mußte sich im Sinne einer starken Entwicklung jener Teile nach oben zu umso bemerkbarer machen, als ja die Wirbel seitlich stark komprimiert sind und infolgedessen die oberen Bögen an sich wenig Oberfläche zum Ansatz für Muskulatur bieten würden. 328 W. Janensch: Bei einer so extremen Gestaltung der oberen Bögen wäre es gewagt, ein be- stimmtes Bild von dem Verlauf der Muskulatur auf Grund der Verhältnisse bei lebenden Formen zu entwerfen. Erwähnt sei nur, daß Hoffmann drei verschiedene von den Postzygapophysen zu den Dornfortsätzen verlaufende Muskeln, sowie Mm. neurospinales, die von dem hinteren Rande der oberen Bögen zu dem oberen Rande der Dornfortsätze gehen, anführt. Als Insertionsstellen für Muskeln von ähnlichem Verlauf, wie die letztgenannten, könnte man wohl die Flügelfortsätze an- sprechen. Eine weitere eigenartige Eigenschaft stellt die Ausbildung einer vorderen und hinteren Hypapophyse dar, die sich scharf voneinander durch eine Unterbrechung abheben. Während eine vom hinteren Teil des Körpers ausgehende Hypapophyse bei lebenden Schlangen allgemein verbreitet ist und namentlich im vorderen Rumpf- abschnitt oft zu mächtiger Entwicklung gelangt, ist eine vorn gelegene bei ihnen noch nicht beobachtet worden. Dagegen kommt eine solche in mäßiger Entwick- lung an den Wirbeln des Halses und der vordersten Rumpfregion bei Krokodiliern vor. Über die Bedeutung dieses Vorsprunges gibt eine mir vorliegende Halswirbel- säule eines jugendlichen Krokodiles Aufschluß. Es findet sich nämlich ein kräftiges median gelegenes Band, welches an der vorderen Hypapophyse inserierend den zu- gehörigen Wirbel mit dem vorhergehenden verbindet. Ein solches median gelegenes Band ist ferner auch an einem mir vorliegenden Skelett von Python noch deutlich zu erkennen. Die Ansicht mehrerer im Zusammenhang dargestellter Wirbel von Pterosphenus Schweinfuwrthi, die auf Grund vorliegender, zusammenhängender Abschnitte der Wirbel- säule aus der Münchener und Stuttgarter Sammlung kombiniert ist (Taf. 27, Fig. 4) läßt erkennen, daß der Zwischenraum zwischen der hinteren Zygapophyse eines Wirbels und der vorderen des nächstfolgenden nur recht schmal ist und für Musku- latur sicherlich nicht hinreichenden Platz bietet. Dagegen ist es, auch im Hinblick auf die Verhältnisse bei Python, durchaus wahrscheinlich, daß ein Band an jener Stelle die zwei Wirbel zusammenhielt. Allerdings ist aus den großen Ansatzflächen, die sich für em solches darbieten, auch zu schließen, daß es sehr viel kräftiger entwickelt war, als bei jener lebenden Gattung. Verständlich machen ließe sich die starke Entwicklung eines solchen Bandes auch wieder aus der Lebensweise. Die seitlichen schlängelnden Biegungen des Rumpfes, die bei beschleunigter Schwimmbewegung zu einem förmlichen Schlagen gegen die Wassermassen werden müssen, können bei unserer Form sehr wohl auch einen starken Zug in der Längs- richtung des Schlangenkörpers hervorgerufen haben, einen gewiß beträchtlich größeren als beim Kriechen der Landformen auf dem Boden. Jener Zug müßte sich dann naturgemäß an den Grenzen zweier Wirbel besonders bemerkbar gemacht haben. Ihn auszuhalten, würde wesentlich die Aufgabe des angenommenen Bandes gewesen sein. Entsprechend seiner starken Beanspruchung mußte es selbst kräftig entwiekelt gewesen sein, und es mußten infolgedessen auch besonders große Ansatzflächen für dasselbe nötig werden, wie sie durch die starke Ausbildung der vorderen und hinteren Hypapophysen geschaffen sind. Am Wirbeltypus III sind die mächtig entwickelten Querfortsätze so nahe an- einander gerückt, daß für die vordere Hypapophyse offenbar nicht der nötige Platz Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. 329 blieb und sie deshalb nicht zur Ausbildung kam. Jenes ventrale Band braucht deshalb hier nicht schwächer gewesen sein, da ja die dicht zusammentretenden Querfortsätze an ihren inneren Flanken hinreichenden Raum zur Insertion desselben boten. Der Deutung der im Vorstehenden besprochenen Eigenschaften der Wirbelsäule als Folgen schwimmender Lebensweise und Anpassungen an sie könnte entgegen ge- halten werden, daß die lebenden Wasserschlangen derartige Verhältnisse nicht zeigen. Dem gegenüber muß betont werden, daß die verschiedenen Wasserformen der Jetztzeit sehr verschiedenartige Formen und Abstufungen, aber durchaus keine Einheitlichkeit der Anpassung aufweisen, wie an anderer Stelle (Janensch 1906) auseinandergesetzt worden ist. Selbst so ausgesprochene Wasserschlangen, wie die Acrochordinen, zeigen an ihrer Wirbelsäule keine deutlichen Anpassungserschei- nungen, und es lassen deren die zahlreichen Landformen, die gleichzeitig auch regel- mäßig das Wasser aufsuchen und dort ihrer Beute nachgehen, wie z. B. die Ringel- natter, überhaupt in ihrer gesamten Organisation nicht erkennen. Wie aber nun die Hydrophinen in ihrem Ruderschwanz eine fortgeschrittenere Spezialisierung verratende Anpassung besitzen, die z. B. den Acrochordinen abgeht, so darf auch eine weitgehende, lebenden Schlangen fehlende, durch die Lebens- weise 'erklärbare Spezialisierung der Rumpfwirbel, wie sie sich bei Pterosphenus findet, nicht weiter befremden. Pterosphenus Schucherti Lucas. Der aus dem Eocän von Cocoa in Alabama von Lucas (1399) beschriebene Pterosphenus Schucherti ist schon aus dem Grunde hier eingehender zu berück- siehtigen, weil auf ihn die Gattung, zu der unsere ägyptische Form zu rechnen ist, begründet wurde. Wie aus Beschreibung und Abbildungen bei Lucas hervorgeht, stehen sich beide Arten in der Tat nahe. Lucas berichtet, daß ihm etwa 40 Wirbel aus der vorderen Körperregion vor- gelegen hätten. Eine ausdrückliche Äußerung darüber, ob die Wirbel im Zu- sammenhang aufgefunden wurden, fehlt. Taf. 26, Fig. 5 stellt eine vergrößerte Kopie nach Lucas in ”/ıı natürlicher Größe dar. An dem vordersten Wirbel, der nach seiner — wohl geringen (Verf.) — Größe zu schließen, nahe dem Schädel gesessen haben soll, gehe die Hypapophyse vom hinteren Teil des Wirbels aus und sei wie gewöhnlich nach hinten gerichtet. Die nächste erhaltene Hypapophyse, zehn oder fünfzehn Wirbel hinter dem vordersten erstrecke sich gerade nach unten. Alle nachfolgenden Hypapophysen seien gerade nach unten oder schwach nach vorn gerichtet. Zwanzig oder fünfundzwanzig Wirbel weiter trete auch nach vorn eine ganz niedrige — bei Tab. XLV, Fig. 5 übrigens ganz kräftig ausgebildete — und nach vorwärts geneigte Hypapophyse auf, die mit der hinteren durch einen Kamm (ridge) verbunden sei. Lucas läßt also in der Reihenfolge die Wirbel ohne vordere Hypapophyse denen mit einer solchen vorangehen, also umgekehrt, wie wir oben bei der ägyptischen Art verfahren sind. Es wäre nun von Wichtigkeit zu wissen, ob seine Anordnung nur die von ihm als richtig vermutete oder ob sie etwa durch die ur- sprüngliche Lage der Wirbel im Gestein als richtig erwiesen ist. Seine Angaben lassen das leider nicht unzweideutig erkennen. Daraus, daß Lucas bei der ziffern- mäßigen Bezeichnung der Wirbel nicht eine bestimmte Zahl angibt, sondern ein Spielraum von fünf offen läßt, scheint doch eher hervorzugehen, daß sie ihm nicht im ursprünglichen Zusammenhange vorgelegen haben. In der vordersten wie in der hintersten Region des Rumpfes der Schlangen werden die Wirbel kleiner, so daß man schwerlich, wie es Lucas vielleicht getan hat, lediglich aus der Größe auf die Stellung schließen kann. Auf jeden Fall geht aber aus den angeführten Be- merkungen hervor, daß Lucas bezüglich der Hypapophysen überaus ähnliche Ver- hältnisse beobachtet hat, wie sie bei Pt. Schweinfurthi vorkommen. Zu den Abbildungen bei Lucas ist zu bemerken, daß der Wirbel Fig. 1—3 auf Taf. XLV, dessen Seitenansicht hier Taf. 26, Fig. 5 vergrößert kopiert wurde, Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. 331 dem Typus II von Pferosphenus Schweimfurthr entsprechen dürfte. Der Kon- dylus scheint auf dieser Abbildung dem Wirbelkörper verhältnismäßig schief auf- zusitzen. An zwei anderen Seitenansichten bei Lucas ist das aber, wie bei der ägyptischen Art, in viel geringerem Maße der Fall. Die erste Figur der oberen Reihe auf Tab. XLVI bei Lucas dürfte, nach der anscheinend merklich nach hinten gerichteten, hinteren Hypapophyse und der ge- ringeren Größe zu schließen, dem Typus III zuzurechnen sein. Ob auch Typus I vertreten ist, erscheint nach den Abbildungen recht fraglich. Bei Fig. 4 auf Taf. XLV ist allerdings zu erkennen, daß der obere Bogen ver- hältnismäßig niedriger ist, als bei Fig. I—-3, wenn man sich die Kondylusdurch- messer auf gleiche Größe gebracht denkt. Der Gelenkkopf ist dabei von auffallend dreiseitigem Umriß, doch ist dieser, wie aus dem Text hervorgeht, durch die un- vollständige Erhaltung seiner Ränder hervorgerufen. Nach allem ist es immerhin durchaus zweifelhaft, ob Fig. 4 Typus I darstellt. Daß die amerikanische und die ägyptische Art einander recht nahe stehen, ist unverkennbar. Indessen sind doch erhebliche Unterschiede vorhanden. Die Dorn- fortsätze sind bei Pi. Schucherti schmäler, vor allem aber springen die Flügelfort- sätze stärker nach hinten vor, indem sie sich weiter von den Dornfortsätzen weg- biegen und überhaupt bedeutend länger ausgezogen sind. Daneben sind offenbar die Fazetten der Zygapophysen umfangreicher, und die Querfortsätze einmal etwas länger, vor allem aber sehr viel dieker. Auch die Hypapophysen, zum mindesten die hintere, sind länger gezeichnet, als sie sich bei Pt. Schweinfurthi finden. Bei einem direkten Vergleiche der Stücke selbst würden wahrscheinlich die Unterschiede sich sicherer und vollständiger feststellen lassen, als wenn es, wie hier, nur nach den Abbildungen geschieht. Die Abbildung Taf. 26, Fig. 5 stellt die Kopie von Taf. XLV, Fig. 2 dar, die zur Erleichterung des Vergleichs mit Pt. Schweinfiwrthi auf den gleichen Kondylusdurchmesser gebracht und entsprechend vergrößert ist. Wenn dieser etwas kleiner ausgefallen ist, als bei der ägyptischen Art, so rührt es daher, daß bei der Abmessung der Dimensionen, auch die Hinter- ansicht Fig. 5 bei Lucas Berücksichtigung gefunden hat, bei der der Kondylus etwas größer dargestellt ist. Was die Höhe der Spezialisierung betrifft, so erscheint diese in Bezug auf die Ausbildung der Flügelfortsätze und Querfortsätze noch etwas extremer als bei Pt. Schweinfurthi. Betreffs der Lebensweise und Anpassung an diese, gilt das bereits für die ägyptische Form gesagte. Die Gattung Palaeophis. Im Anschluß an die beiden Arten von Pierosphenus soll im folgenden auch eine Besprechung der Gattung Palaeophis gegeben werden. Eine solche eingehendere Betrachtung dieser ist deshalb notwendig, weil sie die Grundlage liefert zu einer Untersuchung der verwandtschaftlichen Beziehungen der beiden nahe verwandten Gattungen und zu einer vergleichenden Feststellung ihrer charakteristischen Merkmale. Owen, der Begründer der Gattung Palaeophis, hatte eine größere Anzahl Wirbel, sowie auch einige Rippenfragmente aus dem Eocän Englands untersuchen können und mehrere Arten unterschieden. Die Gattung Palaeophis wurde von Owen für Wirbel aus dem Londonton aufgestellt. Er rechnete diese einer Art, P. tohiapieus, zu, von der ihm außer einzelnen Wirbeln auch im Zusammenhang gebliebene Teile der Wirbelsäule nebst anhängenden Rippenbruchstücken zur Untersuchung vorlagen. Später erhielt er dann auch aus den jüngeren, mitteleocänen Schichten von Bracklesham eine srößere Anzahl Wirbel, unter denen er mehrere neue Arten von Palaeophis glaubte unterscheiden zu können. Der nachfolgenden Betrachtung soll die zusammenfassende Darstellung der Gattung Palaeophis, die sich in Owens Geschichte der britischen, fossilen Reptilien (1850a) und in gleichem Wortlaut, aber unter Fortlassung der ersten Tafel in seiner Monographie der fossilen Reptilien des Londontonesu. Ss. w. (1850b) findet, als Unterlage dienen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und äußeren Übereinstimmung soll hier die von Owen gewählte Reihenfolge beibehalten und die aus dem Mitteleocän von Bracklesham und die aus dem Londonton von Sheppey stammenden Reste getrennt behandelt werden. Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Aus- führungen sei vorausgeschickt, daß die Wirbel der Palaeophis-Arten die eigen- artigen Differenzierungen der Gattung Pterosphenus in ähnlicher Weise, wenn auch weniger ausgeprägt, zeigen. Bei den Wirbeln von Bracklesham unterscheidet Owen 5 Typen. Auf zweien von diesen gründet er die beiden Arten ?. typhaeus und porcatus, während er sich bei den drei übrigen nicht zur Zuweisung zu einer bestimmten Art entscheidet, wohl aber die Frage ihrer wahrscheinlichen Stellung im Rumpfe auf- wirft und zu beantworten sucht. Owens erster, einer bestimmten Art nicht zugewiesener Typus (1850a p. 142, 1850b p. 59) ist von geringer Größe, seine hintere Hypapophyse ist ver- hältnismäßig lang und setzt sich nach vorn zu in einen dünnen und scharfen, aller- dings abgebrochenen Kamm fort, der bis zwischen die Querfortsätze reicht. Aus der Länge der Hypapophyse schloß Owen nach Analogie mit den Verhältnissen Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. 333 bei rezenten Schlangen, daß es sich um Wirbel der vordersten Körperregion handle. Beschreibung und Abbildungen bei Owen, namentlich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Umriß des Gelenkkopfes relativ hoch ist, lassen es als recht sicher erscheinen, daß dieser Typus von Palaeophis den Formen des Typus III bei Pterosphenus Schweinfwrthi entspricht, die zu Typus II überleiten. Owens zweiter, gleichfalls relativ kleiner Typus, der ebenfalls einer be- stimmten Art nicht zugerechnet wird, ist vor allem dadurch ausgezeichnet, daß die vordere Hypapophyse ganz fehlt, und daß die hintere nicht, wie bei dem vorigen, einen scharfen Grat nach vorn sendet, so daß der zwischen den Querfortsätzen liegende Absehnitt der Unterfläche des Wirbelkörpers überhaupt eine ganz glatte Konkavität darstellt. Dazu sind die Flächen der Fazetten des Zygosphens umfangreicher und steiler gestellt als beim ersten Typus, der Umriß des Gelenkkopfes ist eher etwas breiter. Daneben bildet Owen ejnen hierher gehörigen Wirbel ab (1850a Taf. III, Fig. 7—9 u. 1850b Taf. XIV, Fig. 7—9), bei dem dennoch auch innerhalb der vor- deren, konkaven Hälfte ein schwach entwickelter, vorspringender Kiel vorhanden ist. Diese Eigenschaft scheint zu Owens Typus I hinüberzuleiten, ebenso die etwas weniger steile Stellung der Fazetten des Zygosphens. Als wichtig ist ferner her- vorzuheben, daß die Abbildungen dieser Wirbelform sehr lang nach unten vor- springende und verhältnismäßig nahe aneinander gerückte Querfortsätze zeigen, während diese bei den anderen abgebildeten Stücken des Typus II nicht erhalten sind. Ein Vergleich mit Pterosphenus Schweinfurthn ergibt, daß dieser Owensche zweite Wirbeltypus offenbar dem Typus III der ägyptischen Schlange entspricht. Es wird diese Gleichstellung begründet durch den Mangel der vorderen Hypapo- physe, verhältnismäßig großen Vertikaldurchmesser des Kondylus und die wenigstens bei der Übergangsform zu Owens erstem Typus erhaltenen, langen und einander genäherten Querfortsätze. Von dem zweiten Typus meint Owen, daß er möglicherweise in der hintersten Region des Rumpfes nicht weit vor dem Beginn des Schwanzes seinen Platz gehabt haben. Ob diese Deutung die richtige ist, dürfte doch zweifelhaft sein. Die beiden ersten Typen Owens stehen sich doch der Form nach recht nahe, so daß er recht auffallend wäre, wenn sie eine so weit von einander entfernte Stellung gehabt haben sollten. Beide dürften doch wohl eher aus benachbarten Rumpfpartieen stammen. Für die entsprechenden Wirbelformen von Pt. Schweinfurthi wurde oben ja eine Stellung in der hinteren Rumpfregion als wahrscheinlicher bezeichnet. Der dritte Typus umfaßt sowohl kleine wie große Wirbel. Außer der normalen hinten gelegenen Hypapophyse findet sich noch zwischen den Querfort- sätzen eine niedrigere vordere. Das Bezeichnendste aber ist ein Wulst („ridge“) der ohne Unterbrechung von der Praezygapophyse zur Postzygapophyse hinzieht. Diese Wirbelform erhielt von Owen den Namen Palaeophis porcatus. Von ihr soll sich nach Owen der vierte als P. typhaeus bezeichnete Typus, von dem Taf. 26, Fig. 2 eine Kopie nach Owen in !?/ıs natürlicher Größe darstellt, dadurch unterscheiden, daß jener Wulst gänzlich fehlt oder doch wenigstens eine Unterbrechung aufweist, also nur vorn und hinten vorhanden ist. Ferner verläuft 354 W. Janensch: auf der Unterseite des Wirbels ein Kiel der sich an beiden Enden zu den Hypa- pophysen erhöht. Dieser Typus ist verhältnismäßig länger, als der vorige, und ge- wöhnlich von großen Dimensionen. Betrachtet man die Abbildungen des dritten und vierten Typus bei Owen, so erkennt man, daß sie nicht ganz gleichartige Wirbel darstellen. Der kleinere von ihm als ?P. poreatus bezeichnete (1850a Taf. III, Fig. 13—15 u. 1850b Taf. XIV, Fig. 13—15) hat gestrecktere Form, als die großen derselben Art, die verhältnis- mäßig sehr kurz sind. Von letzteren stellen Taf. IIT bezw. XIV, Fig. 23 und 24 bei Owen die Hinter- und Vorderansicht emes Wirbels dar, der aus der Mitte des Rumpfes stammen soll. Bei ihm ist der Kondylusumriß sehr stark queroval, und der Dorn- fortsatz auch mit seiner hinteren Kante nach hinten übergeneist. Von den beiden anderen (Fig. 18—21) sind Ansichten von vorn oder hinten nicht gegeben. Aus dem Vergleich der Seiten- und Bauchansicht geht aber klar hervor, daß der Umriß des Kondylus gleichfalls stark queroval ist. Wenn bei Owens Fig. 15 die nach oben und hinten gerichtete spitze Ecke das Ende des Flügelfortsatzes dar- stellt, was mit Sicherheit aus der Abbildung nicht zu entnehmen ist, so würde dieser eine recht geringe Höhe besitzen. Aber auch abgesehen von diesem Merk- mal deutet die kurze, breite Form des Körpers, die Breite des Kondylusumrisses, sowie die weit von einander entfernte Stellung der Querfortsätze darauf hin, dab diese großen Wirbel von Palaeophis porcatus dem Typus I von Pterosphenus Schweinfurthi entsprechen. Auch die als zu Palaeophis typhaeus gehörig abgebildeten Wirbel lassen Unter- schiede erkennen. Der auf Taf. II bezw. XIIL’ Fig. 5—8 dargestellte Wirbel, dem Owen eine Stellung in der Mitte des Rumpfes zuweist, zeigt eine sehr breit- gezogene Grube für den Gelenkkopf, während dieser selbst im Vergleich dazu ver- hältnismäßig zu wenig breit wiedergegeben ist, und besitzt eine verhältnismäßig kurze hintere Hypapophyse. Bei Fig. 27 auf Taf. III bezw. XIV ist diese letztere dagegen bedeutend länger, auch ist der Umriß des Gelenkkopfes wesentlich höher, als der Gelenkkopfsrube von Fig. 6 auf Taf. II bezw. XIII entsprechen würde. Indessen ist infolge des höher gezeichneten Kondylusumrisses der Hinteransicht desselben Wirbels (Taf. II bezw. XIII, Fig. 7) der Vergleich in dieser Beziehung nicht einwandfrei. Taf. III bezw. XIV, Fig. 27 mit sehr hohem Dornfortsatze entspricht wahr- scheinlich Typus II der ägyptischen Art, der Wirbel Taf. II bezw. XIII, Fig 5—8 mit kürzerer Hypapophyse und vielleicht breiterem Querschnitt des Kondylus bezw. der zugehörigen Gelenkkopfgrube wahrscheinlich ziemlich dem Typus I. Die Unter- ansichten zweier Wirbel von bemerkenswerter Länge (Taf. III bezw. XIV, Fig. 17 und 26) könnten vermuten lassen, daß sie den Typus II von Pi. Schweinfurthi darstellen. Der fünfte Typus Owens von Bracklesham, der wiederum keine be- stimmte Artbezeichnung erhalten hat, weicht von den übrigen dadurch wesentlich ab, daß der Wirbelkörper seitlich stark komprimiert ist. Bemerkenswert ist an ihm ferner, daß der Umriß des Gelenkkopfes in höherem Maße queroval, und der Neuralkanal sehr viel höher und auch im ganzen weiter ist, als bci den anderen Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. 335 Typen. Es ist lediglich eine hinten gelesene Hypapophyse vorhanden; die Größe ist gerng. Eine von Owen gegebene Ansicht von oben läßt die überaus lang- gestreckte Gestalt erkennen, die auch bei keinem der Wirbel von Pterosphenus auch nur in angenähert gleichem Grade vorhanden ist. In eigentümlicher Weise verwachsen ist ein Paar von Owen hierher gerechneter Wirbel, deren viel geringere Länge die Zugehörigkeit zu diesem fünften Wirbeltypus zweifelhaft machen könnte, aber vielleicht, wie die Verwachsung, eine anormale Erscheinung ist. Von diesem Wirbelpaar vermutet nun Owen wegen dessen stark komprimierter Gestalt und geringer Größe, daß es vom Schwanzende stamme und auf einen seitlich kom- primierten Schwanz wie bei Hydrophiden hinweise. Owen bemerkt aber selbst dazu, daß die einfache Ausbildung der allein vorhandenen hinteren Hypapophyse abweiche von der stets paarigen der Schwanzwirbel. De Rochebrune (1880 p. 275) bezweifelt, daß es sich bei diesem verwachsenen Paar um Schwanzwirbel handelt. Die nicht vorhandene Ausbildung zwei getrennter sog. Haemapophysen läßt diesen Zweifel als sehr verständlich erscheinen. Ein eimigermaßen sesichertes Urteil über die Natur dieser Wirbelform abzugeben, zumal ledielich nach Be- schreibung und Abbildung, dürfte vorläufig nicht möglich sein. Die beiden genannten, von Owen unterschiedenen Arten vereiniste Lyddecker (1888 b p. 258) zu Palaeophis typhaeus, indem er P. porcatus einzog. Ihm er- schienen die Unterschiede für eine spezifische Trennung nicht ausreichend. Andrer- seits trennte er Owens zweiten Typus, sowie das oben erwähnte verwachsene Wirbel- paar, das dieser seinem fünften Typus zurechnete, von P. typhaeus und stellte sie zu einer besonderen, nicht benannten Art zusammen, ohne eine Begründung zu geben. Erwähnenswert ist, daß Lyddecker unter den dem britischen Museum ge- hörigen Wirbeln von P. typhaeus auch einen solchen aus dem mittleren (P) Eocän von Brüssel anführt. Ob man mit Owen P. typhaeus und porcatus getrennt halten soll, oder nicht, wie Lyddecker, darüber eine sichere Entscheidung zu treffen, ist, ohne das Material gesehen zu haben, kaum möglich. Als hauptsächlichen und entscheidenden Unter- schied der beiden Owenschen Arten wurde das Vorhandensein eines Wulstes zwischen Zygapophysen angegeben. Seine Abbildungen lassen indessen jenes Merkmal als wenig unterscheidend erscheinen, so daß es kaum berechtigt erscheint, das Re- sultat der Nachprüfung durch Lyddecker, also die Zugehörigkeit des P. porcatus zu P. typhaeus in Frage zu ziehen. Dagegen kann die Abtrennung des zweiten, durch den Mangel der vorderen Hypapophyse ausgezeichneten Typus als eine besondere Art, wie es Lyddecker be- fürwortet, nicht übernommen werden. Der enge Anschluß an die Formen des ersten Typus Owens mit schwäch entwickelter vorderer Hypapophyse, sowie ferner die Tatsache, daß wir denselben Typus bei der ägyptischen Art in gleicher Vergesell- schaftung mit anderen Typen antreffen, spricht entscheidend für die Zusammengehörig- keit auch dieser Form mit den anderen. Zur Beantwortung der Frage der Zu- gehörigkeit von Owens fünftem Typ. zu P. typhaeus oder einer besonderen Art, liefert dagegen das vorliegende Material von Pterosphenus Schweinfurthi keinerlei entscheidende Anhaltspunkte. | 336 W. Janensch: Die oben mitgeteilten ausführlicheren Charakteristiken der von Owen unter- schiedenen Typen von Bracklesham dürften zur Genüge dargetan haben, daß in der Tat dort wie in Ägypten ganz entsprechende Formen zusammen nebeneinander vorkommen. Es ist das ein gewichtiges Moment für die Annahme, daß die Unter- schiede dieser Formen nicht auf Art- oder gar Gattungsverschiedenheiten, sondern auf die verschiedene Stellung im Rumpfe zurückzuführen sind. In der Auffassung dieser weichen allerdings die oben für Pt. Schweinfurthi gegebenen Ausführungen von denjenigen Owens für die englischen Reste ab. Die oben geltend gemachten Gründe für die gewählte Anschauung hier noch einmal zu wiederholen, dürfte über- flüssig sein, zumal der für Owen entscheidende Punkt, die Ausbildung der Hypa- pophyse, auch bereits besprochen wurde. Von den Palaeophis-Wirbel von Bracklesham weicht P. toliapieus aus dem geologisch älteren London-Ton von Sheppey recht erheblich ab. Owen hebt be- sonders als wichtig und bezeichnend hervor, daß bei dieser Art die Wirbel verhältnis- mäßig länger sind, daß die Querfortsätze unmittelbar dem Körper anliegen („sessile“) und daß letzterer auf der Unterseite einen Längskiel aufweise, der an beiden Enden etwas aufragt. Diese geringe Ausbildung der Hypapophysen entspräche derjenigen, die wir sonst im allgemeinen im mittleren und hinteren Teil der langen Abdominal-Region der Schlangen finden. An den Abbildungen läßt sich mit Deutlichkeit ferner sehen, daß der schmale Dornfortsatz stark nach hinten übergeneist ist, und daß die sonst für Palaeophis so überaus bezeichnenden, nach hinten abgehenden Flügelfortsätze des oberen Bogens in ihrer vertikalen Entwicklung sehr viel schwächer sind, als bei den beiden anderen Arten. Gerade die geringe Ausprägung dieses wichtigen Charakters läßt ?. tokapieus weniger spezialisiert und ursprünglicher erscheinen als P. typhaeus. Da Owen außer den im Zusammenhang erhaltenen, nur oberflächlich freigelesten Rumpfteilen lediglich zwei Ansichten eines isolierten Wirbels abbildet, ist es un- möglich, eine Vorstellung von etwaigen Verschiedenheiten der Wirbelform in ver- schiedenen Körperabschnitten zu gewinnen. Daß wir bei ?. toliapieus mit denselben Typen zu rechnen haben, wie bei P. typhaeus, erscheint deshalb nicht unbedingt sicher, weil die erstere Art eben wesentlich geringer spezialisiert ist und sich des- halb anders verhalten haben kann. Es soll daher auch unterlassen werden, den abgebildeten Wirbel von ?. tohapıcus einem bestimmten Typus von P. iyphaeus oder Pt. Schweinfurthi zuzuweisen. Es sei nur darauf hingewiesen, daß die große Breite des Kondylus für die Zugehöriskeit zum ersten Typus von Pt. Schweinfurthi sprechen würde. Jene Eigenschaft, sowie die schräge Stellung des Dornfortsatzes bedingen eine bemerkenswerte Annäherung an diejenigen Wirbel von P. typhaeus, die von Owen als P. porcatus (Taf. III bezw. XIV, Fig. 22—24) abgebildet werden. Die von Owen gegebenen beiden Ansichten eines Wirbels sind auf Taf. 26, Fig. 1a u. 1b kopiert. Es ist dazu zu bemerken, daß in der Seitenansicht, die vielleicht ein wenig von unten genommen ist, der Querfortsatz anscheinend zu kurz gezeichnet ist, so daß er nicht bis in das Niveau des unteren Randes der Gelenk- kopfhöhlung reieht, während dies bei der Vorderansicht deutlich der Fall ist. Die Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. 337 letztere wurde auch hauptsächlich nur darum hier reproduziert, um die Seitenansicht in Bezug auf die Beschaffenheit der Querfortsätze, von denen sie keine recht klare Vorstellung gibt, zu ergänzen. Von P. toliapieus sind mehrere Serien von Wirbeln noch im ursprünglichen Zusammenhange und z. T. mit noch erhaltenen, proximalen Abschnitten der Rippen gefunden worden. Owen macht die wichtige Bemerkung, daß er bei diesen einen „process from the upper and back part of the proximal end“ nicht ge- funden habe. Gemeint ist damit offenbar das Tuberkulum, das ja bei Pt. Schweinfurthi gleichfalls nicht vorhanden ist. Sehr bemerkenswert ist ferner die auffallend geringe Krümmung selbst der proximalen Enden der Rippen bei P. tolia- pieus. Wie bei der ägyptischen Form, müssen wir daraus auch für jene auf einen seitlich stark komprimierten Körper schließen. Von 'einer Besprechung der kleinen von Sheppey stammenden, P. longus be- nannten Wirbel, deren Zugehörigkeit zu Palaeophis Owen selbst als zweifelhaft bezeichnet, soll hier abgesehen werden, da sie die für diese Gattung bezeichnenden Merkmale durchaus nicht aufweisen. Außer den von Owen beschriebenen Arten ist aus Europa noch als besondere Art von Pomel ein Palaeophis giganteus, aus den Sanden von Cuise de la Motte stammend, aufgestellt worden. (Nach de Rochebrune 1880. Die Pomel- sche Arbeit war mir nicht zugänglich. Verf.). Den Angaben de Rochebrunes ist zu entnehmen, daß Pomel von der neuen Form eine genauere Beschreibung nicht gibt. De Rochebrune selbst hat die Form nicht vorgelegen. Daß Lyddecker (1888b) aus der Sammlung des britischen Museums einen Wirbel von Palaeophis typhaeus aus dem mittleren (?) Eocän von Belgien an- führt, wurde oben schon erwähnt. Einige weitere hier zu erwähnende Palaeophiden sind vor langer Zeit in Nord-Amerika beschrieben worden. Im Jahre 1868 wurde von Cope eine kurze Mitteilung (1868a) über einen Palaeophis hittoralis aus dem eocänen „green sand“ von Squankum, New Jersey, veröffentlicht, der unmittelbar darauf auch eine Beschreibung dieser Art, sowie einer zweiten, neuen, des P. halıdanus, folgte (Cope 1868b). Abbildungen der Wirbel der beiden Copeschen Arten er- schienen dann im folgenden Jahre, und Kopien derselben noch zweimal in jüngerer Zeit (Cope 1882 u. Cope 1891). Ferner beschrieb Marsh (1869) ohne eine Abbildung zu geben, einen einzelnen Rückenwirbel von sehr großen Dimensionen aus dem Tertiär von New Jersey als Dinophis grandis. Er faßte die Form als eine Seeschlange von nicht weniger als 30 Fuß Länge auf. Der von ihm neu aufgestellten Gattung Dinophis wies er übrigens auch die beiden Copeschen Arten P. halidanus und littoralis zu. Cope (1869) lehnte aber die neue Gattung ab, ein Vorgehen, das in Anbetracht der Un- vollständigkeit dieser amerikanischen Schlangenreste nur gebilligt werden kann. Aus demselben Grunde soll in den nachfolgenden Ausführungen auf diese Formen nicht weiter zurückgekommen werden. Hervorzuheben ist nur, daß es sich zum mindesten bei den abgebildeten Copeschen Arten in der Tat um Formen handelt, 338 'W. Janensch: deren doppelt ausgebildete Hypapophyse die Zugehörigkeit zu der Familie der Pa- laeophiden sehr wahrscheinlich macht. Für die Gattung Dinophis wurde später in einer mir leider nicht zugänglichen Arbeit von Marsh (1877) der Name Titanophis eingeführt, da der erstere schon vorher gebraucht sem soll. Doch gilt auch demgegenüber, daß die Berechtigung, die amerikanischen Formen unter einem besonderen Gattungsnamen von den alt- weltlichen zu trennen, aus den gelieferten Abbildungen nicht hervorgeht. Was die Lebensweise und Anpassungserscheinungen an diese in der Körper- form und im Skelettbau betrifft, so dürfte im allgemeinen auch für Palaeophis das oben bei Pierosphenus Scehweinfwrthi Ausgeführte zu sagen sein. Es ist dabei bloß zu betonen, daß die Gattung Palaeophis gegenüber Pterosphenus weniger hoch spezialisiert erscheint, was im einzelnen in dem weiter unten folgenden Abschnitt: „Vergleichende Übersicht über die Palaeophiden u. s. w.“ genauer aus- seführt werden wird. Abgrenzung von Palaeophis und Pterosphenus. Bei der Abgrenzung der Gattungen Palaeophis und Pterosphenus von einander ist von den Arten auszugehen, auf die sie begründet wurden, also von Palaeophis toliapicus und Pterosphenus Schucherti. Beide stellen die Endglieder dar, wenn wir die vier besprochenen Arten ihrer Spezialisierungshöhe nach zu einer Reihe ordnen. Wären sie die einzig bekannten Palaeophiden, so wäre es sehr leicht, die beiden Gattungen scharf gegeneinander abzugrenzen und unzweideutig zu definieren. Das Vorhandensein der beiden anderen, dazwischen stehenden Arten erschwert naturgemäß diese Aufgabe, während es auf der anderen Seite als erfreuliches Resultat zu bezeichnen ist, wenn es gelingt, eine Übergangsreihe von einer Gattung zur anderen nachzuweisen. Ungünstig ist aber ferner noch der Umstand, daß von P. toliapieus von Owen nur ein Wirbeltypus abgebildet wird. Um die Gattungs- diagnose von Palaeophis allein auf Grund dieser Art zu geben, ist darum ihre Kenntnis noch recht unvollkommen. P. typhaeus weicht von dem allein bekannten Wirbeltypus von P. toliapieus doch immerhin durch die weiter hervorragenden Querfortsätze und die stärker entwickelten Flügelfortsätze beträchtlich ab. Es ist wohl denkbar, daß beim Bekanntwerden anderer Wirbelformen von P. toliapieus die Ähnlichkeit beider Arten sich als größer herausstellen würde. Nach unserer jetzigen Kenntnis scheint ?. typhaeus dem Pterosph. Schwemfuwrthi wohl ziemlich ebenso nahe zu stehen, wie dem P. toliapieus. Es erhebt sich dann aber die Frage, ob es nicht vielleicht richtiger wäre, P. typhaeus mit zu Pterosphenus zu ziehen, oder Pt. Schweinfurthi mit zu Palaeophis. Das letztere Verfahren ist nicht an- gängig, da Pt. Schweinfurthi sich eng an Pt. Schucherti anschließt. Das erstere würde eher diskutabel erscheinen. Doch soll hier davon Abstand genommen werden, hierüber etwas Entscheidendes zu sagen, weil, wie bereits angegeben, P. toliapieus doch nicht ausreichend bekannt ist, um ein sicheres Urteil über die Abweichungen von P. typhaeus zu gestatten. Daneben darf nicht übersehen werden, daß P. typhaeus der für Pterosphenus typischen Art Pt. Schucherti doch wesentlich ferner steht, als Pt. Schweinfurthi. Die Grenze von Pterosphenus gegen Palaeophis wird also in der Reihe der vier Arten am besten vorläufig zwischen P. typhaeus und Pt. Schweinfurthi bleiben. Es ist das naturgemäß ein etwas willkürlicher Schnitt, wie er aber stets unvermeidlich ist, wenn zwei durch Übergänge verbundene Gattungen gegen einander abgegrenzt werden sollen. Archiv für Biontologie I. (3.) 0b. X 340 W. Janensch: Bei dem hier angenommenen Umfange der Gattung Pterosphenus, der also der bisherige geblieben ist, können als unterscheidende Merkmale gegenüber Palae- ophis, die folgenden angegeben werden: Die Gelenkfazetten des Zygo- sphens und Zygantrums sind flacher geneigt, die Flügelfortsätze sind nach oben zu viel stärker entwickelt, auf der Rückseite steigen die oberen Bögen von den tief unten gelegenen beiden Höhlungen des Zygantrums an in hoher umfangreicher, konkaver Wand zu den oberen Rändern der Flügelfortsätze auf, während diese Wand bei Palaeophis typhaeus — von P. toliapieus gibt Owen keine Hinteransichtt — nur einen niedrigen, schmalen Streifen über den anscheinend mehr zusammen- hängenden Gruben des Zygantrums bildet. Vergleichender Überblick über die Palaeophiden, deren fortschreitende Entwicklung und geologisches Vorkommen. Überblicken wir die vier oben ausführlicher behandelten Formen, also Palaeophis. toliapieus und typhaeus und Pierosphenus Schweinfurtiv und Schuchert, die allein hinreichend gut bekannt sind, um eine genauere Beurteilung zu gestatten, so erscheinen als wesentlichste gemeinsame Merkmale die Ausbildung einer vorderen und hinteren Hypapophyse, die Entwicklung eines spitzen Flügelfortsatzes auf der Hinterseite der oberen Bögen, verhältnismäßig sroße Höhe des Dornfortsatzes, nach unten gerückte Querfortsätze und nur wenig nach den Seiten vorspringende Zygapophysen und dadurch bedingte Schmalheit des Wirbels. Diese Merkmale lassen jene vier Formen von Palaeophis und Pterosphenus als zusammengehörig erscheinen und würden also nach unseren heutigen Kenntnissen die Familie der Palaeophiden charak- terisieren. Um einen leichteren Vergleich zu ermöglichen, sind auf der linken Hälfte der Doppeltafel 26 Abbildungen der vier Arten zusammengestellt worden. Von der amerikanischen und den beiden englischen Arten konnten leider nur Kopien nach Lucas und Owen gegeben werden. In den beiden horizontalen Reihen sind immer möglichst gleiche Typen der verschiedenen Arten nebeneinander gesetzt worden. Zur weiteren Erleichterung des Vergleiches sind in jeder Reihe die Wirbel auf die entsprechende Größe der rechts stehenden Wirbel von Pterosphenus Schweinfurthi gebracht worden. Als Maßstab wurde dabei der Durchmesser des Gelenkkopfes genommen, der also in jeder Reihe durchgehends die gleiche Größe erhalten hat. In der oberen Reihe findet sich der Typus I von Pierosphenus Schweinfuwrthi und der entsprechende von Palaeophis typhaeus, vor diesem die einzige bekannte Wirbelform von P. toliapieus. Wenn die Zugehörigkeit dieser letzteren zum Typus I auch nicht erwiesen ist, so läßt sie sich, wie oben bereits erwähnt wurde, der Ge- stalt seines Kondylus zufolge doch am leichtesten an diesen anschließen. In der unteren Reihe ist der Typus II von Pierosphenus Schweinfurthi und Schuchert neben einander gestellt. Die obere Reihe jener vergleichenden Zusammenstellung zeigt nun deutlich, daß die Flügelfortsätze, das für die Palaeophiden bezeichnendste Merkmal, bei Palaeophis toliapieus die geringste Ausdehnung besitzen. Sie haben eine nur geringe Tr 342 W. Janensch: Höhe und die Spitzen sind kaum nach hinten ausgezogen. P. typhaeus zeigt die- selben merklich stärker entwickelt, die Spitzen strecken sich weiter hinaus, der Hinterrand der Flügelfortsätze ist länger geworden. Bei Piterosphenus Schweinfwrthr sind die letzteren noch mächtiger entwickelt, ihre Höhe hat stark zugenommen. Die Querfortsätze sind bei P. toliapieus schwächer nach unten entwickelt, und somit ursprünglicher als bei den beiden anderen Formen. Der Dornfortsatz ist sicher bedeutend niedriger, als bei Pt. Schweinfurthi, ob auch niedriger als bei P. typhaeus ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden, da er bei den zum Vergleich in betracht kommenden Wirbeln dieser Art auf den Owenschen Tafeln nur unvoll- ständig erhalten ist. In der unteren Reihe ist neben dem Typus II von Pierosphenus Schweinfirthr von Pt. Schucherti, von dem leider nur eine Form abgebildet werden kann, ein Wirbel gesetzt, der wie oben angegeben, jenem ziemlich entsprechen dürfte. Es zeigt sich klar, daß bei der letzteren Art die Spitzen der Flügelfortsätze weit länger und stärker nach hinten und oben ausgezogen sind als bei Pt. Schweinfurthi. Ebenso wie die Flügelfortsätze verraten auch die mächtiger entwickelten Querfortsätze und Hypapophysen eine extremere Spezialisierung. Zu diesen Ausführungen sei noch bemerkt, daß die Wirbel der beiden Arten, die am unvollständigsten bekannt sind, nämlich Palaeophis tolapieus und Ptero- sphenus Schweinfuwrthi, in einer Weise in die vergleichende Betrachtung gezogen wurden, die für die vertretene Abstufung der Formen bezüglich des Grades der Spezialisierung die ungünstigste ist. Es wurde nämlich die als am ursprüngliehsten aufgefaßte Art P. toliapieus mit dem ursprünglichsten Typus von Pt. Schweinfurthi und P. typhaeus in eine Reihe gesetzt, und andererseits der als am höchsten spezialisiert angesehene Pt. Schucherti mit dem extremsten Typus von Pi. Schwein- fwrthi, nämlich dem zweiten, verglichen. Mit der verschiedenen Höhe der Spezialisierung steht nun auch das geolo- gische Auftreten der einzelnen Arten im Einklang. Die ursprünglichste Form Palaeophis toliapicus hat sich im Londonton, also Untereocän, von Sheppey gefunden. P. typhaeus stammt aus den Schichten von Bracklesham, die dem Mitteleocän zugerechnet werden. Dieselbe Art kommt nach Lydekker (1888b p-. 259) bei Brüssel in fraglich mitteleocänem Lager vor. Pterosphenus Schwein- furthi stammt aus der oberen Mokattamstufe, deren Alter nach Beadnell (1905) mitteleocän ist, während Blanckenhorn (1900 p. 447) für sie ein etwas jüngeres, also obereocänes, Alter nicht für ausgeschlossen hält. In einer mir gemachten freundlichen Mitteilung spricht sich Herr Dr. E. Stromer dahin aus, daß jene Stufe dem oberen Parisien entsprechen dürfte, vielleicht aber auch ein wenig jünger ist, so daß ihr Alter als oberes Mitteleocän bis unteres Ober- eocän anzusehen sein dürfte. Auch Oppenheim (1906) kommt in seiner jüngst erschienenen großen Monographie der Eocänfauna Ägyptens zu dem Ergebnis, daß die oberen Mokattamschiehten dem jüngeren Mitteleocän oder sogar dem unteren Obereocän zuzurechnen seien. In einer freundlichen mündlichen Mit- teilung hob der genannte Herr mir gegenüber noch besonders hervor, daß jene Schichten jedenfalls sicher jünger seien, als diejenigen von Bracklesham. Pt. Schucherti wurde im Eocän von Coeoa in Alabama zusammen mit Zeuglodon Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. 343 angetroffen. Nach Dall (1898) gehören die Zeuglodon-beds zum Jacksonian, das or dem Bartonien, also dem Obereoeän gleichstellt. Oppenheim (1900 p. 328#f.) betont, daß der diese Zeuglodon-Schichten überlagernde, weiße Kalk wegen seiner Fauna mit großer Wahrscheinlichkeit bereits als Oligocän anzusehen ist. Es ist demnach ziemlich gewiß, daß jene Zeuglodon-beds wiederum ein jüngeres Niveau darstellen, als die obere Mokattamstufe. Es zeigt sich also klar, daß bei den vier besprochenen Arten von Palae- ophiden die Aufeinanderfolge des geologischen Auftretens in der Weise der Abstufung der Spezialisierung entspricht, daß diese von der ältesten bis zur jüngsten Form eine stetige Zunahme erfährt. Und wenn die oben vertretene Auffassung, daß die Eigenart der Wirbel der Palaeo- phiden eine Folge funktioneller Anpassung darstellt, richtig ist, so müssen wir die letztere als das Moment ansehen, das diese Steigerung der Spezialisierung bedingte. Daß jene vier Spezies sicherlich noch kein erschöpfendes Bild von der einstigen Artenzahl und Mannigfaltigkeit der Palaeophiden geben, geht ja allein schon daraus hervor, daß noch weitere, wenn auch nur unvollkommen bekannte Formen beschrieben wurden, so Palaeophis giganteus Pomel aus den unter- eocänen Sanden von Cuise la Motte, P. halidanus Cope, P. littoralis Cope, P. grandis Marsh aus dem Mitteleocän von New Jersey, die mindestens zum Teil mit den oben behandelten nicht ident sein dürften. Sicherlich müssen wir mit einem einstigen größeren Reichtum an Arten rechnen, deren genauerer genetischer Zu- sammenhang sich wahrscheinlich kaum in Form einer einfachen Reihe darstellen lassen würde. Die Aneinanderreihung der vier besprochenen Arten soll deshalb nicht als eine über jedem Zweifel erhabene Formenreihe hingestellt werden. Sie soll vielmehr in erster Linie nur zeigen, wie innerhalb der Familie der Palaeophiden die Entwieklung mit stetig zunehmender Spezialisierung fortschreitet und zwar in völligem Einklange mit dem zeitlichen Auftreten. Daß bei einer zu erhoffenden späteren vollständigeren Kenntnis jener interessanten Schlangen- familie, der genetische Zusammenhang sich vielleicht etwas anders herausstellen kann, ist nach dem gesagten selbstverständlich, ohne daß deshalb die hier an- genommene Entwicklungsriehtung sich als unrichtig erweisen muß. Wenn wir in den Palaeophiden extreme Wasserschlangen sehen, so bliebe aber noch die Frage zu beantworten, welcher Art ihr geologisches Vorkommen ist, und ob dieses Schlüsse darüber zuläßt, ob sie Bewohner des süßen Wassers oder des Meeres waren. Die Schichten in denen sie bislang gefunden wurden, sind sämtlich marine Ablagerungen. Es kommen allerdings im Londonton, dem Lager von Palaeophis toliapieus, und in der oberen Mokattamstufe Landtiere vor, und Pt. Schucherti fand sich nach Lucas mit Zimys zusammen,. so daß es nahe liegt, zu prüfen, ob die Palaeophiden nieht vielleicht von Flüssen in das Meer ge- schwemmt sein könnten. Das weite Verbreitungsgebiet, das England, Belgien, Frankreich (?), Ägypten und Nordamerika umfaßt, dürfte an sich mehr dafür sprechen, daß das Meer der Aufenthaltsort der Palaeophiden war, innerhalb dessen freischwimmende Tiere von ihrer Größe sich leicht und schnell über ausgedehnte 344 W. Janensch: Streeken ausbreiten konnten. Außerdem sind doch die hochgradigsten Anpassungen an das Wasserleben bei den Reptilien stets von Tiergruppen erreicht worden, die rein marine Lebensweise führten und führen, so die Ichthyosaurier, Plesiosaurier, Pythonomorphen, die Cheloniden unter den Schildkröten und von den rezenten Schlangen die Hydrophinen. Die Palaeophiden, die die letzteren bezüglich des Grades der Spezialisierung der Wirbel — wenigstens der allein bekannten Rumpf- wirbel — weit überragen, dürften deshalb wohl mit größerer Wahrscheinlichkeit das Meer bewohnt haben, als das Süßwasser, wenn sie vielleicht auch gelegentlich von der See aus in die Flüsse vorgedrungen sein mögen. Über die systematische Stellung der Palaeophiden. Die beiden Arten der Gattung Pterosphenus weichen von dem normalen Typus der Schlangenwirbel sehr erheblich ab, dasselbe gilt für Palaeophis typhaeus. Aber auch die am wenigsten spezialisierte Form Palaeophis toliapieus zeigt doch noch so wesentliche Abweichungen, daß doch die Frage noch zu berühren ist, ob die Palaeo- phiden überhaupt zu den Ophidiern gehören. Als das bezeichnendste Merkmal der Schlangenwirbel muß die Ausbildung der Gelenkung von Zygosphen und Zygantrum gelten. Diese ist bei den Palaeophiden in ganz ähnlicher Weise wie bei den lebenden Schlangen vorhanden. Es bekundet sich darin zweifellos eine Übereinstimmung von maßgebender Bedeutung. In Frage käme höchstens noch die Zugehörigkeit zu /guana oder einer ihr nahe stehenden Gattung, bei der Zygosphen und Zygantrum gleichfalls ausgebildet sind. Doch hat Owen (1850b p. 55) bereits auf die starken Unterschiede der Wirbel von Iguana gegenüber denen von Palaeophis hingewiesen. Er betont mit Recht, daß die Wirbel der ersteren vor allem durch den kleinen, knopfartigen Quer- fortsatz den Mangel einer Hypapophyse und die Ausbildung eines langen, von den Praezygapophysen bis zum Kondylus hinziehenden Wulstes abweichen. Seiner ganzen Form nach steht der Wirbel von Palaeophis toliapieus, von dem man als dem ursprünglichsten naturgemäß ausgehen muß, einem solchen von Python ent- schieden näher, als einem solchen von Iguana. Daß es sich zum mindesten bei Palaeophis toliapieus um ein Reptil mit einiger- maßen gestrecktem Rumpf gehandelt haben muß, geht daraus hervor, daß Owen ein Abschnitt der Wirbelsäule desselben mit 30 Wirbeln vorgelesen hat. Daß ferner die Palaeophiden in ihrer Organisation schlangenartig gewesen sein dürften, wird wenn auch nicht bewiesen, so doch dadurch sehr wahrscheinlich gemacht, daß trotz der großen Zahl von Wirbeln, die man kennt — mir selbst lagen von Ptero- sphenus Schweinfurthi gegen 150 vor — niemals Teile der Extremitäten, des Schulterblattes oder Beckens gefunden sind. Davon abgesehen spricht auch die Form der Wirbel mehr für die Zu- gehörigkeit zu Schlangen als zu einer anderen bekannten Reptilgruppe. Die Frage der Verwandtschaft der Palaeophiden mit anderen Schlangengruppen, ist won Lyddecker (1888) behandelt worden. Er tritt der Auffassung von Cope, Marsh und de Rochebrune entgegen, daß sich die Palaeophiden an die Pythoniden auschlössen, und betont, wie sehr sich die ersteren namentlich durch die größere Höhe des Dornfortsatzes, durch die tiefe Lage und abweichende Gestalt der Quer- 346 'W. Janensch: . fortsätze, durch die weniger hervorragenden Zygapophysen und die geringere Ent- wicklung „einer haemal carina“ [= Hypapophysen nebst verbindendem Kiel] von jenen unterscheiden. Sehr richtig erklärt er, daß die osteologischen Verhältnisse nicht für die Zusammengehörigkeit der beiden Gruppen sprächen. Dazu käme dann, daß die Palaeophiden, wie bereits Owen und Marsh angenommen hatten, marine, die Pythoniden dagegen Land bewohnende Schlangen seien. Auch die von Owen aus- gesprochene Ansicht, daß die Palaeophiden den Hydrophiden nahe stehen sollen, wird auf Grund der völligen Verschiedenheit der Wirbel mit Recht abgelehnt. Wenn demgemäß Lyddecker die neue, selbständige Familie der Palaeophiden er- richtet, so kann dem nur beigepflichtet werden. Die Palaeophiden stehen in der Tat allen übrigen bekannten Schlangen durchaus fremd gegenüber, indem sie eine ganz eigenartige Richtung der Speziali- sierung zeigen. Will man den Versuch machen, die nächstverwandte Gruppe auf- zufinden, so hat man natürlich von der Form auszugehen, bei der die Spezialisierung am schwächsten ist, also von dem Palaeophis toliapieus. Aker auch diese noch verhältnismäßig ursprüngliche Form läßt sich nicht ohne eine gewisse Willkür an eine andere fossile oder rezente Gattung anschließen. Vielleicht bringen später einmal glückliche Funde Klarheit über die Abstammung der Palaeophiden. Augen- blicklich kennt man doch noch zu wenig von eocänen oder eretaceischen Schlangen, um über die verwandtschaftlichen Beziehungen der Palaeophiden irgend etwas Stichhaltiges sagen zu können. Literatur-Verzeichnis. (Die Abhandlungen sind gewöhnlich nur mit dem Erscheinungsjahr zitiert; nur wenn aus den beistehenden Ausführungen der Name des Autors nicht unzweideutig hervorgeht, ist dieser noch ausdrücklich angegeben). Andrews, W. 1901. Preliminary Note on some recently discovered extinet Vertebrates from Egypt (Part. ID). Geological Magazine Dec. IV, Vol. VIII p. 436—444. 1906. A descriptive Catalogue of the Tertiary Vertebrata of the Fajum, Egypt. Beadnell,,H. J. L. 1905. The Topography and Geology of the Fajum Province of Egypt. Cairo. Blanckenhorn, M. 1900. Neues zur Geologie und Palaeontologie Ägyptens. II. Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 52, p. 403—479. Boulenger, @. A. 1896. Catalogue of the Snakes in the British Museum. 1893—96. Cope, Edward D. 18682. Remarks on Palaeophis littoralis Cope (ohne Titel). Proe. Acad. Nat. Scien. Philadelphia. 1868, p. 147. 1868b. On some Cretaceous Reptilia. Proc. Acad. Nation. Scien. 1868. p. 233 — 242. 1868c. Synopsis of the extinct Reptilia found in the Mesozoie and Tertiary strata of New Jersey. Appendix B of Geology of New Jersey, p. 733—742. 1869. Synopsis of the extinet Batrachia, Reptilia and Aves of North Amerika. Transact. Americ. Philos. Society XIV, p. 277 ff. 1882. The Reptiles of the Americain Eocene. The American Naturalist. Vol. XVI, p. 979—993. 1891. Syllabus of Lectures on Geology and Paleontologsy. p. 52, Fig. 28. Philadelphia. Dani, \WG BE 1898. A Table oftheNorth American TertiaryHorizons, correlated with one another and with those of Western Europe, with Annotations. XVIII. Annal Report of the U. S. Geolog. Survey 1896—97, II p. 327—348. Hoffmann, ©. K. 1890. Dr. H. G. Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreiches. VI. Bd. 3. Abteilung, Reptilien, III. Schlangen und Entwieklungsgeschichte der Reptilien. 348 Literatur-Verzeichnis. Janensch, W. 1906. Über Archaeophis proavus Mass., eine Schlange aus dem Eocän des Monte Bolca. Beitr. z. Geol. u. Palaeont. v. Österr.-Ungarn und des Orients. Lucas, F. A. 1899. A new Snake from the Eocene of Alabama. Proc. ofthe U. S. National Museum XXI p. 637—638 pl. XLV, XLVI. Lydekker, R. 188Sa. Note on Tertiary Zacertilia and Ophidia. Geol. Magaz. Dec. III Vol. V, p. 110—113. 1888b. Catalogue of the fossil Zeptilia and Amphibia in the British Museum. Part. I. Marsh, ©. C. 1869. Description of a new and gigantie fossil Serpent (Dinophis grandis), from the Tertiary of New Jersey. Silliman’s American Journal of Science and Arts II ser. 48 p. 397—400. 1877. Introduction and Succession of Vertebrate life in America. Americ. Journ. of Science XIV, p. 337—378. Oppenheim, P. 1900. Die Priabonaschichten und ihre Fauna. Palaeontographica XLVM. 1900, 01. 1903. Zur Kenntnis alttertiärer Faunen in Ägypten. Palaeontographica XXX 3. Abteilg. Owen, R. 1840. Description of the fossil Remains of a Mammal, a Bird, and a Serpent from the London Clay. Proc. Geol. Soc. London III, p. 162—166. 1841. Description of some Ophidiolites (Palaeophis toliapicus) from the London Clay at Sheppey, indicative of an extinet Species of Serpent. Trans. Geol. Soc. London VI, p. 209—210 pl, XXI. 1842. Report on British fossil Reptiles II. Report Brit. Associat. Adv. Scie. 1841 p. 60—204. 18550a.. A History of British fossil Reptiles II. Crocodilia, Ophidia. p. 77 —154. 1850b. Monograph on the fossil Reptilia of the London Clay and of the Bracklesham and other tertiary Beds. Part. III. Ophidia p. 51—68. Pl. XII—XV1. De Rochebrune, A. T. 1850. Revision des Ophidiens fossiles du Museum d’Histoire naturelle. Nouv. Archives du Mus. d. Hist. natur. II Ser. T. 3, p. 271—2%6. 1881. Memoires sur les vertebres des Ophidiens. Journ. de l’Anatom. et de Physiol. 17, p. 185. Tafel-Erklärung. Tafel 26. Auf der linken Hälfte der Doppeltafel sind vor den beiden rechtsstehenden Wirbeln von Pierosphenus Schweinfurthi die Kopien entsprechender Typen der drei anderen Palaeophidenarten gesetzt. Zur Erleichterung des Vergleiches sind diese Kopien auf solche Größe gebracht worden, daß die Gelenkköpfe gleichen Höhen- durchmesser mit dem des Wirbels von Pt. Schweinfurthi derselben Reihe erhalten haben. Die Aufeinanderfolge der Wirbel der oberen Reihe von links nach rechts und der unteren von rechts nach links läßt eine stetige Zunahme der Spezialisierung erkennen, die dem geologischen Alter der Arten entspricht. Palaeophis toliapicus Owen aus dem untereocänen Londonton von Sheppey. Fig. 1a. Vorderansicht eines Wirbels (vergrößerte Kopie nach Owen), */s nat. Gr. Fig. 1b. Seitenansicht desselben Wirbels (vergrößerte Kopie nach Owen), */s nat. Gr. Palaeophis typhaeus Owen aus dem Mitteleoeän von Bracklesham. Fig. 2. Seitenansicht eines Wirbels (verkleinerte Kopie nach Owen), 12/13 nat. Gr. Pterosphenus Schweinfurthi aus der oberen Mokattamstufe (oberes Mitteleocän oder unteres Obereocän) des Fajum. Fig. 3a. Seitenansicht eines Wirbels des Typus I, nat. Gr. Qasr el Sagha, Münchener Sammlung. ’ Fig. 3b. Vorderansicht desselben Wirbels, nat. Gr. Fig. 3e. Hinteransicht desselben Wirbels, nat. Gr. Fig. 3d. Ansicht desselben Wirbels von oben, nat. Gr. Fig. 3e. Ansicht desselben Wirbels von unten, nat. Gr. Fig. 4a. Seitenansicht eines Wirbels des Typus II, nat. Gr. Fajum, Sencken- burgisches Museum, Frankfurt a./M. Fig. 4b. Vorderansicht desselben Wirbels, nat. Gr. Fig. 4c. Hinteransicht desselben Wirbels, nat. Gr. Fig. 4d. Ansicht desselben Wirbels von oben, nat. Gr. Fig. 4e. Ansicht desselben Wirbels von unten, nat. Gr. 350 Tafel-Erklärung. Pterosphenus Schucherti Lucas aus den obereocänen Zeuglodon-Schichten von Fig. 5. Cocoa in Albama. Seitenansicht eines Wirbels (vergrößerte Kopie nach Lucas), !”/ıı nat. Gr. Tafel 27. Pterosphenus Schweinfurt Andrews. Seitenansicht eines Wirbels des Typus III, nat. Gr. Dimeh, Fajum. Naturalienkabinet Stuttgart. Vorderansicht desselben Wirbels, nat. Gr. Ansicht desselben Wirbels von unten, nat. Gr. Seitenansicht eines Wirbels des Typus III (Übergang zu Typus ID), nat. Gr. Dimeh, Fajum. Naturalienkabinet Stuttgart. Vorderansicht desselben Wirbels, nat. Gr. Hinteransicht desselben Wirbels, nat. Gr. Ansicht desselben Wirbels von oben, nat. Gr. Ansicht desselben Wirbels von unten, nat. Gr. Seitenansicht einesWirbels vom Typus1II miterhaltenen Flügelfortsätzen, nat. Gr. Dimeh, Fajum. Naturalienkabinet Stuttgart. Kombinierte Ansicht von drei zusammenhängsenden Wirbeln des Typus I, nat. Gr. Archiv für Biontologie. Bd. I. Tafel 25 4a W. Janensch, Pterosphenus Schweinft eine der Palaeopkiden. M. Rudloff gez. Meisenbach Riffarth & Co., Berlin-Schöneberg Bu VummaT, au Ar r ng .Y f ‚“ { R ‘ . N a r fi % , MM ’= b N - » ... bi % ” . f N A > 1 i 20 f - . 5 7 E j P 5 v "r 5 | D Dr + > j a 2 ” u n Pr A 5 “ [7 4 “ a - R ‚ Archiv für Biontologie, Bd. I. Tafel 27. M. Rudloff gez. Meisenbach Riffartı & Co., Berlin-Schöneberg W. Janensch, Pterosphenus Schweinfurthi Andrews und die Entwicklung der Palaeophiden. , Fe & Bemerkungen ab Intercellularstrukturen und die Cuticula der Amplibienlarven. Von H. Schubotz. (Aus dem Zoologischen Institute der Universität Berlin.) Hierzu Tafel 28. Berlin. In Kommission bei R. Friedländer & Sohn. 1906, Bemerkungen über Intercellularstrukturen und die Cuticula der Amphibienlarven. Die Ansichten über die „Intercellularstrukturen“, womit ich mit Pfitzner (80) die Intercellularbrücken und -lücken des Epithels zusammenfasse, sind trotz des großen Interesses, welches sie seit ihrer Entdeckung durch Schrön (63) und Max Schultze (64) gewannen, immer noch durchaus geteilte. Wenn man die Zell- brücken wohl auch jetzt allgemein als ununterbrochene Verbindungen der benachbarten Zellkörper auffaßt, und nicht als solche der Zellmembranen, wie es Manille Ide (88, 89) und für einen Teil der Epidermiszellen auch Kölliker in seinem großen Handbuch der Gewebelehre (89) wollte, so herrscht doch über ihre Be- ziehung zur Zelle, d. h. zur Zellstruktur, noch lange keine Übereinstimmung. Da die sehr ausgedehnte Literatur über diesen Gegenstand häufig und vor allem in den neueren Arbeiten von Studniceka (98) und Schuberg (1903) mit höchst dankens- werter Ausführlichkeit dargestellt ist, begnüge ich mich mit einem Hinweis auf diese letzgenannten Autoren und gehe nur auf einige wenige, mich besonders interessierende Anschauungen ein, so hauptsächlich auf eine von F. E. Sehulze im Jahre 1896 veröffentlichte Arbeit. Obwohl die Resultate dieser Arbeit durch eine Anzahl in anbetracht der Schwierigkeit des Objekts gut gelungener Photo- graphien gestützt waren, erlangten sie doch nicht die ihnen gebührende Beachtung. Eine Nachprüfung hat diese Untersuchung, die ausschließlich die Epidermis lebender Amphibienlarven betraf, soweit ich die Literatur übersehe, bisher nicht gefunden. Zwar bekennt sich Studnicka (98) auf Grund von Beobachtungen an Schnittpräparaten zur Schulzeschen Anschauung und auch v. Ebner (1902) steht ihr sympathisch gegenüber; dagegen verharrt K. C. Schneider in seinem 1902 er- schienenen Lehrbuche der vergleichenden Histologie noch auf dem alten Stand- punkte Flemmings. Flemming beschrieb 1832 (p. 52 ff.) die Intercellular- brücken als faden- oder lamellenförmis und gab ihren optischen Querschnitt durch isolierte Pünktchen und verästelte Strichelchen wieder (Taf. IIa, Fig. 19). Dem- entsprechend hält Schneider, der Flemmings Theorie vom filaren Bau des Plasmas vertritt, die Zellbrücken für Sarefäden (Line), die von aneinandergereihten Körnehen (Desmochondren) gebildet werden. F. E. Schulze beobachtete zwischen den Zellen lebender Epithelien eine hyaline, ziemlich stark lichtbrechende Grenz- schicht, in welcher kleine Flüssigkeitströpfehen auftreten und allmählich eine ein- schichtige Lage von Vacuolen bilden. Er sah also in den parallel zur Oberfläche g* 354 H. Schubotz: verlaufenden Grenzschichten der Zellen die Zellbrücken nicht als isolierte Pünktchen, sondern als ein zusammenhängendes Maschenwerk, den optischen Aus- druck der einschichtigen Alveolenlage. Bei längerer Beobachtung, infolge Deck- elasdrucks oder anderer störender Einflüsse nahmen die Vacuolen an Größe zu, so stark, daß schließlich eine Zerreißung der Scheidewände und damit eine Isolation der nun strangförmig erscheinenden Zellbrücken eintreten konnte. An konserviertem Material ist die einschichtige Alveolenlage bisher nur von Studnicka und wie ich glaube, von Manille Ide und H. Rabl beobachtet worden, wenn die letzteren ihr auch eine andere Deutung gaben. Daß sie eine weite Verbreitung hat, glaube ich durch die Abbildungen meiner Präparate in den Figuren 1I—5 darlegen zu können. Voraussetzung für ihre Darstellung ist lebendes oder unter günstigen Ver- hältnissen im überlebenden Zustande untersuchtes Material oder vorzüglich kon- serviertes. Wie außer von F. E. Schulze auch von Flemming (l. ce. u. 95), Mithropanow (85) u. a. beobachtet wurde, werden die Zellbrücken bei Einwirkung von Reizen länger und demgemäß die Lücken weiter. Diese an lebenden Objekten leicht bemerkbare Tatsache tritt auch an schlecht konserviertem Material wahr- scheimlich infolge von Schrumpfung des Zelleibes auf. Flemming (95a) stellte fest, daß die Intercellularräume nach Osmiumfixation viel enger sind als nach Konservierung mit Chromessigsäure und Chromameisensäure. Ich stellte meine Untersuchungen an überlebenden Schwänzen von Amphibien- larven, hauptsächlich Rana temporara und Süredon pisciformis und am mit reiner 2'higer Osmiumsäure (ca. 5 Mimuten lange Einwirkung) oder Flemmings Gemisch fixierten Flossensäumen an. Um die bei Amphibien erhobenen Befunde mit denen bei Säugetieren zu vergleichen untersuchte ich auch die mit Flemmings Gemisch fixierte Sohlenhaut des Meerschweinchens. Die überlebenden Schwanzflossen wurden unter ein mit hohen Wachsfüßchen versehenes Deckgläschen gebracht und in Wasser untersucht. Deckglasdruck wurde möglichst vermieden. Die Beob- achtung ist nur kurze Zeit möglich, da sich die ursprünglichen Verhältnisse, wie gesagt, sehr bald verändern. Das fixierte Material wurde möglichst dünn ge- schnitten (höchstens 2 x) und mit Eisenhämatoxylin gefärbt. Zum Vergleiche ver- wandte ich die von Unna herrührende, von L. Ehrlich (01) empfohlene Plasma- färbungsmethode mittelst Polychrom. Methylenblau und nachheriger Differenzierung in Anilin-Alaun. Sie gelinst am besten nach Konservierung mit absol. Alkohol und liefert gute Aufschlüsse über den Bau des Plasmas. Die Intercellularstrukturen waren jedoch hier infolge der Alkoholkonservierung nicht so klar wie auf den mit Osmium fixierten und nach Heidenhein gefärbten Präparaten. Das Studium der Präparate erfolgte mit den Zeißschen 2 mm Apochromaten von 1,30 und 1,40 num. Apertur und den Kompensationsocularen 4, 8, 12 und 18. Zur Darstellung der erhaltenen Bilder wählte ich die Photographie. Sie hat den Nachteil, daß sich mit ihr die Verhältnisse erheblich weniger deutlich wiedergeben lassen, als durch eine Zeichnung, und daß daher Photogramme viel aufmerksamere Betrachtung, wenn möglich durch eine Lupe, verlangen. Indessen schien es mir nötig, diesen Nachteil mit in den Kauf zu nehmen, wo es sich um feinste Strukturen handelt, die eben nur durch Schematisierung, die ich vermeiden wollte, zu verdeutlichen sind. Daher wurde auch von jeder Korrektur der Aufnahmen durch Retuche abgesehen. Bemerkungen über Intercellularstrukturen und die Cuticula der Amphibienlarven. 355 Die Beobachtung F. E. Schulzes an der lebenden Epidermis der Amphibien- larven konnte ich bis auf einen, allerdings sehr wichtigen Punkt wiederholen. Dieser ist das Vorhandensein der hyalinen ziemlich stark lichthrechenden Grenz- schicht zwischen den Epithelzellen, welche vor dem Auftreten von Vacuolen die Zellen scheiden soll. Auch bei Berücksichtigung aller Vorsichtsmaßregeln zur Ver- meidung von Deckglasdruck und bei möglichst schneller Anfertisung der frischen Präparate, sah ich die Zellen stets bereits durch eine Schicht winziger Alveolen getrennt. Zwar waren die Elemente dieser Schicht anfangs sehr klein und wurden erst, wie F. E. Schulze beschreibt, allmählich größer und demgemäß deutlicher. Aber von Anfang an waren sie bei meinen Objekten nicht zu übersehen. Diesen Gegensatz zu den Befunden F. E. Schulzes kann ich mir nur damit erklären, daß ich meine Untersuchungen wegen der vorgerückten Jahreszeit an älteren, ca. 5 em langen Larven anstellen mußte, während F. E. Schulze jüngere, ca. 2 em lange Stadien studierte. Auf den gleichen Grund führt auch Flemming (95b, p. 323) seine von Schulze abweichende Beobachtung nur strang- oder lamellenförmiger Brücken zurück. Daß indessen die Intercellularstrukturen anfänglich auch bei älteren Larven in lebendem oder gut konserviertem Zustande Vacuolennatur haben, also in vertikal zur Oberfläche gerichteten Grenzschichten einfache Vaeuolenreihen, in Grenzschichten parallel zur Oberfläche aber ein Maschenwerk darstellen, dafür bilden meine Photogramme 1—4 von lebender bezw. konservierter Frosch- und Axolotllarvenepidermis Belege. Von besonderem Interesse, weil ein weiterer Be- weis für die Vacuolennatur der Strukturen, scheint mir ferner die schon von F. E. Schulze angestellte, von mir in jedem Falle bestätigt gefundene Beobachtung zu sein, daß die Ecken der zusammenstoßenden Zellkanten niemals durch Inter- cellularbrücken verbunden werden, sondern daß sich hier stets eine Vacuole findet, die meist etwas größer ist, als die nächstliesenden. Ferner konnte auch ich fest- stellen, daß die Vacuolen, wie bereits erwähnt, allmählich größer werden, die sie trennenden Wände dementsprechend dicker und länger und daß ihre Zahl in gleichem Maße, wie sie wachsen, abnimmt. Offenbar findet hier ein Zusammenfließen der benachbarten Tröpfchen infolge Platzens der Wände statt, was ein gröber und deutlicherwerden der gesamten Struktur zur Folge hat. Diese Beobachtung scheint mir die Annahme zu vechtfertigen, daß auch schon die hyaline Grenzschicht, in welcher F. E. Schulze zuerst die Tröpfehen allmählich und vereinzelt auftreten sah, die alveoläre Struktur besaß, daß sie aber hier, wegen ihrer außerordentlichen Feinheit unsichtbar bleibt. Möglicherweise beruht auch das hyaline Aussehen der Grenzschicht auf dem im normalen Zustande gleichen Lichtbrechungsvermögen der Alveolarwände und ihres Inhalts, sodaß erst ein durch äußere störende Einflüsse eintretender Entmischungsprozeß die Struktur erkennbar macht. Von allen bisherigen Untersuchern wurde die Richtung der Intercellularbrücken stets senkrecht zu den benachbarten Zellwänden beschrieben, ein Umstand, der eben charakteristisch ist für einschichtige Alveolenstruktur, wohingegen er anderen Auffassungen der Brücken, als sekundär entstehende „Line“ oder gar als „Fährten der Wanderzellen“, wie es Reinke in einer jüngst (1906) erschienenen Arbeit darstellt, Schwierigkeiten bereiten muß. Reinke vertritt die Ansicht, die Epithel- zellen bildeten ursprünglich ein Syneytium, welches erst durch die Einwanderung 356 H. Schubotz: von Leucocyten in die einzelnen Zellen auseinandergedrängt wird. Daß die Leucocyten bei ihrer Wanderung jedem Kern einen annähernd gleich großen Plasma- komplex lassen, scheint befremdlich. Die Einwanderung von Leucocyten in die Intercellularräume ist eine bereits von F. E. Schulze, Flemming u. a. beob- achtete Tatsache, stets aber bildeten die Intercellularräume dabei die vorbezeichneten Bahnen für die Wanderzellen. Niemals wurden sie von ihnen hervorgerufen. Daran ändert auch die gelegentlich beobachtende Erscheinung nichts, daß sich die Intercellularräume vor kriechenden Leucoeyten erweitern (Pfitzner 80). Das Verhalten der Intercellularstruktur ist bei verschiedenen Arten sowohl wie bei verschiedenen Individuen derselben Art unterschiedlich. Bei der lebenden Axolotlepidermis erschien sie mir außerordentlich zart; nur bei bester Beleuchtung, mittelst blauen durch eine Schusterkugel gesammelten Gasglühlichts lösten sich die der Oberfläche parallelen Grenzschichten der Epithelzellen in ein geschlossenes Maschenwerk auf. Oft waren die Knoten der Maschen allein deutlich, die ver- bindenden Lamellen kaum oder garnicht erkennbar. Auf allen mit Osmium oder Osmiumgemischen fixierten und gefärbten Präparaten ließ sich auch, wie weiterhin noch näher ausgeführt werden soll, erkennen, daß in den Ecken des horizontalen Maschenwerks scheinbar Körnchen lagen, die aber. offenbar weiter nichts als die Querschnitte der hier zusammenstoßenden Alveolenkanten darstellten (Figg. 3, 4). Wenn bei längerwährender Beobachtung die Alveolen größer werden und schließlich zerreißen, so sind es diese gemeinsamen Kanten, die übrig bleiben und dann als isolierte Fäden imponieren. - Ebenso, als Querschnitte der zusammenstoßenden Alveolenkanten erklären sich meiner Meinung nach auch die Knötchen, die man an den Ursprungstellen der Brücken aus dem Zellleibe häufig liegen sieht. Der Übergang der der Oberfläche parallel verlaufenden alveolären Grenzschicht in die vertikale ist bei geeigneter Benutzung der Mikrometerschraube unschwer festzustellen (Fig. 5). Hierbei kommt es vor, daß das Balkenwerk in der horizon- talen Schicht abwechselnd hell oder dunkel aussieht, die Lücken dagegen in jedem Falle umgekehrt. Es hängt dies von der Einstellung ab, die, wenn sie zu hoch ist, die diehteren Alveolarwände hell, die Lücken dagegen dunkel erscheinen läßt, während sie sich bei richtiger Einstellung gerade umgekehrt verhalten. Deutlicher als beim Axolotl waren die geschilderten Verhältnisse in der Epidermis von Rana esculenta-Larven erkennbar. Besonders an solchen Exemplaren, die nicht zu stark pigmentierte Haut besaßen. Infolgedessen wählte ich zur photographischen Dar- stellung der lebenden Zellen diese Objekte. Bei allen von mir untersuchten Epithelzellen, bei Amphibien sowohl wie beim Meerschweinchen, konnte ich mich ebenso wie F. E. Schulze, Pfitzner u. a. überzeugen, daß sie einer Zellmembran, auf die Kölliker, Manille Ide u.a. die Zellbrücken beziehen, durchaus entbehren. Nur die Intercellularschicht war durch ein etwas anderes Lichtbrechungsvermögen gegen die angrenzenden Zellen abgesetzt, wohingegen die Zellkörper, an denen ich im Leben keine besondere Struktur wahr- nehmen konnte, nach außen hin von keiner Membran begrenzt waren. Anders ver- halten sich jedoch die Leydigschen Zellen, die stets von einer, auch gegen das Zellinnere scharf abgesetzten Membran umgeben sind, Die oft beschriebenen Bemerkungen über Intercellularstrukturen und die Cuticula der Amphibienlarven. 357 netzförmigen Oberflächenstrukturen dieser Zellen, die ich in Figur 6 abbildete, stellen offenbar Verdickungen der Membran dar. Besonderes Interesse widmete ich dem Abschluß der Intercellularräume nach außen. Pfitzner (80) sah Tröpfchen von einer stärker als Wasser lichthrechenden Flüssigkeit in das umgebende Medium aus den Intercellularräumen heraustreten und schloß daraus, die Räume seien nach außen offen. Demgegenüber betonten F. E. Schulze und Flemming den Abschluß der sich nach der Oberfläche all- mählich verjüngenden Spalten, und Cohn (95) gelang es mittelst Eisenhämatoxylins feine Leisten, sogenannte Kittstreifen, an der Oberfläche der Epidermis und anderer Epithelien darzustellen. Trotzdem möchte ich hier die Richtigkeit der bisher noch nicht bestätigten Pfitznerschen Beobachtung betonen. An Flossensäumen lebender Froschlarven, deren äußerster Rand scharf eingestellt war, sah ich aus den sich nach oben bis zur Berührung verjüngenden Intercellularspalten winzige Flüssigkeits- tropfen bei länger (dauernder Betrachtung heraustreten. Durch Zusammenfließen vergrößerten sie sich und bildeten schließlich, entsprechend den Zellgrenzen auf Oberflächenansichten große Netze von Flüssigkeitsrinnen, wie Figur 11 sie zeigt. Im Grunde dieser Rinnen lassen sich überall noch die stark lichtbrechenden Kitt- leisten, die ich im übrigen auf Eisenhämatoxylinpräparaten stets gefunden habe, erkennen. Die Kittleisten vermögen also einen vollkommenen Abschluß der Inter- cellularspalten doch nieht zu bewirken. Ferner erscheinen sie an lebenden Ob- jekten nicht: schnurgerade, sondern etwas gezackt, entsprechend den Porenwänden des Cutieularsaumes. Die fixierten und gefärbten Präparate geben die im Leben beobachteten Bilder mit aller wünschenswerten Deutlichkeit wieder. Die parallel zur Oberfläche ver- laufenden Grenzschichten der Zellen werden überall von einem zusammenhängenden Maschenwerk gebildet, das kontinuierlich in die Vacuolenreihe der zur Oberfläche - senkrechten Grenzschichten übergeht. Bei der Siredonlarve ist die Struktur, gemäß ihrer schlechten Sichtbarkeit im Leben, äußerst zart (Fig. 3). Die Wände der Alveolen sind haarfeine Linien, welche die dunkleren Ecken verbinden. Etwas gröber erscheint sie beim Frosch (Fig. 4). In jedem Falle aber sah ich die netz- artige Beschaffenheit der Struktur so deutlich, daß ich an ihrer Natur nicht zweifeln kann. Wie eingangs erwähnt, beobachtete schon Manille Ide (89) diese netz- förmigen Bilder an der Oberfläche der Epithelzellen. Er bezog sie aber auf die angeblich vorhandene Zellmembran, in der feine Fasern verlaufen sollen, von deren Knotenpunkten, die Intercellularbrücken entsprängen, so daß auch diese Letzteren Teile der Zellmembran wären. Abgesehen von der Zellmembran hat Manille Ide also richtig beobachtet. Die Knotenpunkte sind in Wirklichkeit die optischen Durchschnitte der Alveolenkanten, die nach dem Zerplatzen der Wände die faden- förmigen Intercellularbrücken vorstellen. Das Vorhandensein einer netzigen Verbindung der Intercellularbrücken bestritt besonders H. Rabl (97). Er meint, Ide habe sich durch den nicht immer senk- rechten, sondern manchmal schrägen Verlauf der Brücken zur Zelloberfläche täuschen lassen. Er selbst fand in den optischen Durchschnitten der Intercellularräume feine seitliche Verbindungen der Brückenfasern, die bei oberflächlich getroffenen Zellen 358 H. Schubotz: ein Netzwerk bilden sollen. Vielleicht habe Ide dieses Netzwerk vor sich gehabt. In Bezug auf letzteren Punkt bin ich derselben Ansicht wie Rabl, glaube aber, daß dieses Netzwerk der von F. E. Schulze und mir beschriebene optische Aus- druck der Alveolenschicht ist, die in gut konserviertem Material die Grenzschicht der Epithelzellen darstellt. Die seitlichen Verbindungen, die Rabl zwischen den Knöpfehen der Brückenfasern fand, sind dagegen meiner Ansicht nach eine viel weniger weit verbreitete Erscheinung. In Verfolg der Befunde letztgenannter Autoren, Ide und Rabl, welche ihre Untersuchung an der Säugetierepidermis anstellten, studierte ich die mit Osmiumsäure konservierte Sohlenhaut des Meerschweinchens. Bekamntlich ist die Säugetierepidermis charakterisiert durch eine sehr ausgeprägte Faserung, welche von Ranvier (79) zuerst genauer beschrieben wurde. Die Fasern gehen zweifellos von einer Zelle in die andere über und viele besitzen im Mittel- punkt des Brückenteils jenes Knötchen, dem Ranvier Dehnbarkeit und damit die Ur- sache für die verschiedene Länge der Brückenfasern zuschrieb. Dagegen konnte ich mich von einer seitlichen Verbindung der Zellbrücken bei diesem Objekte nicht überzeugen, wohl aber gelegentlich an der lebenden Amphibienhaut. Hier sah ich deutlich eine feine membranartige Schicht die Mitten der Brücken ziemlich in der Ausdehnung einer Zellkante verbinden. Es war auf einem Stadium, wo die Alveolen schon an Größe zugenommen hatten, die Struktur also relativ deutlich erschien. Durch Zerreißen verschwand die Membran, und es gelang mir nicht, sie in anderen Fällen wieder zu beobachten. Auch konnte ich ebensowenig wie Pfitzner, Flem- ming und F. E. Schulze die in den Intercellularbrücken der Säugetierepidermis häufig vorhandenen Knötchen in der Epidermis der Amphibienlarven feststellen; vielmehr sind die Zellbrücken hier in der Regel in der Mitte am dünnsten, was offenbar mit ihrem Ursprung als Alveolenwandung zusammenhängt. Die von Rabl in Grenzschichten senkrecht zur Oberfläche gefundenen, seit- lichen Verbindungen der Brückenfasern in der menschlichen Sohlenhaut dürfen wir also wohl kaum als eine allgemein vorhandene Erscheinung auffassen. Dagegen fand ich an oberflächlich getroffenen Zellen das Maschenwerk, wie gesagt, auch in der Meerschweinchenepidermis ganz allgemein. Es kann also nicht in jedem Falle eine Flächenansicht des von Rabl entdeckten Zustandes sein. Auch vermag ich nach meinen Beobachtungen Rabl durchaus nicht in seiner Auffassung der Epithel- fasern als Teile der Filarsubstanz des Zellkörpers im Flemmingschen Sinne zu- zustimmen. Vielmehr hat meiner Meinung nach Ranvier recht, der sie für stark differenziert hält und sie sogar mit den Nervenfibrillen vergleicht. Man kann sich ferner davon überzeugen, daß sie nicht isoliert verlaufen, sondern auch im Innern der Zelle netzig verbunden sind (Fig. 5). Meine Auffassung der Intercellularstrukturen ist nun die, daß sie ursprünglich im engsten Zusammenhang stehen mit der Struktur des Zellkörpers. In vielen Fällen läßt sich die letztere, besonders mit der Unnaschen Plasmafärbungsmethode oder mittelst Eisenhämatoxylins als alveolär zur Darstellung bringen und dann sieht man die Brücken direkt in das Gerüstwerk des Zellkörpers übergehen. Die deutlich maschenartige Beschaffenheit der Grenzschichten verbunden mit der Eigen- tümlichkeit der Zellbrücken stets senkrecht von einer Zellkante zur anderen zu verlaufen, in den zusammenstoßenden Ecken aber zu fehlen, weisen auf einen Ver- Bemerkungen über Intercellularstrukturen und die Cuticula der Amphibienlarven. 359 gleich der Grenzschichten mit den Alveolarsäumen Bütschlis hin. Die Tatsache, daß man in der von F. E. Schulze beobachteten hyalinen Schicht zwischen den Epidermiszellen die Alveolarstruktur anfangs äußerst fein, danach allmählich gröber werden sieht, legt, wie ich oben ausführte, die Annahme nahe, der hyaline Zustand sei nur ein scheinbarer, durch die Zartheit der in ihm schon vorhandenen Struktur bedingter. Wie der Alveolarsaum zu einem je zwei beteiligten Zellen gemeinsamen geworden ist, vermag ich nur zu vermuten. Die teilweise vorhandenen Knötchen in. den Intercellularbrücken und ihre von Rabl und mir beobachtete seitliche Ver- bindung, scheinen anzudeuten, daß der Intercellularraum anfänglich durch eine beiden Zellen gemeinsame Scheidewand getrennt war, deren Reste eben jene seit- lichen Brückenverbindungen und Knötchen vorstellen. Die Epithelfasern der Säugetiere und erwachsenen Amphibien muß ich für differenzierte Teile des im übrigen alveolär gebauten Zellkörpers halten, welche auf optischen Querschnitten den Knötchen in den Ecken des Maschenwerks ent- sprechen. Wenn die Alveolen geplatzt sind, stellen die Fasern allein die Zell- brücken dar. Hin und wieder kann man sie jedoch von einer zarten, bereits von Cajal beschriebenen Hülle, umgeben sehen. Diese Hülle ist aber nicht etwa wie Cajal (86) erklärte, ein Teil der Zellmembran, denn eine solche fehlt auch in der Säugetierepidermis vollkommen, sondern ein Rest der geplatzten Alveolenwände. Auf die Ähnlichkeit zwischen der Intercellularstruktur und dem Cuticularsaum der Epidermis von Amphibienlarven und Fischen wies bereits Studnicka (98) nachdrücklich hin. Bei ihm findet sich auch eine ausführliche kritische Darstellung der bis dahin über den Bau dieser Bildung geäußerten Anschauungen. Alle die zahl- reichen Untersucher des Cuticularsaums sahen ihn auf dem optischen Querschnitt fein gestrichelt, nur herrschten über die Ursache dieser Strichelung verschiedene Differenzen. Nach den einen (Leuckart, Kölliker (57), Max Schultze (61), F. E. Schulze (67, 69, 88, 96), Langerhans (73), Cohn (94), u. a.) soll die Strichelung der Ausdruck von die Membran senkrecht durchsetzenden Porenkanälen sein. Andere Forscher (Eberth (66), Leydig (79, 79b), Pfitzner (80), Wolff (89) u. a.) behaupten, die Strichelung werde durch Stäbchen hervorgerufen, welche einer schwächer lichtbrechenden Substanz eingelagert wären. Nach Leydig (85) sollen diese Stäbchen Fortsätze des Spongioplasmas sein und auf Flächenansichten blatt- oder leistenförmige Erhöhungen darstellen, doch spricht er auch von einer porösen Membran, so daß man wohl mit Studnieka (98 p. 40) annehmen muß, Leydig sah seine protoplamatischen Fortsätze in den Poren einer Membran stecken. Nach den wiederholten Beschreibungen der Cutieula von Pelobates fuscus und Rana esculenta durch F. E. Schulze (69, 88, 96) besteht diese Bildung in Ober- flächenansichten aus einem wabenartigen System von Lamellen, in welchem be- sonders bei Pelobates fuscus stark lichtbrechende ovale his runde Körnchen liegen können, die unter besonderen Umständen herausfallen. Ein ähnliches Wabenwerk ist nach Beobachtungen Studnickas (97) bei Ammocoetes sehr deutlich, nur wurden die Räume zwischen den Lamellen hier leer gefunden. Studnicka hält die Strichelung des Cuticularsaums im optischen Querschnitt nach seinem und Schulzes. 360 H. Schubotz: Befunden für die Projektion der zusammenstoßenden Lamellenkanten, eine Auffassung, der ich mich vollkommen anschließe. Ich untersuchte die mir zum Studium der Intercellularstrukturen dienenden Larven von Rana esculenta, Siredon piseiformis und Triton taeniatus und fand hier überall das von F. E. Schulze beschriebene Lamellensystem, welches sich von dem bei Pelobates fuscus außerordentlich ausgeprägten nur durch einen geringeren Grad in der Ausbildung unterscheidet. Zum Vergleich dieser Verhältnisse gebe ich Photogramme der Cutieula von Rana esculenta, Siredon pisciformis und Pelobates fuseus. In einer ganz neuerdings erschienenen vorläufigen Mitteilung vertrat übrigens O0. Sehultze (1906) bezüglich der Amphibienlarveneutieula die Anschauung FE. E. Schulzes und schloß sich ihm auch in der Beurteilung der stark licht- breehenden Körnehen in den Alveolen bei Pelobates fuscus als Sekretionsprodukte an. Den alveolären Bau der Cutieula bestätigte ferner Flemming (95 p. 267) aber nur für das Kiemenblatt, während er an der Schwanzflosse Stäbchenstrichelung sah. Meine Photogramme stammen von den Schwanzflossen der betreffenden Larven, die Abbildungen F. E. Schulzes (83 Taf. II) von der Kopfhaut der Pelobates fuseus-Larve. Der alveoläre Bau geht, glaube ich, aus allen diesen Abbildungen einwandfrei hervor. Daß sich aber die Salamanderlarve anders verhält als die von uns untersuchten ist wohl kaum anzunehmen. Ich finde, wie gesagt, nur graduelle Unterschiede bezüglich der Größe der einzelnen Alveolen. Bei Siredon sind sie am feinsten, bei Rana ein wenig weiter und bei Pelobates im Verhältnis zum Zelldurchmesser außerordentlich groß, und zwar ist hier die Struktur auf frühen Stadien gröber als bei ausgewachsenen Larven. Auch sind die von F. E. Schulze beschriebenen stark lichtbrechenden Sekretkörperchen bei jungen Larven viel reichlicher vorhanden als später. Mein Photogramm Fig. 12, das von einem ca. 1 cm großen Tiere stammt, zeigt fast in jeder Kammer ein solches Körnchen, während letztere auf dem F. E. Schulzes (96) von einer ausgewachsenen Larve nur ganz spärlich zu sehen sind. Bei Rana esculenta und Siredon pisciformis finde ich diese Sekretkörnchen nieht, dagegen beschrieb sie F. E. Schulze 1869 von ARana esculenta und gab auch eine Abbildung von ihnen. Mein bei besonders starker Vergrößerung angefertigtes Photogramm Fig. 7 von der Cutieula der Larve von Rana esculenta zeigt außerdem den Verlauf der Zell- grenzen (Schlußleisten) nicht ganz gerade, sondern ein wenig gezackt, entsprechend den Ausbuchtungen der angrenzenden Alveolen. Von Interesse ist, daß die Cuticula der Amphibienlarven in ihrem Bau sehr viel Ähnlichkeit besitzt mit den durch Sukatschoff (99) beschriebenen Bedeckungen einiger Crustaceen. Besonders meine Fig. 7 stimmt auffallend mit der Abbildung Sukatschoffs von der Cuticula des Gammarus flwviatilis (Taf. 24 Fig. 19) überein. Wie oben erwähnt brachte schon Studnicka die Quticula der Amphibien- epidermis in Beziehung zur Intercellularstruktur, ja er gibt sogar an, ähnlich wie Maurer (95 p. 44), die Bildung einer neuen Cuticula im Falle des Absterbens der obersten Zellenlage aus den Intercellularstrukturen beobachtet zu haben. Jedoch hält er es für wahrscheinlich, daß die Cuticula nicht nur wabenartig, wie er und F. E. Schulze fanden, sondern auch aus Stäbchen oder Lamellen, die kein zu- Bemerkungen über Intercellularstrukturen und die Cuticula der Amphibienlarven. 361 sammenhängendes System bilden, gebaut sein soll, und zwar sei die Stäbchenstruktur jedenfalls als die primitivste anzusehen. Demgegenüber möchte ich betonen, daß mir die Auffassung, die Cuticula bestände aus Stäbchen, welche einer schwächer liehtbrechenden Substanz eingelagert seien, durchaus nicht bewiesen, sondern im Gegenteil vorzüglich erklärt erscheint durch Studnieka selber (vergl. p. 10 oben). Ich halte vielmehr den alveolären Bau der Amphibienepidermis für allgemein ver- breitet. Bezüglich der Berechtigung eines Vergleichs des Cuticularsaums mit der Intercellularstruktur stimme ich dagegen mit Studnicka überein. Nur vermute ich ebenso wie von letzterer auch von dem Cuticularsaum, daß er hervorgegangen ist aus dem Alveolarsaum der Zellen. Die Feinheit der Struktur bei Siredon und Rana scheint mir für die Annahme zu sprechen, diese Umwandlung sei auf direktem Wege durch einfaches Erhärten der äußersten Alveolenschicht geschehen, während die relativ groben Verhältnisse bei Ammocoetes und Pelobates wohl noch auf sekundäre Veränderungen schließen lassen. Ferner möchte ich auf die Überein- stimmung hinweisen, die hinsichtlich der Zartheit der Struktur in den Grenzschichten zwischen den Epithelzellen und in der Cuticula, sowohl bei Siredon wie bei Kama besteht. Die meisten Untersucher sind sich darüber einig, daß die Cuticula nicht durch Absonderung der Epidermiszellen, sondern durch eine Umwandlung ihrer äußersten Schicht entsteht. Cohn (94) hat ferner quere Verbindungen zwischen den senk- recht zur Oberfläche verlaufenden Stäbchen der Cuticula wahrgenommen, was mir ihre Auffassung als einen mehr oder weniger modifizierten Alveolarsaum nur zu stützen scheint. Erwähnen möchte ich noch, daß ich ebenso wie Cohn und Studnicka unterhalb der Outicula einen proximal nicht scharf abgegrenzten dunkler färbbaren Streifen sehe, der offenbar aus dichterem Plasma zu bestehen scheint. Dagegen vermisse ich die sog. Wolffsche Cuticula, einen der oben beschriebenen Cuticula aufliegenden hyalinen Saum. Ich bin daher geneigt, ihn mit Studnicka für eine nicht bei allen Tieren konstante Erscheinung zu halten, sondern eher für eine gelegentliche Absonderung. Berlin, 9. Januar 1907. Nachtrag. Während des Drucks meiner Arbeit erschien im Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. 69, 1907 die Untersuchung Oscar Schultzes „Über den Bau und die Bedeutung der Außencutieula der Amphibienlarven“, deren vorläufige Mitteilung oben bereits erwähnt worden ist. Der Verfasser kommt an lebenden und fixierten Larven von Rana esculenta und fusca, Pelobates fuscus und Salamandra maculata bezüglich des Baus der Cuticula zu denselben Resultaten wie F. E. Schulze und ich. Nur seiner Auffassung dieser Bildung „als ein durch die sekretorische Funktion erklärter Zellbestandteil“ kann ich nicht zustimmen. 362 H. Schubotz: Zwar scheint auch mir die von F. E. Schulze herrührende Meinung, die Körnchen in den Waben der Cuticula seien Sekretionsprodukte, für die ©. Schultze warm eintritt, riehtig zu sein; indessen vermag ich nicht einzusehen, warum der sekretorische Vorgang gerade eine so regelmäßige wabige Struktur an der Zellober- fläche hervorgerufen haben soll. Von den sekretorischen Becherzellen, an die 0. Schultze erinnert, unterscheiden sieh die Epidermiszellen dadurch, daß die distale Partie der Becherzellen, in welcher sich das Sekret ansammelt, ein durchaus einheitliches, dem Durchmesser der Zellen entsprechendes Lumen besitzt, ein Zustand, der, glaube ich, sich ohne weiteres aus der sekretorischen Funktion der Zellen erklären läßt. Dagegen reicht diese Funktion wohl nicht aus, um die ausgeprägt wabige Struktur der Peripherie der Amphibienlarvenzellen hervorzurufen. Viel- mehr scheint mir, wie ich oben ausführte, der eigenartige Bau der Cuticula in der alveolären Struktur des Plasmas begründet zu sein. ©. Schultze deutet übrigens selber den Cuticularsaum als „modifizierte Zellsubstanz“ (p. 555 oben). Für diese Auffassung sprechen auch die Befunde Sukatschoffs an der Chitineuticula des Gammarus flwviatilis, die keine sekretorische Funktion besitzt. Literatur -Verzeichnis. Ausführliche Literatur-Verzeichnisse über den behandelten Gegenstand finden sich in den Arbeiten von Studnicka (95) und Schuberg (05). Hier sind nur die m meiner Abhandlung angeführten Arbeiten zusammengestellt. 1894. Cohn, Über Intereellularbrücken und Kittsubstanz. Merkel-Bonnet. Anat. Hefte. Bd. V. 1866. Eberth, Zur Entwieklung der Gewebe im Schwanzende der Froschlarven. Arch. f. mie. Anat. Bd. I. 1902. v. Ebner, A. Köllikers Handbuch der Gewebelehre. Bd. II. 1901. Ehrlich, L., Der Ursprung der Plasmazellen. Virchows Arch. Bd. 75. 1904. Heft 2. 1852. Flemming, Zellsubstanz, Kern- und Zellteilung. Leipzig 1882. 1895a. — Über Intereellularlücken des Epithels und ihren Inhalt. Anat. Hefte. Bd. VI. 1595b. — Ergebnisse der Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. V. 1395. 1558. Ide, Manille, La membrane des cellules epitheliales et les ponts intercellu- laires. La cellule. Taf. IV. 1598. — Nouvelles observations sur les cellules epitheliales. La cellule. T. IV. 1557. Kölliker, Nachweis von Porenkanälen in den Epidermiszellen von Amnocetes durch Prof. Leuckart in Gießen, nebst allgemeinen Bemerkungen über Porenkanäle in Zellmembranen. Verhandl. d. phys. med. Gesellsch. in Würzburg. Bd. VI. 1389. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. Bd. I. 1573. Langerhans, Untersuchungen über Petromyzon planeri. Ber. über. d. Verh. d. Naturf. Gesellsch. Freiburg. 1873. 1579a. Leydig, Die Rippenstacheln von Pleurodeles waltlii. Arch. f. Naturgesch. Jhrg. 45. 1579b. — Neue Beiträge zur anat. Kenntnis der Hautdecke und Hautsinnesorgane der Fische. Festschr. z. Feier d. 100 jähr. Bestehens der Naturforsch. Gesellsch. in Halle. 1897. 1585. — Zelle und Gewebe. Bonn 1885. 1895. Maurer, Die Epidermis und ihre Abkömmlinge. Leipzig 1895. 1855. Mithropanow, Über die Intereellularlücken und Intereellularbrücken im Epithel. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool. Bf. 41. 1850. Pfitzner, Die Epidermis der Amphibien. Morpholog. Jahrbuch Bd. VI. 364 1897. 1886. 1879. 1882. 1906. 1863. 1903. 1867. 1869. 1888. 1396. 1902. 1364. 1906. 1899. 1897. 1898. 1389. Literatur -Verzeichnis. Rabl, H., Untersuchungen über die menschlische Oberhaut und ihre Anhangs- gebilde. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. 47. Ramon y Cajal, Contribution a l’etude des cellules anastomosees des epitheliums pavimenteux stratifies. Internat. Monatsschr. f. Anat. und Histol. Bd. III. Ranvier, Nouvelles recherches zur le mode d’union des cellules du corps muqueux de Malpiehi. ©. r. de l’Academie de Se. Paris. Taf. 89. — Sur la structure des cellules du corps muqueux de Malpighi. ©. r. de l’Academie de Se. Paris Taf. 95. Reinke, Fr., Über die Beziehungen der Wanderzellen zu den Zellbrücken, Zellücken und Trophospongien. Anat. Anz. Bd. 28. Schrön, Über die Porenkanäle in der Membran der Zellen des Rete Malpighii beim Menschen. Moleschots Unters. z. Naturlehre des Menschen. Bd. IX. Schuberg, Untersuchungen über Zellverbindungen. Zeitschr. für. wissensch. Zool. Bd. 74. Schulze, F. E., Epithel- und Drüsenzellen. Arch. f. mik. Anat. Bd. II. — Über Cutieularbildungen und Verhornung an Epithelzellen bei den Wirbel- tieren. Arch. f. mik. Anat. Bd. V. — Über die inneren Kiemen der Batrachierlarven I. Mitteilung. Sitzungsber. d. Akad. d. W. Berlin 1888. — Über die Verbindung der Epithelzellen unter einander. Sitzungsber. d. Akad. d. W. Berlin. 1896. Schneider, K. C., Lehrbuch der verel. Histologie Jena. G. Fischer. 1902. Schultze, Max, Die Stachel- und Riffzellen der tieferen Schichten der Epidermis diekerer Pflasterepithelien und der Epithelialkrebse. Virchows Arch. Bd. 30.. Schultze, Oskar, Über Sekretionsvorgänge in Epidermiszellen. Sitzungsber. der phys. med. Gesellsch. Würzburg. Jhrg. 1906. Sukatschoff, Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongin- fasern. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 66. 1899. Studnieka, Über die Struktur der sog. Cuticula und die Bildung derselben aus den intercellularen Verbindungen in der Epidermis. Sitzungsber. d. K. böhm. Gesellsch. d. W. Prag. 1897. — Über die intereellularen Verbindungen, den sog. Cutieularsaum und den Flimmerbesatz der Zellen. Böhm. Gesellsch. d. W. in Prag. Sitzungsber. mathemat. naturwiss. Klasse 1898. Wolff, Die Cutieula der Wirbeltierepidermis. Jenaische Zeitschr. f. Medizin u. Naturwissenschaften Bd. 23. Tafel-Erklärune. Die Abbildungen sind Kopieen, welche die Neue Photographische Gesell- schaft in Steglitz bei Berlin nach den von mir hergestellten Negativen anfertigte. Da von jeglicher Retuche abgesehen wurde, sind die Strukturverhältnisse teilweise nicht so deutlich, wie sie auf den Negativen oder gar bei okularer Betrachtung im Mikroskop erscheinen. Aus dem Grunde empfiehlt es sich, zumal für die sehr zarten Verhältnisse, welche die Figuren 1, 3 und 5 wiedergeben, die Lupe zu Hilfe zu nehmen. Die Pfeile markieren die Stellen, wo die Struktur besonders stark hervortritt. Fig. 1. Larve von Rana esculenta, lebend. Grenzschichten zwischen Epidermis- zellen parallel zur Oberfläche. Vergr. ca. 800. Fig. 2. Larve von Rana esculenta, lebend. Vertikal zur Oberfläche gerichtete Grenzschichten. Vergr. ca. 2000. Siredon pisciformas, Flossensaum. Flemmings Gemisch, Eisenhämatoxylin. Verer. ca. 1000. Fig. 4. Larve von Rana esculenta, Flossensaum. Osmiumsäure, Eisenhämatoxylin. Vergr. ca. 1500. Oavia cobaya, Sohlenhaut. Flemmings Gemisch, Fisenhämatoxylin. Veregr. ca. 1200. Fig. 6. sSiredon pisciformis, Oberflächenstruktur einer Leydigschen Zelle. Alkoh. absol. Polychrom. Methylenblau. Vergr. ca. 800. Larve von Rana esculenta, Cuticula des Flossensaums lebend. Vergr.ca.2000, Fig. 8. Larve von Rana esculenta, Cuticula des Flossensaums. Osmiumsäurer, Essigs. Kalium. Vergr. 1200. Fig. 9 und 10. Süredon pisciformis, Cuticula des Flossensaums lebend. Verer. ca. 1000. Fie. 11. Larve von Rana esculenta, lebend. Oberflächenansicht der Cutieula nach längerer Beobachtung (vergl. p. ”). Vergr. ca. 800. Fig. 12. Larve von Pelobates fuscus, Cutieula von einem lange in Alkohol auf- bewahrtem Exemplar. Vergr. ca. 600. 4 = 07) [36] es En g8 Su gi eo ge 1 REN 3 fe Archiv für Biontologie, Bd. I. Tafel 28. 1. 20 H. Schubotz, Phot. Neue Photographische Gesellschait A. G. Steglitz-Berlin H. Schubotz, Intercellularstrukturen und die Cuticula der Amphibienlarven. % " n 2 BL_WHOI Library - Serials u Te W 4