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ARCHIV

FÜR DAS

STUDIUM DER NEUEREN SPRACHEN UND LITERATUREN.

HERAUSGEGEBEN

LUDWIG HERRIG.

XXX. JAHRGANG, 54. BAND.

BRAUNSCHWEIG,

DRUCK UND VERLAG VOiN GEORGE WESTERMANN

18 75.

7-

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As

Inhalts -Yerzeichniss des LIV. Bandes.

Abhandlungen.

Seite

Francesco De Sanctis. II. Von Adolf Gaspary l

Der Tod des Abel. (Moctatio Abel.) Spiel der Handschuhmacher. Ein

altenglisches Myster des XIV. Jahrhunderts aus der Towneley-SammlunK.

In den gereimten Versen der Urschrift übersetzt von Theodor Vatke 39

Die sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache von C. Schulze . . 55

Stilproben aus der neueren deutschen Schriftsprache nebst einer Einleitung

über Nutzen und Schaden der Abnutzung für die Sprache. Von Hans

von Wolzogen 75

Beiträge zur englischen Lexicographie. Von Dr. Seitz 79

Der Eudämonismus und die französische Literatur. Von Dr Alb. Witt- stock , . 129

Metapherstudien von Dr. Friedrich Brink m a n n 155

Zur italiänischen Grammatik. Von Hermann Buchholtz 183

lieber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. Vortrag im Auszuge gehalten in der germanisch- romanischen Sektion der Phüologen-

versammlung zu Innsbruck. Von Prof. Dr. Sachs 241

t)ie sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache von C. Schulze.

(Schluss.) 303

Beiträge zur englischen Lexicographie. Von Dr. Seitz 3J7

Charaktere aus Moliere. Vom Gymnasiallehrer Josupeit .... 331

Metapherstudien von Dr. Friedrich Brinkmann 337

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen nach pliysiologischen, sprach- geschichtlichen und statistischen Thatsachen. Von Dr. F. Grabow 367 Sitzungen der Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen 393

Beurt Heilungen und kurze Anzeigen.

A French Grammar, bascd on Philological Principles. By Hermann Brey- mann, Pli. D., Lecturer on French Language and Literature at the Owens College, Manchester. (A. Lüttge.) 95

Die Grundzüge der französischen Literatur- und Sprachgeschichte bis 1870.

Mit Anmerkungen zum Uebersetzen ins Französische von H. Breitinger. (B.) 96

IV

Seite

Die Siiinohc nls Kunst von Gustnv Gerber. (Weigand.) 97

Cursor Mundi (Thp Cursur o the world). A Northumbrian Poem of the

XIV. Century. Ed. by Richard Morris. (II. Bieling.) 99

A new Conversation - Grammar of the German language , adapted to the use of schools and private instruction afterthe practical and theoretical method of Robertson, by Dr. Augustus Boltz. (A. Lüttge.) ... 207

Words froin the Pocts, a Selection of English Poetry, by Dr. Emil Pfund-

hcllcr. (Dr. K. Böddeker.) 209

Shakespeare Lexicon. A Complete Dictionary of all the English Words, Phrases and Constructions in tlie Works of the Poet, by Dr. Alexander Schmidt, ^lume I A— L. (Dr. David Asher.) 210

Colleziono di scrittori itahani. Arricchita con annotazioni c spiegata per l'uso degli Studiosi della lingua italiana da Carlo di Reinhardstoettner. Sammlung ital. Schriftsteller mit Anmerkungen versehen und für Stu- direiide der ital. Sprache erl. v. C. v. R. (H. Buchholtz.) .... 212

Besprechung von Bernhard Beumelburgs Lehrgang der französischen Sprache.

I. Theil: Elementargrammatik. II. Theil: Grammatik. (E. Gerlach.) 409

Ludwig der Baier. Ein Schauspiel in fünf Aufzügen von Ludwig Uhland. Schulausgabe mit Anmerkungen von Dr. Heinrich Weissmann in Frank- furt am Main. (Markel.) -lia

La france comique et populaire. Ein Beitrag zur Kunde der heiteren Seite des französischen National-Charakters sowie der Volkssprache in Paris. Von Dr. J. Baumgarten 419

Baensch's Pocket Miscellany. Vols 30 et 31 420

1. Englisches Lesebuch für Töchterschulen von Dr. 0. Ritter. 2. Outlines of the History of English literature by A. Graeter. 3. Englisches Lese- und Uebungsbuch für obere Classen von Dr. H. Th. Traut . . 420

Englische Aufsätze. Nebst einer theoretischen Anleitung und 170 Disposi- tionen zum Anfertigen derselben für die oberen Klassen der höheren Lehranstalten von Prof. George Boyle (H.) 421

Zum normannischen Rolandsliede. Inaugural-Dissertation (Göltingen) von

Hans Loeschhorn. (A. Lüttge.) 422

Französische Schulgrammatik von Albert Benecke, Oberlehrer an der Luisen- schule zu BerHn. (Dr. A. Güth.) 423

Programmenschau.

Das mittelniederdeutsche Gothaer Arzneibuch und seine Pfianzennamen. Von

Prof. Dr. Regel. Progr. des Gymn. zu Gotha 101

Die Siegerländer Mundart. Von Dr. J. Heinzerling. Progr. der Realschule

zu Siegen 101

Studien zu Shakespeares Julius Cäsar von Erenbert Gerstmayr. Programm

des Gymn. zu Kremsmünster 102

Ueber Shaksperes Julius Cäsar mit besondeier Berücksichtigung des Ver- hältnisses zur Quelle des Stückes. Von Prof. J. Schöne. Programm des Gymn. zum heiligen Kreuz in Dresden. (Hol seh er.) . . . . 102

Die Gesetze der Tragödie, nachgewiesen an Shakespeares Macbeth. Von J. ^eite Jekeli. Programm des Gymn. zu Mediasch 1874 214

Ueber den Einfluss des dreissigjährigen Krieges auf die deutsche Sprache und Literatur, dargestelU auf Grundlage der staath'chen und gesellschaft- lichen Zustände jener Zeit. II. Theil. Progr. des deutschen Ober- gymn. der Kleinseite zu Prag 1873. Von Joh. Walter 215

C. F. Drollinger. Von Prof. Dr. Theodor Löhlein. Programm des Gymn.

zu Karlsruhe 1873 215

Ueber das Vaterländische in Klopstocks Oden. Vom Gymnasiallehrer Pre- diger G. Liebusch. Progr. des Gymn. zu Quedlinburg 1874 . . . 216

Einführung in Lessings Hamburger Dramaturgie. 1. Theil. Von Dr.

Thümen. Progr. des Gymn. zu Stralsund 1873 216

Johann Georg Hamann. Ein Lebensbild von Prof. Dr. L. Francke. Progr.

des Gymn. zu Torgau 1873 217

Joh. Heinr. Voss und seine Bedeutung in der deutschen Literatur. Von

Dr. Iber. Progr. des Carolinums zu Osnabrück 1873 217

Parallele Charaktere und Zustände in Euripides Elektra und Gothes natür- licher Tochter. Von Andr. Neumeyer. Programm des Gymn. zu Am- berg 1873 217

Zur Geschichte der niederdeutschen Mundarten. Von W. Gebert. Progr.

des Gymn. zu Kreuznach 1873 218

Zur Etymologie nordrheinfränkischer Provinciahsmen. Von Dr. M. Fuss.

Progr. der Rheinischen Ritterakademie zu Bedburg 218

Zur Vergleichung der Iliade und des NibelungenUedes. Von Mil. Task.

Progr. des evang. Gymnasiums zu Kronstadt 1873 219

Die Fundamentalsätze der Sittenlehre in Shakespeare'schen Stücken, vom

Obcrl. Dr. Tb. Keller. Progr. der Realschule I. 0. Trier 1873 . . 219

Simon Dach. Von P. Salkowsky. Progr. des Gymn. zu Memel 1873 . 220

Die Verkehrssprache in Sophiens Reise von Memel nach Sachsen. Von Prof. Dr. Cholevius. Progr. des Kneiphöfischen Gymn. zu Königs- berg 1873 220

Isaac Iselin. Vom Oberl. Dr. Edm. Meyer. Progr. der Königl. Realschule

zu BerUn 221

Urtheile Goethes über Dichter und Dichtkunst. Progr. der Studienanstalt

bei St. Stephan zu Augsburg. Von P. F. Steigenberger. 1873 . . 222

Naive, ideale und reale Poesie. Vom Oberlehrer Emil Schumann. Progr.

des Gymnasiums zu Spandau 1873 223

Ueber Goethes Vögel. Beitrag zur Geschichte der komischen Literatur. Von

Prof. Dr. H. Köpert. Progr. des Gymnasiums zu Altenburg 1873 . 223

Ueber Schiller's Wallenstein. Vom Oberlehrer Friedrich Schindhelm. Progr,

der Realschule zu Coburg 1873 224

Curiosa. (Hölscher.) 225

Die Blüthezeit des englischen Drama's. Von Dr. G. H. Haring. Pro- gramm der Unterrichtsanstalten des Klosters St. Johannis in Ham- burg 1875 430

Seite Ufbcr Ducis in seiner Beziehung zu Shakespeare von Dr. Carl Kühn . . 431 The hfe und Poems of William Woidsworth. Von Dr. Albert Fels. Pro- gramm der Realschule des Julianneums zu Hamburg. (H.) .... 431 M.TJstre ricrre l'atelin. Essai litioraire et gramniatical, precede d'un rdsume succinct de rhistoirc du thdatre fran9ais, par 0. E A. Dickmann. Pro- gramm der Gelehrtenschulc des Johanneums zu Hamburg. (A. Liittgc.) 432

Miscellen.

S. 104—124, 226—236, 434—475.

Bibliographischer Anzeiger.

Seite 125—126, 237—240, 476 477.

Bexichtigungeu.

Seite 240.

Verzeichniss der Vorlesungen an der Berliner Akademie für moderne Philo- logie. Sommersemester 1875 127

Verzeicliiiiss der Vorlesungen an der Berliner Akademie für moderne Phi- lologie. Wintersemester 1875/76 478

Francesco De Sanctis.

Von

Adolf Gaspary.

II.

Ausser den schon genannten enthält der zweite Band der Saggi noch folgende Schriften: „Ein Klosterdrama", wo aus einer florentinischen Handschrift eines der ältesten sogenannten Mysterien abgedruckt ist, welches Gelegenheit zu fruchtbaren Bemerkungen für die Literaturgeschichte bot; „Settenibrini und seine Kritiker"; „Die episch-lyrische Welt Manzoni's". „Die Kritik des Petrarca" war schon einmal als Einleitung zum Satjoio sul Petrarca gedruckt worden. Den letzten Theil des Bandes füllen Erinnerungen an Puoti's und an De Sanctis' eigene Schule bis 1848.

Wollen wir uns einen Begriff von den Resultaten dieser neuen Kritik machen, so fällt unser Blick unter den zahlreichen behandelten Gegenständen naturgemäss auf den, welcher als der bedeutendste ihr am besten als Prüfstein dienen konnte, und an dem sie sich um so glänzender bewährt hat, als die Aufgabe über alle schwierig war. De Sanctis' Untersuchungen über Dante würden allein für seinen Ruhm genügen. Eine so aus- führliche Monographie wie über Petrarca hat er uns leider über den grössten italienischen Dichter nicht gegeben. Doch be- schäftigt er sich mit ihm in mehreren Kapiteln der Literatur- geschichte und in den bereits erwähnten sechs Essays, welche ergänzend einzelne Punkte näher ausführen. Diese Arbeiten

Arcliiv f. n. Sprachen. LIV. ^ 'V-

2 Fiancespo Do. Sanctis.

jjind i'iir das Verötäiidniss Dante's eine walire Otf'enbai'ung ge- worden.

Die erste Fraj^e ist nach dem Gehalte der oöttliclien Ko- müdic. Man hat dem Gedanken von Dante's Diclitune; Neuheit und OriginaHtät vindiziren wollen; gerade im Gegentheii liegt sein Ilauptwerth darin, dass er im Leben der Gesellschaft selbst wurzelte, dass er der allgemeine Gedanke des Zeitalters und seiner literarischen Produktionen war. Es ist die ascetische Idee des Mittelalters, die Auffassung der Erde als des Ortes der Verderbniss, des Leibes als Kerkers der Seele. Die andere Welt, das künftige Leben gilt als die wahre Realität, als die Welt der Tugend, und die Mysterien und Legenden stellen die Seele dar, wie sie im Kampfe mit den Sinnen sich vom Ir- disclien loslöst und befreit und zu ihrem reinen Ursprünge, zu Gott, zurückkehrt. Dies ist die Komödie der Seele. Die Li- teratur der gebildeten Klassen gab dieselbe Idee in Traktaten und philosophischen Canzonen, in denen sich die Wissenschaft der Zeit widerspiegelt. Dante's Lyrik enthält beide Elemente; im ersten Theile stellt sich in Beatrice das Leben der Heiligen dar, der Seele, die, nach kurzer Pilgerschaft auf Erden, rein in die Hände des Schöpfers zurückkehrt ; im zweiten Theile wird Beatrice ganz zur Philosophie ; die Poesie wird zu einer Wissenschaft.

Die göttliche Komödie bildet die wahre Zusammenfassung und Realisirung jener mittelalterlichen Idee. „Die Welt ist ein dunkler Wald, verderbt von Laster und Unwissenheit. Heil- mittel ist die W'issenschaft, deren Prinzipien gemäss sie gebildet sein sollte. Die Wissenschaft ist die ideale Welt, nicht wie sie ist, sondern wie sie sein sollte, und dieses Ideal findet sich re- alisirt in der anderen Welt, im Reiche Gottes, gemäss der Wahrheit und Gerechtigkeit. Um deshalb aus dem Walde den Ausgang zu finden, giebt es nur einen Weg, die Contemplation und die Vision des anderen Lebens. Auf diesem Wege findet die Seele , nachdem sie die Versuchungen der Sinne besiegt und sich gereinigt hat, ihren Frieden, ihre ewige Komödie, die

Seligkeit" „Dante ist die Seele, Virgil die Vernunft,

Beatrice die Gnade, und die andere Welt ist diese Welt selber in ihrer ethischen und moralischen Gestalt; sie ist die realisirte

Francesco De Sanctis. 3

Ethik, diese Welt, wie sie sein muss gemäss den Vorschriften der Philosophie und Moral, die Welt der Gerechtigkeit und des Friedens, das Eeich Gottes" (Stör. let. 1, p. 148 u. 52). Und Dante ist nicht allein die Seele, sondern zugleich das Bild der ganzen menschlichen Gesellschaft, die aus ihrer Verderbniss sich retten muss, indem sie sich einem Lenker, dem Kaiser unterwirft. Der rein ethische und der ethisch-politische Ge- danke sind so eng verbunden, dass man die Allegorie stets auf beide "Weisen erklären kann. Die Hölle, das Fegefeuer, das Paradies spiegeln die drei Zustände des Menschen auf Erden, den der Sünde, den der Reue und den der Gnade.

So fasste Dante in allegorischer Weise die populäre Tra- dition und erhielt dadurch die Möglichkeit, in seine Dichtung die ganze Cultur seiner Zeit, Philosophie, Mythologie, Ge- schichte eingehen zu lassen. Aber die Allegorie ist an und für sich unpoetisch, und hätte Dante wirklich strikt seine Ab- sicht ausgeführt, so hätte er einen Tesoretto, wie Branetto La- tini, einen Quadriregio, wie Fazio degli Uberti, geschaffen, keine göttliche Comödie. Allein mag Dante auch jenen tra- ditionellen Gehalt allegorisch erklären, er hat ihm doch schon an und für sich Werth und Bedeutung, er ist ihm eine leben- dige, wahre liealltät. Die religiöse Idee erfüllt ihm wirklich die Seele, die Gegenstände, die er schildert, machen ihm wirk- lich das Herz pochen. „Er wollte als Philosojih und Literat, befangen in den Formen und Begriffen seiner Zeit, eine ethische und wissenschaftliche AVeit in allegorischer Form construiren, und kaum tritt er in diese Welt, so findet er nicht mehr das Figürliche. Gleich jenem Maler kniet er vor seinem S. Giro- lamo nieder; das Bild verwandelt sich vor seiner Phantasie in den Heiligen selbst ; er sucht das Abbild und findet eine Re- alität voll Leben; er findet sich selbst" (ib. p. 1G8). Man muss in Dante die Absicht und das Bewusstsein des Verfassers von dem unterscheiden, was sein Werk wirklich geworden ist. Er ist Dichter, und seine Inspiration trägt ihn über die blosse Alle- gorie hinaus; er schafft reale Gestalten, wo er nur Symbole schaffen wollte. Um sich zu rechtfertigen, behauptet er im Convito, der unmittelbare Sinn der Allegorie sei unabhängig vom figürlichen und müsse für sich verständlich sein. So ge-

4 Francesco De Sancti?.

wiiint die Poesie ihre Freiheit wieder. „Mag auch die andre Welt das Abbikl der Wissenschaft sein, zuerst und vor Allem ist sie doch die andre Welt, und Virgil ist Virgil, und Beatrice ist Beatrice, und Dante ist Dante, und, wenn wir uns über etwas zu beklagen haben, so ist es gerade da, wo sich die zweite (allegorische) Bedeutung hineindrängt und das Bild verdirbt und die Illusion zerstört."

Das ist eben der grosse Irrthum der meisten bisherigen Beurtheiler Dante's gewesen, dass sie seinen eigenen Worten und Absichten zu sehr trauten und wirklich in dem allegorisch- wissenschaftlichen Bestandtheil den Werth der Komödie suchten, während aus ihm gerade ihre grossen Fehler herrühren. Daher die ungeheure Menge der Commentare, von denen jeder neue Erklärungen bringt, ohne unser wahres Verständniss einen Schritt vorwärts zu führen ; daher das Urtheil eines Voltaire, eines Lamartine, die endlich an Dante selbst verzweifelten, weil sie ihn suchten, wo er nicht war, und so natürlich nicht fanden. Jener abstrakte Gehalt ist lano;e todt; man löse ihn aus dem Zusammenhange mit dem, was in der Komödie wahrhaft poetisch ist, und Niemand brauchte sich mehr darum zu kümmern.

Dante's Komödie ist das poetisch realisirte Mittelalter, und sein abstrakter, spiritueller, mystischer Stoff läs&t es zu keiner harmonischen, rein poetischen Schöpfung kommen. „Es ist kein griechischer Tempel; es ist eine gothische Kirche, voll von grossen Schatten , wo entgegeno-esetzte Elemente mit einander streiten. Bald ist er roh, bald zart; bald feierlich, bald popu- Lär. Bald verliert er das Wirkliche aus dem Auge und giebt sich Subtilitäten hin; bald ergreift er es mit Rapidität und drückt es mit Einfachheit aus. Bald ist er roher Chronist, bald vollendeter Maler. Bald verliert er sich in Abstraktionen, bald lässt er mitten aus ihnen das Leben spriessen. Hier verfällt er in Kindereien, dort steigt er zu übermenschlicher Höhe em- por. Während er einen Syllogismus verfolgt, erglänzt das Licht der Imagination, und, Avährend er theologisirt, sprüht die Flamme des Gefühls. Bisweilen finden wir uns vor einer kalten Alle- gorie, und plötzlich fühlen wir drinnen das lebendige Fleisch erzittern." Es ist im Kleinen die ganze damalige Existenz, die

Francesco De Sanctis, 5

kämpfenden Elemente einer noch in der Gährung begriffenen üesellschaft (ib. p. 176).

Die andre Welt, Dante's Stoff, ist eine unbewegliche Welt; das Getriebe des Lebens mit allen seinen mannichfaltigen Be- Ziehungen ist erstorben ; es giebt keine Zeit und keine Succession der Begebenheiten mehr; die Persönlichkeit und das Individuum verschwinden; das Drama des Lebens ist zu Ende. Es bleibt nur Raum für die Vision, die einfache Beschreibung o-leich einer Naturgeschichte. „Aber wenn Dante in das Reich der Todten eintritt, bringt er dorthin alle Leidenschaften der Le- bendigen und zieht die ganze Erde nach sich. Er vero-isst, dass er nur ein Synibol oder eine allegorische Figur ist, und wird Dante, die machtvollste Individualität jener Zeit, in welcher die ganze Existenz zusammengedrängt ist, wie sie damals war, mit ihren Abstraktionen, ihren Ekstasen, ihren stürmischen Lei- denschaften, ihrer Cultur und ihrer Barbarei. Bei dem Anblick und den Worten eines Lebendigen werden die Seelen für einen Augenblick wiedergeboren, fühlen wieder das alte Leben; in der Ewigkeit erscheint wieder die Zeit; im Schooese der Zukunft leb und regt sich das Italien, ja das Europa jenes Jahrhunderts. So umfasst die Poesie das ganze Leben, Himmel und Erde, Zeit und Ewigkeit, Menschliches und Göttliches, und das über- natürliche Gedicht wird menschlich und irdisch, mit dem eigen- thümlichen Stempel des Menschen und der Zeit" (ib. p. 179).

Die Grundidee der Dichtung ist die Rettung der Seele, der fortschreitende Sieg des Geistes, seine fortschreitende Ent- körperung bis zu Gott, dem absoluten Geiste. Die Hölle ist der Sitz der Materie und der Sünde; das Irdische ist in ihr gegenwärtig, die Charaktere und Leidenschaften dauern fort; die Sünde wird unbeweglich in den der Reue unfähigen Seelen. Im Purgatorium beginnt das Licht des Geistes wieder zu leuchten, und das Irdische besteht nur noch als schmerzliche Erinnerung, die der sich reinigende Geist zu verscheuchen strebt. Im Paradiese verschwindet die menschliche Per&on ; die Formen lösen sich immer mehr, bis sie im Anblick Gottes ganz zer- fliessen, und nur das Gefühl zurückbleibt. Man steigt zu immer grösserer Vollkommenheit empor; aber das ist christhche, mo- ralische Vollkommenheit, nicht poetische. Die Hölle allein hat

5 Francesco De Sanctis.

volles, körperliches Leben, das sich in den anderen beiden Rei- chen mehr und mehr verflüchtigt. Das irdische oder höllische Leben ist aus der frischen Realität geschöpft, inmitten derer der Dichter sich befond. „Es ist die Darstellung der Barbarei in der blühenden Fülle der Leidenschaft, dem Ueberströmen des Lebens, und Dante selbst ist ein Barbar, ein heroischer Barbar, hochmüthig, rachsüchtig, voller Leidenschaft, eine freie und energische Natur" (j). 187). Wo sollte er dagegen für die beiden andern Reiche ein Muster hernehmen? So ist denn auch die Hölle der populärste Theil der Komödie. Die moralische Klassifikation hat keinen poetischen Werth. Die Poesie be- trachtet das Individuum nicht als moralisches Wesen, sondern als lebendige, wirkende Kraft. Je mehr in ihm Leben ist, um so poetischer ist es. Und aus den Klassen von Gepeinigten, aus den Gruppen der Sünder lösen sich die grossartigsten In- dividuen Daute's los. „Im Reiche der Todten fühlt man zum ersten Male das Leben der modernen Welt" (p. 213). Die Hölle ist der vollkommen als Individuum realisirte Mensch, in der Fülle und Freiheit seiner Kräfte. Bis dahin waren die Gestalten abstrakt, oft ohne Namen ; es waren GeneraUtäten und Typen, das Weib, der Heilige im Allgemeinen. Dante findet mitten in den Formeln und Allegorien seiner Zeit „den Avahren Menschen, wie er ist, mit seiner Grösse und seinem Elend, und nicht beschrieben, soudern handelnd dargestellt, und nicht bloss in seinen Handlungen, sondern in seinen innersten Motiven. So erschienen über dem poetischen Horizonte Francesca, Fari- nata, Cavalcanti, die Fortuna, Pier delle Vigne, Brunetto, Ca- paneo, Ulisse, Vanni Fucci, der schwarze Cherubin, Niccolo III und Ugolino. Und inmitten ragt Dante selbst hervor, der höllischste und lebendigste von Allen, mitleidsvoll und hoch- müthig, liebenswürdig, grausam, sarkastisch, rachsüchtig, wild, mit seinem hohen moralischen Gefühl, mit seiner Verachtung des Niedrigen und Gemeinen, hoch über dem Pöbel, so erfin- derisch in seiner Rache, so beredt in seinen Schmähungen" (p. 214). Dieses ist der wahre Charakter Dante's, hochpoetisch gerade in seiner Mischung, und diejenigen verstanden sich schlecht auf die Kunst, welche ihn zum Ideale moralischer Voll- kommenheit machen wollten. Der Saggio über Dante's Charakter

Francesco De Sanctis. 7

und seine Utopie zeichnet uns noch mehr im Einzelnen diese gros8artige, so überaus interessante Figur des Dichters, und die vier Arbeiten über Pier delle Vigne, Francesca, Farinata und Ugolino führen uns in die innersten Geheimnisse seiner Kunst bei Darstellung jener gewaltigen Individuen ein. „Diese grossen Figuren", fährt De Sanctis fort, „starr und episch, wie Statuen auf ihren Piedestalen, erwarten den Künstler, der sie an die Hand nimmt, sie in den Tumult des Lebens wirft und zu dra- matischen Wesen macht. Und dieser Künstler war kein Ita- liener; es war Shakespeare."

Im Purtratorium ist die Realität nicht mehr ffes;enwärtiij, sondern nur in der Imagination, in der Erinnerung; sie drückt sich in Malereien, Keliefs und endlich in Visionen aus. Es herrscht die philosophische Ruhe, die das Leben in seiner P^itel- keit und seinem Nichts enthüllt, und sie verengt den Cirkel der Persönlichkeit und der irdischen Realität. Die Individuen er- scheinen, und, kaum hingezeichnet, verschwinden sie wieder; sie haben die Schönheit, aber auch die Unbeweglichkeit und Monotonie der Ruhe. Und die Reinigung der Seele, ihre Reue und Umkehr vom Wege der Leidenschaft und Sünde ist nur äusserlich und symbolisch dargestellt. Eine innere, persönliche, dramatische Geschichte der Seele wie im Faust .war unmöglich in den noch epischen, symbolischen, mystisch - scholastischen Zeiten. Erst die Erscheinuncj Beatrice's löst die Starrheit der Symbole: das Gefühl, die Poesie Dante's beginnen wieder frei zu sprudeln. Dieses Weib ist seine Beatrice. Wir fühlen uns vor einer menschlichen Seele; das liturgische ^Mysterium wan- delt sich in ein modernes Drama, in welchem die intimsten, flüchtigsten Regungen des Inneren hervorbrechen.

Im Paradiese löst sich die Form vollständig auf. Sie wird lyrisch und musikalisch, unmittelbare Erscheinung des Geistes. Aber auch bis hieher dringt die irdische Realität, und sie ist es, w-elche Dante's Paradies liebenswerth macht. Zuerst ist es das lebendige Naturgefühl, mit welchem der Dichter entzückende Bilder des Zartesten und Flüchtigsten auf Erden zur Veranschau- lichung seiner übernatürlichen Erscheinungen sucht. Die Gleich- nisse sind die wahren Perlen des Paradieses, das Bild wöit poetischer als das Verglichene (p. 243). Und ferner dringt das

g Frnncosro De Sanctis.

Irdische ein als Gegensatz gegen diese Welt der Liebe und des Friedens. Es ist die Welt des Hasses und des eitlen Wis- sens und ruft den Zorn und die Sarkasmen der Himmlischen hervor. Und das Laster wird nicht etwa in allgemeiner dekla- matorischer Form, sondern in der Fülle der Einzelheiten, mit o-enauer Wiedergabe des Colorites gezeichnet, welche sogar rohe und unsaubere Ausdrücke nicht verschmäht. Dennoch bleibt in dem Paradiese viele Schlacke, gerade das, was Dante selbst für das Höchste und Poetischste hielt, der Scholastizismus, die De- finitionen, die Argumentationen, der ganze wissenschaftliche Pomp. Das Paradies wird wenig gelesen, besonders wegen seiner Monotonie, die es fast zu einer Kette von Fragen und Antworten zwischen Lehrer und Schüler macht (p. 253).

Dante's Dichtung ist der Spiegel des ganzen Menschen in seiner Aufrichtigkeit und Wahrheit, das Echo seiner Schmerzen, seiner Hoffnungen, seiner Verwünschungen. „Geboren nach dem Bilde der Welt, die ihn umgab, symbolisch, mystisch und scho- lastisch, verwandelt sich diese Weh und färbt sich und bekleidet sich mit Fleisch von seinem Fleische und wird sein Sohn, sein eigenes Abbild." „Dort lebt noch verhüllt und verstrickt und geheimnissvoll jene Welt, die analysirt, vermenschlicht und realisirt heut' moderne Literatur heisst" (p. 2^0 f.).

Ich habe hier ein Kapitel von De Sanctis' Literaturgeschichte vorweggenommen ; mir bleibt übrig von ihr im Ganzen zu sprechen.

In dem Saggio über Settembrini hatte De Sanctis die Zeit für eine Geschichte der italienischen Literatur noch nicht für gekommen erklärt. Sie sei die Synthesis, die Krone der Arbeit einer ganzen Generation, und es bedürfe mannichfaltiger vor- gängiger Studien, besonders der Monographien über einzelne Epochen der Schriftsteller, die ihren Gegenstand erschöpfend behandeln. In Italien fasse man gar zu leicht grosse Pläne, für welche dann die Kräfte nicht ausreichen. Echt wissen- schaftlich könne eine so umfassende Arbeit heut' nicht gemacht werden.

Indessen versetzte ihn selber ein eisenthümlicher Zufall in die Nothwendigkeit, eine Geschichte der italienischen Literatur zu schreiben und so gewissermassen in Widerspruch mit sich

Francesco De Sanctis. 9

selbst zu gerathen. Dass er aus eigenen Kräften alle die Lücken ausgefüllt haben sollte, über die er klagte, und zu deren Abhilfe er die Thätigkeit einer Generation nothwendig erachtete, lüsst sich natürlich nicht annehmen. Seine Absicht war daher nicht sowohl, jenes Ideal einer wissenschafthchen Darstellung zu erreichen, das ihm bei Abfassung des Saggio über Settern - brini vorsclnvebte, als die grossen Linien hinzuzeichnen, die Perioden der Entwicklung scharf zu charakterisiren, bei den be- deutendsten Gestalten zu verweilen, sie möglichst der Vollendung nahe zu bringen und das Uebrige mehr in den Hintergrund zu drängen, eine Aufgabe, zu deren Lösung ihm die Studien seines sanzen bisherigen Lebens zu Statten kamen. So konnte er vielleicht kein abschliessendes Resultat erzielen, aber doch ein höchst nützliches, höchst erwünschtes Buch liefern, und wir müssen dem Zufall danken, der uns mit einem so werthvollen Werke beschenkte, meiner Meinung nach der werthvollsten unter De Sanctis' Schriften, als Zusammenfassung des Besten, was er je gedacht und gefunden.*

Die Basis, auf der die ganze Darstellung beruht, ist des Verfassers Ueberzeugung, dass jede echte poetische Produktion aus dem Leben des Volkes, aus dem Bewusstsein der Zeit her- vorspriesst. „Die Kunst ist keine individuelle Laune. Die Kunst, wie Religion und Philosophie, wie politische und ad- ministrative Institutionen, ist ein sociales Faktum, ein Resultat der nationalen Cultur des nationalen Lebens (Stör. let. II, p, 423), „Es ist meine Aufgabe," heisst es anderswo (p. 43), „darzu- stellen, was sich im italienischen Gedanken regt; denn nur das ist lebendig in der Literatur, was lebendig im Bewusstsein ist." Mögen daher diejenigen, welche sich gew'öhnt haben, die Litera-

* Viele Capitel der in Florenz geschriebenen Literaturgescbichte wur- den je nachdem sie entstanden, zuerst, mit geringen Veränderungen, als selbständige Saggi in der Nuova Antologia abgedruckt, wie der über Ariosto, über Pietro Aretino, über Tasso, über Metastasio u. s. w. Wo die Veränderungen bedeutender waren, sind die Saggi dann später in die Nuovi Saggi aufgenommen worden, wie der über Parini, l'uomo del Guicciardini u. s. w. Der zweite Theil der Literaturgeschichte trägt zwar das Datum 1870, ist aber in diesem Jahre nur begonnen, vollendet 1872; man verkaufte ihn, wegen der grossen Nachfrage, bogenweise, so wie die Arbeit des Autors und der Druck fortschritten. 1873 erschien eine 2. Auflage, unverändert, nur dass das erste Capitel des 2. Bandes das letzte des 1. geworden ist.

10 Fnmcesco De Santtis.

tiiriiescliii'htc als eine bunte Miscliung gelehrter, historischer, biugrnphitfohtr und bibliographischer Notizen zu betrachten, sagen, was sie wollen. De Sanctis' Buch ist wirklich eine Ge- schichte der Literatur, weil es diese als Manifestation des Volks- geistes in seiner fortschreitenden Entwicklung behandelt. Sie zeigt uns in der Literatur den Spiegel der ganzen Cultur.

Die italienische Poesie trug bei ihrer Geburt einen greisen- haften Charakter; es fehlte ihr die natürliche Jugendfrischc, eben weil sie aus dem Auslande, von den Provenzalen, impor- tirt worden und sich die reale Grundlage im Volk erst suchen musste. Das Ritterthum war keine national-italienische Insti- tution; die ritterliche Liebespoesie blieb kalt und conventioneil. Ihr gegenüber trat ein wahrhaft nationaler Gehalt, die ascetische Idee des Mittelalters, welche das ganze damalige Leben durch- drang und bewegte, welche die Legenden und Mysterien her- vorbrachte, in den gebildeten Klassen sich mit philosophischen Formen bekleidete, zur platonischen, intellektuellen Auffassung der Liebe wurde und endlich in Dante's Lyrik und der gött- lichen Komödie ihre ßeallsirung, ihren Abschluss fand. Allein das Mittelalter, das bei den andern Nationen sich in langsamer Entwicklung regelmässig entfaltete und kräftige politische und religiöse Formen schuf, wurde in Italien durch den Einfluss der wiedergefundenen klassischen Literatur unterbrochen und löste sich in eine frühreife Cultur auf Petrarca ist der Dichter des Ueberganges; in ihm drückt sich nur erst leise die Reaktion der Natur gegen den mittelalterlichen Spiritualismus aus. Der Widerspruch bleibt noch in der Imagination , erzeugt in seiner Poesie das lyrische Schwanken, die melancholische Färbung; die kräftige innere Welt Dante's , der Glaube als Grundlage der Dichtung ist erschüttert ; dagegen verfeinert eich der künst- lerische Sinn in der Berührung mit den Alten.

Die lortschreitende Cultur macht den Widerspruch greller, und je grösser die Uebertreibung der Ascetik gewesen, um so gebieterischer machen sich die Forderungen des Fleisches und des realen Lebens geltend. „Wäre die Reaktion gegen den übertriebenen Spiritualismus aus lebhaften Kämpfen in den hohen Regionen des Geistes hervorgegangen, so wüirde die Bewegung langsamer, gehemmter gewesen sein, wie bei den andern Völ-

Francesco De Sanctis. H

kern, aber zugleich fruchtbarer. Der Gegensatz hätte den Glauben der lüinen, die Ueberzeugnngen der Anderen gestärkt und eine kräftige, substantielle Literatur erzeugt. Aber wo die Kühnheit des Gedankens unerbittlich gestraft, wo die gibellinische Oppostion im Blute erstickt wurde, wo das Papst- thum unumschränkt, nahe, argwöhnisch und wachsam war, da konnte jene religiöse Welt, die so verderbt in den Sitten wie absolut in den Doktrinen und grottesk in den Formen war, bei der Berührung mit einer so raschen Cultur und dem im Stu- dium der Alten gereiften und erwachsenen Geiste nicht ernst- haft von der gebildeten Klasse genommen werden" (I, p. 341). So kann die neue Cultur nicht in die mittelalterlichen Foi'- mationen eindringen, sie nicht modifiziren, umgestalten und im Bewusstsein herstellen, wie später in Deutschland; sie setzt sich so'j^leich ausserhalb jener; die christlichen Doktrinen bleiben unbekämpft, aber sie verharren müssig im Intellekt. Es folgte, bei so hoher Blüthe der Cultur, religiöse und politische Gleich- giltigkeit; das moralische Gefühl stumpfte sich ab. Das Ge- fühl der Familie, der Natur, des Vaterlandes, der Glaube an eine höhere Weltordnung, die reinen Freuden der Freundschaft und Liebe, die Idealität und der Ernst des Lebens gehen zu Grunde. Es fehlen dem Dichter all' die hohen Güter, an die er sein Herz hängen könnte, und damit fehlt die dichterische Inspiration. Was übrig bleibt, ist das literarische Bewusstsein, das künstlerische Gefühl. Dante besang die Erlösung der Seele, Boccaccio das Ende der Barbarei und das Reich der Cultur (p. 327). Sein Dekameron ist die Rehabilitation des Fleisches ; Gegenstand der Literatur wird nicht mehr das Abstrakte, das Göttliche, sondern das Reale, rein Menschliche. Da aber zu- gleich alle früheren Ideale dahin sind, und neue noch nicht em- portauchen , so erstirbt die hohe Poesie ; es bleiben als Dich- tungsgattungen nur das Komische und das Idyllische: Die Negation des Vergangenen, das Lachen der aufgeklärten Gesell- schaft über den betrogenen Pöbel und nicht weniger über die ihn betrügenden Pfaffen, und die Darstellung des aller höheren Interessen baren verfeinerten Lebensgenusses in ruhiger Zurück- gezogenheit. Diese beiden Gattungen beherrschen die ganze folgende Literatur. Im 15. Jahrhundert findet die erste besonders

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ihren Ausdruck in Lorenzo de Medici und Pulci, die zweite in dem feinen, eleganten Polizian. Der Mensch scheidet sich vom Schriftsteller; anders denken und anders handeln, wii'd die Lehensmaxime. Die Dichter sinken zu den Literaten herab, welche, leer von allem moralischen Bewusstsein, an den Höfen für Schmeicheleien Lob und Reichthümer ernten. Die Gesell- schaft spaltete sich in die gebildete Klasse, die mit feinster klas- sischer Cultur Zügellosigkeit der Sitten und einen spöttischen Geist verband, und den abergläubischen Pöbel, welcher, der Bildung unzugänglich, jener zum Spotte diente. Die Bliithe der Civilisation, das stolze Gedeihen der Künste und Wissenschaften verbarg die beginnende Auflösung.

So sind hier zwei Entvvicklungsperioden in der italienischen Literatur zu unterscheiden; die erste umfasst das 13. und 14. Jahrhundert; ihr Hauptwerk ist die göttliche Komödie; die zweite beginnt mit dem Boccaccio und findet ihre Vollendung und Zusammenfassung im 16. Jahrhundert. Petrarca ist der Uebero-anrj von der einen zur andern. Das 15. Jahrhundert bildet die Vorbereitung zum 16. (p. 415).

Die so rapide Befreiung aus dem Mittelalter Hess den In- tellekt in höchster Entwicklung, aber müssig die übrigen Fähig- keiten der Seele. Karl VHL konnte Italien „mit dem Gyps und dem Holze" erobern, weil er eine Nation fand, der es nicht an intellektueller, auch nicht an physischer Kraft fehlte, wohl aber an „der moralischen Kraft, die uns an eine Idee gebunden hält und entschlossen, für sie zu leben und zu sterben" (II, p. 132). Es mangelt der Poesie nunmehr jeder ernsthafte Gehalt. Sie ist negativ als lächelnde Auflösung der vergangenen Ideale; ihre positive Seite ist „der Cultus der Form als Form, das ein- same Herrschen der Kunst in einer ruhigen, idyllischen Seele" (p. 5 u. 6). „In der Gesellschaft ist eine Kraft noch unverletzt, die in so grosser Verderbniss sie lebendig erhält, d. i. im Publikum die Liebe und Schätzung der Cultur, und im Künstler und Literaten der Cultus der schönen Form, das Gefühl der Kunst" (p. 10). Dies ist das einzige Ernsthafte im Künstler, wird selber zur Inspiration und vertritt die Stelle des Glaubens. Das Ideal dieser Kunst ist „die Form geliebt und studirt als Form, bei Gleichgiltigkeit des Gehaltes" (p. 13), und ihren

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vollen Ausdruck findet sie im Orlando Furioso. Der Dichter ist da eigentlich nicht mehr vorhanden, sondern nur noch der Künstler. „Es ist eine Welt leer von religiösen, patriotischen, moralischen Motiven, eine reine Welt der Kunst, deren Absicht ist, im Gebiete der Imagination das Ideal der Form zu realisiren. Der Verfasser bemüht sich mit dem grössten Ernste, einzig darauf gerichtet, seinem Stoffe die höchste Vollendung zu geben, so im Ganzen wie in den kleinsten Details." Aber, da das Ganze nur ein Spiel der Imagination ist, so durchdringt es sich mit einer höheren Ironie, und ihr Lächeln „das Bewusstsein der Realität in den genialsten Schöpfungen ist die negative Seite der Kunst, der Keim der Auflösung und des Todes" (p, 16).

Die Entfaltung eines neuen Bewusstseins, eines neuen Ge- haltes beginnt mit der neuen Wissenschaft, deren wahrer Be- gründer Macchiavelli ist. Eine religiöse Keformation, wie in Deutschland, war nicht möghch, wo man über den Verdruss der Kirche lachte und Luther als Barbaren und Gegner der geliebten Cultur hasste oder verachtete. Der Materialismus bestand der Sache nach, und nur in Worten wurde er o-eleuo-net. So auch beim Macchiavelli. Der Geist befreit sich aus den Fesseln des Mittelalters, hat zum Gegenstande seiner Betrach- tung die reale Welt, wie sie ist, wie sie uns Beobachtung und Erfahrung bieten, den realen Menschen in der Natur, der, ohne Einmischung übernatürlicher Gewalten, mit seinen eeistio-en Kräften sich das Schicksal schafft und die Geschichte produzirt. Macchiavelli ist gleichsam das Gewissen seiner Zeit ; er erkennt unter dem glänzenden Scheine die Krankheit seiner Nation, und die Basis aller seiner Spekulationen ist diese Thatsache, die Corruption der italienischen, ja der lateinischen Race und die Gesundheit der germanischen" (p. 108). Er verlangt, dass man den Ernst des Lebens herstelle, dass man die inneren Kräfte des Menschen, den Charakter erneuere, dass man, der Erde zugewandt, hier ein würdiges Ziel des Strebens sähe, und dieses Ziel ist ihm das Vaterland, der unabhängige, freie, nationale Staat, der Gedanke des modernen Zeitalters.

Allein ihren wahren Repräsentanten fand jene Epoche nicht sowohl in Naturen wie Macchiavelli, wie Michelangelo, wie

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Ferrncci, grossartigen Gestalten, die eich einsam über die all- gemeine Corruption erheben, als vielmehr im Guicciardini, der dieselben Ideen und Wünsche hegt, aber nicht an ihre Reali- sirung denkt. Andres ist wissen und Andres thun, sagt er, und Gott ist einzig und allein der Privatvortheil , dem sich alle übrigen Interessen und Ziele unterordnen. Andrerseits bezeich- nen der Humorisnius Folengo's und der Cynismus des Pietro Aretino die letzte Entwicklung des komisch-negativen Elementes in der Literatur.

Das tridentinische Conzil vermochte nicht, den Glauben herzustellen; anstatt, wie die Reformation in Deutschland, der Vernunft ihr Recht einzuräumen, verharrten die Dogmen in ihrer Starrheit und Unumstösslichkeit; die Hierarchie wurde nur noch absoluter. Die Fol^e war Religiosität in den Worten, Heuchelei und Falschheit in den Sitten, im öffentlichen und privaten Leben. Gegen die Fremdherrschaft wurde man gleich- giltig; das Gefühl der Nationalität, das sich anderswo kräftig entwickelte, verstummte in Italien; ja man war eitel auf einen falschen Kosmopolitismus. Auch das Gefühl der Kunst und Poesie ging verloren, und es blieb nur ein prosaischer Begriff von mechanischer Vollenduno- Reo;elmässis;keit und Correktheit übrig. Das Italienische ward wie eine todte Sprache bearbeitet und fixirt, der Styl auf eine vorzüglich dem Petrarca und Boc- caccio entlehnte Phraseologie reduzirt; man beschäftigte sich fast nur noch mit den äusserlichen Eigenschaften der Worte. So konnte dem Tasso nicht gelingen, was er erstrebte, ein Epos auf ernster, religiös historischer Grundlage, in einer Zeit, die allen Ernstes und aller Würde entbehrte. Aber da er Avirklich Dichter war, fand er das, was seine Zeit noch Lebensfähiges enthielt; eine lyrische, subjektive, musikalische Welt, die Elegie und das Idyll, Ausdruck eines Volkes, das in seiner Dekadenz zum Weiblichen hinneigt, nervös und sentimental geworden ist (p. 212 und 217).

Das 17. Jahrhundert hat man als das Zeitalter der Cor- ruption bezeichnet; es ist vielmehr lediglich die Fortsetzung und Folge der vorhergehenden Dekadenz. Anstatt der Restau- ration der Religion bringt die gewaltsame Unterdrückung des geistigen Fortschrittes eine ungläubige, sinnliche, gleichgiltige

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Gesellschaft hervor, rhetorisch in den Formen, abgeschmackt im AVesen (p. 271). Italien war von da ab aus der europäischen Bevvegunoj und der modernen Welt nusoeschlossen, und glich mehr einem IVIuseum als einer lebendigen menschlichen Gesell- schaft (p. 251). Die Poesie wird vollends akademisches und literarisches Handwerk. Es ist die Zeit der tausend Akademieen, die Zeit der Arkadia, der eüsslich abgeschmackten Darstellung des Schäferlebens als des goldenen Zeitalters. Alles dreht sich um die Phrase, den gesuchten, preziösen Ausdruck, funkelnden Bilderreichthum und Concettismus; der glänzendste Repräsentant dieses Seicentistenstyles ist JMarini. Das Wort erhält Werth an sich ohne Rücksicht auf den Inhalt, nur als Melodie, und immer bedeutender wird das zuerst beim Petrarca erschienene und dann bis zum Tasso mehr und mehr entwickelte rein mu- sikalische Element der Poesie, bis endlich die ganz saftlos ge- wordene Literatur in der Musik erstirbt, und das JNIelodrama und musikalische Drama allein das Feld behaupten. Zum letz- ten Male erscheint die Poesie im Metastasio, dessen Werth gerade darin beruht, dass er das vollendete Bild der zeitgenös- sischen Gesellschaft gezeichnet, einer Gesellschaft, „die sich ihrer Auflösung nahte, deren Institutionen noch heroisch und feudal waren, eine Materie leer von dem Geiste, der sie einst beseelte, und die unter jenem heroischen Anschein schläfrig, gedankenlos, verweichlicht, idjdlisch, elegisch und plebejisch war" (p. 400). So spiegelt sie sich in seinen an der Ober- fläche tragisch-heroischen, im Wesen idyllisch-komischen Dramen. Den Nachfolgern schienen seine ^Melodien noch nicht musikalisch genug, und das Wort gerieth ganz unter die Herrschaft des Tones.

Aber schon von Macchiavelli an hatte eine entoegengesetzte Strömung begonnen, die wissenschaftliche Erforschung des Re- alen, der Natur und des Menschen, befreit von allen Schranken der Autorität und des Glaubens. Gott wird nicht mehr ausser der Natur, er wird in ihr, in uns selber gesucht, und die \Vissen- schaft wird der neue Glaube, der die gewaltigen Bekämpfer des Geisteszwanges, die Märtyrer des modernen Gedankens hervor- bringt, einen Bruno, einen Campanella, einen Galilei, einen Sarpi. Die grosse geistige Bewegung Europa's, die Reformen des Car-

iti Francesco De Sanctis.

tesius und Locke finden anfangs schwachen Nachhall in Italien; aboi' Vico, der eich ihnen entgegensetzt, hat sie doch unbevvusst in sich aufgenommen und schreitet über sie hinaus mit seinem die spätere deutsche Philosophie vorbereitenden Gedanken der Entwicklung des Geistes und der Wahrheit, der Philosophie der Geschichte. Im 18. Jahrhundert dringen die belebenden Gedanken aus den höheren Sphären der Wissenschaft in das reale Leben, vermittelt durch die popularisirenden französischen Philosophen. Es beginnt der Kampf gegen das Kirchenregiment, zuerst zu Gunsten der absoluten Monarchie, dann die liberalen Reformen unter der Aegide freisinniger Fürsten. Im Schoosse der alten verdorbenen Gesellschaft beginnt die neue sich zu formen. Das Amt des Schriftstellers wird zum Apostelthum die Verkündigung der Wahrheit in Orakelform, mit der Wärme des Glaubens. „Es ist eine neue Religion. Gott kehrt zwischen die Menschen zurück. Das moralische Bewusstsein stellt sich her. Der innere Mensch wird wiedergeboren. Und die Lite- ratur wird wiedergeboren. Die neue Wissenschaft ist schon nicht mehr Wissenschaft; sie ist Literatur" (p. 380).

Man wendet sich von der bisherigen literarischen, arka- dischen, leeren, klassischen Form ab, verlangt Dinge und nicht Worte. „Die Literatur, die ein Zeitvertreib der Imagination gewesen, ohne allen Ernst des Gehaltes , und die zum blossen Phrasenspiel geworden, sollte einen Gehalt bekommen, der di- rekte und natürliche Ausdruck des Gedankens und Gefühls, des Geistes und Herzens sein" (p. 406). Zum ersten Male zeigt sich die neue Literatur in der Komödie Goldoni's, wo sie sich als eine Restauration des Wahren und Natürlichen ankün- digt. Aber er und die Ueberzahl seiner Zeitgenossen hatten nur erst die Ideen erneuert; der Intellekt war reformirt; der Mensch war noch der alte; sie bekämpften die Arkadia, und waren doch grossentheils selbst Arkader. Nicht so Parini. In ihm gewinnt die Poesie wirklich wieder „ihre alte Bedeutung und wird die Stimme der inneren Welt, welche nicht Poesie ist, wo nicht moralisches Bewusstsein ist, der Glaube an eine re- ligiöse, politische, moi:alische Welt. Deshalb ist Basis des Dich- ters der Mensch" (p. 430). Und dieser neue Gehalt drückt

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sich aus in der ironisciien Darstellung der zerfallenden alten Gesellschaft, der er sich gegenüberstellt.

Der Gegensatz und Kampf gegen diese verdorbene Gesell- schaft, gegen ihre Leerheit, Verweichlichung und Sklaverei einerseits und andererseits gegen die politische und religiöse Tyrannei wird in Alfieri zur Uebertreibung, einer in jener Zeit nothwendigen und wohlthätigen Uebertreibung, die aber der Kunst als solcher Abbruch thut. War früher die Form Alles, so überfluthet jezt der Inhalt die Form. Der politische und moralische Gehalt ist nicht bloss Stachel, blosse Veranlassuns: zur künstlerischen Formation, er wird zum Wesen derselben. Die politische Leidenschaft ist zu heftig, um es zu ruhigem Schaffen kommen zu lassen; sie gebraucht die Poesie als blosses Werkzeug, als Mittel, die Geister zu entflammen.

Man wendete sich in schroffer Feindseligkeit greffen die Ver- gangenheit; die französische Revolution beseitigte in gewalt- samem Ausbruche die letzten Reste des Mittelalters. Dagegen erhob sich eine Reaktion, sichtbar schon in Foscolo's Sepolcri, wo gegen die starre abstrakte Negation das weicheie Gefühl der Humanität anklingt, die üeberzeugungen der Menschheit wenn auch nur als süsse und segensreiche Illusionen in Schutz genommen werden. Es folgte die romantische Schule, Manzoni, Pellico, Grossi, Conti und andere.- Die Uebertreibung der Re- volution hatte sich in klassisches Gewand gekleidet; die Reaktion flüchtet sich ins Mittelalter. Aber die alten Ideen werden nicht einfach reproduzirt ; sie sind umgeformt unter dem Einflüsse der neuen; die Reaktion wird zur Versöhnung der feindseligen Prin- zipien; die religiös gläubigen Romantiker sind nicht weniger liberal als ihre klassischen Vorgänger, und der italienische Ro- inantizisnius, frei von aller Uebertreibung, beginnt sich in eine moderne Nationalliteratur zu verwandeln. Bald dienen die Stoffe der Vergangenheit nur noch zum Vorwande und zur Hülle der neuen politischen Bestrebungen und Hoffnungen, und Niemand verkennt die wahre Absicht des Arnoldo da Brescia, des Ettore Fierainosca, des Assedio di Firenze. In Berchet endlich befreit sieh die politische Poesie von jeglicher, romantischen und klas- sischen, Hülle.

Archiv f. n. Sprachen. LIV. 2

IX Francesco De Sanctis.

Als Ivcsultat blieb die Ver^öhniing mit der Vergangenheit, die feberzeimuns:, dass man das Weik der Jalirhundeite nicht im Miimente zerstören könne. Die neue idcalistiische Philosophie zeigte die Wahrheit in ihrer Entwicklung, verwarf die brutalen Aui^brüche der Revolution. Man vertraute auf den natürlichen, geschichtlichen Fortschritt der Menschheit, und erwartete ihn, wie im vorhergehenden Jahrhundert, von aufgeklärten Fürsten, von allmählicher Modifikation der bestehenden Institutionen. Das ist der Gedanke von Gioberti's Primato. Aber diese versöhn- liche Halbheit führte zur Heuchelei, zur allgemeinen Maskerade ; die Situation wird komisch und findet ihre Geissei in der Poesie Giuseppe Giusti's.

„Giacomo Leopardi bezeichnet den Schluss dieser Periode. Die Metaphysik, im Kampfe mit der Theologie, hatte sich in diesem Versuche der Aussöhnung erschöpft. Die Vielfältigkeit der Systeme hatte der Wissenschaft selbst den Credit geraubt. Es erhob sich ein neuer Skeptizismus, der nicht allein die ße- ligion und das Uebernatürliche traf, sondern die Vernunft selbst" (p. 489). Leopardi's Skeptizismus kündigt die Auflösung der theologisch-metaphysischen Welt an und das beginnende Reich der dürren Wahrheit, des Realen. „Er erforscht die eigene Brust." Tugend, Freiheit, Liebe, alle Ideale der Religion, AVissenschaft und Poesie werden vor seiner Vernunft zu Illu- sionen und Schatten ; aber dennoch erwärmen sie ihm das Herz und wollen nicht sterben. Das Verharren der moralischen Welt trotz des Hinsinkens der metaphysischen giebt seinem Skep- tizismus eine religiöse Färbung; er enthält schon den Keim einer neuen Entwicklung.

Das Werkzeug der P^rneuerung ist die Kritik. Der Sinn des Realen erstarkt mehr und mehr und vernichtet die idealen systematischen Construktionen der Philosophie. Es beginnt von Neuem die geduldige Arbeit der Analyse, und an die Stelle der umfassenden Systeme treten die positiven Stücken. „Italien, gezwungen, ein Jahrhundert lang zu kämpfen, um seine Un- abhäno-iffkeit und seine liberalen Institutionen zu erobern, und in einem zu einförmigen und allgemeinen Kreise von Ideen und Gefühlen geblieben, der sich den politischen Zwecken unterord- nete, sieht jetzt das ganze theologisch -metaphysisch -politische

Francesco De Sanctis. 19

System zerfallen, welches ihm gegeben, was es geben konnte. Die Ontologie mit ihren glänzenden Synthesen hatte die posi- tiven Tendenzen des Jahrhunderts überwältigt. Jetzt ist sie sichtlich erschöpft" (p. 49). Die Ideen und Formeln, die einst die Leidenschaften entzündeten, sind ein conventionelles Reper- torium geworden, welches nicht mehr dem realen Zustande des Geistes entspricht. „Man möchte sagen , dass gerade in dem Moment, wo sich Italien gebildet hat, die intellektuelle und po- litische Welt vergeht, aus der es geboren worden. Es würde eine Auflösung scheinen, v.-enn nicht, noch unbestimmt, aber schon sichtbar ein neuer Horizont sich uns zeigte" (p. 492).

„Italien ist bis jetzt wie in eine glänzende Sphäre eingehüllt gewesen, in die Sphäre der P'reiheit und Nationalität, und daraus ist eine Philosophie imd Literatur entstanden, die ihren Hebel ausserhalb, wenn auch in seinem Umkreise hat. Jetzt muss es sich ins Innere blicken, sich selbst suchen; die Sphäre muss sich entwickeln und zu seinem inneren Leben verdichten. Die religiöse Heuchelei, das Vorwiegen politischer Bedürfnisse, die akademischen Gewohnheiten, die lange Müssigkeit, die Remini- scenzen einer jahrhundertelangen Sklaverei und Erniedrigung haben ihm ein künstliches und schwankendes Bewusstsein se- schaffen, rauben ihm alle Samnilun<T und Intimität. Sein Leben ist äusserlich und oberflächlich" (p. 492). In der Erforschung der realen Elemente seiner Existenz wird der italienische Geist ,,neue Quellen der Inspiration finden, in der Natur, der Familie, dem Weibe, der Liebe, der Freiheit, dem Vaterlande, der Wissenschaft, der Tugend, nicht als glänzende Ideen, die uns im Raum umkreisen, sondern als concreten und vertrauten Gegen- ständen, die zu seinem Gehalte geworden." Die neue Literatur bedarf der Vorbereitung durch ernste Studien in allen Zweigen des ^^'issens. „In uns blicken, in unsere Sitten, unsere Ideen, unsere Vorurtheile, unsere guten und üblen Eigenschaften, die moderne Welt in unsere Welt verwandeln, indem wir sie stu- diren, sie uns assimiliren und umformen, die eigene Brust er- forschen, gemäss dem Worte Leopardi's, das ist die Propädeutik zu einer modernen Nationalliteratur, von der bei uns kleine Anzeichen mit grossen Schatten erscheinen" „Uns be- drängt noch die Akademie, die Arkadia, der Klassizismus und

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Roinaiitizisiuus. Es dauert noch die Emphase und Khetorik, Zciigni><s von geringem Pürnst der Studien und des Lebens. Wir leben viel von unserer Vergangenheit und der Arbeit An- derer. ^^'ir haben kein eigenes Leben, keine eigene Arbeit. Und aus unserem Prahlen blickt das Bewusetsein unserer In- feriorität durch. Die grosse Arbeit des neunzehnten Jahrhunderts ist beendet. Eine neue Gährung der Ideen geht vor sich, die Ankündigung einer neuen Formation. Schon sehen wir in die- sem Jahrhundert sich das künftige zeichnen. Und dieses Mal dürfen wir uns nicht unter den Hintersten, auch nicht in zweiter Linie finden."

Mit diesen Worten schliesst die Geschichte der italienischen Literatur. Ich verhehle mir nicht, dass ich nur den Rahmen, das Skelett wiedergegeben habe, dass man hier mehr das cha- rakterisirt findet, was der Verfasser die Autezedeutien der Kritik nannte, als die Anwendung dieser selbst, was vielleicht der beste Theil der Arbeit ist. Aber es ist unmöglich, eine kurze Ana- lyse tiefer in ein Werk eindringen zu lassen, dessen überreicher Gedankeninhalt schon auf's Aeusserste condensirt ist.

De Sanctis' Literaturgeschichte nimmt eine praktische Wen- dung; die Geschichte wird zur Lehre. Dieses ist aber seine Ueberzeugung, dass die Wissenschaft nur dann wahrhaft segens- reich wird, wenn sie in Communikation mit dem Leben tritt, dass die Literatur nur dann sich kräftig entwickelt, wenn sie in der Wirklichkeit ihre Basis findet. Er scheidet deshalb zwischen dem Dichter und dem blossen Künstler. Der Dichter ist ihm derjenige, dessen Begeisterung von innen aus der Fülle des Herzens kommt, in dessen Schöpfungen sich der ganze Mensch ausprägt; dem blossen Künstler fehlt der tiefe, innere Gehalt; im Gegentheil handhabt er mit Geschick die Mittel der Darstellung. Dante ist echter Dichter, aber oft mangelhafter Künstler; der Gehalt seiner Poesie ist in ihm selber lebendig, die Form oft roh und unzulänglich ; Petrarca ist mehr Künstler als Dichter; die Form ist von glänzender Vollendung, aber die Seele schwach und widerspruchsvoll, und oft sagt er, was er nicht fühlt.

Ueber diese Ausdrücke will ich noch eine Anmerkung machen, die pedantisch erscheint, die aber doch vielleicht nicht

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ganz unnütz sein möchte. Wir finden in diesen Schriften über das Verhältniss von Gehah und Forin scheinbar durchaus wi- dersprechende Sätze, wenn es einmal heisst, dass der Gehalt ganz in die Form aufgehen müsse, ein andermal, dass der grosse Künstler die Form ganz „tödte" und sie zum Gehalte selbst werden lasse; ein drittes Mal, dass der Künstler im Gegensatz zum Dichter gar keinen Gehalt habe, sondern sich mit der rei- nen Form beschäftige. Der Grund dieser Widersprüche liegt in der mehrfachen Bedeutimg, die der Verfasser sich gezwungen sah dem A^'^orte „Form" zu geben.* Sie ist einmal etwas ganz Aeusserliches, die Sprache, der Ausdruck, und als solche muss sie auf alle selbständige Bedeutung verzichten, das Bild wie ein Spiegel wiedergeben, ohne dass man das Glas bemerkt, das dazwischen ist. In solchem Sinne „tödtet" Ariost die Form, der doch der wahre Meister der Form ist. Ein anderes Mal ist die Form in ihrer höchsten, weitesten Bedeutung gefasst, als die ganze Manifestation des Gehaltes, seine sichtbare Erschei- nung, und dann liegt in ihr das Wesen der Poesie; Form und Gehalt sind so sehr eins geworden, dass man sie nicht mehr scheiden kann. Keine Dichtung ist natürlich ohne einen Gehalt ; ein Gegenstand muss immer vorhanden sein, der sich in die Form kleidet, oder vielmehr, der sie gebärt. Aber der Unter- schied liegt darin, ob jener ein Gehalt des Dichters oder nur seiner Dichtung ist, mit andern Worten, ob der Gehalt auch wirklich lebendig im Dichter ist, sein Interesse erregt, seine Leidenschaft entflammt, oder ob er an sich gleichgiltig bleibt, so dass sich alles Interesse der Art seiner Manifestation zuwendet,

* De Sanctis' Ausdrucksweise ist stets höchst klar und prägnant; aber er hat sich nicht gescheut, bisweilen dieselben Worte in mehrfachem Sinne zu gebrauchen, um der Schärfe des Gedankens nicht durch Umschreibungen Abbruch zu thun. So in dem Falle, von dem hier die Rede ist, und so auch in den folgenden Stellen : i, Die Kunst ist Realität zur Illusion erhoben" heisst es Sag. sul Petr. p. 306 und dagegen in der Nuova Antologia ottobre 1872, p. 248: „Die Wirkung der Kunst iwt nicht die Illusion, d. h. eine Dar- stellung so ähnlich dem Realen , dass man es mit dem Realen selbst ver- wechselt." An der zweiten Stelle haben wir zugleich die Erklärung. Ein- mal ist unter Illusion „blosse Täuschung" verstanden, das andere Mal „vollkommene Täuschung". Die Kunst ist Realität, aber nicht wirklich, sondern nur als Täuschung, und eben deshalb keine so vollkommene Täu- schung, dass man sie mit der materiellen Realität verwechseln könnte.

22 Frnncosco De Sanctis.

und man sao-en kann, der Dichter sei bloss Künstler, beschäf- tige sich nur mit der Form.

Der Gehalt andererseits hat in der Kritik nur als Antezedenz Bedeutuno-; aber er ist von grosser Wichtigkeit in der Geschichte der Literatur. Die Kritik nimmt ihn, wie er gegeben ist, fragt nur, in welcher Weise er sich manifestirt habe. Die Geschichte untersucht ihn selbst, weil seine Natur zwar nicht über den Werth eines dichterischen Werkes, wohl aber über die Ent- wicklung ganzer Perioden entscheidet. Der Gehalt an sich ist für die kritische Betrachtung gleichgiltig; aber nicht unnütz ist die Frage, ob dieser Gehalt im Geiste des Dichters lebendig gewesen, und daher im Allgemeinen, ob der Dichter eine innere Welt besessen. Die Kunst als Kunst kann dem Ariost zum Idol werden ; die Begeisterung für die Form kann die Stelle eines moralischen Glaubens vertreten; aber dieses Leben in blosser Imagination dauert nicht lange fort und zerfällt im An- prall gegen die zu sehr verschiedene Realität.

Die Kunst hat ihren Zweck in sich selbst. „Der ^'ogel singt um zu singen. Aber wenn der Vogel singt, so drückt er ganz sich selbst aus, seine Instinkte, seine Bedürfnisse, seine Natur. Auch der Mensch, wenn er singt, drückt ganz sich selbst aus. Es genügt für ihn nicht, Künstler zu sein, er muss Mensch sein. Was drückt er aus, wenn seine innere Welt arm oder erkünstelt oder mechanisch ist, wenn er keinen Glauben an sie, kein Gefühl für sie hat, wenn er nichts hat, was er draussen realisiren kann? Die Kunst ist Produktion wie die Natur, und wenn der Künstler die Mittel zur Produktion hergiebt, so giebt der Mensch die Kraft" (Nuovi Sag. p. 177). Der Glaube ist die Basis, die nothwendige Vorbedingung der Poesie, nicht der relio-iöse Glaube, sondern der Glaube an irgend welche mo- ralischen Güter, an das Vaterland, an die Freiheit. Selbst die Negation und der Skeptizismus können als Glaube wirken, wo sie sich, wie beim Leopardi, der heuchlerischen Corruption ent- gegensetzen. Aber der Glaube ist noch nicht Poesie; er darf nur als der Stachel, als die Veranlassung zu dieser wirken, nicht sie sich unterjochen, wie beim Alfieri.

Francesco De Saiictis. 23

III.

De Sanctis ist zu gleicher Zeit Mann der Wiösenschaft und des praktischen Lebens ; in der politischen Entwicklung seines Vateilandes hat er keine unbedeutende Rolle gespielt. Seine allgemeinen praktischen Ueberzeugungen sind auch in seinen Schriften klar ausgedrückt, und schon sahen wir sie die Lite- raturgeschichte mit ihrem Geiste durchwehen.

Bereits 1850, als er im Kerker den Saggio über Schiller schrieb, behauptete er, die Zeit des Individualismus, des Skep- tizismus sei vorüber. Er war unsere Stütze im Kampfe gegen die Reste des Mittelalters; jetzt genügt er niciit mehr. „Der Mensch genügt uns nicht mehr: Der Skeptizismus zernagt und erniedrigt uns. Die Prinzipien, die unseren Vätern das Herz klopfen machten , sind ein leerer Schall geworden. Die Wissenschaft ist vom Leben geschieden. Der Gedanke, das Wort, die That sind gleichsam die Trias der Seele, drei For- men ihrer Einheit, und ihre Einheit ist zerstört, und ihre Har- monie erloschen: der Gedanke ist nicht mehr das Wort, das Wort ist nicht mehr die That. Oh, war bedürfen des Glaubens, der die Dürre aus unseren Herzen nehme, die Leere aus un- serer Vernunft, die Heuchelei aus unseren Handlungen." Und ebendort schloss er mit den schmerzlichen Worten: „Ich will in meinem Herzen das heilige Bild anbeten, das drinnen ein- gegraben steht, und, in mich selbst verschlossen, werde ich da den Trost finden, den die Welt mir nicht geben kann."

Seitdem ist so Vieles in Erfüllung gegangen von dem, was er damals wünschte und kaum noch hoffte, und ein äusseilicher Geist würde sich mit dem Errichten begnügen. Nicht so De Sanctis. Er erkennt, dass die errungenen politischen Güter für seine Nation mehr als das Ziel einen Anfangspunkt, eine Be- dingung der wahren Entwicklung bedeuten, dass sie bis jetzt Aveit entfernt sind, zu einem wahrhaft Innerlichen, Organischen geworden zu sein, welches das ganze Leben des Volkes durch- dringt. Nachdem wir Italien geschaffen , sagt er mit einem Worte Massimo d'Azeglio's, gilt es jetzt, die Italiener zu schaffen. So scheute er sich nicht, die bittere Wahrheit auszusprechen, und er thut es noch heut', so oft sich ihm die Gelegenheit bietet;

oj Francesco De Sanctis.

denn es liandelt sich darum, die schläfrigen Geister aufzurütteln. So lange Italien zerstückt und schwach war, nuisste man es eciionen, wie einen Kranken, und sich hüten, die nationale Faxi- pfindlichkeit zu reizen. Das erste Zeichen von der Stärke einer Nation ist es, dass sie die Wahrheit zu h(")ren vermag.

nie Dekadenz, die mit dem Renaissancezeitalter begonnen und Jahrhunderte lang sich fortentwickelt hat , liess sich nicht so schnell mit allen Wurzeln austilgen. Die frühreife Cultur Italiens hatte seine Kräfte erschöpft. Das so reiche und üppige Leben des 16. Jahrhunderts erstarb schnell, weil die Grundlage selbst, aus der es sich entfaltet, die politischen, religiösen, mo- rali>«chen Güter des Mittelalters, bchon vermodert waren. Der Charakter verfiel, die Intelligenz herrschte einsam. Und es ist nicht die geistige Begabung, es ist der Charakter oder die Tüch- tigkeit, welche die Nationen rettet; denn, um die Menschen ge- eint zu erhalten, ist es nothwendig, dass sie die Kraft besitzen, Vermögen und Leben für die Gemeinschaft zu opfern; wo diese Tugend mangelt, da ist die Gesellschaft aufgelöst, wenn sie auch lebendig erscheint. Der Charakter verfällt, wenn das Be- wusstsein leer ist, und den Menschen nichts Anderes mehr be- wegt als sein eigenes Interesse. Als Repräsentanten dieser Denkungsart begegneten wir im Renaissancezeitalter dem Guic- ciardini, welcher sagte. Wissen sei nicht Können, anderes er- kennen, anderes thun, dessen Gott allein sein privater Yortheil gewesen. Aber der Mensch, wie ihn Guicciardini schildert, lebt noch jetzt; die italienische Race ist noch nicht von dieser mo- ralischen Schwäche geheilt. „Vi'ir sind", sagt De Sanctis, „immer noch Cinquecentisten, beschränken immer noch unsere Bewunderung auf die intellektuellen Kräfte, Kunst, Cultur,

Wissenschaft. Der moralische Werth des Menschen scheint

uns fast eine Nebensache in seiner Geschichte, und oft setzen wir über die bescheidene Güte und Würde des Lebens die Kühn- heit und das Talent." Die Basis der italienischen Regeneration, des „neuen Italiens, das soviel gerühmt wird, und das kaum erst in den äusseren Umrissen existirt", ist die Herstellung der inne- ren Welt, des Vaterlandes, der Freiheit, der Humanität (s. Nuovi S. p. 201 f. und im Allgemeinen die Saggi über Parini und Guicciardini).

Francesco De Sanctis. 25

Die Möglichkeit eines kräftigen, realen Lebens ist heut' wieder in Italien gegeben, die Bahn ist eröffnet für alle grossen Bestrebungen des Menschen. Es gilt, sie nun auch wirklich zu beschreiten. Die Zeit ist vorüber, wo man einem nebelhaften Idealen nachjagen konnte, der reinen Idee, dem Gedanken, der sich in die Form als durchsichtigen Schleier hüllt, wo man über die betrogenen Illusionen der Jugend jammerte, das Leben als die dürre Prosa verachtete. Einst, als die Kealität, das wirk- liche Leben in Auflösung bcgriflen war, diente das Ideale zur Regeneration und schuf eine neue Jugend. Aber diese Jugend dauert in Italien zu lange. Kräftige Naturen streben nicht den Schatten, dem Unerreichbaren nach; sie wenden sich der Reali- tät zu, suchen sie zu ergreifen und zu besitzen. Die Römer, das positivste Volk, haben Grosses geleistet, und so heut' die Amerikaner (N. S. p. 272 ff.). „Die Welt ist den Philosophen und Dichtern aus den Händen geglitten und gehört den Staats- männern und Kriegern." Wir haben neue Ideale, eine neue Welt der That. Die negative, contemplative Welt ist zu Ende. Man erschrickt, dass die neue Generation dem Materialismus huldige. „Und was ist denn der Materialismus, nicht der ge- meine, niedrige, sondern der Materialismus im höheren Sinne? Es ist die Welt, die sich mit dem Leben aussöhnt und von ihm Besitz ergreift und dort seine Ideale setzt und sich hinein- wirft und an seinen Freuden und Schmerzen Theil nimmt, von der skeptischen, unruhigen Betrachtung dem heitern Ringen und

Handeln sich zuwendend." „Diese Wiederherstellung der

Materie, d. h. der Arbeit und der That, dieser Ernst der ir- dischen Existenz, vermöge dessen, anstatt über sie zu schwär- men, der Mensch strebt, sich die Natur zu assimiliren, sie sein eigen zu machen, dieses Erwachen der Nationalitäten, die wieder Bewusstseln von eich selbst gewinnen und, voll von Ehrgeiz und Hoffnung, sich vorbereiten, ernsthaft und mit jugendlicher Kühnheit ihrer Mission auf dieser Erde zu erfüllen", das ist in Wahrheit das moderne Leben (S. crit. p. 465 f.). Gar zu viel ist noch von der alten Krankheit zurückgeblieben. Die neuen Ideen und Ziele müssen zum Glauben werden, müssen den Skeptizismus, den Indifferentismus, die heuchlerischen Ge- wohnheiten besiegen. „Der Glaube", heisst es irgendwo (S. er.

•JG Francesco De Sanclis.

p. 391), „ist nicht nur für wahr hiilten, sondern wollen, lieben, wirken; er ist nicht nur Gedanke, sondern Gefühl und Hand- lung. — Der Glaube ist Liebe; er ist nicht nur Weisheit, sondern Liebe zur Weisheit, nicht nur Sophia, sondern Philo- sophia." Der Glaube kann nicht der alte sein; es nützt nichts, die Trümmer des Mittelalters zusammenzutragen und von Neuem aufzurichten; das Vergangene kelut nicht zurück; die alten For- mationen sind leer und todt, der Geist hat sie verlassen. Sie zeugen heut' in Italien nur Aberglauben beim niederen Volke, Heuchelei in den höheren Klassen. Es gilt nicht, die verbrauch- ten Formen der Religion herzustellen, sondern das religiöse Gefühl neu zu beleben, welches in der Fähigkeit der individuellen Aufopferung besteht, der Fähigkeit, aus sich heraus und in Verbindung mit den Uebrigen zum Heile Aller zu treten" (aus d. Vorlesungen, d. 20. P^ebr. 1874).

Diese seine Ueberzeugungen fimd De Sanctis Gelegenheit von Neuem zu entfalten, als er 1872 die Inauguralrede zur Er- öffnung des Universitätsjahres hielt. Seine Rede, betitelt „Wis- senschaft und Leben",* hat mit Recht nicht nur in Italien, son- dern auch im Auslande, wo sie bekannt wurde, allgemeine Bewunderung erregt. Alles, was wir über praktische Probleme in seinen Schriften verstreut finden, ist hier in scharfen Zügen wiedergegeben und um die eine Frage gruppirt: Wie hat sich die Wissenschaft zum Leben zu stellen? Ist Wissen und Können dasselbe? Kann die Wissenschaft das Leben schaffen, erhalten, und, wenn es gesunken, regeneriren? Rom und Griechenland, Italien im 16. Jahrhundert und Frankreich in der Revolution lassen das Gegentheil glauben. Das Leben eines Volkes besteht in der Lebendigkeit seiner moralischen Kräfte; aber diese, um sich zu äussern, um zu wirken, bedürfen des Stachels von aussen, der Schranke, die ihnen das Unbestimmte nimmt, ihnen ein Ziel gegenüberstellt. Im Mittelalter waren die inneren Kräfte, Gefühl und Imagiuation, gewaltig, und gewaltig waren die mo- ralischen Schranken, die Familie, die Commune, die Kirche, die Klasse, der Staat, und das erzeugte ein urkräftiges Leben. Allein die Schranken nahmen überhand; die Pflichten wurden

* La Scienza e la Vita'. Neapel bei Morano, wie das Uebrige.

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zu Fesseln. Der neuerwachende Geist rang sich aus ihnen los ; die Wissenschaft erhob sich gegen die Schranken als die Frei- heit der sich ihrer selbst bewussten Intelligenz. Aber in Italien blieb die Wissentichaft selbst ohnmächtig, weil sie eben nur die alten Schranken umstürzte, den bisherigen Formen des Lebens ihren Inhalt raubte, und den gesunkenen moralischen Kräften furder der Stachel und das Ziel fehlte. Sie vernichtete das Leben des Mittelalters und blieb in der Oede. In der fran- zösischen Revolution wollte im Gegentheil die Wissenschaft dem noch kraftvollen Leben seine eigenen Gestaltungen aufdrängen, ohne sich um die realen Verhältnisse zu kümmern, und so blieb sie auch hier ohnmächtig, weil sie sich überhoben. Bei den germanischen Nationen dagegen stiess sie auf gewaltige Orga- nismen des Lebens, und, anstatt sie zu vernichten, drang sie in dieselben ein, sie reformirend und ausbildend, und ebendes- halb orestand man ihr Freiheit zu, weil man sie nicht zu fürchten hatte. „Da leben zusammen die Wissenschaft und die Freiheit, die siösste Freiheit des Gedankens, der Diskussion und der Association, und diese ist keine Gefahr, sondern eine Kraft, weil der Fluo; der Intellio-enz dort seine Schranke in den un- verletzten socialen Kräften hat, dem religiösen Gefühl, der Dis- ciplin, der Festigkeit, dem moralischen Muthe, dem Gefühl der Pflicht und des Opfers, der Liebe zu Natur und Familie, der Achtung vor der Autorität, der Beobachtung des Gesetzes, allen den morahschen Kräften, die wir in ihrer Gesammtheit den Menschen nennen. Man sagt wohl, die Wissenschaft habe Deutschland gross gemacht. Ach! es sind jene Figenschaften, welche die Völker gross machen, und die Wissenschaft erzeugt sie nicht, sie findet sie vor" (p. 25 f.). Die Wissenschaft kann sie analysiren, lenken, verbessern, nicht sie hervorbringen, oder, wo sie mangeln, sich ihnen substituiren. Die verschiedenen Formen des menschliehen Geistes wollen sich gegenseitig nicht verstehen, das Gefühl nicht die Imagination, die Imagination nicht die Intelligenz, die Intelligenz nicht jene beiden; jede will Alles sein; aber ihr wahres Heil ist da, wo sie sich ihre Grenze in den anderen setzt. Das war der grosse Fortschritt unseres Jahrhunderts, dass die Wissenschaft in dem Leben seine Schranke anerkannte, dass sie die übrigen Sphären nicht mehr in sich

og Francesco De Sanctis.

Verseilungen, sondern sie verstehen will. Aber wenn sie ehe- dem Alles sein wollte, so ist sie neuerdings in das andere Ex- trem gcratheii; sie übeilässt das Leben sich selbst, sieht alles lli'ii in dem laisser aller, laisser passer und wird zur müssigen Zuschauerin. Die Wissenschaft ist mächtig, wenn sie lebendig in uns ist, kein Conglomerat von Ideen, sondern ein Organis- mus; nur so kann sie wirksam werden auf die Organismen des Lebens. Sie katm die moralischen Kräfte nicht schaffen; aber, wo sie noch nicht erstorben sind, und ihnen nur die Wirksam- j^eit fehlt, da kann sie ihnen ein neues Ziel geben; sie kann (He alten Formen, wenn sie noch lebensfähig sind, mit neuem Inhalt erfüllen. Und auch Italien darf nicht verzweifeln. Man spricht heut' von der Dekadenz der romanischen Race ; aber welche Kraft verbliebe noch einer Nation, die sich einem ver- geblichen historischen Fatum unterwerfen wollte?

Die Wissenschaft hat in Italien zwei grosse Güter ge- schaffen, die Einheit und die Freiheit; sie hat die Spitzen der Gesellschaft aufgerüttelt und diese hat die Massen galvanisirt und nach sich gezogen. Die Einheit des Vaterlandes ist die Concentration aller Kräfte, die Freiheit ihre naturgemässe Ent- wicklung, ihre Autonomie. Das sind grosse Dinge; aber es sind erst die Instrumente der Arbeit, noch nicht die Arbeit selbst. „Es sind Formen die bald in Fäulniss übergehen, wenn drinnen nicht ein Stoff ist, der sich bewegt. Was ist Italien ohne Italiener? Was ist die Freiheit ohne freie Menschen? Es sind Formen ohne Inhalt, Namen ohne Sache; es ist der Priester ohne Glaube, der Soldat ohne Vaterland" (p. 32). Die Freiheit Aller und für Alle ist ein nunmehr unbestrittenes Prinzip. „Die Mission der Wissenschaft ist heut', dieser P^'reiheit einen Inhalt zu geben, ihr ihren Inhalt zu geben, nicht indem sie in die an- deren Sphären einbricht, sondern indem sie in ihnen arbeitet und sie umgestaltet. Wir besitzen schon einen Wissenschaft- liehen Inhalt, einen Complex von Ideen, den wir den neuen Geist nennen. Jetzt gilt es, dass er wirklich der neue Geist sei." Dazu hilft nichts die bisherige heuchlerische sogenannte Volksliteratur,*

* Anderswo tadelt De Sanctis im Allgemeinen das seiclite Populari- siren in der Literatur. Das Volk müsse man zur Literatur emporheben, nicht diese zu ihm herabsenken.

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die (Ins Neue durch Mischung mit dem Alten den unteren Klassen mundgerecht machen will, und ebenso wenig ist es gethan mit dem Herantragen und mechanischen Aufpfropfen ausländischer Ideen. Die Wissenschaft selbst muss kräftig aus dem vater- ländischen Boden emporblühen; sonst wird sie nicht die Macht haben, die alten verbrauchten Formen zu überwinden, „Einst war das Stichwort der Wissenschaft die Freiheit gegen die Schranke; heut' ist es die Herstellung der Schranke in der Freiheit. AVir haben ausser uns alle Schranken zerstört oder geschwächt, und wir haben sie nicht in uns von Neuem ge- schaffen. In der Hitze des Kampfes haben wir sie gehasst und verkannt, und, weil sie ausser uns Aberglauben uüd Unter- drückung bedeuteten, haben wir in uns auch das Gefühl ge- tödtet, das sie regeneriren konnte, und so sind wir in der Leere geblieben. Jene Schranken sind der Stachel, der die organischen Kräfte entwickelt und den Ernst und die Moralitat des Lebens schafft, der uns dem thierischen Egoismus entreisst und uns des Opfers und der PHichterfülhmg fähig macht. Die Wissenschaft soll nichts Anderes sein als die Herstellung der Schranken im Be- wusstsein, die Rehabilitation aller Sphären des Lebens" (p. 38). Der echte Mann der Wissenschaft ist der höchste und männ- lichste Typus des Menschen; er bedarf des Stachels nicht von aussen; er trägt ihn in sich, und, ist er lebendig, so giebt er ihm die Kraft, früher oder später sich die äusseie Welt dem- gemäss zu gestalten, die Eintracht zwischen Wissenschaft und Leben herzustellen. Aber die Wissenschaft muss auch wirklich so in uns wirken ; ist sie kraftlos und zu organischem Bilden imfähig, was kann sie in der Welt schaffen? Haben wir das Recht, den Gott ausser uns zu leugnen, wenn wir ihn nicht in uns wiedererschaffen und hinausstrahlen können ? Können wir neue Formen, neue Institutionen verlangen, wenn der Stoff sogar in uns selber verdorben ist? Kann die Wissenschaft nicht den inneren Menschen herstellen, so ist sie doch besser als die Leere derer, die da draussen. Das erklärt die Reaktionen, weil die Gesellschaft nicht lange von Ideen leben kann, die nicht zeugen und organisiren, und bald in den alten Zustand zurück- sinkt. „Vielleicht", sagt De Sanctis, „trage ich die Farben zu grell auf. Aber um mich her finde ich Apathie in den Hand-

ÜO Francesco De Sanctis.

lungen, Aninn8t»ung in den Worten, und man muss sie geissein, diese Apathie, und t^ie demüthigcn , diese Aninnssung. Meine Unruhe iöt heut' die Sorge der erwähltesten Geister, das Problem der Probleme, die drängende Mission der Wissenschaft." In Deutschland hat der Volksunterricht alle seine Früchte o-etraoen, und or i^enüfft schon nicht mehr, und Virchow verlangt eine Volkserziehung. „Die Wissenschaft mu?s diese Volkserziehung organi-iron, sie muss dem Katholizismus nachahmen, dessen Macht nicht im Katechismus besteht, sondern darin, dass er den Menschen aus den Windeln nimmt und ihn fest in der Hand hält bis zum Grabe; sie muss seine Organismen von Granit nachahmen, an denen sie seit Jalirhunderten herumklopft und immer noch vergeblich."

„Heut' fühlt sich das Leben von einem unbekannten Uebel ergriffen, das sich in der Apathie, der Langeweile, der Leere äussert, und instinktiv wendet es sich dahin, wo man von Kraft und Stoff redet, und wie man den physischen Menschen her- stelle und den moralischen regenerire. Literatur und Philo- sophie, medizinische und moralische Wissenschaften, alle erhalten diese Kichtung und diese Färbung. Das Blut neubilden, die Fiber herstellen, die Lebenskräfte heben, das ist das Stichwort, nicht allein der Medizin, sondern der Pädagogik, nicht allein der Geschichte, sondern der Kunst: die Lebenskräfte heben, den Charakter stählen und mit dem Gefühl der Kraft den mo- ralischen Muth regeneriren , die Aufrichtigkeit, die Thatkraft, die Disciplin, den mannhaften Menschen und damit den freien Menschen."

Wenn die italienischen Universitäter, so schliesst De Sanctis diesen kurzen und so inhaltreichen Vortrag, wenn sie, die heut' aus der nationalen Bewei2:uno: herausjjeschritten und zu blossen Fabriken von Advokaten und Aerzten geworden sind, diese Mission der heutigen Wissenschaft verstehen -werden, wenn sie sich energisch an die Spitze dieser nationalen Restauration stellen werden, dann werden sie wieder, wie einstmals, „die grosse Pflanzstätte der neuen Generation, die Leben strahlenden Mittelpunkte des neuen Geistes sein".

De Sanctis wendet seinen Blick zu den germanischen Nationen und speziell zu der jungen deutschen Kraft und Grösse

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liiniiber. Er findet dort, was seinem Volke nocli mangelt; von dort, glaubt er, könne ihm ein erfrischender Hauch zuwehen, wenn man das Fremde nicht sklavisch und äusserlich nach- ahme, sondern wirklich in sein Eigenthura verwandle. Besonders im Gebiete des öffentlichen Unterrichts bleibt Italien, das ihn bisher so sträflich vernachlässigt, unendlich Vieles von seinen nördlichen Nachbarn zu lernen übrig, und De Sanctis hatte als INIinister bei seinen Keformen stets deutsche Institutionen im Auge; er sendete junge Gelehrte zum Studium an deutsche Universitäten, er berief Moleschott als Professor nach Turin. Auf sein eigenes Denken ist die Beschäftigung mit deutscher Wissenschaft und Literatur von grösstem Einfluss gewesen. Sein erster kritischer Essay handelte, wie wir sahen, von Schiller ; eine deutsche Grammatik war lange Zeit seine einzige Gefährtin und Trösterin im Kerker, und vier Jahre seines Exils brachte er in Zürich und in deutscher Umgebung zu. Aber sein liauptverdienst ist nicht sowohl seine Vorliebe für deutsche Wissenschaft diese theilt er jetzt mit vielen seiner Lands- leute — , es ist vielmehr die Freiheit, mit der er sich ihren Einfluss zu Nutze zu machen wusste, ohne in ihren Fesseln stecken zu bleiben, wie viele Andere, welche noch heut' an un- seren Ideen von vor zwanzig Jahren kleben, weil in ihnen das Wissen zur leblosen Tradition geworden. Dafür müssen wir ihm vorzüglich dankbar sein, dass er deutschen Geist und deutsches Wesen am lebendio-sten seinem Lande zugäns-lich we- macht hat, eben weil es in ihm selbst zu lebendigem Verständ- niss , zu selbstthätiser Verarbeitung o-elanat ist. Seine Auf- fassung der deutschen Literatur ist daher ebenso frei als fein; man lese nur die zerstreuten Bemerkungen über den Faust. Er hätte, Avenn er gewollt, Göthe's Werk ebenso wunderbar erleuchten können, wie er es mit dem Dante's gethan.

De Sanctis sucht seinem Vaterlande das europäische geistige Leben zu erschliessen. Aus der Vereinsamung, in der sich Neapel besonders bisher befunden , wünscht er es in die all- gemeine Bewegung des modernen Geistes als lebendiges Glied eintreten zu sehen. Die Ideen, klagt er, kommen oft zu uns, wenn sie anderswo schon beiseite gelegt worden wie ein ab- getragenes Kleid. Wir haben, sagte er ein ander Mal, immer

32 Francesco De Sanctis.

noch (la^^ 17. Jahrluiiulcrt in uns; die neuen Ideen, die vom AuülanJe ockomineti, bleiben äusserllch aufgepfropft, und drinnen liaben wir nocli den alten Menschen, Zu dem, was er früher zur Abhilfe dieser Schäden gcthan, kommt nun noch die Gründung eines sogenannten philosophischen Cirkels in Neapel, eines Instituts für das Studium der neuen Sprachen, wie deren schon in Turin und Kom bestehen und sich reger Theilnahme erfreuen. Dieser philologische Cirkel bietet, wie er sich aus- drückt, dem gebildeten Stande das, was für das Volk die Abend- schulen (scuole serali) sind. Wie das Volk dort Lesen und Schreiben als Mittel zu geistiger Bildung überhaupt, wird hier der Student die Kenntniss der neueren Sprachen erwerben als den Weg, an der europäischen Bildung Antheil zu nehmen. Es soll aber ferner das Institut, das im nächsten Jahre seine Wirk- samkeit beginnen wird, im Allgemeinen der Organisation der geistigen Arbeit dienen. Die ideale Bewegung ist nach De Sanctis' Meinung für jetzt geschlossen, und zur Vorbereitung einer neuen Entwicklung bedarf es vor Allem der positiven Studien. Deswegen ist für den Cirkel auch eine historische Klasse projektirt , welche vorzüglich die archivalischen For- schungen zu fördern hat. Mit einem Wo)te, De Sanctis' Ab- sicht ist, in sein Vaterland etwas von dem deutschen Fleiss und dem deutschen Ernste der Wissenschaft zu verpflanzen, an denen es dem von Natur so reich begabten, aber ungeduldigen Italiener noch gar zu sehr mangelt.

De Sanctis' schriftstellerische Thätigkeit dauert fort, und wir dürfen uns von iiu' noch reiche Früchte versprechen. In seiner Geschichte der Literatur war die jüngste Periode nur mit wenigen grossen Zügen gezeichnet worden; hiezu zwang ihn lediglich die Beschränktheit des Raumes, keineswegs die An- sicht, die man häuSg äussern hört, dass die neueste Literatur noch nicht der Geschichte angehöre, eine Behauptung, hinter der sich bei den Meisten vielleicht weiter nichts birgt als die Unfähiskeit, sich selbst ein Urtheil zu schaffen, ohne es bei Anderen schon fertig vorzufinden. Alle bisherigen Geschichten der italienischen Literatur brechen eigentlich bei Alfieri ab; der Rest wird dann in ein einziges flüchtiges Kapitel zusammen- geworfen. Ueber die neue italienische Literatur fehlte es bis-

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her an allen ernsten, eindringlichen Arbeiten. „Wir hängen da", sagt De Sanctis (N. S. p. 256), „an traditionellen und sich widersprechenden Urtheilen und Kriterien und wissen nicht, wer Foscolo gewesen oder Niccolini oder Giusti oder Berchet oder Balbo oder Gioberti. Sogar über die grössten, über Man- zoni und Leopardi ist noch kein Studium von einigem Werthe geschrieben." Und kann man der neuen italienischen Literatur etwa die Bedeutung absprechen wollen, ihr, die so lebhaft in die Ereignisse eingegriffen hat, die seH)st zur Kämpferin wurde und einen so bedeutenden Antheil an der Erschaffung des neuen Italien nahm? Oder wollen wir immer nur in der Vergang-en- heit leben und das nicht verstehen, was uns zu allernächst liegt, was noch wahrhaft zu unserem Leben gehört? De Sanctis hat wenigstens, auch in seiner kurzen Darstellung, die hohe Be- deutung des Gegenstandes klar hervorspringen lassen und die charakteristischen Züo;e mit sicherer Hand hingezeichnet. Wei- terhin dienten verschiedene seiner Essays zur Ausfüllung der bestehenden Lücke, so die Saggi über Leopardi, der über Fos- colo, 1871 bei Gelegenheit der Ueberführung seiner Asche nach S. Croce geschrieben, und besonders vier Saggi über Manzoni, wie jene über Dante die Früchte ehedem gehaltener Vorlesungen. Der erste, „die episch-lyrische Welt Manzoni's", findet sich in den Nuovi Saggi abgedruckt, der zweite, die Poetik Manzoni's, im Oktoberheft der Nuova Antologia 1872, der dritte, der Stoff der Promessi Sposi, ebendort Oktober 1873, der vierte endlich, über die Promessi Sposi, Dezember desselben Jahres.

Die Literatur unseres Jahrhunderts behandeln auch die Vorlesungen, welche De Sanctis seit Ende 1871 an der Uni- versität von Neapel hält. Nachdem er in den esten beiden Jahren die Schriftsteller besprochen, welche er als die liberale Schule bezeichnet, d. h. Manzoni, d'Azeglio, Gioberti, Grossi, Balbo u. s. w., ist er im dritten zur demokratischen Schule übergegangen, zu Mazzini, Berchet, Niccolini, Guerrazzi. Den Schluss sollen dann Giusti und Leopardi bilden , welche eine höhere, selbständige Stellung einnehmen. Sein Vortrag, ohne glänzend zu sein, ist dennoch hinreissend ; das Wort ist eben nicht ein Schmuck , sondern der unmittelbare Ausdruck de? Gedankens, und so ist seine Darstellung klar, tief und geordnet

Archiv f. n. Sprachen. LIV. ■^

;; 1 Francesco De Sanctis.

wie sein Gedanke selber. Kaum bemerkt es der Zuhörer, -wie viel er in jedem Augenblicke lernt und erkennt, und nicht bloss Intelligenz und Phantasie werden erregt, auch das Herz wird erwärmt. Daher bilden diese Vorlesungen den Vereinigungs- ])unkt für Studenten aller Fächer, und so wollte sie der Lehrer selbst verstanden wissen. Die Literatur bildet nach seiner Auf- fassung die wahre P^rgänzung des Fachstudiums ; sie ist „der reine Cultus der Wissenschaft, der Enthusiasmus der Kunst, die Liebe zu dem, was edel, fein und schön ist". Sie ist es, die uns das wahrhaft Menschliche giebt, und dient nicht bloss zu äusserlichem Schmuck ; sie geht in das Leben selbst ein, wird zum Sinn des Schönen und Edlen, der uns alles Kiedere und Gemeine fliehen lässt (s. A' miei Giovani in den S. er.).

Das Wissen soll kein müssiges Gut sein, welches nur im Intellekte verweilt, ohne thätig zu werden. Daher muss mit dem Verstände auch das Herz gebildet werden, oder vielmehr die Bildung des Herzens muss der des Verstandes voraufgehen. In der kleinen Schrift über die „Schularbeiten" (S. er. p. 159 ff.) tadelt er die falsche Art, den Kindern den Kopf mit gelehrten Notizen und moralischen Abstraktionen vollzustopfen, anstatt sie im Contakte mit der frischen Fülle des Lebens zu erhalten. Es genügt nicht, sagt er, das Volk zu unterrichten, man muss es erziehen. Der Dieb stiehlt nicht, weil er nicht weiss, dass es unerlaubt ist, sondern weil sein Herz verdorben ist. Man beginne, anstatt so vieler abstrakten Weisheit, mit der Er- ziehung des Herzens. Und dazu eben dient die Literatur; sie lehrt nicht bloss correkt schreiben; sie bildet die Seele. So giebt er selbst in Turin seiner jungen Schülerin die Prouiessi Sposi in die Hand und als Lehrer im Militärcolleg der Nun- ziatella liest er in den Mussestunden seinen jüngeren Eleven die ergreifendsten Stellen des Ariosto, den Saul Alfieri's, den Manzoni vor.

„Die Liebe ist das erste Geheimniss des guten Unterrichts", so sagte De Sanctis bei Gelegenheit seines Lehrers Puoti, und diesen Ausspruch kann man auf ihn selbst anwenden; was ihm die Wärme, Kraft und Eindringlichkeit giebt, ist die heilige Liebe zur Sache und die innige Liebe zu seinen jungen Schü- lern. „Die Enttäuschungen", so schreibt er einstmals (S. er.

Francesco De Sanctis. 35

p. 341 f.), „haben mir nicht den Glauben vermindert, und die Zeit konnte Avohl meine Haare berühren, aber nicht mein Herz. Wenn eine hohe Wahrheit mir entgegentritt, so leuchtet sie vor meinem Blicke wie ein Stern ; wenn ich eine schöne Dichtung lese, fühle ich in mir etwas von dem, was des Dichters Seele in der Wärme der Inspiration bewegte. Auch heut' kann ich den Katheder nicht betreten oder verlassen, ohne dass mir das Herz klopft und die Glieder zittern, und bisweilen fühle ich in Gegenwart meiner zwanzigjährigen Zuhörer meine eigene Jugend." Und wie rührend ist die Klage aus dem Kerker (1850, S. er. p. 9): „Nicht ohne Thränen kann ich an euch denken; der Verkehr mit der Jugend ist mein Universum, das Licht meiner Seele gewesen. Wie sehr habe ich sie geliebt! Wie. schön erschien mir das Leben in ihrer Mitte! Wie viele Träume, wie viele Hoffnungen ! Wir waren so zufrieden, un- sere Tage flössen dahin in einer himmlischen Harmonie!"

Die Schule für literarisches Studium, welche De Sanctis in jüngeren Jahren begründet, welche die Reaktion nach 1848 umgeworfen, und die er in gewissem Sinne dann in Zürich fort- gesetzt, ist nun mit seinen übrigen Vorlesungen auch wieder auferstanden. Die Schullektionen wechseln mit den eigentlichen literarhistorischen Vorträgen des Lehrers ab. Hier ist es, wo De Sanctis mit seinen Schülern in noch unmittelbarere, herz- lichere Berührung tritt und sich die Liebe Aller erobert. Diese Schule ist, wie die ehemalige des Puoti, ein freies Studium, an welchem Jeder nach Belieben Theil nehmen kann, entweder thätig oder bloss als Zuhörer, und, da die Universität Neapel bis jetzt durch keine vorgängigen Examina abgcspetrt, und der Unterricht durchaus unentgeltlich ist, so finden sich hier Jüng- linge des verschiedensten Alters und der verschiedensten Bil- dungsstufen zusammen. Die Anfertigung kleinerer und grösserer, literarischer und wissenschaftlicher Arbeiten bildet die Beschäf- tigung der Schüler; das Thema ist meist frei gewählt, und ge- wöhnlich sind es Poesieen, Dialoge, Erzählungen, Briefe, seltener wissenschaftliche Diskurse. Am Ende jeder \^'oche werden die Arbeiten abgeliefert. Der Lehrer durchliest sie mit erstaun- licher Sorgfalt und besj)richt die unbedeutenderen in der Kürze. Die Produktionen von allgemeinerem Interesse lässt er vorlesen

3*

,1(j Francesco De Sanctis.

und von den Schülern diskutircn, worauf er selbst ein zusam- menfassendes und abschliessendes Unheil giebt, aber meist nachdem schon von jenen das Richtige gefunden worden. Die Absicht ist überall, den freien Trieb zur Arbeit zu wecken, diese zu etwas innerlich Lebendigem werden zu lassen. De Sanctis hatte den segensreichen Einfluss solcher Thätigkeit in seiner eigenen Jugend kennen gelernt. „Ich bin überzeugt", sagt er (S. er. p. 500) in Bezug auf die Schule Puoti's, „dass nichts so sehr dazu beiträgt, die literarischen Studien zu heben und den Geist zu erziehen, wie dieses eifrige Arbeiten des Jüng- lings , dieses Lesen , Uebersetzen , Schreiben , Anmerken , das nützlicher ist als Grammatiken, Rhetoriken, Styllehren auswen- dig zu lernen." Es gilt, in dem Schüler die Selbstthätigkeit anzuregen, ihn glauben zu machen, dass er selbst findet, was er lernt; nur so wird dieses ein bleibendes Gut, ein organisches Eigenthum. De Sanctis geht in dieser Beziehung so weit, dass er aus seinen Schülern wirklich seine Mitarbeiter machen will, oder vielmehr er glaubt schon jetzt, ihnen nicht zu viel zuzu- muthen, wenn er für seine künftigen Vorlesungen über Guer- razzi, Giusti und Leopardi ihre Unterstützung in der Vorberei- tung des Materials und der kritischen Untersuchung selbst in Anspruch nimmt.*

Die Absicht von De Sanctis' Schule ist im Allgemeinen dieselbe, wie die von Puoti's gewesen war. Aber sofort fällt es in die Augen, in Avie weit höherem Sinne die Mittel zu ihrer Verwirklichung gefasst sind. Es liängt dies mit dem gänzlich veränderten Begriffe von Literatur und Kritik zusammen. Der Purismus war nichts weiter als eine Erneuerung der sogenann- ten literarischen Form des 16. Jahrhunderts und nothwendig und segensreich im Anfang, um die in Bezug auf geistige Bil- dung gänzlich heruntergekommenen südlichen Provinzen wenig- stens in das allgemeine italienische Leben zurückzuführen; als sie aber über ihre Zeit fortdauerte, wurde diese Richtung ebenso schädlich als lächerlich, weil sie ganz an äusserlicheu Formen klebte.** Für Puoti hatte nur die Sprache Bedeutung; um den

* Am 29. Mai 1874 schloss er seine Vorlesungen, indem er zunächst fünf verschiedenartige Monographien über Guerrazzi als Aufgabe stellte.

** Wie De Sanctis im Saggio „der Letzte der Puristen" vorzüglich die

Francesco De Sanctis. 37

Inhalt kümmerte er sich wenig. Die Lektüre ausländischer Schriftsteller und sogar die der modernen italienischen war ver- pönt. Bei De Sanctis sahen wir gerade das Gegentheil, eine eifrige Beschäftigung mit den Modernen, das Streben, sich die ganze europäische Cultur anzueignen. In Puoti's Schule hatte ein Jeder sein Heft, in das er die schönsten bei den verschie- denen Schriftstellern gefundenen Worte und Phrasen eintrug, und mit diesem Flitterputz schmückte er dann seine eigenen Arbeiten aus ; man sollte mit den ^'okabeln der Trecentisten und den Wendungen der Cinquecentisten schreiben, eine Manier die zu grossem Schaden des guten Geschmacks in manchen Schulen Italiens noch fortbesteht?*

De Sanctis' kritische Grundsätze haben wir genugsam aus seinen Schriften kennen gelernt. Seine Ansichten über Sprache und Styl stimmen im Ganzen mit denen Manzoni's überein.** Die Form, die Sprache, der Styl ist ihm nicht eine Sache, die man sich nach Belieben aneignet, die man sich willkürlich zu- sammenliest. Wenn wir die Schriftsteller studiren, sagt er, so dürfen ihre Ausdrücke nicht gesondert in unserem Style ver- harren; man muss nicht sagen können: hier ist Boccaccio, hier Manzini, hier Guerrazzi; es gilt, uns wirklich anzueignen, was wir gelernt, das Verschiedenartige zusammenzuschmelzen, ihm den Stempel unserer eigenen Individualität aufzudrücken. Er warnt vor jener literarischen Form, der Nachahmung der Cinque- centisten und Trecentisten; wir leben im 19. Jahrhundert; unser Gedanke ist der des 19. Jahrhunderts und muss sich seine eigenthümliche Form schaffen. Statt prunkender Rhetorik ver- langt er Einfachheit, Klarheit und Prägnanz, eine Sprache, die den Gedanken unmittelbar wiedergiebt, ohne ihn in gezierten Wendungen zu umkreisen. Seine eigenen Schriften und Vor- träsfe sind hier stets das beste Vorbild. In der Diskussion

wohlthatigen Einflüsse von Puoti's System hervorhob, so stellte Pasquale Villari in der Vorrede zu den Meinorie e Scritti di Luigi La Vista (Firenze, Le Monnier I863j deren üble Folgen dar.

„Wir haben jetzt", sagt De Sanctis einmal in seinen Vorlesungen, „eine Art Neopurismus, der in den Schülern vielen Schaden thut. Einer von diesen Neopuristen ist Fanfani, der das ganze Werk Manzoni's verdirbt. "

** Eine vortreffliche Ergänzung zu Manzoni's und De Sanctis' Scliriften bildet in dieser Beziehun^^ das Buch von Bon;rhi : Perche la letteratura italiana non sia popolare in Italia. ed. Milano e Padova 1873.

,T8 Francesco De Sanctis.

fordert er, d:iss seine Schüler sich nicht an Einzelheiten und Aeusserlichkeiten heften, sondern sofort das Wesen, den Kern der bct<i)rochcnen Produktion zu ergründen suchen, sie in ihrer vollen Kigenthümlichkeit auffassen, wie sie sich im Geiste des Verfassers gestaltete. Die Kritik geht stets von innen nach aussen, von dem Ganzen des künstlerischen Organismus, der Seele, die ihn durchweht und belebt, auf die äussere Gestaltung, in der sie sich manifestirt. So springen aus dem besonderen Fall beständig die allgemeinen Frngen hervor, und die Prin- zipien der Methode werden ins Licht gestellt, so dass der Schüler an der Hand der Praxis immer w^eiter in der theo- retischen Erkenntniss vordringt. Es it^t die vortrefflichste Er- ziehung des ästhetischen Urtheils.

Von De Sanctis' politischer Thätigkeit, deren moralischen Hintergrund wir in seinen Schriften betrachtet, eingehender zu handeln, dürfte mir schwerlich zuj^tchen; ich wollte von dem Schriftsteller und Lehrer sprechen. Sollte es mir gelungen sein, für die Wirksamkeit dieses Mannes bei meinen Landsleuten eine grössere Aufmerksamkeit zu erregen, so ist der Zweck dieser Zeilen erreicht. Ein Geist wie De Sanctis muss uns Deutsche ganz besonders anziehen, weil wir in ihm, trotz seiner echt italienischen Gesinnung und Begabung, so viel unserem Wesen Verwandtes finden. Es bleibt mein Wunsch, seine Werke bald in unsere Sprache übertragen zu sehen. De Sanctis wendet seinen Blick nach Deutschland, möchte sein Volk durch das Vorbild deutscher Kraft und deutschen Ernstes stärken und er- frischen; uns im Gegentheil wird es nicht unnütz sein, wenn wir unsere Blicke häufig nach Süden schweifen lassen; wir können von den Italienern noch immer so unendlich viel lernen, und was wären wir ohne unsere vom Süden gekommene klas- sische Jugendbildung? Vielleicht ist es doch möglich, im in- nigen Verkehr der Nationen dereinst die Vorzüge der germanischen und die der romanischen Race in schöner Harmonie zu ver- schmelzen.

Der Tod des Abel.

(Mactatio Abel.)

Spiel der Handschuhmacher.

Ein altenglisches Myster des XIV'. Jahrhunderts

aus der Townelej-Sammlung.

In den gereimten Versen der Urschrift übersetzt

von

Theodor Vatke.

Prolog. Knecht.

Willkommen, willkommen, Weib und Mann!

Denn jetzt komm' ich, ein luet'ger Kumpan!

Seid still nun, mein Herr befiehlt's euch an,

Sonst soll der Teufel euch holen!*

* Vergl. das deutsche Osterspiel (aus saec. XV) (Ludus de Nocfe Paschae) in Hoffmann's Fundgruben II, 297: Precursor:

Nu boret zu alle gleich,

Beide arm unde reich;

Höret zu alle gemeine,

Beide gross unde kleine ;

Ir jungen und ir aide,

Höret zu also balde.

Und ir alten flattertas eben ,

Ir kunnet vil smetzen (schwatzen) unde waschen,

Und wo man icht wil beginnen,

Da wolt ir euch auch zu dringen.

(Das Stück ist culturhistorisch noch ausgiebiger als die altenglischcn. Mercator und Mercatrix darin sind ein Gegenbild zu Noe und sein Weib; sie bekommt Schläge von ihm.) X'ergl. den Quacksalber in dem Osterspiel und in dem altenglischen. Die Kreuzigung Christi in den Cov. Myst. ist ebenso wie die mittelhochdeutschen mit dem ganzen mittelalterl. Tor(ur- apparat ausgerüstet.

40 Der Tod des Abel.

Wus3tet ihr nichts von meinem Kommen? Zu schwatzen ist euch jetzt benommen ! Dem inöcht' es übel frommen,

Dom ich 'mal würde das Leder versohlen ! Seid still nun, ich hub's euch befohlen! Hört auf mit Lärm und Geschwätz! Den bratet der Teufel auf Kohlen, Der nicht folgt nach Sitt' und Gesetz ! Ihr Bummler, ich bin gar ein grosser Geselle, Mein Herr hat 'nen tücht'gen Pachter zur Stelle. Ihr kennt ihn Alle, bald -wird er sich zeigen. Wird der mit euch Händel spinnen, Werdet ihr wahrlich nicht gewinnen. Doch ich glaube, und sage es ohne Besinnen, Manche von euch sind ihm leibeigen. Und nun noch einmal verlange ich Schweigen. Ihr schäb'ges Pack, nun lasst die Mäuler stehn ! Und kommt mein Herr, soll grüssend sich neigen. Wie sich's gebührt, ein Jeder. Lebt wohl, ich will nun gehn.

[ab]

1. Scene.

(Kain führt einen mit Kühen und Ochsen bespannten Pflug.) Kain (zu den Thieren).

Vorwärts, Grauhorn! Du, Schwarze, liegt ihr in den letzten

Zügen? Dass gleich die Wetter auf euch schlügen! Mit solchen Schlummerköpfen soll ich pflügen? Was? Will's denn heute gar nicht, wie? Na, Bunte, soll ich euch wecken? Verflucht, wir bleiben hier noch stecken! Wart, ich will euch wieder necken! Zieh, Alte, sag ich, zieh ! Der Teufel hole solches Vieh! Seht, jetzt hat sie mich verstanden. So schlechtes Rindvieh hatt' ich nie Im Pflug man quält sich rein zu Schanden.

Der Tod des Abel. 41

2. Scene. Kain und der Knecht.

Kain. Wie, Scheuerndieb! Hieher sag ich, gleich! Knecht (für sich). Der Mann kommt nie in's Himmelreich I Kain. Hörst Du nicht, dass ich rufe, Mann? Knecht. Na, Rothe und Schäcke, was träumt ihr so?

Hreitkopf, Langschwanz, AV'eisshorn, hü, ho!

Seht, gleich geht's besser mit unsrem Gespann! Kain. Dich, Bursche, will ich fasten lehren. Knecht. Willst, Herr, Dein Frühstück Du verzehren?

Die Thiere zog ich kräftig am Nacken,

Thät ihnen Steine in die Eaufen packen. Kain. Dir komm ich noch über die Jacken! Knecht. Und habe wieder 'mal Recht!

Kain. Schweig still, ich bin der Herr und Du der Knecht! Knecht. Was Euch genehm, das ist auch mir gerecht. Kain. Schon gut, nichts Aveiter, das Vieh treib an,

Dass wir hier endlich fertig werden. Knecht. Hurtig, Langschwanz, dann ist's gethan.

Klebt denn der Pflug heut in der Erden?

3. Scene. Vorige. Abel.

Abel. Möge Gott, wie Er will und kann,

Dich fördern, Bruder, und Deinen Mann! Kain. Lass mich in Ruh, da thust Du besser dran !

Was schaffst Du hier mir Lanseweil?

Bis man Dich rief, konntest Du bleiben.

Nun, komm, hilf halten oder treiben

Und küss dem Teufel das Hintertheil!

Da lass auch die Schaafe suchen ihr Heil,

Da lassen sie's am liebsten gelten. Abel. Hier, Bruder, ist nichts Böses alldieweil,

Drauf Du mit Ursach könntest schelten.

Doch, lieber Bruder, hab auf mein Wort jetzt Acht,

Gesetz ja ist's und althergebracht,

42 Der Tod des Abel.

Dass, wer da weise schafft und lebt, Den Herrn mit Opfern zu ehren strebt. Der Vater gebeut es, der Vater lehrt, Dass man dem Höchsten den Zehnten bescheert. Komm Bruder, und lass uns gehn. Den Herrn zu ehren und zu Ihm zu flehn, Zu geben vom Unsren den Theil Vom Vieh oder Korn, o Bruder, eil! Und dem Opfer unsrer Hände Folget Segen ohne Endt?, O dass Gott es wohl befände I Kain. Nun lasst die Gänse heraus, der Fuchs will predigen ! Wirst Du Dich des Sermones bald entledigen? Lass sein, sag ich, Dein müssig Gespräch ! Sieh da, mein gut Weib, wie sie schafft am Gehäg! Du aber sitzst mit dem Teufel an Einem Weg Mit Deinen nichtigen Worten nun. Soll ich den Pflug und Alles lassen ruhn. Mit Dir des Opfers Werk zu thun? Nein, nicht bin ich gar so ungescheut, Zum Teufel geh und sag, dass es Kain gebeut! Abel. Komm, lasse Deinen bösen Spott,

All was Du hast, das stammt von Gott! Kain. Der borgte nie mir einen Heller roth,

Sieh hier, meine leere Hand! Abel. War's nicht väterlicher Lehre Unterpfand, Den Zehnten zu geben von allem Bestand, Und Ihn zu preisen beim Opferbrarid? Kain. Mein Schilling ist in des Priesters Hand,

Seit ich geopfert zuletzt! Abel. Komm, Bruder, zu des Altars Stand!

O, hätten wir das Opfer schon aufgesetzt! Kain. Und, was soll ich zehnten, Bruder mein?

W'ird nicht schlechter mein Gut jahraus jahrein ? Ich folge meinem Sinn allein. Was ich gewinne, gehöret mir. Und borgen macht mir kein Plaisir, Ich gehe nicht in Sein Revier!

Der Tod des Abel. 43

Er will mit Unglück mich zu Grunde richten

Und wird mir borgen auch mit nichten! Abel. Und doch, Dein Hab und Gut allsammt

Allein von Gottes Gnade stammt. Kain. Sorgt Er für mich, wie Segen kommt auf Dich? Stets war mein Feind Er sicherlich. Denn wäre mein Freund Er gewesen, Er hätte mir andre Pfade erlesen. Wenn überall schön das Korn im Felde stand, Galt keinen Heller mein Ackerland. Und wenn die Aussaat mir gebrach, Und leer mir Scheuer und Tenne lag, Da gab Er nichts mir von dem Seinen ; Nicht anders will ich's halten und meinen.

Magst Du mich gleich schmähn ohn Unterlass,

Ich messe Ihm mit Seinem Mass. Abel. Lieb Bruder, sprich nicht das. Lass lieber uns gehen fürbass. Komm, Bruder, lass uns eilen. Nicht länger zögernd verweilen! Kain. Lass mich mit dem Geschwätz in Ruh, Hol mich der Teufel, wenn ich eilen thu. Zu theilen mein Gut und Ertrag, So lang ich immer leben mag, Mit Gott oder irgend welchem Mann, Was ich in Flur und Feld gewann.

Denn hab ich erst verschleudert mein Gut,

Dann kann ich gehn mit zerrissenem Hut ; Und besser ist's, nicht zu verzetteln. Als einst von Thüie zu Thüre zu betteln! Abel. Komm, Bruder, mit mir in Gottes Namen, Ich fürchte, sonst giebt's kein gut Amen. An's Werk, komm, machen wir uns dran! Kain. In's Teufels Namen denn, geh voran! Ich halte Dich wahrlich für verdreht.

Hast Du nicht früher mich schon beredt,

Hinwegzugeben meiner Güter acht?

Der Teufel hol ihn, der mir das beigebracht!

44 Der Tod des Abel.

Was halfs mir, so niicli abzuhetzen,

Arbeiten bis Kock und Schuhe in Fetzen? Abel. Lieb Bruder, würde das wohl gut befunden,

Dass wir Beide gingen un verbunden?

Das ijäbe dem Vater üble Ruh !

Sind wir nicht Brüder, ich und Du? Kain, Nur zu, wenn's denn geschehen soll!

Du aber, glaub ich, Du bist toll!

Sei Er nun freundlich, sei Er im Zorn,

Mein Gut zu theilen ist mir ein Dorn.

Wohl oft schon kam ich mit sanfteren Sinnen

Und meinte, ein gutes Gedeihn zu gewinnen;

Doch besser war's, ich liess es ungeschehn!

Nun geh voran Dir müss es übel ergehn!

Dass stets wir wandern solchen Weg. Abel. Nicht doch, lieb Bruder, nicht solches Gespräch!

Lass fördern die Schritte zur Stelle,

Gelobet sei Gott, der Himmel ist helle! Kain. Leg hin Dein Bündel auf den Hügel hier. Abel. Gern, Bruder, folg ich Dir.

Gott des Himmels, nimm es gnädig an! Kain. So fang denn an, wahnwitziger Mann! Abel (am Altar). Gott, der so Erd als Himmel schuf. Dich bitt ich, höre meinen Ruf! Nimm als Dank, wenn es Dein Wille ist. Den Zehnten, den ich bringe zu dieser Frist. Ich geb es Dir in gutem Sinn, Gott dem Herrn, von dem all mein Gewinn.

Nun zünd ich's an, beständig im Gemüthe

Zu ehren Ihn und Seines Schaffens Güte. Kain. Nun lass auch mich, da Du Dein Theil gethan.

Herr des Himmels, hör meine Gebete an.

Und gegen Gottes Geheiss sei Dir

Es Pflicht, Dank zu wissen mir!

Denn wie mir diese Opferstücke selber nöthig,

Bin Dir zu Danke ich wenio; erbötig.

Hier ist an Vieh und Korn mein Theil,

Der Tod des Abel. 45

Den besser ich brauchte zu eigenem Heil!

Doch, da ich einmal zehnten muss,

Ist jetzt zu opfern mein Beschluss.

Ein Schaaf, eins, und dies macht zwei

Ha, wohl wird mir nicht dabei!

Zwei, zwei, nun sind's drei an Zahl

Dies entbehren macht mir mindre Qual.

Die besten aber behalt ich für mich.

Dies ist die Krone der Heerde sicherlich.

Weh mir, weh mir, vier Stück! Fürwahr,

Kein bessres wuchs mir auf dies Jahr.

Im Frühjahr streut" ich schöne Saat,

Doch als ich kam zu Schnitt und Mäht,

Hatte Dornen und Disteln mein Feld vollauf.

Und von Ertrag; stand weni^ drauf.

Vier Schaafe, vier; fünf sind es nun,

Himmel, das lässt mich nimmer ruhn!

Fünf und sechs, und nun sind's sieben,

Aber dies sei mein geblieben!

Von diesen vieren, so lange ich kann,

Geb ich keins zum Opfer dran !

Sieben, sieben, nun sind's acht Abel. Bruder, Du bist nicht auf Gott bedacht! Kain. Hab' ich das gesagt denn je?

Mein Gut zu verschleudern, o weh !

Hätt' ich Ihm dies aber als Zehnt gegeben.

Sagtest Du, Er wäre günstig meinem Leben. Doch ich denke, bei meinem Blute, Nicht leicht mich zu trennen von meinem Gute. Weh, acht, acht und neun, und das macht zehn, Nun, dies mag noch am ehsten gehn. Abel. Kain, opfre richtig, Stück um Stück! Kain. Weh, diese sechszehn kommen nie zurück! Abel. Kain, Du opferst falsch und bringst vom Schlechten! Kain. Ach komm und halte mir die Augen zu !

Nun o;eht mir's nicht gut in Tao;en und Nächten!

Lasst mich's noch mal mit halbem Auge schaun.

Da werd ich nichts Uebles begehen, traun!

-IG Der Tod des Abel.

Lasst sehn mich, wie die Sache steht.

Wie mir das Opfer so herrHch gerüth! Abel. Du hast, Kain, keine Ehrfurclit vor Gott ! Kain. Der hat nun mehr der Teufel schlage mich todt

Soviel als ein ganz Bund, mehr als genung,

Und schafft Ihm keine Theuerung.

Das Schaaf und dies und jenes Thier,

Die kommen wahrlich theuer mir.

Und eh ich sie schor und zu Stalle gebracht,

Hat's manchen müden Rücken mir gemacht. Drum schweig und laas Dein Widerstreben, Denn was ich will, das hab ich gegeben!

Abel, Kain, ich rathe, zehnte, wie sich's gebührt, Aus Furcht vor Ihm, der die Himmel führt!

Kain. Ich opfre, wie ich will, lass mich in Ruh! Opfre Dein räudig Vieh Du immerzu, Doch giebst auf meinen Zehnten Du weiter Acht, Hat's bald Dich in's Unglück gebracht ; Du wolltest, ich gäbe Ihm dies und das. Doch keina von den beiden ich lass. Nimm die nun, zwei hat er dann, Und damit ist es abgethan ! Auch das mir fast das Herz zerreisst, Gleichviel, ob Er's gut, ob Er's nicht gut heisst!

Abel. Kain, spende Dein Opfer allhier,

Dass Gott Da machest zum Freunde Dir.

Kain. Zum Freund? Ja, wenn Er mag!

Ich schafft' Ihm nie 'nen bösen Tag! Und wenn auch nicht mein Feind Er war'. Braucht ich Ihm nicht zu geben mehr. Aendre Dein Herz, wie ich das meine. Opferst Du nicht die schlechtesten Schweine?

Abel. Wenn recht Du zehntest, findest es Du.

Kain. Lass mich, zum Teufel, in Ruh!

Den Teufel geh und häng Dich auf. Wenn Du mich störst in meinem Lauf.

Der Tod des Abel. 47

Kannst Du den Mund nicht halten,

Mich selber lassen schalten?

Und zehnte ich gute oder böse Gaben,

Daran brauchst Du kein Theil zu haben.

Doch da Dein Opfer Du nun gethan,

Zünd ich jetzt auch das meine an.

Wie, was? Hilf mir und blase auch!

Das will nicht brennen, kommt nur Rauch.

Wie blies ich schon, und keine Flammen kamen,

Nun brenne, in des Teufels Namen.

Was für ein Höllenteufel da sich rührt,

Jetzt hat's mir fast den Athem eingeschnürt.

Hätt' ich geblasen noch einen Zug,

War' ich erstickt und hätte genug:.

Das stank wie der Teufel in der Hölle,

Nein, nein, ich gehe gleich auf der Stelle.

Abel. Kain, Du hast um nichts viel Worte gemacht. Es wird schon brennen, gieb Acht !

Kain. Lass mich in Ruh, beim Element,

Siehst Du nicht, wie es immer schlechter brennt? Ich wollt', dass es in Deinem Halse wäre, Feuer und Schaafe und das ganze Gescheere.

Deus. Kain, was bist Du so Rebell Gegen Deinen Bruder Abel? Musöt zürnen nicht noch schelten, Zehntest Du recht, so will ich's vergelten, Zehntest Du falsch, das will ich Dir sagen, Dann wird nichts Gutes Dir's eintragen.

Kain. Wer, wer ist der Guck über'n Zaun?

Wer pfiff denn da so schwächlich? Traun, Lass gehen uns aus diesen Gaun,

Gott ist nicht bei Verstand. Komm mit, Abel, und lass uns gehn von hier, Gott ist mein Freund nicht, scheinet mir, So will ich denn fliehen über Ijand. Abel. O Kain, Bruder, das ist übel gethan.

■1« Der Tod des Abel.

Kaiii. jNIit nichten. Treten wir die Wandrung an. Und wenn ich kann, will dorthin ich geh.n, AVo Ich von Gott nicht bin gesehn.

Abel. Lieb Bruder, auf die Felder werde

Ich gehn, zu sehn nach unsrer Heerde, Ob nicht zu melken das Gethier.

Kain. Bleib, ich habe noch ein Wort mit Dir, Ein Wort, bevor Du gehst : Ha denke, wie Du mit mir stehst! Mit Dir hab ich noch einen bösen Strause, Und jetzt ist's Zeit, wir machen ihn aus.

Abel. Bruder, was bist Du so in Zorneswuth?

Kain. Was, Spitzbub, brannte Dein Opfer so gut? Das meine thät nur schweelen. Als wollt' es zuschnüren die Kehlen.

Abel. Ich meine, dass es Gottes Wille war, Dass meines brannte hell und klar. Wenn Deines rauchte, ist es mein Vergehn?

Kain. Du sollst's bereuen, das wirst Du sehn !

Ich höre nicht auf, eh mit zerbrochnem Gebein Ich trenne Dich von dem Leben Dein. Da lieg, und nimm den Eest dazu, So ziemt's für Burschen sich wie Du.

Abel. Rache, Rache, höre mich, o Gott,

Schuldlos schlug mich der Mörder todt!

Kain. Ja, lieg da, Verdammter, und klage Deine Noth. Denkt Einer von Euch, ich that nicht recht. Dann will ich's bessern, und nicht schlecht, Dass alle Menschen können sehn. Was mir dünket gerecht ; Viel schlimmer noch soll es ergehn. Doch jetzt, da er zu Schlafe ist gebracht, Hätt ich mich gern in jenes Loch gemacht; Ich fürchte, ich kann nicht Antwort geben,

Der Tod des Abel. 49

Und fasst man mich, so geht's mir ans Leben.

Hier will ich liegen vierzig Tage!

Fluch ihm, der auf mich zu stören wagel

Deus. Kain ! Kain!

Kain. Wer ist's, wer rufet mir?

Kannst Du nicht sehen, ich bin hier.

Deus. Kain, wo ist Dein Bruder Abel?

Kain. Was fragst Du mich? Ich glaub', in der Höll! In der Hölle, glaub' ich, er ist. Sehe zu, wer dort ist zu dieser Frist. Er müsste denn schlafen eben. Wann hatt ich zu hüten sein Leben?

Deus. Kain, Du warst in Wahnes Grimme, Und Deines Bruders Blutes Stimme, Den Du erschlugst mit argen Sinnen, Schreit Rache bis zu des Himmels Zinnen. Und weil Du getödtet den Bruder Dein, Sollst von mir Du verfluchet sein!

Kain. Für Dich behalte Deinen Fluch, Ich habe ohne das genug! Da meine Sünde so furchtbar ist, Dass nimmer Du mir gnädig bist. Und es um Deine Gnade mir geschehn, Sollst Du mich nimmer wieder sehn.

Und wo mich Jemand finden mag.

Erschlag er mich denselben Tag ; Wo Einer meine Spur mag gewinnen. Sei es nun draussen oder drinnen,

Der soll mich unverzagt begraben,

Wo die Geier krächzen und die Raben. Denn kann ich von hier erst unbehelligt wandern, irag ich den Kuckuck nach allen Andern!

Deus. Nein, Kain, mein Wille das nicht erträgt.

Ich will, dass Keiner den Andern erschlägt ;

Archiv f. n. Sprachen. LIY. 4

[,0 Der Tod iles Abel.

Denn wer da tödtet jung oder alt, Der sei gestrafet siebenfalt.

Kain. Gemacli, ich vvusste, dass die Hölle Wird meines Bleibens Stelle, 's ist kein Gewinn, um Gnade flehen, Drum soll es lieber nicht geschehen. Doch diesen Leib verberg ich fein, Dass Keiner hier sich ungelegen nahtl „Flieh, falscher Schurke", würd er schrei'n. Und meinen, ich hätte begangen die That. Wenn Scheuerndieb, mein Knecht, nur käme, Dass ich mit ihm die Leiche nähme. He, Scheuerndieb, Taugnichts, he, Scheuerndieb, he!

Knecht. Herre, Herre !

Kain. Hörst Du, Bursch, da hast 'nen Pudding in den Topf^ Und das und noch Eins an den Kopf!

Knecht. Ich fluchte Dir den Schädel unterm Hut,

Wärst Du mein Herr von Fleisch und Blut! Den ganzen Tag bin ich in Lauf und Muss, Und halte Deinen Prügeln Stand Und bin der Schemel unter Deinem Fuss.

Kain. Still, Mann, ich übte nur meine Hand!

Doch höre, Bursch, was ich Dir sagen mag. Meinen Bruder erschluo- ich diesen Tag. Ich bitt Dich, guter Bursch, thu was ich sag. Enteil mit mir von diesem Ort.

Knecht. Fort mit Dir, Dieb,

Begingst Du Brudermord?

Kain. Um Gotteswillen, Mann, massige Dein Wort, Ich sagt' es nur zum Spass!

Knecht. Aus Furcht vor Strafe sagst Du das ! Hier werd ich Dich verlassen, Mir grauet vor der Strafe Mass, Und der Büttel wird uns fassen.

Der Tod des Abel. 51

Kain. Ach, Herr, hör auf, ich fleh Dich an.

Und ich erkläre Dich zum freien Mann.

Knecht. Willst Du zu schweigen mich flehn, sag an, Durch's ganze Land?

Kain. Das will bei Gott ich schwören!

Knecht. Wird nichts Dich darin stören?

Kain. Steh auf, mein Guter, hören

Wolle mich, und Alle beschwören.

Zu schweigen. Wer nach mir thut desgleichen,

Den soll nie Ruh und Rast erreichen,

Doch Du musst mein guter Bursche sein,

Und wehe, wehe, wehe schrein !

(Knecht. Heisse Flüche auf den Schädel Dein!) Kain. In des Königs Namen befehl ich Ruh ! (Knecht. Und in des bösen Kain's Namen dazu!) Kain. Dass Niemand falle was Böses ein ! (Knecht. Ja, kalt mag meines Herrn Schüssel sein !) Kain. Weder bei ihm noch bei seinem Knecht ! (Knecht. Ich glaub, mein Herr ist bei Verstand nicht recht !) Kain. Denn sie sind treu o-ar mannig-falt! (Knecht. Mein Herr speist die Brühe nur kalt!) Kain. Der König schreibet euch inzwischen (Kneclit. Hab nie S})eis^e genug auf meinen Tischen!) Kain. Der König will sie begnadigt haben ! (Knecht. Ja, meine Kehle möchte sich am Trinken laben!) Kain. Sie mögen sieh, wohin sie wollen, wenden! (Knecht. Mein Magen wartet längst auf neue Spenden!) Kain. Seht, dass Keiner zu ihnen red' ein Wort! (Knecht. Das iht der Mann, der beging Brudermord!) Kain. Heiss Jedermann sie grÜ8sen ehrfurchtsvoll! (Knecht. Ja, schwenk den Eimer, so siehst du, wessen er voll!) Kain. Heiss Jedermann mit ihnen freundlich sein ! (Knecht. Ja, miss Don, deinem Gaul, das Heu nur ein!) Kain. Nun kon)m herab, zwanzig Teufel schlagen drein! Der Teufel soll Dich holen,

•1 *

1^2 r)cr Tod des Abel.

\Vär's nicht um Abel meinen Bruder, Ich hlilf Dir anders auf die Sohlen !

Knec'iit. ISun, Alt und Jung, eh dass ihr geht,

Mögt ihr denselben Segen, früh und spät. Und allesamrat empfangen haben. Den Gott im Himmel meinem Herrn aeo-eben. Nutzet ihn wohl, so lang ihr noch am Leben! Er spendet reich des Segens Gaben 1

Kain. Komm herab, beim Teufel, Mann, Und ärgere mich nicht mehre, Und nimm den Pflug, wohlan Und geh voran und eil Dich sehre! Und ich will, wenn ich kann, Dich weisen andre Lehre. Ich warn Dich, Bursch, hör' an. Nur einmal und nicht mehre. Bring nicht mich in Zorn und Feuer! Sonst häng, bei Gott, ich Dich an diesen Pflug Mit diesem Seil auf Einen Zug, Bei Ihm, der erkaufte mich theuer!

Nun, lebt mir wohl, ihr Leute,

Denn ich muss gehn von diesem Ort

Und bin des Teufels Beute

Und muss leibeigen ihm dienen fort und fort.

Da, wo noch Keiner sich freute,

Und Satan ist mein Hort.

Verflucht sei, wie gestern so heute,

Wer mich dahin gesandt mit hartem Wort Zu dieser Stunden.

Lebt wohl, dahin ich eile,

Wo nie, zu keiner Weile, Ich jemals werd' gefunden.

F i n i s.

Der Toil des Abel.

f)3

A n h a n er.

1 ) Im Ostei'ispiel ist der Knecht (servus) Rubin ein dem altengliscben verwandter Schalk; er preist sich dem Kaufmann au:

Herre, wie dunket euch umbe mich ?

Ich bin jung und hofelich.

Jch kan den alten weihen

Die beutel abesneiden;

Auch kann ich stelen und gar wol verslan,

Und bin doch nie zu der stäupe gehaii.

Aber in Beierlant

Da wart ich durch die backen gebrant:

Wer ich nicht entgangen,

Man hette raich vor war gehangen.

Medicus dicit : Nu sage, lieber Rubein, Was ist das Ion Dein?

Rubeln. Herre, mein Ion ist gar stark:

Ein pfunt pulze (Pilze) und ein gebraten quark

(Käse).

Medicus dicit : Rubeln, ich wil Dir den quark geben, Dass Du das jar musst überleben, Und auch ein fladen darzu, Den da machet die ku: Das ist ein grosses Ion zwar, Das ich Dir gebe zuvor.

Rubeln. Herre, in euerem Dienst will ich leben ;

Und das Pete pflegen. (Dazwischen die 3 h. Frauen.)

Med. ruft: Rubeln, Rubeln, Rubeln!

Rubeln. ^VsiS weit ihr, herre meister mein ?

Merc. Rubein, wo bist Du so lange gewest?

Du tust meine Dienste nicht recht: Du sollest liie keufen und verkeufen.

54 r)or Tod des Abel.

Danuif prügelt flor Meroator-Mediciis sein Weih, dann aber glaubt er sich fortmachen zu müssen und sagt zum Knecht:

Wol hin mit den pulvern :

Ich kann allhier nicht mehr bleiben.

Hebe uf korb und stab,

Und laufe wir gein Arras,

Und mache wir uns aus dem lande:

Anders wir mochten werden zu schänden.

Riibein. Herre, ich lege ein alzuhant,

Und laufe mit euch in fremde lant.

2) «Hott, Bless! Joho! Kannst du nicht ziehen, Scheck? Dass dich die Kränke! Hüohoh! Hott, Bless!"

Lope de Vega, König ^Yamba, (nach Rapp's Uebers. S. 43). (cf. Kain am Pfluge, Scene 1, Z. 1 3.)

Die sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache

von

C. Schulze.

C. reimlose formein.

macht 1. rat, Marienl, 107. 13. macht u. sinne, sinne u. m. Haupt z. », 437 (1230). solch stärk u. s. macht, fastnsp. 732, 32. mäht u. Weisheit, wish. u. m. Wernh. v. N. 1, 6. macht u. wile, uuillo unde m. Boeth. Hattem. II, 165. an zal u. macht, Horeck 67b. sipp u. magschaft, Suchenvv. 29, 105, m. u. s. 107. äne mal u. ä. schranz, Marl. 270d. mal u. rost, äne r. u. \ mallen, Ruol. 205, 9. mal u. schart e. man u. ors, Frauends. 84, 24. man u. pfert, livl. kr. 11354. man u. res, tunc equi; et dominus horä cecidere, Walthar. 665. kai?er- kron. 38, 16. Hagkrön. 1024. Fribg. 1754. U m k h g. Hattem. III, 482. sweder r. u. n. Iwein 1085. Lanzel. 3397. Karl 85 b. Hag. krön. 1056. 1067. ros beidiu u. m. K. troj. 12274. Fribg. 1754. 2240. 6250. altd. b«p. 9, 75. Suchenw. 28, 90. man u. wip, Haupt z. 1, 184. 8 weder m. noch w. Walther III, 81, 31. an mannen u. a. wlben, j^sion. III, 191, 2. Marienl. (beide) 63, 5. der erste orden s. ra. u. w. ')end. 119, 19. Umkhg. wol richtiger wegen des ablautes. Dicmer 23, 25. u. ö. Haupt z. 1, 279. Vrid. 11, 25. Wernh. Mar. 144. beidi.w. act. avent. krön. 21778 (noch 4 m.) pas- sion. I, 217, 3 u. ö. mn n. wirt, ze wirte u. z. manne, scliwanr.

5G Die sprichwbrtliolicn Fornioln der deutschen Sprache.

1163. nianheit u. pris, pris n. m. Wilh. 40 u. 75. manheit u. Site, von siten u. v. in, Lanzel. 1321. manheit u. sinne. Haupt z. 2, 428 (]230). ni. u. ellentrichen s. K. troj. 13304. sinne u. m. "Willi. 80. manheit u. witze, Berthold 296. lieders. 180, 223. .... llelmbr. 69. Umkhg. Walther I, 13, 6. martei u. not, Diomcr 307, 22. 370, 17. Mart. 54c. marter u. pin, Schade g. ged. 9, 602. martilie u. pin, ebend. 1035. masen u. schimel, Mart. 140. mass u. gewicht, ir siilt haben rehte wage, r. masse u. r. g. Berthold 44. mass u. wage, Muscat. 62, 79. wise u. mate, Schönem, niederd. schausp. 816. mass u. zahl, omnia in numero et mensiira et pondere posnit, Roswith. 60. äne m. u^ ä. zellen, Mart. 249. an mazze, an wage, an zäl, Trimb. 22215. Ambras, lied. 225, 1. diut. 11, 158. fastnsp. I, 132, 18. Adeluig 11, 51. Körner volksl. 68. Umkhg. Suso leb. 14. 24. mass ii. ziel, Folz 1249. Wernh. Mar. altd. I, 385. Körner volksl. 1.7. Altsw. I, 3, 27. II, 47, 11. IVa, 124, 8. Umkhg. kein z. mch m. Folz I2l0. 1299. zuht u. masse, Trimb. 5513. raaueru. wand, narrschf. 258, 80. maul u. nase aufsperren, volksm mein u. Sünde, von Sünden u. v. meine, Pantal. 2029. wandeln, mein, K. troj. 1259. wandeis u. meines vri , 1334. will i. meinung, berner krön. 112. meister u. wirt. staub u. mein} Suchenw. 8, 160. mete u. win, Laurin 25. 30. wälsch. gst. 4290 Vrid. 95, 2. 5. Wigam. 4296. alder mete u. klarer w. Georg 190*. altd. beisp. 8, 19. Umkhg. altd. bl. I. pf^iffenleb. 98. Grafl' I, :i6. 357. w. u. m. beide, livl. kr. 4427. 8910. Anrhg. lutertranc, ret u. w. Lanzel. 8603. misse u. sahnen, Ruol. 303, 22. schud u. missetät, Suchenw. 39, 169. hartebok 7, 265b. fastnsp. 98, 7. sünde u. missetät. Schade g. ged. 7, 11. Umk. 9, 488.324. 992. mittel u. wage, volksm. Neocor. I, 100. 448. 552. Fchenloer II, 239. voghet u. mombair (= muntbore =1 vormund Vorsteher), Grimm RA. 14. Haltaus 1473. weder mond noc sonne zu sehen bekommen, volksm. Suso leb. 38. mord u. schlagschlagfluss), Frisch- bier, hexenspruch 86. 87. mord u. todschla^ holst, krön. (Staph. 126, 23). Umkhg. Ruff, Adam 5218. mösustein, über st. u. u. m. K. troj. 11936. mund u. nase, ring 35b5. zwischen mund u. suppe ist ein alt sprichwoit, Esopus (135) 153b. mund u. werk. Free 4652. mund u. zunge, Umk^- z. u. m. Ruol. 55, 5. Suchenw. 7, 12. Karl 24b. müh u. not, Qthe, erlkönig. müsse

Die sprichwörtlichen Forniclii der deutschen Sprache. 57

II. ruhe, ruowe u. m. pflac, Rud. weltkr. II, 252. muot u. rede, Engelh. 3301. Umkhg. Engelh. 3299. 366. beide ir r. u. i. m. gute frau 2585. sele u. muot er heilet, Mart. 283b. muot u. sin, Gottfr. lobges. 87, 14. Liohtenst. 270, 32. 497, 32. avent. krön. 15551. passion. III, 27, 73. Engelh. l065. 1182. Fribg. 267.2743. 3878. Mart. 170c. Umkhg. wälsch. gst. 101. 5781. passion. I, 277, G9. Sinnes u. muotos, Helblg. II, 887. VIII, 1017. stolzer sinne u. hohes m. K. troj. 13915. lieders. 45, 316. Suchenw. 3, 20. 7, 15. ]7, 13. 47, 64. Anrhg. min dank, m. s. u. m. m. Mone IV, 314 fF. (1200) lip s. u. m. avent. krön. 19084 = gesanitab. 16, 1. sin wille, s. u. al s. muot, Fribg. 745. witze, m. u. s. Suchenw. 47, 117. muot u. wille, Karl 79a. avent, krön. 25906. Frauendst. 129, 28. Laber, anhg. 162, 6. öfter u. richtiger in der umkehrung: Umkhg. arm. Heinr. 891. biichl. I, 1474. Iwein 5603. 6351. Gregor 1329. beide den w. u. ect. wälsch. gst. 14324. Haupt z. 2, 405. 411. avent. krön. 28933. passion. I, 208, 34. 216, 61 n. ö. willen u. rauotes gir K. troj. 15272. schwanr. 761. Laber, anhg. 157, 7. Frauendst. 129, 2. diut. I, 352.

*nacht u. tag, Ruol. 242, 25. Diemer 85, 22. 306, 13. Luar. 1518. Parton. 44, 18 u. ö. Lanzel. 5075. 8368. Hartm. biichl. I, 854. II, 60. Gandersh. krön. 8, 5. Viid. 83, 22. 154, 15. Karl 5a. (5 inal). Lichtenst. 641, 32. weltkron. I, 137. 233. Phil. Marienleb. 2778. Berthold 82. sassenkr. 18. Frauendst. 8, 3. livl. kr. 2684 (noch 4 m.). Weberschi. 288. Umkhg. dages endi nahtes, Heljd. 15, 20 u. ö. baidiu t. u. n. kaiserkrön. 276, 18. 435, 22. Oswald 538 u. ö. Haupt z. 1, 277 (1190). niederd. Flos 219. bihte 64 (Grimm Reinh.) livl. kr. 5276 (noch 3 m.). Anrhg. t. u. n. spat u. vruo, Heinr. d. Löwe 42, 5. raub u. nähme, Grimm RA 14. nahrung u. speise, der spise u. d. lipnär, avent. krön. 5611. änesnitu. ä. nat, Martina 20b, 29. 27, 26. namen u. preis, wälsch. gst. 11391. ir n. u. i. hohen p. K. troj. 345. nämen u. tat, mit der dat u. m. d. n. Wernh. v. N. 52, 7. narr u. thor, narrschf. 296. nat- tern u. schlangen, Museum II, 55 (200). sin nature u.s. wise, Wernh. M. 152. nebel, staub u. rauch, Rauch III, 315, neid u. zorn, Trimb. 4411. 6320. not u. vreise, schwanr. 38. not u. pin, Pantal. 1176. not u. plag, Schade g. ged. 9, 550. not u. quäle, Mart. 57 b. fastnsp. 951, 31. reue u. not, Namelos 250a.

üS Die sprichwörtlichen Formehi der Jeutschen Sprache

schade u. not, Suchcnw. 10, 126. not u. schände, in nöten u. grozzen schänden, Wernh. Mar. 170. Umkhg. Col. cod. 11, 131. Hehiibr. 1G94. not u. schmerzen, Enenkel, Friedr. 344. (Haupt z. 5.) not u. herzens swere, Snchenw. 23, 14. Adelung II, 3, 122. not u. sorge, Umkhg. Nibelg. 7459. Schade g. ged. 4, 214. Ungemach u. not, passion. III, 292, 21. not u. un gemach, Hartm. büchl. I, 871. avent. krön. 16228. passion. III. 236, 77. 650, 68. Otn. 1583. Umkhg. passion. III, 181, 32. 461, 56. Erec 4272. not u, wuoft, Ruol. 174, 11. nutz u. saelde, ze saelden u. z. n. Berthold 292.

ors u. Hute, von orssen u. v. 1. Titur. 4094. 4136 u. ö. die ross u. ouch d. 1. ebend. 5997. ors u. pert, o. inde p. Hag. krön. 4926. 5055. 5397. 5421. ort u. stelle, ort u. zil miner rede, sassenkr. 157. otter u. schlänge, Frischbier, hexenspruch 88, 89.

ein pat u. Steg, Theophil. II, 690. sträze u. pfäde, Mart. 151. pauken u. trompeten, pech u. Schwefel, mit p. ect. Die- mer 289, 24. kaiserkrön. 297, 23. 291, 23. Servat. 3494. fundgr. I, 202, 11 u. 32. K. troj. 8150. Umkhg. daz sw. u. der bech ftf dinen halz müzze rinnen, schwabensp. 263. Servat. 3475. K. troj. 9661. fastnsp. 937, 32. Anrhg. sw. p. u. fewer, Suchenw. 9, 154. sw. f. u. p. 10, 115. pein u. quäl, Schade g. ged. 6, 96. ir quale u. i. gröze pin, Mone schausp. I, 213. pein u. reue, Schade g. ged. 5, 22. rue i. p. liden, Marien!. 37, 26. ist mir allez kumen zu pinen u. z. r. Haupt z. 1, 34 (1200). schade u. pein, Mencke I, 613. pein u. schmerz, Schade g. ged. 105, 37. 4, 429. 6, 4. Umkhg. altd. bl. I, 387. pein u. schuld, Vergebung von p. u. schulden, Mencke scriptt. II, 2104 u. ö. pein u. sorge, von sorgen u. v. pine, Pantal. 1449. straf u. pein, fastnsp. I, 175, 18. pin u. swaere, sw. u, kumberliche pin dulden, K. troj. 9706. ungemach u. pine, ludus de X. virg. 18. 22. pfad u. weg, avent. krön. 11370. wek noch phat, kaiserkron. 521, 12. pfeffern, salz, weder pf. noch s. Iwein 3278. Trimb. 887. mit pfeiffen u. m. trummen, Kör- ner volksl. 174. wägen u. pfert, livl. kr. 3402. 10725. pferd u. ross, unde gift mir ros u. perit, fundgr. I, 239. mit pfeilen u. m. steinen, Suchenw. 10, 151. Umkhg. 13, 105. 16, 64. pfeil u, sträl, livl. kr. 1706. mit strälen u. m. pilen, Georg 5642. an

Die sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache. 59

zit u. Pfennigen, Schilling eidg. krön. 45. pflege u. zins, in der i'echtssprache des niittelalters „zins u. pflege" (= abgaben n. Ver- waltung eines gutes). Im Sachsenspiegel handeln folgende abschnitte hierüber: II, 58, 2, wann sind z. u. pfl. fällig. III, 77: austhnn eines besäten landes an z. u. pfl. auf gewisse jähre. III, 76 § 3 5: in- wiefern nimt der mann z. u. pfl. wegen des gutes seiner verstorbenen frau. pflicht u. Schuldigkeit, es ist deine verfluchte pfl. u. seh. volksm. (auch adjectivisch). pflüg u. wagen, Helmbr. 1157. das ist sein w. u. pfl., volksm. = seine lieblingsbeschäftigung. straf noch plag, bergreien 103, 6. plan u. wazzer, beide üf w. u. ü. p. Georg 2358. rum u. platz hebben, Neocor. I, 270. porten u. tör, altd. w. II, 70. pris u. ruom, avent. krön. 2676. altd. bl. II, 221. pris u. saelde, saelde u. pr. Lanzel. 8439. pris u. werde- keit, Fribg. 3724. avent. krön. 4942. sunder wirdi u. äne pris, K. troj. 8264. 1071. wirdi u. pr. K. troj. 9702. pris u. wert, glichen w. u. gl. pr. avent. krön. 4074. wiide u. preis, altd. w. 11, 135 (147). p. u. w. Suchenw. 32, 15. puff noch stich, es hält doch die lenge weder p. n. st. Mencke Script, ver. II, 2138. (vgl. hieb u. stich, stoss n. schlag.) pul ver u. staub, ze polvir u. z. stoubin, Mart. 86 b.

rang u. titel. ze rät u. schirm, ring 41 d. 1. rät u. sin, Laurin 38. Umkhg. Suchenw. 41, 84. rät u. Stadt, chron. lune- burg s. 192. rät u. trost, Umkhg. passion. III, 101, 10. mit tröste u. m. r. III, 228, 61. äne tr. ect. buch d. rüg. 261. K. troj. 8040. 11510. Mart. 184. Amur 2033. ungen. rock 693. 1890. rät u. weg, manige wege u. m. r. passion. III. 643, 18. rat u. Weis- heit, it is wisheit, it is r. Marienl. 93, 37. rät u. weis tum, beide wist. u. r. Ruol. 36, 1. rät u. werk, mit werken u. m. r. Amis 1324. = Mart. I94d. rät u. wille, Horneck 39b, Neocor. I, 150. Eschenloer II, 231. Umkhg. Strickers klage, ez ist min w. u. ouch m. r. wälsch. gst. 2756 (noch 10 m.) Horneck 35a. Heinr. d. Löwe (1474) 24, 4. Anrhg. mit rade, w. u. vulborde (a. 1322) mit w. r. u. gunst (a. 1350) Grimm RA. 16. mit rät u. wissen, deutsch, ord. stat. s. 124. 125. Umkhg. s. Il9 u. ö. recht u. urtheil, mit urt. u. m. r. kaiserkrön. 303, 3. ordel u. r. Schade g. ged. 9, 449. wandel u. rect, fastnsp. 785, 14. recht u. wärheit, mit r. u. m. w. Stricker (Keinh. 1493). recht u. wille, Umkhg. min

CO Die 5i|)ric!i\vörl!i(."lieii Foimc!n der doutsclien Spraclic.

w. u. 111. r, Iwein 7532. Col. cod. 10, 377. rede ii. werk, mit r. II. m. wölken, lehcnrcelitb. 153a. Laber 333, 4. Umkhg. Haupt z. 1, 36 (1200). rede u. wort, Herb. troj. 7331. 12473. lialbe r., h. w. 10G28. weder r. noch w. Alexiiis A. 917. in sclince u. i. regen, stif't. fehde (s. 2G0b). regen u. wind, r. u. w. sprak het odt'lc vogelaers kynt. Mono anz. 5. Umkhg. Vrid. 76, 11. Erec 7248. mecklbg. reinikr. s. 754. reich tum v. Schönheit, kos schone u. riclieit, Crane 4, 327. in sänge ende i. rime, Martijn 444. reue II. schmerz, gedenke an die riiiwe u. a. den smerzen, Marienleb. 7259. riegel u. schloss, f fastnsp. I, 340, 32. bergreien 14, 3. ver- schliessen u. veniegehi s. A. b. riegel u. tör öffnen, Jac. Grimm. Umkhg. Belial 9b. rigel u. tür si gewannen, Körner volksl. 17. rotz n. Wasser weinen, (roz v. riezeu =in weinen, thränen vergiessen.) rüben u. sack verlorn. Reinh. betevart 31. ane stur u. ane rü- der, passion. IH, 333, 98. rühm u. schall, passion. III, 72, 22. livl. kr. 1807. rüner u. warne r, Mörin.

saelde u. werdikeit, K. troj. 15214. mit rechter sal u. urteil (sal = feierliche Übergabe) Heum. opusc. 290. sand u. wind, die Schöffen der h. vehme mussten schwören, die losung u. die heimlichkeiten des gerichts zu bewahren vor weib u. kind , vor sand u. wind (= nicht zu schreiben, nicht zu sprechen), schaden n. un- ere, Helmbr. 1585. Unglück u. schade, Pusilj. 222. schaden u. ungemach, Laurin 40. Konr. Alexdr. 815. Martina 26, 22. Horneck 200a. Umkhg. passion. IH, 154, 60. schaden u. un- gewin, Martina 13b. 46. schäm u. zuht, avent. krön. 3436. Umkhg. Ruol. 122, 2. Walther III, 81, 12. Suchenw. 38, 91. schände u. unere, Justing. krön. 224. schände u. ungemach, passion. I, 217, 91. sieb. mstr. 120,21. 124, 23. schild u. wehr, Martina 16b. 37. schimpf u. fagalt, in seh. u. i. t. avent. krön. 4361. schmerz u. unfreud, unfr. u. sm., weinschwelg 234. schoss u. zise, Umkhg. {= accise u. schoss) Clausbaur 768. Schub u. tag geben (aufschub) Grimm RA. 14. schuzz u. wurff, Suchenw. 18, 207. U m k. 16, 153. seele u. treue, auf sein s. u. auf s. t. Horneck 90b. Nithart 18, 2. meiner seelentreue! eidesforrael, volksm. trost u. Seligkeit, Schade g. ged. 4, 205. Sicherheit u. treue, Umkhg. mit triuwen u. ra. s. Lanzel. 6807. sinn u. Vernunft, Mart. 91, 1. sinn u. wän, nach minem s. u. m. w.

Die ^^pric'hwörtli('hen Fornu'hi der denfsclien Spi;ic!ic. el

wälsch gst. 8471. 9870. 13554. sinn u. Weisheit, Umkhg. wis. lieit u. s. Haupt z. 1, 400 (1200). Wilh. d. h. 17. sinn u. will e, Umkhg. sin w. u. s. s. Laiirin 12. passion. I, 209, 69. K. troj. 2746. Fribg. 451. ein sin, e. w. lieders, 118, 15. beide witze u. sinn benlint armuot, Spervog. 10. Docen II, 174. sinn u. witze, mit sinnen u. m. witzen, Wernh. v. N. 51, 22. Gottfr. lobges. 4, 8. darlo kerden se s. u. wilto, holst, krön. (Sta[)h. 120) Herb. Iroj. 2961. Fribg. 5712. Ilätzl. I57a. u. b., u. ö. Umkhg. Alphart 98, 3. Karl 77a. Herb. troj. 10869. 16897. Mart. 163 c. Horneck 22 a. 66a. beide w. u. s. Beamunt 1590. upstandg. 929. sinn u. v.eise Avort, Suchenw. 10, 240. 40, 902. Umkhg, an worten u. a. sinnen, K. troj. 2113. altd. w. II, 135 (75). sitte u. tat der beiden, livl. kr. 4380. sitt u. wonnng, Neocor. I, 9. spise u. tranc, passion. I, 166, 79. Karlmein. 69. Pusilj. 22]. 224. Wiggert scherfl. II, 3, 51. Umkhg. mit tränke ii. an sp. passion. I, 47, 65. Ernst 1889. Anrhg. mit sp. u. tr. u. futter, Rozwit. s. 160. spise u. wat, lieders. 208, 122. Umkh g. diut. I, 447. spise u. win, sassenkr. 196. spil n. tanz ist vorbei, volksm. Umkhg. beide mit t. n. m. sp. Karl 46b. staete u. treue, triwe u. st. Hartm. biichl. II, 792. Gregor 3742. mit treue u. m. staetikeit, Docen II, 173. 177. 188. statt u. zeit, Suso ew. weish. 9. Umkhg. Hattem. III, 399. durch ztt noch d. st. passion. III, 202, 19. Fraueulob 100, 1. de stat unde der tyd zyl, sassenkr. 24. Ulensp. 43. N. berl. jahrb. IV, 126. deutsch, ord. stat. s. 92. Suso leb. 16, 57. Gerstenbg. krön. 175. Anrhg. up watt stede, tide u. gelegenheit, Neocor. I, 458. trost u. stecken, Mart. 217c. mit wette u. auch m. steure, Trimb. 671. über züne u. Stege, Mart. 126d. steig u. weg, s. B, steg. stein u. wald, walt u. siaine, kaiserkron. 53, 17. 77, 7. stig s. B, steg. Strasse u. weg, uf miner st. u. ü. m. w. Lichtenst. 392, 26. uf strazzen u. ü, w. Lohgr. 157, 19. Mart. 183c. 274c. Suchenw. 29,39. Umkhg. ze wege u. z. str. Mart. 141. 224, 14. 241. 274c. Horneck 128a. u. ö. berner krön, 114. strit u. urliuge, Umkhg. kaiser- krön. 418, 15. 470, 14. stunde u. tag, weiss weder st. n. t. Uhland, volksl. T, 70. Umkhg. Scrvat. 3298. den t. u, der stunde nigt flöken, sassenkr. 299. Pusilj. 238. Closener strassb. krön. 107. mecklbg. reimkr. c. 21. tag, zeit u. st. Grimm RA. 15. stunde u. wile, Fribg. 1611. Suso ew. weish. diut. I, 378. Umkhg. kaiserkron. (7 mal), peidiu w. u. st. Diemer 345, 8. liuol, 190, 6. noch w, n. st.

02 Die sprichwöitlichcn Fornieln der deutschen Sprache.

Berthold 85. bi der w. u. b. d. st. Pantal. 2107. lange w. u. 1. st. Fribg. 2268. 3477. Karaj. C, 343. Anrhg. zit, w. u. st. Muscat. .')8, 08. stunde u. zit, Schade g. ged. 9, 70.5. fastnsp. 906, 28. Umkhg. gesamtab. 14, 538. 35, 53. Phil. Marienleb. 2550. pas- sion. III, 609, 86. K. troj. 16152. Mart. 46d. Tauler 131a. Dioclet. 2460. Uhland volksl. II, 356. Schade g. ged. 9, 645. Gerstenbg. krön. 169. fastnsp. 999, 14. mit suften u. m. zitier, Mart. 230b. sühne u. tag, ze suone noch z. t. Herbort troj. 5701. tag ist ein richterlicher terniin, wenn keine sühne stattgefunden hatte, äne sünde u. a. we , altd. bl. I, salve reg. 189. sünde u. ungern ach, altd. bl. II, 34.

freie wal u. tag, Teichner in fastnsp. s. 656, 27. tag u. weg, guten t. u. guten weg, volksm. tagu, wile, Umkhg. die w. u. der t. Georg 1135. d. w. u. die tage min, avent. krön. 28140. taf d. zil u. ü. d. tag, lieders. l48, 690. tag u. zit, alle tage u. n. 7.. Fribg. 1598 Martina 17c. 61 lieders. 42, 213. 174, 64. = diut. I, 488. köln. krön. 4311. Umkhg. avent. krön. 16716. alle z. u. a. t. Konr. Alexdr. 695. Klage 12. fastnsp. 83], 13. Heinr. d. Löwe 97, 1. tat u. werk, es beweiset w. u. t. Hätzl. 266b. tat u. wort, Umkhg. mit worden inde m. d. dat, Hag. krön. 2922. schwanr. 96. an w. u. a. getät, Docen II, 179. Wechsel u. tausch, Grimm RA. 14. äne ton u. ä. wort, Fribg. 2131. bitter tot u. we, Schade g. ged. 11, 665 u. 659. triwe u. wärheit (= auf- richtige gesinnung), da swuore du im tr. u. w. Berthold 81. swert er im tr. u. w. zu leisten, lehenrechtb. 153a. Karl 42a. H. litan. (fundgr. II, 234) Grafl. II, 292. hilufig bei Konr. v. Würzbg. im Engelhart: 115. 158. 5445. 6472. Gregor 2997. Walther 21, 23. schwäb. landr. I, 29. Helbling 9, 25. Trimb. 4482. trost u. volleist.

vor trouren u. vor. ungemüete ist nicht so guot, Walther I, 27, 34. (Ungunst) torn, Ungunst of oveler moit (a. 1456) Grimm RA. 16. (Unwillen) stöss, u. und zweiungen (a. 1378) Grimm RA. 16. Waffen u. zeter, Umkhg. mar. hiraelf. p. 115. zeter heute u. wafen, fundgr. II, 308. zeter heute u. immer wafen, ebend. 308. 312. bei der zäl u. b. d. wag, Horneck 21b. sunder zwivel inde wan, Karlmein. 547. alle zit u. a. wege, diut. I, 362. 365. Umkhg. ebend. 364. kaiserkrtm. 222, 16. wile u. zit,

Die sprichwörtliclien Formuln der deiitsclien Spiaclie. ü3

Folz 1250. Uhland volksl. 1,71. 153. ring 9c. 26. ]4d. 20. Suchenw. 11,91. Neooor. I, 10. 118. Umkhg. wird mii- lang, volksm. Grillen- vertr. 233. Massm. denkra. I, 124. der zit , der wile, der stunde, St. Ulrich 1554. Laber 436, 7. altd. bl. II, 344. vor maniger w. u. z. kön. Luci. tochter 471. Hätzl. 194a. 289b. fastnsp. 1051, 5. Anrhg. w. u. z. u. alle stunt, Suchenw. 11, 173. wise u. zit, altd. bl. IT, 35. vom wirbel bis zur zehe, volksm. wunder u. zeichen, Jerosch. 1, 163. Schade g. ged. 4, 501. Umkhg. Die- mer 342, 4. Jerosch. 1, 83. Schade 4, 516. 9, 416. 589. „wenn ihr nicht z. u. w. sehet ect." Luther, evangel. Matth.

b. V e r b a.

widerruft, vernicht u. abgetan (1471) Grimm RA. 19. starf u. aflivig ward (a. 1353) ebend. 15. abgeredt, geord- net u. beschlossen (1539) ebend. 18. (ächten) gerichtet, ge- achtet u. geschätzt, ebend. 18. (annehmen) kiesen, zolaissen u. ann. (1444), verkoert, ingeruraet u. angenom. ebend. 18. geant- wordet, upgelaten u. vertegen (1357) ebend. 19. erdacht u. angetragen, Justing. krön. s. 12 1. geben, ufflahen u. ver- zihen (a. 1368) ebend. er weit u. üzerkorn, K. troj. 11605. wisen, teilen u. uzsprechen (1462) ebend. 18.

helpen oder baten, Soest, fehd. s. 583, 678. beten u. ve- nien, er kan niewan venien u. b. Servat. 765. betirmen, be- wisen u. overgeven (1480) Grimm RA. 18. fäll en u. be trü- gen, Soest, fehd. s. 664. zeigen u. bewern, Horneck 78a. be- wären u. hüten, du solt ir h. u. b. Marienleb. 5332. beiluden u. bew. sassenkron. 2, 23. = K. troj. 13429 = Horneck 38b. flandr. reimk. 8713. soest. fehd. s. 702. (bieten) vertagt, verbot u. ver- sammelt (a. 1484) Grimm RA. 18. bouen u. stiften, st. u. biuwen, Engelh. 5222. zittern u. beben, volksm. Schade g. ged. 11, 637. beben u. wackeln, K. troj. 20574. verramen u. be- dingen (verram. = festsetzen) Grimm RA. 15 (a. 1498). bcviln u. betragen, Wernh. Mar. 96. beviln u. verdriezen, troj. kr. 15870. besigelt u. begraben. K. troj. 3245. gefallen u. be-

ü4 Die spiiclivvorllielien Formoln der ilcutsdien Sprache.

hagen, K. troj. 12699. beichten u. büssen, gebihten u. gebüezen, buch d. rüg. 53. Mii.'cat. 74, 66. beissen u, kratzen, Strick, bi-^p. 1. Uinkhg. der kratzet u. beiz, Iwein 6747. Vrid. 138, 16. beiten u. harren, Umkhg. fastnsp. I, 298, 11. ich harr noch peit, Hätzl. 233b. Ambras, b'ed. 193, 3. 203, 3. 249, 3. beiten u. verziehen, Suchenw. 27, 79. beiten u. warten, Engelh, 4941. gebiten n. gewartet, troj, kr. 8508. Ambras, lied. 73, 1. belegen, zent, verkundt, gepotten u. beleut, Grimm RA. 18. bergen n. he- len, MS. III, Reinmar 8, 4. treffen u. berüeren, troj. k. 6980. krümmen u. biegen, narrschf. 267, 6. bescheiden machen, b. u. geben (1350) Grimm RA. 18. besetzen, gestift, besetzt u. ver- bunden (1 355) ebend. besitzen , herbracht, besessen u. ingehat (1425) ebend. beschirmen u. vristen, K. troj. 12657. verborgen u. beschlossen , Mart. 206d. besitzen noch ge winn en , lieders. 178, 17. bessern, mergeln, düngen u. b. (1377) ebend. bessern u. rumen, lieders. 202, 365. bestätigen, gegeben, verwillet u. best. (1482) ebend. bestellen, setzen, machen u. b. ebend. mer- ken u. betrachten, narrschf. 180. bilden u. formen, Jerosch. 1, 33. binden u. fangen, beide vahin inde binden. Karlmein. 406. vienc u. bant, Iwein 1538. gebunden u. gef. K. troj. 14G53. gefangen n. g. schwanr. 471 (vgl. Edda, Fafnir str. 7 u. 8). binden u. fassen, gevazzet u. gebunden, troj. kr. 7478. lösen u. binden, Suchenw. 35, 40. binden u. stricken, die minne stricket u. bint, Col. cod. 6, 583. vgl, vereinen, verbünden u. verstricken (1366) Grimm RA. 18, bitten u, flehen, vocibus et precibus , Walthar. 848, mit b, u. m. f. Col. cod. 5, 314. altd. bl. I, 245. fastnsp. 934, 29, Umkhg. Lanzel. 6546. Vrid, 2, 20. vlehete u. bat, Haupt z. 2, 414, avent, krön. 12082. beide fl. u. b. passion, III, 128, 9l, Trimb. 6544, bitten u, gern, Karl 126a, Umkhg. ich ger u. bite, avent, krön, 22788, als er begerte u, bat, passion, HI, 669, 3. bitten u. heischen, bitten, heissen, manen (1436), geheissen, vermanet u, ge- beten (1423), erfordert, geheischen ii. gebeten (1489), geboten, ge- mant u. geheischen (1410), gesucht, geheischt u. gebeten (1462). bitten u, not he n 1 asse n, Steinhöwel, sein u, bleiben, niederd. wesen u. bliven, volksm, Grimm RA, 14. s., bl. u. gehalten werden (a. 1462) ebend. 17. deutsch, ord, stat. s. 30. blenden u. hangen, Umkhg, köln. krön. 3793. blenden u. stümmeln, Umkhg. die zunge stümmelt unde bl. Vrid. 164, 16. = Boner 17, 30. gestümmelt

Die sprichwörtlichen Formehi der deutschen Sprache. 65

u. gebl. Alexdr. 3672. blühen u. grünen, richtiger in der umkehrg. volksm. zu borge nenien oder leihen, deutsch, ord. stat. s. 126. heben u. boren (s. h. u. trag) Grimm RA. 97. verzwicket u. verbort (= verbunden u. hineingebohrt) Lohgr, 77, 22. * braten u. sieden, Titur. 5857. Herb. troj. 14584. gebraten u. gesotten, K. troj. 13713. 16201. bratet noch ensiedet, Mart. 265. Umkhg. was gesoten noch gebr. Parciv. 486. 11. si sieden u. braten ser, wälsch. gst. 12690. gesoten u, gebr. Vrid. 162, 10. Wigamur 4542. s. u. br. lieders. troj. kr. 13662. 13713. ge.-amtab. 9, 94. Helblg. 769. Mart. 100 d. 127 b. Trinib. 454. fastnsp. I, 69, 23. das tauget weder zum sieden noch z. br. Geiler, brauen u. stiften, stiften u. briu- wen, Pantal. 1691. schlagen u. brechen, Pusilj. 1 54. tobrechen u. tostören, Gandersh. krön. 7, 27. breiten u. meren, kaiser- kron. 246, 218. Iwein 2904. K. troj. 14602. enflaramet u. ent- brannt, K. troj. 14651. brennen u. heren, herten u. brauten, Lanzel. 116. livl. kr. 5025. brennen u. rauben, buch d. rüg. 352. roubeten u. branden, Rudolf 11, 15 = passion. III, 310, 28. beroubet u. verbrant, livl. kr. 8357. rösten u. brennen, Anshelm II, 302. brennen u. sengen, s. u. brennen, Frisciibier, hexenspruch 86. sengen u. br. u. morden, Luther, vertilget u. verbrant, livl. kr. 11806. führen u. bringen, Trimb. 21331. brogenu. dröuen, gebrogen (= gross tun, prälen) u. gedr. Engelh. 4077. bürgen u. pfänden, verbürget u. verpfendet, Iwoin 7720. büssen u. gel- ten, Haupt z. 2, 420 (1230), gute frau 919,

dattern u. zitttern, bei Luther nach Eiselein, dechsen u. schwingen (= jegliche weibliche arbeit, flachs brechen u. schwin- gen) ich kan beide dehsen u. sw. Nifen; nach Eiselein noch im volks- niunde. gedenken u. gehügen, troj. kr. 6606. 7119. erlogen u. erdichtet. Schade g. ged. 9, 598. reimen u. dichten, ring 22b. 30. denken u. thun, guot gedaht u. getan, avent. krön. 23794. tracht u. gedacht, Horneck 18. bedenken u. betrach- ten, K. troj. 21 246. ertrahten u. erdenken, K. troj. 1963. ge- denkende u. trachtende, Fiibg. 2727. 3052. dienen u. raten, Winsbek 35. fragen u. dinsen (= ziehen) troj. k. 6080. dul- den u. liden, schwanr. 559. liden u. doln (= dulden) ebend. 6762. 8232. dürfen u. wollen, ich engetar noch ne wil, Diemer 311,25. ich entar noch enwil, passion. I, 183, 84. drehen u. wen-

Arcliiv f. n. Sprachen. LIV. 5

6G Die spricbwörtliohen Formeln der deutschen Sprühe.

den. drohen u. flehen, Parciv. 301, G. Haupt z. 2, 432 (1230). Umkhg. livl. kr. 6367. drohen u. schelten, seh. u. dreun, Iwein 6110. mit drowen noch m. smeichen, Schade g. ged. 5, 352. noch mit drewen u. winnen ouch niet m. geloefden, Schade g. ged. 4, 310. dulden u. leiden, liden u. doln, K. troj. 6702. 7917. 8232. Lohgr. 58,3. dulden u. tragen, vertragen u. verdoln, K. troj. 17738. dursten u. hungern, Umkhg. gehungern noch gedursten, Diemer I, 88, 20. mich hungerte u. durste, Vrid. 178, 16.

eignen, gesetzt, gewert u. geeignet (1359) Grimm RA. 18. empfangen u. nehmen, nam u. enphienc, troj. kr. 10065. 10777. entäussern, Verstössen, verzihen u. e. Grimm RA. 19. entflam- men u. entzünden, Heinzel. klosterfr. entzünden u. stossen (= anstecken) an gestözen u. enzunt, troj. kr. 9674. 11750. eren u. frumen , Hag. krön. 2974. eren u. loben , Berthold 36. Umkhg. Suchenw. 40, 452. eren u. prisen, Pantal. 2135. gepriset u. ge- eret, arm. Heinr. 81 = Erec 9945 = lieders. 72, 534. eren u. wirden, geeret u. gewirdet, Hartm. büchl. II, 780. Umkhg. wir- den u. e. K. troj. 9182. 9392. eren u. zieren, gezieret u. geeret, gute frau 2357. erfahren, gesellen, erfahr, u. vernomen (1602), begerte zu haben, nemen u. e. (1387), finden, hören u. e. Grimm RA. 18. erschleichen nicht erjagen, fastnsp. 941, 27. merken u. erkennen, ring 28c. 24. teilen u. erkennen, Grimm RA. 15. weisen u. erkennen, ebend. gesagt, erkant, geweist (1538), be- kennen, weisen u. sprechen (1561) ebend. 18. doch weiz ich u. erkenne wol, K. troj. 14092. 14430. gewinnen u. erkobern, (a. 1325) ebend. 15. essen u. trinken, noch az noch entrank, passion. III, 11 2, 85. gaz u. getrank, Fribg. 6 18.

fallen, in das gerichte traete, griffe oder fiele, Grimm RA. 18. fallen u. risen, gevallen u. gerisen , troj. 1503. vellen u. nei- gen, Suchenw. 3, 28. w^erfen u. vellen, troj. kr. 6987. geworfen u. gevellet, 25141. fär, herg, läz, schifTerspruch bei der abfahrt. Wölkst. 28, 1, 1. fahren u. ringen, nach prise r. u. varn, troj. kr. 6469. gripen u. fangen, soest. fehd. s. 611. fangen u. schlagen (vgl. B, fähen) , gevangen u. erslagen, Iwein 3761. Gandersh. krön. ]2, 31. avent. krön. 10080. beide gef. u. gesl. pas- sion. III, 81, 91. livl. kr. 8636 u. ö. Schade g. ged. 6, 74. stricken

Die sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache. 67

u. fangen, Amur 2090. faulenzen u. schalanzen, seh. u. f. Luther, nach Eiselein, fechten u. kämpfen, Umkbg. Engelh. 4028. vehten u. ringen, Iwein 407. troj. k. 8800. fechten u. schlagen, sieht u. viht, Vrid. 140, 11. fechten u. streiten, Tauler lo4a. fastn.-^p. I, 298, 10. soest. fehd. s. 589. 606. erstriten u. ervehten, troj. k. 25189. versehen u. übertragen, berner krön. 49. vereinen u. scheiden, Syon s. 17. versprechen u. geloben, Mencke I, 1079. gegront u. gefest, Schade g. ged. 11, 311. festen u. stählen, Graff, diut. TI, 139. festen u, Sterken, diut. I, 362. feuchten u. thauen, erfiuhten u. ertouwen, troj. kr. 12155. durchfeuchtet u. durchnetzet, Suchenw. 40, 1121. Umkhg. Muscat. 80, 70. vil 1 en (s ch inden) u. scheren, Trimb. 14591. 18233. schelten u. fisten, ring 3c. 11. flechten u. weben, gevlohten u. geweben, troj. kr. 6471. Ehret die frauen, sie flechten u. w. Schiller, flechten, werren u. weben, Fribg. Trist. 6839. 6885. gestoben u. geflogen, volksm. Schade satir. I, 9, 161. fliehen u. jagen , livl. kr. 7639. fliessen u. schweben, troj. kr. 23926. fluchen u. schelten, Haupt z. 1, 181. volborten, gesloten, belovet u. gevulbordet (1446) Grimm RA. 18. gefriet u. ge- scheit (= entkleidet) troj. kr. 19864. friden u. schirmen, ver- wirkt, mishandelt, fre\elt (1538) ebend. 19. schirme nu. vristen, K. troj. 14283. schwanr. 716. fremden u. wilden, Suchenw. 8, 4. fromen u. helfen, beide ze h. u. z. f. köln. krön. 5837. gehel- fen noch gefr. Pantal. 235. 1689. fromen u. schaden, leb. Jes. fundgr. I, 174, G. Umkhg. schadet u. vrumt, Viid. 112, 27. 165, 8. Trimb. 5073. fördern, fördern, schirmen u. beigen (1328) Grimm RA. 19. fordern u. heischen, rufen, h. u. f. (a. 1325), erfordert, geheischen u. gebeten (1489) Grimm RA. 18. fordern u. mahnen, erinnert, ausgem. u. gef. ebend. fordern u. setzen, gefordert, ges. u. verabscheidet, ebend. füeren u. tragen, Nibelg. 99, 2. livl. kr. 11831. machen u. fügen, Haltaus 1283. 87. Grimm RA. l5. sich fügen u. schicken, lieders. 46, 26. fül- len u. prassen, narrschf. 112. fürchten u. lieben, fürchten u.m innen, Diemer 1,93, 24. si vorhten in mit minnen, Kl. hs. 135a. vgl. Karaj. denk. 32, 5 u. Vrid. 2, 16.

geben u. leihen, Morolf 1307. Berthold 205. Oswald 1119 u. ü. Iwein 2949. Karl 26a. u. ö. Wigam. 4318. wer dem geit oder

08 Die sprichwörtlichen Formehi der deutschen Sprache.

leihet, Horneck 39 b. 363 b. deutsch, ortl. stat. 170. fasinsp. 1158. Umkhg. Berlhold 320. Lichtenst. 467, 1. gesamtab. 6, 854. troj. kr. 13925. Hugdietr. 1, 4. K. turn. 5, 4. Horneck 192b. 185 a. 197b. lieders. 245, 137. niht 1. noch g. deutsch, ord. stat. s. 178. Suchenw. 27, 95. 18, 320. fastnsp. I, 424, 29. nehmen u. geben, diut. II, 150. Rauch rer. austr. III, 321. geben u. tun, gab u. tet, troj. kr. 12483. geven u. doin, Grimm RA. 14. setzen u. gebieten, erster landfriede, lougen u. gaffen, troj. kr. 7259. geswigen u. ge- dagen, K. turn. 117, 3. swigen u. gedagen, Konr. v. Bikkenb. MS. fastnsp. 595, 6. geheizen u. sagen, arm. Heinr. 1330. weder gän noch kriechen, Mart. 283b. gehen u. reiten, man gienc u. reit, livl. kr. 11462. ridem ende gän, Partonop. 59, 3. ridende u. gände, Gandersh. krön. 12, 23. livl. kr. 11439. 11847. auch rechts- forrnel bei bestimraung der dispositionsfähigkeit eines schildbiirtigen mannes: dum vir ire et equitare potest (1316. 1337) Grimm RA. 96. ich reit oder gee, Vrid. 83, 7. Karl 6 a. 17 b. beide riten u. gan, passion. I, 6, 71. Trimb. 9042. zu leh en gehen u. rühren (a. 1315) Grimm RA. 15. wenen u. gilien (= gellen) d. i. laut klagen, Theoph. 500. geloben u. schwören, geloven, sicheren u. s. (1384), sweren, loven u. holden (1372) ebend. 18. genesen u. sterben, Wernh. v. N. 30, 17. Gawein (altd. bl. II, 49) avent. krön. 27947. St. u. g. livl. kr. 5782. 8477. Suchenw. 8, 120. lO, 196. 20, 196. ümkhg. weder st. noch g. passion. I, 75, 9l u. ö. Suchenw. 7, 189. rauoten u. geren, troj. kr. 41G. 7603. 8427. 15177. geren u. wünschen, Unikh. Lanzel. 6418. geud u. meld, jagdregel, den jubelruf des Jägers beim anblick des wildes vorschreibend, Wölkst. 43, 40. gi chten , gegichtet, bekant u. bejait, Grimm RA. 18. wün- schen u. gönnen, Stift, fehde (s. 256). grifen noch tasten (a. 1345) Grimm RA. 15. zürnen u. grimmen. Schade g. ged. 107, 91.

haben u. lassen, Altsw. 3, 98, 2. habenu. tragen, Altsw. I, 5. 2. weder hacken noch reuten, fastnsp. 1110. hadern u. zanken, Agric. II, 97a. Schade satyr. 15, 554. hageln u. schauern, fastnsp. I, 298, 6. halsen u. küssen, er helsete u. kuste, passion. III, 32, 94. halten u. lassen, Reinmar 122. mag er h. u. 1. schwabensp. 52. ümkhg. Altsw. I, 4, 13. halten u. üben, gehandhabet, geübet u. geh. (a. 1440) RA. 19. geübt, ge-

Die sprichwörtlichen Formeln der do.utschen Sprache. 60

brauchet u. g. (1579) Grimm RA. 19. Iiandhaben, bestellen n. thun (15. j.) Grimm RA. 19. hangen u. kleben, Engelh. 5973. haspeln oder winden, fastnsp. 895, 2. hauen u. samen, hou- wen u. samen (= säen u. ernten, den acker bauen) Diemer 9, 24. hauen u. schneiden, verhouwen u. versniden, K. troj. 12606. vei-- sniden noch v. Mart. 194. hauen u. stechen, weder h. noch st. Uhland volksl. I, 137. weder gchon noch gestochen, Gryphius dorn- rose I. Körner volksl. 109. es sei gehauen oder gest. Mone III, 282. Umkhg. durchstochen u. durchh. passion. I, 41, 11. Martina 39c. mit st. u. m. h. livl. kr. 11279. ein zeichen in sin tiir gestochen oder geh. Jerosch. 6, 123. 43, 276. es ist nicht gehauen noch gestochen, volksm. (=r ni rime, ni raison), ge Schubert u. geh au ff t, Horneck 25a. hazzen u. niden, passion. I, 165, 84 u. ö. hazzete u. neit, troj. kr. 6475. 6599. heischen u. laden, geheischet, geladen u. vorboden, Grimm RA. 18 u. 15. he isch e n u. m anen (a. 1479) ebend. laden, manen, heischen (1405), geheischet, geladen u. vorboden; bitten, heissen, manen (1436); geheissen, vermanet u. gebeten (1423); gebeten, ge- mant u. geheischen (1410). heissen u. nennen, K. troj. 15281. helen u. louken (= verneinen, läugnen) Vrid, 47, 1. helpen, beschermen u. vordegedingen (1447) Grimm RA. 19. heben u. legen mit einem, d. i. alle vortheile u. alle lasten u. etwaigen schaden mit ihm theilen , Schmeller II, 138. si houent inde legent, Marienl. 49, 36. heben u. tragen, gehoben u. getragen, Marien- leb. 4873 = passion. I, 70, 57. balken h. u. tr. livl. kr. 10193. hub H. trug, diut. I, 453. helfen u. raten, köln. krön. 3214 u. ö. ge- helfen u. r. kan, Spervog. 19. guote frau 693. half u. riet, Wigal. 7326. Schade g. ged. 104, 8. er weiss sich nicht ze h. noch z. r. volksm. Umkhg. ich rät noch hilf, Karl 20a. Haupt z. 2, 4l3. Laber 199, 5. helfe, troeste u. gebe rät, Phil. Marienl. 8243. Wernh. M. 156. ber- ner krön. 26. sprichw. wem nicht zu rathen ist, dem ist auch n. zu helfen = Laber, anhang 106, 5. stärken u. helfen, Piisilj. 148. hoenen u. lästern, gelestert u. gehoenet, Lanzel. 6473. hoeren u. merken, Schönem, niederd. schausp. 546. als ich wol ho er, merk u. spür, fastnsp. I, 263, 14. beide von hören u. v. sagen, Horneck 20 b. hoeren u. schouwen, Engelh. 760. * hoeren u. sehen, weder hört noch sach, Oswald 213 u. ö. hört u. sieht, Lau- rin 68. Luarin 502. Ulrich 716. Wernh. v. N. 26, 14. Erec 4151 u. ö. Iwein 1447 u. o. Walth. III, 37, 21. Parciv. 97, 17 u. ö. Ti-

70 Die spricliwörllic'icn Formeln der deutschen yprache.

turel 2680 u. ö. hörende u. sehende, 4783, Herb. troj. 15484. Trist. 14053 u. ö. Marien!. 91, 23. Karl 130b. Amis 834. 2055. Parto- nop.91,25.Pantal. 814. nieder!. Flos 1421. K. troj. 13231. Ümlshg. gasahu jah gahausida {ea>Qaxe xal rjxove) Ulfilas, Heljd. 44, 12 u. 18. gcsahim endi gehordun, Ileijd. 1, 2G. liesiliet a!de l<ehoret, Boeth. Hattem. II, 239. gesach u. gehört, Erec 9220. gesehen noch gehorten sagen merc, Titur. 2679. Nibelg. 8035. Berthold 167. 201. Partonop. 91, 15. passion. III, 268, 22. hören u. spehen, er in enhörte noch enspelit, avent. Icrön. 25349. hören u. vernehmen, hörte inde vornam, Hag. krön. 876. Schade g. ged. 5, 137. 9, 805. gehört u. vern. Meneke scr. rer. II, 1648. (hoffen) versehen u. ver hoffen, Grimm RA. 15.

jagen u. birsen, Mart. I26d. jagen n. rennen, Mart. 126c. jagen ii. treiben, verjag, u, v. K. troj. 15054. triben u. j. 6928. Trimb. 6818. sprechen u. jehen, troj. kr. 6683. 6845. 7137 u. ö. sprachen u. jähen, ebend. 490. 1692. sprichet u. gibt, K. troj. 5929. nu ratet, hoeret u. jehet, Parciv. 74e., pflegen u. hüten, K. troj. 8178. Docen II, 94. hüten n. schirmen, be- schärmed u. behijt, sassenkr. 5, 11. hüeten u. wachen, Boner 93, 3l. irren n. engen, Haltaus 316. Grimm RA. 15. irren u. pfrengen (a. 1315) ebend.

suchten (seufzen) u. karmen, Schade g. ged. 6, 130. Wei- mar. Jahrb. I, 131. setzen u. keren, diut. I, 437. mit kempfen u. m. striten, Körner Volkslied. 171. strichen u. kere n , troj. kr. 13594. verkeret u. verwandelt, K. troj. 4511. Umkhg. Suchenwirt 2, 181. keren u. wenden, Ilaltaus 1083. 84. in weis- tümern v. j. 1330 u. 1580 bei Grimm RA. 15. Schade g. ged. 4, 92. fastnsp. 966, 29. Umkhg. braunschw. krön. s. 305. soest. fehd. s. 663. kiesen u. schauen, schouwet u. kiuset, Flos 4663. kie- sen u. sehen, kos u. sach, troj. kr. 7623. 9779. 14202. kiesen u. teilen, Umkhg. hie mochte deilen ind kiesen, Hag. krön. 1367. des teile u. küs! passion. HI, 686, 96. Wernh. M. 161. lachen u. kittern, fastnsp. I, 298, 9. klagen u. reuen, na grozem ruwen, n. g. k. Marien!. 18, 13. rufen u. klagen, livl. kr. 2094. schreien u. klagen, Schade g. ged. 7, 15. klagen u. trauern, Iwein 2845. Umkhg. Marienleb. 5537. Oswald 1142. Il56. Eerthold 242, köln. krön. 3766. trurende u. klagende, Engelh. 3451. altd. bl, II, 33, 34.

Die sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache. 71

36. klagen u. weinen, kaiserkr. 28, 32, Marien!. 18, 2l. Wigal. 208, 37. ostersp. (fundgr. II, 318) Fribg. 6304. altd. bl. II, 36. gewöhnlich in der Urakhg. kaiseik. 29, 6. Wernh. v. N. 39, 23. Nibelg. 3. Iwein 724. Erec 6465. Gandersh. krön. 8, 24. Karl 32b. u. ö. gute frau 2309. avent. krön. 12745 u. ö. Wigal. 201, 12. 263, 7. Servat. 1527. warnung 559. Engelh. 5820. ich weine u. kl. pas- sion. III, 491, 41. K. troj. 12109. Anrhg. weinen, kl. u. schrien, Marienleb. 9298. 9492. w. schrien u. kl. Fribg. 6486. klagen u. wuofen, w. u. k. Wernh. Mar. 176. Klage 725. diut. II, 13. klie- ben u. spalten, kloup u. spielt, troj. kr. 12632. kratzen u. rau- fen, Haupt z. 1, 398 (1200) Erec 5322. künden u. sagen, Os- wald 1974. avent. krön. 22587. Wernh. Mar. I, 5. K. troj. 13086. Altsw. I, 6, 15. können u. mögen, kan oder mac, Berthold 55. 269. kan ich u. mac ez wol, avent. krön. 19168. 20348. schwanr. 1158. koate u. mochte, Trimb. 3832. Laber 677, 5. lieders. 45, 323. 50, 365. Lange luneburg. krön. s. 250. Pusilj. 212. fastnsp. I, 163, 3. 426, 1. 636, 16. Umkhg. enmac noch enkan, Iwein 2286 = Karl 30 b. 47b. ich mac oder k. Harlm. büchl. I, 1082. Mart. 163 c. Horneck 49a. Mour. u. Beamunt 550. Ambras, lied. 252, 3. Schade g. ged. 9, 51 8. können u. wollen, noch kan noch wil, Neocor. I, 12. Umkhg. der enwil noch enkan, wälsch. gst. 3592. locken u. kosen, Suchenw. 47, HO. tödten u. kraftlos machen (a. 1455) Grimm RA. 15. krenken, schwechen, verletzen, Grimm RA. 19.

lassen u. meiden, miden u. län, Vrid. 18, 26. lassen u. tun, ich läze u. tuo, Haupt z. 2, 439 (1230) avent. krön. 26239. Horneck 380a. Umkhg. beide tuon u. län, altd. wäld. I. 36. Lichtst. 501, 26. 503, 28. beide zo doin ind zo laissen, weberschl. 189. sin t. u. s. län, passion. III, 53, 16. 192, 25- 509, 36. weder t. noch län, K. troj. 8805. Trimb. 582. 839. Folz 1250. Suso pred. II. buch IV, 31. fastnachtsp. 534, 15. Neocor. I, 143. rennen u. lopen, up- standg. 427. gelütbart u. offinbart, Pusilj. 265. läutern u. reinen, Ruol. 181, 19. 265, 7. erliutere u. erreine, Vrid. l8l, 18. luteret u. reinet, Marner 379, 6. gerene u. gelütere, GrafF diut. II, 290. l<äutern u. säubern, gelutert u. gesuvert wirt, passion. III, 578, 14. leben U.Sterben, volksm. sieb, meistr. wesen u. leben, Jerosch. 1, 20. leren u. predigen, passion. I, 205, 6 u. ö. Umkhg. pas-

72 Die spi-ichwortliclicii Formeln der (loutschen Sprache.

sion. I, 3-26, 33. 205, 6. 250, 33. Schade g. ged. 9, 535. 572. 607. 617. Snchonw. 40, 831. 1 eren ii. rät en , Umkhg. diz rätich ii. lere, Karl 20b. 2la. = K. troj. 13635. ratet u. leret, Llchtst. 382, 21 = Err^elh. 3406. leren n. weisen. Berthold 36. Umkhg. Ilanpt z. 2, 209. Marienl. 105. 20. gewisen u. g. K, troj. 8456. Schade g. ged. 9, 281. diut. I, 414. dint. II, 8 fastnsp. I, 209, 12. Ehing. s. 16. sin u. Ifden, Schade g. ged. 6, 69. nemen oder leihen, deutsch, ord. staf. s. 126. lernen u. merken, Umkhg. Berthold 74. 121. lesen u. schreiben, gelnsen u. geschriben, Martina 20b. 47. Heinr. d. Löwe 11, 2. liden n. schicken, Neocor. I, 15. lei- den u. tragen, avent. krön. 27313. troj. kr. 8226. 12527. 11554. leiden u. vertragen, Monc 7, 501 ff. lesen u. singen, las u. sanc, Haupt z. 1, 278 (1190) Gandersh. kinn. 1, 19. ungelesen u. ungesiingen, Servat. 3015. las u. sanc, passion. III, 386, 6. 44 = Heinzel. 10, 5. bede mit 1. u. s. Theoph. 711. diut. I, 475. Umkhg. sangen n. lasen, Ludw. kreuzf. 8142. beide f^anc u. las, passion. III, 522, 54. man sanc messe u. las, livl. kr. 10375. diut. I, 427. Suchenw. 40, 225. fastnsp. 918, 14. liegen n. stehen lassen, Schweinichen. Gerstenbg. krön. 448. linden u. senften, dich s. u. d. 1. H. litan. (fundgr. 2, 226). weder lippen noch sagen (= sprechen) fastnsp. 587, 22. loben u. preisen, Hartm. büchl. II, 54. diut. I, 368. altd. bl. II, 225. Umkhg. geprfset u. gel. over alle lant, niederd. Flos 1551. troj. kr. 6632. K. troj. 3090. locken u. reizen, locket u. r. troj, kr. 15939. gereizet u. gelocket wirt, Engelh. 2209. Luthers bibel. Jacobi 1, ]4. erstunken u. erlogen, Roch- holz s. 375. losen u. smeichen, Suchenw. 8, 2l7.

geschaffet u. gemachet, altd. bl. II, 34. II, 179. machen u. scheiden, Grimm RA. 15. setzen u. machen (a. 1367) Grimm RA. 15. reizen u. manen, troj. kr. 15844. martern u. würgen, Horneck 37a. pr ue f ent u. merkent wol, K. troj. 11626. merken u. schauen, m. u. schouwen , gute frau 3055. merken u. sehen, altd. bl. I, 69. merken u. sprechen, beide m. u. s. Lichtst. 569, 4. 569, 13. 585, 20. versuochen, m. u. sp. Hugdietr. 38, 3. mischen u. tempern, getempert u. gemischet, K. troj. 4 370. mögen u. sollen, mac u. sol, Iwein 8053. ichn enraac noch ensol, Haupt z. 2, 407 = avent. krön. 28416. mögen u. wollen, Umkhg. ich enwil noch enmac, Haupt z. 2, 434 (1230), er wil u. mac, pas-

Die spriohwörtliclien Formeln der deutschen Sprache. 7:j

sion. III, 478, 21. müssen u. sollen, Amur 1417. muoz, wil u. 8ol, Orlenz 12713. solt u. miist, Mencke 11 (Ludw. v. Thür. §28).

nödigen u. Iwingen, Neocor. I, 152.

setzen u. ordnen (statuere) deutsch, ord. stat. s. 172 u. ö.

prassen u. schlemmen, fastnsp. 892, 21. preisen u. rüh- men, K. troj. 16316. prüft u. seht, Horneck 152a.

reizen u. quälen, Körner volksl. 242. rathen u. thun, nehein arzat nekan mir niht geraten noch getuon, kaiserkr. 403, 26. rathen u. trösten, Umkhg. entroste noch enriet, Iwein 3205. froste u. gebe rat, Phil. Marien], 8969. schinnen u; roven (rau- ben u. schinden) Piisilj. 238. rauben u. stehlen, roubon u. stein, tStrick. Reinh. 689. roubte oder staele, Helmbr. 1071. Körner volksl. 19. schlahen u. raufen, fastnsp. 589, 23. recken u. schmie- gen, gesweig ich mich u. reck wol mich, Horneck 138a. regnen oder schneien mag es, volk«m. (ninge^et aut plueret, Ruodl. VI, 106.) gesprechen noch geraden. Schade g. ged. 6, 98. rei- nigen u. puren, Marienl. 98, 6. geteilt u. geraint, Heum. opusc. 189. rennen u. draben, livl. kr. 4956. es ist einerlei ge- rennt als getr. Luther, verrigelt u. verschlossen, Veit Weber I. berihten (= einrichten) u. bewarn, Lohgr. 37, 2. rufen u. schreien, schrin u. r. K. troj. 12323. rufen u. weinen, avent. krön. 9473. 9657.

schicken u. stellen, Lichtst. 389, 27. schirmen, fördern, schirmen u. beigen (a. 1328), helpen, beschermen u. vordegedingen (1447) Grimm RA. 19. schlafen u. wachen, diut. II, 148. Umkhg.II, 152. schonen u. warnen, schleifen u. wenden, Agric. II, 84. beschouwet noch besehen, K. troj. 15648. weinen u. schreien, Schade g. ged. 8, 1207. Umkhg. Suso b. II, 31. sehen u. spüren, K. troj. 9935. sehen u. vernehmen, wir hänt gesehen u. vernomen, Daniel 477. werden u. sin, troj. kr. 8363. wesen n. s. troj. kr. 11698. sin u. wesen, Grimm RA. 14 (a. 1338). seufzen u. weinen, suphten u. w. Diemer 356, 12. Umkhg. wir weinen u. sufton, Haupt z. 1, 198. (1200). sieden u. wallen, wiel u. söt, troj. kr. 16700. verkünden u. sin- gen, Schade g. ged. 9, 578. sondern u. teilen, getailet u. gesun- dert, Karl 68a. spisen u. warnen, troj. kr. 6881. springen n. tanzen, Wilh. d. h. 148. Umkhg. lieders. 50, 286. soest. fehd.

71 Die sprichwörtliclicn Formeln der deutschen Sprache.

s. 588. 667. springen u. treten, si träten u. Sprüngen, Servat. 2816.

th eilen u. schnüren, ek wil et deilen u. snoren, sassenkrön. 3, 24. t heilen u. Wcählen, K. troj. 12646. Mart. 113d. lieders. 139, 213. Goeli 1, 5. wissen u. thun, Lange luneburg. kr. s. 250. toben oder winnen, ich wene du tobest oder w. Ruol. 76, G. toben 11. wueten, tobete er u. wuote, Haupt z. 1, 166. (1190) K. troj. 9403. Umkhg. wüeten u. toben, Vrid. 32, 8. Ambras, lied. 125, 4. altd. w. II, 70 (237). tödten, üppigen, t., vernichten (a. 1324) Grimm RA. 19. weder zelten noch traben , lieders. 148, 474. Umkhg. fastnsp. 697, 26 u. öfter, trauern u. weinen, Umkhg. Marien!. 28, 18.

Stilproben aus der neueren deutschen Schriftsprache

nebst einer Einleitung Über Nutzen und Schaden der Abnutzung für die Sprache.

Von

*

Hans von Wolzogen.

Wie Alles so wird auch die Sprache durch den Gebrauch abge- nutzt. Wir können die Zeit nicht ermessen, deren sie bedurft hatte uno sich überhaupt als verständliches Organ der Mittheilung im Men- schenmunde auszubilden. Langsam baute sie sich auf; aber stätig schritt ihre gewaltige Entwickelung fort. Zunächst ward kyklopisch Werkstück auf Werkstück gehäuft, nackte Wurzelsilbe roh an nackte Wurzelsilbe gereiht. Dann schmolzen die einzelnen Theile zu grösseren Gruppen zusammen ; jeder Theil fügte zum andern eine Bestimmung, und jede Gruppe war ein Wort. Wo lebhafte Phantasie die ordnende Kraft des Geistes überwucherte, da wuchsen aus endlosen Bestim- mungen Riesenworte zusammen ; die einfachen Bausteine, die einzelnen sprachlich auszudrückenden Vorstellungen , wurden hoch gethürmt, reich verblümt und über Kreuz hinüber und herüber gebogen, wie zu einem üppigen gotischen Baue. So gotisch reden noch heute die Rothen des Westens, bis ihre Sprache durch das moderne Chinesisch des briti-

* Durch einen Irrthum ist die hier folgende „Einleitung" leider von dem schon früher gedruckten Artikel getrennt worden. Der Titel derselben sollte überhaupt der obige sein, nicht, wie er dort lautete: „Proben modernen ästhetischen Stiles."

76 Stilproben aus der nPiiorcn deutseben SchriftspriH.he.

sehen Amerikaners mit seinen wieder kyklopisch gewordenen Sprach- trümmern wird /.n Tode gesteinigt sein. Von eben dem Momente an, wo solch ein Wortgebände sein Dach gedeckt hatte und nun selbst- ständig, fertig da stand, musste es dagegen im Munde geistig höher begabter Völker, wie der indogermanischen und semitischen, sein archi- tektonisches Dasein aufgeben und, so zu sagen, lebendiges „musikali- sches Drama" werden. Man Avar fertig mit der Mühwaltimg des i^Iaterialientransportes und man hatte kraft des gereinigten und geformten Materiales eine verständliche sprachh'che Beschreibung des eben zu Bezeichnenden geliefert, eine Beschreibung, welche freilich im besten Falle eine glücklich gelungene Umschreibung bleiben rnusste. Nun beginnt das Bild zu leben, sich zu wandeln, zu flektiren. Ein eigenes Reich wird gegründet, eine neue Schöpfung, die Ideenwelt in lautbarer Gestalt an's Licht gezaubert. Die Worte bedeuten nun nicht mehr dies und das; sie sind es selber, sie leben es wieder: im Elemente der Sprache. Jene gehäuften' Bestimmungsworte erscheinen gesichtet, und jedes hat sein besonderes Amt. Nicht mehr als Wort oder Wort- anhängsel, als lebendiges Organ eines Grundwortes, aus dem es gleich- sam hervorwuchs, fungirt es nun. Auch das Wurzelwort zeigt seinen Willen dieses oder jenes bestimmte Organ seine besondere Funktion ausüben zu lassen durch eine selisch zu nennende Färbung seines Ant- litzes, durch ein bezeichnendes Mienenspiel, den ..Ablaut", So ent- stehen Deklinationen und Conjugationen. Die Wur;;eln werden zu Stämmen für Nomina oder Verba. Die Bestimmungswurzeln oder Suffixe, Determinativa, agiren wie Hände und Füsse aus dem Leibe des Stammwortes hervor als Casus- oder Personal-Endungen. Es giebt nun nicht mehr nur Sprache oder Rede, es giebt : Grammatik ; und mit dieser Geburt einer lebendigen Grammatik beginnt auch erst das freie „Leben im Geiste".

Aber zugleich neigt sich die Sprache vom Gipfel ihrer formellen Entwickelung dem Verfalle zu. Jedes Leben reibt sich selber auf. Sie verbraucht sich, und der Mensch verbraucht sie, weil er sie mehr und mehr gebraucht. Die gelenkig gewordene Sprache folgt der gei- stigen Entwickelung des Menschen , der sie geweckt, auf Schritt und Tritt. Je mehr eine Sprache sich derart abgenutzt hat, um so gefügiger wird sie den wachsenden Anforderungen an ihren Gebrauch. Der Ge- lehrte in seiner Stube darf freilich klagen, der da weiss, was seine Sprache verlor, weil er sie als ein Objekt seiner Wissenschaft und als ein Kunstwerk des menschlichen Geistes betrachtet. Draussen aber auf Markt und Gassen und im Freundeskreise, bei heiterem und ern- stem Gespräche, da denkt er selbst der herben Verluste nicht mehr, da spielt er den Conversations- Fangball wie Alle mit den Trümmern der Sprache. Ja endlich auch in seiner Stube, wann immer den sinnenden Denker etwas dünkt, so zwingt er auch dort nun die Sprache mit rück- sichtsloser Eigenmacht zur Dienerin und Heroldin seines Gedankens.

Stilproben aus der neueren deutsthen Scliriftspiaclic. 77

Er denkt gar nicht mehr durch die und in der Sprache; die Sprache spricht nicht mehr, sie do lim et seht die Gedanken. In der Gram- matik, wie sie nun sauber gedruckt vor uns liegt, lernen wir das Wort, das wir gebrauchen, als so und so bestimmte Form auswendig. In- wendig lebt es uns nicht mehr als ein gewordenes Wesen, sondern haftet als einmal hergebrachte Laut form für jenes wie wir nun schulmässiof lernen orrammatische Rubrum. Vom Inhalt erfahren wir nichts. So aber wird die Sprache gerade von der Stufe ihrer for- mellen Vollkommenheit aus doch mehr und mehr nur wieder, was sie war: Markenlieferantin dem denkenden Menschen.

Dem denkenden jedoch; nicht mehr dem blos bezeichnenden, beschreibenden, nur sprechenden. Darauf muss die Betonung ruhen. Verlockt die gleichsam unter den Fingern zerbröckelnde Masse dieser abgenutzten grammatischen Formen den sprachgewandten modernen Menschen nicht nur in leichter Rede, auch in ernstlicher Schrift zu lüderlich ungebundenem Geschwätze, so muss die innere logische Form die Verluste der äusseren kräftig erset/.en um ihn zu zügeln. Oder sollten wir etwa noch nicht so weit gediehen sein in unserer vielgeriihmten geistigen Entwickelung, dass wir uns durch das eigene Bewusstsein, freiwillig, zu vernünftigen, auch vernünftig redenden und schreibenden Menschen, erziehen lassen könnten, nicht aber nur von der äusserlich zwingenden Gewalt eines sprachlichen Gängelbandes noch so schöner Form die polizeiliche Regelung unseres unmündigen Geistes zu erwarten brauchten? Ja, wir selber sollen die Sprache nun zügeln ; das ist die Pflicht unserer Freiheit. Manch Einer sün- digt allerdings aber in einer Weise an der Form seiner Sprache, dass die blosse Entschuldigung mit der sprachgeschichtlichen Erbsünde nicht hinreicht. Der Grund liegt da in der grösseren Sünde der Faulheit oder Verworrenheit im Denken. Er benutzt also seine geistige Frei- heit, deren er sich rühmt, nicht um die Sprache auf der logisch ver- nünftigen Gränze zwischen Bequemlichkeit und Unsinn vor dem gar zu leichten Uebeitritte auf das letztere Gebiet zurück zu halten. „Halt'' zu rufen an der richtigen Stelle, wo die innere Foim der Logik noch nicht verletzt ward, die Freiheit durch sich selber zu zügeln, damit sie nicht in die Unfreiheit des nothwendigen geistigen Verderbens renne, das ist eben die Aufgabe des modernen Menschen und des Schriftstellers vor Allem. Es ist höchste Zeit dazu ; wie tief wir im modernen Wesen stecken , so tief auch in dem Verderben unserer Sprache. Der Sünder ist die Majorität und sie wissen sich etwas zu Gute darauf, dass sie sündigen können, dass sie es so elegant und geistvoll verstehen ! Wer aber glaubt geistvoll, also doch mindestens auch logisch zu denken, schreibt aber elegant in's Gelache hinein ein unsinniges Gemengsei von imzusammenhängenden, einander wider- sprechenden oder ganz lückenhaften Begriffen nieder, da sich dann Jeder die Logik dazu denken mag, die er vernünftiger Weise darin

78 Stilproben aus der neueren deutschen Schriftsprache.

nicht lesen kann, der wird schliesslich doch auch des mangelnden Gängelbandes der äussern Form ganz zu geschweigen weil ihm auch die innere P"'essel fehlte, an der eigenen Logik Schaden leiden müssen. Wir denken doch eben einmal nur mittels der Sprache, die wir schreiben^ und es ist in Sachen unseres eigenen Menschengeistes, dass wir für die Erhaltung der Logik, der Innern Form, zumal in der Schriftsprache, Sorge tragen sollen. Nicht also dem, was wir im Allgemeinen unter „Sprachform" verstehen, sondejn dem Schrift- stile vor Allem würde unser „kritisches Bestreben" zum Besten der heutigen deutschen Sprache gelten müssen; und nicht dem Schrift- stile einzelner Autoren, sondern dem der „Jetztzeit" überhaupt; und doch auch wieder nicht mit allgemeinen Betrachtungen oder Auf- stellungen abstrakter Thesen wird dies gethan sein, sondern gerade durch einen Griff in's volle Stilleben dieser Jetztzeit, durch eine ein- gehende Besprechung gewisser Proben heutiger Schriftstellerei. Die klare Darlegung der eben daraus gewonnenen Erkenntnis, dass dieser moderne Stil den Verderb der deutschen Sprache wirklich bedeute, könnte dann am ehesten noch jenen heilsamen Schreck uns schrift- stellernden Sprachkünstlern einjagen, der uns darauf merken lasse, welch eine arge Kunst wir da im Grunde treiben. Eine rücksichts- lose Correktur aller auch nur künftige Gefahr drohenden sprach- lichen Misslichkeiten in den litferarischen Erscheinungen des Tages müsste einestheils die betroffenen Schriftsteller selbst bei ihrer Ehre fassen und moralisch zwingen fürderhin bedächtiger zu Werke zu gehen, anderentheils aber auch ein grösseres Publikum daran erinnern, was es mit der Sprache und ihrer Behandelung auf sich habe, sodass es dahin komme von Jedem, der für die Oeffentlichkeit deutsch schreibt, zu verlangen, dass er es richtig schreibe. Je hervorragender die Arbeit, je berühmter der Autor, um so nothwendiger gerade wird die Correktur, um so heilsamer aber auch der Schreck sein. Es ist doch wahrhaftig die Schande nicht zu unterschätzen, dass unsere Sprache auf bestem Wege ist, ausser dem alten Verluste ihrer formellen Vollkommenheit, durch Schuld unsei-er vorzüglichsten Schriftsteller selbst, auch noch das heilige Recht einzubüssen : das adäquate Ausdrucks- mittel eines logischen Denkens zu sein!

Beiträge zur englischen Lexicographie.

Von

Dr. Seitz.

Accumulator s. der Presscylinder (in der hydraulischen Presse:

the water is supplied from an , into which Ihe water is forced

from the engine-room and is thence led in small pipes to the work-

ing apparatus. Chambers' Journal, No. 566.

acreage s. der Boden, das bebaute Feld: no less is the of un-

orthodoxy surveyed by the Rev. M. D. . Ch. 493. adaptability s. (Lucas hat nur Anwendbarkeit, Passlichkeit) die Fähigkeit, sich in Alles zu schicken: a backwoods woman niust have the precious bump of . Ch. 563. admission s. Eintrittsgeld: when the ehest holding the receipts from

s would be at its füllest. Ch. 503. allraend s. das Almendgut: means land held and used, as the

word itself indicates, in common. Ch. 561. amuck s. malay. Mord, daher to run , wahnsinnig auf Einen los- gehn, um ihn zu tödten: in which he feels, like Milton's Satan, in-

clined to at destiny. Ch. 560 (L. verweist auf muck und von

da auf das fehlende amock). antipodean =r antipodal: England and its colony. Ch. 488. appliances s. Zubehör: the most dainty little cot with the most

dainty . Ch. 558. attendance s. to be in , sich sprechen lassen: neither B. nor S. was in . Ch. 543.

8u Beiträge zur englischen Lexicograpbie.

Back V. to one's seif, add. zu Hoppe: he backed liimself largely

agiu'nst S. and lost. Iialten gegen Jemand. Ch. 500. bassinet s. (L. giebt nur kleiner Helm) :— the old-fashioned cradle

on rockers : a little wailing cry sounded from the upon the rog

before the fire. Ch. 559. be V. that , dermalig , derzeitig: liaving obtained permission from

the powers . Ch. 559. Vgl. Mätzner : Engl. Gr. I. p. 387.

bear v. n. tobring to , verwerthcn, practischen Gebranch von etwas

machen: he enibraced the mesmeric doctrines in all their pristine

integrity and now s them in his medicai practice. Ch. 448.

benchers s. add. zu H. „Anvvaltskammer" : the intended to try

a colleague for professional misconduct. Ch. 560 (ausführliche Ab-

handl. über das AVort). Berlin shop: s. Tapisserieladen, Pntzgeschaft those fascinating in-

stitutions, popularly known as a , whereat every kind of futility

in needlework might be obtained. Cli. 559. bilgc-keels s.: plates or planks, technically known as , are

filled at right angles to the bottom of ships, and in the direclion of

their length, to check it by the resistance they ofFer to the water,

when the ship has a tendency to roll. Cli. 485. blank -wall = doad-wall : the was pulled down and replaced by

the fine open railing. Ch. 494.

boiling-pitch s. Siedepunkt: to keep him at the . Ch. 500.

bolide s. Feuerkugel, Äleteorstein. Ch. 488.

bonxie s. die Raubmöwe, sonst skua: the is a fieice and formid-

able bird. Ch. 564. boot s. add. zu H.: he had not proposed to entertain his son at din-

ner, he rather intended to put the on the other leg, as the saying

is. Ch. 498, also ganz allgenfiein. breezy adj. frisch: his way of ventilating some subjecls. Ch. 488. build s. der Schnitt (eines Anzuges): a sunimer suit of unniistakable

London . Ch. 563. butt s. in füll , gerade auf etwas los. Ch. 499. C^aique s. türkisches Ruderboot: to lie at ease on the cushions of a

and darting over pellucid waters. Ch. 505. now the gay

of the pacha shoots past like an arrow. ib. calimanco s. gestreiftes glänzendes Wolienzeug : for which Nor-

wich formerly was celebrated. Ch. 487 ; entstanden durch Buch-

Beitrüge zur englischen Lexicographie. 81

«

stabenversetzung aus camelanco. mlat. iis, Kleid aus Kameel- haaren.

canny: L. hat nur hübsch, zierlich, niedlich; Wb. giebt cautious, wary, skilful, dextious; ihe Irish, when in their cups were ahvays violent and outrageous, the Scotch soldiers were always . Ch. 556.

caporal s. eine Art Tabak: I had filled my own pipe with . Ch. 564.

carbon s. (L. Holzkohle) ist das allg. Wort für Kohle: coal, coke or vegetable cbarcoal, the three varieties of carbon. Ch. 559.

casting-box s. Würfelbecher: and dice. Ch. 500.

cat-head v. a =: weigh- let us our an chor. Ch. 563.

cave in v. n.: he had got him in a cloft stick, and there was nothing but to and he did . He wrote at bis brother's dicta- tion, that etc. „klein beigeben" Ch. 543.

celluloid s. ^:= a new substance composed of guncotton, used for the fixing of artificial teeth. Ch. 487.

Chancery s. Sl. H. nicht ganz richtig, wie aus der ff. Stelle hervor- geht : he found himself in that pyhsical checkraate known as , he had got bis head under bis rival's left arm, who was holding it down to a convenient level for the right band to bob bis nose. Ch. 560.

character s. Original: though he was aware of meeting a . Ch. 489.

chestnut s. der Braune : the goes at a tremendous pace. Ch.557.

chowkeydar s. = watchman (ind.) : to find my s dozing in the nioonlight. Ch. 500; upset a couple of drowsy s. ib.

circus-boots s. Stulpenstiefel. Ch. 557.

close s. Sackgasse: sorae are in closes or harrow passages , 3ome front the main thoroughfares. Ch. 491.

clough s. (Bergb.) eine Schleuse: the is a kind of floodgate, rising some 5 inches above the water and causing the waters in the Upper reaches, as they accumulate lo stand on a higher level than those below. Ch. 559.

cof f i n -sh ip s , baufällige Schiffe: as great a sin as sending sailoi'S to be drowned in . Ch. 486.

coli s. die Haartour, rolle: the camelia-bud was fixed among the soft dark golden-threaded . Ch. 486. (L. hat nur ,,das zusam- mengelegte Tau werk, die Rolle des Rauchtabak".)

Aixliiv f. 11. Sprachen. LIY. ^

82 Beitrüge zur englischen Lexicogrnphie.

collcctor s. add. zu H. : it is a 's duty every year to Iravel in cir- ciiit through bis district, Hearing causes and adjusling complaints day by day (ind.). Ch. 500. commuted men, add. zu L. : one can scarcely credit that, a common form of punisbment for trifling ofFences being flogging, men so sen- tenced had the Option of escaping that torture by volunteering in a West-Indian corps to serve for life. These poor wretches were

called . Ch. 556.

constituency, add. zu H. : he was candidate for the suffrages of a .

Ch. 566.

coombe s. Felsenthal (bes. in Devonsh.) : we may look throngh the

sunny watering-places and the stony s ... in this old land.

Ch. 491.

cor bei v. a. to out, hervorspringen lassen: the clever manner in

which the old Scottish masons Windows high in the air. Ch. 491.

cordials s. herzstärkende Mittel: the concoction of balsams, oint-

ments, waters and . Ch. 502. corral ( el) (Am.) s. : the , which is something like a stable and farmyard in one. Ch. 503; he retreated to our corral. ib.; before the correll of waggons was made. ib. 556.

county-court v. a. he fears that ne will be ed. Ch. 558.

Cracker s. der Gedankenblitz, witzige Einfall: some of these episto-

lary s are very amusing. Ch. 484. cradle s. ein Geräth der Goldwäscher: this machine, an excellent in- vention, contained thiee floors of zinc perforated in holes of de- creasing size. Ch. 509. craze s. Verrücktheit, fixe Idee: in this view of the matter the of the mesmerism has been a good thing. Ch. 488 ; a very different specimen of humanity with a craze. ib. 498 ; he had a slight and believed himself to be Jenny Cameron. ib. 543. creamy adj. blass: with complexion. 550. er oft er s. Besitzer eines kleinen Grundstücks. Ch. 484. crutch s. der hintere Knopf (pommel) des Sattels: a horseman's cloak tied up in a bündle and hung on the of her saddle. Ch. 559. I>aily s. tiiglich erscheinende Zeitung, Tageblatt: the oldest of tlie

London ies. Ch. 488. Ebenso: weekly, bi-weekly, triweekly. daundering. add. zu H.: you're but a sweet-heart. Ch. 490.

Beiträge zur englischen Lexicographie. 83

Davy s. auch ohne lamp: genuine ies with a Httle flame inside

their covering of gauze. Ch. 559. deodorise, add. zu H. : the acid is efficaoious for ing. Ch. 561. disbar, add. zu H.: in all cases of ring or laking away the right

to practice, after call. Ch. 560. disinfectants s. Desinfectionsmittel : from the smell the experienced

would infer . Ch. 558. phenic acid and coal-tar are active .

Ch. 561. do, to up, in Stand setzen: a grindstone, with which he would set

to w'ork, ing his sword. Ch. 489. doctor, to = up: false dies of aneient coins so ed as to pass

for old. Ch. 501. donkey-engi ne s. = a small engine used generally for pumping up

water or raising coals from a shipshold, also used at dredging: to

reach such depths a derrick and are indispensable. Ch. 485.

doggyness s. horseyness.

Dot, abgek. Mädchenname für Dorothy (Dotty).

double s. at the , im Sturmschritt: we made our way to it

. Ch. 565; aber we trudge on at the collier's . Ch. 559, in

gleichem Schritt mit . (Vgl. double = Ebenbild.) draw s. Anziehungspunkt: for the idle the town is a draw. Ch. 544;

too lata our friend discovered the pond was a draw for frogs ; the

mightiest of all our civic s is the metropolis. ibid. drone v. n. langweilig sprechen, faseln: he will on, unless you

run a pin in him to let the talk out of him. Ch. 498. duplex telegraphy = the practice of sending two messages along

a telegraph wire in opposite directions, at the same time: duplex

tel. has passed into common use among telegraphists. Ch. 500. Ensable v. a. schwarz kleiden: contemplating his d widow.

Ch. 490. euchre s. im Hasardspiel: he might lose it at or blind-hooky.

Ch. 497; I lost every penny I was worth at . ib. 499 ; he

sighs aftor some of his confounded Yankee pothouse games, euchre

or etc. ib. 500. exhibition s. Schaubude: once the Fat Boy of a travelling .

Ch. 498. Fair s. (Am.) Ausstellung: a had been held there, corresponding

to what we would call an exhibition. Ch. 503.

6*

84 Beiträge zur englischen Lexicographie.

fast adj. auch von Sachen: he cast a look at the somevvhat looking equipage. Ch. 501.

fast s. Sclinellzug : to catch the fast for Grimsby. Ch. 532.

fate-fraught adj. todbringend: Belladonna. Ch. 543.

fender-stool s. ein Schemel, der im Winter vor den Kamin gestellt, namentlich beim gemüthlichen Plauderstündchen in der Dämme- rung gebraucht wird. Ch. 484.

fertiliser s. Dungmittel: whole carcases are speedily converted into a that meets a ready sale. Ch. 566.

flush, add. zu H. : in einer fortlaufenden Linie: a low wale was con- tinued with the lane. Ch. 550,

form s. =: blank form Formular: in the taxgatherers room a number of and accessments were piled up here and there. Ch. 504 ; she owns a house in London which is charged with income-tax and she has n't got a hundred a year so she is despatched with a blank of portentous size. Ch. 504.

fringes, poet. für eye-lashes: lest a tear should make its escape and hang on the thrick dark . Ch. 484.

full-cock s. her ears were at listening, mit gespitztem Ohr. Ch. 498.

full-dress-in-a-carriage distance: eine kurze Entfernung, auf welcher man den Gesellschaftsanzug gleich anzieht, ihn nicht im Koffer mitbringt. Bays and boxes had been unpacked and the

toilettes of the ladies who came from beyond the , were

in progress. Ch. 557,

Gral- Stahle s. Pferdestall (Laue.) I met Jemmy in the (all horses are gals down Lancashire pits, above ground youiig women are „las.ses".) Ch. 562.

gange s, das Gleis. Wb. in railroads the distance between the rails; daher to break , aus dem Gleise kommen; bildl. die einmal ge- wählte Laufbahn verlassen. It is late of three and twenty to and be shunted on to a new line. Ch. 532.

get, to one's seif, sich für etwas ausgeben, sich geberdon wie: that rascal s himself capitally as a parson. Ch. 562.

gingerly, L hat nur zart, zerbrechlich, auch „zimperlich, ängstlich vorsichtig" : I took care not to show my stcAv in stepping over the rocking boats. Ch. 505.

Beiträge zur englischen Lexicographie. 85

g ods s. die Besucher der Gallerie des Olymp (Theatersl.) he was obliged to sing himself hoarse, only because it pleased the (o roar out encore. The said were a noisy lot quarrelling with the tenants of the two-shilling gallery between the acts or arausing themselves by pelting the pit with orange-peel. Ch. 503.

gossipry s, L. nur „Gevatterschaft", auch „Klatschgesellschaft": women always like their little ies with women. Ch, 506.

goiirmet s. (frz.) Feinschmecker: was it Ihe cookery that attracted him: he was rather a - . Ch. 502.

Grecian bend, leichte vornehme Verbeugung der Damen ä la Grecque, neben dem tieferen Roman fall.

griphy = gripple, geizig, filzig. Ch. 484.

groomsman s. Braut(eigtl. Bräutigara-)führer (vgl. bride's man): he GUght to be in great request as , for bis Speeches have both wit and brevity. Ch. 486.

gun s. die wichtige Persönlichkeit: the „Times" was not so great a gun, in size or in power, in 1804 as in 1874. Ch. 563.

Hail s. add. zu H. : though he had to gallop, he kept within of me. Ch. 562.

harness s. bildl, der Beruf, Dienst: he must stop in another five years. Ch. 565; that he would die in was what gossips pre- dicted. 532.

he ad s. add. zu H. : beer with a on. Ch. 558, auf Schaum ge- schenktes Bier.

heavy s. (Theaterslang) = chargirte Rolle: the stage-manager's business is to cast the piece according to the merabers of the com- pany's suitability and talent. The ,line of character' (Rollenfach) may be recognised under a few heads. There is first what is termed ,Leading Business' (Hauptrollen). This comprises all the heroes and heroines of tragedies and in some principal comedies

also then there is the First Heavies : the actor engaged

for this line always anticipates the pleasure of playing all the

villains, and anything but a gentleman Then comes the

,Walking Gentlemen' and , Walking Ladies' who hawe little to do beyond being married to soraebody at the end of the piece. Then come a host of , Utility' people, persons who deliver mes- sages and lead armies, and do all the speeking parts in the Comic scenes of a pantomime. Ch. 562.

86 Beitrage zur englischen Lexicogra])liic.

ho me- lies s. Familienbande, leben: his life was centred in

and household pleasures. Ch. 491. Honiton lace =: ächte in Honiton (Devonshire) verfertigte Spitzen:

like some antique bride whose contraets painfuUy with the

wrinkles of the wearer. Ch. 485. hood s. L. giebt „Doctorhut, eigtl. nur der Umschlag (?) an demsel- ben, welcher den Doctorgrad anzeigt." Wb. = an ornamental

fold that hangs down the back of a graduate (to mark his degree).

Die M. A. hood ist roth: he examined the which he had just

taken ofF an Oxford B. A. ,rabbitskin' .... Mr. B.'s (red

hood) is a M. A. hood, mine a Bachelors. Ch. 489. hood s. auch das Verdeck eines Wagens: a very old chaise with a

leathern hood over the front seat. Ch. 550. hör nie s. (schott.) der Teufel: believed to be in league with auld .

Ch. 559. horse-hair s. die Perrücke des Lawyer : I wish yon had selected a

walk in life more new-fashioned than this of wcaring .

Ch. 532. horseyness s. die Neigung mit Pferden umzugehen und das davon

angenommene Wesen : for much and doggyness prevailed in

those days in the Barholme district and D. loathed such mas-

culine tastes. Ch. 559. household: physician of the , Hausarzt, Leibarzt: a worthy man

whom William III knighted and made . Ch. 566.

hypnotism s. = the State of Stupor produced by a continual fixation

of a person's mind and eye, with absolute repose of body and ge -

neral quietude. Ch. 488. lou s. der Schuldschein irn Slang (I owe you) : all to have to do is

to get his for the money. Ch. 500. incline s. der sanfte Abhang, die schiefe Ebene, für Fuhrwerke:

there is a flight of steps for foot-passengers and an for those

invalids who require to be rolled into the aquarium on chairs.

Ch. 504. Indian file = Gänsemarsch: foUowing a narrow path under cover

of trees in . Ch. 565. Inn, add. zu H.: The degree of Apprentice at Law, or

Lette r-Barrister was equivalent to the Bachelor of Civil Law at

the universities of Oxford and Cambridge; the degree of Serjeant

Beiträge zur englischen Lexicogiaphie. 87

(serviens ad legem) was eqiuil with that of Doctor of Civil Law. Ch. 560. interme diäte s. Zwischendeck: If he be a married man, the cabin is the proper place ; if he be iinmarried, he should go or steerage. Ch. 562.

tfolly V. a. aufmuntern, loben, add. zu H. : you are brave when

being ied by your pals. Ch. 493. jumping-powder s. Brausepulver (?) when the meal was over and

he had swallowed a little . Ch. 502.

Kerb s. der durch die Prellsteine gebildete Absatz zwischen Fahr- strasse und Trottoir: along the are drawn up a row of goodly carriages. Ch. 504 ; he saw Denny's pony-chair standing by the . ib. 543.

kitchen s. die Zukost: the poor people were glad to have such whole- some (as fish) to their potatoes. Ch. 563; thieves-kitchen Diebsherberge: known as the Ratcliflfe Highway s to the London police. Ch. 500.

k night s. (L. falsch: Läufer, das ist bishop) heisst nur der Springer im Schachspiel: their pretty head shaped like that of a horse or a at chess. Ch. 504.

knuckle-duster s. add. zu H. : he got an ngly knock with my brass s. Ch. 485.

kookerry s. (ind.) = a large knife with a thick back and an edge as keen as a razor, much used by the Ghoorkas in lieu of a cutlass. Ch. 500.

liadle V. a. mit dem Löffel einfüllen: as he d the tea into the

teapot. Ch. 501. Lady-day s. gewöhnl. Zahlungstag der Miethe in England: the Lady-

day rents would be paid late in June and the Michaelmas about

December. Ch. 565. laithing-hammer s. der Hammer des Maurers: his batlle axe, lika

the mason's , had a sharp little axe on one side and a ham-

mer on the other, Ch. 503. larky adj. Slang: lustige Streiche machend. Ch. 493. lay, to out, auf das Paradebett legen, einsargen : I saw her before

she was laid out. Ch. 566. Leading-business: s. u. heavy.

S8 Rcitnip;^ zur englischen Loxicographie. ^

le^' V. a. betrügen (im Spiel): you have boen vvhat you call ged. Ch. 501.

leg V. a. = mit den Füssen fortbewegen: the Colliers planting their feet against the roof will push the boat forward by ging« Ch. 559.

Letter -Bar rister, s. u. Inn.

le tter- weigher s. Briefwage: a small^ German-silver . Ch. 500.

life s. they bar me at pool now at the club unless I'll have a knocked off and that I can't stand : beim Billardspiel ein X vor- geben. Derjenige, welcher eine bestimntte Anzahl XXX hat, schei- det als „todt" aus. Ch. 498.

lift V. a. to the hair of somebody, scalpiren. (Am.): the dis- appointment the reds would feel in endcavouring to my . Ch. 556.

linesmen s. Linientruppen: mobiles, , gnnners and Franc-tireurs crowded the only street of the town. Ch. 56 3.

Lords', at =: Lords' Cricket Ground, Marylebone, London N. W. : not the cricket at Lords', but the chirp of the little animal of that name. Ch. 488.

lumber-man s. (Am.) der Holzfäller : withont a siiigle human habita- tion, unless a couple of 's camps can be so considered. Ch. 563.

]?Iake-belie V e adj. nor any kind of , but genuine hearty

dancing. Ch. 558. malinger v. n. allgemein = the art of simulating diseases with a

view to escape some irk-some duty. Ch. 488. middle-turn s. der Dienst in den Mittagstunden: I amon , said

the acting guard. Ch. 490. mongoose s. eine Halbaffenart (Maki Mongoz) P. was a pet of

raine. Ch. 500. mullioned, add. zu L. : the gable pierced with Windows. Ch, 500.

IVego ti a tress neben ix, Unterhändlerin. Ch. 507.

newel-staircase s.Wendeltreppe: bedescended anarrow . Ch.503.

nodings s. = a child's way of pronouncing „nothings": like the little funny maiden in Hans Breitmann that had-on. Ch. 500.

Oars s. University , diejenigen Studenten, welche sich bei den Oxford und Cambridge boat-races auszeichnen: many hundreds of

Beiträge zur englischen Lexicogssiphie. 89

young men who never attain to the prond distinction of becoming, as the phrase goes, . Ch. 4 91.

oatli of office s. Diensteid, zn unterscheiden von dem oalh of alle- giance, Hiildigungseid. L, übersetzt beides mit „Diensteid".

orphanage s. Waisenhaus. Ch. 493.

outcome s. Verlauf, Ende, Resultat: it is the necessary of the gradual absorption of democratic rights. Ch. 504.

outcrop s. Ausläufer: in geology the Coming out of a Stratum to the surface of the ground. Wb. : this is the northern of the London basin. Ch. 503.

outlying parish (add. zu L. outlier), Filialgemeinde. Ch. 489.

Output s. der Ertrag (einer Grube): we heard no whisper about limiting the ontput in ordei- to keep up prices. Ch. 559; the total of coal in Great-Britain , in 1872, was 123,000,000 tons. ib. 504.

over-indulge, to one's seif, sich übernehmen. Ch. 484.

ä^elterer s. = fiirrier: the fishmongers and the s carae to blows. Ch. 489.

pencil V. a. mit dem Bleistift schreiben. (L. hat nur „zeichnen, an- streichen"): she thrust the led scrap into a stray envelope. Ch. 489.

photo s. st. photograph : anything more ghastly than the it would be diffici^lt to imagine. Ch. 503.

pillar s. (Min.) die Stelle, wo mehrere unterirdische Kanäle zusam- mentreffen: a pillar is, in railway parlance, a junction. It takes its name from the post ihat is fastened at the extreme corner in which is a ring by which the boats raay be tacked about at right angles. Ch. 559.

plum s. to pick out the s, sich das Beste heraussuchen: to pick out the s of this volume is no easy task. Ch. 488.

point-blank adj.: we saw the dark line of the French, within distance, eine Entfernung, welche das Weisse in der Scheibe er- kennen lässt. Ch. 561.

priggishness s. Eitelkeit: tbere is a in his records. Ch. 498.

professions s. add. zu H. al: his bearing in private life re- sembles that of the younger sons of the English nobility who have entered the . Ch. 557.

prospector s. Am.: among the varieties of character to be met with

J)0 Beiträge zur englischen Lexicograpliie.

in thesc wild regions is that of the , a man who lives a vagrant,

wandering life, searching for „rieh leads", by which he will never

care to profit. Ch. 490. pugree (pugaree) s. = the white cloth or veil, gentlemen wear on

their hats in India, or in hot Aveather in England too ; yellow-

looking disciples of the H. E. I. C. S. overwhelraed by an avalanche

of . Ch. 494. puppyhood s. Jugendalter (von Thieren) : natural to him from his

. Ch. 495. p u t , to out coals, zu Tage fördern. Rabbitskin, s. u. hood. raccroc s. eigentlich Fuchspartie beim Billard, (frz.): a lasting

for 2 or 3 days according to the popularity of the host and the

vigour of the choice spirits of the guests. Ch. 557. r ai Iway- wrap per s. Reisedecke. Ch. 488. ramee s. ^ a textile fibre of which is made the so called China

Grass Cloth. Ch. 565. ration-tin s. Feldkessel: each being filled with soup and meat.

Ch. 559. R'd adj. three men (Leute von Schulbildung) started wild theories.

Ch. 562; zu H. (reading, writring, 'rithmetic.) recoup, to one's seif, durch einen coup sich (pecuniär) erholen:

he thought it a good idea to himself by winning tfee favour and

fortune of Miss D. Ch. 490. red-tapeism s. Beamtenzopfthum. Ch, 556. reformatory s. Correctionshaus. Ch. 560. road-agent s. Strassenräuber : much excitement was feit on finding

they had taken up the business of s. Ch. 503. Roman fall, s. u. Greoian. rorer s. the nightwalker, bruiser, and , whose daylight were de-

voted to inveighing strangers into taverns and fleecing them by

the aid of false dice =: Bauernfänger. Ch. 489. rough and tumble, add. zu H. to take it : Canada is a step-

mother to the dainty gentleman who has not learnt to put ofF his

gentility and , sich jeder groben Arbeit unterziehen.

Ch. 563. Sandy, Abk. für Alexander. Ch. 566. sc am per, auch s. : I have had a to catch you. Ch. 498.

Beiträge zur englischen Lexicographie. 91

scenic artist s. Bühnenmaler: the is consulted as to the

new scenery. Ch. 562. scientists s. (Am.) Männer der Wissenschaft: the , as Brother

Jonathan deh'ghts to call them. Ch. 496. semolina s. add. zu H. : means half - milled or half-ground.

Ch. 496. shecarrie s. several bronzed and bearded s. Ch. 494. shilfa s. eine kleine Drosselart in Schottland: the willow-tree from

whose green core the calls. Ch. 493. shostings s. Jagdgründe: his were to be placed at Mr. M's.

disposition. Ch. 557. Shoulder s. Vorsprung (eines Berges) : rounding the . Ch. 543;

to turn a cold to, unbeachtet lassen (nicht blos vulg., wie L. to

give the meint), ib. sit, to out, auf einem Balle nicht tanzen, „schimmeln": nobody

wanting to and nobody going through it with boredom in

his soul. Ch. 558. slak s. das ruhige Fahrwasser an beiden Seiten der Hauptströmung:

the boatmen take a consideiable Stretch to the north in the

of the current to make the opposite side. Ch. 505. solarisation s. } when a film has been excited by light, d photo- solarise, V. a. ) graphers call it; this excitement or ion can be

communicated to another film, Ch. 505. Splint s. = a hard excrescence growing on the shank-bones of horses.

Wb. : he was affected with neither thoroughpin nor . Ch. 562, stage-carpenter s. Theatermeister. Ch. 592. stand-up desk s, Stehpult. Ch. 492. Start V. a. : to a newspaper. Ch. 488. 493. stay-tape s. (L. -Schneider) das Stagtau. S. A. the grim shears

of Death cut his of life. Ch. 494. steam s. to let off on somebody, seinen Aerger an Jemand aus- lassen. Ch. 543. storiette s. kleine Erzählung: the foregoing we have Condensed

from an historical tradition. Ch. 559. strangers s. Besuch: Lucy had one of those bits of tea in her cup,

which are usually called . Auch in Deutschland bedeuten

schwimmende Theeblättchen „Besuch". Ch. 500.

92 Beitragt; zur cnj^lischen Lexicograpliie,

strike, to out for one's seif, sich seinen eigenen Weg bahnen.

Ch. 505 (add. zu H.). stuff-gown s. der wollene Talar des barrister: waiting tili the

stufF-gown be changed to silk. Ch. 532; vgl. H. : silk-g. sunn s. ein der Jute ähnlicher Webstoff": jute, which is now so largely

used ; and , which has begun to bc imported. Ch. 565; the -

of India is the fibre of the inner bark of the stem of an exogenous

plant, ib. sweying s. = the pain of a burn : the is eased by repeating :

God save the bairn, burnt sair. Ch. 504. swelldom s. the rooted aversion to , as it is profanely called.

Ch. 498. Tartaned, karriert: all over with transverse rows of yellow spots.

Ch. 500. tat V. n.? busily ting away at some wellfingered edging. add. zu

H. : tatting. teachability s. Gelehrigkeit. Ch. 495.

three-decker s. scherzhafte Bezeichnung einer Art von Kirchen- sitzen: the parish clerk seated in the ground tier of a . Ch. 489. throw, to off", Abzüge machen (Buchdruck): put this writing in

print and as many as you can aflford for this sum of raoney.

Ch. 488. ticket-clerk s. Billetteur an der Eisenbahn. Ch. 490. toe s. to throw up one's s, davon laufen. Ch. 500. tone down v. n. (L. hat nur das v. a.) schwächer werden (von Far- bentönen) : a fourth circle imperceptibly ing into the grey

tint of the clouds. Ch. 488. touch s. to give the finishing , die letzte Hand anlegen. Ch. 486. trace s. to leap (kick) over the , über die Stränge schlagen. Ch.

485. 504. tramp dorn s. Pöbel, Vagabunden: the whole of was on the move.

Ch. 544. trän sf er s. = a certificate of a person having removed into a tax-

gatherers district who has left unpaid taxes in another district.

Ch. 504. trole (trole) s. die Rundfahrt: his chariot with a pair of his Flanders

mares took him a about the park. Ch. 504.

Beiträge zur englischen Lexicographie. 03

tuft-hu n ting, schmarotzend: she may be a raere adventuress.

Ch. 560. Tun, früher ein Gefängniss in London: a sweeper of litter in Chepe

was sent to (he Tun for . Ch. 489; the swaggering chaplain

seilt to the for . ib. turpover s. Umsatz: what's your a week ? Oh, about a thousand !

Ch. 550. Up: they had nod got a horse , (im Stalle) they were all ninning;

to have a person , allgem. „arretieren": he has not arrested a

Single man, since he has been wiih us, so he took his chance in

ing you —. Ch. 563. Utility , s. u. heavy. Vestas s. Wachszündhölzchen: nations that knew as little of flint

and Steel as they did of Lucifers and . Ch. 595. visitor's book s. Fremdenbuch: my wife found herseif near the

and found that the new arrival etc. . Ch. 560. ^%'^aifs. auch von Personen: der Vagabund: the s of the city.

Ch. 489. walk- Clerk s. add. zu H.: accompanying the on his rounds,

which in those days even junior members of a firm were wanted

to do. Ch. 498; ob H. darnach richtig? w alkin g- 1 adies , s. u. heavy. warfare s. auch die Unbilden des Wetters: her bonnet had become

disordered by the of the day. Ch. 484. warm adj. wohlhabend (Börsenslang): he was not reckoned rieh at

that lime but merely . Ch. 532. waste 8. in pil language. means the old workings , that district of

the mine, from which the coal has been removed; man: the

office of the is to keep these air-roads in order, and see

that they do not become blocked up by fallen shale, so as to stop

the Ventilation. Ch. 562. what, not but = zwar: not but April is a charming montli

at Meran. Ch. 543; the English had to retreat . ib.

561. whirasey s. Name einer im Kohlenbergweik gebrauchten Maschine:

just to our left is one of those old-fashioned engines, called a .

Ch. 559. w hi te- f a votir ed, add. zu H. : favour: so the pairwere amalgamated

94 Beiträge zur englischen Lexicograjibie.

and toasled and cakes and and packed abroad for a month.

Ch. 500. Yaffle V. a. cant für to rend: the beast is ing the men. Ch. 500. Zoo. s. scherzh. Abk. für zoological garden : he also made aquaintance

wlth the band in Kensington and at times with the - and other

innocent resorts. Ch. 498.

Beurtheilungen und kurze Anzeigen.

A French Graminar, based on Philological Principles. By Her- mann Breymann, Ph. D., Lecturer on French Language and Literature at the Owens College, Manchester. London, Macmillan & Co. 1874. 8.

Der Vertasser des vorliegenden Buches, den Lesern des Archivs schon durch mehrere in diesen Blättern veröffentlichte Artikel modern-philolo- gischen Inhaltes bekannt, ein Deutscher, welcher seit einigten Jahren den französischen Unterricht an Owens College in Manchester leitet, hat sich die Aufgabe gestellt, die Resultate der rc^manischen Philologie, angewandt auf die Behandlung der französischen Grammatik, in Enghind bekannt zu machen. Ein Jeder, der die englischen Unterrichtsverhältnisse kennt und der weiss, auf welcher niederen Stufe bisher der Unterricht in den neueren Sprachen in England gestanden, wird das grosse Verdienst, welches sich der Verfasser durch die Herausgabe einer auf wissenschaftlichen Grund- sätzen beruhenden Grammatik um den Unterricht in der französischen Sprache in England erwirbt, anerkennen. Mit Recht macht der Verfasser dem englischen Publicum gegenüber darauf aufmerksam, dass die fran- zösische, als neuere Sprache, wenn sie in der richtigen Weise gelehrt werde, wohl berechtigt sei, mit den alten Sprachen die Aufgabe zu theilen, ein wahres und gesundes Studium humanitatis zu fördern. Und eben zu dem Zwecke, die richtige Art und Weite des Unterrichts im Französischen zu zeigen, hat Dr. B. bcine Grammatik geschrieben Dieselbe ist das Resultat eines tiefen Studiums der Werke aller der Mäi.ner, welche auf diesem Ge- biete als unbestrittene Autoritiiten dastehen. Daneben hat es der Verfasser nicht versäumt, eine grosse Zahl von Werken weniger hohen Ranges einer genauen Prüfung zu unterwerfen, um auch aus diesen denn sie bieten ja ein jedes in seiner Weise eine Menge Vortreffliches für sein eigenes Buch den möglich grössten Nutzen zu ziehen.

Wenn der ^'el fasser bei Abfassung f-einer Grammatik vor Allem den Zweck einer auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruhenden Darstellung im Auge hatte, so war er doch auch bemüht, dem Ganzen eine möglichst prak- tische Form zu geben. DessLalb hat er das gesammte Material in zwei Theile getheilt. Er hat sich dabei die griechische Grammatik von Curtius zum Vorbilde genommen. Der erste Theil behandelt

I. in der Phonologie: das Alphabet, die Consonanten und Vocale, die orthographisclien Zeichen, Aussprache (vollständige Zusammen- stellung der Ausnahmen), die Theilung der Wörter in Silben, die \'erbindung der Wörter, den Gebrauch der grossen Buchstaben;

yo lieurtlieiliingen und kurze Anzeigen.

II. in der Fornieiilebre: die Verben, Artikel, Substantive, Adjeetive, Pronomina, Numeralia, Adverbia, Präpositionen, Conjunctionen, ]nterjei;tionen; wobei überall nur auf die Frage, wie ist die Sprache, geantwortet wird.

In dem zweiten Tbeile, den Reasons and lllustrations, thut dann der Verfasser dar, wie die Sprache entstanden ist. Er giebt hier zunächst in gedrängter Kürze eine Geschichte der französischen Sprache, dann, im engen Anschluss an die Abschnitte des ersten Theiles, die Entwicklungs- geschichte der Formen, wobei er vortreffliche Bemerkungen aus dem Ge- biete der vergleichenden Philologie, doch in weiser Beschränkung nur in Bezug auf die französische Sprache, einstreut.

Durch diese Sonderung in zwei Theile gewinnt das in der Grammatik dargebotene, sehr reiche Material bedentend an Uebersichtlichkeit. Damit der Studirende im Stande sei, sicii über die Formen, welche er im ersten Theile erlernt, stets Rechenschaft zu geben, verweist der \'erfasser bei jedem Paragraphen des ersten Theiles auf den entsprechenden des zweiten.

Auf Einzelheiten des Buches einzugehen, scheint an dieser Stelle nicht geboten; doch möge erwähnt werden, dass der Verfasser besondern Fleiss auf eine klare Darstellung der Conjugation verwandt hat, die nicht ver- fehlen wird, dem Studirenden das Erlernen dieses schwierigsten Theiles der französischen Formenlehre wesentlich zu erleichtern. Hierzu wird übrigens auch und das mit Bezug auf die ganze Grammatik die vortreffliche Ausstattung des Buches in nicht geringem Masse beitragen.

Möchte eine recht baldige Anerkennung des Buches in England den Fleiss des Verfassers lohnen!

A. Lüttge.

Die Grundzüge der französischen Literatur- und Sprachgeschichte bis 1870. Mit Anmerkungen zum Uebersetzen ins Fran- zösische von H. ßreitinger.

Die verschiedenen Vorzüge, welche dieses Werkchen besitzt, machen es zu einer sehr willkommenen Erscheinung.

Die Darstellung der Literaturgeschichte ist übersichtlich, für den kleinen Raum sogar eingehend; die Hauptmomente und charakteristischen Notizen sind klar und bündig hervorgehoben; und die ganze Entwicklung erhält dadurch einen besondern Reiz, dass die verschiedenen Epochen gleich - massig behandelt sind und keine Phase auf Unkosten einer andern vernach- lässigt oder ungebührlich bevorzugt wird.

Das Hauptverdienst des N'erfassers liegt jedoch in dem musterhaften Abi'iss der Sprach geschieht e. Es ist dies eine Arbeit im Geiste Brachet's, der für Frankreich die neuesten Resultate auf dem Gebiete der romanischen Philologie in populärer Form zusammengestellt und damit in weiteren Kreisen gezeigt hat, dass all die Regelmässigkeiten und Unregelmässigkeiten der französischen Grammatik auf einer geschichtlichen Grundlage ruhen. In ähnlicher Weise folgt der Verfasser dieser „Grundzüge" der geschichtlichen Entwicklung der französischen Sprache vom Vulgärlatein der römischen Soldaten bis zum Französischen der Pariser Roman- und Zeitungsschreiber des 19. Jahrhunderts.

Eben so willkommen als diese übersichtliche Darstellung der Literatur- und Sprachgeschichte sind besonders für jüngeie Studirende, die sich mit den grossen Werken der französischen Geschichte, Literatur und Philologie vertraut zu machen wünschen, die zahlreichen bibliographischen und theil-

Beurtheilungen und kurze Anzeigen. 97

^veise kritischen Nacliweise am Schlüsse des AVevkchens. Wer schon erfahren hat, wie schwierig es heutzutage oft ist, aus den zahllosen lite- rarischen Werken das Passendste und Nützlichste herauszufinden, wird dem ^'e^fasser Dank wissen für den zuverlässigen Rathgeber, den er ihm an die Hand gegeben hat.

Für Schulen, wo die französische Literatur studirt wird, bieten diese „Grundzüge" den doppelten Vortheil eines Hülfsbuches zum Studium der Literatur und eines Uebungsbuches zum Studium der Sprache.

Die Sprache als Kunst von Gustav Gerber. II. Band. 1. Hälfte. 245 Seiten. Bromberg 1873. 2. Hälfte. 301 Seiten. Brom- berg 1874. Mittler'sche Buchhandlung (H. Herzfelder).

Indem wir den zweiten Band der Gerber'schen „Sprache als Kunst" in diesen Blättern anzeigen, müssen wir in Bezug auf die Bedeutung des Werkes im Allgemeinen auf unsere Beurtheilung des ersten Bandes im 48. Bande des Archivs S. 175 182 zurückverweisen. Wir haben dort als ein hervorragendes Verdienst des Buches bezeichnet, dass es in bestrittene und unklare Punkte der Aesthetik, die Lehre von den Kedefiguren und die Berechtigung gewisser gewöhnlich der Lyrik zugerechneter Kunstprodukte, Klarheit gebrat^ht hat; wir haben ferner die Ueberzeugung ausgesprochen, dass die Untersuchung über die Anfänge der Sprache, welche zu den schwer- sten wissenschaftlichen Problemen gehört, mit einer solchen Allseitigkeit und Schärfe geführt ist, dass des Verfassers Auffassung als eine für den heutigen Standpunkt der Wissenschaft gewisserraassen abschliessende und definitive betrachtet werden kann; wir haben sodann daraufhingewiesen, dass eine der wichtigsten Aufgaben der neueren Philosopliie eine Kritik der Sprache, und dass das vorliegende Buch ein werthvoller Beitrag zur Lösung derselben ist; wir haben endlich erwähnt, dass das Werk ein bequemes Nachscblagebuch und eine reichhaltige Beispielsammlung für die Reilefiguren zu werden ver- spricht, in welcher dieselben mit einer unseres ^^'issens noch nicht vorhan- denen Vollständigkeit behandelt werden, und zwar so, dass ausser dem Griechis<hen, Lateinischen und Deutschen auch namentlich das Französische und Englische, aber auch Sanskiit. Hebräisch, Italienisch und noch andere Sprachen Berücksichtigung gefunden haben. In dem zweiten Bande, den ein index terminorinn s(hlies?t, ist jenes Versprechen vollständig erfüllt. Es begegnet uns hier überall, wie im ersten Bande, dieselbe Reichhaltigkeit von vortrefflich gewäblten Beispielen , welche wir der grossen Btlesenheit und dem guten Geschmack des Verfassers verdanken. \'on Anfang bis zu Ende tritt uns dieselbe Gründlichkeit der Untersuchung entgegen, wobei keiner Schwierigkeit aus dem Wege gegangen, keiner Unklarheit Spielraum gelassen wird; wobei keine der in der Entwicklung der Sprachwissenschaft aufgetre- tenen Ansichten unerörtert bleibt; wobei das einmal als richtig anerkannte Princip der Begrifi'sbestinuuung und Eintheiiung mit Konsequenz durch alle Einzelheiten durchgefiihrt wird.

Wir geben im Folgenden eine Uebersicht des Inhalts des zweiten Ban- des. In dem allgemeiiien Theile des ersten Bandes rechtfei tigt der Verfasser die Aufstellung der Spraehkunst als einer besonderen Kunstgattung und gliedert sie in Spraclie als Kunst, Sprachkunst im Dienste der Sprache und Sprachkunst in ihrer Selbstständigkeit. In dem ersten Abschnitt des beson- deren Theils behandtdt der Verfasser die Sprache als Kunst, d. h., er weist nach, wie die S|)rachschöpfun<); ein Werk naiver Kuu'-t i-t; wie jedes Wort nach seiner Bedeutung und deren Wandel ein Tropus (Synekdoche, Meto-

Arckiv f. n. Sprachen. LIV. <

98 Beuitheiliingen und kurze Anzeigen.

nvmie, Metapher) ist; wie es, nach seinem Laufkörper betraclitet, die giam- nuitischen 'Figuren phonetischer Art (Euphonie, Kakophonie u. s. w.), nach seinen Bfzieliungen betrachtet, die syntaktisch-grammatischen Figuren (Pleo- nasinu-^, Ellipse, Enaliage) erzeugt. Der zweite Abschnitt 'ies besonderen Theils (II. Band, erste Plälfte) behandelt die Sprachkunst im Dienste der Kede, d. h. diejenigen Werke der Sprachkunst, welciie schon immer als der Kunst angehörig betrachtet wurden. Die Eintheilung derselben darf nach des Verfassers Deduktion nicht aus den Arten der Seelenerregung oder aus dem Inhalt des Seelenmoments hergenommen, sondern sie muss in Rücksicht auf die Weise bestimmt werden, wie die Aenrierung der Ausdrucksformen zu Stande kommt. Danach zerfallen diese Formen in Bild-, Laut- und Sinnfiguren. Die Bild- oder ästhetischen Figuren theilen sich in Synekdoche und <]ie auf ihr beruhenden Figuren, als namentlich das Beispiel, Metonymie mit Vergleichung, Metapher mit Gleichniss. Die Laut- oder phonetischen Figuren gliedern sich in Onomatopöie als Figuration der symbolischen Be- zeichnung, Gleichklange und Euphonieen, in denen das musikalische Element der Sprache zur Geltung kommt, und Wortfiguren (Wiederholungen , Weg- lassungen. Wechsel in iStellung und Bedeutung der Wörter), welche rhe- torische Wirkungen erzielen. Die zweite Hälfte des zweiten Bandes bespricht zuerst die dritte Gattung der Figuren, die Sinn- oder noetischen Figuren. Diese werden in solche eingetheilt, welche durch Häufung umi Steigerung des Ausdrucks wirken, wie der Pleonasmus un<l die Hyperliel, in solche, welche durch Beschränkung und Unterbrechung oder Abschwächung des Ausdrucks wirken, wie Aposiopesis und Litotes, und in solche, welche auf einer äusseren oder inneren Umgestaltung des Ausdrucks beruhen, wie Frage, Anrede , Paradoxon , Ironie. Ein Anhang enthält solche termini , die bei den Alten noch sonst vorkommen und von dem Princip des Systems aus verworfen werden mussten. Es folgt der dritte Abschnitt des iiesondenm Theils, die selbstständigen Werke der Sprachkunst. Auch hier muss sich die von Anfang au durchgeführte Eintheilung bewähren. Den etymologischen Figuren der naiven Sprache, den ]jhonetischen der literarischen Sprache ent- sprechea die Laut- und Wortspiele (naive Volkslieder, literarischer \'\'ort= ■Witz., WorträtliselJ, den syntaktischen und den noetischen Figuren die Sinn- sprüche (Sprüchwörtcr, Epigramme. Gnomen, Sinnwitze, Sinnräthsel), den Tropen und ästhetischen Figuren die von dem Verfasser so genannten sym- bolischen Sprachbilder. Dem Beispiel entspricht hier die Fabel, der Ver- gleichung die Parabel, dem Gleichniss die Allegorie, das allegorische Räthsel und der Bildwitz. Zum Sclduss werden dem (Jränzgebiete zwisclien Sprach- kunst und Poesie die Ghaselen, das Madrigal, das Rondeau, das Triolett, das Sonnett u. a. zugewiesen.

Wenn wir den Fall berücksichtigen, dass der Verfasser eine neue Aus- gabe seines Werkes zu veranstalten sich veranlasst sehe, so möchten wir uns erlauben, ihm Folgendes zur Erwägung anheim zu geben. Der Leser- kreis, welchen derselbe ins Auge gefasst hat, scheint nicht allein aus Sprach- forschern und Rhetorikern ex professo zu bestehen; er hat gewiss auch an den Philosophen mr Allgemeinen, an den Aesthetiker im Besonderen, an den Künstler, an den Gebildeten überhaupt gedacht. Wir schliessen dies aus der Ausführlichkeit gewisser Auseinandersetzungen, besonders im ersten Bande, die für die eine Kategorie von Fachleuten so manches Bekannte enthalten, während sie einer anderen recht erwünscht sein mögen. Was den Gebildeten überhaupt betrifft und wir müssen, gewiss im Einverstiind- niss mit dem Herrn A'erfasser, lebhaft wünschen, dass die Rtsultate seiner Forschungen möglichst Vielen zu Gute kommen, so wird derselbe im un- gestörten Genuss des Gebotenen durch die vielen Citate aus fremden Sprachen zu oft unterbrochen. Vielleicht empfiehlt es sich desshalb, in einer neuen Ausgabe einen möglichst fortlaufenden Text zu geben, worin die unentbehr-

Beurtheüungen und kurze Anzeigen. 99

liebsten Citate in Uebersetzungen gegeben werden, während die Originale der Citate und die ausschliesslich gelehrten Untersuchungen und Exkurse in Anmerkungen hinter dem Texte zusammengestellt werden.

Bromberg. Weigand.

Cursor Mundi (The Cursur o the world). A Northumbrian Poem of the XIV. Century. Ed. by Richard Morris. Part 1. London. Trübner, 1874. 8. XLVIII und 2ö8 S. Mit zwei photolithographirten Tafeln.

Das vorliegende Werk bildet die neueste Publikation der Early English Text Society, welche seit ihrer Gründung iui Februar 18G4 nun schon ein Jahrzehnt hindurch mit re;xein Eifer und seltener Ausdauer bemüht ist, die bisher nur handschriftlich vorhandenen Schätze der altenglischen Literatur zu erschliessen und schon Gedrucktes, soweit es vergriffen oder nach einer in Eufjland häufigen Unsitte nur in wenigen Exemplaren erschienen und da- durch gar nicht in den Buchhandel gekommen, durch die Reprints der Extra Series weiteren Kreisen zugänglich zu maciien. Der Cursor Mundi ist bisher, namentlich von englischen Lexicographen, zuletzt beson- ders von Halliwell (Dictionary of Archaic and Provincial Words), citirt worden, jedoch nur nach dum Ms. Coli. Trin. Cantab. und war als Ganzes unzugimgllch, so dass von der eigentlichen Natur dieses mittelalter- lichen Werkes nur von denen ein Bild gewonnen werden konnte, welchen es im Manuscript zugänglich war. Der Druck desselben bezeichnet geradezu einen Abschnitt in der Laufbahn der Early English Text Society. Mehr als hundert Jahre ist das Gedicht citirt und sein Druck gewünscht worden; jetzt ist es der Gesellschaft gelungen, dies endlich durchzuführen und der erste Theil L'egt mit gewöhnlicher Sorgfalt von R. Morris heraus- gegeben vor uns , und zwar in vielfachem Paralleltexte. In der Ein- leitung (p. 17) sind die Texte geschildert. Das älteste Äis. des Cursor, aus dem Anfange des 14. Jahrb., befindet sich in der Bibl. des Royal Col- lege of Physicians in Edinburg, ist aber Fragment und bildet nur einen Anhang zu der Ausgabe der Gesellschaft. Von den vier Paraileltexten ist der älteste (Cotton Vesp. A III) dem British Museum angehörig und vollständig erhalten. Der zweite Text (Fairfax Ms. 14), dem Alter nach der vierte, zeigt grosse Abweichungen, eine hedeutemie Lücke is: aus einem Land Ms. der folgenden Familie ergänzt. Der dritte und vierte Text (Göttingen Ms. theol. 107 und Ms. K. 3. 8. Trinjity College, Cam- bridge) bilden mit dem nichtpublicirten Ms. des College of Arms in London eine dritte Familie, von denen der Göttinger Text noch älter, als der des Trinity College und noch mehr der des College of Arms jünger als Fair fax Ms. sind. Der Göttinger Codex wurde durch Vermittlung des Prof. Pauli vom preussischen Cultusministerium an R. Morris nach England verliehen Durch die beschriebene Einrichtung ist eine nur selten gebotene Möglichkeit geboten, Vergleichungen zwischen den vier Texten anzustellen. Das (iedicht selbst ist aber nicht nur sprachlich von liohem Interesse. In vielen Tausenden von Versen (der erste Theil giebt Vers 1—4954) erzählt es in seltsamen und zierliL-hen Wendungen und Ge^lanken von der Schöpfung und dem Sündenfall, Abel, Noah, Abraham, Isaac u. s. w. Der erste Theil schliesst mit der Geschichte von Joseph und seinen Brüdern. Der Dichter aber sagt uns (p. 15 , er wolle schreiben über den alten und neuen Bund und die ganze Wilt; wir haben also noch manches zu erwarten, besonders werden, ausser den Erzählungen des alten und neuen Testamentes, noch die Himmelfahrt der Maria, das Auffinden des Kreuzes, der Antichrist, der jüngste

1*

100 nt-urtlieihingcn und kurze Anzeigen,

Tag angekündigt, ferne r Marias Trauer am Kreuz und ihre Geburt. Der Dicliter sclireibt in hübschem, frischen Tone, alles, wie er sagt, in englischer Zunge, aus Liebe zu den englischen Männern des lustigen England; denn l'ranzösische Verse siml Engländern nichts nütze; (!r nennt sein Buch Cur- sur 0 werld,"' ,.For ahnast it ouer-rennes all". Die beigefügten zwei sauber ausgeführten Photolithographien zeigen in 4. und in den Farben der Origi- nale je ein Bruchstück der Göttinger und der Cambridger Hand- schrift. — Die reichhaltige Einleitung giebt ausser der Nachricht über die neue Publikation einen reichhaltigen Bericht über die Thätigkeit der Ge- sellschaft in den nun verflossenen zehn Jahren ihres Bestehens, die Liste der Mitglieder, den neuen Plan für beide Reihen von Veröffentlichungen bis 1883; wir entnehmen demselben, dass u. a. für 1875 der zweite, für 1876 der dritte und für 1877 der vierte Thell des Cursor Mundi in Aussicht genommen sind. Was die Gesellschaft bisher geleistet, und noch zu leisten gedenkt, verdient um so mehr Anerkennung, als ihre Mittel nur be>cliränkt sind. Es ist deshalb zu wünschen, dass auch von Deutschland aus derselben immer mehr neue Mitglieder zuwachsen; das Interesse für altenglische Stu- dien ist ja auch in unserem Lande lebendig genug, und mehrere wohl- bekannte deutsche Namen befinden sich sogar in der Liste der Mitarbeiter. Berlin. H. Bieling.

* Cursor mundi, the Cursur o the world, Cursur o werld, Cursur of [le werlde, Coursur of [)e werld, Cours of jiis world sind die verschiedenen V'ersionen des Titels.

P r o gr am m e n s ch au.

Das mittelniederdeutsche Gothaer Arzneibuch und seine Pflan- zennamen. Von Prof. Dr. Regel. (Schluss.) Progr. des Gymn zu Gotha 1873.

Der Schluss dieser Abhandlung, deren erster Theil schon früher im Archiv angezeigt ist, bringt ebenso werthvoUe, vielleicht noch werthvollere Beiträge zu einem mittelniedenieutschen Wörterbuch. Der Verf. hat, wie früher, nicht bloss das Gothaer Arzneibuch sorgfältig ausgezogen , sondern auch auf andere Glossarien verwiesen, er hat ähnlich, wie Schiller m seinem mecklenburgischen AVörterbuch, auch öfters an Gebräuche und Glauben, der sich an diese oder jene Pflanzen knüpft, erinnert, blanche der Pflanzen- namen existiren auch jetzt noch und anderwärts, für sehr viele weiss Verf. aber einen jetzt üblichen niederdeutschen Namen nicht anzugeben; es ist auffallend, wie unser Landvolk der Pflanzenwelt gegenüber sich gleichgültig verhält und hunderterlei nur mit dem Namen Kraut benennt. U. a. bringt das G. Arzneibuch den merkwürdigen Namen hygelhagel; Ref. weiss so ■wenig etwas über dies Wort zu sagen wie der Herausgeber. Den Namen kovele erklärt dieser sehr einleuchtend als Sturmhut. Das levisticum er- scheint unter den Benennungen lavestock, lawestock, lowestock, labestock, lobestock. Interessant ist auch der Namen hegenkraft für grosser Huflattich d. h. derselbe vereinigt in sich die heilkräftige Wirkung der Neunzahl, wie sie sonst in neun verschiedenen Kräutern erscheint. Wie räthselhaft ist der Name syneckel, vielleicht, wie der Herausgeber meint, eine Umformung von cynocephalion. Der Name unser leven vrouwen beddestro erscheint bekannt- lich noch verschiedentlich. Bei valeriane giebt das G. Arzneibuch die be- achtenswerthe Notiz, dass das Valerianenwasser Versöhnung und Freund- schaft zu stiften vermöge: unde weret sake, dat eyn man und.wyf nicht wol aver eyn droghen unde se des drunken uth eneme nappe, se scheiden vrun- den werden. Der werthvolle Beitrag zur niederdeutschen Literatur möge nochmals der Beachtung empfohlen werden.

Die Siegerländer Mundart. Von Dr. J. Heinzerling. Progr. der Realschule zu Sieben 1874.

Eine schätzenswerthe Sammlung von Idiotismen und Regeln der sieger- länder Mundart hat Prof. Schütz in zwei Programmen der Siegener Real- schule geliefert, die Anerkennung und Würdigung auch in Grimms deutschem

102 Programmenscliau.

Wörterbuche gefuiuU'n babon. Auf diesem Grunrlc baut weiter fort, ist aber weitläufijrer angelegt vorliegende, durch eine Spracbkarte illu- strirte Abhandlung, die wir nur als den ersten Theil einer ausführlichen Arbeit anzuseilen haben. Der Verf. betrachtet zuerst die verscliiedeneii niederdeutschen Dialekte und hebt be.sonders den mecklenburgischen, west- fälischen und niederländischen hervor; dabei war aber der uiedersächsische nicht zu übersehen, als dessen Unterart wir doch nur den mecklenburgischen anzusehen liaben. Er charakterisirt die binnendeutschen Dialekte, die sich zum niculerd. hinneigen, zu den niederrheinfränkischen, einem derselben o-ehört der siegerl'ander, aber in das Siegerland zieht sich auch der hessische Dialekt hinein. Diese Scheidungen und Vermischungen gibt sehr belehrend die beigegebene Karte an. Die EigenthUmlichkeiten des Dialekts werden nachoewiesen zunächst an den Vocalen, in denen die Hinneigung zum Nie- derdeutschen sehr stark hervortritt, sodann an den Consonanten, bei denen wir aber im Lande einen grossen Gegensatz zwischen dem Noi'den und Süden finden. Diese Betrachtung soll forlgesetzt werden; möge diese und das Verzeichniss der Idiotismen bald erscheinen !

Studien zu Shakespeares Julius Cäsar von Erenbert Gerstmayr. Programm des Gymn. zu Kremsmünster 1873.

Der Verf. stimmt zunächst mit den neuesten englischen Literarhisto- rikern, dass der Julius Cäsar nicht nach 1601 gedichtet sei, weil Weever 1601 aui eine Shakespearesche Stelle ofienbar anspiele. Wegen der mehrfachen Aehnlichkeiten mit Stellen im Hamlet meint er, dass Hamlet zu einer Zeit gedichtet wurde, wo S. auch sclion mit Julius Cäsar beschäftigt war. Für die genauere Zeitbestimmung scheint dem Ref. ein Argument schlagend, wel- ches Prof. F. Schöne verbürgt: Polonius erzählt, wie er einmal in der Rolle des Cäsar von Brutus auf dem Kapitol umgebracht sei. Die Abweichung von Plutarch in dem Lokale des Todes Cäsars findet sich nur in Shake- speares Julius Cäsar, daraus ist zu schliessen, dass der Dichter im Hamlet auf sein eigenes Stück zurückblickte, folglich der Julius Cäsar auch in das J. 1600 fällt. Das oben erwähnte Programm erzählt dann auf das aus- führlichste den Stoff der Tragödie nach den Quellen, von Cäsars gallischem Zuge an bis zu Brutus Tod. Richtig gibt der Verf. Plutarch als Shake- speares Quelle an; aber die Behauptung, dass es nicht unwahrscheinlich sei. dass S. auch Appians römische Geschichte in lateinischer Uebersetzung und Sueton gelesen habe, wird durch nichts erhärtet. Der letzte Abschnitt ist betitelt: Die Fabel. Es wird kurz nach den Scenen der Inhalt unseres Dra- mas angegeben, und dann auseinandergesetzt, dass der Dichter nicht mit den allgemeinen Vorschriften des Aristoteles in Widerspruch steht.

Ueber Shaksperes Julius Cäsar mit besonderer Berücksich- tigung des Verhältnisses zur Quelle des Stückes. Von Prof. J. Schöne. Programm des Gymn. zum heiligen Kreuz in Dresden 1873.

Die vortreffliche Abhandlung führt den Beweis, dass allein Plutarch in der Uebersetzung die Quelle Shaksperes war, dass bei einem Urtheil über das Drama jede Beziehung auf andere geschichtliche Quellen unberücksich- tigt zu lassen sei. Durch Plutarch bekam der Dichter den Plan einer Cä- sartragödie so in die Hände, wie er ihn ausführt; Pluturchs Cäsarbiographie

Programmenschau. 103

legte dem Dichter auch diejenigen Ereignisse vor Augen, welche endeten was des Märzen Idus anfing. Die Meinung, dass Shakspere sein Drama nacl) Brutus habe benennen sollen, ist liinfallig, in den beiden letzten Akten ist fiie dämonische Macht, der unbesiegbare Geist Cäsars die leitende Idee; darum hat der Dichter die Stellen gehäuft, in denen auf Cäsars Rachegeist hingedeutet wird (3, 1. 5, 1. 5, 3. 5, 5. Anton, u. Cleop. 2, 6.); das Ge- schick Cäsars hebt sith mächtig vor dem des Brutus hervor, dieses ist von jenem bedingt. Der Dichter brauchte nicht Cäsar als Staatsmann und Feld- herrn vorzufuhren und dennoch nicht zu befürchten, dass Cäsar als Prahler erschien, sobald er spricht. Die geringen Züge von Schwäche verdunkeln nicht die Grösse der Person, welche durch ihren Ade!, durch die innere Würde ihrer Erscheinung sich machtvoll über die Gestalten des Dramas her- vorhebt. — Von Cassius gibt Plutarch als seine persönliche Meinung an, dass nicht persönlicher Hass, sondern die ihm von Anfang an innewohnende Feindschaft gegen die Tyrannei ihn geleitet habe: daraufhin läs.st ihn der Dichter besser erscheinen als ihn die Geschichte nennt, und ihn dadurch unserm Herzen näher kommen. Zum Urheber der Verschwörung machen ihn sein scharfer X'erstand, seine Entsclilossenheit und Rücksichtslosigkeit geeignet; aber durch das rein menschliche Gefühl in seiner spätem Begeg- nung mit Brutus wird er unserer menschlichen Empfindung näher gebracht. Der Brutus Shaksperes ist dem Brutus Plutarchs sehr ähnlich, aber der Dichter hat diesem antiken Charakter einen glückhchen Zusatz des Modernen, des rein Älenschlichen beigemischt, nämlich die iMilde und Weichheit des Gemiiths, das zarte Gefühl, die Hingebung und edle Humanität. Brutus und Cäsar stehen in einem engeren Verhältnlss, als die (leschichte angibt, es ist ein inniges, wahres, auf persönlicher Zuneigung beruhendes F'reund- schaftsverhältniss, nicht das des Gönners zum Günstling. Bei Sh. erscheint Cäsar nicht als V\'ohlthäter des Brutus; daher erscheint uns der Brutus, der den besten Freund um des gemeinen Wohls erschlägt, minder verdammens- werth, als uns der Mörder des Wohithäters erscheinen würde. Seinem Cha- rakter nach gelangt nun bei der erschütternden Katastrophe nicht sowohl (las Heroische der That eines mit harter Männlichkeit ausgestatteten Römers, als vielmehr das Tragische eines zu verhängnissvoller Entscheidung gedräng- ten edlen Menschen zu vollt-m Ausdruck. Was bei Brutus den Ausschlag gibt, ist nicht sowohl die Erwägung des künftigen Einflusses der Aliein- gewalt auf Cäsars Charakter, als che Vorstellung der Gefahr, die aus Cä- sars voraussichtlicher Charakterverschlimmerung für Roms Freiheit erwach.^^en müsse. Wie aber Shakspere den Brutus gezeichnet hat, so muss nach der That sich in den Schmerz um den vergeblich gemordeten Freund auch der Schmerz um den Mord, an dem Freunde begangen, sich mischen; daher seine Unruhe, seine Zerstörtheit; so erklärt sich die Erscheinung des Geistes. Im Antonius stellt der Dichter nicht bloss einen politischen An- hänger Cäsars hin, sondern einen Freund, dessen Anhänglichkeit an den Machthaber in den Tiefen der Seele wurzelt; und durch die Naturwahrheit dieser Empfindung wird die ganze Unnatur enthüllt, welcher Brutus anheim gefallen ist. Der Dichter hat sich eng an seine Quelle im Julius Cäsar angeschlossen, aber er musste als Dichter auch Abweichungen vornehmen; aber keine Veränderung trägt das Kennzeichen einer Fälschung, daher die Objekiivität der Dichtung, so dass auch die Zuthat Shaksperes als eine Ueberlieferung der Quelle erscheint.

H bischer.

M i s c e 1 1 e n.

Gedichte von Felicia Hemans,

übersetzt von Adolf Laiin.

Das Wrack.

Nothschüsse hallten durch die Nacht

Vom Klippenstrande her. Der Morgen strahlt in düstrer Pracht

Aufs schaumbedeckte Meer. Ein Schill' von Indiens fernem Strand

\\'ard von dem Sturm erfasst Und grub sich in den Küstensand

Mit Kiel und Vordermast.

Bevor das Könitrsschiff versank,

Kämpft' es voll Kraft und Muth, Das Kabel schwamm wie leichter Tang

Zerfasert auf der Fluth. Zerrissen lag die Flagge dort,

Die Stern der Meere war, Das Deck zerstört, die Anker fort!

Doch Schlimmres ward uns klar!

Die Ladung lag umher am Strand,

Mit leuchtend hellem Schein Blitzt in dem rings durchwühlten Sand

Mnnch selt'ner Edelstein. Zerstiebten Aschenfunken gleich

Bot rothes Gold sich dar Und seidne Kleider, schmuck und reich;

Doch Scblimmres ward uns klar.

Und Leichen schwammen auf der Fluth,

Gar traurig anzuschaun, Wie sie gekämpft mit Sturmeswuth

Las man auf ihren Braun. Wir sahn dort eine Frau'ngestalt,

Bedeckt vom Meeresgras, Wir sahn drin eine Mutter bald,

Das Aug' von Thränen nass.

Miscellen.

105

Wir sahen wie ihr Arm umfing

Ein Knäblein auf dem Schooss; Ob auch die Welle drüber ging,

Sie Hess das Kind nicht los. Wild aufgelöst umwallt' ihr Haar

Die herrliche Gestalt, Ihr weisses, langes Nachtkleid war

Zerfetzt von Sturmsgewalt.

Wie lächelte das Kind so mild,

So lieblich anzuschaun, Es war des Schlummers holdes Bild,

Umwebt von düstrem Graun. Zu seiner Mutter hingewandt

Des blauen Auges Strahl, Hat es den Schrecken nicht gekannt,

Und nicht der Mutter Qual.

O Menschenlieb', o Mutterherz,

So treu in Angst und Noth, Der Trennung Weh, des Abschieds Schmerz,

Wie malt ihn hier der Tod! Dir steht ein bessres Loos bevor

In schönrer Heimath Licht, Dort ruhst du und dort hört dein Ohr

Des Meeres Klage nicht.

Die Häuser Englands.

Stattliche Häuser Engelands,

Wie Ihr das Herz erfreut, Von alten Bäumen überwölbt,

Durchs grüne Land zerstreut. Dort durchs Gehege streift das Wild,

Durch Feld und Wiesenplan, Und wo die ^VelF ans Ufer schwillt,

Da rudert stolz der Schwan.

Ihr lustgen Häuser Engelands,

Durchsprüht von Heerdesgiuth, AA'o fn. h auf dem Familienkreis

Der Hlick der Liebe ruht. Dort wird gar manche Mähr' erzählt,

Manch Lied erklingt im Chor, Und aus den alten Weisen rauscht

Die alte Zeit hervor.

Glückseel'ge Häuser Engelands, Wo Alles ruht und schweigt,

Wenn Sal.bathstille feierlich Sich rings herniederneigt.

Durch Wald und Flur herüber tönt Vom Dorf der Glocke Schall

Und nur die Blätter flüstern leis. Sonst Ruhe überall.

Jhr schmucken Häuser Engelands,

Ihr strahlet weit und breit, Euch spiegelnd in der Bäche Flutb

Um Stadt und Dorf gereiht. Euch schliessen grüne Gärten ein

Mit ihrer Früchte Last, Im Grase lagern Lämmelein,

Der Vogel singt im Ast.

Ihr freien Häuser Engelands

Lang sei in Hütt' und Hall' Der starke Mann mit stolzem Muth

Der Freiheit Burg und Wall. Lang möge Flur mid Hain hier blühn,

Grün sei des Baches Rand, Wo früh der Kinder Herzen glühn

Für Gott und N'aterlnnd.

106 Miscellen.

Die Blumen.

Bringt BUuncn, bringt Blumen zum Festesmahl,

Bekränzt, bevor er gvlecrt, den Pocal,

Bringt Blumen, sie blulien im Feld und am Strauch

Und senden dem Ze})h}r balsaniisehfu Hauch,

Sihon winkte die Rose der Sonne Schein,

Die Halle zu schmücken beim perlenden Wein.

Bringt lUumen, bestreut des Eroberers Pfad, Der stürmenden Schrittes die Throne zertrat, Er kommt mit der Beute der Völker geschmückt, Die Reh' ist vom Rad seines Wagens erdrückt; Wo die Schlacht er gewann, ist der Rasen roth, Bringt Blumen ihm hin und weiht sie dem Tod.

Bringt Blumen hinab in des Kerkers Nacht,

Sie reden von lustiger Waldespracht

Dem armen Gefangnen, von blumiger Au,

Vom wallenden Strom und vom Himmelsblau,

Sie bringen ihm sonnige Stunden zurück,

Und den Traum vom entschwundenen Jugendglück.

Bringt Blumen, bringt Blumen zum bräutlichen Kranz

Und schmücket der wallenden Locken Glanz,

Es ziehet die Braut aus der Heimath fort,

Sie verlässt der Kindheit traulichen Ort,

Sie hat dem Liebsten sich anvertraut,

Bringt Blumen der jugendlich blühenden Braut.

Bringt Blumen herbei für die Todtenbahr, Bekränzet der frühe Geschiedenen Haar, Für sie erblühte die weise Ros', Für fie das Veilchen im Waldesscliooss, Und wenn auch umsonst der Kranz ihr lacht, Er wird ihr als Zeichen der Liebe gebracht.

Bringt Blumen herbei für des Beters Altar Und bietet Gott sie zum Opfer dar, Sie lenken im Blühen und Welken den Sinn Vergänglicher Menschen aufs Ewige hin. Sie schlafen im Staub, in des V/inters Nacht, Und erwachen im Lenz in verjüngter Pracht.

Die Gräber der Märtyrer.

Die Gräber alter Kön'ge stehn Für Wahrheit, Freiheit und für Gott,

In hoher Älünster dunklem Raum, Sie wankten nirht in Angst und Noth

Der Helden grüne Hügel sehn Und gingen freudig in den Tod. Ins Meer hinab vom Küstensaura,

Wo aber birgt der Erde Schooss Wo ruhn sie? Keines Denkmals Pracht

Der Märt'rer Schaar, die namenlos ? Giebt ihre enge Ruhstatt kund,

Ihr Name selbst, gehüllt in Nacht,

Die Muth'gen, die kein Lied erhebt. Lebt nicht mehr in des Volkes Mund,

Ertrugen freudig Hohn und Spott, Und selbst der Ort ist unbekannt,

Sie haben nie im Kampf gebebt Wo sich ihr Flehn zu Gott gewandt.

Miscelleu.

107

\ ielleicht, dass hier verstreut und

dort Die Äsche jener Menge ruht. Und unser Fuss durchwallt den Ort, Wo man ver^oss ihr edles Blut. Dass Blumtn, die wir blühen sehn, in ihrem Staub gewurzelt stehn.

Der Bäume Laub, das uns umwebt. Das leis im Winde lauscht und bebt, Der Bach, der sanft vorüberwallt, Dess Murmeln traut ans Ohr uns

schallt, Vermöchten ach! sie kund zu thun, A\'o jene heü'gen Schläfer ruhn !

Da wird des Herzens Drang erfüllt, ^^'o ihre Nähe sich enthüllt. Da werden wir zu Dank entfacht, Dass sie zum Opfer sich gebracht, Doch ach 1 es schweigen Strom und

^Vald Von ihrem stillen Aufenthalt!

Enthüllt auch nirgends Feld und Flur, Der Filgersehnsucht ihre Spur, So sei's darum gleich ihm, der tief Im Grab, das Gott ihm machte,

schlief, Ruhn sie; ihr Grab, ob unbekannt, Bezeichnet ist's von Gottes Hand.

O lasstsie ziehn!

Sie kam zu uns aus ferner Flur, Ihr Aug' ist hell und rein,

Trägt keines ird'schen Tages Spur Und sirahlt im Sonnenschein. O lasst sie ziehn!

Der Erde J^ust, der Erde Qual, Wie liegen sie ihr fern.

Sie blickt aufs niedre Erdenthal Gleich einem milden Stern. O lasst sie ziehn !

Der Liebe Drang, der Hoflnung Fluj Sie ziehn sie himmelwärts,

Sieht sie die Wandertauben fiiehn. Schwillt sehnsuchtsvoll ihr Herz. O lasst sie ziehn!

Wenn leise durch die Blätter rauscht

Des Windes Melodie, Vernimmt sie Himmelstön'und lauscht,

Und glaubt, man riefe sie. O lasst sie ziehn!

Ihr Geist, umwallt von lichtem Traum, Schwingt sich empor und eilt

Zu jener Küsten seergem Raum, Wo ihr Geliebter weilt. O lasst sie ziehn!

Komm mit mir!

Komm nüt mir, der Sonne Schein Ruft dich hin zum schatt'gen Hain, Sieh, der bunten Blumen Glanz Spiegelt sich im Wellentanz.

Komm dahin, Wo das zarte Uferkraut Zitternd sich im Strom beschaut,

Komm mit mir!

Ein Geflüster steigt empor Aus des Schilfs bewegtem Rohr, Das sich hebt und das sich neigt. Wenn der Westwind es durchstreicht.

Konom dahin, Wo der Biene Summen klingt. Wo am Kelch sie Honig trinkt.

Komm mit mir!

Heiter strahlt des Himmels Blau Rings auf Feld und Flur und Au, Während dort im grünen Wald Froher Vögel Lied erschallt.

Komm dahin, Wo der Busch, mit Thau besprengt, Schatten auf uns niedersenkt.

Komm mit mir !

108 Miscellen.

Hätt' ich der Lerche Schwingen!

Hält' ich der Lerche Schwingen, Dort tr'auften Jubellieder,

Wie flog' ich froh empor, Die meiner Brust entspringen,

Wie wiird' ich vorwärts dringen Wie Frühlingsthau hernieder.

Bis an des Himmels Thor; Hätt' ich der Lerche Schwingen! Zum Berge würd' ich streben,

Wo helle Quellen springen. Doch mit viel süssen Banden,

Durch Wolken würd' ich schweben, Gewebt aus stillem Glück,

Hätt' ich der Lerche Schwingen. Die mir das Herz umwanden,

Kult Liebe mich zurück.

Befreit von ird'schen Sorgen, Sie würde bald mich wieder

Schwamm' ich im Aetherblau, Zum trauten Neste bringen.

Dort trübt den goldnen Morgen Wie flog' ich schnell hernieder,

Nicht Einer Wolke Grau. Hätt' ich der Lerche Schwingen!

Beitrag zur Etymologie der schottischen Sprache.

Seit einer Reihe von Jahren haben zahlreiche Gelehrte den Sprach- schatz der Englischen Sprache hinsichtlich der Abstammung seiner Wörter einer genauen Untersuchung unterworfen und es ist ihnen dabei gelungen, bis auf einen kleinen Rest die Quelle derselben zu ermitteln. Der Einfluss der Dänischen Sprache auf die Gestaltung des Englischen Spiachkörpers ist dabei jenseits des Kanals verschieden beuriheiit worden, denn während z. B. Macaulay sagt: „The Danish and Saxon tongues, both dialects of one wide- spread language, were blemled together" und der bekannte Dr. Hugh Blair sich so äussert: „The Teutonic Dialect is the basis of the present speech. It has been imported among us in three forms: the Saxon, the Danish and the Norman, all whicli have mingled together in our langnage," bemerkt der Herausgeber seiner lectures, the Rev. Thomas Dale, A. M. : „Of the Danish there are no vestiges discoverable in the English language" und Bernli. Schmitz in der Vorreile zu seiner Englischen Grammatik scheint ihm offenbar beizustimmen, wenn er sagt: „Der Einfluss der Altdänischen Sprache auf die Angelsächsisclie (in der ersten Hälfte des li. Jahrh.) wird gewöhnlich zu hoch an::csciilagen." Den Umstand, dass die Spuren der Dänischen Sprache im jetzigen Englisch so wenig sichtbar sind, erklärt Mol- bech, die histor. Entw. d. dän. Schriftsprache im Archiv f. n. Spr. Bd. X pg. 293 so: „Es ist dies nicht anders geschehen, als dass einerseits die eigene organische Kraft der Sprache unverändert blieb, während sie doch die ganze widerstrebende, fremde Wörtermasse bezwang, welche in das Angelsächsische überging. Die grammatische Grundform der Sprache blieb acht Englisch." Auch Henry Reed in seinem Buche: English Literature from Chaucer to Tennyson, pg. 54, huldigt dieser Ansicht, wenn er das Englische aus Saxon und Norman bestehen lässt und dann so fortfährt: „The trutii rather seems to be that the Anglo Saxon language has displayed the same powcrs of acquisition, as have distinguished the race and have thus enlargeil the domain by conquest and appropriation and annexation, re- taining, however withal, its essentially Teutonic character. Der Name „Dä- nische Sprache" kommt freilich dabei nicht einmal aus seinem Munde. Ganz anders hat sich aber die moderne Sprachforschung der Schottischen Sprache gegenüber verhalten, sei es, weil sie im practischen Leben nicht von so grosser Bedeutung ist, sei es, weil es für die Führung dieser Untersuchung an vielen Vorarbeiten und Hülfsmitteln fehlt, sei es, weil es den Männern von Fach oft an Zeit und Gelegenheit fehlt, sich eingehend längere Zeit mit diesen Studien zu beschäftigen. Zwar giebt es schon ein etymologisches Wörter-

Misoellen.

109

buch der schottischen Sprache von Jamicson, allein der Verfasser war-^wohl nicht mit so allgemeinen Sprachkenntnissen ausgerüstet , dass er ein auch für die Gegenwart noch genügendes Werk herstelle:! konnte, und da also über kurz oder lang eine weitere derartige Arbeit nothwendig werden dürfte, so erlaube ich mir als einen Baustein zum neuen Werke einen kleinen Bei- trag aus der Feder meines Collegen, des Oberlehrer J. Kürschner, beizu- tragen, der das bekannte Dictionary of the Scottish Language by Thomas Brown, M. P. S. London 1840 erst nach etwaigen dänischen, dann nach etwaigen plattdeutschen Elementen durchgesehen und mir das Resultat die- ser Aroeit freundlichst zur \'erfügnng gestellt hat. Wenn sich bei dieser Arbelt nun herausgestellt hat, dass die Anzahl von dänischen Wurzelwörtern im Schottischen doch grösser ist, als man von vielen Seiten hat zugestehen wollen, und wenn dabei solche wichtige ^Vörter des täglichen J^ebens wie bairn und ilk vorkommen, so wird man doch erst einsehen müssen, da>s der Einfluss des Dänischen in den nördlichen Bezirken und Mundarten Eng- lands grösser gewesen ist, als bisher angenommen wurde. Vielleicht wäre es eine dankbare Aufgabe, diese mit dem Dänischen und Plattdeutschen übereinstimmenden Wörter der schottischen Sprache, wie O. Pilz im Archiv f. n. Spr., Bd. XI, pg. 89. mit Macleod und Dewar's Dictionary of the Gaelic language gelhan hat, nach Begrift'ssphären oder nach den vorgefallenen laut- lichen Veränderungen zusammen zu stellen, doch hoffe ich, dass auch die lexicalische Anorinung der Wörter eventuell eine Benutzung ermöglichen wird. Indem ich nun diesen Beitrag zur Etymologie der schottischen Sprache den geehrten Collegen zu weiterer Prüfung und Beachtung vorzulegen wage, erkläre ich mich schon lür hinreichend zufrieden, wenn derselbe zu ferneren Forschungen auf diesem Gebiete anregen sollte.

Prof. Dr. Jaep.

Schottisch.

Dänisch.

Deutsch.

Bairn

Barn

Kind.

to ban

bände

fluchen.

barm

Bserme

Hefe.

to belt

belte, subst. Belte

gürten, Gürtel,

benk, bink

Bsenke

Bank.

to big

bygge

bauen.

to buller

buldre

poltern, lärmen.

Claith (engl, cloth)

Klajde

Tuch.

Dwalm, dwaura

Qualme

Beklemmung,Ohnmacht

Earn

(Erne

Adler.

to fecht

ftegte

fechten.

feide

Feide

Fehde.

firth

Fjord

Seebucht.

to flit

flytte (plattd. flutten)

umziehen.

to forsta

forstaae

verstehen.

frae

fra

von, von her, von weg.

to ga, gae

gaae

gehen.

to gar

gjöre

machen.

gled

Glede (Glente)

Geier (Flabicht).

glaive

Glavind

Schwert.

gool, gule

guul

gelb.

to greit, greet, impf.

grat

graede

weinen.

grippet (impf.)

gribe (impf grob)

greifen.

110

Miscellen.

Schottisch,

Dänisch.

Deutsch,

hals, hawse

Hals

Hals.

harnes (engl, brains)

Hjerne

Gehirn.

haru-pan: Öchildel.

Paude: Stirn.

to heckle

haegle (plattd.

hekeln)

hecheln (in beiden Be- deutungen).

to heeze, heis

heise

hissen, aufziehen.

ho, hoeshin

Hose (plattd.

hase)

Strumpf.

kemp

Kjempe

Riese, Kämpfer.

to ken (engl, to know)

kjende (plattd

. kennen)

kennen.

kirk (engl, church)

Kirke (plattd.

Kark)

Kirche.

kist, kyst

Kiste

Sarg.

to lang (engl, long)

la:>nge (platld

längen)

sich sehnen.

to lere, lare

Iffire (plattd.

eren)

lehren und lernen.

to lat (engl, let)

lade (plattd

aten)

lassen, erlauben.

lift, lyft

Luft (plattd.

ebenso)

Luft.

lind, lynd

J^ind (plattd.

Linde)

Linde.

maun (engl, must)

maa

müssen, auch dürfen.

to mansweir, mensweir

meensvoren (

nur part.)

falsch schwören.

mirk, mark

niörk

dunkel.

mereswine

Marsviin (pl.

Meersviin)

eine Art Delphine.

uiould

Äiuld

Erde.

neist (engl, next)

najst

nächst.

neve

Nffive

Faust.

nes

Nses

Vorgebirge, Landzunge.

neth (engl, below)

ned

hinunter (nieder).

pays, pase

Paaske

Ostern.

quilk, whilk

hvilket

das pron. relat. u. interr.

to red, rede

rede

bereiten, zurec'utuiachen.

to rew

nur subst. Kuelse

gereuen

rive (subst.)

rive (verb.)

reissen, Riss.

to roose, ruse

rose

rühmen.

sark

Sffirke

Frauenhemde.

to schryff (engl, shrive)

skrifte

Beichte hönm.

sharne

Skarn (plattd

. Scharn)

Mist, Dünger.

sik, sicken, siccan

sikken :

solch ein. Ausdruck d. Verwunderung u. d. Schinipfens.

skaith (subst. u. verb.)

skade, Skade

schaden, beschädigen.

to smit, smyt

smitte

beschmutzen.

to spae

spaae

weissagen.

to speir, spere

spdrge

fragen, (spüren?)

to teet (engl, peer)

titte :

flüchtig oder verstohlen irgendwo hinsehen.

to thole

taale

ertragen, dulden.

toom (vei-b. to tunie)

tom (verb. tdmme)

leer.

to trow, trew

troe

glauben (treu, true).

ver, vor

^"aar

Frühling.

yerd, yerth

Jord

Erde.

yule

Jul

Weihnacht.

Miscellen.

111

Schottisch.

Plattdeutsch,

Hochdeutsch,

aucht.

acht

acht (8).

ben and but (Zimmer

und Küche)

buten und binnen

draussen und drinnen.

bent (a coarse grass

growingon sandhills)

Bent

Binse.

betweesch(engl.between)

twischen

zwischen.

bode, bo<l

Bot

Gebot (bei Auctionen).

braid (enj;l. broad)

breed

breit.

brig (engl, bridge)

Brügg

Brücke.

bucht

Bucht

Alles Gebogene.

buik (body, ehest)

Buk

Bauch.

bumau

Biiman

ein Gesjjenst, mit dem man Kinder schreckt.

burlaw, byrlaw, birley

Bursprake, Burlag

Bauerngericht.

Cafl" (engl, chaff)

Kaff

Spreu.

claver (engl, clover)

Klever (dän. Klöver)

Klee.

coft

koßt

gekauft.

Daigh

Deeg

Teig.

dased

dösig

dumm.

drift

Drift

getriebene Heerde Vieh,

dribble

drüppeln

tröpfeln (feiner Regen).

Eller

Klier

Erle.

erd, erde (cf. diin. yerd)

Eerd

Erde.

to hain

hegen

sparen fsprüchwörtl.: up en Heger kommt en Feger).

hale

heel (dänisch ebenso)

ganz, heil.

het

hit

heiss.

host, hoast

Hosten (dän. Hoste)

Husten.

Ik, ic

ick

ich.

to keek, keik

kiken (dän. kige)

zusehen.

kcekbo (engl, bo-peep)

Bu-Kik

ein Versteckspiel.

to kerne, kaim (subst.

ebenso)

kämmen (dän. kcemme)

kämmen, Kamm.

kinkhost

Kinkhosten

Keichhusten.

kirn

Karn

Butterfass.

ky, kye (pl. v. cow)

(bisweilen Koi)

Kühe.

leif

leev

lieb, gern, as leif: eben so gern.

lew-warm

luwarm

lauwarm.

to ioure

luren (dän. lurn)

lauern.

Diaist (engl, most)

meist (dän. meest)

meist.

niair (engl, more)

mehr (dän. mere)

mehr.

paul

Paal idän. Ptcl)

Pfahl.

to pepe, peep

)ipen

zirpen (von Vögeln).

pik, pick

Pick

Pech.

quey

Quie (Quee)

junge Kuh, die noch nicht gekalbt hat.

quisscl, wissil

wesscln (dän. vexle)

wechseln, spec. Geld.

112

Schottisch,

raip (engl, rope) to rak (en<il. read») to red, rede to roup, rowp, rope

paip (engl, soap) to schere (divide)

seker, sicker

sbelm

slot (the bar of a door)

slump, by the . . .

.spaike, spake steeve, stive

stirk

Miscellen.

Plattdeutsch,

Hochdeutsch

Reep (dän. Reeb) rocken (dän. ra>kke) raden (dän. raade) ropen

Strick, Seil, reichen, rathen. lufen.

Seep (dän. SiE':ie)

nur subst. Scheerwand

Seife. Innenmauern.

(dän.sksere,schneiden). seker (dän. sikker) Schelm: in d. ursprüngl. Slot In' slump

Speke stiv

Starke

sicher, fest, tadelnden Bedeutung. Thürschloss. in Bausch u. Bogen ;

alles zusammen. Speiche, steif, fest ; von Sachen

u. vom Willen. junpe Kuh, die noch

nicht gekalbt hat.

sture, stoor

stur

kräftig, V. grad. Haltung.

storr

eigensinnig (starr, stör-

rig>.

to tig

ticken, anticken

anrühren, leise.

to (engl, shut)

to

die Thür ist zu: die Thür zumachen.

toname (engl, surname)

Tonam

Zuname.

toot, tout

tuten

das Hörn blasen.

to tousle

tuseln

an den Haaren ziehen, rauh behandeln.

tuay, twa

twee

zwei.

unrycht

Unrecht

Unrecht.

to Walter

wältern (dän

. vaslte)

wälzen, umwerfen.

to wat, wit

weten (dän.

vide)

wissen.

weil

Wähl

AVohlergehen.

to won, wan, win

wanen

wohnen.

to yaul, youl

jaueln.

heulen.

Diejenigen, welche sich für die vor.'^tehonde Untersuchung interessiren, fin- den einen grossen Theil der betreffenden Literatur verzeichnet im Globus Bd. XXV Nr. 1 unter dem Titel: „Die ethnographischen Verhältnisse Schottlands."

Beantwortete Anfrage,

Bd. LI, S. 1H3 dieser Zeitschrift fragt Cosack unter anderem auf Les- sings „Hamburger Dramaturgie" Bezüglichen:

Wo sagt Young von der Sonne, es wäre Sünde von den Heiden ge- wesen, sie nicht anzubeten?

Die Anfrage bezieht sich auf die Stelle im 36. Stück (ed. Hempel, VII, S. 207;: „Young s;igt von der Sonne, e.'« wäre Sünde von den Heiden ge- wesen, sie nicht anzubeten." Es ist wohl folgende Stelle in der P. Nacht der „Nachtgedanken" gemeint:

re-intl;im"d Thy Luminaries triumph, and assume Divinity themselves. Nor was it stränge.

Miscellen. 113

Matter hijrli-wrought to such surprising Pomp, such godlike Glory, stole the Style of Gods, froin Ages dark, obtus'd, and steep'd in Sense; For, sure, to Sense, they truly are divine, and half-ahsolv'd Idolatry from Guilt; nay, turn'd it into ^'irtue. Such it was in those, who put forth all they ha'i of Man unlost, to lift their Thought, nor mounted higher ; But, weak of Wing, on Planets perch'd; and thought what was their Highest, niust be their Ador'd. Erfurt. Dr. Boxberg er.

Das Nachstehende ist der Fall Mall Gazette vom 4. Januar d. J. ent- nommen und dürfte den Freunden englischer Terminologie einige Bereiche- rung ihres Wortschatzes bieten, vorausgesetzt, dass der Artikel ihnen nicht schon vorgelegen habe; es möchte schwer halten für jedes Wort einen ent- sprechenden deutschen Ausdruck zu finden, um so mehr, als viule selbst in den grössern englischen Wörterbüchern (Webster, Lond. Encycl. u. a.) fehlen; eine Uebertragung wird daher auch nicht versucht. ^

It has often been remurked that tliere seems to be a natural tendency araong men associated together for any common purpose, be it business or be it pleasure, towards the formation of a „caiit" or „slang" vocabulary for their own proper ue. No profession or calling appears to be wholly exempt from it. But perhaps pre-eminenoe in its development nay be as- signed, with soine show of justice, to thieves on tlie one hand,* and sports- men on the other. The thieves' special „lingo" is probably the most copious. That of the sportsmen is certainly the most ancient; so ancient, indeed, that it has come down to tlie present generation only in a very fragmentary condition, as we judge, at least, from what Strutt iias to say on one di- vision on the „terms of art" it formerly contained. In his „Sports and Pastimes of the People of England" he observes that „there was a peculiar kind of language invented by the sportsmen of the Middle Agcs which it was necessary for every Liver of the chase to be acquainted with. When beasts went together in companies, there was said to lie a pride of lions, a lepe of leopards; an herd of harts, of bucks, an 1 of all sorts of deer; a bevy of roes; a sluth of bears, a singular of boars, a sownder of will swine, a dryfl of tarne swine, a route of wolves, liarras of horses, a rag of co'ts, a stud of mares, a paee of as.ses, a baren of mules, a teara of oxen, a drove of kine, a flock of sheep, a tribe of goats, a skulk of foxes, a cete of bad- gers, a richcss of martins, a fesynes of ferrets. a huske or down of hares, a nest of rab'üts, a clowder of cats and a kendel of young cats; a shrewd- ness of apes, and a labour of moles." So also „a mute of honnds for a number, a kennel of raches. and a cowardice of cars." Of birds there were „A Sege of herons and of bitttr-rns; an herd of swans. of cranes and of cur- lews; a dopping of shelirakes, a spring ofteals, a covert of cootes, a gaggle of geese, a badelynge of ducks, a sord or sute of mallards , a niuster of peac'ocks, a nye of pheasants, a bevy of quails, a covey of partridges, a congregation of plovers, a flight of doves, a dule of tuitles, a walk of snipes, a fall of woodcocks, a brood of hens a building of rooks, a murnmration of starlings, an exaltation of larks. a flight of swallows, a iiost of sparrows, a watch of nightingales, and a charm of goldfinches." These, of course, be.long to the days of hawking, and very few of tliem are now found in the

* Confer „The Slang Dictionary, London, John Camden Hotten, Picca- dilly 1869. Wedge & Spoon.«

A-rchiv f. n. Siirachen LIV. i

114 Miscellen.

sportsman's feclinology. But Strutt states that the same or similar terms were extended to the various ranks and professions of nien, and he raen- tions sonie specimens, wbich he hopes, will be thought apt enough. Thus he gives „a state of princes, a skulk of friars or a skulk of thieves, an observance of herniits, a lying of pardoners . a subtiltie of sergeants, an untruth of sompners, a multiplying of husbands, a safegnard of porters, a stalk of foresters, a blast of hunters, a draught of bntlers, a temperance of Cooks, a melody of harpers, a poverty of pipers, a drunkenship of cobblers, a (iisguising of tailors, a wandering of tinkers, a ni;ilapertness of pedlars, a fighting of beggars, a rayful that is a net füll of knaves, a blnsh of boys, a bevy of ladies, a superfluity of nuns, a gaggle of women; and here he adds, by way of reminder, a gaggle of geese" after which politeness compels US to take our leavc of hini.

Auch der heutige Sport ist reich an Ausdrücken, die man wohl ver- stehen, schwerlich verdeutschen kann, so z. B. in dem folgenden Satz aus einem Rennbericht (Standard, 12. Dec. 1874): „There were no mishaps dur- ing the kingsbury Hurdle Handicap, which brought out „a field of half a score" including Miss Outon, about whom as little as 5 to 4 was accepted, on the strength of the form cxhibited by her on the previons day; she just got home from Chancellor, with whom she struggle<l with great gameness.

Aacheiu Dr. Rovenhagen.

Zur Englischen Aussprache. Au die Herren Rothenbiicher, Sonnenburg und Thum.

Im Archiv, Band 49, Heft 4, Seite 47 7, lese ich nicht ohne Erstaunen „Eine Frage an Herrn Dr. Rothenbiicher in Cottbus", in welcher Miscelle über die richtige Aussprache des Englischen u gestritten wird. Und es rührt dies mein Erstaunen zunächt daher, dass solche ganz unschuldigen Streitfragen noch heut zu Tage von den Herren Philologen selbst so durch- aus unphilologisch liehandelt werden können. Denn es halten (Joch dabei die drei Herren Doctoren Rothenbücher, Sonnenljurg und Thum mit ortho- doxem Glauben an gewissen Regeln fest, die zugleich unstät, willkürlich und allerseits unvollkommen sind, und es werden uns dabei von Seite des Herrn Doctor Thum Amerikanische Autoritäten vorgeführt, die doch wol für die Aussprache tles Englischen am allerwenigsten zuverlässig sein sollten. Die Herren S. und Th. sind beide in dieser Sache als Berichtiger aufgetreten; ich meine daraus sehliessen zu dürfen, dass eine fr-eundliche Gegen-Berich- tigung meinerseits von ihnen als eine höchst willkommene Botschaft wird entgegen genommen werden.

Ueberhaupt ist es keinem ordentlichen Sprachforscher ein tiefes Geheim- niss, dass die Aussprache der Laute bei allen Idiomen eine veränderliche, oft elastische und immerhin Conventionelle Sache ist. Conventionell sprechen die modernen Irländer und Amerikaner ein sehr schlechtes Englisch, ob es auch den besten Kennern der Englischen Sprache gar nicht unbekannt ist, dass Jonathan gelegentlich und Paddy in der Regel traditionell viel besser Englisch sprechen als John; womit der Sprachkenner dann meint, der Ir- länder habe treuer an der älteren historischen Aussprache des Englit^cheu festgehalten. Nun stellt es sich heraus , dass die Englische Sprache eine höchst capriciöse Dame ist, nicht nur in Bezug auf die Sinn-Aenderung ihrer Wörter, sondern besonders mit Rücksicht auf die Aussprache. Und letztere Art von Caprice zeigt sich im Englischen am klarsten wie es auch natürlich sein möchte in der Conventionellen Aussprache erstens von modernen Fremdwörtern und zweitens in dem sogenannten „Norman

Miscellen. 115

dement", was die Fremdwörter früherer Zeiten enthält. Es wird in Eng- lischen Kreisen oft erzählt, wie der verstorbene König George IV, „the first gentleman in Europe" das Zeitwort io oblige durchaus nicht anders als wie Französisch ausgesprochen haben wollte; «las i und auch das f/, wie in „noblesse oblige-'. Jetzt aber thut das niemand; denn es kann sogar kein Fürstenwort ein einziges Wörtchen der Sprache aufdringen oder verbieten, weil die Sprache der Natur und durch sie der Menschheit angehört. Ich könnte auch jetzt im ganzen Kreise meiner Englischen Freunde keine einzige Person nachweisen, die amateur Französisch ausspräche; nicht nur wird in jenem höchst gebräuchlichen Fremdworte das eii wie ju gehört, sondern das am wird stark betont und das beweist die Naturalisation am aller- meisten. Dagegen lautet Connoisseur noch immer, im Munde der Gebildeten wie das Französische V.'ort: unter dem Volke heisst es zwar con-nosh-oor, es wird dabei aber die erste Silbe bis jetzt noch nicht betont.

Einen zweiten Punkt erlaube ich mir noch zu berühren, der uns bald der eigentlichen Streitfrage über das u oder ju zuführen wird. Diejenigen „Norman Words", welche im vollsten Sinne nicht recht zum Sächsisch-Eng- lischen durchgedrungen sind oder auch solche, die dem Volke fast gar nicht angehören, haben bis auf den heutigen Tag in ihrer ursprünglichen Aussprache beharrt. So wird z. B. das ch im Englischen cJiivalrous noch immer wie sh in sheep (nicht wie ch in clieap) ausgesprochen. Und das nämliche gilt für chicanery, chagrin, choise, cliumois (das Englische Volk sagt shammy leather), chaperone, chaiiatan und was am allerbedeutendsten ist chancre, wo- für „the Hoi polloi" stets das acht Englische pox gebraucht.

Mit diesen vorläufigen Bemerkungen komme ich nun zur Sache. Fast alle Englischen Wörter, worin das vollbetonte u vorkommt, gehören zum „Norman dement", ja sogar die einsilbigen, wie duke, cube, eure, ciie etc., was kein einziger Philologe hätte prima facie erwarten können. Mir fällt im Augenblick von den einsilbigen Englischen W'örtern kein anderes „Saxon" ein als true {treu, floli. trouic) Wäre es nicht etwas schwierig, das u nach r wie ju auszusprechen, so hätte ich in jenem „Saxon word" einen schla- genden Bewsis für meine These finden können; da ich aber zur Verthei- digung meines Satzes durchaus kein arijumentum ad captandum brauche oder zu gebrauchen beabsichtige, gehe ich vorläufig an dem true vorbei. Meine These aber ist folgende: Der Laut ju war ursprünglich dem Eng- lischen ganz und gar fremd (foreign), und rührt einfach daher, dass die „Saxons" es vom Anfang an versuchten das Französische u ihrer „Norman" Sieger nachzuahmen, was den ersteren nur theilweise gelang, bis das Fran- zösische u im „Saxon" Munde in ju aufging. Es nenne Niemand diese meine Behauptung eine reine Hypothese. Was an der menschlichen Sprache natürlich ist, muss sich als beständig, durchläufig oder unveränderlich er- geben; es muss sich, wie die Geschiclite, wiederholen. Und nun wiederholt sich das Factum, das ich meiner These durchaus voraussetze, mit jedem Tage. Beim Prüfen Englischer Schulbuben im Französischen ist es mir häufig erschienen, dass die Knaben das Französische u viel mehr wie ju als 00 aussprachen. Auch das Zahlwort deiix habe ich von englischen Schülern öfter djoo als doo gehört.* Abgesehen aber vom historischen Ursprünge des Umlautes ju, so meine ich noch, dass es keine richtigeren oder voll- ständigeren Regeln für die Aussprache des Enghschen u geben könne, als einfach folgende: In „Saxon words" klingt u immer lang wie im Deutschen und Italienischen; in „Norman words" dagegen spricht man wie möglichst JU. Und hierbei diene zur Erklärung, dass dies „wie möglichst" einzig und allein nach dem National-Gebrauch, ja sogar nach individueller Vorliebe ab- gemessen wird.

* Vergleiche hiemit das obige con-nosh-oor, was auch nicht con-nos-soor gesprochen wird.

116 Miscellen.

Die ursprüngliche Regel des Dr. Sonnenlmrg in seiner „Grammatik der Englischen Sprache", § 3. 5 p. 6, halte ich also für höchst unvollständig. Zuvor soll die darauf gleich folgende Anmerkung die betreffende Regel beleuchten, doch gilt erstere bloss rür das /, nicht für das r. Dass „n nach r immer den Vorschlag verliert" (vide Archiv, Band 49, Heft 2, Seite 214), darin hat Dr. Rothenbücher nun ganz entschieden Recht; das ist so in nie und in ruin wie in priines und in tri/e. AVenn er aber weiter hinauf so sehr dogmatisch behauptet, es sei das auch der Fall „in den Adjcctiven resolute, absolute und ähnlichen, weil ihn" (den Vorschlag) „die entsprechenden Sub- stantive nicht haben", da irrt sich der Recensent wieder bedeutend. Es gibt nämlich in England eine nicht geringe Anzahl gebildeter Männer und Frauen, die solche Wörter wie resolution, ahsolution u. s. w. mit dem Vor- schlag hören lassen und diese Leute werden sogar für ,^reßned purists" ge- halten. Auch das j'u in reuolution (was man aber nur höchst selten hört) ist nicht „ganz falsch", wie Herr R. dem Sonnenburg zuwirft. Noch scheint dem apodiktischen Recensenten ein eigenfhümlicher Fall entgegen zu sein. Wenn nämlich ein Englisches Wort mit dem vollen u anfängt, da spricht man immer jw. Soll ich einem Philologen sagen warum? Weil jene Wörter alle „Norman" sind und weil bei ihnen das „wie möglichst" gar nicht vor- kommen kann, und dies krönt zuletzt wol meine obige Regel als eine rich- tige, vollständige, durch und durch bewiesene und motivirte. Für Herrn Dr. Thum will ich zum Schluss noch folgende Funkte beleuchten :

1. „Lehrer und Geistliche" sind von Hause aus „purists"; darum haben die „von Englischer Zunge" auch wahrscheinlich keinen Anstoss an Ihrem ju in resolution u. s. w. genommen. Gebräuchlich ist aber u im specificirten

Worte.

2. Der „Amerikanische Lehrer, der als Shakespeare- Vorleser einen ge- wissen Ruf hatte" , ist trotz alle dem mit der Aussprache der Englischen und Deutschen Sprache noch entschieden auf dem Holzwege.

3. Derselbe Amerikanische Lehrer, der behauptet, „use and oose lau- teten ganz gleich", sollte noch recht viel Musik hören, damit er sich das Ohr üben möchte. Oder ist er etwa ein Spassvogel?

4. Von den Wörtern bei Pittman und Ellis bezeichnet würde ich disso- lution, delusion, resolution, irresolute und saliiie ohne den Vorschlag aus- sprechen ; lute dagegen wie Ju. Nun bin ich zwar kein geborner Engländer, wohne aber seit sechs Jahren in London und habe ein ziemlich cultivirtes Ohr, besonders für Musik und Sprachen.

„School Board Chronicle", London.

Dr. Alex. V. W. ßikkers.

Der Theilunö'sartikel im Portugiesischen.

Historisch-kritische Erforschung des Sprachlebcns zumal auf syntaktischem Gebiete ist in Portugal bislang eine ziemlich unbekannte Sache. Daher be- greift sich leicht, dass man über eine so beachtensvverthe Erscheinung wie das Vorkommen des Theilungsartikels in der portugiesischen Sprache bei inländischen Grammatikern vergebens Belehrung nachsucht. F. Diez, meines Wissens der erste und einzige, der das \'orhandensein des partitiven Genitivs im Portugiesischen nachgewiesen hat, stellt (Gr. lü. 47. Ausg. von 1872) als Grundsatz auf. dass die Anwendung desselben von der portugiesischen Grammatik schlechthin verworfen werde, und in der That Beispiele fast nur bei altern Dichtern vorkämen. Als Belege führt er an: Hi hii de homens riiis Gil Vic. und Emprestae-me do azeite Ibid. lll. 271. FAn drittes von T)\o7, beigebrachtes Beispiel: arrancam das espadas Cam. Lus. 111. 130 gehört

Miscellen. 117

olTenbar nicht zur Stelle, da in demselben ein aus dem Verbalbegriff her- vorgehender aber kein partitiver Genitiv vorliegt. Es ist nämli< h im portu- giesischen Sprachgebrauch begründet, Zeitwörter, welche haften, anfassen, greifen nach oder zu etwas, ziehen, liberhaupt berüliren oder verwandte Begriffe bezeichnen (arrancar, puxar, levar), mit dem Genitiv zu verbinden, obgleich gewölmlich der Accusaliv statthat. So sagt man: arrancar da ospada, puxar da orelha oder pela orelha u. s. w. Portugiesische Gram- matiker bezeichnf^n diese Sprachweise als elegant. Elegantemente damos iiunbem preposi^äo ao complemento objectivo de alguns verbos activos I Bento Jose de Oliveira, Nova Grammatica Portugueza, 81. Coimbra 1869). Aus dem Griechischen ist dieselbe Construction bekannt (Buttmann, Gr. Gr. § 132, 5 E). d" av övTCOv ovSev äXyo; aTtrerai. Soph. OC. 955. i] xal ; rrn'i^a^ y^oovd'og }.aßev iTCTToSaatir^s II. y. .369. r rj ; yeiob; aveiv iivä. Portugiesisch: Aos capifäes da mäo hiao tomando As <iamas com effeito de biandura Gabiiel de Castro, Ulyssea I. 70. Aus demselben Grunde wie bei dem von Diez irrthümlich herangezogenen Beispiele liegt auch in fol- gender Stelle nur scheinbar ein Theihingsartikel vor: Nao desejo pare cer-me com alguns dos nossos frades, que, presentindo o convento amea (jado pelo seculo, levaram dos trabueos. A. Feliciano de Castilho, Con- versacäo preambularao D. Jayme 18. Auch hüte man sich, Stellen wie: logräo da luz, näo mais, Francisco Manuel do Niscimento, Trad. da Oberon VIII. 15 E li9äo de P.iriz 1802, als parti tiven Genitiv aufzufassen, da hier nur eine Nachahmung des griechischen Sprachgebrauchs bei TvyxrivEir, Xayxävstv (lograr) u. s. w. anzuerkennen ist.

Eine Lesung der portugiesischen Classiker muss zu der Ueberzeugung bringen, dass der Gebrauch des Theilungsartikels im Portugiesischen nicht gar so eng begrenzt ist, als man gemeiniglich annehmen dürfte. Ich habe eine Anzahl von Beispielen gesammelt und dieselben in Verbindung mit den beiden von Diez beigebrachten je nach der manchfach wechselnden Form des partitiven Genitivs folgendermassen geordnet:

I. Der Theilungsartikel folgt den aus dem Französischen bekannten Gesetzen.

1. De tres raoinhos que tenho Todes tres t'os dera a ti ; Um moe o cravo e a cannella, Outro moe do gerzerli.

Romance da Bella-Infanta, A. Garrett, Rom. II. 9.

Die in der Provinz Beira-Baixa umgehende Variante derselben Romanze (Theophilo Braga, Romanceiro Gera] 6) enthält diesen partitiven Genitiv nicht.

As tres azenhas que tenho

Todas tres te dera a ti;

Uma moe cravo e cannella

A outra moe serzelim.

2. Emprestae-me do azeite. (iil Vic. III. 271.

3. Corner da vacca com da mostarda. Ibid. Mofina Mendes.

4. Quando ella beber d a agua

No anel ha de attentar. A. Garrett, Rom. T. 19."i.

5. Coraecjaräo a chamar algumas donzellas que Ihe trouxessem das agoas. Jüäo de Barros, Chronica do Imperadur Clarimundo I. 20.

6. Come^aräo huns a peliscar fogo, outros a qucbrar da Icnha, outros a escamar do peixe. Ibid. II. 21.

7. Vio andar muitos cavallos sem senhores pacendo da herva. Ibid. II. 25^

8. Puseräo-se junto da fönte com ten^äo que o cavalleiro vinlia a beber para ihe darem da agoa. Ibid. II. 44.

118 Miscellen.

9. Alcido teiis ovelhas e tens cabras,

De quc tiras Ja lä, tiras do leite. Cam. J]clo{!;. XII. 10. E haver quem doplore a vida, quando n'ella cabem d'estas iin- inensidadt's ! A t'cliciano de Castilho, Chave (io enignia 19.

II. Der Tlieilungsartikel besteht, zuweilen wohl zur Vermeidung des Hiatus, aus einem einfachen de.

1. Hi ha de homens rüis. Gil. Vic.

2. Rlenos haverd de meia hora que chegaräo aqui dous homens a beber d'agoa. Joäo de Barros, Chronica do Imperador Clari- mundo I. 17.

3. E tirar nas mäos alvas d'agua fria. Cam. Eclog. VII.

4. Lan(;ai-lhe d'agoa pelo rostro. Barros, Clar. 1. 6.

5. Alvorocei-me, e d'agua que co^'ria

Derramei logo sobre a face fria. Quovedo, Affonso Africano XII. 37. Dersellie Gebrauch findet sich im Altfranzösischen: Pourveez-moy de papier. Theätre Fran(;ais de Monmerque et Michel. Dicz (III. 4G).

III. In einem Falle findet sicli bei dem Substantiv vorangehendem Ad- jectiv der bestimmte Artikel beibehalten.

Principiaram por se dizer dos pesados gracejos da guerra. A. Garrett, Viagens na rainba terra I. 197. I\'. Dem Portugiesischen eigenthiindich ist die Anwendung des parti- tiven de vor persönlichen oiler liin weisenden Fürwörtern.

1. D'ellas morrem de can^adas. Bern. Ribeiro. Eclog.

2. D'ellas (= algumas dellas) fiundo e outias devando. Bern. Ribeiro, iMenina e Mocja. Edicjao de 1785, I. 3.

3. Ha ahi d'ellas assi feitas. Sa de Miranda, Vilhalpandos Act. V. Sc. VI.

4. Um so e o mais leve relampejar da imaginaräo desmentiu em mim d'esta (=alguma parte d'esta) absoluta e exclusiva dedicacjäo de todo o meu ser. A. Garrett. Viagens na minha terra II. 7tj.

Der weitaus grösste Thfdl dieser Beispiele ist entweder der unmittel- baren Volksdit'htuug (Romanzen) oder Dichtern, welche das Volk in der ihm eigenen Redeweise sprechend einflihren (Gil Vicente in den Autos, Camoens in der bukolischen Poesie), oder schliesslich solchen Si'hriftsteilern entnommen, die eines kernhaften, volkstliinnlichen Ausdrucks sich betleissigen (Jdjio de Barros). In der älteren portugiesischen \ olksspiaclie muss der Theilungsartikel nicht viel spärlicher als im Provenzalischen oder selbst im Altfranzösis« hen angewandt worden sein. Seine Entwicklung wurde indessen in Portugal wie in Spanien gehemmt, während er jenseits der Pyrenäen immer weiter um sich griff. Ganz verschwunden ist der partitive Genitiv aus dem Portugiesischen auch heute nicht; das helltönende Mercae do peixe ! ambulanter Fischweiber auf den Strassen Oportos zeugt für sein Fortleben im Volksmunde.

Oporto. V. E. Hardung.

Die Debating Society.

Die Debating Society gehört nicht zu den weltberühmten Erscheinungen des englischen Lebens. Kein Baedeker weist auf sie hin; nur gering dürfte die Zahl der Besucher des ewig grünen, seeumgüitpten Eilands sein, die, durch Zufall zu dieser seltenen Bekanntschaft gelangt, von der Debating Society zu erzählen wissen. P>eilich sind die Hallen, in denen sie zusammen- tritt, nicht Prachtwerke echter Gothik, durch welche verborgene Lichtquellen in unerscliöpflicher Fülle einen blendend hellen, magischen Glanz ergiessen.

Miscellen. 119

Die Debatlng Society tritt in einem bescheidenen Gewände auf. Unschein- bar, ungesehen und ungekannt, fühlt sie dennoch ein lebensfälliges, urkräf- tiges, gesundes Dasein. Sie diängt sich nicht hervor ins grosse Publicum, sie will nicht genannt und besprochen, sie will nicht von den Sitzen des New Westminster Palace aus citirt werden. Kein Daily oder Weekly setzt sie mit der Aussenwelt in Verbindung, ihr Leben ist ein rein intensives: Was der Kennerblick erfahrener, tiefer Denker, deren Stirn vom Schnee der Jahre würdevoll umrahmt ist, für kommende Tage erschaut; was der Geist des feurigen Politikers mit den Flamraenaugen, aus dessen Munde die Suade ihren schönen, klaren Silberstrom ergiesst, an Weisheit gebiert, nur für den Kreis der unmittelbaren Hörer hat es Leben und Gestalt ge- wonnen, für die grosse Welt ist es verloren.

Die Debating Society ist kein Club, keine streng in sich abgeschlossene Gesellschaft. Um einen festen Kern, bestehend ans dem Committee (Präsi- dent, Vicepräsident, Schriftführer und zwei Mitglieder ausserdem) und den zum Theil ergrauten Häuptern, die seit langen Jahren regelmässige Besucher der Zusammenkünfte gewesen sind, schliesst sich eine jüngere, mehr oder weniger wechselnde Corona. Stimmberechtigtes Glied ist jeder in dem be- trefienden meeting Anwesende.

Die Männer, welche man in einer solclien Debatlng Society antrifft, sind zum bei Weitem grössten Theile Jünger des Mercur, Männer der City, wie sie sich selbst zu bezeichnen pflegen. Aber die Intelligenz des Han- delsslandes ist hier vertreten; für Köpfe, die im schnellen, scharfen Denken ungeschult sind, und denen es an festen, wohlgegründeten Ueberzeugungen fehlt, ist hier nicht der Ort, wo sie sich wohlfühlen können. Auch an Männern der Presse fehlt es nicht. Hier haben sie treffliche Gelegenheit, ihre Anschauungen und Grundsätze mit Schärfe und Gewandtheit zu ver- theidigen ; hier treffen sie Antagonisten, denen gegenüber gesiegt zu haben sie sich mit Recht zur Ehre anrechnen dürfen. Auch angehende Juristen und Staatsmänner sind bisweilen eifrige Besucher einer Debating Society, doch mehr aus praktischen Gründen: Wo könnte sich für strebsame Aspi- ranten der Tribüne eine bessere Gelegenheit bieten ihr Rednertalent aus- zubilden? Von George Canning ist bekannt, dass eine Debating Society die Schule seiner Beredtsamkeit gewesen ist. Endlich werden auch Aus- länder, welche sich für die Zwecke des \'ereins um die Society so zu benennen, obgleich ja das Vereinswesen etwas speciell Deutsches ist interessiren, in den Zusammenkünften jederzeit gern gesehen. Die D. S,, deren meetings ich eine Zeit lang regelmässig besuchte und der ich manche genussreiche Stunde zu verdanken habe , hatte ihren Sitz im Norden Londons, in der Culford Road. Da junge Deutsche, nie in London als Kaufleute thäiig sind, sich in der Regel in den nördlichen Stadtvierteln, Islington und Kin^sUind, niederlassen der deutsche Turnverein bei king's Gross kann als Mittelpunkt angesehen werden , so ist es erklärlich , dass an den Zusammenkünften dieser D. S. immer eine grössere Anzahl junger handelsbedissener Landsleute Theil nahm. Diejenigen Herren , welche sich an einem Abende in der D. S. kennen lernen, sehen sich fast ohne Aus- nahme erst nach A'erlauf einer Woche an demselben Orte wieder. Je mehr es ihnen aber znr Gewohnheit wird sich hier zu sprechen, sich zu verstehen oder vielleicht auch sich als Gegner kennen und achten zu lernen, um so vertrauter werden sie mit einanrler. Nirgends findet der Deutsche so bald in England ein so warmes Entgegenkommen, als in diesen Kreisen, zumal wenn er sich dem einen oder ancleren älteren Herrn mit Zutrauen nähert. Hier herrscht ein heiterer, jovialer, ungezwungener Ton, wie man ihn in England sonst kaum wiederfinden dürfte. Es ist der Regel gemäss kein ungerechter N'oiwuif, den der Deutsche vorbringt, wenn er behauptet, dass der Engländer ihm kalt, herzlos, vielleicht gar misstrauisch begegne. Der trauliche Kreis der Debating Society unterstützt diesen Vorwurf nicht.

120 Miscellen.

sobald man in dcmsi-.Uien oinigennassen eingebürgert ist, und das gescliielit bald und leicht. Die Mitglieder des Vereins achten und ehren si'h gegen- seitig, auch wenn sie sich nur durch denselben und in demselben näher stehen. Wird Einer aus diesem Kreise durch den Tod abberufen, so folgen die Uebrigen seiner Leiche zur letzten Ruhestätte; bei der närhstfolgemlen Zusaiunieiikunft wird s-ein Andenken durch eine feierliche Anrede des Vor- sitzenden geehrt.

Das meeting room einer Debating Society ist ein geräumiger Saal in einem comfurtablen public house, einer feineren, anständigeren \\ irthsstuhe deutschen Stiles nicht unähnlich. Hier tritt allwöchentlich ein Mal an <-inem bestimmten Abende die Gesellschaft zusammen, rangirt sich um die Tische und ergeht sich in munterem Geplauder, bis der lianuner des Präsidenten die ErölTnung der Sitzung ankündigt. Die Bedeutung der D. S. ist eine ausschliesslich politische. Die Erei<:nisse auf dem Gebiete der inneren und äusseren Polilik, die schwierigsten Punkte in den internationalen Beziehungen, die verschiedenen Kegierungssysteme und ihre Zukunft, und was sonst dem theoretisch-praktischen Politiker an bedeutnngsvollen Fragen entgegentreten mag, alles das soll hier discutirt werden. p]in Abend des letztvergangenen Winters brachte eine Debatte, welche eine mehr ästhetische als politische Frage zu behandeln schien. Sie betraf den Einfluss der Werke des vor Kurzem verstorbenen Lord Lytton Bulwer auf die Moralität seiner Zeit- genossen. Während der Debatte selbst bekam man sehr bald die Ueber- zeugung, dass sie von den politischen Freunden des Abgeschiedenen nur zu dem Zwecke angeregt worden war, damit man zu einer sein Andenken in begeisterter Rede ehrenden und seine Grundsätze gtgen die Antagonisten, die Liberalen, vertheidigcnden Lobeserhebung Gelegenheit habe. AVollte man den Conservativen glauben, so war nur Licht von Bulwer ausgegangen, nur Saat des Schönen und Guten von ihm in alle "NA'elt ausgestreut. Nach den aus unerschütterlichen Consequenzen hervorgehenden Aufstellungen der Liberalen verdiente er weder als Novellist noch als Dichter irgend welche Anerkennung, von dem demoralisirenden Einflüsse seiner Werke ganz zu schweigen. Uebrigens standen die beiden Parteien , in welche die Gesellschaft in den Fragen der inneren Politik sich spaltete, nicht allen Fragen al< geschlossene Parteien gegenüber. Neben dem Gegensatze der Oppositionellen (zur Zeit Conservativen) und Ministeriellen schob sich in Folge der Zeitumstände ein zweiter Antagonismus in den Debatten des W^inters 1H72 73 in den Vordergrund: der Widerstreit zwischen Bonapar- tisten und Antibonapartisten. Die Majorität aus beiden feindlichen Lagern der inneren Politik gehörte der ersteren Klasse an, doch zählt der unglück- liche Exkaiser, der seit Kurzem auf englischem Boden seinen letzten, ewigen Schlaf schlief, auch erbitterte Feinde unter Liberalen und Conservativen. „Die Seelen aller derer, die er ermonJete, wei-den sich am jüngsten Tage an der Himmelspforte zusammenfinden und ihm den Eintritt versperien'',

so versicherte Herr Ki , der Präsident. „Nie hat Frankreich mehr

geblüht, als unter Napoleon Hl. Was sich aus den unglückseligen Zustäudeu des Landes zur Zeit seines Regierungsantrittes entwickeln liess, er hat es mit Einsicht, Geschick und Herrscherenergie hervorzurufen verstanden. Sein Werk ist die Wohlfahrt, zu der sich Frankreich unter seiner Aegiue erhob. Was gefehlt worden ist, das ist dt-m Volke selbst und der Ungunst der Verhältnisse zuzuschreiben, welche einem weisen Regenten geinen Weg mit gebietender Stimme anwiesen," so eiferte ihm der zungenfertige Mr. K... entgegen, dessen Geduld offenlar während der langen Rede des Vor- erwähnten eine harte Probe zu bestehen gehabt hatte. Den deutschen Zuständen gegenüber war das Verhalten aller Parteien fast das gleiche. Bei einer reservirten Anerkennung der Tüchtigkeit der Nation und ihrer Leistungen verwarf man die Grundsätze der inneren Politik gänzlich. Die Omnipotenz des Staates den Individuen gegenüber, so behauptete man von

Miscellen. 121

allen Selten, gehe zu weit; sie gestatte diesen nicht die Freiheit der Stlbst- hestimmung, welche sie zu be.inspruilien das Recht hätten. \'^or allen Dingen dürfe kein Staat seinen AnpcLüiigen eine solche „Steuer" auferlegen , wie es Deutschland mit soin( m Principe d( r allgi meinen Wehrpflicht thue. Um nicht einseitig über (.lese Anschauungen der EngläiHer, denen man überall begegnen wird, abzusprechen, nuiss man bedenken, dass der üus hef- tigen Kiuiipfen gewaltiger, von gleicliem IJechtsbewusstsein beseelter Mächte historisch liervorgeganpene Staatsbegriff <loi t ein andrer, aber nicht minder fester und klarer \>t, als b<i uns. Sind bei uns Staat und Nation eins, sind sie nur die verschiedmen Pule desselben Einen, so ist in England vielmehr der Staat nur der organisatorische Ausschuss der Nation, fungirend nach Gesetzen und gestützt auf Gesetze, welche in ihrem historischen V\' erden ihre P<erechtigung haben.

Dies möge geniigen, um die Hauptströmungen, die in den Kreisen einer Debaiing Sticiety sieh bemerkbar machen, zu kennzeichnen. Folgen wir dem \'erlaufe einer einzelnen Sitzung, um in den Geschäftsgang einen Ein- blick zu thun. Gegen ''.,9 Uhr nimmt Mr. Ki , der chairman,

auf seinem Präsidenteustuhle Platz und eröffnet die Sitzung dadurch, dass er mit seinem schweigengebietenden Scepter, dem Präsidentenhammer, drei- mal auf den Tisch klopft. Sobald allgemeine Stille eingetieten ist, verliest der Schriftwart das Protokoll über die vorangegangene Debatte. Meldet sich auf die zum Schluss der \ orlesung von Seiten des chairman gestellte Frage, ob Jemand unter den Anwesenden an dem Referate etwas auszusetzen finde. Niemand, so erklärt dieser die Debatte des Abends für eröffnet und fordert denjenigen, von welchem das betreffende Thema zur Dicussion vor- geschlagen worden ist, auf, den Kamjjf der Meinungen durch einen Vortrag über den Gegenstand einzuleiten. Nun beginnt ein längeres speech, das, je nach der Natur des Redners, in wildem Feuereifer dahinrollt, oder wie ein heller, ohne Ilemmniss ruhig dahinziehender Bach den Lippen entfliesst. Immer aber wird man dem Vortragenden W ohlberedtheit zuerkennen müssen. In klaren, wohljiewählten Worten, in scharfen Deductionen und anschaulichen Bildern erhebt sich vor den Augen des gespannt lauschenden Auditoriums nach und nach die Ansicht des Redners von seinem übjecte wie ein wohl- gefügfer Bau. An die Rede des openers so heisst derjenige, welcher den Gegenstand der Debatte in Vorschlag gebracht und die Discussion über den- selben eröffnet hat scliliessen sich die Gegenreden und die Widerlegungen derselben in nicht geringer Anzahl an. Nicht immer gelingt es dem Präsi- denten, durch den Einhalt gebietenden Ton seines Scepters den Eifer der Parteien in die gebührenden Schranken zurückzubannen. Hier wird eben dem kaum vollendeten Lieengebäude eine Stütze entrissen, die den Einsturz des ganzen Aufbaues nach sich ziehen muss. Dort glühen schon ein Paar Augen vor Eifer und Ungeduld, ein Paar Hände ballen sich, um die innere Gluth gewaltsam niederzukämpfen. Der Redende bemerkt seinen Feind, eine willkommene Beute für ihn. Mit wohlgefälliger Ruhe blickt er auf ihn hin, Stück für Stück entreisst er ihm die Gründe, mit denen er von dem erbit- terten Gegner in Gedanken schon niedergeworfen ist, und widerlegt sie noch ehe sie geäussert waren, des beissendsten Sarkasmus nicht sciionend. Und Jener muss schweigen, er muss Alles über sieh ergehen lassen. Schon mehrfach hat das Gehäge der Zähne das feurige Wort nicht zurückhalten können, a' er jedesmal hat ihn das Machtwort des Präsidenten zur Ordnung gerufen. Jede Partei hat ihre Hauptredner. So die conservative in dem feurigen, bewegten Mr. Ka . . , dessen scharfer Blick die schwache Seite in der Beweisführung seines Gegners im Nu erspäht und sie mit Hohnlächeln sofort blos legt, das Schlusswort gewöhnlich in recht hämischer Weise dem Dafürhalten der Anwesenden anheimgebend. Ihm zur Seite steht der ruhige, würdige, mit Jahren reich gesegnete Älr. B., Mitarbeiter der Hackney Ga- zette, ein trefflicher Redner, wohlbewnndcrt in Thatsachen und felsenfest in

122 Miscellen,

seinen politisclien Ui;berz('ugun<;cn. ^Vie unorscliüttfrliche Pfeiler erhebt es sicli zuerst ans seinen kliinuvollen \\' orten, und auf ihnen steht fest ge- gründet, (h^r^•ll^i(•lltig wie ein Crystallpahist, der Bau, den sein Denken mit Ndthwendigkeit eonstrniren inusste. Der hervdrrayendsie llechier auf

Selten der (iegenparlei ist Mr. Ki , der Pi-äsident selbst. Es

fehlt seinem Vortrage das glattende Üel, die äussere Politur und Eleganz, über welche der vorerwähnte! Mr. B. in erstauidichem Grade verfügt. Bald braust der Strom seiner ^\'orte in stürzender Eile daliin, bald schleppt er sieh langsam über hemmendes, holpriges Kieselgerdll fort. A'uer an dem attischen Salze fehlt es ihm nicht: Tiilt auch dann und wann ein sekunden- langes Stocken ein, hervorgerufen durch ein Suchen nach dem treffendsten Ausdruck, nach dem sprechendsten Bilde die Darstellung ist an allen Punkten so klar und plastisch, dass man über der Klarheit und Wahrheit des Inhaltes leicht den Mangel an Gleichmiissigkeit im äusseren Vortrag vergisst. Noch schwebt mir das Bil.l eines kleinen, unscheinbaren alt- lichen Herrn vor, dessen äussere Eischeinung sich neben der imposanten

Corpulenz des Mr. Ki noch dürftiger ausnahm. Er war in den

Versammlungen nur dann und wann zu sehen, sprach auch nicht an jedem Abende, den er in der D. S. zubrachte, wenngleich er einer der beliebtesten Kedner war. Mit einer wenig ausgezeichneten Stimmbegabung hob er in schlichten \A'orten kaum vernehmbar an. Und so ging's fort. Klanglos luid eintönig entflossen die Laute den Lippen des ruhigen Bedners, niemals brach das Feuer der Begeisterung durch, an keiner Stelle erhoben sich die Wellen über ihr gewohntes Niveau. Und doch hing jedes Ohr an diesen Lippen, doch fiihlte Jeder, dass hier die reichste Lebenserfahrung und die überzeugendste Wahrheit mit ergreifender, hinreissender Gewalt ihre Stimme vernehmen Hessen. Am Schluss der Debatte, die sich in der Regel bis gegen '/-.'l^ Uhr hinzog, wurde aufGeheiss des Vorsitzenden zur .4!)Stimmuiig geschritten. Das Thema war nämlich immer in Frageform gestellt, so dass eine Entscheidung pro oder contra möglich war. Das liesultat der Ab- stimmunL', welche durch ein Erheben der Hände vorgenommen wurde, bildete den Schluss des ^-ährend der Debatte vom Schriftwart aufgesetzten Proto- kolls über dieselbe und damit war der Gegenstand abgethan.

Sodann richtete Mr. Ki an die Versammlung die Aufforderung,

ihm schriftlich Vorschläge, betreffend den Gegenstand der nächsten Debatte zugehen zu lassen. Jedes dei einlaufenden Zettelchen trug neben dem Thema auch den Namon ikssen, von dem es vorgeschlagen wurde, und der sich damit zugleich zur Eröffnungsrede der Debatte verpflichtete. Die Ma- jorität, wiederum festgestellt durch einfaches Handmehr, entschied über die Wahl eines der Themata. Auf einer schwarzen Tafel von massiger Grösse, die über dem Kamin angebracht war, stand nun der Gegenstand für die bevorstehende Debatte eine Woche lang zu lesen, zugleich mit einer freund- lichen Einladung um zahlreiche Betheiligung an derselben.

Noch eines Ereignisses muss ich gedenken, weil es in seiner Eigenthüm- lichkeit auch für Andere von demselben Interesse sein dürfte, das es für mich hatte. L'h meine das jährliche gemeinschaftliche dinner der Debating Society.

In der Sitzung vom Donnerstag, den 23. Januar d. J. der Donnerstag war der Tag für die meetings der D. S. in Sussex, dem public house in Culford Road erinnerte am Beschluss der laufenden Tagesordnung der Vorsitzende daran, liass es Zeit sei über das Wann? des herkömmlichen gemeinschaftlichen dinner der Gesellschaft einen Beschluss zu fassen. Nach längerem Hin- und Herreden wurde endlich auf den 28. Januar Abends 8 Uhr das jährliche Festessen angeordnet. Der Hergang bei Tische und nach Tische ist insofern von besonderem Interesse, als jedes grössere dinner ausserhalb des Familienkreises, wenn dasselbe einen gewissen öffentlichen Charakter hat, demselben genau entspricht. Das Unveränderhche, Stereo-

Miscollen. 153

type in allen Einrichtungen des öflTentlicIien iinrl Privatlebens der Engländer, das steife Festhalton an altherkömmlichen, zum Theil derben Biiiuchen, die den Continentalen nicht selten au das biedere, naturwüchsige Bürgerthum des Mittelalters erinnern, i^t gerade die Seite des englischen Lebens, die dem Fremden zuerst (bis Fremdeste an dieser Nation ist. Pünktlich fan- den sich denn auch die Theihiehnier am Festessen, etwa 50 an der Zahl, in dem gewohnten Sitzungssaale ein. Ein jedes öffentliches dinner in Eng- land besteht aus drei Abtheilungen, welche man als die meat-Abtheilung, die pudding-Abtheilung und die cheese-Abtheilung bezeichnen könnte. Die einzelnen (lerichte werden nicht, wie es bei uns die Sitte erfordert, nach einander als successive Gänge servirt. sondern neben einander aufgetragen. Es dam])ften neben einander auf der langen Tafel: Roastbeef, Hammel- braten, Hasenbraten, Hasenpfeffer, Truthahn, Hühnchen, gekochter Schinken und einige Bratenarten ausserdem. Wit jeder einzelnen dieser verschiedenen Fleischspeisen eine Bekanntschaft anzuknü{)fen, ist natürlich unmöglich, zu- mal einem deutschen Magen; ein englischer pflegt allerdings in dieser Be- ziehung mit einer grösseren Leistungsfähigkeit ausgestaltet zu sein. Zwischen den Bratcnschüsseln Hessen ein halbes Dutzend verschiedener feiner Gemüse ihren würzigen Duft aufsteigen, auch die Kartoffeln fehlten nicht, und zu dieser reichen Ansstelluni!: von Kostbarkeiten gesellten sich schliesslich noch die unumgänglichen pickles, die beliebte Batty and Nabob Sauce und andre Delicatessen für den englisciien Gaumen. Die Geschäftigkeit der hin- und hereilenden Kellner bei einem solchen dinner ist ausserordentlich. Jeder der Gäste wechselt 6 bis 8 Mal Teller, Gabel und Messer; sobald er nämlich eine der Portionen, auf welche sein Appetit rechnet, hat verscliwftiden las-sen, springt ein flinker Kellner herbei, entfernt das benutzte Tischgeräth , er- kundigt sich nach ferneren Wünschen und ist im Nu mit dem Begehrten wieder da. Nach der ersten (meat) Abtheiiung wurde tabula rasa ge- macht, und nun kam eine ganze Colonne stattlicher Puddings hereinmar- schirt. Da erhoben sich Riesenpudiings neben kleinen Pasteten, Puddings in stolzem Farbensclunuck neben bescheidenen Schwestern im sehlichten Unschuldskleide; der düstre College Pudding neben dem hochrothen, fast durchsichtigen La Manche. Nachdem die Reste der Puddingsfamilie ihren Rückzug von der Bühne genommen hatten, marscbirten die würdigsten Ver- treter «ier Kiiseinnung auf. Auch der Schweizer, der Limburger und der Holländer beehrten die Tafel durch ihr Erscheinen. Ehe noch der Käse sich verabschiedet hatte, sprach der Präsident ein kurzes Dankgebet, wäh- rend dessen die Gesellschaft sich von den Sitzen erhob, und dann wurde abgetragen.

Jetzt verwandelte sich die Scene vollständig; die altera pars begann, die der Deutsche die genüithliche zu nennen pflegt. Auf englische Verhält- nisse möchfe freilich diese Bezeichnung nicht ganz zutreffend sein. Besteht nämlich der Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Akte eines Fest- essens zur Feier des königlichen Geburtstages oder dergl. bei uns darin, dass der Gang der Handlung während des ersten Aktes gemessener, würde- voller ist, dass in diesen die durch die Gelegenheit bedingten Toaste ein- geflochten sind, so hat in England vielmehr der zweite Akt dieses Gepräge. Freilich sitzt während desselben auch dort ein Jeder bei seinem Glase \\'ein und unterhält sich ungezwungen mit seiner Nachbarschaft ; sobald aber der Hammer des ^'orsitzen'len das Zeichen zum Schweigen giebt, tritt plötzlich die tiefste Stille ein. Jeder weiss, was bevorsteht: Von den durch die Ge- wohnheit von Jahrhun lerteu wie ein unabänderliches Ceremoniell vorgeschrie- benen Toasten erfolgt der erste. Er gilt der Königin, und Keiner als der Präsident selbst darf ihn ausbringen. Am Schlüsse einer kurzen, würdevoll gehaltenen Ansprache erhebt sich Jeder mit dem Glase in der Hand und stimmt in das zehnmal wiederholte, durch rhythmische Bewegungen des prä- sidenti.scheii Maehtstabcs im Takt gebrachte Hurrah! ein, worauf die Gläser

1 24 Misctllen.

eiklinpen und geleert werden. Stehend wird darauf unter den Klängen der IShisik in unserem Falle inusston die Tone eines Claviers genügen die erste Strophe <ier Nationalhymne (God save cur graeious (^ueen etc.') ge- sunken. — Nach kurzer Pmusc bringt <ler Viceprä.^ideiit das Wohl des Prin- zen von Wales ans; es erfolgen diesellien Ceremonien, doch felilt der Gesang am Schlüsse derselben. Der dritte und vierte der officiell vorgeschriebenen 'J'oiiste, von denen der erstere der Ariny and Navy, der letztei-e der Presse gilt, müssen womöglich erwidert werden. Diesen bei<len Toasten wird nur durch das Austrinken der Gläser nacligekommen, das Hurrali ! und das An- stossen der Gläser unterbleiben. Die Erwidernngen übernahmen an jenem Abende in der Debating Society ein Hauptmann a.D. und ein Correspomlent der Times. Damit hatte das Officielle *ein Ende erreicht und nun ertönte in grösserer Ungezwungenheit das Hoch! auf einzelne, besonders verdienst- volle Mitglieder der Gesellschaft oder einzelne in derselben vertretene Stände resp. Notabilitäten; auch der Deutschen wurde gedacht. Der Ton der An- sprachen war von nun ab ein jovialer, scherzhafter, daneben aber ein recht herzlich warmer, ^^'ar das Lob eines Einzelnen der Anwesenden in Aller Ohren ei-klungen, so stimmte beim letzten Worte des Redners der ganze Chor der Tischgenossen fröhlich das Verschen an :

For he's a jolly good fellow, For he's a jolly good fellow, For he's a jolly good fellow,

And so say all of us. With a hip, hip, hip, hurrah! (dreimal).

Bis gegen 12 Uhr blieb die Gesellschaft beisammen, ein längeres N'er- weilen gestatteten die strengen Vorschriften der New Licensing Act nicht.

Die Debating Society ist eine echt englische Erscheinung. Jeder Eng- länder ist Zeitungsleser und Politiker, und als solcher strenger, von Eifer beseelter Anhänger seiner Partei. Die in Deutschland weit verbreitete Klasse derer, welche ohne grosse Furcht aber auch ohne besondere Hoffnung mit einer gewissen, meistens liberalisirenden Neigung ruhig den Gang der Dinge ver- folgen, denen im Uebrigen aber der Wunsch durchaus fern liegt, auf die Ereignisse der inneren oder äusseren Politik als vollberechtigte Theile eines mächtigen Ganzen Ihren Einfluss mit zur Geltung bringen zu wollen sie fühlen sich ja unter den Fittigen einer verständigen, massvollen Regierung sicher geborgen , ist in England kaum vertreten. Jeder Engländer ist mit Leib und Seele Parteimann, das Schicksal seiner Partei ist eines seiner höchsten Lebensinteressen. Nirgends sind daher die politischen Gegensätze so scharf gezeichnet wie dort. Der Charakter der Parteien , ihre Denk- weise und die derselben entkeimenden Principien, ihr Wollen und Streben auf allen möglichen Gebieten Alles tritt hier durch den unvermittelten Contrast in die hellste Beleuchtung. Und der treffendste Ausdruck dieser nationalsten aller nationalen Erscheinungen des socialen Lebens in England dem politischen Mutterlande aller modernen Culturstaaten ist die Debating Society, in welcher sie sich in ihrer ganzen VolksthümHchkeit darstellt. Möchte andrerseits auch die willkommene Aufnahme, welche der Fremde in diesem Kreise findet, in Zukunft für den Deutschen, der sich in England verlassen und von den \'erhältnissen abgestossen tühlt, eine Veranlassung sein, sich allwöehentüch einen ebenso angenehmen als genuss- reichen Abend zu verschallen.

Prenzlau. Dr. K. Böddeker.

Bibliographisclier A iizeiger.

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K. A. Hahn, mitteldeutsche Grammatik. Neu ausgearb. vdu Fr. Pf'eifler. 3. Ansg (Frankfurt, AVinter.) 1 Thir.

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W. Scherer, Deutsche Studien. 11. Die Anfänge des Minnegesanges. (Wien, Gerohl.) 12 Sgr.

Diu Klage, mit den Lesarten säinnitlicher Handschriften. Hrsgb. v. K. Bartsch. (Leipzig, Broekhaus.) 1 Tlilr. 10 Sgr.

J. Baumgarten, La france comique et populaire. Neue Aussähe. (Stutt- gart, Nefi'.) _ _ _" 1 Thlr.

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Lessing's Laokoon für den Schulgebrauch bearb. m. Erläuterungen von Buschmann. (Paderborn, Schweningh.) l'^Vj Sgr.

Uhland's Ludwig der Baier. Schulausgabe mit Anmerkgn. v. H. Weis- mann. (Stuttgart, Cotta.) 12 Sgr.

Herder's Cid. Schulausg. m. Anmerkgn. v. Schaefer. (Stuttgart, Cotta.)

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G. Lücking, Die franz. Verbalformen f. d. Zweck des Unterrichts be- schrieben. (Berlin, Weber.) T'/^ Sgr.

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T. Weischer, Elementarbuch der englischen Sprache. (Neuwied, Heuser.)

8 Sgr.

A. Schaefer, Lehrbuch der italienischen Sprache. 1. Thl. (Paderborn, Schweningh.) 10 Sgr.

Verzeichniss der Vorlesungen

an der Berliner Akademie für moderne Philologie. Sommersemester 1875.

Historische Grammatik der deutschen Sprache (II. Th. Ableitung und Wortbildung) wird am Mittwoch und Sonnabend von o 4 Uhr vortragen Dr. W. Begemann.

Die Gedichte Walther's von der Vogelweide erklärt am Montag, Don- nerstag und Freitag von 6 7 Uhr Dr. W. Begemann.

In den deutschen Uebungen wird die Leetüre von Hartmann's Iwein nach Benecke-Lachniann fortgesetzt werden. Dr. W. Bege- mann.

Angelsächsische und altenglische Uebungen mit Zugrundelegung des altenglischen Lesebuchs von Zupitza (Wien 1874) Dienstag und Freitag von 4 5 Uhr Dr. Zernial.

Historische Grammatik der englischen Sprache (I. Theil Lautlehre und Flexionslehre) wird am Sonnabend von 4 6 Uhr vor- tragen Director Dr. Immanuel Schmidt.

Die Lehrmethode der englischen Grammatik wird am Montag und Don- nerstag von 2 3 Uhr erläutern Prof, Dr. van Dalen.

Einleitung in das Studium Chaucer's wird am Freitag von 5 6 Uhr vortragen Dr. Th. Vatke.

Spenser's Faery Queene. B. I. erklärt am Mittwoch und Sonnabend von 3 4 Uhr Prof. Dr. Herr ig.

Shakespeare's Hamlet erklärt am Montag und Donnerstag von 2 3 Uhr Prof. Dr. Leo.

Dickens' Christmas Carol wird am Dienstag und Freitag von 5 6 Uhr erklären Dr. A. Hoppe.

Englische Literaturgeschichte. Johnson's Circle at the „Mitre". Mitt- woch und Sonnabend von 6 7 Uhr Prof. G. Boyle.

Exercises in English style. Montag von 5 6 Uhr Mr. Wright.

Uebungen in freien englischen Vorträgen werden am Donnerstag von 5 6 Uhr geleitet von Mr. Wright.

128 A'oilesungon der Akademie für moderne Philohrgie in Berlin.

Die Syntax der französischen Sprache wird am Montag und Donners- tag von 6-7 Uhr vortragen Dr. Goldbeck.

Historische AVortlehre des Französischen (Wortbildung und Flexion) wird am Montag von 3 5 Uhr vortragen Dr. G. Lücking.

F'ranzösische Aussprache mit physiologisch-historischer Begründung. (Die Vocale, Lehre vom Accent.) Dienstag von 5 6 Uhr Dr. A. Renecke.

Hoiace von Corneille. Dienstag von 6 7 Uhr Dr. A. Benecke.

La chanson de Roland (nach der Ausgabe v. Th. Müller, Göttingen, 1863) wird am Donnerstag von 3 5 Uhr erklären Dr. Scholle.

Les lettres provinciales p. B. Pascal, mit Vorausschickung einer Ge- schichte der französischen Prosa bis zur Mitte des XII. Jahr- hunderts. Montag und Donnerstag von 2 - 3 Uhr Dr. Cr o uze.

Provenzalische Grammatik (Lautlehre und Formenlehre) wird Dienstag und Freitag von 6 7 Uhr vortragen Prof Dr. Mahn.

Provenzalische lyrische und epische Gedichte wird Mittwoch und Sonn- abend von 6 7 Uhr erklären Prof Dr. Mahn.

Histoire de la litterature fran^aise. Dienstag und Mittwoch von 5 6 Uhr Mr. Marelle.

Exercices orthoepiques et prosodiqucs. Dienstag von 4 5 Uhr geleitet von Mr. Marelle.

Exercices de style franpais Mittwoch von 4 5 Uhr Prof. Pari seile.

Uebungen in freien französichen Vorträgen werden am Freitag von 4 5 Uhr geleitet von Dr. Burtin.

Syntax der italiänischen Sprache; verbunden mit Uebungen. Montag und Donnerstag von 5 6 Uhr Dr. H. Buchholtz.

Dante's Paradiso erklärt Mittwoch und Sonnabend von 6 7 Uhr Dr. H. Buchholtz.

Grammatik der spanischen Sprache mit praktischen Uebungen. Montag und Donnerstag von 3 4 Uhr Dr. Foerster.

Don Quijote von Cervantes wird am Montag von 4 5 Uhr erklären Dr. Foerster.

Ausgewählte Komödien von Ludwig Holberg wird Mittwoch und Sonn- abend von 3 4 Uhr erklären Dr. Chr. Rauch.

Schwedische Grammatik mit praktischen Uebungen. Montag und Don- nerstag von 6 7 Uhr Dr. von N or denskj öld.

Tegner's Frithjofssaga wird am Donnerstag von 7 8 Uhr erklären Dr. von Nordenskjöld.

Praktische Uebungen im Unterrichten werden in zu verabredenden Stunden geleitet von Prof Dr. Herr ig.

Der Eudämonismus und die französische Literatur.

Von

Dr. Alb. Wittstock.

Es gewährt einen lehrreichen Anblick, den gegenwärtigen Zustand der romanischen Nationen im Vergleich mit ihrer Ver- gangenheit und namentlich unter Berücksichtigung des Einflusses der Geistesarbeit, wie sie sich in Kunst und Wissenschaft zeigt, zu betrachten, und ebenso lehrreich ist es zu sehen, wie selbst das Urtheil der gerechtesten Geister von äusseren Eindrücken abhängig ist und oft schnell durch die Geschichte geändert wird. Friedrich der Grosse war es nicht allein, welcher sagte: „Kein Kanonenschuss dürfte in Europa ohne mich fallen, wenn ich König von Frankreich wäre." Diese Meinung existirte, sie hatte sich bis in die neueste Zeit aufrechterhalten wie ein Herkommen, und es wäre vergeblich gewesen, wenn etwa jemand die In- feriorität Frankreichs den höchsten Ideen gegenüber hätte be- weisen oder aus der Literaturgeschichte die Einseitigkeit der französischen Weltanschauung hätte darthun wollen. Dass Paris in ähnlicher Weise wie einst Eom die ganze materielle wie geistige Bewegung der Welt in sich concentrire, und dass über- haupt das Volk an der Spitze der Menschheit (i\ la tete de la civilisation) stehe, sprach ein jeder nach , auch wenn er nicht A. de Vignys wundersames Gedicht „Paris" gewesen hatte. Erst durch die tiefere Erkenntniss, dass das Imperium als blosse äusserliche Macht keinen Bestand hat, wenn nicht zugleich die erste Stelle in der Wissenschaft damit verbunden ist, wurde das Urtheil über Frankreich etwas modificirt, indem sich bei dem

Archiv f. n. Sprachen. LIV. 9

luO Der Eüclämonismus und die französische Literatur.

hohen Stande der Philosophie in Deutschland die Ansicht bil- dete, dass bei dem Ringen um die erste Stelle in Europa zwei Nationen in Betracht kämen, neben der französichen die deutsche, und so Hessen sich, wenn auch vereinzelt, prophetische Stimmen vernehmen, welche, den Geist der Geschichte offenbarend, ver- kündeten, dass durch die Herrschaft des deutschen Geistes dem Vaterland eine hohe und herrliche Zukunft erblühen werde.

Wenn der Roi de l'Allemagne, wie die Franzosen Fried- rich II. zuweilen nannten, über die deutsche Literatur herab- setzend urtheilte und der französischen sich zuwendete, so be- kundete er dadurch einen Zug deutscher Charaktereigenthüm- lichkeit. Kein Land beschäftigte sich von jeher bis auf diesen Tag so sehr mit der Literatur der Ausländer als Deutschland. Ausserdem aber ist die Vorliebe des Königs für das FKan- zösische für jeden erklärlich, der den Zustand beider Literaturen zu jener Zeit vergleicht. Der Mann von Geist und ohne V^or- urtheil suchte geistige Nahrung wo er sie fand, wenn es auch bei seinen Feinden war, die er im siebenjährigen Kriege schlug. Der Philosoph auf dem Throne, fern von jeder Engherzigkeit und das Genie hoch verehrend, achtete die Eigenschaften, welche den französischen Geist kennzeichnen, und verhehlte nicht seine Sympathien für dieses reich begabte Volk. Damals lagen die reichen literarischen Schätze der ruhmvollen classischen Periode von Descartes und Corneille bis Voltaire fast als ein abgeschlos- senes Ganzes vor, und wenn es zwar richtig ist, dass in den Werken des siebenzehnten Jahrhunderts sich mehr Ernst und Kraft findet, als in denjenigen des schon den Verfall anzeigenden achtzehnten Jahrhunderts, so sind es bei den letzteren die geist- reiche Eleganz, die naive und erhabene Beredsamkeit, welche den Enthusiasmus wach halten. Die Kühnheit in den Grund- sätzen, die Unabhängigkeit in den Ideen, das kecke Urtheil über alle möglichen Gegenstände, die man bei Corneille bemerkt, der kräftige unabhängige Charakter bei Pascal, das Männliche in dem Talent Moliere's, die Tiefe in seinen Bemerkungen neben dem Gefälligen in seiner Manier: diese Eigenschaften, wovon sich noch Spuren bei ßacine und andern Jüngeren zeigen, weichen bald einer anderen Richtung. Das müssige Leben eines verführenden Hofes, der ausschweifende Umgang mit Frauen

Der Eudämonismus und die französische Literatur. 131

raubt dem Charakter der Franzosen den ehemaligen Ernst und die Würde, und verleitet sie zu einer zunehmenden Frivolität. Aber trotz der einreissenden Gleichgültigkeit gegen die Grund- sätze der Moral, und trotzdem, dass es Gewohnheit wurde über alles zu lachen, was bis dahin den Menschen heilig gewesen war, gab es doch immer noch charakterfeste Männer, welche ihre tugendhaften Gesinnungen verbreiteten und Achtung vor der Moral und Religion forderten. Ausser Fenelon verdienen noch Massillon und Fleury beachtet zu werden, welch' letzterer in der „Kirchengeschichte" die zahlreichen metaphysischen Fragen mit Klarheit und Tiefe auseinandersetzt. Rollin ferner suchte der Jugend Geschmack für alles Gute und Schöne und zugleich Liebe zu den Wissenschaften einzufiössen. Berühmter noch ist d'Aguesseau, das Muster eines standhaften und tugendhaften Bür- gers, ein Mann von Charakter und Würde, der mitten in dem allgemeinen Verderben nie den Verführungen des Lasters nach- gab. Aber selbst unter der Regierung Ludwigs XIV. bis zur Regentschaft des Herzogs von Orleans wirkten doch noch die grossen Vorbilder der eben vergangenen Zeit mächtig auf die Epigonen ein, und verhinderten den Verfall. Die Begierde nach dem Lächerlichen stillten Regnard und Dancourt, indem sie mit Laune und Geist und oft nicht ohne Tiefe die verdorbenen Sitten ihrer Zeit schilderten, während Le Sage, in einer Weise wie es nur ein Schriftsteller aus Moliere's Schule konnte, dasselbe Ta- lent auf den Roman wendete. Die Verfälschung der Geschichte begann erst später, denn noch Mezeray hatte die französische Geschichte im Geiste der Wahrheit geschrieben. Auch die Philosophie des Zweifels leitete die Menge noch nicht irre, denn Bayle's Zweifel bezweckt die Erforschung der Wahrheit; er lehrt, dass man zwar nicht ohne Prüfung glauben, aber auch nicht leichtsinnig und ohne Prüfung verwerfen solle. Crebillon darf zwar nicht mit den grossen Tragikern der französischen Bühne verglichen werden, aber er fordert Beachtung, weil er kein platter Nachahmer, sondern ein selbständiger Genius war. Auch Fontenelle, der Enkel Corneille's, ergriff Partei gegen die herrschende Literatur-Richtung; mit ihm hat Lamothe einige Aehnlichkeit. Doch mitten in der Zeit der Gährung und Schwan- kung traten die beiden Männer auf, welche, ganz das Gepräge

9*

132 Dei- Eudiiinonismus und die französische Literatur.

des Jahrhunclerts an sich (ragend, auf dasselbe von bedeutendem Einfluss wurden. Ohne Zweifel war Voltaire mit den erstaunens- werthesten Fähigkeiten begabt, und man muss zugeben, dass er mitten unter seinem Durst nach Kuhm und Einfluss auch ein lebhaftes Streben nach dem Guten besass. Kousseau aber hegte eine enthusiastische Liebe für die Tugend und Gerechtigkeit und wollte Andere dazu ermuntern. Er stellte als Idealist das Ich des Einzelwesens als das höchste auf und trennte es von der Objectivität. Sein Bestreben, die Menschen zur Tugend zu führen, verleitete ihn sogar in der Heloise zum Dogmatisiren. Neben Voltaire und Rousseau sind noch Montesquieu und Buifon die Koryphäen der französischen Literatur im 18. Jahrhundert. Montesquieu ist in seinem Leben reiner und würdiger, aber die Religion behandelt er nicht schonender als Voltaire; unter dem dünnen Schleier von Spöttereien gegen die mohammedanische Religion in den Persischen Briefen sucht er den Glauben über- haupt zu erschüttern. Noch fünfzig Jahre früher hatte Domat in seiner Abhandlung „über die Gesetze" die Religion mit hei- liger Ehrfurcht behandelt, während Montesquieu im „Geiste der Gesetze" sie mehr als Zugabe betrachtet; ein solcher Umschwung war bereits in der Methode des Denkens eingetreten! Buffbn ist der grosse Maler der Natur. Ein Jahrhundert früher hatte sich schon Descartes mit dem Studium der Natur beschäftigt; die Verbindung der moralischen mit der physischen Natur war sein Hauptaugenmerk, und sein ganzes Leben hindurch bemühte er sich, einen gemeinschaftlichen^Mittelpunkt für beide zu finden. Pascal warf ihm vor, dass er sich alle Mühe gegeben habe ohne Gott in seinem Systeme fertig zu werden. Zu Buflfons Zeit war man bereits dahin gekommen ohne Gott fertig werden zu können. Er dachte daher nur an die physische Natur ; aber mit welcher unbegreiflichen Zauberkraft schildert er uns dieselbe, enthüllt er uns ihre Geheimnisse! Bufl'on umfasst mit einem grossen Blicke die Natur, ohne durch ein solches Schauspiel verwirrt zu werden, so gut er auch die Grösse zu schätzen weiss. Gross ist die Zahl der Geister zweiten Rangs in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, doch es ist viel Talent auch im kleineren Kreise zu finden. Es lässt sich Lefranc de Porapignan wegen seiner geistlichen Gedichte erwähnen, der Dramatiker

Der Eudämonismus und die französische Literatur. 133

Piron, und Destouches, der durch wenige Komödien sich einen dauerhaften Ruf verschafft hat. Lachaussee erinnert bisweilen an Terenz , und Gresset ist in mehreren Arten ausgezeichnet, während Marivaux und Prevot im Gebiete des Romans nicht vergessen werden dürfen. Eine ganz abgesonderte Stelle nimmt Vauvenargues ein, den das Studium der Schriftsteller des ver- flossenen Jahrhunderts von dem Wege seiner Zeitgenossen ent- fernte, und dessen Geschmack eben so rein ist wie seine Moral. Von einem bei weitem anderen Geist als Vauvenargues waren die Männer der Encyklopädie beseelt. D'Alembert, der grosse Mathematiker, nahm ein ganz anderes System der Metaphysik an, als Descartes , Pascal, Malebranche die Wissenschaft der Seele getrieben hatten. In der Einleitung zur Encyklopädie betrachtet d'Alembert in Uebereinstimmung mit Condillac, dem Haupt dieser Schule, den Menschen als eine Maschine, lediglich dem Einfluss der äusseren Gegenstände unterworfen, und Hel- vetius, der treueste Schüler der Philosophen dieser Zeit, legte seinem System zu Grunde, dass das physische Empfindungs- vermögen die productive Ursache aller unserer Gedanken sei. Uebrigens war Helvetius persönlich ein redlicher und wohl- thätiger Mann, der, weit entfernt die Tugend vernichten zu wollen, sich im Gegentheil einbildete, der Moral einen grossen Dienst zu leisten, wenn er zeigte, dass es die Selbstliebe sei, die tugendhaft mache. Ein eigenthümlicher Charakter ist Diderot, der sich zwar selbst einen dogmatischen Moralisten nennt, aber doch für die Moral gefährlich war. Eigentlich verdienen die Philosophen des 18. Jahrhunderts diesen Namen nicht, denn sie Hessen sich allzu leicht von der Strömung der Zeit mit fort- reissen. So findet sich bei Duclos, obgleich er sich den herr- schenden Grundsätzen abgeneigt zeigte, dieselbe Vereinigung von Cynismus und Moral, und auch der Abbe v. Mably, der eich sein ganzes Leben hindurch mit Beharrlichkeit und Würde mit der Politik und Moral beschäftigte und offenen Widerwillen gegen die Häupter der neuen philosophischen Schule zeigte, war ihnen dennoch ähnlicher als er selbst glaubte, und wirkte schliess- lich für dasselbe Resultat. Von den Dichtern hätten ausser Saint-Lambert vielleicht zwei, die jung starben, Malfilätre und Gilbert, sich zu grösserer Bedeutung emporschwingen können,

134 Der Eudiimonisimis und die französische Literatur.

während die Prosa noch die Namen Marraontel und Laharpe vor den übrigen hervorhebt. Es war eines der merkwürdigsten Jahrhunderte dieses achtzehnte, das noch lange die Blicke der Nachwelt auf sich lenken wird. AVelche Veränderung in Sitten, Meinungen und Gesetzen! Und wie maunichfaltig; war die fran- zööische Literatur in diesem durch die Arbeit mehrerer Ge- schlechter vorbereiteten Jahrhundert! Wohl klagten viele Schrift- steller und Freunde der Tugend die ersten Stände der Gesellschaft der Sittenverderbtheit an, und wehrten sich gegen die Ansteckung, aber sie konnten den endlichen Fall nicht verhindern , ja sie wurden selbst in den Strom hineingerissen ; denn zu allen Zeiten findet sich eine nothwendige Verbindung zwischen der Literatur und dem Zustande der Gesellschaft, und so zeigen die Werke dieser Epoche viele Schwächen und Mängel, daneben jedoch auch edle und grosse Ideen. Gleichzeitig wird in diesem Zeit- raum die französische Sprache die Sprache aller Gebildeten in Europa, nicht sowohl durch die Vertreibung der Protestanten, worunter Männer wie Bayle, Lenfant, Basnage, Saurin, als namentlich durch den Glanz der französischen Literatur,

Während nun so im Zeitalter Friedrichs des Grossen der französische Geist durch seine literarische Ueberlegenheit herrschte, sah es mit der deutschen Literatur noch ziemlich ärmlich aus. Lange waren die Franzosen als Vorbilder angesehen worden, ehe die classische Literatur - Periode in Deutschland anbrach, die dann allerdings, genährt und befruchtet durch alles Grosse, was dem Beginn der eigenen Thätigkeit vorausgegangen war, einen höheren Grad des Aufschwungs erreichte, und durch das titanische Ringen der Sturm- und Drang - Periode nach dem Idealen eine ganz andere Richtung nahm. Im 18. Jahrhundert, als „Jahrhundert der Humanität" treffend charakterisirt , ist die Weltanschauung in Frankreich, England und Deutschland ganz dieselbe. Zu Ende des Jahrhunderts wird jedoch durch die grosse Revolution, die in Deutschland eine literarische war, der deutsche Geist, eo lange beeinflusst in Leben und Lehre, zu- nächst von dem französischen, dann von dem britischen, befreit, und hebt sich in Lessing, Leibnitz, Kant, Schiller und Goethe zu selbständiger Grösse empor, zugleich eine neue Zeit verkün- dend. Kant wollte wie seine Zeitgenossen Humanität und Auf-

Der Eudämonismus und die französische Literatur. 135

klärung, aber zugleich sollte die Metaphysik von dogmatischen Blendwerken, die Moral von Eudämonismus gereinigt werden. Durch diese Reformatoren in der Philosophie ist ein Gegensatz zwischen dem französischen und dem deutschen Geist entstan- den, der auch in der Literatur erkennbar ist und dem eine grosse Tragweite zugeschrieben wird. In Noacks „Jahrb. fiir specul. Philosophie" ^2. Jahrg. 1847, Heft 5 S. 1002) charakterisirt Rosenkranz das Ethos oder die allgemeine Weltanschauung der Franzosen, die sich ihnen in den Formen der fortune und der gloire darstelle, und führt näher aus, wie sich hierin der Un- terschied zwischen französischem und deutschem Nationalcharakter offenbare, namentlich insofern die Ausgleichung von Glück und Verdienst, welche das Christenthum und die Kant'sche Philo- sophie erst im Jenseits erwarten, in der französischen schon im Diesseits gesucht wird, was eben die Systeme des Socialismus und Communismus hervorgerufen hat.

So wahr es nun ist, dass die Richtung der französischen Literatur im allgemeinen eine eudämonistische, so müssen doch für die ganz specielle Unterscheidung die französischen Classiker einer genaueren Würdigung als bisher unterworfen werden, und zwar nicht bloss in stetem Bezug auf ihre Zeit und auf den französischen Nationalcharakter überhaupt. Für die dichterische Beurtheilung wird eigentlich Schiller (ästhetische Erziehung) massgebender sein als Kant; doch es mag hier unerörtert bleiben, dass die Poesie weder dem Laster schmeicheln noch ein Loblied auf die Tugend sein kann, da ihr Zweck das Schöne an sich ist, und das Schöne, indem es unser Herz erwärmt, uns zum Guten und Wahren führt. Dieser Standpunkt der Beurtheilung soll uns hier nicht beschäftigen. Wie man sich aber im gewöhn- lichen Leben hüten muss, allgemeine Fehler der menschlichen Natur den Franzosen besonders anzurechnen , so ist auch bei Behandlung philosophischer Fragen eine nationale Isolirung nicht möglich, vielmehr müsste hier zugleich untersucht Averden , in- wiefern sich die eudämonistische Weltanschauung bei allen Völ- kern findet, namentlich schon bei den Lehrmeistern der Philo- sophie im classischen Alterthum, wo der Eudämonismus unbedingt herrschend war, bald zwar durch eine wahrhaft sittliche Ge- sinnung veredelt, so namentlich bei den Stoikern, bald aber

136 Der Eudämonisraus und die französische Literatur.

auch in einer Gestalt, die den wesentlichen Charakter der Ethik aus dem Auge verliert, wie bei Aristipp und Epikur. Glück- seligkeit, sagt Aristoteles, ist das Ziel alles menschlichen Strebens, Glückseligkeit ist allerdings nach ihm ein Leben im Besitze des Schönen und Guten, ein Leben in vollendeter Tugend. Eine höhere Anschauung kam durch das Christenthum, indem es unmittelbar auf die Gesinnung, den Willen, auf die Reinigkeit des Herzens drang. Das gottselige Geheimniss, dass Gott die Liebe ist, und dass wir alle kraft dieser göttlichen Liebe zu einem ewigen seligen Leben berufen sind, war dem vorchrist- lichen Alterthum stets verborgen geblieben. Die Furcht vor einer alles Persönliche bindenden und in Schranken haltenden Macht war im Alterthum das Vorherrschende. Alle die wir leben, sagt Sophokles, sind nichts anderes als Schcingestalten und flüchtige Schatten. Alle Seelen wandeln in das Reich der Todten, aus welchem keine Erlösung ist. Durch die Erscheinung Christi auf Erden ist jedoch dem Tode die Macht genommen und unsterbliches Leben ans Licht gebracht, und eben desshalb fürchten wir uns nicht. Allein auch im Christenthum finden sich eudämonistische Verirrungen, denn eudämonistisch ist auch die religiöse Moral, wenn sie die Tugend lediglich um der Be- lohnungen willen empfiehlt, die ihrer in dem künftigen Leben warten. So scheint denn die eudämonistische Richtung tief in der menschlichen Natur zu wurzeln, ohne diese Eigenthümlich- keit hätte schon im Alterthum die Ethik nicht mit einer Güter- lehre verwechselt werden können, wenn man erwägt, dass der ethische Genius Griechenlands. Sokrates, gewissermassen der Vorläufer Christi genannt werden kann. Die Bewegung des Alterthums zum Mittelalter, vom Eudämonismus zum Moralis- mus, erreicht erst ihr wahres Ziel durch die Verinnerlichung des Protestantismus, und von hier muss eine Parallele zwischen der französischen und der sich höher entwickelnden deutschen Philosophie ausgehen. Wie die Franzosen schon im Mittelalter durch die grossen Kämpfe zwischen der Scholastik und Mystik, dem Nominalismus und Realismus einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Philosophie erlangten, so hat auch die gesammte neuere Philosophie durch Descartes von dort ihren Ausgangspunkt genommen, und seine Methode ist grundlegend

Der Eudämonismus und die französische Literatur. 137

fiir alle Folgezeit geblieben. Gegenüber der idealistischen Rich- tung, hauptsächlich vertreten durch: „Fenelon, Recherches sur l'existence de Dieu," Bossuet, Connaissance de Dieu et de soi- meme," Brunei, Projet d'une nouvelle m^tapliysique," erfolgte bald eine Abspannung in der Neigung zum Materialismus, wel- cher schon in der Descartes'schen Philosophie eingehüllt lag, und wie in England der Empirismus der Locke, Berkeley, Hume durch ßaco's Realismus vorbereitet war, so folgte der gallische Sensualismus der Helvetius, Condillac, Holbach auf den Ne- gativismus des vorigen Jahrhunderts in der Ethik; der durch jene realistischen Richtungen vorbereitende Eudämonismus artet jedoch dem französischen Charakter des Leidenschaftlichen und Gewaltsamen gemäss aus und führt sogar in Theorie und Leben zum sinnlichsten Egoismus und zum apres nous le deluge. J. J. Rousseau, so mächtig er gegen dieses Treiben mit seiner Begeisterung für das Hohe und Edle auftrat, vermochte doch nicht der Philosophie eine neue Richtung zu geben, der Sen- sualismus blühte noch einmal nach der Revolution empor und erhielt in Volney einen Moralphilosophen. Ein anderes Extrem ist die Philosophie des Katholicismus und Absolutismus, deren wichtigste Vertreter de Maistre, de Lamennais und Bonald sind. In der neueren Zeit waren die Eklektiker, namentlich Collard, Cousin, Jouffroy, Constant, bemüht, durch das Studium der deutschen Philosophie die Philosophie in Frankreich wieder auf die idealistische Höhe des Descartes zurückzuführen. Doch im Ganzen fehlt die schöpferische Kraft, was sich besonders im Mangel an einem System zeigt.

Einen ganz anderen Weg ist die Philosophie in Deutsch- land gegangen. Während in Frankreich nach der kurzen Blüthe- zeit des Cartesianismus die philosophische Forschung eine ganz materialistische Richtung eingeschlagen hat, die sich zum Atheis- mus steigerte und erst seit der Restauration wieder in die Bahn des Spiritualismus einlenkte, während die französische Philo- eophie des 18. Jahrhunderts vom religiösen Bewusstsein abstra- hirte, untersuchte die deutsche Philosophie die höchsten meta- physischen Fragen, und die von englischer und französischer Seite herandringende sensualistische Philosophie gewann keine Herrschaft über den deutschen Geist, welcher vielmehr bald

138 Der Eudümonismus und die französische Literatur.

durch Kant eine völlige Umwälzung bewirkte; der Aufschwung der philosophischen Bildung hat dabei in engem Zusammenhang gestanden mit dem Aufschwünge der ganzen deutschen Lite- ratur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die Philosophie bekam eine praktische und weltbürgerliche Bedeutung, und er- weckte (neuerdings durch die von der Hegel'schen Schule aus- gegangenen anregenden Arbeiten) theilweise auch das Interesse des grossen Publicums.

Wenn in den Erzeugnissen der französischen Literatur im ganzen ein gemeinschaftliches Princip, das der Liebe zur Humanität, zu erkennen ist, so erklärt sich dies auf natürliche Weise. Die classische Zeit brachte die Aufklärung, und sobald alle aufgeklärter werden, wird das Bedürfniss nützlich zu sein immer lebendiger. Indessen ist doch ein verschiedener Grad des Eudämonismus bemerkbar, auch würde sich, wollte man das ganze Gebiet der französischen Literatur, einschliesslich der altfranzösischen und provenzalischen, nur mit Rücksicht auf den ethischen Standpunkt untersuchen, mehr als ein moralischer Dichter finden, der, wie Ginaut ßiquier, die Aufgabe des Dich- ters darin erkannte, Sittenprediger seiner Zeit zu sein, deren Sittlichkeit tief gesunken war. Schon das erste namhafte Ge- dicht der provenzalischen Literatur ist eine Art moralisch-didak- tisches Epos, das Leben des Boethius. Will man aber behufs einer Merkmal-Bestimmung den Charakter der gesammten fran- zösischen Literatur genauer kennen lernen, so ist nöthig zwei Elemente, welche das innere geistige Wesen der Völker vielfach umgeändert und umgestaltet haben, epeciell zu betrachten und in ihrem Einfluss zu verfolgen: nämlich die classischen Studien des Alterthums und die Durchdringung des Christenthums. Beide sind mit den Nationalitäten so verwachsen, dass eine Trennung nicht bloss unmöglich, sondern sogar zerstörend und verderblich für das nationale Leben der Völker sein werde.

Das Wiederaufleben der antiken Kunst und Literatur wirkte auch auf Frankreich mächtig ein, und als unter Franz I. die classischen Autoren des griechischen und des römischen Alter- thums als einzig der Nachahmung würdig befunden und zahl- lose üebersetzungen erschienen waren, zeigten sich bald die Wirkungen der Antike in der französischen Dichtung. Clement

Der Eudämonismus und die französische Literatur. 139

Marot hat nur einiges aus Virgil und Ovid übertragen , aber Rabelais und Amyot, dieser durch die vortreffliche Uebersetzung des Plutarch, wirkten kräftig auf die Erweckung antiker Ge- sinnung hin. Den gewaltigsten Anlauf in classischer Richtung nahm jedoch die Plejade, und das Haupt dieser Dichterschule, Ronsard, wollte in die französische Poesie den griechischen Rhythmus einführen. Der erste französische Dichter, der sich in der metrischen Poesie versuchte, soll Mousset gewesen sein (vor 1550); seine metrische Uebersetzung der Ilias und Odyssee ist jedoch nicht im Druck erschienen. Von den zum poetischen Siebengestirn der Renaissance-Zeit Gehörenden hat Jodelle sich im Distichon versucht, und Baif mit solchem Erfolg die Metrik cultivirt, dass Verse in seiner Art lange Zeit vers Ba'ifius ge- nannt wurden. Pasquier führt vom Grafen Alcinois folgende hendekasyllabische Verse an:

Or qnant est de l'amour ami de vertu, Don Celeste de Dieu, je t'estime heureux, Mon Pasquier, d'en avoir fidelement fait Par ton docte labeur, ce docte discours ; Discours tel que Piaton ne peut refuser.

Auch Pasquier wurde, namentlich auf Antrieb des bekann- ten Ramus, veranlasst, sich in der metrischen Poesie zu ver- suchen. Indessen alle diese Bemühungen fanden auf die Dauer keinen rechten Anklang, wesshalb Ronsard die antike Versmessung mit dem modernen Reim verschmolz. Doch haben die Versuche in der metrischen Poesie lange fortgedauert; noch der Minister Turgot übersetzte verschiedene Partien der Aeneide und einige Eklogen Virgils in Hexametern. Diese Bearbeitung wurde unter dem Titel: „Didon, poeme en vers metriques hexametres, divise en trois chants ; traduit du quatrieme livre de l'Eneide de Vir- gile, et les seconde, huitieme et dixierae eglogues du meme auteur; le tout accompagne de texte latin," im Jahre VHI herausgegeben.

Die übrigen Sterne der sogenannten Plejade waren Du- bellay, Thyard, Belleau und Dorat, von denen der erste in sei- nem Manifest sagt: „Die blosse Uebersetzung ist kein aus- reichendes Mittel, um unser Idiom den berühmtesten Sprachen gleichzustellen. Was muss also geschehen? Nachahmung! Nach-

140 Der Eudämonismus und die französische Literatur.

ahmung der Römer, wie sie die Griechen nachahmten, wie Cicero den Demosthenes, Virgil den Homer nachahmte." Zuweilen trifft man bei den Plejaden-Dichtern auch Schwung, Kraft und Erhabenheit, z. B. bei Ronsard in der Hymne an die Ewigkeit:

0 grande eternite: Tu maintiens l'univers en tranquille unite De chainons enlaces les siecles tu rattaches Et couve sous ton sein tout le monde tu Caches, Lui donnant vie et force.

Doch weit eher als Ronsard verdiente eigentlich Malherbe ein König im Gebiete der französischen Dichtkunst genannt zu werden, insofern er wenigstens Gesetzgeber der poetischen Diction wurde.

Seine Lieblingsjünger Racan und Maynard, von denen der erstere sogar an die Seite Homers gerückt wurde, bildeten den Mittelpunkt jener kritischen und literarischen Zusammenkünfte, aus denen die Akademie hervoroinoj. Unter den Dichtern der Renaissance ist besonders Regnier zu nennen, dem das Studium der Alten nur genützt, nicht geschadet hat; St. Beuve nannte ihn den Montaigne der Poesie. Montaigne hat die didaktische Prosa, die vor ihm noch wenig angebaut war, auf eine bedeu- tende Höhe gebracht. In seinen Essays theilte er die heitere und weise Lebensanschauung der Alten, die ihm unbezweifel- bare Autorität. Ein grosser Theil seines Buches besteht aus Citaten aus Schriftstellern des Alterthums , besonders Plutarch und Seneca; namentlich für Plutarch hatte er eine grosse Vor- liebe, und im 12. Buch seiner Essays bespricht er die Amyot'sche Plutarch-Uebersetzung.

Am ungestaltendsten wirkte die Bekanntschaft mit der Li- teratur des classischen Alterthums im Gebiete der dramatischen Poesie. Durch Corneille, als dessen Vorläufer Rotrou angesehen werden kann, erlangte das Drama, welches mit Mysterien und Moralitäten begonnen hatte, einen hohen Grad classischer Aus- bildung. Der Charakter der Corneille'schen Stücke, namentlich im Horace und im Cinna, ist antike Grösse und Erhabenheit. Seine Vollendung erreichte das classisch- französische Drama durch den mit den Meisterwerken der Griechen vertrauten und von ihrem Geiste befruchteten Racine, obgleich bei ihm in Er-

Der Eudsimonismus und die französische Literalur. 141

fassung des Wesens der Tragödie ein Fortschritt nicht wahr- zunehmen ist. Trotz der Fesseln aber, welche das dramatische Sj^stem der Franzosen (in Lessings Dramaturgie und Schlegels Vorlesungen über die dramatische Poesie ausführlich dargelegt) dem Dichter anlegt, sind Racine's Tragödien doch als Meister- werke anerkannt, und Voltaire, der Dritte der Koryphäen der classischen Tragödie, aufgefordert, einen Commentar zu Racine zu schreiben, hatte vom französischen Standpunkt aus recht, als er antwortete: 11 est tout fait; il n'j a qu'ä ^crire en bas de chaque page: Beau, Pathetique, Harmonieux, Sublime. Racine, im Ganzen zum Elegischen und Idyllischen sich neigend, zeich- net sich auch manchmal, wie in Mithridates und ßritannicus, durch Ernst und Hoheit aus, und wahrhaft dichterische Kraft findet sich am Schlüsse der Phädra. Die älteren Dichter der classischen Schule gingen namentlich auf Euripides und Sophokles zurück, und zwar mit solcher Vertiefung, dass daraus der jeden- falls gewagte Vergleich Corneille's und Racine's mit Aeschylus und Sophokles entstand. Die blosse Nachahmung der Alten begründet noch keine Aehnlichkeit, auch ist richtig, dass, wenn z. B. Racine einzelne Scenen in seinen Tragödien den ent- sprechenden Scenen des Euripides unmittelbar nachgebildet hat, er es dabei doch verstand, seine poetische Selbständigkeit zu wahren. Gegen die Bearbeitung griechischer und römischer Stoffe und eine knechtische Nachahmung der Alten überhaupt schrieb mit Geist Lamotte, doch ohne Wirkung. Der Einfluss der classischen Literatur des Alterthums auf Frankreich zeigt sich auch auf demjenigen Gebiete, auf Avelchem der französische Geist stets geglänzt hat: in der Komödie. Selbst Moliere der Grosse, der in der französischen Dichtung ist, was Shakespeare in der englischen und Goethe in der deutschen, hat einen guten Theil komischer Mittel fremden Quellen, namentlich Plautus und Terenz, entlehnt. Er erreichte freilich diese Muster nur theil- weise, und mit den Worten: Laissons Piaute et Terence et ^tudions le monde I erfasste er das allgemein Menschliche , und zeigte, wie die Tugend aus der Gesellschaft, die ihn umgab, nach und nach verscheucht worden und asyllos umherirrte. . Eigenthümlich ist das Urtheil Laharpe's, welcher Moliere „le Premier des philosophes moralistes" nennt; auch Voltaire sieht

142 Der Eutlämonismus und die französische Literatur.

in ihm „einen Gesetzgeber der Moral," und die Vorrede zu einer englischen Ausgabe seiner Werke vergleicht dieselben mit einem „Galgen, an welchem das Laster und die Lächerlichkeit aufcehängt seien."

Wenn in der französischen Dichtung nach Moliere der Classicismus des Verfalls beginnt, so erheben sich dagegen die Werke der Prosa zu eigenthümlicher Kraft und gewaltiger Schönheit, und auch in der französischen Prosa ist die Ein- wirkung des clas?ischen Alterthums bemerkbar. Aus Rollins moralischen Betrachtungen in seiner „Histoire ancienne" und „Histoire romaine" leuchtet überall Reinheit des Willens und Rechtschaffenheit hervor, so dass Chateaubriand nicht ohne Grund von ihm gesagt hat: Rollin est le Fenelon de l'histoire, und Ancillon sagt in seinen Pensees: De tous les historiens modernes Rollin ressemble le plus h Herodote. Sehr schön und im an- tiken Geist schildert Rollin die letzten Tage des Sokrates nach seiner Verurtheilung in dem 14. Capitel des IX. Buches der Hist. anc. In der Voyage du jeune Anacharsis von Barthelemy fin- det man denselben Gegenstand gedrängt und zierlich dargestellt. Die supponirte Reise des jüngeren Anacharsis nach Griechen- land ist das Ergebniss langer, gelehrter Studien. Vor allen Werken der Prosa sind aber besonders die Considerations sur les causes de la grandeur et de la decadence des Romains zu nennen. Es ist wohlthuend, dass die didaktische und prüfende Tendenz des 18. Jahrhunderts in vielen Schriften sich in wür- diger Weise zeigt, und nicht bloss mit den Waffen des Witzes und der Wohlredenheit, wie z. B. bei Voltaire.

Es sind aber noch verschiedene andere Gattungen von Schriftstellern zu betrachten, um den ganzen Einfluss der clas- sischen Literatur des Alterthums auf Frankreich zu erkennen. Lafontaine, der unübertroffene Fabulist, dessen Lieblinge Horaz, Virgil und Terenz, besass die alte Neigung der Franzosen, gute Lehren in Verse zu bringen: obgleich er nur Lebensregeln giebt, und eine eigentliche Moral, d. h. im Sinne der christ- lichen Ethik, bei ihm nicht zu suchen ist, finden sich in seinen Fabeln doch auch Züge idealen und moralischen Inhalts. Die eigentliche Moral aller Fabeln, wie bei Aesop und Phädrus und auch bei Geliert und Hagedorn, ist allerdings im Grunde der

Der Eudämonismus und die französische Litaratur. 143

Utilitarismus. Doch beschäftigte Lafontaine sich auch mit den grossen Fragen der Vorsehung und Zukunft:

Lorsque sur cette mer on vogiie a pleines volles, Qu'on croit avoir pour soi les vents et les etoiles, 11 est bien malaise de regier ses desirs ; Le plus sage s'endort sur la foi des zephyrs.

Quand aux volontes souveraines

De celui qui fait tout et rien qu'avec dessein,

Qiii les sait que lui seul? comment lire en son sein?

Aiirait-il imprime sur le front des etoiles

Ce que la nuit des temps enferme dans ses volles?

Der zweite Fabeldichter Florian spricht ebenfalls durch Reinheit der Gesinnung an.

Die erste Stelle in der didaktischen Poesie nimmt Boileau ein, der, durch begeistertes Studium des Alterthums gebildet, mit einer Satire gegen die Fehler seines Zeitalters begann, und sich in seinen Episteln sogar mit theologischen Fragen beschäf- tigte, indem er den Satz aufrecht hielt, dass die Absolution de» Priesters ohne wahre Umkehr zu Gott nichts gegen die Sünde vermöge (Ep. 12). Wahrheitsliebend und freimüthig rief der Dichter, bei der Kunde, dass Ludwig nach dem berühmten Jansenisten Arnault fahnden lasse, in dem königlichen Vorzimmer laut aus: „Der König hat zu viel Glück, als dass er ihn finden würde!" Von den Hauptfactoren der classischen Zeit ist J. J. Rousseau der einzige, welcher sich mehr mit den Neuern beschäftigte ; er sagt selbst in einem Briefe ( Villemain, Tableau de la litterature fran?. T. IL p. 217):

Tantöt avec Leibnitz, Malebranche et Newton Je monte ma raison sur un sublime ton J'examine les lois des Corps et des pensees. Avec Locke je fais l'histoire des idees; Avec Kepler, Wallis, Barrow, Reinaud, Pascal Je devance Archimede et je suis l'Höpital.

Und in den Confessions: J'allais a mes livres jusqu'au diner. Je commen^ais par quelque livre de philosophie, comme la Logique de Port-Royal, l'Essai de Locke, Malebranchc,

144 Der Eudämonismus und die französische Literatur.

Lcibnitz, Descartes etc. Bei Voltaire dagegen zeigen sich ausser den englischen PUnflüssen auch diejenigen dea classischen Alter- thums, sowohl in seinen Werken, als auch (im reiferen Alter) in seinem humanitären Wesen, das auf heidnischen, antiken Grundlagen ruhte.

Die Wirkungen der altclassischen Literatur ziehen sich auch noch durch die spätere Literatur der Epigonen und Classiker der Decadence von Gilbert, dem frühverstorbenen „französischen Juvenal", bis zu den Dichtern des Kaiserreichs, den beiden Arnault, und bis zu den Romantikern, von denen Courier die Nalvetät Herodots mit der Beredsamkeit eines Demosthenes ver- einigte. Lemercier erntet mit seinem Agamemnon einen be- deutenden seit Voltaire nicht erlebten Beifall. Delille wird der „französische Virgil", und Chenier schöpft direct aus den besten alten Mustern, namentlich der Griechen. Die Romantiker griffen, den Anregungen Rousseau's, Chäteaubriands und der Stael fol- gend, durcheinander nach der Bibel, nach den Engländern und den Deutschen, aber auch nach Homer und den Alten, La- martine mischt la mort de Socrate mit einer christlichen Stim- mung, B^ranger erscheint im anakreontischen Styl, und Nodier trägt die sonderbare Erzählung Smarra ou les Demons de la nuit aus Uebersetzungen von Homer, Theokrit, Virgil, Catull, Statins, Lucian etc. zusammen. Als der Rausch der Romantik verflogen, war mit der Wiedererweckung der classischen Tra- gödie des 17. Jahrhunderts auch die Rückkehr in das Alterthum verbunden, doch hat Ponsard in seinem Ulysse mit weniger Glück als Racine, Voltaire, Crebillon die antike Bahn betreten. Mein- oder minder glückliche Versuche, aus dem Born des clas- sischen Alterthums zu schöpfen, finden sich noch bei Legouve, Delavigne, selbst bei Dumas (Orestie) und bei Barbier in sei- ner juvenalischen Muse. Ein nicht zu unterschätzendes Ver- dienst um die dramatischen Werke des „grossen Zeitalters" hat das Theätre frangais, das erste Theater von Frankreich, mit seinem Glorienschein von zwei Jahrhunderten literarischen Ruh- mes, welches neben den Novitäten bis diesen Tag die classischen Stücke nicht vergisst. Eine ganz besondere Gattung von Schriften besitzt Frankreich in der Bearbeitung antiker Autoren in einer dem Geschmack und dem Verständniss des gebildeten

Der Eudämonismus und die französische Literatur. 145

Publicums angemessenen Form, z. B. Boissier: Cicero und seine Freunde, Patin: Studien über die griechischen Tragiker, Vidal : Juvenal und seine Satiren ; im letzteren Werke werden die Sa- tiren des Juvenal nicht bloss in literarischer, sondern auch in moralischer und socialer Beziehung zergliedert und betrachtet. In Deutschland fehlt es zwar nicht an Uebersetzungen und Bearbeitungen der Alten, aber schon Goethe meinte, dass diese Bücher eigentlich nur zur Unterhaltung der Gelehrten unter- einander dienen und dem grossen Publicum keinen Geschmack an antiken Schriften beibringen können. Doch haben bereits Wieland, Lessing, Voss u. a. verstanden, den antiken Geist in moderner Sprache zu reproduciren. Das Streben, den Alten nachzueifern, geht durch die ganze französische Literatur, und hat trotz des Gegensatzes der modernen Geistesrichtung gegen die antike Grösse bis in die neueste Zeit fortgedauert.

Man sollte meinen, dass neben der Vorliebe für das clas- sische Alterthum eine so mystische und transcendentale Religion wie der Katholicismua wenis; Pflege gefunden hätte. Und den- noch zeigt sich auf jeder Seite der französischen Literatur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart der Einfluss des Christen- thums, und zwar nicht bloss im äusseren Lippenbekenntniss kirchlicher Symbolgläubigkeit oder im finstern Geiste der Fröm- melei, sondern auch in wahrhaft sittlicher Denk- und Handlungs- weise. Die älteste Literatur Frankreichs war bis tief in das Mittelalter hinein kirchlich-religiöser Art. Noch im 11. und 12. Jahrhundert bilden Heiligenlegenden und Kirchengesänge die

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einzigen literarischen Schätze, und auch die epische Poesie des Ritterthums war aus der mittelalterlichen Kirchenpoesie hervor- gegangen; selbst die Volkssage wurde mit legendenartigen Ele- menten verbunden. Die christliche Lebensanschauung hatte das ganze Mittelalter hindurch geherrscht, und es kommen noch bis in das 16. und 17. Jahrhundert Erscheinungen vor, welche den Anschauungsinhalt des Mittelalters bewahren (z. B. Pascal). Es war nicht zufällig, dass der Classicismus bald nach dem Zeitalter der Reformation begann. Auch in Frankreich hatte das Reformationszeitalter viele aufgeklärte lebensfrische Geister hervorgebracht; da aber dort der Katholicismus siegte, so wurde

Archiv f. n. Sprachen, HY. 10

14i! Der Emliimonismus und die fr.'inzösische Literatur.

der unterdrückte protestantische Geist nothwendig in andere Bahnen gelenkt: in die französische Gesellschaft kam der Zweifel, in der Literatur erschienen die Voltaire, Holbach, Helvetius etc., bis endlich durch die grosse Hevolution alle Vorurtheile und Privilegien bekämpft und abgeschafft wurden. Hätte der Pro- testantismus gesiegt, der kein Feind ernster wissenschaftlicher Forschung ist, so wäre der französische Volksgeist durch die Eigenschaften der Ruhe, des inneren Gehaltes, der Selbständig- keit — Eigenschaften , welche der Protestantismus verleiht vielleicht ein anderer geworden, und ohne den scharfen Gegen- satz zwischen den Lehren des Katholicismus und den philo- sophischen Ideen wäre die geistige Strömung nicht in jene Wild- heit ausgeartet, welche schliesslich statt der Reformation die Revolution brachte. Auch in Frankreich war (wie durch Luther in Deutschland) die Reformation von grosser Wichtigkeit für die Sprache und Literatur. Calvin, der den philosophischen Styl in Frankreich geschaffen, hat durch seine Institution de la religion chr^tienne, ein Werk von wissenschaftlichem Geist und wissenschaftlicher Sprache, eine unvergängliche Stelle in der französischen Nationalliteratur. Die beiden Hugenotten Dubartas (la Semaine, 1579) und d'Aubigne gehören zu den bedeutendsten Schülern Ronsards. Es wäre ferner nicht uninteressant, die Leistungen der Jansenisten mit denen der Jesuiten zu ver- gleichen. Bei den Schülern von Port-Royal findet sich neben grossen Talenten und ausgebreiteter Gelehrsamkeit aufrichtige Frömmigkeit. Racine's Athalie zeichnet sich durch Würde, Kraft, Innigkeit und echt biblisches Colorit aus. Sein Sohn Louis Racine ist durch geschätzte religiöse Dichtungen bekannt. Dem Kreise gehörte auch Larochefoucauld an, der freilich bald eine misanthropische Weltanschauung zeigte. Nicole, der mit Arnault die bekannte Logique de Port-Royal herausgab, ist auch Verfasser der Essais de raorale. Schon Descartes' Schüler Malebranche vereinigte aufrichtige Frömmigkeit mit brennender Wahrheitsliebe. Bekannt ist sein mystischer Idealismus und seine Vision en Dieu. Mit dem Satze: „Dieu est le lien des esprits comme l'espace est le lien des corps," bildet er bereits den Uebergang zu Spinoza. Erwähnenswerth ist sein Traitö de morale. Der bedeutendste Freund Port-Royals, Pascal, in

Der Eudämonismus und die französisclie Literatur. 147

dessen Schriften ein hoher Geist weht, war ein streng christ- licher Moralist, und Fenelon will durch die Kraft des Evan- geliums religiöse Begeisterung erwecken.

In der Poesie neigte schon Corneille zum religiösen Mysti- cisnuis hin, im Polyeuct verherrlichte er das christliche Martyr- thum unter der Römerherrschaft, und seine gereimte Ueber- setzunfj der Nachfolge Christi hatte anfangs einen bedeutenden Erfolg.

Aber selbst Voltaire war dem Christenthum nicht so fremd, als gewöhnlich, jedoch mit Unrecht, angenommen wird. Seine häufio;en Angriffe geilen die Religion richten sich mehr gegen deren Missbräuche, er ist kein Gottesläugner, denn er ruft:

Si Dieu n'existait pas, il faudrait l'inventer!

und in seinen gemüthergreifenden christlichen Stücken Alzire, Zaire sind manche rührend- und erhaben-schöne Stellen. So sagt Gusmann in Alzire zu seinem Mörder:

Des dieiix qua nous servons connais la difFerence: Les tiens t'ont commande le meurtre et la vengeance, Et le mien, quand ton bras vient de m'assassiner, M'ordonne de te plaindre et de te pardonner.

Durch den Mahomet wollte er Abscheu vor dem Fanatismus einflössen. In der Henriade heisst es über die Dreieinigkeit:

La puissance, Tamonr avec l'intelligence Unis et divises composent son essence.

Diderot und seine Anhänger betrachteten Voltaire insofern nicht als den Ihrigen, als er ihnen in der materialistischen Gottes- läugnung der Encyklopädisten nicht Aveit genug ging. Und dennoch hingen diese, zwar nicht in der Theorie, aber in ihrer Lebenspraxis und in den social -politischen Reformen, welche sie vorschlugen, einer strengen und oft sehr ideologischen Tu- gendlehre an, die mit der ethischen Corruption des Zeitalters in einem wohlthuenden Gegensatz steht.

Als Lyriker glänzt Lamartine, der allerdings schon der neuen Zeit angehört ; seine Meditations poetiques haben auch

10*

148 Der Eudänionisnius und die französische Literatur.

in Dculschlimd vielen Beifall gefunden. In seinen theosophisch gefärbten Oden und elegischen Liedern schweift er mit lyrischem Schwung in den idealen Regionen der modernen Sentimentalität, er hat etwas von der edlen Reinheit und metaphysischen Erhabenheit Schillers. Wie schön ist der Anfang von: les ^toiles.

Helas ! combien de fois seul veillant sur ces cimes notre äme plus libre a des voeux plus sublimes, Beaux astres ! fleurs du ciel dont le lys est jaloux, J'ai murmure tout bas: Que ne suis-je un de vous? Que ne puis-je, echappant ä ce globe de boue, Dans la sphere eclatante mon regard se joue, Jonchant d'un feu de plus les parois du saint lieu, Eclore tout ä coup sous les pas de mon dieu, Ou briller sur le front de la beaute supreme, Comme un pale fleuron de son saint diademe?

Lamartine war von J. J. Rousseau und Chateaubriand be- geistert worden. Die ethischen Anschauungen des ersteren sind bekannt: Rousseau gehört der Welt-Literatur an, und sein Emile ist ein welthistorisches Buch genannt worden. Chäteaubriands „Le g^nie du Christianisme ou les Beautes de la religion chre- tienne" und Les martyrs ou le Triomphe de la religion chr^- tienne kamen zur günstigen Zeit religiösen Bedürfnisses; weniger anziehend wirkte dagegen seine sentimentale Naturschwärmerei in Les Natchez, wo er in Rousseau's Manier die Sache der Natur gegen die Civilisation vertheidigen wollte. Die wahre und unerschöpfliche Quelle aller Poesie, die Natur, hat eine be- deutende Anzahl von Schriftstellern begeistert, von denen na- mentlich Bernardin de St. Pierre beachtet werden muss, der durch seine Etudes de la nature und Paul et Virginie das menschliche Gemüth tief ergriff, Gott und die Natur in der Literatur zu Ehren brachte, und überhaupt von sittlich-religiösem Einfluss war. Obgleich von seinen Zeitgenossen, z. B. Lamar- tine, sehr beachtet, bildete er doch keine literarische Schule wie Chateaubriand. Auch L. Racine hatte im Poeme de la Religion die wunderbare Grösse der Naturwerke besungen, welche dem Menschen einen Gott verkünden. Von den andern Naturdich- tern sind Saint-Lambert, besonders aber Delille zu erwähnen

Der Eudämonismus und die französische Literatur. 149

(Les jardins, L'horame de champs, Les trois Eignes de la iia- ture). Letzterer hatte auch den Muth, gelegentlich eines revo- lutionären Festes im Jahr 1793 so zu dichten:

O vous qui de l'Olytnpe usurpant le tonnerre Des eternelles lois renversez les autels,

Läches oppresseurs de la terre,

Tremblez! Vous etes imraortels.

Et vous, vous du malheur victimes passageres Sur qui veillent d'un Dieu les regards paternels,

Voyageurs d'un moment aux terres etrangeres,

Consolez-vous, vous etes iramortels.

Ein späteres Gedicht „l'immortalite" existirt von Saint- Victor. Von den Romantikern schloss der „classischste," wie Alfred de Vigny öfter genannt wird, sich ganz an das biblische ideologische Wesen Lamartines an, und von der „Jeune Pha- lange" lässt Ducamp die Gottheit über den Teufel siegen, welche dann von sich selbst sagt:

Je suis le Vrai, le Bien, le Beau, l'Amour immense.

lieber die Bestrebungen der neueren poetischen Schule in Frank- reich ist die Erörterung von d'Arlaincourt sehr charakteristisch : Le classique est la litterature imit^e des Grecs et des Romains assujettie ä des regles invariables et k des formes severes. Le classique est le beau ideal pris dans la nature antique et posi- tive. Le romantique au contraire est la litterature de la chevalerie et du christianisme. La piete est son flanibeau; l'enthousiasme est son essence ; le ciel l'occupe plus que la terre. Le roman- tique et le beau id^al pris dans la nature moderne et chrdtienne.

In der Prosa ist eine Anzahl bedeutender Redner nach- zuholen , die sich durch hohe Ideen ausgezeichnet haben. D'Aguessau ist schon oben genannt; auf ihn folgte Seguier und trat gegen die damaligen Philosophen auf. Ihre höchste Blüthe erreicht die Kanzelberedsamkeit durch Bourdaloue, Saurin, Mascaron, Flechier und Massillon, welch' letzterer in dem Ser- mon sur la veritö d'un avenir überzeugend von der Unsterb- lichkeit der Seele sprach. Die akademische Beredsamkeit, welche durch die Stiftung der Acadömie frangaise ein weites Feld fand,

150 Der Eudamonismus und ilie französische Literatur.

war nicht immer frei von blosser Schönrednerei, doch finden sich auch erhabene Stellen bei Buffon, Fontenelle, d'Alembert, Chamfort, Laharpe (eloge de Fenclon), Guibert, Fontanes u. a. Manches Gediegene Aveist auch die Memoiren -Literatur auf. Eine nicht unbedeutende Stelle in der französischen Literatur nimmt ferner Friedrich II. ein. Die Psychologie war durch Bonnct, die Aesthetik durch Andre und Crousaz angebaut, über- haupt sind die philosophischen Studien in Frankreich nicht ver- nachlässigt worden, und die neuern Denker haben sich ganz besonders dem Christenthum zugewendet. Lamennais erhob sich gegen die Irreligiosität des Zeitalters in seinem Essai sur l'indifFerence en matiere de religion, und in seinem Werk De la religion consideree dans ses rapports avec l'ordre politique et civil. In seiner Zeitschrift l'Avenir verlangt er die volle Re- ligionsfreiheit für alle Bekenntnisse ; von hoher Bedeutung sind seine Paroles d'un Croyant. Villers ist Verfasser eines aus- gezeichneten Werkes: l'Esprit et l'Influence de la reformation de Luther. Saint-Simon hatte in seinem nachgelassenen Buche Le nouveau ChristianisAie zur Vollendung des von Christus begonnenen Werkes eine brüderliche Vereinigung aller Menschen verlangt, die St. Simonisten konnten jedoch ihre Idee einer philanthropischen Theokratie nicht realisiren. So geht das Christenthum durch alle Gattungen der Literatur von ihren Anfängen bis in die neueste Zeit, der man im allgemeinen den Mangel der sittlich-religiösen Bildung nicht mit unrecht vor- wirft (je respecte la religion, mais je n'en use pas); aber trotz des bei den Romanen vorherrschenden sinnlichen katholischen Elements ist doch stets das Bestreben wahrnehmbar, das Christen- thum im Geist und in der Wahrheit aufzufassen. Neuerdings hat noch Renan versucht, das sich immer wieder regende le- bendige Bedürfniss nach tieferer religiöser Erkenntniss durch frisches Schöpfen aus den LTrquellen des Christenthums zu be- friedigen. Als ein Zeichen religiösen Fortschrittes kann es auch angesehen werden, dass die Verfolgungen, welche der gereinigte christliche Glaube in früheren Zeiten in Frankreich zu erdulden hatte, von dem gesunden Sinne des französischen Volkes, mit alleiniger Ausnahme weniger Fanatiker, laut verdammt worden sind, und nur diejenigen können jetzt zur fanatischen Ausbeu-

Der Eudämonismus und die französische Literatur. 151

tung der Confession zu politischen Zwecken rathen, welche sich eträuben anzuerkennen, dass im Leben der Nationen eine gött- liche Macht vergeltend waltet.

Es sind reiche Schätze, welche die Literatur Frankreichs dem denkenden Geiste darbietet, und durch sie hatte die Nation einst die geistige Führerschaft in Europa erlangt. Abgesehen von den anerkannten Leistungen in den strengen Wissenschaften, ist auch im Gebiete der Kunst und Poesie vieles Vortreffliche vorhanden, das nicht der Nation, sondern der Menschheit an- gehört. Der Genius der Poesie bindet sich an keinen Erd- strich. Unmöglich ist es etwa vom nationalen Standpunkt aus ein einziges charakteristisches Merkmal, welches sich in dieser reichen Literatur ausprägt, als massgebend für die Erkenntniss des Ganzen zu bestimmen. Es lassen sich eben in den schön- wissenschaftlichen Werken sehr verschiedene Abstufungen wahr- nehmen, und wenn die Franzosen vielleicht in irgend einem Genre der Kunst zurück sind, so sind sie dafür in einem an- dern (z. B. in der Komödie) unsere Meister. Mit den Ver- gleichungen der Nationen unter einander nach vereinzelten Ge- Sichtspunkten ist es eine missliche Sache, sie haben häufig zu Einseitigkeiten geführt. So wollte ein französischer Professor den Satz, dass Deutschland das Land der Denker sei, mit der Frage widerlegen: ob denn Montaigne, Pascal, Bossuet, Fene- lon, ßacine, Moliere, Montesquieu, Voltaire, Rousseau und so viele andere keine Denker gewesen; ob denn nicht einst ein mächtiger freier Geist Frankreich durchströmte und neugestaltend auf das Ausland einwirkte, und ob denn überhaupt der Mensch nicht überall derselbe sei, wenn auch Religion, Klima, Sitten, Erziehung etc. Ihn modificiren? Die grossen Leistungen des französischen Volkes für die Menschlichkeit wird niemand In Frage stellen; auch ist es richtig, dass durch alle Zeiten und Völker die ewigen Gefühle der reinen Menschheit In einer wunderbar übereinstimmenden Strömung hindurchgehen. Es Ist ausserdem von Belang, dass die praktische Natur des romanischen Geistes sich gerade bei den Franzosen am vollkommensten zeigt. Die Gabe, die Resultate der Wissenschaft durch einfache und klare Darstellung zu popularisiren, das gesunde Urthell (bon

] 52 Der Eudämonismus und die französische Literatur.

sens), das sich nicht in langen Speculationen vertieft, sondern die Gegensätze scharf auffasst und oft durch ein Schlagwort bezeichnet; die instinctive Scheu vor der schwindelnden Höhe einer IJyperabstraction, nicht sowohl aus Furcht vor der Geistes- arbeit, welche dieselbe erfordert, als aus Ueberzeugung von ihrer jjraktischen Nutzlosigkeit diese Eigenschaften des französischen Geistes sind gewiss nicht zu unterschätzen. Allein bei all die- sen Vorzügen finden sich wohl nirgends grössere Widersprüche, als gerade im französischen Charakter. Begeisterung für Uto- pisches neben vorherrschendem Materialismus, abstracter und l)hantastisch-leidenschaftlicher Idealismus neben todtem Kirchen- glauben, der den Geist in eine unfruchtbare Stagnation versetzt, Lebhaftigkeit des Geistes und schnelles Erfassen neuer Ideen neben Indifferentismus für alle höheren geistigen Interessen kann es eine wunderbarere Mischung geben ? Als endlich der Idealismus in die Literatur kam, als die literarischen Zustände sich durch das unverkennbar einzige Ziel materiellen Gewinnes charakterisirten , da brach die Zeit des tiefsten Falles an, und das zweite Kaiserthum muss selbst als nothwendige Folge des Verfalls des französischen Geistes bezeichnet werden. So nahe stehen Ursache und Wirkung bei einander: wie eine Nation durch die Literatur in eine bestimmte Richtung hineingezogen werden kann, so vermag andrerseits wieder der Schriftsteller dem allgemeinen Einflüsse des Zeitgeistes sich nicht zu ent- ziehen. Nur zu deutlich zeigte es sich, wie der Ultramontanismue fast nothwendig zur herzlosen Selbstsucht und mithin zur Im- raoralität führt, wie auf einem vom Materialismus überwucherten Boden keine idealen Erzeugnisse möglich sind, und der Sieg von 1870 war doppelt wichtig, weil sonst der frivole materia- listische Zeitgeist seine Herrschaft noch weiter ausgebreitet hätte; jener Sieg brachte die Lehre mit: dass die Civilisation aus moralischen Ideen besteht, die nicht missachtet werden dürfen, dass die Aufgabe einer Nation nicht in Machtentfaltung nach aussen, nicht in Eroberung noch Unterdrückung, sondern in Hebung der intellectuellen und moralischen Zustände bestehen müsse. Das Vermächtniss des grand siede, an welchem die französische Literatur seit zwei Jahrhunderten zehrte, schien in der letzten Zeit fast vergessen zu sein, wenigstens war für die

Der Eudämonismus und die französische Literatur. 153

höheren Geistesschätze, für die Bestrebungen von Port-Royal und für alle ethischen Richtungen in Frankreich wenig Stimmung. Und dennoch bilden jene Schätze, jene Bahnen des Classicismus das P'undament zu einer geistigen Regeneration Frankreichs. Vielleicht dass, wenn die von Deutschland kommende Geistes- strömung, das tiefe Eindringen in den deutschen Classicismus, in die deutschen Koryphäen der Philosophie und Poesie, einen neuen Einfluss auf die französische Literatur ausüben, und wenn zugleich der Ernst des Lebens sich tief in die Gemüther ein- prägt vielleicht, dass dann der dichterische Genius in Frank- reich noch eine Blüthezeit heraufführen wird, die, sich über den Eudämonismus erhebend, ihren Flug zum Anschauen des Ewigen und Unvergänglichen nimmt, und bestrebt ist, das im Wechsel aller menschlichen Dinge Bleibende und Dauernde in der Er- kenntniss festzuhalten. Die Unhaltbarkeit der Devise: Hors de la France point de salut, ist jetzt genugsam erkannt, und es wird wohl heute kein Franzose mehr die Preisfrage stellen: Un allemand peut-il avoir de l'esprit? Der alte Zwist schien schon seit Mad. de Stael ausgeglichen, deren Werk Goethe eine Brücke über den Rhein nannte, um Frankreich und Deutschland zu verbinden, und Jean Paul erblickte darin einen neuen Christoph Columbus, welcher dem poetischen Frankreich eine neue Welt entdeckt hat. Mochten die Deutschen von den sogenannten praktischen Völkern immerhin spottweise Ideologen oder Meta- physiker genannt werden : sie beharrten in ihrem Streben nach Wahrheit, und wussten, dass die Wahrheit frei macht, und da- durch erhoben sie sich auf die Höhe der Cultur und Wissen- schaft. Freilich wird häufig geklagt, dass jetzt auch in Deutsch- land die Zeit nicht angetban sei zur vertrauteren Bekanntschaft, zur innigeren Vertiefung in die grossen Gedanken unserer Clas- siker, dass auch in Deutschland die Vorboten des Verfalls in unserer Zeit des überhand nehmenden Materialismus sich meh- ren, und es haben sich ernste Stimmen erhoben, welche mahnen, neben den materiellen Bestrebungen dieser Zeit die idealen Ziele der Menschheit nicht aus dem Auge zu verlieren. Denn wo der öffentliche Geist sinkt, wo an die Stelle der nach Wahr- heit forschenden Intelligenz die Sophistik der Leidenschaft und des egoistischen Bestrebens tritt, wo ein Volk sein Heiligstes,

154 Der Eudämonismus und die französische Literatur.

seine höhere göttliche Bestimmung aus dem Auge verliert, wo es abweicht von der Bahn der Tugend, die allein zum Ziele führt da stehen die Füsse derer vor der Thür, welche den Leichnam zu Grabe tragen. So lehrt es die Geschichte bis auf unsere Tase.

Metapher Studien

vou

Dr. Friedrich Brinkmann.*

Der Esel. I.

Das dem Pferde äusserlich ähnlichste und am meisten verwandte Thier ist der Esel. Dem inneren Charakter nach steht aber der Esel dem Pferde so fern, dass er in den hervorragendsten Zügen das grade Gegentheil desselben ist, und man ihn auch wohl als die Carrikatur des Pferdes bezeichnet hat. Demgemäss behandelt auch die Sprache den Esel, und ist hier wieder ein treues Abbild der Wirk- lichkeil. Wie nach der von uns gegebenen Darstellung das Pferd in der Sprache als das edle, in jeder Beziehung ausgezeichnete, stolze und kriegerische, starke und feurige, als das aristokratische und vor- zugsweise zum Dienste der Geburt- und Geld-Aristokratie bestimmte Thier, eines Theils im Gegensatze zum Hunde als dem ge- meinen, sich wegwerfenden Thiere, dem kriechenden Schmeichler steht, 80 andern Theils zu dem Esel, als dem ungeschickten, tölpelhaften, s t u m pfen und du m men , dem langsamen und trägen, aber auch geduldigen und genügsamen Thiere, dem Diener und Freunde des Armen.

Unter den genannten Zügen hat keiner eine so allgemeine Ver- breitung in den Sprachen gefunden wie die Dummheit. Diese wird

Fortsetzung der Abhandlungen: Der Hund, Archiv Bd. XLVI, S. 425—464, und: Das Pferd, Archiv Bd. L, S. 123— 190.

156 Metapherstudien.

von den Sprachen Aist ebenso übereinstimmend dem Esel als Prädikat beigelegt, wie die Gemeinheit dem Hunde, und namentlich macht das Spruch wort einen sehr starken Gebrauch vom Bilde des Esels in diesem Sinne. Die romanischen Ausdrücke für Esel:

it. asino, asinone , asinaccio , pezzo d'asino, ciuco ; sp. asno, borrico, jumento; fr. jlne, bourrique, äne bäte, baudet, heissen ebenso Dummkopf, wie die englischen ass, jackass, donkey, wie unser Esel und wie das lateinische asinus.

Lat. : Quid nunc te, asine, litteras doceam? non opus est verbis, sed fustibus. Cicero. Neque ego homines magis asinos unquam vidi. Plautus. (Auch mulus so gebraucht: mulo inscitior. Plaut.) It. : Asino fastidioso ed ebriaco, che tu dei essere. Boccaccio. E asino di natura, chi non ea leggere la sua scrittura.

(Sprüchw. Giusti, prov. toscan. p. 293.) II re non lifterato e un asino coronato, (Spr. das.), wie das deutsche Spriichwort sagt: Wo man den Esel krönt, da ist Stadt und Land gehöhnt. (Simrock, S. 98.)

Chi asin nace, asin muore. II piü ciuco e fatto priore. Giusti, 70. Un asino risalito ein einfältiger Glückspilz. Sp. : Asno lerdo, tu diräs lo tuyo y lo ageno. Prov. Oudin, refranes castellanos, pag. 42. Pues otra cosa puedes advertir, y es, que hay algunos, que no les excusa el ser latinos de ser asnos. Cervantes, colloq. d. Cip. y Brag. (= dem egl. Sprüchw. the greatest clerks are not always the wisest men: Ray, egl. prov. pag. 61.)

Asno con oro alcanzalo todo, Prov. Dieses Sprächwort, welches bedeutet: queel hombre mas ignorantee inütil, si tiene dinero, alcanza y consigue el empleo ü otra qualquicr cosa (Dicc. d. 1. Acad.), ist wahr- scheinlich zurückzuführen auf den Ausspruch des Königs Philipp von Macedonien, keine Festung sei uneinnehmbar, durch deren Thor ein mit Gold beladener Esel eintreten könne. Fr. : II ne sera jamais qu'un äne.

II est bien äne de nature, qui ne peut lire son Venture. Prov. Le Roux d. Lincy, I, pag. 90.

Metapherstudien . 157

Un gros ane pourvu de mille ecus de rente. Regnier. Je n'y suis pas äne = je m'y connais. Moliere.

La Sorbonne a couche ouverte, les änes parlent latin (Jetzt wollen die dümmsten Leute Weisheit reden). Egl.:Be angry and despatch. O! Couldst thou speak That I might hear thee call great Caesar ass Unpoliced (den grossen Caesar einen in Staatsgeschäften ungeschulten Esel nennen). Shaksp. Ant. & Cleop.V, 2.

He will be an ass, as long as he lives. He is truly an ass, who cannot read his own handwriting.

Die Ungeschicklichkeit, das täppische, tölpelhafte Wesen des Esels, das Lafontaine in der Fabel: l'dne et le petit chien treffend schildert, liegt folgenden Sprüchwörtern zu Grunde.

Sp. : Burläos con el asno, daros ha en la barba con el rabo (Oudin 58), was an Lafontaine's Esel, der ein Pfötchen wie der Hund zu geben versucht, erinnert.

Fr. : A quoi peut-etre vous etes style comme un äne ä jouer du flageolet. Le Roux, I, 88. Ung äne n'entend rien en musique. das. 91.

Ebenso das deutsche Spruch wort : Er schickt sich wie der Esel zum Lauten- schlagen, und: Was thut der Esel mit der Sackpfeife? Simrock, S. 100. Vielleicht ist der Ursprung dieser Redeweise das griechische ovog TiQog Xvqav, nQog avXov und ovog XvQag (sc. UKOva, aHQÖatai od. äntttat) mit derselben Bedeutung, wie auch der Lateiner sagt: asinus ad lyram. Der Engländer aber sagt: a sow to a fiddle. Ray, egl. pr. 143.

Das ganze rohe Wesen des Esels, die Stumpfheit der Sinne, wovon Dummheit und Ungeschicklichkeit die Folgen sind, wird tref- fend in den Spruch Wörtern gezeichnet:

Fr. : Chante a un baudet, il te fera un pet. Chantez a l'äne et il vous fera (frappera) des pieds. Le Roux, I, 92.

It. : L'asino, quando ha mangiato la biada, tira calci al corbello.

(Giusti, 158.) Sp. : El amor del asno coz y bocado, oder

158 Metapherstudien.

El amor de los asnos antra a coces y a bocados (Oiidin, p. 115), während es vom Pferde heisst :

Coces de yegua amores para cl rocin (das. 74), und It.: Calcio di Stallone non fa male alla cavalla.

Weil diese Auffassung des Esels die über alle anderen über- wiegende ist, so bilde! der Italiener von asino sogar einen Superlativ asinissimo mit der Bedeutung Erzduminkopf, wie Plautus in der oben angeführten Stelle gleichsam einen Comparativ homines magis asini bietet, und wie der Grieche xvmv zu '/,vvr£Qog und utivtarog stei- gerte; und der Spanier hat von asno die ansprechende, aber komische Metapher desasnar, gleichsam einen entesein, Jemdn. seines esel- haften Charakters entkleiden, ihn witzigen, klüger machen, wie der Franzose für denselben Begriff von niais (nidulensis Nestling, Dumm- kopf) sein deniaiser bildet.

Eine hieher gehörige Zusammensetzung mit dem Namen des Esels jst das fr. sobriquet Spitzname. Dies Wort ist entstanden aus sot briquet = dummer Esel, so dass alsodonner un sobriqet ä qn. ursprüng- lich die Bedeutung hatte: Jemandem einen Einfaltspinsel anhängen (Diez, Etym. Wb. II, 413), ihn einen dummen Esel schelten, woraus sich dann die allgemeinere Bedeutung Scheltnamen, Spott-, Spitz- namen entwickelte.

Hiernach kann es aber nicht auffallen , dass wie vom Esel der Dummkopf benannt wird, so auch umgekehrt es unter den Ausdrücken für Esel einen gibt, der gradezu Dummkopf bedeutet. Es ist dies das italienische ciuco. Es kommt vom lateinischen ex-succus (saftlos, unschmackhaft) , oder vielmehr von einem leicht zu supponirenden ex- sücus, da sucus eine Nebenform von succus ist.

Ciuco ist also eine Scheideform von sciocco , das von ex und succus kommt und dumm bedeutet. Ein formelles Bedenken kann gegen diese Ableitung nicht erhoben werden. Das lange u von sucus wiid in ciuco gerade so regelrecht erhalten, wie das u in Position von succus in o übergeht. Der Anlaut c' bedarf allein einer Rechtfertigung. Wenn im Italienischen x in einen Zischlaut verwandelt wird, so ist es aller- dings in der Regel nicht der harte c' sondern der breite sei (coxa- coscia, laxare-lasciare) und insofern ist ciuco aus ex-sucus eine Un- regelmässigkeit. Es ist jedoch zu bedenken, dass der breite Zischlaut sei in den harten c' übergehen kann , wie die Doppelformon ba9cio_

Metapherstudien. 15*j

bacio (basium) und cascio-cacio (caseus) beweisen. In dem hier vor- liegenden Falle konnte die Sprache aber um so leichter eine Abweichung von der Regel belieben, weil dadurch die beiden aus demselben Worte gebildeten Scheideformen um so bestimmter von einander unterschieden Avurden. Dass grade die Absicht, Scheideformen zu bilden, die Sprache zuweilen veranlasst , Ausnahmen von sonst ausnahmslosen Regeln zu machen, beweist u. a. it. nielo der Apfelbaum (von lat. malus) zum Unterschiede von male böse (von malus), vielleicht der einzige Fall wo langes betontes a in e übergeht.

Es findet also eine vollständige Parallele zwischen ciuco-sciocco und bacio -bascio, cacio-cascio statt. Sciocco erhielt die Bedeutung dumm, albern. Indem aber ciuco als Name dem Esel beigelegt wurde, hatte man dabei diejenige Eigenschaft im Auge , welche durch sciocco und exsuccus bezeichnet wird.

Ein fast ebenso hervortretender Zug im Charakter des Esels wie seine Dummheit ist sein Eigensinn. Daher sagt der Italiener testardo come un asino (Giusti, 371) und der Franzose tetu comme un ane, und opiniätre comme un äne rouge, auch mechant comme un ane rouge. Dieser letztgenannte Ausdruck hat freilich eine besondere Nebenbeziehung: mit dem rothen Esel ist ein Cardinal gemeint. Le Roux de L. (I, pag. 90) sagt zur Erklärung dieses Aus- druckes : Pour dire opiniätre comme le peut estre un cardinal ignorant, lequel s'obstine ordinairement en son opinion Sans fondement ni raison, et veut tout gaigner en vertu de son autorite, et s'offense si on ne lui cede. Non pas que son avis soit juste et raisonnable , mais parcequ'ii est cardinal et prince de l'Eglise. Or on le nomme asne parcequ'ii est ignorant, et rouge parcequ'ii porte la calote et le bonnet rouge (aus Etym. des prov. fr.; par Fleury de Bellingen).

Es wird also in dieser Redensart von beiden Eigenthümlichkeiten des Esels, seiner Dummheit und seinem Eigensinn, die ja überhaupt in einem natürlichen Zusammenhange mit einander stehen, wie das spanische Sprüchwort sagt: Nunca la necedad anduvo sin malicia (Oudin, 227), Gebrauch gemacht.

Auch von Sprüchwörtern beziehen sich nicht wenige auf den Eigensinn des Esels.

It. : Donne, asini e noci

Voglion le mani atroei. Giusti, 100,

160 Metapherstudien.

wonach das lateinische (Ray, egl. prov. 33) gebildet worden zu sein scheint:

Nux, asinus, raulier simili sunt lege ligata,

Haec Iria nil recte faciunt, si verbera cessant.

Asino duro, baston d^uro. Giusti, 223.

Ognuno a suo modo e gli asini all' antica. Giusti, 208. Fr. : Chacun a sa mode et las asnes ä l'antique corde. Le Roux,

n, 196.

Qui femme croit et asne meine,

Son Corps ne sera ja sans peyne. das. I, 15].

Qui folle femme croit, asnes et oisons mene Ne peut etre sans fatigue et peyne. das. A dur asne duit (= convient) esguillon ; und: A dur asne dur aguillon, A rüde asne rüde asnier. Ce que pense l'asne, ne pense l'asnier. Ce que ne veut Martin, veut son äne. Le Roux, II, 44. Sp.: El asno al diablo tiene so el rabo. Oudin, 108.

Asno cojo y hombre rojo y el demonio todo es uno.

das. 43. Egl. : Who drives an ass and leads a whore,

Hath pain and sorrow evermore. Ray, 35. Eine andere Untugend des Esels ist seine Langsamkeit und Trägheit. Sie verschmilzt aber so innig mit der vorhergenannten, dem Eigensinn, wie diese mit der Dummheit, und darum ist es manch- mal nicht zu erkennen, ob die Sprache in einem besonderen Falle die eine oder die andere besonders im Auge hat. So können die italieni- schen Spruch Wörter :

La carne del asino e avezza al bastone (Giusti 168); und

L'asino non va se non col bastone; und das provenzalische :

Vianda, fais e basto coven al asne. Trad. de Bede (Ray- nouard, II, 133.) soAvohl auf die eine wie auf die andere bezogen werden , wie auch

Metapherstudien. 161

manche der unmittelbar vorher angeführten Sprüchwörter. Dagegen spricht das spanische: A asno lerdo arriero loco , bestimmt von dem faulen Esel, und ebenso das französische:

Trot d'asne, de paille un feu Ne dure rien ou peu ; und die italienischen :

Trotto d'asino poco dui'a. Giusti, 220.

In raancanza di cavalli gli asini trottano. 57.

Asino punto convien che frotti. 225.

Chi e asino e cervo si crede

AI saltar della fossa se n'avvede. 220. Den aus diesem Grunde besonders schroffen Gegensatz des Esels zum feurigen, ungestümen Pferde* spricht das französische Sprüch- wort aus:

Ane avec le cheval n'attele, oder

On ne doit pas Her les asnes avant les chevaux.

(Le Roux I, 90) XIIP sec. und das italienische:

Air asino non ista bene la sella, oder

Chi mette all' asino la sella, la eigna va per terra.

II.

Trotz dieses häufigen Gebrauches , den die Sprache von den Schwächen und Untugenden des Esels macht, ist sie doch weit davon entfernt, die manchen vortrefflichen Eigenschaften, die ihn charakteri- siren, zu übersehen. Es sind dies besonders seine Geduld und seine Genügsamkeit.

* II marche, 11 trotte, il galoppe comme le cheval, raais tous ses mouve- ments sont petits et beaucoup plus lents , quoique il puisse d'abord courir avec assez de vitesse, il ne peut fournir qu'une petite carriere pendant uu petit espace de teraps, et quelque allure qu'il prenne, il est bientot rendu. Buffon.

Archiv f. n. Sprachen. LIV. 11

Iti2 Metapherstudien.

Was die erstere betriff't, so scheint dies diejenige Eigenschaft des Esels zu sein, welche den alten Griechen am meisten auffiel, so dass es wohl nicht zu weit gegangen ist, wenn wir trotz des oben ange- führten ovog TZQog IvQav und oj'Oi,' XvQag annehmen, dass der Esel in den Augen des Griechen ein edleres Geschöpf war als in unseren. Er sah in dem Esel mehr den ausharrenden Dulder und so nimmt Homer keiuen Anstand, einen seiner grösten Helden, den telamonischen Ajax, wie er auf der Flucht von den verfolgenden Trojanern umschwärmt und sein Schild von ihren Speeren überschüttet wird, darum unbekümmert, ruhig sich vertheidigend seinen Weg verfolgt, mit einem Esel zu ver- gleichen, auf dem ein Schwann von Kindern seine Stöcke zerschlägt, der sich aber dadurch nicht im Abweiden der Saat stören lässt; II. XI, 558-65:

„Wie wenn zum Feld ein Esel sich drängt , und die Knaben

bewältigt, Träges Gangs, auf dem viel Stecken zerscheiterten ringsum; Jetzt eindringend zerrauft er die Saat tief; aber die Knaben Schlagen umher mit Stecken ; doch schwach ist die Stärke

der Kinder, Und sie vertreiben ihn kaum , nachdem er mit Frass sich

gesättigt: Also schwärmt' um den Held, den Telamonier Ajax, Muthiger Troer Gewühl und fernberufener Helfer, Die auf den Schild die Lanzen ihm schmetterten , immer ver- folgend."

nachdem er ihn unmittelbar vorher mit „einem funkelnden Löwen" verglichen hafte.

Denselben Zug fasst auch Horaz in jener Satyre (I, 9) auf, wo er schildert, wie er von einem zudringlichen Schwätzer verfolgt wird. Nach mehreren vergeblichen Versuchen von ihm loszukommen, ergibt er sich in sein Schicksal und lässt die Ohren hängen, wie ein Eselein, dem man eine zu schwere Last aufgepackt hat:

Demitto auriculas, ut iniquae mentis asellus * Qui gravius dorso subiit onus.

* Vgl. Bufibn: Lorsqu'on le surcbarge, il le niarqne en inclinant la tete, et baissant les oreilles.

Metapherstudien. 163

Auch die neueren Sprachen heben diese gute Eigenschaft des Esels hervor. "Wie das deutsche Sprüchwort sagt: Esel dulden stumm, allzugut ist dumm (Simrock, 100); so das italienische: La pazienza e la virtu degli asini e de' »Santi (Giusti. 241); und das fran- zösiche: La patience est la vertu des änes. Entsprechend bedeutet die ital. Redensart: durar fatiche da asino , mit der Geduld eines Esels sich Arbeiten unterziehn, und die englische: hang one's ears, ist ganz das Horazische demitto auriculas. Ray, 132.

An dieser Stelle ist noch ein seltsames französisches Spruch wort zu erwähnen, in welchem der König von Frank- reich le roi des änes genannt wird, in dem Sinne dies Wort genommen, den wir zuletzt behandelt haben. Man muss dies Sprüch- wort mit dem hinzugefügten Commentar von Fleury de Bellingen (etym. des prov. fr. pag. 13) bei Le Roux de Lincy (Prov. fr. II, pag. 75) lesen, um sich davon zu überzeugen, dass selbst die grande nation mitunter lichte Augenblicke (lucida intervalla) hat, in denen sie aus dem Rausche der Selbstvergötterung erwacht und einen nüchternen, klaren Blick in ihr Inneres wirft. Ohne weitere Er- läuterung geben wir die merkwürdige Stelle hier vollständig:

L'empereur d'Allemagne est le roy des roys, le roy d'Espagne roy des hommes, le roy de France roy des anes, et le roy d'Angle- terre roy des diables.

Commentar: On dit ce proverbe parce que tous los princes souve-

rains d'Allemagne, qui sont comme autant de roys dans les provinces

de leur obeissance, relevent de sa couronne (de l'empereur) , parce que

tous les Espagnols se croyent nays pour Commander et disent com-

munement entre eux, parlant d'eux-niemes en particulier, qu'ils sont

,,tan buenos como el rey, y aun" ; parce que les Fran9ais

s'estiment obliges ä s'assujettir a la volonte de leur roy,

comme des chevaux ä prendre le Collier, ou des boeufs

U souffrir lejoug: ou comme desasnesä prester ledos

souz la Charge, sans repugner ou regimber: aussi dit-on

que c'est en France ou les roys sont vraiment roys,

parce qu'il n'est pas permis de douter de leiir puissance sou veraine et

autorite absolue: parce que finallement les Anglais, comme ils disent

eux-memes, extremeraent testiis, regimbent facilement contre l'esperon

d'ime autorite souveraine ou trop absolue, quand eile semble choqucr

leurs droits ordinaires.

11*

164 Metapherstudien.

Eine andere den Esel empfehlende Eigenschaft, seine Genüg- samkeit und Zufriedenheit, tritt uns am anmuthigsten entgegen in dem französischen Ausdrucke baudct für Esel. Er kommt vom altfr. band fröhlich, demselben Worte, das it. baldo, egl. bald lautet (alle von goth. balths), und bedeutet also (nach Grimm, Reinh. p. 244) „das zufriedene, vor F r ö h 1 i c h e i t j a u c h z e n d e T h i e r".

Natürlich zeigt sich der Esel von dieser Seite besonders, wenn er seiner Last entledigt und etwa auf die Weide gelassen wird. Daher sagt eine französische Redensart : Braire comme un äne que l'on meine paistre, und dem Ausdrucke äne debäte für liederlicher Bursche liegt auch das Bild des seiner Last (bat) entledigten und nun fröhlich und vergnügt umherrennenden Esels zu Grunde. (Er erinnert an die im Artikel: Pferd besprochene Redensart far scorrere la cavallina.) Ein recht komisches Bild des auf der Weide sich umherlummelnden Esels gibt uns das deutsche Sprüchwort, wenn es sagt : „Ein Esel sollte immer auf der Weide sein ; denn wo er frisst , da wächst es, wo er seh , da düngt ers, wo er seicht, da w'ässert ers, und wo er sich wälzt, da zerbricht er die Schollen." Simrock, deutsch. Spr. S. lOL

Auch können wir hier wohl das Sprüchwort anführen :

A l'asne l'asne semble tres-beau ; Sp. : Gada asno con su tamano ;

Lat.: Asinus asino, sus sui pulcher; oder

Semper graculus assidet graculo ; aequalis aequalem delectat ;

während der Grieche sagt:

Thti^ fiiv rs'triyi qiiXog, jxvQfiaxi ds ftvQfia^ (Theoer.), und der Engländer:

Birds of a feather flock together, oder Like will to like, as the devil Said to the collier. („Glik UD glik gesellt sik", sad the Düwel un kern bi'n kulenbrenner.

Holstein. Spr. v. d. Hagens Germania VI, 98.)

Die Genügsamkeit des Esels im Futter, die das deutsche Sprüchwort: der Esel trägt das Korn in die Mühle und bekommt Disteln (Simrock, 100) und ähnliche hervorheben, wird ebenso bestimmt in den romanischen Sprachen ausgedrückt. Der Franzose sagt:

Metapherstudien. 165

Asne d'Arcadie

Charge d'or, mange chardons et ortie. Le Roux, I, 88; der Italiener:

Fa come l'asino, che porta il vino e beve l'acqua.

(Giusti 366.)

L'orzo non e fatto per gli asini.

Asino che ha fame, mangia d'ogni strame. ib. 310, der Spanier:

Asno de Arcadia Ueno de oro, y come paja. (Deutsch.

Spr. : Ein Esel frisst keine Feigen.) No se hizo la miel para la boca del asno. Cuando nace la escoba, nace el asno que la roya.

Auch die französische Redensart boire en äne, in der Bedeutung langsam und behaglich schlürfen, spricht denselben Zug, die Zufrieden- heit mit Wenigem und Schlechtem, aus.

Indessen auch die Genügsamkeit eines Esels hat ihre Grenzen, und wenn er Mangel am Nothwendigsten und Unentbehrlichsten leidet, wird er rebellisch. Daher sagt ein franz. Spruchwort: Quand il n'y a pas de foin au ratelier, les änes se battent (als Bild für eine Ehe ohne Vermögen gebraucht). Einen hübschen kleinen Zug, der das Bild des zufriedenen , in seinem Stalle sich befindenden Esels vervollständigt, enthält der franz. Ausdruck: serieux comme un äne qu'on etrille, ernst wie ein Esel, den man striegelt.

Gerade wegen dieser Genügsamkeit eignet sich nun aber auch der Esel besonders dazu, der Arbei tsgehülfe des Armen zu sein. Daher heisst: vom Pferde auf den Esel kommen, arm werden, und dasselbe bedeutet das französische monter Tä-ne, während das Gegen- theil, sich emporschwingen, reich werden, in dem Sprüchwort : Le temps bien employe fait monter ä. cheval, als auf das Pferd kommen bezeichnet wird. Dies möchte übrigens wohl das anmuthigste Bild sein, welches der Esel im menschlichen Leben darbietet, und daher auch diejenige Seite, von welcher die Poesie den Esel mit Vorliebe erfasst hat. Wir erinnern in dieser Beziehung nur an das Verhältniss des Sancho zu seinem Esel im Don Quijote, und an das Kapitel von Sterne's Empfind- samer Reise, welches „Der todte Esel" überschrieben ist und mit den Worten endet* „Schande der Welt! sagte ich zu mir selbst, Liebten

166 Metapherstudien.

wir einander, wie diese arme Seele den Esel liebte, so wäre es etwas."

Weil jedoch selbst ein Esel für einen Armen noch schwer zu erwerben ist, so mag es oft vorkommen, dass mehrere Arme zusammen einen Esel kaufen und besitzen und so es sich erklären, dass das Spriicliwort grade den Esel wählt, um das Nachtheilige des gemein- schaftlichen Besitzes hervorzuheben. So sagt das deutsche Sprüch- wort: Es geht ihm wie dem Esel, der zwei Brüdern diente, jeder meinte, er sei beim Anderen gefüttert worden; das französische: L'ane du commun est toujüurs le plus mal bäte; und: L'asne de tous est mange des loups; das spanische:

Asno de muchos, lobos le comen.

Der Esel ist daher auch das Reitthier des Armen und Nie- drigen. Darauf beziehn sich mehrere Spruch Wörter. Ausser dem schon erwähnten monter l'äne,

It. : Piutfusto un asno che porti , che un cavallo che butti in terra. Giusti, 327.

Sp. : Mas quiero asno que me lleve, que caballo que me derreque.

Oudin, 171. Egl. : Better ride on an ass that carries me, than on a horse that throws me. Mit diesen drei übereinstimmenden Sprüchwörtern soll der Vor- zug einer sichern niedrigen Lebensstellung vor einer gefahrvollen hohen ausgesprochen werden.

Im übertragenen Sinne wird daher auch, ebenso wie wir sagen: auf einem Argumente reiten, der Grund, auf welchen Jemand thörichter und eigensinniger Weise seine Ansicht stützt, sein Esel genannt. Es geschieht dies eines Theils in der spanischen Redensart: Caer de su asno, eigentlich von seinem Esel fallen (se dice de los necios y por- fiados que obran por su mero capricho, y con tenacidad siguen sus pare- ceres, sin querer tomar consejo de los que se lo pueden dar: y despues por el suceso contrario que han tenido, conocen haber errado. Dicc. d. 1. Acad.), d. h. also: von den thörichten Gründen, auf die man sich verstockt hatte und die man unablässig vorritt, ablassen und so ein- sehn und anerkennen, dass man geirrt hat; anderen Theils in der französischen Redensart : montrer ä qn., que son äne n'est qu'une bete,

Metapherstudien, 167

eig. Jemandem beweisen, dass der Esel, den er reitet, nur ein Thier, und zwar ein dummes Thier ist, das heisst, Jemdra. beweisen, dass die Argumente, die er vorreitet, thöricht sind, dass er sich geirrt hat.

Bei weitem häufiger als zum Reiten wird aber der Esel zum Tragen von Lasten gebraucht, der italienische Ausdruck somaro für Esel bezeichnet dies als seine eigentliche Bestimmung, da er von soraa, salma {adyfici) kommt und also Lastträger bedeutet, und daher beziehn sich auf den Esel als Lastthier eine ungleich grössere Zahl von Metaphern und Sprüchwörtern als auf den Esel als Reitthier. Ins- besondere wird der Name des Esels häufig dazu gebraucht, um Dinge zu bezeichnen, die stützen oder tragen, also ganz die Entwicklung von Metaphern, die wir schon beim Pferde verfolgt haben und beim Maul- thiere wiederfinden werden. Im Spanischen bedeutet burro ausser Esel, Sägebock, gezahntes Schwungrad, u. a., borriguete einen drei- oder vierbeinigen Bock, einen Gerüstbock, burro de la galera Zugwinde zum Aus- und Einladen auf einer Galeere, und der Ausdruck la borrica del hato, eig. die Eselin der Heerde, mit der Bedeutg. : Schäfertasche (als die Trägerin des Mundvorrathes), muss auch hieher gezogen werden. Aus dem Italienischen ist zu erwähnen bricco in der Bedeutung Kaffee- kanne (als Trägerin des Kaffees) und briccola Wurfmaschine, Kata- pulte, ganz wie im Lateinischen eine Kriegsmaschine, die später aries genannt wurde, früher equus hiess;

aus dem Französischen: bourrique Schieferkasten der Schiefer- decker, bourriquet Maurerkasten, worin die Baumaterialien in die Höhe gehoben werden, ausserdem die sog. Haspel, womit aus Bergwerken Lasten emporgehoben werden;

aus dem Englischen : das schon im Art. über das Pferd erwähnte easel Malerstaffelei (fr. chevalet), daher easel-piece Staffelei-Gemälde;

endlich aus dem Griechischen: opog in der Bedeutung der Spinn- rocken, die Zugwinde, Rolle zum Aufziehn, die Weinkanne (letzteres eine merkwürdige LTebcreinstimmung mit dem italienischen bricco Kaffeekanne).

Ausserdem möge hier noch ein witziger Ausdruck des Spanischen eine Stelle finden: un burro cargado de letras (ein mit Wissenschafter- beladener P]sel), um denjenigen zu bezeichnen, que lia estudiado niucho, y no tiene discernimiento ni ingenio, einen Gelehrten ohne Urthcil.

Folgende Sprüchwörter gehören hierher:

168 Metapherstudien.

Das deutsche:

Er schlägt . auf den Sack und meint den Esel,

lautet italienisch :

Chi non puö dar al asino, da al basto (Giusti, 48),

spanisch :

Quien no puede dar en el asno, da en la albarda, oder

Por dar en el asno, dar en la albarda, oder

No pueden al asno, vuelvense al albarda (Oudin, 206), lateinisch :

Qui asinum non potest, Stratum caedit. Der Franzose aber sagt:

Qui ne peut battre le cheval, hatte la seile, ou le bat, wie auch der Italiener statt des so eben angeführten Ausdrucks sagen kann:

Si hatte la sella, per non battere il cavallo. Das deutsche:

Man soll den Esel nicht übergürten (Simr., 100), ist spanisch:

A la bestia cargada, el sobornal la mata (Oudin, 14), französisch:

La seure somme {= la surcharge) abat l'äne.

Le Roux, I, 90. Das deutsche:

Wer sich zum Esel macht, dem will Jeder seine Säcke

auflegen, und Den Esel will Jedermann reiten, (Simr., 99) ist das italienische:

11 buon a qualcosa e l'asino del pubblico. (Giusti, 69.) Dagegen sagt ein anderes :

Gli asini si conoscono a' basti, ein deutsches aber :

Den Esel kennt man bei den Ohren , am Angesicht den Mohren, und bei den Worten den Thoren.

Simr., 98. Giusti, 261.

Metapherstudien. 169

Zwei spezielle Züge aus dem Leben des Bauern und Handwerkers mit seinem Esel bieten noch die beiden italienischen Redensarten legar l'asino (denEsel anbinden) fiir addormentarsi (einschlafen) und fare come l'asino del pentolajo (wie der Esel des Töpfers es machen) für: überall stehen bleiben und schwatzen. Beide Ausdrücke sind sehr sprechend und anschaulich. Der erstere bietet uns das Bild eines Bauern, der müde vom Herumziehn mit seinem Esel und dem Ver- kaufe der auf diesen geladenen Produkte , den Esel angebunden hat und nun sich ausruht und einschläft ; der andere das Bild eines Töpfers, der mit seinem auf einen Esel geladenen Töpferkrame von einer Strasse in die andere zieht und bei jedem Hause stehn bleibt, um seine Waare anzubieten.

III.

So viel von den in der Sprache zur Darstellung kommenden Charakterzügen des Esels, die sich auf innere Eigenschaften* und seinen Gebrauch von Seiten des Menschen , gleichsam seine Stellung im Leben des Menschen beziehn. Ausserdem hebt die Sprache aber noch einzelne äussere Eigenschaften des Esels hervor um das Cha- rakterbild, das sie von ihm gibt, zu vervollständigen. Es sind dies die Beschaffenheit und Farbe seines Haares, seine kleine Gestalt, seine langen Ohren, und sein eigenthümliches Geschrei.

* Ein in der Sprache nur ganz vereinzelt erscheinender und daher im Obigen übergangener Zug des Esels ist der von Buffon in folgenden Worten gezeichnete : 11 n'est ardent que pour le plaisir, ou plutot il en est furieux au point que rien ne peut le retenir, et que l'on en a vu s'exceder et mourir quelques instans apres. Hiervon macht nur das Lateinische Gebrauch in dem asinus translate significat corpus humanuni ad libidinem proclive (Sic fortis anima mortificans asinum suum. Paul. Nol. carm.), und unter den neueren Sprachen das Spanische, in dem, wie schon im vorhergehenden Kapitel über das Pferd erwähnt wurde, sp. guaraiion (Eselhengst) se llama translaticiamente el hombre desenfrenado en el vicio de la luxuria. Sollte vielleicht auch gr. ovo? in der Bedeutung oberer Mühlstein bieher zu ziehn sein, wie sp. galga (Windhündin) auch Mühlstein heisst?

170 Metapherstudien.

Auf die erstgedachte Eigenschaft bezieht sich ein spanischer Aus- druck für Esel, burro, und die davon abgeleiteten sp. borrico, it. bricco, fr. bourrique mit derselben Bedeutung. Denn man nannte den Esel so von seinem zottigen Haare (it. borra Scheerwolle, grobe Wolle, lat. burrae),* auf welches auch das italienische Spriich- wort : Dal asino non cercar lana (Giusti, 293) anspielt.

Von der Farbe des Haares kommt der spanische Ausdruck rucio (lat. russeus, graulich), der unserem Grauchen entspricht und beson- ders häufig im Don Quijote sich findet, z. B. II, 13:

A mi no me falta nada deso, respondiö Sancho; verdad es que no tengo rocin, pero tengo un asno, que vale dos veces mas que el caballo de mi amo: mala pascua me de Dios, y sea la primera que viniere, si le trocara por el, aunque me diesen cuatro fanegas de cebada encima: ä burla tendra vuesa merced el valor de mi rucio, que rucio es el color de mi jumento.

Ebendaher kommt ein Sprüchwort, welches unserem : „einen Mohren weiss waschen wollen" entspricht. Es lautet It. : Lavare il capo all asino (= lavare la coda al diavolo, lavare il moro) Chi lava il capo all' asino, pcrde il ranno e il sappone.

(Giusti, 292.) Sp. : Lavar la cabeza al asno, pei'dimiento de sabon.

(Oudin, 151.) Fr.: A laver la tete d'un äne, on perd sa peine, oder: A laver la teste d'un asne, L'on n'y perd que la lessive, oder:

Aultres lavoyent les testes des asnes et n'y perdoyent que la lessive. Rabelais, V, 21. Le Roux, I, 89.

Auch wir haben denselben Ausdruck in dem Spruch wort:

* „Wir haben hier den Singular des bei Ausonius vorfindlichen burrae Füssen, Lappalien (auch it. borre, sp. borras in demselben Sinne) vor uns: Flocke und Posse berühren sich öfter. Aus diesem burra bildete das ältere Mittellatein ein Adjektiv reburrus struppig, kraus." Dietz, Etvm. Wörterb. I, 77.

Metapherstudien. 171

Auf einen Eselskopf sind Laugen umsonst.

Simr., 101.

Dei' Lateiner sagt für denselben Gedanken: laterem lavare (einen Ziegel waschen), ganz wie der Grieche nh'r&ovg jiXvveiv^ undAethiopem lavare, arenas arare. Der Engländer stimmt mit dem gebräuchlichem deutschen Ausdruck überein: to wash a black moor white. (Ray, 121.)

Die zweite der oben angegebenen äusseren Eigenschaften des Esels, seine kleine Gestalt, wird ausgesprochen in einem italienischen Namen des Esels, der bis jetzt noch nicht zur Besprechung gekommen ist. Es ist miccio. Diez gibt über Entstehung und eigentliche Bedeutung keine Auskunft. Mir scheint folgende die richtige zu sein.

Miccio ist desselben Ursprungs wie miccino. Dieses ist eine Nebenform von micolino, und bedeutet wie dieses: ein wenig. Mico- lino kommt vom lat. mica die Brodkrurae, vermittelst der beiden Suf- fixe ulus und inus, und ebenso miccino vermittelst des Suffixes inus, das hier diminutive Kraft hat. Miccio aber scheint aus mica entweder durch Verwandlung der Endung a in die von ins entstanden zu sein, mica micius miccio, wie sp. novio aus novus, soberbio aus super- bus, oder durch Anhängung des so häufig gebrauchten Suffixes icius, das im Italienischen zu iccio, eccio oder izio wird, und darauf folgende Zusammenziehung: mica miciccio miccio, wie triticum sp. trigo, vedesti tu poetisch zu vedestu (Dante), fosti tu zu fostu (Petrarca) wird.

Was aber die Bedeutung betrifflt, so konnte aus dem Begriffe von mica ebenso wohl der von klein wie der von wenig, den micolino und miccino haben, hervorgehn. Wie enge beide Begriffe, wenig und klein, zusammenhangen, zeigt das lat. parvus (klein), das auch wenig bedeuten kann (parvo post = paulo post), und paulus (wenig), das auch klein bedeuten kann (paulum momentum = parvum momentum).

Als Name des Esels ist aber miccio in dieser Bedeutung: der Kleine, sehr passend. Er heisst der Kleine im Gegensatze zum Pferde, das, wie wir gesehn haben, von der Sprache als das grosse und starke Thier aufgefasst und gern von ihr in Gegensatz zum Esel gestellt wird.

Von den langen Ohren des Esels macht zuweilen das Sprüch- wort Gebrauch, das deutsche aber öfter als die romanischen, diese ins- besondere um scharfen Gehörsinn symbolisch anzudeuten, z. B.

172 Metapherstudien,

Fr. : Serviteur voulant faire son devoir Oreilles d'asncs doibt avoir Pied de cerf et groin de porceau N'espargnant sa chair ne sa peau.

Le Roux d. L., II, 79. It.: Per andar salvo per il mondo, bisogna avere occhio di falcone, orecchie di asino, viso di scimia, parole di mer- cante, spalle di camelo, bocca di porco, gambe di cervo.

Ray, egl. prov. 157. Die Sprachen haben auch besondere Ausdrücke, um das eigen- thümliche Schreien des Esels zu bezeichnen: it. ragghiare, ragliare, fr. braire, egh bray (alle von einem nach Analogie von niugire, rugire, vagire gebildeten Naturausdrucke ragire, Diez, Etym. Wb. II, 228; II, 393.), sp. rebuznar (von buz ?), lat. rudere, gr. oyxÜG&ai.

Besonders hervorgehoben zu werden verdienen aber die ent- sprechenden Ausdrücke des Altfranzösischen, denn sie enthalten zu- gleich eine Charakteristik des Eselsgeschreis, und zwar eine ganz gelungene.

Es sind recaner und rechigner. Ueber beide finden wir eine Notiz bei L. Roux d. Lincy (1,91): Rechaneiz d'asnes = ricanement, cris d'änes. (Dit de l'Apostoile. XIIP siecle.) C'est ainsi qu'on appelait autrefois le braiment de l'äne. Dans l'office burlesque, chante le jour de la fete de l'äne, on lit ces trois vers: Beau sire ane, eh chantez, Belle bouche rechignez ; Vous aurez de l'avoine a plentez. Recaner ist das neufranzösische ricaner. Dieses bedeutet hohn- lächeln, höhnisch kichern, sei es aus Bosheit oder aus Dummheit. Da nun auch das zu Grunde liegende Etymon cachinnare laut lachen heisst, so können wir annehmen, dass auch die Grundanschauung des alt- franz. recaner als Ausdruck für das Schreien des Esels die Bedeutung des neufranz. ricaner gewesen ist. Man deutete also das Schreien des Esels als Hohngelächter, und zwar, worüber beim Esel kein Zweifel sein kann, als Hohn gelächter der Dummheit.*

* So deutet auch Buffon eine das Geschrei oft begleitende Geberde des Esels: Lorsqu'on le tourmente trop il ouvre la bouche et retire les oreilles d'une maniere tr^s-desagreable, ce qui lui donne l'air moqueur et derisoire.

Metapherstudien. 173

Was das andere Wort betrifft, so heisst neufranz. rechign er, ent- sprechend der Bedeutung von reche, rechin herb, sauer, unfreundlich, wovon es abgeleitet ist, mürrisch, griesgrämig aussehn, ein saueres Gesicht machen, und altfranz. rechigner, rechiner, prov. rechignar knurren , knuttern (Diez, II, 397). Für das Schreien des Esels ge- braucht ist also dieser Ausdruck wieder überaus treffend und charak- teristisch. Denn, wie der ganze Esel ein geborener Griesgram ist, wie „seine ganze Physiognomie den Ausdruck der Verdrossenheit trägt" (Masius), so spricht sich dieselbe auch in seinem Geschrei aus.

Beide Ausdrücke rechigner und recaner enthalten also in nuce eine ganze Charakteristik des Esels.

Von den hieher gehörigen Metaphern und Sprüchwörtern nimmt die französische Redensart mit braire :

Cet orateur, cet avocat ne fait que braire, dieser Redner hat eine grelle Stimme, gröhlt beständig, ebenso wie

braire comme un äne en plein marche, und das spanische Spruch wort:

Ni asno rebuznado, ni hombre rallador (Oudin, 194), nur auf das Misstönende und Laute des Geschreis des Esels Bezug. Im Uebrigen wird aber dieses als die Aeusserung der Dummheit an- gesehn, z. B.

Fr.: Un äne pare ne laisse pas de braire. Prov. (Reichthum

schützt vor Dummheit nicht.) It. : Ragglio d'asino non arrivö mai in cielo. (Narrenwönsche werden nicht erhört.) AI raglio si vedra che non e leone.

(Giusti, 261.) Sp. : Bion sabe el asno, en cuya cara o casa rebuzna.

174 Metuphers Indien.

Das Maul tili er.

An Pferd und Esel schlicsst sich d.-is Maullhier an, da es aus der Verbindung von Pferd und Esel entsteht. Ueberdiess besteht zwischen diesen drei Thieren eine doppelte Parallele. Es sind dies die drei Lastlliierc schlechthin im weitesten Sinne des Wortes. Sind sie in diesem äusseren Bezüge einander sehr ähnlich, so unterscheiden sie sich um so schroffer durch ihren inneren Charakter. Wie wir sahen, dass das Pferd von der Sprache vorzugsweise als das edle Thier betrachtet und behandelt wird, der Esel als das dumme, so erscheint dasMaul- thier als das boshafte Thier, wie es Homer schon schwer zu bän- digen akyioTi] 6andaaa&ai (II. XXIII, 655) nennt, und Columella es als pecus indomitum et servitio contumax (de R. R. VI, 37) be- zeichnet. Freilich wird dieser Charakter weniger in den Metaphern ausgesprochen als im Spruch worte, in diesem aber um so bestimmter. Der Franzose sagt:

Belle femme, mauvaise tete,

Bonne mule, mauvaise bete; (Le Roux, I, l43.)

und sehr ungalant:

Une bonne femme, une bonne mule, une bonne chievre sont trois meschantes betes. (Le Roux, I, 152.)

Der Italiener :

Mulo, buon mulo, ma cattiva bestia. (Giusti, 342.)

Chi accarezza la mula, buschera de' calci. (Giusti, 63.)

Mula che rigna o donna che sogghignai

Quella ti tira e questa ti sgraffigna. (das. 171.)

Chi nasce mulo, bisogna che tiri i calci. (128.)

Non si puö strigliare e tenere la mula, (Giusti, 322.)

(weil es nämlich zu boshaft ist) in scharfem Gegensatze zu der Cha- rakteristik des Esels in der französischen Redensart:

II est serieux comme une äne qu'on etrille. Der Spanier:

Metapherstudien. 175

Quien quisiere nuila sin (acha, andese a pie, oder

El qua quiere mula sin tacha, espada sin buelta, andese sin ella (Oiidin, 118), oder

Ni mujer sin tacha, ni mnla sin ra9a. 202.

Mula del alguiler, Dios te guarde de tres, que de dos cierto, d. h. : Hast du mit einem gemietheten Maulthier zu thun, so behüte dich Gott davor, dass es dich drei Mal abwirft, denn zwei Mal thut es das sicher. *

Mulas y putas siempre reynan. (reynar Uaman pensar en maldad.)

Das Spanische ist besonders reich an Sprüchwörtern, die das Maulthier in seinem boshaften Charakter darstellen. Hier ist denn auch eine Metapher entstanden, welche darauf Bezug hat. Das Ad- jectiv mohino heisst verdriesslich, zornig, tückisch (dasselbe Wort wie das it. muffo schimmelig, vom deutschen muf Schimmel). Zum Substantiv erhoben bedeutet es aber das Maulthier, und zwar den Maulesel im engeren Sinne des Wortes, den Abkömmling von einem Hengst und einer Eselin, der darum auch macho (männlich) genannt wird (lat. hinnus). Damit ist der Charakter des Maulesels in aller Deutlichkeit ausgesprochen.

Insbesondere wird noch der Eigensinn des Maulthiers von der Sprache hervorgehoben, ebenso stark wie der des Esels, womit denn angedeutet wird, dass wenngleich die äussere Gestalt unbestimmt zwischen der des Pferdes und der des Esels schwankt, sein innerer Charakter doch sich mehr dem des Esels zuneigt. So sagt der Italiener :

Ostinato, caparbio come un mulo. (Giusti, 368.) Der Franzose :

etre fantasque, tetu comnie un mulet, tetu comme la mule d'Edom (J. J. Rousseau), fantasque comme la mule du pape, (Le Roux, I, 25),

* Die spanischen Sprüchwörter, zahlreicher als die irgend einer anderen romanlscben Nation, sind nicht selten voller Ellipsen, wie das letztangeführte, und tragen gerade darin ein echt volksthümliches Gepräge.

176 Metapberstudien.

in welch lefzterem Ausdrucke aber mule zweideutig ist, da la mule auch den Pantoffel bedeutet (in diesem Sinne vom lat. mulleus sc. cal- ceus abstammend): ebenso quinteux comme une mule (wunderlich, eigensinnig wie ein M.) und :

11 est quinteux comme la mule du pape , qui ne boit et mange qu'ä ses heures. Le Roux a. a. O.

Ventre St. Quenet, parlons de boyre, je ne boy qu'ä mes heures, comme la mule du pape. Rabelais, I, 5.

C'est une mule qui ne reviendra pas de son entetement, Redensart, um einen äusserst halsstarrigen Menschen zu bezeichnen. *

Das Maulthier ist im Gebiete der romanischen Sprachen , be- sonders in Italien und Spanien, ein ebenso beliebtes Lastthier wie der Esel und wurde früher zum Reiten für den Geschäftsverkehr fast mehr benutzt als das Pferd, wenigstens von den unteren und mittleren Ständen. Daher haben die romanischen Sprachen eine nicht geringe Anzahl von Metaphern und Sprüchwörtern hervorgebracht , in denen das Maulthier als das Lastthier oder das Reitthier erscheint.

Der Franzose sagt : etre Charge comme un mulet. Pavillon nannte Dacier un gros mulet charge du bagage de l'antiquite, ein Ausdruck der einiger Massen an den schon oben erwähnten spanischen: un burro cargado de letras erinnert. Auch deutet auf dasselbe die Redensart hin : etre rembourre comme un bat de mulet (ausgepolstert sein wie der Packsattel eines Maulthieres, d. h. viele Kleider über einander anhaben), denn jener ist nur darum so ausgepolstert, weil das Thier so schwer zu tragen hat.

Ein italienisches Sprüchwort lautet:

Schiena di mulo, corso di barca, buon per chi n'accatta (h. e. portano assai roba), (Giusti, 343),

* Eine interessante Erläuterung hierzu gibt Bescherelle ^dict. d. 1. 1. fr.). Er sagt : II est difficile de faire quitter au mulet la reute qu'il veut suivre, et plus difficile encore de le faire marcher dans la compagnie des chevaux, pour lesquels il a une aversion extreme. La räsistance s'accroit d'ordinaire sous Ips coups qu'il reQoit, et se change en une colere terrible: alors il se precipite sur I'imprudent qui a voulu le contraindre et malheur h, celui-ci! car en pareil cas, ainsi que le dit un proverbe proven9al : II n'y a pa.s de mulet qui ne tue sou conducteur.

Metapherstudien. 177

und ein anderes gibt als die guten Eigenschaften, auf die es beim Maulthiere ankommt, folgende an :

Testa di lucertola, coUo di grue, gambe di ragno, pancia di vacca, groppe di baldracca (ibid.),

von denen die beiden letzten das Lastthier deutlich charakterisiren.

Das spanische rnuleta hat ausser der eigentlichen Bedeutung: junge Mauleselin, auch die übertragene Krückenstock, weil er wie jene eine Last zu tragen hat, und das it. bordone, sp. bordon, fr. bour- don, der Pilgerstab, wird von dem lat. burdo das Maulthier abgeleitet,* gründet also seine Bedeutung auf dieselbe Anschauung wie muleta. „Der Wanderer konnte den Stab, auf den er sich stützte, vergleichungs- weise sein Lastthier nennen" (Diez). Die andere Bedeutung dieser Wörter: Bass, Basssaite, scheint sich wieder aus der von Pilgerstab ent- wickelt zu haben , da man die langen Trompeten und Orgelpfeifen, welche den Basston hervorbringen, wegen der Aehnlichkeit mit einem langen Pilgerstabe so nennen konnte. Endlich an diese Bedeutung schliesst sich wieder die von Hummel an , welche das fr. bourdon hat, mit der Ableitung bourdonner summen, da dieses Insekt einen ähn- lichen Ton hervorbringt wie eine Basssaite.

Aus dem Gebiete des Griechischen und Lateinischen ist hier zu erwähnen, dass Homer dem Maulesel öfter das Beiwort tcO.aeQyog aus- dauernd in der Arbeit gibt, z. B. II. XXIII, 654; Od. IV, 656; XXII, 23; und Muli Mariani spottweise die Soldaten des Marius genannt wurden, weil sie mittelst einer besonderen auf beiden Schultern angebrachten Vorrichtung ihr Gepäck selbst tragen mussten (quia reci- dendorum impedimentorum causa sarcinas sibi suas fnrcis aptatas et humeris impositas mulorum vice portare coegerat).

Am meisten ist bekanntlich das Maulthier als Lastthier in den Gebirgen, auf Gebirgspässen und Pfaden, geschätzt und hier fast un- ersetzlich. Daher hat es im Griechischen den Namen oQsvg bekommen. Denn dies Wort kommt von oQog Gebirge, und bedeutet also das Thier

* Burdonem producit equus conjunetus asellae, Procreat et mulum junctus asellus equae. Ebrard. Beton.

Sp.: Mal aya el romero que dice mal de su bordon. Oudin, l72.

Fr. : Mal vieiine au pelerin,

Qui desprise son bourdoncin. Le Roux, I, 175.

Archiv f. n. Sprachen. LIV. . 12

178 Metapherstudien.

des Gebirges, oder, wie wir ergänzend hinzusetzen können, das Last- tliier des Gebirges (nnQk to iv oqegi fiälXov täv ukXojv ^cocor 8vväaOcu fQ^'ä^eoOai, quod animal hoc prae ceteris ad opcra montaiia est ido- ncuni. Steph. thes.).

Aber nicht nur als Lastthier, sondern auch als Reitthier dient das Maulthier dem Menschen , und das war in f'rühoren Zeiten noch mehr der Fall als jetzt. Le mulet, sagt Bescherelle, etait la nionture de nos ancetres. Wenn nun Jemand abgestiegen und in irgend einem Hause eingetreten war, um seine Geschäfte zu besorgen, so bedurfte er Jemandes, der ihm sein Maulthier so lange hielt und bewachte. Denn es bloss anzubinden, was beim Esel wegen dessen geduldiger Natur genügt, (s. die Redensart legare l'asino =: addormentarsi in dem vorhergehenden Kapitel) war wegen seines unruhigen, boshaften Charakters unstatthaft. Wer so das Maulthier Jemandes zu bewachen hatte, musste möglicher Weise lange warten. Daher entstand denn im Französischen die Redensart garder le mulet de qn. (Jds. Maulthier hüten) mit der Bedeutung: Auf Jdn. warten, und faire garder le mulet ä qn. Jdn. warten lassen.

Je comptai encore dix heures ä une autre horloge. Fort bien, dis-je alors en moi-meme je n'ai plus que deux heures a garder le mulet. Le Sage. *

Ganz entsprechend im Ausdruck ist die italienische Redensart tenere la mula und reggere la mula di qd. Die Bedeutung weicht nur etwas ab. Sie ist: Jemanden während eines Geschäfts- ganges fortwährend begleiten (accompagnare uno tanto che faccia qualche feccanda), wie derjenige thut, welcher die Obliegenheit hat überall, wo Einer absteigt, dessen Maulthier zu halten. Umgekehrt gibt es im Italienischen eine Redensart, die mit garder le mulet genau dieselbe Bedeutung hat, aber im Ausdruck ein wenig abweicht, nära-

* Hierher gehört auch die Redensart: ferrer la mule, il s'entend a ferrer la mule (das Maulthier beschlagen lassen) im Sinne von profiter sur un achat, qu'on fair pour :mtrui, Schwengelpfennige machen. Ueber die Entstehung derselben sagt Bescberelle: Co proverbe date du teraps les conseillers au parlement de Paris allaient au palais montes sur des mules ; leurs laquais jouaient pendant la seance, et pour avoir de l'argent, ils en demandaient k leurs niaitres, sous pretexte, que leurs mules avaient besoin d'etre ferrees.

Metapherstndien. 179

lieh fare da miila, die Rolle eines Maulthiers spielen, wie ein Maul- thier dastehn und warten. Wie also in den voihergenannten Redens- arten der Wartende mit demjenigen, welcher das Maullhier hält, ver- glichen wird, so hier mit dem Maulthiere selbst.

Noch eine bestimmtere und sprechendere Färbung nimmt dieser Ausdruck an, indem er zu fare mula di medico wird (wie das Maulthier eines Arztes dastehn und warten). In dieser Gestalt ist er so recht aus dem Leben gegriffen. Denn, wie unter den Wagen, die wir bei Gängen durch die Strassen unserer Städte vor Häusern halten und warten sehn, ein guter Theil , zu gewissen Stunden des Vormit- tags sogar die meisten, Wagen von Aerzten sind, die in den Häusern Krankenbesuche machen, so wird etwas Aehnliches in früheren Jahr- hunderten, wo man mehr ritt als fuhr und jeder Arzt sein Maulthier hatte, mit den Maulthieren der Fall gewesen sein.

Jo non son giä per istar qui a far mula di medico.

Salviati, il Granchio.

Esci fuori e serra la Casa lasciando la bestia e me, e far mula di medico. Cecchi.

Endlich die natürlichste , am nächsten liegende Metapher, welche sich aus dem Namen des Maulthiers entwickeln konnte, ist die Bedeu- tung uneheliches Kind, Bastard, welche das it. mulo hat. Denn das Maulthier ist die Frucht einer Verbindung, die, wie die Unfrucht- barkeit desThieres beweist, von der Natur verpönt ist und daher mit der Verbindung zweier Personen verglichen werden kann, die das Recht nicht anerkennt, und diesem Gedanken noch näher kommend, könnte man sogar sagen : es ist die Frucht einer nicht standesgemässen und darum illegitimen Verbindung des aristokratischen Pferdes mit dem plebejischen Esel.

Vita bestial mi piacque e non umana,

Si come a mul ch'i'fui: son Vanni Fucci

Bestia, e Pistoja mi fu degna tana.

Dante, inferno XXIV, 124. Tu, come mulo, traditor ribaldo Hai la protezione dei Saraceni.

Berni, Orl. I, 28, 10. 12*

180 Metapherstudien.

Auf demselben Grunde fusst die berühmteste Metapher, die je von dem Namen des Maulthiers gemaclit worden ist. Ich meine den von ITerodot uns überlieferten Orakelspruch , welchen die Pythia zu Delphi dem Krösus auf seine Frage gab, ob er lange regieren werde, und worin sie als das Ende seiner Herrschaft die Zeit bezeichnete, wenn ein Maulesel über die Meder herrschen werde :

^AXX orav tjfxiovog ßaotXsvg M/j8oiOL yt'vijtai, Kai r6z£,ydv8e TZodaßQi:, 7iolvxp/j(pi8a naQ "Equov (pEvyetv, fir^de fxlv^iv, fiijö' at'dsio&ui Kuxog slvai.

Herod. I, 55.

Mit dem Maulesel war Kyros gemeint, weil er aus einer ungleichen Ehe stammte, von Eltern, die sowohl der Nation, als dem Range nach ungleich waren. Denn seine Mutter war eine Mederin und eine Königstochter, sein Vater ein Perser und ein Unterthan :

Hv yoQ ötj 6 KvQos ovtog 7]fiiovog, ix yctQ SvoTv ovx ofio- E&vimv iysyopss, fitjtQog afiecvovog, natQog dl vrzodesazeQov.

Her. I, 91.

Es ist nun eine seltsame Laune des Zufalls, dass auch die ge- wöhnlichen, nicht metaphorischen Ausdrücke für den Begriff unehe- liches Kind, it. bastardo, sp. bastard, fr. bätard, egl. bastard auf das Maulthier Bezug haben, freilich nicht direct, sondern indirect durch die Beziehung auf den Maulthiertreiber. Jene Ausdrücke rühren nämlich von basto Saumsattel her.

Wir sprachen von diesem Worte schon früher., in dem Kapitel über das Pferd. Dort war aber keine Veranlassung auch dieser Ab- leitung zu gedenken , weil diese sich speziell auf basto als den Pack- sattel des Maulthiers bezieht.

Bastardo etc. heisst Kind des Saumsatttels und zu dieser Bedeu- tung ist es nach Mahn auf folgende Weise gekommen. „Das deutsche Bankert kommt bekanntlich von Bank und heisst eigentlich der auf der Bank,, im Gegensatze zum Bett, Erzeugte (vgl. Grimms R. A. 475). Der romanische Ausdruck Kind des Saumsattels ging dagegen im

Metapherstudien. 181

Süden, in der Provence oder Spanien , aus den Sitten der Maulthier- treiber hervor, die sich in den Wirthshäusern ihre Betten von Saum- sätteln machten und dort mit den Mägden Verkehr hatten. Ein Bei- i«piel dieses Verkehrs findet sich im Don Quijote I, 16." (Diez, Etym. Wb. I, 57.)*

Wir können nicht umhin hier noch die Bemerkung zu machen, dass die Sprache in auffallender Uebereinstimmung mit der Charakteri- sirung des Maulthiers auch den Charakter des Bastard auffasst. Wie sie jenes als das boshafte Thier bezeichnet , so den Bastard als einen regelmässig bösartigen Menschen. Ein italienisches Sprüchwort sagt:

Bastardo buono, Ventura; Bastardo cattivo, sua natura.

(Giusti, 206); ein französisches :

Bastard est bon, c'est aventure, Estant mauvais, c'est de natura.

Le Roux, II, 57 ; ein anderes:

Jamals bastard ne fit bien. das.

Besonders scharf wird aber die gedachte Parallele hervorgehoben durch das spanische Spruch wort:

* Anderer Meinung ist Grimm in seinem Wörterbuche (Art.: Bastart). Er nennt Bastard ein aus Frankreich hergebrachtes, obschon urdeutsches Wort, und erklärt es als zusammengesetzt aus Bast und hart, als hart wie Bast (der weich ist), daher: unecht, und schreibt demnach Bastart. Er sagt: „Der berühmte normannische Wilhelm, der natürliche Sohn Herzog Roberts und Eroberer Englands im Jahre 1066, ist der erste mit diesem Namen vorkommende und heisst bei Adam von Bremen: iste Wilhelmus, quem Franc! bastardum vocant, cui pro oblique sanguine cognoinen est ba- stardus. Ja in seinen eigenen Briefen nennt er sich : ego Wilhelmus cogno- raine bastardus. Der Ausdruck war also normannisch, folglich altnordisch und erst durch den Titel des ruhmvollen Herzogs Wilhelm nach Frankreich vorgedrungen." Sehr auffallend ist es, dass weder Grimm auf Mahn und Diez Rücksicht nimuit, noch Diez auf Grimm.

Ig.2 Metapherstudien.

El hijo borde y la innlft,

Gada dia hacen mm (nämlich: einen bösen Streich).

Oudln, 117.

Eine glänzende Bestätigung dieses Urtheils gibt Shakespeare, der grosse Menschenkenner, in der Zeichnung des scheusslichen Charakters Edmunds, des Bastardsohnes von Gloster, im König Lear.

Zur italiänischen Grammatik.

Von

Hermann Buchholtz.

1. Passiver Infinitiv praesentis.

Das Italiänische hat mit den übrigen romanischen wie mit den meisten neueren Sprachen den Mangel gemein, dass ihm ein Passivum der Form nach fast ganz fehlt. Einzig das sog. partic. perf. passivi ist vorhanden, und da es sich wie in anderen, schon in alten formen- reichen Sprachen manchmal zeigt, dass auch dieses activen Sinn und Verwendung hat, so glaubt man die Freiheit zu haben in der Erklärung der Satzgefüge active Formen mit passiver Bedeutung anzunehmen« Mir scheint aber einmal fraglich, ob es wirklich mit den activen Per- fectparticipien passiver Form überhaupt seine Richtigkeit habe ; ob nicht iuratus ein Geschworener vielmehr als ein Vereidigter passiv zu erklären,* wie es ja in allen Sprachen Beispiele vom Uebertritt der Zeit- wörter in das causative giebt, wie it. Fra Guittone obria = fa obliare hat Ganz. 43 und Cecco d'Ascoli sogar nasce = partorisce, Acerba 3, 44, welches man zu der ziemlich grossen Zahl bei Diez RG 3 S, 103 ff. fügen kann. Intransitive Participien wie andato und reflexive wie maravigliatosi setzen einer solchen Auffassung keinen unüberwind- lichen Widerstand entgegen, und in solchen alten Fügungen wie veduto la donna nachdem er die Frau gesehen hatte, was durch avendo veduto la donna erklärt zu werden pflegt, ist das Participium doch immer passiv ; bei einem Zusätze von avendo als von diesem abhängig doch erst recht. Es ist eine ähnliche Unbehülflichkeit, als wenn man fände viso hanc feminam, visum est hanc feminam. Active praesentia statt der passiven im Mittelalter (Diez 3"2, 201, wozu man sich fügen kann qui conta in den Ueberschriften der C novelle antiche und das deutsche heissen) sprechen für nicht gegen meine Auffassung, da hier überall durch ein leicht zu ergänzendes Subiect auszuhelfen ist. Wenn ich aber zugebe, dass diese activen Perfectparticiplen Vcrfheidiger haben

* So urtheilt, wie ich eben sehe, Haase, Lat. Sprach wiss. I, S. 161.

184 Zur italianischcn Grammatik,

können, denn ich verhehle mir die Schwierigkeit der Sache nicht, da sich auch participia praesentis activer Form mit passivem Sinn wie in anderen Sprachen so hier gelegentlich einfinden (Giov. Marotolo PPS

2, 92 cd e cosa crcdente, Non mi credo giä punto fallire), und an- nehme, dass sich hier mancher nicht mit „eine glauben machende" (,, wol schlafende", wol schlafen machende Nacht) begnügen möchte. St) hoffe ich doch, dass es als eine dankenswerte und treffende Verein- fachung angenommen wird, wenn ich nachweise, dass die gelegentlich jnissive Auffassung des Infinitiv praesentis activi im Italianischcn, und ich hoffe, andere werden nach mir dasselbe für andere Sprachen erken- nen und zeigen, nur auf Bequemlichkeit des Denkens beruht und in der That unhaltbar ist.

Wenn bei Adiectiven wie leicht, schwer das Altgriechieche, wel- chem es wahrhaftig nicht an passiven Infinitiven fehlt, den activen und zwar ohne weitere Vermittelung setzt, so kann man wol sicher sein, dass in la cosa e facile a vedere der Infinitiv nicht im genauen Anschluss an lateinisches facilis corrumpi als passiv gedeutet werden m u s s. In Bezug auf das sehen , darauf dass jemand sieht ; w^er, ist gleichgültig, wird nicht angegeben, so wenig als das Obiect als selbst- verständlich wiederholt wird. Fazio im Dittamondo 4, 9 hat A vederlo e poco e brullo. Dieses „in Bezug auf" „gegenüber" „bei" wird ita- liänisch durch a manchmal auch durch da gegeben. Beim einladen (nicht „geladen werden") möchtest, verlangtest du nicht viele Worte, inf. 30, 129 Non vorresti a invitar molte parole. Fazio D. 3, 9 Alcuna cosa da notar degna; 1, 5 Poco dal corpo, lettor, tel disegno. Da hat den Vorzug wenn das Adiectiv fehlt und ein „von der Art" ausgedrückt werden soll: la cosa e da ridere, die Sache ist zum lachen (nicht „belacht werden" , vgl. zum krank lachen). Gleich jenem a vederlo widersetzen sich passiver Auffassung solche Fälle: Dittamondo

3, 3 provai quanto e buon a viver seco, 7 e'l ciel disposto a viver sani.

Die Lehre von dem passiven Infinitiv praes. activi stützt sich aber ganz besonders auf die Accusative mit Infinitiven nach vedere udire sentire, fare lasciare. Vedo scrivere mio fratello erklärt man „video scribere meum fratrem", hingegen vedo scrivere a mio fratello „video scribi meu fratri"; sodass also durch den Zusatz des a plötzlich der Infinitiv umschlagen soll und der Dativ beim Passiv im Anschluss an die altgriechische im Lateinischen mehr von Dichtern gebräuchliche

Zur italiänischen Grammatik. 185

Art statt da „von", lat. a mit Ablativ den Thätcr angeben soll. Dass dies a den Dativ ersetze, ist unbedenklich anzunehmen, da das Italiä- nische unter seinen Pronominalformen noch wirkliche Dative besitzt und sie in diesem Falle anwendet. Diese Fügung mit a wird gegen jenen activen Accusativ mit Infinitiv bevorzugt, sobald zu dem Infinitiv noch ein Obiect sich einfindet ; offenbar um die Dunkelheit zu meiden : audio regem hostes vincere lieber a rege hostes vinci, odo al re vincere i nemici. Nur wenn die Dunkelheit im Gegentheil bei dieser Wen- dung mit a grösser ist als ohne diePraeposition, findet sich selten doch auch heutiges Tages die einfache Construction erhalten : Poscia ch'io ebbi il mio dottor udito Noramar le donne antiche e i cavalieri. Der Sicherheit, dass man bei Eintritt des a oder Dativs von Fürwörtern einen passiven Infinitiv vor sich habe, glaubt man vollends die Krone aufgesetzt zu sehen dadurch , dass statt des a auch da „von" sehr ge- läufig ist. Weil da der eigentliche Ersatz für lateinisches a beim Pas- siv ist, schliesst man von solchen Fällen, veggio il tosco apparecchiar dal tiranno, mit Leichtigkeit auf Infinitive praesentis passivi, wo es nur bequem und angemessen, namentlich dem Lateinischen entsprechend erscheint. Also lo vidi menare, ich sah ihn führen, geführt werden; offenbar passiv. Als ob es nicht deutlich wäre , dass hier nur die Nennung des Führers fehlt, dass lo von menare abhängt, dass dieses activ bleibt. Im Lateinischen nach iubere fehlt oft ein solcher leicht zu ergänzender Accusativ, wie in receptui canere iubet : wem fällt es ein, dass canere passiv ist? Feci mostrare ist gerade wie lateinisch pronunciare iusserunt; wer die Zeiger, die Verkünder sind, ist zu gleich- gültig, als dass es nicht leicht wegfallen könnte: fällt ein Obiect aus diesem Grunde leicht weg, warum nicht ein Subiect? Vgl. jenes qui conta, nämlich der Erzähler oder das Buch.

Es ist aber in a lui (da lui, gli) vedo scrivere la lettera nicht anders, scrivere ist activ. „Ich sehe schreiben" wie „ich höre sprechen"; die Thätigkeit bezeichnet, activ. Von dem Infinitiv ab- hängig „den Brief". Statt „ihn" aber heisst es hier „an ihm", „bei ihm", es ist seine Thätigkeit. Und diese Verwendung des Datives sowie der Praeposition a ist echt, gut, alt und neu. Ich sah, sagt Dante par. 31, 313, ihren oder an ihren Spielen und Gesängen eine Schön- heit lachen, welche alle den oder an alle den anderen Heiligen in den Augen eine Freude (ein Freude blicken) war. Vidi quivi a' lor giuochi ed ai lor canti Rider una bellezza, che letizia Era negli occhi a tutti

186 Zur italiänisclien Grammatik.

glt altri Santi. Hier hat man dieselbe Verwendung des a oder des Dativs und doch nicht eben in jener Construction und gleich doppelter Art: ich sehe eine Thätigkeit, ich sehe eine Eigenschaft an jemand. Dittamondo 2, 11 Dimmi, questa figura che si vede E lo scritto a cui c? E'l Farisco: A colui che 'I censo ci richiede. Da bedeutet oft ge- nug zu und bei, und Avenn es vorzugsweise beim Passiv das lateini- sche a ersetzt, so mag es möglich sein, dass der redende in solchen Sätzen wie inf. 29, 76 E non vidi giammai menare stregghia Da rag- gazzo aspettato dal signorso nahe daran ist, das Passivum zu empfin- den; dass er es wirklich empfinde und denke, glaube ich nicht. Dass eine solche Annäherung statt findet, zeigt das Beispiel anderer Sprachen wo die Unklarheit durch ein von durch franz. par sich zeigt.* Ich sage also, dass „ich lasse das Kleid beim Schneider machen" richtig sei, dass von durch statt bei hier störe. Aber auch so glaube ich nicht an den Infinitiv praesentis passivi, glaube vielmehr, dass dies „von" „durch" ähnlich dem „bei" zu beurtheilen sei. Die Präposition hat ihren auf das räumliche, auf Vermittelung gehenden Sinn , berechtigt deshalb zu keinem Schlüsse auf ein Pas- sivum.

Nachdem ich gezeigt habe, wie möglich es ist und wie vernünftig der Verbalform hier nicht etwas aufzubürden, was sie nicht tragen kann, ihr Fremdes nicht anzudichten, will ich noch zeigen, wie wenig wahr- scheinlich es ist, dass die Italiäner, wenn sie einen passiven Infinitiv praesentis vom Lateinischen her sich erhalten hätten , in solchen Con- structionen den Thäter durch den Dativ oder durch die Praeposition a bezeichnen sollten. Das Lateinische hatte sehr wenig Neigung für diese Verwendung des Dativs ; von den Griechen nahmen sie die Dichter etwas an, in der Prosa blieb man auf weniges wie mihi scribendum est, mihi videtur, mihi probatur beschränkt. Immerhin aber reichen die Beispiele im Lateinischen vollständig aus innerhalb jener Sprache selbst die Sache klar und sicher zu belegen. Wie steht es im Italiä- nischen ? Wenn in einem solchen passiven Accusativ mit Infinitiv der Dativ oder a statt da stehen soll, so niuss es billig auch sonst in

* Per ist hier im Italiänischen selten, obgleich es beim Passiv den Thäter sonst sehr gera einführt. Ditt. 6, 6 e fama e voce, Che giä per Salomon poner fu visto Quel legno, onde si fe la santa Croce. Aber die Auffassung des activen Infinitiv ist hier leicht. Es wurde gesehn, dass man den Grund durch Salomo legte (seine Leute); wenn nicht gar zu erklären ist: durch Salomo wurde schon gesehn, dass man den Grund legte.

Zur italiünischen Grammatik. 187

der Sprache Beispiele geben solchen Gebrauch festzustellen. Wirklich lässt sich ein solcher Gebrauch innerhalb des Italiänischen ziemlich sicher stellen. Aber, mich dünkt, doch nicht so, dass man es für mög- lich halten sollte, dass an denselben bei weitem die Mehrzahl solcher Accusative mit Infinitiven nach vedere udire sentire fare las- ciare sich hätte sollen anschliessen.

Hier ist zunächst eine wirklich grosse Familie von Beispielen zu- sammenzufassen, nämlich der Fall, dass das Passiv durch venire ge- bildet wird. Dieser Gebrauch findet sich in der ältesten Prosa bis auf die heutige tägliche Sprache. C novelle ant. 76 II Soldano aspettava il re Ricciardo, ma non li venne fatto, es wurde von ihm, dem Sultan, nicht vollbracht, der Streich mislang. Giamboni volg. d'Orosio 2, 16 non vegnendo loro fatto. Par. 17, 50 E tosto verrä. fatto a chi ciö pensa. Bocc. D. 1, 4 gli venne vedula una giovinetta, 6 gli venne trovato un buon nomo, AI quäle era venuto detto, 7 vennegli si bcn fatto che pervenne, 7, 8 gli venne questo spago trovato, und ähnlich oft. Unter neueren Leopardi op. (Le M.) 1, 264 ti venne fatto; D'Azeglio Nie. de' Lapi 268 e neppur a Lamberto non venne fatto di vincerlo; Giuliani Sul viv. ling. tose. 451 Mi venne fatta la Madonna con il Bambino in braccio proprio come l'avevo veduta, 456 mi venne finita finita, 457 mi riusci fatto, 460 mi riescono fatti come agli altri. Besonders an den letzten Beispielen mit riuscire sieht man, dass der Begriff des kommens hier vielleicht den Dativ ebenso hervorgerufen hat oder noch mehr als das passive Participium.

Vielleicht mehr der Erinnerung an lateinische Klassiker als dem lebendigen Sprachgefühl verdankt man solche dem mihi videtur ähn- liche Wendungen. Fra Guittone Rime ed. Valeriani II. 159 m'e viso, Jacopo daLentino (Nannucci manuale della lett. del I. secolo ^, 1874 1) S. 112 m'e avviso, Anm. formula prov. so m'es avis, dal latino mihi visum est. Fra Guittone lettere ed. Bottari Rom 1745, 40, 91 viso e me (a me, wie er und diese alten öfter me als Dativ haben). Inf. 19, 108 a lui fu visla, vom Evangelisten wurde die Buhlerin gesehen; pg. 1, 24 Non viste raai fuor ch' alla prima gente ; par 7, 5 Fu viso a me cantai-e essa sustanza. Dittam. 2, 28 un fanciul gli fu visto. Unter den neueren scheint es den Dichtern zu bleiben, wie Ariosto öfter hat m'e avviso.

Mit anderen Zeitwörtern sind der Beispiele wenig und sie scheinen ebenfalls auf Erinnerunfi" an alte Klassiker zu beruhen. Pannuccio

188 Zur italiauischen Grammatik.

del Bagno PPS 1, 372 el meo sacciuto voi fero dolore. Fra Guittone R 1, 47 che sia cercatä A chi h d'alta donna in signoria; 2, 83 sento A mc il lalento vostro umiliato. Letterc 38 S. 88 Botfari : usato e al solo. Inf. 27, 135 si paga il fio a quei gehört vielleicht hierher. Andere zweifelhafte Stellen übergehe ich; pg. 9, 45 il viso ni'era alla niarina torto ; 20, 12 accusiam, Lodiamo, Ultimamente ci si grida, 121 al ben che il di ci si ragiona. Par. 4, 37 non perche sortita Sia questa spera lor ; 22, 120 La vostra region mi fu sortita. Als zwei- felhaft niuss ich hier fern halten alle Beispiele, in welchen der Dativ keine Person sondern nur eine vielleicht persönlich gedachte Sache ist, Avie il muro (die Hebräerinnen), al che si parton le sacre Scale, la neve al sol si disigilla, si dibarba Robusto cerro al nostral vento, weil uns dies auf das instrumentale a führen würde. Dittam. 4, 14 A me con tanto sangue e con martiro Fu fatto il tempio. * Neuere Dichter haben dergleichen ebenfalls gelegentlich. Tasso G. 1. 8, 35 E con lei (la spada) faccia, perche a lei s'aspetta, Di chi Sveno le uccise aspra Vendetta, weil vom Schwerte die Rache erwartet, ersehnt wird; 9, 30 tenta, che morto gli cada, von ihm getödtet.

Nach diesen Beobachtungen möchte man schwerlich geneigt sein den Infinitiv praesentis activi als passiv mit dem Dativ der Person zu erklären. Damit ich aber vorurtheilsfrei kein Wort, welches dieser Fügung geredet werden könnte, zurückhalte, denke ich hier noch des schon genannten Buches von GB Giuliani lettere sul vivente linguaggio della Toscana, Fir. Le M. 1865. In den doi't mitgetheilten Gesprächen ungelehrter Leute Toscanas .«cheint sich unser Fall ausserordentlich oft zu finden. Dies wäre um so wichtiger, da diese vortrefflichen Ge- wächse vieles enthalten und aufklären, was bei Dante und den ältesten schwieriges und heut dunkeles gefunden wird. Sollte also dieser unser in Rede stehender Gebrauch sich der Schrift mehr entzogen aber alle- zeit im Volke gelebt haben ? In den Beispielen ist gar keine Ab- wechselung; in allen ist das Passiv durch si gebildet und der Dativ lieisst noi (ohne a = nobis). S. 85 noi si dice, 95 foga del fuoco noi si dice quella corrente di fuoco, 132 noi (da noi setzt der Herausgeber in Klammer hinzu) le viti non s'appoggiano agli arbori, 179 noi si pongono pochi ulivi, noi si lavora all' antica, 193 noi come son sani, si lasciano mangiar ogni cosa, 220 noi si pensa, 228 noi si

* h vinto al pome pg. 27, 45, al collo d'un grifon tirato venne 29, 108 sind wol mit Hervorhebung des räumlichen zu erklären.

Zur italianischen Grammatik. 189

campa, 237 noi si lavora, 246 noi si dice, 274 noi s'e avuto, 263 noi tutti si corse, 265 noi si sarebbe cavato il sangue dalle vene, 267 noi subito si rideva, 270 quest' e il modo che noi si costuma, 277 noi poveri si trema o ogn' ora, 283 anco noi non sene tien piü conlo, 287 noi si chiania, noi contadini fiori e erbe sene fa ogni cosa, noi si legge tante cose ne' fiori, 295 noi che si dorme sopra si senti, 303 si temeva un gran danno, ancor noi piu qua dalla Lima, 300 noi si chiama il mal maligno, 321 noi si lavora, 324 noi sempre s'e riten- tato, 345 noi si face un capanello, 373 noi si chiama abete rosso, 391 il vino noi si dice, che .. 392 la schiuma noi si dice, 395 noi si chiama, 409 noi mamme si pensa sempre ai figluoli, 411 noi si tira, 415 quando i castagni son piccoli, noi s'annestano a buccia, 417 anche noi contadini si litiga, 423 noi si dice, 434 il cuore si ha anco noi, 435 noi contadini non s'ha tempo a perdere sui libri, 439 si dirä anco noi, 452 noi a Pruno si rivä tutti sull' alpe. Ebenso finde ich in d'Aze- glios Ricordi : noi si chiamava 1, S. 230. Trotz ihrer grossen Zahl scheinen diese Beispiele nicht viel zu beweisen. Es fehlt in allen, scheint mir, das rechte Bewusstsein von dem Dativ, zum Theil auch von dem Passivum. Das beweist die Einförmigkeit. Noi als nobis ist dem Dante nicht fremd und den übrigen alten sehr geläufig. In diesem Buche Giulianis aber habe ich ausser in den genannten Fällen sehr wenig und nicht einmal recht deutliche Beispiele dieses Datives ge- funden. S. 112, 265, 292, 294 noi bisogna campare suUe braccia, perche a volte noi poveri una parola ci fa meglio che medicina, noi contadini c'e quasimente mancato il pane, la farina dolce noi il piü ci serve per la pulenda. Dagegen finde ich bei solchem Reflexivpas- sivum auch offenbare Nominative oder dem Casus nach unbezeichnetes. S. 8l io col mio fratello si va pe' campi, 107 s'ha da vivere tutti, alle müssen leben, l43 tutti si vive alla trista. S. 160 sagt der Ver- fasser selbst: tutti s'ha la nostra croce. S. 240 si fuggi tutti, 24l si stette boni, 267 tutti s'ha du popoli, chi ti vuol male e chi bene, 277 tutti se ne soffre, 303 tutti si ebbe agio a salvarsi, 345 si stava tutti insieme s'era tutti un pezzo, 360 io co' miei figliuoli si lavora. Man sieht, die Beispiele beschränken sich auf noi, io col mio fratello, co' miei figliuoli und tutti; es sind Plurale, welche dem Singular verwandt diesen im Zeitwort begünstigen, wie sich dieses mit und ohne si bei anderen Pluralen häufig in dem Buche findet. S. 94 v'e i quadrucci, c'e i mattoni, 231 c'era due vecchini, 232 si perde tutte

190 Zur italiänischen Grammatik.

lo virlii, 263 s'era tornati, 281 ci e i bruclii, 354 felice come nie non c'era stato altrc (eine Frau spricht), 371 non si vedeva che rami, 387 c'e i minatori, 39l non si vien vecchi alle cave e al fuoco , 392 si fa tanle manneile, 400 s'incanna quelle tante libbre, 401 s'atfacca i fili. Beispiele dieser letzten Art sind der alltäglichen Sprache überhaupt geläufig. Fr. sposi 1 che imbrogli ci puo essere ? Jo speravo, che oggi si sarebbe stati allegri insieme. Es ist daher zu verwundern , wie Nannucci analisi S. 137 aussprechen konnte, dass Lateiner und Italiäner wol Plural nach Sammelwörtern kennten, aber nicht das Zeitwort im Singular nach Pluralen. Der- gleichen Fälle bei den alten seien alle durch den Verlust eines n am Ende der Verbalform zu erklären: gronda(n) canta(n} cagioni(n) dico(n), wie tie vie statt tien vien, be(n) bo(n) no(n).* Die Zuhörer und Leser werden sich schwerlich jemals diese abgefallenen n ergänzt liaben. Vielmehr war diese im Italiänischen ziemlich weit verbreitete Mishelligkeit zwischen Einheit und Mehrheit schon der lateinischen Volkssprache nicht fremd. Non. Marcellus: absente, praesente nobis, praesente testibus, absente nobis bei Plautus, Afranius, Syrus. Bacchides l42 praesente ibus. Dergleichen ist dem it. Gebrauche von salvo mediante u. s. w. ganz gleich zu setzen. Aehnliche Formlosigkeit scheint mir in jenen Beispielen aus Giulianis Buch mehr vorzuliegen als feine Verbindung von Dativ und Passivum. Als der gemeinsamen Schriftsprache nicht empfehlenswerthen Florentinismus belacht übri- gens solche Wendungen G. J. Ascoli im proemio zum ersten Bande seines Archivio glottologico S. 23, 24.

Und Formlosigkeit und Vermischung, s:ige ich auf unsere vorhin besprochene Construction zurückkommend, liegt vor, sobald durch ein passives fu visto und ähnliches der genau denkende Leser der Art in die Enge gebracht wird, dass sich ihm kein anderer Ausweg zeigt als eine active Form passiv zu erklären, für das eine ein anderes zu setzen. So Fazio degli Uberli im Dittamondo 4, 18 Qui le scienze E di e notte udir cantar si pono. Das si nach der gewöhnlichen Vorliebe zu possono gestellt, so kann man sich hier noch durchhelfen, ist hier ebenso zu udire als zu cantare zu denken. Umgekehrt hat derselbe puote =

* Dante scheint sich vor dgl. etwas zu hüten, denn inf. 8, 78 Le mura mi parea che ferro fosse hat eher eine Entschuldigung. Ebenso usoiva insieme parole e sangue und soperchiava i piedi e delle gambe infino al grosso 14, 43, 19, 22. Hingegen Conv. 4,19 hat er auch die Uebereinstim- mung vollständig gestört, aber indem das Zeitwort vor steht.

Zur italiänischeu Grammatik. 191

si puö oder wol = e possibile 4, 4 : Per queste piaggie e pendici remote A chi sa l'arte e far ne vuol la pruova Oro ed argento assai trovdr ne puote; dem, welcher es versteht und versuchen will, ist es möglich Gold und Silber zu finden. So schon im alteren Latein pote (und auch diese Form kennen die älteren Italiäner) , wie bei Catullus 76 hoc facias, sive id non pote sivc pote, mag es unmöglich oder möglich sein. Dass Verwirrung vorliegt in sono voluti ricevore, ne fu potuta levare, sie sind gewollt worden aufnehmen, sie wurde nicht gekonnt wegnehmen, bei Boccaccio und Yillani, sagte schon Blanc Gr. S. 482. Als wenn in si puö levare das si nicht vielmehr zu levare gehörte, durch solchen Mis verstand ist dergleichen hervororei'ufcn.* Dass hin- gegen volere potere dovere im Passiv unpersönlich mit einem In- finitiv praesentis activi verbunden vernünftig ist, sieht man leicht. Gol- doni teatro comico 1, 1 questi (comici nuovi) non si dee lasciarli vedere alle prove, es wird nicht gemusst sie sehen lassen.

2. Die Praeposition a.

Wenn irgendwo in der italiänischen Grammatik, so hat man bei Betrachtung der Praepositionen die Freude sich von dem engsten Zu- sammenhange der Sprache mit ihrer Muttersprache und zwar zum Theil mit dem ältesten Latein zu überzeugen. In mit seiner den romanischen Sprachen eigenthümlichen Verwendung gleich als findet man bei Caesar, quae legatis in mandatis dederat, „als Auftrag" und bei Vergil in magno munere, „als ein grosses Geschenk". Dieser Ge- brauch liegt uns Deutschen ganz fern. Wir können wohl leicht* ver- stehen und nachahmen E nel vicario suo Cristo esser catto pg. 20,87; so Schiller in der Jungfrau 1, 3 in dem einzigen Mann sinkt mir ein Heer: in der genannten Person oder Sache liegt ein höheres allgemei- neres. Aber jener den romanischen Sprachen und dem Latein eigene Fall ist gerade umgekehrt: die in Rede stehende Person oder Sache liegt in dem höheren allgemeineren, wird gleichsam als in einer Rubrik im Buche verzeichnet angegeben. Und diese Erinnerung an Buch- führung, denken, unter Begriffe bringen ist hier alltäglich in der Sprache wie bei prender in moglie, metter in non cale. Aehnliches

* Freilich giebt es solche \'erwirrung wie „er wird gekonnt töten" schon im Gotischen, während im Lateinischen bei einem nequitur doch con- primi bei Plautus steht und passives ulcisci bei Sallust. Ebenso bei postestur u. abnl.

192 Zur italiänischen Grammatik.

kann man an con per beobachten ; sie haben sich zugleich der Form nach gar nicht verändert. Die Vergleichung der Provenzalen ist für die Erklärung der alten Ilaliäner werthvoll, führt aber gelegentlich auf Abwege, wie es Nannucci in der von vielen angenommenen Erklärung von col ■=: come il ergangen ist. Pg. 13, 8 par si la via schietta Col livido color della petraia und 29, l45 E questi sette col primaio stuolo Erano abituati. An beiden Stellen darf man das con durch wie übersetzen, es ist aber doch nur mit, nicht come. So hat Vergil cum mehrmals; Aen. 1, 279 quin aspera Juno Consilia in melius referet raecum qu e fovebit Romanos, „gerade wie ich". Die alte Praeposition post pos, oskisch pust, umbrisch pus, altlateinisch postid (postidea) hat sich italiänisch in poi mit Wahrung des alten i erhalten. Man vergleiche das von Festus bewahrte posimerium =r pomoerium. Dass dies Schluss-i wirklich das alte, nicht ein irgendwie später auf- gekommenes sei, beweist die Vergleichung von anti (alt neben avanti davanti und denselben Formen auf e) mit altlateinischem antid (antidea). Beachtung verdient Sard. postis pustis Praep. und Adverb. Man hat hierher auch noch zu stellen forsi statt forse, welches man in Fra Guittones Briefen 30 S. 87 (Rom 1745) und öfter als Reim- wort im Dittamondo findet, mit der Bemerkung in Bembos prose, dass zu seiner Zeit wol vielfach forsi gesagt werde, bei den alten aber nur forse sich finde. Denn dies forsi geht auf altlateinisches forsit (forsitan) zurück. Diez bemerkt RG 1, 186, 223, dass s im Inlaute italiäni- scher Wörter sehr selten ausfällt, etwa vor Consonanten wie in prete, poltro (presbyter, polster), im Auslaute aber falle es leicht ab und er- setze sich gern durch i, wie innoi voipoicrai. Weiter begründet dies Schuchardt Vokalismus 2, 304 : dem schliessenden s dieser Wörter habe sich ein ihm wahlverwandtes i vorgesetzt und sei ersteres dann geschwunden.* Meine Begründung des auslautenden i ist viel

* Sp. pues geht offenbar nur auf pos zurück. In pr. pois und fr. puis kann man wol ein vom s erzeugtes i gelten lassen. (Vortritt des nach- stehenden i wäre zur Not durch it. guari, deutsch wäri, pr. guaire, fr. guere zu belegen.) Jedoch dies auf das Italiilnische anzuwenden ist bedenk- lich. Selbst die Mundarten bringen hier eher Verwirrung, z. B. crai von cras, welches sich mundartlich auf sicilischem Boden erhielt und altober- italisches plui (der an siiilischen Formen reiche Jacopo tla Lentino hat es auch öfter) zu erklaren genügt die Vergleichung von lat. plus mit piü piue, sie. cchiui und cciui. Man kann sardisches tue, tui ■= tu, dae, <lai = da hinzunehmen. Logudorischem nois bois aber ist billig campidanisches nosi bosi entgegen zu setzen, welche nebst campidanischem nosu bosu wol einer

Zur italiänischen Grammatik. 193

leichter, wenn nur so der Ausfall des s nicht Schwierigkeiten machte. Man kann vergleichen lat. nisi ni und ~\'on Corssen Aussprache 1, 281 in lateinischer Declination wahrgenommene Fälle. Auch sind manche Formen der italiänischen unregelmässigen Zeitwörter schwerlich ohne Annahme sogar von ausgefallenem x oder ss zu erklären. Dii (benedii) hatte allerdings zur Vorbereitung den Ausfall von c und ce im Infinitiv und anderen Formen. Aber an eine vollständige Regel- mässigkeit wie bei sentire zu denken verbieten andere Formen, welche das c nie verlieren, wie dicendo. Auch die Namen Cecco, Gheppo, Tommao, Mino bezeugen den Ausfall von s. Zu sei und trei (alt statt tre) sind die bei Martianus Capeila sich findenden Formen sexis und tressis (auch bei Varro 11. und Persius non tressis agaso) zu stellen. Ersteres bedeutet die Zahl sechs* und sechs Asse, letzteres

besonderen Untersuchung bedürfen. Noi voi stehen eigentlich unrichtig statt no, VC, welches beides von alten gesagt wurde, wie man z. B. in den 1871 in Bologna von Ces. Paolino und Enea Piccolomini herausgegebenen lettere volgari de! sec. XIII scritte da Senesi sich überzeugen kann. No ist selten, S. 17 Ne no' potavate trarre, vo desto häufiger, vo' devisaro, vo facio contio u. s. w. Früh wurde diesen Formen ein Plural -i angehängt um Misverstand und Verwechslung zu meiden. Questi, altri, altrui, lui, costui sind richtige ihrer Endung nach ganz alte Dative. Erstere sind mit isti zusammenzustellen, letztere mit lat. und it. cui, lat. hui (ce), oskischem Abellanui, altlat. populoi, Romanoi. Nach diesen gab man den entsprechen- den Femininformen le, coste ebenfalls das Dativ-i, indem man vergass, dass dieselben in dem e (ae) das i schon haben, dass sie sonst lai costai (wie osk. und lat. viai) heissen müssten. Ein zur Unzeit angebrachtes DatIv-i scheint auch in mel tei vorzuliegen, welches alte öfter in Gemeinschaft mit pr. und afr. Schriftstellern haben.

* Eigenmächtig hat Eyssenhardt in seiner Ausgabe des Mart. Capella dieses sexis VII 767 in sex geändert. "Wären tressis und sexis als Zahl- bezeichnungen unhaltbar, was ich zunächst noch nicht glaube, so wäre noch immer ein Zusammenhang zwischen trei sei und tressis sexis drei und sechs Asse denkbar, da diese Ausdrücke, wie man aus Persius schliessen darf, ziemlich gebräuchHch waren. Schuchardt a. O. erkennt in dem i von sei (pr. sp. pg. seis) den Gaumenlaut von sex. Es ist freilich sehr bekannt, wie altit. oft ein Gaumenlaut, besonders g vor i oder e zu (ursprünglich consonantischem) i wird, wie aus precium (pretium, auch si statt ti kann man hierher ziehen) pregio und preio entsteht. Heutige Mundarten haben tausend Beispiele dafür. Altes rei statt re (rey in den lettere del s. XIII scr. da Senesi) ist gewiss nicht anders zu erklären. Rege(m) reie rei, ree re. Aber vergebens suche ich im Ital. Beispiele wie pg. leite und wie seis, da- für, dass ein eigentlich consonantisches i unmittelbar vor einem Consonan- ten aufträte. Ich finde wol faieva faiessero so erklärbar, aber in faite muss man -ite vom lat. -itis ableiten wie in credite volite, vgl. vedire cadire bei den alten. Und so ist es überall. C vor t und s werden im Italiäni- schen nicht weich, bleiben hart und assimiliren sich dem t und s, wie in fatto, trassi. Diezens Vermutung coxa cojsa coscia wird niemand als einen Beweis anführen wollen. Man vgl. Ascolis Zweifel hierzu Arch. gl. 1, 81, 83. Sei aus sessis mag bedenklich erscheinen, aber aus sejs ist mir unmöglich.

Archiv f. n. Sprachen. LIV. 13

194 Zur italiänischen Grammatik.

drei Asse (und ohne Zweifel auch die Zahl drei). Ei „du bist" bei den alten wie Fra Guiltone, Jacopone da Todi, auch noch bei Boiardo, geht zurück auf das von Varro 11. einst bezeugte esis (esum [esis esit esumus esitis esunt]).* Auf esunius esunt schliesst man allgemein nach Varros Worten : in omnibus personis constabat. Dass esis esit esitis hier einzusetzen, beweist Macr. Sat. 1, 4 durch eine Stelle aus den 12 Tafeln: Sei nox furtum factum esit sei im occisit. Factiim esit ist Perfect wie occisit, esit = est. Adessint CJL 1 ist als Futur hiervon zu trennen. Auf es est von esis esit drängt auch die Analogie hin, vgl. fers fert. Sehr weit ist es hiervon nicht ab, wenn Nannucci erklärt: e „du bist" von lat. es; in ei ist jenem e ein i angefügt, die Endung der 2 singularis ind. praesentis. Damit man sich nicht zu sehr über solche altehrwiirdige Reste hier verwundere, braucht man, um nicht auf Corssens Betrachtungen zu kommen, nach welchen manches lateinische gegen itallänisches an Alter und Ursprünglichkeit zurücksteht, sich nur zu erinneren, wie pro de neben pro schon von Diez mit altlateinischem prod zusammengebracht wird. Poi als Praeposition hat übrigens noch Fra Guittone in seinen Canzonen : 7 poi morte 12 poi la morte nach dem Tode; 14 Dice Cristo: chi vuol poi me venire, wer mir nachfolgen will. Jacopone hat ebenso noch pos und po'.

Diese Darlegung der nahen Verwandtschaft zwischen den lateini- schen und italiänischen Praepositionen könnte icli noch weiter fort- setzen, und der Leser würde doch, indem er an italiänisches a und da dächte, die Entfernung im allgemeinen für gross halten. A nach all- gemeinem Zugeständniss und offenbar das lateinische ad hat eine mäch- tige Ausdehnung gewonnen, indem es nicht nur die verlorenen Dative ersetzt, sondern auch noch vielfach eintritt, wo das Lateinische andere Praepositionen anwendete ; und d a ist der Form nach neu und rät- selhaft und steht gar öfter für ad.

Ad oder a ist oft deutsches mit und zwar erstens instrumental. Dass dieser Gebrauch dem mitlelalteilichen Latein eigen sei, bemerkt schon Diez E.G 3 S. 153. Man darf hinzusetzen: auch dem alten, wenigstens dem volksthfiralichen. Petron 75 me solebam a d illum

* Auf esumus esitis esunt scheinen mir auch emo ete enno znriickzu- fiihren. Erstere beide nimmt Nannucci S. 445 nach heutiger tose. Mundart und nach pr. em, etz, afr. emes im Altitali'anischen an; letzteres ist der alten Sprache und heut in Toscana sehr geläufig. Man pflegt dies enno, eno als nach der 3 s. e gebildet zu erklaren.

Zur italiänischen Grammatik. 195

metlri an oder mit dem Leuchter sich messen. Zweitens begleitende Umstände ; egli lavora a fatica, a forza, a qiiesla maniera ist durchaus alt: ad modum, ad similitudinem, ad exemplum, ad arbitrium, bei Plau- tus ad istam faciem. Drittens beschreibend, stava a testa china, pre- gava a mani giunte. Namentlich für diesen Fall fehlt es an lateini- schen Beispielen, sodass man sich schon nach provenzalem ab (apud = mit) umsah. Mit Recht weist Diez solche Hülfe von ausserhalb ab. Es ist unglaublich wie vielfache Verwendung des ad sich durch die Bedeutungen an (instr. woran leiden und sein Gegentheil, über- haupt etwas durchsetzen : ad praemia peccat, ad raptum ferramentum expaverat Petron 83, 94 ; au res callescerunt ad iniurias, Cato bei No- nius S. 89 ed Quicherat Par. 1872), gegenüber (im Vergleich, nihil ad hanc rem, ad hunc hominem Zpt. 296, in Hinsicht) aufklären lässt. Prega a mani giunte, a testa china scheint mir durch eine Attraction = a mani giunto, a testa chino an den Händen gefaltet, am Haupte gebeugt zu erklären. Man vgl. non puö a sua natura esser potente in der commedia und povera a' panni ed a cintura in der 17. Canzone Dantes. Dieses „an", „in Hinsicht auf" geben Lateiner gelegentlich durch ad und durch a; man sehe die Grammatiker, Madvig 253 A. Auch kann man leicht eben dort sich überzeugen, dass für das instru- mentale sehr gern a ab gesetzt wird. Livius ab ira, ab odio, ab insita animi levitate; ab singulari amore, Baibus bei Cic, a vi praestare nihil possum, Cic; calescit ab ipso splrilu, Cic, dolere ab oculis, ab animo, Plautus. Für das wie vgl. manPetr. 75 libruni ab oculo legit wie dnh yläoaiig, ano oto^iarog eineiv, ohne zu stocken, 76 ab acia et acu mihi omnia exposuit, haarklein. Nimmt man hierzu noch das a bei den römischen Lustspieldichtern, welches den Genitiv ersetzt (auch Cicero hat dgl. Zeno et qui ab eo sunt, qni sunt ab ea disciplina, nostri illi a Piatone) und vergleicht es mit Dativen, welche dasselbe thun, und mit it. a in derselben Art verwendet , und denkt vollends daran , wie manches lat. a in adverbialen formelhaften Aus- drücken wie a casu alt und mittelalterlich sich gleich blieb (Benv. von Imola zu pg. 30: Dantes vidit a casu inter alias puellas puellulam), so kommt man darauf zu glauben, dass manches heutige italiänische a noch lateinisches a ist, obgleich es durch die Vermengung von a und ad, in welcher letzteres siegte, nur noch als ad empfunden und zu diesem umgedeutet wird. Man versteht, bei diesem a caso zu bleiben, nicht mehr „vom Zufall her", sondern „an und und beim Zu- fall" und kommt auch aus. ^3*

196 Zur italmnischen Grammatik.

Dass laleinisclies a als solches verstanden wirklich im Italiänischen, wenigslens im alten, noch vorhanden wäre, sprach Nannucci aus. Er erklärt analisi S. 484 abcnto und abentare per modo elittico sie uro, lontano da vento. Delle pecore quando sono in luogo sicuro e riparato dal vento dicono (auf Sicilien): so abeuto; quindi = quiete, calma, pace. Gegen diese sonst nicht üble Etymologie liegt leider eben das eine vor, dass lateinisches a in italiänischen Wörtern neuerer Bildung sonst etwas fehlt. Schon im Lateinischen geprägter Zusammensetzun- gen wie adiuvo abnego astengo avante (-i) giebt es genug; aber sie gehören eben schon dem klassischen , ja schon dem vorklassischen La- tein an und sind so fertig übernommen. Vergleichen könnte man ein- zig avocolare (avocolo) = accecare, Diez Wb. 3. Vielleicht noch avaccio, avannotto a. 0. ? I Provenzales a dios no se defienden, a sus armas defendre nennt Nannucci an. S. 116 einen modo romano. E la preposizione a de' Latini, che poi si tradusse per da. Fra Guittone lett. 13 io non posso o non voglio a (da) femmina astenere (astenermi), Ne non mi voglio a carne astenere, Buono scernendo a (da) male e male a (da) buono. Alle diese drei Stellen sind in der schon öfter angeführten Ausgabe Bottaris S. 35 zu finden. Defendere, muss icli aber erinnern , scheint von diesen Beispielen auszusondern. Denn ich finde allerdings, dass jene alten Italiäner es ebenfalls gern mit a statt mit da verbinden ; da aber gelegentlich statt des a das Pronomen im Dativ sich einstellt, so ist man, glaube ich, genötigt dieses a bei de- fendre nicht = da = lateinischem a zu setzen, sondern vielmehr = lateinischem ad. Die Auffassung des Wortes hat sich eben etwas ge- ändert, es nähert sich dem verbieten. Fra Guittone Rime 2, 69 gravemente Ti si difenderia di folleggiare; S'altro il suo ti difende (vieta, ricusa), or fatti offesa? Inf, 15, 21 II viso abbrucciato non difese La conoscenza sua al mio intelletto. Auch, ad im ma. Latein wird sich finden. Du Gange hat unter aquae defensae: ponuntur in defenso ad capiendum salmones, werden dem Lachsfang gegenüber in Schutz gestellt. Dagegen scheinen mir die Beispiele mit astenere un- angreifbar. Abbracciavacca hat in einem Sonnet an Fra Guittone Come s'amorta cosi gran talento („al generare") Non astenendo li bere ed il mangiare? Wie man diesen Accusativ auch erklärt, „in Bezug auf trinken und essen", oder „wenn man trinken und essen nicht (von sich) fern hält" (Terent. inversa verba, aversas cervicis tuas, gemitus, screatus, tussis, visus abstine und manum abstinere, Liv. liberas urbes

Zur ityliänisehen Grammatik. 197

abst.), eine Verdächtigung gegen jenes a erhält man nicht. Auch nicht, wenn man bei Fra Guittone R 1, 24 den blossen Infinitiv nach diesem Worte findet , astener peccare, wie bei Plautus im Miles abstineas colere und bei Sueton. Will man aber streng gegen lateinisches a im Italiänischen vorgehen, avozu man zunächst allerdings Grund hat, so könnte man an den Dativ bei Livius 1, 1 erinnern. Duobus, Aeneae Antenorique omne ius belli Achivos abstinuisse ; aber dieses „das Kriegsrecht dem Aeneas fern halten", wie etwa defendit aestatem ca- pellis, ist doch etwas anders, so dass die Wahrscheinlichkeit jenes a (da) carne, femmina bleibt. Noch weniger scheint von dem „gutes vom bösen unterscheiden, abtrennen" etwa durch ein ..gegenüber" etwas abzuhandeln. Deshalb ist es wünschenswert zu erfahren, ob dies zufällige, vereinzelte Beispiele sind, vielleicht veranlasst durch Erinnerung an lateinisch geschriebene Ordensregeln, oder ob lateini- sches a jener alten Sprache überhaupt noch angehört, und ich sehe mich nach weiteren Belegen um.

Entfernen allontanare allungiare kann man oft genug bei jenen alten mit a finden ; aber es ist wiederum nicht recht stichhaltig, Aveil man bisweilen auch den Dativ so verwendet sieht. Guittone R 1, 10 lungiando a se peccato e villania, 28 se Deo m'allungi a noia. Fazio D. 5, 29 non lunge all' oceano. Frezzi Q. 3, 7 E vidi il mostro ap- posilo (opp. Hs. D) e distante Alla lupa rapace. Guittone Rl, 46 stogli or piu lontano. Hingegen ist a bei diverso, disparte „abweichend, ge- trennt von" statt da beweisend. Fra Guittone R 1, 19 disparte a tutto reo istä (stä separate da ogni cosa rea). Folgore da S. Gemignano PPS 2, 182 all' opera e diverso il vario eflfetto. Inf. 9, 11 für parole alle prime diverse, pg. 13, 47 ombre con manti AI color della pietra non diversi ; par. 8, 140 discorde a se ist wol nicht durch Vergleichung mit contrario a als Dativ = ad zu erklären. An der Auffassung dieses a nach diverso „abweichend von" ändert die Beobachtung nichts, dass diversus im Mittelalter in den romanischen Sprachen (wie öfter bei Dante) in den Begriff von „garstig", „feindlich" übergehend ein ad zu sich nimmt wie offenbar im Chron. S. Dion. car il estoit divers ä sa gent meismes, s. Du Cange.

Manches a vor einem Infinitiv sieht auch nicht wie ad aus. Guit- tone R 1, 11 ritenendo a far di te pianto, wir halten uns fern davon um dich zu weinen. Lasciare a :=: ablassen von einer Thätigkeit. Eg. Colonna Gov. dei principi 3, 2, 8 (Nann. 2, 347) fanno male e non

i;)8 Zur italiäniscben Grammatik.

lassiino a farc alciuia mala opera. Fazio im Dittamondo hat es oft, 0, 1, 1, 20, die a dire lascio, che qui lasso a ricordar.

Auflallig ist, wie statt „ich verdanke dir" jene alten gern setzen „ich habe von dir" sowie „ich hoffe von dir". Guittone R 1, 14 O qiianto amore, qiianta divozionc, Quanta suggezione e riverenza Deono te e tuoi (a te e al tuoi) d'ogni ragione Tutt' i cristian, com tulti ogni piagenza, A cui assempro, a cui ammonizione Hanno quasi quant' iianno di valenza, von dessen Beispiel und Belehrung sie alles haben. Vgl. 19 Da lui e sol quant' uom dir puö. 2 3 Onor, prode e piacer sol si procaccia A (da) piacer d'essi a cui suol bon piacire. Mazzeo Ricco PPS 1, 226 Ho fernia speranza a vostro amore, vom Dichter selbst nach zwei „denn" so erklärt: Ond' io da voi aspetto la migliore (nämlich sorte). Pannuccio a. 0. 344 Non aggio poso ne d'alcun ben parte A quella per cui sono in si rea parte. Folgore da S. Gemi- gnano 2, 182 E sempre aver acconci gli appetiti, La notte e'I vento piovere al ciel messo, Siate nelle letta ben forniti. Das e'I ist hinter vento zu setzen oder dort noch einmal zu widerholen : wenn bei Nacht Wind und Regen vom Himmel herabkommt. Trarro hat sehr oft a, welches nur durch ad erklärt zu werden braucht, indem man aus und ab hinzudenkt, wie bei trarre il dente (tagliar la tes(a) ad alcuno. Schwerlich aber geht dies pg. 33 che non traggon la voce a' denti, Dittamondo 4, 3 color tralto a zaffiro. An lateinisches a erinnert auch par. 19, 55 Non puö a sua natura esser polente Tanto.

Der Kampf zwischen lateinischem ad und a ab begann im frühen Mittelalter. Du Cange hat ungefähr von 690 a saepe dictas basilicas. Vorbereitet war er schon im frühesten Alterthume durch die Schwäche von auslautendem d und t , wie die lateinische Grammatik und die plautinische Prosodie lehren. Ad, welches so die Veranlassung zu dem Streite gab, gewann trotzdem die Oberhand durch seine weit ver- breitete Macht. A ab konnte man aber doch nicht ganz missen und man griff deshalb zu der oskischen Nebenform von de d a t (skr. dati, s.Zeyss z. f. vgl. Spr. 14), welches dem a in Construction und Bedeutung gleich stand. Die Etymologien de ad und de ab für da stehen einander gleichberechtigt gegenüber, Erslere hat chw. dad, letzteres davanti und altsardisches daba, daue für sich. Für beides aber fehlen latei- nische Belege ; d a ist auch im mittelalterlichen Latein gleich als fer- tiges Wort vorhanden und chw^ dad unterstützt noch mehr als ein de ad die Annahme des oskischen Einflusses. Concrepuit a niilite

Zur italiänischen Grammatik, 199

und dgl. bei den lateinischen Lustspieldichtern erklärt uns vielleicht, Avie da zu der Verwendung für bei zu im Hause kommen konnte, und da bravo „als" ist vielleicht eine weitere Ausbildung von plau- tinischen Wendungen wie a malo faciunt peculium.

Obgleich in dieser Art früh jener Kampf zu Gunsten von ad ent- schieden wm'de, lebte doch die Erinnerung an denselben und Nach- klänge dos alten a a b noch fort in der alten italiänischen Litteratur und Sprache, wie ich durch jene Beispiele dargethan zu haben hofTe. Es ist vielleicht bemerkenswert, dass in jenen Beispielen sich nie die Nebenform ad für lateinisches a findet. Jacopone da Todi, Dante, Petrarca, Villani Boccaccio haben noch ab inizio, ab antico, ab eterno, ab esper to und bis in die neuste Zeit erhalten sich solche Formeln. Sollte dies ab wirklich nur etwas aus den Büchern ent- nommenes, dem damaligen Leben fremdes sein? Die etwas mehr am alten fest haltende sardische Mundart (Grammaticam tamquam simiae homines imitantur v. e. 1, 11) vermochte, als das neue da zu ihr drang, das alte a ab (*aba *ave) so wenig zu vergessen, dass es zu- nächst aus dem alten und neuen das eine daba daue sich bildete, erst später das allgemeine daalsdae dai für sich allein gelten liess.

Einen ähnlichen Kampf als ad und a ab kämpften übrigens super SU und 6 üb, über und unter. Da sub nach italiänischer Laut- lehre ebenso wie ab sein b nicht halten konnte, musste sub schwinden, sich durch eine Verstärkung subtus, sotto ersetzen. Dass aber sub im 12. und 13. Jhdt. im Leben gar nicht mehr vorhanden wäre, dass sub Julio (conionto, iudicare u. ä. bei Cecco d'Ascoli) bei Dante, sub Costantino bei Fazio nur lateinischer Chronikenstiel wäre, scheint doch fraglich, wenn man im Quadriregio desFrezzi 1, 13, 4, 11 liest: Sub brevita questo rispose allora ; Cercando orvo colei da cui fu retto Si in pace il mondo, che sub suo governo Fu l'etä d'oro e'l secol benedetto. Das Wort subbissare scheint so zu erklären, dass man sowol sub als ab noch hatte, und letzteres fälschlich in dem Worte ab i SSO verstand. Wegen des bb kann man subbietto, obbediente ver- gleichen.

3. Gerundium.

Die grosse Ausbreitung der Praepositionen, namentlich di und a ging mit dem Verschwinden der Casusendungen Hand in Hand. AI« aus der Zeit des Reichthumes gerettete Kleinodien betrachtet man

200 Z'ir ilaliünischen Grammatik.

hier noch einige Casusf'ormen der Fürwörter, welche zum Theil mit der Form auch den Inhalt, die Bedeutung des betreffenden Casus ge- wahrt haben. Manche haben nur die Form ohne die Bedeutung ge- rettet; sie gehen jetzt als Nominativ und Accusativ, was sie beides eigentlich nicht sind, und mit Hülfe der Praepositionen stehen sie für jeden Casus, sie sind also casuslos. Andere haben umgekehrt die Bedeu- tung gerettet, scheinen aber der Form nach casuslos. Noch andere stehen auf einer Mittelstufe, zeigen die Form und die richtige Verwendung, da- neben aber werden sie auch den übrigen casuslosen Formen gleichgestellt. So haben wir noch Dativ und Accusativ. Genitive singularis, be- merkte Blanc, sind nur noch in der alten Sprache bei Namen, den Vater zu bezeichnen, im Gebrauch. So lettere del sec. XIII scritte da Senesi S. 65 dei figliuoli ser Jachopi = di ser Jacopo, S. 4 Simo- neto domini Odo da Castelo de Lago, wie S. 19 Nicholö di domino Nichola. Anfänge und Aufschriften von Briefen haben wol um der Feierlichkeit willen in jener Zeit leicht etwas lateinischen Beischraack, so dass man nicht recht weiss, wo hier die Grenze zu ziehen ist, was für Büchersprache und was für lebendig zu halten. In nomine domini amen, Viro e nobile domino domino Rugerio, Nobile prudenti viro do- mino Kugerio, A Jacomo Guidi Chaciachonti e non altrui detur, darf man wol nicht als Belege für Formenreichfhum der altitaliänischen Sprache benutzen,* wenn man auch zugiebt, dass dergleichen in jener Zeit in jenem Volke dem Leben noch etwas näher steht als sonst. So wird man auch zugeben, dass solch ein schattenhaftes Nachleben des Lateinischen etwas dazu beitrug dem Fortschritt der Zersetzung noch etwas zu steuern, noch vorhandene und noch verstandene Formen fest- zuhalten. Manchen Genitiv wenigstens der Form nach in Eigennamen verdanken wir vielleicht jener Erhaltung des Lateins. Sonst ist eben dieser Casus ganz verschollen. Ablativforraen scheinen vollends gänz- lich zu fehlen, denn g euere von genus und ähnliches kann auf einen fälschlichen Accusativ gen crem zurückgehen, da das Bewusstsein für sächliches Geschlecht früh schwand.

Um so mehr erregt die Beobachtung Erstaunen, dass der Ablativ seiner Bedeutung nach ohne besondere von dem Casuslosen unter- schiedliche Form fortlebte. Loco = in loco, ivi erklärte Nannucci mit Vergleichung des spanischen luego für ein Adverb von illuc (illic).

* Etwas anders sieht schon aus der Anfang des 2 2. Briefes von Guit- tone: Desiderio diletto mio tigliuolo, Messer Giovanni Legista.

Zur italilinischen Grammatik. 201

Der Gebrauch steht fest durch die trefflichsten Beispiele a. O. und bei demselben im Manuale 1, S. 152. Ich füge hinzu Guittone R 1, 15 Si che tuo viso veggia e tua voce auda Loco, ove gandio tutto eternal sia. Lateinischen Ablativ loco bei Seite zu lassen (Diez hält ihn) scheint mir deshalb misslich, weil loco eine zur Zeit sehr beliebte Neben- form zu luogo ist; in der commedia zähle ich z. B. nach Blancs Wör- terbuch 35 luogo und 37 loco. Hierzu kommen andere Beispiele von einem fehlenden in oder per, Lettere del sec. XIII S. 4 sono pagati primo mese. Die Hei-ausgeber vergleichen suo loco im Inferno (?) und aus den Statuti Senesi adirato animo. Letzteres scheinen freilich casus absoluti. Aber als ob per zu ergänzen wäre zu colpa erklärt schon Blanc im Wörterbuche pg. 32, 32 und par. 1, 30. Si passeggiando l'alta selva vota Colpa di quella cli'al serpente crese, Temprava i passi un' angelica nota. Si rade volte, Padre, se ne coglie Per trionfare o Cesare o poeta Colpa e vergogna delle umane vogHe . . . Also culpa et verecundiä, scelere. Das zum Adverbium gewordene, heute gebräuchliche ora jetzt ist schwerlich anders als = h o r ä nämlich hac zu erklären. Ebenso ist es mit allen Adverbien, welche mit mente gebildet sind. Aehnlich jenem colpa e vergogna bei Dante findet man auch bei neueren casus absoluti, welche durch Er- gänzung einer Praeposition aufzuklären , sich als Ablative darzustellen scheinen. Ariost Orl. f. 6, 64 Un ch'avea umana forma i piedi e'l ventre. Prom. sposi 3 M'ha confessato che gli era stato proibito, pena la vita, di far questo niatrimonio.

Der eigentliche Wohnsitz, auf welchen sich der lateinische Ablativ zurückgezogen hat, ist nach allgemeiner Uebereinstimraung der Gram- matiker das Gerundium. Hier haben wir in der Form auf o nicht das auf den Accusativ zurückgehende Casuslose zu erkennen, heisst es; sondern nach der Syntax , welche diese Formen ausschliesslich ablativ verwendet zeigt, muss man glauben, dass hier keine Abschleifung aus einer anderen lateinischen Casusforra vorliege. Unzweifelhaft haben wir in dem heutigen Gebrauche diess im grossen und ganzen anzu- erkennen. Das instrumentale tritt zurück; selten wird man wie in Guittones Briefen, wo es von der strafenden Gottheit 9 S. 25 heisst colpando sana, diese Formen auf ando, endo im Deutschen mit durch auflösen, meistens vielmehr mit indem, das gleichzeitige zu bezeichnen. Beides berührt sich auch leicht und es ist ohne weiteres zuzugeben, dass somit vielleicht der wichtigste Gebrauch des Gerundiums erhalten

202 Zur italiiinisehcn Grammatik.

ist, wio in Ilomincs ad deos nulla re propius accedunt quam salutem liominibus dando und in quis talia fando temperet a lacrumis? Bei Lesung der Schnftyteller des ersten Jahilninderts aber, besonders Guit- tone?, überzeugt man sich bald, dass ursprünglich das Italiänisclie sich durchaus nicht auf diesen Ablativ des Werkzeugs und der Gleich- zeitigkeil oder Begleitung beschränkte.

Zunächst ist noch der eigentliche Forttragefall festzustellen, wie man ihn lateinisch besondeis mit der Praeposition a , aber auch ohne dieselbe findet, wie bei Cicero deterruit a scribendo, bei Livius Appius non abstitit continuando magistratu. So Guittone R 1, 2 E gli occhi perche mai finan piangendo? Ablassen vom weinen. Achnlich Cecco d'Ascoli Acerba 1, 8 Muovesi il vento, e foco accende in nero, Tuono fa grande, e non rompendo cessa. Guittone R 1, 24 acerbe pome Misero fugge e non venen giistando, leibliche geringe Schmerzen meidet der Mensch, aber vom das Gift kosten flieht er nicht. 2, 203 Perche li parti in tutto lei amando, damit du ganz davon weg gehest sie zu lieben. Dante Cz. 2 parve veder Cader gli augelli volando per l'are ; heisst das die Vögel fielen von ihrem Fluge oder etwas ungenau indem sie flogen?

Viel stärker an Zahl und Beweiskraft sind die Beispiele , durch welche man das umgekehrte, die Richtung wohin, den Dativ gerundii (statt ad mit Accusativ) belegen kann; also das fortleben solcher Wen- dungen wie solvendo non est, scribendo adfuerunt, X viri legibus scri- bundis. Guittone lettere 3, 17 Che comcche gravo sia il cammino camniinando a vertu, teuere il puö chi vuole, e a beatitudine pervenire. S. 18 Adonque Amico, se buono siete, tempo e da parere meglio- rando, emendando, e dovc grava piü doglia piü confortare. Zuletzt ein Infinitiv, nachdem das Dativverhältnis durch die Gerundien klar genug ist. 10, 29 doeni parte avete ladroni furlando (zum stehlen, nämlich bereit). S. 30 Onde il mondo fuggendo ed essi propj, fatti furo mnnisterj ; potendo sposo con sposa giugnersi in uno loco, e ogni altro lungiando in ogni guisa, vedendo bene Dio, e bene da lui esser veduta, e piacere ad esso e d'esso portare piacere. Daher sind die Klöster gemacht, damit man die Welt und ihr Eigenthum fliehe; damit Braut und Bräutigam sich treffen können , und man alles andere auf alle Art fern halte, damit man Gott richtig sehe und von ihm richtig gesehen werde, ihm zu gefallen und von ihm Gnade zu erhalten. Dass wieder zuletzt in Infinitive übergegangen wird , ist durchaus kein

Zur italiänischen Grammatik. 203

Beweis, dass diese Gerundien den Infinitiven gleich ständen. Un- möglich wäre es dem Schriftsteller gewesen mit blossen Infinitiven anzufangen. Nachdem er durch viele Gerundien den Sinn deutlich gemacht, reichen die Infinitive zuletzt aus. Der Uebergang aber wird durch einen passiven Infinitiv esser veduta gemacht, weil die Gerundien activ sind ; ohne eine solche Veranlassung wäre er vielleicht nicht von den Gerundien abgekommen. 25, 69 E voi che grande siete, amico mio, grandemente molto tenuto siete male fuggendo e seguendo bene, gehalten an, verpflichtet zu. 40, 92 Le suoie piaghe non piaghe piagando sono, ma medicina sanando d'ogni piaga , zeigt ebenfalls den Zweck. Auch die Folge angebend nach einem tanto steht dieser Dativ. Rime 1, 11 O buon Gesü, apri el core Nostro crudel duro tanto, Ritenendo a far di te pianto, Com' aigua in spungia, dolore; das Herz ist so grausam, dass es den Schmerz davon zurück hält um dich zii weinen , ähnlich wie man im Schwamm das Wasser vom fiiessen zurück hält. 17 Non studiar molto bon bon respondendo, sich nicht bemühen gutes mit gutem zu vergelten. Man vergleiche 2, 115 Studianosi a fare me perdire. 1, 23 quanl' e uom maggio, Maggio esser dea bono ben seguendo, ,.a seguitare il bene" erklärt der Her- ausgeber. 24 Non gih dico spegnando („a spegnere") esser leggero Acceso forte in uom d'amore foco. Ma Dio donando intendo, Sa- nando esso („a sanare esso") podere. Dies podcre ist mit jenem puote des Fazio (oben 1) zusammenzustellen, unpersönlich aufzufassen: mit Gottes Hülfe halte ich es für möglich es zu heilen. Donimi Dio curando (zur Heilung) ogni intelletto E ad infermi retto Voler sanando (zur Heilung) e cor forte seguendo (zur Befolgung). Tropp' e laid' uom posare, Dio volendo lavori Fornendo (zur Vollendung, Befriedigung) i suoi misteri (mestieri). 54 Messer Corso Donati Persona, abito e atto Mi sembra in voi ben atto (aptus) Pugnando valoroso in ver (vero) valore. Das Komma vor Pugnando in allen Ausgaben ist wol besser zu tilgen. 58 E parvo ad Attavian sarebbe stato Esfo inondo lassando E servir Deo se dando. Wie nach buono, leggiero, grave haben wir hier nach parvo diesen Dativ , danach , was freilich auch möglich, Infinitiv. Oder ist weiter zu construiren: und sich Gott zu ergeben, um zu dienen? Dando auch Dativ? Es ist wahr- scheinlicher. Jacopo da Lentino PPS I, 255 E non ao cui vi mandc Per messagger [)arlando, um zu sprechen. Pannuccio dcl Bagno a. O. 1, 362 Ed altro in rae poder giä non ritenni che sol servendo, Ver-

204 Zur italiäniscben Grammatik.

mögen zu dienen. S. 386 Son mosso facendo voi alciin verso (voi auch Dativ). Bonaggiunta da Lucca a. 0. 499 aspetto Bocca parlando ; man erklärt parlante, es soll aber heissen : ich warte auf Euren, der Herrin Mund, damit er spreche. Eine Freude ist es hier auch den Dante zu troden mit seinem vortrefFlichen Ausleger Buti. Pg. 28, 10 le fronde tremolando pronte, cioe apparecchiate per la loro tenerezza e flessibilitä a piegarsi et a tremare. Also promptus treraendo oder ad tremendum. Dass ein Gerundium nach mandare , wie man es bei den alten (s. Blanc, Diez) findet, hierher gehöre unterliegt wol nach diesen Beispielen geringem Zweifel. Es ist aber zu erwägen, ob nicht auch im heutigen sto leggendo .(^=r a leggere) ich bin am, beim lesen das Gerundium ein Dativ ist.

In con senza, ersteres auch neu, die beiden anderen nur alt, vor dem Gerundium führen Blanc, Diez und Nanuucci an. Es ist hinzuzufügen, dass von jenen alten ziemlich gern das Gerundium als einen Dativ (ad faciendum) zu bezeichnen a vorgesetzt Avird. Guit- tone R 17 E questo mondo e si ricco e si hello, Che rieche care dolci ed amorose Tante contene cose: A pagando cor d'uom son quasi nente. Qual tanti e tal pagando esser dea esso? Hier haben wir den Dativ mit und ohne a. Um ein Menschenherz zu befriedigen reicht die Schönheit dieser Welt nicht aus ; wer soll er sein , welcher (pagando wie lateinisch solvendo) im Stande ist gute Menschen zu belohnen? 14 Lingue parlanti inique hai fatte mute, E mute parlatrici a buon trattando. 43 fabbricate Ho reti mante e lacci a voi lacciando („ad allacciar voi"). 2, 135 Tu (liberalita) traggi i cor con forzo a ben volendo. Selbst per statt a hat Abbracciavacca in einem Sonnet an Guittone (206). Che alma e corpo e tutto mio sostegno Mi die (Dio) per lui servendo fuor mancare, um ohne Fehl ihm, Gott zu dienen. Die Richtung wohin giebt auch dies Beispiel des Bonaggiunta a. O. 1, 502 Cosi mi traie Amore Lo spirito e lo core, Madonna, in voi araando. Freilich ist das blosse dative Gerundium gebräuchlicher als das mit a verbundene.

Die Grammatiker haben schon bemerkt, dass zu der vom heuti- gen Gebrauche abweichenden Verwendung des Gerundiums bei den alten auch gehört, dass es als nominativer oder überhaupt als reiner Infinitiv steht. Ich glaube dass auch dieser Gebrauch auf die dative Verwendung des Gerundiums zurück geht. Es ist bekannt, wie alle Sprachen eine Neigung haben den Infinitiv in den Dativ zu setzen,

Zur italiänischen Grammatik. 205

auch wo in Wahrheit ein Nominativ oder Accusativ stehen sollte, wie die Engländer ihn ohne to gar nicht kennen , wie man schon esse für einen Dativ erkLärte. Auch dem Italiäner ist dieser Hang eigen. Basta dire und basta a diie sagt man. Hatte man sich einmal ge- wöhnt so statt des Infinitives das mit ihm verwandte Gerundium (in der lat. Grammatik araare amandi u. s. w.) zu setzen , so fand sich hier gelegentlich auch der die Erinnerung an die Dativkraft störende Artikel ein, wie im Corbaccio: non solamente il se mcdisima conce- dendoli le basta va. Guittone R 1, 23 In voi e sol sanando ed ucci- dendo ( are, ere); 31 Che per poco partire Non fa meo cor solo membrando (subi. il rimembrare) d'ella. Lanzalotto Sic. (1240) PPS 1, 164 E dona mi conforto di guarire Vedendo (= il vedere) lo bei guardo.

Ein Gerundium im Genitiv scheint durch die zu grosse Ueber- macht der Praeposition di zu früh geschwunden, als dass es im Ita- liänischen auch nur Spuren desselben geben sollte.

Von den Beispielen, welche angeführt werden, dass den alten das Gerundium auch statt des Participium praesentis diene, wird man sich leicht überzeugen, ist manches vielmehr unter einen der so eben be- sprochenen Fälle zu bringen. Wie Guittone lettere 25 Corona ci e coronando ogni vincente u. s. w., nicht = coronans ; sondern ad coro- nandum, coronando. Zuweilen verführte zu solcher Deutung der Um- stand, dass durch die freie Construction dem Leser zugemutet wird sich das richtige Subiect für das Gerundium aus dem Zusammenhange zu suchen. So bei Petr. 1 S. 27 si coglie Acerbo frutto, che le piaghe altrui, Gustando, affligge piü che non conforta. Gustando, sagt man, sei gleich gekostet werdend oder gustato. Es heisst vielmehr: die herbe Frucht wird gepflückt, welche, wenn, indem (abl.) man sie kostet, die Wunden schlimmer macht statt sie zu heilen. Solche Freiheit der Fügung, sobald der Sinn leicht zu fassen sei, hat sehr in Schutz ge- nommen und sogar sehr gelobt Leopardi op. 3 S. 233.* Mancher Fall freilich bleibt, in welchem das ando, endo Participium ist. Dass wirklich ein solches Particip praes. activi jenen alten eigen

* Auch im Latein liegt diese Freiheit schon vor in Sätzen wie Aen 2, 81 fände aliquod si forte tuas pervenit ad auris Belidae nomen, dadurch dass man redete, andere redeten. Von einem Passiv kann keine Rede sein. Denn so würde die Unbeholfenheit für Lateiner unerträglich; etwa wie nomen dicto audivi = den Namen, nachdem er genannt war, habe ich gehört.

20ß Zur ifaliünisclien Gramnuitik.

war, scheint fest zu stehen. So im ersten Sonnet von Dantes vita nuova : desto corc ardendo Lei paventosa umihnente pascea , mit diesem brennenden Herzen speiste er sie. Leider habe ich kein Bei- spiel eines solchen Participiums auf a, i, e zur Hand, denn nascenda prole im Quadriregio 4, 13 passt wegen seiner Futurbedeutung nicht i'echt hierher. DieThatsache finden wir mit den Forschern in lat-einischer Grammatik und Sprachvergleicliung in Ordnung. Denn dies andus, endus, undus sind wahre Nebenformen zu ans, ens, wie secundus, senescendus bei Varro u. a. zeigt. Aehnlich ist Aen. 1,269, 9, 7 volvendis raensibus, volvenda dies (sich) wälzende Zeit, gerade wie (se) volventia plaustra Ge. 1, 63.* Früh hat sich der Sprachgeist, welcher keinen unge- nützten Ueberfluss wollte, diese Formen für passive Notwendigkeits- participien (Gerundivum) und actives Gerundium ausgesondert. Oder, auf unseren obigen Satz zurückdeutend sagen wir, man erhob in diesen Farticipien die causative Bedeutung (cognoscendus erkennen machend) zur stehenden. So schon Weissenborn etymologisch begründend d = skr. dha. Res coguoscenda die Sache, welche erkennen macht, bewirkt, antreibt, dass man erkennt, ist nahe dem eine Sache, welche erkannt werden nuiss. Und so res mihi cognoscenda est. Und auch mihi cognosceudum est hanc rem, für mich ist vorhanden ein erkennen machen, ein Drang zum erkennen, die Sache.

Auch dieses Gerundivum hatten jene alten vielleicht. Guittone R 1, 43 Angeli castitä hanno for carne; Ma chi l'have con carne, Li tant' e via maggior d' Angel dicendo (dicendus est). 2, 225 Perch' io non son colpevol conoscendo (cognoscendus, putandus sum). Ich sage vielleicht, denn an Beispielen dieser Formen in a, i, e fehlt es mir; und wer steht so dafür, dass nicht auch dieses ein Dativ ist, etwa wie sono a (da) dire, und also auch diese Fälle jene grosse Klasse noch bereichern müssen? Für die blosse Notwendigkeitsform oder das Particip. fut. passivi bedarf es keiner Beispiele, wir haben heut cose stupende u. s, w. Ueber die Formbildung des Gerundiums giebt vortreffliche und genügende Auskunft Nannucci in der analisi dei verbi.

* Gewiss durch Vermitlelung des Gerundiums entstand die bei alten zuweilen vorkoniniende Vertretung des Infinitivs durch ein Participium, wie al niio parvente, vedente, sciente, al niio vlvente, Kann. an. S. 379.

Beurtheilungen und kurze Anzeigen,

A new Conversation-Graniniar of the German language, ndapted to the use of schools and private instruction after the prac- tical and theoretical method of Robertson, by Dr. Augustus Bohz. I— III. Berlin, Gärtner, 1872. 8.

Zu den Lehrbüchern, welche Dr. Boltz seit der Mitte der fünfziger Jahre über die italienische, spanische, französische, englische, russische Sprache nach der Kobertson'schen Methode hat erscheinen hissen, hat sich im vorigen Jahre eine Reihe von Grammatiken der deutschen Sprache in verschiedenen Sprachen, nach derselben Methode, gesollt. In dem ersten Theile der vorliegenden deutschen Grammatik für Englander legt der Ver- fasser die Geschichte von Dornröschen seiner practischen und theoretischen Behandlung der deutschen Sprache zu Grunde; im zweiten und dritten Theile wird L. Tieck's Novelle „Des Lebens Ueberfluss" als Text benutzt. Den 60 Lectionen, aus welchen die drei Theile bestehen, geht eine Introduction, enthaltend die Regeln über die Aussprache, voraus (ai, ch mangelhaft). Jede Leotion besteht aus zwei Theilen, einem practischen und einem theo- retischen. Der practische enthalt: 1. Text; 2. Literal translation; 3. Alter- native translation: 4. linglish translation; 5. Conversation; C. Phraseology. Der theoretische: 1. Lexicology; 2. Grammar; 3. Synta.x. Der Verfasser sagt über diese Zweitheilung jeder Lection am Ende des practischen Theiles der ersten Folgendes: „Hero finishes the merely practical part of our lesson. Together with the „Exercises" (at tlie end of each lesson) it will be quite sufficient for children and the greater number of ladies, in fact for all per- sons generally, whose desire it is to become as quickly as possible acquaint- ed with the practical use of the German language, without entering into all the niceties of etymology and composition. The second ];art of our lesson is chiefly devoted to such studious minds as love to account for every thing they commit to memory."

Die Fassung der grammatischen Regeln lässt in Bezug auf Klarheit oft viel zu wünschen übrig. Nur zwei Beispiele: Hei der Declinütion der Sub- stantive (§ 24) sind nur die Endungen der starken und schwachen Declination angegeben, aber keine Kennzeichen, an welclien der Lernende sehen könnte, nach welcher Declination ein Suhstantivum abzuwandeln sei (cf. Otto's Ger- man Conversation-Grammar). Ein anderes Beispiel von Unklarheit findet sich § 27: „Weil...., konnte er eine nicht einladen. Anotber example of the Inversion 13)." In § 13 jedoch wird von einem ganz anderen Falle der Inversion gesprochen, näinlicli von der Inversion, welche durch eine im Anfange des Satzes stehende Conjnnction veranla.^st wird. Einen studioii.s

208 Beurtlieilungen und kurze Anzeigen.

niind wird also § 27 kaum befriedigen. Eine eingehendere Besprechung des ganzen Buches scheint niclit nöthig. Von den Erfolgen dieser Unter- richtsnietiiode verspricht sich Referent, viel für den Privatunterricht, wofür auch (He nicht unbedeutende Zahl von Auflagen, welche die ähnlichen Bücher des Verfassers erlebt haben, zu sprechen scheint.

A. Lüttge.

VVords frora the Poets, a Selection of English Poetry, by Dr. Emil Pfandheller. Stettin, H. Dannenberg, 1873.

Eine Sammlung wie die vorliegende, die aus dem ganzen Gebiete der poetischen Leistungen einer Nation die Perlen auswählen will , stellt dem Autor verschiedene Aufgaben. Sie ist dem Genüsse gewidmet und fordert daher zunächst, dass der Verfasser selbst zu geniessen verstehe: er muss mit feinem Gefühl für die Schönheit der Idee und der Form begabt sein, um die vollendetsten Früchte, die jedes Feld der Dichtkunst gezeitigt hat, auslesen und mit richtigem Takte zusammenordnen zu können.

Will aber auch eine solche Zusammenstellung in erster Linie dem Ge- nüsse dienen, nicht das Wissen fördern, so darf sie doch niclit mit voller Willkür alles Gute und Beste aufnehmen, wie es sich gerade darbietet: sie muss nach allen Seiten hin Maass zu halten wissen und dadurch den An- sprüchen der Gerechtigkeit und Billigkeit genügen. Wir verlangen von ihr, dass sie uns einführe in alle Gebiete poetischer Darstellung, auf denen Vollkommenes geleistet worden ist; dass sie jeder einzelnen Gattung die Rücksicht angedeihen lasse, welche dieselbe nach ihrer thatsächlichen Bedeutung für das poetische Leben der resp. Nation und nach dem Grade der Vollkommenheit, die sie erlangt hat, beanspruchen kann: kurz wir wün- schen, dass eine solche Sammlung uns den eigenartigen dichterischen Puls- schlag des Volkes fühlen lasse. Beschränkt sich endlich der Verfasser auf einen gewissen Zeitraum die „Words" umfassen die dichterische Pro- duction von Shakspeare bis auf unsere Tage , indem er dabei die histori.'^c';e Folge seiner Anordnung zu Grunde legt, so wird er sich der Nöthigung nicht entziehen können, auch jedem einzelnen der namhaften Dichter dieser Periode nach Kräften gerecht zu werden.

Betrachten wir die Pfundheller'sche Sammlung von diesen Gesichts- punkten aus, so dürfen wir ihr unbedenklich unter ähnlichen Zusammenstel- lungen, soweit sie uns bekannt sind , mit den ersten Platz einräumen. Der Verfasser hat unter der grossen Menge des Guten , das die englische Muse erzeugt hat, mit Geschick und Geschmack das objektiv Beste auszulesen versfanden. Er hat von dem weiten Felde der Lyrik die schönsten Blüthen gepflückt und mit freigebiger Hand hingestreut. Er hat nicht vergessen, dass die erzählende Dichtung im Volkston, die Ballade für die englische Poesie eine hervorragende Bedeutung hat; dass diese Gattung sich von jeher besonderer Volksthümlichkeit und sorgfältiger Pflege erfreut und sich schon früh zu hoher Vollendung ausgebildet hat. Auch hat er das con- templativ-rhetorische Element in seiner Bedeutung für die englische Poesie wohl gewürdigt und berücksichtigt. Wir billigen es daher durchaus, dass ältere Volkslieder und Balladen (King John and the Abbot of Canterbury, the Two Corbies; My Mind to Me a Kingdom is, etc.) Aufnahme gefunden haben; dass die schönsten Monologe Shakspeare'scher Dramen unter die Blüthen englischer Nationaldichtung eingereiht sind.

Weniger befriedigt es uns , dass eine der englischen Muse eigenihüm- liche und von ihr zu vollendeter Schönheit ausgebildete Gattung fast ganz unbeachtet geblieben ist. Wir meinen das versificirte „Essay", das sich am leichtesten mit Paul Heyse's „Novellen in Versen" vergleicht, von denen

Beurtheilungen und kurze Anzeigen. 209

es sich jedoch durch das Hinzutreten eines religiösen, oder eines moralisch- ethischen, oder endlich eines didaktisch-philosophirenden Grundzuges unter- scheidet. Abgesehen von einem ganz kurzen Abschnitte aus Montgomery's „The Westindit^s" und einigen wenigen ^■ersen aus William Cowper's „The Task" ist kein Repräsentant des „Essay" aufzufinden. Wir hätten die theil- ■\ve\se Aufnahme eines Essay von Pope, oder eines Abschnittes aus „Eloisa to Abelard" vielleicht des letzten Theiles, beginnend mit: No, fly me, tly me, far as pole from pole wohl erwarten dürfen. Auch hätte Cowper, dessen Bedeutung zum grossen Theile seinen Essays zuzuschreiben ist, nach dieser Seite hin besser bedacht werden sollen.

Wir haben schon erkennen lassen, dass die Bedeutung Alexander Pope's, der nur durch eine einzige kurze Oie vertreten ist, uns nicht hinreichend gewürdigt zu sein scheint. Auch mancher andere Dichter hätte grössere Berücksichtigung verdient, ^'on John Milton hat nur das „Sonnet on his own Blindness" Aufnahme gefunden; die Namen Oliver Goldsmith, Thomas Gray, Mark Akenside, John Keats, Elizabeth Browning und andere vermissen wir in der Sammlung gänzlich.

Auf einzelne LJngenauigkeilen braucht wohl nur hingedeutet zu werden, um sie in einer folgenden Auflage abgestellt zu finden. Auf pag. 18 und 20 findet sich je ein Druckfehler. Bei Cowper's „On the ßeceipt of my Mother's Picture" fehlt die Angabe, dass das Gedicht nicht vollständig wie- dergegeben ist. Hier wollen wir auch erwähnen, dass nach unsrem Da- fürhalten WorJsworth's „Portrait", pag. 78, in der Sammlung leicht ent- behrlich sein dürfte.

Die Anlage und Ausstattung des Buches lässt erkennen, dass es nicht für einen beschränkteren Leserkreis oder für eine einzelne Altersstufe be- stimmt ist. Die durchweg vollendet schönen Dichtungen, welche in dem- selben zusammengetrasien sind, werden der Jugend wie dem gereifteren Alter, der Damenwelt wie den männlichen Freunden der englischen Muse zu jeder Zeit reichlichen Genuss gewähren. Der Verfasser, ein Schulmann, hat also offenbar zunächst nicht Bedürfnisse der Schule im Auge gehabt; vielleicht sind ihm die Zwecke des Unterrichts bei seiner Arbeit überhaupt fremd ge- wesen. Wir können uns aber des Wunsches nicht enthalten, dass eine so musterhafte Auswahl auch für die Schule Verwerthung finden möchte. In manchen höheren Lehranstalten sind Chrestomathien, die zugleich dichterische Produktionen und prosaische Abschnitte enthalten, nicht eingeführt. Der Lektion werden Separatausgaben zu Grunde gelegt, zum Lesen und Erlernen von Gedichten fehlt jedes Hülfsmittel. Bedenkt man, welche Lnzuträglich- keiten mit dem Diktiren zu lernender Lieder verbunden sind, welcher Zeit- verlust dabei unvermeidlich ist, wie in Folge dessen das Memoriren von Gedichten gar leicht vernachlässigt wird, so kann man die Einführung einer Sammlung, wie die Pfundheller'sche es ist, nicht dringend genug empfehlen. Dieselbe führt in der Gestalt, in der sie uns jetzt vorliegt (und hoffentlich gilt dies noch mehr von der nächsten Auflage), die meisten literarisch be- deutenden Namen auf die Mehrzahl der auf irgend welchem Gebiete der Prosa renommirten Schriftsteller Englands sind ja zugleich als Dichter be- kannt. Wie leicht müsste sich daher bei Ermangelung einer gemischten Chrestomathie der literarhistorische Unterricht an ein solches Buch an- schliessen lassen ! Wir möchten dem V^erfasser die Bearbeitung einer kur- zen, den Zwecken der Schule entsprechenden Ue.bersicht über die Geschichte der englischen Literatur empfehlen, die sich den für Schüler bestimmten Exemplaren leicht anbinden oder auch getrennt beigeben Hesse. Dass der Unterricht in der Literaturgeschichte erst fruchtbar ist, wenn er durch Bei- spiele erläutert und belebt wird; dass ferner eine feste Grundlage für den- selben, in den Händen der Schüler befindlich, Zeitersparnisse ermöglicht und übersichtliche Repetitionen recht nutzbar machen kann, wird Niemand bezweifeln.

Aiclüv f. n. .Si)raclieu. LIV. ^"1

210 rjcurtlicilungen und kurze Anzeigen.

Wir (liirfon die rrinKllicIlor'sclie Saninilung allen Freunden der eng- lischen Muse iuifs licsti! enij)i'ehlen als ein Hucli, das man in jeder Musse- stunde stets von neuem gern zur Hand nehmen wird.

Stettin, Dr. K. Böddeker.

Shakespeare Lcxicon. A C()m|)letc Dicilonary of all the Eng- lish Worde, Plira^ses and Constructions in the Works of the Poet, by Dr. Alexander Schmidt. Volume I A L. 1874. Berlin, Georg Reimer. London, Williams & Norgate.

Kein besserer Beweis hätte für den Fortschritt gegeben werden können, den das Studium Shakespeares in Deutschland seit 1852 gemacht, als er hier geliefert worden. Ich nenne niimlich das Jahr, in welchem das immer- hin sehr verdienstliche „Shakspere-Lexicon" von Delius erschien. Viel ist in der Zwischenzeit über den grossen Dichter bei uns erschienen : massen- haft hat sich die Shakespeareliteratur seitdem angehäuft; wie vieles davon aber wird der Vergessenheit anheimfallen, wie wenig als wirklich brauchbar und das Verständniss des Dichters fördernd sich erhalten! Unter letzterem wird das vorliegende Werk unbedingt die hervorragendste Stelle einnehmen ; denn die erste Bedingung zum Verständniss eines Scliriftstellers oder Dicli- ters ist natürlich die Feststellung des Sinnes des von ihm gebrauchten W'ort- schatzes kurz das Verständniss seiner Sprache, und man muss staunen, dass in dem sonst so philologisch geschulten Deutschland gerade nach dieser Richtung hin, mit Ausnahme eben der Delius'schen Lefstung, so wenig ge- schehen ist. Uebersetzungen, das weiss jeder Sachkundige, können hierbei kaum in Betracht kommen; sie haben nur die Geltung der P>inzelansicht, während ein Wörterbuch die Gesammtansicht der Fachmänner vertritt.

Dass ein von einem Manne, wie Alexander Schmidt verfasstes Lexicon auf der Höhe der Shakespeare- Wissenschaft des Tages steht, dafür bürgt sein Name, der einen so guten Klang unter den Shakespeareforschern Deutsch- lands hat, dessen erste Leistung scl)on auf diesem Gebiete ihn als einen Mann zeigte, der den richtigen Weg betritt, um das Verständniss des Dich- ters zu fördern. Ich rede natürlich von seinen bereits 1842 erschienenen „Sacherklärende Anmerkungen zu Shakespeare's Dramen". Schon darin trat er in die Fusstapfen der englischen Erklärer, ohne jedoch von ihnen abhängig zu sein ; die Ergebnisse seiner eigenen Forschungen bietend, folgte er nur ihrem Beispiel, nach Art der klassischen Philologen den Dichter vor- erst sachlich zu erklären und überliess es anderen, mehr auf der Oberlläche sich bewegenden, über ihn zu ästhetisiren.

Mit dieser neuen Leistung, welche, ausserdem dass sie von deutscher Gründlichkeit ein glänzendes Zeugniss ablegt, noch den Vorzug besitzt, in englischer Sprache, und zwar in ganz correkter und eleganter, sachgemässer und conciser Sprache geschrieben zu sein, hat sich denn aucii der Verfasser bereits die volle und ungetheilte Anerkennung der englischen Kritik erwor- ben, während, sonderbarer Weise, die deutsche in mehreren, massgebenden Fällen wenigstens, ihrem Lobe leisen Tadel einmischen zu müssen glaubte. Von vielen Beurtheilungen der Leistungen Andrer heisst es nun einmal in der Sprache unseres Shakespeare selbst: „I am nothing, if not criticcil." Freilich legt er das einem Jago in den Mund. Sieh, lieber Leser, wie be- wandert ich in meinem Shakespeare bin! Oder glaubst Du etwa, ich hätte in meinem Büchmann nachgeschlagen, um das „geflügelte Wort" zu finden? In meiner, der zweiten Auflage, steht es nicht. Und bei „geflügelten Worten" ist es so leicht, sich einer Verwechselung schuldig zu machen, wenn man auch nicht gerade, wie jene Dame in der bekannten Anecdote, „Fest ge-

Beurtheilungen und kurze Anzeigen. 211

mauert in der Erde" Goethe zuzuschreiben braucht. Nun, dann werde ich wohl in Mrs. Cowden Clarkes Shakespeare - Concordanz nachgeschlagen haben? Besitze ich leider nicht, weil sie mir zu kostspielig ist. Doch wozu hinterm Berge halten? Die Sache ist einfach genug. Ich schlug bei Schmidt das Wort „critical" nach und siehe da! mir war geholfen. Ich fand da die ganze mir vorher bekannte Stelle nebst Angabe des Dramas, des Actes und der Zeile nach der Globe-Ausgabe, sov/ie die andere aus Midsummer Night's Dream, wo sich das Wort ebenfalls befindet. Es dient dieses Lexicon mit- hin, zum grossen Theil wenigstens, auch als Concordanz, doch freilich nur in zweiter oder dritter Linie. Uebrigens sei es der Gerechtigkeit wegen hier eingeschaltet, dass auch schon bei Delius auf die Stelle hingewiesen ist, ohne jedoch dem Wortlaute nach angeführt zu sein. Um nun aber den Inhalt und die Grundsätze, nach welchen der Verfasser verfahren, näher anzugeben. Es enthält das Lexicon also den gesammten Sprach- und Wort- schatz Shakespeares, wobei natürlich die Gedichte mit inbegrifien sind. Von den Dramen sind nur die 36 der beiden ersten Folios nebst Periclcs berück- sichtigt worden, die apokryphischen Stücke so wie die Bühnenanweisungen hingegen unberücksichtigt geblieben. Was die Textkritik anlangt, so hat Schmidt zwar die Varianten der Quartos und Folios verzeichnet, nicht aber die Emendationen anderer Kritiker, was den Umfang des schon so volumi- nösen Werkes allzusehr vermehrt haben würde. So leid es mir daher einer- seits persönlich thut, dass meiner in Moltke's Shakespeare - Museum vorge- schlagenen Eniendation „bathed" für „balked" in H 4 A I. 1. 69 hier nicht die Ehre der Aufnahme zu theil geworden, so freut es mich doch andererseits, dass das auch bei Delius sie!) findende, gewiss verwerfliche „baked" hier ebenfalls sich nicht vorfindet. „In Bezug auf Orthographie sind", wie Schmidt in der Vorrede, die, sonderbarer Weise, deutsch ist, uns sagt, „Gründe und Beispiel der Cambridger Herausgeber für die AVahl des heuti- gen Usus entscheidend gewesen." „Die Wortbedeutungen sind nicht nach ihrem historischen Werth gruppirt, sondern als gegeben und fertig unter die ihrem innern Wesen natürlichsten Gesichtspunkte gebracht. Bei den Erläute- rungen sind im Wesentlichen nur sprachliche Gesichtspunkte bestimmend ge- wesen. Sachhches hat nur, insofern es ihm diente, Aufnahme gefunden."

Als Probe der Art und Weise der Behandlung des Stoffes sei beispiels- weise Bäte angeführt.

Bale, vb., (cf. abate) 1. trans., a) tobeat down, toweaken: (hese griefs and losses have d me. Merch. III, 3, 32. those —d that inherit bitt the fall of the last monarchy, AU's II, 1, 13.

b) to weaken, diminish: with d breath, Merch. I, 3, 125. hid the main flood b. his itsual heiyht, IV, 1, 72. u. s. w.

c) to deduct, to remit, to except: (folgen Citate) Absolutely: 0 lel me b. Cymb. III, 2, 56.

2. intr., a) to fall off: (Citate) .. . u'hen it cippears, it irlllb. H 5. III, 7. 122 (quibble).

b) to flap the wings, to flutter (a term in falconry"): (Cit.) In diesem Art. ist eine Variante der O. Edd. „baited" (II 4 A, IV 1, 99) und abermals das obige „quibble" (H 5 III, 7, 122) angeführt.

Delius verweist bei diesem Verb auf „abate" und hat dabei folgende Erklärungen :

„v. a. abbrechen, schwächen, verringern, abziehn, abnehmen; bei Seite setzen L. L. 5. 2, abate throw at novum , v. n. abnehmen, schwach werden."

Ob es eine neuere Auflage von Delius giebt und ob diese erschöpfendere Erklärungen der Wörter enthält, ist mir nicht bekannt. Die mir vorliegende ist die erste. Dieses eine Beispiel wird genügen, den unermesslichen Vor- zug dieses neuern Lexicons gegen das ältere darzuthun. Schmidt weiss aber auch da, wo die Bedeutung eines Wortes unsicher ist, sich mit dem Bekennt- niss der Wahrheit zu bescheiden. So sagt er bei „Bait, vb.": of uncertain

14*

212 Beurtheilungen und kurze Auzeigen.

signilication: ye arc lazy Inaves, and here ye lie ing of hmhardx, wJien ye shoiild ih Service, H 8 V, 4, 85 (= to hroach?)" Die 4 scheint hier wohl l)ruckfehler lÜr 3 zu sein, falls nicht die mir augenblicklich nicht zugäng- liche (Jlohc Edition eine andere als die gewöhnliclic (selbst Dyce'sche) Scenen- ftintheilung habe. Delius übersetzt bait „hetzen, ködern", was auf die oben angefuiirte Slelle natürlich gar nicht anwendbar ist. Die idtere Schlcgel- Tieck-Uebers. der Stelle lautet: „Ihr klappert mit dem Kiug, ihr faulen Schelme, Ob auch der Dienst darum still steht." Woher der Ausdruck „klappern" entnonnnen, ist mir nicht erfindlich. Das von Schmidt vorgeschla- gene „hroach" scheint mir das haltbarste zu sein, da man in der heutigen Sprache sagt: „to broach a cask" „ein Fass anstechen".

Wie erschöpfend der Verfasser übrigens zu \Verke gegangen, ist bei- spielsweise aus der Behandlung des Wortes a noch deutlicher ersichtlich, als aus dem Vorangegangenen. Es nimmt dieses Wort nicht minder denn 5 seiner eng und klein gedruckten Spalten ein ; so dass das Lexicon zugleich zu einer Shakespeare-Grammatik wird, obgleich Schmidt in seiner Beschei- denheit in der Vorrede sagt, es habe ursprünglich im Plane gelegen, eine möglichst umfassende Sh. -Grammatik zu liefern; doch das inzwischen er- schienene treffliche Werk des Mr. Abbott, verbunden mit den reichhaltigen Abhandlungen in Sidney Walker's Critical Examination of the Text of Sh., habe die Aufgabe auf eine leichte und spärliche Aehrenlese beschränkt.

Um aber auch etwas zu tadeln, sei es hier gerügt, dass ich doch einen Druckfehler in den 5 Spalten entdeckt habe, „suppor - ted" statt „support- ed" nämlich. Man denke!

Ich habe mich jedoch vergeblich nauh anderen Druckfehlern, wenigstens hier und da, umgesehen, was in einem Bande von 678 grossen und engge- druckten Octavseiten viel sagen will. Es sei nur noch bemerkt, dass die Schrift bei alledem sehr deutlich und leicht leserlich ist und durchaus kein solches Augenpulver bildet, wie Mrs. Cowden Clarke's Concordanz, der ich indessen mit dieser Bemerkung keineswegs zu nahe treten möchte, da auch dieses Werk seine grossen Verdienste hat und auch neben Schmidt noi h immer unentbehrlich i.4.

Ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, dass gewiss alle Shakespeare- forscher mit mir sich freuen würden, wenn der zweite Band recht bald er- schiene, da man nun, gewohnt sich bei Schmidts Rath zu erholen, seinen Beistand sehr vermisst, wenn es ein Wort über den Buchstaben L hinaus be- trifft. Ich, für meinen Theil, wünsche ihm die nöthige Kraft und Ausdauer zur Vollendung seines verdienstvollen, den deutschen Shakesgeareforschern zur höchsten Ehre gereichenden Werkes.

Leipzig. Dr. David Asher.

Collezione di scrittori italianl. Arriccliita con annotazioni e spie- gata per l'uso degli studiosi delhi llngua italiana da Carlo di ßeinhardstoettner. Sammlung ital. Schriftsteller mit An- merkungen versehen und für Sludirende der ital. Sprache erl. V. C. V. R. Lpz. Ernst Fleischer 1869-1871, 1.— 4, Bdchn. 8.

Das Unternehmen Carl von Reinhardstöttners durch eine Zusammen- stellung herrlicher Beispiele von Grösse italienischer Dichtung und Prosa dem Anfänger einen Vorschmack, eine Vorbildung und neue Lust zu erregen ist gewiss lobenswert. Auch mit der getroffenen Auswahl (1 und 2 enthalten Dantes inferno, 3 die Merope des Maff'ei, 4 le mie prigioni von Silvio Pel-

Beurtheilungen und kurze Anzeigen. 213

lico bis zum äO. Capitel) kann man sich durchaus einverstanden erklären. Etwas mehr Sorgfalt als bisher wäre in Zukunft auf die Reinheit der Texte und mehr auf die wenigen Erklärungen unter dem Texte zu verwenden. Die geringe Zahl und die Kürze derselben kann dem Unternehmen bei vielen Lesern nur zur Empfehlung gereichen, zumal ja das Italienische den meisten, welche es betreiben, mehr eine Unterhaltung als eine ernste Aufgabe ist. So mag selbst den Dante mit 8 bis 10 Zeilen kurzen Bemerkungen auf einer Octavseite einem Anfänger in die Hand zu geben nicht übel sein. Wenn aber dadurch eine wirkliche Ermutigung mit der Möglichkeit eines späteren tieferen Eindringens erreicht werden soll, so müssen diese 8 bis 10 Zeilen Kraftvolles bieten, nicht das erste beste, was dem Herausgeber in den Sinn kommt. Es heisst zu Oberflächlichkeit anhalten, wenn man schreibt pinse''' entsenden (1, S. 41), und so sind viele der Anmerkungen abgefasst. Seltener ist so etwas wie (ebendort) fenno^o = fanno (nein, dasselbe als fecero). 2, S. 81 \'ivo son io ; e caro essei ti pucte^ = posso. Die Worte bedeuten: ich lebe noch und das, nämlich dass ich noch lebe, kann dir noch lieb sein oder werden; dieses ,kann' sollte erste Person sein? Meint der Herausgeber, die Worte könnten heissen: ich kann dir u.'S. w? 2, S. 25 del ponte avean coverchio-- Stütze. Nein, Deckel, Dach (=r coperchio). Der- gleichen, man weiss manchmal nicht, ob Irrthum oder Eilfertigkeit, ist wie gesagt seltener als jene andere Art von Beispielen, aber nicht selten in den beiden ersten Bändchen. Das dritte und vierte kommen ofienbar besser weg. Berlin. H. Buchholtz.

P r o g r a m m e n s c h a u.

Die Gesetze der Tragödie, nachgewiesen an Shakespeares INIac- bcth. Von J. Jekeli. Programm des Gjmn. zu Mediasch

1874. 48 S. 4.

Der Verf. hat für seine Abhandlung die Shakespearebücher von Ger- vinus und Rünielin, dann die ästhetischen Schriften von Schletrel und Vischer, 1 esonders aber Freytags Technik des Dramas benutzt. Nach einer Ein- leitung über das Wesen der Tragödie, nach Vischers Aesthetik, sucht er nun nachzuweisen, dass die von Freytag aufgestellten Gesetze für die dra- matische Handlung im Macbeth erfüllt sind, zuerst in Bezug auf den Gehalt der Handlung, dass sie wahrscheinlich sein und Wichtigkeit und Grösse haben müssen, in Bezug auf die Form, dass sie eine geschlossene Einhe't bilden, dass sie alles für das Versfandniss Wichtige in starker Bewegung iler Charaktere, in fortlaufender Steigerung der Wirkungen darstellen müsse. Dann wird, wieder nach Freytag, der Bau des Dramas betrachtet und zwar nach den Unterabtheilungen: Spiel und Gegenspiel, die fünf Theile und drei Stellen des Dramas, die Eintheilung des Dramas in Akte undScenen. Hieran schliesst sich die Betrachtung der Charaktere, und endlich wird Vers und Farbe des Dramas besprochen. Das alles ist sehr ausführlich und gründlich behandelt, im ganzen zu ausführlich und öfters zu weit ausholend, auch mit störenden Ausschweifungen in Gebiete, die doch nicht zur Musterung ge- hörten. Einzelne Auffassungen des Verf. sind anfechtbar, aber die Selbst- ständigkeit des Urtheils, auch Gervinus, sogar Freytag gegenüber ist aner- kennenswerth. Die Abhandlung ist die erste schriftstellerische Leistung des Verf., es ist eine Lehramts-Prüfungsarbeit nach aufgegebenem Thema, sie nöthigt uns Achtung ab vor dem was in der evangelischen Landeskirche Siebenbürgens von Lehramtscandidaten gefordert wird. Es i>t zu bedauern, dass der Verf. nicht Gelegenheit gehabt hat, die andere reiche Macbethlite- ratur zu benutzen; wir machen besonders aufmerksam aufTh. Kocks schönen Aufsatz im Schweizerischen Museum von 1864.

Ueber den Einfluss des dreissigjährigen Krieges auf die deutsche Sprache und Literatur, dargestellt auf Grundlage der staat- liclien und gesellschaftlichen Zustände jener Zeit. II, Theil.

Programmenschau, 215

Progr. des deutschen Obergyran. der Kleinseite zu Prag 1873. 40 S. 4. Von Joh. Walter.

Der erste Tbeil dieser Abhandlung ist im Archiv angezeigt, und was von jenem gesagt war, gilt auch von dem vorliegenden; der Fleiss in der Z'isammentnigung des Stoßes ist ebenso anerkennenswerth, wie die patrio- tische Gesinnung des ^'erfassers ; dass im Czechenlande ein so wackerer deutscher Sinn lebt, ist freilich allgemein bekannt, aber jede neue Bethä- tigung desselben gegenüb'.'r dem oft frivolen und rohen Gebahren des Czechenthums muss den Freund echter Cultur wohl anmutlien. In diesem Theile seiner Abhandlung gibt der Verf. zuerst ein Bild der entsetzlich verhunzten Sprache zur Zeit des dreissigjiihrigen Krieges, und hebt dann das Verdienst der fruchtbringenden Gesellschaft hervor, welches trotz aller Lächerlichkeiten derselben nicht abgeleugnet werden kann. Der Palmorden bot eben einen Sammelplatz für die Freunde reiner deutscher Sprache dar, er unterstützte die Einzelnen, die ohne ihn nicht leicht Anerkennung gefun- den hätten. Der Verf. zeigt sodann, wie es nothwendig war, die vornehmen Stände, die allein etwas galten, für die deutsche Dichtung zu gewinnen, deren Geschmack zu berücksichtigen, für sie eine Regel der Dichtkunst aufzustellen. Er hebt die Verdienste Opitzens hervor, aber er verurtheilt aufs strengste seinen Charakter, er bricht last noch entschiedener als Gervinus und HofTmann von Fallersleben über ihn den Stab, er findet für diese Unwahrheit des Charakters auch nicht einmal in den jämmerlichen Zeitverhältnissen eine Entschuldigung. Und er hat Recht. Schliesslich wird auch von den Nach- folgern Opitzens wenig Gutes gesagt.

C. F. Drollinger. Von Prof. Dr. Theodor Löhlein. Programm des Gymn. zu Karlsruhe 1873.

Dem Verf. standen zu seinem Versuche über Drollinger die Akten des Grossh. General-Landesarchivs ausser den Druckwerken zu Gebote, so dass wir in dieser Schrift alles erhalten, was sich über D. beibringen lässt. Der Verf. geht auf die Stellung D.'s in seiner Zeit ausführlicher ein, auf sein Verhältniss zu seinen Vorgängern. Dies übergehend heben wir Folgendes besonders hervor: D. wurde 1688 26. Decbr. zu Durlach geboren^ kam aber schon nach zwei Jahren nach Badenweiler. Er hat sieben Jahre.lang in Basel studirt, fleissig, in allen Wissenschaften beinahe sich umgesehen. Sein Hauptstudium blieb die Jurisprudenz; ihr gehört seine erste Schrift. Dann ist er als Archivar in Basel besonders thätig gewesen, wo die badischen Fürsten seit dem Orleans'schen Krieg öfters Zuflucht fanden, und er hat in dem fürstlichen Archiv Unglaubliches und Bewundernswerthes geleistet; seine Kenntnisse in den altgermanischen Sprachen, in Geschichte und Kechts- wifäsenschalt waren bedeutend; er ist der eigentliche Begründer der badischen Geschichte, er war ein Orakel in Alterthümern. Als Erholung diente ihm das Studium der Natur und die Pflege der Dichtkunst. In der Poesie zieht er los gegen den Reimzwang und des Ale.xandriners Fesseln. Seine Gedichte feiern Religion. Kunst, Natur, Vaterland. Ein Gedicht handelt vom Lobe der Gottheit, ein anderes von der Unsterblichkeit der Seele, ein drittes über die Melodie, eines über die Musik u. a. Er feiert das Fürstenhaus in Baden, wie auch einzelne Vorkommnisse des Lebens; diese Gedichte bewegen sich in der Mittelsphäre des begrifflichen Lebens. Wir haben von ihm auch

216 Programmenscliau.

Ueberst'tzungen classiijchcr Schriften alter und neuer Zeit. Sein Interesse an Veredlung (hr Mutterspraclie hat er nie verleugnet, er sclireibt edel, eorrect, durchsichtig; erfreulich ist seine Kunst zu beschreiben.

Ueber das Vaterländische in Klopstocks Oden. Vom (jyra- nasiallehrer Prediger G. Liebusch. Programm des Gymn. zu Quedlinburg 1874.

In begeisterter Sprache feiert der Verf. den heimathlichen Dichter. Er hebt hervor Klopstocks Preis des deutschen Landes, welcher sofort zu einem Preislied des allmächtigen Gottes wird. Dann zeigt sich der Dichter als echten vaterlandischen Dichter in der richtigen Schätzung körperlicher Kraft und Tüchtigkeit, besonders aber der sittlichen Züge des reichen deutschen Geistes; schon bei Klopstock linden wir jene innige Verknüpfung von Tapfer- keit uml Gottvertrauen, von welcher die Dichter der Freiheitskriege singen. Kein Dichter bat so unseie Spraclie in Liedern gefeiert Avie Klopstock; sie ist ihm die reichste aller Zungen, und er selbst hat ihr "N^'ohllaut und rliyth- misches Leben und hohen Adel gegeben. ^^ ie er auf die Selb>tändigkeit der deutschen Sprache dringt, so auch auf die unserer Literatur. Friedrich der Grosse bleibt ihm fern, aber er singt voll Daidi von Friedrich von Dänemark. Um sein Volk für die Einheit zu begeistern, hebt er die grosse Vergangenheit hervor. Joseph IL schien seinen patriotischen Wünschen Erfüllung zu bringen; auch ihn preist er. Dann wurde seine Begeisterung mehr /u einer kosmopolitischen, er preist die Anfönge der Revolution, aber bald sieht er sich genöthigt seinen L'rthum zu bekennen, er fängt an die Franken zu verachten. Er hat den Kampf mit der Revolution innerlich durchgemacht, er hat sich hindurchgerungen zu der grossen Wahrheit, dass nur die moralische Wieiiergeburt Rettung bringen kann. Für diese ganze Entwicklung bringt der Verf. reiche Belege und Klopstocks Oden bei. Er bemerkt am Scbluss, dass sich 1873 in Quedlinburpr ein Verein gebildet hat, um den noch vorhandenen schriftlichen Nachlass Klopstocks in Urschriften oder in zuverlässigen Abschriften, alle Gesammt- und Einzelausgaben seiner Werke, alles was über ihn erschienen ist, in einer Sammlung zu vereinigen, welche in Quedlinburg aufgestellt und den Forschern zur Benutzung offen gehalten werden soll. Die Samudung soll besonders zur Herstellung einer zuverlässigen Ausgabe der Werke Klopstocks dienen. Diesem löblichen Vorhaben ist die allseitigste Beachtung zu wünschen.

Einführung in Lessings Hamburger Dramaturgie. 1. Theil. Von Dr. Thümen. Progr. des Gymn. zu Stralsund 1873. 15 S. 4.

Um die Lektüre der Hamburger Dramaturgie in der ersten Klasse einer höheren Lehranstalt erspriesslich zu machen, hält der Verf. nothwendig eine Besprechung der Dichtungsarten im Allgemeinen vorauszuschicken. Dazu hält er es für angemessen einen kurzen Auszug aus Vischers Aesthetik und aus Kleinpauls Poetik zu geben. So wurden zuerst einige kurze Sätze über das Wesen der Dichtkunst aufgestellt, dann die Theile der Poesie angegeben, hierauf die einzelnen Unterarten der lyrischen, epischen, dramatischen Poesie, von der Tragödie aber eine Uebersetzung der betreffenden Abschnitte der

Prograinmcnschau. 217

Aristotelischen Poetik angehängt. Es ist nicht leicht einzusehen, was, von Anderm abgesehen, diese Definitionen, die in jeder landläufigen Poetik zu finden sind, von Ode, Hymne, ileroide, Epigramm, Idyll, Roman, Novelle U.S.W., für die Einsicht in Lessings Hamburgische Dramaturgie nützen sollen.

Johann Georg Hamann. Ein Lebensbild von Prof. Dr. L. Francke. Progr. des Gymn. zu Torgau 1873.

Der Verf. hat in dem wissenschaftlichen Vereine zu Torgau einen Vor- trag über H, gehalten, der hier gedruckt vorliegt. Er hat die namentlich in neuester Zeit gewachsene Literatur über den Gegenstand vollständig be- nutzt, und beansprucht nun das Verdienst, mit dazu beizutragen, dass die Be- kanntschaft mit Hamann in weiteren Kreisen verbreitet werde. Die Darstellung ist klar, übersichtlich, die Persönlichkeit des Schriftstellers nicht bloss nach seinen äusseren Lebensverhältnissen uns deutlich vorgeführt, auch in sein inneres Leben fuhrt der Verf. den Leser so tief ein, als es bei einer so kn.ippen Zusammenfassung und bei der eigenartigen nicht leicht verständ- lichen Natur Hamanns möglich ist. Die Biographie verdient alle Beachtung; es ist ja wahr, dass anfangs die Schreibart Hamanns nicht anzieht, im Gegentheil abstösst, aber der Mann, zu dem die grössten Zeitgenossen mit Achtung und Vereiunrng hinsehen, verdient doch wohl ein genaueres Stu- dium, und als passende Einleitung bietet sich diese Schulschrift dar.

Joh. Heinr, Voss und seine Bedeutung in der deutschen Lite- ratur. Von Dr. Iber, Progr, des Carolinums zu Osna- brück 1873,

Die Schrift hebt in verständiger Weise Vossens Verdienste hervor. An den lyrischen Gedichten ist die Bereicherung unserer Silbenmasse theils durch Nachahmung der Alten, theils durch eigene Erfindung des Dichters anzuerkennen, so gering sonst auch ihr poetischer Werth ist; er hat durch Hinweisung auf die Alten manchen Dichter zum Bruche mit den Original- genies veranlasst und ist den Bestrebungen der Komantiker um südliche Formen, wo sie masslos wurden, mit Erfolg entgegengetreten. Seine Idyllen wurden als Spiegel des heimatlichen Lebens mit Freude begrüsst, obschon er auch hier in den Fehler verflillt, die Natur nicht zu idealisiren. Seine Luise ist in der Anlage verfehlt, ihr Hauptverdienst ist, Göthe zu Hermann und Dorothea angeregt zu haben. Der 70. Geburtstag entspricht am besten den richtigen Anforderungen an eine Idylle. Andere Idyllen haben das Ver- dienst, die niederdeutsche Sprache wieder in die Literatur eingeführt zu haben. Vor allem hat sein Homer seinen Ruhm begründet. Ebenso bleiben seine Verdienste um die deutsche Prosodie und Entwicklung der deutschen Sprache stets bestehen.

Parallele Charaktere und Zustände in Euripides Elektra und Göthe's natürlicher Tochter. \"on Andr, Neunieyer. Pro- gramm des Gyran. zu Amberg 1873.

Unsere Jugend, sagt mit Recht der Verf , muss mit dem Geiste unserer grossen Nationaldiohter vertraut werden. In dieselbe muss sie die Schule

2 1 8 Programmenschau.

finfiihren, sie nmss in der Schule lesen lernen. Sie niuss aber auch pro- duktiv werden, und zu den instruktivsten Arbeiten gehören wohlgeordnete Churukteristiken, getreue Darstellungen paralleler Situationen u. s. w. Eine Anleitung soll vorliegende Arbeit liefern.

Es sind 'ähnlich die beiden Heldinnen Elektra und Eugenie; ähnlich ist ihre Abstanunun^, ähnlich ihr Schicksal, ihre Entfremdung von der Mutter, ihre Bestimmung zur Entsagung, zu niederer Vermahlung, ihre Hofi'nung auf die Zukunft; ähnlich der Charakter, ein tieffühlendes, mit unendlicher Liebe an den Vätern hangendes Herz, eine ernste innerliche Stimmung, ein rein jungfräulicher Sinn, weibliches Zartgefühl, edler Stolz auf die Abstammung, ihre weibliche Neigung zu Putz. Die Aehnlichkeit der Gedichte tritt auch hervor in den Volkszuständen ; wir finden eine politisch und sittlich aus- gehöhlte Monarchie, dagegen in den niederen Schichten des Volkes Recht- schaflcnheit. In beiden Stücken, sagt der Verf., ist das Streben der Dichter wahrnehmbar, das bürgerliche Element, den Mittelstand, zu verherrlichen.

Aber, mag man doch einwerfen, betrachten wir die Idee der beiden Dramen, wo bleibt da die Parallele? AVas wird aus des Sophokles Elektra gemacht? Fast ein Familienstück. Es ist unzweifelhaft, dass, wenn wir in ähnlicher Weise Gedichte in Parallele setzen wollen, wir auch da Gelegen- heit finden werden, wo sie der einfache Verstand nicht vermuthet. Für den Schulzweck lassen sich natürlichere und ergiebigere Parallelen genug finden. Es hat doch auch sicherlich sein grosses Bedenken schon, den Schüler auf Götbes natürliche Tocher hinzuweisen. Ref. würde dem fragenden Schüler geradezu von der Lektüre abrathen.

Zur Geschichte der niederdeutschen Mundarten. Von W. Gebert. Programm des Gymnasiums zu Kreuznach 1873. 38 S. 4.

Die ausführliche Abhandlung ist grossentheils eine Uebersicht der neue- ren Forschungen über die Geschichte der deutschen Sprache von Grimm, MüUenhoff", Scherer, Heyne u. A. Nach einer längeren Einleitung über die Gesetze der Lautverschiebung u. s. w. gibt der \'erf. die Gränzen des Alt- sächsischen an und eharakterisirt die Spracheigenthümlichkeiten des letzteren, namentlich auch die Unterschiede des streng Altsächsischen, wie es im Heliand erscheint, von dem Niederrheinischen, wie dies in kleineren Literaturdenk- mälern hervortritt.

Zur Etymologie nordrheinfränkischer ProvinciäHsmen. Von Dr. M. Fuss. Programm der liheinischen Ivitterakademie zu Bedburg. 18 S. 4.

Die Bezeichntmg desNordrheintränkischen ist gewählt nach der gründlichen Abhandlung Vahlenbergs im Kölner Programm von 1871, es ist gemeint die Mundart des Jülicher Landes. Die vorliegende Abhandlung bringt nun eine Menge eigenthüralicher Wörter besonders aus der Gegend von Düren un»! versucht dieselben etymologisch zu erklären. Sie sind zum grossen Theil sehr auffallend, die gegebene Etymologie macht daher nicht Anspruch auf Unumstösslichkeit. Es zeigt sich an ihnen, wie gross doch schon der Ab- stand dieser Mundart von dem Niederdeutschen ist. Es finden sich wenige Wörter, die in dem benachbarten Westfälischen üblich sind. Auf einige möge hier hingewiesen werden. Fisimatentsche^ Flausen kömmt westf. vor

Programmenschau. 21!)

als Fisematenten, Geelgösch = Goldammer als Gclgösken; quätsehe = krän- keln, resp. quatsch, adj., = umständlich, breitspurig, verworren, ein quät- scher Kerl, quätsches Zeug; schlabbere = ausgiessen, allgemein üblich; stronze = prahlen, westf. auch Subst. strunz = V^agabund.

Zur Vergleichung der Iliade und des Nibelungenliedes. Von Mil. Task. Programm des evang. Gymnasiums zu Kron- stadt 1873. 36 8. 8.

Das Programm spricht erst über Vülkspoesie, über epische Poesie im Allgemeinen, erzahlt dann ausführlich Inhalt der Iliade und des Nibelungen- liedes, und vergleicht darauf die Grundmotive der Handlungen in beiden Ge- dichten, die Aehniichkeiten und Unähnlichkeiten in dem geschichtlichen, mythischen und ethischen Gehalt, endlich Sprache, Stil und Versmass. Der Verfasser hat verschiedene Werke, die er anführt, benutzt, aber nichts neues geboten; die Abhandlung konnte füglich ungedruckt bleiben.

Die Fundamentalsätze der Sittenlehre in Shakespeare'schen Stücken, vom Oberl. Dr. Theodor Keller, Programm der Realschule I. O. Trier 1873. 18 S. 4. Der Verf. hat sich die Aufgabe gestellt, die in Shakespeares Dramen zer- streuten goldenen Sitten- und Weisheitssprüche zu sammeln und namentlich der Jugend als Angebinde zu verehren; sie sollen ein zuverlässiger Führer in dem Labyrinthe des Lebens sein, da Shakespeare wie kein anderer es verstanden hat, mit sicherm Schritt alle Sphären des Lebens zu durchstrei- fen. Aehnliche Blumenlesen aus classischen Dichtern und Schriftstellern haben wir viele, sie haben sicherlich ihren Werth ; am meisten lässt sich bei ihnen um passende Disposition streiten. Die Ordnung, welche der Verf. befolgt, kann von manchem angegriffen werden; eine streng logisch geglie- derte Ethik pflegt einen andern Plan zu verfolgen. Doch hat auch der Ver- fasser verstanden, die Gedanken leicht zu verbinden und es liest sich das Giinze bequem. Vollständig übrigens ist die Auswahl nicht; der Verf. hat ja auch nur Fundamentalsätze geben wollen. Einzelne scheint er absichtlich mit vielen Beweisstellen haben erhärten zu wollen; und er hat wohl gethan. So den Satz, dass alle die sich schwer versündigen, welche die Schwäche und Haltlosigkeit der grossen Masse zu selbstsüchtigen Zwecken ausbeuten, (He Achtung vor dem Gesetze in ihrem Busen erschüttern und mit freveln- der Hand eine unentbehrliche Stütze der sittlichen Weltordnung zerbrechen, durch den Spruch aus K. Heinrich VlII. : „Man soll das ^'olk nicht vom Gesetz losreisscn und an die Willkür fesseln," und durch die Worte aus dem Kaufmann von Venedig: „Ein böses Herz, die heil'ge Schrift cilirend, ist wie ein Schurke u. s. w." Vor zwanzig Jahren erschien mit einer Vorrede von Wilh. Wackernagel: Buch der Sinnsprüche, eine Concordanz poetischer Sinnsprüche des Morgen- und Abemllandes. Von W. K. Hier ist eine alpha- betische Reihenfolge beobachtet, ein nicht übler Gedanke; das Buch ent- hält sehr viel, es zeugt von Fleiss, aber der Sammler hat auch sehr unbe- deutende Dichter berücksichtigt und Kor\phäen vernachlässigt; das ausser- ordentliche Lob, welches Wackernagcl dem Buche zollt, verdient es nicht, wie Ref. nach langjähriger Benutzung beliaupten darf. Es verdiente aber wohl eine neue Bearbeitung, und der Verf. vorliegenden Progiamms wäre der Mann dazu, möge er seine Sammlungen auch noch über Shakespeare hinaus ausdehnen.

220 Programmenschau.

Simon Dach. Von P. Salkowsky. Programm des Gymnasiums zu Mcmel 1873. 20 S. 4.

Die vorliegende Abhandlung, aus Dachs Geburtsorte hervorgegangen, stellt mit grossem Fleisse alles zusammen, was in älterer und neuerer Zeit über den Dichter erschienen ist; nur das Dresdener Programm von 1862 von Friedrich hat Ref. nicht angeführt gefunden. Der Verf. erzählt zuerst das Leben Dachs und charakterisirt dann die Poesie des Königsberger Dich- terkrt-ises, in welchem Dach die erste Stufe einnahm. Er bespricht hierauf die religiösen Gedichte, die fast ausnahmslos Sterbegedicbte sind und die ernste Lebensansicht des Dichters am stärksten abspiegeln, die didaktischen, die (jedichte der Freundschaft und Liebe, wobei er die unbegründete Erzählung, dass Anke von Tharau. zu deren Vermählung mit dem Pfarrer Portatius Dachs schönstes weltliches Lied gedichtet ist, des Dichters eigene, ihm spä- ter untreu gewordene Geliebte gewesen sei, als jeder thatsächlichen Grund- lage entbehrend nachweist, die werthlosen Schäferlieder, die thellweise schö- nen Naturlieder, endlich die, wie alle gleichzeitigen dieser Art, geschmack- losen sogenannten heroischen Gedichte, für die Festlichkeiten hoher Häuser, besonders des grossen Kurfürsten bestimmt. Vv'eit entfernt von der Ver- götterung, die Dach in seiner Zeit und besonders in seiner Heimath fand, liebt doch mit Recht der Verf. hervor, dass er ganz wesentlich dass Bewusst- sein nationaler Zusammengehörigkeit mit dem übrigen Deutschland in seinen Landsleuten durch seine Dichtung gestärkt hat.

Die Verkehrssprache in Sophiens Reise von Memel nach Sach- sen. Von Prof. Dr. Cholevius. Programm des Kneiphö- fischen Gymnasiums zu Königsberg 1873. 27 S. 4.

Der Verf. hat sich ein interessantes Thema gewählt und es mit grösstem Fleiss und Geschick behandelt. Hermes' Roman ist ein realistischer Roman, so realistisch, dass die Personen die landesübliche Sprache getreu widerzu- geben suchen. Der Roman bietet also ein Stück preussischer Diction, ist also ein anziehender Beitrag zur Geschichte der Sprache und der Sitte. Hermes sagt öfters ausdrücklich, dass er preussisch reden wolle. Diese preussischen Provinciahsmen herauszufinden, meint Herr Gh., sei ganz nur dem Fremden möglieb, nicht dem Einheimischen. Das ist richtig; der Leser erkennt manchen Provincialismus nicht als solchen ; aber auch mag er diese und jene Sprachweise für provinciell ansehen, die es nicht ist. Die Wörterz. B. Sorgestuhl, Morgenrock, die Redensarten: Was wird es grosses sein? was denken Sie von mir? das ist niedlich, lass gut sein, merkst du was? du weisst viel davon! nein, so was lebt nicht mehr, sind nicht blos in Ostpreussen, sondern in der westlichsten Provinz Deutschlands, in der Heimath des Ref., gang und gäbe. Die Zusammenstellungen nun aus dem Roman, die Herr Ch. gibt, sind höchst interessant. Er erwähnt im Vorübergehen einige Wörter, die selbst im Grimm'schen Wörterbuche feh- len, bringt dann aber das Zusammengehörige unter gewisse Gesichtspunkte, wodurch der besondere Sprachgebrauch des Schriftstellers mehr hervortritt. Die erste Rubrik bilden die Formeln mit dem Worte Gott. So Gott! ach Gott! o Gott! als feierlicher Anruf im Gebet, Ausdruck tiefen Schmerzes, des Schreckens, in der Umgangssprache den Affekt schwach färbend. Ferner die Formel: Mein Gott; Ausdruck inniger Freude, des Schmerzes, in der verwunderten Frage. Weiter: der liebe Gott; Ausdruck des Bedauerns. Sodann: Um Gottes willen, Verstärkung einer Aufforderung; Gott weiss, das

Programmenschau. 221

weiss Gott; Gott helfe Ihnen: Gott befohlen; Gott gebe! Wills Gott; Gott bewahre, als Aus'lruck einer tadelnden A'erwunderung, Gott behüte, als ver- stärkte Negation : Gott erbarm' es. Dazu kommen die Umschreibungen des Namens Gottes, z. B. Himmel, als Ausdruck des Erschreckens; liebe Zeit, als Füllwort : bei meiner Treu u. s. w. Alle diese und andere Redensarten sind mit zahlreichen Citaten aus dem Roman belegt. Die zweite Rubrik bilden die Formeln mit dem Namen des Teufels'und seiner Genossen. Dahin gehört der Gebrauch, statt des Wortes Teufel nur den ersten Buchstaben zu schreiben, völlige Unterdrückung des Namens, die Namen Satan, Sadrach, Henker, Gelten, der 'i'auserd, der Knkuk, der Deiker und dafür der Deut- scher, Poz Stern u. a. Die dritte Klasse sind die Ausdrücke der Schmeichel- reden, die Deminutive der Vornamen, die Kosenamen: Kind, Püppchen, Engel, Herz, Seele, die Beiwörter lieb und traut, Herr Gevatter, Täubchen, Lammchen, Würmchen, Mäuseben, Aeflchen, Kätzciien; die kleine Krabbe als Scheltwort (dies AVort allgemein übhch). Die Deminutive haben ott den Sinn wirklicher Herabsetzung, so lieisst eine baufällige Hütte ein elendes Kabuschen (als „Kabache" im westlichen Deutschland vorkommend) u. a., oder sie mildern den Tadel, oder sie werden von lieben Personen und an- genehmen Dingen gebrauclit. Der Autor liebt auch Ausdrücke, die schon eine Kleinigkeit bezeichnen: ein Spierchen, Krümchen, Härchen, Stückchen, Bissclien. Von den Scheit- und Spottnamen werden einige vorzugsweise für Männer gebraucht: der dumme Hans, Dummkopf, Diikkopf, Grützkopf, Maulalle, blinder Hesse, Pinsel, Stümper, arme Schlucker, Sünder, armer Kauz, Sauertopf; dazu kommen die Spottnamen der Frömmler: Pietist, Kopf- hänger, Betbruder, ]\Iuck, Salbader; die Spottnamen unreifer Jünglinge: Milchbart, Gelbschnabel, Laße, Naseweis; für Ungezogenheit : Balg, Bengel, Lümmel, Rakel, Ochs; für Leichtsinn: llivse, Schmetterling, Grashüpfer, Narr, Geck, Windmacher. Windsack, Eisenfresser, Bramarbas, Poltron, Krip- penreuter; tür Trägheit: Faulenzer, Schlingel, Schlinkschlank, Landstreicher, Lahtsch, Taugenichts; schlimmere Scheltnamen sind: Gaudieb, Bube, Schelm, Schalk, Bösewicht, Schurke, Kater, Affe, Hund, Racker, Zeterjunge, Schwere- nöther. Bei den Scheit- und Spottnamen der Frauen erwähnt der YevL auch die Composita Frauensmensch utid Weibsmensch; hierbei erinnert Ref. an eine im Plattdeutschen, wenigstens im westf., übliche Sprachweise: der Bauer nennt seine Frau mein Frauensmensche, die Bäuerin ihren Mann mein Mannsmensche; ob sich diese Bezeichnung auch noch anderwärts findet? Der Verf. schliesst mit einigen collectiveu Scheltnamen, theilt aber die Ru- briken mit, zu deren Ausfüllung er noch das Material besitzt. Möge er mit der Fortsetzung nicht zu lange warten lassen!

Isaac Iselin. Vom Oberl. Dr. Edm. Meyer. Programm der Königl. Eealschule zu Berlin. 35 S. 4.

Die Abhandlung behandelt nur die erste Hälfte der Thätigkeit Iselins; über sein Hauptwerk ist noch nichts gesagt. Hofl'entlich folgt der Schluss bald nach. Denn wenn es dem Verf. auch nicht gelungen ist, in den Besitz aller Schriften Iselins zu kommen, so hat er .doch bei weitem mehr als irgend einer seiner A'orgänger sich mit Iselin bekannt gemacht, und die Gründlichkeit, mit der er gearbeitet hat, legt den Wunsch nahe, dass von der Schweiz und specicll von Basel aus zur völligen Erschöpfung jeder Auf- gabe ihm alles Material zufliessc, dessen er bisher nicht habhaft werden konnte. Ein Ueberblick über die Untersuchungen des Verf. gibt keine An- schauung von dem reichen Inhalt des Progranmis; es mögen folgende Be-

'_>22 Programraenschau.

niorkiingon penüfreii. Der Verf. fülirt zuerst die Quellen einer Biograpliie Iselins und die Bearbeitungen an; übergangen ist hierbei die freilich kurz •■•ehaltene Nachricht bei Mörikofer, die schweizerische Literatur des 18. Jahrh. S. 311. fg. Kann mit seinem Hauptwerke über die Geschichte der Mensch- lieit Isolin als Vorläufer Herders bezeichnet werden, so haben seine früheren Schriften entschieden einen practischen Zweck; und hier hebt der Verf. rich- tig luM'vor, dass Iselin nicht unter dem Gesichtspunkt des Politikers, wie llettner thut, zu betrachten ist, nicht eigentlich als Kosmopolitiker ange- sehen werden darf, sondern dass man in. ihm überall den Älenschcnfreund sehen muss. Führt dieser Pliilanthropirtismus auch zuletzt zum Kosmopoli- tisnius, so hat doch Iselin in seinen Schriften vor allem die ihm zunächst liegenden praktischen Interessen im Auge; die Staatsverfassungsfragen liegen ihm ferne. Einen menscheniVeundlichen Zweck hat auch die helvetische Gesellschaft, deren eigentlicher Stifter er war. Als Geburtstag Iselins ist der 17. März 1728 festzuhalten, nicht der 7. März, wie A. sagen. Die Jugendgeschichte Iselins behandelt der Verf. ausführlich. Für Literaturge- schichte und die politische Geschichte der Schweiz enthält das Programm werthvolle Daten.

Urtheile Goethes über Dichter und Dichtkunst. Programm der Studienanstalt bei 8t, Stephan zu Augsburg. Von P. F. Steigenberger. 1873. 64 S. 8.

Das Programm ist als Leetüre für gereiftere Schüler bestimmt. Es be- schränkt sich darauf, aus einem Werke, welches Schülern nicht leicht in die Hände lallt oder welches sie wenigstens nicht ganz durchlesen, aus Eckermanns Gesprächen mit Goethe, über deren hohen Werth die Kenner einig sind, Goethes Urtheile über Dichter und Dichtkunst zusammenzustellen. Das sieht sich als eine sehr leichte Arbeit an. aber die richtige Auswahl und die übersichtliche Anordnung ist doch nicht jedermanns Sache. Darin aber besteht das \ erJienst des Verfassers, der nicht blos für Schüler, sondern auch für erwachsene Leser eine dankenswerthe Arbeit geliefert hat. Indem man nun die Gedanken des Dichters übersichtlich vor sich hat, erkennt man recht, welch ein Schatz iu jenen Denkwürdigkeiten niedergelegt ist. Die Ueberschriften der Abschnitte sind folgende: Erinnerung an Goethe Wahl des Stoli'es Poetischer Instinkt Der Dichter und seine Zeit Persön- lichkeit des Dichters Der Stil Französische und deutsche Schriftstel- ler — Die Quellen eines Gedichts Originalität Die drei Einheiten Die jungen Poeten Die Poesie ein Gemeingut der Menschheit Poeti- scher Glaube und historische Kritik Poesie und Geschichte Politik und Poesie Subjektive und objektive Dichtung Poetischer Stoff Der Titel eines Gedichts Die Idee Komposition Nützliche und schäd- liche Poesie Der jugendliche und der greise Dichter Die Homerfrage Die Lazaretpoesie Klassische und romantische Poesie Wahrheit und Dichtung Wirkung dramatischer Studien Echte Theaterstücke Fiesco und die Räuber Wallensteins l^ager Teil Mitma von Barn- helm — Sophokles Euripides Der Verfall des griechischen Theaters Goethes Iphigenie als Theaterstück Klopstock und Herder Lessing und Voltaire ~ Möllere Viktor Hugo Byron und Platen Walter Scott Shakespeare.

Programmenschan. 223

Naive, ideale und reale Poesie. Vom Oberlehrer Emil Schu- mann. Programm des Gymnasiums zu Spandau 1873.

Der ^'erf. will keine theoretische Abhandhing über die Begriffe des Naiven u. s. w. liefern, sondern drei Gedichte mit einander vergleichen, die er als Repräsentanten dieser Gattungen ansieht. Zuerst nennt er Goethes Fischer; er widerlegt ausführlich die Ansicht, dass das Gedicht einen Men- schen schildere, der mit Selbstmordgedanken am Wasser sitze, noch nicht ganz fest entschlossen, ob er sich bineinstürzen und in ihm die Ruhe suchen soll, aber doch bald seinen Entschluss ausführend. Ref. war bisher nicht bekannt, dass eine solche Ansicht aufgestellt sei; mit ihm werden aber wohl viele die Beachtung einer so verrückten Auffassung für überflüssig halten. Aber auch die schliesslich vorgebraclite Ansicht des Verf., dass dies das We- sentliche im Fischer sei, dass der Jüngling schmerzlos plötzlich durch gött- liche Einwirkung allen Leiden des Lebtns entzogen werde, ist irrig; sie widerspricht ja der vom Verf. selbst angeführten Deutung des Dichters selbst. Indem der Verf. also den Fischer als einen von den Kämpfen des Lebens bedrohten und befreiten Menschen sich vorstellt, ist es ihm möglich, mit dem Gedicht zwei andere zu vergleichen, nämlich Goethes Sänger und Frei- ligraths Requiescat. Beide Dichtungen, sagt er, behandeln denselben Kampf, uämlich zwischen der wahren Ehre und Selbständigkeit einei'seits und den von der Welt an den Menschen gestellten F'orderungen andererseits. Ans der natürlichen Welt des Fischers heraus würden wir hier in die sittliche versetzt : Goethes J^ösnng des Conflivts sei eine ideale, Freiligraths eine reale. Der Verf. handelt darüber ausführlich und lässt über Poesie und Leben sich des weiteren aus. Aber die ganze Interpretation und Parallele erregt doch Kopfschütteln, und man ist zu dem Urtheil geneigt: So lässt sich alles mögliche .luf einander beziehen. Der Verf. bemerkt, dass seine Abhandlung für seine Schüler zunächst bestimmt sei d. h. für Tertianer; über deren Standpunkt ist zu weit hinausgegangen.

Ueber Goethes Vögel. Beitrao; zur Geschichte der komischen Literatur. Von Prof. Dr. H. Köpert. Programm des Gymna- siums zu Altenburg 1873. 40 S. 8.

Die Beurtheilung, welche der Verf. dem Goethe'schcn Gedicht zu Theil werden lässt, ist eine gerechte. Dass es an poetischem Gehfdt dem Aristo- phanes nachstehe, ist zuzugeben. Der Dichter wollte nur ein Gelegenheits- stück, zu Oesers Dekantationen dem Auftrage gemäss eine amüsante Beigabe liefern; dazu passte ihm der von Aristophanes dargebotene Stoff", denn eben die griechische Komödie bewegt sich in freier Luft. Nur wurde aus des Aristophanes humoristischem Phantasiestück eine beschränkte satirische Alle- gorie. Der Ilauptunterschied aber zwischen dem Original und der Nachah- mung besteht d.irin, dass jenes eine politisch sociale Komödie, diese eine die literarischen Zustände der Zeit geisselnde Satire ist. Denn dass sie dies ist, muss man mit dem Verf. festhalten; Schriftsteller, Kiitiker und Publi- kum werden gleichmässig gegeisselt. Es ist zu bedauern, dass Goethe das Gedicht nicht vollendet hat, es war ja aber nur für einen bestimmten Zweck gedichtet und späterhin hatte es für den Dichter daher kein Interesse mehr. Was der Verf. über den Inhalt der Aristophani:^chen l\^omödie sagt, kann hier übergangen werden, da es nicht hierher gehört. Ueber die Geschichte des Goethe'schcn Lustspieles hätte sich noch mehr aus den Briefen an Frau V. Stein, an Knebel u. s. w. beibringen lassen.

224 Programmenschau.

Lieber Schiller's Wallenstein. Vom Oberlehrer Friedrich Schind- helm. Programm der Realschule zu Coburg 1873.

Dor Verfasser ist mit dem AVallenstein sehr unzufrieden. Er meint zwar am Sclduss, AYallenstein mache immer noch ein volh-s Haus, er übe niimlifh (Uirch die ergreifenden Scenen, die den biihnengewandten Meister ver- r.'itlien, durch die (Crosse der Gesinnung, durch die herrliche, mit den 8;itzen der ^Veish('it reichlich durchzogene Sprache einen überwältigenden Eindruck. Aber welch eine grosse Anzahl dramatischer AVerke gibt es, die Eindruck, einen grossen Eindruck machen auf das grosse Publikum, heute wie sonst: haben doch seiner Zeit Kotzebues Dramen mehr das Theater gefüllt als (joethes. Dieser Eindruck, auch die schöne Sprache, die schönen Sentenzen berechtigen nooh nicht, ein Drama für ein werthvolles Kunstwerk unserer Literatur zu erklären. Wenn alles wahr ist, was der Verf. an Wallenstein tadelt, dann sind wir nicht mehr berechtigt, auf Schillers Wallenstein stolz zu sein. Gegründet sind dem \^erfasser die Ausstellungen, die man an der Herzogin, an Thekla, an Max, an Oktavio, an Buttler, an Gordon gemacht hat; was bleibt da schon viel Gutes übrig, wenn alle diese Charaktere ver- zeichnet sind? Aber ohne auf die genannten Personen einzugehen, begnügt sich der Verfixsser, den Zoilus gegen Wallenstein sel!)st zu spielen. Der Held des Gedichts, so sagt er, entspricht unsern Erwartungen durchaus nicht, folglich ist das Drama in dieser Beziehung als ein verfehltes zu be- zeichnen. Der Satz klingt paradox, das ßäthsel ist aber schnell gelöst; der Verf. musste sagen statt unsere Erwartungen meine Erwartungen, die ganze Argumentation ist nämlich folgende: Die gemeinen Soldaten, wie sie im Lager vorgeführt werden, hegen sammt und sonders eine abergläubische Verehrung vor dem Feldherrn, sie sind sammt und sonders bereit, ihm bei- zustehen; weil sie sich nicht wollen trennen lassen, weil sie nicht nach den Niederlanden marschiren wollen, so werden sie zu jedem gefährlichen Unter- nehmen, folglich auch zum Abfall vom Kaiser bereit sein. Welch eine Menge der irrigsten Vorstellungen und Folgerungen I Weiter: Von Wallenstein und seinem Zorn ist für den Hof das Schlimmste zu befürchten; er bat schon einmal schnöden Undank erfahren, er ist von brennendem Ehrgeiz erfüllt, er hat sich mit den besten Offizieren umgeben, die, nur seines Winkes ge- wärtig, in schwärmerischer Verehrung geloben, für ihn das letzte Blut des Herzens zu verspritzen, er ist unterstützt von „egoistischen Bösewichtern, die mit ihm durch die Bande des Blutes oder durch dieselben Interessen verbunden sind." Wiederum irrige ^'oraussetzungen. Nach diesen aber ver- bessert der Verf. den Dichter. Der Gang einer grossartigen Tragödie, sagt er, hätte nun sein müssen und das verlangen wir von einer „resoluten Na- tur", dass er in den Kampf froh und frei und frisch hineinzieht, auf ein be- stimmtes Ziel lossteuert, nämlich den Kaiser zu zwingen sucht, dass er dem Reiche den Frieden schenke und ihm selbst für seine Mühe als Ersatz die Krone von Böhmen aufsetze. Hier könnte man schon einwerfen: Was hat denn jenes wilde Heer, das uns, die Führer nicht ausgenommen, wie eine Räuberbande erscheint, davon, wenn dem Reiche der Friede geschenkt wird? Im Frieden spielen sie ja sammt und sonders eine traurige Rolle. Jener Kampf aber, fährt der Verf. fort, muss rasch begonnen werden, ehe der Kaiser seine Massregeln beendet hat, ehe die Offiziere wankend werden. Warum denn? fragen wir wieder. An welche kaiserliche Massregeln sollen wir denken? Ein neues grosses Heer kann der Kaiser nicht zusammenbrin- gen, dazu fehlen Geld und Intelligenz, ein Heer, vor dem etwa die Offiziere bange werden könnten. An das Gewissen der Wallenstein'schen Offiziere aber kann der Kaiser nicht appelliren, denn sie haben sich dem Feldherrn wie das ganze Heer mit Leib und Seele zu jedem Unternehmen verschwo- ren. — Ueber den Ausgang des Kampfes, wie er ihn will, urtheilt der Ver- fasser: Da Wallenstein sich in ehrgeiziger Absicht gegen die heilige Ord-

Programmenschau. 225

nung des bürgerlichen und des Sittengesetzes auflehnt, so sind wir von vorn- herein auf seinen Untergang gefasst, gespannt sind wir weniger wegen des Ausgangs, der als Gottesgericht gegen den Frevler und seine Mithelfer er- scheinen muss, als in Bezug auf die von dem Kühnsten gewählten Mittel. Aber auch dagegen lässt sich einwenden: Wenn dem Reiche der Friede ge- bracht werden soll, ist dann der Kampf nichts als Frevel? Und andererseits: Wer verbürgt uns denn, dass der Kampf mit Wallensteins Ausgang enden wird? vorausgesetzt nämlich, dass dieser eine so durchaus resolute, dämo- nische Natur ist, wie ihn der \erL haben will. Was für ein Charakter ist der Held unter des Verfassers Hand geworden! Man möchte sagen: ein Macbeth oder besser eine Lady Macbeth, und doch wiederum mit etwas an- deren Ingredienzen vermischt. Nach solchen Prämissen darf er dann frei- lich sagen: Wallenstein weiss selbst nicht was er will. Andere aber werden mit dem Ref. sagen : Der Dichter hat recht wohl gewusst und mit ihm auch Wallenstein, was er will und was er kann und nicht kann, nicht kann, wegen der Hindernisse, die in ihm und ausser ihm liegen. Weitere Erörterungen sind unnöthig, es genügt auf die Analysen in Laas' Buche über den deut- schen Unterricht zu verweisen.

C u r i o s a.

Am 30. Juni 1873 besuchte Kronprinz Rudolf, Erzherzog von Oesterreich, das Gymnasium zu Graz. Darüber berichtet u. A. das Programm von Graz 1873 p. 21: „Durchwogt von dem innigsten Gefühle der Liebe und Ehrfurcht schwoll den Studirenden mächtig das jugendfrische Herz, voll edlen Stolzes hing freudesprühend ihr Blick unverwandt an dem hohen Kaisersohne und verklärt strahlte eines jeden Antlitz von der Wonne des ebenso erhabenen als freudebringenden Momentes."

„Während der Herbstferien erlangten die Philologen Professor S. und Lehrer K. die angesuchte Uebersetzung, ersterer nach Botzen, letzterer nach Wien.« Progr. Gymn. Triest 1873 S. 75.

Herford. H bischer.

Archiv f. n. Sprachen. LiV.

13

M i s c e 1 1 e n.

The American Philological Association.

Die letzten Berichte über die Verhandlungen der amerikanischen Philo- logenversamnilung enthalten Verschiedenes, was auch für das Studium der neueren Sprache von besonderem Interesse sein dürfte, und Ref glaubt sich deshalb berechtigt, das Wichtigste aus jenen Proceedings und Transactions an dieser Stelle im Auszuge wiederzugeben.

Prof A. C. Kendrick von Rochester hielt einen interessanten Vortrag über die Sprache im Allgemeinen in ihren scientifischen, ästhetischen und historischen Beziehungen. Der Inhalt wird in dem Bericht nachstehend wiedergegeben:

Philology deals with words; but words are things, and light^ airj, and impalpable as they seem, yet on them rests the solid structure of a nation's civilization. The laws wliich determine the affinilies uf lelters and words involve laws which determine the affinities of nations, and disclose some of the most vital facts of human history. And as philological science is import- ant, so it yields to none in the rigur of its laws, the seveiity of its methods, and the exactness of its conclusions. Light as is the consonant, lighter still as is the vowel, they are recognized as never escaping the dominion of law. There is, indeed, still a vast territory to be explored; but in this philology forms no exception to the grand sciences of our time. Everlasting incompleteness is the pledge of man's godlike endowments and immortal destiny. The science that could be finished, would not be worth the finishing. As to the uülily of philological science, we say, first, that the highest end of knowledge is knowledge. The auspicious feature in the relation of cul- ture to the acquisition of wealth is not that the latter is possible through the former, but that the former is the condiüon of the latter that money- making on a large scale is not possible without culture. We do not dispa- rage physical science and material improvement. We have no sympathy with the spirit tliat boasts the barrenness of philosophy, and refuses to degrade her to material uses.

But philology has cesthetic aspects of no less iraportance. Language is an art ; in its lower and rudimentary forms a useful art, in its higher and more cultivated forms a fine art, and of all the fine arts it is incomparably the noblest and the most refining. It is as a means of aasthetic culture, of refining the sensibilities, of evolving the latent harmonies of the soul, of filling the imaginalion with Images of ideal beauty, tliat we would especially urge its retention in our Systems of education. And this naturally suggests the languages which are to be selectcd as the basis of our linguistic cuU

Miscellen. 227

ture. These, for many reasons, are niainly the Greek and Latin; among tbem, the intrinsic excellence of the languages themselves, the strong con- trast of their grammatical structure to our own, the singular excellence of their Hteratures, and the central position occupied by the nations that spoke them, and whicli makes them a key to the history, the ihinking, the litera- ture, and the social and moral progress of the race. We talk of the dead languages ; but language does not die. We may feel assured that the clas- sics are destined to hold their place in our Systems of education. Their place and maintenance there is due to no scholastic er classical bigotry. The revival of classical learning in Western Europe was borne in upon that "freshening gale of intellectual life" with which the Protestant Reformation stirred the stagnant deeps of European opinion and was welcomed by the Champions of freedom and progress, while the zealots of the old superstition were fierce in their denunciations of the new learning.

Finally, the lüstorical relations of philology are most important. Tt has achieved wonders in many directions. It has borne its light into the annals of Egypt and Syria, of Persia and India; has disentangled the complicated affinities of most of those nations that have given to Asia and Europe their chief political and intellectual life; has foUowed their wanderings from the parent homes, and done much to reconstruct the language which was spo- ken when Indian, Goth, and Greek slnmbered in the loins of a common an- cestor. It has brought Greek and Latin into relation to the barbarian dialects with which they were formerly supposed to have no affinity. It has penetrated the bidden laws of speech, routed a legion of superficial and false etymologies, approached by cautious steps to the very cradle of speech, and discussed intelligently that problem of the origin of language which was so long the football of wild and fanciful conjecture.

We have then, as philologists, the strengest incentives to a vigorous pro- secution of our work. We have the heritage of European scholars; they have labored brilliantly and successfully, and we may enter into their labors. And we have some field preeminently our own. The confluence of different races on our widely extended soil is producing many curious modifications of speech and dialuctic variations worthy of our study. Our rapidly waning Indian languages, whose largely unregistered disappearance is thu opprobrium of American intelligence, demands still augmented diligence in rescuing from oblivion their scanty remains. And scarcely less important than either, are the modifications which the altered forms of political life, varied climate. and social and industrial conditions are making in our noble English speech. What, under the antagonistic action of the forces which lead to change and the forces which act conservatively, shall be the destiny of the English language in America?

Der Bericht macht ferner noch eine Mittheilung über die „Elemente der Metrik mit besonderer Beziehung auf den englischen heroischen Vers", einen Gegenstand, den Herr Alfred Ford aus New- York behandelt hat. Das Protocoll sagt darüber:

He said English prosody at the present day presented a curious spec- tacle. It is in a condition little creditable to our graramarians and philolo- gists. Although since the time of Cbaucer the English poets have been producing their works with amazing fertility, so that our poetical literature is the riebest in the world, there is absolutely no English prosody which describes in piain terms the structure of the beroic verse. This neglect or avoidance of the subject is perhaps due to the perplexity into which writers have thrown themselves by confounding qiiantity and accent. Our poetry is an accentual poetry and notbing eise. A verse then may be defined as a line of syllablcs in which the accents are so disposed as to produce rhyth- mical modulation. After explaining the tbeory of rhytbm, and the nature of arsis and thesis, he showed that metre is the form mediating between

Vo*

228 Miscellen.

rhytliin nnd languagc. Tho normal inetre of the English heroic vcrsc is a liiie of five iainhuses and fifteen syllabic instants; but the departures from this Standard are very vvide fioui twelve to eighteen, and in tvvo er three knovvn cascs to nineteen, syllabic instants. He then described the laws of the verse. Every heroic verse is divided by a middle pause or cesura into two unequal sections, versicles, or hemistichs of two and three or three and two accented syllables. These tonics are again separated from each other by one or niore unaccented syllables. These variations can all be compris- ed in a brief metrical canon, so that we can not only classify all the verses we nieet with, but actually forecast the forms of all the heroic verses that can ever be written. Pope's poetry adheres niost nearly to the normal pat- tern; the poetry of Massinger's plays is probably the most richly luxuriant in metrical forms. An English heroic verse raay then be described as a "synthesis of metrical phrases." He gave numerous exaraples of verses illustrating these laws, sorae of them being of very rare forms. The lecture was illustrated with rhythraical and metrical schemes drawn upon the black- board.

Ueber den irrthümlichen und zweifelhaften Gebrauch des Wortes such sprach sich Herr Charles Astor Bristed aus und sagte:

The use of the adjective such for the adverb no has become very ge- neral, and some persons have defended it as good English. Nevertheless, it is clearly ungrammatical. One adjective can not qualify another. The confusion may be traced to two sources. First, there are cases in which such may be correctly followed by another adjective, because it refers directly to the Substantive and qualities the Substantive, in spite of the other adjec- tive intervening. Secondly, there are cases in which the adjective and Sub- stantive together are equivalent in meaning to a Substantive alone. In the former class such is grammatieal : so would make neither grammar nor sense. In the latter, strict grammar requires so, but such may be used in familiär conversation and writing by a sort of tcqos to a)]i.iaiv6fitvov construction.

Such means "of this [or that] kind;" so means "to this [or that] extent." By substituting hoth periphrases in a doubtful case, we shall at once see which Word is required by the sense and grammar of the passage.

Professor F. A March, vom Lafayette College in Easton (Fennsilvanien") gab einen interessanten Beitrag zu den „Recent Discussions of Griram's Law", worüber der Bericht Folgendes mittheilt:

The Early English Text Society's edition of Alfred's translation of Gregory's Pastorale was described, with Mr. Sweet's studies of its spelling and of the history of the lingual spirants. He thinks that the original spirant in the Teutonic languages was the sonant {dli) as heard in thine, other, s)nooth, and that the surd (th) in thin, lovcth, is a later weakening. This spirant corresponds to t of the Sanskrit, Greek, and the like. Mr. Sweet supposes that t first changed to d, then d to dh, and dh to Ih, contrary to the common theories of Grimm's law.

The views of the relations and causes of the group of facts known as Grimm's law, held by Grimm, Bopp, Curtius, Scherer, and others, were re- ferred to, and the view of Mr. Sweet was discussed at length.

His scheme is as follows (dH represents aspirated d, tll aspirated t): Old Aryan t

üldest Teutonic d

Oldest Low German dh Oldest High German d

This Oldest Teutonic is not known to exist, but is inierred by Mr- Sweet from theoretical considerations as to the probability of the changes, and from certain facts in Anglo-Saxon and Gothic.

As to theoretical probability:

1. The difference between this scheme and Grimm's is in the changea

d

dH change to

t

dH, which change to

t

d, which change to

tH

d,t.

Miscellen. 229

of Ohi Aryan t. Grimm has t to ?//, whence ili., dlJ, whence d, dli ; and t to tH is not so familiär a change as Sweet's d to th. But since it is admit- ted to occur as part of an almost precisely similar System of changies, those to High Germaii, we have here a streng prcsumption in favor of it.

2. The real difficulty in Grimm's law, the change from d to / is not only not removed, but heightened ten-fold by supposing it to occur at the same time as a change from t to d. Such an interchange is conceivable only as a morbid phenomenon, and can be accepted as a national a<^t only on the strengest evidence.

3. The deferring of the change from dH to d tili the Low Gerraan perlod, is improbable and unhistorie.

As to the special facts:

1. Words in which Teutonic d appears for Old Aryan t.

As to these it appears, first, that many which have d in Anglo-Saxon or later dialects, have the regulär spirant }i in Gothic, while the converse is very rare; secondly, that such f/'s are found in the middle or end of words, or in connection with sonant liquids ; whence it may be inferred that the Gothic |i is older, and d the result of vowel or liquid assimilation.

2. Words in which Mr. Sweet speaks of d and |) as fluctuating.

As to these it was pointed out that they usually have [t final or before s, but elsewhere in inllection d by assimilation.

3. The Oldest Low German lingual spirant was apparently lli. •A. Gothic Y and Greek surd O transliterate.

b. The Gothic change of d to J3 before s indicates a surd ]>.

c. The earliest Anglo-Saxon MSS. represent the spirant by th, like the Greek theta.

d. The Anglo-Saxon s\t for st indicates a surd.

e. So do syncopated forms of surd verbs: drinc\i drinketh, and (he like.

f. And other difficult forms in t for \> ; bint from l>inde\i, tret for tred- e|); unsyncopated liget for lige\), and the like.

g. The English th is surd regularly unless there is vowel assimilation, and the regulär weakening is from surd to sonant, not from sonant to surd.

Professor F. A. March behandelte ferner die Frage : Giebt es überhaupt eine Angelsächsische Sprache?

Some English scholars refuse to speak or hear of Anglo-Saxon. They say there has been one spcech spoken in England from Caedmon to Tenny- son; it has always been called English, and the early forms should be called Old English.

Anglo-Saxon has been long in ose. Whether it should be given up is partly a question about the use of a particular word, partly an issue of fact.

The facts are, 1. There have been two classic periods of speech in England; one the so-called Anglo-Saxon, the other English. The Anglo- Saxon is a cultivated literary language, having original works of importance both in extent and kind. It is a German speech hing perfectly parallel with the other Teutonic tongues, so that its grammar can be clearly traced and a historical orthography established, extending to the quantity of its vowels and the place of the accent. It diflers from English in many parti- culars, which the essay pointed out ; in i)honology, vocabulary, inflection, syntax, versification, and modes of thought Between this literary Anglo- Saxon and English two periods of dialects intervene; one while the old speech was desintegrating, the otlier while the dialects were takiiig up Nor- man French and growing to capacity to be shaped into English. Any divi- sion of the speech of England by which Chaucer is put with Caedmon and separated from Spenser, is bad in substance. Old English, for all obsolete English and Anglo-Saxon, is bad in substance. It unites unlike things and separates like things. A philological work, in which citations are designated

230 Miscellcn.

ineruly as Olil English, must havo serious defects. The leaving out useful iiironnatiiin is soinething. The relations of the porioiJs lo modern English tire dillerent. 'Ihe iiiflectioii-endings ure diflerent at dillereiit periods. The Anglo-Saxon is printed with the long vüwels marked, Üld English without marks. There are dillerent spellings of the sanie word; some regulär spell- ings of dillerent periods, some irregulär of the same period; and hence all sorts of unnecessary ambiguities.

The secoud fact is, that the Englii^h is a mixed race, and Gernianic and Romanic Clements are mingled in the language. Any nomenclature which conceals or stigmatizes either class of elements, is bad in substance. Engliali and forcign as naiues ior them, are bad in substance.

As to the word Anglo-Saxon, if we start with English as the name of our modern speech, Saxon and Norman are good names of the two kinds of words in it. OJd English goes with Chaucer and the growing speech, with which the older synthetie speech is not to be confounded. 'J'o call this old speech Anglo-Saxon unites it with the Saxon dement of English, and at once classifies it with, and discriminates it from, its neares kindred of the Continent, tlie Old Saxon. The only objection to it is, that it was not used by the people themselves. Alfred calls his people West Saxons and Eng- lish, but not Anglo-Saxons. That word has grown with the necessities of discusyiou about the elements and history of modern English, and seems to find in them suiticient ground of being and continuing to be.

"Wir gL'ben schliesslich, noch einen kleinen den Proceedings bei^egebenen Aufsatz von Prof. F. A. Marcli, in welchem derselbe einige unregelmässige angelsächsische Verba behandelt.

The oldest form of the past tense in the Teutonic languages Springs from reduplication, a repetition of the root. This was used in the earliest Indo-European speech to express completed action. Weakened forms of it in Greek and Latin are familiär to all. Similar forms appear in Gothic; but the root and the syllable of reduplication gradually contract in the Teu- tonic tongues into one syllable. Thus the root haUI, hold, at first repeated as haklhald to denote completed action, appears in Gothic as a past haihald, in O. H. German syncopated and weakened as hialt, in Anglo-Saxon as heold whence English held. The past tense of all Anglo-Saxon verbs origi- nates from an old reduplication when formed by a mere change of vowel.

Five conjugations distinguished by the diflerent vowels of the past tense are produced in this way from the diflerent root vowels.

There are other vowel changes in Anglo-Saxon words which are very diflerent from these both in origin and history. Vowels are in this language very sensitive to the assimilating inÖuence of the letters near them, espe- cially of the letters following them. We conceive the later sounds in a word whiie speaking the earlier ones. The conception of the Coming sound tends to put the organs in position to utter it and we make a sound be- tween the two.

Thus when a root a is followed by i in the next syllable, the interme- diate e appears instead of a ; root sicai- (swear) when followed by i in the present gives swerie by umlaut instead of sicarie.

Several of the consonants also aflect the vowel next them. The eflbrt in producing the trills l and r, and the guttural /*, causes a sympathetic movement, which produces a parasitic vowel sound; root slah (slay) gives sleahe by breaking. The nasals m and n prevent the Operation of a on preceding i which would otherwise change it to e; root 7iivi (take) has In- finitive niman where root stic (stick) has stecan.

In the last Anglo-Saxon grammar from Germany, that of J. Loth, all these euphonic changes are ranked of the same value in establishing con- jugation, as those which spring from reduplication. In this way the number of conjugations is run up to twenty-five, and the vcrb sy^tem is torn in shreds.

Miscellen. 231

These euphonic changes have also obscured the conjiigation of some of the weak verbs, Tliis modern conjugation forms tlie past tense by com- position with duh (didj. Verbs of this class are derivatives in -ia, and in numy words the i of tlie stem works umlaut in the present, while in the fompounded past the root vowel remains unaltercd, or is aff'ected bj'^ some consonaiit assiniihition or breaking. Thus root tal (teil) has the present teile, teile, but the past tealde, where the root a instead of /-umlaut, has brraking by l. So seile (seil), past sealde, and a dozen other verbs. Ex- actly similar is the origin of secie, sece (seek), sohle (sought) from root soc, and other like forms, except that here there are consonant changes as well as umlaut ; sSc-de changed to söcte because the surd c assimiiates the sonant (/.• then söcte changes to sohle, since when two mutes come together, one of them often becomes continuous for more easy utterance. The Variation of the vowel in these words is thus seen to be a superficial matter, and com- pared with the old reduplieate changes it is quite modern and restricted in its ränge. It is not found in the Gothic.

The two classes of verbs just destribed, those with root a before /, and root 6 before c have been long understood.

Dr. Morris in his "Historical Outlines of English Accidence" inserts in- dee 1 a note in which he speaks of tlie explanation as just made by Mr. Sweet in the Academy ; which might mislead his readers to suppose it was there made for the first time.

But this process had before the publication of the writer's grammar been restricted by grammarians to these classes. Heyne (Kurze Grammatik, 2. Aufl. 1870, S. 205) says: Rückumlaut affects only the a and ö of verbs whose stem ends in double l or c. So Helfenstein (Comparative Grammar, p. 483), Koch (i. §§ 42, 50), and others, after Grimm.

There are however three other classes of stems in which a similar pro- cess has gone on.

1. Roots in a before double <j, written cg: as lecgcin (lay), past kegele (laid), secgan (say), past scegde (said). Hei-e lecgan is for legian, and the a of the past has its regulär shifting or flattening to ec.

2. Roots in o before a nasal ?u', ng: as hrerigun (bring), past hrohle; thencan ithink), past thohte, where the consonant changes are similar to those explained under sohle above.

3. Roots in u whose umlaut is y; as hycgein (buy), past hohle; hycgun (mind), past hogde; ]>yncan (seem), past ]>uhte; icyrcan (work), past tvorhte, where the o of the past is an efiect of the h, as appears from the Gothic breaking an in these forms.

Dr. Morris follows the German authorities in classing these among anomalous verbs. Helfenstein also makes them anomalous, but strangely enough classes most of them with "praeterilo-preiesenliei," because, he says, they take both the ablaut of the stroiig and the preterite suffix of the weak conjugation.

It is not Strange that comparative grammars like Grimija's and Heyne's, should have these verbs among the anomalous. They are peculiar in the Gothic, where the dropping of the stem vowel, and the assimilation of con- souants does not occur in other weak verbs; but in Anglo-Saxon these changes are regulär, anl the umlaut, which is not found in Gothic, consti- tutes their peculiarity and should not embarrass their Classification.

Zur Fremdwörter-Frage.

Es verdient sicherlich die vollste Anerkennung, wenn man im Gegen- satz zu einer friiheren Zeit, wo man das Deutsche durch Aufnahme aller

232 MisccUen.

nur luöglicbcn Fremdwörter gleichsam veredeln und schmücken zu müssen plaubte, in unseren Tagen darauf bedacht ist, alle unberechtigten Eindring- linge aus dt-'r Rlutterspraclie wieder zu entfernen. Dies Streben ist die na- türliche Folge der kräftigen nationalen .Strömung, die durch das ganze Volk hindurchgeht und die, wie sich das von selber versteht, besonders der Sprache als dem edelsten nationalen Palladium zu Gute kommt. Allein so grosses Lob diese Kichlung des Zeitgeistes auch im Grossen und Ganzen verdient, so kann sie im Einzelneu docii leicht auf Irrwege führen, und grade jetzt scheint es fast, als wollte man bisweilen in dem puristischen Eifer zu weit gehen und mit den unberechtigten Eiiulringlingen zugleich auch man- ches vollberechtigte und gute Wort, bloss weil es fremden Ursprungs ist, hinausvverfen. Hoflenilich wird Deutschland nicht durch ein falsches Natio- nalgefiihl sich verleiten lassen, auf sprachlichem Gebiete das Beispiel nach- zuahmen, das Frankreich uns kürzlich (nicht zu seinem Ruhme) auf einem anderen Gebiete gegeben hat.

Es kann natürlich niclit unsere Absicht sein, die schwierige und äusserst verwickelte Fremdwörter-Frage mit ein paar Bemerkungen abthun zu wol- len, indess wird es vielleicht doch nicht ganz überflüssig sein, wenn wir auf einige, bei jener Frage in Betracht kommende Gesichtspunkte aufmerksam machen, die häufig wohl nicht nach Gebühr beachtet werden. Wir wollen aber dabei absichtlich mehr die guten Seiren jener sprachlichen P'reradlinge hervorzuheben suclien als die schlechten.

Das Erste, was wir im Interesse einer zahlreichen Klasse von Fremd- wörtern erwähnen möchten, ist ihr scharfes, individuelles Gepräge, durch welches Inhalt und Umfang des betreuenden Begriffs auf das genaueste bestimmt und abgegrenzt werden. Man gestatte uns einige Beispiele zu nehmen aus einem Ideenkreise, der uns am nächsten liegt. Wörter wie Activum, Bassivum, Praesens, Futurum, Perfectum, Infinitivus, Imperativus etc. etc. Hessen sich im Nothfall recht wohl durch deutsche Stellvertreter ersetzen, und man bat es ja in Grammatiken auch vielfach gethan ; allein es ist sehr fraglich, ob man daran recht thut oder recht gethan hat. Wenn ich z. B. statt vom Präsens von der „(Gegenwart" oder der „gegenwär- tig; en Zeit" rede, so kann ich dabei (zunächst wenigstens) an alles Mög- liche denken, au die gegenwärtige Stunde, an den gegenwärtigen Tag, an das gegenwärtige Jahr", an das gegenwärtige Jahrhundert, an den gegen- wärtigen Zeitgeist, an die gegenwärtige Cultur und Sitte oder wohl gar an eine bekannte Zeltschrift „Die Gegenwart" ; sobald ich aber das Wort Prä- sens ausspreche, sind wie mit einem Schlage alle Nebengedanken verscheucht, und ein ganz bestimmter, individueller Begriff" steht klar und scharf vor meinem geistigen Auge. So sind Activ und Passiv besser als „handelnde und leidende Form" Ausdrücke, die man wohl zur Erläuterung jener fremden Namen gebrauchen kann, die aber sonst unglücklich genug gewählt sind, insofern von einem Handeln oder Leiden der Form selbst eigentlich doch nicht die Rede sein kann. Ebenso können wir (um dies gleich hier zu bemerken) keinen rechten Vortheil darin sehen, wenn man die weltbe- kannten Casus-Namen durch die Bezeichnung „erster, zweiter, dritter, vierter Fall" zu verdrängen sucht. Solche termini technici wie die Namen der Casus sind gleichsam zu Nominibus propriis geworden, und so sollte man sie auch behandeln. Eher sollte man sie da einführen, wo sie noch nicht be- kannt sind, als sie hinauswerfen, wo sie sich seit Jahrhunderten eingebürgert haben.

Dabei ist es durchaus kein Unglück, wenn die Etymologie eines solchen Fremdwortes in unsrem Bewusstsein verwischt und seine Grundbedeutung vollständig vergessen ist; ja, es ist dies in vielen Fällen sogar ein unschätz- barer Vorzug, insofern die Etymologie eines Wortes mit seiner jetzigen Be- deutung oft gar wenig übereinstimmt und durch den Gedanken an seine Ab- leitung meist nur allerhand ungehörige Nebenvorstellungen angeregt werden

Miscelien. 233

könnten. So ist es z. B. ganz gut, wenn der Schüler bei seinem Accusa- tivus gar nicLt an accusare anklagen, bei den Präpositionen nicht an prae- ponere vorsetzen, bei Adjectivum nicht an adj leere, bei Partio.Ipium weder an pars und capcre, noch an das Adj. particeps denkt. Ueberhaupt gilt von den Fremdwörtern etwas Aehnliches wie von den Menschen : man muss ihre Herkunft nicht allzugeriau untersuchen, weil dadurch der Respect vor ihnen nur verlieren könnte. Es giebt gar manches stolze und äusserst gelehrt aussehende Wort, das seine Entstehung ziemlich rohen Anschauungen ver- dankt, das aber dann im Laufe der Zeiten idealisirt und gleichsam vergeistigt worden ist. Die Tragödie z. B. würde als Name in der Hochachtung mancher Leute gar sehr sinken, wenn sie wüssten, dass es eigentlich „Bocks- gesang" bezeichnet. Ebenso beruhen die Ausdrücke „Poet, Poesie, poetisch" nicht grade auf eimsr sehr erhabenen Grundanschauung.* Das thut aber solchen Wörtern nicht den geringsten Eintrag. Wenn sie jetzt das klar und bestimmt bezeichnen, was sie bezeichnen sollen, so ist das vollkommen hinreichend.

Die obigen Bemerkungen, die sich nur über ein ganz kleines Gebiet er- strecken, lassen sich mit Leichtigkeit auf viele andre Gebiete anwenden. Um immer noch bei Naheliegendem zu bleiben wer möchte Wörter wie Prima und Primaner, Secunda und Secundaner und sofort bis zu Sexta und den Sextanern, wer das Gymnasium und die Universität, den Director, die Professoren und Doctoren, die Inspectoren und Ordinarien, die Alumnen,

die Censuren und Prämien, die Aula oder das trauliche Carcer oder

Karzer aus unsrer Sprache verbannt sehen? Dass man das Addiren und Subtrahiren, das Multipliciren und Dividiren nebst der zahlreichen Verwandt- schaft (Multiplicator und Multipllcandus, Divisor und Dividendus, Addendus und Subtrahendus), sowie die Wörter plus und minus, Regeldetri, Decimal- f^ystera (Decimalzahl, Decimalbruch stc.) nebst anderen Ausdrücken der Art beibehält, ist ebenfalls nur zu billigen. Ganz von selber versteht es sich, dass die (ursprünglich lateinischen) Monatsnamen (September, October, No- vember, Deceniber, Januar, Februar etc. etc.) ebenfalls nicht mehr anstössig sein können. Noch weniger kann dies der Fall sein bei Wörtern, die voll- ständig deutschen Charakter angenommen haben, wie Form, Figur, Klasse, Fenster, Kirche, Dom, Kloster, Mönch, Messe, Hostie, ducifix, Confession, Religion, Cardinal, Ketzer, Engel, Atheist, Katechismus, Laie, Scepter, Va- sall, Ceremouie, Garderobe, Manufactur, Industrie, Kur und kuriren, Idee und ideal (idealisiren), Harmonie, harmonisch und harmoniren, Revolution und revolutionär, Hospital und Hospitalit, Delikat und Delikatesse, Horizont und horizontal, Illumination und illuminiren, Identität und identisch, Indivi- duum und individuell, Interesse, interessant, interessiren, Toleranz, tolerant, toleriren, Inquisition und inquiriren etc. etc. Bisweilen hat die Sprache in höchst naiver Weise das Fremdwort in ein deutsches umgestempelt, wie z. B. bei Armbrust, ein Wort, das bekanntlich ursprünglich weder mit dem Arme noch mit der Brust etwas zu thun hat, das aber doch sehr sinnreich gebildet ist. In ähnlicher Weise hat sie aus Moslemin gemacht Muselmann, woraus sie dann ganz unbefangen den Plural Muselmänner bildet. Man hat ferner sicherlich nichts einzuwenden gegei\ Fremdwörter, wie Monarch, Mon- archie und mouarebisch, Republik und republikanisch, Demokratie und de- mokratisch, Aristokratie und aristokratisch, Anarchie und anarchisch, sowie gegen Oekonom, Oekonomie und ökonumisch, gegen Orient, Orientale, orientalisch, gegen Jura, Jurist, juristisch, gegen Grammatik und gramma- tisch, gegen Abonnement, Abonnent und abonniren, gegen Appellation und appelliren, Applaus und applaudiren, Ojjposition und opponiren, gegen Archäo-

* Bekanntlich ist der „Poct" eigentlich »der Anfertiger", die „Poesie" die „N erfertigung".

23 4 Miscellen.

loffie und archäologisch, Aesthctik und ästhetisch, Astronomie, Astronom, aslronomish, Astrolo^,' Astrologie und astrolof^isch. Manehe Fremdwörter, wie riiilüsophie und Medicin, hcssen sieli an sich wohl leidlich verdeutschen (Welt Weisheit, Arzneikunde), abir bei den Ableitungen (z. B. philosophisch, ])hilosoj)luren; mediciniseh und medieiuiren) würde man doch wieder in \'er- iegeidieit konunun. Man wird daher gut thun, auch sobhe Wörter in Ruhe zu lassen. Auch die Homöopatliie und die Homöopathen, die Allopathie und die Allopatlien, die Hypochonder und die Hypochondrie und vieles Andre der Art wird wohl nicht ernstlich angefochten werden. Doch wozu fortfahren mit einer Aufzählung, bei der es schwer seiu möchte ein Ende zu finden? Dagegen möchten wir bei dieser Gelegenheit gern ein gutes Wort einlegen für einige hart angofeindete Fremdlinge, namentlich für die „Adresse" mit ihrer zahlreichen Familie (Adressat, adressiren, Adresskalender etc.), für die es ohnehin schwer halten wird, einen genügenden Ersatz zu finden. Alan sollte sie also ruhig beibehalten, ebensowie das Couvert und das Cou- vertiren oder die Extrapost u. A. Wenn man das poste restante durch „postlagernd" ersetzen will, so ist das allerdings ein zweckmässiger und guter Tausch, sowie auch das franko und frankiren leicht zu entbehren ist.

Dagegen wird man uns wohl die Barometer und die Thermometer, die Geometer nebst der Geometrie, die Photographie nebst den Fhotographen, sowie die Telegraphie und die Telegraphen, die Waggons und die Coupes nebst dem Coupiren der Billete, die Lokomotiven und die Lokomobilen, die Signale und andre Kleinigkeiten ohne grosse Gefahr für die Reinheit der deutschen Sprache lassen können; ebenso mancherlei Beamte und Würden- träger geistlicher und weltlicher Art und zwar nicht bloss die alteingebür- gerten, wie die Bischöfe, Erzbischöfe und Prälaten, die Pastoren, Diakonen, und Archidiakonen, sondern auch die meisten neueren Gepräges, wie die Superintendenten und Adjutanten, die Sekietäre und Controleure, die Re- ferendarien und Assessoren, die Assistenten und Expedienten, die Registra- toren und Exekutoren. die Ingenieure und Techniker, die Kantoren und Organisten, die Amliteure und Redakteure, die Destillateure und Restaura- teure und wie sie (incl. der nichtamtlichen) sonst heissen mögen. Auch die Präsidenten und Oberpräsidenten, das Consistorium mit den Consistorial- und Oberconsistorialräthen, das Appellatiunsgericht mit den Appellationsge- richtsräthen, das Ministerium mit dem Cultusminister, dem Finanzminister, dem Justizminister, sowie dem Ministerpräsidenten wird man uns ebensowenig nehmen wollen, wie die Generale, die Majore, die Lieutenants, die Sergean- ten, die Tamboure, die Regimenter, Bataillone und Corapagnien, die Infan- terie und Artillerie mit ihren Kanonen und manches Andre, was zum Kriegs- wesen gehört.*

Ein zweiter Punkt, der bei Beurtheilung der Fremdwörter wohl in Be- tracht gezogen werden sollte, ist dieser, dass sie grosseutheils zu einem Ge- meingute der meisten Cultursprachen und Culturvölker geworden sind. Grade in unsrer Zeit des so schnell wachsenden Weltverkehrs sollte mau diesen Umstand nicht ganz übersehen. Jeder gemeinsame Besitz dieser Art bildet gewissermassen ein Bindeglied zwischen den verschiedenen Nationen. Welchen unermesslichen V ortheil gewährt es zum Beispiel, dass die Zahl- zei(;hen allmählich bei allen Cnltui Völkern Eingang gefnnden haben! Eine durch ZifftTu ausgedruckte Zahl, sowie jedes beliebige Exempel wird (Dank dieser Gemeinsamkeit) in China oder Japan ebensogut verstanden wie in Deutschland, Frankreich oder Nordamerika ! Welche unendliche Mühe hat man deshalb grade in unseren Tagen schon aufgewendet, um irgend eine

* Der Ausdruck „Fussvolk" für Infanterie ist sehr schön; aber „Fusssoldat" für den einzelnen Mann will sich weniger leicht einbürgern lassen.

Miscellen. i'35

allgemein verständliche Sprache, eine sogenannte „Weltsprache" zu erfinden!* Es ist also sicherlich wünschenswerth, dass Wörter, die im Weltverkehr eine wichtige Kolle spielen, in möglichst weiten Kreisen und bei den verschie- densten Völkern verstanden werden. Dabei kann es natürlich, wie ich gleich hier bemerken will, nicht darauf ankommen, dass die betreffenden Wörter in der Form vollkommen gleichlautend sind oder in der Schreibung bis auf die einzelneu Buchstaben übereinstimmen; vielmehr mag in dieser Be- ziehung jede Sprache ihrem Charakter und ihren Gesetzen treu bleiben, und sich durch die nöthigen Modificationen das fremde Wort zu assimiliren und gleichsam mundgerecht zu machen suchen. Ob ich z. B. ^age Present oder Praesens, Indicativus, Iiidicativ, oder Indicatif, Imparfait oder Imperfectum, Verbe oder ^'erbum, Pronom oder Pronomen etc., das ist hier völlig gleich- gültig. Es kommt nur darauf an, dass der gemeinsame Stamm noch deut- lich zu erkennen ist, dass das betreffende Wort also in den verschiedenen Sprachen sogleich erkannt und ver.'-tanden wird.

Es ist natürlich nicht möglich (aber nach dem \'orhergehenden wohl auch kaum nöthig), näher einzugehen auf Einzelheiten. Wie schon ange- deutet wurde, gehören zu den Fremdwörtern, die wir in Schutz nehmen möchten, besonders solche Wörter, die sich auf Handel und Verkehr, auf die verschiedensten Künste und Wissenschaften (namentlich diejenigen, die dem praktischen Leben am nächsten stehen), auf den Unterricht und die Rechtspflege beziehen. Selbstverständlich wird es Niemandem einfallen, auf diesen Gebieten volle Gemeinsamkeit des Wörterschatzes zu verlangen, sondern es kann hier vorzugsweise doch nur von den sogenannten terminis technicis die Rede sein. Leider herrscht hier selbst innerhalb desselben Landes oft grosse Verschiedenheit."**

Doch es ist Zeit, dass wir unsre Bemerkungen schliessen, die ja durch- aus keine Abhandlung geben, sondern nur einige Gesichtspunkte zu einer vorurtheilsfreien Beurtheilung der Fremdwörter-Frage hervorheben wollten. Zum Schluss sei uns noch eine ganz kurze Bemerkung gestaltet. Die Feind- schaft gegen die Fremdwörter hat ihren Grund doch hauptsächlich (wenn auch nicht allein) darin, dass man fürchtet, durch die vielen fremden Ele- mente die Muttersprache zu verunreinigen und dadurch zu verderben. In dieser Beziehung darf man indess nicht allzu ängstlich sein, zumal wo es sich um Wörter handelt, die von der Sprache zu gewissen praktischen Zwecken gleichsam nur äusserlich annektirt worden sind. Sie lassen den Kern der Sprache vollständig unberülirt und können ihre Reinheit nicht ernstlich gefährden, und zwar um so weniger, je kraftvoller und reicher die betreffende Sprache ist. Man hat nur dafür zu sorgen, dass die fremden Elemente nicht massenhaft in die edk-ren Theile der Sprache (in die Lyrik, •las Drama, überhaupt in die Poesie und schöne Litteratur) eindringen und dass sie auch sonst im Verhältniss zum ganzen Wörterschatze der Sprache immer nur einen geringen Bruchtheil bilden.

Nachtrag.

In Betreff' eines kleinen (kürzlich in dieser Zeitschrift abgedruckten) orthographischen Artikels ist mir von Seiten eines praktischen Schulmannes der \'orwurf gemacht worden, ich hätte vergessen anzugeben, wo bei der

* Bekanntlich sind von einem Gelehrten zu diesem Zwecke mit grossem Scharfsinn die Zahlzeichen verwendet Avorden.

** \Ver viel reist, kann über diesen Punkt schon auf den verschiedenen Bahnhöfen in Nord- und Süddeutschlaml interessante Betrachtungen an- stellen.

236 Miscellen.

von mir besprocLiQnen Schreibvveiso das Erlaubte aufhören und das Unerlaubte anfangen solle. Hierauf habe ich zu erwidern, ilass es gar nicht in meiner Absicht gelegen hat, eine Grenz- linie dieser Art bestimmen zu wollen und dass dies meiner Ansicht nach auch kaum möglich sein würde. Schwankungen sind auf diesem Gebiete unvermeidlich, besonders bei einer lebenden Sprache, die in einer ununterbrochenen Entwicklung begriflen ist. Als Regel kann man wohl eben nur das Eine hinstellen, dass man die in jenem Artikel besprochenen A\'ortverbind ungen erst dann wirklich als ein \N ort schreiben darf, wenn die Sprache selbst die Ver- schmelzung derselben zu einem R e g r i f f e ganz unzweifelhaft durchgeführt hat, wie dies z. B. bei anstatt, vorderhand, heut- zutage, zufolge und ähnlichen Wörtern sicherlich der Fall ist.* Anders verhält sich die Sache in Verbindungen wie „in Hinsicht, in Betreff, in Anschauung, mit Rücksicht, nnd vielen anderen. Indess wird der Natur der Sache nach dem subjektiven Sprachgefühl hier immerhin ein ge- wisser Spielraum gelassen werden müssen, und es wird (um nur ein Beispiel anzuführen) ziemlich gleichgiltig sein, ob ich schreibe „in Folge einer Krankheit" oder „infolge einer Krankheit" Letzteres nach der Analogie von zufolge. Zum Schluss sei es uns gestattet, hier noch auf eine ähnliche, schon früher einmal von uns berührte Erscheinung auf einem verwandten Gebiete hinzuweisen. Es handelt sich um gewisse, mit Präpo- sitionen zusammengesetzte Verba, wie anerkennen, obliegen, obsie- gen, sich unterordnen u.a. Hier macht sich in der That in der Sprache selbst ein Schwanken bemerklich. Während die meisten hier die Präposition immer noch als besonderes Wort herausfühlen und demzufolge schreiben: er erkannte ihn an, es liegt mir ob, er ordnete sich unter etc., glauben manche, jene Wörter schon als untrennbare Verbindungen behan- dehi zu dürfen und schreiben daher ohne Weiteres: er anerkannte ihn, er unterordnete sich, es obliegt mir** eine Schreibweise, die min- destens als voreilig bezeichnet werden muss. Man schreibt allerdings mit Recht: er unterwirft sich dem Gesetze, er unterzieht sich der Gefahr oder er ist bereit sich dem Gesetze zu unterwerfen, sich der Gefahr zu unterziehen, aber Niemand wird sagen: er ist be- reit sich dem Gesetze zu unterordnen oder er war bereit die Regierung zu anerkennen. Grade die Infinitivformen mit „zu" geben uns hier das sicherste Kriterium an die Hand bei der Entscheidung der Frage, ob die Verschmelzung der Präposition mit dem betreffenden Verbum als eine vollständige zu betrachten sei.

Fr. Ad. Wagler.

Das Grimm'sche Wörterbuch giebt unter dem Artikel „Fett" die Redens- arten: „Einen mit seinem eigenen Fette beträufen. Er soll sein Fett schon kriegen. Der hat sein Fett. Ich hab ihm sein Fett gegeben." Die erste ist klar und helsst: die Vorwürfe (Fetttlecken), die einer einem macht, an seiner eigenen Person nachweisen. Aber wie sind die folgenden zu erklä- ren? Dass in ihnen der Volksmund das „Fett" nicht ebenso auffasst, beweist

* Noch vollkommener ist diese Verschmelzung in Verbindungen wie aujourd'hui, animadvertere u. a.

** Vgl. C. Spitzer „Wiener Spaziergänge." Neue Sammlung. 2. Aufl. Wien 1874. S. 39.

Miscellen. 237

die weitere Stelle aus Fr. Müller: „der Amtmann soll dir sein Fett kriegen, hat ohnehin schon etwas bei mir im Salz.« Da handelt es sich nicht um Schmutzflecken, sondern um die Speckseite. Die zu haben ist aber ein Vortheil, und die Redensart „der hat sein Fett" lässt sich damit nicht ver- embaren. Ist sie nicht .aus dem französischen il a son fait, il aura son fait (das t wird bekanntlich ausgesprochen) herzuleiten? (? Red.)

Bihler.

Bibliographischer Anzeiger.

Allgemeines.

Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgeschichte der germani- schen Völker. Hrsg. von B. len Brink und Wilh. Scherer. 7. Heft. (Strassburg, Trübner.) 2 Mk. 40 Pf.

Grammatik.

K. A. Hahn, Althochdeutsche Grammatik. Hrsg. von A. Jeitteles. 4. wesent- lich veränderte und vermehrte Auflage. (Prag, Tempsky.) 3 Mk. K. Hoffmann, Die neuhochdeutsche Rechtschreibung vom Standpunkte der Sprachphjsiologie und Sprachgeschichte. (Arnstadt, Frotscber.)

1 Mk. GO Pf. Le Coultre, De l'ordre des mots dans Chrestien de Troyes. (Dresden, Zahn.)

1 Mk. 60 Pf.

Fr. Miklosich, Ueber den Ursprung einiger Casus der pronominalen De-

clination. (Wien, Gerold.) 30 Pf

Lexicograph ie.

M. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch U. 4. Lieferung (Leipzig, Hirzel.) 4 Mk.

K. Schiller und Aug. Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch. 7. und 8. Heft. (Bremen, Kühtmann.) k 2 Mk. 50 Pf.

K. Jürgens, Neues etymologisches Fremdwörterbuch mit Bezeichnung der Betonung und Aussprache. 15. Lieferung. (München, Ackermann.)

50 Pf.

Bibliographischer Anzeiger. 239

K. F. W.Wand er, Deutsches Sprüchwörter-Lexikon. 52. Lieferung. (Leipzig, Brockhaus.) 2 Mk.

M. Scheck, 500 germanische Sprachstämme oder 1600 germanische Voca- beln in der französischen Sprache zusammengetragen und alphabetisch geordnet. (Stuttgart, Maier.) 1 Mk.

Literatur.

W. Koenig, Etüde sur l'authenticite des poesies de Clotilde de Surville, poete fran9ais du 15 siecle. (Halle, Schwabe.) 4 Mk.

H. Schuchardt, Ritornell und Terzine. (Halle, Lippert.) 8 Mk.

J. Bonnassies, Les spectacles forains et la Comedie fran9aise. (Paris, Leipzig, Twietmeyer.) 4 Mk.

J. J. Rousseau, der pädagogische Irrstern unserer Zeit und die christ- liche Erziehungsaufgabe; von P. Müller. (Hannover, Feesche.) 80 Pf.

H. V. Friesen, Shakespeare - Studien. H. Bd. (Wien, Braumiiller.)

8 Mk.

The fall of the Nibelungers, otherwise the book of Kriemhild Translated by W. N. Lettsom. (Jena, Frommann.) 6 Mk.

Altenglische Legenden. Kindheit Jesu, Geburt Jesu, Barlaam und Josaphat, St. Patrik's Fegefeuer. Aus den verschiedenen Manuscripten zum ersten Male herausgegeben von Dr. Carl Horstmann. (Paderborn, Schoe- ningh.) 4 Mk.

Hilfsbücher.

W. Hörling, Auswahl deutscher Aufsätze nebst Erläuterung einiger Dich- tungen für Schulen und Gymnasien. (Paderborn, Junfermann.)

3 Mk.

F. Lauer, Vollständiges Elementarbuch zur leichten und schnellen Erler- nung der französischen Sprache mit stufenweise eingelegten Sprach- übungen. (Giessen, Roth.) 1 Mk. 50 Pf.

H. Breitinger, Die Grundzüge der französischen Literatur- und Sprach- geschichte bis 1870. Mit Anmerkungen zum Uebersetzon ins Franzö sische. (Zürich, Schulthess.) I Mk. 20 Pf.

J. Deter, Französische Syntax für Sccunda. (Berlin, Weber.)

1 Mk 60 Pf.

240 Bibliographischer Anzeiger.

Shakcspeare'ä Jul. Caesur, zur Uebersetzung ins Deutsche bearbeitet von Dr. H. Klose. (Mnnnheim, SchneiiJer.) 2 Mk.

Sammlung Shakospeare'scher Stücke. 5 Hefte. (Danzig, Saunier.)

3 Mk. F. Meffert, Englisches Vocabularium. (Posen, Türck.) 80 Pf.

Berichtigungen.

In meiner Beurtheilung des Flügel'schen Wörterbuchs im letzten Heft des Archivs (LIII, 3 u. 4, p. 447) habe ich irrthümlich gesagt, es fehlen im deutsch-englischen Theile die Ausdrücke: „sich freuen auf" und ,, mass- gebend" anstatt: sind nicht ganz befriedigend übersetzt.

Ferner bitte ich, in meiner Besprechung des „Altengl. Leseb. von Wülcker (ibid. p. 449) einen Druckfehler „Henry VH." statt ,,ni." zu be- richtigen und den Satz (Z. 17 v. u.) ,, hier vermisst man" bis ,,wäre'' zu strei- chen. Das Alter des ,,Kukuksliedes" ist nämlich in der Vorrede angegeben und statt ,,der dunklen Wörter" hätte es, wie leichtersichtlich, „des dunklen

Wortes" (uerte})) heissen müssen.

Dr. David Asher.

Ueber den

heutigen Stand der romanischen Dialektforschung.

Vortrag

im Auszuge gehalten in der germanisch-romanischen Sektion der

Philologenversammlung zu Innsbruck.

Von

Prof. Dr. Sachs.

Es ist ein ebenso anerkanntes Faktum, dass nur die genaueste Spezlalforschung der Dialekte und die gewissenhafteste Sammlung aller, auch der scheinbar für weniger Geübte unwesentlichsten Einzelheiten eine tiefere Begründung romanistischer wie germanistischer Studien unterstützen kann, wie dass gerade diese Seite der modernen Philologie leider noch viel zu sehr, wenigstens für die Dialekte der Alpcnthäler im Argen liegt. Bei vielen aber drängt die Zeit, diese wichtige Quelle zu fixiren und (mindestens durch die Schrift) zu be- wahren, da beim Fortschreiten der Cultur immer mehr Eigenthümlich- keitcn schwinden, Eisenbahnen oder wenigstens Chausseen immer mehr und mehr Alpcnthäler in den allgemeinen Verkehr hineinziehen und das Eindringen von Reisenden erleichtern, welche durch ihren Umgang mit den Eingeborenen deren spezielle Sitten und Sprechweise jährlich weiter abschleifen und beeinflussen.

Andererseits beeinträchtigt, durch die verschiedensten politischen wie religiösen* Einflüsse bedingt, hier ein romanischer Dialekt einen deutschen , dort ein deutscher seinen romanischen Nachbarn

* Mit geringen lobcnswerthen Ausnahmen ist die katholische Geistlich- keit eine ausgesprochene Feindin des Deutschon, wo immer eine weniger

Archiv f. n. Sprackon. LIV. IC

'242 lieber den licutigcn Stand der romanischen Dialcktfürscliung.

und in nielit allzu langer Frist wird für die Dialektforschung manch schwerer Verlust eintreten, unersetzlich, wenn nicht systematisch dagegen Vorkehrungen getroffen werden. Freilich wird in dem Kampfe um's Da- sein, der naturgemäss auch hier seinen unvermeidlichen Ausgang haben wird, durch unsere Bemühung der Untergang einzelner Sprach-Oasen nicht abgewendet werden können , die selbst bei energischer Unter- stützung von Seiten ihrer Regierung oder, wie der Versuch in Bezug auf deutsche Gemeinden in .Süd-Tirol gemacht ist, durch mehr oder weniger eifrige Fürsorge sympathischer Deutschen auf die Dauer wohl schwerlich sich halten dürften aber was geschehen kann und als würdige Aufgabe der jetzt sich mehr als Macht fühlenden modernen Philologie ausgeführt werden muss, ist die eifrigste Beihülfe für alle Bestrebungen zur wissenschaftlichen Fixirung des noch Vorhandenen, das Bemühen, grössere Regelmässigkeit in die einschlagenden Arbeiten zu bringen und mehr Ordnung und System im Sammeln zu erzielen, wenigstens auf den kleinen mehr isolirten Gebieten , wo die geistigen und physischen Mittel der Einzelnen beschränkter sind und nicht der, leider ja selbst die Wissenschaft anfressende Nationalhass * oder die Furcht vor deutscher Annektirung uns die stillen Wege deutschen Fleisses allzu oft verschliesst oder uneben macht.

Haben ja die Deutschen doch überall ihren Beruf zu gründ- licher, nur durch das stille Bewusstsein, der Wissenschaft zu dienen, belohnter Thätigkeit auf das Glänzendste dokumentirt , was vor dem letzten Kriege selbst ein V. Hugo anerkannte, indem er in seinem Werke über Shakspere in seiner stets überschwenglichen Manier Deutsch- land auf das Enthusiastischste pries und erklärte, manches Volk, das der deutschen Kraft widersteht, unterwerfe sich dem deutschen Geiste. Nun und auf dem Gebiete der Romanischen Sprachen haben die Deutschen entschieden Bahn gebrochen, wie sie ja auch für Ver- gleichende Sprachforschung die ersten Grössen aufzuweisen haben, unter denen ich W.v. Humboldt, Pott, Schleicher,** DiefFenbach,

gebildete oder eine romanische, dem Latein des Gottesdienstes näher stehende Sprache jener den Rang streitig macht, und die im Sprachwart VIII. 14, p. 222 erzählte Geschichte steht durchaus nicht vereinzelt da.

* Vgl. meine Aflaire mit Littre, der alle Verbindung mit mir und meinem Wörterbuche 1870 abgebrochen hat: les relations etant trop difficiles entre Fran9ais et Allemands.

** Compendium der vergleichenden Grammatik der indo-germ. Sprachen. (Weimar 1861. 1870 3. ed.)

Ueber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 243

Steinthal,* M, Müller nur zu nennen brauche, um jedem Kundigen in wenigen hervorleuchtenden Namen Deutschlands Ansprüche auch hier klar zu legen. Das epochemachendste Woi-k, das sich der Grimm- schen Grammatik (1819; 2. ed. 1822—37; 3. ed. 1840) Avie Bopp- schen (1833 52) und anderen Hauptschriften würdig an die Seite setzen konnte, war das herrliche Buch „Grammatik der romanischen Sprachen'- unseres deutschen Landsmannes Diez, das vor 36 Jahren zuerst eine wissenschaftliche Grundlage für die Behandlung der roma- nischen Sprachen legte (l.Aufl. 1856, 2. Aufl. 1858, 3. Aufl. 1873) und an das wie an sein 1853 zuerst erschienenes AVörterbuch (2. ed. Bonn 1861) sich alle weiteren Forschungen anlehnen mussten , wie auch besonders das in gleich grossartiger Weise angelegte und mit um- fassender Kenntniss und scharfem Blicke für das Einzelne ausgeführte Kapitel in Fuchs „über die sogenannten unregelmässigen Zeitwörter in den Romanischen Sprachen" (Berlin 1840), dessen höchst beschei- dener Titel „Andeutungen über die wichtigsten romanischen Mund- arten" nur eine geringe Idee von seiner Bedeutung gibt. Ferdinand Wolf (1796 1866) aber, den gründlichsten Kenner der romanischen Literatur, dessen enorme Thätigkeit auf diesem Gebiete besonders ein mit Liebe geschriebener längerer Artikel in Eberts Zeitschrift (jetzt ed. Lemckc 1866. VJIL 271 305) ausführlich behandelt, wird sobald kein Anderer in Gediegenheit, ausgedehntem Wissen und Vielseitig- keit zu erreichen im Stande sein. **

Selbst der relativ e n t f er n t e s t e unter den romanischen, zu Schrift- Sprachen entwickelten Dialekten, die portugiesische Sprache hat sich einer leidlich häufigen Bearbeitung von Seilen deutscher Gelehiten erfreut. Nach Bertuchs Magazin der sp. u. portug. Litt. (Wien 1780.2) gab Chr. Fr, Bellermann (Berlin 1840) die alten Liederbücher der F. oder Beiträge zur Geschichte der p. Poesie heraus, denen er 1863

* Charakteristik der hauptsächlichsten Typen des Sprachbaus (Berlin 1860).

** Auch für die Erforschung des späteren Latein in seinem Ueber- gange zum llomanischcn sind nach Ducanges (von Henschel, Paris 1840—50 neu edirtem) Glossarium ad soriptores medlae et iufimae hitinitatis Deutsche überaus thätig gewesen: so Corssen „Ueber Aussprache, Vokalismus und Betonung der lateinischen Sprache (2. ed. 186S, Leipzig), Schuehardt, Vo- kalismus des V^ulgärlateins (Leipzig ISöO, 1 vol. 1868, Band 3), P. Böhmer, Die lateinische ^"ulgärsp^ache (Oels 18G6); Pott, Das Latein im Uebergang zum Romanischen (Zeitschrift für Alt. 1861 63), Dieffenbach, Glossarium latino-romanicum mediae et inümae aetatis (Frankfurt 1857) u. id. Novum glossarium 1867).

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■_* 1 1 UchiT den iioiitigcu Stand der romanischen Diideknorschung.

( Lps.) Port. Volkslieder u. Romanzen , p. u. deutsch folgen lioss ; Kausler edirte 1846 den Cancioneiro Geral (AU. p. Liedersamm- lung des Garcia de Resende) (Stuttgart), 1849 veiöffcntlichte Varn- hagcn den von Ch. Stuart 1823 zu Paris publizirten Cancioneiro (Trovas e Cantares, Madrid); es folgte 1863 Diez bedeutendes Werk über die erste p. Kunst- und Hofpoesie (Bonn) und in demselben Jahre Fr. Hoffmanns Blüthen p. Poesie (Magdeburg 1863); Brandes gab 1864 in seinem Ausflug nach Portugal im Sommer 1863 (Lemgo) eine Abhandlung über die p. Sprache, der freilich durch Ferd. Wolfs Geschichte der sp. u. p. Nationalliteratur (v. Ebert 1861) und die Fortsetzung: Zur Geschichte der p. Nationalliteratur in der neuesten Zeit (v. Ebert 1863 und 1864, 265 326) bedeutend in den Hinter- grund gestellt wurde. Auch das Galli zische, das nach Diez I. 99 dieselbe Sprache wie das P. ist (vgl. Fuchs 50 52) behandelt Griiz- m ach er (Ebert 1865, 351) „Zur gall. Liederpoesie". Von ein- heimischen Werken über die p. Litt, sind hier nur zu nennen Nuüez de Liao (Lisb. 1606) Origem de lingoa portugueza) , Faria y Sousa „Europa portug." Lisb. 1680, Antonios Bibliotheca und die Bibl. lusitana von Machado (Lisb. 1741), die Edition des Cancioneiro del Rey Diniz u. Lopez de Monra (Paris 1847), die des Baena (Madrid 1851), die Sammlungen des Coelho romances sacros, ora9oes e ensalmos populäres do Minho, 30 Volkslieder (Romania X) und Questoes da lingua portugueza; Ferreira magnum lex. latin., et lusitanum, Paris 1843. Für Prosa die Sammlung von Foros in Colec^äo de livros ineditos und das auf 24 Bände berechnete Werk von Theophilo Braga historia da litt, portug. 1870 -72, Porto, von dem bis jetzt 10 Bände erschienen sind, ebenso wie der Thesozo del rey Alonzo el Sabio aus Xin. saec. (v. Corbiac p. 9). Ein Theil dieses letzten Werkes ent- hält die Trovadores galecio-portuguezes des 12 14. s; (1871), ein gal- lizisches Canc. von Alfons X. von Castilien aber ist noch ungedruckt (400 cantigas), das 1862 von Marguia zu Vigo edirte Diccionario de escritores gallezos enthält auch eine galliz. Anthologie; ein Diction. gallezo-castellano erschien 1863 zu Corufia (40). Die Cantos popu- läres do Archipelago Acjoziano erschienen von Braga (Porto 1869) und Joao Jose de Sousa Teller behandelte 1864 (Lissabon) America portuguez scientifica, litt, e artistica (v. Ebert 1865, 263). Lexikalisch ist endlich diese dialektisch^ wenigstens so weit bisher bekannt, nicht weiter geschiedene Sprache, behandelt in Vocabulario port.

lieber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 245

e latino v. B 1 u t c a u, Lisb. 171 2—2 1 (8 fol,), refoi mado ptir M. S i 1 v a, Lisb. 1789 (2. 40), ferner in dem nur auf einen Band von A gekom- menen Wöj'terbuch der Lisb. A c a d e m i e (1793), dem sich das Diccion. von Jose da Costa (L. 1794) und des Elucidario dos palavras, termos e fiasis, que em P. a n tiguamente si usarao, Lisb. 1798, 99 anschloss.

Ueber Brasilien hat uns F. Wolf in Le Bresil literaire, Berlin 18G3 (wozu man Ebert 1864. 222, u. 1862. 121 vergleichen kann) wie in Allem, was Wolf geschrieben, vorzügliche Nachrichten gegeben.

In Spanien haben schon, noch ehe Carl V. sein wenig erfreu- liches Urthcil über die Sprache unseres , auch seinem Zepter unter- worfenen Volkes abgab, zwei deutsche Buchdrucker dem einst von Gothen der römischen Herrschaft entrissenen Lande das wohlthuende Licht der Buchdruckerei entzündet,* Fadr iq u e aleman de Basilea (der 1498 zu Burgos Exemplario contra los enganos y peligros del mundo druckte) und der Sevillaner Crom berger. Seit dem aber Herder auf den Cid aufmerksam machte, haben Schubert (Bibliotheca castel- lana-portuguesa y provenzal, Lpz. 1809), Jac. Grimm (Silva de romances viejos, Vienna 1815), Bohl de Faber (Florestk de rimas antiguas castellanas, Hamburg 1821. 3. S'^), über dessen Thätigkeit man den 1S58 zu Lpz. erschienenen Versuch einer Lebensskizze von B. de F. vergleichen kann, W. v. Humboldt (Untersuchungen über die Urbewohner Hispaniens 1821), Schlegel (in seinem Spanischen Theater, Berlin 1809), Tiek (Uebersetzung des Don Quixote 1799 bis 1801), B outer wek (Geschichte der Poesie und Beredsamkeit seit dem Ende des 1 3. Jahrhunderts, 12 vol., Göttingen 1801 20), Brinkmeyer (Abriss einer dokumentirten Geschichte der sp. Na- tionalliteratur bis zum Anfang des 17. J., Leipzig 1844), Clarus (Darstellung der sp. Litt, im Mittelalter, Mainz 1846. 2), vgl. F. Wolf bei Ebert 1866. 292), Fr. v. Schack (Sp. Theater, Frkf. 1845 und Geschichte der dramat. Litteratur u. Kunst in Spanien, Berlin 1845), Hei ff er ich et G. de Clermont, aper^u de l'histoire des langues neolatines en Espagne, Madrid 1857) über die sp. Litt, mehr oder weniger eingehende W^erke veröffentlicht ; vor allen aber hat Ferd. Wolf in seinen Studien zur Geschichte der sp. u. port. Na- tionallitcra tu r (Berlin 1858), wie in seinen daran angeschlossenen

* v. Ebert, Literarische Wechselwirkung Spaniens unil Deutschlands (Deutsche Vicrteljahrsschrift 1857. 2).

240 Ueber den heutigen Stand der romanischcu Dialektfürschung.

Beiträgen zur sp. Volkspoesic aus den Werken Fernan Caballero's (Wien 1858) das Bedeutendste geleistet, was auf diesem Gebiete zu verzeichnen ist. Diesen beiden Werken schloss sich an Primavera y flor de Roniances von F. Wolf u. C. Hofmann (Berlin 1858), ferner Geibel u. Schack im Romanzeroder Spanier und Portugiesen (Stuttg. 18GÜ), Gries (Calderon, Berlin 1815, 20, 2. Aufl. 1840, 1841), üohm u. A. machten spanische Autoren durch gelungene Ueber- setzungen, die gelehrte Dame Frl. Michaelis durch ihre Tres flores del teatro antiguo espauol (Lpz. 1870) und Romancero del Cid (Lpz.) u. Keller u. Possart (Bibl. castellana, Stuttg. 1839) alte Texte zugäng- licher. Klein aber hat in seiner Geschichte des Dramas auch die spanische Litteratur in der eingehendsten Weise behandelt , welche übrigens in neuester Zeit sogar zwei Deutschland entstammten ihre besten Bliithen verdankte, nämlich dem Don Eugenio de H artzenbusch , geb. 1806 in Madrid, aber von deutschen Eltern (Obras escogidas, Lpz. 1864) und Fernan Caballero, der deutschen Tochter von Bohl de Faber, Cäcilie, Frau von Arrom, die im Jahre 1797 zu Morges in der Schweiz geboren, die bedeutendste neuere spanische Schriftstellerin ist (v. Ebert Jahrbuch 1859, p. 258 u. P. Heyse, Bohl und seine Tochter „Literaturblatt des deutschen Kunstblattes" Mai 1859).

Von anderen Völkern haben die spanische Litteratur besonders Simonde de Sismondi De la litt, de midi de l'Europe, Maury Espagne poetique 1826, Viardot Etudes de l'Espagne 1836, Puybusque (Hist. comparec des litt, espagnole et fran^aise 1842), Dozy (reeherches sur l'hist. et la litt, de l'Espagne pendant le moyen äge (Leydenl860. 2. ed., v. Ebert ]861. 446..), Baret in seiner vielfach getadelten Histoire de la litt, espagnole, Paris 1863 und seinen Etudes (Espagne et Provence, Paris 1857), Loise (Hist. de la poesie esp., ßruxelles 1868), vor Allen der Amerikaner George Ticknor mit seiner History of Spanish litterature, New- York 1849 [2. ed.' 1854, London 1863, französ. von Magnabel mitZusätzen 1864, deutsch mit Zusätzen von Julius, Lpz. 1852 u. 1866 (v. Ebert 1868)] behandelt, während die Spanier selbst trotz der Werke von Velasquez (Orig. de la poesia castell, 1754), Sarmiento (Memoria para la historia de la poesia y poetas espanoles), Mohedano (Hist. litt, de Espaüa), Mar- ti nez de la Rosa (Sobra la poesia epica espauola), Ochoa (Notitia de todos los poetas espanoles), Argote de Molina (Discurso sobra la poesia castell.) und der Sammlungen von Isquierdo (Can^-o-

Uebor den heutigen Stand der romanischen Diuh'ktforschnng. 247

nero 1565), Esteban de Vilhilobos 1587, Ayala 1588, Miqiiel de Madrigal 1604, Pedro de Espinosa 1605, Pedro de Flor es 1614, May ans Origen de la lengua espanola, Madrid 1737, Aldrete del origen de la lengua castellana, Sedeno (Parnasso espaiiol), Cap- many raemorias para historia de la poesia y poetas espaüoles (Madrid 1775) Sarmienlo 1775, Santillanas 1779 CoUeccion, Sanchez CoUeccion de poesias castellanas (Madrid 1779), Mas den 1786, poesias de veinte i dos aiitores esp. del siglo 16 traduc. eu lingua ital. Roma 1786, Fernandy (CoUeccion de poetas esp.), Quintana (Tesoi'O del parnaso esp.), der Ausgabe des Fuero juzgo (Madrid I8l5), Monlau del origen yfomiacion del romance castellano, (Madrid 1859, v. Ebert 1864, p. 107..), Amador de los Rios Hist. critica de la litt, espa- nola (Madrid 1861 1862, v. Ebert 1864, p. 80), MiUi y Fontanals 1866 danzas infantiles castellanas (v. Ebert 1866. 180) und des zu Toledo 1516 edirten Cancionero general des Bernardo de Castilla in der 1851 zu Madrid veranlassten Ausgabe des Cancionero Baena [(15. saec.) ed. Michel, Lpz. 1870] und des Cancionero de Lopa de Stunigo aus dem 15. s. Madrid 1872. (v. Centralblatt 51. 1873) hinter den Ausländern bedeutend zurückstehen. Jenes unglückliche Land aber, das im ganzen Mittelalter die gewaltigsten Kämpfe mit den Mauren zu bestehen hatte (v. neben Dozy's bedeutendem Werke „Re- cherches sur l'histoire polit. et litt, de l'Espagne pendant le moyen äge 1849 etc.) über die sprachlichen Einflüsse des Arabischen bes. Engel- mann Glossaire des mots esp. et portug. derives de l'Arabe, Leyde 1861 (v. Ebert 1862. 471) u. Defremery Des mots esp. et port. derives de l'Arabe (1869 Paris)* und auch später durch die verschiedensten Abenteuerlichkeiten seiner Regierungen stets auf Abwege gerathen ist, hat seit dem l3. Saec. die Kastilische Sprache im offiziellen Gebrauch (v. Ebert 1859. 429), seine Gesch icht sehr eiber haben aber auf die Mundarten wenig Rücksicht genommen (Diez, Gram- matik I. 97) und wenn auch Fuchs' Aeusserung, dass die span. Mundarten aufhören oder schon längst aufgehört haben, schrift- stellerisch ausgebildet zu werden (p. 110) nicht ganz zutrifft, so ist doch die Behandlung und Kenntniss ihrer späi'lichen Reste nur gering und jetzt bei den traurigen Zuständen der durch Bürgerkriege

* Ueber die span. Juden vgl. Sepbardim Romanische Poesien der Juden in Spanien v. Kayserhng, Ljjz. IS.'jS, Drei Moiiseo-Gedlihte cd. J. Müller (Sitzungsbericht der Bayr. Akademie, München 1860, v. Ebert 18G1. 446).

248 Ucbcr den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung.

zerfleischten ILilbinsol obcnoin sehr wenig darüber genau festzustellen. Zu nennen sind hier E. Bochmer, Spanische Volkspoesie (9G Coplas in Malaga gesammelt) in Herrigs Archiv XXIV und Poesias populäres, colegidas par D. Tomas Segarra, Lpz. 1862; ferner CoUeccion de poesias en dialecto asturiano v. Diez, I, 95 (1830), Gran biblioteca Asturiana V. Vitores Oviedo 1865, und Romanzen Asturiens aus dem Volksmund zum ersten Mal gesammelt von Jose Amador de loa Rios (mitUebersetzungen von Paul Heyse und Ebertl861. 268..) Ueber das Lconesische sehe man Gessner „Das Leonesische, Bei- trag zur Kenntniss des Altspanischeu", Berlin 1867, und „Der alt- leonesische Dialekt", Berlin 1868, v. Diez, I, 98), ferner Alexandro Magno von Juan Lorenzo Segura de Astorga, welches Gedicht (nach Fuchs 58) leonesisch ist;* für das Aragonesische veröffentlichte Geron. Borao 1859 in Zaragoza ein gutes Diccionario de Voces arago- nesas; für das Andalusische Fernan Caballero, Cuentos y poesias populäres andaluces (colleccionadas, Sevilla 1859), und ähnlichen Zweck verfolgte F. Wolf in seinen „Beiträgen zur span. Volkspoesie" aus den Werken von F. Caballero, v. Ebert 1861. 209 etc. (Wien 1859), während eine 1867 zu Sevilla gegründete Sociedad de bibliofilos anda- luces (v. Ebert 1870. 453) sich der Veröffentlichung unedirter und seltener Werke annimmt; eine Graraatica de la lengua Menorquina edirte Soler (Mahon 1818), eine Sammlung von Poetos de las Islas Baleares erschien 1858 in Palma, üeber Südamerika erfahren wir aus Eberts Zeitschrift 1860 p. 164.., 1861. 177-95 u. 1862. 35.., wo besonders Gutierrez die amerik. spanische Literatur ausführ- lich behandelt hat, während El. Reclus (i:i der Revue des deux Mondes 1864) „Poesie et les poetes dans TAmerique cspagnole" be- spricht und Febrer Diccionaris Chileno-Hispano y Hisp.-Chil., San- tiago 1846 wie MartyDicc. de la lengua castellana (Madrid 1858) unter americanas und provinciales voces der lexikalischen Seite einigermassen Genüge thun.

Etwas günstiger als beim Spanischen stellt sich die Sache jetzt bei dem Katalanischen, jenem dem Provenzalischen so nahe stehenden Dialekte des noidöstlichen Spaniens, über welches sich freilich zwei sehr verschiedene Ansichten gegenüberstehen. Mila y Fontanals

* Ueber Altspanisch vgl. Mussafia, Altspan. Prosadarstellung der Crcsceutia-Sagc, Wien 1866 u. Ilerrig Archiv XLI, 106—112.

Ueber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 249

(Ebert 1862. 207) sagt „die Katal. Litteratur habe doch sicher noch Tage des Glanzes zu erwarten , besonders, da Barcelona für katal. oder kastil. Werke Belohnungen ausgesetzt habe" während Helffe- rich (Lull p. 2) behauptet „es wird kaum noch eine Sylbe katal. ge- druckt mit Ausnahme jener Goigs oder gereimten Legenden, die als fliegende Blätter mit Holzschnitten zu gefeierten Heiligentagen aus- gegeben und neuerdings sogar mit Noten versehen werden" u. Ebert (H, 241. 1860) erklärt „die prov. u. katal. Litteratur hätten ftir den Histori- ker den eigeuthümlichen Reiz, dass sie ähnlich denen des Alterthums aus- gestorben, ganz dem Bereiche der Geschichte anheimgefallen seien." Dass diese letzteren Ansichten nicht ganz richtig, wenn auch die jetzige katal. ähnlich wie die heutige provenz. trotz des höchst anerkennenswerthen Eifers einzelner Lokalpatrioten die frühere mittelalterliche Blüthezeit nicht erreicht, wird ein kurzer Ueberblick über die neueren Ereignisse klar machen. Auch hier haben seit Schlegel und Bouterwek deutsche Gelehrte durch literarhistorische Arbeiten wie durch Herausgabe von Tex- ten wesentlich mitgearbeitet; so Laiiz, der 1844 den Muntanez heraus- gab (Stuttgart), F. Wolf in seinen obenerwähnten „Studien" und in „Proben portug. und catalan. Volksromanzen" 1856, H elf f er ich in seinem Kaymund Lull und die Anfänge der catal. Litt., Berlin 1858;* Fuchs (1869 etc.) und Diez, der in der 3. Aufl. seiner Grammatik das Catal., die Sprache Gotalauniens als Zwillingsschwester des Pro- venzal. bezeichnet und behandelt. Nach Jan bert de Passa Recherchcs bist, sur la langue catal. (Mem. des Antiquaires VI, 297) u. Bar et in Espagne et Provence (1857) Bd. 1, 63 fol., fand diese Litteratur aber besonders einen sehr berufenen Bearbeiter in Cambouliu, Essai sur l'histoire de la litt, catah, Paris 1857 (v. Ebert 1860. 246) und Recherchessurles origines etymologiques, und vor Allem in katalanischen Gelehrten,** die Begeisterung für ihre Sache mit der grössten Kenntniss des von ihnen behandelten Gegenstandes verbanden: so Tor res y Amat Memorias de los escritores catalanes 1836 (fortgesetzt v. Juan Corminas 1849, Burgos), Milä y Fontanals observaciones sobre la poesia populäre, Barcelona 1853, mit einem Romancerillo catalan, Kata- lanische Volkslieder, Romanzen und Märchen, 1853 Barcelona, Trova- dures an Espana, De algunas representaciones catalanas religiosas y

* V. Ebert 18Ö0. 246..; er handelt ausiührlich von der älteren Epoche und gibt einen {genauen Naehwi'is von catal. Schriften 28 etc.

** Ticknor hat nach Ebert II, 1SÜ0,2-14 diese Litteratur ungerecht behandelt.

2.')0 lieber den heutigen Stand der romanischen Duilcktforöchung.

vulgares in Rivista de Ctitaluna 18G2, und Katalan. Dichter (im Jahr- buch V. Ebert 18Gi3); ferner Katalan. Dichter des 14.u. 15. saec. (ibid. 1864. 137 90); Magin Pers y Ramona Historia de la lengua y de lit. cat., Barcelona 1857, Aguilö y Fuster biblioteca catalana (vgl. Rivista bibliographica 1873) und besonders Antonio de Bof'a- rull,* der 1858 la lengua catalana considerada historicamente ver- öffentlichte (Barcelona), woran sich 1864 Estudios, sistema gramatical y crcstomafia de la lengua cat. anschloss, und der 1862 in Madrid eine längere historische Novellle unter dem Titel la orfa- ncta de Menargues ö Catalanya agonisant herausgab. Die Jochs florals de Barcelona , welche nach denen von Toulouse Ende des 14. s. entstanden sind, befördern die Pflege heimischer Dich- tung, und die dort gekrönten Lieder werden seit 1860 jährlich ver- öffentlicht — ein solcher gekrönter Dichter ist Albert de Quintana, welcher 1870 den Preis davontrug: er schliesst sich den alten Dich- tern Auslas March (16. saec), JaumeRoig, Vincens Garcia (gest. 1623), wie den späteren Aribau in A deu siau turons (1833) etc., J. Rubis lo gaiter del Llobregat u. A. an, und gleich ihm dichtet und sammelt Pelay Briz (Cansons de la Terra, cants populars catalans, 3 vol. Bar- celona 1868 71) und Maspons y Lebrös (Lo Rondallayre, Quantos populars, Barcelona 1872). (Ueber ein 1860 in Barcelona im Theater vorgetragenes Gedicht handelt Sauer, Herrigs Archiv 1860.) Das Angeführte zeigt, dass die Sprache auch literarisch noch cultivirt wird, über die Antonio de Labrija schon 1507 ein grosses Lexikon (catal. u. latein.) in Barcelona edirte, während Llorens Cendros 1676 eine Grammatik, W. Pau Ballot y Torr es eine Grammatik y apologia de la lengua cathalana (Barcelona 1815) und Santiago Angel Saura 1864 ein Diccionario manual castellano y catalan in dritter Auflage herausgab. Auch der valen ci a n i sehe Nebendialekt, über welchen Diez, I, ll3 nachzusehen, hat in der Biblioteca valenciana de los Escritores que florecieren hasta nuestros dios von Fuster, con adiciones y enrai- endas a la de V. Ximeno Valencia 1827 30 eine eingehendere Be- handlung erfahren, wenn auch neuere Publikationen darin nicht be- kannt geworden sind (vgl. Carlos Ros breve esplicacion de las castillas valencianas 1751, Diccion. valenc. castillano Valencia 1764 nebst dem älteren Vocabulario Valenciano von Palmirano 1569).

* V. Vida y escriptos de D. Prospero de BofiiruU. Milli y Fontanals. Barcelona 1860.

Ueber den Leutigeu Stand der romanischen Dialekt forsdiung. 251

Die alt-provenzalische Litteratur ist seit längerer Zeit ein Schooskind der gelehrten Forscher, seitdem Sainte-Palaye (1697 1781) durch seine grossartigen Sammlungen angeregt, und Bastero la Crusca provenzale (Rom 1724), Millot (Hist, litteraire des Troubadours 1774) und Papon (Hist. generale de Provence, Paris 1777), Voyage de Pro- vence 1787, Bouche (Essai sur l'histoire de Provence 1785) zu genauem Untersuchungen veranlasst hatten. Roquefort, Glossairede la langue romane (Paris 1808), Roche fort mit seinem kleineren Essai d'un Glossaire occitanien, Toulouse 1819 und dem ebend. 1819 edirten Parnasse occitanien, wie besonders Raynouard (1761 1836) durch seinen Choix des poesies originales des Troubadours (Paris 1816 bis 1821), in dessen 6. Bande die Giammaire coraparee des langues de l'Europe latine , und durch das nach seinem Tode herausgekommene Lexique Roman (6. B. 1838 44) gaben vor Allen den Anstoss in Frankreich, während Diez (Leben und Werke der Troubadours 1829) auch hier ein grundlegendes Werk schuf, dem sich sammelnd und edirend eine grosse Zahl anderer Gelehrten anschloss, von welchen es hier genüge, nur die bedeutendsten in aller Kürze zu nennen. Fau- riel (Origine de Tepopee chevaleresque 1832, iiber welchen meine Abhandlung Archiv XXVI Provenzalisches Epos zu vergleichen), Galvani (osservazioni sulla poesiade 'trovatori, Modenal829), Mahn (Werke der Troubadours 1846 etc., Biographien der Tr., Berlin 1853, Gedichte der Troubadours, Berlin 1856...). Brinknieyer (Blumenlese aus den Werken der Tr., Halle 1849), Delius (Lieder der T., Bonn 1853), Bartsch (Provenzal. Lesebuch, Elberfeld 1855 etc., 2. ed. 1867; Chrestomathie Provenriale accompagnee d'une grammaire et d'un glossaire, 3. ed. Elberfeld 1875; Denkmäler der prov. Litteratur, Stuttgart 1856..., Peire Vidals Lieder, 1857 etc.), Grundriss zur Ge- schichte der prov. Litt,, Elberfeld 1872 Grützmacher, Tobler, Mus-

safia, P. Heyse, Böhmer ; in Frankreich Azai's , der Herausgeber des Breviari d'Amor (Beziers 1862) und P. Meyer, welcher in genialster Weise diesen Studien mit unermüdiichem Fleisse obliest. *

* vgl. Hist. litt, des Troubadours (Paris 1774); Fahre d'Olivet Poesies occitaniques du 13. friede (Paris 1803); Schlegel observ. sur la lan- gue et la litt. prov. (Paris 1818); Laveleye Hist. de la langue et de la litt. prov. (Bruxellüs 1843): Closset Hist. de la langue et de la litt. prov. (Bruxelles 1845); van Benimel de la langue et de la poesie prov. (Bruxel- les 1846), Fauriel Hist. de la poesie prov. (Paris 1846). Ihnen sind an- zuschhessen: lluünatsclie „Ueber Ursprung und AVesen der romanischen

252 Ucber Jon heutigen Stand der lonianisclion Dlalcktforsclmug.

Wälirend wir aber für diesen Si)nicliz\veig in den von Gucssard (Paris 1858) odirten Granimaires proven9ales de Hugues Faidit et de Raymond Vidal de Besaudon schon im 13. s. geschriebene Gram- maliken besitzen, die um faet G Jahrhunderte Raynouard's Gramma- tik und Adrian's 1825 in Frankfurt a. M. erschienenen dürftigen „Grundziigen zu einer prov. Grammatik" vorangingen; während jetzt auf allen Gebieten der prov. Muse, besonders auch für Einzelausgaben der bedeutendsten Dichter gesorgt wird,* ist doch für die Dialekt- forschung bidhcr nur ein geringes Resultat herausgekommen, da ja die Handschriften nicht immer ein sicheres Unheil über die Schreibweise des alten Autors erlauben, wenn man auch seine Geburtsgegend und

Sprache; Maiulet Mistoire de la langue romane (Paris 1840), Ilenslow sin- Toriirine de l'e^prit analytique des langues ronianes 1862, Cornwall Lewis All Essay er the Orifiin aml forination of tbe romance languages (London l}^62), Mussafia Beiträge zur Geschichte der romanischen Sprachen (Wien 1S62).

* Epos: Giinrt de Roussillon ed. K. Uoffmaiin : Mahn (vgl. P. Meyer Etudes sur la ehanson de G. de R., Bibl. de rErole des Chartcs, Sept. 18G0, Ebeit Zeitschrift 18(30. 416); Ferabras ed. Bekker, Berlin 1826; Fla- nienea ed. P. Meyer (v. Jahrbuch Ebert VIL 188, MIl. 113) 1865; und in Raynouard's u. Mahn's Sammlungen Histoire de la giierre des Albigeois uouv. ed. Toulouse 18'J3 (Le poeiiie de la croi sade contreles A. v. Guibal, Toulouse 1864).

Novellen und Legenden b. Mahn, Bartsch, Raynouard.

Drama von Bartsch „Sancta Agnes", Provenz. geistliches Schauspiel ed. B., Berhn 1869 (v. Ebert 1870. 411).

Lyrik: G. de ßerguedan v. Bartseh (Jahrbuch Ebert VI. 3 etc., 1865. 230, 1866. 126). Guirart Riquier v. Mahn, Berlin 1853 (vgl. Archiv XVI); P. Vidal v. Bartsch 1857; B. de Born v. Laurens, Paris 1863; G. de Cabestanh v. Hüfler, Berlin 1869; Folquet de Lunel v. Eichelkraut, Ber- hn 1872; Mönch v. Monteudon v. Philippson, Halle 1873 (v. Ebert 1874. 339); B. V. \'entadour v. Bisclioff, Berlin 1873, Biographie; G. v. Ba- laun v. Mahn (v. Archiv ?;;XXIII. 119 123); Cercamon v. Mahn (Ebert 1859. 83—100 u. 212); Garin lo Brus v. Bartsch (v. Ebert 1861. 399..); J. Rudel u. seine Werke v. Alb. Stinuning 1873, Kiel (v. Ebert 1874. 337); Anciennes poesies religieuses en langue d'oc ed. P. Mever (Ecole des chartes JuU 1860, V. Ebert 1861. 423).

Didaktik. Breviari d'anior „Bruchstücke" ed. C. Sachs (v. Archiv XXV. XXVI., Ebert 1862. 421); die Ausgabe des Ganzen besorgte G. Azais für die Societe areheologique, scientih(iue et litteraire de Beziers 1856 ; Le Tresor de P. de Corbiac ed. Dr. Sachs, Brandebourg 1859; Los Auzels eassadors, poeme provencal de Daude de Pradas (public avec une intro- duction par Dr. Sachs 1. part. Brandebourg 1865).

Prosa. Las Flors del Gay Saber estier dichas las Leys d'aniors ed. Gatien-Arnoult, Paris et Toulouse, 1. Abtheilung des Monuniens de la Litt, romane depuis le 14. siec.le, dessen 2. Theil Las Joyas del Gay Saber ed. Noulet (P. et T.) (v. Bartsch Lesebuch, Einleitung); Lo libre de l'estoria de la vida de Tobia v. AVollenberg (Archiv XXXII), Epitre de St. Paul aux Ephcsiens et Ilist. de Susanne en prov. (Archiv XXVIII. 1 u. Ebert 1861. 423).

Ueber den heutigen Staml der romanisclien Diakktforschunfr. 2ö3

eventuell die Schule kennt, aus der er hervorgegangen (Baret, Espagne 1856: hat 11 solcher Schulen in 5 Hauplgruppen: d' Aquitaine, d'Au- vergne, de Rodez, de Languedoc, de Provence aufgestellt). Ist doch selbst die Frage nach der Aussprache des Altprovenzalischen und ihr Ver- hältniss zu der desNeuprovenz. noch in ein eben solches Dunkel gehüllt, als der so viel bestrittene Punkt der richtigen Aussprache des Altlateinischen. Ein ganz bestimmt zu sondernder Dialekt des alten Provenz. ist die Wal den s er Sprache der Nobla Leyczon (v. bl. Hahn, Ge- schichte der Waldenser 1847, Dr. Herzog Die romanischen Waldenser, Halle 1853, Dühr Programm Friedland 1869, Schmitz Neueste Fort- schritte p. 77, Diekhoff Die Waldenser im Mittelalter, Dr. Bernard über das Alter der N. L. in der Erlanger Zeitschrift für Ilistor. Theo- logie 1864) und der waldensischen Bibel (Li sent evangile de notre Seigneur Gesu Christ counfourma Sent Luc e Sent Gian , London 1832, St. Gilly theRomaunt version of the Gospel according to St. John, London 1848, Bradshavp Publications in the Cambridge Antiquarian So- ciety 10. März 1862, The books of the Vaudols, The waldensian Manu- scripts of Trinity College Dublin ed. Todd 1864 nebst Grützmachers Besprechung der Werke bei Ebert 1862. 372 etc. und P. Meyers Ar- tikel in der Revue critique 1866, 3). Während die Nobla Leyczon dem 15. s. ext. entstammt, ist durch Grützmachers ausführliche gram- matische Untersuchung (Ebert 1862, vgl. Archiv XVI) nachgewiesen, dass jene anderen Schriftstücke einen im 12. s. in der Lyoner Gegend gesprochenen Dialekt darstellen; das Waldensische hat sich aber erst später in Italien specifisch entwickelt und ist litterarisch nicht weiter ausgebildet (401 u. 402), vgl. Mus ton de l'origineetdu nom des Vaudois (Strassbourg 1834) ; übrigens rechnet es Biondelli zum Piemontesischen. Mehr als für irgendein anderes rouianisches* Gebiet hat sich jetzt seit einigen Jahren unter den 10 Millionen für gewöhnlich nicht fran- zösisch redenden Bewohnern des südliclicn Frankreichs, (die Grenze zwischen diesem District und Nordfrankreich v. Böhmer 32), besonders durch die Initiative einiger begeisterter Dichter, ein energisches Streben nach produktiver Fortbildung der gewöhnlich pro ven zalisch ge- nannten Dialekte gezeigt, wenn auch der öfter geleistete Versuch einer

* Chami'Ollion-Figeac in seinem bedeutenden Werke Charte de Com- munes en langue romane pour la villc de Grealou en Gercy avcc des recher- ches sm- quelques points de Thistoire de la langue romane en Europe et dans le Levaur (1829) u. A. nennen diese Sprache la roinanc j-.«t' £^ox']v.

254 lieber iUmi hcul|e;('n Stund der romanischen Dialektforschung.

Vorbrüderung mit den Katalanischen Brüdern wohl schwerlieh politische Folgen haben dürfte, da die hier und da laut gewordenen Wünsche für eine staatliche Lostrenniing von Frankreich doch nur sehr ver- einzelt* aufgetreten sind. Schon 1848 fand das erste Verbrüderungs- fest inSanRouniie statt, auf welches das zweite im Jahre 1808 folgte (v. Charles deTourtoulon Les fetes litt, internationales de 1868, Tou- louse 1868, Li Felibre en Catalougno „La rampelado de Roumietix" 1808 p. 381). Gegen diese Tendenzen eifert bsd. Eugene Garcin Les Fran(jais du nord et du midi, Paris 1868 und Croisade du Fro- ven^al contre le FrauQais, Paris 1869 aus der Revue moderne, vgl. le Nouvelliste Marseille 21. Jan. 1864.

Nachdem die herrliche Blüte Südfrankreichs im 13. s. dem reli- giösen Fanatismus im Bunde mit nordfranzösischen Annektirungs- gelüsten erlegen war, sank auch die einst tonangebende Sprache der Ti'oubadours mehr und mehr (v. Baret 428), und wenn auch die schon im 14. s. wieder ins Leben gerufene künstliche Belebung derselben durch die Jeux Floi-aux ** zu Toulouse (die 1323 gestiftet Avurden und sich leidlich lebensfähig hielten, wenn auch Clemence Isaure, *** nur eine Personifizlrung der von den Dichtern oft angerufenen Cle- men^a der Maria, nicht in der oft gefabelten Weise für sie wirkte) einigen Einfluss ausübte, so konnte doch das immer mehr zum Patois herab- gedrängte Idiom dem Französischen gegenüber sich nicht die Herr- schaft wahren. Erst Pierre Goudelln aus Toulouse 1579 1649 (v. Clalre v. Glümer Liternationale Revue I, p. 893 etc. und Günther) brachte einigen Aufschwung zu Wege, und Noulet in seinem Essai sur l'histoire litteralre des patois du midi de la France aux 16. et 17. s. (Paris 1859) zählt 471 Patoispublikationen aus jenem Zeltalter auf; auch das berühmte Dekret des Konvents (8. Pluvlose II), dass In allen Ort- schaften Frankreichs Lehrer des Französischen angestellt werden sollten, um dies Idiom möglichst zur Herrschaft zu bringen, erreichte seinen Zweck nicht vollständig. Den Hauptelnfluss aber auf eine weitere Kräftigung dieser Bestrebungen hatte im Westen der freilich nicht Propaganda machende Jaquou Jasmin oder eigentlich Jansemin, Friseur in Agen

* So bsd. L. Monne 1870 in Versen in dem Armaiia prov. für 1871. ** V. Baret 114; Camboulin Renaissance de la poesie prov. u Toulouse au 14. s. (Ebert 1861, p. 125); Cazencuve origine des jeux floraux 1659. Las joyns (d. h. joyaux) del gay sabcr Toulouse etc.

*** Schon Catel Memoires sur Tbist. du Languedoc 16. s., bsd. aber Cam- bouliu weist nach, dass diese Sage schon 1526 gebildet ist.

Ueber don heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 255

(1798 18G4), der von St.Beuve(XXVIII) le Manzoni Languedocien genannte, 1870 in seiner Vaterstadt durch eine Statue (v. Armana 1871) gefeierte Autor der Papillotos (1835) und vieler anderer Gedichte (v. Böhmer 5 Prouven9al. XXVII. etc., Adrien Donnodevie Les der- niers troubadours, Jasmin, Mistral, Paris 1863; Giavanoly Archiv 1865; Rabain, Jasmin, sa vie et ses oeuvres Limoges 1867; P. Meyer los derniers troubadours de la Provence in Riblio. de l'Ecole des C har- tes 412, 1870, worüber vgl. Tobler Göttinger Gel. Anzeigen Nr. 2 1872) und vor Allen Roumanille (v. Böhmer 6*), oin Gärtnersohn aus St. Remy, welcher 1847 li Marguideto, 1857 li Capelan, dann li Sounjarello und Noels in der von ihm edirten Sammlung Li Noue 1852, li Proven^alo 1852, la Part daubon Dieu mit Abliandlung über prov, Orthographie** 1853, la Farigoule, li Partageaire, lis oubreto en vers, Avignon 1864 in 3 ed. und gleichzeitig 11s oubreto en prose ver- öffentlichte, edirend, sammelnd und selbst dichtend für die Neubelebung und Gestaltung der neuprovenz. Schriftsprache thätig war, und 1874 zum Ritter der Ehrenlegion ernannt wui'de als Anerkennung für den relativen Erfolg der recht eigentlich durch ihn als die Seele des Ganzen begründeten, aber in bestimmte Bahnen gelenkten neuprovenz. Bewegung, bei der besonders Frederic Mistral*** (gb. 1830 v. Böhmer 12 etc.; Taillandier Revue des deux Mondes 10. 1859), Kannegiesser Archiv XXVI. 3 u. 4) und Th. Aubanel ihn als die befähigtsten Mitarbeiter unterstützen. R. stiftete 1854 die Gesellschaft der Felibres, aus 50 Mitgliedern in 7 Abtheilnngen bestehend, deren Präsident Mistral ist, er begründete und druckte seit 1855 den Armana proven^au für Ver- öffentlichungen neuprovenzalischer Dichter, wie er schon 1852 die Sammlung li Proven^alo edirt hatte. Neben diesem Blatte wirken mehr oder weniger in gleicher Tendenz die Revue des langues romanes, welche die 1869 in Montpellier von Cambouliu gestiftete Societe pour l'etude des langnes romanes seit 1870 herausgibt, vgl, Messager du midi Montpellier 21. Febr. 1869 v. Ach. Montel und die von Gatien -Ar- noult begründete Minerve de Toulouse.

Gross ist die Zahl derer, welche besonders in der neuesten Zeit sich zu poetischen Produkten dieses neugebildeten Idioms bedienen, welchem zwar G. Paris (Ebert 1861. 15) die Möglichkeit des Ge-

* V. F. Lagarrigue Les Meridlonaux, Paris 18(i0.

** Ein Gegner seines orthog. Systems ist Bousquet (v. Roumanille's \'orrede) . *** Er schrieb: Mireio (B. 14) ed. 1859 in Avignon. zwei Mal ins Eng- lische übersetzt Calcndau (B. 20) Gräfin und Einzelnes in der Armana.

•Jöü lieber den lioutigcn Stand dor romanischen Dialektforschung.

deihens abstritt, da ja die Ccntralisation Frankreichs und der allseitige Verkehr ihm hindernd in den Weg treten, das aber besonders jetzt bei den überall in Frankreich zu Tage tretenden Dezentralisationsversuchen doch noch wohl eine Zukunft hat.

Hauptquelle für die Patois im gesammten Frankreich ist Pierquin de Gembloux Des patois et de leur etude, besonders die 217 335 gegebenen, auch von Mary Lafon in seiner Histoire du midi de la France, Paris 1842, aufgenoninienen Bibliographie derselben; wo- neben Coquebert de Montbret Melanges sur les langues, dialectes et patois (Paris 1831), der oben citirte Champollion Figeac, Schnakenburg tableau des idiomes populaires 1840, Terrin de l'origine, des progres et de l'infliience de la lange proven9ale (Revue de Provence, Marseille 1830. II. 150), Cabrie le Troubadour moderne, Paris 1844. XLV; endlich Fallot recherches sur les formes gram- maticales de la langue fian^aisc et de ses dialectes au 1 3. siecle (Paris 1839) zu vergleichen sind.

Wie relativ bedeutend übrigens diese Bestrebungen sind , zeigte die mit grossem Pompe in Szene gesetzte Petrarcafeier in Avignon, bei welcher die Felibre u. pi'ovenz, Dichtungen zu Ehren des grossen Ifalienei's eine nicht geringe Rolle spielten.

Die Dialekte des Südens, welche, ausser dem sprachlich dazu ge- hörigen schon oben behandelten catalniiischen, valencianischen und waldensischen (s. Fuchs 231) nocli 6, zwar manche eigenth um liehen Züge hervorgebracht haben, aber keine so grellen Gegensätze unter sich zeigen als die Italienischen (Diez I, 106), sind

I. Neu-pro venzalisch, in denDep. Dröme, Vaucluse, Bouches du Rhone, Vai-, Hautes et Basses Alpes, dessen Hauptkulturstätten Aix, Arles, Avignon, Marseille sind. Die bedeutendsten Autoren dieses Unter- dialekts sind

a) in Avignon und seiner nächsten Umgebung Micoulau Sa- boly, le Lafontaine du Noel (Roumanille LI) 1614 1675, Fr. de Begue Jardin dei niusos 1665, Palamede Tronc de Codolet, Autor des 1684 aufgeführten Lustspieles leis Fourbaries dau siecle. Astier v. St. Remy 1777; Jean Sicard de la Tour d'Aigues, G. Venel, Charles de Pey- rier, Ch. Sceaux, Jean de Chazelles, Etienne Fontaine, der Burlesken schrieb, Paul Belaud, P. Cameron (17. s.), Galaup de Chasteuil 18. s., Jean Claude Peyrot (1709—95)* Antoni Peyrot (gest. 1781); aus

* Ueber «liese Litteratur siehe ausser dem oben erwähnten Tourtoulou

Ueber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 257

unserem Jahrhundert aber Paul Antoine d'Agar von Cavaillon (gest. 1831), H. d'Anselme aus Salon, Redakteur des Journals La Com- mune, Alb. Arnavlelle, Th. Aubanel von Avignon , der Ödes d'Anacreon en vers languedociens und bsd. la miougrano entreduberto Avignon I8GO edirte (v. Roumanille Proven^alo XXXu. Böhmer 11); B. de la Barte, J. Bastiera v. Cavaillon; Ricard Berard; Augustin Boudin aus Avignon, der Fabeln dichtete (Gerbeto de Fablo) ; L. Borel. Drucker aus Avignon (Noel 1852); Bousquet, Brueys, J. Brunet lou pintre (Noel 1852); J. de Cabanas; Castil Blaze aus Cavaillon (v. Roumanille Prouv, XV, La part XVI); A. B. Crousillat und Adam de Craponne aus Salon ; H. Laidet ; de la Fare Alais aus Alais (v. Roumanille La Part XXIX, Böhmer 6), Verfasser der Castagnados (2. ed. 1851 Alais); Bonaventure Laurens von Car- pentras; Anselme Matthieu aus Chateanneuf (Vaucluse); F. Mistral, M. d. Moudonville (Daphnis et Alcimadure), Montet (Troubadour); Pelabon, lou groulie bei esprit vo Suzeto et Tribor, comedie en vers prov. Avignon 1795 n. Marseille 1838; Ozils de Cadartz (Roum. XLV); Peyrottes, gest. 1858, 45 Jahre alt, Töpfer aus Clermont (He- rault); Poncy; E. Robert, lou miracle de la Saletto critiquo en vers patois, A. Tavan , Bauer aus Chateauneuf, Fr. Vidal, Bonaparte- Wyse, le parpioun bleu em un avantpropaus de Fr. Mistral (Avignon 1868). b) Aix: Loys de la Bellaudiere le don-don infernal 1538, Can- tiques proven^aux B. 1689; Claude Brues jardin dei musos 1628; Gaspar Zerbin la perlo dei musos 1655; Raynier de Briancon, Jardin dei musos 1686; d'Isnard poesies 1698; leis Desastros de Barbekan A. 1744 ; les deux harangues des habitants de la paroisse de Sarcelles a Msgr. l'archeveque de Paris, Aix 1731, 3. ed. 1732; les nouveaux appelans 1732; Jean de Cabanes, historio sincero sur, la guerro doou duc de Savoye 1707, Aix 1830; J. P. d'Astros Fablos 1827; Diouloufet, Bibliothekar von Aix leis Magnan 1819, epitre sur l'existence de Dieul825, Fahles, contes 1829; Alph. Maillet poesies

(Renaissance de la litt, tatalane et de la litt. proven9ale, Toulouse 1868) und Noulet, noch Mary Lafon Tableau historique et littdraire de la langue parldo dans le midi de la Franco, Paris 1842, L. de Laincel des troubadours aux felibres, etudes (Aix 1862); Duncan Craig Handbook to the modern provencal language, London 1863; Ed. Boehmor Die provenz. Poesie der Gegenwart, Halle 1870; ferner das ziemlich schwache „Bartling Die Mund- arten des südlichen Frankreichs in ihrem doppelten Verhältniss der Schreib- weise und der materiellen Zusammensetzung der Worte" (Ebertl871. 269). Der Bericht Safurnin Ldotards über diese Lilteratur, welchen Böhmer als schon 1870 beabsichtigt erwähnt, ist noch nicht erschienen. Archiv f. n. Spraclion. LIV. 17

2ÖS Uobor ilon lioutigcn Stand der romanischen Dinlektforscliung.

fraiKjaisos et pioven^alus Aix 1848; J. B. Gaut la dindoulctto; Da- mase Arbaud chants do laBongadoprovcn^alo, Sprüchwörter aus dem 17. s., neue Auflage Aix 1859 (v. Ebcrt 18(51 p. 355), wahrKchein- lich von Fr. de Bigue, der 1665 einen jardin dei Musos prov. lier- ausgab (]6G6 ohne Titel neu aufgelegt, Provence 1864). Die abeille du midi, Journal von Aix, setzte eine Zeit lang Preise für Novellen aus der provenz. Geschichte aus.

c) Arles: Aubert, cura de Boulbona (B. du Rhone); Be- laud obros 16 saec. ; L. Borel; A. Boudin; D. Cassau; Jean B. Coye (gest. 1768) Oeuvres 1829; Jacques Darlutan de Beaumont 18 saec; J. Desanat Troubadour Nationnaou vo lou chantre ta- rascouneu , recueil de poucsiou. Marseille 1831; Coursos de la Ta- rasquo (Arles 1846); la statuo de Puget, pouemo 1846; C. H. Du- puy, Anakreontiker (v, Proven^al. 199), A. Dupuy, beide aus Car- pentras; Dr. Frechier in Maussana (B. du Rhone); A. Gautier aus Tarascon ; Glaup, der Teniers proven^al (Proven^al. XXXT) ; Grabie ausMoriere; Jacintou Morel „lou Galoube" (Avignon 1828 ; ist aber arlesisch prov.) ; er ist Professor am College in Avignon ; Camille Reybaud aus Carpentras (v. Roum. XXXIX); Sicaoud course de bioou (A. 1827); A, Tavan; de Truchez Pastressou vo leis esconfes tres, comedie en un acte en vers, Paris 1824; Miqueou de Truchet, cansones, Paris 1827.

d) Marseille (Achard Vocabul. pro ven9al M. 1785) Chansons nouvelles en Proven^al, composees vers 1550 (ed. M. 1844); Aude- bert le fortune Marseillais, comedie 1775; Barthelemy lei leys dou Canebier 1138; Louis de la Bellaudiere Obrosl785; P. Bei- lot lou martegaou en voyage, conte comique; les loisirs d'un Flaneur, Paris 1822 (v. Proven9. XXXIII); obros coumplitos 4 vol, M. 1841. Derniers beluguos poetiquos M. 1853; G. Benedit (v. Rouman. LIII); J. P. Bonneville 1781; Marius Bourrelly Leis Cigalas M. 1853; Carvin comedies 1821; Fortune Chailan lou Paisan aou theatre; lou Gangui 1853; Carvin, Meste Burus, comedie M, 1824; Gal lou desespoir de Mise Blesquin ; E. Gar ein Parnasse prov. fahles et contes M. 1845; Gelu chansons ; F. T. Gros (geb. 1698) Recueil de pouesios proven^alos M. 1734, 1763, 1841; Jules Lejourdan Lou couguou M. 1850, lou Cholera Morbus, la boueno ronto, in Prosa voyage de Fr. Barna a Paris; Marius Clement pouesios M. 1848 1852; L. Monne; Pau obras (M. 1595); Cantiques spirituels ä

Ueber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 259

l'usage des niissions de Provence en langne vulgaire Mars. 1756, 1783, 1804; Cansons spirituales M. 1700; Leonide Constans Noel 1852 Toulon; Lou bonquet prouven^ao, M. 1826; Bouillabeisso Gedichte 1844 46 (v. Rouman. XLV). Aus Toulon nennen wir Matthieu Benoni patrona praive (T. 1833); Gastin el lou Cordie raoucounteu (Coraedie 1839), Reymoneng Fables 1835. Ueber die Sprache des Südostens nach Italien hin v. Ant. Geo.de la Tour aus Digne 17. saec. ; Barth. Fourjou, eure un Flassans bei Frejus, poesies non recueillies, (heisst Ovide proven^al) ; J. Dabray essais poetiques, Souvenirs de Nico, chansons pop. N. 1851. DasNizzardische ist auch zu finden in Duncan Craig Handbook to the modern prov. lan- guage London 1863 v.Fr. Trucchi J. Provenzali in Nizza (Torino 1853) und Böhmer bei Ebert 1869. 202.

II. Dauphine (v. Fuchs 243, Mandet Hist. de la langue romane 312); Colomb de Bat in es bibliographie du patois de Dau- phine (Grenoble 1835); Champollion-Figeac Nouvelles recher- ches sur les patois (worin la litt. Dauphinoise und bsd. Isere behandelt ist), Paris 1809.

Diese Mundart trägt entschieden Spuren nördlichen Einflusses und hat harte, schwerfällige und monotone Aussprache, weshalb die Provenzalen die diesen Dialekt Redenden Franciaux nennen.

Millot (17. saec.) schrieb 3 Lustspiele in diesem Dialekt (v. Fuchs 244). Er theilt sich in:

1) Grenoble, dessen Sprache wir kennen lernen aus: Laurent de Besan^onXVI; de Chaulnes Noels; Recueil de poesies en langue de Gr. 1662; vor allem aus Blanc, dit Lagoutte Grenoblo malherou; Epitres en vers 1729 (ed. Poesies patoises 1829);

2) Oisan (Fuchs 249);

3) Trieves. Die Noel und chanfs populaires der Franehe- Comte sammelte M. Bouchon (Salius 1863); Belamy recueil de noels anciens au patois de Besan^on. Besannen 1858.

IIL Der Lyonner Dialekt (im Dep. Rhone, Aix und einem Theil von Saöne et Loire ) hat auch nur wenige von den Schön- heiten seiner südlicheren Verwandten ; seine Aussprache ist näselnd und langsam. Ein treues Bild davon gibt die Marionnette, Journal satirique, die im Jahre 1867 wöchentlich ein Mal in Lyon erschien. Behandelt ist er hauptsächlich von :

17*

260 Uebcr cU'ii lioutigen Stand der romanischen Dialektforschung.

Monin Etiide sur la genese des palois et en parliculier du roman ou patois lyonnais suivi d'nn essai comparalif de prose et prosodie, romanes (Paris 1873); Onofrio Essai d'im gloss. du patois de lyonnais, Forez et Beaiijolais (Lyon 18G4) ; L. P. Gras Dict. du palois Forczien Paris

1864; Noelas Dict Lyon 1865; Bibliographie lyonnaisc du

15. siecle; Pericaud Lyon 1859; dazu vergleiche man: V. Smith chants de pauvres en Forez et en Velay (vgl. Romania XI. 365 . .) ; Allard, E, Marcellin Ballet en langagc Foresien Paris 18G0, Le Patois des Fourgs, arrond. de Pontarlier (Donbs) v. Tissot Be- sannen 1865 und Memoires de la Societe d'emulation du Doubs.

IV. Occitanisch oder Langucdoc im engeren Sinne in den Departements Gard, Herault , Pyrenees - Orientales, Aude, Arriege, Haute-Garonne, Aveyron, Lot, Tarn -et-Garonne, Tarn, Lot-et-Ga- ronne v. Court de Gebelin, Mandet Hist. 336, Fuchs 255, Astruc Mera. pour l'histoire naturelle de la province de L. (Paris 1757); Aza'is Diction. des idiomes languedociens. Beziers 1863; Hombres Dict. languedocien-fr. Alais 1872. Lucette in Moliere's Pourceaugnao spricht diesen Dialekt, der nach einigen Dialektologen in 5 Unterarten zerfällt: 1) die Mundart von Aude imd Herault, 2) die von Nimes, 3) die derCevennes, 4) von Aveyron und Lot, 5) die Sprache der übrigen innerhalb des Languedocischen Sprachgebietes gelegenen Distrikte alle stehen dem Altprovenzalischen näher als das Neuprovenzalische und sind höchst musikalisch, accentreich und beweglich.

1) Nimes (v. Perrot Lettres sur Nimes et le Midi 1840). Die bedeutendsten Dichtungen darin sind: Alb. Arnavielle lous cants de l'aubo Nimes 1868 ; Le Repa'ich campestre ou l'Empouissou- nement dalBarreon de Carcassonne, p. coumique en 4 cants v. Aoutou de las matinado Carcassonne. Bigot LiBourgadieiro. Nimes 1854, 1863; li Boutoundequeto 1855; Jules C anonge Bruno laBloundo olagardiano dis Aliscamp (Avignon 1868); Encontre, una coursa de bioous (Nimes 1839); Louis Henri d'üzes le Carretto di Chin (Alais 1860), Mar- tin, Retour d'Henri, vaudevillo (Nimes 1821); Michel de Nimes l'Embarras de la fieiro de Beaucaire Amsterdam 1700; Miqueu lou Flasquet de meste M., recuei di chansoun pr. ; Leon Moulin l'äge d'or des Grisettos; L. Roumieux (v. Böhmer 33), der mit Bigot die Bourgardieiro edirte, schrieb La rampelado de L. A. 1868, und 1862 ein Lustspiel quan vou prendre dos libre ä la fes, n'en pren ges.

Ueber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 261

2) Montpellier (v. Fr. Martin les loisirs d'un Latiguedocicn M. 1827 mit Essai sur le langage de M.) hat" eine Societe pour l'etude des langues romanes. Die Hauptautoren sind folgende:

J. Berthet aus Tarascon (18. s.) Bonn et, Drechsler und Cafetier aus Beaucaire(19. s.) ; David (v. Fahre 2. 8) im 1 7.; Fahr e (Recul d'uvras patoizas Mounpeye 49). Er war Curat und lebte von 1728 bis 1783; jene Sammlung enthält Siege de Cadaroussa; Tresor de Sub- stancion, ein Lustspiel; l'opera d'Aoubals ; Odyssee travestie. Fre- dol aus Maguelonne ; Foesies languedociennes et fran^aises d'Auger Gaillard dit lou Boudie de ßabastens ed. Albi 1843; Gaussinel poesies 1824; Martin Fahles 1805; Mondonville Daphnis et Al- cimadura (Pastorale 1753); Fahles, contes et autres pieces en vers patois de Montpellier, 2 ed. de M o q uin-Tandon, M. 181o; er dichtete Catarineta und Carya Magelonensis in der Sprache des 14. Jahrhunderts; Peirosses, ein Töpfer um 1841, von dem ein Liebes- gedicht in Mary-Lafon steht (v. Archiv 1864, 473); Pouesias pa- touezes de Taralie J. A. Peyrottes M. 1840; Pouesias patouesas d'Auguste Rigaud et de Cyrille Rigaud M. 1806, Le Sage las fou- lies d'aou sage de Mounpelie (Amsterdam 1703); Seguin aus Taras- con, Lustspieldichter 17. saec.

3) Gevaudan (v. Mandet Romance de Clotilde p. 345).

4) Velay (v. Mandet aus Comedie Lambert par Clot 1757).

5) Narbonne: Dominge le Cuizot Eneide 4. Buch in bur- lesken Versen 1652; Birat poesies narbonnaises en fran^ais et en patois. ed. 1849 u. 1862.

6) Toulouse (v. Odde les joyeuses recherches de la langue tolo- saine, 2. ed. Paris 1847). Das diccionnari moundi über diesen Dia- lekt erschien Toulouse 1638. In ihm sind verfasst Ant. Arena INIeygra entieprisa ]535; Poesies gasconnes rec. et publ. par M. F. T. (Toulouse 1867— 69). Astros d'Arquier; Boudet (v. Goudelin264); Las coursos de 1847, satiro toulousaino (T. 1847). Daubasse, ein Improvisator aus Villencuve d'Agen, dichtete zu Goudelins Zeit ; dieser Hauptautor 1579 1649 veröffentlichte Las obros augmendados, ambc lo dictionari sur la lengo moundino (T. 1694, 1764, 1774, 1811, mit Biographie und Studien über die siidlichcn Dialekte von Cayla und Cl. Paul in Toulouse 1843 odirt (v. Herrig Archiv XXVII); Eloge

262 Uebcr den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung.

de Älnie. la vouvo Justin de Mac. Carthy, maintcneur de l'Academie des Jeux Floraux par d'Aldiguier (T. 1864); Liicien Mengaud, 1807 aus Albi schrieb Lustspiele, La Crouts (T. 1843), Eosos et pimpanelos (T. 1855 u. 66) v. Petite Gazette de Toulouse 1867; Miral moundi T. 1784 ; Dialogue de l'ombre de feu M. l'abbe de Nant avec con valet A. (Toulouse) ; de Noger olles, requete un langage toulousain (T. 1545). Im Dialekte von Loumaigne (dem Kreise am Einfluss des Tarn in die Garonne) ist gedichtet: Lou Trionfe de la lengouo Gascono von Astros (T. 1762).

V. Die Sprache von Roussillon (v. Fuchs 266) ist fast ganz gleich der Catalanischen (v. Simon Salamo y Melchior Galabert Ma- nual de Cantichs. Avinio 1755.

VI. Limousinisch in 2 Unterabtheilungen : Ober- u. Nieder-L. (v. IVIandet 299, vgl. P.Meyer Altlimounisisch in Ebeit Jahrbuch VII. 74) in Correze, Haute- Vienne, Creuze, Indre, Cher, einem Theile von Indre-et-Loire, Vienne, Dordogne, Charente, Charente-Inferieure. Die Societe archeologique de Beziers vertheilt Preise für Prosa und Verse 1) couronne de laurier, 2) rameau de ebene, 3) einen desglei- chen, alle aus Silber, gestiftet von Riquet 1846.

Jacques Azai's (1778—1856 aus Beziers) schrieb 1842 Berses patoises und wissenschaftliche Werke z. B. les troubadours de Beziers (v. Eevue eritique 1871); Beronie gab ein Diction. du patois du Bas Limousin et plus particulierement des environs de TuUe (ed. Vialle. Tülle); Bonnet de Beziers ein Danklied für eine in Toulouse er- haltene flor del soucy 1628 (ed. Pezenas 1655); Pierre Cleric (1661 bis 1740), Professor aus Beziers edirte Pouliciens undFreros quistons ; Foucaud (Abt) quelques fahles de Lafontaine mises en vers pat. lim. (Limoyes 1809, 1835); id. poesies en patois limousin Paris 1866; Martin (Geistlicher aus Beziers), Bouquet de cauquos Flouretos (1723); Marc Antoine Martin, Vikar aus Ceilhes bei Beziers (gest. 1821), la Partido de Mar 1772; Michalho pastorale 1650; Poesios bite- rouesos (17. et 18. s.) Beziers 1842; Boutade de la mode, recitee par un perroquet. 1723.

Ein Glossaire du patois Rochelais par M. erschien 1861 zu Montpellier.

VII. Auvergnisch (v. Mandet 303), in den Ilochalpen noch mehr erhalten, in den niedrigeren Gegenden fast ganz franzisirt, be- sonders in Allier, Loire, Haute-Loire, Ardeche, Lozere, Puy de Dume

lieber den heutigen Stand der romanischen Dialektfürschung. 263

und Canlal. Hier sind besonders störende Gutturallaute und die seltsamste Verwirrung der Konsonanten in der Aussprache charakte- ristisch. Wir lernen es kennen aus Faulcon, la Henriade en vers burlesques auvergnats(1789); id. contedesdeux perdrix; Noels nouveaux en fr. et en auvergnat (Clermont-Ferrand); Ravel, la Paysade, poerae heroi-comique en vers Auvergnats (Clermont-Ferrand); Roy de Tei- les, le Triage (Clermont-Ferrand 183G); Souvenirs de la langue d'Auvergne, essai sur les idiotismes du Depart. de Puy de Dume par Fr. Mege (Paris 1861).

VIII. Gascognisch (v. Fuchs 267, Mandet 320), gesprochen in Gironde, Landes, Hautes und Basses Pyrenees und Gers, ist leb- haft, einschneidend und bedeutsam, wie es schon Montaigne nennt, und zeigt vorzüglich im Bearnischen grosse Verwandtschaft mit dem Spanischen, welche vor Allem das vorgesetzte e zu Anfang der Wörter kennzeichnet, C enac - Äloncau t (in Essai sur la langue et la litte- rature gasconne im Voyage archeologique et historique dans l'ancien comte de Bigorre, Tarbes 1848 und Litterature populaire de la Gas- cogne 1867) theilt den Dialekt in die Unterabtheilungen von l'Astruc, le Pardiac, Bearn u. Bigorre. Am meisten schriftstellerisch behandelt ist die Sprache von Navarra und Bearn, von welcher Lespey 1858 Grammatik und Vocabular edirte; Estrees bearnaises (Pau 1820); Poesies bearnaises (Pau 1826); G. Bonnet anciens provei'bes basques et gascons; Schnakenburg über Sprache, Gesänge und Sitten in Bearn (Archiv 1856 XIX. 3 17 30), Proverbes bearnais recueillis par J. Hatoulet et E.Bert (Leipzig 1862); Blade, dissertation sur les chants heroiques des Basques (v. Lemke Zeitschrift 1868, 229); Chansons et airs populaires de Bearn, rec. par Fr. Rivares (2. ed. Paris 1868); Weihnachtslieder aus Bearn (Lemke 1870 p. 109). Agen freut sich seines Jasmin; daneben sehe man Oeuvres patoises d'Arnaud Daubasse, peignier en corne (Villeneuvc 1806); Oeuvres patoises de Claude Peyrot (Milhan 1810). Bordeaux hat u. A. auch einen Essai grammatical sur le gascon de B. (1867) aufzuweisen, mit dem Nebentitel Guillaoumet debingut, grammairien, und Caudcran hat (Paris 1862) den dialecte bordelais behandelt.

Weitere Schriften über diese Abtheilung sind: Dits gascons de Adr. Pozzy ; Cenac-Muncaut Contes pop. de la Gascogne, Paris 1861; id. Diction. gascon-fr. (besonders Dialekt von Gers) Paris 1863, ziemlich schlecht ; Fablos caiisidos de la Fontaine, tramudados en berses

264 Ueber den Lcutigen Stand der romanisclieu Dialektforschung.

gascons, Bergeyrat (Paris 177G, 1816); De Mege cLants pop. (Tou- louse 1855); Vies des poetes gascons v. Guill. CoUetet ed. Tamisy deLaiTocpie 1866 ; Ph. Abadie lou parterre gascoun v. Bedrut d'Anals (Auch 1850), gesammelt von Daignan du Sendrat; les Macariennes, poenie en vers gascons (Paris 1863). Bosc memoires pour servir ä riiistüirc de Rouergue; F. Blade contes et provcrbes recueillis en Armagnac (P. 1867); Puymaygrc chants populaires de la Vallee d'Ossau (Romania IX).

An Lexicis und grammatikal. Werken aii.^ser den schon verzeich- neten besitzt der Süden noch: Sauveur Andre Pellas Dict. pr. et fr. Avignon 1723; Boissier des Sau vages Dict. languedocien fr. (v. Roumanille XXIV La pari) Nimes 1756, 1785, Dict. langued. fr. Nimes 1756. Montpellier 1820 ; Dict. de la Provence et du conitevenaissin Marseille 1785; Dict. fr. prov. Marseille 1832; F. T. Avril dict. prov. fr. Apt 1839, 1840; Castor Interprete proven^al Apt 1843; Hon- norat Vocabulaire fr. prov. Digne 1848; Dict. prov. fr. ou dict. de la langue d'oc ancienne et moderne (4 ed. 4^ Digne 184 6 48); Barthes glossaire historique langued., fr., latin, precede d'une elude du dialecte Montpellier 187 3. Couzinie Dict. de la langue romano-cast rais c et des contrees limitrophes Castres 1850; Astruc Mem. pour l'histoire naturelle de Languedoc mit Untersuchung über d. patois (Paris 1737); Grammaire fr. expliquee au moyen de la langue prov. Marseille 1826 ; De l'orthographe proven9ale, lettre ä M.Anselme Mathieu par Damase Arbaud (Aix 1865).

Am engsten schliessen sich an die östlichen prozenzalischen Mund- arten die der französischan Schweiz und Savoyens an, von denen wir die letzteren kennen lernen aus Chansons en patois de J. Fr. Ducros de Sixe ed. Tavernier (Annecy 1863); les poetes de la Savoie par J. Philippe (Annecy 64) ; La Conspiration de Compesieres, poeme en patois savoyard vom Jahre 1695, ed. Plan (Geneve 1870).

Abbe Pont vocabulaire du Terratru de la Tarentaise in Savoyen (Chambery 1864) gab 1872 in Paris ein grösseres Werk heraus unter dem Namen Origines du patois de la Tarentaise, ancienne Kentronie, precis hislor., proverbes, chansons, paralleles avec le patois de la Suisse romande.

Im Südwesten und Westen der Schweiz, in stetem Kampf mit dem deutschen Elemente, das es in Genf, Waadt und Freiburg fast ganz beseitigt, und auch im Jura bis nach Nordwest hinauf unterdrückt hat,

Ueber den lieatigea Staml der romanisohen DialektforscLung. 265

während es im Wallis sich fast gleich mit ihm steht und im Kauton Bern in der letzten Zeit etwas mehr gewichen ist, sehen wir das Fran- zösische in mehreren entstellten Dialekten. Der ganze wälsche Theil der Schweiz dieser Gegenden heisst la Suisse romande ; eine Societe d'histoire veröffentlicht Memoires über dieselbe. Das Haupt- werk ist Bridel glossaire du patois de la Suisse romande ed. L. Fa- vrat (Lausanne 1866); Haefelin (in Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 1874 Berlin) hat die romanischen Mundarten der Süd- westschweiz zu behandeln angefangen und zwar zunächst die Neuen- burger man vergleiche: Stalder, Schweizer Idiotikon mit elymolog. Bemerkungen und einer Skizze der Schweizer Dialektologie (2 Bde., Aarau 1812) u. id. die Landessprachen der Schweiz mit kritisch-histo- rischen Bemerkungen beleuchtet (Aarau 1819): er gibt das Gleichniss vom verlorenen Sohne in allen Mundarten.

Bearbeitet sind die Patois lexikalisch ausserdem noch in folgenden Werken :

Diction. genevois v. Gaudy-Lefort 2. ed. (Geneve 1827); vgl. Poesies genevoises (Abdruck des Almanach genevois 1823 bis 1829 von Gaudy-Lefort, Chaponniere, Salomon Couguaid, Petit-Senn durch Marc-Monnier) 1874 Barbezat, Geneve; Mo unier Geneve et ses poetes (Paris 1874) ; Glossaire neufchatelois par Alph. G. Neuchatel 1858; Monnier langue rustique et pop. du Jura (Mem, des Antiquaircs V. 246, VI. 150); L. Granzier glossaiie Fribourgeois (Fribourg 1864, 8^); J. Cornu leRanz des Vaches de la Gruyere et la chansou de Jean de Bollieta, avec glossaire, a) im Dialekt von Gruyere und dem Jorat, b) in Ober- und Nieder-Gruyere-Dialekt (v. Böhmer Ro- manische Studien III. 1873). Derselbe hat 2 histoires villageoises vom doyen Bridel en patois vaudois (18. saec.) mit Glossen edirt in der Rivista däFilologia romanza I. 98etc. L. Vulliemans Die Sprache im Kanton Wa a d t; Recueil de morceaux choisis en vers et en prose en patois suivant les divers dialectes de la Suisse l'r. Lausanne 1841; Corbaz recueil de morceaux choisis en p. de la S. fr. Lausanne 1842; Callet glossaire vaudois (Lausanne 1862); Der Messager des Alpes in Aigle erscheint im patois vaudois ; Eine caraula im patois v. Lausanne 1842 V. Archiv XXVIII p. 472. Die Zeitschrift „Die Schweiz" illu- strii'te Monatsschrift des Bernischen Litterarischen Vereins (ed. Eckardt u. Volmar seit 1856) hat 1859 Sprüchwörter in schweizer Franzö- sisch gebracht ,(v. Archiv 1860. XXVIII p. 427).

266 Uebcr dtn heutigen Stand der romanischen Dialektforschung.

Ucbor ein ganz eigenthümliches Patois der Elsgiiuer, das ro- nianiscli, aber stark mit Deutsch versetzt ist, und das Dr. Thiessing (Aus allen AYolttheilen, Juni 1873, 273) behandelt hat, sei hier eine kurze Notiz eingefügt: es ist am Besten in einem Gedichte des Pfar- rers Raspieler „Les Painies" schriftstellerisch verwerthet.

Bedeutend vom Süden geschieden, dessen Sprachen bei manchen wesentlich abweichenden Bestandtheilen trotz der allen gemeinsamen lateinischen Formen doch den Abstand vom Norden schon durch die Benennung der Bewohner der Gebiete nördlich von der Loire als Fran- chiman bezeichnen, (v. Schnakenburg p. 11 le Fran^ais meridional appelle tous les habitants des provinces d'Outre-Loire Franchimans, et une repagnance traditionelle a donne a ce mot une significatlon mepri- sante) ist das eigentliche Frankreich, das durch die Loire viel mehr in zwei Theile getrennt wird als es Deutschland durch den Main war und noch ist, auch im Besitze einer grossen Zahl von Dialekten. Ja wie Diez (Grammatik I, 123) sagt, spielen die Mundarten im Fran- zösischen eine weit wichtigere Rolle als im Italienischen, da sie in der gesammten älteren Litteratur volle Gültigkeit hatten, und keine derselben als eigentliche Schriftsprache anerkannt war. Trotzdem sind in Frankreich leider erst sehr spät dialektische Studien angefangen, nachdem man vielfach offiziell veisucht hatte , die Dialekte möglichst zu unterdrücken (v. Ch. Nodier Comment les patois furent detruits en France in Bulletin du Bibliophile XIV. p. 148 . . .); das kann freilich den nicht Wunder nehmen, der da weiss, in welcher Verachtung noch bis zu Anfang unseres Jahrhunderts dort im Allgemeinen die alt- französische Sprache stand, M'ie man durch die Akademie auf falsche Bahnen geleitet. Alles hochmüthig ignorirte, das nicht in die akademischen Formen passte, und was für Noth noch die Ro- mantiker hatten , von jenem hergebrachten Formelwesen sich loszu- machen, * das die des Altfranzösischen und der Dialekte ganz unkun- digen Unsterblichen sanktionirt hatten.

Mollere hatte freilich gewagt, Dialektisches auf die Bühne zu bringen, und einzelne andere Autoren folgten ihm nach , bis es denn seit E. Siie sogar Mode wurde, den niedrigsten Argot in litferarischen Werken zur Schau zu stellen, so dass jetzt eine grosse Masse Schriften gar nicht zu verstehen ist, wenn man nicht auch die Langue verte

* Vgl. die ergötzliche Geschichte des Wortes mouchoir in der Ueber- petzung des Othello von Alfred de Vigny (z. B. bei Demogeot 651).

Uebei' den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 267

(über die bs. Loredan Lai'chey les Excentricites du Langage 4. ed. Paris 1862 und Delvau dict. de la langue verte Paris 1857 zu ver- gleichen sind) und selbst Patois versteht, welche George Sand, Sou- vestre u. A. in ihren Werken verwerthet haben.

Daneben hat eine besonders der deutschen Wissenschaft zu ver- dankende und durch das Studium des AI t französischen und Pro- venzalischen mehr beförderte wissenschaftliche Behandlung des Französischen* in seiner Gesammthcit auch noth wendig zur Erforschung der Dialekte geführt, für welche besonders Ch. N edier (Notions de Linguistique) auf das Wärmste eintrat, nachdem in Folge der Mass- nahmen des Konvents gegen die der gewünschten Gleichheit entgegen- stehenden Dialekte Untersuchungen des Abbe Gregoire (am 16. Prai- rial dem Unterrichts-Komite vorgelegt) und statistische Aufnahmen durch das Unterrichtsministerium (v. Memoires de la Societe des An- tiquaires VI. 432 etc.) die Sache derselben gefördert hatten.

So haben Avir denn jetzt eine grössere Zahl dahin einschlagender Werke theils von Franzosen, theils von Andern zu verzeichnen, ob- gleich immer noch Vieles zu thun übrig bleibt.

Ausser den schon erwähnten sind hier vor Allem zu nennen :

Geographie de la langue fr. par C. M. (Paris 1831), Fallot Re- cherches sur les formes grammaticales (Paris 1839), dessen vorzüglich das Altfranzösische berührende Untersuchungen in Burgnys Grammaire und bei Littre bist, de la langue fran^aise fortgesetzt sind , welcher letztere über die Dialekte des Mittelalters, aus denen sich erst im 14. s. eine langue commune bildete (I. 12. 101. 125. 127. 249, II. 57 u. I. XLII) handelt und die 3 Hauptdialekte fran^ais, picard und normand bestimmt unterscheidet.

Wir nennen ausser den oben bei der Provence erwähnten von solchen, die Allgemeineres behandeln, nur:

Schnakenburg Tableau synoptique et comparatif des idiomes populaires ou patois de la France. Berlin 1840; Jaubert Gloss. du Centre de la France 24*^ 1856 u. 58 mit Supplement, 2. Auflage 1864; Lucien Bon aparte Parabola de Seminatore in 72 europaeas linguas ac dialectos versa (London 1857); E. Agnel observations sur la prononciation et le langage rustiques des environs de Paris (P. 1855)

* Namen wie Gaston Paris, Paul Meyer, Brächet, Burguy, Scheler ge^ nügen um zu zeigen, wie tiefgehend jene Anregung gewesen ist.

2G8 Uebor den heutigen Stund der lonianischen Dialektforseliung.

u. de rinllueiice du langage populaiic sur la forme de certains mots de langue Iranoaise (Paris 1810j ; Granier de Cassagnac Antiquite des patois, anteriorite de la langue fr. suv Ic latin (Paris 1858), ein prätentiöses, unwissendes Machwerk; P. Meyer Ouvrages sur les Pa- tois (Revue critique 1866. 22. 24. 25); Girard de RiuUe Projet d'en- quete sur les patois fran^ais (Paris 1868) aus der Revue lingaistique; Glossaire dos idiomes populaircs (I vol. Paris 1870); J. Baum gar- ten le France coniique et populaire (Stuttgart 1871); Bibliothoque patoisc de feu Burgaud des Marets (Paris 1873. 4, 2 vol., 3561 Nummern).

Die n ord fran sis ch e n Dialekte zerfallen nach den oben zitirten Werken (an Vielehe Diez I. 125 etc. u. Fuchs 292 ff', sich anlehnen) in folgende Hauptabtheilungen:

I. Burgundisch, worüber zu vergleichen ist: Wollenberg Sur le soi-disant idiome bourguignon (Archiv XXVIII); Wackernagel über die Sprache der Burgunder, Grimm Geschichte der deutschen Sprache 207; Ant. Fr. de Pratel principia linguae burgundicae, Bruxellis 1717. Grogor's Dialoge und Girard de Viane verrathen viele Spuren desselben. Das Hauptwerk darin ist:

La Monnoye (Dijon 17. saec.) Noei Borguignon de Gui Ba- rozai (d. h. Rothstrumpf, allgemeiner Name der burgund. Schnitter) Dioni 4^1728, 5. ed. 1776 mit Wörterbuch (vgl. meinen Aufsatz Dia- lektisches im Archiv XXX ); Aime Piron l'evaireman de lai Peste (Gedicht 1721, Dijon 1832); Les Noels bourguignons avec coupd'oeil sur les N. par Fertiault (Paris 1842), (vgl. Longfellow 393, 397); E. Beauvois Contes pop. de la Norvöge, de la Finlande et de laBourgogne (Paris 1862) ; Recucil de noels anciens au patois de Besan^on p. Fr. Gauthier, Besan9on 1773).

Lexikalisch behandelt es: Mignard vocabulaire raisonne du dialecte et du patois de la province de B. (Paris 1869). Monnier schrieb ein Vocab. du Jura (Mem. des Antiqu. VI); Toubin Uechcrches sur la langue Beilau, argot des peigneurs de chanvre du Haut Jura (Besannen 1869).

II. Lothringisch, in welchem 3 Dialekt-Unterabtheilungen geschieden werden,

1) die von Metz oder Mesain :

üeber den heutigen Stand den- romariischen Dialektforschung. 26!)

Romy lo p'tint Ermoneck messin po l'ennaye 1817; D. M, de M. lo franc Messin (Metz 1827); Hist. veritable de Vernier, inaitre Iripier du Champe, designe poiiretre echevin de la paroisse St. Eucaire, dial. patois et fr. (Metz 1844); Flippe Milonno, Comedie messine en vers (Metz 1848); Jaclot lespasse-temps lonains, poes. (Paris 1854), vocabiilaire du patois (Paris 1854); E. Rolland Vocab. du patois du pays Messin ; Le Lorrain pcint par lui-meine. Almanaoh curieiis et emuzant avec vocabul. patois-fr. Metz 1853 (Jaclot); Pnymaigrecbant-* pop. i'ecucilles dans le pays messin (Paris 1865); Grosse, Enovaraye Messine ou devisamoereux d'un gros vertugay de village a sa mieus aymee vazenatte, escript en vniy langage da haut pays messin (ed. Brunet Paris 183 . .).

2) die von Nancy und Luneville:

Michel Dict. des expressions vicieuses usitees dans un grand nombre de dep. et notamment dans la ci-devant province de Lorraine (Nancy 1807); Dict. patois par L. M. P. (Nancy 1842); A. Ter- quem etymologies du nom des villes et des villages du dep.de la Mo- selle (Metz 1860).

3) die von La Roche, welche

Oberlin essai sur le patois lorrain des environs du comte de Ban de la Roche (Strassburg 1775) ausführlich behandelt hat.

Üeber das Patois des Vosges (v. Mem. des Antiquaires VI. ] 17) sehe man L. Jouve Noels patois anciens et nouveaux chantes dans la Meurthe et dans les V. (1864); id. Coup d'oeil sur les patois vosgien? (1864).

III. Französisch in dem eigentlich so genannten Distrikte um He de France, dessen Hauptrepräseutant im Mittelalter des 13. saec. Rutebeufist (ed. Jabinet Paris 1840).

Die Pariser Kleinbürg er s p räch e im Gegensatz gegen die Schriftsprache und gegen die Banernsprache zeigt sich in Moli("'re, wo Lucas und Jacqueline im Malade malgre lui und Charlotte, Mathurine, Pierrot im Festin de Pierre sich dieses Idioms bedienen ; ferner be- sonders in Vade oeuvres choisies (Paris 1820).

Wir erwähnen darüber:

Dict. du bas langage Paris 1808; Le nouveau dictionnaire com- plet du Jargon de l'argot (Paris Le Bailly) ; Nouveau Catechisme

270 lieber ilon liciitigon Stand dor romanischen Dialektforschung.

poissard par Blagiio-en-main (Paris 1852); Larchey Les excentri- cites du langage, 4. ed. Paris 18G2; Delvau Dict. de la langue verte (Paris 1865).

Die HaiiptqiK'lle dafür sind die Werke von Ch. Nisard: Des chansons popnlaires chez les ancicns et Ic^sFran^ais (Paris 1866); (vgl. id. llistoire des livres popnlaires Paris 1864. 2 vol.) und Etüde sur le langage populaire on patois de Paris (Paris 1871), worin 319 437 Aus/.ügo aus Patoissclirirten u. 4 37 449 lange bibliographische No- tizen über dieselben enthalten sind.

Saubinet schrieb ein Vocab. du bas langage remois (Reims 1845).

lieber das Patois des Kanton Bonneval (Eure et Loir) v. Des- granges (Mem, des Anticju. II. 420).

IV. Picardisch:

(vgl. Baumgarten Gloss. des idiomes pop. du Nord et du Centre de la Fr. Paris 1870. 1 vol.).

Ueber ältere Epochen desselben geben uns Aufschluss :

Jehan de Condet, ein picard. Gedicht (v. Ebert Zeitschrift 1866. 18. 20); Gerard de Nevers ; Brandan ; Romance contenant l'histoire du Sire de Creqni (Fuchs 113 33).

Nerine spricht diesen Dialekt im Pourceaugnac von Moliere ausserdem findet er sich in : Satyre d'un Sire picard sur les verites du tenips (Avignon 1754) und Sermon d'un bon eure picard en Patois P. (Abbeville 1787).

A. Baucherie veröffentlichte ein Fragment d'une anthologie picarde 1872 (Artesische Dichter), Corblet ein Glossaire du patois picard (Paris 1851) und Gloss. des dictions historiques et pop. de Picardie.

V. Das Flandrische zerfällt in die 4 Hauptabtheilungen:

1) Lüttich mit dem Dialekte von A. Lüttieh selbst, B. von la Hesbaye, C. von Verviers. 2) Brabant. 3) Hennegau mit A. Mons, B. Luxemburg. 4) Naniur mit A. Dinant, B. la Famenne Namuroise, C. Namur selbst.

A Dinaux Trouveres , Jongleurs et menestrels du Nord de la France et du midi de la Belgique (vol. 4. les trouvei-es braban9ons, iiainuyers, liegeois et namurois Bruxelles 1863) hat eine bedeutende Sammlung älterer Dichter dieser Provinz veranstaltet. Jetzt sorgt hauptsächlich die Societe liegeoise de litterature vi^allonne, welche seit 1856 besteht, für Studium und Publikation flandrischer Werke, und

lieber den heutigen Stand der ronianiscben Dialektrorschiin<i. 271

ülysse Capitaine „Rf^pport sur la hibliotheque de la societe", Jahrgang 1859, hat eingehend die einzelnen Unterdialekte geprüft und besprochen. (Originell sind hier besonders le cramigon, ein lütticher Tanzlied, und la paskeye, ein satirisches Lied in wallonischer Sprache.)

Zu vergleichen sind:

Dict. roman, wallon, celtique et tudesque Bouillon 1777; Flan- dricismes et Wallonismes de la Inngue frauQaise (Brux. 1821); J. D. ]\Ieyer sur l'origine de la difference relative ä l'usage de la langue fla- mande onwall. dans lesPaysBas (1825); Benoit Belgicismes, Flandii- cismes et Wallonismes (Br. 1830); Choix de chansons et poesies \\a\- lonnes (Liege 1844); Remacle Dict. wallon fr. Liege 1844, 1853; Le- brocq du flamand dans ses rapports avec les autres idiomes d'origine teutonique(Br. 1845); Chavee Fran^ais et Wallon (Paris 1857); Stecher Flamands et Walions (Liege 1859); Dufortrie memoire sur les ana- logies des langues flam., allemande et anglaise (Br. 1858); Beiträge zur Etymologie und Lexikographie des Wallonischen (Bulletin de la Societe liegeoise III. 3 Stecher 1860); Ch. Grandgagnage Dict. etymologique de la langue wallnnne (L. 1847 50; id. Wallonnades (Liege 1845); id. Vocabulaire des noms wallons d'animaux, de plantes et de mineraux (L. 1857); id. de l'origine des Wallons (L. 1852); id. Vocabulaire des noms des lieux de la Belgique Orientale (1859); Hubert Dict. wallon. fr. precede d'observatious sur la prononciation des lettres en wallon et de notions gram. (L. 1857); Defrecheux, Delarge et Alexandre, dict. des spots on proverbcs wallons (L. 1866); Vermesse Dict. du patois de laFlandre francaise on wallonne (Douai 1867); SIeegks et Van de Velde Dict. complet fran9ais- flamand et fl.-fr. (Bruxelles 3. 8^) ; Das E\ angelium Matthäi wallonisch mit Grammatik und Aussprache 1863 (v. Revue d'instruction publique en Belgique 1863).

1. Lüttich's Dialekt lernen wir kennen aus:

Simonen poesies en patois de L. precedees d'une dissertation gram, siir ce patois et suivies d'un glossaire(L. 1844, 45); Chansons et poesies wallonnes, rec. parMM.B. et D. (L. 1844); Theätre liegeois (L. 1827, 1844; B(aillieux) et D(ejardin) anciens chants populaires de Liege 1844; Andre Delchef 11 galant di l'siervante u. le deux ne- veux, Lustspiel 1459; Heibig fleurs des vieux poetes liegeois (1550 1650) mit bist. Einleitung von Peetermans (v. Ebert II. 446. 1860); Quelques mots sur les premieres inscriptions liegeoises en langue ro-

272 lieber «len liontigcn Stand der ronianisclicn Dialektforschung.

niane 1862; L(nurent M(ichacls) Gramm.iire elemontairc lit^geoise (L. 18G3); Cambrcsier; Hubert; Dcfrechcux ; Aug. Hock Elcgiker; Tiry ine c()j)öno so Tmaricgc i ine enpe di grandioens; Forir Dielion. liögeois fr. 18G0— 72 (v. Ebert 1861. 452).

Im Dialekte von Verviers sind geschrieben:

Poulet contes beiges; Xhoffer ,les biesses' eine politische Satire; Labet „dictionnaire" behandelt es lexikalisch.

2. Das Patois von Brabant zeigt M. Ronard Jean de Nivelles.

3. Hainaut (in welchem J. Tournay u. Leray als Volks- dichter auftraten); Hecart Dict. rouchi-fran9ais (2. ed. Valencicnnes 1826, 3. ed. 1834).

Die Sprache von Mons, welche im Geistlichen Letellier einen Volksdichler hat, behandelt Sigart Glossaire etym. ou dict. du wallon deMons et de la plus grande partie de Hainant (Bruxelles 1866); Rous- selle schrieb eine Bibliographie montoise ou annales de l'imprimerie ä Mons (1500 bis jetzt) Mons 1858.

4. Das Patois von Namur wird bearbeitet in Les chansons du Namur (Bruxelles 1864) und von Werotte (v. Ebert 1861).

VI. Den Normannischen Dialekt finden wir in den Gesetzen Wilhelms des Eroberers (v. Kelham a diction. of the Norman or old French to which are added the laws of William the Conqneror, London 1779, und in den Libri psalniorum vcrsio antiqua galHca (ed. Michel Oxford 1866, aus dem 12.saec. Mansche über ihn: La Rue Essais histor. sur IcsBardes, les Jongleurs et lesTrouveres normands et anglo- normands (Caen 1834); La 1. 2. et 3, partie de la muse normande ou recueil d'ouvrages facetieux en langue parinique ou gros normand

* Lille (ursprünglich l'Isle, flandrisch Ryssel, jetzt Dep. du Nord) hat einen besonderen Dialekt, welchen Legrand (Dict. du patois de Lille, L. 1SÜ3, 1856), \ ocabulaire du patois lillois, Vei-niesse (L. 1861), Des- ronsseaux, chan.'^onniiT lillois (Douai 1863), Debuire du Buc Nouveau gloss. lillois (Lille 1867) ausführlich besprochen haben (vgl. E(scallier) Remarques Kur le patois, suivies du vocabulaire latin fr. de Guill. ßriton (14. saec. Douai 1857).

** Ueber das eigentliche Französisch Belgiens und seine Litera- tur erwähnen wir nur einige hervorra<iende Werke: A. v. Hasselt Hist. de la poesie fr. en Belgique depuis son origir.e jusqu'ä la fin du regne d'Albert et d'isabelle (Brux. 1837); Eug. Lataye la litterature en Belgique (Revue des 2 Mondes Juillet 1859) ; la langue beige coniparee a la langue fr. (Paris 1866) A. Le Roy (bei Ebert 1861. 331) sagt: per leurs instincts paisibles, la tournure poetique de leur esprit, leur aniour ardent de toutes les libertes, leur attaclieinent aux institutions communales, les Beiges ont une natio- nalite bien tranchee, mais ils parlent deux langues.

Uebei" den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 273

(Rouen); A. du Meril Dict. du patois norniand (Caen 1850); L. du Bois, Glossaire du patois norniand, augniente par Travers (Caen 1856); Manuel du bibliographe normand von Ed. Frere 1859; Canel Blason populaire do la Normandie, comprenant les proverbes, sobriquets et dictons relatifs ä cette province (Rouenl859); Le H ericher Hist. et gloss. du normand, de l'anglais et de la langue fr. (Paris 1862); Nils- son de l'influence du Normand sur la litt, f'ranc^taise (Kopenhagen 1864). Für Publikationen sorgt unter A. die Societe des Bibliophiles Normands, welche Le sire de Bacqueville, legende normande Ronen 1870 edirte.

De cor de gab ein Dict. du patois du pays deBray (Haute-Norm.) Paris 1852; vom patois des Dep. de l'Orne handeln Mem. des Anti- quaires 4. 226; Vasnier lieferte ein Petit dict. du patois normand en usage dans le p. de Pont-Audemer (Rouen 1862); A. Touronde les ecrivains havrais, etudes biogr. et litt. (LeHavre 1864) ; Pluquet contes pop., prejuges, patois de la province de Bayeux (Rouen 1834); endlich Metiviers ein dict. franco-normand ou recueil des mots parti- culiers au dialecte de Guernesey (Asher Berlin, Londres 1870).

VII. Ueber das Poitevin in dem seit 1206 französischen Di- stricte (vgl. Boucherie le dialecte poitevin au 13. s. (1874) u. Mandet Hist. de la langile romane 283 96) sind Hauptquellen:

Gauthier lesehants populaires en fr. et en patois de la Bretagne et du Poitou (Nantes 1839); Beauchet Filleau Essai sur le patois poitevin, bs. v. Chef-Boutonne und Umgegend (Paris 1864); Essai sur le langage poitevin par Dreux du Radier Fontenay (Vendee u. Paris 1867); JJu Peyrat Mem. sur les idiomes du midi de la Fr. en general et sur celui du Centre de la Guienne en parliculier (Bordeaux 1863); Le- vrier Dict. etym. du patois poitevin (Leipzig 1867) ; Favre Gloss. du Poitou, Saintonge, Annis (Niort 1868); Laianne Gloss. du patois poitevin (Poitou 1868) in Memoires de la Societe des Anti- qua i r e s de 1 ' o u e s t.

Von Saintonge handeln :

Boucherie patois de laS.mit gram. u. lex. (Angouleme 1865) ; Jouvain dict. du patois saintongeois (Royaul869); vom Manceau im Maine das anonyme R. d. M. Vocab. du Haut-Maine (Le Mans 1857; 2. ed. 1859); Chardon Etudes sur le dialecte et les patois de la langue fr. et specialement sur le d. et les p. du Maine (Le Mans 18G9); v. Lousnor Dialogue de 3 vignerons du pays de Maine (Rouen 1734, 8. ed.). Das Patois von Rennes ist besprochen in Mem.

Aicliiv f. II. Sprachen. LIV. l8

274 Uobcr don heutigen St.iiul der romanischon Dialektforschung.

(los Antiq. VI. 235; das der Vendee aber in: L. Aiidee du lanj^age pop. en Vondöe (NapoU'on-Vcnded 1857) und Re v e illere-Lepeaux Noficc du patois V. (Niort 1860); vgl. Lc Brigant petil glossaire de qui'hjncs termes de la contume de Bretagne (Brest 1774.)

Neben diesen sieben Ilaupidialekten hat nun mit dem Motto au.s Livi.is: Celtarum quae parsGalliae tortia est, penes Bituriges summa imperii fuit, derGraf Ja nbert in seinem Glossaire du Centrede la France (Paris 2. ed. 1864) noch eine Gruppe um den Bezirk von Berry her aufgestellt, der vielerlei Selbstcändiges hat, sieh aber in einzelnen Theilen sehr den angrenzenden Distrikten der obigen Dialekte nähert: es sind das ausser Berry mit Sancerrois und Sologne Nivernais nach Bur- gund hin, Bourbonnais an die Auvergne streifend , la Marche an der Grenze des Linrmsinischen, die Grenzbezirke nach Poitou und Touraine und ein Theil von Blaisois und Orleanais.

Neben diesem Hauptwerke sind noch zu nennen:

Vocabnlaire du Berry et de quelques autres voisins par nn ama- teur de vieux langage (Paris 1842); Philibert Leduc les noels bres- sans de Bourg, dePont-de-Vaux et des paroisses voisins, suivis de six noels bugist es (Bourg-en-Bresse 1845); vgl. Mem. des Antiqn. VI. 144 über das Patois von Bresses; endlich:

F. T albert du dialecte blaisois et de sa conformite avec l'an- cienne langue (E. Thor in Paris 1874).

Der letzte grosse Sprachstamm, der es zu einer wesentlich ent- wickelten schönen Literatur gebracht hat, der italienische, ist von der deutschen Wissenschaft auch fast noch mehr als jene andern behandelt, haben doch von jeher die Deutschen zu den Italienern, leider zum Theil freilich in feindlichen Beziehungen gestanden , während Italien mehr als irgend ein anderes Land des Südens das stete Ziel der Sehnsucht und des Verlangens gewesen ist. So finden wir neben den be- deutenden einheimischen Literaturgeschichten von Crescimbeni und Tiraboschi aus dem 17. s., und neben Ginguene (Hist. litt, de l'Italie 1811 etc.) und Sismondi (De la litt, du midi de l'Europe 1813 29) vor allem Ruth 's Aorzügliche Geschichte der ital. Poesie (1844 47); Ranke, der ja die ital. Geschichte im Allgemeinen vor- züglich behandelt hat, schrieb auch 1837 eine Abhandlung zur Ge- schichte der ital. Poesie; Reumont, Gregorovius, Mallzan haben neben- bei auch die literar-historische Seite in ihren Werken berührt ; Blano, Witte, Kiinig Johann, Gries, Regis, Kopisch, Kannegiesser, Streckfuss,

Uober den lieutigon Stand der romanischen Dialektforsclmnp;. 275

P. Heyse n. A. nir)gen hier als für die Italien, Literatur unter Deut- fichen wichtig nur kurz erwähnt werden.

Die Kenntniss der italien. Dialekte, von welchen Dante (De Vul- gari Eloquio) 14 Hauptarten ausser vielen Nebendialekten aufzählte, welche fast alle jetzt noch als Schriftsprachen bearbeitet werden hat besonders Fernow in seinen Italienischen Studien III. 211 bis 543 (Zürich 1806) vermittelt, an den sich spätere Untersuchungen an- geschlossen haben - und nach Diez' und Fuchs' einschlägigen Unter- suchungen haben auch, zum Theil durch deutsche Wissenschaft gebil- dete Italiener, zum Thcil Gelehrte anderer Nationalitäten das überaus reiche Feld in der erfreulichsten Weise angebaut.

Zuerst wollen wir die wichtigsten Werke erwähnen, die das Ge- sammtgebiet im Allgemeinen behandelt haben :

Affö Dizion. precettivodellapoesia volgare(Milann] 824);Galvani ai cenni istorici delle lingue volgari di Italia prelndiidue (Modena 1840); Biondelli Saggio sui dialetti gallo-italici Milano 1853. 54; id. Stud. Linguistici; La poesia pop. ital. (Rivista di Firenze V. 22. 1859); Alessandro d'Ancona in Rivista di Firenze 1858, 59; As coli Studi critici (Gorigia 1861), bs. Saggi di dialettologia italica ; Fas- quini dell' unificazione delle lingue in Italia (Milano 1863); Caselli chants populaires de l'Italie Paris 1865; Monumenti antichi di dialetti ital. (Wien 1864); Raccolta dei dialetti italianivon Zuccagni-Orlandini (Firenze 1865); Dell' organismo poetico e della poesia pop. ital. v. V. Imbriani (Napoli 1866); I dialetti e le lingue commune in Italia v. Ra- mondini (Napoli 1867); Castagna proverbiitaliani (Napoli 1868) ; Origine, formazioneedelementi dellalingua ital. von F. Demattio (Innsbruck 1869); Reinhardstoettner Die ital. Sprachen etc. (v. Ebert 1870) Halle 1869, sehr schlecht ; Vestigia primitive della lingua e dei dialetti italiani v. Cantu (Attidellstituto Veneto 1870. XV); .Saggio sullastoria della lingua e dei dialetti d'Italia von Nap. Caix (Parma 1782); l'Igiena della tavola della bocca dei popolo v. Bernoni (Venezia 1872); Saggio di modi di dire

* Ueberdie alten Dialekte vgl. man vor Allem: Huschke Oskisehe Sprach- DenkmJiler; Mommsen ünteritalischo Dialekte; Aufrecht u. Kuhn Umbrische Sprachdenkmider (Berlin 1819 51); Sclmchanlt Vokalismus des Vulgärlateins (Leipzig 186ß): Corssen Aussprache, Vokidisnius und Betonung der latoin. ISprache (Leipzig 1 858 u. 1872); die Sprache der Etrusker (Berlin 187-t); Fabretti glossariiim italiciun in (jao omnia vocabida continentur ex Unibricis, Sabinis, Oscis, N'olscis, Etruscis caeterisque monumentis quae supersunt (Taurinorum 1857).

18*

270 Ut'lxT den lioiitigon Stiind der romanischen Dialektforschung.

proverbiali v.C'nri diVassano (Roma 1872). Hauptorgane sind die Rovista eonteniporanca und Revisfa di Fireuze; der Annotatore Friulano v. Dr. Valnssi (Udine) ist leider 1859 gleich wieder ein- gegangen. Hierher gehören auch:

W. Müller Egeria (od. o. L. B. Wolf Lpz.); P. Heysc Italien. Volkspoesie (in Zeitschrift für Völkerpsychologie I. 1860 u. id. ital. Liederbuch (Berlin 1860); A. Kopisch Agrumi Volksthümliehe Poesie aus allen Mundarten Italiens (Berlin 1838); Die ital. Volkslieder (Deutsches «Musenm 1863. 9 u. 10).

Ruzzante tulte le Opere (Vicenza 1584) lässt die verschiedenen Personen seiner Lustspiele in den verschiedensten ital. Dialekten reden.

Für die folgende Aufstellung folgen wir Diez, I. 81 (Gram- matik 3. ed.) und Fuchs (112) und Andorn.

L Unter-Italien.

a) Neapel (v. Fuchs 159, 161; Diez Grammatik I. 89) Galiani (49 193), worüber bs. F. Wentrup Beiträge zur Kenntniss der neapol. Mundart (Wittenberg 1855) zu vergleichen ist (vgl. auch A. Gaspary Das Studium des Neap. Dialektes (Herrig Archiv LH). G.C. Coi'tese opere in lingua napol. (N. 16G6); Valentino la mezacana col vassello dell' aibascia, poemu in ottavarima (N. 1669); Basile, il Penta- meroneovero lo cunto de li cunte tratlenomiento de li Pucerille di Gian Alesio Abbatatis (Roma 1679) ; A.Perruccio l'Aguano geffonato, poemma aroico, e la malalia d'Apollo, iddillio (N. 1678); Lo Tasso Napolitano V. Grab. Favano (N. 1689, 1706); Virgilio Eneide in ottava rima napol. V. G. Vitillo (N. 1700); P. Trinchera, la rosa mmenzeone musajeca. Da rappiescntarese a lo teatro nuovo acoppa Toleto achisto corrente autonno de la 1738 (N. 1738); Arsura, Abbuzzio, Mostella d'Orzolona, poemma arrojico (N. 1748); Valentino la Fuorfece o vero Tommo prateco (N. 1783); Galieni del dialetto napoletano; Del dia- letto nap. (N. 1729), Vocabulario delle parole nap. (N. 1781); Alta- rilla Ciccillo e la fanüxrra, com. N. 1850); Te voglio bene assaje e tu non pienze a mme com. (N. 1852); Vincenzo de Lizio Fiori cam-

* Ueber Einfluss anderer Sprachen auf das Italienische haben bsd. gehandelt: Narducci Saggio di voci ital. derivate del Arabo (Koma 1860); A. Lanini Etimologico dei vocaboli itali d'origine ellenica (Torino 18G5, schlecht); M. Gatto Dizzionarietto etimol. delle voci trorigine gi (Milano 18C7); vgl. Comparetti dei dialetti greci doli' Italia (Pisa U

eca

866);

Nannucci Voci ital. derivate della lingua provenzale (Firenze 1840;; Prospero N'iani Dizionario di protczi francesismi (Firenze 1S59).

lieber den heutigen Stand der roniiinischcn Dialektforsiiiiing. 277

pestri (N. 1859); Cosetti canti pop. delle provincie meridioii. ; Wen- Inip Neap. Sprüchwörter (Archiv XXIII. 206); Marlorano notizie biogr. e bibliogr. degli scrittori del dialetto napol. (N. 1871); Costa Vocabol. zoologico coni2)rendente Ic voci volgari con cui in Napoli (N. 1846).

b) Die Mundart von Calabrien lernen wir kennen aus: Fernow p. 325; Inibriani canti pop. calabresi (v. Propugua-

tore V. 2. 1872); G, Conia saggio dell' energia, semplicita ed espres- sione della lingua calabra. Einzelne Abtheilungen davon behandeln: Imbriani 95 canti pop. de' dintorni di Marigliano (Terra di Lavoro) 1871); Schifone Mazetto di canti pop.savesi (Otranto) Napoli 1871 ; Morosi Studi sui dialetti della Terra d'otranto (Lecce 1867); Canti pop., rispetti , ninnenanne e canzonetti di Gessopalena (Abruzzo citeriore)Firenze 1869 ; Canti pop. t er am es i von Molinaro del Chiaro (Napoli 1871); Pellegrini il dialetto greco-calabro di Bova (Ri- vista di Filologia).

c) Sicilieu (v. Fnchs 176) hatte den am frühesten ausgebil- deten Dialekt (v. Mira bibliographia siciliana ovvero gran dizionario delle opere edite ed inedite antiche e moderne di argomento siciliano stampate in Sicilia e fuori. Palermo 1874); hier machte sich der provenzalisch© Einfluss sehr bald geltend. Man sehe darüber: Bei- träge zur Kenntniss der sicil. Mundart von Fr. Wentrup (Archiv XXV); Gregorovius Siciliana in „Wanderjahi-e" in Italien 1865 ; Giovanni la lingua volgare e i Siciliani Palermo 1867; Puymaigre la poesie pop. en Sicile (Metz 1869); le lettere, le scienze e le arti in Sicilia (Palermo 1870—72).

Das erste ungedruckte sicilian. Wörterbuch ist von 1579 (v. Diez I. 91); ihm folgt M. Pasqualino Vocabol. sicil. etimol. ital. e latino Palermo 1795; Eettana Vocabolario (Catania 1851); Mortillaro nuovo dizion. sicil. -ital. Palermo 1838, 3. ed. 1862; Traino Nuovo vocab. sicil. -ital. (Palermo 1870) ; Perez vocab. sicil. (Palermo 1870); Salvatore Romano Voce e manieri di dire sicil.-ital. 2. ed. (Palermo 1870); G. Meli poesie sicil. Palermo 1857; Poesie anacreontiche, Milano 1820(1826, 1857 Palermo), Don Chisciotte e SancioPanza nella scizia, poema, trad. in lingua ital, di Matfeo de Bevilacqua (Vienne 1818, avec le texte original) ist der bedeutendste Dichter dieses Zweiges, ausser welchem sich noch in den folgenden Sammlungen anderer Poeten Erzeugnisse finden: Stefano Melchiore poesie sicil. (P, 1785), L.

278 Ueber den heutigen Slaixil der ronuuiiscLen Dialektforschung,

Vigo Caiiti jioj), sicil, (Ciitaniti 1357); Salomone Marius Canti pop. sicil. in aggiunto a quelli del Vigo (Palermo 1870); Lizio Bruno Canti scelti del popolo sicil. 1868 (v. Archiv 43); Antonio Amico sopra un manoscritto di poesie sicil. in Bologna 1869 (v. Ebert 1870. 428); La storia nci canti popol. sicil. v. Marino (Palermo 1870) Grcgoro- vins Die sicilian. Volkslieder (Morgenblatt 1859 Dezember), Saggio di restaurazione degli antichi poeti sicil. v. Corazzini (Siena 1871) v. Rivista Sicula VIII; F. Liebrecht sizilian. Volkslieder u. Volks- räthsd (Ebert, Jahrbuch XII). Vor Allen hat G. Pitre diesen Dia- lekt erforscht in: Proverbi e canti pop. Palermo 1869; La storia nei canti pop. (P. 1870. 2. ed.); alcune questioni di poesia pop. (Rivista Euro- pea Nov. 1870); Saggio di canti pop. (lettcra di Pitre 1870) canti pop. sicil. 2 vol. Palermo 1871 (v. Gfjttinger gelehrte Anzeigen 1870. 997. 1871. 658. Ebert 1871. 337); la parodia nei canti pop. sicil. 1871; ricordi e reminiscenze nei canti pop. sie. (Rivista Sicula 1872); studi di poesie pop. P. 1872; il carcerato, aria pop. sicil. (Rivista Europea, Agosto) ; nuovo saggio diFiabe e novelle (Rivista di filologia romana I. 1873). Ihm schliessen sich noch an: Salom. Marino la Baronessa di Carini, legenda storica pop. del 16. s. in poesia sicil. mit Abhandlung über die Volkstraditiou ; Lizio Bruno Canti pop. dellc isole Eolie e di altri luoghi di Sicilia (Messina 1871); Casetti cd Imbriani Canti pop. delle provincie meridionale (Torino 1871. 72. 2 vol.).

d) Ueber Sardinien (Fuchs 181) sind die Hauptwerke: II. V. Malt zahn Reise auf Sardinien (Lpz. 1869) und Die Insel Sardinien, Geschichtliche Entwicklung der gegenAvärtigen Zu- stände derselben in ihrer Verbindung mit Italien v. J. F. Neigcbaur (2. ed. Lpz. 1872 vgl. Sprachwart VI. 21), ferner vor allem in sprachlicher Beziehung von dem verdienstvollen G. Spano, der hauptsächlich die Sprache seines Vaterlandes wissenschaftlich behandelt liat in: Ortografia sarda nazionale (Cagliari 1840) mit Sprach- karte der Insel; Vocabolario ital. - sardo e sardo-ital. (Cagliari 1851, 1852).

Er scheidet die Unterabtheilungen:

1. die Campidanische Mundart (im Süden, Cagliari etc.),

2. die Catalanische im Nordwesten (Alghero),

3. Logudoro im Norden, welche der ital. Gesammtsprachc

Ueber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 279

am nächsten steht und gewöhnlich mit dem Namen sardisch be- zeichnet wird,

4. der Dialekt von Gallura, von Sassari bis zum Golf von Te- pranosa ist wie der der Insel Maddalena fast ganz korsikanisch, der der Insel San Pietro fast ganz genuesisch.

Die Buchdruckerei wurde im 16. s. eingeführt; die Gedichte von Anton Cano stammen aus 1557; Araol la Girolamo dichtete zu Ende des 16. s.; andere, meist religiöse ältere Texte sehe man bei Neigebaur Zampieri Tobbia, poema Cagliari 1778; Purquaddu il tesoro della Sardagna (Gedicht 1779 Cagliari) Vida, martiria e morte de Sant Effisiu Calarisl787; Posella canti popol. 1833; Vinc. Porru Dizion. Sardo-Italiano (Cagliari 1832 u. 1868); Compendio della dottrina cristiana (C. 1803, Casteddu 1839); Tom. Pischeddu Canti pop. dei classici sardi (Sassari 1854); Mortini pergamene, codici e fogli cartacei C. 1864; 2 alte Stücke aus 1153 (ed. Lorenz© Hervas Idea del Universo XVII. p. 197 (v. HelfFerich Apercu 37); A. Bouillier le dialecte et les chants popul. de la Sardaigne (Paris 1864); Futuri italiani spiegati coUa lingua sarda (Streune filologiche moderne 1863) Galvani; Spane Canzoni popolari (C. 1863 5) und Appendice alle C. pop. (C. 1867), 1870 u. 72 (v. Ebert 1869. 408); 5 ver- schiedene Uebersetzungen aus der Bibel in dialetto Sassarese (Lon- don 1863 u. 66); 6 Abhandlungen und Uebersetzungen in lingua Logudorese (Cagliari u. London 1842 61 vgl. Maltzahn); G. Petri le canzoni pop. sardi del Logudoro; Vincenzo di Giovanni del uso del Volgare in Sardagna vol. XV e XIII (Palermo 1867); Nie. Delius der sardin. Dialekt des 13. saec. nach Tola Codice della Republica di Sassari (Cagliari 1850) (v. Ebert 1868. 1 131) Bonn 1868; C. Bonado raccolta di tradizioni sanle (C. 1869); Rein sber g- Düringsfeld Dialekt v. Sassari (Ebert 1869); P. Mantegazza Profili e Paesazzi della Sardagna (Proverbj e poesie pop.) Milanol869; Spano proverbj sardi (Cagliari 1871) ; Tanfani delle carte inedile in lingua sarda del ll.el3. (Archive storico ital. IIL 13. 1871); Schuchardt (Ro- mania IX. 1) phonetique comparee, de quelques modifications de la consonne initiale dans les dialectes de la Sardaigne, du Centre et du Sud de ritalie; Luciano Bonaparte on the initial mutations of the Sar- dinian dialects compared with tliose of theCeltic and Basque languages. Le pergamene di Arborea v. Gian Giozza (Torino 1869) v. yber diese ganze Betrügerei, die als solche von der Berliner Akademie cnt-

2<S0 Uober den heutigen Stand der ronianischen Dialektforschung.

liirvt ist: Ebeits Jahrbuch 1870 u. 1872. 444. u. Bericht über die Handsihrifteu v. Arborea (Berlin 1870).

II. M il t cl-ltalien ist um so wichtiger, als nach Alessandro d'Ancona die it{\l. Provinzen den Volksgesang aus Toscana erhielten freilich singt das ilal. Volk nicht, es singt nur nach, seine Lieder sind "Widerhall aus der Jugendzeit, die Volkspoesie flüchtet sich vor der fortschreitenden Kultur auf die steilen Hohen der Gebirge.

a) Toscana v. Buomattu della lingua toscana (Napoli 1750); Sul vivente linguaggio della T. v. Giuliani Torino (1857 2. ed. 1860 u. 1865).

Die wichtigsten Sammlungen lieferten :

Raccolta de rime antiche toscane Palermo 1817; Andreoli cauti pop. toscani; Tomraaseo canti pop. toscani, corsi, illirici, greci ; Tigri canti pop. toscani (Firenze 1856, 2. ed. 1860 v. Ebert 1861. 121 v. Tobler mit Besprechung des Dialekts, 3. ed. 1869); Giu. Giusti raccolta di proverbj toscani (Firenze 1858); La Novellina di St. Stefano di Celsinoja v. A.de Gubernatis (Ebert 1870. 440) 1869; Italienische Nachtgebete (toscanisch, v. Ebert 1867. 409—17).'

An Unterabtheilungen scheiden sich die Mundarten von

1. Florenz :

Gelmetti la lingua parlata di Firenze e la lingua letteraria d'Ita- lia (Milano 1874); Les poeles fiorentins au 13. s. v. Arm. Ri viere (Revue nation. et etrangere 1861); La novellaja fiorentina v. Im- briani (Napoli 1871); Proverbj fiorentini di Fr. Scrdonati (Padova 1871) aus 16. s. ; Alessandro d'Ancona la rappresentazione dram- matica nel contado Toscano (Ebert 1870. 324); Primo, Secondo Saggio del parlare degli Artigiani (Firenze 1861. 62).

2. Siena.

Piccola antologia Senese (Siena 1864. 2 vol.); Girol. Sozzini Raccolta di burle, facezie, usotti e buffonerie di 3 uomini senesi (S. 1863); Gargani Della lingua volgare in Siena nel XIII. (S, 1868); Dieci paradosse degli academici intronati di Siena, in vulgär toscano Sanese (Venetia 1608).

3. Pistoja;

Saggio d'uno studio sopra i parlari vernacoli toscani, bs. vernacolo

^* Centn sonetti in vernacolo pisano di Neri Tanfucio (Renate Fucini) Firenze 1872 cf. II poeta popolare (Nuovo Antologia 1871); Neri 100 son- netti in vernacolo pisano.

Ueber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 281

Montalese del sotto dialetto di Pistoja mit Wörterbuch v. Gherardo Nerucci (Milano 1865).

4. L ucca und

5. Arezzo.

b) Rom 's und seiner Umgegend Sprache haben dargestellt:

A. Mussafia Darstellung der roraagnolischen Mundarten (Wien 1872); Morri Vocab. romagnolo-ital. (Faenza 1840); Visconti Saggio di canti pop. diRoma, Sabina maritima e Campagna (Firenze 1858); G. B e r n e r i il meo patacco R. 1 6 9 5 ; Römische Ritornellen gesammelt v. B 1 e s- sig (Lpz. 1860) ; vgl. das zwar nur Uebersetzungen, aber manchen inter- essanten Aufschluss über das römische Volksleben gebende Buch von H. Buök The Folk-Lore of Rome (London 1874); Gregorovius Ge- schichte der Stadt Rom im Mittelalter (7 Bände 1859—70); Saggio di canti pop. raccolti nel contado di Anco na, da Bianchi e Rumori (Ancona 1858); Belli, duocenti sonnetti in dialetto romanesco (Fi- renze 1870). Saggio di canti pop. sabinesi v. Antonio da Nino (2. ed. 1869. Rieti). Marcoaldi Canti pop. umbri, piceni, piemontesi, latini (Genova 1855). ümbrische Volkslieder (v. Kivista letteraria e scientifica Novb. 1868).

c) Corsica:

Gregorovius€5:orsika (1852—54, 2. Aufl. 1870); Nic.Tom- maseo canti pop. toscani, corsi, illirici, greci raccolti (4 vol. Vene- zia 1841 42); Mattei proverbj, detti e massime corsi (Paris 1867); A. Pellegrini Canti pop. dei Greci di Carghese (Bergamo 1871); Fee, voceri, chants populaires de la Corse (Paris 1850).

Wir kommen III. zu Ober-Italien, wo wir zu scheiden haben

A. den Dialekt von Genua (v. Fuchs 141):

G. G. Cavalli cittara zeneize colla giunta di alcune rime de piu antichi rimatori genovesi (G. 1745, 1823); Cantici zeneize, Flugblätter (1820 32); Commedie trasportae dafranyeise in lengua zeneize daSteva de Franchi (4 vol. 12'^ Jena 1830); Regina e C. Lunario genovese p. l'anno 1839; Olivieri 1851; Marcoaldi Ofciti pop. (G. 1855); Pillito poesie italiane del secoloXII, appartenente a-Lanfranco da Bolasso geno- vese (Cagliari l859); I disvaricati judici d'amore (Genova 1859 v. Ebeit 1861. 442); Marcello Staglieno proverbj genovesi (G. 18G9); Colombiade poemc in dialetto genovese ; Galvani monumcnto linguistico

* Ueber Ferrara handeln: Nannini Vocab. portatile ferrarese-ital. (Fer- rara 1805); Azzi \'ocabol. clomestico ferrares e-italiano (Ferrara 1857).

282 Ucbcr (liMi liculigen Stund der romanischen Dialektforschung.

del 1191 in Strenna filologica (Modena 1863); M. Piaggio poesie gonovesi, 2. ed. mit trattato d'ortografia gcnovese di Gio. Casaccia (Genova 1864); San Martini JSaggio intoruo al dialetto ligure (San Kcmo 1870).

Die gallisch - italischen Dialekte, über welche die Ilaupt- quelle ist:

Biondclli Saggio sui dialetti gallo-italici (Milano 1853. 54. 3 vol.) neben Alluord. Italienisch von Mussafia (Ebert 1866. 206).

Sie zerfallen in 1. Lom bardische (vgl. K. Meyer Bejträge zur Kcnntniss der longobard. Sprache (Germania XIX. 2. 1874). In ihrer Gesammtheit behandeln sie Samarani Bonifacio Proverbj lom- bardiraccohi (Milano 1860. 70), B. Prina saggio critico suUe lettera- tura lombard. (Firen/.e 1871); Poesie lombarde inedite del secolo 13. ed. Biondelli (Milano 1856) Boaretti Iliade in Lombardia dell Alb. F. Boaretti (Venezia 1788).

a) Mailand (v. Fuchs 112—114).

Das erste Lexikon dieser Mundart ist von 1487 (v. Biondelli 91) ; Cherubim Vocab. milanese-ital. (M. 1817. 2. 8«, 1839—43. 4. 8^ 1856 suppl.; 3. ed. von Gorini u. de Castro 1870); G. Banfi Vocab. milan.-ital. (M. 1852, 3. ed. 1870).

La Badia di IMeneghitt a consulta sora q\ dialegh della lengua toscana (M. 1760); al canceler della Badia di Meneghitt (1860); Ba- lestreri, Meneghin, rimm Milanes (M. 1744, 1795); il figluolo pro- digo mit anderen Gedichten (M. 1823); la Camaretta di Meneghitt in conversazion sora do letteri, vuna del scolaer al scior Albae Isepp Pariu, l'oltra del Maister al Scior Carl Antonj Tanz (M. 1760); Tanzi alcune poesie milanese e toscane (M. 1766); Spazzaterap del Tizzivoeu e del Mennapaes (M. 1760); Du Boage, la Colombiade, trad. in milan. (M. 1771); A. Garioni, Tobia parafrasi in sesta rima milanese (M. 1808) ; Zanella in occasion che fan la sova intrada in Milan el di 2 deLuj del 1820 l'arciduca Raineri e larchiduchessaFran- zesca spos (M.); Porta, ^esie in dial. milan. (Lugano 1826) ; poesie scelte di Porta e Grossi (M. 1842) ; CoUezione degli migliori opere scritte in diah milan. (M. 1816 17), besond. Balestrieri, Porta, Birago, Larghi ; T. G r o s s i la pioggia d'oro e la fugitiva (M. 1822); rime piacevoli d'un Lorabardo neueste edit. Poesie milanesi di Carlo Porta e Tomaso Grossi con alcune inedite (M. 1874); l'amir didonn(M.) ; Genesicibrighel- eschi (M.) ; Cambiaggio, on sogn di Meneghin Peccenna, canti 2 (M. 35) ;

Ueber den heutigen Stand dur romanischen Dialektforschung. 283

Bonvesin delle Riva (ed. Bekker Berlin 1850, ed. Lidforss lö72 v. Ebert 1874. 433 u. Mussafia Beiträge zur Geschichte der romauischen Sprachen 1862 u. Wien 1868) ; A. Picozzi Sestiue Milanesi (M. 1857) ; Giov. Ventura poesie milanesi ed ital. (M. 1859); Imbriani la No- vellaja milanesc, esempii e Panzane lombarde (v. Propugnatore III.

1. 396, II. 2. IV. 1). Ein Theater della Varietä am Corso di Porta Ticinese gibt in Mailand besonders Stücke im mailänder Dialekt, und Gandini war 1874 der Ilaiiptkoniiker für derartige Rollen, z. B. im Barchett de Boffalora ; I deslipp del sur Bartolame ; El Prestit a Premi de Barlasrina ; I cartolin postai ; l'Araor che scappe ; la statua del sur Incioda u. s. w.

b) G. G. Alione commedie e farse carnovalesche nei dialetti astigiani, milanese e l'rancese misti con latino barbaro (saec. 15) publ. da P. A. Tosi (Mil. 1865).

c) Samarani vocabol. cremasco ital. (Crema 1852).

d) Cremona v. Peri.

e) Bergamo (v. Biondelli XXXII). Das erste Wörterbuch er- schien 1565; Agnolo Beolco detto il Ruzzante schrieb ein Lustspiel Mo- schetta (ed. Vicenza 1598). Es folgt Boschiri le pazzie de' savi ouero il lambertaccio (Bologna 1653; opere B. 1732) ; Tasso con il travestimento alla rustica bergamesea da C. Assonica (B. 1778); Maccherona di 5 pueti ital. del secolo 15 mit 2 Sonetten bergamaskisch (Milano 1864) ; Locatelli illustri Bergamaschi (B. 1867); Esperimento di una grammatica bergamense ital. da G. A. M. (Marcora) Milano 1854 ; Rosa dialetti e tradizioni delle provincie di Bergamo e di Brescia (2. ed. Bergamo 1858); Zappetini vocabol. bergam. ital. (B. 1559); Tiraboschi nuovo vocabol. di dialetti berg. antichi e moderni 1867,

2. ed. 1870; id. poesie in dialetto bergam. (B. 1863).

f) Vocabolario mantovano ital. di Fr. Cherubini (Milano 1827) Fr. ßighello, il Pantaleone impezzito, comedia (Orvieto 1632).

g) Brescia: Rime di diversi eccellenti autori bresciani, nuovamento laccolte da Girol. R u s c e 1 1 i , tra le quali sono le rime delle sign. Veron. Gambara e di M.Pietro Barignano (Venez. 1554); Domen. Man tova Rime (Venezia 1554); Vocabolario bresciano di Melchiori (Brescia 1817—20).

h) Como: P. Monti vocabol. dei dialetti della cittä e diocesi di Como (Milano 1845); v. P. Heyse Vincenzo Monti wissenschaftliche Vorträge München (1867). Saggio di Vocabol. della gallia cisalpina

281 Uebcr lU'ii Iieiiti<;cn Stiiml der romanischen Dialektforscliuiig.

e celtica ed appcndico al vocabolario dci dialclti (Milano 1858); Bolza canzoni pop. coinascho (Vienna 18G8 v. Ebert 1868. 464).

i) Ainclio da Lecce pocsie in lingua leccese (2. ed. Lecco 1868).

k) Verona: G. C. Croco dcscrittione della sua vita (Verona 1737); Cante, sie, sora la villa colla zonta d'altre composizioni soza el vondri giioccolaro de Verona (V. 1784); Fr. di Vannozzo niotto confetto XIV. s. (Ebert 1864. 327); Angeli piccolo vocabol. vcionese (V. 1821); Righi saggio (V. 1863), canli popol. veronesi (V. 1870); Giulari bibliografia del dialetto veron. (Bologna 1872); id. letteratura veron. al cadere del secolo 15 (Propuganlore V. 2. 1872).

G. Ferraro canti pop. monferrini im 1. Band v. Coniparctti cd Aless. d'Ancona Canti e racconti del pop. ilal.).

Die 2. Abtljeilung der gallisch-italischen Dialekte bilden die Ae- iiiilianischen:

a) IModena: Bart. Bocchini detto San Muzzina opere (M. 1665) Galvani saggio d'un glossario modenese (M. 1868); Muratori ; Marenesi vocabolarietto domestico del dialetto moden. (M. 1867).

Lunari arsan per l'ann 1826 con el Mandazion dla luna e dell puesi allusivi all cos dal paes (Rezz d. h. Reggio in Modena).

b) Der Dialekt von Bologna (v. Fuchs l3l, 132) wurde von mehreren einheimischen Autoren wie Scaliggeri und Bumaldi sogar über den von Toscana gestellt. Das älteste Lexikon erschien schon 1479 (v. Ebert Bibliograph. Lexikon 2. 1063); ihm folgte: Mont' Albani dialogogia overo delle cagioni e della naturalezza del parlare e spetial- mente del piü antico e piü raro di Bologna (1652); Ferrari vocab. bolognese (B. 1820, 1835); Toni Vocab. del dialetto bologn. (B. 1852) ; Aureli nuovo dizzion. (B. 1851); Dizzionario usale del dialetto bologn. (B. 1856); vgl. Carducci di alcune poesie pop. bologn. del secolo 13 in Atti della Societä di Storia patria per le provincie dell' Erailia 1867. (v.Ebert 1868. 118). Scaliggeri discorso per fuggire l'otio ostivo, dovesi provachela favella Bolognese precede laToscna cosiin prosa come in rima(B. 1622); Moni' Albani cronoprostasifelsinea overo lesatur- nali vindicie del parlar bolognese e lombardo(B. 1653); Bumaldi Vocabo- lista bolognese (B. 1669); Mignan Mignani (B. 1692); Bocchini detto San Muzzina opere (B. 1732); Buini l'dsgraci d'Bertuldin dallo Zano miss' in rima (B. 1736); Gundi (Zanbattista) rime (B. 1776); Basile Chiaglira dlla banzole o per dir mii fol divero tradutt del parlar napu-

Ueber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 285

litan in lengnabulgnesa (B. 1777); Bondi l'asuada puemott tradott dln Tuscan in Bulgneis dal A. Bartuluzz (B. 1779); Longhi, sunitt (B. 1781); Canzon che cuntin la dscrizion d'tutta quanta la funzion che's'fa tiitt' j'ann in Bulogna d'briisas la vecchia a mezza quareisma (B. 1809); Lunari Bulgnes dal gran dnttor Balanzoni Lumbarda regulä dall' arlui oltramuntan e italian per l'anno 1807 14, 1819—26. 16 tomi (B. 1807 26); Lotto Lotti la liberazione di Vienna (B. 1823); Collezzione di coniponirnenti scelti in idioma bolognese (6 vol. 12. B. 1827); Rimedi per la sona da lezza a la banzola; El gran duttor Balanzon lumbarda bulgnes dialogh e sunett (Venezia 1839) ; Poesi vari fatti da divers autur bulgneis (B. 1839); Raccolta da coniponirnenti in dialetto bol. 2 vol (B. 1827, Werke von Casali und Lotti) ; Cesali Bologna travaja dal guerr civil di Lambertazz e di Gerini, poemett scherzevol in la lein- gua bulgneisa (B. 1827) ; Gius. Barigazz, alter scherz puetic(B. 1860).

c) Peschieri schrieb ein Wörterbuch der parmigianer Mundart 1828 31 Parma, 2. ed. 1841, Supplem. 53 v. Rivista Europ. 1872; C. Malaspina Vocabol. parmig. ital. Parma 1856 59. 4. 8.; v. Affe mcmorie degli autori parmigiani.

d) Foresti (Lorenzo) Vooab. piacen tino - ital. 2. ed. (Piacenza 1855).

Der III. der gallisch-ital. Dialekte, der piemontes isch e (v. Fuchs 122 3) hat brauchbare Wörterbücher von Zalli d'Cher Dizion. piemont. ital. latino, fr. (Carmagnola 1815, 2. ed. 1830);Ponza Vocabol. piem. ed. Pinarolo 1860 ; Dizzion. piemont. ital. v. Sant' Albino (Torino 1859, 1864) und eine eigene Grammatik von Pipino gram- malica i)iemontese (Torino 1784). -

Poesie piemoiitesi, raccolt.de MaurizioPipinio (Torino 1783), Raim. Ferandi parafrasi della parabola del figliuol prodigo in ottave piemont. (Cuneo 1808); Ed. Calvo, poesie in dial. piemont. (Torino 1816); Cos- tant. Nigra Canzoni pop. del Piemonte 1858; Groni, Taja, rime pie- monteise (Torino 1860) ; Brofferio nuove canzoni piemont. (Torino 5. ed. 1858); Mina Canzoni piemont. (T. 1868); vgl. Cargnino dell' uso della lingua nazionale in Piemonte (T. 1816) schliesslich selie man A. Schott Die deutschen Colonien in Piemont, ihr Land, ihre Mundart und Herkunft (Stuttgart 1842) über die auf diesem Gebiete vorhande- nen Reste germanischen Stammes.

Dizzionario domestico P a vese -Italiano (Paris 1829).

Als dritter Hauptdialekt neben genuesisch und gallisch-italisch

'2H(j Uober don heutigen Stnnd der ronianischon Dialektforsclmng.

lilfilit in splir berloiUender Enfwickliins rlei" vielfach literarisch entwickelte von Venedig (v. Fuchs 148; B. Ganiba serio degli scritti impressi in dialetto veneto (V. 1832) ; Nardo prospetto comparativo sui dial. veneti und Dei prlmordi della lingna ital. e del dialetto in V. v. Cecchetti in Atti del Istitnto Veneto 1870. XV. VVm altes vcnet.- deutsches Wörlerbuch von 1424 (Nürnbog) ist das älteste gedruckte Denkmal (vgl. Schmeller biograpliisch. Wnr(<Mbiich III. 453); ihm folgte G. Patriarch! Vocabol. venez. e. padovano (Padova 1775, 1796, 1821); Boerio dizionario del dial. veneto (V. 1829, 2. ed. 1861), Paoletti dizion. tascabile; Contarini diz/.ion. tascabile del dial. venet. (V. 1844, ]852); F. Mutinelli Lessico venetiano (V. 1851. 8.); Pasqualigo raccolta dei proverbj veneti (1857. 1858); Canti dizzion. di alcune frasi nel dial. veneto (Vicenza 1871). Vgl. A. Wolf Volksdichtungen aus Venezien (österr. Wochenschrift 1863. I. 129) ii. Volkslieder aus V. (Wien 1864).

Calmo I piacevoli et ingeniosi discorsi in piü lettere compresi (Bo- logna 1550); Supplimento delle lettere 1552, il rimanente delle piac. et ing. lettere 1550, le bizarre, faconde et ingeniöse rime peseatorie (V. 1558); le giocosa, moderne et facetiscime egloghe (V. 1557); la Fiorina, comedia 1567; Giac. Zana, rime (V. 1562); Raccolta di varii poemi latini, greci e volgaii, fatfi da diversi bellissimi ingegni nella felice vittoria riportata da christiani contra Ferchi (V. 1572); Vital Papazzoni Rime (V. 1572); Veniero poesie in dialetto veneto XVI. saec. (V. 1818); Agnolo Boolco Ruzzante Tre orazioni recitate in lingua rustica (V. 1561); Piorana, com. (V. 1558); Ruzzante tutte le opere, la Rhodiana, l'Anconitana, la Rovana, la Vaccaria, la Moschetta, la Fiorina, comedie, due dialoghi etc. (V. 1584); Calmo Cherebizzi (Trevigi 1606) ; Basapopi le stringhe sferrettate. Aggiuntovi le sferzate di S. Rossi (V. 1664); Guil. Ces. Bona (Basapopi) opere nelle quali si contengono Li Malani dell' homo, le miserie del mondo, l'infelicitä della vita humana e li contramalani (V. 1684); Tasso, el Goffredo (V. 1693. 1790); II Vespaso Stazzicato, satira ven. di Dario VacotfU-i, altre Adrio Rivarota e oratio Vanardi (V. 1671); Balbi il Castigamatti, opera morale quaderni (V. 1675. 1683); Bertoldo, Bertolin e Caras- sano (Padova 1747); Pireno, B«rtoldo in ottave venez. (V. 1758); Caurlini, il mondo traditor con una esortozionc ä putte donzelle ä las- ciar la vanita terrena (V. 17 . .)l Tom. Mondini la Bagozzeide (V. 1733); Remita saggi metrici (V. 1763); C. Pauna dell' artifizio della

lieber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 287

disputa venez. (V. 1765); Lod. Pasta el vin Friulano de Bagnoli (Pa- dova 1788;) la'Polenta 1803; v. poesie del dolor ... (V. 1865); Boa- retti, Omero in Lombardia, (V.1788); Bada, Scarmuzzo poema(V.1788), opere (V. 1800); II piovan arloto, poema faceto (V. 1796); Zanovella, Pantalone, comedia (V. 17 .); Atan. Zannoni, raccolta di motti bri- gbellcsahi arguti, allegorici e sctirici ricorrefti da Alfr. Zannoni suo figlio (Torino 1807); Collezione delle raigllori opere scritte in dial. ven. (V. 1817), 1) autori antichi, 2) Maffeo Veniero, 3) Ant. Lamberti, 4)Giac. Mazzola, Lod. Pasto, 5) Ditiranbi, 6) Apologhi, 7) II brigliadoro V. Fr. Gritti, 8) P. Buratti, 9) C Goldoni, 10) Angelo Maria Labia, Satiriker, 11) u. 12) diverfci ; Lamberti le stagioni campestri e cittadini V. 1817; proverbj venez. (24); Fr. Cestari poesie venez. (V. 1819); Buretti poesie e satire, p. oscetie (Amsterdam 1823); Bartoli poesie scelti (V. 1824); Raccolta di poesie venez. (V. 1825); Raccolta di poesie (Torino 1826) ; Biissolin ventiquattro oi sceltedi OrazioFlacco trad. libera in verso, e dial. venez. (V. 1832); Poesie venez. scelte (V. 1833); Nie. de Lezara versi per le fauste nozze Estense Salvatico e Contarini (Padova]834) und per le f. n. Lazaro Pisani (1837); Lamberti nuova coUez. di poesie V. (Treviso 1835); Mario Pescante poesie ven. (V. 1835); Pescante saggio di poesie venez. (V. 1835); Contia poesie itale ven. (V. 1843); Gamba raccolta di poesie in dial. venez. (41 au- tori) V. 1845; De Agostines riminiscenze di Venetia; poesie di Prati, Gioberti etc. (Torino 1847); Camillo Nalin novelle e capricci (V. 1847); id. Pronostico (1841 2); Versi del barcariol per le nozze Bianchini Agostini (V. 1846); Pezzotti, scherzose vernacole poesie (Vicenza 1851); dair Acqua Anna Erizza, tragedia venez. (V. 1854); Plet, Luigi, versi (V. 1857); M. Carravia Naspo bizaro con la zonta del lamento che fe per naverse pentro de haver sposa Cati Bionda Biriota ; avvertiraenti de iin prete venezian al so concitadini (V, an 1. de la libertä ital.) ; Poesie di Gritti (V. 1862); G. Gingio un canto a Venezia delle cambienze da nna volta a ndesso (V. ]864); J. Braun Liederkranz aus dem Liebes- frühling des venez. Volkes (Berlin 1866); Dali' Ongaro l'Acqua alta(V. 1867); Marienklage im venct. Dialekt, von Bartsch (Ebert 1870).; Gius. Tassini curiosilä veneziane ovvero origine delle denominazioni stradali di Venezia (2. ed. V. 1873); G. Bemoni giuocchi popolari veneziani raccolti (V. 1874) ; Fiabe e novelli popolari. u. preghiere pop. (V. 1873); Canocia Satire e poesie vurie (V. 1874).

Der Dialekt wird in 2 Zeitungen verwerlhet, die in Venedig er-

288 lieber den lu'utlojcn Stand der romanisclion Dialektforschung.

scheinen; ]) Sior Tonin Bonagrazia, der in No. 119 im 7. Jahrgange aiicii einen Preis auf Sonoti bozzeti aussetzte (G. Oct. 1874), 2) L'ombra de Sior Antonio Rioba (1. Jahrgang 1874).

lieber eine franzihs.-vonetianische Mischsprache v. Mns.'iafia (Wie- ner Akademie Sitzungsberichte 1872. 277).

Padova: Rnzzante Tre orazioni recitati in lingna ruslica (dial. padov. (Vicenza IG 17); Anconitaua oomedia in dialetto padov. (V. l556); Magagno: La 1, 2, 3 parte de le rime di Magagnö, Menon e Begotti Agost. Rava, Giov. Batt. Maganza, Bait. Rustichello (V. 1569, 70, 4 part., 1659); J. Cavei di Nina, sonnetti canto nel commun noslro dialelfo padov. de G. M. (Padova 1785) ; Pozzobon, Giov. Trivigian detto Schieson, opere (Padova 1790) ; G. Pappai'ava vocab. venez. padov. (2. ed. Padova 1796); Patriarch! (Vocab. venez. padov. (P. 1796, 3. ed. 1821); Vedova Gius. biografia degli scrittori padovani (P. 1832).

Vicenza: Andr. Alverä Letera al so amigo e compatriote Ant. Goldon (V. 1828); Canti pop. vicentini (V. 1848); vgl. Angiol Ga- briello di Santa Maria Biblioteca e storia di quei scrittori cosi della cittä corae del territorio di Vicenza (ivi 1772 82. 4. G vol.); Spranzi Mario l'aloro de Napoleon; sestine in vernacolo vicentin (V. 1809); Zocaro Matio disputa colla padrona e la serva sui zercoli (Verona 1 861) ; id. el Solfaro (Verona 1862).

De' Bei Gloria di Chioggia, Endecasillabi pescatori (Chioggia 1835); Dal Medlco Canti del popolo di Chioggia (Venetia 1872).

Modo nuovo da intendere la lingua zerga, cioe parlar furbesca (Venetia e Bassano).

Endlich ist zu nennen das vierte grosse Gebiet von Friaul. Es besitzt E. di Collorado poesie in lingua frinlane (Udine 1785. 2, 8.), und zusammen mit Zusätzen von Zoretti (neue ed. Udine 1828. 2 vol); Ascoli; Zuan Sef. Buziz, l'Eneide de Virgilio travistade e ridote a lezion pure frinlane da Juan Batiste nob. de la Puarte con prefa- zione in cui si träte de la lenghe usado in Friul primo e dopo l'epoche romane (Udine 1830, 2, 8.) ; Dali' Ongaro la mascheradel giovedi grasso (Udine 1843) ; L. Pirona Attenenze della lingua friulana (Udine 1859); Virgilio la Georgica, tradotla in viars furlans dan Zuan Josef Busiz (Gurizza 1857); Voi friulani significanti animali e plante, pubbl. come saggiodi un vocabol. generale della lingua friulana (Udine 1854); Vocab. friulano (Venedig 1867); Zorutt il strolic furlan (Udine 1866); Teza

Uebcr den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 289

Canti d'amore nel Frlulo (1807 v. Ebert. 18C8. 464); C4. Scala Vo- cabol. domestico fi-iulano ital. (Pordenono 1870).

Hierzu sind noch zu ziehen :

Gio. Mainati Dialoghi piacovohB in dial. vernacolo Triestino oolle versione ital., agg. lettere dell' anno ITill. di Pietro Bonsino ed. una nuova pianti di Trieste com' esistara anlicamente (Trieste 1828); C. Cassani Saggio di proverbi triestini (Trieste 1864).

Für alle italienischen Dialekte ist endlich noch zu vergleichen : Zandonella saggio della ritmica dei dialetti italiani, Firenze 1874.

Es bleiben uns nun noch drei mehr isolirte und litterarisch wenig entwickelte Sprachganze übrig, von denen das Walachjsche oder jetzt mit Vorliebe Dacoromanische genannte im fernen Osten, lange gar nicht als zum romanischen Sprachstamm gehörig angesehen, von Diez erst als eine in der Fremde erzogene, mit den übrigen nicht auf- gewachsene Tochter der römischen Mutter anerkannt ist,* der er aber doch z. B. in seinem Lexikon keine selbständige Stellung eingeräumt, die er gleich den 2 anderen nur zur Vergleichung zugelassen hat. Die L a d i n e r in Wälschtirol aber und die C h u r w ä 1 s c h e n oder Rhäto- Romanen in den Alpenthälern der Südostschweiz sind der am wenig- sten ausgedehnte und am ungünstigsten in Bezug auf Forschung und Zukunft iiirer Idiome gestellte Rest romanischer Bevölkerungen, die von den beiden durch lilterarische Entwicklung und staatliche Macht getragenen Sprachen, der deutschen und italienischen mehr und mehr wesentlich bedrängt werden.

Die Sprache der Daco-Romanen, welche Adelung Mithridates IL noch Römisch-Slavisch nennt und die nach Diez in einen nördlichen, mehr ausgebildeten und litteraiisch entwickelten Zweig, das Dacoroma- nische oder eigentlich Walachische und in den südlichen, mehr mit albanesischen und andern fremden, aber nicht mit slavischen Elementen in gleicherweise versetzten, weniger litterarisch entwickelten Volksdialekt, das Macedo-Romanische zerfallen, hat zAvar schon ein Fragment istorik vom Jahre 1495 (Rivista Romana Bukarest 1861) aufzuweisen und ein kirchliches Werk v. 1.^)80, sie wurde aber recht entwickelt erst durch die 1643 in Siebenbürgen erfolgte Einführung in die Liturgie an Stelle des bisher j^obrauchtcn Slavischen. Seit jener Zeit

* V. Grammatik 3. ed. I, 135 gegen Rapp, Grammatik II, 2. 157 D. u. Raynouard Cholx V. LXVIII. erklfiren die Sprache für rouianisch.

Archiv f. n. Sprachen. LIV. 1"

'JltO Uebei" den heutigon Stand der romanischen Dialektforschung.

Schriftsprache, ist sie in der neuesten Zeit auch von begabten Autoren poetiscli cutwickelt, so z. B. von den Lyrikern: Go. v. Assaky, Negri, Sion, Ncgruzzi, Vas. Alessandri (rumänische Balladen 1852. 1853; Jassy, französisch Paris 1855; deutsch, Kotzebue, Berlin 1857); und G. Kre t zian.

Alexandrescu u. A. Donitsch zeichneten sich als Fabeldichter aus; Pelimon, Trajan in Dacica, poema istorica, in vevsuri, Bucaresti 1860, ist ein episches Gedicht. Rosetti sanimelte Volkspoesien wie Bolintineanu Poesile veki si noue edate sub ingrijirea D. Sion (Bukarest! 1855), Grandea, Poesii mit Vorrede von Sion. (Buk. 1865), Dorulu Cule- gere de canturi nationale e populäre vechi e si nuve (B. 1870); Chresto- mathien gaben heraus Tim. Cipariu Crestomatia sear Analecte literarie (Blasu 1858), Vegezzi, Ruscalla prolusione* al libro corso di lingua, letteratura e storia romana(Torino 18G3) ; Puninul „Lepturariu Ruminesc (Vienna 1863); Henry Stanley Rouman Anthology or Selections of Rouman poetry; A. Staafe, Romanische Poeten, Wien 1865 (v. Ar- chiv 1866 113. V. Marthe).

An Wörterbuchern nennen wir: Lexicon valachico-latino-hunga- rico-germanicum (Bndae 1825) mit Einleitung über Orthographie; Pogenar, Aaron et G. Hill vocab. fr. valaque (Boucourest 1845); Slamaty Wörterbuch der deutschen und romanischen Sprache (Jassi 1852); Bai'itz und Monteanu dictionariu Germano-Romanu (Kronstadt 1853) ; Polyon Roman. -deutsch. Wörterbuch, bereichert von Baritz(Ki*on- stadt 1857); Raoulde Ponlbriant Dictionaru romeno-fransescu (Bucaresti 1862); Cihac dict. d'etymologie daco-romane (Frankfurt a.M. 1870).

Grammatisch ist die Sprache behandelt von: Jos. Alexi Gramma- tica daco-romana s. valachica (Viennae 1826); Maller Gram, hungarico- valachica 1837; Tentamen criticuni in originem, derivationem et formam linguaeromanae V. Laurianus (Wien 1840) ; Th.BlasewiczTheoret.-prak- tische Grammatik des Daco-Roman. (Lemberg 1844); Kodresco dialo- guzi francesco-romanesci (Jassi 1846); IszarWalach. Sprachlehre (Kron- stadt 1855); Barth. Kopitar Kleinero Schriften ed. Miklosich Wien 1857; „Anzeige von Bojadschi Romanische oder macedono walachische Sprachlehre"; K.ungar., deutsche, ital., rumän., böhmische, slovakische und serbische Gespräche, Pesth 1859; Cipariu elementa de limba romanu dupa dialeota si monumenti vechi (Blasu 1858); principia de liraba si de scriptura (Blasendorf 1866) ; Barcianu Grammatik der roman. Sprache (Hermann?tadt 1858, 1862); Stephan Einfluss des Slavischen auf das

Üeber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 2i)l

Wallachische (Ostrowo Programm 1859); Miklosich Die Slavischen Elemente im Rumänischen (Denkschrift der Wiener Akademie 1863. XII. Philos. hislor. Klasse); Mnnteanu gram, latina pentru classe 1. 2 gimnasiali(Rrasiova 1863) ; Mircesco Gram, de la langue roumaine (Paris 1863); Aron Purunul Grammatik der rumän. Sprache für Mittelschüler (Wien 1864); Schoimul Grammatik der rumänischen Sprache, umge- arbeitet V. Blagoevich (Wien 1866); Stanescu und Lazar Praktischer Lehrgang zur Erlernung der rem. Sprache (Peslh 1867); Mussafia Zur rumänischen Formenlehre (Ebert. 1869. 353) im Anschhiss an „Zur rumä- nischen Vokalisation (Wien 1868).

Für etymologische Orthographie und Sprachreinigung wirkt be- sonders Timotheu Cipariu, der in seiner Zeilschrift organul luminari 1847 . . . und sonstigen Werken dies Princip energisch anderen An- sichten gegenüber vertritt. In neuester Zeit hat Frederic Danee, Redak- teur der Roumanie von Bucharest, in Paris bei Bailiiere die erste Liefe, rnng einer Revue erscheinen lassen, die unter dem Titel la Ronmanie contemporaine der Mittelpunkt von Arbeiten zu werden verspricht, welche sich mit rumänischer Sprache und Litteratur beschäftigen. Da- neben wirkt besonders B. P, Hasdeu ,,istoria critica aRomaniloru, Bu- caresci 1874; principie di filologia comparativa ario-europea (B. 1875); V. seine Zeitschrift Columna lui Trajana seit 1870 (vgl. Zarnke 1875. 12 p. 380) und auch T. Maioresu critice (B. 1874).

Körnbach Studien über daco-roman. Sprache und Literatur (Wien ]850); R. Kunisch wallach. Skizzen (deutsch. Museum 1864. X); id. griech. und türkische Wörter im Rumänischen (Wien 1865); Dacier und Romanen (Wien 1866); Job. K. Schuller Argumentorum pro lati- nitate linguae Valachicae epicrisis (Libenii 1831); id. über romanische Weihnachtslieder (Ilermannstadt) 1850, aus der Walachei (1852), deutsch. Uebersetzung v. Sprich wörlern ; zur Frage über den Ursprung der Ro- manen und ihrer Sprache (1855); Romanische Volkslieder (1858). Rösler Dacier imd Romanen (Wien. Akadenf?e 1866); Romanische Stu- dien und Untersuchungen zur älteren Geschichte RomäniensLpz. 1871 ; v. Sybel Zeitschrift 14. 2. 475); Dora d'Istria la nationalite roniaine d'apres les chants pop.; Crationescu le peuple roumain d'apres ses chants nationaux (Paris 1874); v. Reinsberg-Diiringsfeld die Sprichwörter der Rumänen (Ebert 1865. 173); Alb. Schott Walachische Märchen (Stuttg. 1845).

Besser ist es den romanischen Volksmundarten in Südtirol ergan- gen, welche in Schneller einen ausgezeichneten Bearbeiter gefunden

19*

292 lieber don lieiitigon Stnnd der romanisclien Dialektforschung.

lialion, (leren Litforatur aber freilicli dnrcliau.s nicht reich ist (v. Schnel- ler studj sopra i dialetti volgari del Tirols italiano (Roveredo 18G5), Programm Innsbruck 18C9 über die volksmundarlliche Literatur der 300 000 Romanen in Siidtirol, und Chr. Schneller die romanischen Volksniundarten in Südtirol (Gera 1870); vgl. Sulzer dell' origine e della natura dei dialetti communemente chianiati romanici, Trento 1855, ein systemloses, aber viele schätzenswerthe Einzelheiten enthal- tendes Werk; Mittcrrutzner die rhätoladinischen Dialekte in Tirol, Brixen 1856, Witte Cisalpinisches und Transalpinisches 1858; Steub Programm Meran 1853, Zur rhätischen Etymologie (Stuttgart 1854) und Urbewoliner Rhätiens und ihr Zusammenhang mit den Etruskern (München 1863), endlich „Herbsttage in Tirol" (München 1867). Sie zerfallen in 2 IIa ii p tgr uppen , von denen die ersten sich enger an die italienische Sprache anlehnen, während die letzteren schon durch ihren wissenschaftlichen Namen sich als der letzten ladinisch- churwälschen näher stehend charakterisiren ; nach Bid ermann „Die Italiäner im Tirolischen Provinzlal verband, Innsbr. 1874" sind etwa 220000 Italiener, etwa 130000 Ladiner.

I. Italienische Mundarten (über ihre Grenze gegen einander V. Schneller), v. Florilegio scientifico- slorico-letterario del Tirolo italiano (Padova 1856).

A. Mehr dem Lombardischen ähnlich :

1. im Val di Ledro ;

2. in Inner- Judicarien mit a) Slenico, b)Sloro;

3. im Tri den t i n i sc hen (Trentino) : v. Perini Statistica del Trentino (Tr. 1852); Gar Biblioteca Trentina o sia raccolta di docu- menti inediti o rari relativi alla storia di Trento (T. 1858); Weber Saggio sul origine dei popoli trentini (T. 1861 mit Wörterverzeich- nissen). —

lieber das Val di Fiemme ist zu vergleichen: Dialetto che si parla nella V. di F. (Hantlschrift der Ferdinandeumsbibliothek IV. D. Innsbruck 64).

B) dem Venezianischen analog:

Hier ist vor Allen in Roveredo der Dialekt mehr entwickelt; er hat Dichter aufzuweisen in Gins. Givanni (1722 1737) (dem ersten Dichter, v. Schneller Literatur); Jac. Turrati (gb. 1755) Poesien (Ve- nedig 1828); Vannetti Lezione sopra il dialetto Roveretano (R. 1762); Dom. Zano'lli (gb. 1810) L'offizi de donna checca serva de

Ueber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 293

Don Bastian; El Remit de San Martine (Padua 1856); Novullctle c massime morali (Koveredo 1862); und einen vorzüglichen Grammatiker: Azzolini Vocabolar. vernacolo ilal. pei distritti Roveretano e Trentino (Venedig 1856).

II. Es folgen die Ladinischen Mundarten, welche nach Schnel- ler (p. 9) mit dem Friaulischen und Churwälschcn ein selbständiges, wenn auch nie zu einer eigenen Schriftsprache (?) gelangtes, ja nicht einmal vom Bewusstsein eines inneren Zusammenhanges charakte- risirtesllauptgebict der romanischen Sprachen bilden. v. Th. Haller Versuch einer Parallele der ladinischen Mundarten in Enneberg und Gröden, mit denen im Engadin und der Romaunschischen (Zeitschrift des Ferdinandeum Innsbruck 1832. VII, 93 165); es sind:

A) DerDialekt von Fassa (Deutsch aucliElvas) v. Sulzer 243etc.

B) Der von Gröden (Gherdeina) in welchem Thale das Ita- lienisch immer mehr als Schriftsprache vordi'ingt. Hauptquelle ist:

La Stacions e la via della S. Crusch, che cunteng de bella con- schideraziuns i urazions. Metudes del Talian tel parla de Goerdeina (Bozen 1812) ; wozu zu vergleichen sind: Steiner die Grödner (Samm- ler für Gesch. und Statistik von Tirol II. (Innsbr. 1807); Mitterrutz- ner, Gröden, der Grödner und seine Sprache (Bozen 1864); Viän, Pfarrer von St. Ulrich (Ortisei) „Zum Studium der rhäto-ladinischen Dialekte in Tirol, über den Grödener Dialekt (Bozen 1864); vgl. Dr. Lotz (Aus allen Welttheilen, Juni 1874. v. 270) Gerdeina und die Romanischen Tyrols, welche von den angrenzenden Deutschen Krautwälsche genannt werden. Lieder in der gröd. Sprache hat's nie gegeben „wie dort die Leute versicherten "

C) Der von Buchenstein (Livinalongo);

D) Von Enneberg (oder Mareo, auch Gaderthal genannt von dem in die Rienz fliessenden Gaderbach), wo im Gegentheil zum vorigen das Deutsche immer mehr zunimmt.

E) Der Dialekt von Abtei oder Badia.

F) Der von Heiden oder Ampezzo, zwischen dessen herrlichen Dolomiten Landro oderllülilon- (falscli HöUen-stein), Schluderbach und Cortina die S[)rachabstufungcn deutlich anzeigen.

Hierzu gehören nun noch die stark vom Italieni.'^chen bocindussten Dialekte von :

G) Nons])erg oder Val di Non (mit a) Fondo, I)) Coredo, Tavon, Sfruz e Smarano, c) Tajo nach Sulzer) ; v. Nonesade, Gedichte

204 Ucbcr dt'n licutigcn Stand der romanischen Dialektforschung,

(1776, 1777 in 3 Abtlieiknigen) in N. Mundart (v. Schneller 2); Gius. Pinamonti (1783 1788) '1 pcuver bulos. Istoriella nonesa (Tr. 1838); Lc Strade e i ponti de la Val de Non. Comedia (Trient 1835); Scaramuzza, El nones zivllizza di Pietro Sc. (Tr. 1862) und endlich

H) Sulz her g oder Val di Sol.

Gleich diesen romanischen Dialekten und den in den Alpen noch vorhandenen 30,000 deutschen, aber vom Trentino her stark cnt- dcutschten Resten der sette und tredici comuni* u. s. vv., welche vor ihrem Verfall zu retten von Innsbruck aus vor einigen Jahren ein nicht ohne Erfolg gebliebener Aufruf in die Welt ging, sind die Komaun- schcn des Vorderrheinthaies und Graubündtens durch die fortschrei- tende Centralisation bedrängt, w^enn auch hier weniger als in den öst- licheren Gebieten äussere störende Einflüsse sich geltend machen, und die Dialekte vielfach offiziell gebraucht werden. Zwar hört man be- sonders im Vorderrheinthal, wo auch eine romanische Zeitung in Dissentis erscheint (die seit 1856 edirte, jetzt von Condrau im streng katholischen Sinne redigirte Gazetta romonscha in Muster, wie Dis- sentis romanisch heisst) noch viel Romanisch reden, und auch im lang- gestreckten Engadin und den Seitenthälern ist ein Gleiches zu linden, aber die Zeitungen [Fögl d'Engiandina seit 1857, zuerst in Zuoz, dann in Samaden, rom. Samedan und il Progress (seit 1870 in Strada), und die früher erschienene, aber eingegangene Amitg dilPievel (Cuera), II Grischun (Cuera) und Nova Gasctta Romonscha in Muster] fristen dort nur ein k ümmei'lich es Dasein, überall spricht und braucht man das Deutsche, resp. am Bernina und den Südabhängen Graubündtens das Italienische, das besonders im Puschlaver (meist Poschiavo) und Cavagliasker Thale mehr und mehr vordringt , während es bei Pontre-

* V. Sprachwart VI. 13 Bericht über das bisherige Wirken des Comi- tes zur Unterstützung der deutschen Schulen in Walschtirol und an der Sprachgrenze (p. 203), wo p. 204, 5 die Hauptquellen über diesen Gegen- stand zusammengestellt sind, wie über die anderen deutschen Gemeinden in Walschtirol (vgl. SprachwartVIl. 1 mit Sprachkarte undVll. 20 mit Texten), wozu noch Firmenich Germanietis Völkerstimmen 11.828 30, Sulzer 249, Fr. V. Attlmayr Die dtsch. Kolonien im Gebirge zwischen Trient, Bassano u. Verona (Zeitschr. des Ferdinandeum 12 u. 13, Innsbruck 1865 u. 67 mit Karte, u. Aus allen Welttheilen III. 5 u. 6 von Dr. Zingerle u. Dr. Delitzsch zu fügen sind. Eine Hauptquelle der Kenntniss dieses Dialekts ist Dar kloane Catechismo vor s' Beloseland (Padova 1842). Die frühere Ansicht, dass jene Leute, wie es im Visitationsberichte 1550 (in der Kanzlei des Bischofs zu Padua) bei Marco Pezzo 43 heisst: si Cimbri sunt ut se esse asserunt Cimbern seien, ist aufgegeben es sind Deutsche aus 12. saec.

Ueber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 295

sina vom Deutschen zurückgeworfen wird in St. Moritz und Sama- den thut der grosse Fremdenverkehr noch dazu viel, um die einhei- mische Sprache in den Hintergrund treten zu lassen, die sich in öffent- lichen Anzeigen nur schüchtern neben Deutsch oder Italienisch her- vorwagt.

Freilich haben auch nach anderen Versuchen Einheimischer, unter denen besonders Carisch (gest. 1865 zu Chur), Justus Andeer, der nachher weiter zu erwähnende Pallioppi, Conr. v. Flugi (geb. 1780), und der zwar aus Leipzig 1840 erst übergesiedelte, aber jetzt in Thu sis lebende Pfarrer Lechner, Herausgeber der Dumengia Saira (1855 bis 58) "ti. s. w. rühmend zu erwähnen sind, die Romaunschen in neuerer Zeit mehrere sich eingehend mit ihrer Sprache beschäftigende Werke erhalten, von welchen Stengel „Vokalismus der lateinischen Elemente in den wichtigsten romanischen Dialekten" (Bonn 1868), Schuchardt über Fälle bedingten Lautwandels im Churwälschen (Gotha 1870) u. As coli Saggi ladini (Archivio glottologico, Roma 1873), mehr die spiachliche Seite behandeln, während Fr. Rausch „Geschichte der Literatur des Rhäto-romanischcn Volkes (Frankfurt a. M. 1870)" von dem wissenschaftlichen Streben und den höchst gediegenen Kenntnissen des Verfassers ein überaus günstiges Zeugniss ablegt, welcher der immerhin schwierigen Aufgabe vollkommen ge- wachsen erscheint.

Ferner haben in der neueren Zeit mit gleichem Eifer als in Süd- frankreich begeisterte Engadiner einen A u f s c h w u n g ihrer Idiome herbeizuführen gesucht und neben Carätsch (v. Rausch 153), der, wie er mir selbst sagte, erst 1857 31 Jahr alt bei Begründung des Fogl d'Engiadina ernstlichere Studien für seine Veröffentlichungen begann dem Mitbegründer des Fogl d'Engiadina und romaunschen Dichter (Poesias umoristicas Turin 1865) hat vor Allem Zaccaria Pallioppi (v. Rausch 159) (geb. 2. Mai 1820 in Celerina, in Chur auf dem Gymnasium, dann in Jena und Berlin auf der Universität seit 1844 gebildet, starb als Landammann in seiner Vaterstadt) mit Erfolg sich bemüht, den Vorwurf, welchen Diez (I. 137 Grammatik)* dem Chur-

* Als eine ebenbürtige «Schwester der 6 Schriftsprachen können wir sie trotz aller Gegenreden nicht gelten lassen, thcils weil sie durch fremde Einwirkung verdunkelt, nicht zu vollständiger Sclbstämligkeit hat gelangen können, thcils aber und hauptsächlich, weil auf ihrem Boden keine eigent- liche Schriftsprache zu Stande gekommen, denn man schreibt und druckt

29G Ucbcr den hciiti<,^eu Stand der roniaiiiacbcn Dialektforschung.

wälschcn machte, iibzuschwächen durch seine Ortograiia et Ortoei)ia del idioni roniuiintsch d'Engiadiii' ota, compiledas per creschicus e scolars avanzos (Chur 1857).

Leider ist der höclist verdienstvolle Mann am 3. Mai 1873* im Alter von 53 Jahren gestorben, ehe es ihm vergönnt war, die Ver- öffentlichung von 2 bedeutenden Werken zu erleben, die nun im Manu- skript in Celerina liegen, ohne Aussicht auf ihre so höchst wünschens- werthe Veröffentlichung zu gjeben.

Das erste und w^ichtigste, leider nicht ganz vollendete (der Buch- stabe A und die Einleitung 35G Seiten 4*^, 8 Seiten B bis babiglia sind ins Reine geschrieben, dann folgt ein sauberes Konzept bis movcr) ist das Dizionari dels idioms retoromauntschs, congualos con linguas parentedas e condots a lur provenienza trcs Z. Pallioppi, für dessen Drucklegung eine Commission centrala in Saniaden zusammengetreten ist (v. Rausch 99), die auch ein vorläufiges Programm 18G9 veröffent- lichte, ohne aber bis jetzt praktische Erfolge ihrer Mühe zu erzielen (1873 waren erst etwa 9000 Francs durch Subskription gedeckt). Das Buch tragt das Motto aus Grimm Geschichte der deutschen Sprache (II. 837. 1848); es gibt in der Einleitung eingehende Untersuchungen über 1) Rang und Bestimmung der Schriftsprache, 2) Betonung, 3) Arten der Betonung, 4) Dehnung, 5) Schärfung, 6) Tonlosigkeit, 7) Aus- sprache und Schreibung, 8) Herkunft aus der römischen Volkssprache, 9) aus ureinheimischen, römischen Mundarten, 10) aus nachrömi- scher Einwanderung, 11) aus griechisch-orientalischen Lehnwörtern dann über Ab.änderungsweisen der Wörter durch Prosthesis, Paragoge, Epenthesis, Apheresis, Apocope, Syncope, Elision, Metathesis über Lautwandel und Entstehungsgründe. In Tabellen folgen Nachwei- sungen der besprochenen und zum Vergleich herangezogenen Sprachen (vSanskrit, Keltisch, Kymrisch, Kornisch, Hebräisch, Lateinisch, Deutsch und die Graubiindtener Dialekte) endlich eine eingehende Unter- suchung über die Geltung des A in den romanischen Mundarten.

Ich vordanke der Güte des in Chur auf der Cantonal - Schule befindlichen Sohnes von Pallioppi, in dessen Hause ich Einsiciit von

nur in den Mundarten, und zwar nach einer \villkürhch''n und verworrenen Orthographie.

* V. Fogl d'Enf;iudina 17 Meg. 1873 Samedan ,,Landamma Z. Pallioppi" und „Ucr freie llhätier 10. Mai 1873" mit anerkennenden Nachrufen für ihn.

Ueber den heutigen Stand der romanischcu Dialektforschung. 297

des Verstorbenen reichen Schätzen im Jjvhre 1873 auf einer Grau- bündtener Reise genommen habe, genauere Notizen und einen Abschnitt aus dem Buchstaben A des Wörterbuchs in der Handschrift des Ver- fassers, welcher über die sehr weitschichtig angelegte Arbeit näher orientiren kann.

apppellant (eng.), m. Anrufer eines höheren Gerichtes: Appellant; ital. und port. appellante, span. apelante, fr. appelant ; vom lat. appellans, äntis, Mittelw. der Gegenw, von appellarc, synonym mit appellator. Terms peremtoris e cauziuns del appellant, Noth- fristen und Vertröstungen des Appellanten. Vgl. II a un visage d'appelant, er sieht aus , als ob ihm nicht wohl zu Muthe bei der Sache wäre. Nihil aegrius factum est, quam ut manus ab illo ap- pellatore abstinerentur (Cicer. Verr. 2, 4. 65). a p p e 1 1 a z i u n (eng.), f. Anrufung eines höheren Richters gegen Haupt- urlheile eines niederen Gerichtes: Weiterzug, Appellation; cf. obcrl. appelhiz, pallazun, it. appcllazione, span.apelaciön, port. appellacao, prov. und fr. appellation ; vom lat. appellatio, önis, das An- sprechen, die Berufung, Benennung, der Name, abgel. wie appella- torius. Tribunel d'appellaziun, alias d'appel (s. d.), Obergericht, Appellationsgericht. Interpuoner u retrer l'appellaziun, die Appel- lation erklären oder zurückziehen. Proseguir rappellazlun, sich als appcllirende Partei beim Präsidenten der zweiten Instanz schrift- lich anmelden und die gesetzliche Vertröstung erlegen. Vgl. In- torcessit appellatio tribunorum, i. e. ad tribunos (Cicer. Quint. 20 fin.). Appellatio ad populum (Plin. VI, 22, 25). appeller (obereng.), v. n. und a. Appellation einlegen, gerichtlich weiter ziehen; nennen, benennen; ital. appellare, span. apelai-, untereng. oberl. und port. appellar, prov. apellar, fr. appeler ; vom lat. appellarc. Eis a[)pellan, as chattand Icsos in lur drets tres la sentenza emaned' in pruma instanza. Sie legen Appellation ein, weil sie durch das erstinstan/.liclie Urtheil in ihren Rechten sich verletzt erachten. Appeller dal Tribunal districtuel al chantunel, vom Bezirksgerichte ans Kantonsgericlit appelliren. Vgl. Procurator a praetoro tribunos appellare ausus (Cicer. Quint. 20, 04). S'ap- peller (obereng.}, v. r. sich auf Jemand oder Etwas berufen; untereng. oberl. s'appellär, ital. appellarsi, fr. s'.ippcler. Eau m'appel a sieu pled, a sia impromissiun. Ich berufe mich auf sein Wort, auf sein Versprechen. El s'appellet a te, a tia asserziun.

2;'8 Uebcr den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung.

Er berief sisli auf dich, auf deine Aussage. Vgl. fr. II s'appello Jean, er hcisst Johannes.

appoggcr (obereng.), v. tr. stützen, anlehnen, unterstützen; trop. helfen, begünstigen, mit Gründen unterstützen (begründen); ital. appogiäre, * span. apoyar, port. apoiar, fr. appuyer; met. appodiare = inniti, fulcire, sustincre (E). C. I, 319), parasynthetisch abgel. von ad = ap vor „p" und podium, m. Anhöhe, Erker, Vorsprung (Diez etym. Wb. I, 268), dann s. v. a. Stütze; vgl. met. podium, res quaevis, cui innitimur, a podiis circörum etc. (D. C. II, 1. 329). Appoger il chö säl mann, den Kopf auf die Hand stützen. Ap- pogger üna schela al mi'n*, eine Leiter an die Mauer anlehnen. El appogescha niieu giavusch tres sia intercessiun, er unterstützt mein Gesuch durch seine Fürsprache. S'appogger (obereng.), v. r. sich stützen, sich anlehnen, trop. sich worauf verlassen ; ital. appog- giarsi, span. apoyarsc, port. apoiarse, fr. s'appuyer. Appogescha't a mieu bratsch ! stütze dich auf meinen Arm! El s'appoggesch' a tia improraissiun, er stützt sich auf dein Versprechen. S'appoger al bastun, sich an den Stab anlehnen. Lat. Appodiare sc ad jus = fr. s'en rapporter ä ce que de cjroit (D. C. I, 1. 333).

appossaivel (eng.), adj. masc. ursprüngl. thunlich, rathsara ; daher: geziemend, billig (den milderen Anforderungen des Rechts gem.äss); zuträglich (dienlich, nützlich); heilsam (erspriesslich , das körper- liche oder geistige Wohl befördernd); componirt aus ad = ap vor ,,p" und possibilis; oberl. posseivel. Que ais gust et apposaivel, das ist recht und billig. Que ch'ais gust per Fun, ais appossaivel per Toter, Was dem Einen recht ist, ist dem Andern billig. Alt- obereng. : Aque chi tiers Matheum disth e'g Singer et nos Maister Jesus Christus, aque es appussaivel, che seoduna motela persuna paisa, che sajadit a si: Gni tiers me tuots aquels, chi isches affadiös e chiargiös, et eau völg arfer vus." „Geziemend ist, dass jeder Sterbliche denke, es sei ihm gesagt, was unser Herr und Meister Jesus Cliristus durch Matthäum sagt: Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken." (J. Bi- veroni's Uebersetzung einer Epistel des Erasmus von Rotterdam, vom Jahre 1560.)

* Appngiäre, woher unser Wort, verhält sich zu appodiare, wie ital. giorno zu diurnum, giuso zu deorsum, inveggia zu invidia, merigge zu me- ridies, poggio zu podium, raggio zu radius etc. (Diez rom. Gr. I, 1, 172).

lieber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung. 299

Ar ab (rhaetorom.), m. der Araber; it. Arobo, e, span. und port. Arabe, prov. Arabi, fr. Arabe; vom lat. Arabs, abis, und diess vom gr. "4Qaxp, aßog. Ils Artibs sun magnanims e valorus, die Araber sind grossmüthig und tapfer. Vgl. Aspice et extremis do- mitum cultoribus orbem, Eöasque domos Arabum, pictos Gelonos (Virg. Georg. 2, 115). arbitradiir (obereng.) , m. Schiedsrichter; ital. arbitratore, span., port. und prov. arbitradör, fr. arbitrateur ; vom mit. arbitrator, i. e. amicabilis compositor (D. E. I, 1,656),* abgel. von arbitratura, Supin. des Zeitw. arbitrari. Las questiuns d'interess traunter ils juguels dajan gnir decisas tres arbitraduors, über streitige Interess- fragen zwischen Ehegatten haben die Schiedsrichter zu entscheiden (s. Civilstat. 50, Art. 200, seit dem 1. September 1862 aufge- hoben), aradiira (eng.), f. das Pflügen, Ackern; übertr. der Pflügerlohn ; oberl. aradira,** ital. aratura, coniask., span. und port. aradura; vom mef. aratura = aratio agri , quam tenens donn'no debet ex debito et stato servitio (D. C. III, 1, 355). Pajer l'aradura, den Pflüger- lohn entrichten, ardit, ita (eng.), adj. muthig, kühn, beherzt, verwegen, dreist; anmassend, frech, unverschämt; oberl. ardeu, ^ ida, ital.ardito, a, span. und port. ardido, a, prov. arditz, ida, fr. hardi, ie; abgel. von ardir. Que nunais cossgliabel, d'esser raemm' ardit cun- grands signuors, bei grossen Herren soll man nicht zu dreist sein. El ho iina tschera ardita, er hat ein verwegenes Gesicht. Vgl. prov. Ar son arditz, ar me torna a paors, fr. Tantot je suis hardi, tantöt la peur me revient (Jordan de Boneis ibid. 11, 11 5). Das zweite fast vollständig vorliegende Werk, für dessen Druck- legung aber noch gar nichts getlian ist, lautet: Die Ortsnamen des Kantons Graubünden, gesammelt und erläutert von Z. Pallioppi, 1862 erster Entwurf in 4 Heften und 3 Theilen Fol. I. Deutsche Namen 1) Bodenerhebungen, 2) Vertiefungen, 3) Ebenen, Flächen, Grund,

* Im altern Latein bedeutet arbitrator: unumschränkter Herr, Gebieter, Herrscher; ct. Jupiter arbitrator (luscrlpt. Gud. 7, 5). Pcntapylon Jovis arbitratöris (Publ. \'ic,tor. reg. 10).

** Die abgekürzte Form radira bedeutet s. v. a. 300 Klafter Ackerland (in Fillfiur 800); coiiinsk. und span. aradura, so viel Land, als ein Paar üi'hsen in einem Tajjje pfUigon können; cf. Pecia una c'anij)I. ... et est aratura una et dimidia (Urkunde vom Jahre 1259 bei P. Monti I, 6).

300 Uebcr den lieutigen Stand der romanischen Dialektforschung.

4) Gewässer, 5) Brücken, Strassen, Pässe, 6) Gletscher, Muren, Liuvincn, 7) Schutt, Sand, Geschiebe, 8) Sumpfboden, 9) Wiild, Ge- büsch, 10) Jagd, Gewild, 11) Viehzucht, Alpwirthschaft, Seniihiitten, Hausthier, Viehstall, 12) Feldbau, 13) Gewerbe, 14) Soziale Verhält- nisse, 15) religiöse Beziehungen. II. Romanische Namen. III. Rhae- tische Namen bis zum 8. Kapitel, dessen Nr. 13 lac behandelt als Probe der Darstellung möge der Abschnitt über Celerina dienen, wel- cher also lautet: Celerina, Kreis Oberengadin, Dorfname. Herr Tho- mas Frizzoni schreibt: Der Name kommt her (wie man glaubt) von Schlatain, ein Bach, der zwischen Cresta und C. fliesst, jedoch hat diese Ableitung nichts für sich. Bosch hingegen antwortet auf die Frage, ob der Name nicht vielmehr von dem schnellen Lauf des Sees habe entstehen können, der von St. Moritz herabstürzt, da er vorher beinah einem stehenden Wasser glich? folgenderraassen : In der älte- sten Urkunde, die über das Engadin einige Auskunft gibt (Verkauf- briefe des Engadins durch die Grafen von Camartingen an das Bis- thum Chur 1139) kommen zwar die übrigen Ortschaftsbenennungen vor, aber nicht Celerina; die Gegend, wo dasselbe nun liegt, heisst in dieser Urkunde ad Selatanam, welches ziemliche Aehnlichkeit mit dem Namen des Baches Schlatain hat. Von dem schnelleren Lauf des Sees kann der Name nicht wohl kommen, weil dieser Fluss im ganzen En- gadin nirgends sanfter fliesst und weniger Fall hat als auf Celerinas Boden (N. S. II. 304 und 291). Das celtische Clarenna, abgeleitet von clara = tabula, locus planus (nicht Bergveste, Bergwohnung, wie H. Lechner P. L. p. 12 fabelt) entspräche zwar vollkommen der jetzi- gen Lage des Ortes, allein die Volkssage, unterstützt durch obigen Ver- kaufsbrief vom Jahre 1139 versetzt das Dorf welter hinauf und zwar mitten unter die früher weit zahlreichern Gerstenäcker auf der linken Innseite, zwischen Samaden und gedachten Bach Schlatain. Urk. Datum in Schellarin 1313 (Cod. Dipl. II, 221), was docli offenbar auf lat. cellariensis, mit. cellarinsis, seil, locus =:^ cellarius, Vorratlis- kammer, Speicher (locus recondendis segetibus, a spicis dictus , vel quavis cella panaria (D. C. III. 2. 304 u. 258, 59, II, 2) Edictum Oblatorii II regis c. 23 in Synodo Parisiensi. Et quandoquidem pastio non fuerit, unde porcl debeaut saginari, Cellarinsis in publico non exigatur. Est enim (sc. Cellarinsis), id quod Cellarii nomine exigi solet, und danach auch der Localität entsprechend Kornbauender, her- vorbringender Ort, Vorrathsbehältniss.

lieber den heutigen Stand der lomaniscben Dialektforscliung. 301

Möchten diese Notizen veranlassen, da die Mittel der hlnter- bliebenen Familie Pallioppi's sehr gering sind, von anderer Seite für den Nachlass desselben einzutreten und vielleicht von Seiten der Aka- demie für neuere Sprachen an eine Publikation der wichtigen Reste zu denken. Das könnte, indem es aufs Neue das lebhafte Interesse der deutschen Wissenschaft bekundete , wesentlich mitwirken zur Kräftigung eines Schriftenthums, das in den letzten Zeilen mehr erstarkt und reger gepflegt ist,* wenn es auch wohl nicht die enthu- siastischen Schlussworte Rauschs (p. 157) wird vollständig wahr- machen können.

Die von Diez I. 137 u. Fuchs 337 nur dürftig behandelten Dia- lekte zerfallen in die folgenden Klassen:

I. R o m o n s c h oder Oberländisch im oberen und grauen Bunde an den Quellen des Rhein (Romaunsch: de la Ligia grischa).

A . S u r s e 1 V i s c h oder O b e r w ä 1 d c r mit 2 neuen Unterabthei- lungen in Dissentis und Stanz und mit einer eigenthümlichen Verschie- denheit der Orthographie und selbst der Formen bei den Katholiken und Reformirten.

Alle diese finden sich im Vorderrheinlhale zwischen Reichenau und dem Gotthardt.

B. S üb s y 1 V an i s c h , dem Ober-Engadlnischen näher verwandt, mit 3 Untermundarten, aber ohne Schriften: 1. das Heinzenbergische, 2. das Schamsische bis über die Via mala, beide im Domleschgthal am unteren Hinterrhein, 3. das Filisurische bei Tiefenkasten am Da- voser Landwasser.

Einen abgesonderten Uebergang bildet zum Folgenden das Ober- halbsteinische oder Surseissische, auch Dialekt von Sürmeir genannt, von Tiefenkasten bis gegen Möllns am .Tulierpass reichend.

II. Das Ladinische zeichnet sich durch reichere Aussprache, höhere Vollkommenheit des Sprachbaus und verhältnissmässig reiche Literatur aus; es zerfällt in

A. We s t -E n gadin i seh mit

1. Ober-Eneadinisch, das vielfach getrübte Vokal- und

* V. Alfons von Fhigi Die Volkslieder des Enfradin. Strassburg 1873 (vgl. Zentralblatt 10. 1. 1874, Revue critiqiie 50. 1873): Bolinier Koniani- sohe Studien (III. Strassburg 1873) 1. 36 chansons popularas d'KngiaJins V. Flugi (p. 309—35), 2. der ladinische Tobia nach einer Handschrift im Samadener Hause des Natlonalraths Andr. v. Planta aus 17. saec. 1678, 407 Verse in 14 Kapiteln.

302 Ueber den heutigen Stand der romanischen Dialektforschung.

seltsame Konsonanten-Aussprache hat mit seinen 2 Unterdialekten dem Bergüni sehen am Fiiss der Albula, das an das Surmeirische grenzt und dem im Bergeller Thale unterhalb des Maloggiapasses und im Puschlaver Thale gesprochenen, stark mit Italienisch versetzten Puschlavisch oder Duvinisch. Ein älteres Gedicht in dieser Mundart vom Pfarrer Gritti von Suz (gest. 1639) gab Rochat mit Erklärung und Erörterungen über die Lautlehre des Dialektes heraus (Zürich 1874).

2. Unter-Engadinisch, das phonetisch reiner ist und von jenen durch die Punt-auta, eine Innbriicke zwischen Scants und Zernetz getrennt ist und in dem bis zum Stilfserjoch von Zernetz aus reichenden Münsterthalischen einen Unterdialekt besitzt.

B. umfasst die vorhin schon besprochenen Mundarten in Tirol.

Vieles ist, vfie wir gesehen haben, schon auf dem Gebiete der romanischen Dialektologie geleistet, sehr vieles ist noch im Einzelnen diu'ch Sammeln von Wörtern, Sagen und Liedern, und durch gramma- tikalische wie lexikalische Sichtung und Vergleichung zu thun; eins aber möchte ich mir vor dem Schlüsse noch für weitere Arbeiten vor- zuschlagen erlauben, wobei ich bitte, meine Worte nicht als eine Rede pro aris et focis ansehen zu wollen. Für den nicht an Ort und Stelle aus dem Volksmunde schöpfenden, der nur Gedrucktes liest, ist es unendlich schwer, die Aussprache sich genau zu vergegenwärtigen, die im gegebenen Falle für diesen oder jenen Dialekt die richtige ist und auch für die, welche dialektische Reste niederzuschreiben beab- sichtigen, fehlt es noch an einem allgemein anerkannten Prinzipe der Orthographie. Uebereinstimmung darin thut noth* und da ich in meinem Wörterbuche die so einfache wie sichere phonetische Bezeich- nung nach Langenscheidt's Prinzip, wie ich glaube, mit Erfolg ange- wandt habe, erlaube ich mir den Vorschlag, dasselbe bei Werken für die Dialekte zu verwerthen, wozu ja mein Verleger, der das wärmste Interesse für das Gedeihen romanischer Studien hat, sicher gern die Hand bieten wird.

* Die in neuerer Zeit, freilich hauptsächlich für die Schreibung deut- scher Mundarten gemachten Vorschläge von F. Kräuter (Deutscher Sprach- wart V. 13), Th. Gärtner (D. Spr. VI. 20) und J. Bucher (id. VII. 10) werden, so gut sie gemeint sind, schwerlich ausreichen, um volle Genauig- keit zu erzielen.

Die sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache

von

C. Schulze.

(Schluss.)

C. reimlose formein. c) Adjectiva.

abe xi. todt, ab, todt u. kraftlos (a. 1393) fehde ufgehaben, tod u. a. (1521) Grimm RA 17. heimlich, still u. alleine, ebend. alt u. gran, «. u. grä, Karl 12b. passion. III, 203, 43. alt u. grise, Mart. 104. Suchenw. 12, 6. f Mone Schansp. I, 72, 200. Weimar, jahrb. I, 130. alt u. jung, Wilh. d. h. 72. beide alten und jungen, Vrid. 156, 10. schwanr. 387 u. ö. bei Konr. v, Wiirzb. f den jungen nicht d. alten, Parciv. 1272. passion. III, 1, 4. beide aide u. j., ebend. 220, 22 u. ö. K. troj. 103. 179. nahe u. ange, Trist. 18201. arm u. notec, Am. 1364. alt u. krank, Morolf 1165. alt u, schwach, Karl 20a. alt u. virne, troj. kr. 4500. 9617. 10668. beide alt u. wise, passion. III, 274, 43. sante zun alden u. z. wisen, ebend. 472, 88. arm u. blüz, pauper egensque, Ruodl. fragm. 10, 72. livl. kr. 11397. er wird ein Mensch, wird arm u. bl. (Lobt Gott, ihr Kristen allzugleich), stolt u. opgeblasen, soest. fehd. h. s. 590. sassenkr. 13. edel u. a us erkor n, Suchenw. 4, 53G. (auserwählt) küene u. üzerwelt, livl. kr. 6753. 8501. 10008. 11160. rasch u. uzer- welt, ebend. 8407.

halt u. geschwinde, ungen. rock 2731. 2905. 3195. 3231. 3745. gut u. balt, Naraelos 243a. halt n. küen, die recken kuone u. b., Luarin 1380. Nibelg. 44, 4. f knne u. b., passion. I,

304 Die spiirhwörtllclien Formoln der doiitschen Sprache.

181, GG. o29, 0 u. ö; sasscnkr. 227. mnotik u. ball, Winsbok. 20, 2. balt u. snel, s. ii. b., Haupt z. 1, 305 (1200) liedors. 124, G50. Altsw. 4b, 18G, 12. Fischard arch. I, 78. schön u. balt, jSFaniolos 2.')]a, 2;VJb. stark u. balt, alld. beisp. 13, 238. balt u. wis, AVIS u. b., Wernh. v. N. 37, 19. zam u. bändec an der minnen seile, passion.III, 424, G(J. bange u. gTich, Jeroseh. 16, 50. bange u. Avehe, holst, krön. (Staph. 127, 34.) bar n. frei, Panlal. 924. tdiut.I,3G9. ledec u. bar, dint. 1,450. bar n. nackt, nackent n. b., avent. krön. 14299. Pantal. 1307. bedach tigl icli , sittig- Hch u. f ü rsicht iglich (15. j.), Grimm IIA 17. . geschwind ii. behende, Körner volksl. 103. listig n. behende, Schade g. ged. 11, 646. bequem n. nütze, beqnem, tauglich u. n. (a. 1460), nützlich, bequ. u. erlich, Grimm RA 17. f Pusilj. 240. gutwil- lig u. bereit, Schade g. ged. 6, 222. Avillig u. bereit, | willic u. b., Ludw. kreuzf. 4716 = gesamtab. 27, 315. Klage 196. besser u. nutzer, Berthold 70. besser u. weger, Bertliold 121. beste u. liebste, daz liebest u. d. b., Iwein 6971. beste u. schönste, aufs seh. u. b., Wigal. 22, 3., Horneck 808. biderbe u, erbar, e., b., unbesprochen man, Grimm RA 29. biderbe u. fr um, Für- stenb. En. 298. 322. lieders. 213, 76. biderbe u. gewaere, Karl 31b. biderbe u. gewizzen, f Wernh. Mar. 96. biderbe u. guot, Lanzel. 6577. Hartm. büchl. I, 1225. Iwein 4506 (noch 3 m.). Free. 3687. wälsch. gst. 1595. 2890. Crescent. 103. 1. lieders. 148, 619. ungen. rock 3050. biderbe u. reclit, Karl 64b. bi- derbe u. wert, Iwein 2750. Daniel 477. Engelh. 2744. biderbe 11. wise, gute frau 2234. freundlich, gleich u. billig (a.l431), Grimm RA 16. billig u. sieht, Lohgr. 104, 19. *) billig u. reht, Diemer 310, 21. kaiserkr. 190, 7. Lanzel. 2461. Hartm. büchl. II, 175. Wälsch. gst. 314. 9537. Karl 88b. 132b. Ger- hart 2858 u. ö. Berlhold 183. Mone schansp. I, 228. Georg 1950. Partonop. 26, 15. 30, 2. Alexius G. 338. Eracl. 2249. K. troj. 5497. Col. cod. 10, 1453. passion I, 245, 42 u. ö. Helmbr. 1049. t Pantal. 1492. 1760. Engelh. 4121. Konr. Alex. 418. daz waz wol reht u. taten ez billichen, Lohgr. 49, 33. ungen. rock 130. Anrhg. billig, r. u. erwerdig , Grimm RA 16. billig u. wol, Pantal. 1184. K. troj. 13379. Sylvest. 6. bitter u. grimm, so b. u. s. grimme, Georg 3428. K. troj. 4317. herb u. bitter, Körner volksl. 242. leid u. bitter, Schade g. ged.

Die sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache. 305

105, 50. bitter u. sür, Partonop. 27, 11. bitter n. sweve, K. troj. 15593. blank u. liUer, f weinschwalg 35. Engelh. 3600. wize n. blanke zäne, K, troj. 3037. bleich u. mager, f Iwein 6212. bleich ii. ubelgevar, Ruol. 224, 30. bleich u. var- los, uarlos u. plaich, ebend. 225, 24. blide u. fro. Suchen, pil- gerf. Soest, fehd. s. 641. f Karlmein 463. blind u. finster, f. n. b., Diemer I, 10, 21. blind ii. taub, Martina 9d, 88. blind u. toll, t. u. bl. drauflosgehen (fort et firme), volksm. itel u. blöz, Wernh. v. Elmendf. 250. altd. beisp. 13, 213. fri u. bloz, Mart. 57. ledeg u. blöz, schwanr. HOL käl u. blöz, fastnachtsp. 524, 17. blöz u. luter, gar 1. u. b., K. troj. 468. blöz u. nacket, avent. krön. 14183. 15228. Helmbr. 1869. Mone schausp. I, 212. 224. 225. Pusilj. 242. fastnsp. 1160. nudus vel egenus, Ruodl. III, 42. t arm. Heinr. 11 95. Phil. Marienl. 7236 (noch 2 m.) passion. I, 322, 83 u. ö. Mar. klage (fundgr. II, 261. 268). Altsw. 5, 250, 38. ring l5b, 36. Helmbr. 1869. muoters n. u. ganz bl., Folz 1258. Rozwit. s. 180. Barb. pass. 259. 271. Schade g. ged. 9, 915. Ger- stenbg. krön. 310. blöz u. offen, f passion. I, 168, 33. offelich u. bl., ebend. 115, 2, 163, 59. blöt eder ru, soest. fehd. s. 694. blutec u. vrat, passion. I, 70, 32. blutic u. wunt, Wernh. Mar. breit u. gross, avent. krön. 1229. f K. troj. 6963. breit u. lang, Laurin 34. beste lanc, dicke, breit, Wigal. 7094. pflegent der breite u. ouch d. 1., Walt. v. Prisach 1, 7. f Vrid. 13, 24 = Gottfr. lobges. 58, 2. Karl 96a. 105 a. lang u. breit erzählen, volksm. = Gandersh. krön. 1, 2. 6, 17. Suchenw. 35, 111. 38, 134. 40, 1284. sieb, meistr. 16, 18. soest. fehd. s. 679. breit u. michel, f Diemer 345, 11. anegenge (Diemer 26, 19), livl. krön. 3283. Schade g. ged. 8, 42. Suchenw. 47, 104. ring 14b, 24. kurz u. bündig, volksm. auch im sprichw. kurz u. b. ist das beste, Pistor. 5, 98. bunt u. kraus.

fest u. dauerhaft, Grimm RA 14. deubig oder raubig (= gestohlen od. geraubt), Albr. landfriede, deutlich u. verständ- lich, Grimm RA 14. dick u. fett (gros et gras), auch vvol pricke- fett, kurz u. dick, besonders in Sprichwörtern: k. u. d. hat kein geschick, ist bauernschick , ist ungeschickt. schiere u. dräte, troj. krön. 6662. draete u. strenge, Parciv. 593, 15. durch- liuhtic u. reine, K. troj. 16435. durchsihtic u. h'it er, Mart.2l0e.

eben u. gleich, vil ebene u. v. g., Engelh. 2699. f gelich u.

Arcliiv f. n. Sprachen. LIV. 20

80(J Die spricliwörtliclicn Formeln der doutschen Sprache.

ebene, passion. I, 103, 9 u, ö. eben u. sieht, so el., so e., Gottfr. lobgcs. 80, 3. Flore 3147. schoenu. eben, Trimb. 1051. Sii- chenw. 29, 74. Altsw. I, 5, 21. IV a, 123, 18. ring 20, 9. vri u. echt geboren, wikb. recht 78 § 1. echte, recht u. vri (1509), Grimm RA 16. avoI u. eben, Altsw. 4a, 120, 17. edel u. fri, Diemer 291, 17. Helmbr. 12 19. edel u. her, diut. I, 361. edel u. hochgemuot, ungen. rock 224. edel u. küene, Nibelg. 103, 2. edel u. rieh, Iwein 3357. 6623. Nibel. 4, 1. passion. III, 481, 13. 639, 84. schone, iunc, rieh u. e. III, 640, 17. r. u. e., Hor- neck 108 b. Boner 86, 55. edel u. rein, gute frau 2354. edel u. teuer, Haupt z. 1. 398 (1200). ehrbar u. hövisch, so hoe- visch u. als erbaere, Iwein 116. lofflich u. erlich, Neocor. I, 123. nutzer u. erlich er, nürnbg. krieg s. 43. ehrlos u. meineidig, lovelos, e., m. (a. 1506) m. tniwelos, e. (1272), truwelos, e., m. (1360. 1363), tr. e. meineidlich (a. 1345), treulos, m. u. e. (1419), Grimm RA 17. truwelos u. erlös, Neocor. I, 366. ersam u. lobclich, avent. krön. 27840. eigen u. frei, Haupt z. 1, 160 (1190) 3 mal. Vrid. 54, 8. Trimb. 344. 1361. 1509. f Ruol. 6,1. auch im sprichwörtlichen anagramm , Agric. 742 : drei buchstaben maclien uns eig. u. fr. (Eva ave). vri, dorflechtig, recht egen (a. 1400), Grimm RA 16. fri und nicht egen, ebend. 29. klerlich, eigentlich u. merklich, Grimm RA 17. erd- u. nagelfest, rechtsformel. Westphal. mon. II, 2040.

val u. reide, r. u. v., Helmbr. 11. val u. swach, avent. krön, 2434. vast u. hart, so harte u. s. v. (= fest), Karl 85a. fein u. hübsch, f in waidsprüchen , altd. wäld. III m. 162. 202. fein u. klar, Haupt z. 1, 157 (1190). Altsw. 5, 197, 15. f Altsw. 5, 201, 13. 231, 34. zart u. fin, berl. jahrb. 8, 10, 2. vient u. gehaz, Ludw. kreuzf. 783. lieders. 230, 23. schuldig u. verbunden, volksm. Schilling eidg. krön. 258. fern u. nah. fern u. weit, König Luc. tocbt. 472. fastnsp. 41 9, 27. 890, 34. sieb, meistr. 148, 43. 204, 12. f w. u. verre, kranker lewe (Reinh.) 358. diut. I, 417. (vest) sicher, v. u. hebendig (a. 1367), Grimm RA 16. fest u. stark, st. u. f., Luar. 437. k. troj. 7161. 23727. ungen. rock 2006. vest u. hiure, Lanzel. 3910. 632]. f Marner 8, 3. fest u. steif, steif u. f. glauben, dabei bleiben, volksm. fest u. stete, Haupt z. 2, 421 (1230). avent. krön. 15704. diploma v.

Die sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache. 307

1296 (bis. Schilt, thes. III, 544). f Pusilj. 395. Körner volksl. 144. fastnsp. 868, 23. vast, seker u. stede (a. 1325), stete, ganz u. f. (a. 1356), Grimm RA 16. stete, f. u. ungebrochen, in weisthümern v.J. 1311. 1331. 1335. 1368. 1383 u. 94. Grimm RA 29. passion. III, 470, 81. fett u. prick. vinster u. tunkel, Mart. 217. flüchtig u. mat, livl. kr. 7663. formlos u. weislos, Suso leb. 3. frät u. durchfressen (vgl. blutig), durchvr. u. fr., passion. I, 156, 50. frech u. kiien, die küenen u. d. f., Luar. IG. frei u. ledig, Pusilj. ]9l. berner krön. s. 14. Eschenloer II, 322. Schil- ling eidg. krön. 38. f Lanzel. 7665. Gandersh. krön. 4, 30. passion. I, 70, 65 u. ö. Amis 1768. schwabensp. 308. Engelh. 293. troj. 3298. Mart. 167 c. Horneck 492 b. lieders. 72, 132. Hoffm. kirchl. 78. Suchenw. 40, 940. fastnsp. I, 73, 22. frei u. los, los ind vri, Hag. krön. 454. passion. III, 407, 69. Schade g. ged. 11, 5l8. freiu. quite, j quite ende vri, Partonop. 82, 16 (noch 5 m.). flandr. reimkr. 2129. quid, ind vri sin u. wesen, weist, v. 1338. Grimm RA 14. altd. bl. I, 207. hartebok 5, 60. frei u. sicher, f sicher u. V., Col. cod. 11, 174. passion. I, 119, 65. TU, 552, 93. Hor- neck 228a u. ö. mittelniederl. altd. bl. I, 205. fastnsp. I, 302, 11, fri, unbelet u. unbekümmert (a. 1513), Grimm RA 19. friunt u. im holt, Altsw. 3, 95* 26. Fischard arch. I, 82 (a. 1501). frisch u. gesund, lieders. 22, 25. 173, 470. Rozwit. s. 168. Schade g. ged. 11, 169. Mencke II (L. v. Thür. § 34). altd. bl. I, 56. sieb, meistr. 143, 16. 229, 27. Heinr. d. löwe 87, 7. f avent. krön. 29789. passion. I. Haupt z. 5, 7. Fribg. 1827. frisch u. lauter, Suchenw. 11, 13... f 25, 4. frö u. geil, Maur. u. Be- amt. 1201. frö u. gemeit, Col. cod. 10, 479. passion. III, 196, 3. Ernst 171 u. ö. Haupt z. 5, 8. sassenkr. 68. lieders. 72, 150. Frauendst. 34, 9. fastnsp. 923, 30. frö u. gutwillic, Trimb. 1495. frö u. hochgemuot, livl. kr. 1391. frö u. willic, Ludw. kreuzf. 776. f soest. fehd. s. 600. Schönem, niederd. schausp. 305. 681 u. ö. frö u. wolgemut, avent. krön. 21026. Ernst 1803. Haupt z. 5, 9. ludus de X vii-g. 18. froelich u. gemeit, (Lau- rin 79) Luar 1739. 2689. K. troj. 10453. 13348. froelich n. ge- sund, Schade g. ged. 9, 928. froelich u. guot, Servat. 3230. froelich u. wolgemeit, soest. fehd. s. 640. froelich u. wol- gemut, Engelh. 2563. K. troj. 13526. lieders. 28, 315. fr. u. w. wandelt das junge Blut, Volkslied, frum n. quec, troj. kr. 18558.

20*

308 Die sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache.

fru m u. redlich, harrensch. 263, 32. vruot u. giiot, g. n. v., Fribg. 1634. vruot u. wis, w. ende vroet, Reinaert 3987.

gänge u. heil, Museum II, 55 (534). ganz u. heil, passion. in, 229, 26. ganz u. lauter, f li'iter u. g,, Engelh. 2596. Mart. 106o. llOd. 206b. ganz u. stete, Pusilj. 200. ganz u. vol- len kumen, passion. I, 208, 10. gemach u. lieb, 1. u. g., kai- serkr. 59, 28. gemeit u. hovelich, h. u. g., Helmbr. 921. ge- meit u. hübseh, f si ist h. u. vvol g. Morolf 2046. Fribg. 1579. 1825. lieders. 129, 94. fastnsp. 660, 26. gemeit u. stolz, st. u. g., gesamtab. 20. 140. genug u. vil, vil u. gnuch vberic, Wernh. V. N, 21, 9. gesamtab. anhang. gereit u. offenbar, K. troj. 10505. gereit u. snel, s. u. g., Hag. krön. 1227. 2191. schnell u. geschwind, Körner volksl. 2. gesund u. heil (altfranzös. sain et sauf), Col. cod. 802. passion. I, 65, 42. f Marienleb. 3042. kaiserkr. 243, 22. sassenkr. 67. lieders. 24, 259. altd. bl. I, 245. gesund u. risch, er wart risch u. g., passion. I, 218, 67. ge- sund u. siech (s. A). gesund u. sinnic, wart s. u. g., Servat. 2290. 3]74. gesund u. stark, Schade g. ged. 9, 137. getriuwe u. holt, kaiserkr. 327, 6. Lanzel. 9220. lehenrechtb. 5. Horneck 463b. Closen. strassb. krön. 39. f erster landfriede, getriuwe u. staete, K. turn. 1, 4. altd. bl. I, 240. f Gottfr. lobg. 66, 4. ge- triuwe u. warhaft, Trimb. 906. getriuwe u. wis, Parciv. 7, 30. getriuwe u. wolgezogen, avent. kr(5n. 3527. loetic u. gevieret sint dine werk, Frauenl. 128, 4. treu u. gar gewer (^ bürgend), fastnsp. 650, 12. gewaltec u. her. Schwanr. 260. geher u. geweidig, Wernh. M. 173. gewaltec u. rieh, Haupt z. 1, 272 (1190). passion. I, 100, 27. klage 519. gewaldec u. stark, passion. III, 372, 30. gewiss u. sicher, altd. bl. II, 175. seker u. wisse, Ermanrik 11, 3. 13, 11 u, 12. Morolf 1155. Marienl 7. 22. f Elmendf. 992. Hag. krön. 3169 (noch 5 m.). ebenso weberschl., Grimm RA. 14. geyt u. iunc, Crane 27. ge- zaeme u. lieb, 1. u. g., kaiserkr, 440, 7. gezaeme u. wert, w. u. g., Wernh. Mar. 226. gnadig u. holt, kaiserkr. 366, 15. Ruol. 101, 20. Karl 6b. 36b. beide grimme u. ouch hart, passion. 111,344,93. grim me u. zornic, Elmendf. 986. gro ss u. klein, grozen u. kl., Rudolf 15, 21. livl. kr. 5718. 6317. Trimb. 223. beide gr. u. k., Schade g. ged. 8, 174. 584. 742. 9, 674. g. u. k. wie der sauhirt zu dem thor austreibt, Ulenspig. 43. f Stift, fehde (s.

Die sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache. 309

258a). gröz u. mannichfalt, Schade g. ged. 9, 478. gröz u. michel, livl. kr. 8349. f Morolf 2955. Laurin 15. Osw. 159. Wilh. 49. Marienleb. 3296. Spervog. 15, 4. Col. cod. lO, 37]. passion. I, 69, 41. III, 343, 25. K. troj. 13239. 13654. 13910. livl. kr. 3303 u. ö. diut. II, 11. Anrhg. Michel, gr. u. breit, altd. bl. II, 201. gross u. schwer, Mencke I. 619. gross u. stark, t Iwein 3841. livl. kr. 7906. gröz u. wit, livl. kr. 2203. 8007. Schade g. ged. 9, 195, 918. günstig u. hold, Ernst 4596. hei- lec u. guot, Marl. 231c. guot u. kreftig, f Haupt z. 1, 161 (1190) 2 mal. guot u. kurz (peu et bon), soest. fehd. s. 583. in der umkehrg. s. v. a. „mit einem worte gesagt", volksm., auch in einigen sprichviörteru : kurz u. gut ist angenehm gefallt jedermann u. s. w. lüter u. guot, K. troj. 4161. 14419. Wernh. Mar. 146. guot u. lieb, Dioclet. 6891. f warnung 1419. Dioclet. 6602 (noch 2 m.). II. lltan. (fundgr. 2, 230) allez 1. u. a. g., livl. kr. 4635. 7540. lieders. 231, 143. guot u. maere, rnaere u. g., Ruol. 58, 20. guot u. mild, m. u. g. , Diemer I, 11. 22. guot u. nuzze, Ncocor. II, 72. kaiserkr. 33, 14. f zu n. u, z. g., Bertliold 91 (noch 6 m.). Ludw. kreuzf. 6509. arm. Heinr. 1331. Iwein 1988. wälsch. gst. 6931. Karl 3b. 93a. Haupt z. 2, 443(1230). passion. III, 79, 93 u. ö. Horneck l33b. 139a. Trimb. 8509. lieders. 182, 2 12. Pusilj. 329. Hagen krön. 1089. dem gerichte nütz u. g. ii. der mark getreu (1461), Grimm RA 17. Neocor. I, 124. guot u. reht, schwabensp. 56, 159. Karl 2 b. Amis 756, Servat. 3375. r. u. g., kaiserkr. 104, 14. lleder?. 85, 177. guot u. rein, Iwein 5604. Helmbr. 1312. j arm. Heinr. 938. Gottfr. lobg. 83, 6. Vrid. 132, 16. passion, III, 94, 38. Marienl. 107, 12. Trimb. 3245. Hoffm. kirchl. 65. diut. I, 419. 447. Suchenw. 19, 89. 40, 336. guot u. schoen, f Lichtst. 599, 25, 510, 31. Schade g. ged. 4, 47. altd. beisp. 7, 4. guot u. staete, gute frau 2473. guot u. Suez, Marienl. 19, 10. guot u. übel, vbel u. g., Haupt z. 5, 19 (1250). wo u. nimmer guot, altd. w. II, 49 (226). willig u. guot, Fribg. 1470. guot u. wise, f so w.u. s. g., gute frau 2245. fastnsp. 985, 13. gut u. wolgeborn, Wernh. Mar. 1, 89. wille- korae u. gode, köln. krön, 4119. scnftig u. gütig, Müglin. gütlich u. williglich, Gerstenbg. krön. 271.

hart u. lut, 1. u. h,, Haupt z. 1, 280 (1190). hart u. schwarz, heil u. rein, hei endi hreni, Heljd. 64, 11. heilig u.

310 Die tij)ricbwörtliclien Formeln der deutsclicn Sprache.

rein, kaLsorkr. 191, 20. 514, 33. pussion. III, 283, 9. Horncck 252a. 254b u. ö. heimlich u. leise, f'aslnsp. 908, 11. 928, 4. heimlich u. stille, K. troj. 5900. Suchenw. 40, 1339. gar h. u. g. St., Veit Weber I. Docen II, 242. bergreien 31, 6. Körner volksl. 170. ftistnsp. 832, 30. 916, 27. f "pstandg. 877. heim- lich u. toll gen, Fraiiendst. 44, 28. heimlich u. überlaut, iiutz u. hclfenbere, K. troj. 14223. hell ii. klar, Neocor. II, 2. Schade, salin I, 12, 436. hell u. laut, f Luar. 1892. öffent- lich, hell, lauter u. verständiglich lesen (15 j.), Grimm RA 17. her- lich u. schoen, f Haupt z. 1, 140 (1200). mügelich, zitlich u. hobischlich, Grimm RA 16. lieb u. hoch halten, volksm. Mencke, scr. r. II, 2139. michel u. hoch, diut. I, 368. hoch u. nieder, bei hoch u. n. im gebrauch, volksm. du sist do hoge edder de side, Facct. 34 (Wiggert II). hoch u. theuer. hoch u. teuer, vorkopen hoch und dure, Soltau volksl. 8. (a. 1346). h. u. t. be- schwören, verschwören, volksm. stolz u. hochgemut, Suchenw. 4, 19. hoenig u. troetzig, t. u. h. , Manesse. hoevesch u. wis, Iwein 3356 (noch 3 m.). h., biderbc u. w., Iw. 3752. holt u. lieb, den liuten algemeine, Marienleb. 1200. f ir sit ir lieb, si iu h., Lichtst. 254, 13. Karlmein 569. fastnsp. 578, 1. 876, 13. hörig, leddig, hofhorig (a. 1322), Grimm RA 17. hold u. treu, t truwe u. h., Grimm RA 14 (a. 1320). Rochholz s. 349. Theophil. 280. getreu, h. u. gehorsam (1485), ebend. 17. chron. luneburg. s. 190. upstandg. 147. 203. hold u. willig, Karl 4a. Horneck 127a. f kaiserkr. 14, 30. 430, 30. 475, 26. 491, 2. beide w. u. h., livl. kr. 239. 11670.

jämersvol u. riuwic, f f'Vent. krön. 16870. junc u. schoen, f Haupt z. 1, 160 (1190) 2 mal.

naz u. kalt, livl. kr. 7746 (wir sagen auch nasskalt), ez si warm oder kalt, livl. kr. 9983. 11447. weder k.n.w., Trimb. 15942. luter u. kusche, Mart. 235b. keusch u. rein, kuske u. r., kai- serkr. 50, 22. Ruol. 3, 4. Diemcr 366, 4. Wolfr. Tit. 7, 1. ir lip ist k., ir sele ist r,, Phil. Marienleb. 1910 (noch 6 m,). passion. I, 207, 66 u. ö. sassenkr. 238. (2520.) Muscat. 8, 111. 136. 234. 430. t k., r. u. guot, Phil. Marienleb. 49. k., luter u. gar r., pas- sion. III, 5, 55. reine, k. u. guot, sassenkr. 19. Muscat. 9, 30. klar u. licht, t l>eide 1. u. k., passion. I, 178, 34. Berthold 337. avent. krön. 7456. 22050. bergreien 72, 4. klar u. pur, fastnsp.

Die spricUwörtlicben Formeln der deutschen Sprache. 311

I, 175, 29. gewöhnlich in der f. klar u. lüter, Berthold 59. Wilh. 38. 139. Wigam. 1611. Mone schausp. I, 217. Georg 5C74. f die ougen 1. valkenklar, Gerhart 1687. passion. I, 7, 24 u. ö. Engelh. 2980. 4858. Pyram. 135. K. troj. 13276. 13986. luterliche klar, diut. I, 466. Brandan. 829. Anrhg. so 1. nie noch so k. noch s. fin, K. troj. 14615. so 1. ganz u. klar, fastnsp. 801, 12. klar u. luterliche, t Lanzel. 5705. klar u. rein, K. troj. 12118. Je- rosch. 28, 20. Schade g. ged. 107, 94. stift. fehde (s. 257). Altsvv. 46, 182, 26. t Schade 4, 512. fastnsp. 1027, 13. Thcophil. II, 672. klar u. schoen, f K. troj. 3011 u. ö. schwanr. 289. seh. u. k., Alexius A. 267 = sassenkr. 140. Schade g. ged. 4, 170. klein u, liizel, f Frauendst. 53, 13. schwanr. 15. klein u. ringe, Fribg. 2860. kluog u. listic, f passion. III, 156, 6. wiseu. kluoc, livl. kr. 11672. lieders. 226, 357. kreftig u. stark, pas- sion. III, 82, 32. Wernh. v. N. 64, 30. ungen. rock 1122. 1436. 3062. kräftig u. waldig, Gandersh. krön. 26. 37. kraftlos, nichtig, unbündig (a. 1516), Grimm KA 17. kraftlos u. todt, kr., nummeddgende u. doit (a. 1429), kr., unm.ächtig u. ewig t. (1429), ab, todt u. kr. (a. 1393), Grimm RA. 17. krank u. schwach, f fastnsp. 322, 25. 698, 11. 831, 20. krank u. siech, der beide s. u. k., passion. III, 475, 91. 521, 67. krank u. ungestalt, passion. III, 155, 36. krepel ende ongcsont, Massm.denkm. 1, 10, 42. krum u. lam, Laurin 239, 2. | Laurin 220, 8. krump oder sieht, Nith. 85, 6. livl. kr. 2530. kr. u. sL, Schade g. ged. 9, 450. Altsw. 5, 234, 7. süss u. kuel, Suchenw. 30, 53. rieh u. küene, Nibel. 82, 1. küen u. snel. küen u. stark, chuone u. s., Kuol. 59, 20. 281, 20. Wernh. v. N. 64, 30. Marienl. 104, 23. 107, 12. Mart. 149b. t st. u. vil, Nibcl. 8, 4. kund u. offenbar, Schade g. ged. 5, 143. 277. 9, 216. altd. bl. II, 41 (273), II, 188. zu wissen u. kund, Ilorneck 377a. kunt u. wisseklich, sieb, nieistr. 204, 10. kundig u. wctlich (=: wissentlieli), Grimm RA 44. kurz u. lang, über k. iouch 1., buch. ÄIos. 500(i. über kurz u. 1., Biterolf 10789. Herb. troj. 6584. k. oder 1,, Mone 4, 314 fl". (1200). sprichwörtlich: einen kurz u. lang heissen (= allerhand Schimpfnamen geben); man kann's kurz o. 1. machen, wie der miuich die horas und der reiter die Steigbügel; klosterspiegel. fürstenb. En. 358. 370. f über 1. u. ü. k., Jerosch. 5, 28. kurz u. rund, Grimm RA 14. Hahaus 1567.

312 Die sprichwörtlicliea Formeln der deutschen Sprache.

liiöt erlicli u. schändlich, f widerkeren, Berthold 214. lass u. müde, müde u. hiz, passion. I, 33, 51. laut u. offenbar, lüde u. apenbar, holst, krön. (Staph. 128.) S'tift. fchde (s. 258a). lauter u. rein, Ruol. 205, 8. kaiserkr. 278, G. Dicmer 3G2, 24. Oswald 1104. Ilanpt z. I, 292 (1190), II, 194 (1200). passion. I, 107, 41 u. o. AVernli. Mar. I, 40. Sporvog.

22. Lohgr. 19, 33. 30, 10. Syon s. 17. Muscat. 31, 16. Brandan. 372. f Luther, III. hauptst. katech. gereinct u, gar Inier, ]Mart.2l3b. luter u. sieht, Col. cod. 11, 157. luter u. schoen, schwanr. 1 1 1 . t schone u. Irtlerlichen, gold. schmiede 308. ledig, zu rehtem, uf- gebigem, ledigen lehen (a. 1421), Grimm EA 17. müssig u. ledig, Horneck 315a. ledec u. quit, diut. I, 470. wüste u. 1er, Je- rosch. 14. 4. Luther's bibel, I. Mos. 1. leit u. swaere, swie 1. u. s. s., gute frau 2445. Martina 29c, 63. leit u. we, so leide u. s. w., Karl 81b. leit u. unvrö, passion. I, 353, 39. 380, 73 u. ö. leidec u. u., Herbort llOc. 112b. 11 4a. lieb u. maere, Ulrich 4 14. liebu. reht, lieders. 50, 354. lieb u. traut, Hartm. büchl. I, 1286. gesamtab. 29, 6. lieber u. truter, Engelh. 1661. K. troj. 6133. lieb u. wert, Erec 4949. Hartm. büchl, II, 444. Wilh. 14. passion. I, 235, 40. III, 242, 5. Ernst 3958. Hildebr. im heldenbuch 29, 2. Pantal. 1779. 1906. Krolew. 1953. leifF u. w., braunschw. krön. s. 299. Diocl. 6289. K.troj. 5335. 9106. Lohgr.

23, 34. Suso 9. fels. 25. Hätzl. o8b u. ö. Muscat. 76, 22. fastnsp. 676, 35. 1008, 24. 1009, 7. sieb, meistr. 24, 7. 36, 15. 236, 34. Altsw. 3, 95. 26. lieb u. w. halten, Luther katechism. Anrhg. 1. w. u. zart, Wernh. Mar 49. lieb u. wol, Amis 1292. lefflich u. w., Gandersh. krön. 3, 27. K. troj. 15228. lieblich u. wol, livl. kr. 5442. 5553. 10347. leflike, degher u. wal (a. 1357), Grimm RA 16. liebu. zart, Gottfr. lobg. 61, 1. Trimb. 2987. lieblich noch werth, fastnsp. 874, 2. lieht u. rein, K. troj. 9575. milt u. linde, schwanr. 694. linde u. weich, K. troj. 3714. linse (= leise) u. tougen, K. troj. 13770.

macre u. rieh, f Rubl. 148, 26. stark u. maere, Nibel.2l, 4. maere u. tiur, y Ruol. 82, 4. 101, 21. malätes u. siechen, gutefrau 2631. marktschön u. rein, reine, dürre, m.frucht(a. 1625), gute, r., truckene, m. frucht (a. 1597), Grimm RA17. mattu. schach, Karl 31a. Morolf 1273. todes mot mit seh., ebend. 2591. beide m. u. s., Mart. 179 c. Folz 1201. f richtiger in der umkehrg. dem

Die sprichwörtlichen Formehi der deutschen Sprache. 313

tufel da mit allem gesaget was scli. u. m., Titur 406, ähnlich Mar- tina, 6, 12. 215, 85. sprecht ir schach, so Sprech ich ni., Col. cod. 10, 920. lieders. 42, 191. Altsw. 4 b, 173, 22. 5, 250, 6. Dioclet. 2347. Hätzl. 148b. swach u. mat, Schade g. ged. 11, 360. seiger u. mat, troj. kr. 51b. michel u. stark, kaiserkr. 231, 18. Georg 450. Fribg. Michelsp. färt 49. Sigenot XII. livl. kr. 8378. Horneck 141b. michel u. wit, K. troj. 1771. müde u. nass, Haupt z. 2, 44G.

nass u. besult (= besudelt), passion III, 626, 9. nass u. trüb, Karl 42a. nuzze u. reht. Berthold 60. nuzze u. süez, the ist suazi ioh ouh nuzzi (= dulce cum utili), Otfr. I, 1, 109.

offen u. sichlhaft (= sichtbar), lieders. 229, 47. offen u. tougen (beide), K. troj. 12135. Mart. 33c. beide offen u. stille, K. troj. 6408. beide stille u. offenbar, K. troj. 12933. livl. kr. 294. 575. f Theophil. II, 625 u. ö. offenleich u. überlaut, Suchenw. 40, 809. offenbar u. stille, AYernh. Älar. 144 u. ö. t Vrid. 23, 17. 42, 6. weder st. n. o., Partonop. 57. 18. Wernh. Mar. 176. niederl. Flos 348. altd. w. I, 58. Haupt 6, 381. lieders. I, 23. 249. Martina 12b, 30. 18c, 82. Trimb. 3371. Schade g. ged. 3, 427. Docen II, 184. offenbar u. tougen, Karl 79a. 99 a. Jerosch. 327. HofFm. kirchl. 94. Suchenw. 35, 6. altd. bl. I, salve reg. 115. ofF. u. taugenleich, ring 18, 40. offenleich oder stillen, Horneck 39b. offenlich u. tougen, Erec 9798. Mart. 185 d.

schuldig u. p flichtig, Grimm RA 14.

quic ende rasch, flandr. krön. 8581.

rasendich u. toll, soest. fehd. s. 705. räumig u. weit, rume u. wide, braunschw. krön. s. 277. recht u. wol, tuon r. o. w., Hartm. büchl. I, 1084. 1372. Iwein 2067. reich u. wert, gute frau 2076. 2203. rein u. sanft, die semften u. d. r., Servat. 3399. rein u. sauber, r. u. suucrlich , Marienl. 4, 16. rein u. schön, Haupt, z.l, 291 (1190). weise u. rein, Suchenw.25, 40. riuwec u. unfrö, Greg. 2304. a. Heinr. 148. 566. risch u. snel, Georg 5142.

säuberlich u. schön, schone inde s uuerlich, Marienl. 5, 21. schnell u. unverdrossen. Laber 113, 5. schön u. wache, troj. kr. 13. schön u. weise, Marienl. 10, 22. wirdiklich u. schön, Suchenw. 40, 1078. schöne u. wolgeniut, Lichtenst.

314 Die sitricliwörtlichcu Formeln der deutschen Sprache.

17, 2. schön u. wolgctan, Laurin24, 26. schone u. also wol, K. troj. 7344. tief u. wit, K. troj. 8754. 9477. schwarz u. Aveiss, Jemandem schwarz auf weiss geben, volksni. wiz u. swarz ist er crkant, Parciv.SiS, 16. seltsam u. wild, gar seltsaene u. g.' w., Konr. Alex 830. siech u. ungesiint, Lanzel. 5785. swache u. unraaere, Iwein 157G. still u. treu, wcimar. jahrb. I, 132. stille u. überlüt, Vrid.168, 18. Karl 35b. Erec G524. Engelh. 1053 (noch 3 ni.). troj. kr. 827. überm iithig u. stolz, Leibnitz III, 220. beide stille u. überlüt, livl. kr. 3122 := Trimb. 13991. lieders. 170, 359. HofFm. kirchl. G6. Docen II, 176.

theucr u. werth, K. troj. 6739. Horneck 236b. tougen u. verborgen, v. u. t., Engelh. 1083. traurig u. unfrö, passion. I, 316, 88. 360, 23. Mart. 199 b. treu u. wahr, Neocor. II, HO. trülich u. ungefärlich, Kirchhofer. zage u. twas (;= feige u. dumm), Theoph. 607.

übel u. we, Karl 22b. übel oder wol. zweifelhaftig, unkundig u. unerfahren, Grimm RA 17.

wild u. zam, Vrid. 76, 7. beide. Schade g. ged. 5, 16.

d) Adverbia und Praepositionen.

ab u. zu, volksm. (= zuweilen), zerihte u. allzehant (=: geradezu u. sogleich), köln. krön. 4510. nun u. alle frist, lieders. 148, 952. all u. geheel (= ganz), Grimm RA 14. mit den gedenken u. also, 1381 troj. kr. mit disen w orten u. also, 3181. 5436. 7156. 15126. alsus 2550. auf u. nieder, up u. nie- dergeit, Wernh. v. N. 64, 15. livl. kr. 4990. Teichner, Schottky, wien. jahrb. aussen u. innen, ussen u. i., Ulrich 252. Haupt z. 1, 276. Martina 10c, 62. Trimb. 987. 3938. Hoffm. kirchl. 66.

als bald u. a. drät, Horneck 318b. 474a. flugs u. bald, Fischard arch. I, 97 (a. 1470). bald u. hart, lichtlich u. halt, Neocor. I, 128. ie balder u. ie h., K. troj. 8604. bald u. schier, Wigam. 6047. Mart. 154 d. 190. Karlmcin 11. fastnsp. ... 601, 32. f Schwann 254. schnell u. bald, fastnsp. 913, 29. 931, 13.

da u. hie, in der unikhrg. hie u. da, Gottfr. lobges. 82, 5. Schade g. ged. 9, 652. Hoffm. kirchl. 66. dan u. her, f Frauendst. 91, 2. 93, 10 u. ö. hin u. dan, lieders. 45, 342. ring 12.

Die sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache. 315

dar u. hier, f Theoph. 591. dar u. her, Gandersh. krön. 24, 12. Vrid. 154, 10. Karl 79 a. Georg 1229. f Frauendst. 88, 32. 90,5. livl. kr. 2384 (noch l2 m.). Sehade g. god. 5, 230. 403. Suchen vv. 8, 61. 15, 90. dicke u. oft. Berthold 9. Ludw. kreuzf. 7260. troj. kr. 13031. 13556. Dietr. ahn. 69a. Fribg. 5050. f Berthold 61 u. ö. Iwein 379G. Phil. IMarienleb. 3100 (noch 4 ni.). Lohgr. 122, 39 (noch 5 m.). Muscat. 38, 13. lieders. 90, 70. Suchenw.

10, 84. in waidsprüchen, altd. wäld. III, nr. 79, 101. 147. Adelung

11, 51, 61. Docen II, 251. Pusilj. 212. fastnsp. 705, 18. 786, 2. dicke u. sere, Gandersh. krön. 18, 15. so dicke u. vake, Grimm RA 14. dick u. vil. Berner krön. 2. 262. Schilling eidg. krön. 126. Veit Weber I. Gerstcnbg. krön. 152. 166. altd. bl. I, 250, 460. fastnsp. 735, 17. 880, 32. 926, 12. sieb, meistr. 66, 15. beide her u. dort, livl. k. 4277. weder dort noch hie, Hor- neck 421a. man trauert hie, man klaget dort, Suchenw. 7, 30. Kör- ner volksl. 318.

drät u. schier (= schnell u. bald, tautolog.), vil seh. u. ouch V. dräde, K. troj. 6389. 6662. 6767.

immer u. ewig, bergreien 134, 5. volksm.

vast u. gar, Iwein 434. vaste u. sekerlich, Gandersh. krön. 23, 11. vast ii. ser, fastnsp. I, 35, 2. vest u. staete, Gandersh. krön. 31, 10. oft u. vil, Mencke I, 1177. beide ze fiiezen noch enbor, avent. krön. 5578. ze stuppe u. enwiht, altd. beisp. 7, 11. vast u. sehr, so sere u. also v,, K. troj. 9942. verholn u. u berla u t, Trinib. 5844. vo llich leich en u. vast, Horneck 198a. oft u. vil, fastnsp. 572, 26. 661, 4. *) früh u. spät, Luar. 372. Oswald 166 u. ö. Hart, büchl. I, 444. 548. Iwein 5214. 7076. Nibelg. 5593. Gandersh. krön. 1, 37. 3, 59. 9, 27. Karl 131a. Amis 253. 2275. avent. krön. 1813. Col. cod. 6,501. Haupt z. 6, 375. 382. Pantal. 1779. Warnung 3130. Helblg. 7, 830. weberschl. 234. sassenkr. ]8 mal. K. troj. 10430 u. ö. j beide sp. u. v., Ruol. 66, 15. Oswald 251. 278. Ernst 1872. Lanzel. 2779. Berlhold 130. Lichtst. 629, 17. Col. cod. 8, 63. 308. 822 u. ö. Hag. krön. 2337 u. ö. Cresc. 92, 2. sassenkr. 13, 6. 16 u. ö. K. troj. 15790 u. 892. Frauendst. 6, 28. 64, 20. livl. kr. 911 (noch 8 m.). für u. wider lief, avent. krön. 3685. beide w. u. f., lieders. 71, 151. das f. u. w. abwägen (= pro et contra), volksm. beide ze vuoz u. geriten, livl. kr. 7003.

310 Die .sprichwörtlichen Formeln der deutschen Sprache.

gar u. liiutcr, Irtter u. g., Ruol. 139, 4. gehuz u. nidec, t Iwein 4113. stolz u. geil, Flore 50G. stolz, g. u. fiuot, ebend. 4387. genug u.vil, f v.u. g., gesamtub.aiihung. passion.lII,50G, 96.

hieniit u. ouch darunder, troj. kr. 4751 (vgl. A. hicmit). hin u. wieder ^= zuweilen, volksin. Ncocor. I, ]2. gerne u. wil- leclichen, K. troj. 3315. 13079. f lieders. 24, 17. altd. bl. I, 60. gerwe u. frilich (= ganz, gar), Grimm RA 14.

harte u. lange zit, K. troj. 7196. hin u. wieder, K. troj. 4209. Neocor. I, ^26.

schiere u. in kurzer stunt, K, troj. 6626. stille u. touge- lichen, K. troj. 11730.

übel noch wol, Gregor 627. f ich niusste wol oder übel, volksm.

wirs danne we, passion. I, 236, 83.

e) Interjectionen. ach u. awbe, Suchenw. 11, 134. f 13, 142. ach u. 6, er ach u. owe rief, livl. kr. 672, das ach u. o der begeisterung, Lewald Ad. 82. ach u. zeter, f ostersp. (fundgr. 2, 305). *) ach u. w e. nie och no we, kaiserkr. 154, 21. Klage. Tundal 5], 45. gehughd. 893. Parciv, 302, 12. Alexdr. 1904. Herb. troj. 5406 u. ö. Alexius 342. Gandersh. krön. l2, 38. buch d. rüg. 18. Georg 805. War- nung 571. Konr. Alexd. 1150. Frauenl. VI. fundgr. 2, 261 u. o. Brandan. 221. Dioclet. 1973. Ravenschl. 997, 4. weder ach noch av., Fribg. 6399. Euff, Adam 4272. a. u. w. schreien, volksm. f we u. ach, ach u. a. u. immer we, Haupt z. 6, 386. we mir we u. immer ach, Pyram. 54. o we mir hüte u. iemer ach, K. troj. 12104. Fribg. 6550. 6574. 6692. livl. kr. 9594. half ihm doch kein w. u. a., hai- denröslein. Anrhg. ach, weinen u. we, jüngst, ger. (fundgr. 2). we u. immer wey, sieb, meistr. 147, 3,

Beiträge zur englischen Lexicograpliie.

Von

Dr. Seitz.

Abernet hian bluffness of diction (Chambers's Journal 1873.

S. 579.) Dr. thy was a physician noted for his coarse rough

manners to his patients. abjectly, poor, blutarm, ib. S. 696. ad vance-shee t s; sums of money are given in America to English

authors for . ib. S. 618. ailanthus = varnish-tree, Götlerbaum. S. 697. A 1 n a s c h a r projects = ambitious thougbts, vgl. Arabian Nights. S. 602. along of =- owing to. Chaucer & var. dial. L. hat nur: it is all

along of you, Sie sind an Allem Schuld, an ti> ritualist , Anhänger der strengen Richtung, welche in Exeter-

Hall (Hoppe) ihre Meetings halten. An fresh from Exeter-

Hall might be put in danger of going out of his mind at the sight.

Ch. 73. S. 630. Aphy, Abbr. von Aphrodite, ib. S. 565. Aunt Sally (Hoppe); come up. S. 612. in Schiessbuden

auch die Figur, welche bei dem Schusse ins Centrura in die Höhe

kommt. Bamboozle (L. ungenau: betrügen); in high quarters this ingenious

but not very honest practice of raising a false argument is

called „riding off". In the department to which Betty belonged,

it is better known as the art of „bamboozling". S. 782.

318 Beiträge zur englischen Ijexicographie.

bar (Hoppe) ist im eant überhaupt = except : bar two flimsics.

S. 718. batlic V. ist nicht blos warme Umschläge machen (L.) she woiild

want to sit with her and her head. S. 772. beaters, Treiber auf der Bärenjagd. (Ind.) Ch. 1874. (S. 129.) Bell, you are like Peter , a yellow primrose is to you a yellow

primose = kein poetisches Gemiith. Ch. 1873. S. 5()2. bell- handle ist auch der moderne „Knopf zum Glockenzuge", belongings, s. Sachen; steel-belongings, such as keys and knives.

Ch. 1873. S..810. Berlin- wool ist Stickwolle überhaupt. work- and dropped

stitches in mylady's . ib. S. 584. Single Berlin wool =

Zephyrwolle; double = Kaslorwolle.

Big, fhe Drink, scherzhaft = ocean. ib. S. 561. birching s. he got his first , e. Tracht Schläge, ib. S^ 565. bleat out v. ausplaudern; she ed out all that she knew. ib.

S. 764. block -System s. the is, that no train shall qnit the Station,

unless the next Station in advance is telegraphed to be clear. Ch.

1874. S. 129. blouse s. Matrosenbluse; B. für Damen ist garibaldi. hob bin (L. hat nur Spule, Klöppel), Röllchen von Häkelgarn, in wel- chem kein Holz ist ; cf. reel. bodice (L. Schnürbrust), auch „Taille am Kleide", z. B. füll ,

krause, piain (tight) , schlichte Taille, bonnet ist nur der anschliessende (Capot-) Damenhut. boom s. das Dröhnen der Kanonen; listening to the of the sullen

cannon. Ch. 1873. S. 808. Bradshaw, Herausgeber des bekannten Coursbuches in England.

is still a sore puzzle to raany persons. ib. S. 720. brag s. ein Hazardspiel. break down s. das Durchfallen, since my in the schools. ib.

S. 804. = to be plucked. ib. brethrcn of the belt and bracelet, das Corps der Constabler. ib.

S. 718. brilliant s. Piquet (Glanz-) Cattun. brownie = a good-natured spirit who is supposed to perform impor-

Beiträge zur englischen Lexicographie. 319

tant Services around ihe house by night. (Wb.); those gnomes and brownies who make our beds. Ch. S. 634.

buffet, hohes Kissen neben dem Kamin als Sitz für Kinder.

Bullion's day; if the deer rise and lay down on , there will

be an early harvest (Scotch proverb).

burn, to one's boats; which, at is were, burns their boats, and puls retreat and reconciliation out of the question. Ch. 1873. S. 619.

Bushey z=: Bushy Park bei Hampton Court, (fam.) we went on to . ib. S. 601.

buttons (Hoppe = a page) ; neben dem vollständigen boy in ;

even the smallest would have been a retainer too costly

for US. ib. S. 605.

C/an (L. Kanne, Trinkgefäss) ; Wasserkanne ohne Brause (rose), in welcher das Wasser auf die Zinimer gebracht wird (Ggs. watering , Giesskanne).

candle-papers, Lichtraansehetten.

carriage-drive = approach (Herrig LI, S. 219) as he passed down

the , he looked up at the mansion he had just quilted. Ch.

1874. S. 637 u. ö.

c a s t o n V. Maschen aufschlagen.

catch-wheel, die Schraubenmutter vor dem Rade? ib. S. 696.

ceramics, Thonwaaren ; collector of . ib. S. 805. The ceramic treasures of the Central Kingdora (des Reichs der Mitte), ib. S. 580.

Chamber, gew. Euphemismus für pot.

Chancery, add, zu Hoppe: frequent, reference to the jRolls', the ,Chancellors' as well as allusions to ,Vices' (Vice - Chancellors) and , Masters' proved that the bulk of the business was of that lucrative and creditable sort which pertains to , Chancery', ib. S. 6l2; to fall (neben to get Hoppe) into . ib. S. 580: the property feil into Ch. and was neglected of course.

cheroots (Ind.) smoked our . Ch. 1874. S. 132.

chiffonier, niedriger Glasschrank; a movable and ornamental cup- board or receptacle. Smart.

cl ea r ing - ho use (L. = Bureau, avo die Ausgleichung durch gegen- seitige Bankanweisung stattfindet). Es sind auch die seit 1871 zur Controle der Telegiamme eingerichteten Bureaus ein Postal Telegraph Service, wie solche in London (Albion-place, Blackfriars), Edinburgh und Dublin bestehen, with the object of having a check

320 Beitrage zur englischen Lexicograpliie,

lipon tlie miscellaneous faults occurring in the transmission and delivery of telegranis. Das Clearing-liouse hat 2 Sectionen : message- section und account-section. In der ersteren werden sämmtliclie Telegramme controlirt (traced) d. h. das Originaltelegramm des Absenders mit der am Bestimmungsorte abgegebenen Depesche ver- glichen, alphabetisch nach den Anfgabestellen geordnet, und zur Revision ins Clcaring-house geschickt. Von hier aus v*^ird der be- treffende postmaster von den in seinem Bureau vorgekommenen Unrichtigkeiten sofort benachrichtigt, aussci-dem monatlich ein Ver- zeichniss der am häufigsten vorkommenden Fehler angefertigt und den Postinspectoren zur Information zugestellt. In der account- section werden monatliche Verzeichnisse über die Zahl der Tele- gramme, der ausgezahlten Beträge, so wie der eingenommenen Gelder angefertigt. Ch. 1873. S. 646.

Das clearing-house System findet auch in anderen Branchen, z. B. bei der Eisenbahn, Anwendung (so sind z.B in dem grossen Gebäude bei Custom- Station 1000 Schreiber mit all den verwickelten Abrechnungen sämmtlicher Eisenbahngesellschaften des König- reichs beschäftigt), wodurch das through-booking von Reisenden und Gütern ermöglicht wird.

clergy, to claim one's , das Pi-ivilegium clericale in Anspruch neh- men (vgl. L. s. V. benefit), das übrigens nicht blos Geistlichen, sondern auch Laien, welche lesen konnten , zustand und darin be- stand, dass dieselben statt jeder anderen Strafe auf der Hand ge- brandmarkt wurden. Ch. 1874. S. 4.

clever, Amer. = benevolent.

cloud siehe veil.

coblike adj.; the horse for all his sturdinessof build. Ch. 1873. S. 614.

collar add. zu Hoppe: she discovered a sure method to keep her up tho the . Ch. ib. S. 661.

conslabular (L. hat y) her friend. Ch. 1874. S. 1.

colli e neben coUey (Hoppe), ib. S. 630.

co-operate, ion, ive = Genosse, nschaft.

cornice, Gardinenstange (H.) ist nicht ganz richtig, das wäre cur- tain-rod; es ist der moderne Gardinen k a s t e n.

cotton-wool, Baumwolle in ihrem rohen, natürlichen Zustande zum Unterschiede von wadding = sheets of carded cotton , prepared for lininor.

Beiträge zur englischen Lexicographie. 321

CO unter, the duchess had nailed hini, morally, to the social as a

bad Shilling. S. 732. crani v. (L. hat nur: mit Speisen überfüllen) auch bildlich: she had

never been med; nor kept against her wish to irksome tasks.

ib. S. 660. cran s. ; seventy dozen of the fish (herring) go to a . ib. S. 767. credit, to do a person . L. hat nur Ehre „anthun". Thatwould have

done to the conquerors of old Peru, Ehre „machen", ib. S. 667. crootes =: a white stone, soft, mealy and marled with ore. Somerset, crop V. to up, zu Tage kommen, auftauchen. She might have just

ped up or she might have beeu standing by. Ch. 1874. S. 2. crushed, gedrückt (Ggs. grand) in ästhet. Sinne. Ed. Review u. ö. cut, to dead, neben to cut u. to give the cut = ignorieren. D e c r e a s e , mindern, abnehmen beim Stricken, design, schools of , die seit 1837 in England eingeführten Gewerbe-

(Zeichen-)schulen, for teaching artisans to draw. Ch. 1873.

S. 628. despite Präp. c. Acc. (vgl. Mätzner II S. 480). ib. S. 626. Dod: names familiär to the Student of and Debrett. ib. (Hoppe:

Burke and Debrett). Dominion; the , auch the states of the = Canada. ib. S.561. doosed, neben dused (L.) = damned. draw er s, auch Damenbeinkleid, dressing-bell, die Glocke, welche das Zeichen giebt, dass es Zeit

ist, to dress for dinner. The sent its warning summons through

the house. ib. S. 582.

dropping, shots, einzelne Schüsse; nowtakingthe form of ,

nowofaplatoon volley, and againofa regulär roll offile-firing. ib. S.808. drugget, bei Hoppe fehlt die Uebersetzung „Schoner". E, C. = East Central, Postdistrict in London. eggsheU adj., -china, dünn wie Eierschale. S. 580. embroidery (L. Stickerei) W e i s s Stickerei im Ggs. zu wool-work

= Woll(Bunt-)stickerei , auch German wool-work. Ch. 1873.

S. 630. German wool-work has only temporarily caused the practice

of real to fall into desuetude. entertain v. n. Gesellschaft geben, ib. S. 580. exhibit, Beitrag des Einzelnen zur Exhibition. The exhibit of the

Countess B. may be next fittingly mentioned. ib. 630.

Archiv f. n. Sprachen. LIY.

21

322 Beiträge zur cnglisdion Lexicographie.

cxploded, ausgestorben, erloschen. Follies not yet in certain sec-

lions of the population. ib. S. 809, f abric, to be of a slrong , kerngesund sein. ib. S. 812. facts, to teil each other , sich die Wahrheit sagen, ib. S. 618. fail V.: I have failed to make a pun there (j'ai failli). ib. S. 807. fall s., siehe veil. fang, nicht blos Fangzahn (L.) sond. ein spitzer Zahn überhaupt,

namtl. venomed , Giftzahn der Schlangen, ib. S. 667. fasliion, after a (add. zu Hoppe). Every lawyer has clients that

are the props of bis business and other clients not inaccurately

described as Alling that capacity ,after a fashion'. ib. S. 613. fathom? the footman, that well-\vhiskered of strapping huma-

nity. ib. S. 729. feed s. the pike persisted in not being on the := anbeissen, to take

the bait. ib. fernery, Terrarium, Farnkrautgruppe, ies, aquariums afFord sub-

jects for recreation. ib. S. 773. finish V. (L. hat nur: einem den Rest geben) die Erziehung jemandes

vollenden; she is being finished in a convent. ib. 722. to off,

zumachen ( a stocking). fit V. (L. passen, stehen, sitzen) ist zu unterscheiden von to become.

A dress 7— s well, sitzt gut, becomes -well, steht gut. flish-flash vom Aufblitzen der Laterne, ib. S. 704. floor V. abwerfen; down went hör head between her legs and I was

floored. ib. S. 631. fork v. out, Geld herausrücken auch ohne it; to indulge in the

pastime of ing out. Ch. 1874. S. 1. fork-grinder ? to blow up the bull a dry dwells in. Ch. 1873.

S. 804. foot up V. Amerik. = to add up ; footing = addition. frill s. r;uffle. funeral-card s, Einladungskarten zum Begräbniss ; the funeral day

Avas named, the hour fixed, sent out. ib. S. 659. Grangway, sitting below the , add. zu Hoppe: if he were in the

House, he would insist upon bis independence, which means

and getting for himself the hearty dislike of Opposition and

governraent. ib. S. 602. gauffer v. (a mode of plaiting nr fluting frills, in which the plaits

Beiträge zur englischen Lexicographie. 323

are wi'dei* than usual ("Wb.) = ruffein , daher ing iron, Ruffel- eisen. German wool-work siehe embroidery. ghoullike, dämonisch (L. hat nur das Subst. pl. gholes). Ch.

S. 760. goods-traffic, Güter-Verkehr, gorget (L. Brusttuch der Frauen) = a modification of the ruff,

used by ladies. ib. S. 670, gotten up, (Am.) r=r fortgeschritten, grade, to be on the down (calif.) = to die: there was no talk of

dying, but always of being . ib. S. 589.

g u n (Slang) Tonangeber ; (he great s of London society, the slow

(steif) ones I mean, such as Lady B. and all that heavy lot =

weighly persons. ib. S. 563 u. 652. Half-bad, not = nicht übel (Slang), hash (L. gehackte^ Fleisch, das ist aber minced-meat), eingeschnittenes

Fleisch, h a s s 0 ck ist allg- jedes runde Fusskissen.

hide-bound auch von Wiesen, auf denen eine Moosdecke das Wach- sen des Grases verhindert. My hay-fields being with sour moss.

Ch. 1873. S. 63L hide- and-s eek, a career führt der zu flott lebende (he who lives

too fast), ib. S. 565. home, that shot went , der Schuss sass. ib. 73 L horse v. add. zu Hoppe, well d carriage. ib. S. 579. horsejockey :=: scapegrace, auch pippin (Canada). ib. S. 564. bot with s. Slang für ein Glas Grog; some house of public enter-

tainment, where alcoholic aid ,hot with' was in immense request.

ib. S. 615. Insertion auch Einsatz, Zwischensatz bei Kleidern. tFackal = A person employed to prey upon people by a usurer; he

was to a money-lendcr. ib. S. 652. julep (Hoppe hat julip), Getränk auf Dampfschiffen. Syn. sniash.

ib. S. 564. jibe V. Nebenform zu jib, scheuen (v. Pferden); started like a jibing

horse. ib. S. 764. Keep v. to a ship away (Hoppe out), ein Schiff vom Ufer

fern halten, ib. S. 561.

21*

ri24 Beiträge zur englischen Lexicographie.

kishful ib. (kish = a basket in which turves are carried. Wright Prov. Dict.) Torfkorb voll. ib. S. 563.

kit (add. zu Hoppo) and just got rations and for my pains and my danger. ib. S. 617.

knickerbocker (H. fest am Knie anschliessende Damenhosen); ge- wöhnlicli Avcite Kniehosen, wie sie Kinder von 4 8 Jahren tragen, M'ährend br e ec he s eng anschliessende Kniehosen mit Schnal- len, pantaloons lange weite Beinkleider bezeichnen.

knor? humraing-tops in the Black-Forest and the in England ought only to be made of box-wood. ib. S. 696.

liarder (L. Fleischkammer, Speisekammer. Speise- oder Fliegen- schrank). Das Letzte falsch: der Fliegenschrank, in welchem Fleisch vor den Fliegen geschützt wird, ist safe. Im larder werden die Ueberreste der Mahlzeiten aufgehoben, in der pantry (L. Speisekammer, Vorrathskammer) Glaser, Tassen, Silberzeug aufbewahrt, während die skullery zum Reinigen und Aufbewahren des gröberen Küchengeschirrs dient. Ausser diesen 3 Räumen befindet sich im Souterrain des engl. Hauses noch das store- c los et, die eigentliche Vorrathskammer zur Aufbewahrung von Mehl, Reis, Zucker, Thee, Seife etc.

Lamm er beads, früherer Name der Bernsteinperlen in Schottland.

were esteemed with a kind of superstitious reverence. Ch.

S. 757.

like s. Neigung; contant in his s and dislikes. ib. S. 723.

lift (v. Am.) = to receive.

longcloths, eine bessere Art Shirtin g ; who have made their fortune in . Ch. S. 564.

loo ein Hazardspiel.

1 o o k V. to one's inquiry of sorae person, e. fragend ansehen, ib. S. 698.

Lothario add. zu Hoppe. This redcoat . ib. S. 564.

lumpers s. (= lumps?) black , schlechte Kartoffeln, ib. S. 563.

Iflap out, V., auch bildl. die nöthigen Vorkehrungen treffen; it was

all ped out before 2 o'clock. ib. S. 722. niedico = physician ; the old . ib. S. 565. metallic adj. notebooks, mit Messingbeschlag, ib. S. 778. mittens, Fechthandschuh für Damen, ohne Finger mit Manschette.

Beiträge zur cnglisclieu Lexicographie. 325

M 0 u i n g , eine Theesorte ; the groceis two and niue penny (good

teil cost a guiuea a pouiid). ib. S. 637. inonkey-jacket, Matrosenjacke ; loose s, niade of coarse blue

pilot-cloth. ib. S. 701. inouth- piece, auch „Spitze" an der Pfeife, muff ins, Canada; she and he were last winter. In the best

Society youug ladies and gentlemen pair off for the season at

sleighing parties, snow picnics, dancing etc. Your business is

to drive out yoiir ,miiffin', to dance with your ,muffin' and so forth.

Instead of a partner for a dance, you takc one for a Canada winter.

ib. S. 565. ra u s s = fuss, quarrel. (Am.) I^fecklet, Halsgeschmeide. Ch. S. 775. neckt ie (H. schmale Cravatte), Slips.

nem. con. ; (contradicente) it was voted . Ch. 1874. S. 132.

Nestor ia, scherzh. gebild. fem. zu Nestor; the Nestors and s of

an eider generation. Ch. Ib73. S. 583. neutral- tinted; with her eyes, von unbestimmter Farbe, ib.

S. 617. O. K. (Am.) = „die Richtigkeit bezeugt" unter Rechnungen , aus

der falschen Aussprache von all correct (ol krect). ib. S. 801. oakum-picking, das Wergzupfen im Gefängniss. ologies, scherzh. Ausdruck für , Wissenschaften'; in a quiet country-

town Dr. A. had plenty of time to devote to the . ib. S. 641.

demure Minervas steeped in . ib. S. 779 u. ö. on -lookers st. lookers-on : watched by a croAvd of . ib. S. 586. originator, Urheber, z. B. = of a project. orjjhreys = erabroidered border of vestments von dem alten Worte

orfrays (derived from the free use of gold). ib. S. 630. Wright

Prov. Dict. giebt orfrays = gold embroidered upon cloth or

velvet, out-door adj.; attire, Promenaden-Anzug. Ch. S. 602. overly (L. hat nur , obenhin') übermässig, zu sehr. None of us would

have cared to go thcrc by night, ib. S. 702. l*antry siehe unter 1 arder. pants (Am.) = trowsers. passbook, Contobuch; nach Wb. a book in which a mcrchant enters

the articles bought on credit Ibr the information uf the purchaser ;

.126 Beiträge zur engi/tsclieii Lcxicograplile.

aberiuich: Brioftasohe, Notizbuch: herc's the banker's we found

on bim. Ch. S. 718. passenger-trade, Personenverkelir (Eisenb.) penstor, Schriftverständige bei Gericht (Sl.) one of these professional

s testifies to the up-stroke of a t, another that it is the down-

stroke of a g. perforated (L. boards, Canevas - Cartons zum Sticken). Man

unterscheidet canvas = Stramin und perforated Cardboard = Carton

zum Sticken, piccadiloes, wooden = the pilory (Butl. Hudibr.) piece ofcotton, Faden (nicht thread, das der Engl, nur für Zwirn

gebraucht) von jedem gewöhn!. Näh- oder Strickgarn, pill-box, scherzh. Ausdruck für den Wagen eines Arztes; his

with his big brown horses. Ch. S. 564. pippin siehe horsejockey. pittite, 1) Anhänger Pitt's, 2) Parierrebesucher; a , however, was

incredulous. ib. S. 658. plain-kni ttin g, to do , schlicht stricken, to purl, kraus stricken, plait (L. Falte), senkrechte Falte zur Verengerung, z. B. oben am

Schooss, des Kleides (a fold, to put the skirt of a dress to the body),

während tuck eine horizontale Falte zur Verzierung oder Verkür- zung von Kleidungsstücken ist. point s. Schneppe am Kleide.

pooh-pooh V.; niy sister ed the whole afFair. Ch. S. 815. pr OS pect V., ing for nnggets in the Sierra Nevada, ib. S. 612

add. zu Hoppe, pug s. Fusstapfen eines Bären, ib. 1874. S. 131. pull V., to one's seif together, sich fassen, ib. 1873. S. 662.^ pundit (L. der gelehrte Brahminer?) scherzh. v. reutinirten Spielern.

ib. S. 667. put-me-back, Verjüngungsmittel; had drunk a rcjuvenating potion,

some witch's . ib. S. 641.

I^uilt ist (L. „gesteppte Decke") Wattendecke, zum Unterschiede

von der nicht wattirten Steppdecke = counterpane. quite = very, very much. (Am.)

Ratten v.; if a ing job is to come ofF, it is settled in these par- lours. Ch. 1873. S. 804?

Beiträge zur englischen LexicograpLie. 327

reel (L. hat nur „Haspel, Garnwinde"; letzteres ist winch), hölzer- nes Röllchen zu Nähgarn, regulation add. zu Hoppe: the heavy over- price of these

army agents. Ch. 1873. S. G37. ride off v., s. bamboozle. ring in g adj. laut; voice. ib. S. 563. rink s. Parthie, Gesellschaft = circle ; at the skating . ib.

S. 565. rocky adj. (Am.) it is getting =: a dearth is Coming, rose-creeper s., Kletterrose, ib. S. 782. rubbish! dummes Zeug, Unsinn! ib. S. 815. rüffle s. jede Krause (auch Hals-), which has both top and bottom

frilled, während frill (= Strich) nur an einer Seite kraus ist. run V., to in, arretieren, einstecken: we'll run her in, take her to

the police-station. Ch. 1874. S. 1. Jjlalt s., you will not make to your porridge. Ch. 1873. S. 811.

= earn the to your bread (Hoppe) und money, to one's

porridge. ib. sash (L. Gürtel, Mil. Schärpe) Schärpe überh., ist wohl von belt

Gürtel zu unterscheiden. Schiedam = Hollands (L.) Schweppe, berühmte Mineral wasseranstalt in London; though the

soda-water was 's. Ch. 1873. S. 731. Scotland Yard, Hauptwache der Constabler in London; Sergeant

F. who was reputed at . ib. S. 762. drunk and incapable, accord-

ing to philosophy . ib. S. 718. screw V. in den Sarg einschrauben; he is going to be ed to-day and

buried to-morrow. ib. S. 658. scrubbing-brush (Hoppe: Schrubber) Fensterbürste ohne Stiel, seam, nicht Saum = hem, sond. Ueberhandsuath. senior; he is 10 years my . ib. S. 565. setting-sticks and struts = tools of wood or bone, formerly

used in starching. ib. S. 670. sham s., little better than a , S. 811, keinen Pfifferling wcrth. shekarry s. (Ind.) the beaters (vgl. dasselbe) under the superintend-

ence of the head shekarry. Ch. 1874. S. 131. shoes s., L. hat nur to slay for s dead maus ; the future occu-

pant of their shoes := heir. Ch. 1873. S. 565. of Silence,

32S Beiträge zur englischen Lexicographie.

Schuhe, in denen jniin huitlos auftreten kann (ib. S. 581) im Märchen von Giant-Killing Juck; vgl. Hoppe: Jack thc Giant- Killer.

sitle-board (L. hat nur Neben-, Servirtisch) auch „kleiner Eck- schrank" vgl. Wb. : a piecc of furniture consisting of" a table or box witli druwers or cells, placed at the side of a room or in a recees, used (o hold dining Utensils.

sirup s. Obstsafl, nicht Syrup (L.) = treacle.

slice s. auch „Schlag"; A. untied the Gordian knot with a slice. ib. S. 620.

spin V., to yarus, aufschneiden, ib. S. 703.

sponsored (L. hat nur das subst.) nor were the 7 dcadly sins as prouiinently sponsored as they sometimes are = vertreten sein. ib. S. 760.

spoon V., to be ing about liere like a lovesick ß.onieo. ib. S. 637. (Hoppe hat nur das Subst.)

spotted, net, punktirter Tüll; bei H. fehlt die Uebersetzung.

st a in ing s. das Brandmarken der Deserteure. An iron instrument is used to puncture the skin and something of a chemical nature is rubbed into the puncturcs. The punislnnent is confined to deser- ters of the army. Nach der Mutiny Act wird der Deserteur auf dem linken Oberarm gestochen und mit Dinte, Schiesspulver oder dgl. gesch\Yär2t.

stable-h elpers = groonis out of employment. ib. S. 667.

stand v., to out against, sich abheben gegen. Ch. S. 565.

Step per add. zu Hoppe; a pair of showy steppers. ib. S. 614.

stitch s. ; white = some species of embroidery. ib. S. 580.

stocking-mould s. Strumpf brett.

s tone- fen ces , syn. von smash (Hoppe) = an iced beverage. ib. S. 564.

store-closet siehe 1 a r d e r.

stowaway s. = an individual who, at the last moment, just before the vessel leaves the dock for her destination, slinks on board, creeps below and conceals himself, as securely as he is able, in remote nooks and corners of the lower deck. Hunting for stow- aways is a most exciting sport; the wretched defaulters are „start- ed" from their holes, hustled on deck, „slanged" by the captain, happy they who escape being „shaughaied" by the boatsvvain,

Beiträge zur englischen Lexicographie, 32'j

or „booted" by the first niate and are tlien contuinaciously kicked over the side. The Captain swore to throw the s over board. ib. S. 703.

st rings s. Hutbänder.

struts, siehe setting stick s.

st u ffed, wattiert.

sunshade (H. Sonnenschirm) grosser Sonnenschirm zum Unter- schied von parasol.

sweep V., to a courtesy, eine feierliche Verbeugung machen; and swept a in the grand old fashion of her youlh. Ch. S. 731.

St. Swithuns day. A Saxon bishop of Winchester. After the Reformation this name was one of those retained in the English Protestant calendar and his festival happening at a period when populär superstition looked for presages of the character of the ensuing autunin, the Saint was become famous as the patron of rainy weather. Wright : Biogr. Brit. Liter. Ausführliches bei Ch. S. 656.

sylviculture, Forstcultur. Ch. 1874. S. 9.

Task-mist ress fem. zutask-master; she was not a hard to those beneath her domestic sway. Ch. 1873. S. 637.

take V., to stock (L. hat nur: das Lager aufnehmen) in Augen- schein nehmen ; she opencd licr small niouth and large eyes and took stock of him. S. 642.

taxing-raasters; the clerks carrying bagfuls of papers to and from the law-courts and . ib. S. 700 =:^ officers appointed in law-courts to examine and allow costs.

tea-fight, Theegesellschaft sclierzh.; he hated dinner-parties and s. ib. S. 660.

thick s., in the thick of the French war, mitten in . ib. S. 583.

three-cornered: the round man often tinds himself inserted in the hole? ib. S. 698.

ticking, Ueberzug aus Federleinen, über welchen die cases gezogen werden.

tiffin (Ind.) = Imbiss.

torture v., L. hat nur „einen l?ogen in Spannung erhalten, arch."; the i'ountain spouted forlh a considerable volume of d water, ib. S. 579.

tOAvel-railing i=: towel-horse.

830 Beitrage zur englischen Lcxicogniphie.

<rn vender- wagon? for until that time travelling had been chiefly

perl'ormed by . ib.

tray, kleines Theebrett, vgl. Avaitcr.

tuck, siehe plait.

tu He (L. Gewebe von Seide oder Baumwolle, fälsch.) Seidentüll;

Baumwollentüll ist net. t unic, Waffenrock. (Mil.) turfite, auchadj.; a trencherman lo some sporting lord. Ch.l873.

S. 615. Valance (valence) L. Gardinenbehang, besser „Ueberfall". veil, kleiner runder Schleier, fall langer Schleier, cloud um den

Hals geschlungener Schleier, vest (L. Jacke) auch flannel , ist nur (wollene) Unterjacke. vesta = match, Schwefelholz. Vi Abbr. von Violet. ib. S. 563. Vices = Vice-Chancellors s. Chancery. Walter, grosses Theebrett, s. tray.

well s., to be as deep as a , verschwiegen sein. Ch. 1873. S.753. weis her? a plausible at a race-course. ib. S. 703. where withal „die Mittel", noch jetzt, ib. S. 580. whisk (L. Hals kragen) ist = Halskrause syn. gorget. wire V. telegraphieren, Acad. cant. me up word. ib. S. 804. wool s., fleecy , Mooswolle, wool-needle, Sticknadel, wool-work s. embroidery. ,

work V. durchsetzen, z.B. to one's will with somebody. ib. S. 724. w 0 rst ed-f r a me, »Stickrahmen. S. 605. Xarn, nicht „Garn" überhaupt (L.) sondern nur „Wollgarn zum

Stricken".

Charaktere aus M o 1 i e r e.

Vom

Gymnasiallehrer Josupeit.

Der Marquis.

He! Holla, He! hört man's draussen rufen. Es ist ein Marquis, der sein Tagewerk beginnt, indem er den geistreichen, litterarisch gebildeten Damen (dames pr^cieuses) einen Morgen- besuch macht, um zuerst zu erfahren und zu erzählen, was es für Neuigkeiten in der Stadt giebt (cf. Les Precieuses Eidi- cules 10). Da es in Paris immer „etwas schmutzig" ist, läset er sich in einer Sänfte tragen, und holla! ruft er den Trägern zu und schilt sie ungeschickt, weil sie ihn zu rauh auf das Pflaster setzen. Und nicht nur ungeschickt sind diese Menschen, son- dern auch so „unverschämt" (prec. 8), von dem Herrn Bezah- lung zu verlangen, che er in das Haus eintritt. Ganz mitKecht schilt dieser sie daher Schurken und Taugenichtsc, marauds, coquins, faquins, canailles, und lohnt sie wol gar mit Ohrfeigen ab. Mit den Dienern im fremden Hause macht er noch weniger Umstände; sollten diese Befehl haben, die Herrschaft zu ver- läugnen, so schiebt er sie einfach bei Seite und zwingt die Herrschaft so, seine lästige Gegenwart zu ertragen. (La Cri- tique de l'Ecole des Femmes 4.)

Siegesgewiss tritt er ein, indem er seine Haartoilettc voll- endet, irgend eine Melodie zwischen den Zähnen summt und nach allen Seiten zur Bewunderung herausfordernde Blicke

332 Charaktere aus RIolicrc.

wirft. (L'Iinpromptu de Versailles o; Keiuereiiiicnt au rol.) Daun cntströinen seinen Lippen die Worte; doch spricht er nicht, wie gewöhnliche Sterbliche sprechen , sondern hoch über gemeiner Männerstimme im höchsten Fistelton (impr. 3), dem auch das Lispeln und Näseln nicht fehlen darf. Dieser Ton ist sein Stolz, der ihm die Herzen der Damen im Sturm erobert. (Le Misanthrope II, 1.) In ihm begrüsst er die anwesenden Damen und Herren, die letzteren stets beim Titel nennend (ah marquis, bon jour vicomte), mischt kräftige Flüche, wie Dieu me damne; par la sambleu in die Begrüssungsformeln und ver- fällt auch bald in die entsetzlichste Art von faden Kalauern (turlupinades), die wir später genauer betrachten werden.

Er setzt sich jetzt und giebt uns so Gelegenheit, ihn ge- nauer zu betrachten. Man muss gestehen, er hat eich sehr sorgfältig gekleidet und hat weder Kosten noch Mühe gescheut, um schon äusserlich sich vom Pöbel zu unterscheiden. Dass er sich beim Eintreten kämmte, bemerkten wir schon oben ; doch kämmt er nicht sein eigenes Haar, sondern glättet nur eine gewaltige blonde Perrücke. Befände er sich nicht im Zimmer, sondern auf der Strasse, so würden wir auf der Per- rücke einen von vielen Federn überragten grossen Hut sehen. Die Halskrause ist von bedeutender Ausdehnung und die feinen Spitzen stammen aus Flandern oder gar aus Venedig. Zu seinen Hosen hat er ein gutes Viertel Zeug mehr ver- braucht als andere, und an Schuhe, Strümpfe und Ueberrock sind zahlreiche Bandschleifen zierlich befestigt. (Mis. H, 1; remercim.)

Das Ankleiden bildet des Marquis vorzüglichste Beschäfti- gung, wenn er zu Hause ist; kein Wunder, dass er in Gesell- schaft gerne von Kleidern spricht. „Wie gefällt Ihnen mein Bänderschmuck? Passt seine Farbe auch zum Kocke ? Sind meine Unaussprechlichen nicht limios? (prec. 10)." So beginnt er fast jede Unterhaltung. Dann kommen die Handschuhe an die Reihe; v,ie teuer die Federn sind, wird besprochen, und welche kostbaren Wohlgerüche die Haare ausströmen. Der ab- wesenden Freunde wird darauf in liebevollster Weise gedacht:

Charaktere aus Molifere. 333

Cleonte ist doch gar zu lächerlich, Dämon schwatzt gar zu ermütlend, Timante ziert sich zu äffisch, Geralde führt nur Hunde und Pferde im Munde, und Adraste wäre schon ganz erträglich, wenn er nur nicht so entsetzlich von sich eingenom- men wäre (Mis. II, 5). Schliesslich lobt oder tadelt er die Verse anderer, oder wehe! er recitirt seine eigenen (pr^c. 10). Dabei wird von allen diesen Dino;en ohne logischen Ideenzu- sammenhang geredet. Ohne besondere Veranlassung abzu- warten plappert der Staar alles durcheinander, was er ge- lernt hat.

Auf Verse und auf Melodien versteht sich der Marquis „höllisch" (furieusement). Freilich hat er nie Studien dazu gemacht, er braucht sich auch keine Mühe dabei zu geben ; „Leute von Stande verstehen alles, ohne gelernt zu haben, es kommt ihnen alles ganz natürlich von selbst" (prec. 10). Mit- unter sind die Verse, die der Marquis als seine eigenen vor- trägt, gar nicht schlecht; nur schade, dass er als schön gerade die unbedeutendsten Stellen hervorhebt. Zweifelt Jemand seine Autorschaft an, so erbietet er sich, auf der Stelle ein kleines Sinngedicht zu improvisiren. Glücklich bringt er auch den ersten Vers zu Stande ; „leider ist es ihm immer so schwer, die andern zu machen. Auch ist es gar zu überraschend; zu Hause Avird er euch in aller Müsse das allerschönste Gedicht aus dem Stegreif machen" (pr^c. 12).

Auch vom Theater spricht unser Marquis viel, denn er geht oft hin. Doch bezweifeln viele, dass er an der Darstel- lung der Lustspiele und Trauerspiele viel Gefallen findet. Denn würde er sonst nicht zur Zeit kommen und auch bis zum Ende des Stückes bleiben ? Freilich zu spät kann ja jeder einmal kommen; aber dann müsste er sich doch ruhig hinter den andern Zuschauern hinsetzen. Er aber tritt tönenden Schrittes ein, laut ruft er nach einem Sessel und drängt sich bis in die vor- derste Reihe, wol gar bis auf die Bühne. Erblickt er am andern Ende des Saales einen Bekannten, so erkundigt er sich mit Stentorstimme nach seinem Befinden und anderen wichtigen Dingen (Les Facheux I, 1).

334 Charaktere aus Molibrc.

Bisweilen nimmt er an der Aufführung wirkliches Interesse. Der Dichter nämlich hat ihn vorher besucht und ihm sein Stück vorgelesen. Da muss er doch erkenntlich sein ! Schon ehe die Kerzen angezündet sind, ruft er Beii'all, und während der Vor- stellung klatscht er an allen Stellen, an denen der Schauspieler das Zeichen dazu giebt. „Denn wie wäre es wol möglich, eine Schönheit im Stücke zu erkennen , falls nicht der Schau- spieler anhält und zu verstehen giebt, dass der Beifallssturm losbrechen soll?" (faire le brouhaha; prec. 10).

Verfahren wir nicht zu schlecht mit unserm Marquis. Ge- wiss, mitunter interessirt ihn in der Tat das Stück, es gefällt ihm sogar. Aber wie kann ein anständiger Mensch Zeichen der Zufriedenheit geben, wenn der Pöbel im Parterre die Un- verschämtheit hat, gerade ebendieselben Stellen für schön zu halten, und mit seinem Beifall nicht einmal so lange wartet, bis die vornehmen Herren den Anfang damit oemacht haben ! Da bleibt dem Marquis doch nichts anderes übrig, als mit den Schultern zu zucken und diese Leute mitleidig anzusehen (Grit. 6).

Da nun der Marquis auf den Inhalt der Stücke meist nicht sehr achtet, so ist doch die Sicherheit sehr wunderbar, mit der er dieselben aburteilt. Allerdings, fordert man eine Begrün- dung seines Urteils, so sagt er höchstens etwa, ,,das8 ein ent- setzliches Gedränge an der Türe war, und dass man ihm noch nie so auf die Hühneraugen getreten habe" (crit. 5). Oder er führt höchst achtbare Gewährsmänner an, deren Urteil er ge- folgt ist, etwa den Baron Dorilas oder die Marquise Araminte (crit, 6). Meistens aber lässt er sich auf eine Begründung gar nicht ein, sondern schlägt alle Gegner mit der Identitätsformel aus dem Felde: „es ist schlecht, weil es schlecht ist" (crit. 6). Dagegen lässt eich dann freilich nichts einwenden. Gesichert wird die Beweiskraft dieser Schlussfolgerung noch durch die ermutigenden Zurufe anderer ebenso urteilsvoller Herren: „ah ah Chevalier, cela est vrai; c'est bien dit." Dadurch kampf- lustiger gemacht, fordert er gar den Gegner auf, doch auf seine Gründe zu antworten. Reponds, reponds, rdponds, r^ponds

Charaktere aus Moliöre. 335

ruft er, unterbricht ihn aber durch dieselbe Aufforderung und dieselben Gründe, sobald dieser wirklich sprechen will, Lässt sich der Gegner auch dadurch nicht einschüchtern, so fängt der Marquis zu trällern an und schneidet ihm dadurch gänzlich das Wort ab (crit. 7).

Von dem Fistelton , mit dem der Marquis spricht, haben wir schon gehandelt. Nicht nur der Ton , sondern auch seine Ausdrucksweise ist eigentümlich; sie ist gesucht, geziert, schief und unwahr in den Bildern. Er spricht „von der Beliebtheit seiner Federn, von der ungnädigen Jahreszeit, ja von ihrer Rohheit; ausserhalb Paris giebt es nach ihm kein Heil für rechtschaffene Leute, oft beleidigt man das Zartgefühl seiner Stimme; er bittet uns, das Denkvermögen unseres Geruchs- sinnes auf seine Handschuhe zu lenken; er bittet, die Einsam- keit des Balles zu bevölkern ; er fürchtet , dass aus dem Lie- beskampfe seine Freiheit nicht mit reinen Windeln braies nettes) hervorgehen wird ; seine Freimütigkeit beginnt, ]N[enuet zu tanzen."

Aus derselben Quelle als diese gezierte Ausdrucksweise (maniere precieuse) stammen die fürchterlichen Kalauer (turlu- pinades) der Marquis , deren Erbärmlichkeit sie sich so wenig bewusst sind, dass sie sich selbst rühmend Kalauer (turlupins) nennen. Zwei Beispiele werden genügen, um den Leser mit Schauder zu erfüllen. Leider muss ich auf eine Uebersetzung derselben verzichten. Madame, sagt der Marquis crit. 1, vous etes dans la place royale et tout le monde vous voit de trois Heues de Paris, car chacun vous voit de bon oeil a cause que Bonneuil est un village ä trois Heues d'ici.

Parbleu, lesen wir impr. 3, chevalier, tu devrais faire prendre medecine ä tes canons. Comment ? Ils sc portent fort mal.

So stellt uns Moliere die Marquis dar. Diese gehen selbst ins Theater und sehen sich auf der Bühne dargestellt. Aber weit davon entfernt, zu merken, dass sie selbst und alle ihres-

336 Charaktere aus Molifcre.

gleichen gegeisselt werden, verfallen sie höchstens darauf, dass diese Schilderung auf einen einzelnen ihrer Bekannten passen könnte, und ziehen diesen damit auf. Der aber hat aerade denselben Gedanken von dem ersten gehabt, und so geraten beide (impr. 3) in den ergötzlichsten Streit, wer von beiden gemeint ist.

Metapherstudien

Dr. Priedrieli Brinkmann.'

Die Katze. I.

Wenngleich wir in den vorhergehenden Darstellungen immer das Bild, welches die Sprache von den einzelnen Thieren entwirft, in mög- lichster Vielseitigkeit zu geben suchten, so haben wir doch immer einen Zug hervorgehoben, welcher als der charakteristischeste von allen er- scheint, mit dem man kurz das Wesen des Thieres aussprechen kann. Wollen wir diesem Verfahren treu bleiben , so können wir die Katze kurzweg als das halbwilde, das räuberische Hau st hier be- zeichnen, welches seine nahe Verwandtschaft mit dem Könige der ßaubthiere, dem Löwen, nicht verleugnen kann.

Der Mensch hat diesen Räuber in den Frieden des Hauses auf- genommen, etwa wie man in gewissen Ländern ausgelernte Banditen zu Polizeidienern macht , um sein Haus von Mäusen und Ratten rein zu halten. Aber die unverwüstliche Banditennatur der Katze bricht immer wieder hervor: sie bestiehlt Küche und Keller, Vorrathskammer und Milchkammer ; zerbricht bei ihren Jagd- und Raubzügen Gläser und Töpfe und richtet allerlei sonstiges Unheil an , so dass die Haus- frau gegen die Katze gerade so auf ihrer Hut sein muss, wie die Mäuse und Ratten. Daher sagt BuflTon : Le chat est un domestique

* Fortsetzung der Ablianfllungen: Der Hund, Archiv Rd. XLVI S. 425—464, Das Pferd, Archiv Bd.L, S, 123—190, Der Esel, Archiv, Bd. LIV, S. 155—173, Das Maulthier, das. S. 174—182.

Archiv f. n. Sprachen. LIV. 22

338 Metapherstudien.

infidole, qu'on ne garde que par necessite , pour l'opposer a un autre ennemi domestiquc, qu'on ne peut chasser.

Dieser Grundcharakter der Katze wird in der Sprache in einer ausserordentlichen Fülle von Sprüchwörtern und metaphorischen Redens- arten ausgedrückt, die sich in ziemlich gleicherweise auf beide Sei- ten dieses Räuberlebens vertheilen. Die eine, die Feindschaft von Katze und Maus, liegt folgenden Sprüchwörtern zu Grunde.

Wollen wir sie nach dem Gedanken, den sie aussprechen, zusam- menstellen, so entsprechen den deutschen:

Die Katze lässt das Mausen nicht, und Katzenkinder lernen wohl mausen ; (Simrock, 252.) die it.: Non fu mai gatta che non corresse a' tcpi. Giusti, 207. I figliuoli de' gatti pigliano i topi. 128. Chi nasce di gatta, piglia topi al bujo. 128. die sp. : El hijo de la gata ratones mata. Oudin, 114.

Con hijo de gato no se burlan los ralones, die fr. : Chat et chaton chassent le raton.

Le Roux de Lincy I, 98. On ne doit pas enseigner le chat a sorisier. 101. Chat qui a accoustume de prendre des souris ne s'en peut tenir. 99.

das egl. : That that comes of a cat, will catch mice. Ray, 59.

Fernerdemdeutschen:

Die Katze fängt die Mäuse nicht in Handschuhen.

Simrock, 253. das it.: Gatta inguantata non prese mai topo. Giusti, 227. das fr.: Chat emmouffle ne prend souris. 99. das egl.: A mufFled cat is no good mouser. Ray, 58. das sp. aber:

A la vulpeja dorraida no le cae nada en la boca.

Oudin, 20. Dem deutschen:

Wenn die Katze nicht zu Hause ist, tanzen die Mäuse auf

Stühlen und Bänken, odor Katz aus dem Haus, rührt sich die Maus. Simrock, 253. die it. : Qiiando la gatta e fuori i sorci ballano ;

Metapherstudien. 339

oder: Dove non son gatti, i topi ballano, oder: Quando la gatta non e in paese, i topi ballano; die ptg. : Väo se os gatos, esfendense os ratos.

Quando em casa näo esta o gato, estendese o rato.

(Bluteau : dicc. d. 1. ptg.)

die fr. : Quand le chat n'est pas au logis , les rats dansent sur la table.

(Voyage de maitre, noces de valet.) Quand le chat est hors la maison, Souris et rats ont leur saison. Le Roux, 99 101. das egl.: When the cat is away, the mice play. Ray, 59. das lat. : Ovium nulla utilitas si pastor absit. das gr. : TiQoßdtcov ovSh otpslog, iav o noi[A,rjv äny. Das Gegentheil davon sagen: it. : Di casa la gatta, il topo non esce a corpo pieno.

Giusti, 64. fr. : De la maison du chat

N'est jamais saoul le rat. Le Roux, 100. Ohne entsprechendes deutsches Sprüchwort sind: fr. : A bon chat, bon rat. it.: Molto sa il ratto, ma piü ne sa il gatto. sp. : Mucho sabe el rato, pero mas el gato. Oudin, 186. ptg. : Muito sabe o rato, mas mais sabe o gato. (Blut.) egl. aber: The fox kuows much, but more he that catches him.

Ray, 76. und it. : Tardi s'avvede il ratto, quando si vede in bocca al gatto. fr. : A tard se repent le rat, Quand par le col le tient le chat.

Le Roux 99. In diesem blutigen unversöhnlichen Kriege zwischen Katze und Maus hielten einmal, wie die Fabel berichtet, die Mäuse einen Kriegs- rath, um zu erwägen, wie man sich am besten vertheidigen könne. Bon er erzählt die Geschichte in seiner alterthümlichen Sprache fol- gender Massen (Fabel 70. nach Grimm's deutsch. Wörterb. Art. Katze): „Die Mens haben einen Reichstag gehabt, wie sie vor den Katzen ge- näsen, und nach langem Rath funden sie, dass sie jeder Katzen eine Schellen wollten anhenken, so wüsste die gewarnte Maus durch das Klingen in die Löcher zu fliehen. Der Rath gefiel ihn allen, da wischet

22*

340 Metaphersludien.

aber eine alte ehrbare Maus herfür, sprechend: der Rath war guf, wer will aber der Katzen die Schellen an henken? da war Nie- mand "fofundcn und all ilir Rath und Anschlag zu nichte."

Diese Fabel klingt nun in sprüchwörtlichen Redensarten vieler Sprachen wieder. In der Erzcählung selbst ist schon die deutsche: „Wer will der Katze die Schelle anhängen" erwähnt. Sie hat den Sinn: Wer will sieh der Gefahr unterziehen? (periculum noUe subire ob bonum publicum. Grimm.), und laufet auch: der Katze die Schelle nicht anhängen wollen. Auch ein Sprüchwort ist entstanden: Wenn die Katzen mausen, hangen sie keine Schellen an. Simrock, 252, Jene Redensart heisst im It. : Appiccar chl vuol 11 sonaglio a la gatta ? (nach Ray, engl, prov. 59, sie findet sich aber nicht bei Giusti, prov. tose.) im Sp. : Quien ha de echar el cascabel al gato? (con que se da ä entender el riesgo que hay en decir alguna cosa desa- gradable ä quien la ha de oir. Die. d. 1. Acad.j im Ptg. : Lan^ar o cascabel ao gato.

im Fr. : Attacher le grelot, mit Auslassung von au chat, das aber bei der offenbaren Uebereinstimmung mit den vorgehen- den Ausdrücken der anderen Sprachen ergänzt werden muss. im Egl.: To bell the cat und: Who shall hang the bell about the cat's neck? Ray, 59. (Hier wird der Ursprung dieses Sprüchwortes in derselben Weise wie oben angegeben.) Angesichts dieser Redensarten und ihres Ursprungs muss die italienische: Ogni gatta vuol il sonaglio =^ jede Katze will die Schelle tragen, d. h. Joder will mehr scheinen als er ist (vale che ciascuno pretende d'apparire e far rumore) für unverständlich erklärt werden.

Oh to' si ogni gatta vuole il sonaglio, ensino alle monache voglion far le commedie. Gelli, la sporta. Die übrigen Redensarten und Sprüchwörter, welche sich auf die Katze als Feindin der Mäuse und Ratten beziehen, geben uns ein so anschauliches Bild ihres Verfahrens, dass wir es danach entwerfen könnten, wenn wir auch nie eine Katze zu beobachten Gelegenheit ge- habt hätten.

Ein besonders hervortretender Zug ihrer Karapfweise ist der, dass

Mefapherstu'lien. 341

sie die Ratten, Mäuse und Vögel niciil eigentlich jagt, sondern sich auf die Lauer, in einen Hinterhalt legt, sich in Löchern und Schlupfwinkeln versteckt und von da, wenn der günstige Zeitpunkt gekommen ist, sich im Sprunge auf ihre Opfer stürzt, wie das ja die Art des ganzen Katzengeschlechtes ist. Ils se mettent ä l'afFöt pl-es d'une cage, ils epient les souris, les rats ... Ils ne les chassent pas, mais ils les attendent, attaquent par surprise. Buftbn.

Daher die franz. Redensart: guettercomme un chat, auf der Lauer liegen wie eine Katze, il le guette comme le chat fait la souris. Das englische Sprüchwort: He watches him as narrowly as a cat does a mouse, er lauert auf ihn, wie die Katze auf die Maus, und das ita- lienische: Qui gatta ci cova = hier liegt die Katze versteckt, d. h. dahinter steckt etwas Gefährliches (c'e sotto inganno, malizia), wie der Lateiner sagt: Latet unguis in herbis (die Schlange liegt im Grase versteckt) und Cicero pro Murena cap. 37. Intus, intus, inquam, est equus Trojanus, und wie der Engländer : There is a snake in ihe grass.

Non posso credere che gatto non ci covi. Per certo che egli mi convien veder, donde nasce questo tuo furore, e questa tanta divozione ; qualche gatta cova.

Firenzuola. Perche ognun che quivi si ritrova Vedendo entrar quell' armi cola dentro Subito disse : Qui gatto ci cova. Malmantile.

In demselben Sinne sagte man auch früher: Ogni oste ha sotto il gatto, jeder Wirth hat die Katze unter sich verborgen, d. h. bei jedem Wirthe hat man sich auf Ränke gefasst zu machen.

E veggia e faccia patto

Che ogn' oste ha sotto il gatto. Barberino.

Ferner gehört hieher das it. bugigatto und bugigattolo ein kleines Loch, ein Schlupfwinkel. Die ursprüngliche Bedeutung ist aber Katzenloch, d. h. Loch, wo die Katze sich versteckt, gewesen, da das Wort von bugio, einer Nebenform von buco, Loch, und gatto kommt, mit Auslassung des Genitivzeichens di, also bugigatto z=z: buco di gatto ist.

Aus dem Gebiete des Französischen ist auf dasselbe Bild der in allen Löchern und Winkeln sich gern verkriechenden Katze die Redens-

342 Metaplierstudien.

art zu beziehen: Co chanteur a un chat dans lagorge, dans le gosier, dieser Sänger hat etwas in der Kehle stecken, eigentlich: eine Katze hat sich verkrochen in seine Kehle. Freilich erinnert sie wegen der nahen Ideenverbindung von Katze und Maus oder Ratte an die ganz ähnliche: Cette arme a pris un rat, diese Flinte hat eine Ratte gefangen, d h. sie hat versagt. Die Kugel ist hier wegen eines IlindtM-nisses, das die Flinte gleichsam zu einer Falle macht, im Laufe stecken geblieben, wie dort die Stimme in der Kehle. Man könnte daher auf die Verniuthung kommen, dass jene Redensart il a un chat dans la gorge aus dieser entstanden ist, ihr nachgebildet worden ist. Sie erklärt sich jedoch ohne diese Annahme genügend im Zusammen- hange mit den andern angeführten die Katze betreffenden Metaphern.

Eine andere List der Katze ist die, dass sie sich todt stellt oder die Augen schliesst, als ob sie schliefe und so ihre ausersehenen Opfer veranlasst, arglos herbeizukommen. Daher der italienische Aus- druck fare la gatta morta, die todte Katze spielen, d. h. den Arg- losen, Harmlosen spielen, sich stellen , als ob man nichts sähe , sich dumm stellen (siniularsi soro ; tolta la similitudine dalla gatta che, quando vuol uccellare, si corica per morta sull' aja vicina della siepe aspettando il buon dato di gittarsi sopra la preda, quando men si teme.)

Volli tacere e far la gatta morta. Bellincioni. Furche sebben e' fa la gatta morta, da quest' acque chete ti guarda. Cecchi.

Das Gegentheil bedeutet uscir di gatta morta, die Rolle der todten Katze aufgeben, die Maske fallen lassen. Tu la vedresti uscir di gatta morta. Malmantile.

Dieselbe Bedeutung wie far la gatta morta hat der Ausdruck far la gatta di Masino che chiudcva gli occhi per non veder passar i topi, sich stellen wie die Katze von Masino*, welche die Augen schloss um die Mäuse nicht vorbeigehn zu sehen. Hier liegt aber das andere Bild der sich schlafend stellenden Katze vor , und das finden wir wieder in den englischen Sprüchwörtern :

When the cat winketh, little wots the raouse what the cat tinketh. Ray, 59.

* Was Masino eigentlich bedeutet, ist wohl ebenso wenig mehr zu ermitteln, wie der Sinn von Chapiro in der spanischen Redensart: voto ä Cfaapiro.

Metapherstudien. 343

Though (he cat winks a while, yet sure she is not blind.

das. Endlich gehört zu dem Bilde der Katze als Jäger auf Mäuse ihr stetes Herumziehn im Hause, ihre polizeilichen Inspektionsreisen vom Bodenraum bis zum Keller, von einem Zimmer in das andere (daher fr. röder comme un chat, herumziehn wie eine Katze). Damit sie diese Wanderungen unter allen Umständen, auch bei verschlossenen Thiiren, ausführen könne, war früher in vielen Häusern unten an jeder Thüre ein Loch angebracht, das sog. Katzenloch. Man nannte es sp. gatera, fr. ehatiere, it. buco del uscio und gattaja, gattajuola. Letztere beiden Ausdrücke haben auch eine metaphorische Bedeutung, die von Ausweg (ripiego, scarapo) erhalten, und das von ihnen abgeleitete Ver- bura sgattajolare heisst überhaupt nur einen Ausweg finden, der Gefahr entgehn, während es seiner Abstammung entsprechend ursprüng- lich von der Katze gesagt worden sein muss, die durch das Katzenloch von einem Zimmer in das andere schlüpft.

n.

Noch mannigfacher und interessanter zu beobachten sind die Schöpfungen der Sprache, die sich auf die Katze als die Diebin und Unheilstifterin des Hauses beziehn.

Im Lateinischen hat fei es die Katze auch die metaphorische Bedeutung Dieb, Räuber, z. B. feles virginaria oder virginalis heisst Mädchenräuber, so bei Plautus, Rudens II, 4, 43:

Tune hie felis virginalis liberos parentibus Sublectos habebis atque indigno quaestu conteres ? Dieselbe Bedeutung findet sich unter den romanischen Ausdrücken für Katze nur beim spanischen gato (se toma asimismo por el ladron ratero que hurta con astucia y engano) und gatillo (muchacho ladron raterillo),

El sastre y el zapatero

Ya cosiendo y remedando

El uno es gato de euere

y el otro de seda ö pano. Quevedo.

844 Metapherstudien.

mit deren Ableitungen gatear (stehlen) und gatada (der listige Dit'bstalil): Porque yoque sabia mas que ellos, les di tal gatada, que en espacio de tres horas me lleve mas de mil j trecientos reales. Quevedo.

Um so häufiger machen aber diese Sprachen im S p r ü c h w o r t und in sprüchwörtlichen Redensarten von jenem Bilde Gebrauch. Sehr hübsch und bestimmt sprechen folgende Sprüchwörtor jenen Charakter der Katze im Allgemeinen aus, indem sie ihre Räuberei als unvermeidliche Zugabe zu dem Nutzen, wel- chen sie gewährt, hinstellen.

Sp. : AI gato por ser ladron, no le heches de tu mejon.

Oudiu, 16. Ptg. : Ao gato por ladiao, näo Ihe des de niäo.

O que ha, de levar o rato, da ao gato, e tirarteha de cuidado.

It.: Se il tuo gatto e ladro , non lo caccia de tu casa; und Gatto che non e goloso, non piglia raai sorci.

Giusti, 21. Fr.: Si ton chat est larron, ne le chasse de ta maison.

Le Roux, 101. Egl. : That cat is out of kind, that sweet milk will not lap.

Ray, 59. Deutsch : Wer nicht ernähren will die Katzen,

Muss ernähren Mäuse und Ratzen. Simrock, 252. Naschige Katzen machen achtsame Mägde. 253. Der Franzose hat daher die Redensarten: etre traitre, voleur comrae un chat, stehlen wie eine Katze , und eile est friande comrae une chatte oder c'est une chatte im Sinne von c'est une femme friande.

Im Einzelnen werden uns als Beispiele dieser Diebereien angeführt, wie die Katze zum Specke schleicht ;

It. : Tanto va la gatta al lardo che ci lascia la zampa oder lo rampino. Giusti, 87. Deutsch: Man jagt die Katze zu spät vom Speck, wenn er gefressen ist. Simrock, 253. wie sie der Milchkammer Besuche abstattet und sich über die Milch- und Rahratöpfe hermacht;

Metapherstudien. 345

Fr.: On ne saurait retenir le chat, quand il a goute de la creme (on ne resiste pas aux habitudes dejä prises, aux tentations dejä goütees). Deutsch: Es ist zu viel von der Katze begehrt, dass sie bei der Milch sitze und nicht schlecke. Simrock, 253. Egl. : The cat 's in the cream-pot. Ray, 123.

(This is used when people hear a great noise and hubbub amongst the good wifes of the tow^n, and know not what it means, but suppose that some sad accident has hap- pened, as Ihat the cat is fallen info the cream-pot, or the like.) wie sie Käse stiehlt, auf den ihr Geschmack besonders zu stehen scheint ;

Fr. : Elle a laisse aller le chat au fromage, (eile s'est laisse seduire). Deutsch: Sie hat die Katz über den Käs kommen lassen. Wir sehen sie beutelustig um den Kochhecrd schleichen, oder zum Theil mit wegen der Wärme, die sie so sehr liebt,* dahinter zusam- mengerollt liegen, in der Redensart

It. : Tenere un occhio alla padellae uno alla gatta (ein Auge auf den Kochtopf gerichtet halten , das andere auf die Katze, d. h. seine Augen auf Alles gerichtet halten). Altfr. : Avoir un oeil ä la poisle et l'autre au chat. Sp. : Un ojo ä la sarten (Pfanne) y otro ä la gata. Jo vo' ch'ognun coli' arme indosso dorma Un occhio alla gatta, uno allo padella, Ch'io so che qualque trappola c'e fatta.

Morgante, XXII, 100. Bien puedes hacer la experiencia con alguno de los doblo- nes. Un ojo ä la sarten, y otro ä la gata, que eso qua rae ha dado D. Vela, hermano, es para mi entierro.

Lope, Dorothea. Wir sehen sie ihre Lüsternheit vermöge der ihr angeborenen Vor- sicht bekämpfen, so lange der Topf noch heiss ist.

* Ils aiment ä se tenir au soleil , ils cherchent ^ se glter dans les lieux les plus chauds, derriere les chemindes ou dans les fours. Bufion.

S46 Mi'tapliorstudien.

It.: Alla pentola che bolle non vi si accosta la gatta (= Ognuno fugge i pericoli^ gelegentlich aber doch einmal bei dieser grossen Freundschaft für den Ileerd lind Kochtopf tüchtig abgebrüht werden und dann selbst das kalte Wasser scheuen:

Sp,: Gatto escaldado del agua fria ha miedo. Oudin, 134. Ptg. Gato escaldado da agoa fria ha medo. Fr.: Chat echaude craint l'eau froide; Altfr. : Chat eschaudez iaue craint. Roux, 99. Egl.r A scalded cat fears cold water, wofür aber auch mit uns übereinstimmend das andere Bild gebraucht wird: The burnt child dreads the fire. Ray, 58. Ital. aber: Can scottato dall' acqua calda ha paura, poi della fredda.

Ray, 58. Giusti, 238.

(Gr.: na&mv öt' re v)]ntog syvco. Hesiod.)

Ja wir sehn endlich in komischer Verzweiflung die Hausfrau erklären, dass gegen solch einen abgefeimten Dieb nichts sicher ist und es keine Mittel giebt, sich dagegen sicher zu stellen. It. : Chi serba, serba al gatto. 48.

(Wer Avas aufhebt, hebts für die Katze auf.) Chi sparagna, vien la gatta e glielo magna. (Wenn einer spart, so kommt die Katze darüber und frisst es.) Fr.: Ce qua l'homme epargne de sa bouche, Le chat ou chien vient qui l'embouche.

Le Roux I, 166.

Egl. : What the good wife spares, the cat eats. Ray, 109.

während der Spanier nur sagt :

Come el gato lo que halla mal reservado,

und ebenso der Portugiese :

Do mal gardado come o gato, die Katze frisst, was sie schlecht verschlossen findet.

Daher ist es aber auch natürlich , dass die Katze für das Unheil, das sie angerichtet, oft gezüchtigt wird, wie ein fr. Sprüchwort sagt:

Metapherstudien. 347

A Chat lescheur on bat souvent la gueule.

Le Roux I, 99.

und da man immer denkt, dass dieser unverbesserliche Dieb viel ver- brochen hat, ohne bestraft worden zu sein, so werden bei jeder Ge- legenheit, wo er attrapirt wird , viele möglicherweise begangene Un- thaten mitbestraft, und jede geringste Gelegenheit wahrgenommen, um eine Strafe zu verhängen.

Daher denn die spanische Redensart :

No hacer mal ä un gato, keiner Katze, d. h. nicht einmal einer Katze wehthun, geschweige denn einem Menschen, d. h. sehr iriedferiig sein.

No rae deja ya mentir

Mondoneno el Escribano,

Que por no escupir al cielo

No supo hacer mal a un gato. Quevedo. und die französische:

Pourquoi tant de vacarme! II n'y a pas de quoi fouetter un ohat; d. h. das Versehn, der begangene Fehler ist nicht einmal von solcher Bedeutung, dass, wenn selbst eine Katze ihn begangen hätte, man sie darum prügeln dürfte.

Es scheint nun aber diese Redensart noch eine weitere Entwick- lung zu einer wirklichen Metapher gefunden zu haben. Wir lesen wenigstens in der Revue des deux Mondes (in der Novelle Frederique von Scudo) : Nous avons bien d'autres chats a fouetter, comme dit le proverbe, und müssen wohl an die Existenz eines solchen Sprüchwortes glauben, obgleich es weder in dem sonst so vollständigen Livre des prov. fr. von Le Roux de Lincy noch in dem Wörterbuche von Littre sich findet. Wollen wir uns den Sinn zurecht legen, so müssen wir annehmen, dass in dieser Redensart die diebische Katze, womit die Hausfrau stets zu kämpfen hat, als Bild für die Uebel des Lebens gebraucht ist, womit sich der Mensch herumzu- schlagen hat. Die Worte lassen sich also mit Rücksicht auf das zu Grunde liegende Bild so wiedergeben : Wir haben uns mit ganz anderen, viel schlimmeren Katzen herumzuschlagen, d. h. wir haben mit viel grösseren Uebeln des Lebens zu kämpfen , und wichtigere Lebensauf- gaben zu lösen.

34 S Metapherstudien.

Die Katze wird aber nicht nur dann geprügelt, wenn sie etwas verbrochen hat, sondern auch dann, wenn ein Unheil im Hause ge- schehen ist und man den Uebelthäter nicht kennt. Denn da man sie als die zu allem Unfug stets aufgelegte Unheilstifterin einmal kennt, so wird bei jedem Anlasse, auch wo sie ganz unschuldig ist, die Schuld auf sie geschoben. Sie bekommt daher nicht nur ihre Prügel, wenn sie etwas gefressen hat, was unverschlossen da stand, aber verschlossen hätte werden sollen, also die Haushälterin oder die Köchin die Schuld hatte, sondern auch , wenn sie gar nicht betheiligt ist. Daher die Spriichwörter :

It. : Che ne puö la gatta , se la massaja e matta, Was kann

die Katze dafür, wenn die Haushälterin verrückt ist ? Egl.: How can the cat help it, if the maid be a fool (not setting

up things securely out of her reach or way). Ray, 59. Sp. : Azotan a la gata, si no hila nuestra ama. Oudin, 7.

Man prügelt die Katze, wenn unsere Haushälterin nicht

spinnt. Diese Sprüchwörter und die Thatsache, worauf in ihnen ange- spielt wird, sind uns besonders willkommen, um zwei Redensarten des Französischen zu erklären, von denen wenigstens die eine als schwer verständlich und bis jetzt nicht erklärt bezeichnet werden muss. Es sind die beiden: C'est le chat und jeter le chat aux jambes de qn. Die letztere bedeutet: die Schuld auf Jeman- den schieben, und zwar darum, weil, wie wir so eben gesehn, wenn im Hause etwas zerbrochen oder beschädigt worden ist, die Katze als Urheberin des Schadens präsurairt wird, und derjenige, bei wel- chem die Katze gefunden wird (zu dessen Füssen sie liegt) als Herr, Freund, Beschützer derselben für das, was sie verbrochen hat, verant- wortlich gemacht wird.

Ueber den Sinn der anderen Redensart: C'est le chat, sagt Littre: maniere populaire de repondre ä une excuse personelle, a la quelle on ne croit pas, und führt dazu diese zwei Beispiele an: Votre fro- raage, ce n'est pas moi qui Tai mange. Antwort: Non c'est le chat. Le verre ce n'est pas moi qui Tai casse. Antwort: Non c'est le chat.

Damit dieser Ausdruck die Bedeutung, welche er hat: „Machen Sie das Anderen weiss, ich glaube das nicht", erhalte, ist es nöthig,

Metapherstudien. 349

jedes Mal zu dem c'est einen Relativsatz zu ergänzen. Dort müsste der Satz vollständig heissen : Non c'est le chat qui l'a mange , hier : Non c'est le chat qui l'a casse, oder beide Mal übereinstimmend : Qui l'a fait, und diese Antwort ist dann ironisch zu nehmen. Also bedeutet in den angeführten Beispielen : Non c'est le chat so viel als : Nein es war ja die Katze, die den Käse gefressen, die das Glas zerbrochen hat, und diese ironische Art einzugehn auf die Ent- schuldigung des Sprechenden, gilt dann natürlich so viel wie Zweifel, Unglaube gegen die Versicherung, so dass wir immer übersetzen können : Machen Sie das Anderen weiss. In dieser Redensart tritt uns also die Katze in der zuletzt besprochenen Weise, als der Sün- denbock des Hauses entgegen. Wenn irgend etwas gestohlen oder zerbrochen wird, so schiebt man die Schuld auf sie.

Bei Littre ist nur dieser Gebrauch von Non, c'est le chat an- geführt, und beschränkt er sich also auf den Fall, dass es sich um eine Entschuldigung handelt, gegen die man ironisch Unglauben äussern will.

Dagegen finden wir im Esprit de la conversation franQ. von Peschier (S. 111) eine ausserordentliche Erweiterung behauptet, Avonach jene Worte nicht nur aufeine Entschuldigung, son- dern auf eine jede negative Behauptung als Antwort dienen könnten, und als Beispiel angeführt: „U n'est pas amoureux de votre soeur ? Antwort: Non c'est le chat = Machen Sie das Anderen weiss."

Wir können indessen bloss auf die Autorität Peschier's hin diese Redeweise nicht als französisch anerkennen, müssen vielmehr ein ganz gewichtiges Fragezeichen hinter dieses Beispiel setzen und diesen Ge- brauch des in Rede stehenden Ausdrucks, so lange und nicht voll- gültige Belege gebracht werden, verwerfen. Wenn dieses franzö- zösisch wäre, so würde gewiss Littre bei seiner ausserordentlichen Ausführlichkeit und Genauigkeit in seinem Wörterbuch es angeführt haben. Wir müssen aber um so unzweideutigere Beweise für die Exi- stenz dieses Gebrauchs verlangen, als er, wenn er wirklich bestehen sollte, geradezu gedankenl os , ja unsinnig wäre. Man wird das sofort finden, wenn man auch hier den elliptischen Satz c'est le chat nach dem Vorbilde der beiden oben behandelten Beispiele vervoll- ständigt. Dann erhält man : Non , c'est le chat qui est amoureux de votre soeur. Setzen wir einmal den Fall als möglich, dass eine Katze in einen Menschen verliebt ist: so kcinnte doch ninimcrmolir aus jenen

3 50 Metapherstudien.

Worten die metaphoi-ische Bedeutung, die sonst c'est le chat hat und die es auch hier haben soll, construirt werden , denn dass Jemand in eine Person verliebt ist, hindert nicht, dass ein Zweiter oder Dritter es auch ist, während wenn Einer den Käse gegessen oder das Glas zerbrochen hat, damit zugleich gesagt ist, dass kein Anderer es gethan haben kann. Wie kann also in diesem Falle Non c'est le chat heissen : Das machen Sie Anderen weiss ?

III.

Trotz dieses steten Kampfes, in welchem die Katze mit dem Hause, insbesondere der Hausfrau steht, trotz ihres innerlich dem Hause fremd bleibenden Wesens, welches Buffon in den Worten ausspricht: On ne peut pas dire que les chats, quoiqu' habitans de iios maisons, soient des animaux entierement domestiques . . . la plupart sont ä-demi sauvages, ne connaissent pas leurs maitres etc., trotz alledem „gilt die Katze für so wesentlich im Hause, dass sie selbst im ärmsten, elendesten Hausstande nicht fehlt" (Grimm's Wörterb. d. dtsch. Spr.), wie ein portugiesisches Sprüchwort sagt:

Casa em que näo ha cSo nem gato, he casa de velhaco.

Wo daher ein Haus bewohnt ist, wird angenommen , dass auch eine Katze sich darin findet , und so lange sich eine solche noch darin findet , darf vorausgesetzt werden , dass wenigstens irgend Jemand vom Hausstande noch darin ist; findet sich aber auch keine Katze, so ist das ein Zeichen, dass das Haus völlig unbe- wohnt ist. Dieses um so mehr, als ebenso nothwendig wie die Katze dem Hause ist, sie ebenso anhänglich daran ist: aussi prennent-ils moins d'attachement pour les personnes que pour les maisons ; lorsqn'on les transporte ä des distances assez considerables, comme ä une lieue ou deux, ils reviennent d'eux-memes ä leur grenier. BufFon.

Daraus erklären sich folgende Ausdrücke: Fr.: II n'y a pas un chat, keine Katze ist dort, d. h. kein Mensch, keine Seele ist dort. II n'y a pas moyen que quelqu'un trouve un chat ä l'hotel de Clermont. Voltaire.

Metapheratudien. 351

It.: Non trovar ne can ne gatta, weder Hund noch Katze finden, d. h. Niemanden finden. Poi quando io penso esser giunto al luogo , che egli nii dette ad intendere, non trovai ne can ne gatta che me ne sapesse dir parohi. D'Ambra, il furto. Wenn ferner im Französischen gesagt wird : Vous aurez du monde ? Antwort: Pas un chat, so ist das entweder eine unpas- sende Erweiterung des Ausdrucks über seine natürlichen Grenzen, oder, was Avahrscheinlicher, man hat dabei an die Besuche gedacht, die sich die Katzen benachbarter Häuser gegenseitig abstatten , denn, wie das deutsche Spruch wort sagt,

Gute Katzen mausen daheim und in anderen Häusern.

S im rock, 252. Endh'ch gehört auch hierher der Ausdruck empörter le chat im Sinne von voUig ausziehn (demenager completement), welche Be- deutung sich übrigens nur in Littre's Wörterbuche verzeichnet findet. Denn beim Ausziehn ist die Katze wegen des oben angegebenen Grun- des das Letzte, was man fortbringt, hat man auch sie fortgebracht, so ist man völlig ausgezogen.

Die Katze wird aber nicht nur als ein nützliches, sondern auch als ein angenehmes, unterhaltendes Thi er des Hauses ge- schätzt. Durch ihre Reinlichkeit, ihre leisen Bewegungen, ihr zier- liches Wesen weiss sie sich einzuschmeicheln und namentlich die Gunst der Frauen zu gewinnen. Wie wir daher sagen: Du bist ein kleines Schmeichelkätzchen, so spricht derFranzose von des manieres chattes (= semblables ä une chatte qui caresse) katzenartigem Be- nehmen, schmeichelndem Wesen und sein Sprüchwort : Femme semble trois choses , louve, goupille et chatte (die Frau gleicht drei Dingen, einer Wölfin, einer Füchsin, einer Katze) ist in seinem letzten Theile aus diesem Gesichtspunkte zu erklären. Der Spanier aber gebraucht die Redensart hacer la gata (die Katze spielen) im Sinne von erheu- cheln, affectiren (simular y afectar como indisposicion , necesidad etc.) und gatatumba in dem von Heuchelei (simulacion de obsequio, reve- rencia, dolor ü otra cosa semejante).

Wie aber die Katze schmeichelt, so wird ihr auch wieder ge- schmeichelt. Daher denn die zahlreichen Schmeichelnamen, die sich in fast allen Sprachen für die Katze finden.

352 Metapherstudien.

So im Französisclion minon, minctte, das, wenn man es vom gael. min ableitet, die Kleine, Artige bedeutet, wenn man es aber mit mignon, mignard, mignoler zusammenstellt und wie diese vom ahd. minja (Liebe) ableitet, der kleine Liebling bedeutet. Das Wort chat ist aber selbst gleichsam zu einem Schmeichelworte geworden, da man mit mon chat, ma chatte in schmeichelnder, vertraulicher Weise Kinder und Frauen anredet.

Das dem fr. minon entsprechende italienische Wort ist micio, micia, das spanische micho, mizo, miza, miz, ein Naturausdruck, d.h. ein nach der Stimme des Thieres gebildeter Schmeichelname, wie unser Miez. Im Altfranzösischen lautet das Wort mito und daraus ist im Neufranzösischen matou der Kater abgeleitet, ebenso wie der zusam- mengesetzte Ausdruck chatte-mite, Schmeichelkatze, der aber nur in metaphorischer Weise für Schmeichler, Gleissner, Scheinheiliger (ohne Unterschied des Geschlechts) gebraucht wird.

Voyez-vous cette chatte-mite? II (eile) a beau faire la chatte-mite, il (eile) ne me trompera pas. Eine andere Form für das genannte it. miccia ist muccia (vgl. Diez, Etym. Wb. I, S, 278). Auch dies ist ein Schmeichelname der Katze, wie muci = la voce colla quäle si chiama il gatto.

Mit diesem Worte ist nun zunächst die Redensart gebildet: chia- mare la gatta muccia, die Katze Mieschen nennen, d. h. ein Ding in mildernder oder verblümter Weise bezeichnen, eine Sache nicht beim rechten Namen nennen; und im Gegensatze hierzu die: chiamare la gatta gatta, die Katze Katze nennen, sie nicht mit ihrem Schmei- chelnamen, sondern mit ihrem gewöhnlichen, eigentlichen Namen nennen, d. h. eine Sache beim rechten Namen nennen.

Facciamo a dire il pane pane, e non chiamiamo la gatta

muccia. Mi par, che dia in nonnulla; esci ad un tratto; di' alla gatta gatta. Cecchi, la dote I, 1. Dies ist nun auch aller Wahrscheinlichkeit nach der Ursprung der gleichbedeutenden französischen Redensart : Appeler un chat un chat. Nach der Versicherung sämmtlicher französischer Wörterbücher soll zwar der Erfinder derselben Boileau sein, und zwar in dem Verse: J'appelle un chat un chat, et Rollet un fripon,

Metapherstuilien. 353

und der Gebrauch derselben im Franz. mag sich allerdings von Boileau herschreiben. Aber angesichts jener beiden italienischen Ausdrücke, und in Erwägung des Umstandes, dass der mit dem Boileaii'schen über- einstimmende schon von Cecchi (in der oben genannten Stelle) also mehr als hundert Jahre vor Boileau gebraucht worden ist, (Eine Aus- gabe der Komödien Cecchi's ist vom Jahre 1550, und 1666 erschienen die ersten sieben Satiren Boileau's.) kann darüber kein Zweifel sein, dass Boileau nicht original ist, sondern die Redensart aus dem Italienischen ins Französische herübergenommen hat. Ausserdem spricht dafür, dass diese nicht auf dem Boden der französischen Sprache gewachsen ist, der Umstand, dass im Italienischen offenbar ein strenger Parallelismus und inniger Zusammenhang zwischen den beiden Aus- drücken chiamare la gatta muccia und chiamare la gatta gatta besteht, und dieser nicht wohl ohne jenen als Vorgänger entstanden sein kann ; im Französischen aber ein dem chiamare la gatta muccia entsprechender Ausdruck fehlt, das frz.: II entend bien chat, sans qu'on dise minon nur entfernt daran erinnert, da es heisst : er Aveiss gleich , was man sagen will, er versteht einen aufs halbe Wort (il entend ä demi-mot), mithin das appeler un chat un chat wegen des fehlenden Gegensatzes keine so genügende Grundlage hat, wie der italienische Ausdruck.

Der englische Schmeichelname der Katze ist puss und soll aus dem Lockrufe bus entstanden sein. Er kann ebenso wie die davon abgeleiteten pussy, pussel, puzzel und wie auch cat selbst eine obscöne Bedeutung haben.

Eine Art Schmeichelnamen wird auch cat selbst dadurch, dass es zu den Thiernamen gehört, denen der Engländer einen Vornamen bei- fügen kann, dass aus cat tom-cat wird (Thomas), wie aus boy, titmouse, rig, cod tomboy, tomtit, tomrig, tomcod.

Der äusserste Gegensatz von dem gehätschelten Kätzchen , dem Spielzeug der Kinder und Frauen, ist die Katze als Schlachtvieh, als Nahrung für Menschen.

Die Sitte , in betrügerischer Weise Katzenfleisch für anderes Fleisch, namentlich für Hasenfleisch zu verkaufen und als Speise be- sonders in Wirthshäiisern unter anderem Namen vorzusetzen, scheint über einen grossen Theil Europas verbreitet gewesen zu sein und viel- leicht noch zu sein. Spuren davon finden wir in den Sprachen des ganzen grossen Gebietes von England bis Spanien und Portugal.

So hat der Portugiese eine metaphorisehe Redensart für betrügen,

Archiv f. u. Sprachen. LIY. 23

854 Metapherstudien,

die Avörllich heisst: einen Kater für einen Hasen verkaufen, vender gato por lebre; der Spanier bat sie ebenso: v ender gato por 1 i e b r e ,

Asi no hai para qne venderme ä mi el gato por liebre.

Don Qiiijote II, 26. Y el venderme muy presto Lo tendran ä gran milagro, Que lo que es gato por liebre Siempre vendiö en su trato. Qnevedo. und ausserdem ein auf jene Sitte bezügliches Sprüchwort : Camino frances venden gato por res. (Ptg. : Em camin frances vendese o gato por rez), d. h. auf der französischen Heerstrasse (will sagen : auf der grossen Strasse, welche die von Frankreich nach dem berühmten Wallfahrtsort Santiago de Compostella ziehenden Pilger benutzen) verkauft man Katzen als Schlachtvieh.*

Von diesem Gesichtspunkte aus erhält auch eine seltsame eng- lische Redensart das nöthige Licht. Sie lautet

to turn cat in the pan, zur Katze werden, in eine Katze sicli verwandeln, in der Pfanne, und bedeutet: von einer Partei zur anderen übergehn, umsatteln, abspringen. Johnson weiss offenbar nicht recht, was er damit machen soll. Er sagt nur:

An unknown correspondent imagines very naturally, that it is corrupted from cate in the pan. Gates heisst Speisen. Wie kann sich nun aber daraus jene Bedeutung entwickelt haben?

Mir scheint, die Redensart ist so zu erklären. Die Worte sind ursprünglich gebraucht worden von einem Stück Fleisch, das man für gutes, menschenwürdiges Fleisch gekauft hatte, das aber in der Pfanne beim Braten als Katzen fleisch entdeckt wird, in der Pfanne gleichsam sein falsches Aeussere, wodurch man betrogen worden war, ablegt und sich alsKatzeenthüIlt, sich in eine Katze verwandelt.

* Auch im Gil Blas von Le Sage finden sich viele Hindeutungen auf diese Sitte, II, 8 : Mettre k la breche un lievre que nous eumes grand sein deverifier, V, 1: Cela Joint h quelques civets de lapins et de matous, IX, 12: On me servit ponr un lapin de garenne un matou en hachis.

Metapherstudien. 355

Es wird dies nun metaphorisch als Bild gebraucht für Jemanden, der zuerst einer Partei gefolgt war und dann zur anderen übergeht, der also zuerst gleichsam nur dem Schein nach einer gewissen Partei angehörte, ihren Rock trug und ihre Schlagwörter im Munde führte, nachher sich aber in seiner wahren Farbe und Sinnesart entpuppte, indem er zur ent- gegengesetzten Partei überging.

Es hat übrigens diese ganze Redensart turn a cat in the pan eine auffallende, ich möchte sagen verdächtige Aehnlichkeit mit turn coat, einem anderen Ausdrucke für Ueberläufer, so dass man nicht umhin kann an einen Einfluss des einen auf den anderen zu denken. Aus turn a cat in the pan ist noch der substantivische Ausdruck cat in the pan für Ueberläufer entstanden.

Hierher gehört auch die Redensart: Die Katze im Sacke kaufen, Fr.: Acheter chat an poche, It. : Comprarelagattainsacco, (dag. Egl. : To buy a pig in a poke) mit der Bedeutung : etwas un- besehn erhandeln, sich etwas aufbinden lassen.

Se tu e gli altri, che le gatte in sacco andate comperando, spesse volte rimanete ingannati, niuno maravigliarsene dee. Boccaccio, laber. d'am. Denn sie bedeutet (nach Frisch II, 140. Grimm's Wörtb. Art. Katze) eigentlich: die Katze im Sacke anstatt eines Hasen kaufen, im Glauben , es sei ein Hase , und spricht also von der Katze als Schlachtvieh.

IV.

Alles bisher zur Charakterisirung der Katze in der Sprache Vor- getragene bezog sich auf die Katze in ihrem Verhältnisse zum Menschen, Wir betrachteten sie als Dienerin des Menschen in seinem Kampf gegen Ratten und Mäuse (als lebendige Mausefalle, wie es im Grimm'schen Wörterbuche heisst); dann als seine Feindin, die ihn bestiehlt; dann als seine Unterhaltung, als gehätschelte Schooss- kalze, wie man nach Analogie von Schoosshund wohl sagen kann; end- lich sogar als seine Nahrung.

23*

3ÖÜ Metapherstudieii.

Wir lassen jetzt die Darstellung ihrer übrigen theils inne- ren, theils äusseren Eigenschaften folgen, insofern sie von der Sprache als charakteristisch hervorgehoben werden. Den Zusam- menhang mit dem bisher verfolgten Faden der Darstellung können wir aber nicht besser wahren, als dass wir zunächst von der Feindschaft zwischen Katze und Hund reden. Denn diese Feindschaft scheint das nothwendige Resultat des ganzen im Vorigen dargestellten Verhaltens der Katze zum Menschen, die Aeusserung der diametral entgegengesetzten Eigenschaften zu sein , welche das eine und das andere Thier in seinem Verkehr mit dem Menschen an den Tag legt, insbesondere aber des Gegensatzes der grössten Anhänglichkeit und Treue auf der einen Seite und unzerstörbarer Selbstsucht und Falsch- heit auf der anderen Seite.

Dieser Ansicht ist wenigstens BufFon. Denn er sagt: Ils n'ont que l'apparence de Tattachemen t; on le voit a leurs raouvements obliques, a leurs yeux equivoques; ils ne regar- dent jamais en face la personne aimee; soit defiance ou faussete, ils prennent des detours pour en approcher, pour chercher des caresses, auxquels ils ne sont sensibles que pour le plaisir qu'ils leur fönt. Bien different de cet animal fidele, dont tous les sentiments se rapportent ä la personne de son maitre, le chat parait ne sentir que pour soi, n'aimer que sous condition, ne se preter au commerce que pour en abuser; et par cette convenance de naturel il est moins incompatible avec l'homme qu'avec le chien dans lequel tout est sincere.

Die Sprache macht von dieser F'eindschaft zwischen Hund und Katze Gebrauch in der weit verbreiteten sprüchwörtlichen Redensart: wie Hund und Katze mit einander leben. Sie lautet im

It.: Vivere come cani e gatti, stare, andare come cani e g., amici come c. e g. E sono diventati come cani e gatti, dove prima solevano essere come passere e colombi. II Lasca. Sp. : Vivir como gatos y perros. Ptg. : Viver como cäo e gato.

Fr. : Vivre comme chiens et chats , s'accorder comme chiens et chats. Amis comme eh. et eh.

Metaphersludien. 357

C'est belle bataille que de chien et cliat, chascun a ongles.

Le Roux I, 100. Qui vit comnie chien et chat, Jamals n'a repos ni bien. Le Roux I, 101. EgI. : To agree like cat and dog.

Wie die Katze aber in ihrem Verhalten als Hausthier zum Men- schen das Gegentheil desHundes ist, so auch in Bezug auf intellec- tuelle Anlagen. Der Hund ist in dieser Beziehung das begabteste Thier, „bei keinem Thier kann so im eigentlichen Sinne von Erziehung, von wirklicher Perfectibilität die Rede sein." (Masius.) Dagegen ist die Katze trotz des unübertreflFlichen Geschickes, womit sie sich aus einem Hinterhalte auf ihre Beute zu stürzen weiss, durchaus ungelehrig und zu jeglicher Erziehung unfähig. Leur naturel, ennemi de toute contrainte, les rend incapables d'une education suivie ... Ils n'ont aucune docilite, ils manquent aussi de la finesse de l'odorat , qui sont dans le chien deux qualites eminentes. Buff,

Von den Sprachen hat bloss die italienische und die deutsche auf diesen Mangel der Katze reflectirt : cervel di gatto (Katzen-Gehirn) heisst Dummkopf, aver mangiato di cervel di gatto (vom Katzenhirn gegessen haben) dumm sein, und fare il gattone (die Katze spielen) sich dumm stellen. Im Deutschen wird Katzenkopf im Sinne von Dummkopf gebraucht, z. B. von Lessing (s. Weigand, deutsch. Wb. I, S. 771.).

Cosi dovea egli in vece di morione in testa portare un capo di gatta, di cui s'era mangiato il cervello , per imprcsa o trofeo di suo impazzamento. Davanzati. Come in un campo a pie di qualche macchio Fa una volpe alle volte il gattone Quando vuol acchiapare una cornacchia.

Berni, Orl. HI, 6, 60. Daher werden auch die Bauern, wenn sie in die Stadt kommen und alles auf der Strasse verwundert anstarren, gatti frugati (ge- prügelte Katzen) genannt, (Gatto frugato chiamansi per ischerzo i contadini, quando venendo alla cittä gnardano stupidi in qua e in lä, come i galti frugati dalle pertichc) wahrscheinlich darum, weil das ohnehin fratzenhafte, dumme Gesicht der Katze noch dummer erscheint, nachdem sie geprügelt worden ist.

;)58 MetaphcTStudien.

Mii quando ei vede colla sporta piena Giungere al fiiie il suo gatto friigato. Malmantile. Man kann den Ausdruck mit „verblüffter Bauer" wiedergeben.

Hiermit scheint es in seltsamem Widerspruch zu stehn, dass galto auch die Bedeutung verschmitzt, verschlagen haben kann, z. B. uomo gatto. Es ist nicht möglich, dass zwei so geradezu entgegengesetzte Bedeutungen, wie diese und die zuletzt erwähnte, demselben Worte derselben Sprache zukommen: gatto in der Bedeutung verschmitzt ist daher auf das gleichbedeutende lateinische Adjectiv catus zurück- zuführen.

Vielleicht möchte auch der französische Ausdruck chat fourre (mit Pek bekleidete Katze) (nom donne ä certains dignitaires qui por- tent des fouirures dans leurs ceremonies, aux docteurs, aux magistrats. Littre) hierher zu ziehn sein, und chat für Dummkopf stehn. Folgende Stelle aus Voltaire spricht wenigstens dafür : Si les chats fourres de la Sorbonne etaient assez fous pour lächer un decret.

Ist in allem bisher Vorgetragenen der Vortheil des Vergleichs zwischen Hund und Katze auf Seiten des Hundes gewesen, so gibt es dagegen einen Gegensatz, in welchem die Katze als das bessere Thier erscheint. Das ist die Liebe zur Reinlichkeit. Während das Sprüchwort sagt:

Wer mit Hunden zu Bette geht , steht mit Flöhen wieder auf (Simrock 232), It. : Chi dorme coi cani si leva colle pulci, bietet sich uns dagegen das anmuthige Bild der stets für die Reinlich- keit ihres Pelzes besorgten, beständig sich leckenden und putzenden Katze in dem spanischen Sprüchworte:

Bien se lava el gato despues de harte, Oudin, 53.

(Die Katze wäscht sich, putzt sich, wenn sie satt ist.) und dem ganz gleichen portugiesischen :

Bern se lambe o gato despues de farto, und in dem eigenthümlichen spanischen Ausdrucke.

La mano de gato (die Katzenhand, Katzenpfote), womit das Schminken der Frauen bezeichnet wird, mit Bezug auf die Bewegungen der Katze, wenn sie sich das Gesicht putzt :

Metapherstu'lien. 359

Lu accion de afeitasse las mujeres. Dyöse asi por la seme- janza de los gatos, que se Hmpian la cara, hutnedeciendo la mano con la lengua, y pasandola despues por el rostro.

Dicc. d. 1. Acad. Endlich ist hier noch ein Zug der Katze zu erwähnen, worüber Buffon sagt: Ils est aussi tres-porte ä l'amour, et, ce qui est rare dans les animaux, la femelle parait etre plus ardente que le male. Wie der Hund und das Pferd so wird daher auch die Katze als Bild in erotischer Beziehung gebraucht. Der Franzose sagt :

Elle est amoureuse comme une chatte, das englische cat kann dasselbe bedeuten wie bitch, it. cagnaccia und chinea (meretrix) und die Spriichwörter :

Egl.: When candles are out, all cats are grey;

(^Avpov ccQ&fvroQ Tiäaa yvvij i) avT?}.) Ray, 59. Sp. : De noche todos los gatos son pardos. Ptg. : De noite os gatos todos son pardos. Fr.: La nuit tous les chats sont gris. It. : Ogni cuffia e buona per la notte. möchten auch wohl hierher zu ziehen sein.

Mit derselben Treue und Vollständigkeit wie diese inneren Eigen- schaften zeichnet die Sprache auch die besonders charakteristischen äusseren Eigenschaften der Katze.

Nach der Aehnlichkeit mit der ganzen Gestalt der Katze wird im Deutschen der höchste Theil eines Bollwerks, und ein Belagerungs- werkzeug Katze genannt. Die Bezeichnung gewisser Baumblüthen als „Kätzchen'' soll sich nach Weigand auf die Aehnlichkeit mit dem weichen Felle der Katze beziehen.

Die vorzügliche körperliche Organisation der Katze, die sich ebenso in der angeborenen Sicherheit im Springen und Klettern als in ihrer unverwüstlichen Zählebigkeit zeigt, erscheint in folgenden Sprüch- wörtern und Phrasen.

It.: Cadere in pie corae il gatto. Giusti, 366.

Non insegnare ai gatti a rarapicare. Giusti, 24« Lesto come un gatto. Leggiero conie una gatta.

Fr. : Ils est comme le chat, qui retombe toujours sur ses pieds.

Littre,

360 Metaphcrstudlen.

Egl.: He is like ii cat, fling liim which way you will, he'll Hght

on his legs. Ray, 149. Das deutsche Sprüchwort :

Eine Katze hat neun Leben, wie die Zwiebel, und das Weib sieben Häute (Simrock 254.) findet sich wieder im

Egl.: Caro will kill a cat, and yct a cat is said to havc nine lives. Ray, 58. und im

It.: Le donne sono conie i gatti; finche non ba'.tano il naso, non muojono. Giusti, 10 3. Besonders vortrefflich gebaut und ausgerüstet sind aber, dem ganzen Charakter des Thieres als Raubthier gemäss, ihre Beine und Pfoten, und berüchtigt ist sie wegen ihrer scharfen Krallen, die sie sowohl zum Angriff als zur Vertheidigung so gut zu gebrauchen versteht, dass sie im Zorn geradezu ein gefährliches Thier wird. In dieser Weise sprechen von der Katze folgende Spruch Wörter und Metaphern :

It. : Dio ti guardi da quella gatta che davanti ti lecca e di dietro ti graffia. Giusti, 19. Deutsch: Hüte dich vor den Katzen, dio vorn lecken und hinltn kratzen. Simrock, 253. Voler la gatta oder aver la gatta = volere il siio peggio, seinen Schaden, sein Unglück wollen.

(Tolta la metafora da ciö che colui il quäle imprende a pigliare la gatta ove ella non voglia esser presa, imprende cosa di alcun risohio, e donde suol trarre danno. Diz. d. Acad.) Se v'e qualcun ch'ancor la gatta voglia, Venga, io l'aspetto, e questo ghiotlo sciolga.

Berni, Orl. I, 26, 49. Non voler la gatta bedeutet natürlich das Gegentheil. Perch' all duello non volle la gatta. Malmant.

Sp. : El gato de Mariamos halaga con la cola y arana con las manos.

A SU amigo el gato siempre le deja senalado.

Oudin, 43.

Metapherstudien. 361

Buen amigo es el gato, sinö qiie rascuna. Oudin, 58, Cucntos de beato, y iinas de gato. 79. (Fr. : Patenostres de beat, et griffes de chat.)

Las tocas de beata y unas de gata. 147. Llevar el gato al agua, die Katze ins ^^'asser tragen, d. h. etwas Gefalirliches oder Unmögliches unternehmen. Quit'n ha de llevar el gato al agua?

Ptg.: Levar o gato ä agua, ganz wie der letztgenannte spanische

Ausdruck. Lan^ar o ^ato as barbas de outrem, einem Anderen die Katze in den Bart werfen, d. h. Einem eine Gefahr auf den Hals werfen. Bom amigo he o gato, se näo arranhase. Palavras de Santo, e unhas de gato. Unhas de gato, e habito de beato. Fr.: II a joue a vec les chats, er hat mit den Katzen ge- spielt, d. h. er hat ein zerkratztes Gesicht, wie das spanische: Buen amigo etc.

C'estfolie de i-eveiller le chat qui dort; oder: II ne fant pas eveiller etc., oder: N'eveillez pas etc., man soll die Katze nicht im Schlafe stören (denn sonst kratzt, sie), d. h. ne provoquez pas une mauvaise afFaire assoupie.

(Dagegen sagt der Engländer: It 's not good to wake a sleeping dog.)

Bailler le chat par les pattes, die Katze an den Pfoten fassen und hinhalten, d. h. eine Sache am schwersten Ende an- fassen.

Tircr les marrons du feu avec la patte du chat, die Kastanien mit der Katzenpfote ans dem Feuer holen, d. h. zu etwas Gefahrlichem oder Unangenehmem einen Andern brauchen.

On ne peut prendre de tels chats sans mitaine. Solche Katzen kann man nicht ohne Fausthandschuh angreifen.

Prov.: Ab l'autrui man ses gan

Penran lo chat pui s revela. P. Cardinal. (Avec la main d'autrui sans gant, ils prendront le chat, qui se rebelle.)

862 Metaiihcrstndien.

Egl. : Make one a cat's paw, Jemanden zu einer Katzenpfote niaclien, in demselben Sinne, wie die letztgenannte französische Redens- art, während der Spanier sagt :

Con agena niano sacar la culebia del horado (Oudin, 71), mit fren der Hand die Schlange aus ihrem Loche ziehn.

II e 1 i V e s u n d e r t h e s i g n o f t h e c a t's f 0 o t (Ray, 38),

er lebt unter dem Zeichen des Katzenfusses, d. h. he is henpecked, bis wife Scratches bim.

So scharf wie ihre Krallen sind, ebenso weich sind die Pfötchen der Katze, wenn sie jene eingezogen hat, es sind wghre Sammt- pfötchen. Sie machen ihren Gang unhörbar und in Verbindung mit der Geschmeidigkeit des ganzen Körpers machen sie es möglieb, dass die Katze fast unsichtbar und unhörbar kommen und wie- der verschwinden kann.

(Ils marchent legerement, presque toujours en silence , et Sans faire aucun bruit. Buffon.)

Daher sagt ein deutsches Spruch wort:

Davon gehn wie die Katze vom Taubenschlage

(Grimm's Wörterb. Katze) d. h. ungesehn sich fortschleichen, und damit stellen nun einige Lexiko« graphen, z. B. J. A. E. Schmidt (Franz. -deutsch. Wörterb.) die fran- zösische Redensart: empörter lechat, in der Bedeutung: heimlich aus einer GeselL^chaft sich fortschleichen, ohne Abschied zu nehmen, zusammen. Und allerdings wird man darauf geführt oder doch wenig- stens an das Bild der leise, fast unhörbar sich fortschleichenden Katze erinnert, wenn man erwägt, dass es sich hier um eine mit chat gebil- dete Redensart handelt und die Bedeutung sich fortschleiehen ins Auge fasst. Stellt man aber an sich die Anforderung, den ursprünglichen Sinn der Worte, insbesondere des empörter genau zu ermitteln, und so das zu Grunde liegende Bild bestimmt festzustellen, so erheben sich Schwierigkeiten, die zu beseitigen man bis jetzt gar nicht oder ver- gebens versucht hat. Die wörtliche Bedeutung ist doch: die Katze forttragen oder davon tragen; wie kann aber daraus die metapho- rische Bedeutung entstehn: sich unbemerkt fort s chleichen?

Beim Mangel positiver Notizen über die Entstehung dieser Redens- art scheinen mir im Allgemeinen zwei Erklärungen möglich zu sein, diesichandiebeidenBedeutungen, welche empörter

Metapherstudien. 363

le cliat ausserdem noch hat, ansch Hessen. Die eine dieser Bedeutungen haben wir oben schon kennen gelernt, es ist die: voll- ständig aus einem Hause a u s z i ehn , und sie gründet sich (nach Littre) darauf, dass die Katze wegen ihrer Anhänglichkeit an das Haus das Letzte ist, was bei einem Umzüge fortgetragen wii'd.

Eine zweite Bedeutung von empörter le chat findet sich bei Be- scherelle (Dict. d. 1. 1, fr.). Er führt unter den Bedeutungen von chat folgende an: Jeu qui consiste ä courir apres une personne pour l'at- teindre dans le but de la faire courir a son tour apres vous ; celui qui a ete atteint ledernier empörte le chat. C'est sans doute da que vient le proverbe empörter le chat. Darnach hiesse also empörter le chat auch: die Katze als Siegespreis in einem Gesell- schaftsspiele davon tragen. Während also die zu Grunde liegende sinnliche Bedeutung von empörter im ersteren Falle die Grundbedeu- tung: forttragen ist, ist es hier die: gewinnen, wie man sagt: empörter tout ce qu'on veut, empörter une affaire, remporter le prix.

Wollen wir nun empörter le chat in der dritten Bedeutung: heim- lich sich fortschleichcn, erklären, so können wir empörter entweder in dem Sinne nehmen, den es im ersteren Falle, oder in demjenigen, wel- chen es im zweiten Falle hat. Bescherelle deutet in den angeführten \^'o!■ten an , dass die letztere vorliege (Littre giebt gar keine Erklä- rung), spricht sich aber nicht darüber aus, wie denn auf diesem Wege die Bedeutung mit dem Ausdrucke zu vermitteln ist. Es kann fol- gender Massen geschehn. Heisst empörter le chat die Katze als Sie- gespreis davon tragen, so kann es metaphorisch auch bedeuten: über- haupt den Preis davon tragen, den Sieg erlangen, Sieger sein ; und die Beziehung, worin Einer im vorliegenden Falle den Preis davon trägt, ist die Kunst sich so fortzuschleichen aus einer Gesellschaft, dass Nie- mand etwas davon bemerkt. Wird also von Jemandem gesagt: il a empörte le chat, so heisst das in übertragener Bedeutung eigentlich : er hat den Preis davon getragen, er hat die ganze Gesellschaft überlistet.

Legt man aber die andere Bedeutung von empörter: forttragen, mitnehmen, zu Grunde, so nähert sich die Redens- art empörter le chat allerdings dem deuts(;hen Sprüchworte: wie eine Katze vom Taubenschlage sich fortschleiclien. Denn es kann die Be- deutung: heimlich sich fortschleichen, auf keine andere Weise aus dem eigentlichen Sinne : die Katze forttragen , mitnehmen, gewonnen wer- den, als dass man annimmt, dass derjenige, welcher die Katze fort-

3GI Motapliorstuflien.

bringt, mitninmit, mit der Katze fortgeht, auch in derselben Weise >vic die Katze fortgeht, d. h. leise, nnbemerkbar, heimlich. Das gesellschaft 1 ich o Ver b u nden s ei n Jemandes mit einem Anderen wäre also hier als Bild gebraucht, um die Gleichheit des Charakters oder des Benehmens mit diesem zu bezeichnen, und dafür kann eine Unterstützung gefunden werden in der Art und Weise, wie deutsche Dichter des 16. Jahrhunderts das Wort Reigen ge- brauchen , drtss sie sagen : „er hat einen Reigen mit den Thoren" (Seb. Brandt), für: er ist ein Thor; „er führt den Narrenreigen an" (Mur- ner) l'ür: er ist ein Er/narr (s. Kap. Huhn).

Beide hier gegebenen Erklärungen sind möglich, die letztere hat aber den Vorzug der Einfachheit für sich.*

Eine andere äussere Eigenthümlichkeit der Katze ist das Schil- lern der Augen und das Leuchten derselben im Dunklen. Daher heisst das von chat abgeleitete chatoyer wie ein Katzenauge schil- lern, leuchten (z. B. Edelsteine des pieries chatoyantes), wovon das Substantiv le chatoiemcnt, ebenso das it. gatteggiare, ga tteggiante. Auch die sprüchwörtliche Redensart des Spanischen : ha parido la gata ? (hat die Katze geboren ? hat sie Junge geworfen ?) spricht von dieser Eigenthümlichkeit der Katze. Es soll eine Verschwendung von Licht damit bezeichnet M'erden, indem man sich denkt, dass , wenn schon die Augen Einer Katze zwei Lichter im Dunklen sind, eine Katze mit ihren Jungen eine ganze Illumination hervoibringen müsse.**

Nach der eigenthümlichen Farbe des Katzenauges, das zwischen Grau, Grün und Blau schwankt, nennt man auch ähnliche Augen beim Menschen Katzenaugen :

Fr.: Yeux de chat (avoir les yeux de chat), It.: Occhio di gatto.

* Die älteste Spur dieser Redensart findet sich im Provenzalischen. Raynouard (Lexique Rom. U. 356 unter Cat) theilt folgende Stelle mit: Mais cant lo ricx er d'aisso castiatz Venra 'N Actus, sei qu'emportet lo catz. P. Cardinal, und gibt folgende Uebersetzung davon: Mais qnand le riebe sera corrige de cela, viendra le seigneur Actus, celui qui empörte le chat, spriclit sich aber nicht darüber aus, in welchem Sinne dieser Ausdruck zu nehmen ist.

** Ha parido la gata? Pregunta que se hace, quando se ven muchas luces encendidas y juntas, para reprehender su superfluldad. Covarruvias <lice. que se tomd esa locucion deloque relucenla nochelos ojos de los gatos: y habiendo niuchos gatillos jantos, quando la gata cria, parece que hai muciias candelilias, como relucen los ojos de todos. üiccion. d. 1. Acad.

Metapberstudien. 365

Sp. : Ojo de gato, iind der Italiener sagt :

Occhi bianchi come quelli del gatto. Giusti, 368. Der gpanische Ausdruck bezeichnet ausserdem einen Edelstein, eine Art Smaragd oder Opal (piedra preciosa, que segun algunos es lo mismo que la esmoralda agnacate ; aunque otros dicen que es de dife- rentes colores, parecida al opalo), wie wir ein gewisses Erz : Katzen- silber, Katzengold, Katzenerz nennen.*

Der ganze Gesichtsausdruck der Katze ist der eines unveränder- lichen Ernstes oder gar melancholisch, weshalb ein italienisches Spruch wort sagt:

Chi troppo ride, ha natura di matto,

E chi non ride, e di razza di gatto. Giusti, 34. und ein englischer Ausdruck lautet:

As melancholy as a gibed cat. Ray, 152. Auf diesen eigenthümlichen Gesichtsausdruck mit dem dummen, frechen Blicke der grossen Augen mögen auch die Sprüchwörter zu beziehen sein, die da sagen :

Darf doch die Katze den Kaiser an sehn, oder, wie es im Deutschen auch heisst:

Die Katze sieht den Bischof an,

Ist doch ein geweihter Mann. Simrock, 254. Egl.: A cat may look at the king. Ray, 59. Endlich möchte hier der Ort sein, der Stiefel zu gedenken, welche die Katze im Mährchen trägt. Es ist interessant zu beobachten , wie selbst die Katze des Mährchens in der Sprache ihre Erwähnung findet, und hier wieder besonders, dass das Mähr che n vom gestiefelten Kater bis nach Portugal gedrungen ist, und gerade die portu- giesische Sprache es ist, worin der gestiefelte Kater zu einer Metapher geworden ist. Es gibt nämlich einen portugiesischen Ausdruck für betrügen, zum Besten haben, der wörtlich bedeutet: aus Jemandem einen gestiefelten Kater machen, facer de alg. gato sapato.

* Mit diesen deutschen Ausdrücken soll das Falsche, Unechte bezeit'li- net worden. Giimm's Wöiterb. „Kntzcngold ! sagte der Knitbc lächelnd, und warum nennt niiin es so ? ^^'i^hrscheinlich weil es falsch ist und mau die Kntze auch für falsch hält."' Götho.

366 Metapheivsiudien.

Freilich ist es nicht leicht zn errathen , wie dieser Ausdruck zu jener Bedeutung gekommen ist, da der gestiefelte Kater des Mährchens so weit davon entfernt ist, betrogen oder zum Besten gehalten zu Aver- den, dnss er selbst vielmehr die Leute unaufhörlich betrügt, und durch nichts als Lug und Trug seinen Herrn aus einem Müllerssohn zum Marquis von Carabas und zum Königssohne macht.

Der Ausdruck ist auf einem Umwege entstanden. Gato sapato bezeichnet in einzelnen Theilen Portugals das was man gemeiniglich cabra ciega (blinde Ziege) nennt, das Gesellschafts-Spiel, welches bei uns Blindekuh heisst.

Da nun bei diesem Spiele die Gesellschaft denjenigen, welcher die Blindekuh spielt, neckt und zum Besten hat, so heisst Jemanden zur Blindekuh machen (fazer de alg. gato sapato) soviel wie: Jemand zum Besten haben, betrügen.

Fragen wir aber, wie es kam, dass das Spiel gato sapato genannt wurde, so wird der Name wahrscheinlich daher rühren, dass demjenigen, welcher die Blindekuh spielt, die Augen verbunden werden, und er darum, indem er umhertappend eine der Personen um ihn mit den Händen zu fassen sucht, sich so unbeholfen bewegt, wie eine Katze in Schuhen oder Stiefeln, ein Vergleich, auf den der Volksgeist gewiss nicht gekommen wäre, wenn ihm nicht das Mährchen vom gestiefelten Kater vorgeschwebt hätte. Darum glauben wir nicht zu weit zu gehn, wenn wir in der Metapher fazer de alg. gato sapato einen Anklang an dieses Mährchen zu finden glauben, das, wie es auf französischem Boden verbreitet ist und sich schon in der ersten französischen Mährchen-Sammlung, der von Perrault (1697), findet, ebenso gut auf spanisch-portugiesischem Boden Wurzel im Volke gefasst haben kann.

* Gato sapato chamäo na India ao jogo, que chamamos eni Portugal cabra ciega. Bluteau. Die von ihm gegebene Erklärung ist zu verwerfen.

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen

nach physiologischen, sprachgeschichtlichen und statistischen Thatsachen.

„So reich und vielseitig die deutsche Sprache in ihren Gründen und Quellen ist, so viele und grosse Anlagen zur Vortrefflichkeit sie hat, so ist doch keine Sprache von den Eigenen so wenig ausgebildet und so sehr vernachlässigt als die deutsche Sprache; so dass man Thränen weinen könnte, wenn man bedenkt, wie wenig Deutsche den Klang und den Wohllaut und die Gewalt ihrer Sprache kennen, ge- schweige denn, dass sie die innere Tiefe und den schweren Reich- thum ahnen, der für sie ein gefundener Schatz ist. Wer sieht ich frage euch, Deutsche, und erinnere euch daran, damit ihr euch schämt wer sieht anderswo die Erscheinung, die wir jeden Tag sehen können,- dass von tausend Deutschen kaum einer richtig deutsch lesen und aussprechen kann?"

Diese Worte liess einer der besten und edelsten Deutschen, E. M. Arndt im Jahre 1813 erschallen, als der Druck der Fremden schwer auf unserem Volke wie auf unserer Sprache lastete. Wir stehen jetzt auf einem anderen Standpunkte. Die Einigung des Vaterlandes, das Ziel, welches unsere Väter ersehnten, verwirklicht sich zum Entsetzen ihrer Gegner und zur Freude jedes Deutschen, der sein Vaterland und Volksthum aufrichtig liebt, von Tag zu Tag mehr. Unsere herrliche Muttersprache, deren gehaltvolle Tiefen immer aufmerksamer und liebevoller erforscht werden, lässt immer neue Schätze vor unseren erstaunten Augen erscheinen, mögen wir das Gleichgewicht ihres äusseren Baues, oder die Sinnigkeit der Bedeutung ihrer Wörter, oder

368 Die dialektfreie Ausspnicliu des Hochdeutschen.

die musikalischen Gesetze ihrer Ablautung, oder die unverwüstliche Festigkeit ihrer Stammwörter, oder die Leichtigkeit bewundern, mit der diese von unseren Vorfaliren uns überlieferten Schätze in immer neuen und doch dem Geiste bekannt erscheinenden Formen und Klängen ihren Weg zu unserem Verstände und Herzen zu finden wissen. Aber doch gilt noch heute Arndts "Wort, dass von tausend Deutschen kaum einer richtig deutsch lesen und aussprechen kann. Dies gilt nicht etwa nur von Ungebildeten; es giebt aucli eine grosse Anzahl Gebildeter, geistliclie und weltliche Redner, Lehrer, dramatische Künstler, die über viele Grundgesetze der deutschen Aussprache durchaus im Un- klaren sind. Davon kann man sich durch einen Versuch leicht über- zeugen ; man frage nur,

ob es eine durch ganz Deutschland hin geltende und allgemein als dialektfrei anerkannte Aussprache des Hochdeutschen gebe;

wo dieselbe gesprochen werde;

wie vielerlei Aussprachen des g statthaft seien, und ob die drei g in gegenseitig gleich oder verschieden seien;

ob e und ä in tränken und senken ungleichen Klang haben;

ob das e in zehn und Zehen gleich sei ;

ob in Jüngling und Jungfrau das erste g wie'fc laute oder nicht, oder nur in einem von den beiden;

ob man Ret- n er oder Re-dner, löp-lich oder -blich sprechen solle;

und man wird leicht einsehen, dass über diese Punkte sehr viele, theils gut theils schlecht begründete Meinungen herrschen. .

Ich habe sehr tüchtige und wissenschaftlich gebildete Bühnen- künstler und Regisseure, auch manche deutsche Sprachforscher um Auskunft über Aussprache ersucht, und sie haben mir auch ihre An- sichten nicht vorenthalten. Während aber der eine seine vollkommene üeberzeugtheit von der zweifachen Aussprache des g betonte, war der andere fest von der Richtigkeit der drei- oder vierfachen überzeugt, und ich fand Meinung für die fünf- oder sechsfache, und wenn man ng mit hinzurechnet, sogar für die achtfache Aussprache. Fragte icii nach Gründen, so wurde mir entweder erwidert: „Man schreibt das so, also muss man es auch sprechen," oder: „die norddeutsche Aus-

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen. 369

spräche ist meist so, die süddeutsche dagegen weicht davon ab; Avelche von beiden richtig ist, oder als dialektfrei anzusehen ist, lässt sich nicht entscheiden." Stellte ich die Frage, welche Aussprache dem deutsch lernenden Ausländer anzurathen sei, so wurde ich auf die Sprache der Bühne verwiesen; alle Versuche aber, über die Grund- sätze dieser Sprache ins Klare zu kommen, sei es durch Studium dahingehöriger Werke, wie die Deklamatorik von Falkmann oder „der mündliche Vortrag" von Rod. Benedix, sei es durch direkte Anfragen bei bedeutenden Bühnenkünstlern, schlugen fehl: man berief sich stets auf feste Bühnentradition. „Wo findet man etwas über diese Tra- dition?" — „Sie ist nur mündlich."

Und auf diese mündliche Tradition beriefen sich die Vertreter der verschiedensten Ansichten.

Schliesslich sah ich mich darauf hingewiesen, über die Grund- gesetze der deutschen Aussprache mir durch eigenes Studium Klarheit zu schaffen. Die erste Frage war: giebt es eine durch ganz Deutsch- land hin als dialektfi-ei geltende Aussprache?

Die orthographische Regel: „schreibe, wie du sprichst," erweckt ein günstiges Vorurtheil , denn wenn die Rechtschreibung leidlich übereinstimmt, so muss es ja wohl auch die Aussprache, welche die Voraussetzung der Uebereinstimmung ist. Aber hier stock' ich schon bei vielen Wörtern ist die Rechtschreibung schwankend, und selbst die, deren Schreibung bei Allen dieselbe ist, haben nicht im Munde Aller gleichen Klang: Werden Geberde und Gebärde ver- schieden gesprochsn ? Soll man Schp räche oder Sprache sprechen, da doch alle Welt dies Wort mit sp schreibt? Richtet man sich nach der Schreibung, so hat man höchstens 15 Procent aller Deutschen für sich, denn mindestens 85 Procent aller Deutschen sprechen das 5 in diesem Worte wie seh. Ob es darum richtig sei, wollen wir hier vor- läufig unerörtert lassen; ich will auch damit keineswegs den Vorschlag machen, Streitigkeiten über Aussprache durch allgemeine Volksab- stimmung zu entscheiden. Dadurch würde man allerdings in vielen Dingen ein richtiges Urtheil gewinnen können, es würden aber auch viele krause und unrichtige Ansichten zu Tage treten. Namentlich würden die Dialekte ihr starkes numerisches Gewicht in die Wagschale werfen und über Sachen zu Gericht sitzen, von denen sie nichts ver- Archiv f. n. Sprachen. LIV. , 24

370 Dio (liak'ktfieie Ausspraclic des Iloclidiutsclien.

stehen. Eher Hesse sich schon ein Resultat orwaiten, wenn man die ungchiUlcten Kichlcr beseitigte und nur das Urtheil der Gebildeten, ■vvek'lie wirklich hochdeutsch sprechen, in Anspruch nähme. Aber auch hierbei würde man nicht weit kommen, denn abgesehen davon, dass das Urlheil der Thüringer über hartes und weiches h und p, d und <, g und A: doch nur einen sehr zweilclhaf'ien Wertli hätte, könnte man gar leicht sich überzeugen, dass für die Beantwortung einiger schwierigeren Fragen, welche die Aussprache betreffen, bei der Mehr- zahl der Gebildeten ein tieferes Verständniss fehlt. Wie wenige haben beobachtet, dass das cli in den Wörtern ich und ach verschieden lautet, und sie bemerken den Unterschied erst, wenn man ihnen die Wörter tauchen und Tau-chen (wenn man ein kleines Tau so nennen darf), rauchen und Frauchen, machen und Mama- chen vorhält. Wollte man dann gar die noch schwierigere Aussprache des g v.nr Sprache bringen, so würden sich gewiss Tausende ihres Urlheils enthalten, weil sie nicht einmal genau wissen, wie sie selber sprechen, geschweige denn dass sie ein Urtheil darüber haben, wie Andere sprechen sollen.

Mehr Erfolg verspräche es schon, wenn man sich nach dem Urlheil der Gebildeten in der Gegend Deutschlands richten wollte, deren Aussprache am meisten mit der herkömmlichen Schreibweise im Einklang steht. Dann würden sogleich die Hannoveraner und ihre nächsten Nachbarn kommen und wegen ihrer Aussprache der Wörter, welche mit sp und st anlauten, das Schiedsrichteramt in Anspruch nehmen: Würden dann aber 6 Siebentel des deutschen Volkes sich von einem Siebentel meistern lassen?

Nicht günstiger wird das Urtheil über den meissnischen Dialekt lauten, der sich seines historischen Zusammenhangs mit der Sprache Luthers rühmt. Luther hat ja unser Neuhochdeutsch keineswegs aus dem meissnischen Dialekt geschaffen ; sagt er doch selbst in seinen Tischreden: „Ich habe keine gewisse sonderliche eigene Sprache im Deutschen, sondern brauche der gemeinen Deutschen Sprache, das mich beide Ober vnd Niderlender verstehen mögen. Ich rede nach der Sechsischen Cantzeley, welcher nachfolgen alle Fürsten vnd Königä in Deutschland. Alle Reichstedte Fürstenhöfe schreiben nach der Sech- sischen vnd vnseres Fürsten Cantzeley. Darumb ists auch die gemeinste Deutsche Sprache. Keiser Maximih'an vnd Churfün-t Friderich

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen. 371

haben im Römischen Reich die Deutschen Sprachen also in eine gewisse Sprache gezogen."

Die neuhochdeutsche Sprache steht also keineswegs auf ober- sächsischem Grunde, war keine landschaftlich beschränkte Mundart, war aber auch nicht die folgerecht aus dem Mittelhochdeutschen der schwäbischen Dichter des 12. und 13. Jahrhunderts entwickelte Sprache. Wir haben vielmehr anzunehmen, dass der unter den Staufenkaisern in Süddeutscbland zur Herrschaft gekommene schwä- bische Dialekt als das Hochdeutsch des Mittelalters allmählich auch in Mitteldeutschland Eingang fand, in der Folgezeit einige oberdeutsche Eigenthümlichkeiten aufgab und mitteldeutsclie dafür annahm, die dann, als der Schwerpunkt des deutschen Lebens sich mehr nach der Mitte des Gesammtrciches neigte, in den kaiserlichen und fürstlichen Kanz- leien, beim Reichskammergericht in Speier u. s. w. weiter gepflegt wurden, und dass endlich die Kenntniss der Sprache dieser Gerichts- höfe und ihrer Gesetzbücher nachgerade für alle eine Nothwendigkeit wurde, die vor diesen Behörden oder auf den Reichstagen ihre Ansichten oder Gerechtsame zur Geltung bringen wollten.

Fällt somit auch der obersächsische Dialekt fort, so möchte die mundartlich gefärbte Sprechweise anderer Gegenden noch weniger Grund zur Bevorzugung geben, und es hat auch wohl noch nie ein Berliner, Dresdener, Münchener oder Wiener die Sprache seiner Heimat im Ernst als eine vollkommen dialektfreie bezeichnet.

Wo wird denn aber ein wenn auch nur relativ dialektfreies Deutsch gesprochen, wenn man sich in ganz Deutschland vergebens danach umsieht? Es sieht ja aus, als gebe es überhaupt keine mustergiltige Aussprache, als sei der Willkür Thür und Thor geöffnet! Es ist nicht so schlimm bestellt: ein einziges Beispiel wird uns auf den Weg bringen, den wir so eifrig suchen. Denken wir uns, dass bei der Auf- führung eines klassischen Dramas ein Schauspieler die Geduld seiner Zuhörer durch ssprechen und sspielen auf die Probe stellen wollte, man würde selbst in Hannover, noch viel mehr in anderen Städten über ihn die Achseln zucken. Ebenso würde man urtheilen, wenn ein anderer Schauspieler eine sächsische, bairische, schlesische Eigenthüm- lichkeit zum Besten geben wollte. Diese wenigen Beispiele genügen, um den Beweis zu liefern, dass man in der That eine dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen fordert und auch da zu fordern berech-

24*

872 Die dialektfreie Aussprache der^ lloclideutsclien.

tigt ist, wo die Sprache als Kunst gepflegt wird: an den besten Bühnen Deutschlands. Wirklich ist auch die Aus- sprache an diesen Kunstanstallen durch ganz Deutschland hin nahezu dieselbe, wenn sich auch in einigen Punkton Abweichungen finden oder Besonderheiten herausgebildet haben, die vor einer strengen Kritik nicht bestehen können. Da sie sich jedoch genau an die durch die Schrift fixirte Wort form hält, welche unser einziger Anhalt für die Beurtheilung der richtigen Aussprache ist;* da sie ferner von den Gebildeten des ganzen Deutschland wenn auch nicht ohne bedeutende Abweichungen gesprochen, so doch mit Leichtigkeit verstanden wird ; da sie endlich für den deutsch lernenden Ausländer am meisten zu empfehlen ist: so kann sie immerhin im Grossen und Ganzen unserer Untersuchung als Grundlage dienen und wird uns, da sie auf eine deutliche und reinliche Hervorbringung der einzelnen Sprachlaute ein grosses Gewicht legt, namentlich gute Dienste leisten bei der physio- logischen Feststellung dieser Laute, die jeder Kritik der Aussprache vorangehen muss, ohne die sie der Grundlage entbehren würde. Erst wenn die einzelnen Sprachlaute genau definirt sind, kann die Frage beantwortet werden, wie viel Laute einem jeden Buchstaben zuzu- theilen sind und welche Zeichen nur eines Lautes Vertreter sind. Die Ergebnisse der physiologischen Kritik gelten jedoch nur für die Aussprache solcher Wörter, welche phonetisch richtig geschrieben werden ; entspricht aber die Schreibung eines Wortes nicht genau ihrem Lautwert he, so kann die Physiologie uns nicht belehren: dann ist es Sache der philologischen Forschung, den Lautbestand klar zu legen. Als Helmholtz z. B. die Tonhöhe der Vokale festsetzte, schied er die Aussprache des e und ä. Dieselben sind ja auch verschieden genug, indessen werden sie oft mit einander vertauscht. Lässt man z. B. jemanden, der vollkommen unbefangen darüber ist, um was es sich handelt, die vier W^örter sprengen und drängen, tränken und senken sprechen, so spricht er das e der ersten Silben genau so wie das ä. Legt man ihm dann diese vier Wörter neben einander vor und fragt ihn, ob sie nicht verschieden zu sprechen seien, so wird er höchst wahrscheinlich finden, dass das ä eine tiefere Klangfarbe hat. Dass dies eine Selbsttäuschung ist, können wir schon aus der unbefangenen

* Vgl Rud. V. Raumers gesammelte sprachw. Schriften. S. 226.

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen.

373

Leseprobe verrauthen, und diese Vennuthung wird zur Gewissheit durch den sprachgeschichtlichen Beweis, d. h. in unserem Falle durch die Regel über die Ableitung der Faktitiven,

In der folgenden Tabelle ist dieselbe übersichtlich dargestellt.

Stamm Verben

Impt

rfect

Faktitivum

ahd.

jihd.

ahd.

nlid.

ahd.

iihd.

trinkan

trinken

tranc

trank

trankjan

tränken

sinchan

sinken

sanc

sank

sanchjan

senken

fiiozan

fliessen

flöz

floss

flözjan

flössen

faran

fahren

fuor, foor

fuhr

förjan

führen

ezzan

essen

az

ass

azjan

ätzen

sizzan

sitzen

saz

sass

(sazjan)

setzen

swindan

verschwin- den

swant

verschwand

swandjan

verschwen den

swellan

schwellen

swal

(schwoll)

swaljan

schwellen

farliusan

verlieren

farlos

verlor

lösjan

lösen

Hieraus ergiebt sich, dass die Faktitiven vom reinen Verbalstamm des Imperfekts durch Umlaut abgeleitet werden; dass ä und e in trän- ken und senken, drängen und sprengen Umlaute des a der Imperfekte trank und sank, drang und sprang sind ; dass die Schreibung dieser Faktitiven nicht folgerecht ist; dass endlich für die Aussprache zwischen kurzem betonten ä und e kein Unterschied besteht.

Diese beiden Kritiken, die physiologische und die sprachgeschicht- liche, genügen jedoch noch nicht, um von unserer Aussprache ein mög- lichst umfassendes Bild zu entwerfen. Ob z. B. das Wort Zweig wie Zweig', Zweik oder Zweich gesprochen werden soll, darüber kann uns weder die Physiologie belehren, noch die Sprachgeschichte. Letztere würde uns auf Zweik führen, da das Wort im Mhd. zwic heisst ; aber die Aussprache des auslautenden g als k findet sich nur in wenigen Gegenden Deutschlands, dagegen lässt sich aus den Reimen unserer sorgfältigsten Dichter beweisen, dass g in diesem Worte wie ch lautet. Sobald uns also derartiges statistisches Material zu Gebote steht, werden wir uns desselben mit Nutzen bedienen können, um die Aussprache der durch die Schrift überlieferten Wortformen zu bestim- men, und zwar nach der Sprache Alldeutschlands, flicht nach den besonderen Eigenheiten dieser oder jener Provinz. Die Aussprache soll möglichst dialektfrei sein; eine absolut dialektfreie Aussprache dar- zustellen, 60 absolut, dass man auch dem dialektfreisten öffentlicheq

374 Die dialektfreie Aussprache dos Hochdeutschen.

Redner niclil inelir anhören könne, aus welcher Gegend Deutschlands er stamme, darauf verzichten wir.*

Ueberblicken wir die bis jezt gewonnenen Resultate, so sind es folgende:

1) Es wird eine allgemein durch ganz Deutschland hin giltige relativ dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen gefordert.

2) Dieselbe ist namentlich heimisch auf den besten Bühnen Deutschlands.

3) Sie hat sich bis jetzt an denselben durch mündliche Tradition foitgcpflanzt.

4) Sie ist nicht frei von Willkür und Fehlern.

5) Die überlieferte Orthographie ist kein duichaus zuverlässiges Abbild der Aussprache. Da sie jedoch im Grossen und Ganzen ein sehr ähnliches Bild derselben entwirft, so kann sie uns immerhin als Richtschnur dienen, um danach die Aussprache der Wörter zu bestim- men. Sie muss jedoch drei Kritiken über sich ergehen lassen:

a) die physiologische (unterschied zwischen Ich- und Achlaut u. dgl.),

b) die sprachgeschichtliche und e in tränken und senken u. clgl.),

c) die statistische (Reimsilben der Dichter, 85 Procent aller Deutschen sprechen st = seht, u. dgl.).

So wird es uns in den meisten Fällen gelingen, sichere Festsetzungen zu treffen. Wenn jedoch die Aussprache noch schwankt, und das muss zuweilen der Fall sein, da ja die ganze Sprache kein fertiges, unveränderliches, also todtes Abbild eines mit seiner Entwickelung zum Abschluss gekommenen d. h. nicht mehr lebenden Volkes sondern ein sich entwickelndes und darum von Jahr zu Jahr änderndes leben- diges Spiegelbild der rastlos vorwärts strebenden deutschen Volksseele ist: so werden wir durch diese drei Kritiken wenigstens festsetzen können, nach welcher Richtung hin die Aussprache sich entwickelt.

* Sehr schön sagt Rud. v. Ranmer (ges. spraehw. Sehr. S. 254) über die Zulässigkeit der Mundarten in den verschiedenen Gattungen der Rede: „Auch der Gebildete mag sich im trauliihen Gespräch mit seinen näheren Landsleuten ganz unbefangen den Gewohnheiten der landschaftlichen Mund- art hingeben. In Gesellschaft mit Deutschen anderer Stämme oder mit Ausländern wird- er sich schon weit mehr der Schriftsprache bcfleissigen und hat er gar die Rednerbühne zu besteigen oder die Worte unserer grossen Dichter vorzutragen, so wird ihm von seiner Mundart nur der feine Schmelz übrig bleiben, der sich mit unsern Lettern nicht ausdrücken lässt und der die Gebildeten verschiedener deutscher Stämme so wohlthuend mannigfaltig von einander unterscheidet."

Die ilialektficie Ansspraclie des Hochdeutschen. 375

Wir weiden dalier in dem Folgenden zuerst die Laute der deutschen Sprache physiologisch festzustellen und dann zu untersuchen haben, durch welche Schriftzeichen sie zur Darstellung gelangen. Indem wir dann angeben und beweisen, wie weit Schrift und Aussprache sich decken und von einander abweichen, werden wir eine relativ dialekt- freie Aussprache des Hochdeutschen möglichst objectiv darstellen können.

lieber die Vokale im Hochdeutschen. 1. Physiologie der Vokale.

§ 1. Obgleich sich unsere Hochdeutsche Sprache durch eine grosse Mannigfaltigkeit und Reinheit der Vokale auszeichnet, herrschen doch über die Aussprache derselben noch vielfach falsche Ansichten. Rod. Benedix* z. H. kennt ganz gut zweierlei gedehnte e im Deutschen, behauptet aber, das eine klinge voll, mehr dem ö verwandt in Meer, sehr, schwer, das andere breit, mehr dem ä verwandt, in Wesen, Weg. Letzteres ist zwar richtig, aber in Meer und schwer ist das- selbe e vorhanden, wie in Wesen und Weg. Benedix hat offenbar das Princip nicht gekannt, nach welchem diese beiden Laute zu trennen sind, sonst hätte er nicht in demselben Paragraphen bei Aufstellung von Beispielen in 8 Reihen 22 Fehler gemacht. So habe ich auch in dem gewiss sehr verdienstvollen französischen Wörterbuch von Sachs die sonderbare Behauptung gefunden, dass in dem franz. reine der Vokal ei wie das e in den deutschen Wörtern Ehre und Gewehre gesprochen werde, inid doch ist gerade in diesen Wörtern das e ver- schieden. Um IM iss Verständnissen vorzubeugen wird es daher nöthig sein, eine mit Beispielen belegte Uebersicht über sämmtliche Vokale im Nhd. zu geben, die Aussprache derselben zu beschreiben und ihre schriftliche Darstellung einer Erörterung zu unterziehen.

§ 2. Helmholtz hat in seinem epochemachenden Werke „die Lehre von den Tonempfindungen" auch über die Vokaltöne gehandelt und Mittel angegeben, wie dieselben physikalisch bestimmt werden können. Er sagt darüber S. 170: „Die Thatsache, dass die Mundhöhle bei verschiedenen Vokalen auf verschiedene Tonstufen abgestimmt sei, ist zuerst von Donders und zwar nicht mit Hilfe von Stimmgabeln auf- gefunden worden, sondern mittels des Geräusches, welches beim Flüstern der Luftstrom im Munde hervorbringt. Die Mundhöhle wird dabei

* Der mündliche Vortrag, I § 16.

376 Die (lialoktfreie Aussprache des Hochdeutschen.

gleichsam wie eine Orgelpfeife angeblasen und verstärkt durch ihre Kcsonanz die entsprechenden Töne des Luftgeräusches, welches theils in der verengerten Stimmritze theils in den vorderen verengten Stellen des Mundes, wo dergleichen sind, hervorgebracht wird. Dabei kommt es allerdings nicht zu einem vollen Ton, .... vielmehr tritt gewöhnlich nur dieselbe Art der Verstärkung des Luftgeräusches ein, wie bei einer Orgelpfeife, welche wegen falscher Stellung der Lippe oder unge- nügender Windstärke nicht gut anspricht. Doch zeigt ein solches Geräusch, wenn es auch nicht zum vollen musikalischen Tone wird, schon eine ziemlich eng begrenzte Tonhöhe, welche sich durch ein geübtes Ohr bestimmen lässt. Nur irrt man sich, wie in allen solchen Fällen, wo Töne von sehr verschiedener Klangfarbe zu vergleichen sind, leicht in der Octave. Hat man aber einige von den Tonhöhen, auf die es ankommt, mittels der Resonanz von Stimmgabeln bestimmt, so sind die übrigen leicht zu bestimmen, indem man sie mit den übrigen in melodischer Folge zusammenführt. So giebt die Folge: scharfes A, Ä, E, I d'" g'" h'" d"" einen aufsteigenden Quartsextenaccord des g-moll Dreiklanges." Helmholtz vergleicht die Gestalt der Mundhöhle bei den tiefen Vokalen 0, u, mit der einer Flasche ohne Hals, deren OefFnung, der Mund, ziemlich eng ist, deren innere Höhlung aber nach allen Richtungen hin ohne weitere Scheidung zusammenhängt, und weist nach, dass die Tonhöhe solcher flaschenformigen Räume desto tiefer ist, je weiter der Hohlraum und je enger die Mündung ist. Bei den andern Vokalen a, e, / aberreicht der innere Hohlraum nicht bis zu den Lippen, sondern nur bis zum vorderen Theil der Zunge und dem harten Gaumen ; der flaschenähnliche Hohlraum erhält also von da an eine Verlängerung, die man mit einem Flaschenhalse vergleichen könnte, der beim ä enger ist als beim a, bei e und i noch enger wird. Helmholtz fand dieselben Resonanzen bei Männern, Frauen und Kindern; die Eigentöne der Vokale sind also unabhängig vom Geschlecht und Alter.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung können wir vortrefflich ver- wenden zur Bestimmung der Aussprache unserer Vokale und können sogar den, der nicht im Stande ist, die verwickelten und kostspieligen Experimente des Meisters anzustellen, in den Stand setzen, die Rich- tigkeit der eigenen Aussprache der Vokale abzumessen, vorausgesetzt, dass er musikalisches Gehör hat.

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen. 377

Wer z. B. versucht, das bekannte Lied: Ich weiss nicht, was soll es bedeuten, flüsternd zu singen, und setzt hoch genug ein, um das i in ich deutlich aussprechen zu können, wird sich gewiss wundern, dass er bei dem vierten Worte was kein reines a herausbringen kann: unter drolligem Mundverziehen gelingt ihm wohl ein ö, nimmermehr aber ein a. Eben so wenig will das o in soll glücken, dagegen könnte man anstatt dessen mit Leichtigkeit sill singen.

Ein vollständiges Ergebniss liefert folgender Versuch: Wer sich folgende Tonfolge nebst Text genau einübt .

Sah friedlich ihn stehn ne-ben dem Fährboot

so dass er sie nicht nur laut sondern auch flüsternd richtig singen kann, wird bei der reinen Aussprache der in dem Text vorkommenden Vokale nicht das geringste Hinderniss verspüren, wenn er flüsternd singt. Legt er aber denselben Noten einen anders vokalisirten Text unter, z. B.

Wie kannst den Mann du würdig belohnen,

so wird es ihm beim flüsternden Singen unmöglich sein, auch nur einen einzigen dieser Vokale rein auszusprechen.

Schlagen wir ferner auf einem in richtiger Stimmung stehenden Klavier das mittlere d an und singen auf diesen Ton flüsternd den Vokal a, so wird dieser Laut mühelos voll und rein herauskommen; vorsuchen wir aber unter Beibehaltung des Vokals die Tonleiter abwärts zu singen, so nimmt der Ton wider unsern Willen immer mehr die Färbung des o, dann des u an ; singen wir dagegen von demselben d an flüsternd aufwärts, so geht der Vocal a ebenso gegen unsern Willen erst in ä, dann in e, endlich in i über. So erhalten wir unter Berücksichtigung dessen, was wir oben aus Helmholtz über die Octavenhöhe angemerkt haben, für die einfachen Vokale der deut- schen Wörter die daneben verzeichnete Tonhöhe, bei welcher sie sich flüsternd leicht und richtig aussprechen lassen :

* Wem dies zu hoch zu liegen scheint, der mag es eine oder zwei Octaven tiefer singen.

37:

Die (üali'ktfreip Anssprn''hc dos Ilorhdeiitsolx'n.

kiir/.e Laute

a

a

ä

n

£

e e

i i

ö ö il ü ä

0

o u

Beispiele

«lumif, Freindw. Schafott

Mann, Wall

(engl, man)

(franz. berceaii)

Sonne, Brunnen

senkt, trankt

bestand, Freindw. Decorum

bist, immer, dich

Frcmdw. Belisar, Aliment

öH'nen, gönnte

Fremdw. Neufchätel

Rücken, Bürde

Fremdw. Sansculotte, Bureau

(engl, not)

voll, oflen

womit, Fremdw. Pokal

Hund, Lust

zumal, Fremdw. brutal

Liiiigü Laute

a

ii ä

Beispiele Mahl, Aar

ä gäbe, nähme

c zehn, selig

p Lehm, Seele i

i viel, dir, ihre 6

ö Söhne, üefen

Bühne, Hüte (engl, fall)

0 Noth, Ofen

Huhn, Hut

Tonhöhe

d'"

d-dis"' fiit

8"' gis'"

eis d"" fis'"

g'" &'" h'' h" a"

Anmerkung. Da die abgetönten dunkleren Laute fast imr in den germanischen, die hellklingenden dagegen auch in den romanischen Wörtern vorkommen, so sind die ersteren mit deutschen, die anderen mit lateinischen Lettern ausgedrückt, und zwar sind die kurzen Vokale durch gewöhnliche, die langen durch fette Schrift bezeichnet.

Die Tonhöhe der Vokale kann auch auf folgende Weise leicht veranschaulicht werden:

0

n

U;

f

»

e

e

i

n

»1

i

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen. 379

d. h. ö liegt zwischen a und ö, sowie zwischen ä und o

ö «

^ 5j n

Es ist wohl möglich, dass bei Versuchen mit feinen akustischen Instrumenten die hier angegebene Tonhöhe sich um einen Viertel- oder Halbton zu hoch oder zu niedrig angegeben findet, doch kommt es für unsern Zweck auf absolute Genauigkeit nicht an. Dies Experiment hat ja nur den praktischen Zweck, jeden Vokal ohne Apparate so bezeichnen zu können, dass der Leser weiss, welcher gemeint ist. Dass damit weder alle Möglichkeifen der Vokalbildung überhaupt noch auch nur die ganze Skala der in Deutschland gebrauchten Vokale erschöpft ist, dessen bin ich mir wohl bewusst. Sprechen doch Einige ihr ji etwas tiefer als d"\ aber höher als eis'", so dass also nur übrig bliebe, die Tonhöhe nach Schwingungszahlen anzugeben. Andere lassen alle Vokale vor 7i etwas heller klingen als vor r, namentlich diejenigen, die ein fehlerhaftes r sprechen. In meiner Aussprache habe ich einen Unterschied der Tonhöhe des U in Pfund und durch, des O in Mönch und Mörder, nicht bemerkt, ebenso Avenig lässt sich etwas Derartiges aus Falkmanns, Benedix' oder meiner lebenden Gewährsmänner Angaben schliessen. Aus diesen Gründen habe ich allzu subtiFe Unterscheidungen weggelassen.

§ 3. Von Doppellauten kommen für uns in Betracht:

ai = ei in Kaiser, leiser, Mais, Reis, kneifen äu = eu in greulich, gräulich, Leumund, Häuser au in grau, Haus, taub, Taube.

Diese fünf Schriftzeichen haben nur eine dreifache Aussprache, da der Unterschied in der Schreibweise von ai und ei, äu und eu nicht auf Lautverschiedenheit sondern nur auf Gründen der Ableitung beruht, die aber so wenig durchgreifend sind, dass man bei einigen, z. B. Knäuel, Säule, Gränel, bläuen darüber streitet, ob sie nicht besser mit etc geschrieben würden. Ebenso geht auch aus der Lutherschen Ortho- graphie des Wortes Kaiser {= Keiser) hervor, dass ei und ai gleich klingen. Aehnlich nun wie Kupfer und Zink eine Legirung giebt, die andere Eigenschaften hat, als die Metalle einzeln besassen, so stellen auch die letzteren Schriftzeichen Legirungen der Laute a und i

880 Die diulektfroie Aussprache des Hochdeutschen.

dar. Spricht man diesen Doppellauter aus, so fängt man allerdings mit a an, verweilt jedoch so kurze Zeit darauf, dass man diesen Vokal eigentlich nicht heraushören kann und geht mit einer schnellen Schwen- kung der Zunge ohne Absetzen der Stimme mit vollständig sich gleich bleibender Tonstärke zum i über, das aber eben so wenig zu vollstän- diger Deutlichkeit gelangt. Würden beide Vokale vollkommen rein ausgesprochen, so könnte man bei flüsterndem Singen ihren Laut un- möglich anders hervorbringen, als indem man sie mit den Tönen d'^'-^d"" verbände. Man kann sich jedoch leicht überzeugen, dass man ein schon gut verständliches ai flüsternd auf die Töne ßs"'-{-h"' (also statt einer Octave eine Quarte) singen kann, dass man also beim Aussprechen dieses Doppellauts weder zu der ganzen Tiefe des a noch zu der ganzen Höhe des i zu steigen nöthig hat.

Ebenso verhält es sich beim au, das durch Verschmelzung von a und u entsteht, und beim eu = äu. das aber nicht aus e und u sondern aus kurzem o und ü zusammengesetzt ist, deren vollständige TondifFe- renz zwar eine Octave ist, deren Laut jedoch ebenfalls schon durch ein Quarten-Intervall id"'-\-g^") vollständig zu Gehör gebracht werden kann. Wir werden also im Folgenden diese Doppellaute phonetisch mit ai, au und bezeichnen müssen. Im Holländischen besteht ei phonetisch aus ei: der erste Laut ist das lange e, wie wir es im deut- schen Worte zehn haben, auf diesem ruht der Ton länger und lässt dann nur ein kurzes i nachklingen. Das ostpreussische cinvürde mit ei zu bezeichnen sein. Ich füge dies hier an, um zu zeigen, dass die obige phonetische Bezeichnung der Vokale sich recht gut dazu eignet, die Vokale anderer Sprachen und Dialekte möglichst genau zu be- stimmen.

Die Tonhöhe der Vokale kann auch praktisch verwendet werden, um in Ermangelung einer Stimmgabel oder eines musikalischen Instru- mentes mit richtiger Stimmung dennoch einen gewünschten Ton an- geben zu können. Durch einige Uebung und genaues Beobachten der Klangfarbe von a ri, e i bringt man es leicht dahin, durch flüsterndes Singen den Ton d und von diesem aus die übrigen Töne mit ziemlicher Sicherheit angeben zu können.

Der musikalische Werth der Vokale wird uns im weiteren Fort- gang der Untersuchung noch von höchstem Nutzen sein, wenn es darauf ankommt, die Aussprache des ch und g zu bestimmen.

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen. 381

II. Darstellung der Vokale durch die Schrift.

§ 4. Die Quantität der Vokale wird im Deutschen zuweilen durch Dehnungszeichen oder durch Consonanten - Verdoppelung kenntlich gemacht; in sehr vielen Fällen aber wird das unterlassen. So kann man z. B. dem Worte wuchsen nicht ansehen, dass es langen Vokal hat (mhd. wuohs), während in wachsen der Vokal kurz ist. So werden Bruch (locus paluster) und Bruch (fractura) gleich geschrieben, ob- wohl in ersterem „u", in letzterem „u" ist. Da jedoch im Grossen und Ganzen über die Quantität geringe Meinungsverschiedenheiten herrschen ; da man sich darüber auch leicht aus Wörterbüchern unter- richten kann;* da endlich eine erschöpfende Darstellung nur durch ein weitschweifiges Verzeichniss möglich gemacht werden könnte, das den mir in dieser Zeitschrift zugestandenen Raum überschritte, so will ich nur die besonders auffallenden Erscheinungen hervorheben.

1) Zwar sind die Vokale aller Stammsilben, die sich auf mehrere Consonanten endigen, kurz; hiervon machen jedoch eine Ausnahme: Art, Bart, Barsch (ein Fisch), Erde, grätschen, Harz, Herde, juchzen für jauchzen, Krebs (mhd. krebez), Magd (mhd. maget), in Magde- burg aber ist das a kurz, Obst (mhd. obez), Papst (mhd. babes), Pferd (mhd. pferit), Propst (propositus), Schwert (ags. sveord), trat- schen, Vogt (mhd. vogit), wuchs (mhd. wuohs), zart.

2) Mit Dehnungszeichen geschrieben, aber meistens kurz gesprochen werden: vierzehn, vierzig, Viertel, wahrlich, auch Dienstag. In Wollust wird die Kürze durch Verdoppelung des Consonanten be- zeichnet, vgl. dazu Wohlfahrt.

3) Die Kürze eines Stammvokals wird meist durch Consonanten- häufung angezeigt, doch haben ch, seh, st** bald langen bald kurzen Vokal vor sich.

Langen z. B. in Acben

kurzen in ach

Bruch (loc. pal.)

Asche

Buch

Ast

Buche

Bast

fosch

Bresche

husten

Bruch (fract.)

Kloster

Flasche

* Das alte Wörterbuch von Theodor Ileinsius z B. giebt die Quantität und Qualität der Vokale sehr gut an.

** Nach gewöhnlicher Schreibung würde auch das deutsche ß hierher gehören. Da aber nach Heyse'scher Orthographie, die jetzt immer mehr Anklang findet, <ias fj (= lat. ss) nur vor langem Vokal steht, so habe ich es oben weggelassen.

382

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen.

Langen z. B. in lios'ten

Osten (uihd. ö)

Ostern

pusten

stachen

Trost

Tuöh

wenlen

wuschen (mhd. uo)

Wust (mild, uo)

Wüste (mhil. iie)

kurzen in Kasten Kosten lachen Lust pfuschen rasten Sache stechen tasten tusclien waschen Westen u. s. w.

4) Im Mhd. werden alle Vukale , welche sich am Ende einer Stammsilbe (in offner Silbe also) befinden, lang gesprochen, mag auch der volle Wortstamm consonantisch auslauten, z. B. lo-ben, obwohl Stamm lob. Bei einigen Stämmen jedoch, die sich auf einen einfachen Consonanten endigen, schwankt die Quantitcät des Stammvokals, so dass es zwar in offner Silbe immer lang, in geschlossner dagegen auch oft kurz gebraucht wird. Es kommt dies daher, dass diese Wörter ursprünglich im Mhd. kurzen Vokal hatten, der aber nach der obigen Regel im Nhd. lang geworden ist. Solche W^örter sind:

mit langem \okal barhaupt der, dem, den Flug, Fluge für

Gas, Gase Glas, glasig gram, grämlich Gras, Grase grobe, gröber her Heer

Hof, Hofe jener

loben, Lob mag, mögen Rad, Rade Schlag, schlagen Schmied, Schmiede Späth (mhd. spät) = blättrieht bre- chendes Gestein Sporen * Städte

mit kurzem Vokal

barfuss

der, dem, den, das, des

Flug, flugs

fürder, Fürst

Gas

Glas

gram, griesgram

Gras

grob, Grobheit

heran

Herberge, Hermann

Herzog

Hof

jenseits

Lob

mag, mochte

Rad

Schlag, Schlacht

Schmidt

Spat (mhd. spat) = Fehler bei Pfer

den Sporn Stadt

Die diiilekt freie Aussprache des Hocbdeutschen. 383

mit langem Vokal mit kurzem Vokul

Tilg, tagen Mittag

Trab, traben Trab

tragen, Vertrag, Ertrag Vortrag

Trug, Betrug Trug. Betrug

ur- z. B. m-bar ur- z. B. Urtheil

vor, Vorbote, Vorfall, Vorwitz u. dgl. Vortheil, vorderste, vorn, fordern,

fort

Wal = Kampfplatz daher Walplatz, Walküre, Walhalla (Wal- [= gross]

Walstatt Walfisch, ^Val- [= welsch] Wal- nüsse

Weg, W^ege, Wegerich Weg, hinweg

wohl, Wohlfahrt Wollust

zog, Zögling, tierzöge Herzog

Zug, Züge Zug

In einigen dieser Wörter wird zw^ar auch in geschlossner Silbe meist der lange Vokal gebraucht, jedoch hat bis jetzt auch die kurze Aus- sprache immer noch ihr Recht behauptet.*

Bei Zeitwörtern ist zwar auch die Quantität der ersten Person massgebend für die andern Personen desselben Tempus, z. B. trug, trugen, floss, flössen, zog, zogen, wuchs, wuchsen (m. lang. Vok.), wachse, wachsen (m. kurz. Vok.). Ausnahmen hiervon finden nur statt bei einigen Zeitwörtern, die ursprünglich kurzen Vokal hatten, welcher nach nhd. Aussprache lang geworden ist, z. B.

trete, trittst, tritt, (trat)

nehme, nimmst, nimmt, (nahm)

werde, wirst, wird, (ward). Aus demselben Grunde schwankt:

gebe, giebst, giebt » gibst, gibt. Die letzteren Formen sind jedoch weniger gebräuchlich. Ursprüng- licher Doppellaut ie in giene, vienc, hienc wird jetzt meist als kurzes „i" gesprochen: ging, fing, hing. So schreibt und spricht man Dierne und Dirne, Diestel und Distel, Dienstag, und Dinstag. 5) Die in deutschen Wörtern gebräuchlichen kurzen Vokale a e

* Auf die Quantität des Vokals in einigen dieser Wörter ist bei Zu- sammensetzungen (iie Betonung nicht ohne Einfluss. Wenn wir z. B. in Mittag, Vorschlag, Einschlag, Vorzug, \'ortrag, Vorliof geneigt sind, den Stammvokal kuiz zu sprechen, dagegen eher lang in Ertrag, Verschlag. Verzug: so liegt dies wohl daran, dass im letzteren Falle der Slannnvokal in einer Silbe nät Hochton, im erstoren in einer iSilbe mit Nebenton steht.

384 Die dialektl'reie Aussiuache des llochdeutscheu.

i 0 Ö U Ü kommen in Fremdwörtern nur in geschlossner Silbe vor, z. B. Album, Discess, Dolman. Steht der Vokal dagegen in offner Silbe und ist diese betont, so wird der Vokal lang gesprochen, mag er sonst in Wirklichkeit auch kurz sein, z. B. Arabien, obwohl lat. Ar;\bis, Philosophen, obwohl lat. philosöphus. Ist die offne Silbe dagegen nicht betont, so behält zwar der Vokal dieselbe Tonhöhe, als wenn er lang wäre, wird aber küi'zer gespi'ochen: vgl. die Beispiele in § 2. Schafott, Decorum, Belisar, Neuchätel, Bureau, Pokal, brutal. Dasselbe widerfährt auch deutschen langen Vokalen, wenn sie in unbetonte Silben gerathen, z. B. damit, heran, womit, zumal. Wegen der Kürze des Vokals wird auch in einigen dieser Wörter schon der folgende Consonant doppelt geschrieben, z. B. Pallast, Schaffott, und Kinder haben ja die Neigung, auch heran, herein mit rr zu schreiben. § 5, Nachdem wir die Quantität der Vokale festgestellt haben, bleibt uns noch die Qualität derselben zu erörtern übrig. Theilweis ist diese Frage schon im vorigen § erledigt, denn die zwiefache Ton- höhe von A, I, 0, O, U, Ü ergiebt sich daraus, ob der Vokal von Natur lang oder kurz, ob er in offner oder geschlossner, in betonter oder unbetonter Silbe steht. Nur dem E und dem damit theilweise zusammenfallenden Ä haben wir vier verschiedene Tonstufen zuge- schrieben :

ä in gäbe, nähme = g'"

s in Sonne, Brunnen = gis"'

e in senkt, tränkt ) ^^^

t in zehn, selig )

e in bestand )

e in Lehm, Seele) und diese lassen sich nicht nach der jetzigen Rechtschreibung unter- scheiden, denn man schreibt den Laut

e bald ee, bald eh, bald e in See, sehr, ewig e ee, eh, e Beere, begehren, schwer e e, ä senken, tränken.

„£" und „e" werden immer mit demselben einfachen „e" geschrieben. Da also alle äusseren Merkmale fehlen, aus denen die Beschaffenheit des E geschlossen werden könnte, so di'ängt sich gewiss die Frage auf, ob denn auch wirklich, wie wir angenommen, sechs verschiedene Laute vorhanden sind, ob man nicht eben so gut mit zweien, einem langen und einem kurzen, auskommen könne, wie bei den andern

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutscben. 385

Vokalen; und ferner, wenn es wirklich sechs verschiedene Laute giebt, wie dieselben zu vertheilen seien. Die erste Frage lässt sich statistisch leicht beantworten: In den Stammsilben der Wörter quälen, quellen, leeren, lehren, sind Ihatsächlich vier verschiedene Laute, und keiner derselben ist gleich dem „e" der zweiten Silben, noch auch dem kurzen „e", das in den Vorsilben be- oder ge- steht. In den Wörtern

zehn Helden spät bekehrt sind sechs vollkommen verschiedene Laute, wie man sich auch durch flüsterndes Singen leicht überzeugen kann, denn ihnen kommt die Tonhöhe zu:

-•-]+* ^^. -^ •*•

e e £ ä e Versuchte man z. B. flüsternd zu singen:

[^^t^L^=[^||

zehn Hel-den spät lie -kehrt

SO würde man keinen der Vokale richtig aussprechen können.

§ 6. Hier kann weder "Willkür noch Täuschung obwalten. Zu demselben Resultat gelangen wir, wenn wir die geschichtliche Ent- wickelung der Laute verfolgen. Doch ruft mir wohl irgend einer meiner geneigten Leser ein Halt! zu oder sagt wenigstens für sich: „Wenn die folgende Beweisführung auch noch so schön mit dem Ahd. und Mild, in Verbindung gebracht wird, ich glaube doch nicht an den sechsfachen E-Laut, denn seit der mhd. Zeit kann sich viel geändert haben." Stellen wir ein Experiment an! Es wird zwar je nach der Heimat des Experimentirenden etwas verschieden ausfallen, wird aber dennoch immer ein annähernd richtiges Ergebniss liefern.

Man schreibe sämmtliche Wörter auf, in welchen man sicher ein E von der Klangfarbe des französischen E ferme zu finden glaubt, etwa wie Lehen, Fee, mehr, Klee, sei aber ja recht behutsam dabei, so dass, wenn man seiner Sache nicht ganz gewiss zu sein glaubt, wie etwa bei Meer, verheeren, Fehde, Schcere, man das betreffende Wort lieber weglässt. In wenigen Tagen wird man ein ziemlich vollständiges Verzeichniss haben. Dann nehme man ein kleineres mhd. Wörterbuch, sehr zu empfehlen ist dazu das von Wackernagel, und sehe zu, wie etwa bei einem Dutzend dieser Wörter

Archiv f. n. Sv<raclien. LIV. 2a

S8C

Die dialoktficie Aussprache des Hochdeutschen.

das E gescliriebcn Avird, und lege hiernach ein zweites Verzeiohniss an aller der Wolter des Wörterbuchs, deren E auf gleiche Weise bezeichnet ist. Als ich diesen Versucli machte, stimmten beide Ver- zeichnisse vollkommen iiberein, sogar in einem meikwiirdigen Falle: man spricht in meiner Heimat, der Mark Brandenburg, Schere mit e, das Zeitwort scheren aber mit e, und richtig fand ich im Wörterbuch unter schiere eine Nebenform schere, und dazu das Zeitwort schcrn.

Hieraus ergiebt sich, dass wenigstens in Bezug auf geschlossenes „e" der heutige Sprachgebrauch mit dem mhd. recht gut übereinstimmt. Wir können also, wenn wir diesen Laut einer sprachgeschichtlichen Kritik unterwerfen, ein richtiges Ergi bniss erwarten.

Das geschlossene e (und e) ist aus ui-sprünglichem ai oder ei entstanden, und wird im Mhd. durch e ausgedrückt, z. B.

uhd. See Seele lehren Fee, Fei.

Es findet sich demnach nur in solchen nhd. Wörtern, die sich auf ursprüngliches ai oder ei oder e zurückführen lassen* (ausserdem in Fremdwörtern), wie sich aus folgender möglichst vollständiger Ueber- sicht ergiebt:

goth. saiv,

ahd. seo,

luhd. se,

saivala

sela

sele

laisjan

leran

leren feie

iilid. e

(Allee (Armee (Beete Demuth

laie

ehern

ewig

Ehre

eher

Epheu

erster

Fee

Feh (Pelz)

Febme

flehen (?)

Galeere

= Tnhd. e;

dagegen nhd. c

franz. allee)

franz. arrade)

lat. beta)

Beet

mhd. demuot von

deo, der Unter-

gebene

mhd. ewe

sehen

mhd. er

mhd. ewic

mhd. ere

begehren

mhd. ere

angels. eifig

mhd. erist

mhd. feie

mhd. vech

liefe

Nbform Feime

mhd. vlehen

mhd. galeide

= mild, e oder e

mhd. belle

mhd. sehen mhd. begern

mhd. hefe

* Auch im Berliner Volksdialekt wird geschlossenes ,,t" für hoch- deutsches ei fii'sprochen z. B. in meenen für meinen, beede für beide, keener fiir keiner. Der Doppellaut ei steht in diesem Dialekt nur in den Ableitungen der I-Conjugation, z. B. schreiben, reiten, lei<len; dagegen ist aus dem ursprünglich reduplicirenden heissen lieessen geworden.

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen.

387

iihd. e

= mhd. e;

dagegen ulid. e =

inh(

1. e oder e

Geest

verw. m. ahd. gei- seni, Dürftigkeit

gehen

mhd. gän, gen

drehen

mhd.

dräjen

he! heda!

mhd, hei

Heede (Flachsab-

oberd. Haid

fall)

hehr (?)

ahd. heri

Heer

ahd.

hari

(Idee

franz. idee)

je

ahd. eo, zshgd mit ewe

jeder

ahd. eowedar

Feder

mhd.

vedere

jener

goth. jains

(jenseits

mhd.

jensit)

jemand

ahd. eoman

(Kaffee

arab. Kahweh)

umkehren

mhd. keren

kehreit (fegen)

mild.

kern

Krakehl

holl. krakeel

Kehle

mhd.

kele

Lee

holl. lee

Lehm

mhd. leim

bequem

ahd.

biquami

Lehn, Lehmann =

mhd. lehen (lei-

lehnen

mhd.

lenen

Lehnmann

hen)

lehren

mhd. leren

leeren

mhd.

lären

(Livree

franz. livree)

mehren

mhd. meren

beschweren

mh.].

beswären

Reh

mhd. rech

Speer

mhd.

sper

Rhede

holl. reed (bereit)

Rede

ahd.

radja

Schere

mhd. schere

scheren

mhd.

schern

Schlehe

mhd. siehe

geschehen

mhd.

geschehen

Schnee

mhd. sne

See

mhd. se

Moer

ahd.

mari

Seele

mhd. sele

selig

ahd.

sällc

sehr

mhd. ser

schwer

ahd.

swäre

versehren (?)

mhd. verseren

verzehren

mhd.

verzern

Sprehe

dial. sprewe

stehen

nihil, stän, sten

stehlen

mhd.

stein

Thee

franz. the

Wehmut h

mhd. wemuot

wehen (blasen)

mhd.

wäjen

wenig

mhd. wenec

Zehe

mhd. zehe

zehn

mhd.

zehen

Von allen diesen schwankt nur die Aussprache in flehen, hehr und unversehrt, die auch mit e gesprochen werden. Jedenfalls hat Rod. Benedix a. a. 0. S. 10 unrecht, wenn er das E in drehen, hegst, heben. Rede u. s. w. für ein geschlossenes halt.

In dem obigen Verzeichniss habe ich die Namen wie Leo, Lea, Theodor, Delitzsch und die meisten Fremdwörter wie Medicus, Rhetor, Megakles, Regel n. s. w. weggelassen. Sie haben in offner Silbe immer E fermc. Nur wenige nehmen aus ihrer Stammsprache den tieferen E-Klang herüber, z. B. spricht man von einer Ftte (franz. fete) und vom Dtnios {d/lfiog) zu Athen. Sobald aber diese Wörter mehr dem Deutschen angepasst werden, so geht ihr „e" sogleich in

25*

888 Die dialoktfreie Aussprache des Ilocluleut sehen.

„c" über, z. B. fetiren, Demokraten. Wegen dieser Bevorzugung des E forme in Fremdwörtern ist dasselbe mit lateinischer Letter (c und e, Tonhüiie h'") bezeichnet, während das E oiivert wegen seines häufigen Vorkommens in deutschen Stammsilben mit deutscher Schrift (e und e, Tonhölie a'") bezeichnet ist.

§ 7. Mit „c" hat dieselbe Tonhöhe das „e" in den beiden ton- losen Vorsilben be und ge, z. B. Bescheid, Gefahr; es ist nur kürzer als c. Derselbe Laut kommt auch in den unbetonten offnen Silben vieler Fremdwörter vor, deren ursprüngliche Quantität im Deutschen unberücksichtigt bleibt, z. B. Theater, Medicin (mit urspr. kurzem e), Plebejer, Plenarium (mit urspr. langem e).

§ 8. Nachdem wir den höchsten E-Laut behandelt haben, wenden wir uns zum tiefsten, der die Tonhöhe g'" hat und wegen seiner Ab- leitung von ursprünglichem A gewöhnlich mit ä bezeichnet wird. Oft wird er aber auch in der Schrift durch E bezeichnet, z. B. in Geberde, edel, obwohl ihnen die Wörter Gebahren, Adel zu Grunde liegen. Auch als kurzer Laut wird E für „A" gesetzt, z. B. Hand Hände behende; alt, älter, die Eltern. Eben so wenig wie die Orthographie hält auch die Aussprache diese beiden Laute auseinander. Man darf in allen Fällen anstatt „ä" (Tonhöhe 5'"') das höhere „e" (Tonhöhe a'") sprechen und thut dies auch in W^ijklichkeit, so dass Zähne klingt wie zehne (aber ja nicht wie Zehe!), und es dem Hörer überlassen bleibt, aus dem Zusammenhange die Bedeutung des Wortes zu ent- nehmen. Ein zu dunkel gesprochenes Ä gilt für unschön. Ist es kurz, so wird anstatt seiner immer „e" gesprochen; ist es lang, so spricht man nur dann den tieferen Laut, wenn durch Ausserachtlassung des Unterschiedes ein Missverständniss hervorgerufen w^erden könnte, wie z. B. in dem Satze: Wenn ich 10 Thlr. gäbe (gebe), so gäbe (gebe) ich zu viel. Im Mhd. hatte man zwei Umlaute des A: einen helleren: gast geste = Gast, Gäste eiuen dunkleren: gap gsehe = gab, gäbe von denen nur der letztere auch im Nhd. den tieferen Klang bean- spruchen darf. Ausser im Conjunctiv Iniperfecti wird er im Nhd. kaum gesprochen, und auch da niu" zur Vermeidung von Missverständ- nissen. Kurzes „ä" lautet immer wie „e", daher schreibt man die Factitiven bald auf die eine, bald auf die andere Art, z. B. tränken, senken; drängen, sprengen.

Wie leicht die beiden Laute ä und e in einander übergehen, ergiebt

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen. 389

sich auch aus folgendem Beispiel: nihd. her, nhd. Bär; und doch schreibt man die danach benannte Anhaltische Hauptstadt Bernburg nicht Bär(e)nbnrg, obwohl ihr Name von den Einwohnern mit dunklem langem e gesprochen wird.

§ 9. Wir wenden uns jetzt zu e resp. zu t. Auch diese Laute sind nicht ursprüngliche, sondern sind entweder aus a oder i hervor- gegangen, d. h. aus zwei Vokaltönen, die musikalisch um eine volle Oktave auseinander liegen. Dieses Intervall mochte wohl unsern musikalisch begabten Voreltern beim „Singen und Sagen" zu gross erscheinen, wenn die Töne unmittelbar auf einander folgen sollten. Sie milderten es daher, so dass, wenn in der Stammsilbe ein I, in der Ableitungssilbe ein A war, ersteres bis auf „E" (ahd. e) herabgesetzt wurde, z, B. ahd. nimit (er nimmt); aber für nimames (wir nehmen) sagte man nemames.

Ebenso hilfist du hilfst helfat ihr helfet izzit er isst ezzant sie essen.

Folgte dagegen auf ein A der Stammsilbe in der Ableitungssilbe ein

I, so wurde, um die TondifFerenz zu mindern, das A auf E (ahd. e)

erhöht :

gast, der Gast

gesti, die Gäste

kraft, die Kraft

kreftig, kräftig

sanc, ich sank

senkjan, senken.

Dieses Lautgesetz ist, wie der Augenschein lehrt, auch nicht ohne

Einfluss auf unser jetziges Hochdeutsch geblieben, während man jedoch

früher „e" und „e" genau von einander unterschied, wahrscheinlich

so, dass ersteres als dem a angeglichen, unserem heutigen ä entsprach,

während letzteres, als dem i angeglichen, dem höchsten e (in Seele)

nahekam, so ist der Unterschied beider im Nhd. verwischt, da in den

Ableitungssilben a wie i in tonloses e (Tonhöhe gis'") übergegangen

sind, der Grund zur Unterscheidung also weggefallen ist. Dennoch

beobachten einige Dialekte am Oberrhein noch gewissenhaft diesen

Unterschied, so dass sie regen (movere) mit höherem E sprechen

als Regen (pluvia), da ersteres aus a entstanden und nach i gehoben,

letzteres aus i entstanden und nach a gesenkt ist. In dem grössten

Theile Deutschlands ist jedoch der Unterschied der beiden E dem

Sprachbewusstsein enischwundon, und man spricht das aus A umge-

300

Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen,

lautete geiiulo so Avie die Brechung des I, wie man leicht aus folgender Zusaninienstelhing ersehen kann :

Umpelautetes a ätzen Becher Bett besser Elle Erbe Fels Held Herbst Recke

regen (movere) Geselle senden starken wärmen

Brechung aus I

messen

brechen

betteln

Brett

bellen

Berg

Feld

Geld

Gerste

rächen

Regen (pluvia)

Quelle

spenden

Stern

werben.

Alle E in Stammsilben also, die nicht o sind, d. h. die nicht im § 6 verzeichnet sind, sind e, resp. e, da sie alle sich sprachgeschichtlich auf a resp. i zurückführen lassen, vgl. zu sandte senden, zu siehst sehen, zu irdisch Erde.

§ 10. Nach dem Gesagten wird sich die richtige Aussprache des Ä und E in folgenden Wörtern leicht ergeben:

■jissen

säen, sähen

bäten

träfe

Gewähr

läse

(Häring)

zähe

essen, Eltern Ernte

Betten, gebettet trell'e, Vetter gewärtig Hecht, lästig Hände, behende zänkisch

e e

Bär, Bernburg Ehre sehen Seen

beten. Gartenbeet Beete (Hübe) (Väter) Feder jeder

hären(es Gewand) Herr, Härte

Säle

allmäblicbjvonge

mach Pfähle sässe Zähren, Thränen

(Gewehr, geleert

hegt, lese

Hering

zehn

her, Heer

hält, Held, erhellt selig melken Mehl, mehlig

Fälle, Felle setze, Sätze zerren

fehle

gelehrt

lehre

ehern

Zehe

hehr (?)

Seele

Lehm

flehen (?)

sägen

wähnen träte ]Mähre stählen

sehne, Stuhllehne belehnen

verzehren , be- sehr schweren

recht, rächt, rech- regt, fegt, Segen kehrt

nen

weckst, wächst wegen, wehen wenig

Retter Redner Rheder

Messer Meere vermehren

Statte, Stände (Städte), stehlen stehen.

§ 11. Es bleibt jetzt noch das stumme E übrig, das wir § 2 mit f" bezeichnet haben. Es stammt aus den vollen ahd. Flexions-En- dungen ames, at, ant, umes, imes, ir, iro, önö u. dgl. und kommt

Die flialektfreic Aussprache des Hochdeutschen. 391

im Nhd. nur in tonlo^^en Nachsilben vor, z. B. helffn, heifit, jedfir? jede, jedfs, Hebel, Vögflein, grösser, grösserem, edel, edelen. Dieser Laut ist so kurz, dass er beim Sprechen wie beim Schreiben ziemlich häufig weggelassen wird. Am meisten fällt er ins Ohr, wenn er zwischen t und t, d und t steht, z. B. rettet, redet, geleitete. In diesem Falle darf er nie weggelassen werden. Von da an giebt es unzählige Abstufungen, z. B. Heber, grö?sei(e)m, edel(e)n, dann Scheitel, das wie Scheit'l gesprochen wiid, * bis dahin, wo es nicht mehr geschrieben wird und man nur seine frühere Existenz an der Aussprache des vor- angehenden Consonanten merken kann, z. B, ed-len, Ad-ler, Ord-nung, Vög-lein, Jüng-ling. Von dieser Stufe, wo das „e" fast dem unend- lich Kleinen der Mathematik gleicht, verflüchtigt es sich so weit, dass schliesslich gar nichts mehr davon übrig bleibt, z. B. in Stüb-chen, Rös-chen u. s. w. Ebenso wird das e schon als nicht mehr vorhanden angenommen in leb-t, lieb-t, reib-t, da b als auslautend, d. h. wie p gesprochen wird. Bei reiset, koset, leset, laset ist es in Jedermanns Belieben gestellt, von dem tonlosen e so viel hören zu lassen, als sich mit seinem Geschmack verträgt, man kann daher auch das vorangehende s als Inlaut oder als Auslaut sprechen (vgl. die Ausspi'ache dieses Cons. in dem P^olgenden).

§ 12. Y wird, obwohl griechischen Ursprungs, doch nicht immer wie im Griechischen als „ü" gesprochen. Diesen Laut hat es wohl nur noch in den Zusammensetzungen mit Hyper- und Hypo-, z, B. Hyperbel, Hypotenuse; aber auch da nicht durchgehend: Hypothek, Hypochonder hört man fast immer mit i sprechen. Nach dieser Rich- tung hin entwickelt sich die Aussprache des Y immer mehr: fast In allen andern Wörtern, z. B. Kryslall, Myrte, Tyrann, Sympathie klingt es wie I; ja einige Wörter, denen eigentlich ein Y zukäme, werden schon ohne Weiteres mit I geschrieben, z. B. Stil, Silbe, Gips, Quitte, Brille, Zimbel.

§ 13. Der Uebergang zu dem folgenden Theil, welcher von der Aussprache der Consonanten handelt, wird durch den consonantischen Gebrauch der Vokale i und u für y und w vermittelt. Der Vokal i hat die Neigung, vor anderen Vokalen, welche nicht mit ihm ver- schmelzen, in ein leises y überzugehen, so dass z. B. Lilie fast wie Ljlje, Marius wie Marjus, Grobian wie Grobjan lautet.

* Man brinot zwischen t und l die Zungenspitze nicht aus ihrer Lage, was doch zu einem regeliecliten E nötbig wäre.

392 Die dialektfreie Aussprache des Hochdeutschen.

Das Schriftzcichcn U hat consonantischen Klang nach einem q. Man spricht „quer" beinahe wie kwfr, das lu jedoch nicht mit voller Schärfe, sondern mit dem leichtesten Ansatz, dessen es überhaupt fähig ist und mit etwas veränderter Lippenstellung. Da es mit dem in „schwer" vollkommen gleich klingt, so wird unter den Lippenlauten eingehender davon gehandelt werden.

Lemgo. Dr. F. Grabow.

Sitzungen der Berliner Gesellschaft

für das Studium der neueren Sprachen.

I.

Herr G o 1 d b e c k besprach aus Victor Hugo's Legendes des siecles, welches eine Gesammtdarstellung der Legenden von Eva über Christus bis auf die Gegenwart zu geben bestimmt ist, das Gedicht Eviradnus, gab dessen Inhalt , und wies auf das Ungeheuerliche und das Vorwalten des Gespenstischen in der Anlage des Gedichtes hin, während der Genius des Verfassers sich in einzelnen Schönheiten aller- dings erkennen lässt. Den Hauptnnterschied des französischen Geistes von dem in unseren grossen Dichtern waltenden findet der Vortragende besonders in der den Franzosen abgehenden Fähigkeit, auf Geschichte, Philosophie und Litteratur der Völker einzugehen. Herr Beck suchte für den in neuester Zeit von Bratuschek angeregten, von Osten- dorfF in Düsseldorf verfolgten und auf den Octoberconferenzen ver- handelten Gedanken, ob es zweckmässig sei den Unterricht mit einer modernen Sprache anzufangen , nach Vorgängern in der Vergangen- heit, und fand, dass zuerst vor 200 Jahren Comenius im Gegensatz zu den Humanisten , die ein vollständiges Versetzen in don Geist des Alterthums erstrebten, ein gleiches Princip aufgestellt habe: dieJugend solle in das Leben eingeführt werden. Der gründlichste Unterricht in der Muttersprache, die zugleich die Sprachmutter sei, müsse den Anfang machen : die Sprachen der wichtigsten Culturvölker neben uns müssten folgen. Die Grammatik jeder neuen Sprachesolle nur das von den schon gelernten Grammatiken Abweichende geben. Herder im „Ideal einer Schule" verfolgt denselben Gedanken; er spricht geradezu aus, der Ge- lehrte solle besser französisch als lateinisch sprechen. Das Princip wird im Gegensatz zu Ostendorff's Ansichten in Karl Schmidt's Ge- schichte der Pädagogik behandelt, und ist in dem Gesammtgymnasium in Leipzig zur That geworden, wo Deutsch, Englisch, Französisch

S94 Sil Zungen der IJcrlinor GcsolltJcliaft

nach oinander den Anfang niaclicn, jeder neu eintretende Gegenstand niassenliaCt mit Stunden bedaclit i?t, das Latein nicht vor dem 14. Jahre begonnen wird, und nach dem 16. eine Spaltung in einen littera- rischen und realistischen Unterricht eintritt; ähnlich in Mainz, ehe- mals auch auf der Berliner königlichen Real.*chule. Die Gründe, ^velche Comenius und Herder für ihr Princip anführen (namentlich die Möglichkeit materiellen und gei.stigen Verkehrs mit anderen Cultur- ^ölkern), weiden von der anderen Seite als gemeine Utilitätsrücksichten gebrandmarkt: viilmehr komme es darauf an, die Jugend von dem gemeinen Leben der Gegenwart abzuziehen. Herr M arelle ist durch den fühlbaren Mangel an geeigneten Dichtungen für das kindliche Alter in französischer Sprache veranlasst worden , dergleichen in „Le petit monde; poe*ies enfantines" in dem Sinne der Spekter'schen und Hey- schen Dichtungen zu schaffen ; er trug eine Anzahl derselben vor, besprach die Neigung der P^ranzosen. in jeder Poesie das Pathetische, Discursive vorwalten zulassen, rechtfertigte sich gegen den Vorwurf ge- wisser nicht üblicher Sprachbildungen neben Andrem durch das Urtheil Littre's, den der Abwesenheit alles Moralisirenden und gegen den, in einigen, z. B. einer Nachbildung von Heine's „Sagespenst" von Liebe gesprochen zu haben.

Herr Herr ig gab Nachricht über die Akademie für moderne Philo- logie. Die Zahl der Zuhörer ist in diesem Jahre von 97 auf 156 ge- stiegen. Den Preis für die Lösung der Aufgabe „über den Accusativ mit dem Infinitiv in der lateinischen und den romanischen Sprachen*-' hat Herr stud. Robert Voigt; den für die Aufgabe „über die französischen Präpositionen" Herr stud. Georg Raithel erworben. Die Shakespeare- Gesellschaft hat einen alle zwei Jahre zu ertheilenden Preis ausgesetzt und als erste Aufgabe gestellt: „Chancer's Einlluss aul Shakespeare". Die Preisaufgabe „Gebrauch der Tempora und Modi bei Joinville" ist noch ungelö.-t geblieben , und soll nebst einer anderen noch einmal gestellt werden.

IL

Herr Michaelis berichtet über eine Zusammenstellung aller Vorschläge von ihm zur Regelung der deutschen Orthographie. Nach Anerkennung der Sanders'schen Leistungen geht der Vortragende auf die Bestrebungen der Schweizer und des pädagogischen Vereins in Görlitz ein, eine phonetische Schreibweise zu begründen. Vorwaltend ist dies Princip immer gewesen, obgleich bis zu „Rat, Rades; Tak, Tages" niemand gegangen ist. Die Rücksicht auf „Usus" wäre am besten zu beseitigen. Die zunächst wichtigsten Forderungen sind 1) Beseitigung des Th. Kräuter's Satz, dass jede Tenuis aspirirt werde, wurde auch zu ph, kh führen. 2) Regelung des dt: „tot und Statt" müssen durch- geführt werden. 3) Dehnungszeichen, ee ist nach Schleicher allein

für das Studium der neueren Sprachen. S95

in ,,Klee, Schnee" u. dgl. beizubehalten ; ebenso auslautendes h in Fällen wie „geschah". In ziisammengezognen wie „zehn" wird es fortfallen können. Das sogenannte versetzte h („befehlen" aus „be- felchen") ist ein Hirngespirinst. ie ganz zu beseitigen, fil statt fiel zu schreiben, scheint zu gewaltsam. Es werden nach der Grammatik die ie zu bewahren sein, welche einem alten Diphthong entsprechen. In allen Verben starker Conjugation Präs. i, Prät. a, und Präs. ei, Prät. i schreibe man i, also auch „schri, spi" ; dagegen sind „fliesse" so wie die rediiplicativen Präterita „fiel, blies" zu behalten. Einzelne i^olirte („lieben", „wie, sie, die" Fremdwörter „Brief, Fieber") kommen dazu. Die Endung „ieren" zu bewaliren scheint pedantisch. Wäre man über diese Dinge hinaus, so wäre das üebrige leicht. Fiir die phonetische Schreibung der Fremdwörter ist durch Einführung des K für C im preussischen Staatsanzeiger ein grosser Schritt gethan; griechisches ph und th werden nicht zu tilgen sein. Herr Boyle theilte eine Inhaltsübersicht der Rede mit, welche Prof. Tyndall bei Ueber- nahme des Vorsitzes der British Association in diesem Jahre zu Bel- fast gelialti-n. Dieselbe behandelt den Fortschritt des wissenschaft- lichen Erkennens von der ältesten Zeit bis auf die Gegenwart; zeigt wie nach den Versuchen Demokrit's, Epikur's, Lukrez's, die zum Theil den Resultaten moderner Forschung auf der Spur waren, durch den Geist des fiühesten Christenthums ein Halt eintrat, der im Mittelalter zu vollständiger Stagnation führte. Die herrschende Beschäftigung mit aristotelischer Philosophie artete in blossen Streit um Worte aus. Das Wiederaufleben wahrhaft wissenschaftlicher Forschung datlrt von Kopernikus, Giordano Bruno, Pierre Gassendi letzterer erkennt einen persönliclien Gott an, geht aber im Uebrigen in wissenschaftlicher Un- alihängigkeit selbst weiter als Darwin. Bischof Butler trennt den Menschen selbst von allen Functionen der Organe und ausführenden Kräfte. Die Betrachtung wendet sich dann den Resultaten der Geologie, dem gelösten „Räthsel der Felsen", dann den Tljeorien Darwin's zu, deren ünvollkommenheit bei ihrem Auftreten nur dem Umstände zuzuschrei- ben sei, dass der Urheber gesehen habe, Wallace sei ihm auf der Spur, und sich die Priorität habe retten wollen; im Uebrigen stimmt der Redner Darwin's Ansichten vollständig bei ; zeigt wie der künstliche Bau des Auges sich aus der eigensten Natur der Zelle selbstschaffend entwickle, und kommt bei der daran sich schliessenden Betrachtung über organische Entwicklung des Lebens, wie in der meist so verach- teten „Materie" die Fähigkeit und Potenz zu jeglicher Art von Ge- staltung des Lebens ruhe. Den Schluss bildet eine energische Er- mahnung, den Bahnen der freien Wissenschaft uneigennützig zu folgen, welcher keinerlei Macht , .«elbst nicht die der Religion, Stillstand zu gebieten im Stande sei.

Herr Buch holz besprach die 3. Auflage des Manuale della lite- ratura del primo secolo etc. von Vincenzio Nannucci. Die systema-

396 Sitzungen der Berliner Gesellschaft

tisc'lio Ziipammcnstellung alles vom heutiji^en Spracligebrauclie Abwei- chenden fehlt leider der neuen Auflage, welche in Auslegung und Kritik Vorziigliciies leistet, vieles vorher Urdesbare erfreulich, vieles Unvollkominne vollständig gemacht hat: Statt 5G erscheinen jetzt 84 Dichter, statt 12 jetzt 16 Prosaiker. Der Hauptzweck ist, dem Stu- direnden der Litteratur eine gediegene Grundlage zu geben. Leider wird im kritischen Thcile zu wenig Rechenschaft über die Gründe, z. B. von Aenderungen gegeben. Beispielsweise nimmt der Vortragende einen Theil des ersten Stücks, eines noch jetzt, ohne dass man vom Verfasser etwas weiss, vielfach umlaufenden Liedes des Sciullo Dal- camo, mit Bezug auf Emendation und Auslegung durch.

III.

Herr Güth wies an einer Reihe von Beispielen nach, wie mangel- haft in den Büclxern von Valentini bis Sauer und Stadler die Aus- sprache des Italienischen behandelt sei , und wies auf Pietro Fanfani Vocabulario della pronunzia Toscana als ein verdienstliches Werk hin. Der Prof. B. Campo, Regole della pronuncia italiana 1872 hat jenes Buch in geeigneter Weise zum Nachschlagen bearbeitet. Das Buch bietet eine vollständige, obgleich noch nicht übersichtliche Darstellung der Aussprache aller Vocale und Consonanten. Der Vortr. giebt beispielsweise eine Uebersicht der Regeln über s und über den Accent. Herr Gold- beck zieht aus Beispielen wie je suis bien aise de vous voir donner suite immediatement h ces projets (dass Sie ins Werk setzten); il n'est pas rare de les voir enfermer lenr vie tont entiere dans une pensee (dass sie einschlicssen); c'etait pour eile une vive satisfaction que de me voir nie fixer ici (wenn ich mich hier festmachte), den Schluss, dass dies Wort vois nur als Form für die Ermöglichung einer Infinitivcon- struction herbeigezogen werde eine Form , die im Französischen ganz ausserordentlich häufig gewählt werde und zog daraus die Berech- tigung, das Wort, da seine eigentliche Bedeutung dabei ganz in den Hintergrund trete, „ein neu entdecktes Hilfsverb" zu nennen. In der Discussion traten die Herren Strack, Breslau, Nessler dieser Berechtigung entgegen. Die Mehrzahl der angeführten Beispiele habe ein legierendes Verb des AflTects. Das „Sehen" sei der Ausdruck für die Nothwendigkeit, darzulegen, wie man zur Kenntniss der Thatsache und zum Affect gelange. Aller und venir hätten einen analogen Zweck. In manchen der angeführten Fälle lasse sich „sehen" oder etwas Aehnliches gar nicht entbehren. Die Herren Imelmann und Parow traten dem Vortr. bei und machten aufmerksam auf die deutsche Wendung mit „sehen", deren häufiges Vorkommen wol auf Einfluss des Französischen zurückzuführen sei. Hr. G. erklärt auf die Bezeichnung „Hilfszeitwort" keinen Nachdruck legen zu wollen, imd stellt zur weiteren Begründung der Erscheinung einen anderen

für das Studium der neueren Sprachen. 397

Vortrag in Aussicht. Herr ]\Iahn stattete über die Philologeiiver- sammlung Bericht ab, der er mit 12 andern Berlinern beiwohnte. Die in Leipzig begründete Section für neuere Sprachen konnte sich nicht wieder constitniren; ebenso ging es der sprachvergleichenden Section. In der germanisch-romanischen Section hielten Vortrage Prof. Sachs (Brandenburg) über den heutigen Stand der romanischen Dialektfor- schung; Prof. Hinten (Wien) über tyrol. Dialektforschung; Prof. Michaeler (Bozen) über tyroler Dialekt mit besonderer Berücksich- tigung des Eisackthales ; Dr. Steub (München) über tyroler P^thno- logie; Dir. Dr. Grien (Veiona) über die von ihm besorgte Ausgabe des Canzoniere des Petrarca; Dr. Imm. Schmidt (Falkenberg) über die Perioden der englischen Literatur im Zusammenhang mit der Geschichte der Sprache; Prof. Mahn (Berlin) über die provenzalische Sprache und ihr Verhältniss zu den übrigen romanischen Sprachen ; Prof. Bartsch (Heidelberg) IVIittheiluug von Ges. 1 5 von Dante's Hölle in neuer Uebersetzung. In den aligemeinen Sitzungen waren die Eröffnungsrede des Prof. Jüly (Innspruck) und des Dr. Thomas (München) über den Humanismus und den Zeitsinn von Interesse. Mannichfache Bemerkungen über Land und Leute, Namen von Ort- schaften und interessante Persönlichkeiten schlössen sich an.

IV.

Herr Lamprecht berichtete über das „A. M., sieur de Moystar- dieres" Devis de la langue francjaise in der Ausgabe von 1572, die von der andren von 1559 wesentlich verschieden ist. Der Verfasser (dessen eigentlicher Name Abel Matthieu) erscheint den Latinisten gegenüber als Purist, als conservativ in dem als gut erkannton Bestand der Sprache. Volker, deren Poesie in Betracht kommt, sind ihm ausser den Franzosen nur Griechen und Italiener. Homer ist höchstes Muster aller Dichtung. Nachahmung der Latinisten und Aenderung des Ge- schlechtes (z. B. amour, navire früher fem., dann masc.) rügt er als Hauptsünden seiner Zeit, eifert überall gegen „barbarische" Formen, und empfiehlt Leetüre guter Autoren und Anlegung eines Lexikons der guten populären Wörter (als barbarisch z. B. verwirft er repu- blique, valise, antichambre) ; bespricht dann die Bildung des fem. in allen Endungen; die onomatopoetischen Wörter; die Negation;- Nu- meri und Pluralbildung ; die im Griechischen, Lateinischen und Fran- zösischen gleichlautenden Wörter. Q schreibt er nur in wenigen Fällen, wie fran9ois, S9ais (Rob. Stephanus schreibt überall ce) ; er schreibt adviser u. dgl.; aucung ; j und i, u und v sind nicht geschie- den; statt i oft y, wie luy u. dgl. In seinem Urtheil über Nicolas d'Herberay des Essarts ist er einseitig; das über Comines, Amyot, Clement Marot, ist wol zu billigen. Der Vortr. schloss mit einer Kritik über die sprachlichen Bemerkungen. Herr Lückin g machte

898 Sitzungen clor Berliner Gesellschaft

zu einigen Punkten Bemerkungen, H<irr G o 1 d b c c k setzte seine Be- trachtungen über voir fort, indem er aufstellte, für das gesonderte Auf- stellen der Falle von voir und entendre mit folgendem Infinitiv im Re- lativsatz in der Grammatik sei der Grund ein ästhetischer; voir werde jiucli in solchen Verbindungen in ganz formaler Weise angewendet. Er kommt zu dem Schluss: voir wird nach Verben des Affects und Wünschens in ungeheurer Massenhaftigkeit angewendet um einer Con- jnnc'tivconstruction zu entgehen; der Grund dafür ist ein grosses Bindebediirlniss : die Sätze sollen auf's Genauste in Zusammenhang gebracht werden: de bindet schärfer als que. voir wird so zum Idio- tismus : die Schriftsteller brauchen es unendlich überwiegend und scheuen die Wiederholung nicht.

Herr Rauch empfahl die von Dickmann commentirte Longfel- low'sche Evangeline als ein für Schulen recht brauchbares Buch, das namentlich mit liebevoller Sorgfalt auf die historischen und geo- graphischen Punkte eingehe. Sprachlich ist auf verschiedene in Schulen gebrauchte vorzügliche Grammatiken Bezug genommen. Herr Ban- dow gab Beiträge zur Erklärung folgender englischen Wörtei': 1) fea- ture verliere nächst der Bedeutung „her\orstechender Zug" ganz seine eigentliche Bedeutung und werde zum blossen substantivischen Halt für das Adjectiv dabei, das den HauptbegrifF bilde ; wie „the im- portant feature of the contest das was den Wahlkampf auszeichnet".

2) case bedeute den ganzen vor das Gericht kommenden Rechtsfall und die Verhandlung darüber; dann „die ganze Lage der Sache" (wie ,the case was strongly for against the defendant' u. dgi.).

3) the merits of a cause, a care nehme in Verbindungen wie ,the me- rits of the missions to Africa' u. dgl. die verallgemeinerte Bedeutung an „das was der Sache Bedeutung verleiht, woriff ihr Werth liegt."

Herr Bieling zeigte die neuste Publication der Early Engüsh Text Society „Cursor Mundi, a Northumbrian Poem of the XlV^ Cent." herausgegeben von Richard INIorris, Part I, London 1874, an. Dasselbe war bisher nur nach dem Manuscript von Trinity College, Cambridge bekannt; die gegenwärtige Ausgabe stellt die 4 andren vorhandnen auch sprachlich wesentlich verschiednen handschrift- lichen Texte vollständig daneben. Die Ausgabe ist als eine sehr schätzenswerthe Leistung der Gesellschaft zu bezeichnen. Herr Gold beck besprach zunächst den in der Tauchnitz'schen Samm- lung abgedruckten Auszug aus der Litteraturgeschichte von Craik , in der er besonders das dem Stande der Wissenschaft vollständig wider- sprechende Verzichten auf die Beliandlung des Angelsäch'-i.sclien rügle

ein Standpunkt, der schon seit Mitte des vorigen Jahrhunderts ver- lassen sei. Indem der Vortr. dann auf Oliver Goldsuiiih überging.

für diis Studium der neueren Sprachen. ö99

versuchte er zu zeigen, dass der Vicar of Wakefield nichts andres sei als eine Darstelhing dessen was schon Hiob behandelt: eine Behand- lung des Gedankens, warum der Gerechte leiden müsse und eine Rechtfertigung Gottes. Er schloss mit der Betrachtung der Bedeutung der Gedanken, welche die Juden für die Weltlitteratur geliefert hätten. Herr Mahn behandelte die Etymologie folgender Wörter: 1) ha- biller. Wegen der älteren Bedeutung „geschickt, geeignet machen" sei an ein von habilis gebildetes habiliare (Analogie humiliai'e) zu denken. 2) acorn: ist vom gothischen akran nicht als „Ackerfrucht" sondern als „Eichel" herzuleiten, insofern dies die primitiv essbare Frucht, daher als Frucht überhaupt erscheine. Für die ursprüngliche Eichclkost der Menschen wurden verschiedene Beispiele beigebracht : dabei sei niclit an unsre gewöhnliche Eiche, sondern anQuercus esculus zu denken. 3) acrid, sei aus einem nach Analogie von acidus aus acer gebildeten acridus zu erklären.

VI.

Herr Schmidt bespricht Schiller's Urtheil über Rousseau. An der Hand von Schiller's Werken, von „Rousseau's Grab" an bis zur Abhandlung über naive und sentimentale Dichtung zeigt der Vortr., wie Schiller's Urtheil, das zuerst in jugendlich übert^chwenglicher Be- geisterung für den Menschen und Dichter Rousseau befangen war, sich nach und nach klärte, Rousseau's , des Menschen und Dichters Schwächen erkannte, und letztere darin fand, dass in ihm die innige Wechselwirkung zwischen Gefühl und Verstand nicht vorhanden war. An eine Bemerkung des Vortr. anknüpfend, weist Herr Vatke auf die Maltzahn'sche Ausgabe von Schiller als litterarisch sehr tüch- tig hin.

Herr Begemann spricht über den Nebenton drei- und vier- silbiger Wörter im Althochdeutschen. Er erklärt sich gegen das von Lachmann aufgestellte Gesetz, dass dreisilbige Wörter, deren erste betonte Silbe lang ist, den Nebenton auf der zweiten Silbe haben; die- selben haben ihn vielmehr eben so wie mit erster kurzer Silbe auf der dritten. Der Vortr. zeigt, wie viel Unzuträglichkeiten Lachmann's Ansicht für Otfried's Metrik mit sich bringt, und dass die Begründung der Ansicht durch mhd. Reime nicht stichhaltig ist. Nach des Vortr. Ansicht können dreisilbige Wörter ahd. auch den Nebenton auf der zweiten Silbe haben , jedoch nur, wenn nicht noch eine vierte kurze Silbe folgt. Auch ist schon in „Vilmar, Die deutsche Verskunst bearbeitet von Grein" die Unrichtigkeit von Lachmann's Ansicht er- kannt worden.

Herr Freytag liest Pioben einer poetischen Uebertragung des Marmion, Ge«. 1, vor.

400 Sitzungen der Herliner Gesellschaft

vn.

Herr Buchholtz besprach „Commento alla divina commedia d'Anonimo fiorentino del secolo XIV ora per la prima volta stampato a ciira di Pietro Fanfani, Bologna 1866, 1868, 1874." Dieser Com- inentar stellt sicli als dritter neben die beiden desOttinio und des Jacopo della Lana, von denen Witte nachgewiesen hat , dass der erstere eine Verbesserung des letzteren ist. Er ist selbstständig bis zum 10. Ge- sänge des Purgatorio; vom 18. ist er nichts als die Wiederholung des Jacopo della Lana; in den dazwischen liegenden Büchern vollzieht sich allmählich der üebergang zur vollen Unselbstständigkeit. Der Com- mentar des Jac. della L. selbst zeigt grosses Ungeschick überall, weder Gegenstand nur etwas schwierig wird, und durchgehend die Neigung, denselben novellistisch zu behandeln. Fanfani hat sich nach und nach von dieser Halbheit desAnonimo überzeugt, und hat, wie er sagt, des- halb die verheisspnen Osservazioni unterdrückt. Er giebt den Text des Dante nach den Lesarten des Anonimo , dann den Text des Com- mento — wie man voraussetzen darf mit grosser Genauigkeit , und dann einzelne Anmerkungen dazu. Auch in dem letzten dem Jac. della L. gehörigen Theile ist viel kritische Arbeit , die dankenswerth ist. Herr Schmidt sprach über die Rousseau'schen Ideen in Schil- ler'« Erstlingsdramen. Die Helden in denselben sind mehr Abbilder der Stimmungen des Dichters selbst als dramatisch begründete Charak- tere. „Alles ist gut, wie es aus den Hunden des Schöpfers hervor- geht", „Der Mensch der denkt, ist ein entartetes Thier", „Entsage der Cultur, eile in die Arme der Natur", diese Fundamen talsätze Roussean'scher Lehre klingen in den Räubern überall durch, und Karl Moor's Charakter ist nur eine Consequenz des Satzes, dass Raub und Diebstahl Folgen des Eigenihums sind. Ihm ist, wie R. , nur das sittlich, was natürlich ist, daher Auflehnen gegen das Gesetz bei bei- den ; Franz Moor dagegen ist das Product der Kunst. Die sentimen- tale Schwärmerei, in der sie zu liebenswürdigen Kindern werden; die Vorliebe für Plutarch; die üeberzeugung, dass Sittenmuster und Cha- raktere vornehmlich bei den Alten zu finden seien auch Amalie liebt die Antike Kosinsky vergleicht Karl mit INIarius alles sind Züge, die auch Rousseau gehören. Das tragische Bekenntniss Karl's am Schluss legt den wunden Fleck nicht ganz klar. Dies geschieht in Kabale und Liebe. Das Stück erinnert in seiner Anlage an die neue Heloise. Wie bei Rousseau wird das vornehme Laster schonungslos an den Pranger gestellt; der Gegensatz von Volk und Fürst wird noch hinzu- gethan. Am ganzen Hofe gebietet Achtung nur die Maitresse. Die Rettung aus dieser Welt der Unnatur wird in der Liebe gefunden. Der Idealismus, der Cultus der schönen Seele, das anmassende Vordrängen

für das Studium der neueren Sprachen. 401

des Herzens, alles ist rousseauisch. Der Einfluss Rousseau's macht sich auch in Bezug auf den Styl geltend.* Alle einzelnen Säfze wur- den durch Parallelen aus Rousseau's Schriften belegt.

VIII.

Herr Sachse bespricht Du Bois-Reymond's Rede über eine Akademie der deutschen Sprache. Nach einer ausführlichen Angabe des Inhalts geht er auf eine Beurtheilung der gemachten Vorschläge ein, deren Nützlichkeit und Wirksamkeit ihm in Hinblick auf die Ver- hältnisse in Deutschland und im Aui?land, bei deren Beurtheilung der Vei'f. in Lob und Tadel oft zu weit geht , sehr zweifelhaft erscheint. An der sich anschliessenden Besprechung betheiligen sich die Herren Michaelis und Herr ig.

Herr Lengnick spricht über Freytag's Brüder vom deutschen Hause. Nachdem der Vortr. die Bedeutung des Buches auch für die Verbreitung geschichtlicher Kenntnisse in weiteren Kreisen hervor- gehoben, giebt er eine ziemlich ausführliche Inhaltsangabe des Romans.

Herr Michaelis spricht im An^chluss an eine Bemerkung Wackernagers im III. Band der kleineren Schriften über die Aufnahme, die seine Ansicht über die Aussprache des mhd. z bis jetzt gefunden. Er geht näher auf Bechstein's, Merkel's, Rumpelt's und Rissmann's Ansichten ein, von denen der letztere sich neuerdings des Vortr. An- schauung zuneigte.

IX.

Herr Freytag sprach über das mythische Element in der Dietrich- sage. Dass dasselbe viel v/eniger erkennbar ist als in der Siegfried- sage, liegt zum Theil daran, dass uns die nordischen Quellen nur un- bedeutende Spuren derselben aufweisen: dort fällt Dietrich neben Her- maniich fort. Die historischen Namen fallen mit den Gestalten des Mythus ganz aus einander. Die Hünen (Hünen) der Sage und die Hunnen der Historie, Dietrich und Theodorich sind himmelweit ver- schieden. Hierzu kommt die westphälische Localisirung der Dietrich- sage: Niflungen, Gothen, Pinnen wohnen im deutschen Lande; Atli ist der väterliche Gott; Berchtha und Hertha sind identisch. Dietrich selbst betreffend geht keine Quelle über das 8. Jahrhundert zurück. Nicht ganz unbekannt ist er dem Angelsächsischen ; im Hildebrands- liede erscheint er, und Adoakar als sein Feind. Die mittelalterlichen Chroniken setzen ungeachtet der Anachronismen die Historisirung fort. Beispiele davon, betreffend Diotrich's übernatürliche Geburt, seine Elfen- natur, seinen mit Teufelswerk verbundenen Tod, seine Verjüngungen im Wolf-Dietrich, und Parallelen dazu, seine Umsetzung in den wilden

Arcliiv f. n. Sprachen. LIV. '^^

402 Sitzungen der Berliner Gesellschaft

Jäger werden niitf!;ctlu'ilt. Nach allem ist Dietrich kein andrer als Thor, der in seinem Kampf mit den Rfichon, in seinem freundlichen und zornigen Erscheinen ihm gleich ist. Auch der Name „Volks- könig" erinnert an Thor als den „Herrn der Knechte". (Diese Be- hauptung bezeichnet der Vortr. selbst als schwach begründet.) In manchen Beziehungen erinnert D. an Odin (was weiter ausgeführt und begründet wird). Mit den historischen Ereignissen unter Theodorich haben die Schicksale Dietrich's auch nicht eine entfernte Aehnlichkeit. Herr Foerster sprach über die spanische Litteratur und die Inquisi- tion. Schon von der Zeit der Albigenser her hatte es Tribunale über Unrechtgläubige von Sendboten der Päpste gegeben. Abälard's, Ar- nold's von Brescia, Iluss's u. A. Schriften wurden durch sie ver- brannt. Massregeln gegen die sich neu aufthuende Presse wurden vor dem Auftreten der Reformation kaum ergriffen ; das Lesen der Bibel- übersetzungen aber wurde früh verboten. Schriften über Zauberei u, dgl. gab es in Spanien nur wenig. Die Zahl der Gelehrten, die Zahl der Studenten war dort sehr gross. Freisinnigkeit herrschte vor. Klagen über die Sitlenlosigkeit und Habsucht des Klerus durften laut werden. Gleichzeitig mit Luther verlangte ein Geistlicher Refor- mation — zwar nicht des Dogmas doch der Geistlichkeit. Vor dem Falle Granadas war der Fanatismus durch den Kampf gegen die Ungläubigen abgelenkt worden. Jetzt wurde die Inquisition durch Ferdinand und Isabelle als königliches Gericht eingesetzt, vor Allem um die Einigkeit des Glaubens herzustellen; die Inquisitoren waren vom Könige eingesetzt und absetzbar, Vermögen confiscirten sie zu Gunsten des Königs, standen auch über den Bischöfen: der Geist des Volkes, durch den Kampf gegen die Ungläubigen vorbereitet, leistete nur wenig Widerstand ; die Inquisition wurde vielfach als ein Volkssegcn gepriesen; Auto-da-fes waren Volksfeste. Leider begann die Inquisition ihre Hauptthätigkeit mit der Unterdrückung der Juden, besonders der scheinbar bekehrten, und Morisken, wobei sie das Volk ganz auf ihrer Seite hatte. Doch mit jenen zu sympathisiren, wäre schwächliche Sentimentalität. Der Gedanke „Einheit des Glaubens und des Stammes gehören zur Einheit des Staates" war der leitende bei der Inquisition : das Mittel, durch das sie hauptsächlich wirkte, ein geheiraniss voller Schrecken, dem aber im Volke eine fromme Scheu entsprach. Das Verderbliche lag besonders darin , dass das System der Untersuchung und Verfolgung bis aufs Aeusserste getrieben wurde, und dass so eine schlimme Wirkung auf die freie Entwicklung der Geister geübt wurde. Der Vorsitzende fordert zur Betheiligung an der Subscription zu einem für Ilerbart in Oldenburg zu setzenden Denkmal auf.

für das Studium der neueren Sprachen. 403

X.

Nach einleitenden Worten über die unter Jakob I. und Karl I. am englischen Hofe cultivirte, „Masques" genannte Gattung drama- tischer AufTühriingen gab Herr Vatke Bericht über den Inhalt der „verwandelten Zigeuner" Ben Jonson's : charakterisirte dieselben als im Ton der äussersten Schmeichelei speciell zur Verherrlichung des Königs bestimmt, und gab eine Auswahl von Gesängen daraus in deutscher Uebertragung. Herr N essler besprach in französischer Sprache Leben und Werke Alfred deMusset's. Indem er die bedeutend- sten Dichtungen her\'orhob und charakterisirte, stellte er den Dichter dem in seinen Ideen nebelhaften und moralisirenden Lamartine gegenüber als einen in seinen Gestaltungen durcliaus klaren, den Mantel der Verschämt- heit abwerfenden Maler der Leidenschaften dar, der in Beschreibung und Darstellung der Vrirklichkeit eine wahre Meisterschaft besitzt, und darin anderntheils in vollem Contrast zu den Ungeheuerlichkeilen Victor Hugo's steht; unter allen ist A. de M. am tiefsten in die menschliche Seele eingedrungen. Der Vortr. berührt das Verhältniss des Dichters zu George Sand und lässt die Frage unentschieden, ob das in derCon- fession d'un Enfant du Siecle geschilderte Weib dieser Dame ent- spreche; geht auf die Comcdies et Proverbes ein, von denen er „II faut qu'une porte soit ouvcrte ou fermee" und „Le chandelier" näher bespricht. Mit einer Betrachtung der verfallenden Kraft des Dichters und einem Vergleich mit H. Heine schloss der Vortrag. Herr Fo erst er besprach in Fortsetzung seines früheren Vortrags den Con- flict der Inquisition mit der päpstlichen Gewalt und ihren Kampf gegen den Protestantismus. Philipp II. war nicht Papist; die Päpste gingen ihm nicht energisch genug vor; er benutzte die Inquisition hauptsäch- lich gegen die protestantischen Ideen, die unter Karl V. viel tiefer in Spanien eingedrungen waren als mau gewöhnlich glaubt. Um 1521 begann die Verfolgung protestantischer Bücher, die zu einer lormlich organisirten Censur wurde. Es war die höchste Zeit, als man ener- gisch zur Unterdrückung der protestantischen Lehre schritt : nun wur- den in allen Städten gleichzeitig die verdächtigen Personen verhaftet: in Sevilla allein an einem Tage 800. Nach acht Monaten begann die Vollstreckung der Urtheile, die Auto-da-fes. Man ging ohne Scho- nung vor: selbst Leute wie Alba und Don Juan von Austria, heilige Männer wie Loyola mussten sich Verfolgung gefallen lassen. Endlich beugten sich die besten Geister: es war der Inquisition gelungen, den kühnen und stolzen Sinn der Spanier zu ertödten, die Freiheit derWis- senschall zu unterdrücken. Die Kirche herrschte allmächtig, und Calderon z. B. wurde der katholische Dichter par excellence. Der- selbe Einfluss zeigte sich in materieller Hinsiclit. Der fabelhafte

26 •■

404 Sitzungon tier Berliner Gesellschaft

Zufluss von Reirlitluim aus Indien wurde durcli die katholischen Zwecke abgeleitet; das Land seufzte nntcr Stenern.

XL

Herr Scholle sprach über die a-, ai-, an-, en-Assonanzen Inder Chanson de Koland. Im Ansciduss an Bemerkungen von G. Paris sucht er zunächst zu zeigen, dass das Vorkommen des ai in a- und e- Assonanzen darauf hinweist, dass das Kolandslied zu der Zeit abge- fasst wurde, als der Lautübergang von ai zu e gerade stattfand. Ferner stehe G. Paris' Auffassung der Nasalirut)g mit der g-ewöluilichen nicht im Einklang; doch sei auch nl)gesehcn davon die Trennung der a-e- und an-e-Assonanzen wegen der vielen Correcturen , die sie nöthig mache, nicht zu billigen. Ebenso wie bei ö könnten auch bei a a, ai, au assoniren, ihrer thatsächlich vorkommenden Scheidung liege das Bestreben nach volleren Assonanzen zu Grunde, wenn eine ausreichende Anzahl von Wörtern dazu vorhanden sei. Die weiblichen en-Asso- nan/en seien so wenig wie die miinnlichen von den an-Assonanzen zu scheiden. Dass ein zu den en-, nicht zu den ei- Assonanzen gehöre, liege daran, dass ei vor n eine andere Lautentwicklung duichmache als vor anderen Consonanten. Im Ansehluss an diesen Vortrag be- spricht Herr Lücking die Schwierigkeiten in der physiologischen Erklärung der Nasalen. Herr Scholle bemerkt, es komme ihm weni- ger auf die Frage der Nasalirung an, als auf die richtige kritische Behandlung des Textes der Oxforder Handschrift.

Herr Michaelis begrüsst mit Freuden die Bestrebungen der preussischen, resp. Reichsregierung, eine einheitliche, bessere deutsche Orthographie herzustellen. Wenn auch durch Decrefe der Behörden vieles Falsche in die deutsche Rechtschreibung gekommen, so sei eine Einheit in dieser Frage doch nur von oben her zu erzielen.

Herr Boyle bespricht Thomas Love Peacock's Schriften, nament- lich die Romane. Sie seien trotz vieles Interessenten in England und Deutschland wenig bekannt, weil ihr Hauptzweck, die sarkastische Dar- .-tellung menschlicher Schwächen sei, in der viele sich selbst erkannt hätten. Die neue Ausgabe Bentley's werde zur grösseren Verljreitung von Peacock's Schriften hoffentlich beitracren.

XU.

Herr Lücking sprach über die Ton Verschiebung im Französi- schen. Indem er das lateinische Betontingsgesetz , dass Wörter mit

für das Studium der neueren Sprachen. 405

langer Paenultima den Ton auf dieser, die mit kurzer auf der dritt- letzten haben, mit dem französischen verglich , welches den Ton stets auf der letzten volllautenden Sylbe verlangt, der nur ein dumpfes e folgen darf, stellte er als Grundgesetz auf: Der Ton in französischen Wörtern beharit auf der Sylbe, die er im lateinischen hatte; und be- seitigte zunächst zwei Irrthümer: 1) den der sogenannten Accent- versetzung in donnöns, donnez, neben donne eine Verwechslung von beschreibenden Kategorien mit historischen; das Beharren des Accents aus döno, donamus ist klar. 2) Die Verwechslung von Ton- verschiebung mit der Neubildung von Formen. Letztere gehört gar nicht in die Lautlehre hinein ; ist gar nicht als physiologischer Process zu verstehen. Wenn das Altfranzösische neben joignoit ein joinst = junxit, das Nenfranzösische joignit hat, so ist das Motiv für die Neu- bildung dies, dass im 13. und 14. Jahrhundert das s vor Consonanten verstummte, und so joinst in der Aussprache mit dem part. pass. und der 3. Pers. praes. zusammenfiel. Wie dormoit und dormit neben ein- ander bestanden, so bildete man eine neue Form, die sich zu joignoit verhielt wie dormit zu dormoit. Bei der Untersuchung, ob in latei- nischen Erbwörtern des Französischen wirklich Tonverschiebung statt- gefunden hat oder nicht, sind zwei Klassen von Wörtern zu unter- scheiden. Wörter, wo die Vocale der benachbarten Sylben durch einen Consonanten getrennt sind ; hier führen die Lautgesetze auf Wörter zurück, die a) den Ton auf der viertletzten Sylbe im Lateinischen haben mussten ; veille aus vigilia; trefle aus trifolium u. dgl., und dritte Personen von Perfecten und Plusquamperfecten wie sovrent aus säpuerunt; avret aus häbuerat. Dass im Altlatein ein Ton auf der vorletzten Sylbe existirte, ist von Corssen nachgewiesen. AVenn Man- lius aus Manilius entstand, so konnte der betonte Voca! nicht ge- schwunden sein; es hiess also Manilius. Ferner weist Schuchardt (Vocalismus) eine gleiche Betonung bei W(>rtern nach wie Bäberius (Babrius), Sestilia (Sextlia) und döminicis (domnicis) ; in andren hat sich ein parasitischer Vocal eingeschliclien : pröperie aus proprie; psal- teria aus psaltria. Der Annahme Corssen's entgegen, dass hier in der späteren Volkssprache eine Rückkehr zu einem wirklieh überwundenen Standpunkte vorliege, behauptet der Vortr., dass sich die alte Betonung in der Volkssprache wirklich erhalten, und bei deren Geltend werden in der Lilteratur nun wieder in Erscheinung getreten sei. Demgomäss kann in diesen Fällen von einer T o n ve r s et z un g nicht die Rede sein, b) Andre französische Wörter erklären sich nur daraus, dass bei vor- letzter langer Sylbe der Ton auf der drittletzten lag. vingt kann nur aus viginti, quarante aus quadräginta stammen; chanterent ist = can- larunt und dieses canläverunt ; obeirent = obediverunt ; so auch Par- ticipialformen ; foie führt auf ficatrun; enquete auf inquaesita. Dem entspricht im Altlateinischen dixti = dixisti (Corssen) ; in spiitlatei-

406 Sitzungen der Berliner Gesellschaft

nischcr Volkssprache triginta; f'ecrunt = Ak'crunt ; hoiiri = liönori, c) "Wörter, wo der Ton auf der Vorletzten slalt classiscli betonten Dritt- letzten liegt. «) Wo muta cum liquida als starke Position galt: ton- nerre führt auf tonitru ; entier auf integrum, ß) Composita, die den Ton auf dem Grundwort haben; elevcnt kann nur aus ex-levant, nicht ele- vant; renient aus renegant, nicht renegant ; retient aus retcnet, nicht rctinet kommen. Auch hier ist also von Tonverschiebung keine Rede. Die Wörter, die sich unter diese Kategorien nicht begreifen lassen, sind sämmtlich Lehnwörter, und als solche auch daran zu erkennen, dass sie gegen die französischen Lautgesetze Verstössen (nachgewiesen an utile, utilem). d) Bei gewissen Formen des Artikels und der Per- sonalpronomina, wo die betonte Sylbe geschwundtn ist (h' aus ilhim), erklärt sich dies daraus, dass die Wörter enklitisch gebrauclit wurden. IL In Wörtern, wo Vocale unmittelbar an einander stossen, komn)t wirkliche Tonverschiebung vor; so bei eo, io in ülleul, filiölum; aüenl, aviölum ; linceul, linteölum. Ein Zurückweichen in Perlectformen mit ui : fus, füisti; dus, debüisti. Eine ganze Reihe von Wörtern, in denen die Vocale erst durch Schwinden eines Cousonanten an einander ge- rathen sind, catena, cha-ine, chaine. Hier zog der Vocal, der den volleren Klang hatte, den Ton an sich. Dasselbe dann auch in Diph- thongen: collocata = colchie-e, dann colchi'e. Diphthongen wie oi, ni hatten eigentlich den Ton auf dem ersten Bestandtheile ; es ist j\Ia- nier geworden den Ton auf den letzten Bestandtheil zu ziehen. Per- sonalpronomina als Subject oder Object nach dem Verb bilden mit die- sem eine Toneinheit; bei dumpfem e des Pronomen trägt den Ton das Verb; bei volltönendem Vocal das Pronomen: hier vermuthet der Vortr. in plait-il, croyez-nioi sais-ti'i eine Verschiebung des Tones. Ton Verschiebung also kommt in lateinischen Eibwörtern nur unter der Bedingung vor, dass zwei Vokale an einander glänzen, sei es dass sie dissyllabisch oder monosyllabisch sind, und schon ursprünglich zusam- menstanden oder erst durch Ausstossung eines Cousonanten an einander gerielhen. Herr Giovanoli verlas ein zur fünfhnndertjährigen Jubelfeier Petrarca's von ihm verfasstes Sonett, und gab dann eine Geschichte des Lebens, der Studien und der litterarischen Thätigkeit Boccaccio's, wobei er besonders auf sein inniges Veihälfniss zu Pe- trarch , und Boccaccio's diplomatische Beschäftigung hinwies. Be- sondere Aufmerksamkeit wurde dem Decameion geschenkt , in dem sich Boccaccio als Reformator des Styls und Schöpfer einer classischen Prosa zeigte. Die Lascivität versuchte der Vortr. nicht zu entschul- digen aber zu erklären. Auf die Aehnlichkeit zwischen Boccaccio und Manzoni wurde hingewn'esen, und auf eine neue Ausgabe für Schulen aufmerksam gemacht.

für das Studium Jer neueren Sprachen. 407

XIII.

Herr Foerster führte seine Besprechung über die spanische Inquisition zu Ende. Er betrachtete zunächst die Älassregeln gegen die Presse; die verschiedenen Indices verbotener Schriften in den ver- schiedenen Ländern ; die Verfolgung der Besitzer von Büchern oder aucli nur von Bruchstücken derselben; das Forschen nach dem ge- heimen Sinn von Büchern. Bis 1806 gab es in Spanien kein kriti- sches Blatt, keine Leihbibliothek. Napoleon schaffte die Inquisition ab, aber Ferdinand VII. setzte sie sofort wieder ein. Da man nur Ketzerisches verfolgte, so waren unsittliche Bücher und Theaterstücke nicht selten ; einzelne Beispiele von auffallender Nachsicht bei An- griffen auf die Geistlichkeit finden sich daneben. So entstand in der Litteratur statt wirklich christlicher Gesinnung bigotte Frömmelei; gute Erbauungsbücher gingen aus; die Unterwerfung unter die Geistlich- keit führte zu schlechtem Geschmack, Ersterben der freien Forschung, Unmöglichkeit in Gelehrsamkeit über scholastische Philosophie hinaus- zugehen ; daher Streben der Schriftsteller, nicht zu gelehrt zu erschei- nen , durch Anpreisung der Intoleranz sich zu empfehlen, um für Andres Nachsicht zu erreichen; daneben Correctur der grossen Autoren früherer Zeit. Ein/eine Beispiele von freisinnigen Schriftstellern wur- den mitgetheilt, z. B. aus Alfonso de Virues Philippicae disputationes; aus Juan de Valdes, bei dem sich die Theorie von dem Vertrage des Volkes mit dem Fürsten ausgeführt findet; wie denn überhaupt freie Ideen gegen die Fürstenmacht eher passirten ; dahin gehört auch Que- vedo Villegas' freisinniges Urtheil über den Adel; des für die Inquisi- tion äusserst thätigen Jesuiten Mariana Vertheidigung des Fnrsten- mordes in „De rege et regis institutione" aus Anlass der Ermordung Heinrich's III. dui'ch Jaques Clement. Schliesslich wurde an Cer- vantes'Beispiel gezeigt, wie grosse Geister durch die Inquisition beengt wurden; wie er überall äusserst vorsichtig auftreten muss, überall die Kirche erhebt, die Inquisition lobt, und lediglich die Aufrechterhaltung des freien Willens rettet. In seinem letzten Werke Persiles sprechen die Personen mit ganz besonderer Gläubigkeit. Der in den Schoss der Kirche ziuückgekehrte Renegat ist bei ihm Lieblingsfigur. Auch er entging nicht ganz dem Gericht, da noch nach seinem Tode ein- zelne Stellen des Don Quixole verurtheilt wurden, Herr Bress- lau sprach über die von Champollion Figeac herausgegebene Ystoire de li Norman?.; (nach der Abhandlung in den Jahrbüchern des deut- schen Reiches, Bd. III, Excurs 5) ; der Verfasser war Amatus Mönch von Montecassino; die Schrift ist werthvoll als umfassende Geschichte der Züge der Normannen. Nach Collation der Handschrift, die nur für das erste Buch uii/glich war, zeigt sich, dass der Herausgeber mit der äussersten Flüchtigkeit und sehr oberflächlicher Sachkenntniss ge- arbeitet hat. Die Untersuchung, wie weit die altfranzösische Ueber^

408 Sitzungen der Berliner Gesellschaft etc.

Setzung dem Uiteinischcn Original getreu ist, ergiebt, dass der Ueber- setzor kein Lateinisch verstand , wie auch die Chronique de Robert Viscard zeigt; die Geschichte ist in acht IJüchern mit Kapitelüber- schriften verfasst; aber in keinem der Puicher stimmt das Verzeich- niss der Kapitel mit den Kapiteln selbst iiberein ; ganze Kapitel sind eigenmächtig hinzugefügt; Aenderungen , Verkürzungen und grobe Missverstandnissc sind überall zu entdecken. Kurz, es zeigt sich, dass das Werk des Amatus in die schlechtesten Hände <rerathen ist.

Beurtheiliingen und kurze Anzeigen.

Besprechung von Bernhard Beumelburgs Lehrgang tlcr franzö- sischen S|jrache. I. Theil: Elementargrammatik. II. Theil: Grammatik. Der I. Theil in zweiter, der IL Theil in erster Auflage in Chemnitz bei Eduard Focke erschienen.

Die hier zu besprechende französische Grammatik nennt sich „Prakti- scher Lehrgang zur gründliclien und schnellen Erlernung der franz isischen yprache" unil stellt sich auf den Standpunkt der methodischen Lehrbiicher von Plötz, welche bis vor kurzer Zeit fast unbeschränkt auf unseren Schulen geherrscht haben. Erst seit wenigen Jahren hat f-ich, einem allgemein ge- fühlten Bedürfniss folgend, eine Anzahl deutscher Schulmänner der Aufgabe unterzogen, neue französisclie Grammatiken für unsere Lihranstalten zu schaffen. Durch den Aufschwung der Realschulen in unserem Staate, an denen dem französischen Sprachunterrit bte zum Theil oder ganz und gar die Aufgabe der formalen Bildung zufällt, welche an den Gymnasien das Latein hat, wurde es ein Erforderniss, den theoretischen Bildungswerth, wel- cher der französischen Sprache innewohnt, durch wissenschaftlicheren Unter- richt flüssig zu machen. Diese Aufgabe dem Lehrer ohne eine, dieser An- forderung entsprechende Grammatik allein zu überlassen erwies sich aus mehreren Gründen als nicht thunlich. Die Schulgrammatik von Plötz ist bei allen ihren Vorzügen nicht wissenschaftlich und systematisch genug ge- halten, um eine tüchtige grammatische Schulung zu ermöglichen, sie setzt vielmehr eine durch andere Sprachen gewonnene grammatische Basis voraus und giebt in niethoilisch fortschreitender AVeise in einzelnen Lectionen je ein Stückchen Grammatik, Phraseologie, Vocabeln, Uebungssätze und Aus- sprache; von rein praktischen Gesichtspunkten ausgehend bringt sie den Stoff in mechanischer Anordnung, unbekümmert um die Auseinanderreissung der aus inneren Gründen zusammengehörenden sprachlichen Ersclieinungen. Es fehlt der Plötz'schen (irammatik an systematischer Gruppirung des StoH'es und an jedem Hinweis auf die Sprachgesetze, denen die einzelnen Erscheinungen sich unterordnen müssen. Hieraus erklärt sich, dass durch den Unterricht nach Plötz an den vorher bezeichneten Schulen auch nicht einmal nach der praktischen Seite hin den Erwartungen entsprochen worden ist. Es war also geboten, Grammatiken zu schaffen , welche wissenschaft- licher verfahren ohne unpraktisch zu werden. Ein praktisches \'erfahren ist auch ohne Oberflächlichkeit recht wohl denkbar: sollte nicht vielmehr bei Schülern, die allmählich gewöhnt sind in die Tiefe einzudringen, die wissen- schaftlichere Methode bald die praktischere werden, da bei ihr das positive

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Wissensmatciial niclit melir niecliaiiiscli auswen'lig gelernt zu werden braucht, sondern durcli das (4ef'iige eines als Organismus erkannten Baues im Geiste i'estgelialti'n wird? Von diesem Standpunkte aus sind Gran)inatiken wie die von IJcneeke , sowie die von Steinbart willkommen zu heissen , wenn auch erstere namentlich im elementaren Theil der Verbesseruno; bedürftig, letztere noch nicht in vielen Partien der Billigung praktischer Schulmänner sicher sein sollte.

So nothwendig nun einerseits die Einführung von systematischer gear- beiteten Grammatiken erscheinen mag an Schulen nämlich, welche eines jiTÜndliciien lateinischen Unterrichts entbehren , so ungerechtfertigt ist die Anfertigung von franzö.^ischen Lehrbüchern, welche den Lernstofl" noch mechanisciier darbieten als Flötz. Dieser feine Kenner der französischen Sprache hat die Seidenstücker'sche Methode zu einer Vollendung gebracht, mit welcher sich die Anhänger derselben zufrieden stellen können; aus'icrdem sind seine Uebungsbeispiele schlagend und für den Gesichtskreis der Schüler ihrem Inhalt nach passend gewählt, weder zu trivial noch zu geistreich, sondern einfach, auch ohne den Zusauiinenhang, aus welchem sie nütunter herausgerissen sind, allgemein verständlich , meist sprachlich und sachlich belehrend zugleich. Auch tritt namentlich aus den letzten Auf lagen hervor, dass der Autor eifrig bemüht ist, kleine Mängel und Lücken seines Buches zu beseitigen. Der Grund dafür, dass diese relativ gute Grammatik für viele Lehranstalten unbrauchbar ist, liegt eben in dem Mangel an systema- tischer Behandlung des Materials ; sobald eine solche einträte, würde ja auch die iNlethode verlassen sein. Sonach werden die Plötz'schen Lehr- bücher an Anstalten, deren wissenschaftliches Streben durch gründliche Er- lernung der alten Sprachen ausser allem Zweifel steht , gewiss erfolgreich weiter wirken, denn sie ermöglichen eine schnelle Erlernung des Fran- zösischen.

Die (Grammatik, welche wir hier zu besprechen haben, schlägt still- schweigend die Plötz'sche Methode ein und verspricht auf ihrem Titelblatt neben einer schnellen auch eine «rr und liehe Erlernung des Französischen zu gewähren. Eine eingehende Untersuchung mag darthun, ob sie dieses Versprechen erfüllt.

Sie zerfällt in zwei Theile, in eine Elementargrammatik und eine Gram- matik. Elementargrammatiken haben, wie der Name an<iiebt, den Zweck, die Elemente, die Formen zu lehren. Was von syntactischen Regeln der unentbehrlichen Uebungsbeispiele wecken aufgenommen werden muss oder zur Vermeidung einer mechanischen Einübung der Formen unerlässlich ist, wird sparsam und in der knappsten Form zu geben sein, damit die Conti- nuität des Aufbaues nicht gestört werde. Während sich beim lateinischen elementaren Unterricht die Auseinandersetzung und Einübung einiger schwie- rigeren syntactischen Erscheinungen, wie des Accusativ mit dem Infinitiv und der Ablativi absoluti nicht vermeiden lässt, kann man sich im Fran- zösischen mit weit Geringerem begnügen und muss es thun, um zu den Schwierigkeiten der Aussprache und Orthographie, welche den Anfänger nebst den unjzewohnten romanischen Formen bestürmen, nicht ohne Noth neue hinzuzufügen. Ausserdem ist eine knappe, sich auf das Nothwendigste beschränkende P^'orm für die Elementargrammatik schon deshalb geboten, weil der Schüler die Schulgrammatik, mit welcher er sich innig vertraut machen soll, nicht früh genug in die Hand bekommen kann.

Wer diese Ansichten billigt, wird die Beumelburg'sche Elementargram- matik für nicht ganz zweckmässig erklären. Sie umfasst auf ihren 246 Seiten, deren die Grammatik nur 297 zählt, die Formenlehre und dazu die Syntax in nuce, wodurch in der Grammatik lästige Wiederholungen eintreten ; sie ist als Elementargrammatik zu ausgedehnt, als Schulgrammatik aber nicht ausgedehnt genug.

Der Nerfasser hebt in der Vorrede hervor, dass es hauptsächlich sein

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Bestreben gewesen sei, den Schülern das Erlernen der Conjngalion mög- lichst zu erleichtern und dass er dieses Ziel unter Anderem auch zu er- reichen suche durch die Trennung des Indicativ vom Conjunctiv, durch Trennung der sogenannten dritten Conjugation von den drei übrigen, durch Eintlieiluiig der u nregelmässigeu Verben in nur zwei Klassen, nämlich in solche mit regelmässiger und in solche mit u n rege 1 massiger Bildung der Zeiten.

Was n ersten Punkt, die Trennung des Indicativ vom Conjunctiv an- langt, so wird der Autor wohl kaum einen Beurtheiler finden, wehlier mit ihm hierin eine Erleichterung erbhckte, gewiss aber sehr viele, die sich über die gewaltsame Zerreissung von Zusammengehörigem bekhigen.

Die Ausscheidung der dritten Conjugation ist lobeiiswerth, aber nur dann, wenn in wissenschaftlicher und praktischer Hinsicht Kajätal daraus geschlagen wird. In diesem ganz auf das Praktische gericliteten Buche wäre fs wohl angebracht gewesen, den Schüler minciestens darauf zu ver- weisen, dass .'•ich aus dem Infinitiv der drei übrigen regehuässigcn Conjuga- fionen sämmtliche Verbnlformeu ableiten lassen. Statt nun die dritte Con- jugation den unregelmn'ssigen \ erb in einzureihen , wird sie ^■or denselben als Paradigma gebracht.

Ferner werden die unregelmässigen Verben nur in zwei Klassen einge- theilt, nämlich in solche mit regelmässiger und in solche mit unregelmässi- ger Bildung. Abgesehen von (Jem Ausdruck: unregelmässige Verben mit regelmässiger Bildung, ist die Sache verfehlt. Die \'erben battre, rompre, welche unter der ersten Abtheilung vor Lection 90 aufgezahlt wer- den; sind ganz regelmässig; bei battre fällt das eme t in bestimmten For- men nach einem durchgreifenden Lautgesetz aus, bei rompre stellt es sich in der 3. P. isiing. des Präsens im Indicativ wieder ein. Unregelmässig würden die Formen siin, wenn sieh diese Wandlung nicht vollzöge. Aehn- lich verhält es sich mit der Orthographie des regelmässigen Verbs vaincre. Die Biegung dieser Wörter sowie der Heterocliteu (saillir hervorragen) as- saillir imd tressaillir, welche keine unregelmässigen Formen aufweisen, auch die kleinen Anomalien in saillir hervorragen und cueillir mit seinen Compo- siten waren beim regelmässigen Verb zu besprechen.

Die Eintheilung in starke und schwache \ erben ist bei der geringen Anzahl starker Perfectformen in einer lediglich auf das Praktische gerich- teten Schulgrammatik unbrauchbar, namentlich wenn dem Schüler die Kennt- niss des Latein abgeiit. Das schwierigste Tempus ist das Präsens, dessen Stamm noch dazu die meisten Ableitungen bietet; wer also praktisch ver- faliren will, wird Normen aufzusucheu haben, nach welchen er die Wand- lungen der Formen dieses Tempus gruppiert. Solche Normen bieten sich fast ungesucht und geben eine Theilung der Verba aus Gründen, welche im Wesen der Conjugation liegen, während der Verfasser rein äusser- lich diejenigen Verben ausscheidet, bei welchen das etymologisch Eigen- artige noch nicht verdrängt worden ist, wie z. B. in je fasse von faciam, in je vaille von valeam. Ausserdem treten dabei noch zwei andere Fehler hervor: die regelmässigeren Bildungen werden unter die unregelmässigen gesclioben, z. B. il sied, je m'assieds von sedere, und Zusammengehöriges winl auseinandergerissen, wie s'asseoir von surseoir, tressaillir von saillir. Wir begegnen also hier einem Verfahren, welches beim Aufgeben der Wis- senschaftlichkeit unpraktisch geblieben ist.

Der Verfasser hebt in der ^'orrede auch die besondere Aufmerksamkeit hervor, welche er der Aussj)rache gewidmet habe. „Ich gebe", sugt er, „die betreflenden Kegeln nicht theoretisch am Anfange des Buches, sondern ver- theile sie unter die verschiedenen Lectionen, sorge aber dafür, dass alle als Beispiele gegebenen \\ örter auch in den betreilenden Aufgaben ihre prak- tische Anwendung linden." Hiermit ist das von Plötz mit so grossem Er- folge eingeschlagene und seitdem fast allgemein adoptirte \'erfahren charak-

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terisiert, jedoch mit Ausschluss dos wichtigen Punktes, dass keine Vocabeln zur Einiibuntj; o^bracht werden, bevor nicht ihre hiutlichen Eigenthüralich- keiten^ l)('si)roch('n sind. Ohne X'orwegnahuien ist allerdings eine methodi- sche Granunatik kaum denkbar, aber diejeni<;e wird immer das grössere Ver- dienst haben, welche die Anticipationen möglichst vermeidet, diejenige das geringere, welche sie aufsucht. Plötz hat sie fast sanz vermieden; wo sie sich aber nicht umgeben Hessen, ist der falschen Ausspraclie vorgebeugt. Wie sieht es dagegen in unserer Grammatik aus? Lection 1 findet sich die erste Kegel über Aussprache; sieheisst: „S tum mes e (e m ue t)"; soll heissen: ein e ohne Aecent wird nicht gesprochen und heisst e niuet; etwas Anderes kann man doch nicht aus den bezeichneten Worten herauslesen. Sehen wir uns nun unter den folgenden Wörtern um, welche zur praktischen Anwendung der gegebenen Regel dienen sollen, so finden wir an vierter und fünfter Stelle die Wörter le prince und la princesse, welche von dem der Regel folgenden Schüler prink und prinkss gelesen werden müssen, denn von Nasallauten und der Aussprache des c ist noch nicht geredet und in princesse hat das e im Inlaut keinen Aecent. In Lection 2 soll der Schüler inon, ton, son lernen, während in der vierten Lection erst von der Aus- sprache der Nasenlaute gesprochen wird. Jedoch ist die dort gegebene Wei- sung ungenau, da die Angabe fehlt, dass m und n nieht nasal gesprochen werden, wenn ihnen ein Vocal folgt. In Lection 6 stehen cousine und 6oeur nebeneinander, ohne dass der Schüler über die Aussprache des s unterrichtet ist; in fourchette muss der Anfanger das e im Inlaut wieder für ein stummes halten. Die Lection soll zur Einübung der Aussprache von ou, eu und oeu dienen; über die beiden letzten Lautbezeichnnngen wird nur gesagt: „eu, oeu wie ö'S und als Uebungen folgen die N'ocabeln soeur, fleur, peur, Eugene, deux, ohne dass auch nur hier eine Andeutung über die gewiss nicht unwichtige Verschiedenheit der Aussprache des ö-Lautes in diesen A\ örtern genia.ht wäre oder spater folgte. In Lection 7 heisst es: j.Vor einem männlichen Worte, welches mit einem Consonanten anfängt, sagt man ce'\ da nun auf Seite 1 h zu den Consonanten gerechnet wird, muss der Schüler ce homme sagen. Wie soll nach Seite 1 in dieser Lection liier und avanthier gesprochen werden, zumal da über Bindung noch kein Wort verlautet ist? In Lection 18 heisst es wörtlich: „Ausnahmen von 1 mouilld: In manchen Wörtern wird das 1 deutlich ausgesprochen, 11 jedoch wie ein 1.'' Das Wort sept wird ohne Aussprachebezeichnung ge- geben. jNlais oui (in Lection 24) muss der Schüler nach Lection 11 falsch aus^sprechen. Sens (in Lection 87) unter die Wörter aufzunehmen, in wel- chen das s am Ende gesprochen wird, ist gewagt. In Lection 88 sollte es richtiger heissen: ,,die Endconsonanten der sechs Zahlen cinq bis dix sind stumm vor einem in Bezug auf Anzahl, \ ielheit von ihnen näher bestimmten Substantivbegriffe. In !e cinq mars gehören cinq und märs unleugbar gram- matisch zusammen, und doch wird in cinq hier ebenso unleugbar das q deut- lichgesprochen. Lection 40 verwendet eine besondere Sorgfalt auf die Aus- sprache von Aix - la - Chapelle , Bruxelles , Auxerre , was einigermassen befremdet, da die nach unserer Ansicht wichtige Bezeichnung der Aus- sprache von P^igennanien fast durchweg unterlassen ist. Bei Aix-la- Chapelle hätte der Zusatz: ,,man spricht auch ekse'' fortbleiben (Vergleiche Landais und Lesaint") und statt dessen erwähnt werden sollen, dass die nördlich von Marseille liegende Stadt Aix ekse gesprochen wird. Da auf die Aussprache des ti zwei Lectionen verwendet worden, so hätte man auf Vollständigkeil rechnen können, jedoch ist unerwähnt gelassen, in Lection 45, 3: ortie (sotie, epizootie), bei L. 45, 5 penultieme als Ausnahme, bei L. 45, 7 die bek.innten vier \'erben als Ausnahmen und in L. 46, 5 das Wort quotient. In L. 53 musste über die Aussprache von plns gesprochen werden.

Die hier gemachten Ausstellungen knüpfen sich an das in der Gram-

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matik Gegebene und betreffen auch Dinge von geringerer Wichtigkeit; viel bedeutender ist der Vorwurf, welchen kein AnhänL'er der Gründlichkeit bei der Leetüre dieser Grammatik unterdrücken wird, niimlich dass zu viel Wesentliches mit Stillschweigen übergangen ist. Zum Beispiel findet der Lehrer für die Aussprache des stummen e, des o, eu, a weder Regel noch Uebungsmaterial, und doch kann die Aussprache dieser Laute, insofern sie vom Deutschen in bestimmten Lautverbindungen abweicht, nicht uner- wähnt bleiben, weil wir liier mit einer lebenden Sprache zu rechnen haben, gegen deren phom-tische Gesetze zu Verstössen der Ausländer sorg- fältig vermeiden uiuss. Entweder war die Aussprachelehre dem Lehrer gänzlich zu überhassen, oder es musste so viel Sorgfalt auf die Darstellung derselben verwendet werden, dass \\'esentliches nicht übergangen und in dem Gegebenen nicht so viel Ungenaues geboten wurde.

Auch in der Anordnung und Fassung der Regeln scheint uns häufig nicht das Richtige getrolTcn zu sein. Wir werden die Lectionen in iiirer Reihenfolge durch beide Theile hindurch verfolgen und die Elemeutargram- niatik mit 1, die Grammatik mit II liezeicimcn.

In Lection I, 2 steht: ,,Hü!fsverb und Particip stehen im Französischen beisamnien." Dies Ist zunächst unrichtig; die längsten adverbialen Bestim- mungen können Hülfsverb und Particip trennen. Der Verfasser meint: „Im Französischen steht das Object hinter dem N'erb", fürchtet sich aber, den Begriff ,,Objecf' in die Elementargrammatik hineinzuziehen, während nach unserer Ansicht ein Schüler, welcher die Bestandtheile des einfachen Satzes nicht kennt, überhaupt eine fremde Sprache zu lernen nicht im Stande ist. Wir haben in der zweiten Lection des Buches also schon ein Beispiel einer falschen Darstellung, welche bei grösserem Streben nach Gründlichkeit vermieden sein würde. In Lection I, 5 begegnen wir einer Fassung, welche aus derselben Quelle fliesst; es heisst dort: „Man sagt im Französischen nicht: Ich hatte das \ ergnügen, deinen N'ater zu sehen, sondern: Ich hatte das ^'ergnügen zu sehen deinen Vater." Wir möchten fragen, was wohl praktischer ist: dem Schüler klar zu machen, dass das OViject hinter dem Verb stehen muss, oiler ihm zwei Regeln zu geben, von denen die eine falsch ist, die andere den speciellen Fall angiebt, aus welchem sich ein begabter Schüler, welcher schon sonst von Subject und Object gehört hat, im günstigsten Falle die Regel selbst construircn liann. Dazu kommt noch: der Verfasser mag sich vi n vornherein auch um die Regel herumwinden, schliesslich wird er doch genötbigt, sie zu bringen.

Lection I, 9 lesen wir: „Nach plus und moins muss de gesetzt werden, sobald ein Substantiv folgt." Also nicht, wenn ein Adjectiv folgt? Wäre es nicht viel einfacher zu sagen: \A enn plus un^l moins zur Bestimmung einer Anzahl von Dingen oder Personen dienen, so folgt ihnen de? Um die Regel den Kindern noch fasslicher zu machen, kann man hinzufügen, dass man in diesem Falle plus de mit über, moins de mit unter übersetzen kann. Aus dieser Uebersetzung wird ausserdem der Lernende erkennen, dass es sich in diesem Falle um eine Quantitätsangabe, nicht um einen Ver- gleich handelt. Merkwürdig ist, tlass Verfasser, obwohl er die Glieder des einfachen Satzes bisher zu nennen vermieden hat, in dieser Lection von Nachsätzen redet, und zwar im hypothetischen Satze, welcher hier schon gebracht wird, aber ohne dass eine durchgreifende Regel gegeben würde; nur in Beispielen, von denen wir die beiden ersten betrachten wollen. Sie heissen: Si j'avais plus d'argont, j'aurais achete ce jardin. J'aurais achete ce gilet, si j'avais plus d'argent. Da der Schüler keine Regel in seiner Grammatik fintiet, wird er aus obigen Beispielen folgende (ionstruiren : „Im hypothetischen Satzgefüge entspricht das Imperfect dem Conditionalis II", während dies gewöhnlich dem Plusqunmperfectum zuiällt. Der hypo- thetische Satz wird also dem Kinde in einem Ausnahmefall vorgeführt, welcher sich später noch durch zwei deutsche Beispiele illustriert findet.

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In r.cction I, ];? kommt die zusummenncsetztc Inversion und die Con- oordiinz dos Priidicatsnoniens und Suhjects zur Anwendung, ohne dass eine Kegel «iogebou ist.

Nach Lection I, 18 („die Substantifs der Völkernamen werden gros.«, die gleichlautenden Adjeetifs klein gesehrieben) miisste es heissen: VIM- vdtieu, /ielvetien, aber //elvetique, weil es nicht mit dem Sub-^tantiv gleieh- lautet. Die Uebung.^beispiele zu dieser Lection setzen den Gebrauch von h, en und dans bei Städte- und Ländernamen voraus, jedoch ist noch keine Kegel darüber gegeben.

Lection I, lU ist zu reichhaltig und doch ist nicht angegeben, dass der Superlativ auch durch A'orsetzung des Possessivpronomens vor den Compa- rativ gebildet werden kann. Die schon Lection I, 9 gerügte Regel über plus und moins kehrt hier in derselben Form wieder, nur dass sie auch auf autant und tant ausgedehnt wird; demnach wird der Schüler schreiben l'ar- gent ne vant pas tant c?'or.

Lection I, 24 heisst es: „Der Dativ steht auf die Frage: wem, an wen, wo, wohin?-'

Lection I, 2G wird der Genitiv des Fragepronomens so angegeben: ,,de qui, von wem?" Die Form „wessen" wird gar nicht erwähnt.

In Lection 1, 30 (: ,,Wenn vor dazu dient, einen verflossenen Zeitraum zu bezeichnen, so wird es durch il y a gegeben, z. ß.: il y a deux mois") ist der Ausdruck verfehlt und das Beispiel il y a deux mois ohne Verb nichtssagend, da es allein auf den Zeitpunkt ankommt, auf wel- chen sich der Sprechende stellt.

Da die französische Sprache der Declinatlon entbehrend die Casus nur durch Präpositionen bezeichnet, hat ein Tbeil der Grammatiker, welchem es fern lag, vergleichende Gesichtspunkte zwischen dem Französischen und Lateinischen oder Deutschen aufzustellen, die Casuslehre in Präpositions- lehre aufgelöst. Ob nicht der Hegrilf der Casus im Französisclien noch reichlich vorhanden, ob nicht z. B. in: j'ai montre au frere de mon ami les curiosites de ct-tte ville und in il est au j ardin unvereinbare Differenzen liegen, möge dahingestellt bleiben, nur können wir erwarten, dass Jeder seine Auffassung consequent durchführt. Während wir nun in Lection I, 24 „ä Paris in P., nach P." als Dativ finden, wird in der Präpositionslehre Lection I, 30 a. Paris als Ortsangabe gebracht. Auf diese Weise kann der Schüler unmöglich einen Begriff' von der Bedeutung der Casus erhalten.

Die Leiue von der regelmässigen Conjugation (mit Ausschluss der dritten) beginnt mit Lection 33 und schliesst mit Lection 73 ab. Die Be- handlung lies Verbs ist so genau dieselbe wie bei Plötz, dass wir bei Be- sprechung derselben mit diesem und nicht mit Herrn Beumelburg rechten würden. Nur in der Vertheilung des Stoffes weicht Letzterer von Ersterem ab, so nämlich, dass er allen Zusammenhang vernichtet. Die vom Präsens- stamm abzuleitenden Formen werden in Lection 37, 44, 49, 72 behandelt; in den grossen Intervallen befinden sich Ausspracheregeln, Zahlwörter, Ktwas vom Gebrauch des Artikels, Pluralbildung, das persönliche Pronomen, Nega- tionen, Relativpronomen, Interrogativpronomen, Demonstrativa, Possessiva, tout, syntactische Regeln über den Gebrauch des subjonctif in bunter Reihe. Wie wenig vortheilhaft ein solches Verfahren für die Geistesbildung des Schülers sein wird, Hegt auf der Hand, da das Heterogene, welches sich überall zwischen das Zusammengehörige eindrängt, den Schüler zerstreuen nms.«.

Ausserdom sind uns noch Einzelheiten aufgestossen, deren Fassung wir nicht beizustimmen vermögen. Lection I, 38 kommt wieder eine Regel über plus und moins, welche in ihrer Allgemeinheit ialsch ist. Nach derselben („Wenn auf plus oder moins ein Zahlwort folgt, so wird als durch de über- setzt") wird der Schüler folgerichtig sagen : quatre yeux voient plus de deux. Das Streben, ohne grammatische Grundbegriffe Grammatik zu treiben, hat den Verfasser dahm gebracht, statt einer bündigen Regel,

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welche den Schüler vor allen Irrthiimern zu bewahren vermöchte, deren drei zu geben, welche den Lernenden in Ungewissheit über den Gebrauch lassen.

Lectioa I, 51, 7 zieht, in Nachahmung des Plötz, sogar das Latein in einem Falle in die Formenlehre hinein, wo es recht gut zu entbehren ist. Der Verfasser hat sonst streng vermieden, das Lateinische zu Hülfe zu rufen; um so auflallender ist es, dass er sich auch hier an Plötz anlehnt.

Lection l, 53 wird ne pas non plus, ne point non plus gelehrt und in den Uebungen findet sich der Satz: eile ne le bläme pas non plus. Wir entsinnen uns nicht, bei guten Autoren pas oder ])oint non plus ge- lesen zu haben. Mätzner, Fraiizös. Gr. u. 164 d, sagt, dass der Gebrauch von pas und point vor non plus selten sei.

Lection 1, 58 heisst es: „ea verlrltt meistens einen Genitif, y meistens einen Datif" sc. des persönlichen oder hinweisenden Fürworts.

In Lection I, 74: „Da die Ausdrücke der Freude . . . den Subjonctif regieren, so ist nach denselben wenn durch que zu übersetzen" enthalt eine falsche Folgerung und eine sachliche Unrichtigkeit. S. den Satz der Aca- demie: Ne vous etonnez pas sMl en use de la sorte. Vgl. Mätzner, fr. Gr. § 117.

In Lection I, 75 wird 1. zu den Relativpronomen perechnet; 2. sollen sich Superlative und Hauptsätze auf den Kelativsalz beziehen und nicht vielmehr umgekehrt.

Warum werden in Lection I, 7 7 sans, pour, apres nicht zusammenge- stellt?

Lection I, 81 und 82 behandeln das pronom personnel absolu in un- nöthiger Breite. Da je suis chez moi durchconjugiert wird, hätte auch on est chez soi eine Stelle finden können.

Die Regeln in den Lectionen I, 84 bis 88 sind fast ganz der Schul- grammatik von Plötz entlehnt.

Mit Lection 90 beginnt die Behandlung der unregelmässigen Verba, über welche wir schon in der Einleitung unsere Ansicht ausgesprochen haben. Trotz der Arbeiten von Lücking und Steinbart über das iranzösi- sche Verb giebt es immer noch Grammatiker, welche eine mechanische An- eignung der unregelmässigen \ erba empfehlen. Auch Beumelburg nimmt auf die bahnbrechenden Arbeiten der vorhergenannten Grammatiker keine Rücksicht, sondern giebt die althergebrachte Darstellung mit den oben be- sprochenen unwesentlichen, aber unvortheilhalteu Aenderungen.

Folgende Einzelheiten sind uns aufgefallen: dass faire (Lect. I, 92) mit avoir conjugiert wird, lernt der Schüler erst aus den Uebungsbeispielen. Bei elire roi (Lect. I, 95) sollte qn. als Objectsaccusativ nicht fehlen. Unter den Uebungen findet sieh nur ein einziges passivisches Beispiel. Dass der Imperativ von vouloir in en vouloir veuille heisst, ist nur aus den Uebungs- beispielen ersichtlich. Que je fasse wäre in Lection I, 110 besser durch- conjugiert worden. Bei close (Lect. I, 112) fehlt ils closent, que je close, imperat clos.

Im zweiten Theil, zu dessen Besprechung wir jetzt übergehen, berührt der Mangel an System noch unangenehmer als im ersten. Die einzelnen Erscheinungen werden nirgends nach ihrem inneren Zusammenhange ge- bracht, nirgends findet man eine gesetzmässige Gliederung des Stoßes, wie sie sich aus dem Sprachgeiste ergiebt. Ueberall sind, wie bei Plötz, prak- tische Gesichtspunkte massgebend gewesen für die Gruppierung der Re<;elii; Alles ist äusserlich zusiimmengebracht und schliesst sich, mit Ausnahme weniger Modificationen, eng an Plötz an, so eng, dass wir uns nicht wun- dern würden, wenn derselbe gegen ein derartiges Verfahren Protest ein- legte. Dass bei diesem Verfahren, zumal da nur die nothwendigsten syn-

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tactischen Regeln gegeben werden, von einer grüudllclicn Erlernung des Französischen pcsprociien werden kann, ist uns unbegreiflich.

J)ie He.-;j)refliung der Einzelheiten wird sich, bei der erwähnten Anleh- nung an IMüiz, leiliglieli darauf beschränken müssen, zu zeigen, wo dieser verbessert oder verschlechtert worden ist.

Die Lectionen II, 1 bis 5 stimmen mit Plötz' öchulgrammatik Lection 24 bis 27 iilierein mit Ausnalime unbedeutender Hinzufügungen in II, li partir losgehen, retouriier wenden, in II, b bien meriter und über den Ge- brauch des verbe pronominal statt des Passivs. Die Behandlung der unper- sönlichen Verben in II, G ist eingehender und besser als bei Plötz, zum Theil auch die der Tempora in II, 10 bis 18, jedoch sind die Regeln über den Gebrauch des imparfiiit und [jasse defini unzureichend oeblieben, auch bieten sie zum Theil mangelhaften Ausdruck ; z.B. ,,das Imparfait bezeichnet, die bereits eingetretene Handlung oder den bereits eingetretenen Zustand'' nämlich in Beziehung auf eine andere Handlung; ohne diesen Zusatz ist die Regel ungenau. "Wie bei Plötz ist auch folgende Regel ungenau: ,,SolI die Gleichzi'itigkeit der Handlungen ausgedrückt werden, so stehen beide im Jmparfait"; für ,,die gleichzeitige Dauer zweier Handlungen-'. Indess ist die Tempuslebre, wenn auch nicht liefgehend, doch eingehender behandelt als von Plötz un I bringt manche praktische Bemerkung, dagegen ist das über den subjonctif Gesagte ohne allen inneren Zusammenhang und dem Plötz treu nachgeschrieben. Besonders auflallend ist, dass zu der Regel : „der .Subjonctif folgt auf que nach den Verbes des Sagens und Denkens, aber nur, wenn sie verneinend, fragend oder bedingend stehen'' in Bezug auf das „bedingend-' keine Beschränkung oder nähere Erklärung gegeben wird, obwohl gerade dieser Punkt Schwierigkeiten macht; auch findet sich weder unter dem Te.\t der Regel noch in den Uebungen ein Beispiel dazu. Die Regel über den subjonctif nach de sorte que, de fa9on que etc. ist Lection II, 25 besser gefasst als bei Plötz ; dagegen Lection II, 26 wieder diesem nachgeschrieben. Bei Beiden soll sich der Hauptsatz auf den Relativ- satz beziehen. Merkwürdig ist folgende Entlehnung: Plötz sagt in der Regel über den Gebrauch des subjonctif in Objectssätzen, welche von einem in der Bedingung stehenden Verb des Sagens oder Denkens abhängig sind, es komme darauf an, „ob die Bedingung nach der Idee des Sprechenden der Wirklichkeit entspricht". Dies überträgt Beumelburg fast wört- lich auf den durch das Relativ ausgedrückten Absichtssatz und sagt: „Der Subjonctif steht nach den Pronoms relatifs qui, que, dont, (! !) etc. : wenn durch den Relativsatz etwas Ungewisses bezeichnet werden soll. Wenn aber der Relativsatz (soll heissen: der durch den Relativsatz ausgedrückte Gedanke) der Anschauung des Sprechenden gemäss der Wirklichkeit ent- spricht, so steht der Indicatif." Dass die beiden Relativsätze, welche der Verfasser als Belegstellen für seine Regel bringt, Absichtssätze sind, ist demselben entgangen ; aus seinen Beispielen : Je cherche ün domestique qni me soii fidele und Je cherche un domestique qui me sera fidele geht nur liervor, dass als Modus der Absicht nicht nur der subjonctif, sondern auch der Indicativ im Futurum gebraucht wird. Lection II, 28 ist besser und vollständiger als bei Plötz; jedoch hätte en venir k faire nicht unerwähnt bleiben sollen. Lection II, 29 über den Infinitif mit k ist rein äusserlich zusammengestelltes Material. In Lection 11, .31 sind die Beispiele der Aca- demie besser als die von Plötz gewählten. Die Regel über den (iebrauch von ä bei continuer ist nicht gut ausgedrückt. Lection II, 32 schliesst sich so eng an PlÖtz an, dass nicht einmal eine bessere Anordnung gemacht und wie dort en sorte de ausgelassen ist. In Lection II, .34 ist der Unter- schied zwischen dem Gebrauch des participe present und dem geiondif gar nicht, der zwischen dem participe present und dem adjettif verbal nicht klar genug angegeben. Lection II, 35 handelt von der Uebereinstimmung des mit avoir conjugierten participe passe mit dem dem Verb vtjrangehenden

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Objecte in der iiergebrachten Weise, obwohl es viel nafürliclier wäre, den Sprachgebrauch auf die passivische Natur des part. passe zurückzuführen und den erst von Meij^ret im lü. Jahrhundert eingeführten modernen Ge- brauch (die Unvcräudcrlichkeit des part. passe, wenn ihm das Object folgt) als Ausnahme hinzustellen. Mit demselben Rechte, wie es heisst : ä, son retour, le Chevalier trouvait reprim^e une autre tentative d'emigration (latei- nisch : inveniebat conat?(»( repressam) und wie das Altfranzösische das part. passö mit dem Objecte bei jeder Stellung desselben in Concordanz bringt, sollte es auch heute noch heissen: le Chevalier avait r^primee une tenta- tive. Aber anstatt von dem Ursprünglichen auszugehen, stellen die Gram- matiker die von Meigrct gemachte und sich auf die Verflüchtigung des pas- sivischen Begriffes des part. passe gründende Ausnahme als Regel auf und erschweren dadurch die Erklärung dieser orthographischen Eigenthümlich- keit, anstatt sie als fine auf der Hand liegende darzustellen. Bei Lection II, 3.T, 6, wo gelehrt wird, dass das pait. passe sich nachdem bei f|ue oder combien stehenden Genitiv richtet, hätte erwähnt werden !^ollen, dass sich das part. passe auch dem von Collectivbegriffen abhängigen Genitiv assimi- liert; z. B. le peu de leyons que j'ai j^ri.'-f.s (Acad.).

Nach der Regel Lection 36 Nr. 9 wird es dem Schüler schwer werden, sich im Sprachgebrauch zurecht zu finden, zumal da die den Beispielen bei- gegebenen Uebersetzungen ihn nicht unterstützen. Der Satz: la dame que nous avons vue peindre wird vom Verfasser wiedergegeben durch: „die Dame ist von uns gesehen wonlen, nämlich wie sie malte", während es sich doch nm ein actives Verb handelt, also vielmelir heissen muss: die Dame, welche wir gesehen haben, nämlich malend; und Beispiel 2 sollte über- setzt werden: die Dame, welche gemalt wurde, wie wir sahen, denn hier handelt es sicli um die passivische Bedeutung des Infinitiv. Daher muss auch, da Intransitiva kein Passiv bilden können, das part. passe bei ihnen in dieser Wendung flectiert werden; z. B. je Tai vue tomber.

Der Verfasser hat sich bei den f^'egeln über die Orthographie des part. passe genau an che Darstellung in Plötz' Schulgrammatik gehalten, auch bei den orthographischen Bestimmungen von ci-joint und ci-inclus, welche Plötz selbst in seiner Nouvelle grammaire fr. verbessert hat.

Lection II, 36. Dass nach plupart mit davon abhängigem Genitiv Plur. das Verb im Plural stehen muss, ist wie bei Plötz ausgelassen, obwohl der Schüler durch diese Lücke in Verlegenheit gerathen wird.

Lection II, 42 sind a plus forte raison und tout au plus ausgelassen. In Lection II, -13, Nr. -1 fehlen die vier \'erben ajouter, repondre, succeder, opposer. lieber den Gebrauch der Tempora in der Umschreibung mit c'est- que, ce fut-que etc. musste der Schüler belehrt werden. Von der Stellung des ciiconstanciel ist gar nicht die Rede.

Lection II, 46 ist das über envers und contre Gesagte auch in Plötz' Schulgramniatik zu finden; wie ist aber damit fache contre in Ueberein- stimmung zu bringen?

Die Lectionen 45 bis 47 enthalten recht praktische Regeln, lehnen sich aber sehr an Plötz an. Wie dort sind auch lüer die unentbehrlichen Unter- schiede zwischen selon und suivant, zwischen etre suivi de und par ausge- lassen.

Lection II, öl ist der Unterschied zwischen si und quand nicht klar- gelegt und nicht an Beispielen dargestellt. Bei que wäre die in den Klas- sikern vorkommende pleonastische relative Verknüpfung durch que zu er- wähnen gewesen.

Lection 11, 53 fehlt septuple. Die Redensarten stammen meistens aus Plötz.

Von Lection II, 34 an wird die Ueberelnstimmung mit Plötz so genau, dass eine Besprechung dieses Tlieils die Plötz'sche Schulgrammatik treffen würde. Nur einige Abweichungen seien noch erwähnt: Lection II, 56 heisst Aachiv f. n. Sprachen. LIV. 27

418 Beurtheilungcn und kurze Anzeigen.

es: ,,Wenn vor dem Substantiv ein Adjectiv steht, so wird der Article par- titif in allen Fallen . . . durch die Präposition de ohne Article ausge- drückt." Davon werden vier Ausnahmen angeführt: des jcunes gens, du bon sens, de la bonne volonte, du petit-lait.

Lection II, (jö. Die Hegel über die l'lurulbildung der zusammenge- setzten Substantiva ist gar nicht zu gebrauchen; ebenso i^st das über plus- plus, moins-plus etc. in Lection 11, (j7, Nr. 10 Gesagte völlig unzureichend. Die Regeln in Lection 11, 69 sind zu dürftig und die Adjective, wekhe nur bei bestimmten Substantiven die Bedeutung durch die Stellung ändern mit denen vermengt, deren Bedeutung durch die Stellung immer verändert wird.

Die vielen Wiederholungen aus dem Elementartjuch zu notiren, wird uns gewiss gern erlassen werden.

Wenn wir aus dem bisher über d'w Darstellung des grammatischen Stoffes Gesagten das Facit ziehen, so wird die auf dem Titelblatt ver- sprochene Gründlichkeit der Erlernung des Französischen sehr in Frage gestellt.

Betrachten wir nun die für eine methodische Grammatik ausserordent- lich wichtigen Uebungsbeispiele, so macht sich zwischen den in der Ele- mentargrammatik enthaltenen und denen des zweiten Theils ein grosser Un- terschied bemerkbar. Letztere bringen meistens die Regeln so klar zur Anschauung, dass die mangelhafte Fassung derselben zum Theil durch die guten Uebungsbeispiele unschädlich cemacht wird ; dabei verfallen sie nur selten ins Triviale. Es kann dem Verfasser natürlich durchaus kein Vor- wurf daraus gemacht werden, dass er Lesefrüchte dazu verwendet hat; wo dies nicht geschehen ist, namentlich in einigen zusammenhängenden Stücken, trifft sie allerdings der A'orwurf, welche wir den Uebungen der Elementar- grammatik machen müssen. Wir sind weit davon entfernt, immer geistreiche, ihres Inhalts wegen interessante, auf allen Gebieten des Wissens belehrende Sätze zu verlangen, da wir wohl wissen, dass die Aufmerksamkeit des Schülers vom Sprachlichen absorbiert wird und werden soll. Indess fällt auch gelegentlich ein gutes oder schönes Wort auf ein gut Feld und trägt Frucht ohne dass der Säemann etwas davon merkt, während Trivialitäten, welche der Lehrer mit den Schülern durchnehmen muss, weil sie im Lehr- buch stehen, und welche er so gewissermassen sanctioniert, nur eine schlimme Wirkung haben können. In der Elementargrammatik stellt der Verfasser diese Zumuthung fast in jeder Lection an den Lehrer. Wir greifen des Beispiels wegen einige Sätze heraus: ,,C'est le meilleur cigare que j aie jamais fume. Vous etes un fumeur enrage, vous etes le plus grand fumeur qui soit au monde. Ich suche einen Sprachlehrer, welcher unterrichtet und zu gleicher Zeit thätig ist ! Höre endlich auf zu spielen; du bist ein wülhender Spieler, du bist der grösste Spieler, welcher in der Welt ist." (Lect. I, 75). ,,Pourquoi ton cousin avait-il vendu son cou- teau ? Warum hat Eugen seine Uhr verkauft?" (Lect. I, 6.) ,,Votre encre est-elle bonne on mauvaise? Elle est mauvaise, eile est plus mau- vaise que celle de Pauline; eile serait moins mauvaise, si eile n'^tait pas trop epaisse. Wir sind müde, aber unsere Cousinen sind sehr müde." (Lect. I, 21.) Die Mehrzahl der Sätze fast jeder Lection ist von der Be- schaffenheit der eben citierten.

Was die Auswahl und Anordnung der den einzelnen Lectionen bei- gegebenen Vocabeln anlangt, so haben wir uns I. Lection 27, 64, 68, 84, 85, 86 als der Verbesserung bedürftig notiert.

Die Correctur der Druckbogen hat nur drei Versehen stehen lassen, Lect. 1,31 Pois mour statt mois pour. Lect. 1,100 ist in der letzten Zeile ein 1 abgesprungen, Lect. II, 13 taut für tant.

Magdeburg.

E. Gerlach, Oberlehrer an der höheren Gewerbeschule.

Beurthellungen und kurze Anzeigen. 419

Ludwig der Baier. Ein Schauspiel in fünf Aufzügen von Ludwig Uhland. Schulausgabe mit Anmerkungen von Dr. Heinricli Weismann in Frankfurt am Main. Stuttgart, Cotta, 1874. (LXXL 116.)

Jeder Lehrer des Deutschen in den höheren Klassen unserer Schulen weiss, dass die Zahl der Dramen, deren volles Verständniss nach allen Seiten hin den Schülern ohne Bedenken zugemuthet und durch den Unterricht vermittelt werden kann, eine sehr beschränkte ist. Zu ihnen gehören ohne Zweifel die beiden Uhland'schen, von denen das eine „Ludwig der Baier" in der Bearbeitung des Herrn Dr. Weismann vorliegt. Die Ver- herrlichung deutscher Treue, der Grundgedanke und das Hauptmotiv des Drama's, ist etwas, was jeden Schüler anrauthet und in die Nachweisung: wie dieser Grundgedanke in dem vorliegendem Drama geschichtlich und poetisch sich verwirklicht, wird jeder Lehrer mit Freuden eingehen. Es fehlte wohl bisher nur an einer wohlfeilen Einzelausgabe, um diese Dramen als stehende Schullectüre einzufuhren, und diese Anforderung wäre denn durch die vorliegende Ausgabe für das eine Drama erfüllt. Obgleich aber der Director Dr. Foss in einem öfientlichen Vortrag vom Jahre 1863 ganz rich- tig bemerkte: „der Dichter hat sich so in die alten Chroniken eingelebt- sie sind ihm so lebendig geworden, dass er ihren Inhalt mit Worten wieder, giebt, die nicht allein schön und dichterisch, sondern auch dem schlichten Zuhörer verständlich sind", so ist es doch klar, dass erst eine recht genaue Kenntniss der in dem Drama berührten historischen Verhältnisse das volle Interesse an demselben hervorruft und den ganzen Wertli der Uhland- schen Arbeit ans Licht stellt. Diesem Bedürfnisse des Lehrers sowohl, der nicht die Zeit hat Specialstudien in dieser Hinsicht zu machen, als auch des Schülers, der sich in die Anschauungsweise des im Drama behandelten Zeitraums hineinarbeiten will, ist durch die umfangreiche Einleitung des Herausgebers (LXXI Seiten), sowie durch die „sachlichen Erklärungen" des Anhangs vollkommen und in höchst praktischer Weise Genüge geleistet. Es ist uns kein im Drama erwähntes Moment vorgekommen, worüber man nicht in den Erläuterungen interessante Belehrungen fände, die zugleich von der umfassenden und gründlichen Kenntniss des Erläuterers von den Zuständen in Ereignissen des sonst verhältnissmäsbig gerade nicht selir gekannten vier- zehnten Jahrhunderts Zeugniss ablegen. Derselbe war übrigens durch seinen 1863 erschienenen Commenfar zu Uhland's dramatischen Dichtungen für diese Arbeit vorbereitet Wir freuen uns , dass die Cotta'sche Buchhand- lung diese Arbeit den rechten Händen übergeben hat und bolien, dass durcl» dieselbe eine eingehende Kenntniss dieses Uhland'schen Werks in die weiten Kreise unseres Volks, insbesondere unserer Schuljugend sich verbreiten wird.

Märkel.

La france comique et populaire. Ein Beitrag zur Kunde der heiteren Seite des französischen National- Charakters sowie der Volkssprache in Paris. Von Dr. J. Baumgarten. Stutt- gart, P. Neff.

Der Herausgeber des verdienstlichen Glossaire des idiomes populaires, dessen Fortsetzung leider schon so lange auf sich w;irten lässt, bietet uns in dem vorliegenden Werkchen eine Sammlung von Scenen aus dem V^olks- leben, welche Ref. mit dem lebhaftesten Interesse gelesen hat. Der soge-

27*

420 licurtheilungen und kurze Anzeigen.

nannte Esprit boulovardier, einErzeugniss iler nationalen Blague tritt uns darin so reclit frisc'l» und voll Leben entgegen, dass man das Ganze, wie es der Verf. will, mit Recht als eine Textsammlung aus der Volksliteratnr ansehen kann. Die be.'^ten neueren Schriftsteller bringen gelegentlich eine solche Menge vnn Ausdriit ken aus (]on Regionen der Langue verte, dass man sich oft vergeblieh nach einer EikUirung solcher slang-Wörter umsieht, und es ist doshalb sehr dank'Miswerth, dass der Herausgeber überall, wo es irgeiul nöthig ist, eine ErkUiiung der hetrefienden Ausdrücke unter dem Te.xte «.ge- geben, und in einem Anhange noch ein besonderes \'erzeichniss der Neolu- gisnien und Wörter aus der \'olkssprache beigefugt hat. Der Text zeij;t eine grosse Mannigfaltigkeit, wie dieses schon die behandelten Gegenstände darlegen werden: „Les blagueurs. Voyage autotn- d'une fete publitiue. Les cabotins. Les theatres pour rire, Les saltimbanques en robe de cham- bre. Les batelenrs. Charges. L'etudiant. Ce que femme veut. Une visite k Texposition. I/execution. Un bal travesti. Le fläneur. Les co- miques. Au village. Scencs eomiques" etc.

Die urwüchsige lachende Philosophie der Franzosen zeigt sich bei den vorgeführten Scenen im besten Lichte, und was den sprachliche'! Ertrag betrlfi'r, so verdient es ganz besondere Anerkennung, dass sich der Heraus- geber bei seiner Auswahl auf solche Wendungen und Ausdrücke aus der Volksliieratur beschrankt hat, welche gegenwärtig in die Schriftsprache be- reits eingedrungen sind.

Neben angenehmer Unterhaltung bietet das Werkchen reiche Beleh- rung und Ref. kann es deshalb bestens empfehlen.

ßaensch's Pocket Miscellany. Vols 30 et 31. Dresden, Wil- liam Baensch, 1875.

Schon in früherer Zeit ist In dieser Zeitschrift auf die obengenannte Sammlimg aufmerksam gemacht worden, von der soeben wieder zwei neue Hefte erschienen sind. Gleich ihren Vorgangern empfehlen sich dieselben durch einen wahren Reichthum interessanter kleiner und grösserer Erzäh- lungen, welche die ^'erlagshanlllung sehr schön aut^gestattet hat. Der Lihalt dieser Novellen ist eben so anziehend als sauber, und wie sich die treff- liche Sammlimg zur Privatlectüre überhaupt in vorzüglichem Grade eignet, werden auch die vorliegenden Hefte recht weite Verbreitung unzweifelhaft finden.

1. Eno;lisches Losebuch für Töchterschulen von Dr. O. Ritter.

Berlin bei llaude & Spener.

2. Outlines of the History of English literuture by A. Graeter.

Basel bei DetlofF.

3. Englisches Lese- und Uebuno-sbuch für obere Classen von

Dr. H. Th. Traut. Leipzig bei G. Körner.

Die Herausgeber obiger drei Lesebücher haben sieh zu der Veröfl'ent- lichung ihrer Werke veranlasst gesehen, weil die vorhandenen ähnlichen Sammlungen dem speclellen Bedürfnisse für ihren Unterricht nicht genüg- ten. Mag man nun auch zugeben, dass in Beziehung auf Töchterschulen manche Lehrer nur wenige englische Lesebücher finden können, die ihrem Geschmacke ganz genügen, so muss es doch auifallen, wenn Nr. 3 besonders

Beurtheilungen und kurze Anzeigen. 421

für das „Einjäling-Freiwilligen-Exanien" bestimmt ist, daneben allerdings auch die oberen Classen der Realschulen berücksichtigen will.

Die Sammlung, welche wir Herrn llilter verdanken, zerfallt in 4 Ab- theilungen : Ant'cdotes, Tales and .«tories:, History, bioL'raphy, literature und Poetry. Die Auswahl ist im Allgemeinen recht hübsch und verdient beson- ders insofern gelobt zu werden, als sie wirklich einmal wieder neue Sachen bringt und sich ni.ht etwa darauf beschränkt, wie das kürzlich noch in dem dicken Ahn'^chen Buche so glanzvoll geschehen ist, ohne viele iSlühe aus 5 oder 6 Sammlungen eine siebente zusammenzustöppeln. Herr Ritter bietet uns die Frucht eigener Arbeit und was er giebt ist lesenswerth. Die seclis Literatur-Abschnitte befriedigen weniger; abgesehen davon, dass er sich auf Chaucer, Spenser, Shakespeare, Milton, Byron und Scott beschränkt (es hätttn dt-nn doch, besonders für Mädchenschulen noch einige andere Schriftsteller besprochen worden sein, z.B. 1 h. i^loore, Fei. Hemans u. s. w.) ist auch die Darstellung (siehe Spenser) wohl nicht immer recht schulmässig und hinreichend einfach,

Herr Graeter (Nr. 2) bietet in kleinen Abschnitten, welche aus den Literaturgeschichten von Chambers, Spalding, Craik u. A. übersetzt sind und sich nicht ganz frei halten von Anglicismen, einen deutschen Text, der das wichtigste aus der Geschichte der englischen Literatur beibringt und von den Schülern rctrcvertirt werden soll. An diesen schliessen sich dann je nach den einzelnen Perioden verschiedene Bruchstücke aus englischen Schriit- stellern, gleichsam Belege, und der Herausgeber hat diesen eine Anzahl von Noten hinzugefugt, welche wohl geeignet sind, einzelne schwierige Punkte zu erklären.

Das Werk des Herrn Traut enthält Histories, Characters, Didactic and pbilosophical pieces, ürations and speeches und Letters. In jedem Ab- schnitte sind einige deutsche Stücke den englischen beigegeben, welche von den Lernenden rückübersetzt werden sollen; der Herausgeber charakterisirt sie als „Uebungsstücke, welche dem englischen Llidme angepasst sind, um den Studirenden in die englische Denk- und Redeweise hineinzudrängen". Es ist gewiss sehr gut, dass sich die sämmtiichen Stücke auf England und englische Verhältnisse beziehen; weniger erfreulich ist es dagegen, dass viele dersellien der History of England von Dickens entlehnt sind, die bekannt- lich gar nicht von dem grossen Novellisten herrührt und selbst in stylisti- scher Beziehung sehr viel zu wünschen übrig lässt. Die beigefiigten Noten enthalten mancherlei Sonderbarkeiten, z. B. S. 225 findet sich im Texte das Wort egoistm und unten lautet die Note wörtlich: „egoistm , statt egnism". Es ist niclit recht begreiflich, wie dieser offenbare Druckfehler statt egotism so ruhig nachgedruckt und in dieser Weise erläutert werden konnte.

Enijlische Aufsätze. Nebst einer theoretischen Anleitung und 170 Dispositionen zum Anfertigen derselben für die oberen Klassen der höheren Lehranstalten von Prof. George Boyle. Wiesbaden, A. Gestewitz, 1875.

Nach dem Muster der rühmlichst bekannten .^Deutschen Aufsätze" von Jus. V'enn und der Lateinischen Aufsätze von (lalbula bietet uns Professor Boyle in dem vorliegenden ^^'crke eine vortrefl'liche Anleitung zur Anferti- gung freier schriftlicher Arbeiten in englischer Spnuhe. Wir besitzen zwar einige wenige Hilf>bücher für englische stylistische Uebungen in l'rima, aber keines entspricht so sein- dem Bedürfnisse, wie es hier geschieht, und Ref,

422 Beurtheilungon und kurze Anzeigen.

bcgrüsst dcslialb (l;i.>^ n<nie Werk mit grosser Freude, weil es in vorziigliclior Weise den Schüler befiihigt, sich die Kunst eines leichten und gewandten Ausiirucks anzueignen. Mach einer kurzen Eiiih'itung, welche die Theorie der englischen Stylistik enthiilt, bietet der erste Theil Musterstüoke lür die verschiedenen Stylarten, dem sic^h dann im zweiten Thciie die Dispositionen nnscldiessen nach lien Abschnitten geordnet: Simple iiarratives, Developeii narration, Biography, Historfcal narration, Deseription, Meditations, Simple themes, Complex themes, Easy essays, Notes and letters u. s. w. Die Auf- sätze zeichnen sich siimmtlich durch eine sehr einfache schöne S|>rache aus, die Dispositionen sind äusserst geschiikt und zweckmässig angelegt und werden sich leicht weiter ausführen la-*sen, da die Aufgaben von dem Leich- teren anfangend, erst allmälig grössere Schwierigkeiten machen.

Wenn man sieht, welche Themata nur zu häufig den Schülern zugc- muthe.t werden, von denen sie wenig wissen und noch dazu in einer Sprache, die sie noch woniger verstehen, dann niuss man sich freuen, dass ihnch il.is Boyle'sche ^Verk für die Zwecke des Schulunterrichtes eine wirkliih tüch- tise, dankenswerihe Leistung geboten wird, der wir unsere wärmste Em- pfehlung widmen können. Die äussere Ausstattung des Buches ist sehr gut und der Druck durchaus correct. H.

Zum novmannlschen Rolantlsliede. Inaugural- Dissertation (Göttingen) von Hans Loeschhorn. Leipzig, Breitkopf und Härtel. 1873. 8.

An der Hand von M. Gaston Paris' Studien über die I/aut- und Flexionsverbältnisse und die V ersifictttion in der Nie de St. Alexis be- trachtet der Verfasser in dem ersten Theile seiner Dissertation ilas Ver- fahren des Rolandsliedes in Bezug auf Hiatus und Elision. Bei den ein- silbigen de, que, le, me, te, se, ne sei die Elision als Regel zu betrachten; nur von que, ne und se iu der That weiss der Verfasser einige Ausnahmen anzuführen. Bei dem Artikel li dagegen ist der Hiatus nur selten getilgt, und der weibliche Artikel und ma, ta, sa werden stets elidirt. Nach <^o und jo ist Hiatus und Elision gleichmässig zulässiij. Das Zahlwort mibe, wenn es in den Hiatus zu stehen kommt, ersetzt der Verfasser durch das .sich sonst im Roland findende millier. Das auslautende t in der dritten p. sing, praes. der Verben auf er will der \'erf. überall stehen lassen, es aber bald als lautbar, bald als stumm, je nach Be<iürfniss des \'erses, be- handelt wissen. Um bei co und folgendem e (F'orm von estre) den Hiatus zu tilgen, will der Verfasser weder (,'o'st noch c'est schreiben; er denkt sich einen Mischlaut, führt aber leider kein Beispiel an, aus dessen Schreibung man hätte ersehen können, wie er sich diesen Mischlaut denkt; bei ert schreibt er 27 7 90'rt.. Den ^'ers 1650: (^o'rt uns reis k'il ocist en Denemarche hat er in dem vorliegenden Exemplar nachträglich in Co ert uns reis k'ocist en Denemarche verbessert. Wo der Vers es ver- langt, lässt er den Hiatus nach 90 bestehen; in gleicher Weise verfährt er mit den Wörtern ja, ki, u. Die Schreibung von ne Treconurent, nach Paris, bei der Enklisis von me, te, se, le an das vorhergehende Wort, nimmt der Verfasser nicht an; er schreibt jel, jol, sim. Unsrer Ansicht nach möchte sich diese Enklisis am deutlichsten durch Bindestrich und Apostroph darstellen lassen, also: si-ni', je-l', jo-I' u. s. w. Der Verfasser schliesst den ersten Theil seiner Arbeit mit dem Urtheil, dass das Rolands- lied im Allgemeinen Unsicherheit und Schwankung im Gebrauch von Hia- tus und Elision zeige.

In dem zweiten Theile behandelt er die Assonanzen des Rolandsliedes

Beurtheilungen und kurze Anzeigen. 423

Assonanzen mit reinem a findet er in neun Tiraden, Mischung mit ai. e und ei Läufiger. Nach Paris' Vorgange sondert der Verfasser die Asso- nanzen auf e und e ; wo sich beide Laute in einer Tirade gemischt finden, ist dies als Fehler zu beseitigen, mit Ausnahme von wenigen Fällen, de sich in allen frühen Denkmälern finden. Als solche Ausnahmen führt der Verfasser Dens in Assonanz mit e, ferner Maheu (Mattheus), die zweite p. pl. fiit. auf ez (habetis) und die Formen tenez (tenetis) und puez (potestis) an. Von der Regel, dass geschlossenes und ofienes o nicht mit einander assoniren dürfen, finden sich in ms. Oxf nur zwei Ausnahmen: or (aurum) (z. 1276 Müller) beseitigt der "S'erfasser durch Umstellung. In V. 922, wo nostre (mit offenem o) mit unches, Rome, encuntre, lurone assonirt, scheint der Verfasser die Lesart Boehmers zu acceptiren. - u basirt auf lateini- scliem u. Der Verfasser schreibt deshalb Tir. 293 herbut (nfrz. herbu, span. herbudo) statt herbus (herbeux, herboso). ai findet sich nur mit h und ei gemischt, aber nie mit e, wodurch Hofmanns Aenderung Tir. 239 sert: jamais parier stntt der handschriftlichen parier jamais widerlegt wird. ei findet sich allein und mit e. In Tir. 79 (Asson. ei) nimmt der Ver- fasser die Aenderung der beiden ersten auf i assonirenden Verse an, wo- nach an die Stelle von Munigre munt neire und an die Stelle von ba- lient ventelent tritt Bei Besprechung der Assonanz ie verbessert der Verfasser die Verse 13.t (reposer). 359 (bac-heler), 433 (otrier ne volez). Den Laut oe, den der Verfasser für gleichbedeutend mit o zu halten scheint, sondert er, wie diesen, in öe und 6e. oi und ui sind nur graphisch unter- schieden, oi assonirt mit offenem o, ui (Ton auf u) mit u, ou mit wenigen Ausnahmen mit offenem o. Von den Nasallauten handelt der Verfasser auf nur wenigen Seiten, an und en mischen sich in der Assonanz. Die Assonanz on, un fehlt, wie M. G. Paris dargethan, im Alexis; sie findet sich im Roland. Diesen Umstand erklärt der Verfasser daraus, dass der Alexis ein „kunstvolles", das Rolandslied dagegen ein „volksthümliches" Gedicht sei (?). Zum Schluss stellt der Verfasser die Assonanzen des Rolandsliedes in einer Tabelle zusammen.

Hinsichtlich der in der Abhandlung sich findenden Irrthiimer verweisen wir auf die Beurtheilung derselben von ^Ä^. Paris, Romiinia II, 261. Die Arbeit wird denen, welche sich mit dmn Rolandsliede beschäftigen, von bestem Nutzen sein.

A. Lüttge.

Französische Schulgrammatik von Albert Benecke, Ober- lehrer an der Luisenschule zu Berlin. Erster Theil. Sechste, erweiterte Auflage. Potsdam 1875. Verlag von August Stein.

Wenngleich viele unserer Leser die Beneckesche Grammatik bereits aus eignem Gebrauch oder aus andern lobenden Recensionen früherer Auflagen kennen , so rechtfertigt doch der Umstand, dass dieselbe im Archiv bisher noch nicht besprochen worden und dass die neue Autlage eine wesentlich erweiterte ist, eine eingehendere Charakterisirung der neuen Bearbeitung. Zwar unterscheidet sich die 6. Auflage von der 1872 erschienenen 4. sowie von der b. Auflage nicht durch so eingreifende Umgestaltungen, wie die 4. von der 3. Ausgabe, aber dennoch sind auch in der neuesten Ausgabe wichtige Theile der Grammatik bedeutend erweitert worden, wie schon der um fast 100 Seiten vermehrte Umfang des Buches zeigt.

Wir haben in Beneckes Schulgrammatik das Ergebniss langjähriger

424 Beurtheilungen und kurze Anzeigen.

oingflicudor Forschiin<r und praktisclu'r Erfahrung vor uns, und das ver- leiht drni I>iudie den Charakter des durchaus Sididen, Zuverlässigen und praktisch Brauchbaren. Auf die Regeln, die vielfach Neues bringen und auf selbständigen Forschungen beruhen, kann man sich bis in das Ein- zelnste hinein verlassen. Dabei sind dlesclljen, auch im ersten Tlieil, so gefasst, dass sie von dem Schüler nicht sowohl mechanisclies Auswendig- lernen als wirkli( lies Eindringen und Nachdenken erfordern. Es ist einer der l)egründetsten und am schwersten wiegenden Vorwürfe, den man (ien Plotz'schen Lehrbüchern macht , dass die Schüler an ihnen nicht denken lernen, dass sie kein Verständniss für nur einigermassen schwierige! e gram- matische N'ei'hältnisse bekommen. Nichtkenner der französischen Sprache, besonders „alte" Philologen, haben aus diesenr Mangel, der sieh in den Abiturientenarbeiten häufig genug herausgestellt hat, schliessen wollen, dass die französische Sprache zwar sthr leicht, dafür aber auch nicht im Eni- ferntesten geeignet sei. die alten Sprachen im Untenicht auch nur an- nähernd zu ersetzen. Eine Folge dieser Meinung ist die (leringschätzung, mit der das Französische an vielen Gymnasien behandelt wird, (lieht es doch noch Gymnasien, an denen der französische Unterricht auch in der Frima von Nichtfachmännern. welche höchstens die facultas für die mitt- len-!! Classen hesltzen, ertlieilt wird. Je weniger sich nun leugnen lässt, dass solche Missstände und falsche L'rtheile zum Theil durch die Art, wie die französische Sprache in einer Anzahl von Schtdgrammatiken behandelt worden ist, hervorgebracht worden sind, um so mehr müssen wir jeden Schritt zur Besserung, der auf diesem Gebiete gemacht wird, anerkennen. Man sollte eine französische Grammatik nicht danach beurtheilen, ob sie es dem Schüler leicht und dem Lehrer bequem macht, ob sie so „einfach" gehalten Ist, dass man mit Benutzung derselben jedem Lehrer, auci» dem Nicht fachmann, den französischen Unterricht in den mittleren, ja sogar in den oberen Classen übertragen kann. Man wende nicht ein, dass auf n Gymnasien die alten Sprachen genügten, um den Schüler an streng lofii- sches Denken auf dem Gebiete der Grannnatik zu gewöhnen. Oder sollte das Princip von dem einheitlichen (meiste, der alle Fächer des höheren Unterrichts beherrschen und durchdringen soll, nur auf das Französisci.e keine Anwendimg finden? Sollte auf einer höheren Schule erlaubt sein, irgend ein Fach in einem andern Geiste, weniger grümilieli, wernger wissen- schaftlich zu behandeln, als die übrigen Unterrichtsgegenstäude? Sollte nicht vielmehr der Unterricht in allen Fächern , die überhaupt gelehrt werden, von dem gleichen idealen Geiste getragen sein? Wirtl der Schüler, wenn er den einen Unterrichtsgegenstand rein mechanisch behandeln darf, nicht auch geneigt sein, auf anderen Gebieten in gleicher Weise zu ver- fahren? Dazu kommt noch die Erwägung, dass die Gymnasien bis vor Kurzem ausschliesslich die Vorbereitungsanstalten für das akademische Stu- dium der neueren Sprachen waren und es noch jetzt in bevorzugter Weise sind. Um so mehr ist aber das Gymnasium verpflichtet, Schritt zu halten mit den wissenscliaftlichen Forschungen auf neusprachlichem Gebiet und dasjenige, was sich von denselben für die Schule verwerthen lässt, zu be- nutzen. Verhält man sich doch beim Unterricht in den alten Sprachen nicht mehr ablehnend gegen die Ergebnisse der vergleichenden Sprach- wissenschaft, wie sie in den Granin)atiken von Curtius-Gerth, Koch, Müller- Lattmann u, A. für die Schule bearbeitet worden sind. Dass die übrigen höheren Schulen, auf denen ja die französische Sprache zu den Ilaupt- unterrichtsgegenständen gehört, in noch höherem IMasse die Pflicht haben, alle auf Vertiefung des französischen Unterrichts zielenden Bestrebungen zu unterstützen, hedarf keines weiteren Nachweises.

Nur einen Einwurf, den ich gerade von sehr tüchtigen Lehrern gehört habe, will ich noch kurz besprechen. Es ist nämlich der, dass es für den guten Lehrer ganz gleich sei, welche Grammatik er in der Hand habe.

Beurtheilungen und kurze Anzeigen. 425

Ist ilenn aber ilie Grammatik nicht viel mehr fiir die Schüler als für den Lehrer gesclirieben und wird nicht aach dem guten Lehrer ein tüchtiges Öchiilbufh eine bessi-re Uiitersiützmig beim Unterricht bieti-n als ein sol- ches, wiUhes den Schüler in allen schwierigeren Fragen im Stich lä.-st? Und wer ist denn ein guter Lehrer? Wer von uns hätte wohl, selbst in vieljähriger Praxis, einen Collegen kenneu gelernt, der nicht der Uelier- zetigung g«;wesen wäre, dass sein Unteriicht anregend, geistesbildend und f()rdernd. dass seine Methode gut und richtig, ja vielleicht uiiüi>crtreffiich sei; und doch wird mancher von uns oft mit Lächeln auf die Art zurück- sehen, wie er denselben Gegenstand, vielleiciit in derselben Classe. wo er ihn jelzt unterriclitet, als Pi-obecandidat oder als jüngerer Lehrer behandelt hat. Eine gute Grammatik ist der beste und oft einzige Schutz gegen alle die Nachtheile, welche auch bei pädagogisch beoabten und strebsamen jungen Lehrern sich nothwen(hgtrweise für den Unterricht ergeben. Wie weit die Beneck esch c Grammatik geeignet ist, die hierfür zu machenden Anforderungen zu erfüUee, wird sich bei Besprechung der einzelnen Theile uerselben ergeben.

In der richtigen Erwägung, dass auch derjenige, weh her sich lange und eingehend mit einer fremden modernen Sprache beschäftigt hat, nicht sicher davor ist, dass ihm bei einer Zusammenstellung von mehreren tausend Sätzen nicht einzelne Germanismen oder weniger bezeichnende Wendungen nüt unterlaufen oder dass kleine Nuancen und Eigenthündicdikciten der Sprache unberücksichtigt bleiben, hat der Verf. seine sämmtlichen, sowohl die französischen als die deutschen, LTebungssätze den französischen clas- sischen wie den besten modernen Schriftstellern entnonnnen, so dass in den Uebungsstücken auch die unscheinbarsten Eigenthümlichkeiten des französischen Sprachgeistes zur Geltung gelangen. Dass dies der geeig- netste Weg ist, um zu einem der wesentlichsten und am schwersten zu er- reichenden Ziele alles fremdsprachlichen Unterrichts, nändich dass sich der Schüler nicht nur in die Formen, sondern auch in den Geist der fremden Sprache völlig einlebe, zu gelangen, werden Diejenigen gewiss gern aner- kennen, die sii h erinnern, wie sie seilst, meist nach französischen Gram- matiken unterrichtet, zu denen die Uebungssätze von dem betr. deutschen Verfasser selbst gebildet waren, sieh französisches Sprachgefühl erst durch vielfaclie Leetüre und durch längeren Aufenthalt in Frankreich oder durch sonstigen Vei-kehr mit gebildeten Franzosen angeeignet haben. Dem Schüler a';er, welcher vielleicht nie Gelegenheit hat, seine rein grammati- schen Kenntnisse auf die uns ern!Öj:licl)te Art zu ergänzen, entgeht so von vornherein ein wichtiges Mittel, um sich fast unbewusst und unverruerkt in die Feinheiten der fremden Sprache einzuleben. Dabei ist noch zu er- wägen , dass der Geist und die Eigenthümlichkeiten der französischen Sprache, welche der unsrigen nach Inhalt und Form so wesentlich näher steht als die todten Sprachen, gerade deshalb für unsere Schüler viel schwerer zu erfassen sind, als dies bei der griechischen und lateinischen Sprache der Fall ist.

Eine andre Bemerkung, die wir bei den von deutschen Verfassern ge- bildeten Uebungssätzen machen, ist die, dass dieselben meist an einer ge- wissen Einseitigkeit der Gedanken und des dabei zur \'crwendung kom- menden Vocabelschatzes leiden, dass sie entweder allzu leichte Waare bringen oder dass die Sätze fast ausschliesslichen historischen und gnomi- schen Inhalts sind. Wer, wie es der Verfasser der uns vorliegenden fran- zösischen Grammatik gelhati hat, aus dem reichen Born der iVanzösischen Literatur selbst geschöpft hat, wird diese Einseitigkeit am leichtesten ver- meiden, und so finden wir denn auch bei BenecKe die alte, neuere und neueste Geschichte, die Sittenlehre, die einzelnen Wissenschaften und das tägliche Leben in den Uebungssätzen in gleicher Weise berücksichtigt, da- her auch der Vocabelschatz, der Im Register zusammengestellt ist, nicht ein

426 Beurtheiliin<:on und kurze Anzeigen.

onjj :ibgo<;rcnztcr ist, sondern alle Gebiete menschliehcn Denkens und niensclilicher Tliiitigkeit berührt. Nur einen Wunsch möchte ich in Bezug auf das \'ocabelverzeichniss auss]irechen, duss nämlich der Verfasser in der nächsten Auflage das schon jetzt häufig von ihm beobachtete Verfahren, bei \' erben oder Adjectiven, die eine vom Deutschen abweichende Con- struction haben, diese kurz anzugeben, völlig durchführen möge, also p. 307 avoir honte de qch , p. 308 avoir piti^ de qn., p. 312 jouir de qch., j). 314 accabler qn. de qch. etc. Wo die Construction nicht im Voca- bular angegeben ist, findet sie sich allerdings nothwendigerweise bei den bi'trelTenden Uebungssätzen in Parenthese beigefiigt. Da aber, wie der Verfasser selbst in der Vorrede hervorhebt, die Uebungssätze nicht sämmt- lich übersetzt zu werden brauchen, ja bei der grossen Fülle wohl kaum je sämmtlich übersetzt werden können, während die N'ocabeln doch möglichst vollständig zu erlernen sind, so wird es sich empfehlen, die Hinweise auf die Construction in das \'ocabelverzeichniss aufzunehmen. Dadurch, dass der Schüler die eigenthüm'ich französische Construction gleich bei den Vocabeln mitlernt, wird zugleich eine nützliche V^orarbeit für wesentliche Theile der Syntax geschaffen. Aus demselben Grunde ist auch zu wün- schen, dass bei den unregelmässigen Verben da, wo sie zuerst angeführt werden, also § 79 86 a, die etwa abweichende Construction und der Ge- brauch angegeben werde. Vielfach hat Benecke dies sehr eingehend ge- than, wie bei servir, falloir, etre du, vouloir, aller, voici, voiiä, soufirir, mourir, tenir, retenir, devenir, connaitre, croire und besonders bei niettre, prendre und faire. Es fehlt die Constructionsangabe ganz oder ist erst gelegentlich bei den Uebungssätzen angegeben bei valoir qch. h qn., pre- valoir sur, pourvoir a, vetir de, couvrir de, secourir qn., convenir de und h etc. Bei pleuvoir konnte neben dem unpersönlichen Gebrauch auch der persönliche bemerkt werden: les bombes pleuvaient sur la ville. Andrer- seits werden die meisten Lehrer dem Verfasser dankbar sein, wenn er künftig die Angabe des französischen ^"erbum vor den Uebungssätzen unter- lägst, da ja dasselbe bereits von den Schülern gelernt sein muss, ehe die Sätze übersetzt werden. In der neuen Aufl;ige sind hinter den Uebungs- sätzen zu den unregelmässigen ^'erben drei sehr brauchbare zusammen- hängende Stücke (Androclus, Kindesliebe und Wert einer guten Erziehung) eingeschaltet, ähnliche zusammenhängende Uebungon finden sich auch sonst noch eingestreut, wären aber am Schlüsse eines jeden grösseren Abschnitts zu wünschen. Es könnten dafür lieber einige einzelne Uebungssätze ent- behrt werden.

Wir gehen nun zu den einzelnen Theilen der Grammatik selbst über.

Auf den ersten '27 Seiten werden die wichtigsten Regeln über die Aussprache gegeben, über welche sich ausserdem durch das ganze Buch hin Zusätze eingestreut finden. Es giebt keine franzosische Grammatik, in welcher dieses Gebiet ebenso eingehend und exact behandelt wäre wie in Beneckes Arbeit, der die Behandlung der Aussprache zu seinem Special- studium gemacht hat, wie er dieselbe ja auch (l'ranzösische Aussprache mit physiologisch-historischer Begründung) in seinen \'^orlesungen auf der Aka- demie für moderne Philologie lehrt und für den Schulgebrauch in einem besondern Buche zusammengestellt hat. Der Lehrer, welchem daran liegt, und einem Jeden sollte daran liegen, dass seine Schüler nicht einen nir- gends in Frankreich gesprochenen und nirgends verständlichen jargon lernen, sondern dass sie der ersten Anforderung, die man an Jeden, der eine lebende Spraclie können will, stellt, genügen, dass sie die französische Sprache so aussprechen, wie sie von den gebildeten Franzosen gesprochen wird, der Lehrer, dem das am Herzen liegt, wird in Beneckes Grammatik die beste Anleitung und Unterstützung dafür finden. Bei der Zusammenstellung der Ausspracheregeln sind die grössern Arbeiten der französischen (^rthoepisten wie Malvin-Cazal, Sophie Dupuis, Lesaint, Littre, Dubroca etc. benutzt und

Beurtheiliingen und kurze Anzeigen. 427

vielfach durch eigne Btobachtungen und Studien ergänzt worden. Be- necke hat liier zum ersten Male den für die Aussprache so wichtigen Unterschied von e sourd und e muet völlig durchgeführt (die wenigen Falle, in denen das unaccentuirte e als völlig stumm zu betrachten ist, s. im An- iiang), die Bedeutung der Betonung für die Aussprache und Formenbildung ist eingeliend erläniert die ri ■htigere Benennung h consonne und voyellc statt aspiree unrl muette eingeführt, die Lehre von der liaison ist neu auf- genoinmt'n worden, die Hegeln darüber sind p. 141, 142 und 210 übersicht- lich zusammengestt'llt. Es werden besprochen: die Bedeutung der Bindung, lue Hauptf\ille derselben, die Bindung zwischen Pronomen und Verb, zwi- schiMi llülfsverb und Particip, zwischen Verb und Regime, bei h, e sourd (wird durch Bindung zu e muet), Bind, des t, des Inf. auf er, der nasalen Endsilbe, von pas, quand, ce, ge, ve, der Präposition, des Adjectivs vor dem Substantiv, des Adverbs, des Substantivs und attributiven Adjectivs, von plus, des Zahlworts, von pont, front, mont, alfront. dunt. zur Bindung des s, r und 1, Wegfall der Bindung, Bindung der Vcrbaien'lungcn ont, ait, aient, allgemeine Bemerkungen zur Bindung. Ausserdem sind, wo es nöthig erschien, bei den einzelnen Uebungssätzen die erforderlichen Andeu- tungen gegeben. \'on andern Aussprachegebieten ist hervorzuheben der Abschnitt über die Mouillirung (p. 240), sowie die Darstellung der Aus- sprache von qu (p. 23) und die in p. 355 ausführlich besprochene Regel über die Bindung des son nasal. Die Aufstellungen über den mouillirten Laut, der mit gn bezeichnet wird, zeigen, dass bisher darüber irrthümliche Ansichten geherrscht haben. Aehnlich verhält es sich mit des Verfassers Darlegung der Mouillirung überhaupt, wie aus dem Anhange S. 358 Nr. 10 hervorgeht. Was die bei der Behandlung der Aussprache beobachtete Reihenfolge betrifft, so ist der Verfasser von dem e, als dem am häufigsten vorkommenden Vocal, ausgegangen, und hat dann die seltneren Vocale und Vocalverbindungen, sowie die Consonanten folgen lassen. Bei den Uebungs- sätzen ist streng darauf gehalten worden, dass kein Wort eher vorkommt, als bis die in demselben vorhandenen Laute resp. Lautverbindungen be- sprochen worden sind.

Mit Rücksicht darauf, dass dem Schüler der Gebrauch des Theilungs- artikels besondere Schwierigkeiten verursacht, hat der Verfasser diesen Ab- schnitt in § 28, 29, 33-37, 50 u. 51 so eingehend behandelt, _ dass bei sorgsamer Benutzung des dabei gegebenen Uebersetzungsstoffes sich dieser Theil der (irammatik dem Schüler für immer einprägen muss. An die 1. Conjugation werden die orthographischen Eigenthümlichkeiten der Ver- ben auf er (manger, commencer, regner, mener, appeler, jeter, jouer, tuer nous jouions, tuions) unmittelbar angeschlossen, ebenso wie die Regeln über die unregelmässige Plural- und Femininbildung sich naturgemäss nicht erst nach den unregelmässigen Verben oder gar in syntaktische Regeln eingestreut finden, sondern unmittelbar auf die 1. Conjugation folgen 44 47). Die \'erben mit e sourd wie mener, lever, sind der Ausnahme, welche die meisten Verben auf eler und eter bilden, vorangestellt; mit demselben Recht hätte aber auch die Regel über die Verba, welche ein e ferme in der vorletzten Silbe haben, als eine Ausnahme bildend, nachge- stellt werden sollen. Die ^'erben epousseter, feuilleter etc. sind neueren Feststellungen zufolge als schwankend angegeben, also jepoussete und j'epoussette, j'epousseterai und j'epoussetterai. Ebenso wie an die 1. Con- jugation schliessen sich auch an die 3. auf re (denn die 6 Verben auf (c)evoir werden bei den unregelmässigen Verben behandelt) die rein ortho- graphischen Bemerkungen über rompre, battre und vaincre an. In § M und 55 sind die Ilauptregeln gegeben über die drei regelmässigen Conju- gatinnen, über Personen-, Tempus- und Moduszeichen, über die Zurück- führung der Verbalformen auf gewisse Ausgangsformen und die allgemeine Anwendung der letzteren (Inf., die beiden Part., Pres, de l'Iud. und Pass,

428 Beui'tlioilnngc^n uml kurze Anzeigen.

(!ef.). In den Zahlwoitern iu 5D) ist ein genauer Naeliweis über die Auss|)r«ehc deis^elben hinzugefügt. Die zweite Abtheilung (iO 77b) euthiilt das l^assiv, die Pronomina, die zurückbezügliclien Verben und die Prä- positionen. Von den Pronouiinen sind besonders die pron. interr. (der Ge- brauch von que als Nominativ) und ilie pron. relat. .sein' eingehend und in einer A\\'ise behandelt, dass der yduiler sirh nicht mit blossem Auswendig- lernen begnügen kann, sondern gezwungen wird scharf nachzudenken, jeden Satz in seine einzelnen Theile zu zerlegen und die verschiedenen Verbal- klassen zu sondern. Referent, welclier nach der Ben eckeschen Gram- matik seit mehreren Jahren unterrichtet, hat hinreichend Gelegeidielt ge- habt zu bemerken, wie gerade diese anscheinend schwierigere Behandlung der Pronomina anregend auf die Scliüler wirkt, die alle ihre geistige Kraft anspannen müssen, um die Regeln zu verstehen und bei den Uebungs- sätzen richtig anzuwenden. Diese Abschnitte bieten dem Schüler, der auf dem ötHudpunkte der Quarta resp. Unter-Tertia steht, eine palaestra, auf der er gern seine geistige Stärke erprobt, und wie sie die lateinische Gram- matik <!em gleichaltrigen Gymnasiasten nicht fördernder gewähren kann. Auf das pron. relat. folgen die pron. indef., die verbes prononiinaux, die Präpositionen in kurzer Uebersicht und § 77 a orthographische Regeln über Erhaltung oder \\'egfall des e final bei chaque, quelqne, presque, lorsque, parceque, puisque, cjuoique, bienque, contre, entre, jusque. Wenn IJenecke sagt: „entre verliert das e bei zurüekbezüglichen \'erben, z. B. s'entr'aider. Sonst bleibt e," so hätte er, um von den seltnen entr'oublier, entr'ouir ab- zusehen, doch entr'ouvrir, une porte entr'ouverte als nicht unter diese Regel fallend erwähnen müssen.

§ 78 86b enthält die unregelmässigen Verben und damit denjenigen Theil der Grammatik, welcher in der Ü. Auflage die bedeutendste Erwei- terung erfahren lat. ^'orangestellt sind die 5 Verben auf cevoir und devoir, welche der Verfasser mit Recht von (]en regelmässigen Verben ausge- schlossen hat, weil sie im Gegensalz zu diesen und in Uebereinstimmung mit den meisten unregelmässigen \'erben den Stammvocid verändern, je nachdem uic einzelnen Formstämme oder Flexionen betont sind. Mit dem Ausseheiden dieser 6 bisher die 3. regelmässige Conjugation bildenden Verben veduciren sich somit die regelmässigen Conjugationen auf 3 (er, ir ]'e). An die Verben auf evoir schliessen sich die übrigen A'erben auf oir, dann die unregelmässigen auf er, ir, re, für deren besondere Gruppirung wieder das Passe d^f und Part. Passe massgebend gewesen ist. Bei jedem Verb sind zunächst die 5 Ausgangsformen: Inf, Part. Pres., Part. Passe, Pres, de l'fnd., Passe def. und die übrigen abweichenden Formen angegeben. Darunter befinden sich in kleinerer Schrift besondere Bemerkungen über den Gebraucli des Zeitwortes, die Composita, die Lautverhältnisse und die Aussprache, wo es nötln'g erscheint. § 86 enthält die Defectiva, wie pro- mouvoir, seoir, faillir, saillir, tiaire etc., § 86 a einzeln stehende Verbal- formen, wie issu, tissu, intrus, ferir, querir, depourvoir, choir. In § 86 b (p. 237 4S) werden die Schlussbemerkungen zu den unregelmässigen Ver- ben gegeben über den Wegfall des Endconsonanten des Stammes, den Wechsel zwischen i und y im Stammauslaut von V^erben, wie fuir, croire, traire, ferner über den Vocal der betonten Silbe im Passe def. und Part. Passd, die Erklärung des Circumfle.x. und des Personenzeichens s in ge- wissen Verbalfcrmen, den Einfluss des Accents auf den Vocal der Stamm- silbe. Sowohl diese „Schlussbemerkungen" als die vorher erwähnten An- merkungen zu den einzelnen Verben sind äusserlich und räumlich von dem Text der unregeluiässigen Verben so getrennt gehalten, dass der Lehrer volle Freiheit behäli, dieselben durchzunehmen oder fortzulassen, je nach- dem es ihm seine Zeit oder seine individuelle Ansiclit angemessen erschei- nen lässt. Die Mehrzahl der CoUegen wird diese Anmerkungen und Ex- curse gewiss mit bi sonderen) Danke benutzen, denn sie sind sämmtlich so

Beurtheiluiigen uiui kurze Anzeigen. 429

gelialten, dass sie mit pädagogiscliem Tact Alles vermeiden, was den Schüler in die streng vergleicliei.de Sprachwissenschaft fidiren würde Die Darstellung der unregelmässigen Verben ist eine rein beschreibende, freilich ruhend auf dem (rrunde der Kenntniss von der historischen Entwickelung der französischen Sprache, und daher nicht im Widerspruch mit derselben stehend, so dass es dem Lehrer überall möglich ist, gelegentlich llinwei- sungen auf diese liistorische Entwickelung zu geben, wozu sich ja auf Schulen, wo die Schüler dieser Stufe bereits die lateinische Formeulehre absolvirt haben, Veranlassung genug bietet. Arbeiten wie das anregende Programm von Bratuschek (Berlin, Friedrich -Werdersche Gewerbeschule 187Ü) beweisen, dass man schon lange das Bedürfnis? empfunden hat, dem Schüler, soweit es seiner Fassungskraft angemessen ist, ein Bild von der organischen Entstehung der französischen Sprache zu geben, um ihn so zum Nachdenken und zur Schlussfolgerung auf dem (Gebiete der Formen- lehre überhaupt anzuregen. Es hat bisher an einer passenden Bearbeitung des für diesen Zweck am meisten geeigneten Gebietes, der unregelmässigen Verben, gefehlt; denn nur eine solche Bearbeitung konnte dem in Rede stehenden Zweck genügen, deren Verfasser die Resultate der historischen Grammatik auf Scliritt und Tritt vor Augen halte und hei der Feststellung der Lautregeln auf das vorsichtigste berücksichtigte. Ks war daher notb- wendig, dass sich ein so gewissenhafter Forscher und gründlicher Kenner des Alt- und Mittelfranzösischen wie Lücking entschloss, das französische Verb in diesem Sinne für die Schule zu bearbeiten. S. die französischen Verbalformen für den Zweck des Unterrichts beschrieben von Dr. Gustav Lücking. Berlin, Weber 1875. Von den französischen Schulgrammatiken aber ist die Beneckesche die erste, welche, in gleicher Weise auf dem Boden moderner Forschung stehend, das französische \'erb wissenschaftlich behandelte. Es steht zu hoffen, dass durch Benutzung der neueren durch diese Methode gegebenen Gesichtspunkte der dem Schüler sonst leicht trocken erscheinende Unterricht in den unregelmässigen \^erben für diesen an Interesse und Leben gewinnen wird, insofern er sich nun nicht mehr auf mechanisches Auswendiglernen zu beschränken hat, sondern angehalten wird, die Gesetze, nach denen sich die Sprache entwickelt hat, zu ver- stehen und zur Anwendung zu bringen.

Wir sind hiermit an das Ende unsrer Besprechung gelangt. Mögen die vorstehenden Zeilen, welche hervorgegangen sind aus dem Interesse an der Sache und aus dem Bestreben, das, was wir selbst für gut erkannt, auch Andern zu empfehlen und zur nähern Kenntniss zu bringen, dazu dienen, da^^s diejenigen unsrer Collegen, weiclie die Ben eck esc he Gram- matik noch niclil selbst geprüft haben, dadurch zur eingehenden Kenntniss- nahme einer Arbeit veranlasst werden, welche sich durch den ausdauernden Fleiss ihres Verfassers und durch gewissenhafte, sachverständige Benutzung des vorhandenen Materials das Recht erworben hat, zu den hervorragend- sten Erscheinungen auf dem Gebiete der französischen Grammatik gezählt zu werden. Möge sie sich in der neuen Gestalt immer neue Freunde er- werben und dazu beitragen, den französischen Unterricht aus der unter- geordneten Stellung, mit der er sich in einzelnen Theilen unsers Schul- wesens bi.«her hat begnügen müssen, auf eine höhere und seiner würdigere Stufe zu erheben.

Berlin. Dr. A. Güth.

Programmenschau.

Die Blüthezeit des englischen Drama's. Von Dr. G. H. Ha- ring. Programm der Unterrichtsanstalten des Klosters St. Johannis in Hamburg 1875.

Wir empfancen liier drei Vorträgre, welche der Herausgeber vor einem aus Herren und Damen bestehenden Zuhürerkreise gehalten hat; sie bieten in wissenschaftlicher Beziehung zwar nichts Neues, aber die ganze Anlage und Durchführung ist so äusserst zweckmässig, der Ausdruck so schön und stellenweise schwungvoll, dass die Vorträge einen durchaus befriedigenden Eindruck hinterlassen. In der Einleitung geht der Verf. von dem Gedanken aus, dass die lyrische Poesie unter den verschredensten Verhältnissen, zur Zeit des Verfalls ebensowohl wie zur Zeit des Aufschwungs eines Volkes blühen könne, dass dagegen das Epos und das Drama mehr an das Zusam- mentreffen fjünstiger äusserer Umstände gebunden sei. Nur die genaue Kenntniss dieser Umstände setze den Freund der Literatur in den Stand, sowohl die Entstehung der vorzüglichsten Dichtungen des betr. A'olkes zu erklären, als auch deren tieferen Sinn, deren Zusammenhang mit dem gei- stigen Leben desselben und die Entwickelungsstufen dieses Lebens zu be- greifen. Indem sich nun der Vortrag zu der eigentlichen Glanzperiode des englischen Drama's wendet, werden sehr lichtvoll die äusseren Umstände geschildert, welche in Englaml jenen ausserordentlichen Erfolg begünstigten, und man begreift nach dieser Darstellung das rasche Aufblühen des eng- lischen Drama's, seine Eigenthümlichkeit und die grosse Schönheit, die es unter Shakespeare's Meisterhand erreicht hat.

Hierauf werden die englischen Dramatiker jener Zeit in scharfer Zeichnung kurz charakterisirt, und der letzte Vortrag schildert dann die Poesie Shakespeare's ihren Grundzügen nach sowie sein Verhältniss zu sei- nen Vorgängern und Zeitgenossen. Das Wesen und Wirken des Dichters wird hierbei mit seinen eigenen Worten dargestellt und der wahre Schlüssel zu der ganzen Poesie Sliakespeare's darin gefunden, dass derselbe mit „fei- nen Sinnen, mit einem weichen, empfänglichen Gemüth ausgestattet, durch Studien nicht ermüdet, frisch aus der reinen Hand der Natur hervorgegan- gen, den poetischen Duft seiner Zeit in vollen Zügen eingeathmet hatte, welcher in sein Wesen völlig übergegangen und mit demselben Eins ge- worden war."

Programmenschau. 431

Ueber Ducis in seiner Beziehung zu Shakespeare von Dr. Carl Kühn. Cassel 1875.

Die Franzosen haben bekanntlich im Allgemeinen wenig Sympathie tiir den grossen englischen Dichter gehegt und selbst die bei dem Jubiläum veröÖentlichten neuesten Schriften einzelner begeisterter Bewunderer z. B. das viel genannte Werk von Victor Hugo haben in weiteren Kreisen eine nur ausserordentlich geringe Wirkun<i gehabt.

Der Verfasser vorliegender Abhandlung, welcher als Lehrer an der Realschule in Cassel thatig ist, hat in der Einleitung die Gründe zusam- mengestellt, weshalb die Dramen Shakespeare's dem Geschmacke der Fran- zosen nicht zusagen koimten und spricht dann die Ansicht aus, dass in der neuesten Zeit sich ein besseres N'ertitändniss für Shakespeare Bahn breche. Ref. vermag diesem Gedanken zwar nicht beizupflichten, begrüsst dagegen die weitere Darlegung der Ducis'schen Bestrebungen als eine dankenswerthe Arbeit, in welcher eingehend und sachgemäss die Dramen des französischen Bearbeiters kritisirt worden sind. Wir besitzen bekanntlich von Ducis fol- gende Nachbildungen Sliakespeare's: Hamlet, Romeo imd Julie, Lear, Mac- beth, Johann ohne Land und Othello, welche sich sämmtlich in Frankreich des höchsten Beifalls erfreuten und die sogar Delavigne zu dem Ausspruche verleiteten: Inspire par Shakspere, il l'imitait en maitre.

Zur Beurtheilung der französischen Dichtungen giebt unsre Abhand- lung nun in einfacher Sprache und leicht übersichtlich die Fabel der ein- zelnen Stücke, wie Ducis sie umgestaltet und zeigt dann, wie in jedem Falle die Abweichungen ziemlich unglücklich waren in Beziehung auf den Inhalt sowohl als auch die Cbarakterzeichnung: d^s Neue bekundet sich meistens als ausserordentlich schwach. Die Eigenthümlichkeit des französischen Dichters wird von dem \'erf. zum Schluss sehr richtig dahin präcisirt, dass Ducis auf Aeusserliohkeiten zu hohen ^Verth lege, eine angefangene Hand- lung oft nicht zu Ende führe, grosse Vorliebe für Beibringung liöchst merk- würdiger Ahnungen und dabei Mangel an poetischer Eifindungs^abe habe. Die Klarheit und Grossartigkeit des Hintergrundes in den englischen Dra- men ist von Ducis niemals, auch nur annähernd erreicht und die Ahsicht- lichkeit, mit welcher er durch seine poetischen Erzeugnisse überall der Moral nützen will, benimmt denselben vollständig den Charakter eines Kunstwerks. Als ein \'orläufer des Kampfes zwischen dem Classicismus und den Romantikern verdient Ducis in der Geschichte der französischen Literatur hervorgehoben zu werden, wozu ihn indessen vorzugsweise eigent- lich nur sein grosses \'orbild berechtigt.

The life and Poems of William Wordsworth, Von Dr. Albert Fels. Programm der Realschule des Johanneums zu Ham- burg. Ostern 1875.

Die vorliegende Abhandlung bringt nur den ersten Theil des beab- sichtigten Werkes, welcher eine Lebensbeschreibung des Dichters enthält; letztere basirt auf einem fleissigen Studium der Memoirs of W. Words- worth by Christopher Wordsworth, ist recht gut geschrieben und wird ge- wiss dazu beitragen, das Interesse für den Dichter in weiteren Kreisen an- zuregen. Ref. kann nun aber nicht zugeben, dass Wordsworth in Deutsch- land so wenig bekannt sei, wie Herr Fels behauptet, und muss auch sagen, dass Lafontaine verhältnissmässig bei uns ebenso geschätzt wird, als dies jenseits der Vogesen der Fall ist. Beide liefern naiiientlich für den Unter- richt ausserordentlich schätzbares Material, und es verdient gewiss entschie-

432 rrogrammenschau.

(lene Missbilligung, wenn iz. B. unsere .Schüler nicht wenigstens ein Dutzend Falichi V(^n Liifontiiiiie inne haben. So li;it rlenn auch Ref. immer mancherlri Dichtungen von Wordsworth in der Schule memoriren hissen und er kennt vieh» Colh'pen, die in gleicher Weise verfahren. In den verKchiedenen neueren Arbeiten, die wir von Deutschen über die Dichter der Lakc-.school besitzen, (z. H. von Dr. Kewitsch) ist der Werth. wel« hen die Arbeiten von Wordsworth, Southey, Coleridge in pa(higopiseher Bezieliung haben, in ein- gehinder Weise anerkannt , worden, und wir können auch Herrn Fels in seiner Würdigung de? Dichters im Allgemeinen nur beipflichten. Die cltir- ten Urtheile einiger Schriftsteller, welche die Abhanillung über Wordsworth beibringt, scheinen allerdings etwas übcrschwänglich und e'ienso i-t seine Ernennung zum Hofdichter schwerlich als ein Beweis dafür anzusehen, dass er den grössten englischen Dichtern beigezählt zu werden verdiente. Den (irund, weshalb Wordsworth in Deutschland nicht so hoch gefeiert wird als in England, findet die Abhandlung sehr richtig in dem eigenthümlichen religiösen Charakter seiner Gedichte und in des Dichters Vorliebe für länd- liche Schilderungen, bei denen, wie es heisst „the German reader is repel- led by the minute details of a scenery unknown to bim."

In sehr bescheidener Weise lehnt der Verf. bei der nun folgenden Lebensbeschreibung den Anspruch auf Originalität vollständig ah ; indessen Ref. kann versichern, dass der Auszug eine meisterliche Geschicklichkeit bekundet. H.

Maistre Pierre Patelin, Essai litteraire et grammatical , pre- cede cl'un resuiiie succinct de l'histoire du theätre fran(jais, par O, E. A. Dickmann. Programm der Gelehrtenschule des Johanneums zu Hamburg. Hamburg 1875. 4, 47 Seiten,

Als lünleitung schickt der Verfasser eine Darstellung der Geschichte des französischen Theaters zur Zeit der Confrerie de la Passion, der Ba- zoche und der Enfants-sans-Souci voraus. Sie ist für die Schüler bestimmt, doch wird sie auch für Eingeweihte durch zahlreiche Anführungen aus weniger zugänglichen Werken interessant. Nachdem der Verfasser sodann eine kurze Analyse des Inhalts der farce gegeben, bespricht er die Ansicht von Genin über'den Verfasser. Er verwirft sie, da der Patelin der Sprache wegen dem Antoine de la Säle nicht zugehören könne. Als Zeit der Ent- stehung nimmt er die achtzig Jahre zwischen 1360 und. 1440 an, als Ort der Entstehung, mit Genin, die Umgegend von Brie Comte Robei't. Hin- sichtlich des Ursprungs der fai-ce mag der Verfasser der Ansicht Grimms nicht beistimmen, wonach der französische Patelin, Reuchlins Hennon und das Luzerner Neujahrsspiel von einem gemeinschaftlichen Original, auf welches Goldoni hindeute, abstammen. Er glaubt vielmehr „que la farce Patelin est un prodnit originaire de la verve et de Tenergique vivacite de l'esprit gaulois." Hieran schliesst sich noch eine Notiz betreffend die Uebersetziuigen in's Lateinische und Italienische, die Neubearbeitung von Bruevs, und die Handschriften und Ausgaben.

Der letzte Theil der Schrift handelt von der Sprache des Patelin und ist eingetheilt in die drei Abschnitte: Versification, Orthographie und Aus- sprache, Lexicographie und Syntax. Einige Bemerkungen mögen hier Platz finden. S. 26. Unter den Versen, die der Verfasser als Beispiele für vorkommenden Hiatus anführt, finden sich auch diese: Que ung peu; mais je m'ose vanter •23 ; Vostre belle ante mourut eile? 159. Qui fut

Programmenßchau. 433

frere de sa belle ante 843; Mais comment parle il proprement 858. Offen- bar findet in diesen Versen Elision Statt. S. 28. Aus den im Reim stehenden "Wörtern esbatre debatre 1582, 3, ist unmöglich zu schliessen, dass s vor einem Consonant, wie in chascun, esbatre, nitht ausgesprochen sei, da die drittletzte Silbe in dem als Beweis angeführten Beispiele gar nicht zum Reime gehört. S. 28. „t initial se syncope: ante 159, 843." Der Ausdruck se syncope ist nicht passend, ebensowenig bezüglich des am Ende von faison 232 fehlenden s (S. 28) und in „la premiere du pluriel perd souvent s final" (ö. 40). Es sind dies vielmehr Anklänge an die ältere Sprache. ~ S. 36. „assene = assomme 1445" (?). S. 41. „ata- quer 891 forme norm an de pour attacher" (?j. S. 44. vescir : vescu 1578 (?). S. 44. faillir findet sich unter den verbes inchoatifs aufgeführt. S. 46. In der Formel se dieu piaist 38 ist dieu wohl nicht sujet, son- dern regime, wofür ausserdem deutlich V. 97 spricht: pleust or a Dieu. Der grammatische Theil der Abhandlung ist ein werthvoller Beitrag zum Studium der Sprache des fünfzehnten Jahrhunderts.

A. Lüttge.

Archiv f. n. Spr.iclifn. LIV. ^g

M i s c e 1 1 e n.

De )a double origine de l'article allemand. Les contractions zum, am, vom, . . . aufs, ans, etc.

Extrait des M^moires de la Socidte de Linguistique.

Oll admet generalement que les contractions zum, am, vom, ins, ans, etc., et les formes analogues en moyen haut-allemand, representent etymologiquement zu-|-dem, an-}-dem, etc., in-j-das, an-f-das, etc. Mais la chute du d dans ces conditions, surtout dans zum, etc., est con- traire aux lois de la phonetique allemande. Quand le d disparait dans des formes comme reite pour redete il n'y a i)as cliute du d, mais attraction de deux consonnes semblables.

Nous venons proposer une autre explication, fondee sur Torif^ine double de l'article dans la plupart des dialectes allemands.

Prenons d'abord l'article dans quelques dialectes bas-allemands, par ex. en hollandais:

neutre plur. dos 3 gemea

het de

van het, vant der

aan het, aan't, ant den

het de

On voit que le nomin. et acc. sing, neutre het ne represente pas le nieme pronom que les formes des autres cas, qui correspondent h celles des diflerents cms du pron. haut-allem. der, die, das, truidis que het remplace en hollandais le pronom haut-all. es, lequel daüleurs, .vomme nous allons voir plus loin. est egalement employe comme article. Contraite avec son substantif, het se rdduit h t : het reclit p. ex., devient trecht.* La forme du pron. hell, neutre dat, ä laquelle on s'attendrait, ne s'est pas affaiblie en article.

sing.

masc.

fem.

nom.

de

de

gen.

des

der

dat.

den

der

acc.

den

de

* Je cite ici l'expllcation qui parait generalement adopt^e par leS grammairiens, mais je fais une reserve. Le h appuye sur une voyelle est tres-ttnace dans les langues germaniques (dans raus, rein etc., pour her- aus etc.. il y a plutöt lusion de l'h avec r que chute do l'h) : c'est ponr- quol le t de trecht semble plutöt representer le pronom bas-allem. it, et. Meme reniarque pour les contractions avec prepositions, p. ex. aan't, ant, qui s'emploient a cotö de an het.

Miscellen. 435

Voici maintenant le tableau de la declinaison de Tarticle dans un grand nomhre de dialectes haut-allemands de rAllcmagne du Sud. Nmis mettoüs les fornies littdraires en regard des formes dialectales, pour faciliter la comparaison.

all. litt.

dial.

all. litt.

dial. all. litt.

dial.

nom.

m. der

dr

f. die

d' n. das

's

gen. dat. acc.

des

dem

den

manque im. em, de, dr*

all. litt.

der

'm der

die

dial.

manque des dr dem

d' das

manque im, em,

's

plur. nom.

die

d'

gen. dat.

der den

manque de, den

devant une vojelle.

acc.

die

d'

alL litt.

dial.

all. litt.

dial.

sie

se

es

's

ihrer ihr

manque ir, er, 'r,

ere

seiner ihm

manque im, em, 'm

sie

se

es

's

L'inspection de ce tableau montre : P la majorite des formes cor- respondent dans ces dialectes k Celles du pron. der, die, das, comme en allemand litteraire. 2" Deux forme.s, le nom. et acc. sg. neutre 's, et le dat. sg. masc. et neutre im**, em, 'm, ne peuvent pas se rattacher au meme pronom ; car les formes de ce dernier conservent l'iuitiale d et af- faiblissent ou perdent leurs finales. Les formes de ces deux cas se rat- tachent au pron. er, sie, es : en effet, 's = es, im, em, 'm = ihm, comme le montre le tableau suivant de la declinaison de ce pronom employe comme pron. conjoint en allemand litteraire et dans les dialectes en question:

all. litt. dial.

nom. er er, 'r

gen. seiner manque

dat. ihm im, em, 'm

acc. ihn in, en, 'n

J'ai dit „employe comme pronom conjoint" , car lorsqu'il est mis en relief, il n'est pas affaibli, p. ex.: Ich hör' en „je l'entends", mais „c'est lui que j'entends" = ihn hör' ich, comme en allem, litteraire.

Les formes de l'article im, em, 'm, 's, surtout la derniere, qui dans beaucoup de dialectes sont employees exclusiveme nt pour dem et das, s'emploient dans d'autres dialectes hiut-allemands p ar alleleme nt a dem et das. La forme 's est meme employee par les poeies classiques soit comme pronom, soit comme article : au Heu de es ist par exeinple, on trouve quelquefois 's ist, qui se dit ä tout momeut (ians le langage fami- lier; au lieu de das Recht, on trouve paribis 's Hecht, qui reprdsente etymologiquement es Recht et nun das Recht, comme on 1 admet gene- ralement, de meme que le holland. t recht est pour h et recht, et non pour dat recht.

Ceci pose, nous proposons les etymologies sulvantes :

1"^' Les formes coutractees zum, am, vom, etc., qui .s'emploient en allemand litteraire parallelenient aux formes zu dem, an dem, von dem, ne correspondent pas etymologiquement h, ces dernieres : elles reprdsentent

* L'accus. masc. dr appartient au dialecte ahmian. ** Signaions en passant un curieux fait d'analogie. Plusieurs de ces dialectes emploient au datif sing. fem. in dr li cote du simple dr, p. ex. sag's dr Frau ou in dr Frau: la langiie populaire a fini par voir dans l'article masc. et neutre im la prrposition in, et le l)esoin <!e regulariser la declinaison l'a amenee ä eniployer tette preposition pour exprimer le datif f4m. sing., et eile l'emploie meme tres-souvent pour le datif pluriel: in de Kinder ii cote de de Kinde r.

28*

zu-|-ihm, an-f-il>iii> von-f-ibni, etc., ayant passd par zu'm, an em, von eni, fornies dont le deuxieiiio membre em et 'm est employe dans plusieuis (ii;iloctt's parall61eniont ii dem, et diins d'aiitres excliisivemiiit poui- 1 articie dem. Tour la conti action du gro'ipe n-| em en m, cf. le datif e\»i poiir ei«(t')Hi dans plusieurs dialectes <lii Sud, de nieme meini, deim seim, ou mim, dim, sim, pour meinem, deinem, seinem.

Les formcs ans, ins, etc., qui s'emploient en allem, litt^raire pa- rallelement ix an das, in das, etc., represcntent etymologiquement an es, in es, c.-a-(l. an's, in's, etc., formes dont le seeond membre 's est em- ploye comme aiticle ilans tous les dialectes haut-allemands soit parallele- ment K das, soit exclusivement pour das.

3" La forme zur, employee souvent pour zu der, est contraclee de zu ihr.

La double origine de l'article en liaut-allemand comme en bas-allemand est d'ailleurs encore attestee par un emploi parliculicr du proclitique 's, pour marcjuer le genitif, emploi qui ne pitrait pas encore avoir ete mis suf'fisam- ment en relief par les grammairieiis. 11 y a dans certains dialectes haut- allemands, oii le genitif est maintenant ordinairement rendu par la preposi- tion von, des g^nitifs comme 's Pauls de Paul, moyeii h.-all. 's wirtes mage = des w. m. (Nibel. V. 296) et en hollandais, oii le genitif est egalemeut exprime par van, des genitifs comme 's grafe = h.-all. des grafen. Cet 's proclitique ne peut representer autre chose que le genit. anc. h.-all. es, gotli. is, du pron. er, ir, goth. is, (genitif qui fut plus tard remplace par sin, sein, et le genit. bas-all. bis. C'est par ce g4nit. que s'explique ums dans ums himmels willen.

Cet ancien genit. es s'est maintenu ^galement en allemand litteraire comme pronom dans certaines locutions. 11 y a, en eff'et, des adjectifs gou- vernant le genitif, p. ex. zufrieden, gewärtig, etc., mais qui s'emploient avec es dans des expressions comme ich bin es (ou bin's) zufrieden, ich bin es (ou bin's) gewärtig, ä cote de ich bin desz gewärtig; cf. ich bin's gewisz, sie haben's kein gewinn (Luther), et les nom- breux exemples dans le Dictionnaire de Grimm, a l'article es, p. 1125 1139.

A ceux qui m'objecteront qu'en moyen haut-allemand on ne frouve pas de tracts de im, 's employes comme articles ä l'etat simple (ce qui n'est pas encore prouvö!),* je citerai un iait analogue qui s'est passe pour l'ad- verbe wo. En eff'et, beaucoup de dialectes haut-allemands emploient au- jourd'hui cet adverbe comme pronom relatif, ä cote de der, die, das, au nominatif et b, l'accusatif des trois genres du singulier et du pluriel, sans le decliner; ilsdisent: der Mann, die Frau wo kommt ou wo ich kenne, das Kind, die Kinder wo ich kenne. Or ce wo, employe dans plusieurs dialectes beaucoup plus frequemment que der, die, das, et qui, en allemand litteraire, n'a la valeur de pronom relatif qu'en composition (wovon, wozu etc.). n'est jamais employe comme pronom relatif en moyen haut-allemand, du moins les grammairiens ne l'ont-ils pas encore constatö.

De meme, je citerai comme pendant de zur, 'r = ihr est em- ploye en composition d'une autre maniere qu'k l'etat simple, les composes dazu, davon, dabei etc., oii da a egalement une autre valeur qua l'etat simple.

Le but de cette etude a ete surtout de faire ressortir que, de m§me que les pronoms ont eu recours k plusieurs racines pour former leur decli- naison, de meme aussi l'article ne d^rive pas d'un seul pronom, noa seule-

* II est certain que pour le genitif singulier au moins le moyen haut- allemand employait la forme 's, comme le prouve I'exemple tire des Nibe- lungen cite plus haut.

Miscellen. 437

iiient en hollan(]ais, comme on parait l'avoir adniis jnsqu'aujourd'hni, mais (lans tous les dialectes alleniands. La meme chose d'ailleurs, oa le sait, a dejk eu lieu en grec.

Paris, mars 1875.

Alfred Bauer.

Note additioneile. Ceci etait imprime lorsque de nouveaux renseigne- ments me sont parvenus:

1" Dans le hollandais populaire rarticle neutre est generalement et, et non het, qui appartient k la langue littäraire. Les contractions comme trecht, etc.. sont donc pour et recht, et non pour het recht. Ainsi la coüicidence avec le haut-allemand est complete; car si het ne concorde avec le h.-all. es que pour le sens, et coincide avec es pour le sens et pour l'etymologie.

2" M. Alph. Meyer, professeur au College Stanislas, nie communique les textes suivants, desquels il resulte qu'un dialecte anc.-haut-allem. au nioins eniployait-nieme le pron. maso. er (ir) comme article, parallelement k der. ]ls sont tires du court fragment d'Isidore de Seville donne dans le Lese- buch de W'ackernagel. P, 220. archundemes dhazs ir selbo Krist ist chiuuisso got = demonstravimus quia idem Christus est certo Deus. P. 224, I, 38. So ir selbo qunad zachariam = ita ipse dixit Zachariae. P. 226, L 6. ir almahtic got sih chundida... = omnipotens Deus se testatus est. Germania, 1874, p. 439. Sion quhad man endi man wirdit in iru chiboran endi dherselbo chiuuorahta sin ir höliisto = Ad Sion autem dixit vir et vir natus est in ea et ipse fundavit eam excelsus.

Der schottisch-englische Dialekt. Von Franz Baacke.

Man hat sich ziemlich allgemein daran gewöhnt, an die Bewohner Schottlands als an ein nicht bloss politisch mit den Engländern verschmol- zene?, sondern auch den Letzteren in Sitten und Charakter verwandtes, ja mit denselben sprachlich geeintes Volk zu denken. Ueber die Verwandt- schaft der Schotten mit den Engländern in Sitten und Charakter last sich streiten. Was. die Sprache der Bewohner Schottlands betriflt, so ist aller- dings für den V^erkehr das Englische die Landessprache. Es ist aber der besonderen Beachtung werth, dass das Gebiet der ehemaligen Britannia barhara dennoch sprachlich in, so zu sagen, zwei Lager getheilt ist.

Bei einer Reise durch das Hochland ist es von überraschendem In- teresse, die Erfahrung zu machen, dass daselbst, ungeachtet der mit Macht vor sich gehenden Anglisirung von Land und \'olk, die Leute am h heute noch mit Zähigkeit an der Erhaltung ihres „Gaelic" als Volkssprache fest- lialten derart, dass z. B. unter Anderm selbst in Orten wie Calander einem Städtchen von etwa 2000 Einwohnern, unmittelbar an der Gränze des Hochlandes gelegen, mit einer Eisenbahnstation verseben und zur Zeit der Saison Ziel und Aufenthalt einer nicht unbedeutenden Anzahl von Besuchern kaum al.s etwas sehr Aufi'allendes angesehen werden kann, mit Leuten in Berührung zu kommen, welche das Englische nicht nur mangelhaft verstehen, f-ondern auch schlecht sprechen. Tiefer im Hochlande und vornehndich in ßcinem westlichen Tlieile nimmt die Bekanntschaft des N'olkes mit der

438 ^Üsccllen.

koltisolien Mundart zu, und sind die Namen England und Scotland unbe- kannte Wörter. Die Bewohner Englands kennen <iie Hochländer in ihrer Sprache nur unter dem Namen Sassanachs ; und die den Engländern ver- wandteren Bewohner Nieder-Schottlands sind ihnen Cuals d. h. Fremde, wie sie denn auch demgemäss Nievler-Srhotilaud mit dem Namen Guaidaeh (Land der Fremden) bezeichnen. Ihr eigenes Land aiier, das sie, nach Sir VValter Scott, bekanntlich als „The land of tlie lochs and mountains and of the brave men'" oder aucl» wohl (wegen der von einem grossen Theil der ärmeren Bevölkerung an Stelle jedes andern Brotes mit Vorliebe genossenen, aber einem andern als einem schottischen Gaumen kaum zusagemlen llafer- kuchen) „the Land of Cakes" zu bezeichnen beliebtn, hat in ihrer Sprache den Namen Albanich oder auch Gaeldach

Wie lange es dem \'olke gelingen mag, seiner keltischen IMutter- si)rache neben der englischen Sprache ein Recht der Existenz zn wahren, ist allerdings schwer zu sagen: dass ihm dies aber rn'clit auf die Dauer eirier sehr langen Zeit liin in dem Grade weiter gelingen wird , kann bei der sichtbaren Hesignation, mit welcher es sich in die gegenwärtig gegen iiüher politisch und social total veränderten \'erhältnisse auf seinem heimatldichen Areal fügt, nicht zweifelhaft sein.

L)ass die Hochlandsbewohner Schottlands, nachdem sie so ziemlich Alles eingcbiisst, was an die Zeiten der patriarchalischen Clan-Verhältnisse erinnert, an der Erhaltung der Sprache ihrer Vorfahrten mit Zähigkeit sich klammern, ist für die gegenwärtigen Sprachverhälinisse in Schottland jeden- falls be.\chtenswerth ; und wenn auch das endliche \'erschwinden der gae- lisch-keltischen Mundart allerdings nur eine Frage der Zeit ist, so wird doch die--es N'erschwinden nicht stattfinden ohne ein theilweises, allmähliges Aufsehen des Gnelischen in den englischen Dialec t der Bewohner Nietler- Schottlands. Es ist dies ja nur eine natürliche Folge der unmittelbaren Nachbarschaft und des durch diese Nachbarschaft bedingten und sich in Zukunft sicherlich immer reger gestaltenden Verkehrs des Hochlandes mit Nieder-Schottland.

Vornehmlich in den nördlichen Regionen Nieder-Schottlands, also ent- lang der (iränze des Hochlandes, erscheint der schottisch-englische Uialect, bezüglich der Aussprache, des \\'örterschatzes und überhaupt der ganzen Ausdrucksweise, sichtbar stark neeinÖusst vom Gaelischen. Natürlich tritt diese Beeinflussung allmählig zurück, je weiter man nach Süden kommt, und sie ist am geringsten an der Südgrenze Schottlands. Aber es ist eine der wesentlichsten Eigenthündichkeiten des enolischen Dialects, wehdier in Schott- land gesprochen wird, dass er nicht nur keltische Wörter und Ausdrücke theilweise allerdings verderbt und nicht auf den ersten Blick eikt nnbar in Hülle nnd Fülle aufgenommen hat sondern dass auch in der AuS'Sprache eine erkennbare Anbahnung an das Keltische darin deutlich genug zu Tage tritt. Ob diese Eigenthümlichkeit, wenn überhaupt in ihrem ganzen Umfange dem Umstände zuzuschreiben ist, dass, gleich den hochländischen Schotten, die nachweislich ja, mit andern keltischen Stämmen , von den Beigen ver- drängt, nach Irland herübergekommen waren und hier sich zunächst nieder- gelassen hatten, dann aber bereits in ziemlich früher Zeit Irland wieder ver- liessen und in dem gebirgigen Norden der Insel Albions ihre Wohnsitze auf- schlugen — die Urbewohner Nieder-Schottlands ebenfalls keltischer Abkunft gewesen sind. Dies ist mindestens so lange eine gewagte Behauptung, so lange nicht die Stammesverwandtschaft der Urbewohner beider Theile des heutigen Schottlands mit Sicherheit nachgewiesen ist. Aus der Geschichte ist zwar bekannt, dass, nachdem die Römer ihre zuerst errichtete Mauer aufgegeben und weiter süd.lich die zweite Mauer aufgeführt hatten, das (Gebiet zwischen beiden Beftstigungswerken von einem Volke in Besitz genommen ist, das die Münten hiess. Aber wer waren diese Münten? Und weiter: Wer waren die Ficten, von denen man kaum viel mehr weiss, als dass sie ihren

Miscellen. 439

Namen ihrer Gewolinheit verdankt liaben, sich nie FInut zu bemalfii? Was in Bezup auf <lie Abstammung dieses \'olkes fresagt wird, ist doch jedenfalls sehr unsicher. Denn lassen sich gleichwohl manche Gründe da- für anführen, dass dasselbe ein Volk keltischen Stammes gewesen sein mag, so muss doch auih wiederum zugestanden werden, dass die Annahme der frühen Einwanderung eines nord-germanischen Stammes ebenfalls manche Gründe für sich hat und die ursprüngliche Verschiedenheit zwischen Nieder- Schottland und dem Hochlande, dessen Bewohner bereits in frühester Zeit, wo man Gelegenheit ^>r]angte, sie näher kennen zu lernen, in Sitten und gesellschaftlichen Verhältnissen, ja selbst in Sprache eine verschiedene Ab- stammung ankündigten, erklären würde.

Nun ist es ja wuhr, dass im Verlauf der letzten Hälfte des 5. Jahr- hunderts die Pictcn aus der Geschichte verschwinden.* Lassen wir die zu unwahrscheinliche Behauptung, dass sie von ihren ehemaligen Verbündeten, den Sciiotten, vollständig aufgerieben worden, bei Seite, so bleibt nur noch übrig, dass sie mit diesen zu einem \'olke vollständig verschmolzen sind, oder dass sie das Land verlassen haben, oder dass theilweise das Eine, theilweise das Andere geschehen ist; und wenn nun auch die vorausge- setzte Verschmelzung eiuigermassen dafür sprechen mag, dass die Fic- ten den Schotten stammesverwandtschaftlich nicht allzu fern gestanden haben mögen, so muss man hierfür auch wieder in Rechnung bringen, dass im Verlaufe der Jahrhunderte, während welcher beide Völker sich so einig erwiesen hatten in der Beunruhigung des benachbarten Britanniens durch Kriegs- und Beuteuntcrnelimungen , sehr möglicherweise immerhin so eine Art Verwandtschaftlichkeit zwischen ihnen sich herausgestellt haben mochte. Die ganze spätere Geschichte nach dem Verschwinden der Picten aus der- selben bietet indess kaum den geringsten Anhalt, woraus mit Sicherheit die Beherrschung Nieder-Schottlands von rein keltischen P>lementen zu ent- nehmen wäre. Im Gegentheil, solche Elemente , wenn sie früher hier vor- handen gewesen, treten immer entschiedener zurück vor andern Elementen; und von da an, wo wir anfangen, mehr Licht über die Verhältnisse Nieder- Schottlands zn gewinnen, machen wir sogar die \A'ahrnehmung . dass ein merklich zunehmender Gegensatz zwisi'hen Nieder-Schottland und dem Hoch- lande sich herausbildet, tntzdem die Bewohner beider Landestheile in Eng- land lange Zeit liindurch einen ihnen beiden gemeinsamen Gegner be- kämpfen: und dieser Gegensatz tritt in dem Grade stark hervor, dass die Niederschotten von den Hochländern sogar als „Fremde" bezeichnet wer- den, ein Beweis, diiss wenigstens die Letzteren von einer Stammesverwandt- schaft mit ihren nächsten südlichen Nachbarn nichts wissen wollen.

Es ist allerdings richtig, dass die Niederschotten schon seit den frühesten Zeiten von ihren hochländischen Nachbarn sprachlich beeinflusst sein müssen; und ein gut Theil der keltischen Eleniente, die in dem schot- tisch-englischen Dialekt angetrofien werden, sind ohne Frage dieser Beein- flussung zuzuschreiben. Wahrscheinlich ist auch, dass durch Ansiedlungen einzelner Hochlandbcwohner im Niederlande obschon die Clan-^'erhäIt- nisse im Hochlande dieselben, streng genommen, nicht gestatteten die Beeinflussung, welche die keltischen Elemente auf die Sprache der Nieder- schotten ausübten, naturgemäss verstärkt worden ist. In späteren Zeiten sind solche Ansiedlungen nachweislich immer häufiger vorgekommen; und welches die Folge denn für die Sprache der Bewohner Nieder-Schottlands gewesen sein muss, braucht nicht weiter gesagt zu werden. Nichtsdesto-

Allerdings werden noch im 12. Jahrhundert bei Gelegenheit der „Battle of thc Standard" die dur. h besondere Wildheit und Kühnheit sich hervorthuenden „Men of Galloway" genannt, welche nach einigen Forschern Nachkonnnen der Picten gewesen sein sollen. Die Gründe hierfür sind indess ziemlich liinfällig.

440 MisccUen.

woniger aber bat si<-b die Sprache Nieder-Schottlands enfscbieden als eine Mnmhirt der englischen Sprache nicht nur über Wasser gehalten, sondern inthr lind nu-hr als solche herausgebildet; und die eine wesentliche Eigen- thiinilirhkcit dieses schottisch-englischen Dialekts, durch welclie sich derselbe annalleiid von andern Dialekten der englischen Sprache unterscheidet, ist die in neuerer Zeit verhältnisstnässig allerdings abnehmende Beeinflussung desselben durch das „Gaelische" vornehmlich hinsichtlich seines Wörter- schatzes. Freilieh erhält wohl der Zuwachs, welcher dem Wörterschatz des schottisch-englischen Dialekts aus den neuen Kntieihungen aus dem Gae- lischen erwächst, ein Gegengewicht durch die den Umständen und Verhält- nissen nach mächtiger und mächtiger sich geltend machenden englischen Elemente und durch das allmählige Ver.'ilten gewisser Au^drücko. Aber was das \'eralten anlangt, so trifl't dies die englischen Elemente des Dialekts doch kaum weniger, als die keliisclien Elemente; und überdies ist zu beach- ten, dass auch veraltete, mit der Zeit aus dem Gebrauch kommende Aus- drücke doch dadurch eigentlich für den AN'örterschatz überhaupt noch nicht verloren zu gehen brauchen, und dass eine Menge keltischer Wörter schon um deswillen dem Schicksal des völligen \'eraltens nicht nusgesetzt sind, weil ihre Eigenschaft als Familiennamen, Ortsnamen oder dergleichen sie dagegen sichert.

Es ist oben bereits bemerkt worden, dass das \'orhandensein der kel- tischen Elemente im schottisch-englischen Dialekt am stärksten hervortritt in den nördlichen, also den an das Hochland sich anlehnenden Gränzdistricten Nieder-Schottlands, dass sie nach Südin hin abnehmen und am wenigsten hervortretend in den an England sich anlehnenden südlichen Gränzdistricten sich geltend machen. Dies ist etwas g;\nz N;iturgemässes, beweist aber auch, dass noch immer fortgesetzt eine Beeinflussung des Dialekts durch das Gae- lische stattfindet; wie man allerdings aus demselben Grunde auch behaupten kann und rauss, dass im Süden Nieder-Schottlands durch die unmittelbaie Nähe Englands die in dem Dialekt durchaus vorherrschenden anglikani- schen Elemente eine besonders starke Stütze, ja mehr, nämlich, so zu sagen, unmittelbare Nahrung und Pflege erhalten. Als sicher angenommen, das keltische Element in dem schottis. h-englischen Dialekt sei nur der Rest des in der Ueberwucherung durch die englisihe Sprache allmählig erstickten keltischen Sprachzweiges des Stammes der GaUn, so könnte man es sich schon gefallen lassen, wenn dieser Rest in den südlichen Districten um ein weniges geringer wäre als in den nördlichen Districten. Der Unterschied ist aber durchaus nicht gering, sondern in der That so auff"allend gross, dass das stärkere \'orkommen der keltischen Elemente in diesen letzteren Districten nur durch einen fortwährenden, schon seit lange stattfindenden Zuwachs Seitens des gaelisch-keltischen Dialekts vom Hochlande her erklär- lich wird.

Um nunmehr zu der zweiten wesentlichen Eigenthümlichkeit , welche den schottisch-englischen Dialekt von andern Dialekten der englischen Sprache unterscheidet, zu kommen, möge es gestattet sein, an eine A\'ahr- nehmnng anzuknüpfen, die man beim Lesen von Werken der specifisch schottischen Literatur macht. Es ist das in solchen Werken häufige Vor- kommen germanischer Elemente, welche man in englischen Werken nicht» schottischer Autoren vergebens suchen würde. Es genüge, zum Beweise nur an die Werke Sir Walter Scott's und Burns' zu erinnern. Diese Eigen- thümlichkeit des schottisch-englischen Dialekts tritt aber fast noch schärfer hervor im mündlichen Verkehr; und Schotten, welche sich mit dem Studium unserer deutschen Sprache abgeben, äussern oft eine freudige Ueberraschung über die auffällend grössere \'erwandtschaft ihres Dialekts, wie sie durch die hier in Rede stehenden Elemente bewirkt wird, mit unserm Deutsch. Natürlich tritt diese Eigenthümlichkeit nicht überall in gleich starkem Grade auf. Wie in den südlichen Regionen des Landes die Nähe Englands und

Miscellen. 441

das specifiseh englische Spiachidiom naturgemäss sich geltend macht , so sclieiiit in den nördlichen, den an das Ilochlan<l sich anh-hneuden Regionen die stärkere Beeinflussung des Dialekts durch das „Gaelische" d;is Vorkom- men germanischer Ehnnente in verliältnissmässiger Weise zurückzudrängen. Am stärksten machen sich daher germanisclia Elcmfnte geltend längs der Tlialsenkung von) Firth of Clyde bis zum Firth of Forth. Hierzu ist zu bemerken, dass, wenn auch von dieser J>inie an gerechnet die Abnahme der germanischen Elemente nach Norden zu immerhin nur allmähüg v(>n Statten gellt, die in dem Dialekt vorhandenen oder sich einschleichenden keltischen Elemente, wie «'s scheint, die germanischen Elemente überwuchern, wäh- rend, von derselben Linie an gerechnet, nach Süden zu nur eine sehr all- mählige Abnahme der germanischen Elemente bis zur Gränze an England bemerklich ist. Man kann daher rücksichtlich dieser Elemente Nieder- Scliottland gewissermassen in zwei von einander zu untei'scheidende Zonen, d. h. in eine nördliche und eine südliche Zone, theilcn.

Eine bcsi)n(iere Eigenthümlichkeit dieser Erscheinung, die dem Dia- lekt ein charakteristisches Gepräge verleiht, ist übrigens noch der Umstand, dass sie nicht nur in Bezug auf eine ganze Anzahl von A\'örtern gilt, welche auch der in der Lösung etymologischer Räthsel nicht Ceiibte leicht als germanische ei kennt, sondern auch in Bezug auf die Aussprache. Des Schotten Zunge scheint, um es etwas trivial auszudrücken, wenger dick zu sein als die des Engländers, und dies macht es ihm leichter als diesem, ge- wisse Laute, wie beispielsweise unser deutsches ch nach einem holien \'ocal klar und deutlich auszusprechen. Die nachfolgenden Bemerkungen über einzelne Eigenthümlichkeiten der schottischen Aussprache, so wie verschie- dene der am Ende dieser Arbeit aufgeführten specifiseh schottischen Wörter werden für die ausgesprochenen Behauptungen ein genügender Beweis sein.

Die Grundlage des schottischen Dialekts ist natürlich das Englische; denn sonst verdiente er nicht die Bezeichnung eines Dialekts der engli- schen Sprache. Wie aber bis zur Vereinigung Schottlands mit England und theilweise noch nach dieser Zeit die Verhältnisse sich in beiden Län- ilern nicht einander conform entwickelt haben, so ist auch der Entwick- lungsgang der Sprache in Schottland nicht dem Entwicklungsgange der Sprache in England durchaus conform gewesen, und der schottisch-englische Dialekt hat sich zu einem von den übrigen Dialekten der englischen Sprache wesentlich verschiedenen Dialekt herausgebildet. Das schottische Englisch enthält nicht nur bereits eine starke Beimisehung keltischer P^lemente, welche dem reinen, modernen Englisch fremd sind, sondern es wird, nach Lage der obwaltenden nationalen Verhältnisse in Schottland, auch gegenwärtig noch zu einem Theil von der Sprache der keltischen Hochlandbewohner beein- flusst ; und ausserdem enthält das schottische Englisch auch ein auffallend gut Theil von germanischen Elementen mehr als die übrigen englischen Dialekte, welche mehr als alle diese Dialekte daran erinnern, dass das heu- tige moderne Englisch zu seiner Grundlage die angelsächsische Sprache hat.

Es darf hii;rbei eine Wahrnehmung nicht übersehen werden , welche man längs der Westküste machen kann, sobald man seine Aufmerksamkeit hier den Inseln und Tnselchen, Seen etc. zuwendet Es muss nämlich auf- fallen, dass die überwiegende Zahl dieser Namen keiner derjenigen Sprachen entlehnt sind, die, soweit dies erkennbar, zur Bildung des schottischen Eng- lisch einen mehr oder minder bedeutenden Beitrag geliefert haben , d. h. sie sind weder angelsächsischen, noch keltischen, noch normannisch- franzö- sischen Ursprungs.

Es haben nun zwar keltische Etymologen bezüglich eines grossen Theils der beregten Namen ihr Möglichstes versucht, ja man darf sagen: sie haben denselben (Jewalc angethan, um sie zu keltischen Wörtern zu stempeln, allein mit schlechtem Erfolg. Die Frage ist daher: Wo ist der Ursprung derselben? Sie entstammen dem Skandinavischen, bezichungs-'

412 Miscollon.''

wi'i c (It'iii Däiiisclicn. AllordIn;^'S setzt diese dnrcli die Etymologie der hier in Rede stellenden Namen von Inseln, 8een etc. wohl begründete Behaup- tung das eliemalige Vorhandensein von dänischen Ansiedlutigen an der West- küste nnd auf den längs derselben gelegenen Inseln voraus.

Von Schotten hört man zuweilen die Behauptung au'^sprechen, dass man in den t^ebiMeten Krei'-en Sehottlands ein in inanniofacher Beziehung besseres Englisch spreche als selbst in den entsprechenden Kreisen Eng- lands. Es verstellt sich indess, dass ihnen dies von den Engländern eben .'^o wenig zugestanden wird, so sehr diese Letztern au( h den Amerikanern, die von ihrem Englisch nicht minder eingenommen sind, den Ruhm be- streiten, das beste P^nglisch zu sprechen. Ob und inwiefern die Engländer ein Recht zu beanspruchen lieben, für ihren heimathlichen Boden in specie zu behaupten, dass auf ihm das am besten gesprochene Englisch angetroffen werde, soll hier nicht untersucht werden.

Uebrigens hat das schottische Sprachidiom sein Gefälliges. Wie der Schotte dem Fremden gegenüber personlich weniger kalt und reservirt ist als der Engländer, so hat die ganze Art und Weise lies Schotten, zu sprechen die Aussprache mit einbegriffen , ein Etwas an sich, dasVertrauen er- weckend ist. Sein Dialekt und hierbei ist zu bemerken, dass auch der gebildete Schotte sich meist auffallend schwer von seiner heimatlichen Mund- art zu emancipiren scheint, nicht bloss hinsichtlich der Aussprache, sondern ebenso hinsichtlich des dieser Mundart eigenen Wörterschatzes, so dass ihm in lebhafter Rede bald einmal ein kenna statt know not, richtiger do not know, u. dergl. m. entschlüpft zeichnet sich, abgesehen von den den übrigen Dia- lekten der englischen Sprache fremden Beimischungen, vornehmlich durch eine Deutlichkeit und Klarheit der Aussprache aus, der merkwürdigerweise selbst «hirch manche demselben eigenen, sonst ungewöhnlichen Confiactionen nur ge- ringer Abbruch geschieht; unil wenn die Aussprache amh in mancher Hin- sicht auffällig genug von den Regeln einer correcten Aussprache des Eng- lischen vielfach abweicht, so kann doch nicht gesagt werden, dass dies un- angenehm berührt.

Ueber die Aussprache des schottisch-englischen Dialekts Jfet Folgendes zu bemerken :

1) Während der Engländer ch am Ende gleich k, beziehungsweise sogar ck spricht, so dass z. B. Wörter wie loch und quoich in seinem Munde lock und quoik klingen, spricht der Schotte ein deutliches deut- sches ch, und es klingen in seinem Munde die angeführten Wörter: Loch, Quoich.

2) In Wörtern wie soldier, Situation, nature u. dergl. beginnt in der Aussprache eines Engländers die Silbe nach dem d, beziehungsweise dem t mit einem mehr oder minder stark hervortretenden Anklang eines Lautes älinlich dem französischen g vor einem hohen \'ocal. In der Aussprache des Schütten tritt statt des erwähnten Zischlautes der deutliche Laut des consonantischen y ein.

3

3) Das dunkle a, nach der Walkpr'schen Zifferbezeichnung a, ist nicht nur sehr hell, dass es nahezu den Klang des deutschen a in Wörtern wie

3 . sang. Bank u. dergl. hat, sondern es tritt für die Fälle, dass diesem a ein 11 folgt, die Eigenthümlichkeit hinzu, dass dieses double 1 in der Aussprache durchaus verschwindet, und es werden z. B. daher: all zu a', call zu ca', fall zu ta , hall zu ha', wall zu wa' u. dergl. m. Nur bei Leuten, die mit grosser Sorgfalt zu articuliren sich bestreben , kommt das 11 einigermassen zu seinem Recht.

4) In Wörtern mit einem kurzen o wird dieses o zu einem ganz deut- lichen deutschen a. So klingt daher z, B. long = lang, wrong = wrang,

Mifccllen. 443

aniöng = aiuang (dafür gewöhnlich bloss "niaug), ciropping = dinpping, ofteii = riften, not (mit dem gleichzeitigen We<:fall des t) = na.

0) !n einzelnen Wörtern mit Inngem o wird dieses o zu a (doch etwas

iiellcr, als die Engländer dies a meistens sprechen). So klingt z. B. blow =: blaw, crow = craw, joke ^= jauke, oM = auld, cold = cauld, snow =: snaw.

6) In amlern Wörtern wieder, wie z. B. alone, home, stone, in denen ebenfalls das o lang ist, und selbst in dem W^orte one und dem hiervon abgeleiteten once wird das lange o zu a, so dass also die angeführten Worter alane, hame, ^tane, ane, ance klingen. Es scheint fast, als ob die Consonanten m und n (welche in den aiigc führten Beispielen dem o folgen)

für die \'erwandlung des langen o in a bestimmend wären. Allein, dies als Kegel aufzustellen, erscheint gewagt.

Hieran anzuschliessen sind andere, ähnliche Veränderungen wie: almost in alniaist, sore in sair, woe in wae (das e am Ende wie ein kaum zu ver- nehmendes deutsches i ein wenig naelikÜngendl.

7) In noch andern Wörtern wird o zu ae (a und das e leise nach- klingend). Solche Wörter sind: close = claes, so = sae, no = nae, from (mit gleichzeitigem Wegfall des m) = frae u. a.

8) Who wird zu wha (deutsches, etwas dunkel klinjiendes , aber kurz abgebrochenes a) ; ebenso wird whom zu wham, would zu wad u. dergl. m.

9) In Wörtern wie ben, nevis u.a. wird das e von den Schotten durch- aus wie ein deutliches deutsches e gesprochen, während die Engländer ge- neigt sind, aus demselben ein i in der Ausspiache zu machen.

10) Umgekehrt dagegen machen die Schotten aus den Wörtern neigh- bour, eye, die, well folgende Wörter: neebor, ee, dee, weel; und solche Veränderungen giebt es noch mehrere.

11) Vor der Silbe ther scheint der Laut i in einzelnen AVörtern als besonderer Liebling, und so wird aus together thegither, aus another anither (und ane anirlier <ür one another). Wie aber auch sonst noch wohl das kurze i einen andern kurzen Vocal verdrängt, beweisen Worter wie: rin l\ir run, stibble für ftobble u. a.

12) Das Fallenlassen einzelner Laute eines Wortes oder einer Silbe vermeidet der gebildete Schotte nicht minder als der gebildete Engländer ; in der L'mgangssprache der gewöhnlichen Leute ist es dagegen eben so wenig sehen wie in andern Dialekten der englischen Sprache.

Es folgt hier noch eine Liste solcher Wörter, welche, da sie ausser dem schottisch -englischen Dialekt keinem andern Dialekt der etiglischen Sprache eigen sind, von Schotten und Engländern schlechthin, aber in wirk- lich bezeichnender Weise als „Scotch Words" bezeichnet werden.

Aber, Mündung eines Flusses (ein gendes oder wellenförmig sich ge- vorherrschend an der Ostküste vor- Staltendes Stück Feld, kommender Ausdruck) Ae, jemals.

Abh ausgesprochen av, mit fast Agee oder aj ee, schief, krumm, von

kaum merklichem v (awe, avie, der Seile; fig. von der Wahrheit

avich, oich). 1. ein Was.ser; 2. abweichend, verkehrt, ungleich,

fliessendes Wasser, Fluss. Ahint, hinter, hinten: rückwärts,

Abhuinn od. Amhain (avon, afon, hinterwärts; zurück, vergangen,

almond), Fluss. Aird (ard), Landspitze, Art Vor-

Achadh (Aach, Ach, Acha), anstei- gebirge.

444

Miscellt'ii.

Airid (ary"), 1. cingchector un<l be- deckter Raum für das \ ith wäh- rend der Sommerzeit; auch: Schii- ferhütte ; 2. von Bergen einge- schlossener, mit Grün bedeckter Platz,

Airt, Richtung (vom Winde ge- sagt).

AlttCauld, ald, al, alt, aldy), 1. \Vasserfall; 2. Bergfluss oder Bach.

Aodan (eden), Gesicht; Frontseite eines Gegenstandes.

Aonidh (uni), Land zwischen einer zusammenhangenden Felsreihe und Walser.

Ard, hoch. Ein anderes Wort ard nebst art, fort, ford, ord, ort , welche shmmtlich, wie das erste ard, nur in Zusammensetzungen, wie z. B. Gruinard, ISunart, Ski- port u. a. vorkommen sind ur- sprünglich wahrscheinlich ausCor- Tumpiruiigen des dänischen fiord entstanden.

Ath (ä), Furt, Fahrwasser.

Baa, eingefallener Felsen.

Bad, Gebüsch, kleines (Tchölz.

Baile (bal, bol, bally;, kleine Stadt, Dorf (die, bezw. das vornehmlich von Farmern bewohnt wird).

Ban, weiss.

Bar, 1. Spitze von Etwas; 2. hoch- gelegener Theil eines Bezirks.

Bata, Buot.

Beag, klein, unbedeutend; dünn.

Bealach (Balloch, Beal, Ballogie), 1. Oeff'nung in einer Wand; 2. Gebirgspass.

B e i 1 d oder b i e 1 d , Obdach ; Schutz ; Herberge.

Bein, wohlhabend.

Beinn (Ben\ Berg (angewandt in- dess nur zur Bezeichnung der höch- sten Berge).

Beithe, Birke, Birkenreis.

Beltane, der 1. Mai o. s.

Bent, I.Mund, Oefthung von irgend Etwas ; 2. Vorderseite, Front.

Biggin, Gebäude.

Benein (Ben- An, Ben-Aan), Spitze, Gipfel. Kegelförmig gestalteter Berg.

Birk, Birke.

B 1 ar (Blair), 1 . ausgedehnte Ebene ; 2. Schlachtfeld.

Bo Oller Ba, Kuh.

Bogha (bow), verfallener Felsen am Meere.

Bor ro wing-duy s , die drei letzten, meistens stürmischen Tage des Mo- nats März.

Boss, Höhle, Aushöhlung.

B o s t , Hafen, Platz, Station. (Kommt nur in Zusammensetzungen vor.)

Bowie, Milcheimer.

Brad d a n, Lachs.

Brae, Heide, Wald.

Braigh (brae), 1. obere Theil eines Gegenstandes ; 2. waldiger Tlieil eines Gebirges.

Brashy, stürmisch.

Braw, schön; grossartig.

Braxy, krankes Schaf.

Breac (brec), gefleckt, gesprenkelt, bunt.

Brent, ohne Runzeln, glatt.

Brock, 1. Dachs; 2. Getreideein- käufer.

Bruach, Ufer, Rand (eines Flus- ses).

Buaehaille, Hirt.

Buidhe (buy), gelb.

Buinne (Boyne), reissender Strom.

Bun (ban), L Fuss ; 2. untere Lauf eines Flusses oder untere Theil eines Sees. Z. B Bunawe, wört- lich: Fuss des Awe; Banft" (Con- traction von Banavie) , wörtlich : Fuss, d b. unterer Lauf des Flusses.

Caillacb, altes Weib, Hexe.

Cairdoch (cardoch), Schmiede.

Caladh (Gala), Hafen; Ankergrund.

C aller, frisch, kühl.

Caltuin (cauld, cald, keld), Hasel- staude, Haselnussstrauch.

Camus (Cambus, Campsie, Kames), 1. Biegung, Kurve; 2. Bai, Busen.

Cannie, vorsichtig, behutsam

Caol oder Caolas (Kyle, chyllis, chulich), enger, schmaler Sund.

Caofan, Bergesche.

Car (von Caer X'orsilbe von Na- men — ) Stadt, befestigter Ort. Z. B. Carstairs u. a.

Carn (cairn) , 1. Steinhaufen; 2. Hügel.

Carragh oder carr, Felsen, wel- cher die Form einer Säule hat.

Cean (ken, kin), 1. Haupt, 2. äusser- ste Spitze von Etwas. Daher z. B. Namen wie: Kinloch, Kin- ross

Ceap (kip, kippen), I.Punkt; 2. Kap.

Miscellen.

445

Ciachan, 1. Steine; 2. Dorf, Weiler.

Cl adacl), Ufer.

Clasb, schwatzen, klatschen.

Cluain (cluny, cluiie), grünes Weide- land inmitten von Bergen oder in- mitten eines Gehölzes.

Cuoc (knock), Berg (bezeichnender Name für weniger bedeutende Berge).

Cog oder coagie, Becher, Schale, Tasse.

Coile, Gehölz.

Collie, Schäf'erhunil .

Comrha (Comrie , Cumber, Co) Stelle, wo zwei Gegenstande zu- sammentreffen; Vereinigungi^stelle zweier Ströme.

Cookie, ungesäuerter Kuchen, Fladen.

Coom-ceil'd (für: attic ceiling), Pfeilerübeibau.

Corbie, Krähe.

Coronach, Grablied, Trauerlied.

Corrie, tiefe, becherförmige Höh- lung in einem Berge.

Co sie, bequem, angenehm, kosig.

Coup, umwerfen, umstürzen.

Couth, couthy, freundlich, um- gänglich, vertraulich, ungezwungen.

Craik, krächzen, quaken, knurren.

Crait, Art Korb, Packkorb.

Creag (craig, creg, creggan, crag), Felsen.

Crowdy, Mischung von Mehl und Wasser.

Cruach (Cruch, Cruchan), 1. Hau- fen, Schober; "2. hoher Berg; 3. hervorragender Gipfel eines Ge- birges.

Cuan, Meer; zuweilen: Sund, Meer- enge.

Cuddie, Esel.

Cuil (coil), Winkel, Ecke.

Cul, Rücken.

Curfuffle, verwirren, zerzausen.

Daft, thöricht, närrisch.

Dail (Dal, Dale), ausgedehntes ge- pflügtes Feld in der Ebene.

Dam, Wasserleitung (bei einer Mühle).

Damh, Ochse.

Dar roch, Eiche.

Deabhadh (Deva) , Untiefe; dem Austrocknen ausgesetzte Stelle eines Gewässers. Sehr wahr- scheinlich ist dieses Wort dasselbe mit dem als Flussname häufig vor-

kommenden Worte Dee; denn bei schneller Aussprache verschwindet die letzte Silbe beinahe gänzlich, und die erste klingt Dee. Noch wahrscheinlicher wird die Annahme, dass Deabhadh , beziehungsweise das aus diesem durch Corrum- pirung entstandene Deva und Dee ein und dasselbe Wort sind, durch die '1 hatsache, dass es in der Nach- barschaft zweier Flüsse, welche beide den Namen Dee führen, zwei andere Flüsse giebt, welche beide mit dem Namen Don be- zeichnet werden, und dass dieses Wort Don unzweifelhaft gleich- bedeutend ist mit dem englischen Worte deep (tief). Es giebt meh- rere Wörter im Hochlande, welche Deabhadh in der Aussprache Dee-v, das v kaum vernehmbar heissen, und dieselben sind stets an Stellen anzutreffen, wo ein Fluss oder ein See ausgetrocknet ist oder doch im Sommer gewöhnlich seicht wird.

De arg (derg), roth.

Domhain (don, doon, doin), tief.

Dorus (dores), Thür, Pforte.

Dour, mürrisch, verdriesslich, wun- derlich; trotzig.

Dreas, Bergfink.

Drochaid, Brücke.

Dron oder dronach, 1. obere Theil des Rückens ; 2. obere Ende eines Bergrückens.

Drouth, drought, Durst.

Druim (drum, Drymen, Drummond), 1. Rücken; 2. Bergrücken.

Dubh i,du), schwarz.

D u 1 e , Kummer, Gram ; Schmerz, Wehe.

Dun, 1. Anhäufung von Dingen; 2. Berg cder isolirte Felsmasse ; 3. Berg oder Felsen, auf dem Be- festigungswerke angebracht sind; 4. Festung, Burg.

Dyke oder dike, Mauer, aufge- worfener Erdwall.

Eadar (Fetter, Edder, Medder), Mitte, Pass.

Eag (aig), 1. Einschnitt; 2. Busen, Bai.

E a r n , Adler.

Eas, 1. Bergfluss; 2. Wasserfall. (In dieser Bedeutung iudess nur

446

Miscellen.

angewandt bei Strömen mit tiefen und bewaldeten Ufern).

Eek, Hinzufiigiuij: ; Zutritt.

Eery oder Eiry, l'urchtbar, sclireck- lieli, traurig.

Eile an (Ellan), Insel.

Eorn, Gerste.

Erigh, 1. Erheben; 2. aufsteigönder Boden.

Fada (fad), lang.

Faich, kleiner ebener Plan, Anger.

Fash, Mühe.

Fashious, mühsam.

Fearann, Land, Boden.

Fe am (nairn, arn, tern), Erle, Else.

Feidh (Fe), kleines Moor.

Feu, Grundzins.

Fi ach, Rothwild.

Fike, Unruhe, beständige Bewegung.

Fion (finn, tin), blond, weisslich.

Flook, Butte.

Flyte, schelten, zanken, keifen.

Forby, darübei-, ausserdem, über- dies.

Fore (to the), noch jetzt.

Fowmarte, litis.

Froach, Ilaide, Haidekraut; Ge- sträuch, Gebüsch.

Gack oder glack, OeflTnung eines Hohlweges im Gebirge.

Gamhan, jähriges Kalb.

Gang, gehen.

Garath, 1. Mauer; 2. Garten.

Garbh (garve, gar, gir), rau, hol- perig.

Gart, 1. stehendes Getreide; 2. ur- bares Feld.

Gear (gare, gair), kurz.

Glllean (gllien,», junger Bursche; 2. Diener, Knecht.

Gillie, Diener.

Glaic, 1. Höhle, Loch, Oeffnung, Durchgang; 2. enges Thal (ge- wöhnlich angewendet auf die Ver- tiefungen zwischen Bergen).

Glass, grau.

Glean (Glen), Thal.

Gled, Drache, Papierdrache.

Gleed, gekrümmt, schief, verdreht, verschroben.

Glint, hervorschauen, gucken, zum Vorschein kommen.

Gobhain (Gowan), Sehmied.

Gobhar (gower, gour), Ziege.

Goe und voe ursprünglich jeden- falls dänisclies Wort , kleine Bucht, Schlupfhafen.

Gorm, blau.

G orten, kleines Ackerfeld zwischen den Bergen.

Gowk, Kuckuck.

Grian, Sonne.

Grue, frostige Empfindung.

Gualin, 1. Schulter; 2. Bergrücken.

Guibhas (guise), Tannen-, Kiefern-, Föhrenholz.

Guibhasach, Tannen-, Kiefern-, Föhrenwald.

Gully, 1. Aushöhlung, Thal; 2. grosses Taschenmesser.

Haik, schleifen (von einem Platz zum andern), umherschleppen oder umherziehen.

Hairst, Ernte.

Hass, Hals, Schlund.

Haud, halten.

Hog, junges Schaf (das im zweiten Jahre ist).

Howlet, Eule.

I, Insel. Dies Wort kommt nur einmal vor. Die Insel Jona wird nämlich von ihren eigenen Be- wolinern 1 oder I-Colm-Kill, d. h. Columbus- (Name des ersten christ- liclien Missionars, welcher sich auf der Insel niederliess) Insel, nie- mals dagegen Jona genannt.

I n b h i r (Inner , Inver) , Mündung eines Flusses (ein vorherrschend an der Westküste vorkommender Ausdruck).

Ingle, Feuer.

Innis (Insh, Inch), Insel.

lunis oder Aisi, 1. flaches mit Grün bedecktes Stück Land oder Feld an der Seite der Mündung eines Flusses; 2. Gehege für Rind- vieh.

Jo, Bursche, Junge.

Jolair, Adler.

Juthar (ure), Eibenbaum, Eibe.

Kaie, Fleischblühe.

Kebbuck, Käse.

Ken, wissen, kennen.

Knowe, kleiner Hügel.

Kye, Kühe.

Lad die, Knabe, Bürschchen.

Lag, Höhle, Loch.

Laggan, kleine Höhle; jedes Stück Land eines eingeschlossenen Di- stiicts, welches tiefer liegt als die Ebene im Allgemeinen.

L a i g h , niedi'ig.

Laird, Landcigenthümer.

Miscellea.

447

L a p p e r ' d , geronnen.

Laogh (Ini), Kalb.

Lar, Grund, Boden.

Larig, Bergpass.

Lavrock, Lerche.

L a w i n , Wirthshaus - Rechnung, Zeche.

Leac oder Leacan (Leck oder Leckan), L Fliesenpflaster, Fahne; 2. platter Bergabhang; 3. jedes nach einer Richtung hin sich nei- gende, sonst aber ebene Feld.

Leal, wahr, aufrichtig.

Learg (Largs, Lairgs), abschüssige Ebene : 2. Abhang eines nicht zu steilen- Berges ; 3. Uferabhang.

Lee, Ireier, offener Grasplatz.

Lenrick oder La nrick (Lendrick, Lanark , Lemür), Ebene neben einem Gewässer.

L i , gefärbt; Lyon, gefärbter Strom.

L i a t h , weisslich, eisgrau, bereift ; schimmlig.

Lick, peitschen, schlagen.

Liun, \VasserfaU.

Linne, 1. Pfuhl, kleines Gewässer; ■>. See ; 3. Stück eines nahezu von Land umschlossenen Meeresarmes ; 4. (selten) \"\'asserfall.

L i o b h , Liobhan oder Liobtha (Lee, Leven, Leiih, Lethen), glatt, blank. Bei Flüssen oder Seen angewen- det: glatt oder ruhig.

Lies (,les), Garten.

Loan, Gemeindeweide einer Stadt. ^>Loch, 1. See; 2. tief ins Land hin- ein sich erstreckender Meeresarm.

Lon (Loan), Plan, Ebene.

Long, Rutschfläche, oS'ene Kluft; Si'lilicker; Stapel.

Mada (mad, vad), Hund, Wolf.

Magh (Mog), Blachfeld.

M a m , grosser runder Berg mit sanf- ten Aubäugen und einigermasscn ebenem Gipfel.

Mann, müssen.

Mavis, Drossel.

Meal, 1. Klumpen; 2. Hügel, Berg; 3. Felsenmasse.

Meikle, viel.

Mense, Richtung.

Mirk, dunkel.

Moin (men, mon, meny), Moos;

mooriger Untergrund. Monadh (Monagh), 1. Gebirge; 2. offent-r, weiter mit Haide bedeckter Raum, Moor; 3. Gebirgsland.

M 0 r , gross.

M u i r , Meer.

Mutchkin, (englisches) Nössel, Finte.

Nappy, Ale (das bekannte eng- lische Bier).

Neuk, Winkel, Ecke.

Nish oder Ness, Punkt; ins Meer vorspringende Landspitze.

üb (Oban), Bai; zuweilen auch: vor- springende Landspitze.

Ae jedenfalls dänisches Wort (a, ay), Insel.

Oiter (Otter, ottar), 1. Sandbank; 2. niedrige, sandige ins Meer rei- chende Landspitze.

Onsett, Vorwerk, Herrnhaus.

Ord, steiler, runder Berg.

Paitrick, Rebhuhn.

Pawky, schlau.

Pi b r o c h s , hochländisches Schlacht- Musikstück für die Sackpfeife.

Pig, irdener Krug.

Pirn, Haspel; Art lebhafter Tanz.

Pit, Höhle (kommt nur in Zusam- mensetzungen vor, z. B. Pitten- ween).

Port, Hafen.

Pow, Kopf, Haupt.

l^reas (birse, fries), Busch.

Qua ig h, Trinkbecher.

Quey, junge Kuh, Stärke.

Rath (rait, rodi), 1. Kreisfläche ; 2. in der Ebene sich erhebender, be- festigter Hügel.

Ream, Sahne.

Redd, frei machen, säubern, ent- wirren.

Reek, Rauch.

Reeky, rauchig, verräuchert.

Riabhach, bunt, scheckig, bunt- scheckig.

Righ (ry, ree), König.

Rigging, First eines Hauses.

Roinn (Rhin, Rhinus), 1. Punkt; 2. vorspringende Landspitze.

R o s s , ins Meer vorspringende Land- spitze (nur gebrauclit bei bedeu- tenden Landspitzen).

Rottan, Ratte.

Ruadh (roy), roth.

Ruadha (Ru, Row, Rua), 1 . kleine, ins Meer hineinragende ^elsen- Projection; 2. jede Art von Land- spitze.

Rue, bedauern, bemitleiden; Mit- leid.

448

Miscellen.

Sabhal, Farm, kleines Gut.

Säle, Salzwasser.

Sälen, kleine ISuclit; Schlupfhafen am Meere.

S c a w y , unfruchtbares , trockenes Stück steinernen Orumles.

Scoggs, Gesträuch, Dorngestrauch, Brombeergestraucli.

Seagol, Furt; seichte Stelle im Meere.

Sealach (shellach), Weide.

Sgeir (sger), vom Meere umflutheter Felsen.

Sgitheack, Dorn.

Sgorr O'ler S gu ir (Scuir), 1. scharf vorspringender Felsen ; 2. Berg mit hervorragender Felsspitze.

Shaw, Gehölz, Wald.

Shielding, Schuppen, Hütte für Vieh.

Sic, solcher, e, s, so.

Sicker, fest, sicher.

Sith oder Sithean, wall- oder dammartig gestalteter Hügel oder Berg. (Der Volksglaube pflegte auf Berge dieser Art den Aufent- halt der Kobolde zu verlegen. Da- her die Bezeichnung dieser Wesen der Einbildung: „men of the siths". Dies ist nämlich die richtige Ueber- setzung des gaelischen Wortes für „Kobolde" und nicht „men of peace", wie dasselbe meistentbeils übersetzt zu werden pflegt.)

S k a i 1 1 , verschütten , vergiessen ; wegwerfen.

Skaith, Verletzung; Schade, Nach- theil.

Skelp, dreschen (mit der Hand auf irgend Etwas).

Skirl, schreien, kreischen, auf- schreien.

Sklate, Schiefer.

Sklent, schief, quer, geneigt, schräg.

Skreed, Riss, Spalte, Bruch,

Slabh (Slieve), Berg (nur ange- wandt zur Bezeichnung grosser Berge) .

S 1 a p auch S 1 a k , Oeffnung, Bruch, Bresche.

Slios, Seite eines Hügels oder Berges.

Slochd (sloc), I.Höhlung; 2. Grube, Vertiefung, Loch.

Sl ecken, löschen, dämpfen, er- sticken ; unterdrücken.

S n e 1 1 , scharf, kalt.

Snib, hemmen, fest machen.

Sonsy, .vtark, rüstig, derb.

Sorn, ungebeten eindringen.

S ough, Seufzer.

S outer, Scliuhmacher.

S p a e , vorhersagen, weissagen.

Spate, Strom, Flutli.

Speel, klettern, klimmen.

Speer, fragen, erforschen, erkun- digen.

Spelder, spalten, zerreissen, aus- recken.

Spideal (spittal), 1. Hospital; 2. jeder gastliche Ort.

Spunk, Ruck, Zug, Grifi".

Sron (stron, strone), 1. Näsc; 2. äusserster Punkt einer Landspitze. Oft gebraucht zur Bezeichnung des Endes eines Hügels oder Berges, oder der Stelle, wo zwei Bergrücken einander tretren.

Sruth (stru, s^ruan), Strom. (Eine Art Nomen appellativum für alle Arten von fliessenden Gewässern.)

Stank, Pfuhl oder Sumpf mit stag- nirendem Wasser.

Steek, schliessen, zuschliessen, fest verschliesseu.

Stent, ausdehnen.

St er (der), Stadt, Besitzthum, Gut (das Wort ist entstanden durch Contraction aus stader , und es kommt nur in Zusammensetzungen vor, wie z. B. Ubster, Scrabster).

Stipend, Pfründe.

Stirk oder s tot, Stier,jungerOchs, c Farren.

Stob, 1. ein in eine Spitze zulau- fendes Gehölz u. dergl. ; 2. ein sich sehr zuspitzender Berg.

Sto ur. Staub.

Strappin, gross, lang, bandlich.

Strath, 1. ebener Streifen Land längs des Laufes eines Flusses ; 2. langes Thal.

S t u c , I . hervorragende Felsenmasse; 2. kleiner Berg, der sich zur Seite eines grossen erhebt.

Sugh, pfeifen, sausen.

Suil, Auge,

Swatch, Muster, Modell.

Sweer, lässig, langsam, träge.

S w i t h e r , zweifeln , zögern , an- stehen.

S y n e , seit, da.

Tar, am Fusse, am untern Theil ; Boden, Grund von Etwas.

Miscellen.

449

Tarbeart (Tarbet, Tarbert, Tar- bat), Landen<ie.

Tarbh (tarf), Stier, Bulle.

Tass, Tasse.

Tent, Aufmerksamkeit, Vorsiebt; tenty, aufmerksam, vorsicbtig.

Tback, theck, mit Stroh decken.

Thirle, (Ohren-) Klingen.

Thole, aushalten, ertragen, leiden.

Thowless, müssig, nutzlos.

Tigh (Ty), Haus. Tyndrum, hintere Seite eines Hauses.

Tine, verlieren; tint, verloren.

Tir (Tire), Land (im Gegensatz zum Meere).

Tocher, Mitgift, Aussteuer; Theil.

Tod, Fuchs.

Tolm, runder Berg von einiger Grösse.

Tom, 1. Busch; 2. bewaldeter Hügel oder Gipfel; 3. nicht bedeutender, rundlich gestalteter Berg. (Ge- wöhnlich gebraucht von kleinen bewaldeten Bergen oder einer klei- nen Baumgruppe.)

T o o m , leer.

Torr, 1. konisch geformter Berg; 2. Thurm; 3. wallartig gestalteter Berg.

Tousle, zerzausen; flattern.

Tow, Seil, Strick.

T o w m 0 n d , zwölf Monde, Jahr.

Traigh (trae), Ufer.

Trig, rein, nett.

Troke, Handel, Verkehr.

Trvst, Markt; Zusammentreffen.

Tullich (TuUy, Tulloch), unbe- deutender Berg. (Gewöhnlich an- gewendet auf mit Gras bewach- sene Berge.)

Tyke, Hund, Köter.

Uachtar (ochter, auchter), 1. obere Theil eines (jegenstandes; 2. hoch- gelegener Distrikt, Hochland.

Uaine, grün.

Uisge (Esk), Wasser. (Nom. ap- pell. für Gewässer jedpr Art.)

Umquhile, vor Alters, ehedem,

Unko oder unco, sehr.

Vogie, stolz.

Wad oder wed, zum Pfände setzen, wetten.

Wae, Wehe; waeful, wehevoll, sorgenvoll.

Wale, Wahl.

War, schlimmer.

Warlock, Zauberer, Hexenmeister.

War sei, ringen, streben, kämpfen.

W e e , klein, gering.

Ween, wähnen, glauben, sich ein- bilden, denken.

Werch, geschmacklos, fade, schal.

Yerd, Krde.

Yett, Thor, Pforte.

Yell, Ale (das bekannte englische Bier); ländliches Fest, Gelag.

Yont, jenseits.

Yowl, heulen, weinen; klagen.

The Hanging of the Crane.

Dies ist der Titel des neuesten Gedichtes von H. W. Longfellow, welches im letzten Winter zuerst in Boston vorgelesen ward, sehr grossen Beifall erhielt und dann schnell Verbreitung in Amerika gefunden hat. Das „Einhängen des Kesselhakens" entspricht dem französischen Aus- drucke „Pendre la cremaillere" und bezeichnet die erste gesellige Einweihung eines neuen Hauses resp. Hausstandes.

>\'ir lassen dem Originale eine freie deutsche Bearbeitung unseres geschätzten Mitarbeiters, des Herrn Job. H. Becker in New- York, nach- folgen.

The Hanging of the Crane,

(Pendle la crimaUlh'e, to hang the crane, is the Fleuch expression for a house-warming, or the first party given in a new house.)

The lights are out, and gone are all the guests

Ari liiv f. n. Sprachen. LIV.

Das Einhängen des Kesselhakens.

Nach dem Englischen frei bearbeitet

von

Job. Henry Becker. I.

Verlöscht die Lichter, und die Gäste fort, 29

450

Miscellen.

That thronging came with merrri-

nii'nt and jcsts To oclebrate the liangiiig of tho

crane In the ncw hoiise iiito the night

are gone; But still the fire upon the hearth

burns on, And I alone remain.

O fortunate, O happy day!

When a new household finds its

plat'e Among the myriad homes of earth. Like a new star just spiung to birth Aud lolled on its harnionious way Iiito the büundless realms of space I So Said the guests in speech and

song, As in the chimney, burning bright, We hung the iron crane to-night, And merry was the least and long.

II.

And now I sit and muse on what

may be, And in niy vision see, or seem to

see, Through floating vapors interfused

with liglit, Shapes indeterminate, that gleam and

fade, As shadows passing into deeper shade Sink and elude the sight.

For two alone, there in the hall, Is spread the table round and sniall; Upon the polished silver shine The evening lamps, but more divine The light of love shines over all; Of love that says not mine and

thine But ours, for ours is thine and mine. They want, no guests to come be-

tween Their tender ghinces like a screen, And teil them tales of land and sea, And whatsoever may betide Tlie great forgotten world outside ; They want no guests ; they needs

must be Each other's own best Company.

iir.

The ]iicfure fades: as at a village fair

Die hier sich drängten, um den Haken

dort Am neuen Herde festlich einzuweihn. Im ncMieii Hause kam die erste Nacht, Noch brennt das Feuer froh, das neu

entfaiht, Und ich blieb hier allein.

O glücklicher, o Freudentag ! Ein neues Haus, ein neues Heim Sahs't du auf Erden sich erheben Gleich einem neuen Stern, der eben Entsprungen nebelhafiem Keim, Am Himmel glänzend blinken mag! So liesse-n Wort und Lied erklingen Die Gäste, Freunde treu und theuer, Die an des neuen Heriles Feuer Den Haken froh und munter hingen.

IL

Nun sitz' ich hier und seh' ein Traum- gebild,

Das künft'ger Tage Loos dem Geist enthüllt.

Enthüllt ist es , doch deckt's ein Nebelschleier

Und unbestimmt die Züge sich ge- stalten,

Die in dem Bilde leben , wogen, walten,

Verlöschen, gleich dem Feuer!

Für zwei nur, thut das Bild mir kund, Deckt sich der Tafel kleines Rund. So wie im Strahl der hellen Kerzen Glüht das Gedeck , so glüht im

Herzen Der Liebe Licht,, es spricht der Mund Nicht mein, nicht dein, die er nicht

kennt, Der mein und dein stets unser nennt. Es stört der Dritte sie im Glücke, Das ihrer Augen trautem Blicke Entquillt, und war' er weitbekannt, Gereist in fremdem, fernem Land, An Können und an Wissen reich, Sie brauchen's nicht , 's gilt ihnen

gleich. Dem Paar genügt der Liebe Band.

HL Das Bild entschwand mir, wie der Schatten flieht

Misfcellen.

451

A showman's views dissolve into tlie

air, To reappear transfigurcd on tlie

screen, So in my fancy this; and now once

more In part transfigured , tbrougli the

open door Appears the self-same scene.

Seated I see the two again, But not alone; they entertain A little angel unaware, With face as round as is the moon; A royal guest with flaxen hair, Who throned upon his lolty chair, Drums on the table with his spoon, Then drops it careless on the floor, To grasp at things unseen before. Are these celestial manners? These The ways that win, the arts that

please? Ah, yes ; consider well the guest, And whatsoe"er he does seems best; He ruleth by the right divine Of helplessness, so lately born In purple Chambers of the morn, As sovereign over thee and thine. He speaketh not, and yet there lies A conversation in his eyes; The golden silence of the Greek, The gravest wisdom of the wise, Not spoken in language , but in

looks More leglble than printed books, As if he could but would not speak.

And now, O mouarch absolute, Thy power is put to proof ; for lo ! Restless, fathomless and slow, The nurse comes rustling like the

sea. And pushes back thy chair and thee, And so good night to King Canute.

IV. As one who Walking in the forest

sees A lovely landscape through the part-

ed trees, Then sees it not for boughs that

intervene, Or as we see the moon sometimes

revealed. Trough drifting clouds, and then

again concealed, So 1 beheld the scene.

Der Wolke, die im Winde weiter zieht.

Die wie die nächste folgt der, die dahin,

Nur ähnlich ihr, die eben dort ver- schwunden,

Hat neue Züge auch das Schatten- bild gefunden,

Das jetzt vor meinem Sinn!

Wohl seh' ich dort die Beiden wieder ; Doch nicht allein ! Die vollen Glieder Gehören einem Dritten an, Dem Engel, klein, pausbäckig, rund, Der in des Paares Seelenbund Ein unumschränkter Herrscher trat, Unil hiilClos stumm um Liebe bat. Ein Fürst sitzt er auf hohem Throne Der junge llerzensprinz der Krone, Und wenn er auch nicht sprechen

kann, Befiehlt er durcli Geberde, Blick. Des iheuren Kleinen Wünsche stillen, ßefriedVen seinen laun'gen Willen, Das ist der Mutter höchstes Glück. Erhörung braucht nicht zu erbitten Der Engel mit des Himmels Sitten, Nach Allem, was sein Blick nur streift. Der Flachskopf mit den Händen greift. Er packt es wohl, wirft's wieder hin, Auf fiel ein ander Bild dem Sinn ! Nach dem hascht er so rasch, so gern. Er weiss noch nicht, ob's nah, ob

fern; Er fasst verwundert, derb in's Leere, Als ob sein Ziel dicht vor ihm wäre.

Doch ruht auvh seine Herrschermacht; Der Schlaf senkt sich auf's Auge

nieder. Ermattet sind die runden Glieder, Der Kronprinz wird zu Bett gebracht. Die Mutter singt ihm Wiegenlieder Und küsst dem Engel : Gute Nacht !

IV.

Wie einem "^^'and'rer, der im Walde

sich ergeht, An lichter Stell' die Aussicht olTen

steht, Die sonst der dichten Bäume Laub

verhüllt ; Und wie der Mond, vom Wolkenzug

bedekt, Sich einmal zeigt, und wieder sich

versteckt, Seh' ich das nächste Bild!

29*

452

Miscellen.

Thcre are two giicsts at table now ; The kiiip, deposed, and older grown, No loiiger oeciipies the throne, The erown is on his sister's brow; A princess Crom the Fairy Tales, The very pattern girl of girls, All covered and embowered in curls, Rose tinted from the Isle of Fhiwers, And sailing with soft silken sails From far off Dreamlaiid into ours. Above their bowls with rims of blue Four azure eyes of deeper hue Are looking, dreamy with delight ; Limpid as planets that emerge Above the ocean's rounded verge, Soft shining through the summer

night. Steadfast they gaze, jet nothing see Beyond the horizon of their bowls: Nor care they for the world that

rolls With all its freight of troubled souls Into the days that are to be.

V.

Again the tossing boughs shut out

the scene, Again the drifting vapors iiitervene, And tlie moon's pallid disk is hid-

den quite ; And now I see the table wider grown, As round a pebble into water thi-own Dilates a ring of light.

I see the table wider grown,

1 see it garlanded with guests,

As if fair Ariadne's erown

Out of the sky had fallen down ;

Maidens within whose tender breasts

A thousand restless hopes and fears,

Forth reaohing to the coming years.

Flutter awhile, then quiet lie,

Like timid birds that fain would fly,

Butdo not dare to leave their nests ;

And youths, who in their strength

elate Challenge the van and front of fate, Eager as Champions to be In the divine knight-errantry Of youth, that travels sea and land Seeking adventures, or pursues Through cities and through solitudes Frequented by the lyric Muse, The phantom with the beckoninghand,

Zwei Gäste sitzen jetzt am Tisch ! Der König, der die Ilerrscherkrone Getragen, stieg von seinem Throne, Und räumt dem neuen Gast ihn ein. Dem lieben, kleinen Schwesterlein, Der Elfe, neckisch, munter, hold, Der Königin, der schönsten Fee, Die prachtgekrönt im lichten (toUI Der kurzen Locken dort ich seh'. Und wie der reine Perlenthau In Blumenkelchen grüner Au Im friihen Sonnenlichte blinkt. So strahlt der klaren Augen Blau. Sie blicken um sich, wie im Traum, Das Spiegelbild, das ihnen winkt. Der Dinge in dem weiten Raum, Sie fühlen's wohl, doch seh'n sie's

kaum. Was Beiden auch die Zukunft bringt, Die I^ngel ahnen nichts von Sorgen, Sie kennen noch nicht heut' und

morgen.

V.

Und wieder wird die Aussicht mir

verhüllt Und trüber Nebel deckt aufs Neu

das Bild, Wie matten Mondes Glanz die Wolke

dicht. Jetzt seh' den Tisch ich, grösser als

vorher. So wächst auf ruh'gem Spiegel mehr

und mehr Des Wellenkreises Licht.

Und wied'rum grösser ward der Tisch, Mit Gästen seh' ich ihn umringt Gleich einem prächt'gen Steruenkranz, Der uns entzückt mit Himmelsglanz. Jungfrauen, rosig, froh und frisch. In deren Busen zart erklingt Die alte Weise, immer neu Von banger Furcht, von scheuem

Triebe, \'on süssem Hoffen, glüh'nder Liebe, Von ew'ger, von gebroch'ner Treu. Und junge Männer, beitsen Bluts Und kühnen, ungebeugten Muths, Die fest vertrauend auf ihr Glück In Schranken fordern das Geschick. Nicht hält sie fest das enge Haus, Sie lockt des wilden Sturms Gebraus Zu streifen über See und Land, Am fernen, unbekannten Strand Den Stein der Weisen dort zu finden,

Miscellen.

453

That still allures aiul still eludes. O sweet illusions of the brain ! O sudden thrills of fire and frost! The World is bright while ye remain, And dark and dead when ye are lost !

VI. The meadow brook, tbat seemeth to

stand still, Quiekens its current as it nears the

mill ; And so the stream of Time, that

lingereth In level places, and so dull appears, Runs with a swifter current as it

nears The gloomy mills of Üeath.

And now, like the magician's scroll,

That in the owner's keeping shrinks

With every wish Tie speaks or thinks,

Till tlie last wish consumes the whole,

The table dwindles, and again

I see the two alone remain.

The crown of stars is broken in

parts ; Its jewels, brighter than the day, Have one by one been stolen away To shine in other honies and hearts. One is a wanderer now afar In Zeylon or in Zanzibar, Or sunny-regions of Cathay ; And one is in the boisterous camp, 'Mid clink of arms and horses' tramp, And battle's terrible array.

I see the patient mother read, With aching heart, of wrecks that

float Disabled on those seas remote, Or of some great, heroic deed On battle field, where thousands

bleed To lift one hero into fame. Anxious she bends her graceful head Above those chronicles of pain, And trembles with a seoret dread, Lest there among the drowned or

slain She find the one beloved name.

VII.

After a day of cloud and wind and raiu

Des Schicksals Räthsel zu ergründen. O schöner, eitler Jugendtraum ! Giebt's, was du suchst, im AVeiten -

räum ? So lang du's glaubst, blüht dir das

Glück, Entfloh dir's, kommt es nie zurück!

VI.

So wie der Bach, der still und ruhig fliesst.

Dem Mühlendamme schnell entgegen- schiesst,

So zieht der Zeiten Strom, der lang- sam scheint

An ruh'gen Lebenslaufes eb'nem Ort,

Zum düstern Todesstrudel reissend fort,

Was sich mit ihm vereint!

Ich sehe jetzt den Tisch so klein! Die Beiden sitzen dort allein Der Gäste Schaar, die sich gefunden Im Lauf der Zeit, sie ist verschwunden. Es wurden flügg, es flogen aus Die, die erwachsen in dem Haus. In Stücke brach der volle Kranz, Und seiner Sterne heller Glanz Er leuchtet hier, er leuchtet dort, An fernem und an fremdem Ort Der Eine wandert durch die Welt Da, wo die Sonne senkrecht fällt; Der And're trotzt dem Eis im Norden; Ein Dritter schläft im Kriegerzelt, Sucht seinen Ruhm im Schlachten- feld, Wo Völker ihre Blüthe morden.

Ich seh' die Mutter schmerzerfüllt. Mit bangem Herzen ängstlich lau- schen ! Hört sie des Sturmes Flügel rauschen, Denkt sie der Meereswoge wild. Der schwanken Schiffe, die zerschellen Im laun'gen Spiel der falschen Wellen. Hört sie von Schlachten , die ge- schlagen, Erzuckt ihr Herz in stummen Klagen; Ward wohl ihr Liebling dort ein

Held? Liegt bleich und kalt er auf dem Feld ? Sei's, wie es sei, sie muss es tragen !

VH.

Oft, wenn der Tag des Wetters Sturm gebracht,

454

Misccllcn.

Souietiiiies thc setting sun breaks out

again And touclnng all the darksome

woods" witli li<;ht, Smiles on thc fields, until they laugh

and sing, Then like a ruby from the horizon's

ring Drops down into tlie night.

^Vhat see I now? The night is fair, The Storni of grief, the clouds of

care, The wind, the rain, have passed away; The lamps are lit, the fires burn

briiiht, The house is fall of lifeand light It is tlie Golden Wedding day. Tiie guests come thronging in once

more, Quick footsteps sound along the

floor, The trooping children crowd the

stair, And in and out and everywhere Flashes along the corridor The sunshine of their golden hair.

On the round table in the hall

Anottier Ariailne's Crown

Out of the sky hath fallen down;

More than one Monarch of the Moon

Is (Iruniming with his silver spooii;

The light of love shines over all.

O fortunate, O happy day!

The people sing, the people say.

The ancient bridegrooni and the

bride, Serenely smiling on the scene. Behold well pleased on every side Their forms and features raultiplied, As the reflection of a light Between two burnished niirrors

gleams, Or lamps upon a bridge at night Stretch on and on before the sight, Till the long vista endless seems.

Bricht noch hervor der Abendsonne Pracht,

Umsäumt mit ihrem Gold den Wald, das Feld;

Und lachend liegt die Flur im Son- nenstrahl,

Erglänzt am Berge, füllt das tiefe Thal,

Bis Nacht herniederfällt.

Was seh' ich nun ? Den Abend

schön ! Ich hör' nicht mehr des Sturmes

Wehn. Die düstcrn \^'olk('n sind vorj.igt, 'S ist heute keiner hier, der klagt, Die Lampen strahlen hell und klar; In jenem Herde, traut und theuer, Brennt wieder froh das muntre Feuer Es sammelt sich der Gäste Schaar. Es winkt dem greisen Ehepaar Des gold'nen Hochzeitstages freier. Es bringt die Gaben , stimmt die

Leier Der Enkel Trupp im goldnen Haar.

Es sitzen ringsum im Gedränge Der Gäste frohe, bunte Menge, Der reife Mann, das Mägdelein, Die Mutter mit dem Kinde klein. Und hell in aller Augen scheint Die Liebe, die sie eng vcFcint, Sie, die des alten Stammes Aeste, Bei ihrer Eltern Ehrenfeste. Es preisen ihre Kinder laut, Sie sind des Freudentages Gäste Den Bräutigam und seine Braut, Den Vater und die Mutter traut. Und dieise sehen selbst sich wie^r In frischer Jugend, voller Pracht Schaun sie auf ihre Sprossen nieder! O, wie so froh ihr Aurje lacht! Sie leben fort, trotz Todesnacht.

De la Transformation de la Langue fran9ai6e ä la fin du dix- septi^me siecle.

II en est des langues comme des peuples qui, d' apres une theorie celebre de \'ico, arrivent, par le meme enchainement de transformations et de progres, ä leur apogee, pour aboutir, par la meme serie d'evolutions, k la meme decadence.

Miscellen. 455

Je ne parle pas de la langue greccjue qui, jusque dans sa florissante vieillesse, malgre les envaliissenients du f'aux goüt et de la barbarie, sut conserver, en partie du moins, l'aimable facilite et labondance heureuse qu'elle tenait du genie de ses ecrivains, mais surtout de sa propre nature. Ün rayon du soleil atticjue , aßkibli sans doute, mais brillant encore, pare, jusqu'au seuil nieme du moyen-äge, les ecrits des peres de l'Egiise et des philosophes de l'Ecole alexandrine.

Ainsi, tandis que la langue de Ciceron et de Virgile , appauvrie et comme epuisee par une courte periode de gloire, produit des oeuvres la subtilite la dispute ^ la barbarie, la langue de Piaton et d'Homere, apres hiiit siecles de fecondite non interrompuc, conserve encore dans son arriere automne quelque chose des gräces de son printemps, de la vigueur de sa raaturite.

Mais ä Ronie, le dedin de la litterature avait suivi de pres son apog^e, et la langue avait eprouve le contre-coup de cette deeadence. Dejä, dans les oeuvres de Senequf, la pensee serable se resserrer et comme se retröcir pour tenir dans ces phrases courtes. seches, heurtees, oii le philosophe Tem- prisonne. Ce ne sont plus ces lentes et majestueuses periodes de Ciceron qui, dans leurs replis sans nombre, embrassent la pensee tout entiere avec ses premisses, ses developpements et ses consequences. La forme perd de son ampleur en meme temps que l'idee perd de son etendue et le style de sa justesse.

Le meme changement s'opera dans la langue franpaise vers la fin du dix-septifeme siecle, mais ce fut, gräoe a notre genie national, plus fecond et moins etroit que le genie latin, gräce surtout aux grands ecrivains de l'epoque qui suivit, bien plutot une transformation qu'une deoadence.

Les larges et solennelles periodes de Descartes et de Bossuet se rac- courcissent ddjä dans La Bruyere. » Elles se resserrent encore davantage dans Fontenelle; elles se brisent presque entierement dans Voltaire et dans Montesquieu. De meme que la pensee s'aiguise en traits au lieu de se deve- lopper en amplifications oratnires, de meme la forme se condense au lieu de s'epanouir. Quelles sont donc les causes de cette transformation de notre litte- rature? L'histoire de ses commencements peut nous fournir les principales.

Ce qui frappe tout d'abord , c'est ce qu'il y eut d'artificiel, si j'ose le dire, dans la formation de notre langue litteraiie. Elle ne sortit pas, comme la langue grecque, des entrailles memes de la nation. Comme la langue latine, eile fut oeuvre d'ecrivain et de savant.

Dans Montaigne les tournures sont plus romaines que gauloises. Le style de Rabelais est original, mais la contexture de sa phrase est le plus souvent modelee sur celle de la phrase latine. La periode d'Amyot, avec une Souplesse et une fluiiiite merveilleuses, suit celle de Pintarque dans ses moindres contours; ce que, d'ailleurs, on ne saurait regretter, oar la phrase fran<;aise etait peut-etre, a cette epoque, trop libre et trop flottante pour pouvoir contenir la riche moisson de faits et daper^us nouveaux que le soleil de la Renaissance fit ^clore de toutes parts en Europe.

A ces idees, qui depassaient le cerde restreint oii se mouvait notre litterature primitive, il fallait une langue ä la fois plus precise et plus Eten- due que la langue de Froissard, de Joinville et menie <le Comines. On em- prunta aux Grecs et aux Latins, mais aux Latins surtout, leurs formes lit- teraires en meme temps que leurs idees. Ils furent nos maitres dans l'art d'ecrire, romme ils Tavaiint ete dans l'art de penser. A la phrase gauloise qui se deroulait avec une nonchalance aimable sans doute, mais pas trop negligente et decousue, fut substituee la periode latine avec son ampleur methodique et reguliere, avec son developpement large ä la fois et precis,

45G Miscellen.

avec ses ineiiibrcs liarmonieusement cadeuces et ses nombreuses incises qui disposent, d'aprös les lois d'une hablle gradation, comme en un tableau savanunent ordonnd, les nuances et les details de la pensde.

11 iie fallt pas croire pourtant qiie la plirnse fran^aise piit arriver du premier coup ^ calqiier exactenient la periode latine. Tont en s'astreignant a une manhe plus rigoureuse, eile conserva longtemps encore quelque chose de la libre allure, de la nonciialiuice familiere qui caracterise les rdcits de nos vieux conteurs. Ce melange d'iuiitation encore inexp^rimentee et d'ori- ginalite persistante donne ä la langue du seizieme siecle je ne sais quoi de gracieux et de naif dont le tenips n'a pu alterer le charme. Faut-il ad- mettre avec Fenelon que les formes littdraires de cette epoque pouvaient suffire aux besoins du genie franc^ais? Faut-il croire, avec d'autres, qu'il n'eüt jamais atteint, ni dans relo(|uence. ni dans lexposition philosophique, ce ilegre de perfection inconiriarable, s'il ne s'etait impose une severe dis- cipline et ne s"etait soumis ä des formes plus rigoureuses et mit'ux deter- niinees? Quoi qu'il en soit, la periode regagna du cote de la pompe et de la majeste ce qu'elle perdit en lieureuse abondance et en gracieux abandon.

Balzac la mit, la remit vingt fois sur le metier, en mesura les diverses parties, en combina les diverses membres, en deroula les diverses anneaux avec une babilete qu'on admirerait davantage s'il n'avait, par nidgarde, en con- struisant le moule, oublie d'y couler des idees. Ce fut lui qui donna le preuiier ä la periode sa pompe et sa solennite exferieures. Chacun des grands ecrivains qui suivirent vint y ajouter les qualites propres de son genie.

Pascal enflamma la phrase de ces eclairs d'indignation amere et vehe- mente qui fönt pälir encore, a deux siecles d'intervalle , les disciples d'Es- cobar. II l'anima de ce feu Interieur qui en eclaire, qui en echaufi'e toutes les parties, ou bien il en fit un tissu r^sistant et solide qui renfermc plus d'idees encore que de niots.

Descartes lui communiqua cette abondance incomparable qui s'epanclie en un courant large et limpide, si transparente qu'elle semble s'effacer pour ne laisser voir que la pensee elle-meme, si flexible et si vaste qu'elle peut embrasser toute une serie de raiscnnements dans ses contours.

Fdnelon la laissa errer avec cette aisance onctueuse et fleurie dont il semble avoir derobe le secret au divin Piaton.

Bossuet l'enleva jusqu'au ciel dans les elans jrodigieux de sa souve- raino eloquence et lui donna tour a tour une majeste ou une energie qu'on n'a point egalees. Les periodes etaient, dans ce moment, le fond meme 4e la langue litteraire, et la forme avait la meme ampleur harmonieuse et regu- liere que la pensee.

Mais c'est le propre des grands ecrivains de donner a leurs idees une expression si definitive qu'ils rendent presque impossible de les repeter apres eux. On a bientot fiiit de signaler la decadence dans les epoques qui suivent les grands siecles litteraires. Le decliti existe bien de Ciceron a Seneque; il n'est pas aussi demontre de Bossuet a Voltaire et de Fene- lon h, Rousseau. Voltaire et Rousseau ne furent pas les heritiers du grand siecle , car Taffaire d'une epoque n'est pas tant d'imiter les autres que de se formuier elle-meme ; mais ils en furent du moins les dignes successeurs. Le tour de la pensee changea, et, avec lui, le tour meme de la phrase.

Les ecrivains de Tage prdcedent avaient exprime les idees generales qui pretent, par leur etendue meme, au deploiement majestueux des formes periodiques. La Bruyere, le dernier venu de cette glorieuse pleiade, dd- composa dans leurs details ces idees dont ses preddcesseurs n'avaient montre

Miscellen. 457

que les eusembles, et la phrase se raccourcit et se raffina, pour ainsi dire, afin de se ruieux preter ä ses ingenieuses analyses.

Ä ce nouveau genre de penser, il fallait plus de penetration que de grandeur. De meine ce nouveau genre d'ecrire exigea plus de finesse que de pompe, plus de rapidite que d'ampleur, plus de vivacite que d'elevation. La phrase alors est courte, prompte, concentree, pour ainsi dire. Elle ne procede plus par de grandes niasses majestueuses : eile se resume en breves sentem-es, ou s'aiguise en traits piquants. Ce n'est plus une vaste toile eil tous les details se fondent et s"harmonisent dans la savante ordonnance de l'ensemble: c'est une suitc de petits tableaux chaipie detail forme pour ainsi dire un tout. L'antithese, qui, dans le siede de Louis XIV, est le couronnement de la periode, occupe dorenavant a eile soule la phrase raccourcie.

Les developpements se sous-entendent ou se r^sument, avec une viva- cite energique, dans un trait brillant et concis. II y a moins de majeste ?ans doute. niais il y a plus d'eclat et de relief, et je ne sais, ä tout pren- dre, lequel des deux genres est le plus vraiment fVan^ais, celui des Orai- sons fitnebres ou celui des Caracthes.

que 1 eloquence avait trouve , dans le siecle pi nierveilleusement appropriee ;i ses besoins, de meme la philosophie, comme on disait alors, avait trouve une forme admirable dans la phrase vive, nette, petillaute de Voltaire; dans la phrase breve, brillante, sentencieuse de Mon- tesquieu ; dans la phrase energique, vehemente, condensee de Rousseau. La langue devait changer comme avait change l'esprit meme de ia litte- rature.

D'ailleurs, en dehors de ce goüt pour l'analyse dont il est parle plus haut, hien des changements s'etaient operes, depuis une cintjuantaine d'an- nees, dans la societ^ franc^aise. Sous Louis XIV, la litterature ne se pro- posait pas d'exercer une inßuence directe sur les moeurs ou tout au moins sur les institutions. Elle n'etait qu'un luxe de plus, et je plus majestueux de tous, ajoute au luxe fastueux de la cour de Versailles. Les grands seigneurs lisaient les oeuvres litteraires a peu pres comme ils regardaient jouer les grandes eaux. Les ^crivains se bornaient ä l'exposition de ces idees qu'on appelle des idees de tous les temps et de tous les lieux, sans doute parce qu'elles n'ont, a cause de leur generalite meme, exerce dans aucun temps ni dans auL-un lieu lear influence, et les formes periodiques furent le cadre naturel de cette eloquence plus belle qu'utile et plus ma- jestueuse qu'efficace.

Mais le siecle suivant eut la noble ambition d'agir sus l'esprit public et de lui faire desirer les reformes en lui faisant toucher du doigt les abus. La litterature devint une arme de combat. Semblable h ces troupes qui, pour courir plus rapidement h Tennemi, laissent derriere elles leurs bagages, eile se debarrassa de ces formes periodiques, harmonieuses sans doute, mais genantes qui pouvaient, en retardant sa marche, entraver son action. La periode de Bossuet est brillamment, mais pesamment armee, comme les Che- valiers du raoyen-äge. La phrase de Voltaire est leste, alerte, agressive, et, en vertu de sa legerete meme, monte viveraent "k l'assaut.

Certes, nous devons admirer la premiere, mais on ne peut oublier que c'est la seconde qui a fait de nous des citoyens. Faisons donc bon marchd de l'ampleur qui lui manque, en songeant ä la grandeur des rdsultats qu'elle a produits. La p(?riode de Bossuet montait, encens solennel, aux narines des grands et ä la cervelle du roi-soleil: la phrase sans-culotle de Voltaire et de Beaumarchais a renverse la Bastille. (Le XIX. Siecle.)

Emile Delarue,

458

MisccUen.

Kleiner Antibarbarus in Bezug auf Wort und Form des Fran- zösischen,

Es ist für Schulzwecko vielleicht nicht unpassend, einmal die wichtig- sten Wörter unsrer deutschen Sprache, bei deren Uebersetzung ins Fran- zösische leicht Irrthünier vorkommen, in übersichtlicher Kürze zusammen- zustellen. Aus dem oben angedeuteten Gesichtspunkt würden hier nament- lich manche fremdländische Wörter in Betrai-ht kommen, mögen sie auf classischen Grundlagen entstanden, sonst einer andern Sprache entlehnt oder gar französischen Ursprungs sein. Derartige fremde Wörter, die in den Schullexicis verhiUtnissmäsi-ig zu wenig speciell betrachtet werden oder doch in der Menge verscliwinilen, haben in dem nachfolgenden Verzeichniss vor- zugsweise lierücksic'.itigung gefunden, das hofl'entlich auch zu weiterer ^'er- folgung der Sache führt. Da Eigennamen schon ähnlich für sich gesammelt worden, sind solche hier meistens weggelassen.

Ein Abonnent, un abonn^.

Die Abbreviatur, l'abreviation.

Die Accidenzien, le casuel.

Die Accise (Thorsteuer), l'octroi.

Sich acclimatisiren, s'acclimater.

Accordiren, faire un arrangement.

Ein Achat, une agate.

Eine Actie, une action.

Der Actuar, le grcffier.

Eine acute Krankheit, une maladie

aigue. Addiren, additionner, faire Taddi-

tion. Der Adjutant (eines Regiments oder

eines Bataillonsi, Tadjutant-major ;

(ein persönlicher), l'aide de camp. Der Adressant, le de^tinateur. Der Adressat, le destinataire. Der Advocat, l'avoeat. Der Aide (im Spiel, z. ß. im Whist),

le partner. Der Alt, la haute-contre. Das Alumnat, l'internat. Die Alum- nen, les internes. Die Amnestie, l'amnistie. Annectiren, annexer. Der Antiquar, le bouquiniste. Die Apotheke, la pharmacie. Der

Apotheker, le pharmacien. (L'apo-

thicaire, der Bader ) Ein Apparat, un appareil. Appell schlagen, battre le rappel. Die Applicatur (P'ingersetzung), le

doigter. Der Archivar, l'archiviste. Der Arrestant, le consigne. Der Artillerist, l'arlilleur. Ein Asiat, un Asiatique. Ein Atheist, un athee. Der Atlas (als Tuch), le satin. Ein Attest, un certificat.

Das Attribut (in der Grammatik),

l'attributif (vgl. Prädicat). Australien, l'Oceanie. Die Autorität oder Auctorität, frz.

nur Tautorite. Die Bagage, le Bagage. Der Bagagewagen, le fourgon. Der Bajazzo, le paillasse. (La pail-

lasse, der Strohsack.) Der Barchent, la futaine. Die Baronesse, la baronne, Der Basilisk, le basilic. Der Bass, la basse. Das Beefsteak, le biftek. Beelzebub, Belzebut. Der Beneficiant, le beneficiaire. Die

Beneficiantin, la beneficiaire. Die Bilanz ziehen, faire la balance. Der Botaniker, le botanistc. Bota-

nisii'en, herboriser. Die Botanisir-

trommel, le boite ä herboriser. Die Bowle, le bol. Ein Bramarbas, un rodomont. Die Brise, la brise (La bise, der

scharfe Nordostwind.) Die Butter, le beürre. Der Cactus, le cactier. Die Camelie, le camellia. Die Camera obscura , la chambre

obscure. Canterbury, Cantorbdry. Capern, capturer. Da Capo, bis.

Die Carbonade, les cotelettes. Die Cavallerie, la cavalerie. Der Centner, le quintal. Die Centrifngalkraft, la force cen-

trifuge. Die Centripetalkraft, la

force centripete. Eine Chaine bilden, border la haie.

Miscellen.

459

Der Chapeau (,beim Tanzen), le Ca- va Her.

Der Charakter, le caractere.

Die Chemie, la chimie. Der Che- miker, le chimiste

Der Cherub, le cherubin.

China, du qninquina. Das Chinin, la quinine.

Der Chiromant, le chironiancien.

Der Chirurg, \Vundarzt, le Chirur- gien.

Die Chocolade, le chocolat.

Der Choral, le plein-chant, le chant de choour; le cantique.

Dtr Chorrock, la soutane. Der Chor- stuhl, la stalle.

Das Chrisam, le chreme.

Chur, Coire.

Die Cichorie, la chicoree.

Die Cigarre, le eigare.

Die Cisterne, la citerne.

Das Citat, la citation.

Geister citiren, evoquer des esprits.

Die Citrone, le citron.

In Civil, en bourgeois. Der Civilist, le bourgeois (Spottname desselben beim Militair lepekin, wie in unsrer Burschensprache „der Philister".)

Classificiren, classer. Die Classifi- cirung , Classification , le classe- ment.

Der Clerus , die Geistlichkeit , le clerge

Der Codex, le code.

Die Collectaneen, les extraits.

Das CoUectenbuch, le colectionnaire.

Das Collegium, z. B. das Lehrer- collegium, le corps des profe.'seurs. Das Colleg, le cours, ein Colltg hören, suivre un cours, seine Col- legien belegen , prendre ses in- scriptions.

Der Colonist, le colon.

Das Colophonium, la colophane.

Die Coloraturen, les fioritures.

Das Colorit, le coloris.

Die Combination, la combinaison.

Die Combüse, la combuse, la de- pense.

Das Commando, le commandement.

Der Commilitone, le compagnon d'e- tude.

Das Commissbrot, le pain de muni- tion.

Die Communicanten, les comtnuniants.

Der Compagnon, Tassocid. (Le com- pagnon, der Gefährte.)

Der Compas.«!, la boussole. (Le com- pas , der Zirkel ; le cercle , der Kreis.)

Componiren, composer des airs; met- tre en musique. Der Componist, le compositeur. (Auch der Setzer in der Buchdruvkerei.) Eine Com- position von ihm, un morceau de sa composition.

Das Comptoir, le bureau. (Lecomp- toir, der Zahltisch, Ladentisch.)

Df-r Conditor, le confiseur; le pä- tissier. In der Conditorei, au caf'e.

Die Condolation , le compliment de condoleance.

Einer Confession angehören, etre d'un culte.

Die Conjugation, la conjugaison.

Der Conjunctif, le subjiinctif.

Das Connaissement, Conassement, le connaissement.

Der Consonant, la consonne.

Der Consum, la consommation. Die Consumenten, les consommateurs.

Die Contralienten , le.s contractants, les parties contractantes.

Copuliren (ein Brautpaar), unir.

Der Corporal (bei der Infanterie), le caporal; (bei der Cavallerie) le brigadier. (Le corporal, das Mess- tuch.)

Die Correctur, la correction. Der Correcturbogen, l'epreuve.

Die Correspondenz , la correspon- dance.

Das corpus delicti, le corps du delit.

Das Coupe, le comp.artiment. (Le ^oupe im Postwagen.)

Der Courier, le courrier. Ein Cou- rierzug, un train express.

Der Cours, Wechselcours, le change.

Das Couvert (der Briefumschlag), l'enveloppe.

Der Creditor, Gläubiger, le cr^ancier, le crediteur.

Der Cremor Tartari, la creme de tartre.

Dar Cultusminister, le ministre de l'instruction publique. (Les minis- tres du culte, die Kirchenbeaniten.)

Eine Cur durchmachen, suivre un traitement.

Der Curialstil, Kanzleistil, le style du palais. Im Kanzleistil, en ter- mes de palais.

Die Cursivschrift, les lettres italiques.

Die Cymbel, la cymbale.

460

Miscellen.

Die Cypresse, le cyprcs.

Die Debatte, le ddbat.

Der Decan, le doyen.

Pas Decoct, la decoction.

Die Dedination, lu ddclinaison.

Die Dedication, la dedicace.

Der Denunciant, le ddnonciateur, le

delateur. Deponirt'ii, deposer, mettre en depot.

Der Deponent, le deposant. Das

Depositum, le depot, l'objet de-

pose. Destilliren, distiller. (Der Brannt- weinbrenner, le distillateur.) Diiit halten müssen, etre au re- gime. Die Diäten, les frais alinientaires.

(La diete, der Reichstag.) Das Dictat, la dictee. Die Difl'erenziale, la diff'i^rentielle. Der Dilettant, l'amateur. Der Dimity, le basin. Der Discant, le dessus. Der Disconto, Tescompte. Discon-

tiren, escompter. Die Disharmonie, Dissonanz, la dis-

sonance, la discordance. Die Dispensation , der Dispens, la

dispense. Zur Disposition gestellt, en disponi-

bilite. Dividiren, diviser, faire la division. Der Dom, la cathedrale. Die Dogge, le dogue. Die Domäne, le domaine. Der Dromedar, le dromadaire. Der Drost, le drossart. Sich duelliren, se battre en duel. Die

Duellanten, les duellistes. Das Duett, le duo. Ein Duodezband, un in-douze. Ein Duplicat, un double. Dur, le mode majeur. Die Elektrisirmaschine, la machine

electrique. Ein Epigramm, une Epigramme. Die Epistel, l'epitre. Ein Epitheton, une epithete. Die Esparsette, l'esparcette. Der Etymolog, l'etj'mologiste. Die Evolute, la d^veloppee. Der Executor, le huissier, le hussier-

priseur. Die Exequien, les ohseques. Exerciren, faire l'exercice. Der Exer-

cirplatz, le champ de manoeuvre,

la place d'armes.

Das Excrcitium, le theme (s. Thema). Der Expedient, Güterexpedient, l'es-

pdditeur. Ein Experiment, une expörience. Der Exponent, l'exposant. Der Export, die Ausfuhr , l'expor-

tation. Extemporiren, parier d'abondance. Der Hxtract, l'extrait. Mit Extrajiost fahren , prendre la

poste. (La diiigence, die Post.) Der Factor (in einer Buchdruckerei),

le prote. (Le facteur, der Brief- träger.) Das Fagott, le basson. Der Farinzucker, la cassonade. Fatal, fächeux. (Fatal, verhängniss- voll.) Der Fenchel, le fenouil. Die P^erien, les vacances. Der Fetisch, la feiiche. Die Fibel, le syllabaire, l'abecd. Der Fidibus, le papier ä allumer. Die Figur (des Körpers), la taille.

(La figure , das Gesicht. Vgl.

Taille.) Eine Filiale, une succursale. Die Firma, la raison. Die Fistel (beim Singen\ le fausset.

Durch die Fistel singen, fistuliren,

chanter en fausset. Der Flamingo, le flamant. Das Flaschenett, le flageolet. Fin Folioband, un in-folio. Das Fontanell, le cautcre. Frankiren, affranchir. Franco, franc

de port; port paye. Französiren, franciser. Die Fregatte, la fregate. Die Frequenz, l'affluence, le concours

(de personnes). Das Fricassee, la fricassöe. Der Friseur, le coiffeur. (Friser les

cheveux, die Haare brennen.) Die Front, le front. Furore machen, faire fureur. Der Füselier, le füsilier. Das Futurum exactum , le futur

pass^. Der Gagat, le jais. Die Gage, les appointements. (Les

gages, der Lohn.) In Gala, en grande tenue. Die Gallerie , la galerie (.auch im

Theater). Die Garderobe (im Theater), le

vestiaire.

Miscellen.

461

Der Garderobier (des Theaters), le costumier.

Die Gardine, le rideau.

Der Gardist, le gardo.

Der Gensdarm, le gendarme.

Die (leorgine, le dahlia.

Die Glasur, le vernis.

Die Grammatik, la grammaire. Der Grammatiker, le grammairicn.

Die Granate, la grenade (als Frucht und zum Schiessen).

Gratuliren, feliciter.

Die Gratulation, la felicitation.

Die Gruppe, le groupe.

Die Guitarre, la guitare.

Das Gummi, la gomme.

Das Gymnasium (in Frankreich), le College. (Le gymnase, das deut- sche Gymnasium und die Turn- anstalt.)

Sich habilitiren, prendre les licences.

Der Harlekin, l'arlequin.

Die Harpune, le harpon.

Die Hellebarde, la hallebarde.

Die Heraldik, le blason.

Der Herold, le he'raut.

Die Hoboe, le haut-bois.

Die Honoratioren, les notables.

Der Hopsa, la sauteuse.

Der Horizont, l'horizon.

Die Hospiten, les externes.

Die Humanität, la civilite.

Die Humaniora, les humanites.

Der Humor, Thumour. (L'humeur, die Laune, die Gemdthsart.)

Ein Hyacinth, une hyacinthe (auch : eine Hyacinthe).

Eine Hymne, une hymne.

Ein Hymnus, un hymne.

Die Hyperbel, l'hyperbole (auch in der Geometrie).

Hypochonder sein, etre hypochon- driaque.

Illuminiren (= ausmalen), enluminer. (Sonst illuminer.)

Imperialpapier, du papier grand aigle.

Das Imperfectum, l'imparfait.

Der Import, die Einfuhr, l'importa- tion.

Der Inculpat , rinculpt« , le ddfen- deur.

Der Infanterist, le fantassin.

Die Ingredienzien, les ingrcdients.

Die Inscenirung, la mise en scfene, la scdnisation.

Insolvent, insolvable.

Ein Institut (Lehranstalt), une Insti- tution. Die Institutionen (Justinians), les

institutes. Der Insulaner, l'insulaire. Die Insurgenten, les insurges. Das Intelligenzblatt, la feuille d'avis ;

les petites affiches. Die Interessenten, les Interesses, les

ayant droit, les ayant cause. Das Intermezzo, l'entr'acte, l'inter-

mede. Die Interpunction, la ponctuation. Inventarisiren, inventorier. Der Islam, l'islamisme. Der Isolirstuhl , le tabouret dlec-

trique. Die Jalousien, les persiennes. Japan, le Japon. Johannes (der Evangelist), saint Jean

(Sonst Jean). Die Jurisdiction, la juridiction. Jura, Jurisprudenz studiren, etudier

le droit, faire son droit. Der Ju- rist, 1) le legiste, le jurisconsulte ;

2) l'etudiant en droit. Justiren (eine Münze), ajuster. Der

Justirer, Tajusteur. Die Justir-

waage, l'ajustoir. Das Juwel, le joyau, le bijou. Der

Juwelier, le joaillier, le bijoutier. Die Kajüte, la cabine. (La cajute,

die Koje.) Der Kamerad, le camarade. Der Kanonier, le canonnier. Der Kanonikus, le chanoine. Das kanonische Recht, le droit canon. Die Kapelle (in der Chemie), la cou-

pelle. Der Karbunkel, le charbon. Der Karthäuser, le Chartreux. Die Kartätsche, la mitraille. Der Kassendefect, le deficit. Der Kattun, la toile de coton. Der Kegel (in der Geometrie), le

cOne. Das Klavier, le clavecin, le piano.

(Le clavier, die Tastatur.) Das Klima, le climat. Das Klystier, le lavement. Das Kolon , der Doppelpunkt , les

deux points. Der Komet, la comete. Das Komma, la virgule. Die Korinthe, le raisin de. Corinthc. Kritisiren, oritiquer. Der Krystall, le cristal.

462

Miscellen.

Die Kubikwurzel, la racinc cube.

Der Kürassier, le cuirassier.

l^ackiren, vcrnir.

Die Lallotte, Tallüt (ui.).

Die Lnki itze, la reglisse.

Die Laterne, la lanterne (Lat. laterna und lanterna).

Die Latweigt-, l'electuaire (m.).

Der Lavendel, la lavande.

Laviren, louvoyer.

Die Lawine, lavalanche.

Laxiren, purger.

Das Lazareth, l'hopital, l'infirmerie. (Le lazaret, die Quarantäneanstalt.)

Das Legat, Vermächtniss, le legs.

Legiren, allier.

Die Lettern, le caracteres. (La lettre, der Buchstabe; der Brief.)

Das Lexikon, le dictionnaire.

Der Lieferant, le fournisseur,

Das Lineal, la regle. Liniiren, regier.

Der Liqueur, l'eau de vie. Ein Li- queur, un verre d'eau de vie, un petit verre. (La liqueur, die Flüs- sigkeit; le brandevin, der Brannt- wein.)

Der Litterat, 1) le. journaliste; 2) le litterateur.

Die Lotterie, la loterie.

Die Lymphe, le vaccin.

Die Madonna, la madone.

Der Magister, le maitre-es-arts. (Le magister, der Präceptor.)

Das Mahagoniholz, le bois d'acajou.

Der Major (bei der Infanterie) , le commandant (de bataillon) ; (bei der Cavallerie), le chef d'escadron.

Der Majoran, la marjolaine.

Der Majordomus, gew. le maire du palais.

Majorenn, mündig, majeur.

Die Makrone, le macaron.

Der Manufacturist, le manufacturier.

Der Marqueur, le gar9on (de billard, de cafe).

Der Marzipan, le massepain.

Die Maske, le masque. (La masque, das Scheusal.)

Der Materialist, Materialwaarenhänd- 1er, le droguiste.

Die Mathematik , les mathema- tiques.

Die Medicin, la medecine. Medici- niren, etre dans les remfedes, pren- dre medecine. Der Mediciner, l'dtudiant en medecine.

Die Melone, le melon.

Die Messe (als Jahrmarkt), la foire. Der Mestize, le mdtis. Minorenn, uimiündig, mineur. Mobil machen, mobiliser. Die Mo- bilmachung, la mobilisalion. (Ab- rüsten, demobiliser.) Der Modus, le modc. (La mode,

die Mode.) Moll, le mode mineur. Die Monstranz, l'ostensoir. Die Moral (in einer Fabel), la mora-

lite. (La morale als Sittenlehre;

le moral, der Geist, die Stimmung

eines Heeres.) Der Moslemit, le moslera. Die Moschee, la mosquee. Der Moschus, le musc. Die Motion , le mouvenient. (La

motion, der Antrag.) Muhamed, Mahomet. Der Mulatte, le mulätre. Multipliciren, raultiplier, faire la mul-

tiplication. Der Munitionswagen, le Caisson. Der Muselmann, le musulman. Musiciren, faire de la musique. Eine Musikalienhandlung, un maga-

sin de musique. Der Nationalconvent, la Convention

nationale. Neutral, neutre.

Das Notenbuch, le cahier de musique. Die Nummer, le numero. Numeriren,

numeroter. Das Object, le regime. Ein Octavband, un in-octavo. Oouliren, enter, grefer en ecusson. Eine Offerte, une ofi're. Eine Oper, un opera. Der Opponent, Topposant. Der Orden, 1) der- Kirchenorden,

Mönchsorden, l'ordre (religieux);

2) auf der Brust, la decoration. Ordiniren, promouvoir aux ordres. Der Orkan, l'ouragan. Die Orthographie, l'ortographe (m.

L'ortographie, der Riss, Aufriss

zu einem Gebäude). Paginiren, numeroter les pages. Der Pallasch, le cimeterre. Der Papagei, le perroquet. (Le pa-

pegai , der Vogel beim Vogel-

scniessen,)

Die Päonie, la pivoine.

Die Parabel, la parabole.

Ein Parallelkreis, un parallele. Eine

Miscellen,

463

Parallellinie, Parallele, une paral- lele. (Hier ist ligne zu ergänzen, dort cerele.)

Um Pardon bitten, demander quar- tier. (Demander pardon, um Ver- zeihung, Entschuldigung bitten.)

Die Parforcejagd, la chasse h courre.

Das Parlament, le parlement.

Die Parochie, das Kirchspiel, la pa- roisse.

Die Parole, le mot d'ordre.

Der Parquetplatz , la stalle d'or- chestre.

Das Parterre (in einer Wohnung), le rez-de-chaus>ee. (Le parterre, 1. das Parterre im Tluater; 2. das Gartenstürk.)

Eine gute Partie machen , faire un bon parti, epouser uu bon parti.

Die Partitur, la partition.

Das Pasquill, le libelle. Der Pas- quillant, le libelliste.

Der Passagier, le voyageur. Eine Strasse, in welcher viel Passage ist, une vue tres-passante. Eine Stadt passiren, passer par une ville.

Das Patent, le brevet. (La patente, die Gewerbesteuer.)

Der Patholog, le pathologiste.

Der Patient, le malade; le dient. (Le patient, 1. der schwer Lei- dende ; 2. der arme Sünder.)

Die Patrimonialgerichtsbarkeit , la justice seigneuriale.

Das Patronat, le patronage.

Die Patrone, le cartouchc. Die Pa- trontasche, la giberne.

Paulus, Saint Paul. (Paul, Paul.)

Die Pension , la pension de retiaite. Pensionirt, en retraite.

Das Pensum, la täche. (Le pensum, die Strafarbeit.)

Das Perfectum, le passe indefini. Im Lateinischen das Perfectum . le parfait, das perfectum historicum, le parfait historique.

Richter perhorresciren, recuser (re- procher) des juges.

Die Permittirten , les permlssion- naires.

Der Perpendikel, le pendule.

Der Perron (am Bahnhof), le (juai. (Le perron, die Treppe zum auf- getreppten ilause.)

Die Personen (eines Stückes), per- sonuages. Der Personenzug, le

train de voyageurs. (Gegensatz

le train de marchandises, der Gü- terzug.) Die Personalien, les personnalites. Die Pertinenzien, les appartenances,

les dependances. Das Petrefact, la petrefaction. Das Petroleum, l'huile de petrole (!). Petrus, Saint Pierre. (Pierre, Peter.) Die Phalanx, la phalange. Die Phantasie, la fantaisie. Phan-

tasiren, 1. (im Fieber), delirer; 2.

(in der Musik), jouer une fantaisie. Der Pharisäer, le pharisien^ Physikalisch, physique. Der Phy- siker, le physicien. Die Pistole, 1. (als Waß'e), le pisto-

let; 2. (als Münze), la pistule. Das Plaeat, le placard. Der Planet, la planete. Der Planiglob, le mappe-monde, le

planisphere. Planiren (ein Buch), coller. Der Pokal, la coupe. Politisiren, parier politique. Die Politur, la polissure. Der Polizist, le commissaire de police. Eine Pomeranze, une orange. Das Portepee, la dragonne. Das Porto, le port (de lettres). Der Posamentier, le passementier. Der Posten (wachthabender Soldat),

le factionnaire. (Le poste, die

Wachmannschaft.) Die Postille, Hauspostille, le ser-

monniiire. Der Postillion, le postillon. Die Potenz, la puissance. Ein alter Practicus, un vieux routier. Practisiren, exercer la mddecine. Das Pradicat, l'attribut. Die Prämie (in der Schule), le prix.

(Sonst auch la prime.) Das Präparat, la preparation. Die Praxis, la pratique. Gute Praxis

(eines Arztes), une bonne clientele. Der Premierlieutenant, le lieutenant

(en premier). Prima, die Prima, la premiere. Die Primzahl, le nombre premier. Der Prinzipal, le patron. Der Privatdocent, le licencle. Das

Privathaus, la maison particuliöre.

Die Privatstunde, la le9on particu-

liere. Die Probe (einer Aufiiihrung), la r6-

p^tition.

464

Miscellen.

Der Procent, Ic pourcent.

Die Froelueentcn, les produeteurs.

Das Froduct, 1. (als Naturerzeug- niss), la prodiiction; 2. (beim Rech- nen), le prodult.

Der Professor, le professeur (d'uni- versile). Die Professur, l;i cliaire de professeur.

Promoviren, prendre le grado de doctcur.

Der Prosaiker, Prosaist, le prosateur.

Prosit ! (beim Trinken) , ii votre sante!

Der Protest, le protet.

Das Protocoll, le proces-verbal. Pro- tocolliren, verbaliser, enregistrer.

Der Proviant, les provisions.

Prozessiren, etre en proces ; avoir des proces.

Der Purpur, la pourpre (der Stoff" und das fürstliche Gewand. Le pourpre, 1. das Purpurroth; 2. die Röthein).

Der Quadrant, le quart de cercle.

Das Quadrat, le carre parfait. (Le carre, das Viereck.)

Die Quart, la quarte.

Quarta, la qualrieme.

Das Quartal, le quartier, le trimestre.

Ein Quartband, un in-quarto.

Das Quai'tier (als Wohnung), le loge- ment. Der Quartiermeister (bei der Infanterie) , le sergent-four- rier; (bei der Cavallerie), le mare- chal des logis-fourrier. Der Quar- tierzettel, le billet de logement.

Die Quatembertage , les Quatre- temps.

Das Queue (beim Billard), la queue.

Quinta, la cinquieme.

Die Quinte, la chanterelle.

Die Quitte, le coing.

Die Quittung, la quittance.

Der Rabatt, le rabais.

Die Rabatte, la plate-bande.

Radiren, raturer. Das Radirmesser, le grattoir.

Die Rakete, la fusee. (La raquette, das ßallnetz.)

Das Rappier, le fleuret.

Rasiren, faire la barbe.

Die Rasur, la rature.

Der Recensent, le censeur.

Das Recept, l'ordonnance.

Die Reconvalescenten, le convales- cents.

Der Recrut, la recrue, le conscrit.

Der Redacteur (verantwortliche), le gdrant. (Les rddacteurs, die Mit- arbeiter.)

Das Referat, le rapport. Der Refe- rent, le rapport eur.

Reflectiren, reflechir.

Reflexiv, rdflechi.

Die Reformation, la' Reforme (reli- gieuse).

Die Regatta, les regates.

Die Regel de Tri, la regle de trois.

Das Regiment (:= Regierung, Re- gierungssystem), le regime.

Der Regimentstambour, le tambour- n)a,jor.

Der Regress, le recours.

Der Remittent, le remetteur.

Der Repetent, le repetifeur.

Die Repetiruhr, la montre h, rdpeti- tion.

Die Represalien, les represailles.

Der Resonanzboden, la table d'har- monie.

Die Restauration , Speisewirthschaft, le restaurant. (La Restauration, die Wiederherstellung des Königs- throns.)

Die Retirade, der Rückzug, la re- traite.

Reveille schlagen, battre la diane.

Die Rolle, le role.

Das Rondell, le rond-point.

Die Rosine, le raisin sec.

Das Rostral, la patte.

Die Rotte, la bände.

Das Rouleau, le störe.

Der Rubin, le rubis.

Ryssel, Lille.

Der Saffian, le maroquin.

Der Salat, la salade.

Der Sammt, le velours.

Die Scala, 'J'onjeiter, la gamma.

Das Scharnier, la charniere.

Die Schatulle, la cassette.

Seeiren, dissequer. Die Section, la dissection. (La section, die Ab- theilung; der Cötus.)

Der Secondelieutenant , le sous- lieutenant, le lieutenant en se- cond.

Secunde, la seconde.

Ein Sedezband, un in-seize.

Der Sellerie, le cdleri.

Das Semikolon, le point-virgule.

Sexta, la sixieme.

Der Shawl, le chäle, le cbache-nez.

Shuson, Samson. (Die Verschieden-

Miscellen.

465

heit beruht auf dem Fehlen der Vocalbezeichnung im Hebräischen.)

Solothurn, Soleure.

Der Sopran, le soprano.

Sortiren, trier.

Das Souterrain, le sous-sol.

Das Spatiuni, l'espaee.

Die Specialia, les particularites.

Die vier Species, les quatres regles, les quatre Operations.

Der Spectakel, le Tapage, le va- carme. (Aber ein Spectakelstück auf der Bühne, une piece ä spec- tacle.)

Der Speculant, le spdculateur.

Der Spediteur, l'expediteur.

Die Sportein, les ^moluments.

Das Staniol, le tain. (L'etain, das Zinn.)

Der Statist, le ßgurant.

Der Stil, le style.

Das Stipendium, la bourse. Der Sti- pendiat, le bouisier.

Die Stolgebühren, le droit d'etole.

Die Strapazen, les fatigues.

Ein Studium, une etude.

Der Subscribent, le souscripteur.

Subtrahiren, soustraire, faire la sous- traction.

Der Supercargo, le subrecargue.

Die Synode, le synode.

Die Synonymik, la synonymie. Der Synonymiker, le synonymiste.

Der Tact, la mesure, la cadence. (Le tact, das Gefühl, als einer der iunf Sinne, und der gesellschaft- liche Tact.)

Der Taflet (gespr. Taflet), le taff'etas.

Die Taille, le corsage.

Die Tapeten, le papier, la ffenture. Tapezieren, tendre de papier, ta- pisser. Der Tapezier, le tapissier.

Die Taste, la touche. Die Tastatur, les touches ; le clavier.

Tätowiren, tatouer.

Die Taxe, le taux. (La taxe du revenu, die Einkommensteuer.)

Der Taxus, l'if.

Das Tempo, le temps.

Das Tempus, le temps.

Die Tendenz, la tendance.

Der Tenor, la taille.

Der Termin, le terrae. Termin haben, avoir une audience, etre assignö.

Der Terpentin, la teräbenthine.

Tertia, la troisi^me.

Die Terz, la tierce.

Der Text (in der Musik) , les pa- roles.

Das Thema, le sujet.

Der Theologe, 1. le theologien; 2. l'c^tudiant en theologie.

Der Theoretiker, le thdoricien. Theo- retisch, theorique.

Die Tinctur, la teinture.

Der Trainknecht, le canonnier con- ducteur.

Tranchiren, decouper.

Der Trassent, le tireur.

Die Tratte, la traite.

Die Tresse, le galon. (La tresse, die Flechte, Haarflechte.)

Das Triennium, le cours triennal.

Das Turnier, le tournoi. Turnen, faire la gymnastique. Die Turner, les gymnastes.

Der Uhlan, le lancier.

Eine Uniform, un uniforme.

Ein Universalmittel , une panacee (volksüblicher als im Deutschen).

Das Vacuum, le vague de l'air.

Die Valuta, la valeur.

Der Vasall, le vassal.

Die Vegetabilien, les vdgetaux.

Das Ventil, la soupape.

Der Vers, le vers; (im Gesangbuch und in der Bibel), le verset. Ver- sificiren, versifier, mettre en vers.

Das Vesperbrot, le goüter. (Les vepres , der Nachmittagsgottes- dienst.)

Die Violine, le violon.

Das Visir, la visiere.

Die Visitation, la visite. (La Visi- tation, die Heimsuchung.)

Das Visum, le vidimus.

Der Vocal, la voyelle.

Der Walzer, la valse.

Die Weste, le gilet. (La veste, die Jacke; lat. vestis, das Kleid, Klei- dungsstück.)

Der Ysop, Ihysope (f.).

Der Zinnober, le cinabre.

Wenn Vorstehendes zugleich als ein Bild aus dem Leben der beiden Sprachen gelten darf, so wird sich in Uebereinstimmung mit dem beider- seitigen Volkscharakter unter anderm ergeben, dass wir Deutschen in unsre Kunst-, Geschäfts- und Umgangssprache weit mehr fremde Wörter in ihrer Archiv f. n. Sprachen. LIV. 3Q

466 Miscellen.

heimischen Tracht aufnehmen, der Franzose, durch seine Verwandtschaft mit Kum unter.stiitzt, dieselben viol öfter theils lautlich seinem Idiom assi- niilirt, theils wirklich übersetzt. Bei uns gehen auch zwar manche Ueher- setzungen von Fremdwörtern neben diesen sell).st lier, jedoch nur einzeln im Usus gleichberechtigt; grösstentheils gehören solche mehr der erklären- den Schulsprache als dem unmittelbaren Ausdruck des Lebens an. Was Potsdam, Max Moltke und Herr Stephan gegen das Eingebürgerte ver- mögen, ist abzuwarten. Im allgemeinen zeigt ja die Erfahrung, dass es schwer ist gegen den Strom zu schwimmen. Haben doch die orthographi- schen Neuerungsversuche der hochverdienten Gebrüder Grinnn bis jetzt an der Schriftgestalt unsrer Spraclie auch nur sehr Vereinzeltes geändert. Selbst Voltaire, seiner Zeit unbedingt der populärste Schriftsteller Frank- reichs, hat den Monat Auguste nicht durchgesetzt, trotzdem nicht bloss der alte und noch jetzt herrschende Name desselben mit andern Wörtern gleich klang, sondern das mi-aoüt an das Geschrei der Katzen erinnerte und am lö. August gerade die Himmelfahrt der Jungfrau Maria war. Jedenfalls darf der Lexikograph am wenigsten dem Sprachschatz gegenüber puristisch abschliessen, da es vielmehr seine Aufgabe ist mit möglichster übjectivität das Bestehende zu erfassen, wie es denn ganz besonders für die neueren Sprachen geboten erscheint überall von des Lebens goldnem Baume zu pflücken.

Prenzlau. Dr. Ehlers.

Englische Provinciali smen.

Der Werth, welchen die Kenntniss der Provincialismen für das Stu- dium der Sprache hat, ist unbestritten; ich erlaube mir deshalb hier einige Englische mitzutheilen, die man gegenwärtig in London gar nicht mehr hört, die sich dagegen im Hochdeutschen und Niederländischen nachweisen lassen.

crock = a bellied pot; wird u. a. in Somersetshire gehört. Allgemein sagt man wohl crockery für allerlei Thongefäss; das ist aber dann ein Coilectivum, das sich nicht leicht mit dem Artikel gebrauchen liess. Dieses Coilectivum hat nun grade die Niederländische Sprache wieder nicht; für crockery muss der Holländer potten en pannen oder aardewerk sagen, und sein kruik (Kru^) ist noch nicht einmal unser Provinciales crock. A crock soll eigentlich ein beliebjiges Thonge- fäss heissen ; another crock broke, würde die Somersetshire Haus- frau ausrufen, gleichviel ob es Teller, Schüssel oder Tasse wäre.

to lang =itore ach; lang it me hither:=hand it over tome (from some distance). Schade um dieses transitive reach, das jetzt nicht mehr gehört wird. Dagegen sagt z. B. die Köchin: l'll stand it on the hob, und in jedem Viertel Londons hört man den Shoe- black schreien: Shine yer boots, Sir! Shine yer boots! Im Niederländischen sind die \'erba langen und anlangen auch schon zu Provincialwörtern gewoiden; für letzteres sagt man schon ängeven, was doch nicht ganz dasselbe wäre. Die Niederländische Schriftsprache hat jedoch ein handlanger etwa im Sinne des vom Englischen slang heraufgehobenen bottle- holder verwahrt.

emmet-batch = ant-hill; für den Deutschen bedarf emmet = Ameise keiner Erklärung, ßatch gehört jedoch nicht im obigen Sinne gleich zu der Schrift- und Mundsprache; schon mehr zur letztern. Auch lässt es sich nicht leicht übersetzen.

Miscellen. 467

kincough := whooping cough; auch wird dies chin-cough gehört, und sollte dann eh ink -cough geschrieben werden wie sich aus dem Hochd. kink-husten und dem Nied. kink-hoest nachweisen Hesse. Chink, kink, whoop und sogar hie in hiccough (hiccup) sind wohl alle ono- matopoeen.

Litten = grave-yard; auch sagt man wohl Lychgate und giebt es Personennamen Lyndgate wie Litten, Litton und Lytton. Dieses Provincialwort ist eine philologische Curiosität. Leiche und Leichnam stellen beide im Hochd. den todten Körper vor; im Nied. jedoch ist lyk, cadaver und lichaam einfach Körper. Woher diese Abweichung? Das wird uns die zweite Sylbe sagen. Leichnam steht für Leichen- ham und ligchaam für lic-haam; denn das c und das h haben mit ein- ander nun einmal gar nichts zu schaffen, weshalb das g da auch nicht an Ort und Stelle ist. Noch eine ältere Bedeutung als cadaver und Körper hat das Wort lic, und das ist Fleisch; ham und haam bezeichnen hier eingeschlossen; das sind zwei Sprösslinge einer höchst fruchtbaren Mutter. So wäre dann das Nied. lic-haam durch Fleisch- Sack (Hem-d) zu übersetzen. Auch giebt es Wörter im Nied., wo sich das lik ausschliesslich in der historisch-primären Bedeutung zeigt. Gleich wie im Englischen iSlunde Lych zu Lydgate geworden ist, so hat der Holländer sein lik-teeken zum lid-teeken heruntergebracht. Ein Fleischzeichen ist seine Narbe, unser scar. Likdoorn ist wol ein zweites Beispiel.

L i d d e n ; wie sehr auch obigem Worte der Form nach ähnlich, hat die Bedeutung des Deutschen Lied, aber auch des Englischen story, oder besser tale. Ob es wirklich noch im Munde des Volkes fortlebt, wage ich nicht zu entscheiden. Mir ist Lidden aus einem Provincial-Wörterbuch mit der Jahreszahl 1825 bekannt geworden, und in einem halben Jahrhun- dert kann einem Englischen Wörtchen schon etwas passiren.

Weir = a pond; wird jetzt selten gehört. Familien Weir giebt es zwar verschiedene, und auf der Eton-Schule baden sich die Schüler im Weir, was da wohl kein Weiher sein wird. Der Belgische Gesandte van de Weyer verlebte fast sein ganzes Leben in London, und da wurde der Name ganz wie das Englische Weir (Hochd. wir) ausgesprochen. Wei- her ist Niederländisch vijrer und der Personenname lautet nicht anders van de Vijrer.

Wang tooth. Aus ganz natürlichen Gründen haben sich die alten Eng- lischen Provincialwörter mehr dem Niederländischen als dem Hochdeut- schen genähert. Wang wenn es wirklich dem Hochd. W an ge gleich steht sollte auf obige Re^el eine gewisse Ausnahme machen. Denn wang wird im Holländischen lange nicht so oft gehört wie das mir un- erklärliche koon. Was nun der Wang-tooth eigentlich sein soll, ist mir auch nicht klar; in literarischer Sprache haben wir double-tooth, wisdom- tooth (Niederl. kiezen?), jedenfalls leidet es keinen Zweifel, dass wang in wang-tooth dem Englischen cheek, jaw, jowl gleich steht.

Urchin; die Etymologie dieses Wörtchens (vom Französ. he rissen) kam mir immer zweifelhaft vor, bis ich kürzlich erfuhr, dass es im Norden Englands in jenem Sinne gebraucht wird. Was ist nun aber ein ur- chin? Ein kleines Kind (männlichen Geschlechts) könnte ich sagen. Bübchen aber kommt mir noch gar nicht wie urchin vor. Im Nie- derl. würde ich's mit kleuter übersetzen.

Soller-garret (?) loft (?). Dies Wort zeigt manche Sonderbarkeit. Das Niederl. zolder entspriciit dem Speicher, oder dem F'ranz. gre- nier. Diese zwei entsprechen wieder dem Englischen loft in dem Sinne wenigstens wo man altes Geräth aufbewahrt, denn wir sprechen auch (Sou) täglich vom organ-loft, und auf dem Lande durchgängig

30*

468 Miscellen.

von liay-loft (Nied. hooi-z ol der) ; über dem garret, eine Treppe hoher, haben wir sojiar noch den cock-loft. Vor zehn Jaliren rief mir ein deutscher Freund in Berhn zu: (ich schreibe phonetisch) „Dunner- wetter! hat der junge Herr schon hiicic die wiese Botz von de Löf je- hoUt?" (Mit unserin cock-loft dürfte man schliesslich das Niederl. hanebalkon vergleichen.)

Maund = basket wird noch in Suff'olk gehört; das Niederl. maud ist gar kein Provincialwort und der Holl. maudemaker findet sein Hand- werk in dem Englischen Familiennamen Maunder wieder.

Pollywiggle = tadpole == a young frog or toad. Was sollen wir hier aus tad, wiggle und pol machen? Ersteres AVort lässt sich am leichtesten mit toad, Engl. prov. paddock, Niederl. päd de und pade destoel (Champignons) vergleichen; wiggle sieht dem wriggl- ausserordentlich ähnlich, besonders wenn man weiss, dass unser e ars wig zugleich eine Provincial-Succursale im ear-wrig hat. Wie steht's aber nun um das dritte Wort? Im Norfolkshire heisst der Po ad auch pot-ladle, und im Niederl. hört man auch pot-lepel, nicht für den Frosch sondern einen ganz langen Löffel.

London. Dr. Alex. V. W. Bikkers.

I.

Giusto de' Conti,

Der Miscellancodex der Ambrosiana H 23 ord. sup. aus dem fünf- zehnten Jahrhundert enthält (wie der Fol. 13 stehende ,elenchus' sagt) unter Anderm ,alquanti sonetti e canzone di Giusto de' Conti'. Darunter steht auch Fol. 1 das im Folgenden mitgetheilte, welches ich in der Hauptaus- gabe der , Bella mano' des Dichters (\'crona 1753) eben so wenig finde als in den später zum Vorschein gekommenen ,Rime iuedite di Giusto de' Conti' (Florenz 1819). Bei der Kürze der mir zugemessenen Zeit war es mir nicht möglich mehr als dies eine Sonett abzuschreiben. Ich bemerke nur noch, dass es ganz im Tone der andern schon bekannten Gedichte Giusto's gehalten ist. Vom Leben des Dichters weiss man, so viel mir be- kannt, nicht viel mehr, als dass er in Rom geboren, in Rimini i. J. 1449 gestorben, dort in der Kirche San Francesco begraben und durch eine In- schrift Sigismund's Malatesta geehrt worden ist, worüber die Vorrede der Veroneser Ausgabe und Gregorovius, Geschichte Rom's VII, p. 613 zu ver- gleichen sind. Das Gedicht lautet so:

lo fo cum te, Echo, Tultimo lamento, Per dirte solo, che per soperchio amore L'alma tapina spira, il corpo more: Quanto po essere e in piu magior tormento

Struggo me a pocho a pocho e tal diuento, 6

Qual Meleagro al suo mortal furore. Dura la mia sembianza e'l mio dolore Simel a quel, che posto in monumento.

Ne piu tanto spirito omai mi resta

In questo extremo, de reger la uoce, 10

Che sempre fugi innanzi al duol acerbo.

Ma se misericordia non uien presta,

Morendo a stratio & cum le brace in croce Sarä questo de mei l'ultimo uerbo.

Miscellen. 469

Im Folgenden verzeichne ich die von mir geänderte Lesart der Hand- schrift: 1 teco 1 ultimo. 3 Lalma topina (das t kann auch für e ge- lesen werden). 4 e. 5 e. 7 el. 8 Ne. 14 sarra. lultirao. Die Interpunction ist überall erst von mir hinzugesetzt.

U.

Conclavenpoesie.

Der Miscellancodex G 286 ord. inf. der Ambrosiana enthielt, als er vollständig war, mehr als 750 Blätter, beute ist das erste 415, das letzte, 750, hat keinen Schluss. Er fängt an mit den Worten (f. 415 r.) ,re et gli oflrirono da parte della Signoria tutto quel seritio (sie) et accetto che po- tessero nelle terre loro, significando, che quella liepublica allegrata si era della sua felice venuta'. Dies Stück schliesst auf f. 428 v. mit den Worten: ,Finita questa dieta il Principe Filippo togliendo commiato dell' Imperadore suo padre, del Re, et Kegina sue zie, sene uenne in Italia, et per la via di Mantua, Milane, et Genova sene tornd in Spagna con le Galee del Doria'. Iralndex ist es bezeichnet ,Viaggio di Filippo 2d d'Austria da Spagna in Fian- dra Prenoipe et figlio di Carlo V per essere tale giurato da quei stati'. Die anderen Stücke, die er enthält, sind meist historische Auszüge und Hemer- kungen, hauptsächlich aus antiken Lateinischen Schriftstellern, besonders Plinius und Sueton. Auf fol. 587 v. jedoch und den folgenden finden sich vier unter sich in einem gewissen Zusammenhange stehende Spottgedichte auf das Conclave vom 14 März 1605, die ursprünglich an die Statuen des Pasquino und Marforio angeheftet waren, denn , solche Pasquinaden fehlten seither bfi keinem Conclave' (Gregorovius Geschichte Roms VIII p. 380). Die Wendung z. B. ,saria amico d'ogni Romano' (\'ers 19) erinnert an ein von Gregorovius p. 413 erwähntes: ,el fu nemico d'ogni Italiano'. Da sie nicht ohne historisches Interesse sind, so tbeile ich sie im Folgenden mit. Ich bemerke nur noch, dass ich die Interpunction meist erst hinzugesetzt habe. An Accentuation und Orthographie habe ich nichts geändert, ausser dass ich v und u, die unterschiedslos gebraucht sind, nach der heutigen Art unterschieden habe. Das erste Gedicht hat keine üeberschrift und be- ginnt so :

Lista delli Papi, che sono nominati, II quinto e il Verona,

E qui si vederan li venturati : Qual e tenuto per buona persona:

Ad uno ha da toccare : non fara niente.

Hör State ad ascoltare, Non volendo le creature di Cle-

che ve li voglio nominare. 5 mente. 25

II primo che e in capo di lista II sesto e il Sauli,

Si truona con ciera trista, Qual pagaria doi Pauli,

Per Como vien chianiato : che le tocasse questa Ventura,

Per questa volta non sarä gratiato. Per far mangiar la gatafura.

II secondo e il Medici Fiorentino, 10 II settimo ^ il Palotta, 30

Non e dover segua l'Aldobrandino Qual farä una bella botta:

Per che il gran Duca di Fiorenza Per questa mira ad alio,

Dice che per hora resti senza. Per essere creatura di Montaldo.

II terzo d il Pinello, L'ottavo e il Camerino,

Qual per non perder il cervello 15 Qual restera un poverino, 35

Si e ritirato in un cantoncello lui non vuol mancare,

A vedcr che tocchi a un fraticello. Che si vuol far ballottare.

II quarto e l'Ascolano. II nono e il Cardinale Gregorio

Saria amico d'ogni Romano, Qual saltafuorafuora del Refettörio,

Mk per essere frate dii Corretjgio, -jo Per Montelbero vien chiamato: 40

Non potria quasi dar in peggio. Questo potria essore gratiato,

470 Miscellen.

11 X. d il Glustiniano, . Per dar a qucsto e quello, ao

Non credo sani <la Christiano Volendosi vestire di i ietro il uian-

Per(i fii il tutti un baccia mano tello.

E' si tira dietro pian piano. 4r> 11 15 d il Baronio Teatino:

L'undecimo 6 il Taruggio La sua parte lia dato per nn quat-

Che niette tutti in confusio, trino,

e in la sedia voria sentare E mi detto un ("ontadino, es

Ma vi so dire, hauea che fare. che per hora resteni un nieschino.

II 12 e il San demente, so 11 16 e il Tosco:

Qual vien qua allegramente, se ben questo non lo conosco,

Come sard qua, non fora niente, Di I'atria si e Reggiano,

per che cosi 4 opinione della gente. Forse potria essere da Christiano.

II 13 e il Borghese, Questo vi dico di bocca d'un figliolo 70

Qual non sarä per questo niese, 55 che di tanti ne sarä un solo,

Li basta solo d'esser vicario E se per sorte no;i si san accor-

Gustando spesso questo latuario. dare,

11 14 San Marcello, Vi so dire che vi sarä da fare. Qual porta rose in un cistello,

Seguita un' altro.

Como: Lasso e stanco son giä carco d'anni, 75

Cessa Montaldo, hormai deh non piu guerra:

II stanco hör taglia alli giä orditi inganni. Baronio : La Palma sara tua, quando la croce

Ben portarai, nel resto dati pace,

Che apporti al gran uolere, troppo ti noce. so

Montelbero : Sopra il forte alefante mi sostengo,

Suol per vedere, quäl fin habbia la cosa,

Nodrendo il gran desio, quäl mai non spengo. Ascoli : Forse che io sia crudel, altri paventa,

o perche frate io fü, ogn' un ml sprezza: 85

Per cid veggio mia sorte in tutto spenta. Medici : Pietro, se sanar voi la tua gran piaga,

un medico eccte ti bisogna,

che sei e officio suo, non gia di maga. Verona: Per mi lasso non mai questo gioco, 90

Suol stö per disturbar gli altrui pensieri,

e ä piu d'un nero amico il luoco ho tolto. Sauli: Ogni mor bianco par che sia sospetto,

Ma spero co'l celar, con dolci inganni

Salir beato al general comspetto. 95

Camerino: Tal in scrutinio, che adorar non voglio.

Molto prometto, e chi roi crede e cieco,

et spargo hör piu velen di quel ch' io soglio. Palauicino : Rauca gia fatta ogni gran voce 6 fiocca,

Fino li putti, ohime, ti gridan spia: 100

Hör se credi salir, sei ben un ocha. Palotta: Tu sei Spagnolo, d'un brutto aspetto,

sei ancor Legista, perö altro ci vole

D'or, d la fede pura e'l cuor perfetto. Borghesi: Se premio meritd mai gentilezza 105

Humil parlare, cortesi afl'etti 4 santi,

Merita il mio Borghese ogni grandezza.

Miscellen. 471

Sforza Sto. demente: Ognl sbirro fii odioso e senza honore:

Hör tu, che altro mestiero giamai facesti,

Ti credi esser d'altrui capo e signore? HO

Bianchetti: Alle celesti e pure sbarre hör credi

Acquila altera : il gran caro iiipote

La Stella co'l Leon humil ti chiedi. Mantna: Hör si vedran le Leggi ch' hai secure,

che ti gioua Taver studiato tanto, ii

che sappi ben trattar di conietture. Avignone: Ancor che buono, hai molti impedimenti,

Assai bramano includerti al gran segno,

ii, Nepoti tuoi son li escludenti. Tosco: A testa scinta e simulata fede 120

AI' esperienza de' passati inganni

Sappi, che puochi e forsi alcun ti crede. Zachei : Speri pur, che la rosa habbia a fiorire

Ol can la guasta, e questo haura la palma

Contro il Leon, che cid non puo soff'rire. 12

Serafino: II gran Giglio ti honora e ti desia,

E molta brama su la gran sede porti,

Ma vieta il gran Guevara opra si pia. Sanesla : corae forse gia esperto e saggio niolto,

Agiusta hör il corapasso con gli huruori, 130

e che difierente il cuor la lingua il volto. Agachia : Se dodeci anni prima fusti nato,

Col puntel, che tii hai dal tuo signore,

Duliito che non giungesti al gran papato. Manopoli : Lasciasti l'humiltä sol grata a Dio 135

Per la gloria mondana, her questo fia,

che la sedia ti leva al parer mio.

Seguita il Terzo.

Voi che sete nel conclave, far il meglio vi esorto.

Per (iispor die quelle chiave, 140 Se farete quel da Como, Con la quäl si lega e scioglie E maturo come il pomo

Deh, unite vostre voglie E in periglio di cascare, les

Non spendete il tempo in vano undi hauerete ancho da fare.

Reponetele pur in mano Di Fiorenza vi vo' dire :

Di soggietto, che sia degno 145 Egli e degno ma segiiire,

Ministrar un tanto regno. Dietro ad un altro Fiorentino :

Non guardate a Francia, e Spagna A questo nega il buon Pasquino. 170

Men' ii quel delT Alamagna Dal Verona buono e dotto,

Fate un pajia a vostro modo. non oocorre farne motto,

che ciö far io vi lodo, 150 Che non cheren' Venetiani

Per tenere la libertate che un de suoi "rega Romani,

Della chiesa in Maiestate, Perche intende ch' il Palotta 175

Che han a far con voi costoro? corre lanza ä tutta^botta :

Son Patroni de Regni loro. Se vi piace di far questo

Deh ss"- Cardinali, 155 Non tardate.'fatte presto.

Rimirate quanti mali Son duoi frati dadovero,

Pateria la santa chiesa, che son degni dell' Impero: leo

8e tardate questa imprcsa. voi fareste un colpo hello,

Gia, che hauete i pretendenti Se faceste questo d qnello:

Et aciö non si lamenti ico Uno 6 il frate;di_Coreggio, ch' ad alcun si facciu torto, Correggion 4 l'altro, ve dico :

472 AJiscellen.

Ambeduoi suggiettl rari 1^5 Goiiernam noi la mancia.

che in saper lian poclii pari. Dove lascio Canierino,

Se volete uii Milanese Tutto humano, tutto divino:

Ecco il Piato, clie 6 cortese, Questo si, sarebbe buono 201

Mh vi aviso che egli e pieno E terebhe tutti in tuono,

Di parcnti sin in seno. loo Ma io temo et ho paura,

Se il Sfondrato fusse vecchio, che per essere creatura

Io direi di porlo in seggio Di Montaldo nol' faranno,

con un patto eh' il tesore che i Clemeiitini nol' vorranno. 2i(

Rifiiccsse di quell' oro. E per dirvi il niio parere,

Che direm' de Genouesi ? 195 Non e anche il dovere

Sono ne tutti pretesi che si faccia un Clementino,

Ma niun non ne faria Si che escludo il Capucino,

Perche son di Liguoria. Äla se il Sforza e se il Farnese 2V

Men' farai un tramontano, E Montaldo in tal impn'se

<he sarebbe un dagli in mano 200 Han mostrato il suo valore,

Di tener la sedia in Francia: Her Io mostreran di buon cuore.

Quarto. Marforio.

Pasquino tu taci, ahime, ma la novella 220

Dinii; che fanno i Preti in Vaticano

Cosi rincbiusi? a chi darano in mauo

11 scetro deir anticha Pastorella? Marforio mio, se la discordia e quella,

che ogni disegno mio mi rende vano, 225

Tacio, non parlo <S a guisa di fagiano

II capo ascondo al son di Campanella. Dico bene, che quattro in un gropello

Corrono la lancia da buon cavaglieri.

La discordia non vole questo ne quelle, 230

De quali il Piato e sul tavogliero, Verona e Montaibero vecchiarelli,

il Palotta sene il primero

E Como pensiero

Farsi Papa per forza ö per amore: 235

Tanto sprona il desio dell' honore. Siehe mi trema il core

Che col discordo uolere uno ne dia

co'l quäle non potrd dir la ragion mia,

Im P^olgenden gebe ich die Lesart der Handschrift: 3 toccora, das a aus etwas undeutlichem verbessert. 7chiera. 14 Pinello hat die MS, nicht Pinelli. 28 tocasse sie 33 Montaldi (das i ohne I-stricb) 49 e in hauea kann auch für / gelesen werden. 57 latuario sie mit einem t. 58 Marello. 63 datto. quatino. 81 Diis erste a in alefante kann auch für 0 gelesen werden. 87 Medici Pietro ohne zu interpun- giren. 93 bianeo, das e undeutlich. 95 comspetto sie. 99 Paravicino. Rauea 102 Palotta sie mit einem /. 104 etwa d'oro: la? 104 el. 106 effetti. 111 sbare. 116 conieture. 120 scinta kann auch sciuta gelesen werden und stünde dann für sciutta? 123 Der Name Zach ei kommt unter den 60 Cardinaelen, welche nach (Leti's) ,Conclavi de' Pon- tefici Komani 1667' p. 453 ,entrarono . . . . k di 14 Marzo nel conclave', nicht vor; doch werden in diesem ^'erzeichniss die Cardinaele bald mit ihrem Familiennamen (wie Borghese, Borromeo), bald nach ihrer Titular- kirche (wie San Pietro in Vincola), bald nach ihrem Bischofsitz (wie Como,

Miscellen. 473

Fiorenza) genannt eben so wie in unseren Gedichten. 123 habbi. 124 Ol, das O kann auch für I gehalten werden. 127 b in brama verbes- sert aus p. 127 molti. 128 Gueuara nach L. von Ranke's ^'ermuthung, der ihn für einen Spanischen Beamten in Neapel erklärt: Gueuata die Handschrift. (Ich sehe jetzt, dass ein Don Antonio di Gueuara schon im Anfang des 16. Jahrhunderts Vicekönig von Neapel war. Gregorovius VIII b2.) 130 u in humori aus o verbessert. 132 In Agachia kann das erste a auch für o gelesen werden: ursprünglich stand u da. 133 pontel. 162 essorto. 1C7 uo. 173 cheren. 181 vuoi faresti. 182 facesti. 188 Hei Leti heisst er Platte. 194 Zuerst stand, wie es scheint, loro da. 195 diren. 196 n in ne zweifelhaft. 1 97 farea, aber über dem e der I-strich. 200 In dagli zwischen a und g etwas ausgestrichen. ininiano. 212 anch'. 221 fano verbessert aus faune, 227 asconde. 229 corono. 237 corre. 239Etwafia?— Die Interpunktion am Ende scheint zu zeigen, dass der Schluss fehlt.

Berlin. Franz Eyseenhardt.

Geehrter Herr Doctor Asher.

In Ihrer freundlichen Beurtheilung meines Practical Dictionary in Herrig's Archiv ersehe ich Einiges, worüber Sie mir wol in aller Eile ein Wort der Erläuterung gestatten.

Erstens sind „Massgebend" und „sich freuen auf" nicht weg- gelassen, wenn auch das erstere der leidigen Raumersparniss wegen nicht als selbständiger Artikel, sondern unter dem Worte Mass sich ver- steckt Dann aber lässt Ihre Zusammenstellung des von mir blos aus Rück- sicht auf Byron aufgenommenen Anlace mit dem bei Lucas vorfindlichen Artikel den Schluss zu, als sei hier aus Lucas entlehnt, was nicht im Ent- fernt'sten der Fall ist: ich möchte um Alles in der Welt nicht dem als lexikalischer Ausschreiber vielleicht unerreicht dastehenden Lucas sein Hand- werk nachahmen, namentlich schon deshalb nicht, weil er sowol meines Vaters, als mein Buch in schonungslosester Weise geplündert hat. Es ist wol endlich einmal an der Zeit, auf diesen Umstand hinzuweisen, da Lucas trotzdem, dass er eben nur völlig kritik- und gedankenloser Compilator ist, eine Autorität erlangt hat, welche seinen Vorgängern, aber nicht ihm gebührt. Dass in Deutschland diese Verhältnisse so lange halb unbekannt geblieben sind, hat ganz äusserliche Gründe; die bedeutenderen englischen lexikalischen Werke sind theuer, die Wenigsten schaffien sich mehr als ein Hauptwerk an, eine eingehende Vergleichung ist vielleicht überhaupt noch nicht unternommen worden; und da Lucas ganz naiv mit keiner Silbe erwähnt, welche Quellen er benutzt hat, gilt er nun selbst als Quellen- erschliesser. Er lobt zwar ganz beiläufig die Namen derer, welche er in ganz colossaler Weise ausschreibt, aber ihre Werke sowie seine Ausnutzung derselben berührt er eben mit keinem Worte. Beweise, nicht blosse Vermuthungen dieser Ausschreiberei finden Sie bis auf die den besten Fingerzeig gebenden Druckfehler auf jeder Seite des Lucas; ich will je- doch nur einen weit längeren Artikel hier anführen, und zwar vollständig aus dem Gedächtniss, da ich mein Ex. des englischen Theils von Lucas im Augenblick verliehen habe den Artikel Sir, welcher (wie viele andere) in seiner ganzen Länge (etwa eine Columne) aus meines Vaters Complete Dictionary abgeschrieben ist, jedoch wie's scheint, aus der 2. Aufl.; denn mehrere von mir stammende Zusätze in der 3. Aufl. (ich erinnere an das

474 Misceüen,

seltsame Sir, womit Dickens sogar ein Gespenst anreJen lässt) sind nicht berücksichtigt.

Was aber mein von Ihnen mit so freundlicher Gesinnung berücksich- tigtes Practical Dictionary anlangt, so bitte ich nur z. B. folgende von mir zuerst, (1. i bereits in lier ersten Aufl. (1852) aufgenommene Artikel zu vergleichen : Vormärzlich, Vorparlament, Zündnadelgewehr, Zuwartende Po- litik und viele andere, welche Lucas eben con amore, wie wir in der Schule sagten, „abgespellt" hat. Andere Wörter dagegen (wie Briefmarke, Ilinter- ladungsgewehr, Panzerschill", Pfahlbimten , Kecommandirt [von Briefen], Rentenbrief, Rückzahlbar u. s. w.), welche zum Theil ihre Bedeutung erst nach dem Erscheinen der ersten Aufl. meines Pract. Dict. erlangten und welche ich daher erst in späteren Auflagen aufnahm, finden sich bei dem nur in gewissen „Quellen" forschenden Lucas nicht, sind aber jedenfalls be- stimmt, dereinst eine „spätere" Auflage seines Buches „vermehren" zu helfen.

Die schmählichste Ausschreiberei des Lucas jedoch betrifft seinen eignen Landsmann Halliwell, dessen bekanntes Dictionary of Archaic & Provincial Words, zwei starke Octavbände, er von A— Z aufnimmt, ohne auch nur mit einer Silbe dieses bedeutende Werk oder seinen Verfasser zu erwähnen! Dies geht fast über Grieb, welcher (nachträglich gestän- diger Massen) meines Vaters „Kaufmännisches Wörterbuch", einen starken Octavband, bodily in sein Wörterbuch aufgenommen bat und anfangs im süssen Bewusstsein einer guten That dies hübsch geheim halten zu müssen und zu können wähnte. Erst die neuere englische Lexikographie in Deutsch- land beginnt diese Räubermanier zu verschmähen. Sowol Stratmann's verdiensthche „Lexikalischen Beiträge", als Hoppe's ausgezeichnetes „Supple- ment-Lexikon" nennen äusserst gewissenhaft alle ihre Quellen und können dies auch unbesorgt aus einem einfachen Grunde: weil sie selbst genug des Eigenen bieten. Auch sogar einige von mir vor Jahren in diesem Ar- chiv gelieferte Lexikalische Beiträge sind von Hoppe mit steter gewissen- hafter Nennung des Namens entlehnt worden. Dagegen möchte ich bekla- gen, dass sowol Stratmann, als Hoppe oft secundäre Quellen anführen, des Urquells aber nicht gedenken. Mit Recht rügt Hoppe z. B. das Unzuläng- liche der Lucas'schen Erklärung eines in der neueren Literatur häufigen Wortes: Area (als eigenthümhcher hofartiger Vorraum vor englischen Häu- sern); er bemerkt richtig, dass uns ein Wort fehlt, weil die Sache bei uns nur selten vorkommt, und gibt sodann eine eingehende und wie alle seine Erklärungen solcher Wörter erschöpfende und interessante Erläuterung nebst den Zusammensetzungen area-railings, area-steps: trotzdem konnte dieser Artikel wenigstens als nothwendiges „Supplement" zu den bisherigen Wörterbüchern wegbleiben, da bereits 15 Jahre vor dem Erscheinen seines Werkes eine vollständig genügende Erklärung von Area nebst Zusammen- setzungen (auch area-gate, was H. nicht anführt) sich in meinem Practical Dictionary fand.

Um jedoch nicht den Raum eines Briefes und einer sachlichen Richtig- stellung zu überschreiten, schliesse ich als Ihr hochachtungsvoll ergebener

Leipzig, 24. April 1875. Dr. Felix Flügel.

Aufgefundenes Citat.

'&

Auf meine Frage, wo Young von der Sonne sage: „es wäre Sünde in den Heiden gewesen, sie nicht anzubeten" antwortet Dr. Box- berger (Bd. 54. pag. 112 des Archivs), es sei wohl die Stelle aus der neun- ten Nacht der „Nachtgedanken" gemeint, welche mit den Worten be- ginnt: „reinflam'd Thy Luminaries triumph, and assume Divinity themselves,'*

Miscellen. 475

Ich konnte nicht leugnen, dass in Bezug auf den Sinn dieses Citat vollständig zutrifft; ich wusste aber auch, dass Lessing so nicht zu citiren pflegt. Deshalb suchte ich nochmals und habe nun die Stelle gefunden. Sie steht in Young's Poem of the last Day. Buch 1. Vers üO. Dort heisst es von der Sonne:

yet niyriads grace

With golden pomp the throng'd ethereal space; brighf, with such a wealth of glory stor'd, 'Twere sin in Heatiiens not to have ador'd.

Danzig. Dr. Cosack.

Bibliographischer A nzeiger .

Allgemeines.

B. Delbrück, Das Sprachstudium auf den Universitäten. Praktische Rath-

schläge für Studirende der Philologie (Jena, Dufft ) 60 Pf.

A. Dietrich, Ueber den deutschen Unterricht in Gymnasien. (Jena,

Duflt.) 2 Mk.

F. Glauning, Der französische Schulunterricht und das nationale Interesse.

(Nördlingen, Beck.) 1 Mk. 40 Pf.

N. Ruffner-Casper, Das Englische als Universal-Sprache der Zukunft.

(Chur, Gsell.) 95 Pf.

Oeffentl. Vorträge geh. in der Schweiz und hrsg. unter Mitwirkung von

Desor, Hirzel, Kinke etc. (Basel, Schweighauser.) 3. Bd. 4. 7. Heft.

3 Mk. 80 Pf. Herrn. Paul u. Wilh. Braune, Beiträge zur Geschichte der deutschen

Sprache und Literatur. 2. Bd. 2. Heft. (Halle, Lippert.) 3. Mk. 60 Pf.

Lexicographie.

K. Schiller u. A. Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch. 9. Heft. (Bremen, Kühtmann.) 2 Mk. 50 Pf.

K. Wander, Deutsches Sprichwörter-Lexicon. 53. Lfrg. (Leipzig, Brock- haus.) 2 Mk.

C. Sachs, Encyclopädiches Wörterbuch der franz. u. deutschen Sprache.

n. Thl. Deutsch-franz. 5. Lfrg. (Berlin, Langenscheidt.) 1 Mk. 20 Pf.

Grammatik.

K. Schrader, Ueber den syntactischen Gebrauch d. Genitivs in d. gothi-

schen Sprache. (Göttingen, Vandenhoeck u. Ruprecht.) 1 Mk. 50 Pf. H. Rückert, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache, l. Bd.:

Die Gründung der neuhochdeutschen Schriftsprache. (Leipzig, Weigel.)

7 Mk. W. Schlüter, Die mit dem Suffixe ja gebildeten deutschen Nomina.

(Göttingen, Deuerlich.) 4 Mk. 50 Pf.

Die altfranzösischen Praepositionen. L Abthlg. Od, par, en, enz, denz, dc-

denz, parmi, enmi. Von Dr. G. Raithel. (Göttingen, Dietrich.) 1 Mk.

Literatur.

Ed. Grisebach, Die deutsche Literatur 1770 1870. Beiträge zu ihrer Gesch, m. Benutzung hdschrftl. Quellen. (^'^ ien, Rosner.) 6 Mk.

Bibliograpliiscber Anzeiger. 477

J. Scherr, Allgemeine Geschichte der Literatur aller Völker des Erd- kreises. 5. Aufl. 5.-7. Lfrg. (Stuttgart, Conradi.) k Heft 1 Mk.

Ph. Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied. 46. u. 47. Lfrg. (Leipzig, Teubner.) a. 2 Mk.

Die Klage m. vollständigem kritischen Apparat u. ausführl. Einleitung hrsg. V. A. Edzardi. (Hannover, Rünipler.) 10 Mk.

Heinrich v. Neustadt: ApoUonius. Von Gotes Zuokunft. Im Ausz. m. Einl. u. Glossar hrsg. v. Jos. Strobl (AVien. Braumüller.) 8 Mk.

Kudrun, Schulausgabe m. Wörterb. v. K. Bartsch. (Leipzig, Brock- haus.)

W. Berblinger, Das Hotel Rambouillet und seine culturgeschichtliche Be- deutung. (Berlin, Calvary.) 1 Mk. 20 Pf.

C. Hebler, Aufsätze über Shakespeare. 2. Ausgabe. (Dalp'sche Buch- handlung, K. Schmidt in Bern) 3 Mk. 20 Pf.

Baumgarten, John Milton und das verlorene Paradies. (Coburg, Sendel- bach ) 1 Mk. 50 Pf.

Mich. Walsh, Lord Bacon. (Leipzig, Hinrichs.) 1 Mk.

Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, herausgegeben v. K. Elze. 10. Jahrgang. (Weimar, Huschke.) 9 Mk.

C. V. Dalen, Grundriss der Geschichte der englischen Sprache und Lite- ratur. (Berlin, Langenscheidt ) 75 Pf.

Collec9äo de autores portuguezes. Tomo VL Inhalt: As pupillas do Snr. Reitor. Chronica da Aldeida por Julio Deniz. 3 Mk. 50 Pf.

Die National-Literatur der Skandinavier. Anthologie m. krit. u. biogr. No- tizen hrsg. V. A. E. Wollheim. 8. u. 9. Lfrg. (Berlin, Hempel.) a 1 Mk.

Bibliothek slavischer Poesien in deutscher Uebersetzung. Red. v. Jos. Wenzig. I. Bd. Böhmische Volkslieder. (Prag, Urbanek.) 1 Mk.

Hilfs buche r.

J. Zupitza, Einführung in das Studium des Mittelhochdeutschen. Zum Selbstunterricht. (Oppeln, Reisewitz.) 2 Mk.

W. Braune, Althochdeutsches Lesebuch, mit Glossar versehen. (Halle, Lippert.) 4 Mk.

T. Hafner, Die poetischen Stücke des revidirten evangelischen Lesebuchs f. d. würtemb. Volksschulen. (Stuttgart, Rupfer.) 1 Mk.

O. Steinbrück, Der erste Unterricht im deutschen Aufsatz. (Langen- salza, Verlags-Comptoir.) 40 Pf.

A. Benecke, franz. Schul-Grammatik. 1. Tbl. 6. erweit. Aufl. (Pots- dam, Stein.) 2 Mk.

J. B. Peters, Uebungs-Aufgaben z. Uebersetzen aus dem Deutschen ins Französische. (Halle, Gesenius.) 90 Pf.

Toussaint et Langenscheidt, CJoup d'cßil sur le developpement de la langue et de la littärature franc;. a l'usage des classes supdrieures. (Berlin, Langenscheidt.) 75 Pf.

A. Graeter, Outlines of the history of english literature, arranged as exercises in translating, paraphrasing & reciting for the use of germ. students of the engl, language. (Basel, Bahnmaier.) 1 Mk. 80 Pf.

G. Boyle, Englische Aufsätze. Nebst einer theoretischen Anleitung und 170 Dispositionen zum Anfertigen derselben. (Wiesbaden, Gestewitz.)

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Armin Schäfer, Lehrbuch der italienischen Sprache. 2. Tbl. Sprach- lehre nach wissenschaftl. Principien. (Paderborn, Schoeningh.) l Mk. 30 Pf.

Jos. Rank, Kurze Uebersicht der böhmischen Sprache u. Rechtschreibung. (Prag, Bohemia.) 20 Pf.

Verzeichniss der Vorlesungen

an der Berliner Akademie für moderne Philologie. Wintersemester 1875/76.

Allgemeine und historisch vergleichende Sprachwissenschaft mit be- sonderer Berücksichtigung der neueren Sprachen und prak- tischen analytischen Uebungen. Montag, Dienstag und Frei- tag von 5 6 Uhr. Dr. F. Techmer.

Historische Grammatik der deutschen Sprache. I. Theil. Formen- und Lautlehre. Montag, Mittwoch, Donnerstag und Sonn- abend von 2 3 Uhr. Dr. W. Begemann.

Leetüre ausgewählter Stücke nach dem althochdeutschen Lesebuche von W. Braune. Mittwoch von 3—4 Uhr Dr. W. Bege- mann.

In der deutschen Gesellschaft: Leetüre des Iwein nach Benecke-Lach- mann und kritische Uebungen, in besonders zu verabredenden Stunden. Dr. W. Begemann.

Angelsächsische Uebungen mit Erklärung des Beowulf. Montag und Donnerstag von 6 7 Uhr Dr. Zernial.

Shakespeare's Hamlet (Act III. bis zum Schluss) wird am Montag und Donnerstag von 2 3 Uhr erklären Prof. Dr. Leo.

Sheridan's School for Scandal wird am Mittwoch und Sonnabend von 6 7 Uhr erklären Prof. Dr. Hoppe.

The English Poets from Young to Gray. Montag und Donnerstag von 7—8 Uhr Prof. G. Boyle.

Ausgewählte Abschnitte aus Chaucer's Canterbury Tales wird am Donnerstag von 3 4 Uhr erläutern Dr. Th. Vatke.

Historische Grammatik der englischen Sprache, IL Theil: Syntax, wird am Sonnabend von 4 6 Uhr vortragen Director Dr. I. Schmidt.

Die englische Lautlehre behandelt am Montag und Donnerstag von 2—3 Uhr Prof. Dr. van Dalen.

Vorlesungen der Akademie für moderne Philologie in Berlin. 479

Exercises in English style. Donnerstag von 3 4 Uhr unter Leitung von Mr. W. Wright.

Uebungen in freien Vorträgen in englischer Sprache werden am Sonn- abend von 2 3 Uhr geleitet von Mr. W. Wright.

Die Syntax der französischen Sprache wird am Donnerstag von 5 7 Uhr vortragen Dr. Goldbeck.

Französische Aussprache mit physiologisch -historischer Begründung. Dienstag von 5 6 Uhr Dr. A. Benecke.

Praktische Uebungen in der französischen Aussprache. Dienstag von 6 -7 Uhr Dr. A. Be necke.

Exercices de style fran9ais. Mittwoch von 4 5 Uhr unter Leitung

von Prof. A. Pariselle. Uebungen in freien französischen Vorträgen werden am Donnerstag

von 4 5 Uhr geleitet von Dr. Burtin. Einführung in das Studium des Altfranzösischen, mit praktischen

Uebungen nach der Chrestomathie von Bartsch (IL Ausg.).

Montag von 3 5 Uhr Dr. Scholle. Mittelfranzösische Sprachproben werden am Montag von 3 5 Uhr

etymologisch erläutert von Dr. G. Lücking. Ausgewählte Abschnitte aus dem Pantagruel von Rabelais wird am

Mittwoch und Sonnabend von 3 4 Uhr erklären Prof. Dr.

H e r r i g.

Histoire de la litterature fran^aise. Dienstag und Mittwoch von 5 6 Uhr Mr. Mar eile.

Moliere's Tartufe wird ara Dienstag und Freitag von 6 7 Uhr inter- pretiren Dr. P. Crouze.

Proveuzalische Grammatik (Lautlehre und Formenlehre) wird Diens- tag und Freitag von 6 7 Uhr vortragen Prof. Dr. Mahn.

Proveuzalische, lyrische und epische Gedichte wird Dienstag und Freitag von 7 8 Uhr erklären Prof. Dr. Mahn.

Dante's Inferno erklärt Mittwoch und Sonnabend von 5 6 Uhr Dr. H. Buchholtz.

Italiänische Grammatik mit praktischen Uebungen. Mittwoch und Sonnabend von 6 7 Uhr Dr. H. Buchholtz.

Italiänische Grammatik (Lautlehre und Formenlehre) mit Erklärung der Promessi Sposi von Manzoni wird am Mittwoch und Sonnabend von 6 7 Uhr vortragen Prof. Dr. Mahn.

Die Grammatik der spanischen Sprache, I. Theil, wird am Montag und Freitag von 6 7 Uhr vortragen Dr. P. Foerster.

Ausgewählte Abschnitte aus Cervantes wird am Montag und Freitag von 7 8 Uhr interpreliren Dr. P. Foerster.

Die Grammatik der dänischen Sprache lehrt am Mittwoch und Sonn- abend von 3 4 Uhr Dr. Rauch.

480 Vorlesungen der Akademie für moderne Philologie in Berlin.

Grammatik der schwedischen Sprache mit praktischen Uebungen.

Montag und Donnerstag von 3 4 Uhr Dr. von Norden-

.skj öld. Tegner's Frithjofssage wird am Donnerstag von 4 5 Uhr erklären

Dr. von N Ordens kj()ld. Pi-aktische Uebungen im Unterrichten werden in zu verabredenden

Stunden geleitet von Prof. Dr. Herrig.

PB Archiv für das Studium 3 der neueren Sprachen

A5

Bd.5A

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